Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur: Lexikon etymologischer Dubletten im Deutschen 3110174707, 9783110174700

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Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur: Lexikon etymologischer Dubletten im Deutschen
 3110174707, 9783110174700

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Boris Paraschkewow Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur

Boris Pa rasch kewow

Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur Lexikon etymologischer Dubletten im Deutschen

W G DE

Walter de Gruyter Berlin/New York

@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-017469-3 (geb.)

ISBN 3-11-017470-7 (brosch.)

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© Copyright 2004 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin

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Library University of Texaa at San Antonio

Meinem Doktorvater Professor Dr. Rudolf Große anlässlich seines 80. Geburtstages gewidmet

Besonders wichtig erscheint aber gerade in der Gegenwart die Betrachtung der von Bodmer zuletzt genannten Kategorie, wo im Deutschen an Stelle eines einzigen Wortes der älteren Zeit später mehrere Wörter erscheinen: der deutschen Doppel- oder Zwillingswörter. Otto Behaghel Heidelberg, den 7. März 1878

Inhalt Vorwort

ix

Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung

Abkürzungen und Zeichen Literaturverzeichnis Wörterbuch

xxv

xxix

i

Alphabetisches Zugriffsregister

401

XV

Vorwort Da im Bereich der deutschsprachigen Lexikographie (und nicht nur dort) keine nach der Art dieses Lexikons angelegten Nachschlagewerke existieren, ist zunächst ein kurzer Überblick darüber angebracht, wie in den herkömmlichen etymologischen Wörterbüchern der Wortschatz behandelt wird, der den Kern des vorliegenden Werkes bildet, und worin sich dieses von jenen unterscheidet. Im einleitenden Teil von E. Wasserziehers »Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache« findet der Benutzer im Rahmen einer einfallsreichen Gliederung des Wortschatzes u.a. zwei, unter dem Titel »Form und Verwandtschaft« aufgeführte Wortlisten: a) Wörter, die trotz verschiedener äußerer Form zusammengehören, und b) Wörter, die trotz gleicher oder ähnlicher Form nicht zusammengehören. Gemeint ist freilich die etymologische Zusammenund Nicht-Zusammengehörigkeit, wobei die Letztere sowohl anhand von homonymen Wortpaaren wie Ball1 - Ball2, Degen1 - Degen2, Hamen1 - Hamen2, Kater1 - Kater2, kosten1 - kosten2, Reif1 - Reif2 als auch von auf den ersten Blick wie Ableitungen anmutenden Bildungen wie abluchsen - Luchs, anberaumen Raum, derb - verderben, Ruhe - geruhen anschaulich gemacht wird. Die Untergruppe der äußerlich verschiedenen, etymologisch aber zusammengehörenden Wörter enthält zum einen einheimische und übernommene Ableitungen jeder Art wie etwa Aas - essen, applaudieren - Explosion, Auge - ereignen, kommen - bequem, Makler - machen. Zum anderen handelt es sich um Wortpaare wie Bollwerk - Boulevard, Libelle - Niveau, Magister - Meister, Ministerium Metier, Parabel - Parole, Siesta - Sexta, Sopran - Souverän, bei denen die etymologische Analyse ein und dieselbe Vorform als Ausgangspunkt erschließen würde. Weitaus zahlreichere Belege für die zweite Untergruppe bietet die wortgeschichtlich und wortbildungsmäßig gleichfalls inhomogene Wortliste »Doppelformen (Zwillingswörter)«. Das ist eine Zusammenstellung von Wörtern, deren Auswahl durch folgende, vom Verfasser resümiert dargestellte Erläuterungen motiviert ist: Nebeneinander eines schrift- oder hochdeutschen Wortes und einer mundartlichen, besonders niederdeutschen Form (etwa Schacht ne-

Meinem Doktorvater Professor Dr. Rudolf Große anlässlich seines 80. Geburtstages gewidmet

Besonders wichtig erscheint aber gerade in der Gegenwart die Betrachtung der von Bodmer zuletzt genannten Kategorie, wo im Deutschen an Stelle eines einzigen Wortes der älteren Zeit später mehrere Wörter erscheinen: der deutschen Doppel- oder Zwillingswörter. Otto Behaghel Heidelberg, den 7. März 1878

XII

Vorwort

sie in der lexikologischen Praxis weder terminologisch einheitlich gekennzeichnet noch gesondert vorgeführt. Auf ihre eigenartigen Beziehungen zueinander macht man in Nachschlagewerken meist durch Formulierungen wie »damit identisch ist...«, »gleicher Herkunft ist ...«, »dasselbe (Wort) wie ...«, »das gleiche Wort wie ...« oder durch Umschreibungen anderer Art aufmerksam. Das bedeutet, dass der Großteil der Doppelformen, die ich etymologische Dubletten nenne, im Grunde genommen lexikologisch und lexikographisch identifiziert sind und dass sie in der einschlägigen Literatur je nach den Gesichtspunkten der Autoren entweder gruppiert oder lemmatisiert, zum Teil aber auch zusammenhanglos, vielfach nicht besonders gekennzeichnet vorliegen. In den 8oer Jahren des vorigen Jahrhunderts kam ich auf den Gedanken, dass es nicht abwegig wäre, häufig, aber nicht immer durch Verweise verknüpfte, derivativ weder voneinander abhängige noch divergierende, sondern sich spontan auseinander entwickelte Erb- und Fremdwörter im Deutschen zu ermitteln, ihre etymologische Zusammengehörigkeit zu überprüfen und sie jeweils in Stichwörtern zusammengeführt und mit knappen sprach-, wort- und kulturgeschichtlichen Angaben versehen - dem lexikologisch Interessierten zu präsentieren. Die von J. J. Bodmer aufgeworfene und von O. Behaghel aufgegriffene Idee, eine Liste von Wörtern anzufertigen, »die durch die Buchstabierart ein so verschiedenes Ansehen gewonnen haben, daß man eines derselben fyr zwei, drey und mehrere genommen und gegeben hat«, ginge dadurch endlich in Erfüllung, und zwar in Gestalt eines Lexikons: einer Darstellung solcher einfachen, abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter und Namen im Deutschen, die etymologisch identisch sind oder aus etymologisch identischen Morphemen bestehen. Somit ist das vorliegende Lexikon ein Versuch, an den deutschen Wortschatz unter einem besonderen Gesichtswinkel heranzugehen und das darin herkunftsmäßig Identische aufzudecken. Die zusätzlichen Kriterien und Grundprinzipien, die Schritt für Schritt ausgearbeitet wurden und von denen sich die Realisierung meiner durch die Vorarbeiten von J. J. Bodmer, O. Behaghel, E. Mensch sowie K. G. Andresen angeregten Idee leiten ließ, sind in mehreren vorausgehenden Aufsätzen entwickelt worden und in aller Kürze im einleitenden Kapitel »Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung« dargelegt.

Die Verwirklichung meines ausgedehnten, auch die Subkategorie der strukturgleichen Wörter erfassenden lexikographischen Projekts wenigstens in einem

Vorwort

xiii

gewissen Umfang bliebe sicher noch lange im Rahmen der guten Absichten, wenn ich die freundliche Unterstützung meiner deutschen Kollegen Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Prof. Dr. Herbert Ernst Wiegand und Dr. Heiko Hartmann nicht hätte. Ihnen, die mich zunächst bei meinem Forschungsvorhaben und dann bei der Vorbereitung und Herausgabe dieses Lexikons bestärkt haben, gilt mein herzlichster Dank. Sofia, im Dezember 2003 Boris Paraschkewow

Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung 1. Begriffsbestimmung. Das Fremdwort »Dublette« ist als sprachwissenschaftlicher Terminus im Deutschen seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jh. in dem Metzler-Lexikon Sprache (2Stuttgart 2000) lexikographisch nachweisbar und soll nach der dortigen Definition Bezeichnung sowohl für eine doppelt oder mehrfach vorhandene Ausdrucksform eines Lexems (z. B. Phantasie vs. Fantasie) als auch (vor allem in der Etymologie) für die Aufspaltung einer Entlehnung in zwei oder mehr Lexeme (z.B. Schrift - Skriptum - Skript < lat. scriptum »Geschriebenes«) sein. Ferner wird dort nebenbei vermerkt, mit »Dublette« in der ersteren Bedeutung konkurrierten die Termini »Zwillingswörter« und »Doppelformen«. Dies ist insofern irreführend, als diese Fachausdrücke zwar tatsächlich von O. Behaghel und K. G. Andresen bzw. von H. Hirt und H. Paul gebraucht worden sind, aber - in gleicher Weise wie »Scheideformen« (E. Mensch), »Wortspaltungen« (K. G. Andresen) und »Doppelwörter« (H. Paul, K. G. Andresen) - in einem viel umfangreicheren Sinne als dem unter »Dublette« an zweiter Stelle angegebenen. Im Unterschied zu der obigen Formulierung werden im vorliegenden Lexikon die Ergebnisse der Aufspaltung eines Lexems und die doppelt oder mehrfach vorhandenen Ausdrucksformen eines Lexems (»Doppelformen« nach G. Muthmanns Terminologie) prinzipiell auseinander gehalten. Als Varianten betrachtet, lassen sich die Letzteren ihrer Natur nach einteilen etwa in graphische (Kargo/Cargo, Jahve!ökum. Jahwe, Ständel!Stendel), akzentuelle (Anis-Änis, nótwendig/notwéndig, Rokoko!Rokoko!österr. Rokoko, Tümor/Tumor), lautliche (einfarbig!österr. einfarbig, nutzen/nützen, Zepter!österr. Szepter), morphologische (Amber m./Ambra f., Hymnus m./Hymne f., Spirans f./Spirant m., Stake f./ Staken m., Passiva Piur.! Passiven Plur.), strukturelle (Erbsenbrei/Erbsbrei, Landgericht! österr. Landesgericht, Vorortzug/Vorortszug, Streifen/seltener Streif, Archon!Archont, Fakt/Faktum, Demo/Demonstration). Die Verteilung mehrerer Bedeutungen auf regionale, assimilative oder andersartige lexikalische Varianten zählt demgegenüber neben der zwei- oder

XVI

Etymologische Dubletten

mehrfachen Entlehnung eines Fremdwortes zu den Hauptmechanismen der Aufspaltung eines Lexems und der Herausbildung von etymologischen Dubletten, kurz auch Dubletten. Dieser Terminus ist an frz. doublets étymologiques bzw. engl. doublets >either of two words that derive ultimately from the same source but by different processes< angelehnt, wobei diese Definition bereits unmittelbar auf die Untergruppe der erst weiter unten definierten etymologisch identischen Dubletten zielt. Auf lat. cognatus »blutsverwandt; Verwandten und engl. cognate »derived from a common original form< stützt sich andererseits der für die Zwecke der untersuchten und erörterten Materie unentbehrliche Fachausdruck Kognat im Sinne von urverwandte indogermanische oder germanische Entsprechung (etwa lat. frater, engl. brother) eines deutschen Erbwortes (Bruder). 2. Arten von etymologischen Dubletten. Im Rahmen der lexikologischen Kategorie der (etymologischen) Dubletten lassen sich zwei Subkategorien unterscheiden. Der durch substanzielle Gleichheit und derivative Parallelität gekennzeichneten, im Lexikon nur repräsentativ vorgestellten kleineren gehören die strukturgleichen oder etymologisch adäquaten Dubletten an. Das sind Ableitungen und Komposita, die zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zwecken aus denselben Wörtern, Wortformen und Suffixen gebildet worden sind. Dazu gehören Dublettenpaare wie bekommen - beikommen, bestehen - beistehen, betragen - beitragen, sächlich - sachlich, Sonntag - Sonnentag, Schau - Show. Unberücksichtigt bleiben dabei sowohl Umkehrungen, die zwar der Bedingung für substanzielle Gleichheit genügende, aber umgekehrt strukturierte Zusammenrückungen darstellen (z.B. anderswo und woanders, demnach und nachdem, nachher und landsch. hernach, Gernot und Notker), als auch Zusammenrückungen, neben denen in gleicher Weise geordnete Wortverbindungen auftreten können (z.B. immer und je mehr, nachdem und nach dem, solange und so lange, sooft und so oft, vielmehr und viel mehr, kurz: Jungfer - Jungfrau, aber nicht junge Frau). Die weitaus größere Subkategorie umfasst die herkunftsgleichen oder etymologisch identischen Dubletten, d. h. Wortpaare und Wortreihen, die in erster Linie durch die Auseinanderentwicklung und Verselbständigung (von Formen) eines existierenden, ausgestorbenen oder erschlossenen Erb- oder Lehnwortes entstanden sind. Das

Etymologische Dubletten

xvii

sind zum einen aus Varianten entwickelte, zum anderen durch (zwei- oder mehrfache) Entlehnung und Rückentlehnung entstandene Dublettenpaare oder -reihen. Die Duplizität bei früheren Varianten, zum Teil aber auch bei bestimmten Entlehnungen ist - entsprechend den ausgesonderten Variantengruppen — durch semantisch motivierte arbiträre Festlegung von Schreibung, Betonung, Lautung und grammatischem Paradigma der Dubletten charakterisiert: - graphosemantische etymologische Dubletten: das - dass (gegenüber niederl. dat, engl. thatPron. und Konj. zugleich), wider—wieder, phrenetisch-frenetisch’, - akzentsemantische etymologische Dubletten: Humor - Humor, Konsum Konsum, Ténor - Tenor, - phonosemantische etymologische Dubletten: Bett - Beet, Schrott - Schrot, fahl —falb, Gabel - Gaffel, sanft - sacht - soft, Zopf - Topp’, - morphosemantische etymologische Dubletten: Etikett - Etikette, Drache Drachen, Effekte, Sing. Effekt - Effekten Pluraletantum, Fall -falls, Kraft- kraft, Gehalt m. - Gehalt n., Fahrt - Fährte, Mann - man, Stadt - Stätte - Statt statt, wägen - wiegen (nicht beachtet wurden allerdings morphologisch korrespondierende Bildungen des Typs brillant bzw. Brillant und brillierend, Croisé und croisiert, Consommé und konsummiert, korrupt und korrumpiert, Negligé/Negligee und negligiert, passé und passiert).

Die Duplizität offenbart sich normalerweise in Kombinationen der genannten Merkmale, vgl. die graphosemantischen das — dass, wider - wieder, die zugleich den morphosemantischen Merkmalen zuzuordnen sind. Diese Auffassung und ganz besonders Fälle wie Flug-flugs, Statt- (an) statt, Weg- weg-wegen zeigen, dass im Lexikon Erscheinungen wie Konversion und Hypostasierung nicht provisorisch als Wortbildungsmittel (etwa im Sinne impliziter oder affixloser Ableitung), sondern als das interpretiert werden, was ihrem Aufkommen in der Tat zugrunde liegt: eine morphologische Umfunktionierung ein und desselben Wortes. Ausgenommen Einzelfälle wie ober - Obere m./f., vor - pro - Pro n. wird allerdings auf die Aufführung von Substantivierungen nach der festen Regel, dass jede Wortart als Neutrum (bestellen - das Bestellen, blau - das Blaue, ich - das Ich usw.) auftreten kann, grundsätzlich verzichtet. Gelegentlich kann die Duplizität durch Inklusion gekennzeichnet sein, wenn die Semantik der einen Dublette in der Semantik der anderen eingeschlossen ist (Verflechtung von Varianz und Duplizität): Talk - Talkum >Talk; feiner weißer Talk zur Herstellung von Puderm.

XVIII

Etymologische Dubletten

Die postulierte Herkunfts- und/oder Strukturgleichheit schließt die Einbeziehung derivativ voneinander abweichender Wortstrukturen (etwa kindlich und kindisch, landeskundlich und landeskundig, Kleinheit und Kleinigkeit) in die Kategorie der etymologischen Dubletten aus. Nichtsdestoweniger ist eine mitunter problematische, doch nicht außer Acht zu lassende Untergruppe struktursemantischer Dubletten als Pendant bestimmter struktureller Varianten in Betracht zu ziehen. Einleuchtender sind die semantisch abweichenden Bildungen mit und ohne Fuge (Landmann — Landsmann, Sonntag - Sonnentag) und mit Singular- und Pluralformen als Bestimmungswort ( Volkskunde - Völkerkunde, Geschichtsbuch - Geschichtenbuch). Im Gegensatz zu der Wortspaltung als einem spontanen Prozess berührt sich dieser Dublettentyp, sofern bei ihm die Glieder eines Dublettenpaars unterschiedlich ausgeformt sind, mit der Wortbildung als bewusstem Prozess und weist sogar gewisse äußere Merkmale der Derivation auf. Zu unterscheiden sind dabei: - Deglutination: Im Gegensatz zu mehr oder weniger fakultativen Varianten wie Appellativ/Appellativum treten Dubletten mit erhaltenen und mit semantisch relevant abgefallenen Präfixen und Endungen auf: Advokat - Vogt, Gefecht - Fight, Eponym - Eponymus, Publikum - publik; - Adsuffigierung: Es handelt sich um das Anfügen von Wortbildungssuffixen zur deutlicheren Überführung eines Fremdwortes in die jeweilige Wortart, vgl. -er und -isch als Adaptationselemente in Fällen wie ital. moschettiere > dt. Musketierer (um 1600, seit dem 18. Jh. Musketier), frz. dragon > dt. Dragoner (vs. Drakon - Drache etc.), lat. Africanus > dt. afrikanisch - Afrikaner; lat. idealis > dt. idealisch - Ideal (vs. deglutiniertem ideal); - Suffixersatz: Er wird regulär praktiziert, um Adjektive auf frz. -ique und lat. -icus als Reflexe des griechischen Suffixes -ikós in die Wortart der deutschen Eigenschaftswörter zu integrieren, wobei ihre Substantivierungen das fremde Suffix beibehalten und gegebenenfalls adsuffigiert werden: technisch - Technik - Technikum - Techniker, fanatisch — Fanatiker; - Rückbildung: Im Rahmen der Ermittlung etymologischer Dubletten kommen dabei freilich nicht etwa Ableitungen in Frage wie Besuch von besuchen, Kauf von kaufen (also so genannte Nomina postverbalia), sondern lediglich die Herausbildung von (neuen) Singularformen aus ursprünglichen Pluralformen, z.B. (mhd. wäfen n., Plur. wäfen > nhd. Waffen, dazu Sing.) Waffe f. - Wappen n., älter-Eltern (Plur., dazu Sing.) - Elter n./m. (wenn nicht aus Elternteil isoliert).

Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung 1. Begriffsbestimmung. Das Fremdwort »Dublette« ist als sprachwissenschaftlicher Terminus im Deutschen seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jh. in dem Metzler-Lexikon Sprache (2Stuttgart 2000) lexikographisch nachweisbar und soll nach der dortigen Definition Bezeichnung sowohl für eine doppelt oder mehrfach vorhandene Ausdrucksform eines Lexems (z. B. Phantasie vs. Fantasie) als auch (vor allem in der Etymologie) für die Aufspaltung einer Entlehnung in zwei oder mehr Lexeme (z.B. Schrift - Skriptum - Skript < lat. scriptum »Geschriebenes«) sein. Ferner wird dort nebenbei vermerkt, mit »Dublette« in der ersteren Bedeutung konkurrierten die Termini »Zwillingswörter« und »Doppelformen«. Dies ist insofern irreführend, als diese Fachausdrücke zwar tatsächlich von O. Behaghel und K. G. Andresen bzw. von H. Hirt und H. Paul gebraucht worden sind, aber - in gleicher Weise wie »Scheideformen« (E. Mensch), »Wortspaltungen« (K. G. Andresen) und »Doppelwörter« (H. Paul, K. G. Andresen) - in einem viel umfangreicheren Sinne als dem unter »Dublette« an zweiter Stelle angegebenen. Im Unterschied zu der obigen Formulierung werden im vorliegenden Lexikon die Ergebnisse der Aufspaltung eines Lexems und die doppelt oder mehrfach vorhandenen Ausdrucksformen eines Lexems (»Doppelformen« nach G. Muthmanns Terminologie) prinzipiell auseinander gehalten. Als Varianten betrachtet, lassen sich die Letzteren ihrer Natur nach einteilen etwa in graphische (Kargo/Cargo, Jahve!ökum. Jahwe, Ständel!Stendel), akzentuelle (Anis-Änis, nótwendig/notwéndig, Rokoko!Rokoko!österr. Rokoko, Tümor/Tumor), lautliche (einfarbig!österr. einfarbig, nutzen/nützen, Zepter!österr. Szepter), morphologische (Amber m./Ambra f., Hymnus m./Hymne f., Spirans f./Spirant m., Stake f./ Staken m., Passiva Piur.! Passiven Plur.), strukturelle (Erbsenbrei/Erbsbrei, Landgericht! österr. Landesgericht, Vorortzug/Vorortszug, Streifen/seltener Streif, Archon!Archont, Fakt/Faktum, Demo/Demonstration). Die Verteilung mehrerer Bedeutungen auf regionale, assimilative oder andersartige lexikalische Varianten zählt demgegenüber neben der zwei- oder

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Etymologische Dubletten

Mit den Prinzipien der Ermittlung etymologischer Dubletten schwer zu vereinbaren sind schließlich die Produkte der Volksetymologie. Das Statut von Armbrust und Blankscheit als argumentierbare Zusammensetzungen ist genauso problematisch wie ihre Darstellung als etymologische Dubletten der originalgetreu übernommenen Arkuballiste und Planchette, einige von ihnen werden aber als eine kuriose Form der Wortspaltung dennoch mit behandelt. 3. Ermittlung der etymologischen Dubletten im Deutschen. Die Materialsammlung beruht auf der weitestgehenden Exzerption Struktur- und herkunftsgleicher Wörter im bisher dargelegten Sinn vor allem aus Lexika und Nachschlagewerken mit etymologischen Angaben. Nach deren gründlicher Überprüfung wurden sowohl Wörter des Standardwortschatzes wie auch Fachbegriffe, Historismen, Archaismen, Neologismen, Regionalismen und Exotismen erfasst. In ihnen manifestieren sich drei Arten der Wortspaltung: - sprachinterne Wortspaltung: Sie findet innerhalb der deutschen Sprachgeschichte statt infolge der morphosemantischen Aufspaltung eines Wortes (das - dass, Schild m. - Schild n., Weg- wegen - weg, wägen - wiegen) oder durch zweifache Übernahme eines Fremdwortes (dichten - diktieren, trachten - traktieren, Magister - Meister); - genetisch bedingte Wortspaltung: Sie ist die Folge der Entlehnung eines Kognaten aus einem regionalen Subsystem des Deutschen (Gabel niederd. Gaffel, sanft - niederd. sacht, Schnauze - niederd. Schnute, Schneide - oberd. Schneid), aus einer anderen germanischen Sprache (faul engl. foul, kühl - engl. cool), aus einer anderen indogermanischen Sprache (Bruder - lat. Frater, drei - ital. Trio, neu - griech. Neon); - sprachexterne Wortspaltung: Sie bezeugt die (vermittelte) Übernahme von Reflexen oder Erscheinungsformen eines Fremdwortes, die quasi im Deutschen zusammengetroffen sind. Eine Dublettenreihe, die für dieses produktivste Modell des Aufkommens etymologischer Dubletten im Deutschen exemplarisch sein kann, ist beispielsweise entstanden, nachdem sich an das bereits genannte Dublettenpaar Magister - Meister die herkunftsgleichen Fremdwörter Maestro, Mister, Master, Massa, Maitre (de plaisir) angeschlossen haben.

Etymologische Dubletten

xxi

Eine Zwischenstellung nehmen die Rückentlehnungen ein, bei denen sich eine Dublette durch die Rückwanderung eines Germanismus zu einem einheimischen Wort stellt: Balkon - Balken, Filter - Filz, Liste - Leiste. Bei der Ermittlung von Dubletten unter den Fremdwörtern werden nicht nur allein stehende, sondern auch in Syntagmen auftretende Lexeme herangezogen, so z.B. im Ausdruck American Way of Life, dessen Bestandteile sich als Dubletten der lemmatisierten amerikanisch, weg, ab1, Leib erweisen. Sofern im Deutschen der paradigmatische Zusammenhang der Genus-, Kasus- und Numerusformen von Latinismen und Romanismen seinen Sinn verloren hat, werden besonders bei der Erörterung lateinischer präpositionaler Fügungen, Redensarten und geflügelter Worte die in verschiedenem Genus, Kasus und Numerus vorkommenden Substantive und (substantivierten) Adjektive oder Partizipen etymologisch analysiert und ihr Wesen als Dubletten aufgedeckt, vgl. Be/esprit, Belle Epoque, bello modo, Bello, Bella unter Beau sowie ad diem dictum, in statu quo, omnia ad maiorem Dei glorie, unus pro multis mit Kommentaren unter ad, Zeus, Diktum bzw. in, Status, Quorum bzw. omnibus, ad, Major1, Ziu, Glorie bzw. ein1, vor, molto. Sich zu Fragen der Onomastik äußernd, hebt F. Debus an einer Stelle hervor, dass Eigennamen sprachliche Zeichen sind, die als Teil des Systems natürlicher Sprachen mit den Wörtern zusammen das Lexikon bilden. Abgesehen von den zahlreichen eingeflochtenen Bemerkungen in E. Wasserziehers Wörterbuch, wird jedoch auf die Herkunft von Eigenamen und dem mit ihnen verbundenen Wortschatz grundsätzlich in separaten Untersuchungen und Nachschlagewerken wie denen von D. Berger, G. Drosdowski, W. Burkart, W. Seibicke, R. Köster eingegangen. Da alle Eigennamen praktisch aus Gattungsnamen hervorgegangen sind und selbst zu solchen werden können, wird im vorliegenden Lexikon bei jeder Gelegenheit auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Es galt, sowohl die Identität abgewandelter Appellativa und Eigennamen als auch die bunte lautliche Vielfalt der Personennamen in verschiedenen Sprachen aufzuzeigen, vgl. Cäsar1 (Personenname) - Cäsar2 (ehrender Beiname) - Kaiser - Zar, Cicero1 (Personenname) - Cicero2 (Schriftgrad) - Cicerone, Oheim-Ohm1/Öhm (Verwandtschafts- und Familienname) - Ohm2 (Maßeinheit) bzw. Johannes vs. Hans/Hannes, John, Jean, Jan, Jens, Juan, Giovanni, Janos etc. Im Laufe der Erschließung des Phänomens etymologische Duplizität erwies es sich gerade im Rahmen des Deutschen als zweckmäßig, die Dubletten nicht nur in Form von Wörtern und Namen, sondern auch als verdunkelte, in der je-

XXII

Etymologische Dubletten

weiligen Lautgestalt nicht selbständig auftretende Bestandteile zusammengesetzter oder zusammengerückter (vgl. oben BeZesprit) Wörter und Namen, einschließlich der Präfixe und Ableitungssilben zu ermitteln. So nahm die besondere Subkategorie der gebundenen Dubletten allmählich feste Umrisse an, z.B. be- als Dublette von bei, -lieh als Dublette von Leiche, -ach (in Biber-, Eisen-, Salzach) als Dublette von Aqua (destillata) und Eau (de Cologne). Bei Latinismen und Gräzismen wiederum werden im Folgenden auch eventuelle Kompositionsformen als gebundene Dubletten interpretiert und aufgezeigt. Aus diesem Grund sind unter Straße (mit Estrade und Street/-street etwa in Downing Street, Wallstreet) sowohl die morphosemantischen Dubletten Stratus und Stratum wie auch Strati- und Strato- innerhalb der Fachausdrücke Stratigraphie und Stratosphäre Gegenstand der Darstellung. Durch Isolierung aus radiotelegraphy ist übrigens engl. radio aus gebundener zu selbständiger Dublette von radius (daher entsprechend dt. Radius - Radio) geworden. Die Präfixbildungen als dritte Hauptart der Wortbildung, bei der wie bei der Zusammensetzung die alte Wortklasse erhalten bleibt, erlauben es, bei formaler Auseinanderentwicklung von Grundwort (Simplex) und präfixloser Basis diese für etymologische Dubletten zu erklären: roden - ausrotten, wägen - bewegen, Rotte (Ausgangspunkt: lat. rupta) - abrupt, Lapsus - Kollaps, Intrude - Reentry, schreiben - subskribieren. In den Wörterbuchartikeln des Lexikons sind die Dubletten paar- und reihenweise unter Angabe der Semantik hauptsächlich bei den Fremdwörtern vorgeführt. Genus, Numerus und Kasus fanden nur dort Berücksichtigung, wo es relevant war. Die semantischen Angaben stützen sich in der Regel auf Formulierungen der im Literaturverzeichnis zitierten Nachschlagewerke. Das Hauptlemma, mit dem jeder Artikel eingeleitet wird, ist lediglich für die alphabetische Einordnung der jeweiligen Dublettengruppe von Belang. Zwischen Haupt- und Sublemma (gegebenenfalls nur eine gebundene Dublette) bzw. Sublemmata bestehen keine subordinierenden Beziehungen, weshalb sie alle fett gesetzt und dadurch als gleichwertige etymologische Dubletten innerhalb des Wörterbuchartikels in gleicher Weise vom übrigen Text abgehoben sind. Das Hauptlemma ist in der Regel eine selbständige Dublette: Simplex, Ableitung, Präfigierung, Kompositum. Selten wurden Bestandteile fremdsprachlicher Redensarten (mano in mano destra, panta in panta rhei) und ausnahmsweise -spiel, -tan als Wortteile lemmatisiert. Da die Darstellung zum Ziel hat, die Duplizität überzeugend nachzuweisen, wird durch eine möglichst ausführliche sprachwissenschaftliche Analyse ein

Etymologische Dubletten

xxm

etymologischer Exkurs unternommen, gleich ob es gilt, eine germanische, romanische oder indogermanische Grundlage zu erläutern. Mit etymologisiert werden weitestgehend auch die Bestandteile der zu erörternden Komposita und Redewendungen, wobei durch ein Vernetzungssystem laufend auf Kommentare zu verwandten Wörtern, Wortbildungstypen oder syntagmatischen Komponenten verwiesen wird. Die Erstellung des Lexikons basiert, wie vermerkt, auf der kritischen Auswertung der vorhandenen etymologischen Erkenntnisse. Um die etymologische Identität zu verifizieren, wurden parallel dazu eigene Argumente und Gegenargumente, Ergänzungen und Lösungen erbracht, unvermeidlich aber auch mit Hypothesen operiert, wie dies in der Etymologie häufig der Fall ist. Das von mir Geleistete ist nur ein Teil der potenziell zu erfassenden, ein offenes System bildenden etymologischen Dubletten im Deutschen. Dem umsichtigen Leser wird daher die Möglichkeit überlassen, mithilfe der angewandten Kriterien weitere Glieder der besprochenen Dublettenpaare und -reihen ausfindig zu machen bzw. anhand ihm geläufiger Regionalismen, Archaismen, Exotismen, Orts- und Familiennamen gar neue zusammenzustellen.

Abkürzungen und Zeichen aAbl.

altAblativ

bair-österr.

abulg. Adj. Adv. aengl. afränk. afries. afrz. ägypt. ahd. aind. air. aisl. Akk. akkad. alemann. amerik.

bergmänn. berlin. bildungsspr. binnend. bret. brit. byzant. bulg. dän. Dat. d.h. dicht. Dirn. dt.

dänisch Dativ das heißt dichterisch Diminutiv deutsch

eigtl. engl. etrusk.

eigentlich (britisch-jenglisch etruskisch

apers. aprov. arab. arm. aruss. asächs. aspan. assyr. atschech. Augm.

altbulgarisch Adjektiv Adverb altenglisch alt( nieder ) fränkisch altfriesisch altfranzösisch ägyptisch althochdeutsch altindisch altirisch altisländisch Akkusativ akkadisch alemannisch amerikanisch (-englisch) altmongolisch altnordisch altnordfranzösisch altpersisch altprovenzalisch arabisch armenisch altrussisch altsächsisch altspanisch assyrisch alttschechisch Augmentativ

bairischösterreichisch bergmännisch berlinisch bildungssprachlich binnendeutsch bretonisch britisch(-englisch) byzantinisch bulgarisch

f. fachspr. Fern. finn. flärn. fränk. fries. frühnhd. frz.

feminin fachsprachlich Femininum finnisch flämisch fränkisch friesisch frühneuhochdeutsch französisch

awest.

awestisch

babylon. bair.

babylonisch bairisch

gäl. gall. galloroman. gaskogn.

gälisch gallisch galloromanisch gaskognisch

among. anord. anordfrz.

XXVI

Abkürzungen und Zeichen

got. griech.

gaunersprachlich gehoben Genitiv georgisch germanisch geschäftssprachlich gleichbedeutend gotisch griechisch

hebr. hess. hochd. hunn.

hebräisch hessisch hochdeutsch hunnisch

iber. idg. Ind. ir. iron. isl. ital.

iberisch indogermanisch Indikativ irisch ironisch isländisch italienisch

jidd.

jiddisch

kämt. katalan. kaufmänn. kelt. kirchenlat. kirchenspr. klass.-lat. Komp. Konj. kopt. kunstwiss. kurd. kymr.

kärntisch katalanisch kaufmännisch keltisch

landsch. langob. lat. lit. lombard.

landschaftlich langobardisch lateinisch litauisch

gaunerspr.

geh. Gen. georg. germ. geschäftsspr. gleichbed.

kirchenlateinisch kirchensprachlich klassisch-lateinisch Komparativ Konjunktion koptisch kunstwissenschaftlich kurdisch kymrisch

lombardisch

nini. malai. Mask. mda. mengl. mfränk. mfrz. mgriech. mhd. mind. mir. mitteld. mlat. mnd. mniederl. mong.

mittelmaskulin malaiisch Maskulinum mundartlich mittelenglisch mittelfränkisch mittelfranzösisch mittelgriechisch mittelhochdeutsch mittelindisch mittelirisch mitteldeutsch mittellateinisch mittelniederdeutsch mittelniederländisch mongolisch

n. Neutr. nhd. niederd. niederl. nlat. Nom. nordd. nordgerm. nordostd. norm.-pik.

neutral Neutrum neuhochdeutsch niederdeutsch niederländisch neulateinisch Nominativ norddeutsch nordgermanisch nordostdeutsch

norw.

oberd. obersächs. ON österr. ostmitteld. P. Part. Perf. Part. Präs. Part. Prät. pers. pfälz. phönik.

normannisch-pikardisch norwegisch

oberdeutsch obersächsisch Ortsname österreichisch ostmitteldeutsch Person Partizip Perfekt Partizip Präsens

Partizip Präteritum persisch pfälzisch phönikisch

Abkürzungen und Zeichen

Plur. PN poln. port. Präp. Präs. prov.

Plural

rechtsspr. rhein. rheinfränk. roman. rotw. rumän. russ.

rechtssprachlich rheinisch rheinfränkisch romanisch rotwelsch rumänisch russisch

s. sanskr. scherzh. schriftspr. schwed. Schweiz. s. d. seemänn. serb.

siehe Sanskrit scherzhaft schriftsprachlich schwedisch schweizerisch siehe dies, siehe dort seemännisch serbisch Singular skandinavisch slawisch slowakisch

Sing. skand. slaw. slowak. s.o. sorb. span, spätlat. spätmhd. stud. s.u. Subst. südchin. südd. südslaw. sumer.

Personenname polnisch portugiesisch Präposition Präsens provenzalisch

siehe oben sorbisch spanisch spätlateinisch spätmittelhochdeutsch studentisch

siehe unten Substantiv südchinesisch süddeutsch südslawisch sumerisch

tirol. toskan. tschech. türk. turkotat.

tirolisch toskanisch tschechisch türkisch turkotatarisch

u.a.

und andere, unter anderem und Ähnliche (s)

u.Ä. übertr. ugs. ukrain. ung. urslaw. urspr. usw. u. U. varab. venez.

xxvn

vgl. vgriech. vlat. vorahd. vorgerm.

übertragen umgangssprachlich ukrainisch ungarisch urslawisch ursprünglich und so weiter unter Umständen vulgärarab. venezianisch vergleiche vulgärgriechisch vulgärlateinisch voralthochdeutsch vorgermanisch

weidmänn. westfäl. westgerm. westidg. westmitteld. wiener. wörtl.

weidmännisch westfälisch westgermanisch westindogermanisch westmitteldeutsch wienerisch wörtlich

z.B.

zum Beispiel

< > X-

entstanden aus geworden zu erschlossene Form trennt Varianten trennt Dubletten

/ —

Literaturverzeichnis Andresen, K. G.: Wortspaltungen auf dem Gebiet der neuhochdeutschen Schrift-

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Dudenverlag: Mannheim 2000. Duden-Universalwörterbuch: Deutsches

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sche Darstellung des Wortschatzes der

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heim 1983.

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arbeitete und ergänzte Auflage. Hrsg.

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ab1: Die heute als Adverb und Präverb gebrauchte Partikel (enthalten auch im kölnischen Karnevalsruf fl/aaf >hoch!, hurrah, eigtl. allaf! »all ab*, d.h. >alles andere weg!*, s. all) geht wie engl. of »von* und off »weg* auf germ. *aba >ab, weg< (aus gleichbed. idg. *apó oder *apo in proklitischer Stellung) zurück. Engi. o/(kurz auch o’) und 0^(15. Jh. Variante von of dann generalisiert für dessen Verwendungen in betonter Stellung) erscheinen z. B. in Terms of trade (s. Term), Five o’clock Tea (s.fünf, Glocke, Tee) bzw. off >nicht sichtbar (von einem Sprecher im Film und Fernsehen)*, substantivisch: Off >das Unsichtbarbleiben des Sprechers*. Aus idg. *apo sind auch griech. apó »von, ab* und lat. ab/abs/a »von, aus* hervorgegangen, vgl. Letzteres als homonymes ab2 neben a im Deutschen etwa in ab ovo >von Anfang an* (eigtl. »vorn Ei an*, s. Ei), a dato »vorn Tag der Ausstellung an* (s. datum), häufiger in Präfigierungen wie abrupt »plötzlich* (< lat. abruptus, eigtl. »abgerissen, abgebrochen*, s. abrupt), einschließlich mit den Positionsvarianten a-, abs-: Amentia/Amenz »vorübergehende geistige Verwirrtheit* (< lat. amentia »Wahnsinn*, zu mens »Verstand*), abstrakt (< lat. abstractus »abgezogen*, s. Abstract), Auch griech. apo- (vor Vokalen und h: ap- bzw. - mit kombinatorischem Lautwandel - aph- /af/) tritt in Präfigierungen auf: Apotheke (s. d.), apagogisch »indirekt beweisend* (zu griech. apagein »wegführen*, zu agein »führen*), Aphärese »Lautschwund im Anlaut* (zu aphairein »abnehmen*, zu hairein »nehmen*).

Abbreviator »hoher päpstlicher Beamter, der Schriftstücke entwirft (bis 1908)*: In diesem Historismus spiegelt sich das lateinische Nomen Agentis abbreviator »jemand, der abkürzt* (zu abbreviare »abkürzen*, einer Ableitung von brevis »kurz*, s. Brief, mithilfe des Präfixes ab-, s. ab1). Über frz. abréviateur gelangte dasselbe lateinische Substantiv noch einmal ins Deutsche: Abréviateur »Verfasser eines (literarischen) Auszuges* (eigtl. »Verkürzer*). Zu analogen Dublettenpaaren vgl. Aspirator, Auditor, Benefaktor, Gouverneur, Inspektor, Kantor, Motor, Operateur, Pastor, Redakteur, Restaurator. abradieren1 »abkratzen, abschaben*: Dieses veraltete Verb bildet mit dem seltenen und ebenfalls im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten Homograph

abradieren2 »durch Radieren entfernen* ein kurioses Paar etymologisch adäquater Dubletten, sofern abradieren1 die bedeutungsgleiche, im Lateinischen aus radere »schaben, durch Schaben reinigen* mit ab»weg-, ent-, ab-* getätigte Präfigierung abradere (vgl. Abrasio, Tafel) vertritt, während abradieren2 im Deutschen aus dem auf lat. radereberuhenden Lehnwort radieren mit dem genetisch identischen deutschen Präfix ab- (s. ab1) neu komponiert worden ist.

Abraham: Im Alten Testament ist das der beispielsweise im Englischen und Spanischen genauso geschriebene, aber [’eibrahaem] bzw. [aßra’am] ausgesprochene Name des Erzvaters der Israeliten, der auch im Islam - hier allerdings in der Abwandlung Ibrahim - als erster Monotheist verehrt wird. Sein erster Bestandteil ist der unter Abt erörterte Gattungsname hebr. ab »Vater*, und als Ganzes deutet man ihn im Sinne von »Vater der Menge*. In der Bibel tritt er an die Stelle von Abram (eigtl. »der Vater bzw. Gott ist erhaben*), vgl. »»Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham wirst du heißen; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt« (Gen 17,5).

Abrasio »Ausschabung, Auskratzung*: Der besonders die Auskratzung der Gebärmutter bezeichnende medizinische Fachausdruck repräsentiert den Nominativ des lateinischen Verbalabstraktums abrasio, Gen. abrasionis zum Verb abradere »abkratzen, abschaben* (s. abradieren1). Synonym wird mit ihm auch das auf dem Stamm der obliquen Kasus beruhende Fremdwort Abrasion gebraucht, das aber außerdem als geologischer Terminus im Sinne von »Abschabung, Abtragung der Küste durch die Brandung* auftritt. abrupt »plötzlich und unvermittelt, zusammenhanglose Im 17. Jh. getätigte deglutinierte Übernahme von lat. abruptus m. »abgerissen, abgebrochen* (Partizip Perfekt von abrumpere »abreißen*, zu rumpere »brechen, zerreißen* mit Präfix ab-, s. ab1, Rotte). Substantivierungen des Neutrums abruptum im Ablativ Singular und im Nominativ Plural liegen vor in bildungsspr. ex abrupto »unversehens* (s. ex) bzw. in Abrupta »plötzliche, witzige Einfälle (aus dem Stegreif)*, verselbständigt aus der attributiven Fügung verba abrupta »abgerissene Worte* (vgl. Wort).

Absence Absence »kurzzeitige Bewusstseinstrübung (besonders bei Epilepsie) *: Synonym mit diesem frz. absence vertretenden medizinischen Fachausdruck wird auch Absenz gebraucht, das vor allem in Österreich und der Schweiz außerdem »Abwesenheit, Fortbleiben< bedeutet. Quelle des französischen wie auch des deutschen Wortes ist lat. absentia »Abwesenheit*, Verbalabstraktum auf der Grundlage von absent »abwesend, fehlend*, dem Partizip Präsens von abesse »fort sein* (einer Zusammensetzung aus esse »sein* mit dem Präfix abs-, s. ab1, vgl. Essentia, Interessent, präsent). Der Ablativ Singular des lateinischen Substantivs liegt vor im rechtswissenschaftlichen Terminus in absentia »in Abwesenheit (des Angeklagten)*. Auf dieselbe präpositionale Fügung bzw. auf die adverbiale Verwendung der Ablativform absentia wird deglutiniertes ital. senza »ohne* zurückgeführt, das in Verbindung mit musikalischen Vortragsanweisungen auch im deutschsprachigen Raum bekannt ist, vgl. senza pedale »ohne Pedal*, senza sordino »ohne Dämpfer*. Zwar hat ital. senza gleichbed. lat. sine (s. Kondition) verdrängt, dieses hat aber zweifellos bei der Umgestaltung von (in) absentia zu senza mitgewirkt. Bei einem analogen Vorgang im Französischen wird dagegen davon ausgegangen, dass unbetontes lat. sine durch Antreten von adverbialem -s oder durch Wortkreuzung mit absentia frz. sans »ohne* ergeben habe. In Anbetracht dieser Annahme erscheint es angemessen, das Vorderglied von Zusammenrückungen französischer Herkunft wie Sansculotte (eigtl. »ohne Kniehose*), Sanssouci (eigtl. »ohne Sorge*) nicht als gebundene etymologische Dublette von Absence usw. oder aber von Sine- in Sinekure (auch »ohne Sorge*, s. Cura) zu qualifizieren.

Abstract »kurze Inhaltsangabe eines Artikels oder Buches*: Übernahme von gleichbed. engl. abstract (eigtl. »Auszug*), das - möglicherweise rückgebildet aus auf der zweiten Silbe betontem to abstract »abziehen, abgesondert betrachten, einen Auszug machen* - wieder homophon mit dem anfangsbetonten Adjektiv abstract »undinglich, begrifflich* geworden ist, dieses aus lat. abstractus »vom Gegenständlichen losgelöst* (eigtl. »abgezogen*), Partizip Perfekt von abstrahere »ab-, wegziehen* (> dt. abstrahieren), einer Zusammensetzung aus abs- (s. ab1) und trahere »ziehen* (s. Traktus). Ferner beruhen im Deutschen auf lat. abstractus m., abstractum n. und abstracta n. Plur. jeweils das Adjektiv abstrakt (über das Gegenwort konkret s. d.), der philosophische und sprachwissenschaftliche Fachausdruck Abstraktum »allgemeiner Begriff; abstraktes Substantiv* sowie das Pluraletantum Abstrakten »die Teile einer Orgel, die die Tasten mit den Pfeifenventilen verbinden* (eigtl. »die Fortgezogenen*). Die präpositionale Fügung in

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abstracto »ohne Berücksichtigung der besonderen Lage* enthält den Ablativ Singular des lateinischen Adjektivs.

Abt »Vorsteher eines Mönchsklosters*: Das auf dem Stamm der obliquen Kasus von kirchenlat. abbas, Gen. abbatis beruhende Lehnwort hat sich durch Synkope aus mhd. abet/abbet, ahd. abbat lautlich entwickelt. Aus dem Akkusativ lat. abbatem hervorgegangen sind die Titel der Weltgeistlichen in Italien und Spanien (abate) sowie in Frankreich (abbé), die auch in deutschen Lexika als Exotismen aufgeführt werden: Abate bzw. Abbé. Das lateinische Wort geht über spätgriech. äbbäs zurück auf das aramäische Lallwort abbä, mit dem man den Familienvater anredete. Als biblische Anrede hat griech. abbä im 4. Jh. spätlat. abba und daher dt. Abba ebenfalls als neutestamentliche Gebetsanrede an Gott ergeben, vgl. Gal 4,6: »»Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.« Etymologisch identisch und bedeutungsgleich mit aram. abbä »Vater* sind arab. abü und hebr. äb. Abu begegnet uns in arabischen Eigennamen, z.B. im Namen des Scheichtums der Vereinigten Arabischen Emirate und dessen Hauptstadt Abu Dhabi oder in Webers Singspiel »»Abu Hassan«, in denen die als zweites Element auftretenden Personennamen in appellativischer Funktion entsprechend »Gazelle* und »schön* bedeuten (vgl. auch Borretsch). Der hebräische Kognat äb ist seinerseits erster Bestandteil der biblischen Namen Absalom (eigtl. »Vater des Friedens*, s. Schalom, vgl. Axel) und Abraham (eigtl. »Vater der Menge*) bzw. von dessen arabischer Entsprechung Ibrahim (s. Abraham). Abteilung1 [’aptailuij] »Abtrennung, Loslösung*: Von dem anfangsbetonten Abstraktum zum Verb abteilen hat sich die wurzelbetonte akzentsemantische etymologische Dublette Abteilung2 [ap’tailurj] mit der resultativen Bedeutung »Abschnitt, Teil eines gegliederten Ganzen* in der militärischen, kaufmännischen, administrativen und wissenschaftlichen Fachsprache abgesondert. In gewissem Sinne scheint der Prozess jedoch noch nicht abgeschlossen zu sein, sofern sich das Österreichische, vielfach auf anfangsbetontem Abteilung beharrend, nur langsam der Wortspaltung anschließt. Die Zurechnung von Abteil zu diesem Wortpaar als dritte, durch Verkürzung von Abteilung2 entstandene Dublette wäre äußerst fragwürdig. Man kann nur Vermutungen anstellen, was sich Sarrazin 1886 gedacht hat, als er das Maskulinum Abteil als Ersatzwort für Coupé (heute Abteil n. mit von diesem übernommenem Genus) vorschlug: War das tatsächlich eine Art Fragmentierung Abteilung2 durch Weglassung des Suffixes -ungoder eher eine Rückbildung aus abteilen (parallel zum Abstrak-

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tum Abteilung), und zwar als Maskulinum wohl im Rückgriff auf älteres, seit dem 14. Jh. bezeugtes Abteil m./n. > An teil, Apanage«, wie dies von E. Seebold angenommen wird?

Accentus >liturgischer Sprechgesangc Ebenso wie die eingedeutschte deglutinierte Dublette Akzent »Betonung; Aussprache; Nachdruck« stammt das Wort unmittelbar aus lat. accentus »Betonung« (eigtl. »Beitönen«, zu accinere »dazu singen«, bestehend aus ad, s. d., und canere »singen«, s. Cantus). Dieses liegt auch frz. accent »Betonungszeichen« zugrunde, das in den sprachwissenschaftlichen Fachausdrücken Accent aigu (s. akut) und Accent grave (s. grave) auftritt. Lat. accentus gilt als eine Lehnübersetzung von griech. prosöidia »Wortbetonung« (eigtl. »Zugesang«), das über lat. prosodia dt. Prosodie »Lehre von intonatorischen Eigenschaften von Versen und Sätzen« lieferte. Mit lat. canere ist übrigens dt. Hahn wurzelverwandt, das heißt, das männliche Haushuhn ist wegen seines Rufs besonders in der Morgenfrühe »der Sänger« genannt worden. Achat »ein mehrfarbig gebänderter Schmuckstein«: Die Bezeichnung für diese Abart des Chalzedons ist im 15. Jh aus mhd. achätes deglutiniert, das über lat. achates (mlat. auch acates, woraus ffz., engl. agate »Achat«) auf griech. achätes zurückgeht. Dieses von Plinius auf den Namen eines nicht nachzuweisenden altsizilianischen Flusses Achates als ersten Fundort des Halbedelsteins zurückgeführte Wort ist nach W. Pfeifer eher semitischen Ursprungs. Mit ihm identisch ist der Name eines Freundes des Äneas in Vergils »»Äneis«, der laut Duden-Fremdwörterbuch im Deutschen auch als Appellativ Achates »treuer Freund, Kampfgefährte« auftritt. Parallel zu achätes begegnen im Mittelhochdeutschen die mlat. acates widerspiegelnden verdeutlichenden Bildungen agestein/agetstein »Bern-, Magnetstein« (vgl. Stein), die heute in oberd. Ag-/Agtstom »Bernstein« fortbestehen. Achse »Drehpunkt der Räder; Mittellinie«: Über mhd. ahse, ahd. ahsa geht das Substantiv auf germ. *ahsö»Achse« zurück, das bedeutungsgleiche, wenn auch in ihrem morphologischen Aufbau abweichende Kognaten hat u.a. in lat. axis (< idg. *ak’si-) und griech. àxòn (< idg. *ak’sön). Als Ausgangspunkt wird ein s-Stamm idg. *ak’s angesetzt, der allerdings ebenso auf »scharf, spitz« (vgl. Ecke) wie auf *ag*~ »(mit geschwungenen Armen) treiben« (woraus lat. agere »treiben, handeln«, s. Agens) zurückfuhrbar ist. Als genetisch bedingte Dubletten sind unter diesen Umständen ansprechbar der Latinismus in Axis als anatomischer Bezeichnung für die Mittellinie eines Organs und für den zweiten Halswirbel (vgl. auch Axis Mundi, wörtl. »Achse der Welt«, s. Mundus) und

achter der Gräzismus in Axon als biologisch-medizinischem Fachausdruck für »(der mit einer besonderen Isolierschicht umgebene) Neurit«, woneben der lexikalisierte Plural Axonen als Historismus zur Benennung der um eine Achse drehbaren hölzernen Gesetzestafeln oder hölzernen Säulen mit den Gesetzen des Solon in Athen auftritt. Ihre Kompositionsformen sind Vorderglieder in hxopodium »strahlenförmiges Scheinfüßchen bei Strahlen- und Sonnentierchen« (Grundwort: lat. podium für griech. pódion »Füßchen«, Diminutiv von poüs, Gen. podós »Fuß«, s. Fuß) und Axonometor »Vorrichtung zur Bestimmung der optischen Achse bei Zylindergläsern« (zum Grundwort vgl. Metrum). Die assimilierte niederdeutsche Entsprechung As von hochd. Achse, verknüpft mit frz. tour »Umdrehung« (also eigtl. Tour), will das Duden-Fremdwörterbuch im Maskulinum (!) Turas »großes Kettenrad (z.B. beim Eimerkettenbagger)« ausmachen, was äußerst problematisch ist, es sei denn, es handelt sich um eine Adaptation von niederl. toeras (?). acht: Mit got. ahtau, engl. eight usw. geht das germanische Numerale auf germ. *a%tau zurück, das mit griech. octö, lat. octo etc. aus idg. *ok'tö(u) »acht« hervorgegangen ist. Dieses betrachtet man als einstige Dualform, die wohl im Sinne von »zweimal vier (Finger der Hand ohne die Daumen)« von einer alten Viererzählung zeugt, ohne dass man sich noch eindeutig im Klaren ist, welches Wort für Finger als Ausgangspunkt dieser Bildung anzusetzen ist. Der griechisch-lateinische Kognat des Germanismus tritt gebunden auf beispielsweise im Namen des achten Monats nach dem bis 46 v. Chr. gültigen altrömischen Kalender Oktober für lat. (mensis) October (vgl. Februar, Januar, Julius) und in dem des achtarmigen Tintenfisches Oktopode (aus dem Flexionsstamm von griech. oktöpous, Gen. oktöpodos »achtfüßig«, latinisiert Octopus, Lehnübersetzung Ach tfüßer/ Achtfüßler »Kopffüßer mit acht kräftigen Fangarmen«, s. Fuß). Wie bei Ableitungen der Art Oktave (s. d.) handelt es sich auch bei Oktober, Oktopode u.dgl. um späte Entlehnungen, die nicht mehr der unter diktieren zusammengefassten westgermanischen Lautsubstitution /kt/ > /%t/ unterlagen. Das durch totale Angleichung /kt/ > /tt/ aus octo entstandene Erbwort ital. otto »acht« ist Bestandteil von Ottocento »das 19. Jh. in Italien als Kunstepoche« (eigtl. »achthundert«, s. Cent).

achter »hinter«: Ein Wort der norddeutschen Seemannssprache, das seit dem 18. Jh. in hochdeutschen Texten bezeugt ist, besonders als Bestandteil von Fachausdrücken wie Achterdeck »Hinterdeck«, Achterschiff »Hinterschiff«, achteraus »nach hinten«. Schon in mittelhochdeutscher Zeit kommt neben after »hinter, nach« die gleichbedeutende mitteldeut-

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Add sehe und mittelniederdeutsche Präposition achter vor, deren Lautwandel eine Folge der regionalen Assimilation germ, ft > cht ist. Voraus geht germ. *after- (Präposition und Adverb), das in ahd. after >hinter, nach, auf, durch« auftritt und in engl. after mach« fortlebt, vgl. die Zusammenrückung AfterShave(-Lotion) »(hautpflegendes Gesichtswasser zum Gebrauch) nach der Rasur« (s. schaben). Genau wie unter1 (s. d.) führte man im Althochdeutschen die Partikel in die Kategorie der Adjektive über: ahd. aftaro machfolgend, hinter«, das - aus der Fügung aft tero teil >Hinterteil< herausgelöst - in After >Ende des Mastdarms; Hintern« (urspr. >HintererLehen aus zweiter Hand«, Afterrede >üble Nachrede«. Die für das Dublettenpaar achter - After kennzeichnenden Lautverhältnisse sind identisch mit denen in Gicht-Gift (s. d.f sachtsanft (s. d.), Schacht - Schaft1 (s. d.), Shift - Schicht (s. d.).

Acid >LSD«: Das im Jargon der Drogenszene verzeichnete Fremdwort ist außerdem Bestandteil der bedeutungsgleichen Fügungen Acid Jazz/Acid House »von schnellen (computererzeugten) Rhythmen geprägter Tanz- und Musikstil, der die Tanzenden in einen rauschartigen Zustand versetzen soll« (Letzteres laut Duden-Universalwörterbuch vielleicht nach der Diskothek »The Warehouse« in Chicago, vgl. Haus). Es gibt lautgetreu engl. acid »Säure; LSD« wieder, das auf nlat. acidum »Säure«, dem substantivierten Neutrum zu lat. acidus »sauer« (zu acer »scharf«, über idg. *ak’~, *ok’- »scharf, spitz, kantig« elementarverwandt mit dt. Ecke, s. d.) beruht. Der Latinismus tritt selbständig bzw. gebunden auf in Acidum »Säure« (vgl. Acidum purum »reine Säure«, s. pur) und in anderen sich auf Säure beziehenden Zusammensetzungen in der Chemie wie etwa Addimetrie »Methode zur Bestimmung der Konzentration von Säuren« (s. Metrum). Acker: Wie engl. acre »bebauter Boden, Feld«, das als Feldmaß im Exotismus Acre (= 4047 m2) vorliegt, setzt das deutsche Substantiv gleichbed. germ. *akrafort. Dieses beruht auf idg. *agros »Feld«, der Quelle auch von griech. agrós und lat. ager »Feld, Acker«, vgl. Ager publicus »das staatseigene Ackerland im alten Rom« (eigtl. »öffentliches Land«, s. publik). Die Kompositionsformen agro- bzw. agri- des griechischen und lateinischen Wortes treten z.B. in Agronom »akademisch ausgebildeter Landwirt« (Ausgangspunkt: griech. agronomos »Aufseher über die Stadtländereien«) und Agrikultur (< lat. agricultura »Ackerbau«) auf.

Act m. »Gesetz, Verwaltungsanordnung«: Das meist auf die parlamentarische Praxis Großbritanniens bezogene Fremdwort stammt aus engl. act »Gesetz, Akte«, das in dieser Bedeutung über frz. acte auf lat. actum n., Gen. acti, Plur. acta, eigtl. »das Verhandelte, Vollbrachte« (substantiviertes Partizip Perfekt von agere »treiben, handeln«, s. Agens) beruht. Dessen Genitiv ist in dem sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Nomen Acti »von einem Verb abgeleitetes Substantiv, welches das Ergebnis eines Geschehens bezeichnet« (s. Nomen) enthalten. Die Pluralform tritt adäquat auf in Acta »Taten, Berichte« (z.B. Acta Sanctorum »Sammlung von Lebensbeschreibungen der Heiligen der katholischen Kirche«, s. Sanctus) sowie in der Formel ad acta »zu den Akten« (s. ad) und eingedeutscht in Akten mit dem rückgebildeten Singular Akte f./Akt2 m. »schriftliche Unterlage zu einem bestimmten Vorgang« (zu homonymem Akt1 m. s. Actus).

Actio »Tätigkeit, Handeln«: Das in der Philosophie vorkommende Fremdwort (vgl. auch die Wortverbindung actio et reactio unter Redaktion sowie das Gegenwort Passio) fußt wie seit dem 15. Jh. bezeugtes Aktion auf lat. actio, Gen. actionis »Handlung, Tätigkeit« (zu agere, s. Agens). Andererseits geht engl. action, aus dem dt. Action »spannende Handlung (in einer Erzählung, im Film)« stammt, über frz. action (enthalten in Action directe »direkte Aktion; Anspruch auf Entschädigung bei der Hauptpflichtversicherung«) auf dasselbe lateinische Abstraktum zurück. Dessen Genitivform liegt vor in dem sprachwissenschaftlichen Terminus Nomen Actionis »von einem Verb abgeleitetes Substantiv, das ein Geschehen bezeichnet« (s. Nomen). Als Bezeichnung eines Wertpapiers (Mitte des 17. Jh.) ist Aktie durch niederl. actie (älter action) vermittelt, welches an die juristische Bedeutung »klagbarer Anspruch« von lat. actio anknüpft und wohl eine Bedeutungsentwicklung über »Dividendenanspruch« hin zu »Urkunde, die diesen Anspruch bescheinigt« durchgemacht zu haben scheint. Actus m. »das schon Gewordene, im Gegensatz zu dem noch nicht Gewordenen, sondern erst Möglichen (scholastische Philosophie); Bezeichnung für feierliche Musikwerke im 17./18. Jh. /ktse/) Akzent (zu lat. canere »singen*, s. Accentus), Affix (zu lat. figere »befestigen*, s.fix), aggressiv (zu lat. gradi »schreiten*), alliieren (zu lat. ligare »verbinden*, s. alligieren), annektieren (zu lat. nectere »knüpfen*, s. Adnex), Appartement (s. d.), arrangieren (zu frz. ranger »aufstellen, einordnen*, zu rang »Reihe, Ordnung*, s. Ring), assimilieren (zu lat. simile »ähnlich*, vgl. Faksimile), attraktiv (zu lat. trahere »ziehen*, s. Traktus).

Addend/Addendus »Zahl, die hinzuzuzählen ist*: Das maskuline Geschlecht des substantivierten Gerundivums zu lat. addere »hinzufügen* (Präfigierung von dare »geben* mit ad-, s. datum, ad), das addieren mit dem Abstraktum Addition geliefert hat, richtet sich genau wie gleichbed. Summand nach dem Geschlecht von weggelassenem lat. numerus »Zahl* in der Fügung

Adel numerus addendus bzw. numerus summandus (vgl. Numero), als Fachwort der Mathematik ist es aber von Summand weitgehend verdrängt worden. Zwar ist das substantivierte Neutrum Addendum, Plur. Addenda in der allgemeinen Bedeutung »Zusatz, Nachtrag, Ergänzung* (eigtl. »das Hinzuzufügende*) ebenfalls veraltet, doch als Bezeichnung für die Nachträge in wissenschaftlichen Publikationen und Lexika wird es besonders im Plural weiterhin verwendet. ade: Der heute veraltende, in einem Streifen vom Oberrhein bis zur Mainquelle häufig zu hörende Abschiedsgruß wurde im 13. Jh. (mhd. adè) aus afrz. adé übernommen, das durch Zusammenrückung aus lat. ad deum »zu Gott* (eigtl. »Gott befohlen*), einer präpositionalen Fügung aus der unter ad behandelten Präposition und der Akkusativform von lat. deus »Gott* (s. Ziu), entstanden ist. Im 16./17. Jh. fand die Grußformel nunmehr in der neufranzösischen Lautung adieu noch einmal Aufnahme ins Deutsche, ihre Verwendung wurde allerdings während des Ersten Weltkrieges stark eingeschränkt. Die italienische und spanische Fortsetzung von lat. ad deum lautet jeweils addio und adiós. Das einst in Künstlerkreisen verbreitete Fremdwort addio konnte sich praktisch seinen etymologischen Dubletten ade und adieu nicht anschließen. Span, adiós gelangte seinerseits über die Seemannssprache und die norddeutschen Hafenstädte in landeinwärts zunehmender Entstellung und Vereinfachung (adjüs, atjüs, adüs, tjüs, tüs, jüs'u.a.m.) in nieder- und mitteldeutsche Mundarten. Über die Aufnahme seiner palatalisierten Variante tschüs(s) in die Umgangssprache s. Ziu. Adel »vornehmes Geschlecht*: Über mhd. adel, ahd. adal geht das Substantiv auf germ. *apala- »Abstammung, Geschlecht, Sippe* zurück. In dieser Bedeutung oder im Sinne von »edel, vornehm* trat es häufig als Bestimmungswort von Zusammensetzungen und als Vorderglied von Personennamen auf. In seiner uralten Lautung erscheint es z. B. in dem zu Beginn des 19. Jh. neu belebten männlichen Vornamen Adalbert (Hinterglied: ahd. beruht »glänzend* auch in Humbert, Richbert/Rigbert, s. Hüne, Rex), dagegen verdunkelt in dessen seit dem ausgehenden Mittelalter üblich gewordenen Kurzformen Albrecht/ Albert (vgl. analog Ado//als Kurzform von veraltetem Adalwolf/Adalwulf wohl im Sinne von »edler Wolf*, s. Wolf). Als Bestimmungswort fungiert mhd. adel unter anderem in der Zusammensetzung adelar(e)/ adelarn »edler Aar*, dessen Grundwort ar(e)/arn damals auch niedere Greifvögel bezeichnete und durch adel- eine positive Verdeutlichung angestrebt wurde. Aus dem in der Blütezeit der Falknerei entstandenen Kompositum ging über mhd. adlar/adler nhd. Adler hervor, das ar(e)/arn (s. Aar unter Arn) schon im Mittelalter zu verdrängen begann.

Adjazent Adjazent »Anwohner, Anrainer, Grenznachbarc Im Sinne von >der Anliegende« präsentiert sich im veralteten Fremdwort der substantivierte Stamm des Partizips Präsens adiacens, Gen. adiacentis von lat. adiacere >an, bei, neben etwas liegen« (zu iacere »liegen«, präfigiert mit ad-, s. ad). Aus dem Nominativ hat sich über vlat. *adiace(n)s »was danebenliegt (und deshalb bequem zu erreichen ist)« frz. aise »Wohlbefinden, Behagen« entwickelt. Zwar ist der Gallizismus Aise »Wohlstand; Bequemlichkeit, Gemächlichkeit« im Deutschen ebenfalls veraltet, das französische Wort ist aber Hinterglied in malaise »Unbehagen, Misere« und erscheint daher in gleichbed. Malaise (s. d.) sowie in dessen vermutlicher etymologischer Dublette nordd. Malesche »Ungelegenheit, Unannehmlichkeit« als gebundene Dublette von Adjazent. Aus affz. aise »Behagen, Bequemlichkeit« oder aus dessen Kognaten aprov. aize »Annehmlichkeit, Ruhe« übernommen ist ital. agio »Bequemlichkeit, Gemütlichkeit, Ruhe«, das praktisch durch Verdoppelung der Präposition ad im Anlaut die Vortragsanweisung adagio (eigtl. »auf langsame Art«) ergab und im musikalischen Fachausdruck adagio »langsam, ruhig« bzw. Adagio »langsames Musikstück« vorliegt.

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annexus des Partizips Perfekt von lat. adnectere »anknüpfen, verbinden« (aus nectere »knüpfen, binden«, präfigiert mit ad-, s. ad), mlat. (mit Angleichung dn > nn) annectere »anhängen, anknüpfen« (woraus dt. annektieren). Deutlicher ausgeprägt ist die semantische Überschneidung von Adnex und Annex in der als anatomischer Terminus üblicheren Pluralform Adnexe/Annexe »Anhangsgebilde des menschlichen oder tierischen Körpers; Anhangsgebilde der Gebärmutter«, die allerdings gleichbed. nlat. adnexa (Plural von substantivisch gebrauchtem adnexum n.) wiedergibt.

Advokat: Im 14. Jh. entlehnt aus lat. advocatus »Rechtsbeistand, Rechtsvertreter, Sachwalter« und 1878 als Berufsbezeichnung zugunsten von Rechtsanwalt abgeschafft. Im Sinne von »der in einem Rechtsstreit zur Hilfe Herbeigerufene« ist lat. advocatus eine Substantivierung des Partizips Perfekt von lat. advocare »herbeirufen« (aus dem mit ad- präfigierten Verb vocare »rufen, berufen«, zu vox »Stimme«, s. Voces, ad). Unverändert erscheint das lateinische Wort in der Fügung Advocatus Diaboli »Geistlicher, der in einem Heilig- oder Seligsprechungsprozess der katholischen Kirche die Gründe gegen die Heiligoder Seligsprechung darlegt (im Gegensatz zum daAdjuvans »ein die Wirkung unterstützender Bestandfür eintretenden Advocatus Dei, vgl. Ziu); jemand, teil zu einer Arznei«: Der pharmakologische Fachausder bewusst Gegenargumente in eine Diskussion eindruck stellt genau wie Agens (s. d., vgl. auch Akzidens, bringt« (eigtl. »Anwalt des Teufels«, s. Teufel). Infolge Deponens, Patiens, Regens, Sekans) den substantiviervon Deglutination des Präfixes tritt im Mittellateiniten Nominativ eines lateinischen Partizips Präsens schen neben advocatus auch die strukturell abweidar, nämlich adiuvans »helfend« (zu adiuvare »helfen, chende Variante vocatus auf, das (mit roman, -g- statt unterstützen«, aus gleichbed. iuvare, präfigiert mit -C-) über ahd.fogät und mhd. vog(e)t/voit dem Hisad-, s. ad und vgl. veraltet adjuvieren »helfen, untertorismus Vogt »Verwalter, Schirmherr, Richter« (als stützen«). Auf dessen flektiertem Stamm adiuvantFamilienname auch in der Lautgestalt Voit) zuberuht sowohl das ebenso medikamentbezogene grunde liegt. Neben avocat »Rechtsanwalt« existiert Adjektiv adjuvant »unterstützend« als auch die verim Französischen die aus dem Vulgärlatein ererbte altete Substantivierung Adjuvant »Gehilfe, Helfer, Dublette avoué, welche in deutschsprachigen Nachbesonders Hilfslehrer« (im Hinblick auf die Struktur schlagewerken zusammen mit Avocat »Anwalt der vgl. ferner präsent, Adjazent, Quadrant). Der subPartei, dem in Zivil- und Strafsachen das Plädoyer stantivierte Plural des nicht präfigierten Neutrums vor den Gerichten 1. und 2. Instanz obliegt« ebenfalls des Partizipialadjektivs iuvantia liegt seinerseis dem als Exotismus gelegentlich aufgeführt wird: Avoué synonymen, mittlerweile veralteten Terminus der »im französischen Prozessrecht Anwalt einer Partei, Pharmakologie Juvantia »einer Arznei zur Verstärdem besonders die formelle Vorbereitung eines kung zugesetzte Mittel« vor. Die hier und unter Prozesses vor den Berufungsgerichten obliegt«. Der den genannten lemmatisierten Dubletten Agens, spanische Fortsetzer des lateinischen Wortes lieferte Deponens usw. erörterte Wortspaltung in Form von seinerseits den Namen der birnenförmigen dunkeletymologischer Duplizität (vgl. ferner den Personengrünen Frucht des südamerikanischen Baumes nlat. namen Clemens vs. Clement, s. Klient) steht im GePersea gratissima dt. Avocado (vgl. analog gleichbed. gensatz zu der in Fällen wie Spirans/Spirant »Reibeengl. avocado, frz. avocat sowie die verdeutlichende laut« zu beobachtenden Varianz. Lehnübersetzung Advokatenbirne neben Avocado-, Adnex m. »Anhang, Beigabe«: In dieser veralteten BeAvocat-, Avogatbirne). Es handelt sich um eine zeitdeutung übernommen wohl nicht aus dem lateiniweilige volksetymologische Anlehnung an span, aboschen Deverbativum adnexus m. »Verbindung«, songado/avocado »Anwalt«, denn der Name der Avocadodern ebenso wie Annex m. »Zubehör, Anhängsel« birne lautet auf Spanisch im Prinzip aguacate und aus dem substantivierten Maskulinum adnexus bzw. geht zurück auf aztekisch ahuacatl/auacatl (eigtl.

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»Hoden*, wohl aufgrund formaler Ähnlichkeit, die Frucht wird aber auch als Aphrodisiakum angesehen). Sporadisch verzeichnet man in Lexika als Warenzeichen eines Eierweinbrands ursprünglich holländischer Provenienz schließlich das aus dem Niederländischen übernommene Advokaat (eigtl. »Advocaat« ). Schon längst verworfen ist der Versuch, das Grundwort in Hundsfott mit Vogt (d.h. Hundevogt als mit dem Abfangen herrenlos herumlaufender Hunde Beauftragter) zu identifizieren, zugunsten der Deutung des seit dem 16. Jh. belegten Schimpfwortes im Sinne von >Fotze der Hündin*.

aequis in der lateinischen Fügung aequis partibus >zu gleichen Teilen*: Erstarrter Ablativ Plural von lat. pars »Teil* (s. Part) und aequus >eben; gleich; gerecht*, von dem abgeleitet sind z.B. aequare >gleichmachen< (s. äquieren) und aequalis >eben; gleich* (s. äqual). Der Ablativ Singular des Adjektivs liegt vor in der präpositionalen Fügung ex aequo >in derselben Weise, gleichermaßen* (s. ex), viel häufiger anzutreffen ist jedoch seine eingedeutschte Kompositions form äqui-/Äqui- als Wortbildungselement mit der Bedeutung >gleich-< etwa in äquiva/ent gleichwertig*, auch substantivisch Äquivalent gleichwertiger Ersatz, Gegenwert* (Grundwort: der Stamm das Partizips Präsens zu lat. valere »stark, kräftig, gesund, wert sein*, s. Valente). Aerobus »Hubschrauber im Taxidienst; Nahverkehrsmittel, das aus einer Kabine besteht, die an Kabeln zwischen Masten schwebt*: Zusammensetzung aus dem Wortbildungselement Aer(o)- »Luft, Gas* (eigtl. Kompositionsform von griech. aér »Luft(schicht), Dunstkreis*, s. Air) und Bus, einer wohl im Englischen getätigten gleichbedeutenden Fragmentierung von Omnibus (eigtl. »Fahrzeug für alle*, s. Omnibus). Dasselbe Wortbildungselement war Vorderglied des im 19. Jh. aufgekommenen, heute im Französischen und Deutschen veralteten Wortes aéroplane bzw. Aeroplan »Flugzeug*. Die im Englischen weiterhin übliche Bildung wurde an air »Luft* angelehnt und lautet daher airplane. Zur Bezeichnung eines Großraumflugzeugs für Kurz- und Mittelstrecken wurde dort durch Abtrennung von air- und dessen Verknüpfung mit bus das Warenzeichen airbus gebildet, das zu dt. Airbus als strukturgleicher Dublette von Aerobus übernommen wurde.

Affiori »mit Ambra und Safran zu Dicksaft eingekochtes Opium*: Das veraltete Fremdwort stammt aus gleichbed. ital. affione, das über türk, afyon und arab. afyun »Opium* auf griech. ópion »Mohnsaft* zurückgeht. Letzteres, ein Diminutiv zu opós »Pflanzensaft*, ist auch die Quelle von lat. opium, welches im 15. Jh. die Bezeichnung für das aus dem Milchsaft des Schlafmohns gewonnene schmerzstillende Arznei-

afrikanisch mittel und Rauschgift Opium lieferte. Im Falle von Dublettenpaaren, bei denen das eine Glied - etwa Affion vs. Opium - Archaismus ist, ließe sich von etymologischer Duplizität aus historischer Sicht sprechen.

Afrika: Morphologisch-orthographische Eindeutschung von lat. Africa, ursprünglich dem Namen der 146 V. Chr. gegründeten römischen Provinz entlang dem südlichen Küstenland des Mittelmeeres und dann des ganzen Erdteils. Sie war nach dem um Karthago sesshaften Volksstamm der Afri benannt, vgl. die Kompositionsform von dessen Namen in afroalpin »das afrikanische Hochgebirge betreffend* und in Afroamerikaner »aus Afrika stammender Amerikaner*. An sich ist Africa das Femininum zum Adjektiv Africus »afrikanisch; punisch*, das in Africanus (s. afrikanisch) weitergebildet erscheint. Das aus lat. ventus Africus (wörtl. »afrikanischer Wind*) verselbständigte Maskulinum liegt der Bezeichnung eines in Südspanien wehenden Südwinds span, äbrego und daher dem Exotismus Abrego zugrunde. afrikanisch: Durch Adsuffigierung stattgefundene Übernahme des gleichbedeutenden lateinischen Adjektivs Africanus m. »Afrika betreffend, aus Afrika stammend*, einer Weiterbildung von Africus (s. Afrika). Die Struktur des deutschen Adjektivs deckt sich mit der von niederl. Afrikaans »afrikanisch* (-s < -sch), das mit seiner Nebenbedeutung »kapholländisch* sowie als Sprachbezeichnung im Deutschen üblich ist: afrikaans bzw. Afrikaans »Tochtersprache des Niederländischen, die sich seit dem 17. Jh. aus der Sprache der niederländischen Siedler in Südafrika entwickelt hat (seit 1875 zur Schriftsprache erhoben, seit 1925 neben dem Englischen gleichberechtigte Landessprache der Republik Südafrika)*. Im Unterschied zur morphologischen Anpassung des lateinischen Adjektivs durch das Suffix -isch bleibt das im Altertum als Ehrenname (Kognomen) mehrerer Patrizierfamilien gebrauchte Africanus unverändert, als Personenbezeichnung substantiviert wurde es dagegen mithilfe des Suffixes -er zu Afrikaner eingedeutscht und ist somit als etymologische Dublette von afrikanisch usw. im weiteren Sinn des Wortes anzusehen. Als etymologische Dublette im engeren Sinne stellt sich zu Afrikaner die aus dem Niederländischen entlehnte, analog strukturierte Bezeichnung für die in Südafrika geborenen Nachkommen der Buren (s. Bauer) Afrikaander/ Afrikander (Auslaut -ander nach niederl. Englander »Engländer*, Hollander »Holländer*). Der Vorlage am nächsten steht der substantivierte Plural des Neutrums Africanum Afrikana »Werke über Afrika*. Im Englischen tritt lat. Africanus lediglich zu African deglutiniert auf, vgl. z. B. den auch im Deutschen

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Agenda gelegentlich anzutreffenden Namen der i960 verbotenen politischen Bewegung und heutigen Partei in der Republik Südafrika Afrikanischer Nationalkongress: African National Congress. Agenda >Merkbuch; Liste von Gesprächs- und Verhandlungspunktenc Als Vorlage dieses Femininums diente lat. agenda >zu erledigende Dinges substantivierter Plural von agendum, dem Gerundivum zu agere »treiben, handeln« (s. Agens). Mit der Bedeutung >(Buch für die) Gottesdienstordnung« ist in der evangelischen Kirche die eingedeutschte Dublette Agende üblich, in der sich mlat. agenda (dies) »durch Messfeier ausgezeichneter Tag)« spiegelt. Deren lexikalisierten Plural Agenden gebraucht man, der Ausgangsbedeutung des Latinismus folgend, besonders im Österreichischen im Sinne von >zu erledigende Aufgaben, Obliegenheiten«, vgl. Zollagenden »Aufgabenbereich des Zolls«.

Agens »treibende Kraft«: In der Linguistik bezeichnet das sonst in der Philosophie und Medizin fungierende Fremdwort im Gegensatz zu Patiens (s. d.) den Träger eines durch das Verb ausgedrückten aktiven Verhaltens. Es ist das substantivierte Partizip Präsens agens, Gen. agentis von lat. agere, Part. Perf. actum »treiben, handeln« (> dt. agieren). Die spätlateinische Substantivierung agens (in rebus) »Sachwalter, Beauftragter« lieferte im 16. Jh. über ital. agente dt. Agent »Spion; Vermittler von Engagements« (ursprünglich nur »Geschäftsträger«) und durch französische Vermittlung mit bewahrter Aussprache auch Agent provocateur »Lockspitzel«. Die Genitivform des lateinischen Wortes erscheint in Nomen Agentis »von einem Verb abgeleitetes Substantiv, das das (handelnde) Subjekt eines Geschehens bezeichnet« (s. Nomen). Auf dem Verb agere beruht Agenda (s. d.), und von seinem Partizipialstamm act- abgeleitet sind die unter Act, Actio, Actus, aktiv, Aktivitas, aktuell dargestellten Dubletten, vgl. auch Attitude.

Agreement »formlose, aber bindende Übereinkunft im zwischenstaatlichen Verkehr«: Als politischer Terminus im Rahmen der Fügung Gentleman's/ Gentlemen's Agreement (vgl. Gentleman unter gentil) entlehnt aus gleichbed. engl. agreement (eigtl. »Vereinbarung«), dessen Quelle oder Derivationsmuster frz. agrément dt. Agrément »Zustimmung einer Regierung zur Ernennung eines diplomatischen Vertreters in ihrem Land« ergab. Das französische Wort ist ein Deverbativum von agréer »genehmigen, gut heißen, gefallen« (daraus engl. to agree »zustimmen, Übereinkommen«, dt. agreieren »genehmigen«), das auf afrz. a gré »zu Gefallen« oder - über roman. - auf der analog strukturierten präpositionalen Fügung lat. ad gratum (vgl. ad, s. grata) beruht.

Air »Hauch, Fluidum; Aussehen, Haltung; Melodie, liederartiges Instrumentalstück«: In der Regel wird die letztere Bedeutung lexikographisch in einem Homonym verselbständigt, obwohl das seit dem Anfang des 18. Jh. bezeugte Arraus gleichbed. frz. air stammt, das zusammen mit seinen bedeutungsgleichen Kognaten ital. aria und span, aire von den meisten Forschern über lat. aer>Luft< aufgriech. ä£r»Luft(schicht), Dunstkreis« zurückgeführt wird. Ausschlaggebend für die zugesprochene Homonymie sollte demnach nicht die Ursprungsverschiedenheit, sondern die zweifelsohne verwirrende semantische Vielfalt des Wortes sein, die man durch eine Bedeutungserweiterung von »Luft« über »Atmosphäre, Milieu« (z.B. frz. Pair de la cour »die Atmosphäre bei Hofe«) und »äußere Erscheinung, Haltung, Rede- und Haltungsweise« bis »Weise, Melodie, Lied« zu erklären versucht. Ital. aria, entstanden aus umgestelltem vlat. *area (< lat. aera, Akkusativ von aer), lieferte im 17. Jh. Aria »Lied, Melodie«, das im 18. Jh. mit dem Aufkommen der italienischen Opern auf Arie »Opernlied« eingeengt wurde. Die ursprüngliche Bedeutung des italienischen Wortes steckt in der Krankheitsbezeichnung Malaria (eigtl. »schlechte Luft«, s. Malum), gebildet wegen der bis ins 19. Jh. vertretenen Auffassung, dass bestimmte angenommene Erreger in der Luft die Krankheit verursachten. Die Kompositionsform von griech. àér tritt als Wortbildungselement Aer(o)-/aer(o)~ im Sinne von »Luft, Gas« auf in zahlreichen Termini wie Aerodynamik »Lehre von der Bewegung gasförmiger Stoffe, besonders der Luft« (über das Grundwort vgl. Dyn), Aerobus (s. d.), aerogen »gasbildend (Bakterien); durch die Luft übertragen (Infektion)« (über -gen vgl. Genus). Analog fungiert auch ins Englische entlehntes air »Luft«, vgl. Mrfresh »Mittel zur Luftverbesserung« (s. frisch), Aircondition »(versehen mit) Klimaanlage< (s. Kondition), Royal Air Force »Königliche Luft-waffe« (s. Royal, Forsche). Der Plural von span, aire begegnet uns im Namen der Hauptstadt Argentiniens Buenos Aires (eigtl. »gute Winde« oder »frische Luft«, s. Bon). akademisch »an einer Universität oder Hochschule erworben oder erfolgend; wissenschaftlich; trocken, theoretisch«: Im 16. Jh. durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) übernommen aus lat. academicus m., academica f., dem Adjektiv zum Gräzismus Academia (aus griech. Akadémeia, dem Namen des Sitzes der platonischen Schule in der Nähe eines Hains, der nach dem altgriechischen Heros Akademos benannt war), der durch französische und italienische Vermittlung dt. Akademie »Forschungsstätte; Fachhochschule« lieferte. Durch Adsuffigierung wurde das substantivierte Maskulinum academicus über Academicus/Akademikus (seit 1600) im 18. Jh. zu Akademiker »jemand, der eine Universitäts- oder Hochschul-

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ausbildung hat oder Mitglied einer Akademie ist« eingedeutscht. Attributiv ist das lateinische Femininum Bestandteil der veralteten Fügung Mensa academica >vor allem für die Studierenden eingerichtete Kantine an Hochschulen und Universitäten« (eigtl. »akademischer Mittagstisch«, s. Mensa).

Akkord »Zusammenklang; Bezahlung nach Stückzahl; Übereinkommen«: Im 16. Jh. enlehnt aus frz. accord mit der Ausgangsbedeutung »Übereinstimmung, Abkommen«, einer Ableitung von accorder »ein Abkommen schließen«. Über afrz. acorder »in Übereinstimmung bringen« führt dieses gleichbed. vlat. *adcordare fort, das eine Analogiebildung mit dem Präfix ad- (s. ad) zu concordare »in Einklang stehen« ist und gleicherweise auf lat. cors, Gen. cordis »Herz, Geist, Gemüt, Stimmung« (s. Herz) beruht. Aus dem Französischen stammt auch der seltenere Ausdruck d’accord »einverstanden« (s. de1). Akme »Höhepunkt, Gipfel (des Fiebers, einer Krankheit o.Ä.)sich auf etwas festlegenmischen; verbinden, vereinigen*, s’allier >sich verbünden*: (sich) alliieren >(sich) verbünden, (sich) vereinigen*, ganz besonders im substantivierten Partizip Perfekt die Allierten >die im 1. und 2. Weltkrieg gegen Deutschland verbündeten Staaten* (vgl. entsprechend frz. allié verbündet; Verbündeter*). Alpen: Der im Plural übliche Gebirgsname (entsprechend lat. Alpes, griech. Älpeis) wird zusammen mit Alb2 f. (in Fränkische Alb, Schwäbische Alb) aus einer vorindogermanischen Grundlage alb- >hoher Berg* hergeleitet, man hat ihn aber sehr früh von der Vorstellung der Schneeberge heraus volksetymologisch mit lat. albus >weiß< (s. Album) verknüpft. Als Gattungsname kommt das oberdeutsche Femininum Alb (mhd. albe, ahd. alba >BergweideWeideplatz auf einem Berg, Hochweide* vor, woneben eine aus synkopierten Formen des einst schwach flektierten Substantivs Alben/ Albn/Albm durch assimilatorischen Schwund entstandene gleichbedeutende Dublette Alm existiert. Totale Assimilation lb/lp > II liegt dagegen vor im Landschaftsnamen Allgäu (seit dem 14./15. Jh. aus älterem Albegewi, Albigowi, eigtl. >Albgau*, s. Gau). Über Alp1 m. s. d.

Alquifoux: Seiner Form und Bedeutung nach vertritt dieser im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Exotismus frz. alquifoux als Bezeichnung einer Art Bleiglanz, der als Schönheitsmittel zum Schwärzen der Wimpern und Augenbrauen besonders in der arabischen Welt benutzt wurde. Das französische Wort geht über gleichbed. span, alquifol auf zu den genannten Zwecken gebrauchtes arab. al-kuhl »Antimon-, Grauspießglanz* zurück. Ohne den Artikel al- liegt das arabische Wort in engl. kohl »Puder zum Schwärzen der Augenlider* vor, über span.-arab. alkuhül gelangte dagegen die determinierte Fügung im 16. Jh. in die Sprache der Alchimisten, in der mlat. alcohol >feines Pulver* vor allem durch Sublimierung und Destillation gewonnene Substanzen und Essenzen bezeichnete. Paracelsus bezog es auf den durch hohe Flüchtigkeit gekennzeichneten Weingeist (mlat. alcohol vini, vgl. Wein), wonach der Terminus Alkohol einerseits auf andere berauschende Getränke übertragen wurde, andererseits in der Chemie Klassenbedeutung erhielt. als1: Dieser Konjunktion liegt ein nach eingetretener Abschwächung apokopiertes mhd. als(e) >ebenso,

wie, als (ob), weil* zugrunde, das mit gleichbed. also auf ahd. alsö/also >ebenso, wie*, urspr. >ganz so* (aus sö »so*, verstärkt mit al, s. all) beruht (über homonymes als2 s. all). Die Variante also lebt ihrerseits, funktional und semantisch differenziert, in nhd. also fort (vgl. dagegen mhd. als balde/alsö balde >sobald* > nhd. alsbald/veraltet alsobald »sofort*, s. bald).

alt: Zusammen mit gleichbed. engl. old und niederl. oud setzt das deutsche Adjektiv westgerm. *aldafort, das sich entweder als eine Partizipialbildung im Sinne von >aufgewachsen< zu germ. *ala- >wachsen, nähren* stellen oder unmittelbar auf das to-Partizip *alto- >herangewachsen< von dessen Quelle idg. *al- (vgl. all1) zurückführen lässt. Gleicher Herkunft (nach W. Pfeifer) bzw. eine parallele Entwicklung (nach anderen Forschern), d.h. eine angesichts von lat. alere mähren, aufziehen* adäquate Bildung stellt lat. altus »hoch* dar. Aus diesem (substantivisch vertreten in Altus >falsettierende Männerstimme in Altlage, besonders in der Musik des 16.-18. Jh.; Sänger mit Altstimme*) sind u.a. gleichbed. ital. alto und frz. haut (beeinflusst von afränk. *höh >hochtiefe Frauenstimme* (für lat. vox alta »hohe Stimme*, ursprünglich Bezeichnung für eine hohe Männerstimme, deren Rolle später, als auch Frauen Solistenrollen übernehmen konnten, von Frauen gesungen wurde, vgl. Voces). Das Femininum des französischen Erbwortes tritt z.B. auf in der Fügung Haute Couture >die Mode bestimmende (eigtl. hohe) Schneiderkunst* (Bezugswort: couture »Nähen, Schneiderhandwerk* aus vlat. *cosutura, Verbalabstraktum zu *cosere für lat. consuere »zusammennähen*), während die maskuline Form haut enthalten ist in Hautgout »eigentümlich scharfer Geschmack und Geruch, den das Fleisch von Wild nach dem Abhängen annimmt* (s. Gusto) sowie - nur phonisch - im Anlaut des Holzblasinstruments Oboe (s. d.) und im Auslaut des jägersprachlichen Zurufs bei Treibjagden, auf vorbeistreichendes Federwild zu schießen, tiro! (für frz. tire haut! »schieß hoch!*, zu tirer »ziehen; schießen*). Engi, old ist Bestimmungswort etwa in Oldred »roter Sandstein des Devons* (eigtl. »altes Rot*, s. rot) und Oldtimer »altes, gut gepflegtes Modell eines Fahrzeugs mit Sammler- oder Liebhaberwert; Telefon, Möbel, das nach dem Vorbild des Alten hergestellt wurde; jemand, der über viele Jahre bei einem Beruf oder Ähnlichem dabei ist* (aus-engl. old-timer »Altgedienter, Altbewährter, Veteran*, er-Ableitung von old-time »aus alten Zeiten stammend*). Sofern im Englischen und Amerikanischen ein altes Fahrzeug im obigen Sinn veteran car oder classic car genannt wird, old-timer aber die übrigen Bedeutungen von

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Oldtimer nicht fremd sind, handelt es sich bei diesem nicht um einen im Deutschen neu geprägten Anglizismus, wie dies bei dt. Pullunder der Fall ist, sondern - wie bei auf engl. handy »handlich, praktisch, zur Hand* gestütztem Handy oder aus engl. twenty >zwanzig< fragmentiertem Twen (s. zwanzig) - um eine Umdeutung der englischen Vorlage. Aus mnd. ölt (flektiert ölde) ist durch totale Angleichung lt/ld > II die landschaftliche Lautform oll »alt; unangenehm; unschön* z.B. in der umgangssprachlichen Fügung olle Kamellen »Altbekanntes* (s. Kamille) entwickelt, vgl. auch substantiviert der/die Olle >der/die Alte*. Sonst tritt der niederdeutsche und der niederländische Kognat von alt gebunden auf jeweils in den Ortsnamen Oldenburg (s. Altenburg) und Oudenaarde (eigtl. »alte Erde*).

Altenburg: Name einer Stadt im östlichen Thüringen (976 civitas Altenburg, vgl. Cityf der sich auf die von den Deutschen übernommene sorbische »alte Burg* von Plisne/Blisna bezieht und die flektierte Form von alt (s. d.) aus der Fügung (zur) alten Burg als Vorderglied hat. Er kann die Lehnübersetzung von einem alten westslawischen Namen sein, der in mehreren Stargard (stary »alt* + gard »Burg, Stadt*, s. Garten) heißenden Orten vorliegt. Analog strukturiert ist der aus dem Slawischen ins Altsächsische übersetzte und dann ins Mittelniederdeutsche übertragene (im 12. Jh. Aldenburc/Aldenburch lautende) Name von Oldenburg in Holstein. älter: Komparativ zu alt (s. d.), der auch dem Substantiv Eltern (mhd. eltern/altern) ahd. altiron/eltiron, also eigtl. »die Älteren*) zugrunde liegt, vgl. möglicherweise unbeabsichtigt wortspielerisch »»Wenn die Älteren an ihre eigene Jugend denken würden, dann würden sie sich an ähnliche Sätze aus dem Mund ihrer Eltern erinnern« (Kaleidoskop, Boston 2i987, S. 102). Die im 16. Jh. oft, im 18./19. Jh. vereinzelt noch vorkommende Schreibung Altern wurde aufgegeben, nachdem der Zusammenhang mit alt verblasst war. Der fachsprachliche Singular Elter n./m. scheint angesichts des variierenden Genus (s. Teil1) eher aus gleichbedeutendem (wenn auch als Maskulinum kodifiziertem) Elternteil isoliert denn aus Eltern rückgebildet zu sein. Der Umlaut /e/ < /a/, Verschiebung /t/ < /d/ und Rhotazismus /r/ < /z/ aufweisende althochdeutsche Komparativstamm eltiroführt germ. *aldizö- »älter* fort, das auch gleichbed. aengl. (e)aldor (substantivisch »Fürst, Herr*), engl. elder (neben older) ergeben hat. Dieses ist in der im Duden-Fremdwörterbuch verzeichneten attributiven Fügung Elder Statesman »Politiker, der nach seinem Ausscheiden aus einem hohen Staatsamt weiterhin große Hochachtung genießt* (s. Staatsmann) sowie im Exotismus Alderman »(ältester) Ratsherr,

amerikanisch Stadtrat, Vorsteher in angelsächsischen Ländern* (s. man) enthalten.

AmberVAmbra »bei der Parfümherstellung verwendete fettige Darmausscheidung des Pottwals*: Die beiden Varianten der auf gleichbed. arab.eanbar zurückgehenden Bezeichnung des Duftstoffs zeugen von deren Vermittlung jeweils durch frz. ambre und ital. bzw. mlat. ambra (gleichermaßen mit teilweiser Angleichung mb < arab. nb). Im Englischen gebraucht man dafür ambergris (< afrz. ambre gris, eigtl. »grauer Amber*), während amber seit dem 14. Jh. im Sinne von »Bernstein* auftritt. Gelegentlich wird Amber2 »Bernstein* auch im Deutschen als Anglizismus verzeichnet. Aus gleichbed. engl. pomander (älter pomamber) stammt offensichtlich die im DudenFremdwörterbuch aufgeführte Zusammenrückung Pomander »kleines, mit Löchern versehenes kugliges Gefäß, das mit duftenden Kräutern o. Ä. gefüllt in Kleider- oder Wäscheschränke gehängt wird*, die aus mfrz. pome d'ambre bzw. mlat. pomum ambrae/pomum de ambra »Apfel aus Ambra* (s. Pommes) entstanden ist. amerikanisch: Adsuffigierte Übernahme (vgl. afrikanisch) des Adjektivs engl. American bzw. nlat. Americanus. Dieses ist von nlat. America abgeleitet, das 1507 zum ersten Mal als Name des neu entdeckten Erdteils vom deutschen Kartographen M. Waldseemüller in seiner Weltbeschreibung »»Cosmographiae universalis introductio« erscheint und traditionell auf den latinisierten Vornamen Americus des italienischen Seefahrers Amerigo Vespucci (1451-1512) zurückgeführt wird. Genauso wie amerikanisch mit dem Adaptationselement -isch morphologisch angepasst worden ist, so wurde die Personenbezeichnung American mithilfe des Suffixes -er zu Amerikaner eingedeutscht (während sich dessen mit dem expressiven Suffix -i versehene Kopffragmentierung Ami im Unterschied zu reinen Fragmentierungen wie Abi von Abitur Krimi von Kriminalfilm/Kriminalroman nicht einmal bedingt als strukturelle Dublette der hier erörterten Dublettenreihe zuordnen ließe). In adäquater Form tritt das englische Adjektiv in einigen Fügungen auf wie etwa American Way ofLife »amerikanischer Lebensstil* (s. weg, ab1) Leib)) und eine Substantivierung des Femininums seiner französischen Entsprechung américain m. liegt vor in Américaine »Bahnradrennen für Zweiermannschaften mit beliebiger Ablösung*, elliptisch für ffz. course à Paméricaine, eigtl. »Wettrennen auf amerikanische Art*, vgl. die vollständigere Wiedergabe der präpositionalen Fügung in Alaméricaine »Springprüfung, in der der Parcours beim ersten Fehler beendet ist* (s. ad). Amerikana, substantivierter Plural des Neutrums Americanum zu lat. Americanus, ist schließlich die zusammenfassende Bezeichnung für Werke über Amerika.

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Amigo Amigo >als Freund und Gönner eines Politikers auftretender Geschäftsmann, der sich dadurch Vorteile für sein Unternehmen erhoffte Die umgangssprachliche Bezeichnung und ihre weibliche Form Amiga beruhen auf span, amigo >Freund< bzw. amiga >Freundin«. Diese setzen gleichbed. lat. amicus und amica fort, in denen sich Substantivierungen der maskulinen und femininen Form des Adjektivs amicus Beb, befreundet (zu amare >lieben«, vgl. Amor) manifestieren. Französischer Fortsetzer des Maskulinums ist ami, Plur. amis >Freund«, der enthalten ist beispielsweise im Beinamen des französischen Revolutionärs J.-P. Marat Ami du Peuple (nach der von ihm herausgegebenen Zeitung, wörtl. >Freund des VolkesFreunde der Schwarzem, vgl. de1, Neger), ferner gebunden in Zusammenrückungen wie Fauxami >in mehreren Sprachen in gleicher Form, aber in verschiedenen Bedeutungen vorkommendes Wort, das leicht falsch verwendet werden und zu Interferenzfehlern führen kann« (gekürzt aus faux ami du traducteur falscher Freund des Übersetzers«, s. Falsum), Belami >Frauenlieblingschöner Freund«, vgl. Beau) fußend. Der Plural des italienischen Maskulinums amico liegt vor in Amici, dem Familiennamen des italienischen Astronomen und Mikroskopebauers G. B. Amici (1786-1863).

Ammann: Das in der Schweiz übliche und eigentlich als Kurzwort (Schwanzisolierung) anstelle von Stadt-, Land-, Gemeindeammann mit Bedeutungen wie Bürgermeister, Bezirksvorsteher, Gemeindepräsident« auftretende Nomen Agentis ist mit binnend. Amtmann Beamter des gehobenen Dienstes« (vgl. Beamter) identisch. Es ist aus diesem durch Angleichung /mtm/ > /mm/ entstanden und setzt demnach mhd. amtman/ambetman, ahd. ambahtman fort. Letzteres, eine Zusammensetzung aus Mann (s. man) und dem Amt (ebenfalls durch Angleichung aus mhd. ampt/ambet hervorgegangen) zugrunde liegenden Substantiv ahd. ambahti >Dienst, Amt«, hat ahd. ambaht >Diener, Gefolgsmann« verdrängt. Ahd. ambahti wird über germ. *ambaht(j)a auf gall. *ambaktos >Höriger, Diener, Bote« (eigtl. >Herumgesandter«) zurückgeführt, das aus kelt. *ambi >herum< (s. um) und der indogermanischen Grundlage des unter Agens genannten Verbs lat. agere >treiben, handeln« komponiert ist. Da der Mechanismus der Weiterbildung von lat. ambactia >Dienst< als Entsprechung von gleichbed. ahd. ambahti über aprovenz. *ambaissa zu ambaissada bzw. zu ital. ambasciata und daraus (afrz. ambasse verdrängend) frz. ambassade nicht präzise genug analysierbar ist, wäre es wohl

nicht vertretbar, bei Amt und Ambassade Botschaft, Gesandtschaft« etymologische Duplizität erschließen zu wollen.

Ammer: Name eines linken Nebenflusses der Isar, der den Ammersee durchfließt und nach seinem Austritt bis zur Mündung bei Moosburg Amper1 genannt wird (zu homonymem Amper2 s. Amphora). Nach D. Berger ist der seiner Herkunft nach lateinische Flussname (vgl. die aus dem 3. und 8. Jh. bezeugten Genitiv- und Lokativformen Ambrae, Ambre) mit dem Suffix -ra zur indogermanischen Wurzel *ombh-, *mbh- >feucht; Wasser« gebildet. Als weitere Glieder dieses sonderbaren Dublettenpaares wiederum mit und ohne Assimilation des Verschlusslau tes sind der Name des linken Nebenflusses der Weser Emmer (9. Jh. super fluvium Ambra) und das Bestimmungswort im Namen der südöstlich von Hildesheim liegenden Landschaft Ambergau (vgl. Gau) zu nennen.

Amor: Der Name des römischen Liebesgottes (s. auch Amorette), der dem Eros in der griechischen Mythologie entspricht und nach dem auch ein Planetoid benannt ist, ist mit dem lateinischen Wort amor, Gen. amoris m. >Liebe«, Plur. amores Biebschaften« (zu amare Beben«, vgl Amigo) identisch, vgl. die bei Nietzsche als Zeichen menschlicher Größe gebrauchte Fügung Amor Fati >Liebe zum Notwendigen und Unausweichlichen« (eigtl. >Liebe zum Schicksal«, s. Fatum). Aus dem lateinischen Akkusativ Singular amorem sind gleichbed. ital. amore (vgl. amoroso) und (affz. amur, dann lautgesetzlich ameur, schließlich unter Einfluss der provenzalischen höfischen Dichtung) frz. amour hervorgegangen, vgl. dessen Plural amours wiedergebendes veraltendes Amouren Biebschaften, Liebesabenteuer« und dessen in der französischen Bezeichnung für Liebe unter Männern Amour bleu (eigtl. Blaue Liebe«, s. blau) auftretender Singular. Amorette Bigur eines geflügelten Liebesgottes«: Unter Anlehnung an das französische Diminutivsuffix-ette stattgefundene Eindeutschung des gleichbedeutenden kunstwissenschaftlichen Fachausdrucks ital. amoretto (Verkleinerungsform zu Amor, s. d.). Strukturgleich ist frz. amourette Biebelei«, dessen lexikalisierter Plural amourettes in der Gastronomie kleine Gerichte aus dem Rückenmark von Kalb, Rind oder Hammel bezeichnet. Daher der von R. Köster aufgeführte Gallizismus Amourettes, dessen Aufkommen er darin sieht, dass man dem Gourmet die besagten kleinen Gerichte als liebliche Köstlichkeiten serviere. Das im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Amourettenholz Bartes, rötliches Holz einer westindischen Mimose« hat dagegen nichts mit frz. amourette Biebelei« zu tun, sondern ist vielmehr teilweise

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Lehnübersetzung von frz. bois d’amourette > Akazienholz« (zu bois »Wald; Holz< s. Busch). Darin tritt offensichtlich das gewöhnlich durch Zittergras wiedergegebene Homonym amourette auf, das A. Dauzat auf den unter Einfluss von lat. amarus >bitter, herb« und frz. amour geratenen lateinischen Pflanzennamen amalusta zurückfuhrt. amoroso diebevoll, zärtlich«: Als musikalische Vortragsanweisung übernommen aus gleichbed. ital. amoroso m., das wie frz. amoureux m., amoureuse f. (aus dem Femininum dt. amourös >eine Liebschaft betreffend; verliebt«) auf mlat. amorosus »liebevoll, verliebt« (zu amor »Liebe«, s. Amor) beruht. Die Exotismen Amoroso und Amorosa, substantivierte Repräsentanten des italienischen Adjektivs und seiner femininen Form amorosa, sind entsprechend Bezeichnungen für den Liebhaber und die Liebhaberin in italienischen Theaterstücken.

Ampere n. »Einheit der elektrischen Stromstärke«: Im Unterschied zu anderen auf Eigen- oder Gattungsnamen basierenden Maßeinheiten, die sich wie etwa Farad (s. d.), Dyn (s. d.) strukturell von ihren Vorlagen unterscheiden, ist Ampere (Zeichen: A) phonound graphosemantische Dublette von Ampère, dem Familiennamen des französischen Physikers A. M. Ampère (1775-1836), dem zu Ehren sie 1898 eingeführt wurde. Amphora/Amphore: Der Name des antiken zweihenkligen Tongefäßes zur Aufbewahrung von öl und Wein geht über lat. amp(h)ora auf griech. amphoreüs, das haplologisch verkürzt ist aus *amphiphoreüs »Zweiträger, ein beiderseits getragener Krug«, zusammengetzt aus amphi- »um - herum, von beiden Seiten« (s. um) und der abgetönten Vollstufe des Verbs phérein »tragen« (urverwandt mit ahd., mhd. beren »tragen, hervorbringen«, zu dem nhd. gebären und entbehren sowie Bahre eigtl. »Trage« gehören, vgl. Phosphor). Die vulgärlateinische Nebenform ampora wurde mit romanischem b ins Westgermanische entlehnt und ergab ahd. ambar/amber, das ziemlich adäquat in österr. mdal. Amper2 »Kanne; eine Art Kübel«, wiener. »Eimer, große Kanne; große weibliche Brust« fortlebt (zu homonymem Amper1 s. Ammer). In gewissem Sinne wirkte das Fremdwort eine Zeitlang synonym mit dem einheimischen ahd. zubar »zweitägiges Gefäß«. In volksetymologischer Anlehnung an das Zahlwort ein und das Verb beren »tragen« wurde es dann auf einen nur einhenkligen Kübel übertragen und in der Lautung einbar/eimbar von zubar bedeutungsmäßig differenziert. Im Mittelhochdeutschen ist die aus nb durch partielle Assimilation entstandene Lautverbindung mb in eimber durch totale Assimilation zu mm umgewandelt und zu m vereinfacht worden, so dass das Wort letztendlich die

Analyse Lautgestalt Eimer (einst als Gegenwort zu Zuber umgedeutet) annahm.

Ampulle: Die Bezeichnung für ein bauchiges Gefäß, die in der Neuzeit in der Medizin auch die Bedeutungen »bauchige Erweiterung eines röhrenförmigen Hohlorgans« (19. Jh.) und »zugeschmolzenes Glasröhrchen« (20. Jh.) entwickelt hat, gibt lat. ampulla »kleine Flasche; Ölgefäß« (lautlich umgewandelt aus *amporla, einer Verkleinerungsbildung zu vlat. ampora »kleineres bauchiges, nicht unbedingt zweihenkliges Gefäß«, s. Amphora) wider. Das anfangsbetonte Wort ist in adäquater Lautform schon in ahd. ampulla belegt, woraus durch gesetzmäßige Abschwächung der unbetonten Vokale mit anschließendem Abfall des auslautenden -e mhd. ampel entsteht. Dieses bezeichnete bis ins 14. Jh. nur die ewige Lampe der Kirche, ging später auch in das häusliche Leben über, musste aber vor der jüngeren Entlehnung Lampe zurückweichen. Im 20. Jh. wurde das veraltende Ampel »kleine Hängelampe; hängendes Gefäß für Topfpflanzen« durch die Bedeutung »Signallampe zur Verkehrsregelung« (urspr. Verkehrsampel) neu belebt. Auf niederdeutschem Boden wurde die unbetonte Anfangssilbe einer Parallelform des Fremdwortes weggelassen, so dass es im 18. Jh. in der Lautung Pulle »Flasche« in die allgemeine Umgangssprache gelangen konnte.

an: Das als Präposition und Adverb (besonders als Präverb) fungierende Wort geht über mhd. an(e), ahd. an(a) auf germ. *ana (woraus auch engl. on »an, auf«) zurück, das wie griech. and »auf, hinauf, entlang, gemäß, zu« auf idg. *ana »hinan, entlang« beruht. Durch Angleichung anb- > amb- umgewandeltes an- liegt in der präfigierten Bildung Amboß vor, entstanden aus mhd. an(e)böz (< ahd. anaböz, wörtl. »woran, worauf man schlägt«, eine Ableitung von ahd. bözan »schlagen, klopfen«). Aus dem Englischen stammt on »im Fernsehbild oder auf der Bühne beim Sprechen sichtbar« (substantivisch: On »das Sichtbarsein des Sprechers im Fernsehen«), vgl. auch kaufmänn. on call »(Kauf) auf Abruf«, online »in direkter Verbindung mit der Datenverarbeitungsanlage arbeitend« (s. Linie). Mit distributiver Funktion ist die griechische Präposition enthalten im normalerweise zu ana (oder ää, oder aber ää. pt. aequ.) abgekürzt gebrauchten Vermerk auf ärztlichen Rezepten ana partes aequales »zu gleichen Teilen« (s. Part, äqual). Als erster Bestandteil ana- tritt sie in Fremdwörtern auf wie analog (< griech. anälogos »einem Verhältnis entsprechend«, zusammengebildet aus and und lògos »Wort, Rede; Maß; Vernunft«, s. Logo), Analyse (s. d.). Analyse: Der seit dem 15. Jh. bezeugte wissenschaftliche Terminus (zunächst analysis) wurde aus mlat. analysis »Auflösung, Zergliederung« entlehnt und im

Angelica 18. Jh. wohl an frz. analyse formal angeglichen. Das mittellateinische Wort entstammt aus gleichbed. griech. analysis (zu analyein >auflösenlösen< mit ana- >auf, hinauf*, s. an), das in adäquater Lautung in Analysis >Teil der Mathematik, in dem mit Grenzwerten und veränderlichen Größen gearbeitet wird; Voruntersuchung beim Lösen geometrischer Aufgaben* wiederkehrt. Angelica >kleine theorbenartige Laute des 17./18. Jh. mit 17 diatonisch gestimmten Saiten; ein Orgelregister*: Substantivische Verwendung der femininen Form von lat. angelicus >himmlisch, engelhaft*, entlehnt aus griech. angelikós >die Engel betreffend, ihnen zukommend, zu ihnen gehörend* (zu angelos >Gesandter, Bote, Engel*, s. Engel), Die zweite Bedeutung von Angelica zeugt von einer Ellipse aus der Fügung Vox angelica dieblich, schwebend klingendes, flötenartiges Orgelregister* (eigtl. >von engelhaftem Klang*, s. Voces). Dieselbe Form mit eingedeutschter Schreibung steckt in der Pflanzenbezeichnung Angelika, mit der die Lehnübertragung Engelwurz synonym gebraucht wird. Als weiblicher Vorname hat Angelika/Angelica (eigtl. >die Engelhafte*) eine Entsprechung in frz. Angélique. Eine Nachbildung von lat. angelicus liegt offensichtlich vor im veralteten Eigenschaftswort englisch >auf die Engel bezüglich, Engels-*.

Animo: Dem >Vorliebe; Schwung, Lust* bedeutenden Austriazismus liegt ital. animo >Seele, Mut, Wille* zugrunde. Dieses setzt lat. animus >Seele, Geist; Neigung, Lust; Stimmung; Mut* (zusammen mit anima >Atem; Seele; Leben* zu idg. *ano- >atmendas Seelenbild des Mannes im Unbewussten der Frau (nach C. G. Jung)*, scherzh., ugs. >Ahnung, Eingebung* stammt, vgl. ferner die rechtssprachlichen Termini Animus Auctoris >Täterwille* (s. Autor), Animus Socii >Gehilfenwille* (s. Sozius).

Anker: Der über lat. ancora aus gleichbed. griech. änkyra entlehnte Schifffahrtsterminus erscheint im 12. Jh. mit der Übernahme des neuartigen Geräts am Niederrhein und an der Nordsee anstelle der ahd. senkil genannten schweren Steine zum Festmachen der Schiffe. Er gelangte auch ins Englische: aengl. aneor/ ancer/ancra, das heute - einer im Schriftbild von ancora abweichenden Nebenform lat. anchora folgend - engl. anchor zugrunde liegt und, von dessen verbaler Verwendung im Sinne von >verankern< ausgehend, als Vorderglied des Fremdwortes Anchorman >Moderator, Nachrichtensprecher* (also eigtl. derjenige, der Journalistische Beiträge quasi verankert*, vgl. man) im Deutschen gebunden auftritt. Mit dem griechischen Wort, das mit dt. Angel wurzelverwandt ist und ursprünglich >Haken< bedeutet haben soll,

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begann man einen früher den hethitischen Namen Ankulla/Ankuva tragenden antiken Ort in Anatolien zu nennen, der 1923 Hauptstadt der Türkei wurde und seit 1930 Ankara heißt. Dieser modernen Lautung ihres Namens ging die aus Ankyra entwickelte Angora voraus, die als Wortbildungselement mit der Bedeutung Teine, lange Haare habend* in den Komposita Angorakatze, -kaninchen, -wolle, -ziege (gelegentlich auch als Kopfisolierung die Angora >Angorakatze*) erhalten geblieben ist. In der Uhrmacherei ist Anker Bezeichnung für die zweiarmige, ankerförmige Hemmung des Kron- oder Gangrades der Uhr, wofür gelegentlich der französische Repräsentant des Gräzismus Ancre zumindest lexikographisch vorkommt.

anonym mngenannt, namenlos; nicht namentlich bekannte Im 18. Jh. über gleichbed. frz. anonyme und lat. anonymus entlehnt aus griech. anönymos, einer Bildung aus dem Substantiv ónyma/ónoma >Name< (s. Name) mit dem verneinenden, privativen Präfix a(n)-, das mit dt. un- urverwandt ist. Belege für den Gebrauch der lateinischen maskulinen Substantivierung anonymus im Deutschen existieren dagegen seit dem 17. Jh.: Anonymus >Ungenannter (in Bezug auf Jemanden, der etwas geschrieben hat, sein Name aber nicht bekannt ist oder bewusst verschwiegen wird)*. Frz. anonyme ist zweiter Bestandteil des Exotismus Société anonyme (französische Bezeichnung für Aktiengesellschaft, s. Societas).

Ansgar: Der männliche Vorname setzt - mit unregelmäßigem Vokalwandel im Hinterglied - ahd. Ansgèr fort, das sich aus germ. *ansu- >Gott< (s. Äsen) und germ. *gaiza- >Ger< (s. Ger) zusammensetzt und genaue Entsprechungen in aengl. Ösgär und aisl. Äsgeirr (heute: Asgeir) hat. Aus diesem stammt vermutlich air. Oscur, das wohl zusammen mit der altenglischen Lautform dem englischen Namen Oscar zugrunde liegt. Im Deutschen gilt Oskar als eine Ende des 18. Jh. erfolgte Übernahme aus der OssianDichtung des Schotten James Macpherson und tritt u.a. bildlich auf im saloppen Ausdruck/reck wie Oskar >auf eine dreiste Art frech* (laut Duden-Universalwörterbuch vielleicht nach Oskar Blumenthal, der Anfang des 20. Jh. sehr scharfe und »freche« Kritiken schrieb). Nicht eingedeutscht kommt zwar Oscar als Personenname selten vor, als Bezeichnung für den Jährlich in Form einer vergoldeten Statuette verliehenen amerikanischen Filmpreis ist es aber wohlbekannt. Wahrscheinlich eine altsächsische Lautvariante des germanischen Namens ist erster Bestandteil des Ortsnamens Oschers/eben (1010 Oskersleuo), in dem -leben so viel wie >erblich hinterlassenes Gut, Grundeigentum* bedeutet, so dass das Ganze im Sinne von >Besitz, Erbe des Öskers* aufzufassen ist.

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anti: Die in der umgangssprachlichen Fügung anti sein >völlig anderer Ansicht, absolut dagegen sein< auftretende Partikel ist eine Isolierung des internationalen Präfixes Anti-/anti-, mit dem z. B. Antipode >Gegner< (eigtl. »Gegenfüßler«, s. Fuß) gebildet ist und das auf der griechischen Präposition anti »angesichts, entgegen, gegenüber« beruht. Sowohl lat. ante »vor« (etwa in ante diem »vor der festgesetzten Zeitvor dem TagVorderseite, Stirn, Gesichts Darauf wird auch germ. *anda- »entgegen, gegenüber« (vgl. Ende) zurückgeführt, das heute in den präfixbetonten Nominalkomposita Ant-, in den wurzelbetonten Verbalkomposita dagegen ent(und emp- durch Angleichung an das/- in empfangen, empfehlen und empfinden) lautet: Antlitz (eigtl. >das Entgegenblickende«), Antwort (eigtl. Gegenrede, Entgegnung«, an Wort angeglichenes, einst dazu gebildetes Kollektivum mhd. antwürte, ahd. antwurti) bzw. entkommen und viele andere mit entpräfigierte Verben, in denen es Trennung oder Gegensatz bezeichnet. Über E. Seebolds Versuch, germ. *anpi >und< ebenfalls aus idg. *ant- herzuleiten, s. und. antik >das Altertum betreffend, altertümlich«: Seit dem 17. Jh. bezeugte Entlehnung von gleichbed. frz. antique, welches das zu lat. ante »vor, vorher« (s. anti) gebildete Adjektiv antiquus m., antiqua f. >vorig, vormalig, alt« mit der Nebenform anticus >der vordere« (daraus schon im 16. Jh. mit morphologisch adaptierendem Suffix -isch dt. antiquisch, heute antikisch >im Stile des klassischen Altertums, ihm nachstrebend«) vertritt. Der in den romanischen Sprachen stattgefundene semantische Übergang von >alt< zu »altertümlich« hängt mit der kunst- und kulturhistorischen Erforschung des klassischen Altertums zusammen, vgl. die darauf beruhende Substantivierung Antike »das klassische Altertum und seine Kultur; aus der Antike stammendes Kunstwerk« oder den aus dem Italienischen stammenden musikalischen Fachausdruck Stile antico für einen strengen klassischen Stil wie etwa den A-cappella-Stil (s. Stil). Lat. antiqua ist Attribut in Ars antiqua »erste Blütezeit der Mensuralmusik« (wörtl. »alte Kunst«, s. Ars), und durch Ellipse aus (littera) antiqua »alte Schrift« verselbständigt ist die Bezeichnung für die heute allgemein gebräuchliche Buchschrift Antiqua, die nach E. Seebold so benannt ist, weil das Alphabet der alten Inschriften als Vorbild für die Großbuchstaben diente. Dieselbe feminine Form des lateinischen Adjektivs lautet span, antigua und liegt dem Namen der Insel der Kleinen Antillen Antigua zugrunde, die zusammen mit Barbuda dem Inselstaat Antigua und Barbuda in der Karibik angehört. Davon ist Antigua der übrig

Appartement gebliebene Teil des ekklesiogenen Namens der Insel Santa Maria la Antigua de Sevilla (1493). Apartheid »Rassentrennung zwischen Weißen und Farbigen (besonders in Südafrika)«: Der nunmehr als Historismus anzusehende politische Begriff spiegelt afrikaans apartheid (eigtl. »Abgesondertheit«) wider, ein mit dem Suffix -heid = dt. -heit gebildetes Abstraktum zu niederl. apart »einzeln, besonders«. Dieses ist wie dt. apart »reizvoll« durch Zusammenrückung aus frz. à part »beiseite, abgesondert, eigenartig« (s. ad, Part) entstanden. Apartheid stellt sich als adäquate Dublette zum einheimischen Abstraktum Apartheit »das Apartsein; apartes Wesen«.

Apertur »Maß für die Leistung eines optischen Systems«: Der Terminus basiert auf lat. apertura »Öffnung, Eröffnung« (zum Partizipialstamm apert- von aperire »öffnen«, woraus gleichbed. frz. ouvrir mit dem Partizipialadjektiv ouvert »geöffnet, offen«, vgl. à bras ou~ verts unter Pratze). Über vlat. Copertura ergab das lateinische Abstraktum gleichbed. frz. ouverture, aus dem im 17. Jh. der musikalische Fachausdruck Ouvertüre »einleitendes Instrumentalstück« entlehnt wurde.

Apotheke: Die seit dem 13. Jh. bezeugte Übernahme von mlat. apotheca »Vorratskammer; Weinlager; Kramladen« (insbesondere »Raum für Heilkräuter zur Versorgung der Kranken in alten Klöstern«) beruht auf griech. apothékè »Abstellraum, Aufbewahrungsort« (zu apotithénai »weg-, ablegen«, s. ab*, Theke).'Aus der Aphärese aufweisenden Variante mlat. potheca stammt (wohl über prov. botica) frz. boutique »(Kram)laden«, entlehnt im 16. Jh. zu ugs. Butike/Budike (Letzteres an Bude, s. d., angelehnt) »kleiner Laden, kleine Kneipe« und im 20. Jh. noch einmal zu Boutique »kleines Modegeschäft«. Gleicher Herkunft sind span, bodega »Weinschenke« (daraus Bodega »spanische Weinschenke; Warenlager in Seehäfen«), ital. bottega »Laden; Werkstatt« (daraus Bottega »Geschäft; Werkstatt«) und vermutlich Bottich (< mhd. botech/boteche < ahd. botega) »großes Fass für Wein, Bier, Gemüse«, in dem sich mlat. potheca »Vorratslager; Weinkeller« und spätlat. buttis »Fass« bzw. buttica »Gefäß« (dazu butticula »Fässchen; Krug«, s. Bouteille) miteinander vermischt zu haben scheinen. Appartement »komfortable Kleinwohnung; Zimmerflucht in einem luxuriösen Hotel«: Im 17. Jh. entlehnt aus frz. appartement »abgeteilte und abgeschlossene Wohnung« (< ital. appartamento, Deverbativum zu appartare »trennen, absondern«, zu a parte »gesondert«, vgl. die analoge präpositionale Verbindung frz. àpart unter Apartheid sowie mlat. ad partem unter Part), das gleichzeitig auch engl. apartment »abgeschlossene Wohnung« ergab. Aus diesem wurde im 20. Jh. dt. Apartment »moderne Kleinwohnung«

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Appell übernommen, das im Allgemeinen synonym mit Appartement in seiner ersten Bedeutung gebraucht wird. Aus einer Kopffragmentierung des Letzteren + Hotel ist das Kompositum Aparthotel »Hotel, das Appartements (und nicht Einzelzimmer) vermietet< (vgl. Hospital) gebildet worden. Appell »Aufruf, Mahnruf; Antreten zur Überprüfung*: Entlehnt im 18. Jh. als militärischer Fachausdruck aus gleichbed. frz. appel, einer Rückbildung aus appeler >auffordernab-< und site »Seite* ergab kirchlenlat. apsida andererseits mhd. abstde/absite »überwölbter Nebenraum in einer Kirche; Nebengebäude*, das heute in landsch. (niederd.) Abseite1 »Nebenraum unter der Dachschräge; Nebenbau* (s. Arkuballiste) als Homonym zu nicht verwandtem Abseite2 »Stoffrückseite* fortlebt.

Aqua: Das in fachspr. Aqua destillata »destilliertes Wasser* enthaltene lat. aqua, Gen. aquae »Wasser* tritt außerdem in Aquatinta »ein Kupferstichverfahren* (s. Tinte), Aquavit »ein mit Kümmel aromatisierter Branntwein* (s. Vita), Aquädukt (s. d.) gebunden auf, vgl. ferner seine Kompositionsformen aqui-/aquo-/ (vor Vokal) aqu- in der internationalen geologischen Fachbezeichnung für Grundwasserleiter Aqui/er (wörtl. »Wasserträger*; über das Grundwort s. Luzifer unter Lux) und in den chemischen Aquokomplex »Anlagerungskomplex mit Wassermolekülen als Liganden* bzw. Aquoxyd/Aquoxid »wasserhaltiges Oxyd*. Die Pluralformen in den Ausdrücken Aquae Granni/Aquisgrani »(bei den) Heilquellen des kelti-

schen Gottes Gran(n)us< liegen dem Stadtnamen Aachen zugrunde, der in niederdeutscher Lautung im Ortsnamen Aken (an der mittleren Elbe) wiederkehrt. Im Französischen sind sie nicht nur im französischen Namen von Aachen Aix-la-Chapelle, sondern auch in A\x-en-Provence (vgl. in, Provinz) und auch allein stehend in Aix vertreten. Sonst ist aus lat. aqua regelrecht gleichbed. frz. eau hervorgegangen, das uns in Fügungen wie Eau de Cologne (eigtl. »Wasser aus Köln*, s. Colonia, de1), Eau de vie (s. Vita, de1) begegnet. Ebenso wie der russische Flussname Oka1 (über Oka2 s. Unze) geht lat. aqua auf idg. *okwä »Wasser* zurück, das über germ. »Wasser, Gewässer* und ahd. aha, mhd. ahe heute sporadisch erhalten ist als ober- und mitteldeutsches Femininum Aa/Aach/Ach/Ache »Fluss, Bach*, insbesondere als Grundwort (-ach, -a) von Gewässer- und Siedlungsnamen wie etwa Biberach, Eisenach, Salzach, Fulda (älter Fuldaa/Vultaha, eigtl. »Landfluss*), Schwarza. Germ. *a%wö als Bestimmungswort in *A%waland ist in finn. Ahvenanmaa, in dem finn, maa »Land* das Grundwort -land übersetzt, relativ gut bewahrt, im Schwedischen wurde aber das Kompositum auf Äland reduziert, und gerade in dieser Lautung erscheint es in der deutschen Bezeichnung für die finnische Inselgruppe am Eingang des Bottnischen Meerbusens Alandinseln.

Aquädukt »altrömische brückenartige Wasserleitung*: Deglutinierte Übernahme von gleichbed. lat. aquaeductus, dessen Vorderglied die Genitivform von lat. aqua »Wasser* (s. Aqua) ist und dessen Grundwort unter Ductus besprochen wird. Durch volksetymologische Umformung ergab das Fremdwort (nach W. Henzen über äducht) landsch. (Schweiz.) Abzucht »Abzugs-, Wassergraben; Luftschacht*, das schon J. Grimm zusammen mit mniederl. aghedocht für eine Entstellung von lat. aquaeductus hielt und das man als eine eigenartige etymologische Dublette von Aquädukt gelten lassen kann (vgl. Armbrust unter Arkuballiste). J. Grimms und W. Henzens Bemerkungen können übrigens dadurch präzisiert werden, dass es sich offenbar auch hier um die unter diktieren dargestellte Substitution lat. /kt/ > westgerm, /yt/ handelt, die für die weitere lautliche Umgestaltung des erst seit spätmittelhochdeutscher Zeit bezeugten äduht vielfach bestimmend war. äqual »gleich (groß), nicht verschieden, entsprechend*: Das selten vorkommende Fremdwort beruht auf lat. aequalis »eben; gleich, gelichmäßig* (zu bedeutungsgleichem aequus, s. aequis), dessen einhetliche Form des Nominativs und Akkusativs Plural in dem musikalischen Fachausdruck Voces aequales »gleiche Stimmen* (s. Voces) und im pharmazeutischen Vermerk ana partes aequales »zu gleichen Teilen* (s. an, Part) auftritt. Aus lat. aequal ist frz. égal »gleich(ar-

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tig), gleichgültig< hervorgegangen, das dem gleichbedeutenden Adjektiv hochd. egal1 zugrunde liegt. Aus diesem hat sich mit Anfangsbetonung das Adverb landsch. (ostmitteld.) egal2 >immer, fortwährend* entwickelt. Aquarium: Die im 19. Jh. im Englischen aufgekommene Bezeichnung für den Behälter und das Gebäude zur Pflege, Zucht und Beobachtung von Wassertieren und -pflanzen (erstes Schauaquarium 1852 in London, 1869 in Berlin) stellt eine Substantivie rung des Neutrums aquarium von lat. aquarius »zum Wasser gehörend* (zu aqua »Wasser*, s. Aqua) dar, wie schon im Lateinischen aquarium >Wasserkrug< (eigtl. vas aquarium >WasserbehälterSpülbecken, Ausguss*) eine war. Das substantivierte Femininum vlat. *aquaria >Wasserkrug< ergab seinerseits über prov. aiguiera frz. aiguière f. >Wasserkanne* (morphosemantische etymologische Dublette des oben erwähnten évier m.), worauf der kunstwissenschaftliche Fachausdruck Aiguière bauchige Wasserkanne aus Metall oder Keramik* beruht. Als Name eines Sternbilds beiderseits des Himmelsäquators und eines Tierkreiszeichens wird das substantivierte Maskulinum des lateinischen Adjektivs Aquarius durch Wassermann im Deutschen wiedergegeben.

Äquator: Der Name des größten Breitenkreises der Erdkugel stammt aus mlat. aequator (diei et noctis) >Gleichmacher (des Tages und der Nacht)* (zu aequare >gleichmachenLegionszeichen bei den Römern; Giebelverzierung in Adlergestalt; mittelalterliches Notenpult mit einem Adler, auf dessen ausgebreitete Flügel das Chorbuch gelegt wurde; ein Sternbild*: Die Semantik des nicht eingedeutschten Fremdwortes lässt erkennen, dass seine Vorlage >Adler< bedeutete. Das ist lat. aquila >Adler; Legionsadler als Feldzeichen; Giebelteil am Tempel; ein Sternbild*, das in der Fachsprache der Zoologen einen Teil der Bussardartigen bezeichnet (vgl. auch den veralteten Namen des sog. Hornquecksilbers oder Kalomeis Aquila alba, wörtl. >weißer Adler*, s. Album). Seine Kompositionsform ist erster Bestandteil der Personenbezeichnung AqusWfer »römischer Fähnrich, der die Aquila trug* (eigtl. >Adlerträgerarab (eigtl. »Wüstenbewohner*). Etymologisch lässt sich das deutsche Substantiv mit aus lat. Arabus entsprungenem ital. arabo »Araber; arabisch* gleichsetzen, enthalten in der Bezeichnung für eine Mischung des maurischen und gotischen Baustils arabo-tedesco (eigtl. »arabisch-deutsch*, s. deutsch).

arabisch: Durch regulären Suffixersatz entlehnt aus lat. Arabicus (dies aus griech. Arabikós »arabisch*, zu Äraps »Araber*, s. Araber), dessen substantiviertes Neutrum Hinterglied der Zusammenrückung Gummiarabikum »einst aus Ägypten eingeführtes als Klebstoff verwendetes Gummiharz* (eigtl. »arabisches Gummi*) ist. Das deutsche Suffix -isch ist als Fortsetzer von germ, -iska- identisch mit den über roman. -iskus ebenfalls auf dieses zurückgehenden Suffixen frz. -esque, ital., span. -esco. Mit -esco erweitertes ital. arabesco (eigtl. »arabisch*) lieferte im 18. Jh. über frz. arabesque den eingedeutschten Fachausdruck der bildenden Kunst Arabeske »Ornament in arabischer Art, ranken- und blattförmige Verzierung* (daher auch adjektivisch arabesk »rankenförmig verziert, verschnörkelt*), in der Musik mit der Bedeutung »Verzierung einer Melodie, heiteres Musikstück*, im Ballett noch in der französischen Schreibweise Arabesque »Tanzpose auf einem Standbein* als strukturgleiche Dubletten von arabisch. Nicht im Rahmen

Archipresbyter der Duplizität, sondern der Variabilität beobachtet man dagegen dasselbe Verhältnis im Falle von pikaresk und pikarisch für frz. picaresque aus span, picaresco »schelmenhaft*. Archipresbyter: Das Fremdwort gilt als Bezeichnung für den Vorsteher eines ländlichen evangelischen Kirchenkreises, früher aber auch für den obersten Priester einer (Bischofs)kirche. Synonym mit Archipresbyter gebraucht man Erzpriester, wobei hervorzuheben ist, dass die beiden Wörter nicht nur bedeutungs-, sondern auch strukturgleich sind. Denn zweiter Bestandteil des aus mgriech. archipresbyteros >Erzpriester< stammenden und über kirchenlat. presbyterus übernommenen Titels ist dasselbe Wort presbyteros, das dt. Priester (s. d.) ergeben hat. Vorderglied ist das in mehreren Fremdwörtern vorkommende Wortbildungselement Archi-/(vor Vokal) Arch- (vgl. Archiater unter Arzt), das griech. archi>Ober-, Haupt-< (zu drchein >der erste sein, vorangehen, herrschen*) widerspiegelt. Dieses präfixartig gebrauchte Element (mittellateinisch dafür auch arci-) erscheint bereits in althochdeutscher Zeit in Bildungen wie erzibiscof, das die umgelautete Wiedergabe einer romanischen Form von griech.-lat. archiepiscopus >Erzbischof< (über das Grundwort s. Episkop) darstellt. Das seit dem 12. Jh. bezeugte erzipriester lässt sich entweder als Eindeutschung einer galloromanischen Form *arciprestre von kirchenlat. archipresbyterus oder als dessen Lehnübersetzung interpretieren, wie dies bei mhd. erzengel für kirchenlat. archangelus (< griech. archängelos >ErzengelFläche, freier Platz, Tenne* fußende anatomische Fachausdruck und Exotismus bedeutete früher >Fläche, Kampfplatz*. Im Französischen ererbt ist aire >Fläche, Tenne, Nest*, außerdem entstand aber 1795 auf der Basis von lat. area frz. are als Flächenmaß von 100 m2, das 1868 zu dt. Ar n. oder m./(schweiz.) Are f. amtlich übernommen wurde. Arkuballiste >BogenschleuderBogen* (s. Arkus) und ballista >Wurfmaschine* (zu griech. bällein »werfen*, vgl. Parabel) zusammensetzt. Das heute als Historismus auftretende Fremdwort wurde bereits im 12. Jh. über mlat. arbalista und afrz. arbaleste zu mhd. armbrust/armbrost umgedeutet, d.h. an arm und zuerst wohl an berost »Ausrüstung* (als Ganzes also im Sinne von >Armwaffe*),

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dann an brust volksetymologisch angelehnt. Das Resultat dieser Modifizierung liegt in Armbrust vor, das in gleicher Weise wie Abseite1, Abzucht, Arkebuse, Batist, Blankscheit, Feldstuhl, Pickelhaube, Rainfarn, ratzekahl (s. jeweils Apsis, Aquädukt, Hakenbüchse, Baptist, Planchette, Faltstuhl, Becken, Fahne, radikal, vgl. Gau) und wie jedes Produkt volksetymologischer Umdeutung nicht als Folge einer lautgesetzlich und/oder funktional-semantisch zustande gekommenen, sondern aus psychologischen Gründen herbeigeführten Wortspaltung zu interpretieren wäre. Ebenso wie man Armbrust bedingt als Kompositum aus Arm und Brust betrachtet, so könnte man auch Arkuballiste und Armbrust bedingt als etymologische Dubletten gelten lassen. Arkus/Arcus >Bogenmaß eines Winkels (Zeichen: arc)Bogen*, das in der Form Arcus auch als anatomische Bezeichnung im Sinne von >Bogen, bogenförmiger Teil eines Organs* (z. B. fachspr. Arcus venosus >bogenförmige Krümmung einer Vene*) üblich ist. Der italienische Fortsetzer des lateinischen Wortes arco ist im Deutschen als musikalisches Fachwort Arco >Bogen der Streichinstrumente* bekannt und tritt in Spielanweisungen für Streicher auf wie arco oder colTarco >(wieder) mit dem Bogen (zu spielen)* (mit Angleichung der Präposition con >mit< an die Kurzform des bestimmten Artikels P), punta d'arco >mit der Spitze des Geigenbogens (zu spielen)* (s. Punctum puncti). Die Kompositionsform des Latinismus arcu- (neben arco- in Arkosol/Arkosolium >Wandgrab unter einer Bodennische in den Katakomben*, Grundwort: solium >Sargfügenmächtige Kriegsflotte; große Zahle Das Wort ist im 16. Jh. als Bezeichnung der vom spanischen König Philipp II. gegen England ausgesandten »unbesiegbaren« Flotte (130 Schiffe mit etwa 30 000 Mann) auch im Deutschen bekannt geworden. Es repräsentiert span, armada »Kriegsflotte* (eigtl. >die Bewaffnete*), eine substantivierte feminine Fortsetzung von lat. armatus >bewaffnetbewaffnen, ausrüsten* (zu arma >Waffen; Gerätschaften*, s. Arma). Französische Fortsetzungen des lateinischen Verbs und dessen Partizips Perfekt sind armer (daraus dt. armieren bestücken; bewehren; mit Armaturen versehen*) und armée, das zu Beginn des 17. Jh. dt. Armee »Gesamtheit der Streitkräfte eines Landes; großer Truppenverband* lieferte. Originalgetreu kehrt das fremde Wort in der französischen Wendung Armée volante »leichte Heeresabteilung* (eigtl. »fliegende Armee*) wieder. Kurz nach 1700 wurde aus dem Französischen oder durch deutsche Vermittlung russ. veraltet arméja »Armee* entlehnt, später jedoch zu ärmija ebenso wie gleichbed. poln. armia umgebildet, das im Historismus Armia Krajowa (eigtl. »Armee im Lande*), der Bezeichnung für die polnische Untergrundarmee im Zweiten Weltkrieg, erscheint. Auf (a)frz. armée beruht schließlich seit dem 14. Jh. bezeugtes engl. army »Heer, Armee*, das als Bestandteil der englischen Bezeichnung für die sog. Heilsarmee Salvation Army (s. Salvation) und in der Fügung Church Army »kirchlich-soziale Laienbewegung der englischen Staatskirche* (s. Kirche) auftritt. Armatur: Die Bezeichnung für Ausrüstung von technischen Anlagen, Maschinen und Fahrzeugen mit Bedienungs- und Messgeräten bzw. die Bedienungsund Messgeräte an technischen Anlagen selbst stammt aus lat. armatura »Ausrüstung, Bewaffnung*, einem Kollektivum zu armatus »ausgerüstet, ausgestattet, bewaffnet* (s. Armada). Als Erbwort tritt dieselbe lateinische Ableitung in frz. armure »Rüstung; Gewebebindung* auf, worauf die Stoffbezeichnung Armure/Armüre »kleingemustertes (Kunst)seidengewebe* zurückgeht.

Arn: Der männliche Vorname ist eine Kurzform (Kopfisolierung) von mit Arn- anlautenden Namen wie Arnold (s. d.), zu dem die Schreibvarianten mit umgedeutetem Hinterglied Ahren/ioW/Ahren/zofe und

Arrak der Gallizismus mit hyperkorrektem Anlaut Ernautl Ernout gehören. An sich steckt in Arn der germanische Vogelname *arn-/*arön »Adler, großer Greifvögel*, das über ahd. arn/aro, mhd. arn/ar(e) im schon längst veralteten Aar »Adler* auftritt. Heute ist dessen Verwendung auf die gehobene und dichterische Sprache beschränkt und beispielsweise im Namen der habichtartigen Gleitaare anzutreffen. Als Grundwort in Adler (eigtl. adelare »adler Aar*, s. Adel), das im 12. Jh. ar(e) zu verdrängen begann, wurde es dagegen sehr früh ebenso zu einem gestaltlosen, ein Suffix anmutenden -er reduziert wie dies mit Herr und Heer im Auslaut von Junker bzw. Walt(h)er (s. jung und Heer) geschah. Gleiches gilt für den Auslaut von dem zu Sperling (mhd. spar/spare neben sperlinc) gebildeten Sperber, falls das Wort (mhd. sperweere, ahd. sparwäri) nicht nach dem Vorbild der romanischen Falkennamen auf frz. -ier mit dem Suffix -arius gebildet worden ist. Arnold: Der im Deutschen Schreibvarianten wie Arnoldt/ Arnolt aufweisende und auch im Englischen vorkommende männliche Vor- und Familienname (mit umgedeutetem Hinterglied Ahrenhold/Ahrenholz und mit zahlreichen Kurzformen wie der Kopfisolierung Arn, s. d., oder dem einem Klammerwort gleichenden Arnd/Arndt) setzt sich aus ahd. arn »Adler* und walt (zu waltan »walten, herrschen*, vgl. Herold, Waldemar) zusammen. Zu seiner Verbreitung im Mittelalter trug die Verehrung des heiligen Arnold (Lautenspieler am Hofe Karls des Großen) wesentlich bei. Der Name (latinisiert Arnoldus mit der patronymisch gebrauchten Genitivform Arnoldi) hat auch in die romanischen Sprachen Aufnahme gefunden, z.B. ital., span. Arnaldo/Arnoldo, frz. Arnaud und daneben (infolge der vulgärsprachlich empfundenen Ersetzung von er- durch ar-) mit hyperkorrektem Anlaut Ernaut/Ernout. Aroma/geh. Arom »würziger Duft, kräftiger Wohlgeruch; aromatisches Würzmittel*: Im 17. Jh. über lat. aroma »Gewürz* entlehnt aus etymologisch ungeklärtem griech. àròma »wohlriechendes Kraut, Gewürz*. Im Vergleich zu Aromen und Aromas ist auf dessen Plural zurückgehendes dt. Aromata schon veraltet, der griechische Pluralstamm begünstigte aber zweimal die auswärtige Aufspaltung des Gräzismus: zum einen im Lateinischen, in dem die Singularisierung aromatum Ausgangspunkt für mhd. arömät »duftendes Kraut* und für den bis ins 17. Jh. nachweisbaren pluralischen Gebrauch Aromata »Spezereien* war, und zum anderen bei der Herausbildung des chemischen Fachausdrucks Aromaten (Sing. Aromat m.) als Bezeichnung für die aromatischen Kohlenwasserstoffe.

Arrak »(ostindischer) Branntwein aus Reis oder Melasse*: Ein uraltes Wanderwort, das allgemein auf

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Ars arab. caraq »Schweiß; starker Branntweins genauer earaq at-tamr >Dattelschnaps< (wörtl. >Schweiß der Dattelpalme*) zurückgeführt wird. Dieser Ansicht ist sogar M. Räsänen, obwohl er die Präsenz des Wortes in den Türksprachen durch Belege aus dem Mongolischen und Koreanischen (araki »Branntwein*, araga »zweimal destillierter Branntwein* bzw. araij-gju >a coarse spirit drink*) ergänzt. Die Letzteren sprechen - entgegen der Meinung E. Littmanns - eindeutig gegen die dem Arabischen zugeschriebene Rolle als Ausgangspunkt der Bezeichnung zumindest in Richtung Zentralasien. Offensichtlich ist im Arabischen ein morgenländisches Fremdwort umgedeutet worden, vgl. auch E. Seebolds Bemerkung, das Wort und die Sache seien von Ostindien aus nach Europa gekommen. Eine ältere, bei Klopstock und Voß vorkommende Nebenform Rack lässt sich als Historismus neben dem im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten Exotismus Raki »in der Türkei und in Balkanländern hergestellter Trinkbranntwein* ansehen. Ihre Quelle ist der türkische Repräsentant des asiatischen Wortes: rakt >Schnaps*. Ob in Borago und Borretsch/Boretsch (s. d.) arab. earaq >Schweiß* als gebundene Dublette von Arrak und Raki vorliegt, muss vorerst wegen der spekulativen Etymologie des Pflanzennamens offen bleiben. Ars: Das Fremdwort repräsentiert lat. ars, Gen. artis »Geschicklichkeit, Kunst, Wissenschaft* (wie dt. Arm und lat. arma >Werkzeuge, Gerätschaften, Waffen* zur Verbalwurzel idg. *aro- >fügen* gehörend, vgl. Arma) in verschiedenen Verknüpfungen, z. B. Ars antiqua >erste Blütezeit der Mensuralmusik (besonders im Paris des 13. und 14. Jh.)< (eigtl. >alte Kunst*, s. antik) und dessen Gegensatz Ars nova >die neue Strömung in der französischen Musik (kontrapunktischmehrstimmig) des 14. Jh.* (eigtl. >neue Kunst*, s. neu). Sein Genitiv Singular ist Attribut in der adverbialen Fügung lege artis »vorschriftsmäßig, nach den Regeln der (medizinischen) Kunst* (eigtl. mach der Regel der Kunst*, s. Lex). Die sog. sieben freien Künste (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik), die zum Grundwissen der Antike und des Mittelalters gehörten, wurden durch die Pluralform (Septem) Artes liberales (s. sieben) zusammengefasst, deren Genitiv im akademischen Grad Magister Artium (in der Neuzeit Entsprechung von gleichbed. engl. Master of Arts, s. Magister) auftritt. Der Ablativ Singular arte ist Bestandteil der Zusammenrückung Artefakt »Kunsterzeugnis; Werkzeug aus vorgeschichtlicher Zeit u.a.< (< lat. arte factum, eigtl. »mit Geschick gemacht*, vgl. Fazit), und mit der Kompositionsform arti- ist ebenfalls auf der Basis des Verbs facere >tun* das Adjektiv lat. artificialis >kunstmäßig* gebildet, das über frz. artificiel dt. artifiziell »künstlich; gekünstelt*

lieferte. Der Singular des bereits erwähnten englischen Wortes art »Kunst* liegt vor in Pop-Art »Mitte des 20. Jh, aufgekommene Kunstrichtung, die Dinge des alltäglichen Lebens in bewusster Hinwendung zum Populären darstellt* (eigtl. »populäre Kunst*, s. Pop), sein Vermittler war aber frz. art, das zusammen mit ital. arte den Akkusativ artem der lateinischen Vorlage fortsetzt. Im Deutschen begegnen sie uns jeweils in der vom französischen Maler J. Dubuffet eingeführten Bezeichnung für die Kunst von Geisteskranken Art brut (eigtl. »primitive Kunst*, s. brut) sowie in der bekannten Wendung Fart pour Part »die Kunst als Selbstzweck* (eigtl. »die Kunst für die Kunst*) bzw. im Namen der von Berufsschauspielern ausgeführten volkstümlichen italienischen Stegreifkomödie des 16./18. Ih. Commedia delFArte (eigtl. »Berufskomödie*, s. Komödie, de1). Von der einstigen Rolle des Gräzismus téchné »Kunst, Kunstfertigkeit, Geschick, Handwerk* (s. technisch) ausgehend, pflegt man, die Herausbildung von Bezeichnungen für Wissenschaften und Kunstarten auf -ik (aus lat. -icus für griech. -ikós) durch Hinzudenken von lat. ars (vgl. Grammatik, Kybernetik1, Musica, Politik) anschaulich zu machen.

Arsenik »Arsentrioxid*: Seit dem 15. Jh. bezeugte Entlehnung von lat. arsenicum, das als Bezeichnung für arsenhaltige Verbindungen griech. arsenikón widerspiegelt. Dieses ist zwar das Neutrum von arsenikós »männlich; stark*, doch gerade daran wurde aus nicht ganz klaren Gründen (wegen der starken Giftwirkung des Stoffes?) der durch semitische Vermittlung aus mpers. zarnik »goldfarben* übernommene Name der gelben Arsensulfide volksetymologisch angelehnt. Mit demselben Wort bezeichnet man seit dem 19 Jh. das Arsen, nachdem es erst im 18. Jh. als Metall (Zeichen: As) anerkannt wurde, umgangssprachlich wird aber diese eigenartige Kopffragmentierung weiterhin in Bezug auf die Arsenoxyde, insbesondere im Sinne von »Arsenik* verwendet.

Arzt: In der heutigen Bezeichnung für den berufsmäßig Kranke Heilenden lebt die über mhd. arzet vermittelte lateinische Entlehnung ahd. arzät fort, die das germanische Erbwort ahd. lähhi »Heilkundiger* (vgl. damit verwandtes schwed. läkare »Arzt*) verdrängte. Die auf griech. archiätros »Oberarzt, Leibarzt* beruhende Vorlage spätlat. archiater war Titel der Leibärzte der hellenistischen Fürsten, der Hofärzte und der Gemeindeärzte in der oströmischen Kaiserzeit und dann auch der Ärzte am fränkischen Königshof der Merowinger. Gerade mit dieser Bedeutung (neben der veralteten »Oberarzt*) wird dt. Archiater als Historismus lexikographisch verzeichnet. Griech. archiätros setzt sich aus dem Wortbildungselement archi- »Ober-, Haupt-* (s. Archipresbyter) und der Berufsbezeichnung iätros »Arzt, Wundarzt* zusammen, enthalten beispielsweise in

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Pädiater »Kinderarzt« (Vorderglied zu griech. pais, Gen. paidós »Kind«), Psychiater >Facharzt für Psychiatrie< (Vorderglied: griech. psyché »Seele«, s. Psyche1).

Äsen, Sing. Äse m.: Bezeichnung für die Angehörigen des gewaltigsten Göttergeschlechts der germanischen Mythologie (Odin, Thor, Baldr, Frigg u.a.), dessen Wohnsitz Asgard heißt und das mit dem Weltuntergang (Ragnarök) untergeht. Das anord. ass wiedergebende Fremdwort Ase geht auf etymologisch nicht sicher geklärtes germ. *ansu- »Gott« zurück. Dieses ist im Deutschen nur noch als erster Bestandteil von Personennamen erhalten, z.B. Ansgar (s. d.), dem engl. Oscar (eingedeutscht: Oskar) und isl. Asgeir (zweiter Bestandteil Ger, s. d.) entsprechen. Über den gesetzmäßigen Nasalschwund vor dem Spiranten 5 im Englischen vgl. five unter fünf und soft unter sanft. Asklepios/(latinisiert) Asklepius: Name des griechischen Heilgottes (griech. Asklepios), Sohn des Apollon und der Koronis, den der Zentaur Cheiron die Heilkunst lehrte. Abgesehen von der sekundär latinisierten Form Asclepius, war dieser Name durch unbekannte Vermittlung ins Lateinische gelangt und diente in der Lautgestalt Aesculapius zur Bezeichnung des römischen Heilgottes. Daraus wurde die im Deutschen üblichere Nebenform Äskulap durch Abtrennung (Deglutination) des Auslauts -ius übernommen, mit der das Sinnbild der Heilkunst, der mit der Schlange (dem heiligen Tier Asklepios’) umwundene Äskulapstab komponiert ist. Der Name selbst, der vermutlich vorgriechischer Herkunft ist, könnte nach R. Köster so viel wie »schlangengestaltiger« oder »schlagengliedriger« Gott bedeuten. Aspiden: Darunter ist eigentlich >Schilde< zu verstehen, dies war aber zugleich der Name der im altgriechischen Heer mit Schilden ausgestatteten Krieger, die den feindlichen Lanzenangriff abzuwehren hatten. Der Historismus ist eine metonymische Bezeichnung, der griech. aspis, Gen. aspidos »Schild« zugrunde liegt. Der Nominativ des griechischen Wortes, das außerdem so viel wie »Giftschlange, ägyptische Kobra< bedeutet, erscheint seinerseits in kirchenspr. Aspis »schlangenartiges biblisches Fabeltier; christliches Symbol des TodesStern*, s. Aster) fußt. Im Unterschied zu Variantenpaaren des Typs Mythos/Mythus stellen Asteriskos und seine zu lat. asteriscus adaptierte Übernahme in Gestalt der Eindeutschung Asteriskus (Bezeichnung für das Zeichen * als Hinweis auf eine Fußnote oder als Kennzeichnung von erschlossenen, nicht belegten Sprachformen) ein Dublettenpaar im Deutschen dar.

Asterolith: Der aus der Kompositionsform von griech. astér >Stern< und dem Wortbildungselement -lith mit der Bedeutung >Stein, Mineral< (s. Litho) zusammengesetzte und synonym mit Asterit versteinerter Seesterm gebrauchte geologische Terminus bildet zusammen mit Astrolith >grüne, eisenreiche Abart des Biotiths, d.h. des dunklen Glimmers< ein kurioses Paar strukturgleicher Dubletten, sofern sie ein und dasselbe Grundwort -lith haben und ihre Bestimmungswörter Kompositionsformen der als etymologische Dubletten im Griechischen anzusehenden astér und ästron (s. Aster) sind.

Astrologe >SterndeuterSterndeutung< kommt nach E. Seebold im 16./17. Jh. etwa mit J. Kepler auf und steht im Zusammenhang mit der Umgestaltung des mittelalterlich-theologischen Weltbilds). Vorlage ist griech. astrologos Sternkundigen, eine Zusammensetzung aus der Kompositionsform von astron >Gestirn, Stern< (s. Aster) und dem heute als Wortbildungselement -löge >Kundiger, Forscher, Wissenschaftler* fungierende Grundwort lògos >Rede, Wort, Vernunft< (s. Logo). Erwähnenswert für die Zwecke dieser Darstellung ist der von A. J. Storfer unternommene und von W. Pfeifer und E. Seebold mit berücksichtigte Versuch, das etymologisch nicht geklärte, seit dem 17. Jh. bezeugte Substantiv Strolch Landstreicher, Spitzbube, Lump< auf ital. astrologo Astrologe, Prophets mit Aphärese dialektal (lombardisch) strolago/strolegh/strolec >Herumtreiber, Vagabund, betrügerischer Gaukler im Tross der Heere< (16. Jh.) zurückzuführen, und zwar indem der genannte Romanismus im 15./16. Jh. durch als Söldner nach Italien gekommene schweizerische und schwäbische

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Landsknechte in die alemannischen Mundarten aufgenommen und zu Strolch umgebildet wurde. Storfer ist sich dieser Annahme so sicher, dass er seine Ausführungen folgendermaßen beendet: »Als der >Völkische Beobachter* im Herbst 1933 den Physiker und Astronomen Albert Einstein einen >Astralstrolch< nannte, so machte er im Grund genommen ein etymologisches Wortspiel, denn Astralstrolch bedeutet ja, wortgeschichtlich betrachtet: Astralastrologe.«

Atem: Das im Westgermanischen bezeugte Substantiv (vgl. ahd. ätum >Hauch, Geist*, mhd. ätem/äten/ ädern »Atem; Lebenskraft, Geist*) ist mit aind. ätmä >Hauch, Seele, Selbst*, einem Zentralwort der altindischen Philosophie, urverwandt. In seiner Bibelübersetzung bevorzugt Luther die labialisierte Nebenform Odem (mit mitteldeutscher Erweichung /t/ > /d/ oder mit primärem niederdeutschem /d/), die jedoch - den regional weit verbreiteten Wandel /a:/ > /0:/ (vgl. nhd. ohne, Brodern aus gleichbed. mhd. äne, brädem, oder Rosenmontag, eigtl. rhein. rasen(d)montag, zu rasen >tollender Tragende*), der nach der griechischen Sage das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trug, führen ein Faltengebirge in Nordwestafrika, der erste Halswirbel, ein Stern in den Plejaden sowie ein Kartenwerk. Letzteres geht auf eine 1595 vom niederländischen Geographen und Kartographen Gerhardus Mercator (latinisiert aus Gerhard Kremer) herausgegebene Landkartensammlung zurück, auf deren Titelblatt der Himmelträger abgebildet war. Zwar kommt Atlas gelegentlich auch im Bauwesen als Bezeichnung für Gebälkträger in Form einer Männerfigur vor, viel häufiger gebraucht man aber in diesem Sinn die auf dem Wortstamm der obliquen Kasus beruhende Dublette Atlant.

Attacke >(Reiter)angriff; Schmerz-, Krankheitsanfall; lautes, explosives Anspielen des Tones im Jazz*: Die letzte Bedeutung des Fremdwortes stammt aus engl. attack (eigtl. >Angriff, Ansatz*), das in unveränderter Form auch in einem anderen musikalischen Fachausdruck auftritt: Attack >Zeitdauer des Ansteigens des Tons bis zum Maximum beim Synthesizer*. Das englische Wort (sofern nicht aus to attack >angreifen; befallen* rückgebildet) ist wie dt. Attacke seit dem 17. Jh. bezeugte adaptierte Übernahme von frz. atta-

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que »Sturmangriff*, einem Nomen Actionis zu attaquer »angreifen* (s. attackieren). Die bis Mitte des 19. Jh. gebräuchliche französische Schreibung Attaque ist heute für einen Terminus beim Fechten im Sinne von >gegen den nicht angreifenden Gegner geführter Angrifft üblich. attackieren >angreifeneine Schlacht beginnen* die neue Bedeutung >angreifen< neben den ursprünglichen »befestigen, anstecken, anbinden* entwickelte, geht (mit Wechsel des vermeintlichen Präfixes) wie oder über frz. attacker (afrz. estachier) »befestigen, anbinden; zuordnen* zurück auf vlat. *(e)staccare, eine Bildung zu germ, (got.) *stakka »Pfahl< oder unmittelbare Übernahme von afränk. *stakkön »steckend befestigen*. Die Herkunftsgleichheit des französischen und des italienischen Verbs hervorhebend, hält E. Seebold weniger überzeugend ein vorromanisches *attacticare (über das Partizip Perfekt attactus zu lat. attingere »berühren, anstoßen* ) für ihre Quelle. Auf frz. attacker, dessen aus der präpositionalen Fügung attacké (d’ambassade) »(Gesandtschafts)attaché* verselbständigtes substantiviertes Partizip Perfekt im diplomatischen Terminus Attacké vorliegt und im Grunde genommen früher gebräuchlichem attackiert »beigegeben; ergeben* funktionsgleich ist, lieferte seinerseits die veraltete Dublette attachieren »zuteilen*. Attila1 f./m. »kurzer Rock der ungarischen Nationaltracht; mit Schnüren besetzte Husarenjacke*: Die Gattungsbezeichnung geht ebenso wie der gleich lautende Personenname Attila2 auf den Namen des Hunnenkönigs Attila (gest. 453) zurück, der Mitte des 5. Jh. Alleinherrscher eines Großreichs vom Kaukasus fast bis zum Rhein mit Zentrum Ungarn war (vgl. Hüne). Sein Name, der gotischer Herkunft ist und soviel wie »Väterchen* (Diminutiv oder Koseform von got. atta »Vater*) bedeutet, wurde bereits vor dem Wandel westgerm, /tt/ > hochd. /ts/ übernommen, weshalb er (lautgesetzlich weiter verändert aufgrund des Umlauts a> e vor i und der Reduzierung i > e in unbetonter Stellung) in der deutschen Sage als Etzel (vs. Atli im Nordischen) auftritt.

Attitude »Ballettfigur, bei der ein Bein rechtwinklig angehoben ist*: Neben diesem aus frz. attitude (eigtl. »Stellung, Haltung*) stammenden Fachausdruck bringt das Duden-Fremdwörterbuch zwei weitere auf dem Gallizismus beruhende Eindeutschungen: Attitüde1 »Einstellung, (innere) Haltung; angenommene, nur den Anschein einer bestimmten Einstellung vermittelnde Pose* und - über gleichbed. amerik. attitude- Attitüde2 »durch Erfahrung erworbene

Aubergine dauernde Bereitschaft, sich in bestimmten Situationen in spezifischer Weise zu verhalten*. Frz. attitude wird allgemein über ital. attitudine »natürliche Anlage, Stellung, Haltung* zurückgeführt auf lat. aptitudo, Akk. aptitudinem »gute Gelegenheit, Brauchbarkeit* (Abstraktum zu aptus »passend, geeignet, brauchbar*, eigtl. »angeheftet*, Part. Perf. von alat. apere »festbinden, anheften*, vgl. Kopula), wobei nach J. Picoche und W. Pfeifer auch Vermischung mit vlat. *actitudo, Akk. *actitudinem (vgl. lat. actitare »gewöhnlich betreiben*, zu agere »treiben, handeln*, Part. Perf. actum, s. Agens, Actus) nicht ausgeschlossen sei. Ohne die im Italienischen vorhandene Assimilation im Anlaut /pt/ > /tt/ liegt das lateinische Abstraktum zu aptus vor in der über engl. aptitude »Eignung, Begabung* übernommenen Dublette Aptitude »anlagebedingte Begabung, die die Voraussetzung für eine bestimmte Höhe der Leistungsfähigkeit ist*. atzen »die Vogelbrut füttern*: Es ist eine nicht umgelautete Nebenform von ätzen »durch Säuren oder Laugen auflösen, entfernen oder zerstören*. Die beiden Verben sind Kausative zu essen: ahd. äzen! ezzen, mhd. atzen/etzen »mit Nahrung versorgen*, eigtl. »essen lassen*. Das Ausbleiben des Umlauts bei äzen hängt mit der unregelmäßigen Länge des Wurzelvokals (gegenüber ezzen < westgerm. *attjan) zusammen, die H. Metke zumindest im Hinblick auf das damit korrelierende äz »aß* durch Verschmelzung des Reduplikationsvokals mit dem Wurzelvokal (*e-ata > *ceta > äz) zu erklären versucht. Die Bedeutungsspezialisierung von atzen und ätzen setzt sich jeweils seit dem 17. und 15. Jh. allmählich durch. Au/Aue »Flusslandschaft, Wiese*, landsch. »Flussinsel*: Das dichterisch und regional noch immer gebräuchliche Wort geht über mhd. ouwe »Insel*, ahd. ouwa/ ouwia »Land am Wasser* zurück auf germ. *agwjö»die zum Wasser Gehörende*. Nach E. Seebold ist das eine Zugehörigkeitsbildung zu germ. *akwö- »Fluss, Wasser* (daraus Aa/Aack/Ack/Acke »Fluss, Bach*, s. Aqua), die umgelautet u.a. in aengl. ieg/ig »Insel; Wasser-, See-* und afries. ei- »Insel* als Vorderglied der frühen Verdeutlichung eiland (woher dt. Ei/tand, s. d.) bezeugt ist. Nicht umgelautetes niederd. öge/oie ist nach Ausweis des Duden-Herkunftswörterbuchs in den Inselnamen Langeoog, Greifswalder 0\e u.a. enthalten.

Aubergine »Eierpflanze; Eierfrucht*: Der Name des Nachtschattengewächses mit gurkenähnlichen Früchten, der auch zur Bezeichnung einer chinesischen Porzellanart mit blauroter Glasur dient und außerdem als indeklinables Adjektiv aubergine »dunkellila, rötlich violett* auftritt, wurde im 20. Jh. aus

Audition frz. aubergine entlehnt. Dieses durch provenzalische Vermittlung aus katalan. alberginia übernommene Fremdwort geht über arab. al-bädingän auf pers. bädmgän >Eierfrucht< zurück. Abgesehen von der gesetzmäßigen Lautentwicklung alb- > aub- im Französischen, sind die auf romanischem Boden erfolgten verblüffenden Abweichungen von der Ausgangsform dadurch zu erklären, dass in katal. alberginia und in gleichbed. span, berenjena der Orientalismus nach vorausgehender Assimilation zu *benenjena Dissimilation n-n>r-n (im Katalanischen außerdem en-Schwund und Präsenz des arabischen bestimmten Artikels al-) aufweist. Durch anschließende Angleichung b-n>m-n bildete sich eine weitere Nebenform heraus, die im Sephardischen merengena und in französischen Mundarten mérangène/mélangène lautet. Wohl in Anlehnung an mela »Apfel* wurde der Anlaut desselben Wortes im Italienischen volksetymologisch umgestaltet, so dass es seit 1476 in der Lautung melanzana (südital. melangiana, vgl. auch den botanischen Namen der Aubergine Solanum melongena), Plur. melanzane bezeugt ist. Daher österr. Melanzani/dt. selten Melanzane Plur. als Heteronym von Aubergine. Audition1 >das innere Hören von Worten und das damit verbundene Vernehmen von Botschaften einer höheren Macht (z.B. bei den Propheten)das Hören, Zuhörern (Nomen Actionis zu audire, Part. Perf. auditum >hörenin Verbindung mit akustischen Reizen auftretende Farbempfindungen, eine Form der Synästhesie< (eigtl. >farbiges Hörem, s. Colorado), die im Deutschen auch in französischer Abwandlung Audition colorée registriert ist.

Auditor >Richter am obersten Gerichtshof der katholischen Kirche (vgl. Sacra Rota unter Rad); Vernehmungsrichter an kirchlichen Gerichten; Beamter der römischen Kurie*: Eine nicht mehr übliche Bedeutung dieses Fremdwortes ist >ZuhörerRichter< wurde auch von den romanischen Sprachen aufgegriffen, vgl. ital. uditore >Hörer, Zuhörer; päpstlicher Richten und frz. auditeur >Zuhörer; Richter an Militärgerichtem (seit 1230 das Erbwort afrz. oieor verdrängend), deren fachsprachliche Verwendung sich in dem Exotismus Uditore bzw. dem veralteten Auditeur (dafür österr.,

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Schweiz. Auditor) niederschlägt (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). auf: Diphthongiert aus der im Süden des deutschen Sprachraums sekundär gedehnten mhd., ahd. üf, hervorgegangen aus germ. *up(a) >aufauf ewig ungeteilt*, vgl. teilen) und engl. up ist. Dieses erscheint z.B. in der Wortfügung up to date zeitgemäß, auf der Höhe* (eigtl. >bis auf den heutigen Tag*, s. zu, Datum), in Upgrade >Aktualisierung der Version eines Programms* (s. Grad), Make-up kosmetische Verschönerung, kosmetisches Präparat* (s. machen), Round-up »alljährliches Zusammentreiben des Viehs durch die Cowboys* (s. Rotunde). Trotz des ungeklärten Ausbleibens der Spirantisierung idg. p > germ, f oder b im Zuge der germanischen Lautverschiebung scheint germ. *up(a) auf idg. *upo »von unten an etwas heran; (von unten) hinauf, über* zurückführbar zu sein, mit dem auch ober1 und über (s. d.) verwandt sind. Als Reflexe der indogermanischen Partikel betrachtet man ferner die Präpositionen griech. hypó »unter, darunter* und gleichbed. lat. sub (beide nach E. Seebold mit 5-Anlaut, was wohl auch auf super zutreffen sollte, s. über). Gebunden kommen sie als Präfixe hyp(o)- und sub- in zahlreichen Entlehnungen und Neubildungen vor, z. B. Hypot/tese (s. d.), Hyponym »Wort, das in einer untergeordneten Beziehung zu einem anderen Wort steht, aber inhaltlich differenzierter ist* (gebildet als sprachwissenschaftlicher Fachausdruck aus hypound onyrna »Name*, s. Name) bzw. Sub als Kurzform von Subkultur »besondere Kulturgruppierung innerhalb eines übergeordneten Kulturbereichs*, subskribieren (s. schreiben); z.T. durch Assimilation modifiziert wie in Suf/ix »Nachsilbe* (aus lat. suffixum »das unten Angefügte*, Partizip Perfekt von suffigere »von unten anheften*, zu figere »befestigen*, s.fix), suggerieren »(beeinflussend) nahe legen* (aus lat. suggerere eigtl. »unterlegen*, zu gerere »tragen*), sukzessiv »allmählich eintretend* (zu succedere »nachfolgen*, zu cedere »treten*, vgl. Procedere), Supplement »Ergänzungsband* (zu supplere »wieder voll machen*, zu plenus »voll*, s. voll), Surrogat »Ersatz(mittel)* (zu surrogare »jemanden an die Stelle eines anderen wählen lassen*, zu.rogare »holen, fragen, einladen*). Reflexe von lat. sub, dessen Funktion im Spätlatein vom Adverb subtus »unten, unterwärts* (s. sotto) übernommen wurde, finden sich im Rahmen entlehnter italienischer und französischer Präfigierungen, z.B. Soggetto und Sujet (s. Subjekt), Souvenir (aus frz. souvenir »Andenken*, zu se souvenir »sich erinnern* < lat. subvenire »zu Hilfe kommen; in die Gedanken kommen*, zu lat. venire »kommen*, vgl.

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Aventiure), Souterrain »Erdgeschoss« (< frz. Souterrain, aus oder nach lat. subterraneus »unterirdisch«, s. Terrain),

Auge: Über mhd. ouge, ahd. ouga geht der Name des Sehorgans (möglicherweise deverbativer Natur im Sinne von »Seher«) zurück auf den neutralen n-Stamm germ. *augön, dessen abweichender Vokalismus von dem der indogermanischen Grundlage *okw- (vgl. Oculus) von E. Seebold durch Umsprung des u aus w als Bestandteil des Labiovelars kw (analog bei Haupt, s. d.) und von W. Pfeifer durch Anlehnung an *auz-, den germanischen Ansatz von Ohr, erklärt wird. Fortsetzer von germ. *augön >Auge< sind u. a. gleichbed. anord. auga und engl. eye. Das altnordische Wort gelangte ins Englische im Rahmen der nordgermanischen Bezeichnung für das Fenster vindauga (eigtl. >WindaugeAugentorRechteck auf dem Bildschirm eines Computers zur optischen Darstellung von Programmabläufen«, in dem der Auslaut gebundene Dublette von dt. Auge ist. Dessen englischer Kognat eye ist seinerseits Vorderglied etwa in Eye/zner »flüssiges Kosmetikum zum Ziehen eines Lidstriches« (das Grundword liner ist eine Instrumentalbildung zum Verb to line »Linien ziehen, durch Linien verbindens zu line, s. Linie), Eyecatcher »Blickfang (z.B. in der Werbung)« (s. Catcher), vgl. auch Fisheye unter Fisch. Augurium »Beobachtung und Deutung der Wahrzeichen, Mutmaßung; Verkündigung des göttlichen Willens aus Zeichen«: Das veraltete Substantiv gibt lat. augurium »Wahr-, Vorzeichen; Weissagung« (eigtl. »göttliche Förderung eines Unternehmens«, zu augere »vermehren, vergrößern; fördern«, vgl. August1, Autor) adäquat wieder. Über ein dissimiliertes vlat. *agurium und afrz. eür lieferte dieses frz. heur »Geschick, Glück« (mit h- unter Einfluss von heure »Stunde«, s. Uhr), das - mit den Adjektiven mal »schlecht« und bon »gut« verknüpft - den Komposita Malheur »Pech; Unglück, Missgeschick« (s. Malum) und Bonheur »Glück, Zufall« (s. Bon) zugrunde liegt. August1: Der endbetonte Monatsname erscheint seit dem 16. Jh. im Gegensatz zu frühnhd. au(g)st (auch »Ernte«, vgl. niederd. Aust »Erntemonat; Ernte; Schwarm von Eintagsfliegen«), das mhd. ougest/ ou(g)st und ahd. ougusto fortsetzt, zunehmend in an die Vorlage lat. (mensis) Augustus angeglichener Lautform. So wurde Kaiser Octavian (63 v.Chr14 n. Chr.) zu Ehren der achte Monat im Kalenderjahr benannt, in dem er sein erstes Konsulat angetreten hatte und der zuvor (mensis) Sextilis »der sechste

Aurum (Monat)« hieß (s. Februar, vgl. sechs). Octavians und der späteren römischen Kaiser Beiname Augustus geht auf lat. augustus m., augusta f. »erhaben, ehrwürdig« (zu augere »vermehren, vergrößern«, s. Augurium) zurück. Mit vorverlegter Betonung setzte sich als akzentsemantische Dublette der erst im 16. Jh. aufgekommene Personenname August2 durch, dem Z.B. frz. Auguste1, span. Augusto, ital. Agosto entsprechen. Dem Femininum als ursprünglichem Titel der weiblichen Angehörigen römischer Kaiser ist andererseits der weibliche Vorname Augusta/Auguste2 (also eigtl. »die Erhabene«) entsprungen. Auf dem mit keltischen Stammesnamen verknüpften lateinischen Femininum beruhen ferner die Ortsnamen Augsburg (3. Jh. Augusta Vindelicum) und Augst in der Schweiz (2. Jh. Augusta Rauricorum). Zu -(a)goza/-(a)gossa modifiziert erscheint Augusta als Bestandteil des Namens von Zaragoza/(eingedeutscht) Saragossa, das 27. v. Chr. an der Stelle des iberischen Salduba von August als Caesarea Augusta/ Caesaraugusta gegründet wurde und über Caeragusta und arab. Medina Sarakusta (Apposition: medino »Stadt«) seine heutige spanische Lautgestalt annahm. Auf Augusta geht über vlat. *Agosta der Name des 145,1 km langen rechten Nebenflusses der Donau Ogosta (Bulgarien) zurück, an dessen Mündung in der Antike eine Augustae heißende Siedlung gestanden haben soll.

Aura »Hauch, Wirkungskraft«: Mit dieser Bedeutung ist das Wort im 20. Jh. über lat. aura »Luft(hauch), Wehen; Lichtglanz, Dunst« aus griech. aüra »Hauch, Luft« entlehnt. Im Deutschen gebraucht man es aber wie auch schon in der Antike als Bezeichnung der Vorahnung für einen epileptischen Anfall sowie im Bereich des Okkultismus als besondere Ausstrahlung einer Person. Aus dem Lateinischen ererbtes ital. ora »Südwind auf der Nordseite des Gardasees« lieferte den gleichbedeutenden Exotismus Ora als etymologische Dublette von Aura. Auripigment »Rauschgelb«: Der Name des Arsenminerals ist aus lat. auripigmentum deglutiniert, das sich aus der Kompositionsform von aurum »Gold« (s. Aurum) und pigmentum »Farbe« (s. Pigment) zusammensetzt. Das Fremdwort trat bereits im Mittelhochdeutschen in mehreren Entstellungen wie öpirment/ öpriment/örpemint auf, von denen sich nach dem Duden-Fremdwörterbuch nur noch Operment »eine als Malerfarbe verwendete gelbe, giftige Substanz« als Fachausdruck der Kunstwissenschaft erhalten hat. Aurum: Die lateinische Bezeichnung für Gold oder zumindest das Zeichen für dieses Metall Au dürfte aus dem Chemieunterricht weitgehend bekannt sein. Ihre Kompositionsformen auri- und auro- sind Vorderglieder von Zusammensetzungen wie etwa Auri-

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aus pigment (s. d.) und Aurotherapie »Behandlung von Krankheiten mit goldhaltigen Präparatem. Als Erbwörter sind aus lat. aurum gleichbed. span, oro (etwa im früheren Namen der Spanischen Sahara Rio de Oro, wörtl. >der goldene Flussdas goldene Zeitalter*, s. Säkulum, de}) und frz. or hervorgegangen. Letzteres, das möglicherweise den Wandel a- > o- im Anlaut von frz. orange (s. Orange) bewirkt hat, liegt vor im Namen alter französischer Goldmünzen wie Couronne d’Or (eigtl. »Goldkrone*, s. Krone, dex) und - als gebundene Dublette - Louisdor (aus frz. louis d'or, eigtl. >goldener Ludwigs vom Namen Ludwigs XIII., der in der ersten Hälfte des 17. Jh. diese Münze prägen ließ, s. Chlodwig). Über das von aurum abgeleitete Adjektiv lat. aureus »golden* und die darauf beruhenden Dubletten s. Öre. aus: Parallel zu dt. aus (mhd., ahd. üz), das als Präposition und Präfix fungiert (vgl. ausrotten unter roden), sind dem germanischen Adverb >aus< die gleichbedeutenden Partikeln niederd. ut, engl. out, niederl. uit, anord. üt (woraus schwed. ut) entsprungen. Als Entlehnung tritt Out in der umgangssprach lichen Wendung out sein >nicht mehr gefragt, nicht mehr in Mode sein< und bei Ballspielen in österr. out auf, wofür im Deutschen heute aus üblich ist (vgl. auch substantivisch: Aus/österr. Out >Raum außerhalb des Spielfeldesan Tagungsteilnehmer ausgegebenes Informationsmaterial* (Substantivierung von engl. to hand out >aus-, Verteilern, s. Hand). Nicht diphthongierte asächs., afries., mnd. üt und mniederl. uut sind Vorderglied von Wucht (s. Auslucht), der Landschaftsbezeichnung für die nordfriesischen Inseln Utlande Plur. (eigtl. >Außenlandedas außerhalb gelegene Bremern) und Utrecht (s. Trajekt). Gleiches gilt für anord. ütgardr, die Quelle des mythologischen Begriffs Utgard »das außerhalb des menschlichen Lebensraumes lokalisierte Reich der Riesen und Dämonen, die Außenwelt (eigtl. >äußeres Gehöfts s. Garten). Auslucht >erkerartiger Vorbau (besonders in der niedersächsischen RenaissancebaukunstErkerDachboden, Bodenraum< mit dem Präfix ut- (s. aus, Luft) dar. Die ge-

legentliche Annahme, Auslucht gehöre zu landsch. lugen >schauen< (vgl. das Verbalabstraktum Auslug >Ausgucksehenauf der äußeren SeiteUrheber, Veranlasser, Gründer, Schöpfen (zum Partizipialstamm auctum von augere vermehren, vergrößern; förderns s. Augurium) entlehnt, dessen Bedeutung auf >Verfasser, Schriftstellen eingeengt wurde. Der Genitiv Singular der lateinischen Vorlage ist Bestandteil des rechtswissenschaft lichen Fachausdrucks Animus Auctoris »Täterwille* (eigtl. »Wille des Urhebers*, s. Animo). Im österreichischen Zivilprozessrecht ist andererseits graphisch eingedeutschtes Auctor >der nach der Behauptung des verklagten Besitzers einer Sache oder eines dinglichen Rechts tatsächlich Berechtigte oder Verpflichtete* üblich, in dem sich eine weitere juristische Bedeutung des Latinismus manifestiert: »Vertreter (eines Eigentums)*.

autorisieren »bevollmächtigen; genehmigen*: Seit dem 16. Jh. bezeugte Nachbildung oder Übernahme (möglicherweise über frz. autoriser) von mlat. auctorizare »bestätigen; ermächtigen, Vollmacht geben* (zu auctor »Urheber, Veranlasser*, s. Autor). Als Erbwort im Französischen lieferte Letzteres afrz. otreier »bewilligen, bestätigen*, in Anlehnung an lat. auctor »Garant* und auctorare »gewähren* umgebildet zu octroyer. Die im Französischen zustande gekommene etymologische Duplizität spiegelt sich im Deutschen, seitdem octroyer zu oktroyieren (im 17. Jh. »bewilligen, gewähren*) entlehnt wurde. Im 19. Jh. entwickelt das deutsche Verb die Sonderbedeutung »aufdrängen, aufzwingen*, mit der es meist in Form der Präfigierung aufoktroyieren üblich ist.

Avantage »Vorteil, Gewinne Das veraltete Fremdwort stammt aus gleichbed. frz. avantage, Abstraktum zu avant »vorn, vor* < spätlat. abante »vor etwas weg*, gebildet aus verstärkendem ab »von, weg* (s. ab1) und ante »vor, vorn* (s. anti). Das Substantiv wurde auch

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zu mengl. avantage entlehnt» welches dann in Anlehnung an Variationen im Altfranzösischen und Entsprechungen wie engl. adventure vs. frz. aventure (s. Aventiure) seinen Anlaut zu ad- umwandelte. Engi. advantage >Vorteil< wurde seinerseits als Fachausdruck der Sportsprache Advantage >der erste gewonnene Punkt nach dem Einstand (40 : 40) beim Tennis< ins Deutsche übernommen. Aventiure >ritterliche Bewährungsprobe, die der Held in mittelhochdeutschen Dichtungen bestehen muss; Abschnitt im mittelhochdeutschen Epos »Das Nibelungenlied« < (vgl. auch die Wortverbindung Frau Aventiure als allegorische Personifizierung der Erlebnisse der fahrenden Ritter): Gelehrte Wiederbelebung des mittelhochdeutschen Substantivs äventiur(e) >gewagtes Unternehmen; zufälliges, besonders glückliches Ereignis; ein Gedicht davon; Abschnitt eines solchen Gedichts*. Dieses wurde Ende des 12. Jh. als ritterliches Fachwort aus (a)frz. aventure, das gelegentlich auch in der Form Aventüre >Abenteuer» seltsamer Vorfall* auftritt. Das französische Wort ist hervorgegangen aus viat, ^adventura >Ereignis, Geschehnis< (eigtl. >das, was herankommt, auf einen zukommt, sich ereignen wirdan-, herankommen*, gebildet aus dem Präfix ad- [s. ad], und dem mit dt. kommen [s. bekommen] urverwandten und bedeutungsgleichen Verb venire, s. Avenue, Basis und vgl. ferner das zugehörige Verbalabstraktum adventus >Ankuft< in dt. Advent >Zeit der Ankunft Christi*). Das mittelhochdeutsche Femininum wurde durch ein aus dem Niederdeutschen eindringendes Neutrum ersetzt, das volksetymologisch umgedeutet wurde (vgl. Afenteuer/Affenteuer im 16. Jh.) und sich schließlich in der Lautung Abenteuer prickelndes Erlebnis, mutwillig eingegangenes Wagnis< in der Gegenwartssprache etablierte. Als Bezeichnung für eine mittelalterliche Form des Überseehandels» bei der der Importeur mit geliehenem Geld arbeitete, das er nur im Fall des glücklich vollzogenen Geschäfts zurückzahlen musste, ist der italienische Reflex avventura >Abenteuer< die Quelle des gleich lautenden Historismus Aventura.

Avenue >mit Bäumen bepflanzte Prachtstraße in einer Städte Das heute besonders auf amerikanische Verhältnisse beziehbare, früher auch im Sinne von >Aufgang, Anfahrt< gebrauchte Fremdwort stammt aus

Axel frz. avenue, das ursprünglich >Ankunft Auffahrt* (16. Jh.), >Allee< (17. Jh.), >breite Straße in einer Stadt* (19. Jh.) bedeutete. Dies ist das substantivierte Femininum des Partizips Perfekt von frz. veraltet avenir >ankommenan-, herankommem (s. Aventiure) fortführt. Aus demselben lateinischen Verb ist auch span, veraltet avenir >ankommen< hervorgegangen. Dessen analog substantiviertes feminines Partizip Perfekt spiegelt sich in der Dublette Avenida als Bezeichnung sowohl für die breiten Prachtstraßen spanischer, portugiesischer und lateinamerikanischer Städte wie auch für eine Sturzflut nach heftigen Regengüssen. Aviarium >großes Vogelhaus in zoologischen Gärten*: Substantivierung des Neutrums von lat. aviarius >zu den Vögeln gehörig*, einer Ableitung von avis >Vogel< (vgl. Rara Avis >etwas Seltenes* unter rar). Das Adjektiv selbst liegt vor in der französierenden Lautform aviär >Vögel betreffend, von Vögeln stammend* (z. B. aviäre Tuberkelbakterien). Avis >Anzeige, Ankündigung (einer Sendung an den Empfänger); Mitteilung des Ausstellers eines Wechsels an den Schuldner über die Deckung der Wechselsumme*: Der kaufmännische und finanzielle Fachausdruck ist aus der französischen Zusammenrückung avis >Ansicht, Meinung; Nachricht, Mitteilung* übernommen» die aus afrz. (ce rnest) a vis/avis >so scheint es mir*, eigtl. >so ist es mir beim Sehen* (für gleichbedeutendes, aber anders strukturiertes lat. mihi visum est, im klassischen Latein mihi videtur) hervorgegangen ist und aus den unter ad und Visus erörterten Latinismen besteht. Ihm schließen sich außer dem veralteten, teilweise relatinisierten Advis >Avis< - die strukturgleichen Homonyme österr. Aviso' n. >Avis< (aus frz. avis über ital. avviso) und veraltet Aviso2 m. >kleines, schnelles Kriegsschiff* (aus span, aviso, eigtl. >NachrichtenschiffVater des Friedens*.

B Bachelor: Niedrigster akademischer Grad in England, den USA und anderen englischsprachigen Ländern, der aber mittlerweile auch an immer mehr deutschen Universitäten und Fachhochschulen in 6 oder 8 Semestern als Abschluss erworben werden kann. Engl. bachelor (eigtl. >junger Edelmann, KnappeKnappe, junger Mann< (vgl. mit Suffixwechsel frz. bachelier, aus dem das selten vorkommende Bachelier als Synonym von Bachelor stammt) auf vlat. *baccalaris, eine Nebenform von etymologisch nicht geklärtem mlat. baccalarius »untergeordneter Ritter, Knappe< zurück. Als akademischer Titel wurde Letzteres in Anlehnung an die Wendung bacca lauri »Lorbeerbeere« wohl scherzhaft zu baccalaureus umgewandelt, das dt. Bakkalaureus »Inhaber des Bakkalaureats< zugrunde liegt.

bald: Das durch Apokope aus mhd. balde (vgl. als1) hervorgegangene Wort setzt eigentlich das Adjektivadverb baldo von ahd. bald bzw. germ. *balpa~ »kühn« fort und hat über »eifrig, mit beherzter Entschlossenheit, schnell, eilig« seine heutige temporale Bedeutung »in nächster Zeit darauf< entwickelt. Das Adjektiv selbst ist nur noch als Bestandteil von Eigennamen erhalten wie Balduin (s. d.), Humboldt (s. Hüne), Luitpoid (s. Leute), Willibald (Vorderglied Wille, also etwa »willenskühn«), ferner in niederl. Tibout, romanisiert auch in ital. Tebaldo und frz. T/nbaut (s. Theobald), Sinnentleert in der Lautung -bold erscheint es in nach dem Muster solcher Namen gebildeten abschätzigen Bezeichnungen wie Trunkenbold (< mhd. trunkenbolt »Trinker, Säuferkühn< (s. bald) und wini »Freund< darstellt und etwa »kühner Freund« bedeutet, hat sich aus der früher üblichen, im Englischen aufrechterhaltenen Baldwin entwickelt. Als Traditionsname bei den Grafen von Flandern ist er im Mittelalter auch im Französischen wohl bekannt geworden, dort lautet er allerdings Baudouin.

Balg1: Von vornherein offensichtlich eine Bezeichnung für die abgezogene Tierhaut, die als Schlauch, Lederbeutel oder Luftsack diente, ausgestopft werden konnte und beim Zusammenpressen einen Luftstrom erzeugte. Der einstige germanische i-Stamm ★balgi- >Balg< hat seine Grundzüge bewahrt und bildet den Plural mit Umlaut: Bälge. Ein homonymes Balg2 »unartiges Kind« hat sich zum Teil als Neutrum mit der Pluralform Bälger morphologisch verselbständigt. Aus gelegentlichen Parallelformen Balgen statt Bälge entstand außerdem ein neuer Maskulinum Balgen »harmonikaartig ausziehbares Verbindungsteil zwischen Objektiv und Gehäuse beim Fotoapparat« (daher auch Balgenkamera) als formal unterschiedene Dublette der beiden Homonyme. Balken: Das ursprünglich schwach flektierte und phonomorphologisch wie Brunnen (s. d.) abgewandelte Substantiv (ahd. balko < westgerm. *balkön »Balken«, zu idg. *bholg-, einer Gutturalerweiterung der unter Ball behandelten Wurzel, vgl. auch Phalanx) ergab durch langobardische Vermittlung ital. balcone »Balkon; Balkontür mit Geländer; gestützter Gebäudevorbau« (zunächst wohl »Balkengerüst«). Über frz. balcon wurde dieses im 18. Jh. zu Balkon rückentlehnt. Die Existenz von ital. veraltet balco »Balkon« ist kein zwingender Grund, balcone als Vergrößerungsbildung dazu anzusehen, wie dies etwa bei ital. pallone/ballone (woher dt. Ballon) vs. palla »Ball« (mit Ball identischer Germanismus) der Fall ist.

Ball »runder Körper«: Über mhd., ahd. bai »Ball, Kugel, Hand-, Fußballen« hervorgegangen aus germ. *ballu»Ball, Kugel«, das im Sinne von »Geschwollenes, Aufgeblasenes« auf die abgetönte Vollstufe *bhol- von idg. *bhel- »aufblasen, aufschwellen, prall sein« zurückgeführt wird (vgl. Bowle, Bulle1). Auf germ, ★ballon beruht als schwach flektierte Nebenform von ahd., mhd. bai gleichbed. ahd. ballo, mhd. balle, Gen. ballen, aus dem sich im Neuhochdeutschen durch Bedeutungsdifferenzierung Ballen entwickelte (über analoge phonomorphologische Abwandlungen vgl. Brunnen). Gebunden erscheint engl. ball »Ball, Kugel« (entweder aus gleichbed. anord. ball- oder über frz. balle »Kugel« aus dem Altfränkischen übernommen) z.B. in Baseball (s. Basis), Football (s. Fußball), Netball (s. Netz).

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beige »gelbbraun, sandfarbene Klar ist, dass das indeklinable Adjektiv um 1900 aus gleichbed. frz. beige (im Zusammenhang mit Wolle: >ungefärbt, ungebleicht^ übernommen ist, dessen Herleitung aus einer Schwanzfragmentierung *bagia von ital. bambagia »Baumwolle* (wie dt. Bombast, älter Baumwolle*, vermittelte Adaptation von pers. pambak Baumwolle*) abgelehnt wird. Während E. Seebold die Quelle des Gallizismus in lat. bijugus/bigus »zusammengespannt, doppelt* vermutet, sind J. Picoche, W. Pfeifer, U. Hermann geneigt, diese in lat. baeticus >zur (wegen ihrer Wolle berühmten) Provinz Baetica in Südwestspanien gehörig, von dort stammend* zu sehen. Etymologische Dubletten von beige wären unter diesen Umständen das durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) eingedeutschte Adjektiv bätisch und der Name der historischen Landschaft Baetica (nach dem herkunftsmäßig iberischen Flussnamen Baetis, von den Arabern zu Wadi ak Kebir >der große Fluss* umbenannt, woraus heute span. Guadalquivir). Bein: Die ursprüngliche Bedeutung der heutigen Bezeichnung für den Ober- und Unterschenkel war »Knochen*, und das ist ohne weiteres erkennbar nicht nur an der Verwendungsweise von österr., Schweiz. Bein »Knochen*, sondern auch am Grundwort von Zusammensetzungen wie Brust-, Nasen-, Schlüssel- oder Eis-, Fisch-, Elfenbein (s. Elefant), oder aber am Sammelnamen Gebein. Sie ist aus germ. *baina- »Knochen* hervorgegangen, dessen Herkunft unklar bleibt, das aber auch die Quelle von gleichbed. engl. bone ist. Dieses ist enthalten in der Fügung Bone China1 »Knochenasche enthaltendes Porzellan* (aus gleichbed. engl. bone china, s. China1), im kulinarischen Fachausdruck T-BoneSteak »dünne Scheibe aus dem Rippenstück des Rinds, deren Knochen die Form eines T hat* (eigtl. »Steal; mit T-förmigem Knochen*) und in Bonebed »vorwiegend aus Knochenresten bestehende Gesteinsbank als Ablagerung in geologischen Formationen* (eigtl. »Knochenlager*, s. Bett). bekommen: Das Verb ist eine germanische Bildung aus *bi »bei* (s. um) und *kwema- »kommen* (zu idg. *gwem- »gehen, kommen*, vgl. Basis, Aventiure) deren ursprüngliche Bedeutung wohl »hinzu-, herbeikommen* war. Daraus ist über ahd. biqueman »herankommen, begegnen, nützen* und mhd. bekomen »kommen, gelangen, gedeihen; zukommen, zuteil werden* seine heutige Lautung hervorgegangen, und seine heutige Hauptbedeutung »erhalten* hat sich erst im Mittelhochdeutschen im Anschluss an »zuteil werden* entwickelt (anders wiederum beim englischen Kognaten to become »werden*). In neuerer Zeit ist ein aus denselben Bestandteilen aufgebautes Verb als etymologisch adäquate Dublette von bekommen

bene entstanden, nämlich die unfeste und daher auch akzentmäßig differierende Zusammensetzung beikommen. Das Dublettenpaar bekommen - beikommen mag zusammen mit bestellen (s. d.) - beistellen zugleich beispielhaft sein für mehrere analog strukturierte Verbpaare im Deutschen wie etwa belegen — beilegen, besetzen - beisetzen, bestehen - beistehen, betragen - beitragen, bewohnen - beiwohnen, beziehen - beiziehen.

Bel »Kennwort bei Größen, die als Logarithmus des Verhältnisses zweier physikalischer Größen gleicher Art angegeben werden (Zeichen: B)gut gehalten* (s. tenuto), ben legato >gut gebunden* (zweiter Bestandteil Partizip Perfekt zu ital. legare »binden, verbinden, vereinigen*, s. legieren), aber auch in der unter ist besprochenen Sentenz se non è vero, è ben trovato >wenn es nicht wahr ist, so ist es (doch) gut erfunden* erscheint.

Benedictus »liturgischer Hymnus im katholischen Stundengebet; zweiter Teil des Sanctus*: In diesem Terminus der lateinischen Liturgie spiegelt sich das Anfangswort benedictus jeweils in Lk 1, 68 und Mt 21, 9. Morphologisch gesehen, ist das die maskuline Form des Partizips Perfekt zu lat. benedicere »segnen* (s. benedizieren, vgl. Diktum). Im Sinne von >der Gesegnete* trat es substantivisch auch als männlicher Vorname auf und fand über den Namen des heiligen Benedikt von Nursia (5-/6. Ih.), des Vaters des abendländischen Mönchtums und des Gründers des Benediktinerklosters Monte Cassino, große Verbreitung, vgl. eingedeutscht Benedikt/Benediktus (als Familienname auch Benedix, s. Diktum), engl. Benedict und Bennet/Bennett, ital. Benedetto und (auch span.) Benito, frz. Benoit, schwed. Bengt, dän. Bent, tschech. Benes, russ., bulg. Venedikt. Für weibliche Form von Benedikt gehalten wird, an sich aber mit dem substantivierten Femininum des lateinischen Partizips Benedicta >die Gesegnete* übereinstimmend ist Benedikta, vgl. ferner entsprechend ital. Benedetta, span. Benita.

benedizieren >segnen, weihen*: Adäquate Übernahme des aus bene >gut, wohl* (s. d.) und dicere >sagen< (s. Diktum) gebildeten Verbs kirchenlat. benedicere >segnen, weihen; lobpreisen* (eigtl. >wohl reden*, s. auch Benedictus). Dasselbe Verb wurde (möglicherweise über gleichbed. ital. benedire) bereits zu mhd. benedten/benedigen >segnen* entlehnt, das - im Frühneuhochdeutschen diphthongiert - nhd. benedeien >segnen; selig preisen* zugrunde liegt. Benefaktor >Wohltäterwohltun* (s. Benefizium). Im Anschluss an die aus dem Althochdeutschen ererbte Lehnübersetzung mhd. woltät »Wohltat* und woltcetic >milde, rechtschaffen* wurde woltceter gebildet, das sich im Neuhochdeutschen in der Lautung Wohltäter anstelle des fremden Dublettenpaares durchsetzte.

Benefizium >mit einer Pfründe verbundenes Kirchenamt; mittelalterliches Lehen*: Die veraltete Bedeutung dieses Fremdwortes >Wohltat, Begünstigung* ist

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eigentlich die ursprüngliche seiner Vorlage lat. beneficium (Abstraktum zu benefacere >wohltungut, wohl* und facere >tunLehen; Amt* gebraucht wurde. Aus beneficium ist andererseits frz. bénéfice »Gewinn, Nutzen, Vorteil* hervorgegangen. Nach dem Vorbild der präpositionalen Fügung une pièce au bénéfice de ... »eine Vorstellung zugunsten von ...< geht das deglutinierte Benefiz (ursprünglich bedeutungsgleich mit Benefizium) im Deutschen Kompositionen ein wie Benefizvorstellung, -spiel, -konzert und erlangt selbst die Bedeutung »Vorstellung zugunsten eines Künstlers oder eines wohltätigen Zweckes*. Anstelle des lateinischen Abstraktums wurde seit dem 9. Jh. bezeugtes wolatät, das über mhd. woltät heutiges Wohltat ergab. beredt »redegewandt*: Obwohl eine direkte Ableitung aus Rede nicht ganz ausgeschlossen ist, gilt das Wort als Adjektivierung des synkopierten Partizips Präteritum von mhd. bereden »etwas bereden; durch mündliche Rede gütlich beilegen; wozu bereden; beweisen, dartun; entschuldigen*, und zwar im Rahmen der Wendung beredet sin »zu reden wissen*, d.h. mit aktivischer Bedeutung wie etwa bei trunken (s. d.) vs. getrunken oder bei dem formal nicht differenzierten bedacht1 »besonnen, überlegt, umsichtig* gegenüber dem zum Paradigma von bedenken »erwägen, durchdenken* gehörenden Partizip Präteritum bedacht2. Innerhalb des Formenbestands des aus dem mittelhochdeutschen Verb ererbten bereden »durchsprechen; überreden; über jemanden reden* tritt dagegen das ursprüngliche Partizip ohne Synkope auf: beredet. bersten »zerspringen, zerplatzen*: Ein durch Luthers Bibelübersetzung ins Hochdeutsche übernommenes nieder- und mitteldeutsches Verb, das zwar auf germ. *bresta- »bersten* zurückgeht, aber r-Metathese aufweist. Es hat den regelrechten Fortsetzer ahd. brestan »reißen; mangeln, fehlen* (auch mit perfektivierendem ge-Präfix: gibrestan »mangeln, fehlen*), mhd. (ge)bresten »brechen; reißen; bersten; mangeln, gebrechen* genauso zurückgedrängt, wie etwa Bloch, Haber, Pfacht vor niederd. Block, Hafer, Pacht (s. Pakt) nach Süden zurückweichen mussten. Heute hält sich die nicht umgestellte bersf-Form nur noch relikthaft im substantivierten Infinitiv Schweiz. Gebresten »Gebrechen*. Anstelle des altenglischen grundstufigen Kognaten berstan hat sich im Laufe des Sprachwandels durch paradigmatische Umformung das nullstufige engl. to burst »sprengen, zum Platzen bringen* durchgesetzt. Dessen Substantivierung burst »Bersten; Ausbruch; Bruch, Riss* ist die Quelle von dt. Burst »bei einer Sonneneruption auftretender Strahlungsausbruch im Bereich der Radio-

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wellens seine Erklärung für Dublette von bersten wäre jedoch wegen der unterschiedlichen Ablautstufen nicht korrekt. Beryll: Der Name dieses Halbedelsteins geht auf mind. vèruliya/vèluriya (wohl nach der südindischen Stadt Berül, älter Velür) zurück und ist über griech. béryllos, lat. beryllus den westeuropäischen Sprachen vermittelt worden. Mhd. b(e)rille m. >Beryll< wurde im gleich lautenden Plural auch auf die um 1300 zuerst in Italien aus Beryll hergestellten Augengläser angewandt und selbst danach beibehalten, als man sie aus Glas zu schleifen begann. Die Pluralform des mittelhochdeutschen Maskulinums ergab allerdings in frühneuhochdeutscher Zeit das Femininum Brille.

bescheiden >genügsam, anspruchslos, einfache Das Adjektiv vertritt das einstige Partizip Präteritum des starken Verbs bescheiden und folgt dessen semantischer Entwicklung »zuteilen, Bescheid geben* > belehren, unterweisen* bzw. reflexiv >sich zufrieden geben, sich begnügen*. Bei dem Simplex (ahd., mhd.) scheiden handelt es sich um ein im Germanischen reduplizierendes Verb (vgl. gleichartig heißen mit seinem heute noch geltenden primären Partizip geheißen), zu dem sich seit dem 13. Jh. eine nach E. Seebold sekundäre Nebenform schiden »scheiden, unterscheiden* stellte. Im Neuhochdeutschen sind die Präsensformen der beiden Verben lautlich zusammengefallen, und aus der Konkurrenz ihrer jeweiligen ursprünglichen Partizipien gescheiden und geschiden hat geschieden als Nachfolger des Letzteren den Sieg davongetragen. Dazu hat bestimmt die Weiterentwicklung nicht nur von mhd. sch iden allein, sondern auch das als Vorbild dienende analoge Paradigma weiterer einst zur 1. Ablautreihe gehörender starker Verben (etwa bleiben - geblieben, greifen - gegriffen, reiten - geritten) beigetragen. Auf jeden Fall wirkte sich die bei scheiden eingetretene Innovation in gleichem Maße auf das präfigierte Verb bescheiden aus, indem der Platz des früheren Partizips bescheiden von beschieden eingenommen wurde. Somit wurde die lautliche Variante beschieden in eine funktionale etymologische Dublette von bescheiden umgewandelt (vgl. erhaben, gediegen).

Besen: Die heutige Lautung des Erbwortes hat sich in Anlehnung an die Maskulina auf-en entwickelt aus ursprünglich schwach flektiertem mhd. bes(e)me, ahd. bes(a)mo, das westgerm. *besmön- »Besen* fortführt. Aus diesem sind ferner gleichbed. engl. besom und niederl. bezem hervorgegangen, vgl. Letzteres als erster Bestandteil des kaufmännischen Fachausdrucks Besemschon »Vergütung für die an der Verpackung hängen bleibenden Warenteilchen* (aus niederl. bezemschoon, eigtl. »besenrein*, s. schön).

Bestie bestellen »eine Lieferung veranlassen; reservieren lassen; ausrichten, überbringen; bearbeiten, bebauen*: Das polysemantische Verb führt mhd. bestellen »umstellen, angreifen; einsäumen; (Feindseligkeiten) einstellen; anordnen; besorgen*, ahd. bisteilen »umstellen, umgeben; besetzen; bekränzen* fort, das mit dem Präfix bi- (s. um) zum rückumlautenden Verb stellen, d.h. zu einem Verb gebildet ist, dessen Partizip Präteritum - genau wie bei rennen vs. geranntnoch heute bestallt hätte lauten können. Eine solche Partizipialform ist übrigens auch vorhanden, sie gehört aber nicht mehr zum Formenbestand von bestellen, denn an ihre Stelle ist durch Ausgleich nach den Präsensformen von bestellen ein neues Partizip bestellt getreten (vgl. gestellt unter Gestalt). Unterdessen ist bestallt - abgesehen von der veraltenden Zusammenrückung wohlbestallt- nicht wie geduckt (s. gedeckt und vgl. bescheiden, erhaben, gediegen) zu bloßem Adjektiv geworden, sondern es hat als Ausgangspunkt für die Herausbildung des Paradigmas von bestallen »in ein Amt einsetzen, zu etwas ernennen* gedient. Infolge dieser eigenartigen Aufspaltung des ursprünglichen Verbs bestellen, Prät. bestallte, Part. Prät. bestallt in zwei selbständige Verben (vgl. das in einem anderen Verhältnis stehende Wortpaar wiegen - wägen, s. d.) ist ungefähr im 15. Jh. das Dublettenpaar bestellen - bestallen zustande gekommen, an das sich beistellen landsch. »dazustellen*, österr. »zur Verfügung stellen, bereitstellen* als dritte, etymologisch adäquate Dublette (s. bekommen) angeschlossen hat. Bestellung »Lieferauftrag; bestellte Ware; Botschaft; Bearbeitung, Bebauung*: Die Semantik dieses Verbalabstraktums richtet sich in der Regel nach den Bedeutungen des Verbs bestellen (s. d.). Logischerweise sind auch die zu dessen Dubletten analog gebildeten Verbalabstrakta etymologisch adäquate Dubletten von Bestellung: Bestallung1 »Einsetzung in ein Amt; Approbation*, Bestallung2 »Urkunde über die Amtseinsetzung* (Kopfisolierung aus Bestallungsurkunde unter Weglassung des Fugen-s), österr. Beistellung »Besorgung, Beschaffung von etwas, was zu einer beruflichen Tätigkeit oder zum Aufenthalt an einem Ort benötigt wird*.

Bestie »wildes Tier; Unmensch*: Im Spätmittelhochdeutschen eingedeutscht aus lat. bestia »(wildes) Tier*. Durch Vermittlung von niederd. Beest und mniederl. beest »Tier* lieferte das lateinische Wort über gleichbed. vlat. *besta und afrz. beste ugs. Biest »lästiges Tier; niederträchtiger Mensch; verwünschter Gegenstand* (mit Übergang des langen e in langes i auf niederdeutschem Boden). Aus afrz. beste ist frz. bète »Tier; Bestie; Strafeinsatz beim Kartenspiel*, seit dem 18. Jh. auch in adjektivischer Verwendung im Sinne von »dumm, einfältig*. Darauf beruhen die

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Bett Fremdwörter Bète »Einsatz oder das Geld des Verlierers beim Kartenspiel* (vgl. Bete machen »setzen*, Bète ziehen »einen Satz oder Spiel gewinnen*), bete in der Fügung bète sein »(im Spiel) verloren haben* sowie - mit dem französischen bestimmten Artikel verschmolzen - seit dem 17. Jh. bezeugt, heute nur noch landschaftlich /abet: labet sein »verloren haben (im Kartenspiel); müde, abgespannt sein*. Eine vulgärlateinische Nebenform von lat. bestia, nämlich *btstia, ergab afrz. bisse, dessen normannisch-pikardische Entsprechung in frz. biche »Hirschkuh*, seit dem 18. Jh. auch »Mätresse* fortlebt und sich im veralteten Fremdwort Biche »leichtlebiges Pariser Mädchen* widerspiegelt.

Bett: Das deutsche Wort und seine Kognaten in anderen germanischen Sprachen (z.B. gleichbed. engl. bed) werden auf germ. *badja- »Lager, Grundlage* zurückgeführt, über dessen Herkunft die Meinungen allerdings auseinandergehen. Durch den Vergleich des aufgelockerten, erhöhten Landstücks mit einem Polsterlager erklärt man die Tatsache, dass ahd. betti und mhd. bette sowohl »Lagerstatt* als auch »Feld-, Gartenbeet* bedeuteten. Seit dem 17. Jh. begann sich die formale Unterscheidung von Bett und Beet (vgl. aber Saatbett) durchzusetzen, die auf der Verteilung der beiden Bedeutungen auf die bereits bestehenden Lautvarianten basierte. Diesem Dublettenpaar, das ein Musterbeispiel für innersprachliche Wortspaltung bietet, schließt sich der englische Kognat bed an als gebundene Dublette innerhalb des Kompositums ßonebed »vorwiegend aus Knochenresten, Zähnen und Schuppen von Fischen, Reptilien und anderen Wirbeltieren bestehende, wenig mächtige Gesteinsbank als Ablagerung in vielen geologischen Formationen* (eigtl. »Knochenlager*, s. Bein).

Bibel: Die Bezeichnung für die Heilige Schrift mhd. biblie/bibel geht über gleichbed. kirchenlat. biblia (vgl. Biblia Pauperum »mittelalterliche Kurzfassungen lateinischer Bibeltexte; Bilderbibel*, wörtl. »Armenbibel*, s. power) zurück auf griech. bibita, eigtl. »Bücher (der Heiligen Schrift)*, Sing, biblion »Schriftrolle, Buch* (mit Angleichung i-i Balsamstrauch, Wohlgeruch< zurückgefuhrt. Aus derselben Quelle leiten sich griech. bälsamon >Balsamstrauch, duftendes Öl davon< (nach E. Seebold über eine südarabische Form mit lateralem s, was die Wiedergabe als ls erklärt) und lat. balsamum >Balsamstrauch, Balsamharz« her, auf dem dt. Balsam »Linderungsmittel, Labsal« beruht. Biskotte »Löffelbiskuit«: Das in Österreich gebräuchliche Fremdwort stammt aus ital. biscotto »Zwieback«, das mit Angleichung tt < cf mlat. biscoctum widerspiegelt. Dies ist aus bis »zweimal« und coctum, Partizip Perfekt von coquere »kochen, backen« (woraus dt. kochen, s. Küche, vgl. Terrakotta/Terrakotte, eigtl. »gebrannte Erde«, s. dürr) gebildet und bedeutet demnach »zweimal Gebackenes«. Das seit dem 13. Jh. (zunächst in der Form piscot) bezeugte Substantiv wurde vom 17. Jh. an aus dem Deutschen von Biskuit verdrängt, welches auf herkunftsgleiches frz. biscuit (vgl. heute noch dafür Schweiz. Biscuit auch im Sinne von »Keks«) zurückgeht. Im 17. Jh. prägte man zugleich als Ersatzwort für die romanischen Bezeichnungen des Gebäcks, das nach dem Backen noch leicht geröstet wird, die Lehnübersetzung Zwieback. Bitumen »teerartige Masse«: Im 16. Jh. entlehnt aus lat. bitumen »Erdharz« (wohl durch keltische Vermittlung zu idg. *gwet- »Harz«, das auch dt. Kitt zugrunde liegt). Aus diesem ist durch Umbildung des Auslauts afrz. betun »Erdpech, Mörtel« hervorgegangen, dessen Fortsetzung frz. béton als Benennung des Baustoffs aus Zement, Sand und Wasser im 18. Jh. dt. Beton lieferte. Biwak »behelfsmäßiges Nachtlager im Freien«: Seit dem 18. Jh. bezeugte Rückentlehnung von gleichbed. frz. bivouac. Über die Quelle des Mitte des 17. Jh. in der Lautung bivoie/bivac »Nachtwache« ins Französische übernommenen Wortes laufen die Meinungen auseinander. Die deutschen Lexikologen ziehen niederl. bijwacht und mniederdt. biwacht(e) in Betracht, die französischen dagegen eindeutig Schweiz, biwacht. Auf jeden Fall handelte es sich ursprünglich um eine im Freien postierte Hilfswache, was auch die weitere Bedeutungsentwicklung auf französischem Boden

blau verständlich macht. Im Hinblick auf frz. bivac kommt übrigens alemann. biwach als Vorlage mit größter Wahrscheinlichkeit in Frage, das durch gesetzmäßige Substitution dt -ach > frz. -acdie besagte Form ergeben zu haben scheint. Daraus folgt, dass nicht Beiwacht, sondern Beiwache (die hochdeutsche Entsprechung des apokopierten und nicht diphthongierten alemann. biwach, s. auch um) als etymologische Dublette von Biwak anzusetzen ist.

Blanc »Helle Soße bzw. Brühe von Kalbfleisch oder Geflügel; Weißgroschen«: Substantivierung von frz. blanc m. (blanche f.) »weiß«, das ebenso wie gleichbed. span, blanco m., blanca f. und ital. bianco m., bianca f. über roman. *blancus auf germ. *blanka»glänzend, hell, weiß« zurückgeht. Dieses lebt in ahd., mhd. blanc »hell, weiß« und nhd. blank fort, während engl. blank »weiß, leer« (daraus der EDV-Terminus Blank »Leerstelle«) frz. blanc widerspiegelt. Das Femininum und der maskuline Plural des französischen Adjektivs erscheinen entsprechend in den attributiven Fügungen Carte blanche »unbeschränkte Vollmacht« (s. Chart) und Vers blancs (s. Vers), von denen die zweite ebenso wie das deutsche Kompositum Blankvers engl. blank verse reproduziert. Ital. in bianco »unbeschrieben« (eigtl. »in weiß«) wurde im 17. Jh. übernommen und in Anlehnung an blank in (in) blanko »leer, nicht vollständig ausgefullt« (vgl. ferner Blankoscheck »nur teilweise ausgefüllter, aber unterschriebener Scheck«) umgewandelt. Als weibliche Vornamen im Sinne von »die Weiße« stammen Blanca/Blanka, Bianca/Bianka, Blanche jeweils aus dem Spanischen, Italienischen und Französischen. Das spanische Maskulinum ist u.a. Bestandteil der Namen des kostarikanischen Kaps Cabo Bianco (s. Haupt) und des Sängers Roberto Bianco. Zum als Farbbezeichnung in den romanischen Sprachen außer Gebrauch gekommenen lat. albus »weiß« s. Album. blau: Auf germ. *bhzwa- »blau« (aus idg. *bhlewo»blau, gelb, blond« neben *bhläwo- in iat.flävus »goldgelb, blond« [s. Fieber], zu *bhel- »glänzen; glänzend, weiß«) beruhende Farbbezeichnung (substantivisch: Blau »blaue Farbe«, vgl. himmelblau), die zu roman. *blävus »blau« entlehnt wurde und daher beispielsweise in gleichbed. frz. bleu vorliegt. Dieses wurde einerseits zu dt. bleu »blaßblau, bläulich (mit einem leichten Stich ins Grüne)«, auch substantivisch Bleu »bleu Farbe« (vgl. ferner den kulinarischen Fachausdruck Cordon bleu, s. Kordon), andererseits zu engl. blue »blau« rückentlehnt. Das englische Wort tritt auf etwa in den Amerikanismen Blue Jeans/Biuejeans »blaue (Arbeits)hose aus geköpertem Baumwollgewebe« (s. Genua) und in Blues »aus schwermütigen Volksliedern der nordamerikanischen Schwarzen hervorgegangene älteste Form

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Bleuel des Jazz; langsamer Tanz in 4/4 TaktTrübsinn, Schwermut (eigtl. >blaue Teufels Grundwort etymologisch identisch mit Teufel, s. d.), womit die dämonischen Gaukelbilder gemeint sind, welche einem Menschen bei einem Anfall von Schwermut erscheinen. Aus frz. bleu mourant »blass-, mattblau* (eigtl. »sterbendes Blaus mit attributiv gebrauchtem Partizip Präsens von mourir »sterben< als zweite Komponente) stammt das im Dreißigjährigen Krieg übernommene blümerant »flau, schwindligs dessen heutige Bedeutung sich nach dem DudenHerkunftswörterbuch aus der Wendung blümerant vor den Augen (mit Rücksicht auf den schillernden Farbschleier, der sich bei Schwindelanfällen über die Augen legt) entwickelt haben soll. Bleuel »hölzerner Wäscheschlägel; Stampfers Nomen Instrumenti (mhd. bliuwel, ahd. bliuwil »Mörserkeule, Schlägel zum Brechen der FlachsstängelEndstück eines Organs oder Körperteils; Schleppe an den liturgischen Gewändern hoher Geistlicher; Hals einer Note oder Ligatur*: Der anatomische, kirchensprachliche und musikalische Fachausdruck stützt sich auf lat. cauda »Schwanz*. Darauf fußt gleichbed. ital. coda, dessen übertragene Verwendung die konkurrierenden Varianten Coda/ Koda »Schlussteil eines Musikstücks* widerspiegeln. Über vlat. *coda liegt das lateinische Wort ferner frz. queue »Schwanz* zugrunde, aus dem die Homonyme Queue1 f. »lange Reihe, Schlange (von Wartenden); Ende einer Kolonne* und Queue2 n./m. »Billardstock* (für frz. queue de Billard) entlehnt sind (vgl. auch die präpositionale Fügung à la queue »am Ende*, s. ad).

Causa »(Rechts)grund, Ursache (eines Schadens)*, österr. »Sache, Angelegenheit; Streitfall*: Der juristische Fachausdruck (vgl. auch causa finalis »letzte, endliche Ursache*, s. Finalis) stammt wie gleichbed. frz. cause

Cavea (woher Cause célèbre »berühmter Rechtsfall; berüchtigte Angelegenheit*, Attribut: frz. célèbre »berühmt* für lat. celeber »festlich; bekannt*) aus lat. causa »Ursache; Anlass; Rechtssache*. Dessen von der Präposition ad (s. d.) abhängiger Akkusativ Plural ist in der Fügung ad pias causas »zu wohltätigen Zwecken* (vgl. Pius) enthalten, und in postpositionaler ablativischer Funktion mit vorangehendem Genitiv ist causa Bestandteil formelhafter Wendungen wie Doktor honoris causa »Doktor ehrenhalber* (s. Honneurs), exempli causa »beispielshalber* (s. Exempel). Ähnlich wie Ding' (s. d.) entwickelte es sich durch Verallgemeinerung seiner letzteren Bedeutung zum Synonym von lat. res »Sache* (vgl. Res), verdrängte es aus dem Vulgärlatein und ergab frz. chose bzw. ital. cosa »Sache, Angelegenheit* (vgl. die Semantik von Causa als Austriazismus). Diese Romanismen liegen entsprechend vor in ugs. Chose/Schose »(unangenehme) Sache, Angelegenheit* und Cosa Nostra »kriminelle Organisation in den USA, deren Mitglieder vor allem Italiener oder Italoamerikaner sind* (eigtl. »unsere Sache*, s. nostra). Auf ital. cosa als Bezeichnung der Unbekannten in Gleichungen wird auch Coss »Frühform der Algebra im 15./16. Jh.< zurückgeführt. Cavallo »alte Kupfermünze im Königreich Nepal mit einem aufgeprägten Pferde Der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Exotismus ist eigentlich das italienische Wort für Pferd cavallo (vgl. Caciocavallo), der Fortsetzer von lat. caballus, das den unter Kavalier und Kavallerie erörterten Dubletten zugrunde liegt. Das möglicherweise aus einer nichtindogermanischen Sprache stammende lateinische Wort bezeichnete ursprünglich ein in der Landwirtschaft gebrauchtes Pferd, verdrängte aber nach und nach lat. equus »Reitpferd* und lieferte über das Vulgärlatein span, caballo, frz. cheval »Pferd*, vgl. den ebenfalls im Duden-Fremdwörterbuch verzeichneten Gallizismus à cheval »zu Pferde* (s. ad). Mit dessen Pluralstamm chevau- gebildetes frz. chevau-léger lieferte den Historismus Chevau/eger »Angehöriger der leichten Kavallerie einer bis ins 19. Jh. bestehenden Truppengattung* (Grundwort identisch mit dem entlehnten Gallizismus leger »ungezwungen; bequem; nachlässig*, zu lat. levis »leicht; leichtfertig*).

Cavea »terrassenartig angelegter, halbkreisförmiger Zuschauerraum des antiken römischen Theaters*: Diesem Historismus wie auch dt. Käfig, dessen heutige Form durch Umgestaltung des Auslauts von gleichbed. mhd. kevje, ahd. kevia entstanden ist, liegt lat. cavea »Gehege, Verschlag, Vogelbauer* (zu cavus »hohl*) zugrunde. Auf dieselbe Quelle geht mhd. kouwe »bergmännisches Schachthäuschen; Aufschüttkasten in der Mühle* zurück, das in nhd. Kaue »Gebäude über der Schachtöffnung eines Bergwerks; Waschraum und Garderobe der Bergleute* fortlebt.

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Cent Durch Vermittlung von mnd. köje, mniederl. coye! cooye >enger Verschlag, Stalls in der Seemannssprache auch »Schlafstelle auf Schiffern wurde das lateinische Wort um 1600 erneut in der letzteren Bedeutung zu Koje entlehnt. Auf lat. cavea beruht schließlich frz. cage »Käfig, Vogelbauers aus dem veraltet Cage >Rädergehäuse einer Uhr; Krinoline, Reifrock< stammt. Cent >ein Hundertstel des temperierten Halbtons; ein Hundertstel der Reaktivitätseinheitc Außer als Maßeinheit der Musik und der Kernphysik war dasselbe Wort bis zum 31. Dezember 2001 als Exotismus im Sinne von >Untereinheit der Währungseinheit der USA, Kanadas, Australiens und vieler anderer Staaten Amerikas, Asiens, Afrikas und Europas< bekannt, wonach es auch Bezeichnung für ein Hundertstel des Euros wurde: (Euro)cent. Da frz. centime >ein Hundertstel des Franc< (s. Centime) 1795 geprägt wurde, amerik. cent dagegen schon 1786 in seiner heutigen Bedeutung üblich war, kann dieses keine Fragmentierung von jenem sein, sondern es wird direkt oder durch Vermittlung von frz. cent >hundert< auf dessen bedeutungsgleiche Quelle lat. centum zurückgeführt. An lat. centum bzw. an frz. cent anknüpfend, wurde aber 1795 in Frankreich die Kompositionsform centizur Bildung von Maßeinheiten mit der Bedeutung >ein Hundertstel von... < amtlich in Umlauf gebracht, die bei Entlehnungen ins Deutsche relatinisiert wird, vgl. Zentimeter >ein hundertstel Meter< (s. Metrum). Das lateinische Numerale, das über gleichbed. ital. cento in Ducento/Dugento/Duecento, Trecento usw., d.h. das 13., 14. Jahrhundert usw. in Italien als Kunststilbegriffe, bzw. urspr. kaufmannsspr. Prozent (relatinisiert wie pro centum aus ital. per cento »für hundert, von Hundert*, s. vor) lieferte, ist wie germ. *%unda-, awest. satom, griech. he-katón (he- nach E. Seebold zu idg. *sem >einsZehnerschaft, Zehnheit von Zehnern*, einer Ableitung zu *dek’m >io< (s. zehn), hervorgegangen. Ferner ist lat. centum - jeweils orthographisch eingedeutscht und in seiner ursprünglichen Lautung auftretend - enthalten im Historismus Zentumvir >Mitglied des anfangs aus hundert Mann bestehenden Richterkollegiums im alten Rom* (über das Grundwort s. Duumvir unter Werwolf) und im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Kentumsprachen, das im Gegensatz zum mit dem awestischen Kognaten gebildeten Satemsprachen die indogermanischen Sprachen zusammenfasst, welche die palatalen k' und g nicht in die Zischlaute s/f, z/3 umwandeln, sondern als Verschlusslaute beibehalten. Auf der Basis von griech. hekatón bildete man 1795 in Frankreich die Kompositionsform hect(o)zur Bezeichnung des Hundertfachen einer Maßeinheit des metrischen Systems. Im Laufe des 19. Jh.

wurden Hektar >100 Ar* (s. Ar unter Area), Hektogramm >100 Gramm* (s. Gramm) u.a., in denen der griechische Kognat nur noch in Resten nachweisbar ist, ins Deutsche entlehnt und amtlich eingeführt. Wesentlich besser erkennbar ist er im Fremdwort Hekatombe >riesige Menge von Menschen, die einem Unglück zum Opfer gefallen sind* (aus griech. Hekatombe »kultisches Opfer von 100 Stieren*, in dessen Grundwort boüs >Rind< steckt, s. Kuh). Zwar erscheint in ahd. ein-, zweihunt >100, 200* aus germ. *%unda- ererbtes hunt »hundert*, seit frühmittelhochdeutscher Zeit tritt aber an seine Stelle aus asächs. hunderod übernommenes hundert (vgl. analog engl. hundred), ein Kompositum, in dessen Vorderglied das germanische Numerale vertreten ist und dessen Hinterglied mit germ. *rap- »Zahl*, der Wurzel von Rede (s. d.), gleichgesetzt wird.

Centesimo: Ital. centesimo, das diesem Exotismus zugrunde liegt, stellt ebenso wie span, centésimo (woher entsprechend Centésimo) eine maskuline Substantivierung derselben Kardinalzahl dar, die im Gegensatz zur Analogiebildung frz. centime (s. Centime) lat. centesimus »der hundertste* fortführt. Es handelt sich um früher in Italien und in anderen Ländern bzw. noch immer in Chile und Uruguay gebrauchte Bezeichnungen für den hundertsten Teil der jeweiligen Landeswährung. Centime: Die heute in der französischsprachigen Schweiz und in anderen Ländern (ursprünglich und bis zum 1. Januar 2002 auch in Frankreich) gebrauchte Untereinheit des Frankens (s. aber Rappen unter Rabe) bzw. der jeweiligen sonstigen Währungseinheit stammt aus frz. centime »ein Hundertstel des Franc*. An cent »hundert* (s. Cent) anknüpfend und dem Muster von dècime »ein Zehntel des Franc* (s. Dezime unter Decima) folgend, wurde das Wort 1795 in Frankreich geprägt. Ihm nachgebildet ist span, céntimo, das in Costa Rica, Paraguay, Venezuela (früher auch in Spanien) als Untereinheit der Landeswährung üblich ist und im Deutschen als Exotismus Céntimo verzeichnet wird.

Cessio »Abtretung*: Rechtswissenschaftlicher Fachausdruck, der laut Duden-Fremdwörterbuch auch attribuiert auftritt in Fügungen wie Cessio legis »Abtretung kraft Gesetzes* (s. Lex), in iure cessio »Form der Übertragung eines Herrschaftsrechts durch eine prozessähnliche Handlung im römischen Recht* (eigtl. »Abtretung vor Gericht*, s. in, Jus). Er beruht auf gleichbed. lat. cessio, Gen. cessionis (Verbalabstraktum zu cedere, Part. Perf. cessus »weichen; überlassen, abtreten; einräumen*, vgl. daraus dt. zedieren »eine Forderung an einen Dritten abtreten*). Aus dessen Stamm der obliquen Kasus ist der sinnverwandte FachausdruckZession »Übertragung eines

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Anspruchs von dem bisherigen Gläubiger auf einen Drittem eingedeutscht worden.

ceterum in Ceterum censeo >hartnäckig wiederholte Forderung*: Diese Fügung (wörtl. >übrigens meine ich*, zu censere »einschätzen, der Ansicht sein*, vgl. Zensus) ist eine Substantivierung des Anfangs des Cato zugeschriebenen, aber nicht belegten Schlusssatzes jeder seiner Reden im Römischen Senat Ceterum censeo Carthaginem esse delendam »Im übrigen meine ich, dass Karthago zerstört werden muss* (im Hinblick auf Roms Handelskonkurrenten Karthago soll Cato nach Plutarchs Bericht jede Senatsrede eigentlich mit dem Ausspruch Carthago delenda est >Karthago muss zerstört werden* beendet haben). Lat. ceterum »übrigens, sonst* ist das adverbial gebrauchte gleich lautende Neutrum von ceterus m., cetera f. >der/die übrige, andere*, dessen Nominativ und Ablativ Plural jeweils in der im Mittelalter üblich gewordenen juristischen Formel etcetera (abgekürzt etc.) >und so weiter* (eigtl. >und die übrigen [Dinge]*, in Zeiten der Prüderie als Euphemismus für Wörter verwendet, die nicht ausgesprochen oder geschrieben werden sollten; s. et) und im methodologischen Fachausdruck der Wirtschaftstheorie ceteris paribus »unter (sonst) gleichen Umständen* (s. Paar) vertreten sind. Der Ablativ Singular tritt auf in bildungsspr. de cetero »übrigens* (wörtl. »vom Übrigen*, s. de1). chamois »gemsfarben, gelbbräunlich*: Wie die Substantivierung Chamois »besonders weiches, mit Öl oder Tran gegerbtes Gemsen-, Schafleder; chamois Farbe* (danach auch das in der Fotografie gebrauchte gelbbräunliche Kopierpapier Chamoispapier) entlehnt im 20. Jh. aus frz. chamois »Gemse; weiches Gemsenleder; gelbbräunlich*, das spätlat. camox, die nicht indogermanische Bezeichnung einer Gemsenart fortsetzt. Auf dieselbe Quelle zurückzuführen versucht man das etymologisch umstrittene Adjektiv sämisch »fettgegerbt* (besonders in der Zusammenrückung Sämischleder »geschmeidiges Leder*), dem auch türkische und slawische Herkunft zugeschrieben wird. Auf Leder bezogen, ließe sich allerdings mhd. semisch/scemisch »fettgar* als Suffixersatz aufweisende Übernahme des seit dem 12. Jh. bezeugten afrz. camois nur betrachten, wenn man annimmt, dass afrz. c vor a bereits palatalisiert und über [tf] nunmehr [J] lautete (vgl. den Lautwandel spätlat. cadencia zu afrz. cheance, s. Chance), so dass es durch das im Mittelhochdeutschen die Qualität eines Zischlauts habende 5 substituiert werden konnte.

Chance »günstige Gelegenheit*: Das im 19. Jh. aus frz. chance »Glücksfall, Aussicht* übernommene Wort geht über afrz. cheance auf spätlat. cadentia »Fallen, Fall* (Verbalabstraktum zu cadere »fallen*, s. Kasus)

Chartreuse zurück, aus dessen Verwendung im Sinne von »glücklicher Fall der Würfel beim Glücksspiel* sich die allgemeinere »Glücksfall* entwickelte. Afrz. cheance war seinerseits die Quelle von mhd. schanze/schanz »Fall (der Würfel), (Einsatz bei einem) Würfelspiel, Glücks-, Wechselfall*, das erhalten geblieben ist als Femininum Schanze nur noch in der Wendung (sein Leben) in die Schanze schlagen »sein Leben riskieren, alles aufs Spiel setzen* sowie als maskulines Grundwort in Mummenschanz »Lustbarkeit vermummter Personen, Maskenfest* (nach dem Duden-Herkunftswörterbuch zunächst Bezeichnung für ein Glücksspiel mit Würfeln, das vorwiegend von vermummten Personen zur Fastnachtszeit gespielt wurde, und dann erst für das närrische Treiben vermummter Personen). Auf demselben, von manchen Autoren als Nominativ Plural Neutrum des Partizips Präsens von cadere interpretierte Verbalabstraktum beruht auch der musikalische Terminus ital. cadenza, aus dem seit dem 16. Jh. bezeugtes Kadenz »Schluss eines Musikstückes, eines Verses; unbegleitetes Improvisieren des Solisten im Konzert; Schlussfall der Stimme* stammt.

Chaos »völliges Durcheinander, Verwirrung*: Im 16. Jh. aus der Vulgata im Sinne von »klaffende Leere* übernommen und später an die eigentlichen Vorstellungen der griechischen Kosmogonie »gähnender Abgrund; leerer Raum; ungeordnete Masse der Welt, wüstes Durcheinander* angelehnt, mit denen griech. chaos jeweils von Hesiod, Aristoteles und Plato gebraucht wurde. Nachdem Paracelsus im 16. Jh. das Fremdwort für den luftförmigen, subtilen Dampf verwendet hatte, führte Mitte des 17. Jh. der von ihm stark beeinflusste Brüsseler Arzt und Chemiker van Helmont den Begriff gas als Bezeichnung für den durch Kälte entstandenen Wasserdunst ein, die danach auf jede andere Gas- und Luftart ausgedehnt wurde. Im Gegensatz zur Annahme, dies sei eine »»Urschöpfung«, wird vermutet, dass van Helmont dabei - angesichts der gleichen Aussprache von niederl. g- und ch- im Anlaut - von chaos ausgegangen ist, den neuen Begriff aber möglicherweise nach dem Gegenwort blas »durch Wärme entstandener Dampf* umformte. Im 18. Jh. wurde er zu dt. Gas »unsichtbarer Stoff in einem der Luft ähnlichen Aggregatzustand* entlehnt, das man - sofern es als bloße Umgestaltung von griech. chaos angesehen wird mit diesem identifizieren und als etymologische Dublette von Chaos interpretieren könnte. Chartreuse1 m. »Kräuterliköre Morphosemantische Dublette des Namens dieses zuerst von Kartäusermönchen hergestellten Likörs ist Chartreuse2 f. »Gericht aus Gemüse oder Teigwaren und Fleisch, das nach der Zubereitung gestürzt wird*. Sie sind nach dem 1084 vom hl. Bruno von Köln im Felsental

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Charts La Chartreuse bei Grenoble gegründeten Kloster Grande Chartreuse benannt, das einerseits zu Cartusia latinisiert und andererseits zum französischen Gattungsnamen chartreuse »Kloster« umgewandelt wurde. Darauf geht spätmhd. chartusey/karthüse zurück, das als Bezeichnung für ein manchmal aus Einzelhäusern bestehendes Kloster der Kartäuser nach der frühneuhochdeutschen Diphthongierung Kartause lautet. Charts Plur. >Liste mit Spitzenschlagern, Hitliste«: Pluralform von engl. chart >TabelleUrkunde, Satzung« zurück auf lat. charta >Papier(blatt), Schriftstück«, mlat. auch >Urkunde< (< griech. chärtes >Papyrusblatt«, vermutlich ägyptischen Ursprungs). Direkte Entlehnung aus diesem ist Charta >(Verfassungs)urkunde< (vgl. Magna Charta libertatum >Große Urkunde der Freiheiten«, s. Magnus, Libertas), welches Charte praktisch zurückgedrängt hat. Etymologische Dublette von frz. charte ist die seit Ende des 14. Jh. bezeugte jüngere Entlehnung carte >steifes Papierblatt, Spielkarte«, aus dem mhd. karte resp. nhd. Karte übernommen wurde und das in den Fügungen à la carte mach der Speisekarte« (s. ad), Carte blanche »unbeschränkte Vollmacht« (eigtl. >weiße Karte«, s. Blanc) vorliegt. Im 15. Jh. gelangte auch dieser Gallizismus ins Englische: card »Karte« (mit ungeklärtem d-Auslaut), enthalten z.B. in dem aus dem Tennis stammenden Fachausdruck Wz/dcard (s. wild), im behördlichen Greencard (s. grün) sowie in den Neuprägungen Bahncard, SparCard. Die weit verbreitete Annahme, auf lat. charta beruhe auch ahd. charza/ kerza >Docht, Werg, Licht« > mhd. kerze/kirze > nhd. Kerze, wird heute stark angezweifelt zum Teil zugunsten einer Entlehnung von lat. (candela) cerata »Wachslicht«.

Checklist »Kontrollliste, mit deren Hilfe die Funktionsfähigkeit komplizierter Apparate überprüft oder das Vorhandensein notwendiger Ausrüstungsgegenstände festgestellt wird«: Der Grund, dass dieses aus check »Kontrolle« (s. Schach) und list »Liste, Verzeichnis« (s. Leiste) bestehende Kompositum englischer Abstammung an einem Dublettenpaar teilnimmt, ist sein Auftreten im Deutschen neben eingedeutschtem Checkliste, das zwar mit Checklist gleichbedeutend ist, aber außerdem im Sinne von »Liste der eingecheckten Flugpassagiere« gebraucht wird. Chemie: Der sich nach 1800 durchgesetzte Name der modernen Lehre von den Stoffen und deren Verbindungen lautete im 17./18. Jh. Chymia/Chymie/ Chimie (1670 von Ph. von Zesen mit Scheidekunst

verdeutscht) und ist durch Deglutination des Anlauts von AlchimielAlchemie entstanden. Diese seit dem 13. Jh. auch im Deutschen (spätmhd. alchemie) bezeugte Bezeichnung der vermeintlichen mittelalterlichen Goldmacherkunst geht über mlat. alchimia, afrz. alquemie und aspan. alquimia auf gleichbed. arab. al-kimiya (nach E. Seebold auch »Stein der Weisen«) zurück, das den bestimmten Artikel alenthält und für Entlehnung von griech. chynieia/ chemeia »Kunst der Metallverwandlung, der Legierung« gehalten wird. Möglicherweise ist die Deglutination eine Art Wiederherstellung der griechischen Urquelle, dessen Ursprung übrigens umstritten ist: Vermutet wird Verbindung mit dem koptischen Namen Ägyptens Khmi (eigtl. »das Schwarze«, d.h. »Schwarzland«), also »ägyptische Kunst der Metallverwandlung«, vermischt mit griech. chein »schütten, gießen«. Chimäre1 »Organismus oder einzelner Trieb, der aus genetisch verschiedenen Zellen aufgebaut ist; Lebewesen, dessen Körper Zellen mit abweichender Chromosomenstruktur besitzt«: Der biologischmedizinische Fachausdruck geht über lat. chimaera auf griech. chimaira »Ziege« zurück. Das nach diesem in der griechischen Mythologie benannte feuerspeiende Ungeheuer (vorn Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drache) ist seit dem 15. Jh. im Deutschen in der Lautung Chimära/Chimäre 2 bezeugt. Als Gattungsname gelangte das griechisch-lateinische Wort zum Teil durch Vermittlung von frz. chimère ins Deutsche: Schimäre/Chimäre 3 »Trugbild, Hirngespinst« (semantische Entwicklung nach E. Seebold durch Vergleiche wie »das ist — so unwirklich — wie eine Schimäre«). China: Der Name des ostasiatischen Staates erscheint in englischer und französischer Aussprache etwa in Bone China »Knochenasche enthaltendes Porzellan« (aus gleichbed. engl. bone china, wo auf China »China« zurückgehendes china »Porzellan, Porzellanware« bedeutet, s. Bein) und Chinatown (s. Zaun) bzw. in Crèpe de Chine »feinnarbiges Gewebe aus Natur- oder Kunstseide« (eigtl. »Krepp aus China«, vgl. Crèpe1, de1). Von der alten, um 1700 im Deutschen üblichen Form des Ländernamens Sina (vgl. auch griech. Sinai, spätlat. Sina, frz. Sine) zeugen die gebundene Dublette in der norddeutschen Bezeichnung für die einst aus Südchina eingeführte Zitrusfrucht Apfelsine (verhochdeutscht aus niederd. Appelsina/Apel de Sina für niederl. appelsien bzw. frz. pomme de Sine, also wörtl. »Apfel aus China«) und die Vorderglieder der Fachausdrücke Sinanthropus »in China gefundener Frühmensch« (eigtl. »Chinamensch«, Grundwort griech. dnthropos »Mensch«), Sinologie »Lehre von der chinesischen Sprache und Kultur« (über das Grundwort s. Logo). Der Länder-

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name soll nach U. Hermann angeblich auf das chinesische Herrschergeschlecht der Chi’n (221-206 v. Chr.) zurückgehen, welches zum ersten Mal einen einheitlichen chinesischen Staat schuf. Chlodwig: Der Name des Begründers des Frankenreichs zwischen Rhein und Garonne und ersten katholischen Frankenkönigs Chlodwig I. (466-511), afränk. Chlodovech, ist eine Zusammensetzung aus ahd. hlüt »laut* (als erstes Glied von Namen >berühmtKampf, Krieg< (daher gelegentlich gedeutet als >berühmt im Kampf, der berühmte Kriegen, vgl. Weigand). Spuren des ursprünglichen gutturalen Spiranten im Anlaut halten sich ausnahmsweise sowohl in Chlodwig (mit Schreibvarianten Clodwig/Klodwig) als auch in dessen Entsprechungen ital. Clodoveo, frz., engl. Clovis. Nachdem im 9. Jh. die althochdeutsche Lautverbindung hlgrundsätzlich zu l- vereinfacht worden war, entstand die heutige Lautgestalt desselben männlichen Vornamens, nämlich Ludwig, der dann in verschiedene europäische Sprachen drang, vgl. latinisiert Ludovicus, ital. Ludovico, frz. Ludovic, niederl. Lodewik und ganz besonders die weitaus üblicheren kontrahierten Formen niederl. Lowik, frz. Louis, engl. Lewis, span. Luis/Luiz, ital. Luigi, ungar. Lajos. Die umgangssprachliche Bedeutung leichtsinniger Mensch, Windhund; Zuhälter* der als Gattungsname zurückentlehnten französischen Form Louis, die außerdem an der Bezeichnung verschiedener Kunststile wie Louis-quatorze >Barockstil zur Zeit Ludwigs XIV.< beteiligt ist und auch in Louisdor >unter Ludwig XIII. geprägte französische Goldmünze* (< frz. louis d’or ►goldener Ludwig*, s. de1, Aurum) auftritt, ist treffend auf Lude (s. d.), eine Kopfisolierung aus Ludwig, ausgedehnt worden.

Christ chordé zurückgeht. Dies gehört zur indogermanischen Sippe von germ. *garna- »Garn*, weshalb ►aus getrockneten Därmen gedrehte Schnur* als Ausgangsbedeutung von dt. Garn angesetzt wird. Auf lat. chorda/corda beruht einerseits ital. corda ►Schnur, Saite* (vgl. die Beteiligung von dessen Pluralform corde am musikalischen Fachausdruck tutte le corde ►alle Saiten*, s. tutti), andererseits frz. corde >Schnur, Leine*. Dies ist die Quelle des Exotismus Corde ►altes französisches Volumenmaß für Brennholz (3,84 m3)< neben veraltetem Korde ►schnurartiger Besatz* und von engl. cord >Schnur, Zwirn, geripptes Gewebe*, das in seiner letzten Bedeutung dt. Cord/Kord zugrunde liegt. S. auch Kordel, Kordon.

Chorus >im Jazz mehrfach wiederholtes und improvisiertes, aber in der Harmonie festliegendes Thema*: In dieser Bedeutung entlehnt aus engl. chorus, das wie veraltet dt. Chorus ►Sängerschar* über lat. chorus (vgl. dessen Genitiv in Regens Chori, d.h. Chorregent ►Leiter eines katholischen Kirchenchors*, s. Regens) auf griech. chords ►Reigen; Tanzplatz; tanzende Schar* zurückgeht. Die einstige Semantik von dt. Chorus hält sich in der deglutinierten Form Chor, die daneben aus dem Mittellateinischen übernommene Bedeutungen wie >Chorgesang; Kirchenraum mit (Haupt)altar u.a.< aufweist. Über rum. horä und nhebr. hörä ergab das griechische Wort die Exotismen Hora1 ►rumänischer Volkstanz; ländliche Tanzveranstaltung mit rumänischen Volkstänzen* und Horra/Hora >Jüdischer Volkstanz* Über Hora2 s. Uhr.

Cholera: Der Krankheitsname griech. choléra ►Gallenbrechdurchfall* (zu cholé >Galleausbrechende oder stille Wut* ergeben, worauf ugs. Koller1 ►(krankhafter) Wutanfall* beruht (über das Homonym s. Koller2).

Chrisam/Chrisma ►Salböle Das seit althochdeutscher Zeit bezeugte Wort (ahd. chrismo ►Salbung, Ölung*) wurde durch kirchenlateinische Vermittlung aus griech. chrisma ►Salböl* (zu chriein ►einreiben, salben*, vgl. Christus) entlehnt. Die griechisch-lateinische Vorlage ergab über afrz. cresme/craime einerseits gleichbed. frz. chrerne, andererseits - durch Vermischung mit gall, crama ►Sahne* - homophones crème ►Sahne(speise), Salbe; gelblich*, worauf engl. cream ►Sahne; Creme* und dt. Creme/Krem ►Süßspeise; Salbe* bzw. creme ►mattgelb* beruhen, vgl. ferner das Kompositum Eiscreme/Eiskrem ►Speise-, Sahneeis* (s. Eis) und die Fügung Crème fraiche ►saure Sahne mit hohem Fettgehalt* (eigtl. ►frische Sahne*, s. frisch). Die englische Form liegt vor in Co/dcream >kühlend wirkende Hautcreme* (s. kalt), Icecream »Eiskrem, Fruchteis* (s. Eiscreme).

Chorda/Chorde: Im Sinne von ►knorpelähnlicher Achsenstab als Vorstufe der Wirbelsäule bei Schädellosen, Mantel- und Wirbeltieren* stehen die beiden Varianten (Chorda allein bedeutet auch ►Sehnen-, Knorpel-, Nervenstrang*) für die lateinische Wortfügung chorda dorsalis (eigtl. >Rückensaitetragend, bringend< (s. Phosphor) gebildet ist und demnach wörtlich >Christusträger, Christus tragend< bedeutet. Im Mittelalter fand der Name durch die Verehrung des heiligen Christophorus als einer der vierzehn Nothelfer Verbreitung. Im Spanischen wurde sein Auslaut ähnlichen Umwandlungen unterworfen wie die bei Luzibel für Luzifer (s. Lux) und lautet Cristobal, vgl. den spanischen Namen des Entdeckers Amerikas Cristobal Colon (s. Coulomb). Christus: Der latinisierte Beiname des Urhebers und der zentralen Gestalt des Christentums Jesus Christus (s. Joschua, vgl. Christ) entstammt griech. Christós, dem substantivierten Partizip Perfekt von chriein >einreiben, salben* (s. Chrisam), und bedeutet dementsprechend »der Gesalbte< (Lehnübersetzung von hebr. mästah, der Quelle von dt. Messias). Seine lateinische Dativ- und Ablativform (vgl. nach/vor Christo) tritt zugleich als Kompositionsform auf, etwa im männlichen Vornamen Christop/iorus (wörtl. >ChristusträgerChristus, erbarme dich!*. Abgesehen von veralteten Wendungen wie Christ ist erstanden oder der Heilige Christ >WeihnachtenWeihnachtsgottesdienst< (vgl. Missa, Matutin), Christbaum >Weihnachtsbaumdie Zeit betreffend, zeitlich (lang)* (zu chrónos »Zeit; Zeitdauer, Zeitverlauf*), dessen aus der Fügung chronikà bibita »Geschichtsbücher* (s. Bibel) herausgelöstes Neutrum Plural über lat. chronica Plur. in dt. Chronik »Aufzeichnung geschichtlicher Ereignisse nach ihrer Zeitfolge; in der ersten Hälfte des 4. Jh. entstandenes, später in zwei Bücher geteiltes Geschichtswerk des Alten Testaments (dafür auch Chronika Plur.)* singularisiert auftritt. Der französische Reflex des griechisch-lateinischen Nomens liegt vor in bildungsspr. Chronique scandaleuse Sammlung von Skandal- und Klatschgeschichten einer Epoche oder eines bestimmten Milieus*. Im eigentlichen Sinn kehrt das Adjektiv in dem durch F. de Saussure Anfang des 20. Jh. geprägten sprachwissenschaftlichen Terminus frz. diachronique »entwicklungsgeschichtlich* wieder, den man im Deutschen auch deglutiniert diachron neben diachronisch verwendet.

Cicero1 f. »Schriftgrad von 12 Punkt (ungefähr 4,5 mm Schrifthöhe)*: Kopfisolierung aus Ciceroschrift unter Beibehaltung des femininen Geschlechts und somit als Eponym (s. d.) morphosemantische Dublette des Kognomens von Marcus Tullius Cicero2 (106-43 v. Chr.; der Beiname wohl zu lat. cicer »Kichererbse*), dem bedeutendsten römischen Redner und Schriftsteller. Die Entstehung des Buchdruckerterminus wird dadurch begründet, dass dieser Schriftgrad erstmalig 1467 bei dem Druck von Ciceros Briefen verwendet worden sei. Wegen der außerordentlichen Beredsamkeit der Fremdenführer in Rom wurde Ciceros Name (ursprünglich den ausgebildeten Altertumskennern vorbehalten) in seiner italienischen, aus dem lateinischen Akkustaiv Ciceronem hervorgegangenen Lautung scherzhaft auf sie übertragen, worauf auch dt. Cicerone »Fremdenführer* beruht.

City »Geschäftsviertel einer Großstadt; Innenstadt, Stadtzentrum*: Im 19. Jh., zunächst in Bezug auf Londons Geschäftsviertel übernommen aus engl. city »Alt-, Hauptstadt*, urspr. »Stadt mit Bischofssitz bzw. Parlamentsvertretung* (die Bedeutung »Stadtzentrum* im Deutschen eigentlich nach gleichbed. city center, vgl. Zentrum), das über afrz. cité (älter ciutat/citet) auf lat. civitatem, Akk. von civitas »Bürgerschaft, Gemeinde, Stadt, Staat* (zu civis »Bürger, besonders Bürger Roms*) zurückgeht. Der Nominativ des Latinismus liegt vor in der Fügung Civitas Dei (wörtl. »Gottesstaat*, s. Ziu), einem geschichtsphilosophischen Begriff des Augustinus, durch den der Staat Gottes dem Staat des Teufels gegenübergestellt wird. Die spanische Fortsetzung von civitatem lautet ciudad »Stadt* und tritt auf im Exotismus Ciudad als

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Bezeichnung für eine spanische oder lateinamerikanische Stadt mit allen Vorrechten und Sitz von Gerichten. Wie der italienische Kognat città >Stadt< fungiert es vielfach als Bestandteil von Ortsnamen, z.B. Ciudad Real (Hauptstadt der gleichnamigen mittelspanischen Provinz, etwa >die königliche StadtAltstadtHelldunkelmalereidunkel< (s. obskur) besteht und demnach so viel wie >Helldunkel< bedeutet. Somit ist das im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Chiaroscuro >Helldunkelmalerei< eine Struktur- und bedeutungsgleiche, seltener gebrauchte Dublette von Clairobscur. Clavis »Orgeltaste; Notenschlüssel: Im heutigen Bedeutungsumfang dieses Fremdwortes (früher auch Bezeichnung für ein lexikographisches Werk zur Erklärung antiker Schriften oder der Bibel) spiegelt sich die mittellateinische semantische Nuancierung »Schlüssel; Taste< von lat. clavis »Schlüssel, Riegel«. Dessen Kompositionsform ist Bestimmungswort in KlavizimM (s. d.) sowie in Clavicembalo, Clavecin, den romanischen Abwandlungen dieses Latinismus. Der lexikalisierte Plural des spanischen Fortsetzers clave »Schlüssel; Klavichord< liegt dem Exotismus engl. claves und dt. Claves zugrunde als Bezeichnung für ein Rhythmusinstrument lateinamerikanischen Ursprungs, das aus zwei gegeneinander zu schlagenden Hartholzstäbchen besteht. Clou »Höhe-, Glanzpunkt; Zugstück, Knüller«: Anfang des 20. Jh. übernommen aus gleichbed. frz. clou, eigtl. »Nagel< (semantisch vergleichbar Schlager als Ableitung von schlagen), das lat. clavus »Nagel, Pflock« fortsetzt. Im Deutschen wird Klavus/Clavus als Historismus im Sinne von »Purpur- oder Goldstreifen am Gewand altrömischer Würdenträger« verzeichnet, es ist aber außerdem die medizinische Bezeichnung sowohl für das Hühnerauge als auch für eine umschriebene Hornzellenwucherung der Haut.

Codex/Kodex »Handschrift; Gesetzbuch; ungeschriebene Regeln des Verhaltens«: Die nichteingedeutschte Variante, die meist in Namen alter Hand-

Colonia schriften wie Codex argenteus, der gotischen Bibelhandschrift in silberverziertem Einband, üblich ist, spiegelt lat. codex »Schreibtafel (aus gespaltenem Holz); (Gesetz)buch; Verzeichnis; Handschrift« (zu cudere »schlagen, verfertigen«) wider. Dieses ergab frz. und engl. code, aus dem dt. Code/Kode »Zeichensystem als Grundlage für Kommunikation, Nach-

> Schlüssel zu Geheimschriften, Telegrafenschlüssel« stammt, wobei die erste Variante als fachsprachlich güt.

Cognac1: Name einer französischen Stadt an der Charente, wonach der dort erzeugte Weinbrand frz. cognac genannt worden ist. Dafür hat sich im Deutschen das Maskulinum Cognac2 mit vorverlegter Betonung durchgesetzt. In der Schreibung Kognak war dieses umgangssprachlich für schon im 19. Jh. bei der Firma Asbach verwendetes Weinbrand (s. gebrannt) geläufig, das seit 1921 als Ersatzwort für das geschützte Warenzeichen Cognac amtlich in Gebrauch gesetzt wurde, nachdem man gemäß § 275 des Versailler Vertrages den Namen Cognac für deutschen Weinbrand verboten hatte. Adjektivisch fungiert das französische Wort als Farbbezeichnung: cognac (attributiv: cognacfarben) »goldbraun«. Ferner ist im Rahmen der geologischen Systeme eine Stufe der Oberen Kreide, namentlich Coniac, nach dem Ort Cognac benannt.

Colonia: Der in der Antike eine Siedlung außerhalb Roms und des römischen Bürgergebietes bezeichnende Historismus gibt lat. colonia (urspr. »Bauernsiedlung, Ansiedlung«, zu colonus »Bauer, Siedler«, s. Colono) wieder. Das Appellativ erscheint seit dem Jahr 50 im Ortsnamen Colonia Claudia Ara Agrippinensium, dem Geburtsort von Agrippina (Tochter des Germanicus, Gattin des Kaisers Claudius und Mutter Neros), nachdem sie ihn eben zu colonia erhoben und man ihr zu Ehren und aus Anlass der Umwandlung des früheren Zentralheiligtums Ara Ubiorim, d. h. des Altars der Ubier nunmehr in Altar der Agrippinenser so genannt hatte. Der lange Name wurde im 4. Jh. zu Colonia Agrippina und nach 450 zu Colonia gekürzt. Daraus entwickelten sich der eingedeutschte Stadtname Köln (mhd. Kölne, mitteld. Collen, im heutigen Kölsch Kölle etwa im Karnevalsruf Kölle alaafl, s. ab1, vgl. kölnisch), Neukölln als Stadtteil von Berlin (um 1200 Berlin-Cölln), der niederländische Keulen, älter Ceulen z.B. im Familiennamen des deutsch-niederländischen Mathematikers Ludolph van Ceulen (1540-1610), der die nach ihm benannte Ludolfsche Zahl/Ludolf-Zahl oder Kreiszahl auf 36 Stellen berechnete (zu seinem Vornamen s. Leute, Wolf sowie van), und der französische Cologne, enthalten im zuerst in Köln hergestellten Eau de Cologne »Kölnischwasser« (s. Aqua, de1).

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Colono Die von Köln übernommenen Mülltonnen heißen heute noch in Wien Kolonlakübel/Coloniakübel, wozu auch Kolonia-ZColoniaraum >Platz im Hauseingang für ihre Unterbringung< bzw. Kolonia-ZColoniawagen >Wagen der städtischen Müllabfuhr*. Auf lat. colonia geht ferner das im 16. Jh. möglicherweise unter Einfluss von frz. colonie als Bezeichnung für die überseeischen Kolonien Spaniens und Portugals entlehnte Fremdwort Kolonie zurück.

Colono >Arbeiter auf südamerikanischen Kaffeeplantagen*: Der Bezeichnungsexotismus spiegelt span. colono (eigtl. »Ansiedler, Pächter*) wider, das auf lat. colonus >Bauer, Bebauer, Siedler* (zu colere >bebauen, pflegen*) beruht. Daraus stammt andererseits der Historismus Kolone »persönlich freier, aber (erblich) an seinen Landbesitz gebundener Pächter in der römischen Kaiserzeit; Erbzinsbauer*. Auf dieselbe Quelle versucht man, über frz. colon auch engl. clown (urspr. >BauerSpaßmacher im Zirkus* ergab. Im Gegensatz zu dieser Deutung wird allerdings besonders im Rahmen der Anglistik Herleitung aus skand. (isl.) klunni, fries, klönne >klotzige Person* erwogen. Color: In der Musikgeschichte bezeichnet das Fremdwort die Ausschmückung einer Melodie in der mittelalterlichen Musik. Es beruht auf lat. color >Farbe; Schmuck* (s. Colorado), vgl. dessen Kompositionsform etwa in Kolorimeter »Gerät zur Bestimmung von Farbtönen* (s. Metrum). Über frz. couleur »Farbe* ergab der Latinismus die Dublette Couleur »bestimmte geistig-weltanschauliche Prägung einer Person; Trumpf im Kartenspiel; Band und Mütze einer studentischen Verbindung*. Der Gallizismus Trikolore »dreifarbige Fahne* stellt seinerseits eine Ellipse aus der gleichbedeutenden Fügung frz. (drapeau) tricolore dar, in der das substantivierte Attribut auf der spätlateinischen suffixlosen Zusammenbildung tricolor »dreifarbig* (vgl. drei) basiert. Colorado: Der Bundesstaat der USA ist nach dem in ihm entspringenden großen Fluss Colorado River (vgl. Revier) benannt. Dies ist eine teilweise Lehnübersetzung von span. Rio colorado (eigtl. »rötlich gefärbter Fluss*), in dem das Attribut colorado für lat. coloratus, das Maskulinum des Partizips Perfekt coloratum n. von colorare »färben; ausschmücken* (zu color »Farbe*, s. Color) steht. Sein Femininum ist Bestandteil des medizinischen Fachausdrucks Auditio colorata bzw. von dessen französischer Abwandlung Audition colorée (s. Audition1). Das lateinische Verb ist wohl über gleichbed. ital. colorare/colorire zu kolorieren »mit Farben ausmalen* entlehnt, so dass den obigen Dubletten im Deutschen morphologisch koloriert entspricht.

Comes »Beantwortung des Fugenthemas*: Der musikalische Fachausdruck beruht auf lat. comes, Akk. comitem »Begleiter* (gebildet aus ire »gehen* mit dem Präfix com- »mit-*, s. con), das im Altertum Titel hoher Beamter im kaiserlichen Dienst war, im Mittelalter die Gefolgsleute und Vertreter des Königs in Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten bezeichnete und so viel wie »Graf* bedeutete, z.B. Comes palatinus »Pflazgraf* (s. Palatin), Comes Terrae »Landgraf* (vgl. dürr). Daher die romanischen Exotismen Comte und Conte, dem Grafen entsprechende Adelstitel jeweils in Frankreich und Italien, bzw. Count, englische Bezeichnung für einen nichtbritischen Grafen (zum Unterschied vom britischen Earl). Mlat. vicecomes (s. Vize) lieferte seinerseits über mfranz. vicomte/visconte den zwischen Graf und Baron rangierenden französischen Adelstitel Vicomte und die ihm entsprechenden ital. Visconte bzw. engl. Viscount. Über entsprechende Movierungen s. Komtess.

con in con effetto, con fuoco (s. Effekt, Fokus) und öfter: Italienische Fortsetzung der lateinischen Präposition cum »mit* (etwa in cum modo »mit Maß*, s. Kommode), entstanden aus alat. com, das als Präfix com-, vor Vokalen und h co- und mit Assimilation col-, con-, cor- an zahlreichen Präfigierungen teilnimmt, vgl. folgende unter den im Lexikon lemmatisierten Bildungen Kohorte, Kopula, Comes, Kommandeur, Kommerz, komplett. Komposite, Kol/ega, kollektiv, Korrektor, Kondition, Konferenz, konfluent, konkret, Konkurs, konsequent, Konzert, Kostüm. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, an die prinzipiell aufgegebene Auffassung zu erinnern, dass lat. cum mit der germanischen Präposition *ga »mit* urverwandt sein könnte, die über ein Präfix *ga- in nhd. Ge-/ge- fortlebt. Nur noch W. Pfeifer kommentiert unter dem Lemma ge-, dass ein als Adverb, Präfix und Präposition fungierendes idg. *kom »neben, bei, mit* (die Vorlage von oben besprochenem lat. cum/ com-) germ. *ham ergeben müsste, so dass »»germ. *ga- lautlich nicht hierher zu gehören scheint; es sei denn, man führt germ, g- im unbetonten Präfix über X auf idg. k- zurück und nimmt Nasalschwund an«. Diesen Umstand hat schon O. Behaghel in einer kurzen Bemerkung im Anschluss an seinen Beitrag »»Die neuhochdeutschen Zwillingswörter** (Germania 23/1878, S. 292) erwogen. Vom Standpunkt des von französischen Linguisten aufgestellten Prinzips der sog. »»phonétique syntactique« ergebe sich nach seiner Meinung, dass der Anlaut des Adverbs bi »bei* einmal unter dem Einfluss des Vernerschen Gesetzes gestanden habe, so dass wir somit die Möglichkeit erhalten, germ, bi mit sanskr. pi zu vermitteln, und dass sich nunmehr in ähnlicher Weise »germ. ga mit lat. co in Verbindung bringen« lasse. Die durchaus

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vertretbare lautliche Entwicklung des in unbetonter Stellung (en- und proklitisch) auftretenden idg. *co(m) > germ. *%a(m) > *ya(m) > *ga ist zugleich ein Argument dafür, lat. cum!co- usw. und dt. Ge-Ige- als genetische etymologische Dubletten zu betrachten. Ihre von W. Pfeifer hervorgehobene semantische Berührung äußert sich in spezifischer Weise bei lexikalischen Nachbildungen: Das Substantiv Gewissen gilt als Produkt des Versuchs, lat. conscientia »Bewusstsein; Gewissem (eigtl. »Mitwissen, Mitwisserschaft ) im Althochdeutschen durch giwizzani (Adjektivabstraktum zum Partizip Präteritum von wizzan >wissenBrotgenosse, Kamerad« offenbar germ. *gaylaiba, got. gahlaiba, ahd. gi(h)leibo >Genosse< (wörtl. »wer das Brot mit anderen gemeinsam hat«) nachbildet. Vgl. gleich. Coq: Das >Hahn< bedeutende Fremdwort begegnet in aus dem Französischen eingedrungenen Fügungen wie etwa Coq au Vin >Hähnchen in Weinsoße« (s. Wein), veraltet Coq du Village >Hahn im Korbe« (eigtl. »Dorfhahn«; über das Kollektivum village >Dorf< s. Villa). Frz. coq setzt gleichbed. spätlat. coccus >Hahn< fort, für das lautmalende, wohl den Hahnenschrei nachahmende Herkunft angenommen wird. Aus dem lateinischen Wort entlehntes aengl. coc festigte unter Einfluss von (m)frz. coq seinen Gebrauch und liegt engl. cock zugrunde, das im Deutschen gebunden erscheint in Cockpit >Pilotenraum, Sitzraum eines Sportboots oder Rennwagens«. Dieses ist eine Zusammensetzung aus cock und pit >Grube, Vertiefung für einen Hahnenkampf« (s. Pfütze), dann auch >hinterer Teil des Unterdecks eines Kriegsschiffes«, vgl. auch den Amerikanismus Cocktail »alkoholisches Mischgetränk« (wörtl. >Hahnenschwanz«, s. Zagei).

Coquille >Muschelschale; in einer Muschelschale angerichtetes Ragout«: Das aus dem Französischen stammende Fremdwort repräsentiert den zu einem Femininum singularisierten und von nicht verwandtem coque >Eier-, Fruchtschale« beeinflussten Plural conchylia von lat. conchylium >Schaltier, Auster; Purpurschnecke«, das über das mittelgriechische Diminutiv konchylion auf griech. kónchè »Muschel« (s. Koncha) zurückgeht. Eingedeutscht kehrt das französische Wort im Fachausdruck des Hüttenwesens Kokille »metallische, wiederholt verwendbare Gussform« wieder.

Corps/Korps »größerer Truppenverband; studentische Verbindung«: Die fremde Schreibung des im 17. Jh.

Coulomb aus frz. corps (d’armée) »Körper(schaft); (Heeres)abteilung« zuerst als Ausdruck im militärischen Bereich übernommenen Wortes erscheint heute in Fügungen wie Corps de Ballet »Ballettgruppe«, Corps diplomatique = diplomatisches Korps. Frz. corps beruht auf dem Nominativ des lateinischen Neutrums corpus, Gen. corporis »Leib, Rumpf; Körperschaft; Gesamtheit; Sammelwerk«, das als unmittelbare Entlehnung in Corpus n. »Hauptteil eines Organs oder Körperteils«, Corpus Juris »Gesetzbuch, -Sammlung« (s. Jus) und eingedeutscht in Korpus1 n. »Belegsammlung von Texten und Schriften; einer wissenschaftlichen (Sprach)analyse zugrunde liegendes Material; Klangkörper« vorliegt. Dazu stellen sich die Homonyme Korpus2 m. »Christusfigur am Kreuz; massives Teil an Möbeln« und Korpus3 f. »alter Schriftgrad« (feminin nach Schrift). Als Synonym zu mhd. lich(e) »Körper« (woraus zu »toter Körper« verengtes nhd. Leiche, s. d.) tritt seit dem 13. Jh. aus obliquen Kasus von lat. corpus entlehntes mhd. korper/körper auf, das in nhd. Körper fortlebt.

Costa »Rippe«: Im anatomischen Fachwort spiegelt sich ebenso wie in span, costa »Küste« etwa in Costa Rica/ Kostarika (eigtl. »reiche Küste«, s. reich) oder Costa Brava (eigtl. »wilde Küste«, s. Barbar) lat. costa »Rippe«, roman, auch »Rücken; Seite« wider. Span. costa ist allerdings kein regulärer Fortsetzer von lat. costa, sondern eine im Mittelalter aus den Küstenmundarten übernommene, übertragen gebrauchte Lautform (über die aus dem Altnordischen ausgehende Benennung lang gestreckter Klippenreihen und Sandbänke nach ihrer Ähnlichkeit mit einer Rippe s. Riffunter Rippe). Das gesetzmäßige Erbwort im Spanischen ist das diphthongierte cuesta »Bergabhang«, auf dem der geologische Fachbegriff Cuesta »aufgrund verschiedener Materialeigenschaften von Schichtgesteinen durch Abtragung entstandene Geländestufe« beruht. Auf den altfranzösischen Fortsetzer coste »Rippe; Abhang; Meeresküste« geht andererseits durch Vermittlung von niederl. kust(e) dt. Küste zurück, während die moderne französische Form cote »Küste; Rippe« (vgl. Kotelett) in Cote d’Azure (eigtl. »himmelblaue Küste«, s. Lasur, de1) und - teilweise eingedeutscht - in Entrecote »Rippenstück vom Rind« (eigtl. »Zwischenrippenstück«, s. unter2) enthalten ist. Afrz. coste liegt auch engl. coast »Küste« zugrunde, das in East-Coast-Jazz und WestCoast-Jazz (s. Ost, West) als Bezeichnungen für zwei besondere Stilrichtungen des Jazz an der Ost- und Westküste der USA in den 50er Jahren des 20. Jh. auftrtt. Coulomb: Die 1881 eingeführte Maßeinheit der elektrischen Ladung oder der Elektrizitätsmenge (Zeichen: C, gleich 1 Ampersekunde) ist nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736-1806)

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Crèpe benannt, dessen Familienname mit lat. columbus >Tauberich< identisch ist. Mit diesem stimmt auch der latinisierte Familienname des Genuesers Cristoforo Colombo überein: Christof Kolumbus (1451-1506). Die spanische Namensform des Entdeckers Amerikas Cristobal Colon (s. Christoph) verlieh man sowohl der Währungseinheit in Costa Rica und El Salvador als auch drei lateinamerikanischen Städten jeweils in Argentinien, Panama und auf Kuba. Crepe1 f. >sehr dünner Eierkuchenc Jüngere Übernahme von gleichbed. frz. crèpe1, der femininen Substantivierung eines bis ins 16. Jh. fungierenden Adjektivs afrz. cresp(e) »gekräuselt*, das lat. crispus m., crispa f. >kraus< fortsetzte. Als Benennungsmotiv wird gelegentlich die Tatsache erwähnt, dass sich die dünnen Eierkuchen leicht wellen. Aus der maskulinen Stoffbezeichnung crèpe2 stammt nhd. Krepp/ Crèpe2 m. (18. Jh. Crep, 16. Jh. Kresp über niederl. crespe) als Sammelbezeichnung für Gewebe mit welliger oder gekräuselter Oberfläche, z. B. Crèpe de Chine (eigtl. >Krepp aus Chinas s. China, de1). Crimen: Die im römischen Recht vorkommende Bezeichnung für das Verbrechen beruht auf lat. crimen, Gen. criminis »Beschuldigung, Anklage; Schuld, Verbrechen* (verwandt mit cernere, Part. Perf. cretum »scheiden; entscheiden*), enthalten auch im strafrechtlichen Grundsatz nullum crimen sine lege, der besagt, dass eine Tat nur bei bereits gesetzlich bestimmter Strafbarkeit bestraft werden kann (wörtl. »kein Verbrechen ohne Gesetz*, s. Null, vgl. Absence, Lex). Die Kompositionsform des Latinismus ist als Wortbildungselement mit der Bedeutung »Verbrechen und ihre Ursachen betreffend* Vorderglied etwa von Kriminologie »Wissenschaft vom Verbrechen* (über das Grundwort s. Logo). Über afrz. crimne ergab crimen frz. crime »Verbrechen*, das seinerseits im 14. Jh. gleichbed. engl. crime lieferte. Beide Wörter sind als Homographe auch im Deutschen belegt: einerseits der Gallizismus Crime1 »schwere, vor dem Schwurgericht verhandelte Straftat*, andererseits der Anglizismus Crime2 »Straftat im angloamerikanischen Strafrecht im Gegensatz zur Ordnungswidrigkeit; schwerster Rechtsverstoß im Völkerrecht*, vgl. auch die Fügungen Sex and Crime (s. Sex, und), White-Collar-Kriminalität (s. Koller2) sowie die Ableitung kriminell.

Crista »Leiste, Knochenkamm, kammartiger Teil eines Organs*: Im Duden-Fremdwörterbuch sind neben diesem medizinischen Fachausdruck zwei weitere Substantive aufgeführt, die auf dessen Quelle lat. crista »Kamm (bei Tieren); Helmbusch, Kopfaufsatz bei Elefanten* zurückgehen und sich somit als seine etymologischen Dubletten offenbaren: Über afrz. creste ist aus crista frz. créte »Hahnen-, Wellen-, Berg-

kamm* hervorgegangen, vertreten in Schweiz. Krete »Geländekamm, Grat*. Im 14. Jh. aus dem Altfranzösischen übernommenes engl. crest »Hahnenkamm; Haarschopf; Mähne; Helmbusch; Bergrücken* liegt seinerseits Crest als Bezeichnung für die Helmzier in der englischen Heraldik zugrunde.

crudus »ungereinigt, rohe Das laut Duden-Fremdwörterbuch in Bezug auf Chemikalien gebrauchte Eigenschaftswort beruht auf lat. crudus m., crudum n. »roh, unreif; frisch* (eigtl. »blutig*, zu cruor »Blut*, das mit germ. *hrawa »roh* und daher mit roh elementar verwandt ist). Dessen substantiviertes Neutrum liegt dem ebenfalls fachsprachlichen Crudum »Rohstoff für die Antimongewinnung* zugrunde, und deglutiniert bzw. von herkunftsgleichem engl. crude »roh, unverarbeitet; ungehobelt, grob* beeinflusst erscheint der Latinismus in krud/krude »roh (von Nahrungsmitteln); unverdaulich; roh, grausam*. Im Französischen lebt crudus im Erbwort cru »roh, ungekocht; derb, anstößig* und - mit dem Präfix é- (s. ex) verstärkt - auch in écru »roh, ungebleicht* fort, das entsprechend dt. ekrü/ecru »ungebleicht; weißlich, gelblich* lieferte. Cup »Pokal(wettbewerb)*: Das engl. cup wiedergebende Fremdwort setzt ebenso wie frz. coupe »Tasse, Pokal* (> Schweiz. Coupe »Eisbecher*) und span, copa »Becher, Kelch* (in Copa »altes spanisches Hohlmaß von 0,126 1 »rundlicher Gegenstand, äußerste Spitze* zurückzuführen versucht. Mit diesen identisch und somit herkunftsgleich zu sein scheint engl. cop »Garnwickel; Knäuel*, mda. »Bergspitze, -kämm*, das Grundwort in Pincop »auf dem Selfaktor bewickelte Schussspule in der Baumwollspinnerei* (s. Pinne) ist und dessen Plural cops im Fachwort der Spinnerei Kops m. »Kötzer, Spinnhülse mit aufgewundenem Garn, Garnkörper, Spule* singularisiert vorliegt. Lautgetreue Übernahmen von lat. cuppa stellen die graphisch unterschiedenen Dubletten kirchenspr. Cuppa »Schale eines (Abendmahls)kelches* und kunstwiss. Kuppa »die Schale eines Kelchs* dar. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung wurde cuppa zu ahd. köpf»Becher, Trinkschale* entlehnt, welches sich über die im Mittelhochdeutschen entwickelte bildlich übertragene Bedeutung »Hirnschale* zu nhd. Kopf etablierte (vgl. gleichbed. niederd. Kopp in der abwertenden Zusammensetzung Doo/kopp »beschränkter Mensch*, s. taub) und einheimisches Haupt (s. d.) verdrängte. Spätlat. cuppa gilt als eine Nebenform von lat. cüpa, mlat. cöpa »größeres Holzgefäß, Tonne*

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(vgl. Kuppel), das seinerseits ahd. kuofa und daher landsch. Kufe »Bottich, Bütte< sowie über das Niederdeutsche übernommenem Küpe »Färbebad, Lösung eines Küpenfarbstoffes< (urspr. und landsch. »der Kessel, in dem Farbe gekocht wirdAngelegenheit, mit der man sich erst später zu beschäftigen hat< (eigtl. >spätere Sorgeohne Sorge< (im Sinne von >ohne AmtssorgenPfründe ohne Amtsgeschäfte; müheloses, einträgliches Amt< (vgl. Absence) dar. Das lateinische Wort, das u.a. Quelle von frz. eure >Sorge, Pflege, Kur< ist, ergab im 16. Jh. dt. Kur >Heilbehandlungschneiden< die allgemeinere Bedeutung »Schneidender; Zuschneiden vertretend - sich im Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jh. zur Berufsbezeichnung für den Schnittmeister im Film- und Funkwesen und zur Bezeichnung einer Fleischschneidemaschine zur

Cyclops Wurstbereitung entwickelte. Älter (seit dem 18. Jh. bezeugt) und eingedeutscht ist Kutter, das als Schiffsbezeichnung engl. cutter im Sinne von >die Wellen durchschneidendes Fahrzeug< widerspiegelt; hier wäre allerdings nach C. T. Onions und W. Pfeifer auch lautliche Umbildung von port, catur >kleines indisches Kriegsschiff erwägenswert.

Cyclops »niederer Krebs (Ruderfüßer)Auge< interpretiert und dementsprechend als »das Rundauge, der Rundäugige< gedeutet wird. E. Seebold hält diese Erklärung für sachlich unbefriedigend, weshalb er aufgrund einer anderen Morphemanalyse im Vorderglied des Kompositums eine mit dt. Vieh (s. d.) identische indogermanische Wurzel und im Hinterglied griech. klöps »Dieb< (also urspr. »ViehdiebVersfuß aus einer Länge und zwei Kürzen*: Als Terminus der Verslehre entlehnt über lat. dactylus aus gleichbed. griech. däktylos, eigtl. »Finger (mit drei Gliedern)*, wobei die Bedeutungsübertragung nach C. T. Onions u.a. durch die Dreigliedrigkeit dieses Versfußes motiviert ist. Die Kompositionsform Daktylo- wird als Wortbildungselement mit der Grundbedeutung >Finger, Zehe* gebraucht und erscheint verselbständigt in Daktylo, der Kurzform (Kopfisolierung) von Schweiz. Daktylographin Maschinenschreiberin*. Mit demselben Gräzismus nannte man auch die Frucht der Dattelpalme, doch mit Rücksicht auf gleichbed. arab. daqal und hebr. deqel wird in diesem Fall eher eine volksetymologische Umdeutung der semitischen Bezeichnung nach der fingerähnlichen Form des Palmenblattes oder der Früchte selbst vermutet. Mit dem Südfruchthandel gelangte das griechisch-lateinische Wort zunächst in der Lautung dahtil (älteste Belege in der Zusammensetzung dahtilboum aus dem 11. Jh.; über die Substitution /kt/ > /yt/ s. dichten unter diktieren), dann seit dem 13. Jh. durch Vermittlung von älterem ital. dattilo und span, dätil ins Mittelhochdeutsche: datel, das heute in Dattel fortlebt. In H. Pauls deutschem Wörterbuch wird angenommen, seit 1613 bezeugtes landsch. Dachtel »Ohrfeige* gehe eher auf mhd. dahtel >Dattel< mit scherzhafter Übertragung wie bei Ohrfeige denn auf mhd. däht >Denken* als >Denkzettel< zurück (vgl. auch H. Küppers Erläuterung unter Dachtel >Ohrfeigeaus Damaskus, damaszenisch* (vgl. Damast), wobei Damaszener entweder substantiviert als Einwohnerbezeichnung oder indeklinabel als Adjektiv gewöhnlich in den Verbindungen Damaszener Stahl, Klinge >mit feinen Mustern versehener Stahl oder Säbel* fungiert. Der Fachausdruck Damaszenerpflaume für die entsprechende Pflaumensortengruppe erinnert an eine im Altertum in der Gegend von Damaskus kultivierte Pflaume. Es wird angenommen, dass deren romanischer (norditalienischer oder südostfranzösischer) Name, der über entstelltes vlat. *davascena auf den lateinischen Plural damascena »Pflaumen aus Damaskus* zurückgeht, die Quelle von seit dem 15. Jh. im deutschen Südwesten bezeugten Lautformen wie twetzschen ist. Daraus sind durch die regelrechte Lautentwicklung tw- > zw~! qu- (s. quer) die regional variierenden Bezeichnungen für die (länglichere, später reifende) Pflaumenart oberd. Zwetsche/Zwetschge, österr. Zwetschke und mitteld. Quetsche entstanden. Dame: Die heutige Bezeichnung für vornehme Frauen ist im 16. Jh. aus frz. dame entlehnt als Modewort der höfisch-galanten Dichtung. Seit Mitte des 17. Jh. beginnt das Fremdwort die herkömmliche Benennung für Frauen des Adels Frau (s. d.) zu verdrängen, und erst seit Ende des 18. Jh. wird es auch auf bürgerliche Frauen angewandt. Frz. dame geht wie seine Kognaten ital. donna und span, dona (eine Nebenform von regelrecht diphthongiertem dueha »Herrin*) zurück auf die synkopierte Form domna von lat. domina »Hausfrau, Gebieterin, Herrin*, dem Femininum zu dominus »Hausherr, Gebieter, Besitzer* (s.

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Colono Die von Köln übernommenen Mülltonnen heißen heute noch in Wien Kolonlakübel/Coloniakübel, wozu auch Kolonia-ZColoniaraum >Platz im Hauseingang für ihre Unterbringung< bzw. Kolonia-ZColoniawagen >Wagen der städtischen Müllabfuhr*. Auf lat. colonia geht ferner das im 16. Jh. möglicherweise unter Einfluss von frz. colonie als Bezeichnung für die überseeischen Kolonien Spaniens und Portugals entlehnte Fremdwort Kolonie zurück.

Colono >Arbeiter auf südamerikanischen Kaffeeplantagen*: Der Bezeichnungsexotismus spiegelt span. colono (eigtl. »Ansiedler, Pächter*) wider, das auf lat. colonus >Bauer, Bebauer, Siedler* (zu colere >bebauen, pflegen*) beruht. Daraus stammt andererseits der Historismus Kolone »persönlich freier, aber (erblich) an seinen Landbesitz gebundener Pächter in der römischen Kaiserzeit; Erbzinsbauer*. Auf dieselbe Quelle versucht man, über frz. colon auch engl. clown (urspr. >BauerSpaßmacher im Zirkus* ergab. Im Gegensatz zu dieser Deutung wird allerdings besonders im Rahmen der Anglistik Herleitung aus skand. (isl.) klunni, fries, klönne >klotzige Person* erwogen. Color: In der Musikgeschichte bezeichnet das Fremdwort die Ausschmückung einer Melodie in der mittelalterlichen Musik. Es beruht auf lat. color >Farbe; Schmuck* (s. Colorado), vgl. dessen Kompositionsform etwa in Kolorimeter »Gerät zur Bestimmung von Farbtönen* (s. Metrum). Über frz. couleur »Farbe* ergab der Latinismus die Dublette Couleur »bestimmte geistig-weltanschauliche Prägung einer Person; Trumpf im Kartenspiel; Band und Mütze einer studentischen Verbindung*. Der Gallizismus Trikolore »dreifarbige Fahne* stellt seinerseits eine Ellipse aus der gleichbedeutenden Fügung frz. (drapeau) tricolore dar, in der das substantivierte Attribut auf der spätlateinischen suffixlosen Zusammenbildung tricolor »dreifarbig* (vgl. drei) basiert. Colorado: Der Bundesstaat der USA ist nach dem in ihm entspringenden großen Fluss Colorado River (vgl. Revier) benannt. Dies ist eine teilweise Lehnübersetzung von span. Rio colorado (eigtl. »rötlich gefärbter Fluss*), in dem das Attribut colorado für lat. coloratus, das Maskulinum des Partizips Perfekt coloratum n. von colorare »färben; ausschmücken* (zu color »Farbe*, s. Color) steht. Sein Femininum ist Bestandteil des medizinischen Fachausdrucks Auditio colorata bzw. von dessen französischer Abwandlung Audition colorée (s. Audition1). Das lateinische Verb ist wohl über gleichbed. ital. colorare/colorire zu kolorieren »mit Farben ausmalen* entlehnt, so dass den obigen Dubletten im Deutschen morphologisch koloriert entspricht.

Comes »Beantwortung des Fugenthemas*: Der musikalische Fachausdruck beruht auf lat. comes, Akk. comitem »Begleiter* (gebildet aus ire »gehen* mit dem Präfix com- »mit-*, s. con), das im Altertum Titel hoher Beamter im kaiserlichen Dienst war, im Mittelalter die Gefolgsleute und Vertreter des Königs in Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten bezeichnete und so viel wie »Graf* bedeutete, z.B. Comes palatinus »Pflazgraf* (s. Palatin), Comes Terrae »Landgraf* (vgl. dürr). Daher die romanischen Exotismen Comte und Conte, dem Grafen entsprechende Adelstitel jeweils in Frankreich und Italien, bzw. Count, englische Bezeichnung für einen nichtbritischen Grafen (zum Unterschied vom britischen Earl). Mlat. vicecomes (s. Vize) lieferte seinerseits über mfranz. vicomte/visconte den zwischen Graf und Baron rangierenden französischen Adelstitel Vicomte und die ihm entsprechenden ital. Visconte bzw. engl. Viscount. Über entsprechende Movierungen s. Komtess.

con in con effetto, con fuoco (s. Effekt, Fokus) und öfter: Italienische Fortsetzung der lateinischen Präposition cum »mit* (etwa in cum modo »mit Maß*, s. Kommode), entstanden aus alat. com, das als Präfix com-, vor Vokalen und h co- und mit Assimilation col-, con-, cor- an zahlreichen Präfigierungen teilnimmt, vgl. folgende unter den im Lexikon lemmatisierten Bildungen Kohorte, Kopula, Comes, Kommandeur, Kommerz, komplett. Komposite, Kol/ega, kollektiv, Korrektor, Kondition, Konferenz, konfluent, konkret, Konkurs, konsequent, Konzert, Kostüm. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, an die prinzipiell aufgegebene Auffassung zu erinnern, dass lat. cum mit der germanischen Präposition *ga »mit* urverwandt sein könnte, die über ein Präfix *ga- in nhd. Ge-/ge- fortlebt. Nur noch W. Pfeifer kommentiert unter dem Lemma ge-, dass ein als Adverb, Präfix und Präposition fungierendes idg. *kom »neben, bei, mit* (die Vorlage von oben besprochenem lat. cum/ com-) germ. *ham ergeben müsste, so dass »»germ. *ga- lautlich nicht hierher zu gehören scheint; es sei denn, man führt germ, g- im unbetonten Präfix über X auf idg. k- zurück und nimmt Nasalschwund an«. Diesen Umstand hat schon O. Behaghel in einer kurzen Bemerkung im Anschluss an seinen Beitrag »»Die neuhochdeutschen Zwillingswörter** (Germania 23/1878, S. 292) erwogen. Vom Standpunkt des von französischen Linguisten aufgestellten Prinzips der sog. »»phonétique syntactique« ergebe sich nach seiner Meinung, dass der Anlaut des Adverbs bi »bei* einmal unter dem Einfluss des Vernerschen Gesetzes gestanden habe, so dass wir somit die Möglichkeit erhalten, germ, bi mit sanskr. pi zu vermitteln, und dass sich nunmehr in ähnlicher Weise »germ. ga mit lat. co in Verbindung bringen« lasse. Die durchaus

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vertretbare lautliche Entwicklung des in unbetonter Stellung (en- und proklitisch) auftretenden idg. *co(m) > germ. *%a(m) > *ya(m) > *ga ist zugleich ein Argument dafür, lat. cum!co- usw. und dt. Ge-Ige- als genetische etymologische Dubletten zu betrachten. Ihre von W. Pfeifer hervorgehobene semantische Berührung äußert sich in spezifischer Weise bei lexikalischen Nachbildungen: Das Substantiv Gewissen gilt als Produkt des Versuchs, lat. conscientia »Bewusstsein; Gewissem (eigtl. »Mitwissen, Mitwisserschaft ) im Althochdeutschen durch giwizzani (Adjektivabstraktum zum Partizip Präteritum von wizzan >wissenBrotgenosse, Kamerad« offenbar germ. *gaylaiba, got. gahlaiba, ahd. gi(h)leibo >Genosse< (wörtl. »wer das Brot mit anderen gemeinsam hat«) nachbildet. Vgl. gleich. Coq: Das >Hahn< bedeutende Fremdwort begegnet in aus dem Französischen eingedrungenen Fügungen wie etwa Coq au Vin >Hähnchen in Weinsoße« (s. Wein), veraltet Coq du Village >Hahn im Korbe« (eigtl. »Dorfhahn«; über das Kollektivum village >Dorf< s. Villa). Frz. coq setzt gleichbed. spätlat. coccus >Hahn< fort, für das lautmalende, wohl den Hahnenschrei nachahmende Herkunft angenommen wird. Aus dem lateinischen Wort entlehntes aengl. coc festigte unter Einfluss von (m)frz. coq seinen Gebrauch und liegt engl. cock zugrunde, das im Deutschen gebunden erscheint in Cockpit >Pilotenraum, Sitzraum eines Sportboots oder Rennwagens«. Dieses ist eine Zusammensetzung aus cock und pit >Grube, Vertiefung für einen Hahnenkampf« (s. Pfütze), dann auch >hinterer Teil des Unterdecks eines Kriegsschiffes«, vgl. auch den Amerikanismus Cocktail »alkoholisches Mischgetränk« (wörtl. >Hahnenschwanz«, s. Zagei).

Coquille >Muschelschale; in einer Muschelschale angerichtetes Ragout«: Das aus dem Französischen stammende Fremdwort repräsentiert den zu einem Femininum singularisierten und von nicht verwandtem coque >Eier-, Fruchtschale« beeinflussten Plural conchylia von lat. conchylium >Schaltier, Auster; Purpurschnecke«, das über das mittelgriechische Diminutiv konchylion auf griech. kónchè »Muschel« (s. Koncha) zurückgeht. Eingedeutscht kehrt das französische Wort im Fachausdruck des Hüttenwesens Kokille »metallische, wiederholt verwendbare Gussform« wieder.

Corps/Korps »größerer Truppenverband; studentische Verbindung«: Die fremde Schreibung des im 17. Jh.

Coulomb aus frz. corps (d’armée) »Körper(schaft); (Heeres)abteilung« zuerst als Ausdruck im militärischen Bereich übernommenen Wortes erscheint heute in Fügungen wie Corps de Ballet »Ballettgruppe«, Corps diplomatique = diplomatisches Korps. Frz. corps beruht auf dem Nominativ des lateinischen Neutrums corpus, Gen. corporis »Leib, Rumpf; Körperschaft; Gesamtheit; Sammelwerk«, das als unmittelbare Entlehnung in Corpus n. »Hauptteil eines Organs oder Körperteils«, Corpus Juris »Gesetzbuch, -Sammlung« (s. Jus) und eingedeutscht in Korpus1 n. »Belegsammlung von Texten und Schriften; einer wissenschaftlichen (Sprach)analyse zugrunde liegendes Material; Klangkörper« vorliegt. Dazu stellen sich die Homonyme Korpus2 m. »Christusfigur am Kreuz; massives Teil an Möbeln« und Korpus3 f. »alter Schriftgrad« (feminin nach Schrift). Als Synonym zu mhd. lich(e) »Körper« (woraus zu »toter Körper« verengtes nhd. Leiche, s. d.) tritt seit dem 13. Jh. aus obliquen Kasus von lat. corpus entlehntes mhd. korper/körper auf, das in nhd. Körper fortlebt.

Costa »Rippe«: Im anatomischen Fachwort spiegelt sich ebenso wie in span, costa »Küste« etwa in Costa Rica/ Kostarika (eigtl. »reiche Küste«, s. reich) oder Costa Brava (eigtl. »wilde Küste«, s. Barbar) lat. costa »Rippe«, roman, auch »Rücken; Seite« wider. Span. costa ist allerdings kein regulärer Fortsetzer von lat. costa, sondern eine im Mittelalter aus den Küstenmundarten übernommene, übertragen gebrauchte Lautform (über die aus dem Altnordischen ausgehende Benennung lang gestreckter Klippenreihen und Sandbänke nach ihrer Ähnlichkeit mit einer Rippe s. Riffunter Rippe). Das gesetzmäßige Erbwort im Spanischen ist das diphthongierte cuesta »Bergabhang«, auf dem der geologische Fachbegriff Cuesta »aufgrund verschiedener Materialeigenschaften von Schichtgesteinen durch Abtragung entstandene Geländestufe« beruht. Auf den altfranzösischen Fortsetzer coste »Rippe; Abhang; Meeresküste« geht andererseits durch Vermittlung von niederl. kust(e) dt. Küste zurück, während die moderne französische Form cote »Küste; Rippe« (vgl. Kotelett) in Cote d’Azure (eigtl. »himmelblaue Küste«, s. Lasur, de1) und - teilweise eingedeutscht - in Entrecote »Rippenstück vom Rind« (eigtl. »Zwischenrippenstück«, s. unter2) enthalten ist. Afrz. coste liegt auch engl. coast »Küste« zugrunde, das in East-Coast-Jazz und WestCoast-Jazz (s. Ost, West) als Bezeichnungen für zwei besondere Stilrichtungen des Jazz an der Ost- und Westküste der USA in den 50er Jahren des 20. Jh. auftrtt. Coulomb: Die 1881 eingeführte Maßeinheit der elektrischen Ladung oder der Elektrizitätsmenge (Zeichen: C, gleich 1 Ampersekunde) ist nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736-1806)

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Crèpe benannt, dessen Familienname mit lat. columbus >Tauberich< identisch ist. Mit diesem stimmt auch der latinisierte Familienname des Genuesers Cristoforo Colombo überein: Christof Kolumbus (1451-1506). Die spanische Namensform des Entdeckers Amerikas Cristobal Colon (s. Christoph) verlieh man sowohl der Währungseinheit in Costa Rica und El Salvador als auch drei lateinamerikanischen Städten jeweils in Argentinien, Panama und auf Kuba. Crepe1 f. >sehr dünner Eierkuchenc Jüngere Übernahme von gleichbed. frz. crèpe1, der femininen Substantivierung eines bis ins 16. Jh. fungierenden Adjektivs afrz. cresp(e) »gekräuselt*, das lat. crispus m., crispa f. >kraus< fortsetzte. Als Benennungsmotiv wird gelegentlich die Tatsache erwähnt, dass sich die dünnen Eierkuchen leicht wellen. Aus der maskulinen Stoffbezeichnung crèpe2 stammt nhd. Krepp/ Crèpe2 m. (18. Jh. Crep, 16. Jh. Kresp über niederl. crespe) als Sammelbezeichnung für Gewebe mit welliger oder gekräuselter Oberfläche, z. B. Crèpe de Chine (eigtl. >Krepp aus Chinas s. China, de1). Crimen: Die im römischen Recht vorkommende Bezeichnung für das Verbrechen beruht auf lat. crimen, Gen. criminis »Beschuldigung, Anklage; Schuld, Verbrechen* (verwandt mit cernere, Part. Perf. cretum »scheiden; entscheiden*), enthalten auch im strafrechtlichen Grundsatz nullum crimen sine lege, der besagt, dass eine Tat nur bei bereits gesetzlich bestimmter Strafbarkeit bestraft werden kann (wörtl. »kein Verbrechen ohne Gesetz*, s. Null, vgl. Absence, Lex). Die Kompositionsform des Latinismus ist als Wortbildungselement mit der Bedeutung »Verbrechen und ihre Ursachen betreffend* Vorderglied etwa von Kriminologie »Wissenschaft vom Verbrechen* (über das Grundwort s. Logo). Über afrz. crimne ergab crimen frz. crime »Verbrechen*, das seinerseits im 14. Jh. gleichbed. engl. crime lieferte. Beide Wörter sind als Homographe auch im Deutschen belegt: einerseits der Gallizismus Crime1 »schwere, vor dem Schwurgericht verhandelte Straftat*, andererseits der Anglizismus Crime2 »Straftat im angloamerikanischen Strafrecht im Gegensatz zur Ordnungswidrigkeit; schwerster Rechtsverstoß im Völkerrecht*, vgl. auch die Fügungen Sex and Crime (s. Sex, und), White-Collar-Kriminalität (s. Koller2) sowie die Ableitung kriminell.

Crista »Leiste, Knochenkamm, kammartiger Teil eines Organs*: Im Duden-Fremdwörterbuch sind neben diesem medizinischen Fachausdruck zwei weitere Substantive aufgeführt, die auf dessen Quelle lat. crista »Kamm (bei Tieren); Helmbusch, Kopfaufsatz bei Elefanten* zurückgehen und sich somit als seine etymologischen Dubletten offenbaren: Über afrz. creste ist aus crista frz. créte »Hahnen-, Wellen-, Berg-

kamm* hervorgegangen, vertreten in Schweiz. Krete »Geländekamm, Grat*. Im 14. Jh. aus dem Altfranzösischen übernommenes engl. crest »Hahnenkamm; Haarschopf; Mähne; Helmbusch; Bergrücken* liegt seinerseits Crest als Bezeichnung für die Helmzier in der englischen Heraldik zugrunde.

crudus »ungereinigt, rohe Das laut Duden-Fremdwörterbuch in Bezug auf Chemikalien gebrauchte Eigenschaftswort beruht auf lat. crudus m., crudum n. »roh, unreif; frisch* (eigtl. »blutig*, zu cruor »Blut*, das mit germ. *hrawa »roh* und daher mit roh elementar verwandt ist). Dessen substantiviertes Neutrum liegt dem ebenfalls fachsprachlichen Crudum »Rohstoff für die Antimongewinnung* zugrunde, und deglutiniert bzw. von herkunftsgleichem engl. crude »roh, unverarbeitet; ungehobelt, grob* beeinflusst erscheint der Latinismus in krud/krude »roh (von Nahrungsmitteln); unverdaulich; roh, grausam*. Im Französischen lebt crudus im Erbwort cru »roh, ungekocht; derb, anstößig* und - mit dem Präfix é- (s. ex) verstärkt - auch in écru »roh, ungebleicht* fort, das entsprechend dt. ekrü/ecru »ungebleicht; weißlich, gelblich* lieferte. Cup »Pokal(wettbewerb)*: Das engl. cup wiedergebende Fremdwort setzt ebenso wie frz. coupe »Tasse, Pokal* (> Schweiz. Coupe »Eisbecher*) und span, copa »Becher, Kelch* (in Copa »altes spanisches Hohlmaß von 0,126 1 »rundlicher Gegenstand, äußerste Spitze* zurückzuführen versucht. Mit diesen identisch und somit herkunftsgleich zu sein scheint engl. cop »Garnwickel; Knäuel*, mda. »Bergspitze, -kämm*, das Grundwort in Pincop »auf dem Selfaktor bewickelte Schussspule in der Baumwollspinnerei* (s. Pinne) ist und dessen Plural cops im Fachwort der Spinnerei Kops m. »Kötzer, Spinnhülse mit aufgewundenem Garn, Garnkörper, Spule* singularisiert vorliegt. Lautgetreue Übernahmen von lat. cuppa stellen die graphisch unterschiedenen Dubletten kirchenspr. Cuppa »Schale eines (Abendmahls)kelches* und kunstwiss. Kuppa »die Schale eines Kelchs* dar. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung wurde cuppa zu ahd. köpf»Becher, Trinkschale* entlehnt, welches sich über die im Mittelhochdeutschen entwickelte bildlich übertragene Bedeutung »Hirnschale* zu nhd. Kopf etablierte (vgl. gleichbed. niederd. Kopp in der abwertenden Zusammensetzung Doo/kopp »beschränkter Mensch*, s. taub) und einheimisches Haupt (s. d.) verdrängte. Spätlat. cuppa gilt als eine Nebenform von lat. cüpa, mlat. cöpa »größeres Holzgefäß, Tonne*

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(vgl. Kuppel), das seinerseits ahd. kuofa und daher landsch. Kufe »Bottich, Bütte< sowie über das Niederdeutsche übernommenem Küpe »Färbebad, Lösung eines Küpenfarbstoffes< (urspr. und landsch. »der Kessel, in dem Farbe gekocht wirdAngelegenheit, mit der man sich erst später zu beschäftigen hat< (eigtl. >spätere Sorgeohne Sorge< (im Sinne von >ohne AmtssorgenPfründe ohne Amtsgeschäfte; müheloses, einträgliches Amt< (vgl. Absence) dar. Das lateinische Wort, das u.a. Quelle von frz. eure >Sorge, Pflege, Kur< ist, ergab im 16. Jh. dt. Kur >Heilbehandlungschneiden< die allgemeinere Bedeutung »Schneidender; Zuschneiden vertretend - sich im Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jh. zur Berufsbezeichnung für den Schnittmeister im Film- und Funkwesen und zur Bezeichnung einer Fleischschneidemaschine zur

Cyclops Wurstbereitung entwickelte. Älter (seit dem 18. Jh. bezeugt) und eingedeutscht ist Kutter, das als Schiffsbezeichnung engl. cutter im Sinne von >die Wellen durchschneidendes Fahrzeug< widerspiegelt; hier wäre allerdings nach C. T. Onions und W. Pfeifer auch lautliche Umbildung von port, catur >kleines indisches Kriegsschiff erwägenswert.

Cyclops »niederer Krebs (Ruderfüßer)Auge< interpretiert und dementsprechend als »das Rundauge, der Rundäugige< gedeutet wird. E. Seebold hält diese Erklärung für sachlich unbefriedigend, weshalb er aufgrund einer anderen Morphemanalyse im Vorderglied des Kompositums eine mit dt. Vieh (s. d.) identische indogermanische Wurzel und im Hinterglied griech. klöps »Dieb< (also urspr. »ViehdiebVersfuß aus einer Länge und zwei Kürzen*: Als Terminus der Verslehre entlehnt über lat. dactylus aus gleichbed. griech. däktylos, eigtl. »Finger (mit drei Gliedern)*, wobei die Bedeutungsübertragung nach C. T. Onions u.a. durch die Dreigliedrigkeit dieses Versfußes motiviert ist. Die Kompositionsform Daktylo- wird als Wortbildungselement mit der Grundbedeutung >Finger, Zehe* gebraucht und erscheint verselbständigt in Daktylo, der Kurzform (Kopfisolierung) von Schweiz. Daktylographin Maschinenschreiberin*. Mit demselben Gräzismus nannte man auch die Frucht der Dattelpalme, doch mit Rücksicht auf gleichbed. arab. daqal und hebr. deqel wird in diesem Fall eher eine volksetymologische Umdeutung der semitischen Bezeichnung nach der fingerähnlichen Form des Palmenblattes oder der Früchte selbst vermutet. Mit dem Südfruchthandel gelangte das griechisch-lateinische Wort zunächst in der Lautung dahtil (älteste Belege in der Zusammensetzung dahtilboum aus dem 11. Jh.; über die Substitution /kt/ > /yt/ s. dichten unter diktieren), dann seit dem 13. Jh. durch Vermittlung von älterem ital. dattilo und span, dätil ins Mittelhochdeutsche: datel, das heute in Dattel fortlebt. In H. Pauls deutschem Wörterbuch wird angenommen, seit 1613 bezeugtes landsch. Dachtel »Ohrfeige* gehe eher auf mhd. dahtel >Dattel< mit scherzhafter Übertragung wie bei Ohrfeige denn auf mhd. däht >Denken* als >Denkzettel< zurück (vgl. auch H. Küppers Erläuterung unter Dachtel >Ohrfeigeaus Damaskus, damaszenisch* (vgl. Damast), wobei Damaszener entweder substantiviert als Einwohnerbezeichnung oder indeklinabel als Adjektiv gewöhnlich in den Verbindungen Damaszener Stahl, Klinge >mit feinen Mustern versehener Stahl oder Säbel* fungiert. Der Fachausdruck Damaszenerpflaume für die entsprechende Pflaumensortengruppe erinnert an eine im Altertum in der Gegend von Damaskus kultivierte Pflaume. Es wird angenommen, dass deren romanischer (norditalienischer oder südostfranzösischer) Name, der über entstelltes vlat. *davascena auf den lateinischen Plural damascena »Pflaumen aus Damaskus* zurückgeht, die Quelle von seit dem 15. Jh. im deutschen Südwesten bezeugten Lautformen wie twetzschen ist. Daraus sind durch die regelrechte Lautentwicklung tw- > zw~! qu- (s. quer) die regional variierenden Bezeichnungen für die (länglichere, später reifende) Pflaumenart oberd. Zwetsche/Zwetschge, österr. Zwetschke und mitteld. Quetsche entstanden. Dame: Die heutige Bezeichnung für vornehme Frauen ist im 16. Jh. aus frz. dame entlehnt als Modewort der höfisch-galanten Dichtung. Seit Mitte des 17. Jh. beginnt das Fremdwort die herkömmliche Benennung für Frauen des Adels Frau (s. d.) zu verdrängen, und erst seit Ende des 18. Jh. wird es auch auf bürgerliche Frauen angewandt. Frz. dame geht wie seine Kognaten ital. donna und span, dona (eine Nebenform von regelrecht diphthongiertem dueha »Herrin*) zurück auf die synkopierte Form domna von lat. domina »Hausfrau, Gebieterin, Herrin*, dem Femininum zu dominus »Hausherr, Gebieter, Besitzer* (s.

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Diktum sen, Schreibern. Neben der allgemeinen Bedeutung >ein Schriftstück Verfassern zeigt daraus hervorgegangenes mhd. tihten den Nebensinn >Verse machens mit dem dessen Fortsetung nhd. dichten heute gebraucht wird.

Diktum: Das zur Bezeichnung eines pointierten Ausspruchs dienende Fremdwort bedeutet eigtl. >das Gesagte< und repräsentiert das substantivierte Neutrum des Partizips Perfekt dictus m. von lat. dicere >sagen< (vgl. auch benedizieren, diktieren, Kondition, Prädikat sowie Jurisdiktion unter Jus1), Nicht eingedeutscht treten der Akkusativ des Maskulinums in rechtsspr. ad diem dictum >auf den anberaumten Tag< (s. ad, Zeus) sowie der Nominativ des Neutrums und der Ablativ des Maskulinums in den veralteten Fügungen dictum factum >gesagt, getan* (s. Fact) und dicto loco »am erwähnten Ort< (s. loco) auf. Reflexe des lateinischen Verbs und seines Partizips Perfekt sind u.a. gleichbed. frz. dire, Part. Perf. dit, und ital. dire, Part. Perf. detto/toskan. ditto. Vertretungen der Partizipen als etymologische Dubletten von Diktum liegen vor in Ondit »Gerücht* (s. Homo) und dito desgleichen, dasselbe, ebenfalls, ebenso* (eigtl. >besagt, genannt*, abgekürzt: do., dto.). Letzteres, wie niederl. dito von bedeutungs- und ursprungsgleichem frz. dito beeinflusst, ist seit dem 15. Jh. bezeugt, und zwar zunächst zur Wiederholung eines Monatsnamens, dann in der Kaufmannssprache in Bezug auf sich wiederholende Warenbezeichnungen, seit dem 18./19. Jh. auch als Adverb außerhalb der Fachsprachen. In Österreich gilt dagegen behördensprachlich die modernere italienische Form: detto dasselbe; wie oben*. Lat. benedictus >gesegnet, gepriesen*, das maskuline Partizip Perfekt des mit bene >gut, wohl* (s. d.) komponierten Verbs benedicere >segnen; preisen* (s. benedizieren), enthält den bereits erwähnten Nominativ dictus, der somit auch im religiösen Terminus Benedictus »Teil der lateinischen Liturgie* auftritt. Über andere Abwandlungen dieser gebundenen Dublette von Diktum siehe Benedictus, wo fremdsprachliche Erscheinungsformen des auf diesem Appellativ beruhenden Personennamens Benediktus/ Benedikt aufgeführt sind, sowie Verdikt unter wahr. Schwanzisolierung aus Benedix, einer Modifizierung von Benedikt, ist Dix, u.a. Familienname des deutschen Malers und Grafikers Otto Dix (19./20. Jh.). Diligence >Eilpostwagen*: Das in historisierendem Gebrauch vorkommende Fremdwort gibt gleichbed. frz. diligence wieder, das diese konkrete Bedeutung einer Herauslösung aus der präpositionalen Fügung volture de diligence (15. Jh.) >schnelles Fahrzeug* verdankt. Als Abstraktum geht frz. diligence »Flinkheit, Schnelligkeit, Emsigkeit* zurück auf lat. diligentia >Sorgfalt, Achtsamkeit* (Verbalsubstantiv zu diligere >hochachten, lieben; auswählen*, gebildet aus dis-/di-

>aus-, heraus-* und legere >sammeln, auslesen*, vgl. kollektiv sowie Sakrileg, intelligent unter Sakrum, unter2). Eingedeutscht liegt der Latinismus selbst im veralteten Diligenz »Sorgfalt, Umsicht, Fleiß* vor. Ding1 »germanische Volks-, Gerichts- und Heeresversammlung*: Historisierend kommt daneben die Variante Thing vor, die gleichbed. anord. ping widerspiegelt. Dies geht wie Ding1 (mhd. ding, ahd. thing/ ding) zurück auf germ, spenga- (vermutlich zu idg. *ten-k- »ziehen, dehnen*, also urspr. »Zeitpunkt, festgelegte Zeit*, vgl. die unter Tempo angenommene labiale Wurzelerweiterung *ten-p). Die Semantik von Ding1 offenbart sich übrigens in dingfest (als Bestandteil der Wendung jemanden dingfest machen »festnehmen*), sofern es das Gegenwort von veraltetem dingflüchtig »wer sich durch Flucht dem Gericht entzieht* ist. Reflexe des altnordischen Wortes erscheinen in Fb/fceting »das dänische Parlament (seit 1953, zuvor die zweite Kammer des dänischen Reichstags)* (eigtl. »Volksversammlung*, s. Volk), Lagting »das norwegische Oberhaus* (s. Law), Storting »norwegische Volksvertretung* (eigtl. »großes Thing*). Schon ahd. thing/ding »Gerichtsversammlung* entwickelte über »zu verhandelnde Rechtssache* die allgemeinere Bedeutung »Sache, Gegenstand, Angelegenheit* (vgl. Causa), die heute Ding2 fortführt. Dessen partitiver Genitiv, verselbständigt im 16. Jh. aus Wendungen wie ein stück dings, liegt ugs. Dings »unbestimmter oder unbekannter Mensch, Ort oder Gegenstand* (s. auch Zeug) zugrunde. Mit der germanischen Ableitung *pingsaz, latinisiert Thingsus »Thingbeschützer* als Beiname des Kriegsgottes Tyr/ Tiu/Ziu (s. Ziu), dem lat. Mars, Gen. Martis entspricht, verknüpft man üblicherweise das erste Kompositionsglied von Dienstag (Lehnübersetzung aus gleichbed. lat. Martis dies), wo demnach und unabhängig von Belegen wie mnd. dinges-Zdinsdach »Dienstag* Diens- nicht als gebundene Dublette von Ding/Thing anzusehen ist.

Dionysien »Bacchusfestc Eingedeutschte Bezeichnung für die in der Antike in Attika gefeierten Spiele, aus denen die Komödie als literarische Kunstgattung hervorgegangen ist (s. Komödie). Man hatte sie zu Ehren des griechischen Gottes des Weines, des Rausches und der Fruchtbarkeit Dionysos (auch Bakchos, lat. Bacchus) griech. Dionysia, lat. Dionysia genannt. In ihrem Namen steckt das substantivierte Neutrum Plural des Adjektivs griech. dionysios, lat. dionysius »dionysisch*, das auch als Personenname Dionysios (vgl. Dionysios I. und Dionysios II., Herrscher von Syrakus, 4. Jh. v.Chr.) bzw. Dionysius/Dionys gebraucht wird. Ein Fortsetzer der latinisierten Form ist frz. Denis etwa im Ortsnamen Estrées-Saint-Denis (nach dem heiligen Dionysius, dem ersten Bischof von Paris, s. Straße, Sanctus).

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Dipteros »griechischer Tempel, der von einer doppelten Säulenreihe umgeben iste Substantivierung des griechischen Adjektivs dipteros >zweiflügelig< (aus pterón »Flügel* und der Kompositionsform di>zwei-, zwie-< von dyo »zwei*, s. zwei), entstanden ellyptisch aus der attributiven Fügung dipteros naós »zweiflügeliger Tempeh. Auf derselben Grundlage beruht der feminine Plural nlat. dipterae als zoologischer Fachausdruck zur Bezeichnung der Insektenordnung der Mücken und Fliegen (eigtl. »Zweiflügler^, der zu Dipteren eingedeutscht worden ist. Disco/Disko: Kopfisolierung aus Diskothek »Schallplattensammlung; Tanzlokal mit Schallplatten- oder Tonbandmusik II die Formen frühnhd. tollen »Baumwipfel*, doln »Quaste*, auf deren übertragenem Gebrauch ugs. Tolle/Dolle »Büschel, Haarschopf, Quaste* beruht. doloros/dolorös »schmerzhaft, schmerzerfüllt*: Zum Teil von gleichbed. frz. douloureuse beeinflusste Eindeutschung von lat. dolorosus, einer Ableitung von dolor »Schmerz; Kummer, Teilnahme*. Die feminine Form dolorosa erscheint attributiv in Mater dolorosa (auch verselbständigt: Dolorosa), einem lateinischen Beinamen der Gottesmutter im Schmerz um die Leiden des Sohnes (eigtl. »schmerzerfüllte Mutter*, s. Mutter). Quelle des Ausdrucks ist nach K. Böttcher die Sequenz Stabat mater dolorosa »Die schmerzensreiche Mutter [Jesu] stand [am Kreuze]*, deren Autor wahrscheinlich der italienische Franziskaner Fra Ja-

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Dom copone da Todi ( Jacobus de Benedictis, um 1230-1306 ) war und die von Palestrina vertont wurde. Aus dem Italienischen ist außerdem herkunftsgleiches doloroso »schmerzlich, klagend, betrübt, trauervoll* als Vortragsanweisung in der Musik entnommen. Dom1 »Bischofskirche*: Das vorwiegend norddeutsche Wort, mit dem im Süden Münster (s. Monasterium) konkurriert, ist seit dem 16. Jh. bezeugt und gilt als eine über frz. dòme und ital. duomo getätigte Übernahme von lat. domus »Haus* in dessen Funktion als Verselbständigung aus Wortfügungen wie domus ecclesiae >Haus der Christengemeinde* (s. Ekklesia) und domus dei episcopalis bischöfliche Hauptkirche und Residenz*, eigtl. >Gotteshaus des Bischofs, Bischofskirche* (vgl. Episkop). Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Rolle bei der Durchsetzung dieser Lautform gleichbed. mnd. döm gespielt hat, das ebenso wie ahd. döm/duom, mhd. tuom, nhd. Thuom (bis ins 18. Jh. gebräuchlich und dann durch Dom verdrängt) direkte Entlehnung der lateinischen Vorlage darstellte. Nicht deglutiniert erscheint der gleich lautende Genitiv von lat. domus im Historismus Majordomus >oberster Hofbeamter, Befehlshaber des Heeres (unter den fränkischen Königen)*, einer Zusammenrückung aus spätlat. maior domus (regiae), eigtl. >Oberer des (königlichen) Hauses, Hausmeier* (s. Major1), und sein Ablativ liegt vor in der präpositionalen Fügung pro domo >in eigener Sache, zum eigenen Nutzen, für sich selbst* (gekürzt aus lat. pro domo sua, eigtl. >für das eigene Haus*, s. vor). Gleich lautend mit der letzteren Dublette ist sowohl die griechisch-lateinische Kompositionsform domo- als auch die auf dem slawischen Kognaten dom »Haus* beruhende, vgl. den russischen Historismus Domostroz als Bezeichnung für die 1547 zusammengestellte russische Sammlung von Lebensregeln und Verhaltensweisen gegenüber Obrigkeit und Familie (eigtl. »Hausordnung*, Lehnübersetzung von gleichbed. griech. oikonomia, woraus dt. Ökonomie stammt). Über die Homonyme Dom2 und Domy s. jeweils Dom2 und Dominus; mit Dom1 etymologisch verwandt, wohl aber nicht als identisch anzusprechen ist Dom4 »Kuppel, gewölbte Decke; gewölbter Aufsatz eines Dampfkessels oder Destillierapparats*, das auf griech. doma »Haus, (flaches) Dach*, eine feminine Nebenform oder Ableitung von dömos m. (= lat. domus) »Bau, Haus* zurückgeführt wird. Dom2: Das einen Plural darstellende Fremdwort (Pluraletantum) bezeichnet eine der niedersten Kasten in Nordindien. Im Namen präsentiert sich Hindi döm, das auf aind. döma/dömba »Mann (vom niedrigen Stand)* zurückgeht und zu Selbstbezeichnung einiger Zigeunerstämme geworden ist. Das zerebrale (mit der Zungenspitze am Gaumendach gebildete) anlautende d- dieses Wortes wird jedoch in ihren

Sprachvarietäten verschieden wiedergegeben: bei den persischen Zigeunern lautet es immer noch dom, bei den syrischen dom/dum, bei den armenischen lom und bei den europäischen rom. Aus der Romani genannten Sprache der Letzteren stammt die heute offizielle deutsche Bezeichnung der Angehörigen der traditionell als Zigeuner bekannten ethnischen Minderheit Roma, Sing. Rom (eigtl. »Mann, Ehemann, Mensch*). Domäne »staatliches Gut; hauptsächliches Wirkungsgebiete Im 17. Jh. entlehnt aus frz. domaine »Gut in landesherrlichem Besitz*, welches andererseits in der adäquateren Form Domaine Bezeichnung für ein französisches Weingut ist, das ausschließlich Weine aus eigenen Trauben erzeugt. Das französische Wort wird traditionell auf lat. dominium »Besitz, Herrschaftsgebiet* (zu dominus »Hausherr, Gebieter, Besitzer*, s. Dominus) zurückgeführt, dessen direkt übernommener Vertreter im Deutschen Dominium »Herrschaft, Herrschaftsgebiet* schon veraltet ist.

Dominikus/Dominik: Eingedeutschter männlicher Vorname, der auf lat. dominicus m., dominica f., dominicum n. »herrschaftlich, des Herrn*, spätlat. »des Herrn (Christi), dem Herrn geweiht* (zu dominus »Herr*, s. Dominus) zurückgeht. Durch den heiligen Dominikus (1170-1221), einen Spanier aus Kastilien, der den Dominikanerorden gegründet hat, erlangte er im Mittelalter weite Verbreitung, zum Teil mit entsprechender weiblicher Form, vgl. dt. Dominika/ Dominica f., engl. Dominic m., frz. Dominique m./f., ital. Domenico m., Domenica f., span. Domingo m. Durch das doppelte Geschlecht von lat. dies m./f. »Tag* erklärt sich die Tatsache, dass sich der Sonntag, der Tag des Herrn kirchenlat. (dies) dominicus/dominica, im Französischen und Spanischen als Maskulinum (dimanche, domingo), im Italienischen dagegen als Femininum (domenica) etabliert hat. Auch im Deutschen wird das Femininum Dominica »Sonntag* verzeichnet, z.B. in der lateinischen Fügung Dominica in albis für den weißen Sonntag (vgl. in, Album), d. h. für den ersten Sonntag nach Ostern (gemäß dem Duden-Fremdwörterbuch nach den bis dahin getragenen weißen Kleidern der Neugetauften in der alten Kirche) gegenüber dem maskulinen Dies academicus »akademischer Tag* (s. Zeus). Das substantivierte Neutrum des Latinismus Dominikum »Kirche; Gottesdienst, Abendmahlsfeier; Kirchenvermögen* gilt im Deutschen als veraltet. Vgl. ferner das über das Aufkommen von Palmarum unter Palme Ausgeführte.

Dominus »Herr, Gebieter*: Das Fremdwort, das auch im liturgischen Gruß Dominus vobiscum »der Herr sei mit euch* und im Genitiv in Anno Domini »im Jahre des Herrn* (Bezugswort: lat. annus »Jahr* im Ablativ) sowie in dem Misericordias Domini be-

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nannten zweiten Sonntag nach Ostern (eigtl. >die Barmherzigkeit des Herrn*, nach dem Eingangsgesang des Gottesdienstes aus Psalm 89,2) erscheint, beruht auf lat. dominus >Hausherr, Herr, Besitzer, Gebieter* (zu domus >HausVermögensverwalter geistlicher, später auch weltlicher Herrschaften*, dem mlat. vicedominus »Stellvertreter des Herrn* (s. Vize) zugrunde liegt. Wenn auch etymologisch nicht ganz befriedigend, führt man auch Domino1 m. »Karnevalkostüm; Träger eines solchen Kostüms* und Domino2 n. »Anlegespiel mit rechteckigen Steinen* über gleichbed. frz. und ital. domino auf lat. dominus »Herr* mit der Begründung zurück, das italienische Wort habe ursprünglich den von Mönchen getragenen Kapuzenmantel, d.h. metonymisch für dessen Träger, den geistlichen Herrn bezeichnet. Als Benennungsmotiv bei dem Dominospiel vermutet man das Recht des Gewinners, sich Domino, d.h. »Herr* nennen zu dürfen. Vgl. Dame, Domäne, Dominikus, Donjon. Donjon »Hauptturm einer mittelalterlichen Burg in Frankreich*: Dem Historismus liegt gleichbed. frz. donjon zugrunde, das eigentlich den Herrenturm einer Burg bezeichnet. Der Gallizismus wird aus vlat. *dom(i)nionem, dem Akkusativ eines zu lat. dominus »Herr, Gebieter* (s. Dominus) gebildeten und mit dominium »Herrschaft* (s. Domäne) gleichbedeutenden Femininums dominio, Gen. dominionis hergeleitet. Im 14. Jh. ergab das Abstraktum durch mittellateinische (nach C. T. Onions durch altfranzösische) Vermittlung engl. dominion »Herrschaft, Macht, Gewalt; Herrschaftsgebiet* (1867 als politischer Begriff auf Kanada angewandt). Aus dem Englischen übernommen ist sowohl frz. dominion (Rückentleh-

Dörfler nung?) als auch dt. Dominion als ehemalige Bezeichnung für ein der Verwaltung nach selbständiges Land des Britischen Reiches (heute dafür: Country of the Commonwealth, über dessen Glieder Erläuterungen unter Tanz, ab1, kommun, wohl auffindbar sind).

Dorado/E/dorado: Die variierende Bezeichnung für das sagenhafte Goldland in Südamerika erklärt sich durch die Übernahme seines spanischen Namens el dorado mit und ohne bestimmten Artikel (vgl. Alligator unter Lazerte sowie die unter Algorithmus, Castrum, Chemie, Kali, Kubba, Zenit erörterten Arabismen). Er ist im 16. Jh. durch Verselbständigung aus der Fügung el pais dorado »das vergoldete Land* oder elpais del cacique dorado »das Land des vergoldeten Kaziken* (nach der Legende von dem sich täglich mit Gold bestreuenden Häuptling) entstanden und wird im Deutschen seit dem 18. Jh. auch allgemein im Sinne von »Traum-, Wunschland, Paradies* gebraucht. Der Form nach ist span, dorado das Maskulinum eines Partizips Perfekt, das lat. deauratum »vergoldet* (zu deaurare »vergolden*, vgl. de\ Aurum) fortführt. Auf das Femininum des Partizips geht über frz. dorade und prov. daurada der romanische Name der Goldmakrele Dorade (wörtl. »die Vergoldete*) zurück. Im Französischen wurde lat. deaurare lautlich zu dorer (vgl. daraus veraltet dorieren »vergolden*) umgewandelt, dessen Partizip Perfekt dorè m. und dorée f. »vergoldet* gemäß Duden-Fremdwörterbuch jeweils in Dove-Metall »goldhaltige Silberlegierung* und Jeunesse dorée »leichtfertige, elegante Jugend der begüterten Oberschicht; monarchisch gesinnte, modisch elegante Jugend von Paris nach dem Sturz Robespierres* auftritt. Dörfler »Dorfbewohner*: Im 18. Jh. aufgekommene Variante des damals noch üblichen gleichbed. Dörfer (über die Alternation des Suffixes -er mit dem »»Wuchersuffix** -ler vgl. Wissenschaftler vs. österr., Schweiz. Wissenschafter), das von dorf»Dorf* (s. Trupp) abgeleitetes mhd. dörfcere fortführte. Neben diesem existierte ein aus dem Flämischen übernommenes, unverschobenes p aufweisendes, strukturgleiches dorpcere/dörper/törper »Bauer; bäuerisch roher, nicht höfisch gebildeter Mensch*, das parallel zur Entlehnung mhd. vilän/villän »Dörfler, Bauer* zur Wiedergabe von afrz. vilain »Landmann, Nichtadliger* (für mlat. villanus »Land-, Dorfbewohner*, s. Villa) diente. Aus der Variante törper entwickelten sich durch Dissimilation und anschließende Assimilation die semantisch spezifizierten Lautungen törpel/tölpel »plumper, ungeschickter Mensch*. Durch Luther ist dann Tölpel »einfältiger Mensch* gemeinsprachlich geworden und konnte mit Dorf selbst komponiert werden: Dorftölpel. Allerdings erwägt E. Seebold Be-

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Double rührungen in der Überlieferung dieser Wortformen mit einer Gruppe abschätziger mundartlicher Wörter für »Klotz, grober Mensch< wie Tölp/Tülp. Double »Doppelgänger; Ersatzmann, der für den eigentlichen Darsteller gefährliche Rollenpartien spielte Im 19. Jh. übernommen aus gleichbed. frz. double, einer Substantivierung des Adjektivs double »doppelt« (s. auch Dublett). Über afrz. doble/duble gelangte das Wort auch ins Englische und tritt daher entsprechend mit englischer Aussprache auf beispielsweise im psychologischen Fachausdruck Doublefcmd »(Verwirrung und Orientierungslosigkeit hervorrufende) Beziehung, Bindung zwischen einander nahe stehenden, meist sozial voneinander abhängigen Personen, bei der die eine Person sich der anderen gegenüber widersprüchlich äußert und verhält< (< engl. double bind »Dilemmas Grundwort: bind »Band, Bindung«, hier »schwierige, unangenehme Situation«) und im musikalischen Doubletime »Verdoppelung des Tempos unter Beibehaltung der tatsächlichen Spieldauer im Jazz« (< engl. double time, wörtl. »Doppelzeit«). Als Fortsetzung von lat. duplus »zweifach, zweifältig«, das wie duplex »doppelt, zweifach« aus duo »zwei« (s. zwei) und einem mit dt. falten wurzelverwandten und deshalb mit -falt/-fältig funktionsmäßig vergleichbaren Kompositionselement -plusl-plex (vgl. simpel) gebildet ist, wurde das altfranzösische Adjektiv über westmitteld. dobbel/ dubbel zu frühnhd. doppel mit der Ableitung doppeln entlehnt. Durch Vermischung mit dessen Partizip Präteritum gedoppelt gestaltete sich nhd. doppelt, das jedoch als Bestimmungswort in Dutzenden Komposita wie Doppelbett, -fehler, -punkt und in den Substantivierungen Doppel1 n. »Zweitschrift; Spiel zweier Spieler gegen zwei andere« (jeweils für frz. double und engl. doubles), Schweiz. Doppel2 m. »Einsatz des Schützen für eine bestimmte Anzahl Schüsse« ohne-t erscheint. Auf lat. duplus gehen auch span, doble und ital. doppio »doppelt« zurück, enthalten jeweils im Namen des Gesellschaftstanzes Paso doble (eigtl. »Doppelschritt«, s. Passus) und in der musikalischen Vortragsanweisung doppio movimento »doppelte Bewegung, doppelt so schnell wie bisher« (zweiter Bestandteil: movimento »Bewegung; Zeitmaß, Tempo«, s. Moment1),

Drache »Lindwurm«: Das Wort (mhd. trache, ahd. trahho) wurde vor der hochdeutschen Lautverschiebung aus gleichbed. lat. draco, Gen. draconis, entlehnt, das auf griech. dräkon (zu dérkesthai »scharf, wild blicken«, also eigtl. »Scharfblickender«) zurückgeht. Auf diesem beruht auch der Name des wegen seiner Härte berüchtigten athenischen Gesetzgebers Drakon (7. Jh. v. Chr.), von dem das Adjektiv drakonisch abgeleitet ist. Gegenüber nhd. Drache hat sich durch Wortspaltung die ebenfalls wiederhergestell-

ten lateinischen Anlaut d- aufweisende, aber stark flektierte Dublette Drachen »papiernes Spielzeug; Segelboot; zänkische Frau« verselbständigt. Eine Fortsetzung von lat. draco hegt in frz. dragon vor, das zunächst entweder ein Feldzeichen (vermutlich mit abgebildetem Drachen) oder eine Handfeuerwaffe (eigtl. »feuerspeiender Drache«) bezeichnete und dann metonymisch auf den Reiter unter dem besagten Feldzeichen bzw. auf den mit der feuerspeienden Waffe ausgerüsteten Kavalleristen (Büchsenschützen) übertragen wurde. Über Dragon (17. Jh.) stammt daraus dt. Dragoner »leichter Reiter«, das durch Adsuffigierung zu einem eindeutigen Nomen Agentis auf-er ausgestaltet wurde. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Versuch einzelner Forscher wie E. Seebold, den Namen der Gewürzpflanze Estragon (neben älterem Dragon/Dragun), die möglicherweise wegen ihrer schlangenförmig gewundenen Wurzel auch Drachen-, Schlangenwurz heißt, ebenfalls aus griech. dräkon herzuleiten, und zwar über arab. tarkün, mlat. tarc(h)on und frz. älter targon (16. Jh.) mit der durch Umstellung und unregelmäßige Präfigierung entstandenen Nebenform estragon.

Drachme: Die Bezeichnung des früheren Apothekergewichts (etwa 3,8 g) geht über lat. drachma auf griech. drachmé zurück, das — im Sinne von »eine Handvoll Münzen/Obolen« gedeutet - zur Sippe von drägma »Handvoll« und drässomai »fassen, ergreifen« (zu idg. *dergh-, *dargh- »fassen«, vgl. Zarge) gehört. Im Altgriechischen war das Wort der Name einer Silbermünze, und genauso lautete die griechische Währungseinheit bis Ende 2001. Ins Arabische zu Dirham/Dirhem entlehnt, war der Gräzismus einst in den islamischen Ländern als Gewichtseinheit gebräuchlich, heute heißt aber nur noch die Währungseinheit in Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Libyen so. drei: Das durch Diphthongierung ei < i gleichbed. mhd., ahd. dri fortführende Numerale geht über germ. *prej- zurück auf idg. *treyesZtri »drei«, das zugleich die Quelle ist von griech. trets m., f., tria n. und lat. tres m., f., tria mit der gemeinsamen nullstufigen Kompositionsform tri- (etwa^n griech. triphyl-

lon und lat. trifolium »Klee, Kleeblatt«, eigtl. »Dreiblatt«, woraus dt. Trifolium, s. d.). Daher Mie gängige Definierung von tri-/Tri- als Wortbildungselemente mit der Bedeutung »drei, dreifach, dreiteilig«, vgl. das aus Trichlorethylen isolierte Tri, welches im Jargon das als Rauschmittel zum Schnüffeln verwendete Narkosemittel bezeichnet, Triangel (s. d.), Trident »Dreizack« (s. Zahn), Trikolore »dreifarbige Fahne« (s. Color), Tripus (wonach Dreifuß, s. d.) u.a.m. Der Genitiv Plural des lateinischen Wortes ist Vorderglied von Triumvir »Mitglied des Triumvirats, d.h. einer

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der Männer, die im alten Rom die Dreimännerherrschaft ausübten* (s. Werwolf). Reflexe des lateinischen Numerales leben fort in frz. trois und ital. tre >dreidreistimmig< (eigtl. >zu, für drei Stimmern, vgl. ad, Voces). Auf der Basis von trois und carre >Kante, Seite, Winkel< (Postverbale zu carrer < lat. quadrare >viereckig machens vgl. Quadrat) gebildetes und eine graphische Nebenform trois-quarts (formal identisch mit trois-quarts >drei Viertels zweiter Bestandteil: quart »Viertel* aus lat. quartus »der Viertes vgl. Quarta) aufweisendes frz. trocart lieferte den internationalen Namen des chirurgischen Stichinstruments mit einer starken dreikantigen Nadel und einem Röhrchen für Punktionen Irokar/Trocart/Iroicart. Lat. tria wurde im Italienischen nach dem Vorbild von duo (s. zwei) zu Trio »Musikstück für drei Instrumente; die drei Ausführenden; Gruppe von drei Personen überhaupt substantiviert. Vgl. ferner die Duplizität bei den Ableitungen Trias und Trinität. Dreifuß »Gestell mit drei Füßen*: Das seit dem 11. Jh. bezeugte Substantiv (ahd. drtfuoz, mhd. drivuoz) ist eine Lehnübersetzung, die aus tri- »drei-< und poüs >Fuß< zusammengebildetes griech. tripous, Gen. tripodós »dreifüßiges Geschirr; dreifußiger Stuhl der Priesterin Pythia, die das Orakel in Delphi verkündete< (eigtl. »dreibeinig, dreifüßig*, vgl. drei, Fuß) wortwörtlich wiedergibt. Über lat. tripus vermittelt, aber nicht wie Polyp (s. Fuß) »»deglutieniert«, liegt der Gräzismus selbst in Tripus »Dreifuß, altgriechisches dreifüßiges Gestell für Gefäße, als Weihegeschenk und Siegespreis< vor. Im Unterschied zu dieser im Deutschen festgestellten Duplizität, die auf der Strukturgleichheit der Lehnübersetzung basiert und durch die genetische Identität von deren Bestandteilen bedingt ist, ist die bei engl. tripod »Dreifuß; Stativ* und tripos »Dreifuß; Universitätsexamen mit Auszeichnung an der Universität Cambridge* nachweisbare etymologische Duplizität eine Folge zweifacher Entlehnung.

drücken »pressen, belasten, bedrängen*: Für das germanische jan-Verb, dessen Semantik im Deutschen (ahd. drucchen, mhd. drücken/drucken) vielfach mit der von lat. premere übereinstimmt, wird »reiben, bedrängen* als Ausgangsbedeutung erschlossen. Seine oberdeutsche Lautform drucken ist durch Ausbleiben des Umlauts vor dem Guttural -kk- (vgl. Ortsnamen wie Innsbruck in Tirol gegenüber Saarbrücken, Osnabrück in Mittel- und Norddeutschland sowie Rucksack gegenüber zurück, s. Brücke, Rücken) gekennzeichnet. Nachdem Mitte des 15. Jh. die Kunst des

Dschungel Buchdrucks in Oberdeutschland erfunden worden war und sich gerade bei oberd. drucken die Bedeutung »Texte und Abbildungen maschinell vervielfältigen* entwickelt hatte, nahm auch drücken diese Bedeutung an und konkurrierte bis ins 17. Jh. mit drucken. Erst dann wurden die beiden ursprünglich regionalen Varianten semantisch geschieden, was auch die Herausbildung zusätzlicher Dublettenpaare wie abdrücken - abdrucken, aufdrücken - aufdrucken, ausdrücken - ausdrucken zur Folge hatte. Die Art, wie das neue technische Verfahren im (Ober)deutschen benannt wurde, scheint sich auf das Französische ausgewirkt zu haben, sofern ab Ende des 15. Jh. frz. imprimer nicht nur (entsprechend seiner Vorlage lat. imprimere) »ein-, aufdrücken*, sondern auch »drucken* zu bedeuten begann (s. Impressum), vgl. ferner mhd. presse »Weinpresse, Kelter* (12. Jh.), seit Anfang des 16. Jh. zusammen mit gleichbed. frz, presse auch »Buchdruckerpresse* (aus mlat. pressa, afrz. presse, zu lat. premere bzw. zu dem zugehörigen Intensivum pressare »drücken*).

Dryas »Silberwurz*: Das Rosengewächs ist nach griech. Dryäs, Gen. Dryädos »Waldnymphe, Baumgeist* (zu drys »Baum*) benannt. Die Bezeichnung für den weiblichen Baumgeist der griechischen Sage gelangte adäquat ins Lateinische: Dryas, Plur. Dryades. Auf der Grundlage der Pluralform oder des Akkusativs Singular Dryadem (vgl. Triade unter Trias) wurde in den romanischen Sprachen der Flexionsstamm des Gräzismus paradigmatisch verselbständigt und ergab sowohl frz. dryade (13. Jh.) als auch engl. dryad (14. Jh.) und dt. Dryade »Waldnymphe der griechischen Sage*.

Dschebel/Djebel/Dschabal »Berg, Gebirge*: Das als Bestandteil arabischer erdkundlicher Namen anzutreffende Wort gibt gleichbed. arab. gabel wieder, z. B. Djebel al-Tarik »Berg des Tarik* auf der Pyrenäenhalbinsel. Dieser Berg hieß ursprünglich Calpe, im Jahre 711 landete aber der arabisch-berberische Feldherr Tarik Ibn Sijad in seiner Nähe und ließ ein Kastell zur Sicherung des Übergangs nach Spanien anlegen. Nach ihm wurde Calpe Djebel al-Tarik benannt, worauf der Name der ganzen Halbinsel an der Südspitze Spaniens Gibraltar beruht. Dschungel »Urwald*: Im 19. Jh. über gleichbed. engl. jungle entlehnt aus Hindi jangal »Wald, Ödland* (älter jangalah »wasserarme, menschenleere, unfruchtbare Gegend*, zu aind. jängala- »trocken, spärlich bewachsen*), dessen Bedeutung sich über »unkultiviertes Land* zu »wild bewachsenes Land* entwickelt hat. In adäquater Laut- und Schriftform kehrt der Anglizismus in Jungle als Bezeichnung für eine Form der Technomusik mit Rap- und Reggaeeinflüssen wieder, vgl. ferner die ebenso im Duden-Fremdwör-

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Dublett terbuch verzeichnete und auf amerik. jungle style (eigtl. »Dschugelstil*, s. Stil) beruhende teilweise Eindeutschung Junglestil >Spielweise mit Dämpfern o. Ä. zur Erzeugung von Groll- oder Brummeffekten bei den Blasinstrumenten im Jazz*.

Dublett n. >zwei eng benachbarte Energieniveaus oder Spektrallinienc Als Fachausdruck der Kernphysik entlehnt gemäß Duden-Fremdwörterbuch aus frz. doublet >Elektronenpaar; DoppellinieDoppelstück; Doppeltreffer im Billard; Edelstein aus zwei verkitteten Teilen; Doppelschlag beim Boxen*. Seit Ende des 20. Jh. kommt es nunmehr im Anschluss an frz. und engl. doublet auch in der Sprachwissenschaft vor, und zwar teils synonym mit Variante, teils elliptisch für etymologische Dublette, d. h. mit der in diesem Lexikon gebrauchten Bedeutung »Wortpaare und Wortreihen, die in erster Linie durch die Auseinanderentwicklung und Verselbständigung (von Formen) eines existierenden, ausgestorbenen oder erschlossenen Erb- oder Lehnwortes entstanden sind*. Duchessa: Der italienische Adelstitel spiegelt ital. duchessa »Herzogin*, das Femininum zu duca »Herzog* (s. Dux) wider. Weitere weibliche Ableitungen von Kognaten des italienischen Maskulinums, die wie Contessa (s. Kontess) usw. eine Dublettenreihe bilden, sind Duchess »englischer Adelstitel* und Duchesse »Herzogin (in Frankreich)*, das zugleich Bezeichnung für ein schweres Seidengewebe mit glänzender Vorder- und matter Hinterseite in Atlasbindung ist.

Ductus »Gang, Verbindungsgang*: Der anatomische Terminus beruht auf lat. ductus »Zug, Führung, (Rohrleitung* (Abstraktum zu ducere »ziehen, leiten, führen*, urverwandt mit dt. ziehen), das als graphosemantische Dublette in Duktus »Schriftzug, Linienführung der Schriftzeichen; charakteristische Art der (künstlerischen) Formgebung* vorliegt. Ferner ist deglutiniertes lat. ductus Grundwort beispielsweise im Historismus Aquädukt (s. d.) und im medizinisch-biologischen Fachausdruck Ovidukt (s. Ei), vgl. auch Dux. Duell n.: Im 17. Jh. übernommen aus mlat. duellum »Zweikampf*, welches in Anlehnung an das Numerale duo »zwei* (s. zwei) volksetymologisch umgedeutetes alat, duellum n. »Krieg* fortführt. Im Ergeb-

nis des Lautwandels due- > be- entwickelte sich das altlateinische Wort im klassischen Latein regelrecht zu bellum, das aber - ungeachtet der beibehaltenen ursprünglichen Bedeutung »Krieg* - später in den romanischen Sprachen vom Germanismus afränk. * werra »Streit, Krieg* zurückgedrängt wurde (vgl. dessen gutturalisierte Vertreter frz. guerre, ital., span. guerra »Krieg*). Sofern im Deutschen der paradigmatische Zusammenhang der Kasusformen von bellum seinen Sinn verloren hat, lassen sich darauf beruhende lateinische Entlehnungen als etymologische Dubletten sowohl von Duell als auch untereinander ansehen. Das gilt beispielsweise für das Hinterglied des Femininums Parabellum f. »Pistole mit Selbstladevorrichtung* (Genus nach Pistole bzw. Parabellumpistole). Der als deutsches Warenzeichen geprägte Name stellt eigentlich eine Zusammenrückung dar aus elliptisch gekürztem lat. (si vis pacem,) para bellum »(wenn du Frieden willst,) bereite den Krieg vor*, einer Sentenz aus dem Handbuch der Militärwissenschaft von Flavius Vegetius Ranatus (um 400), vgl. Pax. Er setzt sich also aus para, dem Imperativ Singular zu parare »vorbereiten, rüsten* (vgl. Imperium, separat), und dem Akkusativ von bellum »Krieg* zusammen. Die Genitivform von bellum ist in der Fügung Casus Belli »kriegsauslösendes Ereignis* (eigtl. »Kriegsfall*, s. Kasus) enthalten. Recht populär, wenn auch nicht lexikalisiert, ist außerdem der Titel von G. J. Cäsars Werk über den Krieg in Gallien »»De bello Gallico«, in dem der Gattungsname im Ablativ auftritt.

Düffel »dickes, aufgerautes Halbwollgewebe*: Der Stoff führt den Namen der nordbelgischen Stadt Duffel (Provinz Antwerpen), die sich im 17. Jh. ihrer blühenden Textilindustrie erfreute. Die Stoffbezeichnung ist eher direkt aus gleichbed. niederl. duffel denn über engl. duffel/duffle entlehnt worden. Aus engl. duffle coat wurde im 20. Jh. Dufflecoat »dreiviertellanger, meist mit Knebeln zu schließender Sportmantel* (s. Kutte) übernommen. dumm: Durch Assimilation mp/mb > mm entstanden aus mhd. tump, Gen. tumbes »töricht, unerfahren, stumm*, ahd. tumb »stumm, taub, töricht*, das wie engl. dumb »stumpi* auf germ. *dumba- »stumm* (wahrscheinlich eine nasalierte nullstufige Form der unter taub aufgeführten indogermanischen Wurzel *dheubh- »verdunkelt, umnebelt, verwirrt*) zurückgeht. Wiederbelebt erscheint das auch im Anlaut etymologisch korrektere mhd. tump in tumb »arglos, einfältig-naiv*, zitiert aus der Bezeichnung Parzivals als tumben toren »unerfahrenen, jungen Toren*. Der englische Kognat begegnet uns im Exotismus Dumb Show/Dumbs/iow »Pantomime im älteren englischen Drama, die vor der Aufführung die Handlung verdeutlichen sollte* (eigtl. »stumme Schau*, s. Schau).

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Düne »Sandhügel«: Das im 16. Jh. über das Mittelniederdeutsche aus gleichbed. mniederl. düne entlehnte und lautlich an die ältere Aussprache von niederl. duin >Düne< angelehnte Wort wird von W. Pfeifer und im Duden-Herkunftswörterbuch zusammen mit aengl. dün »Hügel, Höhe, Berg< und ahd. düna »Vorgebirge, Kap< auf idg. *dheu- »stieben, wirbeln« (s. Dunst) unter Ansetzung einer Ausgangsbedeu tung »das vom Wind Aufgewirbelte, Zusammengeblasene< zurückgeführt. E. Seebold hält die Herkunft der von ihm erschlossenen westgermanischen Grundlage *dünö(n) »Hügel< für unklar, unter Showdown »Entscheidungskampf« (aus engl. showdown, eigtl. »das Aufdecken der Karten beim Pokernsehr strahlend, sehr berühmt< (eigtl. erleuchtet*) diente, wurde seit dem 15. Jh. in substantivischer Verwendung zum Titel fürstlicher Personen und setzte sich im Neuhochdeutschen gegen Durchleucht durch: Durchlaucht »Titel und Anrede für Fürsten bzw. Träger dieses Titels* (vgl. erlaucht unter erleuchtet).

dürr: Über germ. *purzü- geht das zu den ja-Stämmen übergetretene deutsche Eigenschaftswort (mhd. dürre, ahd. durri) zurück auf idg. *trsü- >trocken austrocknen, verdorren*. Die normalstufige Form *tersa eines auf dieser Basis erschlossenen indogermanischen Adjektivs liegt substantiviert vor in lat. terra, Gen. Sing., Nom. Plur. terrae >Erde; Land* (eigtl. >die Trockene*). Daraus und über formgleiches ital. terra stammt das gleichbedeutende Fremdwort Terra etwa in (lat.) Terra incognita »unbekanntes Land*, (ital.) Terra di Siena >Sienaerdegebrannter Ton; Gefäß oder Bildwerk daraus* (< ital. terracotta, eigtl. >gebrannte Erde*, zum Hinterglied s. Biskotte, eigtl. >zweimal Gebackenes*). Der Nominativ Plural und der Genitiv Plural sind in Terrae »gebirgige Hochländer der Mondkruste, welche die Maria um einige tausend Meter überragen* und in Orbis Terrarum »Erdkreis, bewohnte Erde, Welt* (s. Orbis) repräsentiert. Verdunkelt steckt der Genitiv Singular terrae in Kartoffel, entstanden im 17. Jh. durch Dissimilation t-t>k-t aus TartoffelTartuffel, dies aus ital. veraltet tartufolotartufo »Trüffel* < vlat. * terrae tufer für spätlat. terrae tuber »Erdknolle*. Der französische Fortsetzer ist enthalten in parterre »zu ebener Erde* (aus gleichbed. frz. parterre, eigtl. »auf der Erde*, vgl. vor) bzw. in Parterre älter »ebenes Gartenbeet; zur ebenen Erde liegender Zuschauerraum im Theater*, heute in der erst im Deutschen entstandenen Bedeutung »Erdgeschoss* (dafür frz. rez-dechausée > dt. veraltet Rez-de-Chaussée »Erdgeschoss*, eigtl. »auf gleicher Höhe mit der Straße*). Durch gesetzmäßige Diphthongierung des kurzen -e- in terra hat sich der spanische Reflex tierra »Erde; Land* entwickelt, vgl. den Fachausdruck der Klimatologie Tierra templada »die mittlere klimatische Höhenstufe in den tropischen Gebirgsländern Mittel- und Südamerikas* (eigtl. »gemäßigtes Land*, Attribut: das Partizip Perfekt von templar »mäßigen* aus gleichbed. lat. temperare, s. temperieren). Vgl. ferner Terrain, Terrarium, Terrasse. Dusel »Benommenheit, Schwindel; unverdientes Glück*: Im 16. Jh. übernommen aus niederd. Dusel »Betäubung, Rausch, Halbschlaf* (verwandt mit

ebenfalls dem Niederdeutschen entstammenden dösig.»schwindlig, benommen, schläfrig*, dösen »halb schlafen*). Eine auf Vokalkürzung beruhende Nebenform von Dusel liegt in der Personifizierung Dussel »Dummkopf* vor, die seit dem 19. Jh. bezeugt ist und eigentlich jemanden, der schläft oder einen Rausch hat, bezeichnet. Dux »Führer einer Heeresabteilung im Römischen Reich; im Mittelalter königlicher Amtsträger mit vorwiegend militärischen Aufgaben*: Außer als Historismus wird das Fremdwort als musikalischer Fachausdruck zur Bezeichnung eines meist einstimmigen Fugenthemas in der Haupttonart, das im Comes (s. d.) mündet, gebraucht. Ihm liegt lat. dux »Führer* (zu ducere »ziehen, leiten, führen*, s. Ductus) zugrunde, dessen Akkusativ ducem im Titel des ehemaligen Staatsoberhauptes in Venedig und Genua ital. (venez.) doge fortlebt und über frz. doge dt. Doge lieferte. Eine seit dem 14. Jh. dokumentierte gelehrte Übernahme derselben Kasusform des lateinischen Wortes ist ital. duce »Führer*, 1922-1943 auf den Führer des italienischen Faschismus B. Mussolini (Il Duce, daher dt. Duce ) bezogen. Der Akkusativ doüka des aus lat. dux stammenden Gräzismus dux »Führer* ergab sowohl ital. duca »Herzog* als auch entsprechend frz. due und engl. duke, die als Exotismen auch im Deutschen verzeichnet werden: Duca »italienischer Adelstitel, Herzog*, Duc »höchste Rangstufe des Adels in Frankreich* (veraltet auch »zweisitziges, vierrädriges Luxusgefährt für Damen*), Duke »höchste Rangstufe des Adels in England* (auch Personenname). Die einst gängige Annahme, DuckDückdalbe »Pfahlbündel zum Befestigen von Schiffen* beruhe auf dem Namen von Herzog Alba (frz. Duc d’Alba), ist vielfach zugunsten der Herleitung seiner niederländischen Vorlage dukdalfaus dallen »Pfähle* und ducken »sich neigen; tauchen* (also etwa »geneigte, eingetauchte Pfähle*) aufgegeben worden. Dyn: Die veraltete Einheit der Kraft (vgl. frz. dyne seit dem 1881 in Paris abgehaltenen Kongress der Physiker) ist eine Kopffragmentierung aus griech. dynamis »Kraft, Vermögen* (zu dynasthai »vermögen*), das dem philosophischen Fachbegriff Dynamis »Kraft, Vermögen, eine Veränderung herbeizuführen* zugrunde liegt. Unter Heranziehung der Kompositions form dynamo- des griechischen Wortes nannte W. Siemens 1867 das von ihm konstruierte Gerät zur Umwandlung mechanischer Kraft in Elektrizität dynamo-elektrische Maschine oder Dynamo-Maschine. Diese Bezeichnungen ergaben engl. dynamoelectric machine und dynamomachine, seit 1882 auch die Isolierung dynamo, woraus dt. Dynamo m. (heute als im Genus abweichende Kurzform von Dynamomaschine f. interpretiert) stammt.

echt: Seit dem 13. Jh. in der Bedeutung »unverfälscht, rein< aus der niederdeutschen Rechtssprache eingedrungener Kognat von mhd. èhaft »gesetzlich, gesetzmäßig, rechtsgültig; ehelich geboren* (über die konsonantische Relation vgl. sacht unter sanft, Schacht unter Schaft1 ). Beide Adjektive setzen sich zusammen aus mhd., mnd. è(we) »Ewigkeit; Recht, Gesetz; Ehevertrag, Ehe* und dem suffixartig gebrauchten Verbaladjektiv haft »gebunden, gefangen*, -haft »haltend* (verwandt mit heben, s. d.). Eine Fortsetzung von mhd. èhaft ist oberd., Schweiz, veraltend ehehaft »gesetzlich, rechtsgültig* (etwa in der Fügung ehehafte Not »gesetzlicher Notstand*), d.h. mit derselben Zerdehnung des langen e wie in Ehe. Dieses ist übrigens nach E. Seebold vielleicht mit lat. ius »Recht* (s. Jus) urverwandt, während W. Pfeifer und andere Forscher eine mögliche Verbindung mit ahd. ewa »Ewigkeit; Recht, Gesetz* erwägen, was Ehe mit je (s. d.) mehr oder weniger in etymologischen Zusammenhang bringen würde.

Ecke: Über mhd. ecke/egge »Schneide einer Waffe; Spitze; Ecke, Kante, Winkel* und ahd. ekka/egga »Schneide; Spitze, Ecke* geht das Femininum wie engl. edge »Schärfe, Schneide; Ecke; Rand, Kante* zurück auf germ. *agjö »Schärfe, Kante* (zu idg. *ak’~, *ok’- »scharf, spitz, kantig*, vgl. die unter Acid und akut angedeutete Elementarverwandtschaft mit diesen Latinismen). Im heutigen Konsonantismus des Wortes spiegelt sich die im Hochdeutschen stattgefundene, dem Niederdeutschen fremde Verschiebung von germ, -gg- zu -kk-, vgl. seinen niederdeutschen Kognaten Egge, der im Fachwort Egge1 »Web-, Salkante* vorliegt (der homonyme Name des Ackergerätes Egge1 ist mit Ecke und Egge1 nicht etymologisch identisch, sondern lediglich wurzelverwandt). Apokopiert und mit unbehauchtem stimmlosem Auslaut ausgesprochen, ist Schweiz. Egg »Ende eines Hügelzuges, Ausläufer eines Berges, langgestreckte Anhöhe* nach K. Meyer meist nicht mehr eigentliches Gattungswort, sondern mindestens im Übergang zum Örtlichkeitsnamen. Die seit dem 13. Jh. im Oberdeutschen aufgekommene und wohl der Apokope zu verdankende neutrale Nebenform Eck hat in der Bezeichnung geometrischer Figuren wie etwa Drei-, Vier-, Rechteck alleinige Geltung gewonnen

(manche Autoren erwägen allerdings bei diesen auch mögliche Rückbildung aus dreieckig usw.). In seiner uralten, nach mittelhochdeutscher Zeit aufgegebenen Bedeutung »Spitze oder Schneide eines Schwertes; Schwert; Kante, Winkel* tritt das Wort auf zum einen als Vorderglied der mit ahd. beraht »glänzend* bzw. hart »hart* komponierten männlichen Vornamen Egbert/Egbrecht/Eckbert/Eckbrecht (etwa »der mit dem glänzenden Schwert*) und Eckart/Eckehard/Eckhart (etwa »der mit dem harten Schwert*), zum anderen als Grundwort von Burgennamen, das auf die exponierte Lage einer Burg hinweist: Lahn-, Rhein-, Waldeck. Der englische Kognat ist seinerseits in Hardeàge, der Bezeichnung einer Richtung in der modernen Malerei, die klare geometrische Formen und kontrastreiche Farben verwendet (eigtl. »harte Kante*, vgl. hart), enthalten.

Ecossais m. »groß karierter Kleider- und Futterstoffe Das Fremdwort gibt das aus der Fügung tissu écossais (wörtl. »schottischer Stoff*, vgl. Text1) herausgelöste Maskulinum des französischen Adjektivs écossais »schottisch* adäquat wieder. Dessen aus danse écossaise »schottischer Tanz* (vgl. Tanz) verselbständigtes Femininum liegt seinerseits vor in der morphosemantischen Dublette Ecossaise/Ekossaise f. »schottischer Volkstanz im Dreiertakt; Gesellschaftstanz des 18./19. Jh.*. Frz. écossais ist von Scosse (< lat. Scotia »Schottland*) mit dem altfranzösischen Suffix -eis abgeleitet, das den akkusativischen Ausgang -ensem lateinischer Adjektive auf -ensis fortsetzt. Das ist der Grund, weshalb sich dieses Dublettenpaar nicht an die unter schottisch behandelten anders strukturierten Dubletten anschließen kann. Effekt »Wirkung, Erfolg; Ergebnis*: Das Substantiv ist im 16. Jh. aus gleichbed. lat. effectus (Abstraktum zu efficere »hervorbringen, bewirken*, einer Präfigierung von facere »tun*, s. Fazit, mit dem lautlich angeglichenen Präfix ex- »aus, heraus*, s. ex) entlehnt und bildet den regelrechten Plural Effekte. Als etymologische Dublette existiert daneben nur im Plural übliches Effekten »Wertpapiere (Aktien, Obligationen, Pfandbriefe u.Ä.), die an der Börse gehandelt werden und der Kapitalanlage dienen*, eine Relatinisierung von seit dem 17. Jh. bezeugtem Effecti/Effetti für ital. effetti »Wertpapiere* bzw. gleichbed. frz. effets,

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Égalité die mit Assimilation t(t) < et ebenfalls auf lat. effectus beruhen. Der Singular frz. effet >Wirkung< ergab Ende des 19. Jh. dt. Effet »Drall einer (Billard)kugel oder eines (Fuß)balls< (ugs. »Kraft, Schwung, Nachdruckallein liegendes Land< (12.-14. Jh.) eine autochthone hochdeutsche Wortschöpfung oder nur eine teilweise Umdeutung von über das Mittelniederdeutsche vermitteltem afries. eiland >Insel< darstellt. Auf jeden Fall gilt das seit dem 13.-14. Jh. bezeugte hochd. Eiland nicht als Fortsetzung von mhd. ei(n)lant, sondern als eigenständige Übernahme aus dem Niederdeutschen. Strukturgleich mit dem im Friesischen entstandenen eiland, einer Verdeutlichung des alten germanischen Wortes für >Insel< *agwjö- (eigtl. >die zum Wasser Gehörendes s. Au), ist aengl. igland/igland >Inseldie lange Inselnicht einesehemals; in Zukunft« ein schon im Spätalthochdeutschen mit epithetischem -t auftretender adverbialer Genitiv ein(e)st »einmal, irgendeinmah präsentiert. Entstelltes ahd. ein ist Vorderglied der Konjunktion entweder, eigtl. >eins von beiden« (zu weder >welcher von beiden«, vermutlich mit eingeschobenem Dental als Gleitlaut) und des Numerales e//(< mhd., ahd. einlif, ursprünglich wohl im Sinne von >eins darüber, eins bleibt übrig«, nach E. Seebold eine Formation als Relikt eines Kontrastes zwischen einem Zehner- und einem Zwölfer-System, vgl. zwölf unter zwei). Mit seinem englischen Kognaten one (etwa in Onestepp >Anfang des 20. Jh. in den USA entstandener, auch Schieber genannter schneller Tanz«, eigtl. >Einschritt«, s. Stapfe) geht dt. ein1 über germ. *aina- >ein< zurück auf gleichbed. idg. *oinos, ererbt auch in alat. oinos, woraus lat. unus m. {una f., unum n.) stammt. Dessen Akkusativ und die Negation ne (also *ne oinom) sind über alat. noenum zu lat. non zusammengerückt, vgl. sein Vorhandensein bzw. den gebundenen Auftritt des entstellten Kognaten im Zitat non vitae, sed scholae discimus >nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir« (s. Vita, Schule), gewöhnlich präfixartig non- >nicht-, un-, ohne« in lateinischen, französischen, heutzutage meist englischen Bildungen etwa in Non-Paper

Eiscreme (s. Papier), Nonsens >Unsinn< (s. Sensus) u.a.m. Das Maskulinum des Latinismus liegt im Nominativ und im Ablativ vor in den Wortfügungen unus pro multis »einer für viele« (s. vor, molto) bzw. uno actu >in einem Akt, ohne Unterbrechung« (s. Actus), sein Akkusativ in der Einleitung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses Credo in unum deum >Ich glaube an den einen Gott« (s. Kredo, in, Ziu), das Femininum in der Selbstbezeichnung der römisch-katholischen Kirche Una Sancta >die eine heilige katholische und apostolische Kirche« (s. Sanctus), das mit dem Akkustaiv des Maskulinums gleich lautende Nominativ und Akkusativ des Neutrums im USA-Wahlspruch e pluribus unum >aus mehreren eines« (s. ex, plus) und die Kompositionsform uni- (zugleich Wortbildungselement mit der Bedeutung >ein-; nur einmal vorhanden; einheitlich«) in der Kopfisolierung Uni aus Universität, im 14. Jh. entlehnt aus lat. universitas, Gen. universitatis »Gemeinsamkeit, Gemeinschaft (der Lehrenden und Lernenden)«, einem Abstraktum zu universus >ganz, sämtlich« (s. versus). Der aus seinem italienischen Reflex uno entwickelte unbestimmte Artikel un ist in der musikalischen Anweisung un poco largo >ein wenig breit« (s. poco, largo) und dessen französischer Kognat un >ein« in dem Namen des Kartenglücksspiels Trente-et~un (eigtl. >einunddreißig10« (s. zehn) gebildet und lebt im stark modifizierten frz. onze »elf« fort, vgl. den adäquat übernommenen Namen eines anderen Kartenglücksspiels Onze et demi (eigtl. >elfeinhalb«, s. et, mitten).

Eis: Diphthongiert aus mhd., ahd. is, das germ. *isa»Eis« fortführt, worauf auch gleichbed. anord. iss und - ebenfalls diphthongiertes - engl. ice zurückgehen. Das altnordische Wort tritt im Namen des Inselstaates Island (wörtl. >EislandEiskrem, Fruchteis« (s. Eiscreme). Nichts mit Eis zu tun hat das Vorderglied von Eisbein (s. Ischium). Eiscreme/Eiskrem >Speise-, Sahneeis«: Das aus Eis und Creme/Krem (s. Eis, Chrisam) komponierte Wort ist entweder Lehnübersetzung von amerik. ice cream »Fruchteis« (urspr. iced cream, wörtl. »gefrorene Creme«) oder wie dieses möglicherweise Lehnbildung nach frz. crème glacée »gefrorene Creme« anzusehen, vgl. Softeis »sahniges Speiseeis«, gebildet nach gleichbed. engl. soft ice-cream (s. sanft). Auf jeden Fall ist die deutsche Zusammensetzung strukturgleich mit dem im Duden-Fremdwörterbuch als englische Bezeichnung für Eiskrem, Fruchteis aufgeführten Icecream.

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Eisen Eisen: Der neuhochdeutsche Name des im Lateinischen ferrum (s. Ferrum) heißenden Schwermetalls geht über mhd. isen/iser/isern, ahd. isan/isarn auf germ. *isarna- zurück, das aus gleichbed. kelt. *isarno- oder mit diesem aus einer dritten Sprache entlehnt ist. Die von E. Seebold hervorgehobene unregelmäßige lautliche Vereinfachung von -rn- zeigt sich auch beim englischen Kognaten iron >Eisen< (aus aengl. tsern/isen/iren), der heute wie dt. Eisen diphthongiert auftritt und in einigen Fremdwörtern vorliegt: Ironman/Iron Man >Triathlonwettkampf über extrem lange Streckern (s. man), Irons Plur. »Golfschläger aus Metall*. Spuren vom -r- sind - außer im Adjektiv eisern (aus mhd. iserin/isern neben isenin/isnin/isin) - feststellbar im Ortsnamen Iserlohn (1215 Iserenlon, Grundwort Dativ Plural von mnd. lö »Wald, Gehölz daher nach E. Wasserzieher >Wald im Eisenerzgebiets s. Loh). Nicht diphthongierte (Kurz)formen is(en)- sind erster Bestandteil veralteter Vornamen wie isbert/Isenbert (s. Albrecht unter Ade/), Isger/Isenger (s. Ger), möglicherweise Isolde (wenn nicht keltisch und wenn mit Grundwort wie in Herold, s. d.). Hierher gehört schließlich der Name des Wolfs im Tierepos Isegrim (seit dem 18. Jh. in Anlehnung an grimmig auch »mürrischer MenschEisenhelm lz ins Romanische und ergab außer dem altfranzösischen Wort auch mlat. smaltum und ital. smalto, aus dem Schmalte/Smalte »pulverig gemahlener, kobaltblauer Farbstoff für feuerfeste Glasurem rückentlehnt wurde. Geht man davon aus, dass dt. schmelzen über gleichbed. ahd. smelzan germ. *smelta- »zerfließen, Schmelzern fortführt und dass von diesem abgeleitetes germ, ^smalta- ursprünglich »Verflüssigtes, Geschmolzenes« bedeutet haben soll, lässt sich annehmen, dass afränk. *smalt »Schmelz« und bereits verschobenes, semantisch spezialisiertes ahd. smalz »Schmalz« nicht nur formal übereinstimmen, sondern herkunftsgleich sind, so dass auch Schmalz »ausgelassenes Fett« dem obigen Dublettenpaar zuzurechnen wäre. Zudem verzeichnet das DudenFremdwörterbuch den auf dem entstellten Plural des Gallizismus émaux beruhenden Archaismus Amause »Email; Schmuckstein aus Glas«. Emanation »Ausströmen; Ausstrahlung«: Das Fremdwort, das gleichbed. lat. emanatio (Abstraktum zu emanare »ausströmen«, woher dt. emanieren »ausströmen, ausstrahlen«) vertritt und schon von den Mystikern mit Durchfluss eingedeutscht wurde, bezeichnete eine Zeit lang auch die drei gasförmigen radioaktiven Isotope des Edelgases Radon. Eine Kopffragmentierung davon ist die in der Bäderkunde verwendete, nichtgesetzliche Maßeinheit für den radioaktiven Gehalt von Quellwässern Eman (1 Eman = io-10 Curie/Liter = 3,7 Becquerel/Liter).

Ende: Das Erbwort beruht wie gleichbed. engl. end auf germ. *andija-, einer Ableitung von *anda- »gegenüber« (dazu das Präfix in Antlitz, Antwort sowie das abgeschwächte Verbalpräfix ent-, s. anti), das über gleichbed. idg. *anta- auf ein Substantiv *ants »Vorderseite, Stirn, Gesicht« (vgl. E. Seebolds Interpretation des indogermanischen Ansatzes unter und) zurückgeht. Für erstarrte Kasusformen davon hält man griech. anti »angesichts, entgegen, gegenüber« (vertreten im Wortbildungselement Anti-/anti- etwa in Antipode »Gegner«, eigtl. »Gegenfüßler«, s. Fuß) und lat. ante »vor« (vgl. antik). Der englische Kognat tritt auf etwa in open end »ohne festgelegten Schluss der Veranstaltung« (eigtl. »offenes Ende«, z.B. Open-EndDiskussion, s. offen), Weekend (s. Wochenende), Happyend »guter Ausgang eines Konflikts« (aus engl. happy end »glückliches Ende«). Gebunden erscheint das deutsche Wort in dem aus mhd. seihende »gewebtes, nicht geschnittenes Ende« hervorgegangenen und ostmitteldeutschen Wandel e> a aufweisenden Sa/feand »Webkante; Berührungsfläche eines Ganges mit dem Nebengestein« (eigtl. »eigenes Ende«, s. selb).

Energie Energie »Tatkraft, Spannkraft; Fähigkeit, Arbeit zu leisten«: Im 18. Jh. über gleichbed. frz. énergie und spätlat. energia >Wirksamkeit< entlehnt aus griech. enérgeia >Wirksamkeit, wirkende Kraft< (Abstraktum zu energés »wirkend, kräftig«, einer Ableitung von érgon »Werk, Wirken« mit Präfix en- »hinein«). Auf das griechische Wort, das in der aristotelischen Philosophie »Tätigkeit, Tatkraft, Bereitschaft zum Handeln« bedeutet, greift W. von Humboldt zurück, um es in seiner ursprünglichen Lautgestalt Energeia als Begriff zur Bezeichnung von Sprache als Tätigkeit und wirkende Kraft (im Gegensatz zu Sprache als statischem Gebilde, nämlich Ergon, s. Werg) zu verwenden. eng: Das heutige Adjektiv war ursprünglich ein uStamm (germ. *angu-, dazu ahd. angust eigtl. »Beklemmung« > nhd. Angst), das voralthochdeutsch zu den ja-Stämmen übergetreten war und ahd. engi, adverbial ango lautete. Aus der Verknüpfung dieses im Mittelhochdeutschen ange lautenden Adjektivadverbs mit aus ahd. bi »bei« (s. um) entstandenem be entwickelte sich zunächst auf nieder- und mitteldeutschem Boden die zusammengerückte adverbiale Fügung bange im Sinne von »beengt, beklommen«, worauf seit dem 17. Jh. auch adjektivisch gebrauchtes bang(e) beruht (zur Begründung der Duplizität s. fest). Engel: Die seit dem 8. Jh. bezeugte Bezeichnung für die im christlichen Glauben als Sendboten Gottes benannten Mittelwesen zwischen Gott und Mensch wurde entweder über gleichbed. kirchenlat. angelus oder durch gotische Vermittlung im Zuge der arianischen Mission aus griech. angelos entlehnt, das zwar im Neuen Testament hebr. maPäk »Bote (Gottes)« übersetzt, selbst aber (unter Hinweis auf griech. ängaros »reitender persischer Eilbote«) für ein Fremdwort orientalischen Ursprungs gehalten wird. Dessen Kompositionsform angelo- ist z. B. erster Bestandteil der Zusammensetzung Angelologie »Lehre von den Engeln« (vgl. Logo). Im Althochdeutschen ist der eZ-Auslaut der Entlehnung durch das geläufige germanische Suffix -il ersetzt worden, was den Umlaut *angil > engil in der Wurzel zur Folge hatte. Dieser ist dagegen ausgeblieben im ebenfalls früh übernommenen Lehnwort Evangelium, dem griech. eu- »gut-, wohl-« in Verbindung mit ängelos zugrunde liegt und eigentlich »gute Botschaft, Frohbotschaft (von der Ankunft des Erlösers)« bedeutet (vgl. Gospel unter gut). Die lateinische Lautform Angelus gebraucht man im Deutschen und Englischen unverändert als Bezeichnung für das katholische Gebet bei dem Angelusläuten sowie für das Glockenzeichen vor diesem Gebet (so genannt nach dessen Anfangswort Angelus Domini nuntiavit Mariae »der Engel des Herrn brachte Maria die Bot-

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schaft«). Der Gattungsname ist in manchen Sprachen als männlicher Vorname mit weiblichen Entsprechungen üblich, z.B. engl. Angel oder ital. Angelo (weibliche Form zu beiden: Angela). Die Pluralform von span, angel liegt - englisch gesprochen - zusammen mit der Pluralform des maskulinen bestimmten Artikels el vor im aus Reina de los Angeles gekürzten Namen der 1781 von Spaniern gegründeten größten Stadt Kaliforniens Los Angeles (wörtl. »die Engel«), der ursprünglich Pueblo deNuestra Sonora la Reina de los Angeles de Porciüncula (d.h. »Siedlung Unserer Frau Königin der Engel von Porciüncula«, vgl. Pöbel, de1, Notre-Dame, Senhora) gelautet haben soll, heute jedoch umgangssprachlich vielfach auf die buchstabiert gesprochene Kürzung LA reduziert wird. Auf kirchenlat. angelus beruht schließlich gleichbed. frz. ange, enthalten im Fachausdruck Peau d’Ange »weicher Crèpe Satin« (eigtl. »Engelshaut«, s. Fell, de}). Ephorus1: Latinisierter Name eines um 340 v. Chr. gestorbenen griechischen Geschichtsschreibers, der mit dem Gattungsnamen griech. éphoros »Aufseher« (zu ephorän »auf etwas sehen«) identisch ist. Deglutiniert liegt dieser vor im Historismus Ephor »einer der fünf jährlich gewählten höchsten Beamten im antiken Sparta, welche die Aufsicht über die Einhaltung der Gesetze und die Tätigkeit der Beamten (einschließlich der Feldherren und Könige) ausübten«. Mit gleich lautendem Plural Ephoren stellt sich dazu die über kirchenlat. ephorus übernommene etymologische Dublette Ephorus2 »Dekan bzw. Superintendent in der reformierten Kirche; Leiter eines evangelischen Predigerseminars«. Episkop »Projektor für undurchsichtige Bilder«: Entstanden auf der Basis des präfixartig auftretenden epi- »darauf, darüber« (< gleichbed. griech. epi) und des reihenbildenden Grundwortes -skop (zu griech. skopein »betrachten«) in Gerätebezeichnungen wie Auriskop (s. Ohr), Konchoskop (s. Koncha), Dia-, Mikro-, Teleskop. Aus denselben lexikalischen Elementen wurde schon im Griechischen die Personenbezeichnung episkopos »Aufseher« gebildet, das kirchenlat. episcopus »Aufseher, Bischof« (vgl. Summus Episcopus »der Papst; bis 1918 evangelischer deutscher Landesfürst als Haupt seiner Landeskirche«, eigtl. »oberster Bischof«, s. Summe) lieferte. Dieses spiegelt sich in gleichbed. dt. Episkopus wider, zu dem sich die etymologisch adäquate Dublette Episkop stellt. Zuvor hat aber lat. episcopus über vlat. *biscopus ahd. biscof ergeben, welches ftbèr mhd. bischof in Bischof neben der synonymen etymologischen Dublette Episkopus fortlebt. Das analoge englische Appellativ tritt nicht selten auch als Familienname Bishop auf wie der westslawisch-niederdeutsche Biskop/Biskup.

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Epoche1 »größerer Zeitabschnitt; Zeitpunkt des Standorts eines Gestirns*: Im 18. Jh. entlehnt über lat. epocha aus griech. epoche »Gestirnposition; fester Zeitpunkt (eigtl. »Anhalten, Haltepunkt, zu epéchein »anhaltens gebildet aus échein >halten< und der Kurzform ep- des Präfixes epi- »darauf, darüber, nacherleuchten, sehend machen; aufleuchten* (bzw. ahd. irliuhten, einer Präfigierung des von lioht abgeleiteten liuhten Feuchten*, s. licht) diphthongiert wurde. Seine mitteldeutsche, nur scheinbar Rückumlaut aufweisende Lautvariante mhd. durchlüht dient seit dem 15. Jh. zur Wiedergabe von lat. illustris >strahlend; angesehen, berühmt* (eigtl. >erleuchtethochstehend, erhaben, gnädig* bzw. der Titel und die Anrede für einen Grafen Erlaucht als heute veraltete etymologische Dubletten von erleuchtet. Ernst: Durch Synkope lautlich umgestaltet aus mhd. ern(e)st, ahd. ernust, das über germ. *ernusti- >Ernst, Festigkeit, Kampfeseifer* (eigtl. »entschiedenes Auftreten*) auf ein fs^ti-Abstraktum zur indogermanischen Verbalwurzel *er- >sich bewegen, sich erregen, sich gegen jemanden erheben* zurückführbar ist. Aus dem prädikativen Gebrauch in Wendungen wie es ist mir Ernst wurde das Substantiv seit dem 16. Jh. in das Adjektiv ernst umfunktioniert. Ernst fungiert zugleich als einer der seltenen eingliedrigen germanischen Personennamen, der in der latinisierten Form Ernestus auch in die romanischen Sprachen gelangte und zur Quelle der männlichen Vornamen frz. (und engl.) Ernest, ital., span. Ernesto wurde.

es: Obwohl nicht so auffällig wie bei den Zahlwörtern (s. ein bis zehn und hundert), sind auch im Bereich der Personalpronomen der indogermanischen Sprachen (vgl. ich) erhebliche lexikalische Übereinstimmungen feststellbar. Das sächliche Pronomen es (ahd., mhd. iz/ez) ist in voralthochdeutscher Zeit durch Spirantisierung des postvokalischen -t in germ. *it»es< (woraus gleichbed. engl. it) entstanden, das selbst aus dem indogermanischen Demonstrativum *id - etwa in lat. id >dieses; das(jenige); es* hervorgegangen ist. Sein lateinischer Kognat liegt adäquat und verstümmelt vor in der veraltenden Wendung id est >das ist, das heißt* (Abkürzung: i. e.\ s. ist) sowie substantiviert im Fachausdruck der Tiefenpsychologie Id >das Unbewusste; Es* bzw. in dem zur wiederholten Angabe des Autorennamens bei Zitaten (meist abgekürzt id.) gebrauchten idem derselbe; dasselbe* (aus gleichbed. lat. idem < *iddem, bestehend aus id und dem adverbialen Wortbil-

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dungselement -dem, vgl. ferner den unter ist aufgeführten Spruch si duo faciunt idem, non est idem »wenn zwei dasselbe tun, ist es [doch] nicht dasselbe*). Engl. it ist z.B. in As You Like It, dem englischen Titel von »Wie es euch gefällt«, enthalten, der wie die Originaltitel anderer Komödien von Shakespeare mehr oder weniger in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist. Eskimo: Die Bezeichnung für die Angehörigen des im arktischen Norden und auf der Tschuktschenhalbinsel ansässigen mongoliden Volkes (Selbstbezeichnung Inuit »Menschen*) wird über engl. Eskimo auf indian. eskimantsik zurückgeführt und im Sinne von >Rohfleischesser< gedeutet. Es wird angenommen, dass im 19. Jh. über eine fragmentierte und entstellte amerikanische Variante Esky dieser Bezeichnung der Name einer mittelgroßen, spitzähnlichen Hunderasse husky entstanden ist, der auch ins Deutsche Aufnahme gefunden hat: Husky >Eskimo-, Polarhund*. Espagnol/Spaniol: Im variierenden Namen eines spanischen Schnupftabaks spiegelt sich adäquat bzw. eingedeutscht das substantivierte Adjektiv frz. espagnol >spanisch< für span, espahol »spanisch; Spanier* (< vlat. *hispaniolus, zu lat. Hispania »Spanien*) wider. Dessen Femininum ist aus frz. danse espagnole »spanischer Tanz* verselbständigt und liegt in gleichbed. dt. Espagnole vor. Im 19. Jh. wurde Spaniel als Bezeichnung einer Hunderasse mit großen Schlappohren und seidigem Fell aus gleichbed. engl. spaniel entlehnt, das im Sinne von »spanischer Hund* (eigtl. »Spanier*) über afrz. espaignol (heute épagneul > dt. Epagneul »ein französischer Stöber- und Haushund*) auf dieselbe Grundlage zurückgeht. Mit Aphärese ist auch eine weitere Substantivierung des spanischen Adjektivs ins Deutsche gelangt: Spaniole »Nachkomme von einst aus Spanien vertriebenen Juden*.

Esquire: Der in englischen Anschriften im Sinne von »Hochwohlgeboren* gebrauchte Höflichkeitstitel (Abkürzung: Esq.) ist aus einem mittelalterlichen Adelstitel hervorgegangen, der über afrz. esquier »Schildknappe* auf lat. scutarius »Schildträger; Schildmacher* (Nomen Agentis zu scutum »Schild*, s. Scudo) zurückgeht. Im Historismus Ecuyer »Schildknappe im mittelalterlichen Frankreich; Titel des Stallmeisters* spiegelt sich zum anderen frz. écuyer als Fortsetzung des altfranzösischen Substantivs.

Essentia »Wesen*: Philosophischer Begriff, der auf lat. essentia »das Seiende, Sein, Wesen, Wesenheit* (eine gleichbed. griech. ousia nachbildende Ableitung aus dem Stamm des Partizips Präsens von esse »sein*, vgl. Absence, Interessent, präsent) beruht. In der Sprache der Alchimisten entwickelte das Wort die Nebenbedeutung »konzentrierter Auszug*, die auch auf Essenz

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(spätmhd. essenzie noch >Wesen, Wesenheit) übertragen wurde. Denkbar ist jedoch, dass dieser Bedeutungswandel durch Kürzung von Quintessenz »Wesen, Kern, Auszug« (dies aus lat. quinta essentia >das fünfte Seiende«, s. Quintus1) erfolgt ist.

essenziell/essentiell wesentlich; wesensmäßig; lebensnotwendig«: Das in der Philosophie gelegentlich auch in der Lautform essential gebräuchliche Adjektiv (im 16. Jh. zunächst adsuffigiert: essentialisch) vertritt jeweils frz. essentiel und dessen Quelle lat. essentialis, wobei es bedeutungsmäßig der Semantik seiner Basis lat. essentia »Sein, Wesen« (s. Essentia) folgt. Dazu stellen sich als substantivische etymologische Dubletten der herkunftsgleiche Anglizismus Essential wesentlicher Punkt; unentbehrliche Sache« und der Latinismus Essentialien »Hauptpunkte bei einem Rechtsgeschäft«. Establishment »Schicht der Einflussreichen und Etablierten«: Übernahme von gleichbed. engl. establishment, das nach allgemeiner Auffassung aus dem Verb to establish »festsetzen, begründen« gebildet worden ist. Dieses beruht auf afrz. establir »festmachen« (mit e-Vorschlag aus lat. stabilire »festmachen«, zu stabilis »fest«, eigtl. »was stehen kann«, zu stare »stehen«, s. Status), aus dem frz. établir »einrichten« und daraus dt. etablieren »gründen« hervorgegangen sind. Aus dem von établir abgeleiteten Deverbativfrz. établissement stammt dt. Etablissement »Einrichtung, Betrieb, Niederlassung, Geschäft; vornehme Gaststätte; Vergnügungsstätte, Nachtlokal; Bordell«, das sich mithin als etymologisch adäquate Dublette von Establishment offenbart.

Etienne werk« aufvlat. *staticum »Aufenthalt; Standort; Rang; Stockwerk« (zum Partizipialstamm stat- von stare »stehen«, s. Status) zurückgeführt wird. Aus dem Altfranzösischen mit Aphärese entlehnt ist engl. stage »Gerüst; Bühne; Geschoss«, das seinerseits Bestimmungswort im Fremdwort Stagedzvmg »Sprung des Sängers von der Konzertbühne in das Publikum« (Grundwort diving »Kunstspringen«) ist. Afrz. estage »Aufenthalt« wurde außerdem zu mlat. estagium/stagium »Dienstverpflichtung« relatinisiert und im 17. Jh. als kirchlicher und rechtlicher Terminus zu frz. stage »Probe-, Bewährungszeit«, danach allgemein »Vorbereitungszeit, Praktikum« rückentlehnt. Daher Schweiz. Stage »Praktikum in höherer Stellung (besonders im Ausland), Aufenthalt bei einer Firma o. Ä. zur weiterführenden Ausbildung«.

Etikett nJEtikette1 f. »Aufschrift, Schildchen«: Das seit dem 19. Jh. bezeugte Neutrum hat die Oberhand gewonnen, während die ältere feminine Variante nur noch in der Schweiz und Österreich üblich ist. Die gleichbedeutende Vorlage frz. étiquette, einst auch »Zettel mit Hinweisen auf das Hofzeremoniell« (< afrz. estiquet/estiquette »an einem Pfahl befestigte Markierung, Zeichen, Zettel«, zu afrz. estiquer < mniederl. stikken »feststecken«), ergab im 17. Jh. die Dublette Etikette2 f. »Gesamtheit der festgelegten gesellschaftlichen Umgangsnormen«. Denselben Ausgangspunkt hat das Aphärese aufweisende engl. ticket, woraufTicket »Fahr-, Eintrittskarte (20. Jh.); Berechtigungsschein, Nachweiskarte; Wettschein (18. Jh.)< zurückgeht.

et »und«: Lateinische Konjunktion, die dem sog. Etoder Und-Zeichen Sc zugrunde liegt und begreiflicherweise stets in Wortgruppen wie et cetera (s. ceterum), actio et reactio (s. Reaktion), urbi et orbi (s. Urbs, Orbis) auftritt. Letzteres gilt auch für ihre gleichbedeutenden Fortsetzer in den romanischen Sprachen, vgl. frz. et (mit seit dem 12. Jh. formal wiederhergestelltem -t, zuvor e) etwa im Namen des französischen Kartenglücksspiels Onzeet demi (eigtl. »elfeinhalb«, s. ein1, zehn, mitten), vielfach in Titeln von Zeitschriften wie Vie et langage (eigtl. »Leben und Sprache«, vgl. Vita), ital. e (vor Vokalen auch ed), z.B. Sante Maria e Madalena »Hl. Maria und Magdalena« (s. Sanctus), span, y gewöhnlich in Namen, sofern sie aus dem Familiennamen des Vaters und der Mutter bestehen, wie dies bei dem des spanischen Schriftstellers und Kulturphilosophen Ortega y Gasset der Fall ist.

ethnisch »einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend; die Kultur- und Lebensgemeinschaft einer Volksgruppe betreffend«: Durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) übernommen durch Vermittlung von lat. ethnicus m., ethnicum n. aus griech. ethnikós m., ethnikón n. »zum Volk gehörig, auf ein bestimmtes Volk beschränkt« (zu éthnos »Volk, Volksstamm«). Die authentische Form des Fremdwortes hält sich beim substantivierten Neutrum, das merkwürdigerweise laut Duden-Fremdwörterbuch in seiner griechischen und lateinischen Gestalt semantisch abweicht: Ethnikon »Völkername« (elliptisch für griech. ethnikón ónyma »einem Volk eigener Name«) vs. Ethnikum »volk- oder stammartige Gruppe und die eine solche Gruppe kennzeichnende Eigentümlichkeit«. Als adsuffigierter Vertreter des Maskulinums fungiert, allerdings ohne einleuchtende semantische Motivation, veraltet Ethniker »Heide, Religionsloser«.

Etage: Das seit Beginn des 18. Jh. bezeugte fremdsprachliche Synonym von Geschoss, Stock(werk), Treppe wurde aus gleichbed. frz. étage übernommen, das über afrz. estage »Aufenthalt; Wohnung; Stock-

Etienne: Die Bezeichnung für eine Antiquadruckschrift beruht auf dem Namen einer französischen Buchdruckerfamilie des 16./17. Jh., deren Begründer Henri Étienne hieß. Sein ebenso wie span. Esteban und ung.

Eustachius Istvàn Vorschlagsvokal aufweisender Familienname (zum Vornamen Henri s. Hain) geht zusammen mit dt. Stephan/Stephen/Stefan auf griech. stéphanos »Kranz; Krone< zurück, das als Beiname Stéphanos (latinisiert: Stephanus) gebraucht wurde. Als dessen Reflexe in anderen Sprachen zu nennen sind ferner engl. Stephen/Steven, ital. Stefano, russ. Stepan. Eustachius/Eustach: Latinisierte bzw. deglutinierte Variante des griechischen männlichen Vornamens Eustachios, der eine Zusammenbildung aus eu »wohl, gut, schön, reich< und stachys >Ähre; Frucht< darstellt und daher im Sinne von >der Fruchtbare, Ährenreiche< gedeutet wird. Entsprechungen in anderen Sprachen sind u.a. engl. Eustace, frz. Eustache, span. Eustaquio, ital. Eustacchio/Eustachio/Eustachi, vgl. die nach dem italienischen Arzt Bartolomeo Eustachi (1520-1574) benannte Eustachiröhre >eustachische Röhre oder Tube, Ohrtrompete*. Umgangssprachlich und mundartlich begegnen zum Teil modifizierte Schwanzisolierungen wie Stach, oberd. Stachus, schwäb. Staches, Letzteres auch als abwertender Gattungsname in der Bedeutung >Narr, närrischer, eigensinniger, unbeholfener Mensch* (vgl. analog Trine).

ex ugs. >aus, zu Ende; tote Das z.B. in Ausdrücken wie ex trinken, es mit einem ex sein auftretende Adverb gilt als eine studentensprachliche Übernahme der lateinischen Präposition mit Ablativ ex/e >ausaus dem Stegreif*, kirchenund bildungsspr. ex cathedra >unfehlbarvon Amts wegen*, die Zusammenrückung Exlibris und den USA-Wahlspruch e pluribus unum >aus mehreren eines* (s. Rotte, aequus, Tempo, Katheder, Offizium, Liber, plus, ein1). Der Latinismus wird wie auch urverwandtes griech. ex/ek >aus, seit, infolge* etwa in Exegese >Bibelauslegung< (< exégèsis »Erklärung*, zu exegetsthai >auslegen, ausführen*, aus ex- + hègeìsthai >führendas Ausbleiben, das Verschwinden*, zu ekletpein »verlassen, sich verfinstern* aus ek- + leipein »lassen*) oder Ecstasy bzw. Ekstase (s. d.) - als Verbalpräfix ex-/e- »aus-, heraus-* verwendet, vgl. ex est »es ist aus* (s. ist), exakt (s. d.), Exempel (s. d.), Expositus (s. d.), evident »offenkundig* (< evidens, Gen. evidentis »einleuchtend, in Erscheinung tretend*, aus è- »ex-< und dem Präsenspartizip von videre »sehen, erkennen*) sowie die Assimilationsformen Espresso (s. express), Effekt (s. d.), verstärkend auch in frz. écru »ungebleicht*, woraus dt. ekrü/ecru (s. crudus). Nach dem Vorbild von Präfixbildungen wie spätlat. exconsul »ehemaliger Konsul*, entstanden auf der Basis der gleichbedeutenden adverbialen Struktur ex consule »ehemaliger Konsul*, kamen frz. ex-ministre, ital. expresidente/espresidente

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und danach auch dt. Exminister, Expräsident auf. Aus Exmann, -freund und Exfrau, -freundin wurden dann gleichbed. ugs. Ex1 m. bzw. Ex2 f. (vgl. ferner bair., Schweiz, veraltet Ex3 n. aus ebenfalls veraltetem Extemporale »unvorbereitet anzufertigende Klassenarbeit*, zu ex tempore, s.o.) isoliert.

exakt »genau; pünktlich; sorgfältige Wie gleichbed. engl. exact, unter dessen Einfluss der Gebrauch des Wortes als Bejahung im Deutschen merklich zugenommen hat, geht das seit dem 17. Jh. bezeugte Adjektiv zurück auf lat. exactus m., exactum n. »genau; vollkommen* (eigtl. »genau ab-, zugewogen*, Partizip Perfekt von exigere »abwägen, abmessen*, komponiert aus dem Präfix ex- und der abgeschwächten Form von agere »treiben, handeln*, vgl. ex, Agens). Das graphisch eingedeutschte Neutrum ist Bestandteil des sprachwissenschaftlichen Fachausdrucks Futurum exaktum (s. Futur). Exempel: Das in seiner Hauptbedeutung durch einheimisches Beispiel weitgehend zurückgedrängte Fremdwort ist eine im 14. Jh. getätigte Übernahme von lat. exemplum »Vorbild, Muster; Probe; Strafe, warnendes Beispiel* (daher seit dem 17. Jh. rechtsspr. ein Exempel statuieren), das im Sinne von »das aus einer Menge Herausgenommene* von eximere »herausnehmen* (mit ex- »aus-* präfigiertes emere »nehmen*, s. ex) abgeleitet ist. Aus derselben Quelle stammen über afrz. example/essample die sich im Englischen etablierten Dubletten example »Beispiel; Muster, Vorbild* und - mit Aphärese - sample »Probe, Warenmuster*. Letzteres lieferte seinerseits die Dublette Sample »Stichprobe, Auswahl; repräsentativ ausgewählte Gruppe von Individuen in der Markt- und Meinungsforschung; Warenprobe, Muster* im Deutschen. Der Genitiv Singular des Latinismus ist Bestandteil formelhafter Wendungen wie exempli causa »beispieshalber* (s. Causa), exempli gratia »beispielsweise, -halber* (s. Gratia).

Exercice: Im Duden-Fremdwörterbuch ist dieses aus dem Französischen übernommene Fremdwort als »genau festgelegtes Training der klassischen Balletterziehung* definiert. Frz. exercice »Übung* beruht auf lat. exercitium »Übung, Beschäftigung, Treiben*, mlat. »Schulübung* (Abstraktum zu lat. exercere »treiben, bewegen, üben, übend beschäftigen*, Präfigierung von arcere »einschließen, in Ruhe halten* mit ex- »aus-*, s. ex). Direkte Entlehnung aus dem Mittellateinischen ist das veraltende Neutrum Exerzitium »Hausarbeit für die Schule; übende Handlung, Verrichtung*. Mit dessen lexikalisiertem Plural Exerzitien (für lat. exercitia spiritualia »geistliche Übungen*, vgl. spiritual) bezeichnet man die religiösen Übungen des Katholiken (Betrachtung, Gebet, Buße, Kommunion), wie sie Ignatius von Loyola

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einst von den Jesuiten forderte, damit sie dadurch die wahre Gesinnung erlangen.

expedieren >abfertigen, absenden, beförderns älter auch >fertig machen, erledigenc Im 15./16. Jh. entlehnt aus lat. expedire >losmachen, losbinden; befreien; erledigen; in Bereitschaft setzen; kampfbereit machens einem aus ex (s. d.) und dem von pes >Fuß< (s. Fuß) abgeleiteten vlat. *pedis >Fußfessel< zusammengebildeten Verb, das also urspr. eigtl. >aus der Fessel losmachen< bedeutet haben soll. Im Italienischen wurde dieses durch Aphärese lautlich abgewandelt zu spedire >abfertigen, erledigen; befördern, versendens das um 1600 in die deutsche Kaufmannssprache aufgenommen wurde: spedieren ^Frachtgut) befördern, Versendern. Parallel zu diesem Dublettenpaar und im Anschluss daran bildete sich nicht nur im Deutschen - ein zweites, das unter dem Abstraktum Expedition dargestellt ist. Expedition >Forschungs-, Erkundungsreise; Versand-, Abfertigungsabteilung einer Firmas Ende des 16. Jh. in der Bedeutung >Feldzug< übernommen aus lat. expeditio, Gen. expeditionis Erledigung; Durchführung; Feldzug< bzw. aus dessen Flexionsstamm expedition-, vgl. entsprechend frz. expédition, engl. expedition u. a. Auf dasselbe lateinische Verbalabstraktum zu expedire (s. expedieren) geht auch ital spedizione Abfertigung, Absendung, Beförderung; Expedition* zurück, das im 17. Jh. Spedition Güterversand; Transportunternehmen* lieferte.

Expositus: Die Bezeichnung für einen Geistlichen, der einen Expositur genannten abgegrenzten selbständigen Seelsorgebezirk einer Pfarrei leitet, ist ihrer Herkunft nach das substantivierte Partizip Perfekt von lat. exponere >aussetzen, herausstellen; darstellen* (mit ex- >aus-< präfigiertes ponere, s. ex, Post), der Quelle von dt. exponieren >darstellen, zur Schau stellen*. Das Partizip Perfekt des im Französischen in exponer >auslegen; darlegen* umgewandelten lateinischen Verbs lautet nunmehr exposé, wird im Sinne von Darlegung, Bericht* auch substantivisch verwendet und hat im 19. Jh. dt. Exposé/Exposee Zusammenstellung, Übersicht, Entwurf; Denkschrift, Bericht* (also eigtl. >das Dargelegte*) geliefert.

express express >eiligeigens, ausdrücklich, zum Trotz* begegnet, im Grunde genommen veraltet, gebunden erscheint es aber in mehreren allgemein gebräuchlichen Zusammensetzungen wie Expressgut, Expressreinigung. Es stammt aus lat. expressus >herausgepresst; ausgeprägt; ausdrücklich* (Partizip Perfekt von exprimere >auspressen, ausdrücken*, aus premere >drücken, pressen* mit Präfix ex- >aus-, heraus-*, s. ex, pressen, vgl. Impressum), zum Teil über herkunftsgleiches engl. express ausdrücklich, eilig*. Letzteres gilt insbesondere für veraltet Express, das in gleicher Weise aus Expresszug isoliert ist wie dessen Vorbild engl. express aus express train, eine um 1840 entstandene Bezeichnung für einen Zug mit genau festgelegter Route bzw. Abfahrts- und Ankunftszeiten, die später in >Schnellzug* umgedeutet wurde. Lat. expressus lebt in ital. espresso ausdrücklich* (eigtl. Partizip Perfekt von esprimere >zum Ausdruck bringen* < lat. exprimere, s.o.) fort. Aus dessen elliptischer Verwendung (caffe) espresso hervorgegangen sind die sich im Deutschen nach dem Geschlecht von Kaffee und Café (s. Kaffee) richtenden Homonyme Espresso1 m. >in der Maschine bereitetes, starkes Kaffeegetränk* und Espresso2 n. >kleines Café, in dem Espresso serviert wird* (vgl. ferner die in Österreich vorkommende Mischbildung Libresso für ein Kaffeehaus mit Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, gewonnen aus einer Schwanzfragmentierung von Espresso und ital. libro >Buchdurch Eilboten* steht schließlich als Vermerk auf Schnellsendungen im Postverkehr die französische Adaptation exprès von lat. expressus in der präpositionalen Fügung par exprès (s. vor). Ein erstarrter lateinischer Ablativ Plural liegt andererseits vor in expressis verbis >mit ausdrücklichen Worten* (s. Wort).

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U

F Fabel: Das mhd. fabele/favele »erdichtete Erzählung, Märchen; Unterhaltung* fortsetzende Wort ist offenbar über afrz. fable aus lat. fabula >Gerede, Gespräch; Erzählung, Geschichte, Sage; (Tier)fabel; Schauspiel* (zu fari >sagen, sprechen*, s. Fatum) entlehnt. Die heutigen Bedeutungen »Handlungskern einer Dichtung; lehrhafte Tiergeschichte* sind jeweils im 15. und 18. Jh. aufgekommen, die Letztere durch Rückgriff auf die Fabeln Äsops und wieder nach dem Vorbild von frz. fable. In Fremdwörterbüchern wird das französische Wort in dem auf Voltaire zurückgehenden Ausdruck Fable convenue »allgemein geglaubtes Märchen* (eigtl. »verabredete Fabel*; zu convenue, das adjektivierte Partizip Perfekt von convenir »Übereinkommen*, vgl. Avenue, con) aufgeführt. Lexikographisch verzeichnet wird auch der Latinismus Fabula »Erzählung, Sage, Fabel; Schauspiel im antiken Rom*, häufiger aber in Wendungen wie die am Schluss einer Fabel fabula docet »die Moral der Geschichte ist* (eigtl. »die Fabel lehrt*, Prädikat: docere »belehren, lehren, unterrichten*) oder der aus Terenz’ Komödie »»Adelphoe** stammende Ausruf Lupus in fabula!, wenn jemand kommt, von dem gerade gesprochen wurde (eigtl. »der Wolf in der Fabel*, s. Wolf in). Vgl. fabeln.

fabeln »fantastische Geschichten erfinden oder erzählen; sich unterhalten, schwatzen*: Das Verb führt mhd./afee/en »schwatzen; lügen* fort, das nach W. Pfeifer entweder zu fabele »erdichtete Erzählung* (s. Fabel) oder nach afrz. fabler »schwatzen, Unwahres erzählen* (vgl. aber bei M. Lexer: fabeliercere neben fabelsager »Fabel- oder Märchenerzähler*) bzw. nach dessen Quelle lat. fabulari »plaudern, reden*, spätlat. »erzählen* gebildet ist. Aus diesem wurde im 16. Jh. synonymes fabulieren »fantasievoll erzählen; Geschichten erfinden und ausschmücken* übernommen, das je nach der Entstehungsweise von fabeln Struktur- oder aber herkunftsgleiche etymologische Dublette von diesem sein kann.

Fächel »in einer Ebene mehrfach verzweigter Blütenstand mit abwechselnd nach links und nach rechts abgehender Verzweigung*: Das botanische Fachwort beruht auf frühnhd. fechel, einer Nebenform von focher/foker/fucker »Feuerwedel*, das im 17. Jh. die Bedeutung von frz. éventail »Fächer* übernahm und im

18. Jh. zu Fächer umgestaltet wurde. Frühnhd. facher gilt einerseits als eine Ableitung von fachen (seit dem 18. jh. fachen) »blasen, anzünden* (< mlat. focare »entfachen*, zu lat. focus »Feuerstätte* > dt. Fokus »Brennpunkt*, s. d.), andererseits als eine später an fachen nur angelehnte Übernahme des als Nomen Agentis und Instrumenti auftretenden Adjektivs mlat. focarius »zur Feuerstätte gehörend* (zu/urus »Feuerstätte*). Soll Letzteres zutreffen, dann ließe sich auch Foyer »Wandelhalle* (urspr. »ein beheizter Raum im Theater zum Aufwärmen und Entspannen der Schauspieler*) als etymologische Dublette dazu stellen, die über gleichbed. frz. foyer auf viat, ^focarium »Raum mit Feuerstätte*, das substantivierte Neutrum von focarius zurückgeht. Facies »Gesicht, Gesichtsausdruck; Fläche, Außenfläche (von Organen oder Knochen)*: Der anatomische Fachausdruck geht ebenso wie der eingedeutschte geologisch-botanische Fazies »die verschiedene Ausbildung von Sedimentgesteinen gleichen Alters; kleinste unterscheidbare Einheit der Vegetation» die durch gehäuftes Auftreten einer Art oder weniger Arten gekennzeichnet ist* zurück auf lat. facies »Gestalt, Gesicht; Aussehen, Erscheinung* (zu facere »tun*, s. Fazit), vgl. dessen Ablativ Singular in bildungsspr. prima facie »dem ersten Anschein nach* (eigtl. »von der ersten Erscheinung*, s. prim). Über vlat. *facia lebt dieses in frz./ace »Gesicht, Vorderseite; Oberfläche* fort, aus dem veraltet Face »Gesicht, Vorderseite; Avers* (vgl. ferner en face »in gerader Ansicht, von vorn*, s. in) sowie Fase »Abschrägung einer Kante* stammen. Frz. face liegt auch gleichbed. engl. face zugrunde, das seinerseits beispielsweise in Interface »Übergangs- bzw. Verbindungsstelle zwischen Bauteilen, Schaltkreisen, Programmen, Rechnern oder Geräten* (s. unter2), Face-to-Face-Kommunikation »persönliches Gespräch (ohne zwischengeschaltete Medien)* (zu engl. face to face »persönlich, unter vier Augen*, eigtl. »von Angesicht zu Angesicht*, s. zu) auftritt.

Fact »Tatsache, Tatsachenmaterial*: Das meist im Plural Facts gebrauchte Fremdwort stammt aus gleichbed. engl. fact, das auf das substantivierte Partizip Perfekt factum »getan, gemacht, geschehen* von lat. facere »tun* (s. Fazit) zurückgeht. Lat. factum, dessen Akku-

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sativ und Ablativ jeweils in den Wendungen post factum »danach, hinterher* und de facto »tatsächlich (bestehend)* (s. de1), in facto >in der Tat, in Wirklichkeit, wirklich* (s. in) vorliegen und das substantivisch »Tat, Handlung* bedeutet, ist auch die Quelle von Faktum/Fakt »Tatsache; Ereignis*. Die volle Form Faktum wurde im 16. Jh. in die Rechtssprache (auch im Sinne von »Delikt*, vgl. Mitte des 19. Jh. gaunerspr. »Beute, Diebesgut*, später ugs. »Straftat, Tat, Streich*) übernommen, und die möglicherwiese unter Einfluss von engl. fact deglutinierte entstand erst im 19. Jh. Aus lat. factum (und -fectum, s. perfekt) ist über afrz. fet die französische Erbform fait hervorgegangen, die in der Fügung Fait accompli »vollendeter Tatbestand* (das postponierte Attribut ist das Partizip Perfekt von frz. accomplir »vollenden, erfüllen*, s. ad, komplett) auftritt. Die Substantivierung contrefait »Nachahmung, Abbild* (eigtl. Partizip Perfekt von frz. contrefaire »nachahmen* für gleichbed. spätlat. contrafacere, Part. Perf. contrafactus, s. Kontra) ergab im 15. Jh. das heute nur noch scherzhaft gebrauchte Konterfei »Abbild, Bildnis* (vgl. aber schon mhd. kunterfeit/kunterfei »verfälschtes Gold, Metall; Gegensatz; das Trügerische*). Afrz. fet bzw. frz. fait lieferten ihrerseits engl. feat »Tat* (somit etymologische Dublette von fact), dessen Plural feats vielleicht in dt. Fez (s. Fest) vorliegt.

Facture/Faktur1 »kunstgerechter Aufbau einer musikalischen Komposition*: Jeweils adäquate und eingedeutschte Übernahme von gleichbed. frz. facture (eigtl. »Ausarbeitung*), dies aus mlat. factura »Bau(weise), Bearbeitung, Machen* (zu lat. facere »tun*, s. Fazit, vgl. Manufaktur unter mano). Aus factura ist durch Assimilation ct > tt ital. fattura hervorgegangen, auf dem die lautlich relatinisierten Entlehnungen Faktur2/österr., Schweiz. Faktura »Warenrechnung; Lieferschein* basieren. Über afrz. faiture »Form, Gestalt* ergab das lateinische Wort engl. feature »Aussehen, charakteristisches Merkmal*, das als Fachausdruck des Rundfunks, Fernsehens und Zeitungswesens dt. Feature »besonders aufgemachter Dokumentarbericht, Bild- oder Textbeitrag* lieferte. fahl »blass, farblose Das durch blond verdrängte Adjektiv führt die unflektierte Form von mhd. vai (flektiert: valwer, valwes usw.) »bleich; blond, gelb* fort, die eine eigene Flexionsweise (/abler, fahlen usw.) entwickelte. Durch Wortspaltung hat sich andererseits aus dem Stamm der flektierten Formen unter regelrechtem kombinatorischem Lautwandel Iw > lb auch gleichbed. oberd. falb paradigmatisch verselbständigt (über analoge Prozesse s. gelb). Seit dem 17. Jh. bedeutet dieses »graugelb*, bei Goethe auch noch »blond*, heute aber gilt es fast nur von der Haarfarbe gelblicher Pferde (vgl. die Substantivierung Falbe m. als Bezeichnung für solche Pferde).

Fahrt Die Quelle von mhd. vai, ahd. falò ist westgerm. *falwa- »fahl*, das wohl über das Altfränkische mlat. falvus und frz. fauve »fahl, falbrot; wild (auf Tiere bezogen)* lieferte. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. nannte der französische Kunstkritiker L. Vauxcelles eine Gruppe von Pariser Malern, die sich im Gegensatz zu den Impressionisten auf die Ausdrucksmittel der reinen Farben berief, lesfauves »die Wilden*. Die auch im Deutschen bezeugte Bezeichnung Fauves liegt zugleich den mit dieser Kunstrichtung zusammenhängenden Fachausdrücke Fauvist, fauvistisch, Fauvismus zugrunde. Fahne: Quelle des heutigen Femininums (ahd. fano m., mhd. vane/van m./f.) ist der maskuline germanische n-Stamm *fanön »Tuch*. Die Durchsetzung der Bedeutung »Feldzeichen, Banner* (zunächst neben der ursprünglichen »Tuch* etwa in ahd. lentinfano »Lendenschurz*) bahnte sich schon im Althochdeutschen an, nachdem fano vornehmlich als Schwanzisolierung aus *gundfano »Kriegsfahne* (eigtl. »Kriegstuch*) aufzutreten begonnen hatte, vgl. die daraus getätigten gleichbedeutenden romanischen Entlehnungen frz. gon/anon/dissimiliert gonfalon, ital. gonfalone (Bestimmungswort ist ahd. gund- »Kampf*, das beispielsweise auch im männlichen Vornamen Günther/Gunther/Günter/Gunter, einer Aneinanderfügung von gund- und ahd. heri »Heer*, vorliegt). Das Grundwort der im Alt- und Mittelhochdeutschen im Sinne von »Grenzfahne* benannten Pflanze reinfano bzw. rein(e)van(e) wurde volksetymologisch an Farn(kraut) angelehnt, so dass das Ganze heute Rainfarn lautet (zu anderen Umdeutungen dieser Arts. Arkuballiste). Germ. *fanön wird auf idg. *pan- »Gewebe* zurückgeführt, aus dem auch lat. pannus »Stück Tuch, Lappen, Lumpen* (vgl. Panel) hervorgegangen ist. Dieses liegt vor einerseits im medizinischen Fachausdruck Pannus »Hornhauttrübung durch einwachsendes Bindehautgewebe als Folge von Binde- oder Hornhautentzündung*, andererseits im spanischen Reflex pano »Tuch. Stoff*, das über frz. pagne den Exotismus Pagne »baumwollener Lendenschurz der afrikanischen Naturvölker* lieferte.

Fahrt: Die heutige Lautung des alten, zu fahren gehörenden ft-Abstraktums hat sich durch Vokaldehnung aus mhd. vart (Gen., Dat. Sg. vart oder verte, Nom., Gen., Akk. Plur. verte) »Fahrt, Reise, Gang, Lauf, Weg* entwickelt. Über »Wege des Wildes* entstand im 18. Jh. in der Jägersprache die zusätzliche Bedeutung »Wildspur (besonders vom Schalenwild)*, die sich auf die umgelautete Flexionsform Fährte festlegte. So kam es zur Aufspaltung des primären Wortparadigmas in die zwei separaten Substantive Fährte und Fahrt, wobei ihre Paradigmen durch die neu gebildeten Pluralformen Fährten bzw. Fahrten vervollstän-

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Fakir digt wurden. Mit bewahrter Kürze (im Gegensatz etwa zu Wohlfahrt) lebt die umlautlose Form mhd. vart als Grundwort in Ho/fart (s. hoch) fort. Fakir >Asket in islamischen Ländern und Indien; Zauberkünstler, Gaukler*: Das seit dem 19. Jh. im Deutschen bezeugte Wort ist eine Substantivierung von arab.»arm*, deren jüngere Bedeutung >Gaukler< sich nach dem Duden-Herkunftswörterbuch aus dem Verhalten besonders der indischen Fakire erklärt, die oft als wandernde Wundertäter auftraten. Diese Deutung steht in gewissem Sinne in Dissonanz mit der Semantik des im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten und aus gleichbed. arab. fokära hergeleiteten Historismus Fokara >Schrift-, Lese- und Zauberkundiger im alten Ägyptern, das sich als Singularisierung des Plurals fuqära desselben arabischen Wortes interpretieren lässt, vgl. als Analogon das Dublettenpaar Nabob - Naib (s. d.).

Faksimile »getreue Nachbildung einer Vorlage, z.B. einer Handschriftc Entlehnt vermutlich aus gleichbed. engl. facsimile, einem Satzwort, dem der imperativische Ausdruck lat. fac simile »mache ähnlich!< zugrunde liegt (über das Verb s. Fazit, über das Adjektiv simile vgl. die wurzelverwandten simpel und gesamt). Der Anglizismus und seine Kopffragmentierung fax kennen außerdem die Bedeutung »Übertragung und Reproduktion graphischen Materials durch Funk- oder Telefonverbindung*. Daraus entlehnt oder durch Schwanzisolierung aus analog gebildetem Telefax »Fernkopie; Fernkopierer entstanden ist dt. Fax, in dem das auslautendex- ebenso wie in engl. fax - wohl in Anlehnung an Telex steht. Die Duplizität bei Faksimile und Fax (als Teil vom Ganzen) ist darin begründet, dass Letzteres eine die Morphemgrenze im Kompositum überschreitende Kopffragmentierung repräsentiert (zu einem entgegengesetzten Fall s. Kroko unter Krokodil). Faktion »radikale Gruppierung in einer Partei*: Der veraltete politische Terminus beruht wie gleichbed. frz. und engl. faction auf lat. factio, Gen. factionis »Partei, Gruppe* (eigtl. »Machen, Handelns zu facere »tun frz. fa$on hervorgegangen, das Fasson'/Fa^on f. »Form; Muster; Art; Zuschnitt* und veraltet Fasson2 n. »Jacken-, Mantelaufschlag* lieferte. Über mengl./aciun wurde afrz./hceon in engl. fashion »Mode; Stil, Art und Weise, Machart, Zuschnitt* umgewandelt, aus dem dt. Fashion »Mode; feiner Lebensstil* (vgl. auch fashionabel) stammt. Gleich lautend mit engl. faction1 »Partei(nahme)*, einer wiederholten, erneut durch französische Vermittlung stattgefundenen Übernahme desselben Latinismus, ist der aus Vermischung von fact »Tat, Tatsache, Tatsachenmaterial, Wirklichkeit* (s. Fact) und fiction »Erfindung; Prosa-

literatur* (s. Fiktion) entstandene Amerikanismus faction2 »auf erkennbaren Ereignissen basierende und unter Einbeziehung echter Persönlichkeiten geschriebene Prosa*, das im Deutschen in der Verbindung Faction-Prosa »amerikanische Dokumentarliteratur (seit Mitte der I96oer-Jahre)< auftritt.

Fakultät »Lehr- und Verwaltungseinheit einer Universität bzw. Gesamtheit der dazu gehörenden Lehrenden und Studierenden*: Mit dieser Bedeutung geht das Fremdwort (veraltet auch »Fähigkeit*) auf den Stamm der obliquen Kasus von lat. facultas, Gen. facultatis »Fähigkeit; Befähigung, Talent; Vermögen; Möglichkeit* (Abstraktum zu facul-, einer Variante von facilis »leicht*, zu facere »tun*, s. Fazit), das im Mittellateinischen unter Einfluss von griech. dynamis »Kraft, Vermögen; Fertigkeiten in einem Wissenszweig* (vgl. Dyn) auch im Sinne von »Wissenszweig, Forschungsgebiet* gebraucht wurde. Die Grundform des Wortes erscheint unverändert in der Fügung Facultas docendi »Lehrauftrag an einer höheren Schule im Angestelltenverhältnis* (eigtl. »die Fähigkeit zu lehren*, zweiter Bestandteil Gerundium von docere »lehren*). Mit dessen veralteter Bedeutung »wissenschaftliche Lehrbefähigung in einem bestimmten Fach* tritt nunmehr die Eindeutschung Fakultas auf. Fall1 m.: Das seit dem 8. Jh. bezeugte Substantiv (mhd. vai, ahd. fai) geht über germ. Sfalla- »Fall* auf das starke Verb *falla- »fallen* zurück, dem auch engl. fall »Fall* entsprungen ist. In der juristischen Bedeutung »Rechtsangelegenheit* und in der grammatischen »Beugefall* knüpft das deutsche Wort an gleichbed. lat. casus (zu cadere »fallen*, s. Kasus) an, das in der letzteren Bedeutung griech. ptösis »Fall* übersetzt. Die meisten Übertragungen gehen sowohl im Griechischen und Lateinischen als auch im Deutschen von der Vorstellung des Würfelfalls aus und bezeichnen eintretende Möglichkeiten, Zufälle, Glücksoder Unglücksfälle (vgl. Chance). Durch Ersparung der nachfolgenden Konjunktion dass entwickelte sich im 17. Jh. aus der Genitivform des Falls/desfalls hinsichtlich einer eintretenden Möglichkeit falls selbst zu einer Konjunktion und schied somit aus dem Paradigma des Substantivs aus. Auf germ. ★falla- zurückführbar ist auch engl. fall »Fall*, dessen Plural falls im Sinne von »Wasserfall* beispielsweise im von den Indianern »donnerndes Wasser* genannten Niagara Falls vorliegt. Zwar ist im Deutschen dafür die Lehnübersetzung Niagarafälle üblich, der Anglizismus bleibt aber in den Namen der zwei jeweils in den USA und Kanada an den Niagarafällen gelegenen und Niagara Falls heißenden Städten erhalten.

Fall2 n. »Tau zum Aufziehen und Herablassen eines Segels*: Im Gegensatz zum Verbalabstraktum Fall1

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(s. d.) repräsentiert das in der Seemannssprache aufgekommene Neutrum den Verbalstamm von fallen, wobei sein Genus unmissverständlich auf Kopfisolierung aus Falltau hindeutet. Ähnlich verhält es sich mit engl. fall-out »Ausfall*, dem substantivisch gebrauchten Verb to fall out »herausfallen*, das aus to fall und out, den bedeutungsgleichen Kognaten von fallen und aus (s. d.), besteht. Somit lassen sich das Vorderglied des kernphysikalischen Terminus Fallout/Fall-out »radioaktiver Niederschlag* und Fall2 als Vertreter der Fortsetzungen ein und derselben verbalen Grundlage (germ. *falla-) für etymologische Dubletten erklären.

fallieren1 >in Konkurs geratene Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. fallire, das wie afrz. falir/faillir »verfehlen, sich irren* über roman. *fallire auf lat. fallere »betrügen, täuschen* zurückgeht. Aus dem Altfranzösischen stammen die Varianten mhd. vcelen/velen/ failieren/fälieren »mit der Lanze verfehlen, vorbeischießen; sich irren; fehlschlagen; mangeln*, die einerseits in fehlen, andererseits in landsch. fallieren2 »misslingen, missraten* fortleben. Außerdem wird in lexikographischen Nachschlagewerken gelegentlich ein mit undifferenziertem fallieren gleichgesetztes taillieren aufgeführt, das frz. faillir »sich versehen; einen Fehltritt tun; sich irren; in Konkurs gehen* und daher auch dessen altfranzösischen Vorläufer widerspiegelt. falsifizieren »eine Hypothese durch empirische Beobachtungen widerlegen*, veraltet »(ver)fälschenc Übernahme von mlat. falsificare (aus falsus »unecht, trügerisch* und -ficare »machen*, das mit gleichbed. -ficere abgeschwächte Kompositionsform von facere »tun* ist, s. Falsum, Fazit). Als Entlehnung aus vlat. *fals(i)care (zusammengezogen aus spätlat. falsificare) gilt bereits im Althochdeutschen bezeugtes falscön/felsken »für falsch erklären, widerlegen*, das über mhd. velschen »(ver)fälschen; irreführen, täuschen; verleumden* die Dublette fälschen lieferte. Falsum »Betrug, Fälschung; Irrtum*: Im veralteten Fremdwort spiegelt sich das substantivierte Neutrum Singular/flZswzn (vgl. dessen Genitiv in Regula falsi, s. Regel) von lat. falsus m., falsa f. »unecht, trügerisch, irrig, unwahr*, dem adjektivierten Partizip Perfekt von fallere »betrügen* (s. fallieren1). Attributiv treten die Formen des Maskulinums und des Femininums jeweils auf in den juristischen Fachausdrücken Falsus Procurator »Person, die ohne Vollmacht als Vertreter handelt* (eigtl. »fälschlicher Stellvertreter*) und Falsa Demonstratio »keinen Anfechtungsgrund gewährende fehlerhafte Ausdrucksweise* für lat./^/sa demonstratio (non nocet) »eine falsche Erklärung (schadet nicht)*. Ins Englische übernommenes false »falsch, trügerisch, unehrlich* begegnet uns in False

familiär Trading als Bezeichnung für Transaktionen auf Märkten zu Preisen, die nicht den Marktbedingungen entsprechen (eigtl. »falscher Handel*). Aus lat. falsus hervorgegangenes afrz. fals ergab mniederl. vals/valsc und mhd. vals »treulos, trügerisch, unecht*. Dieses wurde jedoch unter dem Einfluss der mittelniederländischen Variante valse zu valsch umgebildet, welches in nhd. falsch (in bestimmten Wendungen auch substantivisch: Falsch) vorliegt. Die modernen französischen Formenfaux m., fausse f. stecken etwa in Fauxawiz »in mehreren Sprachen in gleicher Form, aber in verschiedenen Bedeutungen vorkommendes Wort* (eigtl. »falscher Freund [des Übersetzers]*, s. Amigo, de1, vgl. Fauxfrères unter Bruder) bzw. im veralteten Fausse = nordd. Foße »minderwertige Spielkarte*, einer Ellipse aus frz. carte fausse »schlechte, falsche Karte* (vgl. Charts). Der italienische maskuline Fortsetzer desselben Adjektivs ist in der Fügung Falso Bordone = Fauxbourdon »Tonsatz mit einfachem Kontrapunkt in konsonanten Akkorden* enthalten, in der ital. falso bordone für älter frz. faux-bourdon (eigtl. »falsches Schnarrwerk der Orgel*) steht. Auf dem Letzteren beruht auch engl. faburden > dt. Faburden »improvisierte Unterstimme in der englischen mehrstimmigen Musik des 15./16. Jh.*.

Faltstuhl »zusammenklappbarer Stuhle Das Kompositum ist schon im Althochdeutschen belegt: fald(i)-, falt(i)stuol »zusammenlegbarer Sitz, Sessel* (zu Vorformen von falten und Stuhl). Durch volksetymologische Anlehnung seines Vorderglieds an (Schlachtfeld ist daneben Feldstuhl »einbeiniger Klappstuhl* entstanden. Da es sich bei diesem eigentlich um die Umdeutung eines Wortteils bzw. um dessen Ersatz durch einen anderen, ähnlich lautenden handelt, kann es nur bedingt als etymologische Dublette bezeichnet werden (vgl. Armbrust unter Arkuballiste). Als Entlehnung aus afränk. *faldistöl gilt afrz. faldestoel und dessen heutige Fortsetzung frz. fauteuil »Lehnsessel*, aus dem im 18. Jh. gleichbed. dt. (heute meist österr. und Schweiz.) Fauteuil rückentlehnt wurde.

familiär »die Familie betreffend; ungezwungen, vertraulich*: Das Adjektiv gilt als eine von gleichbed. frz. familier beeinflusste Übernahme von lat. familiaris »zum Haus gehörig; vertraut* (einer Ableitung von familia »Hausgenossenschaft, Familie*, zu famulus »Diener, Helfer*). Sein maskulin-femininer Nominativ tritt in der Fügung Spiritus familiaris »guter Geist des Hauses; Vertrauter der Familie* (s. Spiritus1) auf, und substantiviertesfamiliaris »Hausgenosse; Sklave* liegt vor im Fremdwort Familiare m./f. »Mitglied des päpstlichen Hauses; in der Hausgemeinschaft eines Klosters lebende(r) Bedienstete(r), ohne dass er bzw. sie zum betreffenden Orden gehört*.

fanatisch fanatisch »sich mit blindem Eifer für etwas einsetzendc Das Adjektiv wurde im 16. Jh. durch regulären Suffixersatz -icus > -isch aus lat. fanaticus »von der Gottheit ergriffen, rasend< (zu fanum >der Gottheit geweihter Ort, Tempeh) entlehnt. Daher die ursprüngliche Bedeutung des Lehnwortes »religiös schwärmerisch, sich religiös ereifernd, unduldsam«, dann seit dem 19. Jh. unter dem Einfluss von frz. fanatique in der heutigen, von der Religion losgelösten Bedeutung. Mit -er adsuffigiertes Fanatiker dogmatischer Verfechter einer Überzeugung oder einer Idee< ist seit dem 17. Jh. für substantivisch gebrauchtes lat. fanaticus nachweisbar, auf dem auch engl. fanatic >Schwärmer, Eiferen beruht. Dieses wurde im 19. Jh. zum Amerikanismus fan »Fanatiker, leidenschaftlicher Liebhaber< verkürzt, aus dem dt. Fan »begeisterter Anhängen (häufig spezifiziert: Fußball-, Auto-, Blumenfan) stammt. Obwohlfan äußerlich mit einem deglutinierten fan(um), d.h. mit der Basis von lat. fanaticus gleich lautend geworden ist, muss es deshalb als Kopffragmentierung interpretiert und mit dem Ganzen identifiziert werden, weil fanaticus keine Zusammensetzung mit Grundwort -aticus darstellt, sondern mit dessen Hilfe aus fanum abgeleitet ist. Dementsprechend darf weder engl. fan noch dt. Fan mit fanum oder mit -fan in profan >weltlich, alltäglich gleichgesetzt werden, das wieder eine adjektivische Ableitung aus fanum mit dem Präfix pro- ist. Fantasia: Aus dem Italienischen übernommener Name eines nordafrikanischen Reiterkampfspiels, bei dem Reitergruppen möglichst gemeinsam eine Gewehrsalve abschießen und aus vollem Galopp möglichst auf der Stelle anhalten sollen (vgl. gleichbed. ital., frz., span, fantasia aus arab. fantaziya, eigtl. Darbietung, SchaustellungEinbildungLiebe zum Notwendigen und Unausweichlichem (eigtl. >Liebe zum Schicksals s. Amor), und dessen Plural fata bezog man in der Antike personifizierend auf die drei Schicksalsgöttinnen, die auch als Parzen (für die griechischen Moiren Klotho, Lachesis und Atropos) bekannt sind. Das danach als femininer Singular gebrauchte fata >Zauberin, Fee< wurde die Quelle von gleichbed. ital. fata und frz./ee, das im 18. Jh. dt. Fee ergab (ein früher übernommenes mhd. fei/feine, woraus frühnhd. Fei ist verloren gegangen). Das italienische Wort liegt vor in Fata Morgana Luftspiegelung, Trugbild< für gleichbed. ital. fata morgana bzw. fata Morgana (Koralle< < griech. märgaron >PerleFee Morganas die vom Volksglauben für die Urheberin der in der Straße von Messina häufig zu beobachtenden Luftspiegelungen gehalten wurde. Im übertragenen Sinn bezeichnet das lat. fatum fortführende port, fado »Geschick, Verhängnis< ein traurig gestimmtes, gitarrenbegleitetes zweiteiliges Lied, worauf der gleichbedeutende Exotismus Fado beruht.

faul: Über mhd., ahd./ü/ »verdorben, verwesend< geht das Adjektiv auf germ. *füla- »stinkend, modrig< zurück, aus dem gleicherweise diphthongiertes engl. foul »schmutzig, faulig< hervorgegangen ist. In der Sportterminologie entwickelte foul die Bedeutung »regelwidrig, unfair*, mit der es im 20. Jh. die homophone Dublette dt. foul (auch substantivisch: Foul »Regelverstoß*) lieferte. Fayance »eine mit Zinnglasur bemalte Tonwarec Das im 18. Jh. aus gleichbed. frz. fayance (heute: faience) entlehnte Fremdwort stellt eine Verselbständigung aus der Fügung vaissele de fayence/faence »Geschirr aus Faenza< (16. Jh.) dar. Das Keramikerzeugnis führt demnach den Namen der für ihre Majolikaindustrie berühmte Stadt Faenza (Provinz Ravena in Oberitalien). Daher auch das Kompositum Faenzamajoliken.

Fazenda »Landgut in Brasiliern: Der Exotismus beruht auf port, fazenda »Besitz, Vermögens das auf lat. facienda »Dinge, die getan werden müssens die zum Femininum umgedeutete Pluralform des Gerundivums faciendum von facere »tun, machen< (s. Fazit) zurückgeht. Während das Portugiesische anlautendes lat./- unverändert bewahrt, wird dieses im Spanischen meist zum Hauchlaut h-, das im Laufe der Zeit verstummt ist, d. h. lat. facere > span, hacer »tun, schaffen, herstellen< (vgl. ferner lat. fabulari »reden,

Februar plaudern, erzählen* > span, hablar »sprechens lat. ferrum »Eisern > span, hierro dass., s. Ferrum, u.a.m. vs.faja, s. Fasche). Aus diesem Grund lautet auch lat. facienda im heutigen Spanisch hacienda, aus dem Hazienda/älter Hacienda »Landgut, Farm in Süd- und Mittelamerikas die Dublette von Fazenda, stammt.

Fazendeiro »Plantagenbesitzer, Farmer, Pächters Der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Exotismus gibt port, fazendeiro, eine zu fazenda »Besitz, Vermögen* mit dem Fortsetzer des lateinischen Suffixes -arius gebildete Personenbezeichnung wieder, die im Deutschen im gleichen Dublettenverhältnis zu Haziendero »Besitzer einer Hazienda< (an Hazienda angelehnte Übernahme von gleichbed. span, hacendero) steht wie Fazenda (s. d.) zu Hazienda. Fazit »Summe einer Rechnung; Ergebnis; Schlussfolgerungs Der seit dem 16. Jh. bezeugte, ursprünglich nur im Rechnungswesen und in der Kaufmannssprache übliche Fachausdruck bedeutet wörtlich »es macht< und ist folglich durch Hypostasierung von facit, der 3. Person Singular Präsens Indikativ des mit dt. tun (s. getan) urverwandten lateinischen Verbs facere »machen, tun* entstanden. Die 3. Person Plural faciunt »sie tun* begegnet uns im Spruch si duo faciunt idem, non est idem »wenn zwei dasselbe tun, ist es (doch) nicht dasselbe< (s. zwei, ein1, ist), und die 1. Person Singular in demselben Paradigma erscheint in der Formel der römischen Rechtssprache facio, ut facias »ich tue, damit du tust< (vom konjunktivischen facias muss dabei abgesehen werden, vgl. die unter Kredo angestellten diesbezüglichen Überlegungen). Bedingt mit erwähnt sei der Imperativ Singular fac >mach(e)!< als Anweisung auf Rezepten sowie als erster Bestandteil der ebenfalls durch Hypostasierung gewonnenen Zusammenrückungen Faktotum »sich um alles kümmernde Person, Mädchen für alles< (eigtl. »mache alles!*, s. tutti) und Faksimile (s. d., eigtl. »mache ähnlich!*). In Präfigierungen tritt facere zu -ficere und -ficare abgeschwächt auf. Daher das Wortbildungselement -fizieren im Sinne von »machen* (mit zugehörigen Abstrakta auf -fikation und -fizierung) im Deutschen, vgl. falsifizieren (s. d.), justi-, nostri-, personi-, petri-, rati-, rekti-, simpli-, verifizieren, Saponifikation (s. entsprechend Justus, nostra, Person, Petrus, Rate, recht, simpel, wahr, Seife). Der gleichbedeutende französische Fortsetzer von facere lautet faire und liegt substantiviert vor in Laisser-faire »Ungezwungenheit, Ungebundenheit* (eigtl. »das Gewährenlassen*, s. laxieren). Vgl. ferner Facies, Fact, Facture, Faktion, Fakultät, Fazenda, Kalfakter. Februar: Der letzte und daher kürzeste Monat nach dem 46 V. Chr. abgeschafften altrömischen Kalender (s. Julius) hieß in Anbetracht der Reinigungs- und Sühneopfer, die in seiner zweiten Hälfte für die Le-

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fechten benden und Abgeschiedenen abgehalten wurden, lat (mensis) Februarius. eigtl. >Reinigungsmonat< (zu februare >reinigenHorn, Spitze, Ecke, Winkels die den im Winkel Gezeugten, aus der Ecke Stammenden bezeichnete und demnach >Bastard, Kebssohn< bedeutete. In Bezug auf den Monatsnamen wäre das dann gemäß Duden-Herkunftswörterbuch so viel wie >der (in der Anzahl der Tage) zu kurz Gekommenem Das heute nur noch landschaftlich gebrauchte Hornung wurde seit dem 15. Jh. allmählich durch die lateinische Entlehnung Februarius verdrängt, deren deglutinierte Form Februar in der Gegenwartssprache allgemein üblich ist, wohingegen in Österreich zumindest amtlich weiterhin ihre mittelalterliche Entstellung Feber gilt (über das analoge Dublettenverhältnis Jänner - Januar s. Letzteres). fechten: Wie engl. to fight >kämpfen< hervorgegangen aus westgerm. *fe%ta- >kämpfen, Streitern (wohl urverwandt mit lat. pectere >kämmenWolle oder Haare rupfen, raufenkämpfen, angreifen (besonders beim Boxen) < zu fechten als dessen etymologische Dublette (vgl. auch Fechter). Fechter: Das mit dem Suffix -ceret-er zu mhd. vehten >streiten, kämpfen, ringen< gebildete Nomen Agentis vehter >Kämpfer; herumziehender, kampfsuchender Ritten hat in seinem heutigen Gebrauch einen der Bedeutungsverengung von fechten (s. d.) entsprechenden Sinn erlangt. Das analog strukturierte engl. fighter >Streiter, Kämpfen tritt seinerseits auf in der etymologisch adäquaten Dublette Fighter >offensiver Kämpfer (besonders beim Boxen)Feenstück, szenische Aufführung einer Feengeschichte mit großer Ausstattung«: Im 18. Jh. übernommen aus gleichbed. frz. féerie. das seit dem 12. Jh. (afrz. faerie/faierie) als Ableitung aus/ee >Fee, Zauberin« (daraus dt. Fee. s. Fatum) zunächst im Sinne von >Zauberei< auftritt. Seit dem 14. Jh. bezeugt ist aus dem Altfranzösischen entlehntes mengl./airy >Feen-, Märchenland; Märchenvolk«, das personifiziert wurde und heute im Sinne von >Fee, Elfe, Zauberin« (adjektivisch: >zauberhaft, feenartig«) gebraucht wird. Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet die Fügung Fairy Chess, die engl. fairy chess

als Bezeichnung für ein modernes Teilgebiet des Problemschachs mit z.T. neu erfundenen Figuren oder mit verändertem Schachbrett (eigtl. >Zauberschach«, s. Schah) wiedergibt und in der Fairy etymologische Dublette von Feerie ist. Feige: Der Name der Südfrucht (im Neuhochdeutschen diphthongiert aus mhd. vige) wurde über aprov./zga und vlat. *fica aus umgeformtem lat. ficus >Feigenbaum; Feige« zu seit dem 9. Jh. bezeugtem ahd. figa entlehnt. Auch die lateinische Vorlage, die mit griech. sykon >Feige« wohl aus einer kleinasiatischen oder mediterranen Sprache stammt, wird heute im Deutschen in der adäquaten Form Ficus und im Sinne von >Feigenbaum (Maulbeergewächs); ein (Zier)baum« verzeichnet. feist >dick, wohlgenährt«: Das Adjektiv (ahd. feizit/feizt) geht wie gleichbed. engl. fat zurück auf westgerm. *faitida, Partizip Perfekt von *faitjan >fett machen« (daraus mhd. veizen >mästenfett, feist« (in gleichbed. alemann. feiß). Niederdeutsche Entsprechung von feist ist fett (< mnd. vet. mit nach der Kontraktion von *feted eingetretener Vokalkürzung), aus dem seit dem 14. Jh. nachweisbares hochd. fett >dick, fetthaltig usw.« übernommen wurde. Dazu substantivisch Fett bzw. Feist >Fett, Speck des Haarwildes« in der Jägersprache.

Feld: Wie gleichbed. engl. field setzt das Substantiv westgerm. *felpa- >Ausgebreitetes, Ebene« fort, das über idg. *pelo. *plä- >platt, eben, breit; breitschlagen, ausbreiten« urverwandt ist mit anderen im Weiteren mit behandelten Dublettenreihen, vgl. Flett. Flur1. Palme, plan, platt. Über >Turnierplatz< entwickelte mhd. velt- sofern kriegerische Auseinandersetzungen auf offenem Gelände ausgetragen wurden - die Bedeutung >Kampf-, Schlachtfeld«, vgl. Feldtstuhl, Feldwebel jeweils unter Faltstuhl, Weibel. Der englische Kognat ist Bestandteil einiger aus dem Englischen stammender Fachausdrücke wie Fieldresearch >Verfahren in der Markt- und Meinungsforschung zur Erhebung statistischen Materials durch persönliche Befragung oder durch Fragebogen« (< engl. field research >Feldforschung, Primärerhebung«, s. Recherche). Fieidspaniel >kleiner englischer Jagdhund« (< engl. field spaniel, eigtl. >Feldspaniel«, s. Espagnole), Chesterfield >Herrenmantel mit verdeckter Knopfleiste« (vermutlich nach einem Lord namens Chesterfield, s. Alkazar) u.a.

Fell: Das deutsche Wort (mhd. vel, ahd. fei) geht über germ. Ofella- >Haut, Fell« (neutraler a-Stamm) auf idg. *peln~ (zur Verbalwurzel *pel- >bedecken, verhüllen«) zurück, auf welchem gleichermaßen Assimilation In > II aufweisendes lat. pellis >Haut, Fell« (femininer i-Stamm) beruht (vgl. ferner herkunftsgleiches griech. pélla >Haut«, vertreten möglicher-

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weise in Erysipel/Erysipelas >Wundrose< < griech. erysipelas, das meist als >rote Haut< gedeutet wird). Über mnd. und mniederl. pelle >Schale< wurde daraus nach W. Pfeifer und dem Duden-Herkunftswörterbuch hochd. Pelle >dünne Haut, Wursthaut, Schale< entlehnt, das demnach als genetische etymologische Dublette von Fell angesprochen werden könnte. Aus lat. pellis ererbt ist frz. peau >Hautrunzlig eingezogene Haut im Bereich der weiblichen Brust bei Brustdrüsenkrebs«, auch >Apfelsinenschalenhaut< (s. de1, Orange) genannt, und in der Bezeichnung für weichen Crèpe Satin Peau d’Ange (eigtl. >EngelshautMantelsack, Reisetasche< spiegelt sich darin ein romanisches Substitut von mlat. valisia »Reisesack, Satteltasche< (nach E. Seebold eine Weiterbildung von lat. vidulus geflochtener Korbfeste Masse harten Gesteins« vs. >größere, aufragende Masse fest in sich zusammenhängenden Gesteins«) abweichenden Varianten führen die etymologisch nicht eindeutig identifizierbaren, stark und schwach flektierenden maskulinen (vermutlich in Anlehnung an ahd., mhd. stein m. >Steineng< (s. bange unter eng), sanfto >sanft< (s. sanft), sköno >schön< (s. schon unter schön), späto >spät< (s. spat unter spät), suozo »süß* (s. süß), dräto »schnell, sehr< u.a. eigentlich um aus dem Germanischen ererbte erstarrte Kasusformen (versteinerter Ablativ nach W. Henzen) und nicht um Ableitungen von den zugehörigen ja-stämmigen Adjektiven engi, sköni, späti, suozi, dräti handelt. Eine solche Annahme würde zugleich erlauben, lexikalisierte primäre, bei den ja-Stämmen durch Ausbleiben des Umlauts gekennzeichnete Adverbien als etymologische Dubletten der jeweiligen Adjektive im Neuhochdeutschen zu interpretieren. Dies ist bei fast der Fall, das sich aus mhd. vast(e) »fest; stark; schnell; sehr, recht* entwickelte, indem seine Funktion als Verstärkung modifiziert wurde und es in Fügungen wie fast alle die Bedeutung »beinahe* übernahm, einstiges schier zurückdrängend. Alle diese Prozesse wurden dadurch ermöglicht, dass seit frühneuhochdeutscher Zeit die flektierte Form des Adjektivs in der Regel attributiv, die flexionslose und nunmehr meist apokopierte Form hingegen nur adverbal, d.h. als Prädikativ, prädikatives Attribut und Adverbialbestimmung prädikatsbezogen verwendet wurde. Nach der funktionalen Differenzierung der zwei Adjektivformen erübrigte sich die besondere Markierung (im Gegensatz zur Kennzeichnung des Adverbs z.B. durch -mentim Französischen oder durch -ly im Englischen, s. Leiche) und daher die Existenz der Kategorie des Adjektivadverbs im Deutschen überhaupt. Eine Reliktform, abgesehen von den bereits als etymologischen Dubletten angesprochenen schon, spat (s.o.) sowie lange (s. lang) und -ange in bange, liegt ferner in gerne (ahd. gemo, von Haus aus Adverb im Unterschied etwa zu den späten Analogiebildungen mda., ugs. alleine, sachte neben allein, sacht, s. sanft) vor, während mda., ugs. feste »sehr, tüchtig* das nach dem formalen Ausgleich von Adjektiv und einstigem Adverb meist zugunsten des Adjektivs (z.B. böse, müde, mürbe, süß usw.) das adverbial gebrauchte feste fortführt. Der englische Kognat von fest ist enthalten in der Fügung bzw. Zusammenrückung Fast Food/Fastfood »in gleichnamigen Gaststätten angebotene schnell verzehrbare kleinere Gerichte* (eigtl. »schnelles Essen*, Hinterglied: food »Nahrung, Speise; Lebensmittel; Essen*, verwandt mit ahd. fuoten »nähren*, ersetzt durch das Denominai füttern).

Fest: Das Wort, das Hochzeit1 (s. d.) in seiner älteren Bedeutung verdrängte, ist in mittelhochdeutscher Zeit ans lat. festum »Fest(tag)*, dem substantivierten Neutrum zu festus »festlich, feierlich* (< *fes- »religiöse Handlung*) entlehnt worden, vgl. dessen Ak-

kusativ in der Wendung post festum »hinterher, zu spät* (eigtl. »nach dem Fest*). Sein im Vulgärlatein als Femininum aufgefasster Nominativ Plural festa liegt span, fiesta, aus dem Fiesta »(spanisches Volks)fest< stammt, wie auch frz./etc zugrunde, worauf ugs. Fete »Party, ausgelassene Feier* beruht. Auf die Pluralform frz. fetes gehen Fetes galantes »höfische Feste im Frankreich des 18. Jh. bzw. die sie in der Art der Genremalerei darstellende Gemäldegattung* und möglicherweise im 19. Jh. von Berlin aus verbreitetes ugs. Fez/Feez »Spaß, Vergnügen* zurück. Über Letzteres vermutet man außerdem Zusammenhang mit mhd. fatzen »foppen* oder Übernahme von engl. feats »Taten*, was die Zuordnung von Fez zu den unter Fact behandelten Dubletten berechtigen würde.

Feudum »Lehngut*: Der Historismus, der viel weniger bekannt ist als das von ihm abgeleitete Adjektiv feudal »das Lehnswesen betreffend; vornehm, großartig; reaktionär*, repräsentiert gleichbed. mlat. feodum/ feudum, das selbst auf der Grundlage von afränk. *fehu »Vieh; Vermögen, Besitz, Gut*, im Karolingerreich (9. Jh.) »erbliches Lehen* (vgl. Vieh) gebildet ist. Auf *fehu beruhendes mlat. feum/fevum ist wohl unter Einwirkung von mlat. allodum/allodium »Eigengut* (latinisiert aus afränk. allöd »Habe, Besitz*, vgl. dt. Allod/ Allodium als mittelalterlicher Rechtsbegriff für das Familiengut im Gegensatz zum Lehen) zum besagten feodum/feudum umgeformt worden, falls dieses nicht einfach aus einem altfränkischen Kompositum *fehu-öd »Lehngut* hervorgegangen ist. Über ahz.feu/fiu (heute: jie/SLehen*) ergab das Wort im 14. Jh. engl. fee »Lehen; Erbgut; Lohn; Gehalt; Gebühr*, das enthalten ist im Fachausdruck des Bankwesens Hand/ingfee/Hand/ing-Fee »Bearbeitungsgebühren*, einer Zusammenrückung aus gleichbed. engl. handling fee (Vorderglied: das Verbalsubstantiv zu to handle »handhaben*, Ableitung von hand wie dt. handeln von Hand, s. d.). Feuer: Die neuhochdeutsche Lautung des Substantivs ist ebenso durch Diphthongierung aus mhd. viur, ahd. fiur entstanden wie engl. fire aus aengl. fyr, die E. Seebold über westgerm. *fewur »Feuer* auf gleichbed. idg. *pehwr zurückführt. Aus der gedehnten Nullstufe dieses Ansatzes ist griech. pyr, Gen. pyrós »Feuer* hervorgegangen, dessen Kompositionsform Pyro-/(vor Vokal) Pyr- als Wortbildungselement mit der Bedeutung »Feuer, Hitze* fungiert, vgl. Pyrotechnik »Herstellung und Gebrauch von Feuerwerkskörpern* (vgl. technisch). Der englische Kognat ist inzwischen im Rahmen der Zusammensetzung firewall (eigtl. »Brandmauer*) übernommen worden als Fachwort der Datenverarbeitung: Firewah »Sicherungssystem, das ein Netzwerk vor dem Zugriff nicht befugter Nutzer schützt* (s. Wall).

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Fibel2 > frühgeschichtliche Spange oder verzierte Nadel aus Metall zum Zusammenstecken der Kleidungsstü cke*: Im 19. Jh. entlehnt aus lat. fìbula >Schnalle, Spange, Klammen (dies nach E. Seebold aus *fivibula, zu figere >anheften, festmachens s./ix). In seiner ursprünglichen Lautgestalt Fibula tritt der Latinismus in der Archäologie und Kunstwissenschaft synonym mit der Eindeutschung Fibel auf, gilt aber außerdem als anatomische Bezeichnung für den Wadenbein genannten, hinter dem Schienbein gelegenen Unterschenkelknochen. Über FibeP s. Bibel.

Fidalgo >Angehöriger des niederen Adels in Portugal*: Historismus, der auf port, fidalgo >Edelmann, Junker< beruht und - mit/- > ^-Wechsel vor Vokal im Anlaut (vgl. Hazienda, Hierro unter Facenda, Ferrum) eine genaue etymologische Entsprechung in span. Hidalgo als Bezeichnung für Angehörige des niederen Adels im Spanien des 12.-15. Jh. hat, dessen Verfall Cervantes Saavedra in der Gestalt von Don Quijote geschildert hat. Span, hidalgo > Edler* stellt eine Zusammenrückung dar aus aspan. hijo dalgo/ hijo de algo, wörtl. >Sohn des Vermögens< (eigtl. >Sohn von etwas*, lautlich entwickelt aus lat. filius de aliquo, wo aliquo den Ablativ von aliquid >etwas< repräsentiert, s. Filius, de1). Hidalgo ist außerdem der Name eines Bundesdistrikts in Mexiko und einer früheren mexikanischen Goldmünze. Fidel1: Dem Namen des mittelalterlichen Streichinstruments der Spielleute, das eine Vorform der Geige war, liegt gleichbed. mhd. videl/videle, ahd. fidula >Fidel< zugrunde. Dazu stellt sich als graphosemantische Dublette die für umgangssprachlich, volkstümlich oder veraltend gehaltene, leicht abschätzige Bezeichnung der Geige Fiedel. Obwohl sich für die althochdeutsche Form lat. fidicula >kleine Laute*,/des >SaiteLeier, Laute< als Anhaltspunkte bieten, ist die Herkunft des in den west- und nordgermanischen Sprachen vorkommenden Wortes (vgl. engl. fiddle Fiedel, GeigeSaiteninstrument< (angeblich zu lat. vitulari >frohlocken, jubelnGeige< auf den fragwürdigen Latinismus vitula (so beispielsweise bei H. Paul und C. T. Onions unter fiddle, nach J. Picoche dagegen wie entsprechend frz. vielte eher zu einem romanischen Verb lautmalender Natur im Sinne von >vi machen*). Es lässt sich daher auch das Fremdwort Viola >Bratsche< nicht ohne weiteres dem Dublettenpaar Fidel1 (über FideP s. fidel) und Fiedel als dritte Dublette zuordnen.

Fides fidel >Iustig, gut gelaunt, vergnügte Im 18. Jh. in der Studentensprache scherzhaft entwickelte Bedeutung aus der älteren >treuTreue, Zuverlässigkeit, GlaubwürdigkeitGlaubegetreu, zuverlässige s. fidel) im Nominativ bzw. mit dem Stamm der obliquen Kasus, wie auch engl. fidelity >Treue; Wahrhaftigkeit; Genauigkeit direkt oder über gleichbed. frz. fidélité entlehnt ist. Der Bedeutung nach korrespondiert der Latinismus im Deutschen mit fidel und wird im Duden-Fremdwörterbuch zusammen mit einer an lat. fidus zuverlässig, gewissenhaft, treu* angelehnte Entstellung Fidulität als der inoffizielle, zwangslosere zweite Teil eines studentischen Kommerses (d.h. eines festlichen Trinkabends, s. Kommerz) präziser definiert. Der Anglizismus liegt vor in der Zusammenrückung Hig/i-Fidelity/HigMidelity (Abkürzung: Hi-Fi) >originalgetreue Wiedergabe bei Schallplatten und elektroakustischen Geräten* (eigtl. >hohe Treues s. hoch).

Fides: Der auf lat. fides >Vertrauen, Treue; Zuverlässigkeit, spätlat. >Glaube< (vgl. fidel) beruhende Historismus bezeichnet das Treueverhältnis zwischen Patron und Klient im alten Rom. Außerdem ist Fides weiblicher Vorname, der früher häufiger im Elsass vorkam, wo eine heilige Fides verehrt wurde. Auch Kasusformen des lateinischen Substantivs treten im Deutschen auf wie etwa sein Akkusativ und Ablativ Singular in den (präpositionalen) Fügungen in fidem >zur Beglaubigung< (Formel bei Abschriften, eigtl. >für die Treues s. in) und (ex) bona fide/fide bona >guten Glaubens, in gutem Glauben, auf Treu und Glaubern bzw. mala fide >in böser Absicht; trotz besseren Wissens* (s. ex, Bon, Malum), sein Dativ Singular im juristischen Fachausdruck Fideikommiss unveräußerliches und unteilbares Vermögen einer Familie* (< lat. fideicommissum >zu treuen Händen überlassen*, Partizip Perfekt von fidei committere jemandem etwas auf seine Ehrlichkeit hin anvertrauen*, dann auch testamentarisch verfügen*) und der gleich lautende Genitiv in dem seit Heinrich VIII.

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Fieber üblich gewordenen Ehrentitel der englischen Könige Defensor Fidei >Verteidiger des Glaubens* (Bezugswort zu lat. defendere >verteidigenGlaube< angenommen, enthalten jeweils im Städtenamen Santa Fé, Hauptstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz (ohne Betonungszeichen dagegen in Santa Fe, Hauptstadt des Staates Neumexiko in den USA; eigtl. >heiliger Glaube*, s. Sanctus) und in der eine Zusammenrückung darstellenden portugiesischen Entlehnung Autodafé >Ketzergericht und Ketzerverbrennung< (s. Actus, de1). Auf dasselbe lateinische Wort geht durch altfranzösische Vermittlung engl. faith >Glaube, Treue, Vertrauern zurück, das uns in der Bezeichnung der ökumenischen Einigungsbewegung Faith and Order (eigtl. >Glaube und Gesetz*, s. und, Orden) begegnet.

Fieber: Die Bezeichnung für die krankhaft erhöhte Körpertemperatur über 38 °C ist seit dem 9. Jh. als Entlehnung aus gleichbed. lat. febris bezeugt, das im Sinne von »Hitze* gedeutet wird, indem man an eine vielleicht auch dem Wort Tag (s. d.) zugrunde liegende indogermanische Wurzel *dhegwh-, *dhogwh- >brennen< anzuknüpfen versucht. Das lateinische Wort hat auch ins Französische und direkt wie auch vermittelt — ins Englische Eingang gefunden, vgl. jeweils die medizinischen Fachausdrücke Fièvre boutonneuse >durch Zeckenbiss hervorgerufene nicht ansteckende Infektionskrankheit mit 8-14 Tage dauerndem Fieber< (eigtl. >BläschenfieberpickeligZeckenfieber< (s. Zecke), Drugfever >durch eine Arzneimittelallergie ausgelöste Fieberreaktion< (eigtl. >ArzneimittelfieberGeIbfieber< (s. blau), Febris tropica >TropenfieberVorgestelltes, Erdachtes, Irreales*: Das im 17. Jh. entlehnte Fremdwort geht wie gleichbed. engl. fiction zurück auf das lateinische Abstraktum fictio, Gen. fictionis (zum Partizipialstamm/ict- von fingere »formen, gestalten; ersinnen; vortäuschen*, woraus dt./ingieren). Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet den Anglizismus Fiction allein stehend als Sammelbezeichnung für fiktive Erzählliteratur (d.h. als Gegenwort zu Non-Fiction >Sach-, Fachliteratur*) sowie gebunden in Pulpfiction »Groschenheft, anspruchslose Massenliteratur< (vgl. Pulp), ScienceFiction/Sciencefictionfiwoneben die Kurzform Scifi) »Literatur aus dem Bereich derjenigen Thematiken, die die Zukunft der Menschheit in einer fiktionalen Welt betreffen* (Vorderglied über frz. science aus lat. sciencia »Wissenschaft*). Vgl. auch Faktion.

Filius »Sohne Durch die Schüler- und Studentensprache eingeführte scherzhafte Bezeichnung, in der sich gleichbed. lat. filius spiegelt. Verstümmelt kehrt der Latinismus im Anlaut der iberischen Historismen Hidalgo und Fida/go (s. d.) wieder. Nimmt man an, dass lat. filius über eine Vorform *felios wie auch/emina »Frau* (eigtl. »Säugende* oder »sich saugen Lassende*) mit dem Verb feläre »saugen* (Ausgangspunkt: idg. *dhe- »saugen*) genetisch zusammenhängt und sich demnach als maskuline handelnde Person so zu filia »Tochter* verhält wie socius »Gefährte, Genosse* zu socia (s. Sozius), dann ließe sich das lateinische Femininum im Rahmen der ebenfalls aus der Studentensprache stammenden scherzhaften Fügung Filia hospitalis »Tochter der Wirtsleute des Studenten* (s. Hospital) als morphosemantische etymologische Dublette von Filius ansehen. Filter: Die Bezeichnung der Vorrichtung, die feste Stoffe von Flüssigkeiten trennt, stellt eine im 19. Jh. erfolgte Eindeutschung von seit dem 16. Jh. bezeugtem und aus mlat. filtrum »(Durchseihgerät aus) Filz* übernommenem Filtrum dar. Das lateinische Wort selbst stammt als Latinisierung der Alchimistensprache aus dem Pluralstamm *filtir- oder unmittelbar aus dessen Singular westgerm. *filta- »Gestampftes, gestampfte Wollmasse* (wohl Dentalerweiterung zu idg. *pel- »stoßen, schlagen, treiben*). Diesem ist über ahd. filz »grobes Tuch, Lumpen* und mhd. vilz »Filz; Strohmatte; grober oder geiziger Mensch* (die übertragene Bedeutung meint zunächst den in Filz gekleideten, übermäßig sparsamen Bauern) nhd. Filz »aus Fasern, Haaren gepresster Stoff* entsprungen.

Filum »Faden; Faser, Nervenfaser*: Der anatomische Fachausdruck fußt auf lat. filum »Faden* (vgl. Linofil unter Lein), zu dessen romanischen Fortsetzern frz. fil »Faden* und ital. filo »dünner Faden; Schneide* zählen. Jenes tritt beispielsweise in der Fügung Fild-Fil »Kleiderstoff mit karoähnlichem Gewebebild* (eigtl. »Faden an Faden*, s. ad) auf, während Filo eine Art des Fechtangriffs bezeichnet, bei dem die angreifende Klinge die gegnerische aus der Stoßrichtung zu drängen sucht, indem sie an ihr entlanggleitet. Formal ist dessen Plural Vorderglied des Kompositums filigrana, der Quelle von dt. Filigran »Goldschmiedearbeit aus feinem Drahtgeflecht* (s. Korn1). Über frz. fil wurde im 16. Jh, engl./z/e »Aufreihfaden; Aktenbündel; Briefordner* entlehnt, das im Sinne von »in sich geschlossener Teil einer Datenmenge als eine bestimmte Art von Datei* in der Neuzeit den EDV-Terminus File lieferte.

Finalis »Schlussnote; Endton in den Kirchentonarten*: Substantiviertes Femininum von lat. finalis m./f., finale n. »die Grenze, das Ende betreffend* (zu finis »Ende, Grenze; Zweck*, s. Finis), vgl. ferner fachspr.

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Fuga finalis >Schlussfuge< (s. Fuge), causa finalis »letzte, endliche Ursache« (s. Causa). Deglutiniert liegt der Latinismus dt. final >den Schluss bildend; zweckbestimmend« als sprach- und rechtswissenschaftlicher Fachbegriff zugrunde, als Vorderglied von Zusammensetzungen erfüllt er aber vielfach die Funktion eines Wortbildungselements im Sinne von >den Schluss betreffend, zweckgerichtet, am Ende befindlich«. Herkunftsgleiches engl. final tritt laut Duden-Fremdwörterbuch auf in der terminologischen Fügung Final Cut/Finalcut >die für die endgültige Form des Films entscheidende Bearbeitungsstufe« (zweite Komponente zum Verb to cut »schneiden«, s. Cutter). Das lateinische Neutrum wurde zum Teil direkt, zum Teil über formgleiches ital. finale zu hauptsächlich im Sport und in der Musik gebräuchlichem Finale »Schlussteil; Endkampf, -spiel, -runde; Schlussstück, -satz« übernommen. Finis: Das veraltete Fremdwort, das lat. finis, Gen. finis »Grenze, Schranke, Ende; das Höchste, das Äußerste« wiedergibt, bezeichnete das Schlussvermerk in Druckwerken. Der dem Ortsnamen Pfyn im Thurgau zugrunde liegende präpositionale Akkusativ Plural Ad Fines (etwa »an der Grenze«, s. ad) ist heute schwer auszumachen, aus dem Akkusativ Singular finem sind aber gesetzmäßig ital. fine und frz. fin »Schluss, Ende« hervorgegangen. Sie liegen jeweils vor im musikalischen Fachausdruck Fine1 »Schluss eines Musikstücks« (vgl. auch die Aufforderung, das Musikstück vom Anfang bis zum Schlusszeichen zu wiederholen: da capo al fine, s. de1, Haupt, ad) und im kulturwissenschaftlichen Fin de Siècle »durch Verfallserscheinungen in Gesellschaft, Kunst und Literatur geprägte Zeit des ausgehenden 19. Jh.« (eigtl. »Ende des Jahrhunderts«, nach dem gleichnamigen Titel des 1888 erschienenen Lustspiels von Jouvenot und Micard, s. Säkulum). Weit verbreitet ist die These, dass sich aus dem übertragenen Gebrauch des Substantivs im Sinne von »Äußerstes«, entstanden nach W. Pfeifer aus Fügungen wie finis honorum »das Höchste an Ehren« (vgl. Honneurs), im Altfranzösischen und in anderen romanischen Sprachen adjektivischer Gebrauch entwickelt hat, nämlich (a)frz. fin m. (fine f.) »von höchster Qualität, ausgezeichnet, zart, rein« (analog ital., span, fino m.,fina f.). Die im 12. und 13. Jh. daraus entlehnten mhd./zn/vzn »fein, schön« und mengl./zne ergaben nach voneinander unabhängiger Diphthongierung nhd. fein und gleichbed. engl./ine. Substantivierungen der französischen femininen Form fine und des Plurals fines treten auf in Fine2, dem Namen eines besonders feinen französischen Weinbrands (vgl. gleichbed. engl. fine, das nach C. T. Onions eine Kürzung von frz. fine champagne aus älter eau-de-viefine de la Champagne »feiner Weinbrand aus der Champagne« darstellt, vgl.

firm Kampagne) und in Fines Herbes »fein gehackte Kräuter (mit Champignons oder Trüffeln)« (eigtl. »feine Kräuter«, vgl. die Fügung aux fines Herbes »mit feinen Kräutern« in Bezug auf die Zubereitung eines Gerichts). Die maskulinen Adjektivformen frz. fin und span, fino sind nachgetragene Attribute in Ragout fin »Ragout aus Kalbfleisch oder Geflügel überbacken oder als Pastetenfüllung« (eigtl. »feines Ragout«, das Vorderglied zu ragoùter »Appetit machen«) und Paso fino »vor allem aus Peru und Kolumbien stammendes edles, feingliedriges Reitpferd« (eigtl. »feiner Schritt«, s. Passus). Fink: Angesichts des angenommenen lautnachahmenden Ursprungs dieses Vogelnamens ist es nur natürlich, dass der Anlaut seiner möglichen Kognaten (mit und ohne s mobile, vgl. schwed. spink »Sperling; Fink«) und ihre Stammbildung differieren können. So repräsentiert dt. Fink (mhd. vinke, ahd. fimko) einen westgermanischen maskulinen n-Stamm, während für seinen englischen Kognaten finch »Fink, Gimpel« ein z-Stamm westgerm. *finki- angesetzt wird. Duplizität im Deutschen ergibt sich durch die Übernahme von ßu//finch »hohe Hecke als Hindernis bei Pferderennen« aus gleichbed. engl. bullfinch, entstanden durch Ellipse aus bullfinch fence, eigtl. »Gimpelzaun« (vgl. Bulle1, Fenz).

Fiorette »Gesangsverzierung in Opernarien des 18. Jh., Fioriture Der musikalische Fachausdruck geht zurück auf ital. fioretto, das als Diminutiv zu fiore »Blume, Knospe« (aus lat. flos, Gen. floris »Blume«, s. Flos1) eigentlich so viel wie »Blümchen, kleine Knospe« bedeutet. Nach dem knospenähnlichen Knopf, der bei Fechtübungen zwecks Vermeidung ernsthafter Verletzungen auf die Spitze des Stoßdegens gesteckt wurde, nannte man auch diesen im Italienischen fioretto. Als Entlehnung im Französischen wurde fioretto an fleur »Blume« angeglichen und in fleuret lautlich umgewandelt. Das im 17. Jh. ins Deutsche übernommene französische Wort lautete zunächst Flöret, wonach es durch Relatinisierung die heutige Lautgestalt annahm: Florett »Stoßwaffe mit biegsamer, vierkantiger Klinge und Handschutz; Florettfechten«. firm »fest, sicher, beschlagen«: Das hauptsächlich in der Verbindung in etwas (Fachgebiet, Bereich) firm sein gebrauchte Adjektiv mit der (von J. Ebner allerdings nicht bestätigten) österreichischen Variante ferm ist durch regelrechte Deglutination aus lat. firmus »stark, fest, sicher; standhaft, zuverlässig« bzw. (gemäß Duden-Fremdwörterbuch und Duden-Universalwörterbuch) über ital. fermo »fest, unentwegt« entlehnt. Der Latinismus tritt adäquat auf beispielsweise im Fachausdruck der Musik Cantus firmus »Hauptmelodie eines mehrstimmigen Chor- oder

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Firma Instrumentalsatzes< (eigtl. >fester Gesangs s. Cantus), Nicht auf das Femininum firma dieses Adjektivs, sondern auf das davon abgeleitete Verb lat. firmare >befestigen, bekräftigen« gehen die im Italienischen und im Französischen entstandenen Rückbildungen firma und ferme zurück, die sich im Deutschen in Gestalt der etymologisch adäquaten Dubletten Farm-Firma (s. d.) präsentieren. Firma: Von lat. firmus >fest, sicher; standhaft« (s.firm) ist das Verb firmare >festmachen, bekräftigen, sicherstellen«, spätlat. >durch Unterschrift für gültig erklären« abgeleitet, worauf ital. firmare >unterschreiben, (rechtskräftig) bestätigen« und frz. fermer >festsetzen, bindend vereinbaren« zurückgehen. Aus diesen rückgebildet sind jeweils ital. firma > (verpflichtende) Unterschrift (eines Geschäftsinhabers)« und frz. ferme >feste jährliche Pachtzahlung«, später >(durch festen Vertrag übernommenes) Landgut«, dem amerik. farm landwirtschaftlicher Großbetrieb« entstammt. Letzteres ergab dt. Farm (auch im Sinne von >Hof für Geflügel- und Pelztierzucht«), und ital. firma lieferte seinerseits die etymologisch adäquate Dublette Firma, die über >Handelsname< - wie auch engl. firm - zur Bezeichnung eines geschäftlichen Unternehmens und seines Aushängeschildes wurde.

Fisch: Ebenso wie im englischen Kognaten fish hat sich der Zischlaut /J7 im deutschen Wort (schon mhd. visch vs. ahd. fisk) aus /sk/ in germ. *fiska- >Fisch< entwickelt, das mit gleichbed. lat. piskis urverwandt ist und nach E. Seebold möglicherweise eine Zugehörigkeitsbildung zu idg. *peitos- >Nahrung< (also etwa >Zu-, Beikost«) darstellt. Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet engl. fish in den Zusammenrückungen Fisheye/Fish-Eye >Weitwinkel-, Fischaugenobjektiv, z.B. an Apparaten« (vgl. Auge) und Fishburger >mit einer Fischfrikadelle belegte Art Hamburger« (s. Käse), deren weiteres Schicksal im Deutschen allerdings besiegelt zu sein scheint, wenn man die Erläuterung »Fischaugenobjektiv« in der obigen Definition bzw. den Verweis von Fisheye auf Fischauge im Duden-Universalwörterbuch in Erwägung zieht. Fistula >Hirtenflöte; ein Orgelregister«: Das lat. fistula >Röhre; hell tönende Rohrpfeife« adäquat wiedergebende Fremdwort ist zugleich medizinisches Fachwort, denn zusammen mit der regelrechten Eindeutschung Fistel1 bezeichnet es auch einen durch Gewebszerfall entstandenen oder operativ angelegten röhrenförmigen Kanal, der ein Organ mit der Körperoberfläche oder einem anderen Organ verbindet Fistel2 wird synonym mit Fistelstimme Kopfstimme (ohne Brustresonanz)« gebraucht, aus dem es isoliert worden ist.

fix »sicher, stetig, feststehend, konstant«: Im 16./17. Jh. aus lat. fixus m., fixum n. >fest< (eigtl. »befestigt, angeheftet«, Partizip Perfekt von figere »anheften, festmachen«) entlehnt zunächst als Bezeichnung für den festen Aggregatzustand der Stoffe in der Alchimistenterminologie, dann im Sinne von »beständig« in Verbindung mit Idee, Gehalt, Preis, Summe sowie wohl von derselben Vorstellung heraus - umgangssprachlich für »schnell, geschickt, gewandt« gebraucht. Etymologische Dubletten von/ix sind das substantivierte Neutrum Fixum, das seit dem 17. Jh. in der Kaufmannssprache mit der Bedeutung »fester Betrag, festes Entgelt« üblich ist, und das homophone frz. fixe »befestigt, feststehend, konstant« in der Fügung Prix fixe »Geschäft mit festen Preisen« (eigtl. »fester Preis«, s. Preis). Mit dem lateinischen Neutrum identisch ist das Hinterglied in Komposita und Präfigierungen wie Kruzifix (s. Kreuz), Affix (s. ad).

fixieren: Auf der Grundlage von lat. fixus »fest, festgemacht« (s. fix) entstand im Mittellateinischen das faktitive Verb fixare »beständig, haltbar machen; fest ansehen«, das zuerst wohl über die Alchimistensprache ins Deutsche gelangte und die zum Teil von frz. fixer beeinflussten Bedeutungen von fixieren »lichtbeständig machen; festsetzen, festlegen, vereinbaren; anstarren« lieferte. Im 20. Jh. wurde über engl. to fix mit der für englische Verben regulären Adaptierung durch das Suffix -en (vgl. die Anglizismen boxen, dribbeln, flirten, starten) die Dublette fixen »Leerverkäufe von Wertpapieren tätigen; sich Drogen spritzen« übernommen. Flag »Zustandssignal bei Computern, das bestimmte Ergebnisse oder Zustände im Umfang von einem Bit anzeigt«: Der vom Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Terminus der Datenverarbeitung zählt zu den neuesten Anglizismen auf diesem Fachgebiet. Er basiert auf engl. flag (eigtl. »Flagge«, urspr. »Fahne«, vermutlich zu anord./fygra »flattern«), das schon zu Beginn des 17. Jh. im Sinne von »Schiffsfahne« durch niederländische und niederdeutsche Vermittlung hochd. Flagge ergab. Erst die Praxis hat zu entscheiden, ob sich Flag als Fachausdruck auf Dauer durchsetzen oder Flagge auch seine Funktion (wie dies etwa bei Maus, s. d., gegenüber Mouse der Fall war) übernehmen wird. flanken: Das in der Sportsprache des 20. Jh. aufgekommene Verb ist von Flanke »Seite« abgeleitet. Dieses wurde im 16./17. Jh. im Sinne von »Weiche des Pferdes; Seite eines Festungswerks oder eines in Schlachtordnung aufgestellten Heeres« aus gleichbed. frz. flanc (< afränk., ahd. hlanka »Hüfte, Lende«) rückentlehnt. Gleichzeitig lieferte das von flanc abgeleitete frz. flanquer »von der Seite her schützen oder de-

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cken« dt. flankieren »(schützend) begleitens das somit als etymologisch adäquate Dublette von flanken interpretierbar ist.

Flasche: Im Wort (mhd. vlasche, ahd. flaska) lebt germ. fflaskö fort, das wahrscheinlich im Sinne von »umflochtenes Gefäß< zu germ. ffleytan- »flechten« gehört und als Gefäßbezeichnung zu spätlat. flasco, Akk. flasconem entlehnt wurde. Aus diesem sind u. a. frz. flacon »Fläschchen« und ital. fiasco »Flasche« hervorgegangen, die entsprechend dt. Flakon >(Riech)fläschchen< und Fiasco »mit einer Strohhülle umflochtene italienische Weinflasche, meist für Chianti« bzw. Fiasko »Misserfolg, Zusammenbruch« lieferten, Letzteres aus dem nicht sicher gedeuteten Ausdruck der Bühnensprache ital. far fiasco »durchfallen« (wörtl. »Flasche machen«). Gelegentlich wird auf folgenden Erklärungsversuch verwiesen: Wenn in das Glas, das die venezianischen Glasbläser gerade bearbeiteten, Wolken oder Blasen gerieten, stellten sie den fehlerhaften Gegenstand beiseite, um dann eine einfache Flasche daraus zu machen, bei der es nicht so darauf ankam. flebile »weinerlich, kläglich, klagend«: Im musikalischen Fachausdruck spiegelt sich gleichbed. ital. flebile, das lat. flebilis »beweinenswert, kläglich« (zu fiere »weinen«) fortführt. Ein Erbwort aus dem Lateinischen ist auch frz. faible »schwach« (mit dissimilatorischem Schwund I -I > 0 -I wohl in Anlehnung an lat. debilis »schwach«), das in substantivierter Form zu Faible »Schwäche, Vorliebe« entlehnt wurde.

Flecken »größeres Dorf«: Abgesehen von dieser aus Marktflecken hervorgegangenen Verwendungsweise, ist die Differenzierung der ursprünglichen Varianten Flecken und Fleck (jeweils n- und a-Stamm) angeblich nicht so ausgeprägt wie etwa bei Ballen und Ball (s. d.). Dennoch lässt sich Flecken, das mit Fleck m./n. semantisch vielfach gleichgesetzt wird, häufig nicht ohne weiteres gegen dieses austauschen, vgl. ein blauer Fleck, der blinde Fleck im Auge, ein schönes Fleck, ein weißer Fleck auf der Landkarte, und erst recht nicht gegen den lexikalisierten Plural landsch. Flecke »Kaldaunen«. Flesche »Pfeilschanze, gewinkelte Feldschanzec Im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete eingedeutschte Entlehnung aus dem Französischen, in dem flèche »Pfeil, pfeilartiger Gegenstand« aus afränk. ffliugikalffliukka (vgl. altoberd./ZuUie »Pfeil«, einer Bildung zu fliegen im Sinne von »Fliegendes«, s. Flieger) hergeleitet wird. Nicht adaptiert tritt das französische Wort in der Fachsprache der Fechter auf: Flèche »blitzartiger Angriff aus weitem oder mittlerem Abstand zum Gegner«.

Flett »Wohn- und Herdraum im niedersächsischen Bauernhaus«: Das niederdeutsche Herkunft verra-

Flor tende Substantiv geht zusammen mit seinem oberdeutschen Kognaten Fletz »Hausflur« (dieser mhd. vlezl vletze »Tenne; Hausflur, Stubenboden; Lagerstatt«, ahd. flazzi »Tenne« fortsetzend) zurück auf das ja-stämmige Neutrum germ. fflatja- »geebneter Boden« (zu fflat- »flach, eben«, wohl Dentalerweiterung zu idg. *pelo-, *plä- »platt, eben, breit; breitschlagen, ausbreiten«, s. Feld). Der umgelautete Wurzelvokal der hochdeutsche Affrizierung Itti > Its/ aufweisenden Form wurde im Ostmitteldeutschen gerundet: Flöz, das seit dem 16. Jh. im Bergbau des Erz- und des Riesengebirges die plattenförmige Lagerstätte zu bezeichnen begann. Mit Flöz »Gesteinsschicht« als »hingeworfene Masse« versucht man gelegentlich, das norddeutsche Scheltwort Fläz »Flegel, Lümmel« (nach E. Seebold eher vielleicht zu niederd. vlote »Abrahmlöffel« unter Berufung auf Löffel als Scheltwort) in Zusammenhang zu bringen, was wenig überzeugend ist. Fliege: Der deutsche Insektenname und gleichbed. engl. fly gehen über ahd./Boga und aengl. fleoge/flyge auf westgerm. *fleug(j)ön »Fliege«, einen variativen ön-/jön-Stamm zum Verb fliegen (s. Flieger), zurück. Der englische Kognat ist als Grundwort in Butterfly (eigtl. »Schmetterling«, s. Butter, Butterfliege) vertreten, das die Bezeichnung für einen Spreizsprung im Eiskunstlauf und für einen frei gesprungenen Salto ist sowie kurz für Butterflystil »Schmetterlingsstil im Schwimmsport« steht. Eine genaue semantische und strukturelle Entsprechung im Sinne der etymologischen Duplizität findet das englische Kompositum in mda. Butterfliege (s. d.). Auf Fliege in der Sprache deutscher Juden versucht z. B. J. Picoche frz. flic »Polizist, Bulle« als Transposition von frz. mouche »Fliege; Spion« zurückzuführen, während man im Duden-Universalwörterbuch den Gallizismus Flic als volkstümliche französische Bezeichnung für »Polizist« auf rotwelsch Flick »Knabe« zu beziehen geneigt ist.

Flieger: Mit dem Suffix -er (dies aus ahd. -äri, abgelöst wohl schon in germanischer Zeit aus alten lateinischen Entlehnungen auf -arius) gebildete Personenbezeichnung zum Verb fliegen, das zusammen mit engl. to fly auf germ, ffleuga- »fliegen« (vgl. Flesche, Fliege, Flug, Flucht1) zurückgeht. Aus dem englischen Verb ist mithilfe von -er, d.h. von demselben alten Suffix zur Bildung von Personen- und Gerätebezeichnungen wie in Flieger, engl. flyer gebildet, das dt. Flyer »Vorspinn-, Flügelspinnmaschine; Arbeiter an einer solchen Maschine; Prospektblatt« lieferte und sich somit Flieger als etymologisch adäquate Dublette zugesellte. Flor1 m. »Blüte, Blumenfülle; Gedeihen, Wohlstand«: Das Wort scheint eine Verschmelzung zu sein aus

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floral mhd. flore Flume, Blüte«, Übernahme von gleichbed. afrz. flor/flour, und aus einer im 16. Jh. stattgefundenen Verselbständigung (frühnhd. Flore/Flor) von dessen Quelle lat./Zos, Gen. floris >Blume, Blüte, Knospe« in der Redewendung in flore esse >in Blüte stehem. Das darin auftretende lateinische Substantiv steht ebenso im Ablativ Singular wie in der adverbialen Fügung flore pleno >mit gefüllter Blüte; mit üppigem Blütenstand« (s. voll), vgl. ferner übertragen im Ablativ Plural in floribus et fructibus >in sehr guten Verhältnissen, sehr wohlhabend< (eigtl. >in Blüten und Früchten«, s. Frucht, in, et). Der Nominativ Plural von lat./Zos (genauer: flös), das übrigens auf der Grundlage der indogermanischen Verbalwurzel *bhle-, ^bhlö- >blühen, üppig sprießen« (zu *bhel>aufschwellen, aufblasens vgl. Ball, Bulle) mit dt. blühen, Blume, Blüte, Blust urverwandt ist, erscheint lexikalisiert im Fremdwort Flores >getrocknete Blüten als Bestandteile von Drogen; gesungene, meist improvisierte Verzierungen in der Musik des MittelaltersMehl< und flower >Blume, Blüte, Zierde«, Letzteres enthalten z.B. in Flower-Power (eigtl. >Blumengewaltdas Beste von etwas; Zierde; dünner, gegerbter Narbenspalt von Schaffellen« (in der letzteren Bedeutung vorzugsweise der Plural Fleurs, sofern für Bucheinbände verwendet). Der Plural des italienischen Kognaten flore >Blume< tritt - ebenso wie der französische - als Bestandteil der strukturgleichen Dubletten MR/efioriglas und Millefleurs1 (s. d.) auf. Sein Singular ist Hinterglied von ital. cavolfiore, das eigtl. >Kohlblume< (s. Kohl) bedeutet und einerseits als Blumenkohl ins Deutsche übertragen wurde, andererseits durch Umstellung gleichbed. österr. Karfiol ergab. Über Flor2 s. Velours. Vgl. auch Florette, floral, florid.

floral >mit Blumen, geblümt; Blumen betreffend, darstellende Deglutiniert aus lat. floralis m./f., florale n. >Blumen-, Blüten-< (zu flos, Gen. floris >Blume, Blüte, Knospe«, s. Flor1) oder übernommen aus darauf beruhendem gleichbed. frz. floral. Aus lat. floralia (substantivierter Plural des Neutrums) eingedeutscht ist Floralien als Bezeichnung für das altrömische Fest der Frühlingsgöttin der Blumen und Blüten Flora, das Ende April und Anfang Mai gefeiert wurde. Der Plural des französischen Adjektivs tritt seinerseits auf im Namen der jährlich in Toulouse veranstalteten Dichterwettkämpfe Jeuxfloraux (wörtl. Flumenspiele«, s. Jux).

florid >voll entwickelt, stark ausgeprägt, rasch fortschreitende Der das Entwicklungsstadium einer Krankheit kennzeichnende medizinische Fachausdruck stellt eine Deglutination des lateinischen Adjektivs floridus m., florida f. >blühend< dar, das zu flos, Gen. floris >Blume, Blüte< (s. Flor1) gebildet ist. Aus span. Pascua florida >Ostern< (s. Pessach) verselbständigt, liegt das im Spanischen gleich lautende Femininum dem Namen der nordamerikanischen Halbinsel und des Bundesstaates der USA Florida zugrunde. Anlass dazu hat die Tatsache gegeben, dass dieses Küstengebiet um Ostern 1513 von Juan Ponce de León entdeckt und für Spanien in Besitz genommen wurde.

Flucht1 >Reihung in gerader Linie; in einer Reihe liegende Zimmer; geradliniger Verlauf einer Mauer; Spielräume Man ist in der Regel bemüht, dieses Femininum und das zu fliehen gehörende Homonym Flucht2 lexikographisch auseinander zu halten. Als Fachausdruck der Architektur, aber auch im Sinne von »zusammen fliegende Schar Vögel« gilt seit dem 18. Jh. im Hochdeutschen gebräuchliches Flucht1 als Übernahme von niederd. Flucht/Flugt >Flug, Vogelschwarm, Richtung in einer geraden Linie«. Über mnd. v/wc/itFlug« geht dieses ebenso wie engl. flight1 >Flug; Schwarm« zurück auf westgerm. *flu%ti- >das Fliegen, Flug«, ein nullstufiges Abstraktum zu germ. *fleuga- >fliegen< (s. Flieger). Der Anglizismus, der ebenso wie der Teutonismus homonymes flight2 >Flucht< (zu to flee, dem gleichbedeutenden englischen Kognaten von dt. fliehen) neben sich hat, ist beispielsweise im Fremdwort Flight-Recorder Flugschreiber, Flugdatenregistriergerät« enthalten. Flug: Abstraktum zum Verb fliegen (s. Flieger). Bereits im Mittelhochdeutschen gebrauchte man die Genitivform vluges adverbial im Sinne von >im Fluge, eilend, in eiligster Bewegung«. Dieser erstarrte, kurzvokalische Genitiv liegt dem veraltenden Adverb flugs >eilends, sogleich« zugrunde, dessen Abspaltung vom Paradigma des Verbs und deutliche Verselbständigung gegenüber der Genitivform Flug(e)s sich sogar in der unterschiedlichen Vokalquantität geltend macht. In Anlehnung an derartige erstarrte Genitivformen (vgl. dwars, stets jeweils unter quer, stet) hat sich deren Marker -s zu einem adverbialen Suffix entwickelt, das auch an Feminina angehängt wird, vgl. nachts, seitens, die freilich von den wahren Produkten der Wortspaltung zugunsten der Derivation abzusetzen sind. Flur1 f. >Äcker und Wiesen«: Als Femininum erst seit mittelhochdeutscher Zeit üblich, während dem ursprünglichen, hauptsächlich in Norddeutschland gebräuchlichen Maskulinum Flur2 die Bedeutung Fußboden«, seit dem 18. Jh. >Vorraum im Haus«

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vorbehalten blieb. Über ahd. fluor, mhd. vluor >Saatfeld, Boden(fläche)« geht es auf germ. *flöra»(festgestampfter) Boden< zurück und ist mit Feld (s. d., eigtl. >Ausgebreitetes» EbeneBörsensaal; vereinbarter Mindestzins bei Krediten«, vgl. ferner die Zusammensetzung Dancefloor Tanzfläche in einer Diskothek; in Diskotheken gespielte Tanzmusik verschiedener Musikstile< (s. Tanz') sowie Sea-Floor-Spreading unter See1.

Flut: Über mhd. vluot, ahd. fluot geht das hochdeutsche Substantiv zurück auf germ. *flödu- >Flutfließen< fortlebenden germanischen Verb *flöwa- >fließen, strömern (abgetönte Dehnstufe zu idg. fpleu-, *plou»fließen; Schwimmern). Ursprungsgleich sind mnd. vlöt (daraus die Bedeutung von Flut als Gegenwort zu Ebbe) und engl. flood »Flut; Überschwemmung; Hochwassers das Vorderglied des geographischen Terminus Floodp/mn >generell überschwemmte Flachlandebene< (s.plan) ist.

Föhn »warmer, trockener Fallwinde Das sich seit dem 16. Jh. aus dem Alemannischen ausbreitende Wort wurde in althochdeutscher Zeit über vlat. *faonius aus lat. favonius dauer Westwind« (zu fovere »wärmen«) entlehnt. In übertragener Verwendung als Name des elektrischen Heißlufttrockners (seit 1925) wird es nicht mehr grafisch unterschieden» so dass Fön nur noch als Handelsmarke üblich ist. Föhre: Der Name der in der Botanik Pinus sylvestris heißenden gemeinen Kiefer geht über mhd. vorhe und ahd. forha auf germ. *fur%ö >Föhre< zurück, wobei E. Seebold die Umlautform aus einer alten Adjektivbildung *forhin zu erklären versucht. In germ. *fur%ö präsentiert sich die Nullstufe von idg. *perkwu>EicheEichenholz< (19. Jh.)» zum anderen in lat. quercus >Eiche< (vgl. Kork) vertreten ist. Belege wie mhd. kienvorhin >aus Kiefernholz«, frühnhd. kinforen/kinflr/kinfer >Kiefer< zeugen unmissverständlich davon, dass vorhe früh mit dem Substantiv Kien (ahd., mhd. kien >Holzspan, Kienspan, Fackel; Kiefen, urspr. wohl »Abgespaltenes«) komponiert wurde. Das Resultat ist die heute mit Föhre synonym gebrauchte verdunkelte Zusammensetzung föefer, in der Föhre in derselben abgeschwächten und gebundenen Form enthalten ist wie Frau in Jungfer (s. d.). Neben germ. *fur%ö setzt C. T. Onions einen germanischen Jön-Stamm *fur%jön an, aus dem er engl./fr >Nadelbaum (Pinus, Abies» Picea), Tanne, Fichte, Föhre< herleitet. Neh-

Folie men wir bei den erschlossenen germanischen Grundlagen Stammvarianz an» dann ließe sich Fir im seltenen Exotismus Red Fir (im Fremdwörterbuch: Red fir) >Holz der kalifornischen Tanne< (für engl. California red fir [Abies magnifica], eigtl. kalifornische rote TanneStreuherd einer Infektion« und neuerdings unter Einfluss von herkunftsgleichem engl. focus auch >Mittelpunkt des Interesses, einer Auseinandersetzung, eines Diskurses« bedeutet, beruht auflat./ocus >Feuerstätte, Herd« (vgl. Fächel). Im Vulgärlatein verdrängte focus lat. ignis, das ursprüngliche Wort für >Feuer«, und trat in den romanischen Sprachen an seine Stelle: frz. fez, ital. fuoco, span, fuego. Das französische Erbwort liegt vor in dem im Duden-Fremdwörterbuch gebuchten Fachbegriff der Gastronomie Potaufeu >Eintopf aus Fleisch und Gemüse, dessen Brühe, über Weißbrot gegossen, vorweg gegessen wird« (eigtl. >Topf auf dem Feuer«» s. Pott, ad) und das italienische in der musikalischen Vortragsanweisung con fuoco »heftig, schnell« (eigtl. »mit Feuer«, s. con). Folie »dünnes (Metall)blatt; Prägeblatt; Hintergrund«: Im 16. Jh. (urspr. »metallenes Glanzblättchen als Unterlage für gefasste Edelsteine«) entlehnt aus dem in einen kollektiven femininen Singular umgewandelten Plural folia »Metallblättchen« von lat. folium »pflanzliches Blatt«. Gleichen Ursprungs ist frz. feuille »Blatt«, das in Portefeuille (s. d.) gebunden erscheint und über afrz. foil/fuil engl. foil »Folie, Blattmetall« vermittelt hat. Auch dieses liegt gebunden vor in dem von B. Carstensen verzeichneten Jetfoil »düsengetriebenes Boot mit tragflächenähnlichen Flügeln, Tragflächenboot, Tragflügelboot« (Bestimmungswort: Jet »Düse; Strom, Strahl«, letztlich zu lat. iactare »werfen, schleudern«, zu iacere »werfen«). Lat. folium selbst ist im pharmazeutischen Fachausdruck Folium »Pflanzenblatt« adäqat und in Treff »Kreuz im Kartenspiel« (s. Trifolium) nur mit dem anlautenden Konsonanten vertreten. Seine Ablativform wurde im 18. Jh. aus der Fügung in Folio (< lat. in folio »in einem Blatt«, vgl. in) zur Bezeichnung des nur einmal gefalzten Papierbogens verselbständigt: Folio »Buchformat in der Größe eines halben Bogens; Doppelseite des Geschäftsbuches«, vgl. auch folio »auf dem Blatt (einer mittelalterlichen Handschrift)«, recto folio und verso folio »auf der Vorderseite bzw. auf der Rückseite des Blattes stehend« (s. recht, Vers, vgl. Quart2 unter Quarta). Unklar bleibt die etymologische Verwandtschaft bzw. Identität von lat. folium und gleichbed. griech. phyllon, vgl. z.B. die durch Umkehrung der Kompositionsglieder gebildeten Phyllopode »Blattfüßer« und- latinisiert - Podophyllum »Maiapfel«, eigtl.

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Form >Fußblatt< (über Podo- und -pode s. Fuß), sowie griech. *chairephyllon, das nur in lateinischer Form chaerephyllum bezeugt ist und zu lat. caerefolium umgestaltet auftritt. Über ahd. kervola und mhd. kervele/kerbel lieferte Letzteres den Namen der als Gewürz verwendeten Pflanze Kerbel (wegen ihrer Duft gedeutet als »liebliches, angenehmes Blatt rsch gekennzeichnete Übernahme von mnd. forse »Kraft, Stärke, Gewalt*, aus dem das Adjektiv fors »kräftig* rückgebildet und im 19. Jh. in hochd. forsch umgewandelt wurde. Das niederdeutsche Wort geht auf frz. force »Kraft, Macht* zurück, das andererseits die Quelle ist von veraltet Force »Kraft, Zwang, Gewalt* (auch in Force majeure, s. Major1, und in perforce »mit Gewalt; unbedingt*, s. vor). Dieses gelangte auch über engl. force »Kraft, Stärke; Truppe* ins Deutsche, z.B. in der Bezeichnung der britischen Luftwaffe Royal Air Force, eigtl. »Königliche Luftwaffe* (s. Regal, Air) und in Akronymen des Typs Ifor »von der NATO aufgestellte Einsatztruppe für Bosnien und Herzegowina* (gekürzt aus engl. Implementation Force, eigtl. »Durchführungstruppe*), Kfor »von der NATO aufgestellte Einsatztruppe für Kosovo* (gekürzt aus engl. Kosovo Force). Frz. force führt zusammen mit gleichbed. ital. forza (etwa in tutta la forza »mit voller Kraft*, s. tutti) spätlat. fortia »Kraft, Macht*, den Plural des Neutrums von lat. fortis »stark, kraftvoll*, fort. Substantiviert liegt das lateinische Adjektiv vor im sprachwissenschaftlichen Terminus Fortis »mit großer Intensität und gespannten Artikulationsorganen gebildeter Konsonant, z. B. p, t, kLichtibild< als Resultat des Verfahrens zur Herstellung dauerhafter, durch Licht erzeugter Bilder, dessen Benennung der ursprüngliche Zweck von engl. photography war. Dieses Kompositum wurde in den 3oer-Jahren des 19. Jh. vom englischen Astronom und Chemiker J. E W. Herschel gebildet möglicherweise als Kreuzung von Heliographie (eigtl. >Sonnenschriftder Franzose« genannt, weil seine Mutter Französin war und weil er gut Französisch sprach. Ihrer Form nach sind der italienische Name und seine Latinisierung substantivierte maskuline Adjektive, gebildet mithilfe des germanischen Suffixes -isk (s. Grotteske) zu mlat. Francia >Frankenland< (benannt nach dem Volksstamm der Franken, s. frank). Vertretungen der Vollform Francesco sind ferner span. Francisco, frz. Francois, während Frisco eine Klappform der zweiten Komponente von San Francisco (s. Sanctus) repräsentiert. Als Femininum im ursprünglichen Sinne >die Fränkin oder die Französin« zu nennen ist Franziska mit den aus anderen Sprachen bekannt gewordenen Entsprechungen ital. Francesca, span. Francisca, frz. Fran^oise, vgl. aber auch den gelegentlich lexikographisch aufgeführten Historismus Franziska »ehemalige Axt der Franken«, verselbständigt wie gleichbed. frz. francisque aus lat. (ascia oder securis) francisca >fränkischer (Axt)«. Keine Fragmentierungen von Franciscus bzw. Francisco, sondern eher Fortführungen von afrz. franfois/ franceis m., francesche f. >französich; Franzose; Französin« (vgl. die heutigen adjektivischen Suffixe frz. -aisl-ois, die J. Picoche als Kreuzungen von lat. -ensis/ -ense mit germ, -isk und griech.-lat. -iscus darstellt) sind dagegen die Namen frz., engl. Francis m. und engl. Frances f. Aus dem Altfranzösischen wurden andererseits über mhd. franzois/franzeis >französisch< und gleichbed. franzoisisch/franzoisch die Substantivierung Franzose und die Adsuffigierung französisch übernommen. Die heutigen Lautformen des französischen Adjektivs frangais m./franfaise f. treten auf im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Francis fondamental »Grundwortschatz der französischen Sprache« (eigtl. grundlegendes Französisch«) und im musikalischen Franqaise >älterer französischer Tanz, vorwiegend im 6/8-Takt< (elliptisch für danse fran$aise »französischer Tanz«, vgl. Tanz). C. T. Onions leitet engl. French französisch« aus germ. *frarjkiskaz fränkisch« her, das er für die Quelle von mlat. Franciscus und daher für afrz. franceis, frz.fran^ais erklärt. Im Prinzip ist dieser Ansatz akzeptabel, so dass sich abschließend sowohl das Attribut der englischen Fügung French Dressing »Vinaigrette« (eigtl. »französische Salatsoße«, Bezugswort: Verbalabstraktum zu to dress »herrichten«) als auch fränkisch, der deutsche Kognat des englischen Adjektivs, der obigen Dublettenreihe von Personen- und Gattungsnamen zuordnen ließen.

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Fraternità »Brüderlichkeit«: Das frz. fraternité repräsentierende Fremdwort gehört zusammen mit Égalité (s. d.) und Liberté (s. Libertas) zu den drei Losungsworten der Französischen Revolution. Frz. fraternité setzt lat. fraternitas, Akk. fraternitatem (Abstraktum zu fraternus »brüderlich«, zu frater »Bruder«, s. Bruder) fort, das seinerseits durch reguläre derivative Substitution lat. -itas > dt. -ität (s. Societas) die Dublette Fraternität »Brüderlichkeit; Verbrüderung; (kirchliche) Bruderschaft« lieferte.

Frau: Das Substantiv (mhd. vrouwe, ahd./rouwa) ist das movierte Femininum zum untergegangenen Maskulinum ahd. frö »Herr« (s. frönen). Somit bedeutete es von vornherein »Herrin«, wurde aber im 17. Jh. als Standesbezeichnung von Dame (s. d.) verdrängt und trat selbst als Geschlechtsbezeichnung an die Stelle von mhd. wip »Frau, Gattin« (daraus heute Weib). Die junge Herrin hieß mhd. juncvrouwe mit einer seit dem 14. Jh. bezeugten Nebenform juncfer, die heute in Jungfer (s. d.) fortlebt und in der das Grundwort gebundene etymologische Dublette von Frau ist. Über homonymes -fer s. Kiefer unter Föhre.

frei: Das aus mhd. vrt, ahd. fri durch Diphthongierung lautlich umgestaltete Adjektiv geht wie gleichbed. engl. free und niederl. vrij auf germ. *frija- »frei, unabhängig« zurück, das eine spezifische germanischkeltische semantische Entwicklung von idg. *prijo»lieb« darstellt. Die nicht diphthongierte Vorform ist im französischen Namen des westschweizerischen Kantons und dessen Hauptstadt Freiburg bewahrt: Fribourg (vgl. Burg). Der ebenfalls nicht diphthongierten Vokal enthaltende englische Kognat free ist Bestandteil nicht nur von Ortsnamen wie dem der Hauptstadt Sierra Leones Freetown (vgl. Zaun), sondern auch von terminologisierten Komposita und Wortfügungen wie etwa Freesfy/e/Free Style »Trickskilaufen« (s. Stil), Free Concert (s. Konzert) und in Vertragsklauseln, nach denen der Käufer Kosten und Risiko bis zu einem bestimmten Punkt übernimmt, z.B. free on quay »frei (bis zum) Kai« (s. Kai, vgl. an). Wie dt. -frei wird auch engl. -free suffixartig gebraucht, vgl. Duty-free-Shop/Dutyfreeshop »Laden, in dem Waren zollfrei verkauft werden« (eigtl. »zollfreier Laden«, s. Shopf). Auf der genetischen und semantischen Identität von frei und free basiert die seit dem 18. Jh. bezeugte Wiedergabe von engl. Freemason durch dt. Freimaurer (Lehnübersetzung mit teilweiser Adaptation). Als Vorderglied von frijbuiter »Freibeuter« tritt der niederländische Kognat von frei in Fiibustier/Fiiibuster1 bzw. in Filibuster1 (s. Freibeuter) stark modifiziert auf. Freibeuter »Seeräuber«: Der seit dem 16. Jh. bezeugte Historismus ist eine Verhochdeutschung von mnd.

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vribüter/vrrbuter, mniederl. vrijbuiter »Schiffsführer oder Seemann mit Vollmacht zum Kapern feindlicher Schiffe; Seeräuber*, Nomen Agentis zu einem von vrijbuit >freigegebene Kriegsbeute* (s.frei) abgeleiteten Verb mniederl. vrijbuiten >auf Freibeute fahren*. Unter dem Einfluss des im 16. Jh. sehr gebräuchlichen und nach dem Ärmel zur Zuiderzee Vlie benannten Wasserfahrzeug mniederl. vlieboot (daraus dt. Flieboot >kleines Fischerboot; Beiboot*, engl. - an fly >Fliege< angelehnt -flyboat, vgl. frz. bateau muche, wörtl. >FliegenschiffFreibeuter< zu fleebooter/flibutor und schließlich in ein lautliche Schwierigkeiten bereitendes filibuster (= span, filibustero = frz. flibustier) umgewandelt. Aus dem Französischen und Englischen entlehnt ist dt. Flibustier/Filibuster2 »westindischer Seeräuber in der zweiten Hälfte des 17. Jh.; Seeräuber, gesetzloser Abenteurer*. An diese Varianten schließt sich der Amerikanismus Filibuster1 an als Bezeichnung für eine im amerikanischen Senat von Minderheiten geübte Praktik, durch Marathonreden die Verabschiedung eines Gesetzes zu verzögern.

Friedrich: Der alte deutsche männliche Vorname setzt sich aus ahd.fridu >Friede, Schutz* und rthhi Herrscher; königlich, mächtig* (s. reich), so dass er üblicherweise im Sinne von >Friedensherrscher< gedeutet wird. Zu seiner Beliebtheit im Mittelalter haben bedeutende Namensträger von Friedrich Barbarossa (12. Jh.) bis Friedrich den Großen (18. Jh.) beigetragen. Nennenswert außer der Latinisierung Fridericus sind u.a. seine lautlichen Abwandlungen niederl. Frederik, engl. Frederic, schwed. Fredrick, frz. Frédéric, ital. Federico, span. Federigo, poln. Frydrych, tschech. Bedrich, finn. Veetrikki. Friedrichshagen: Berliner Vorort, der in der Literaturgeschichte für die 1890 dort stattgefundene Zusammenkunft einer Gruppe von Naturalisten (des sog. Friedrichshagener Dichterkreises) bekannt ist. Seine Benennung verdankt er ebenso wie der Berliner Stadtteil Friedrichshain dem unter den preußischen Königen beliebten Herrschernamen Friedrich (s. d.). Die etymologische Duplizität beider Ortsnamen gründet sich auf die Herkunftsgleichheit ihres zweiten Bestandteils (s. Hain). frisch: Über mhd. vrisch und ahd. frisc geht das Adjektiv ebenso wie engl. fresh auf etymologisch nicht geklärtes westgerm. *friska- zurück, das in die romanischen Nachbarsprachen (vgl. frz. frais m.,fraiche f. und ital. fresco m. fresca f.) und aus dem Frühneuhochdeutschen auch zu ung. friss >neu, noch unverdorben; munter, flink; kühl, erfrischend* entlehnt wurde. Engl. fresh und die feminine französische Form sind enthalten etwa in Azrfresh >MitteI zur

Front Luftverbesserung* (s. Air) und Crème fraiche >saure Sahne mit hohem Fettgehalt* (s. Chrisam). Aus dem italienischen Fachausdruck dipingere a fresco >auf frischem Kalkputz malen* stammt die präpositionale Fügung a fresco/«/ fresco >auf frischem Verputz, auf die noch feuchte Wand (gemalt)* (s. ad) als Bezeichnung dieser Maltechnik, die substantivisch auf die seit dem 18. Jh. bezeugte Rückentlehnung Fresko1 n. übertragen wurde und heute - neben im 19. Jh. über frz. fresque übernommenem und eingedeutschtem Freske - auch im Sinne von >Freskogemälde* auftritt. Formal identisch mit jenem ist der als Phantasiebezeichnung geltende Stoffname Fresko2 m. >poröses, raues Kammgarngewebe*. Auf dem ungarischen Germanismus friss >hurtig, flink, frisch* beruht der musikalische Terminus Friss >der schnelle Paartanz des Csardas*.

frönen >sich einer Leidenschaft ergebene In dieser übertragenen Bedeutung hat sich das der gehobenen Sprache vorbehaltene Verb erst seit dem 18. Jh. etabliert. Zuvor war es mit seiner umlautlosen, ursprünglich mitteldeutschen Variante fronen »Frondienste, schwere Arbeit leisten* gleichbedeutend. Das Dublettenpaar setzt mhd. vroenen/vrönen >zum Herrn machen, heiligen, verherrlichen; (für den Herrn) in Beschlag nehmen; dienen, Frondienst leisten* fort. Voraus geht das;«n-Verb ahd. frönen >(für den Herrn) in Beschlag nehmen* (eigtl. »dienen, unterworfen sein*), eine Ableitung vom Adjektiv/röno »des Herrn, dem Herrn gehörig; herrlich; heilig*, das an sich eine Verselbständigung (Hypostase) des erstarrten Genitivs Plural von ahd. frö »Herrscher, Herr, Gott* darstellt. Dieses aus germ. *frawan- »Herr* hervorgegangene Substantiv, zu dem Frau (s. d.) als moviertes Femininum gehört» wurde zwar von Herr (s. hehrer) verdrängt, ist aber als Bestimmungswort in Fronarbeit, -dienst, -leichnam (eigtl. »Arbeit, Dienst an den Herrn* bzw. »der Leib des Herrn*) erhalten.

Front »Stirnseite; vordere (Kriegs)liniec Das früher auch in der Lautung Fronte auftretende Fremdwort wurde im 17. Jh. aus frz. front und ital. fronte entlehnt» die auf den Akkusativ frontem von lat. frons »Stirn; Vorderseite* zurückgehen, vgl. auch die aus dem Französischen stammende präpositionale Fügung bildungsspr. front à front »Mann gegen Mann* (eigtl. »Stirn gegen Stirn*, s. ad). Der portugiesische Reflex frente »Front* ist beteiligt am Akronym Frelimo, d.h. am abgekürzten Namen der bis 1975 als Befreiungsbewegung, danach als Einheitspartei in Mocambique existierende Frente de Libertario de Mocambique »Befreiungsfront von Mocambique*. In adäquater Form ist das lateinische Substantiv anatomischer Terminus: Frons »Stirn, Stirnbein*. Zwei Kompositionsformen des Latinismus liegen vor im ebenfalls über das Französische übernommenen

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Frontier Kompositum Frontispiz >Giebeldreieck; Verzierung eines Buchtitelblatts< (aus gleichbed. frz. frontispic, einer Umgestaltung von lat. frontispicium »Vordergiebel«, eigtl. »Vorderansicht«, ein aus frons und specere »sehen« komponiertes Verbalabstraktum) und im neoklassischen Fachausdruck der Meteorologie Frontogenese »Bildung von Grenzflächen zwischen Luftmassen von verschiedener Dichte und Temperatur< (vgl. Genese). Frontier: Die im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Definition des Fremdwortes >Bezeichnung für die Siedlungsgrenze zwischen dem von Indianern, Jägern und Fallenstellern beherrschten Gebiet und der nachfolgenden, durch Besiedlung und Verdrängung erfolgenden »Zivilisation« in Nordamerika im 19. Jh.< weist auf eine spezifisch amerikanische Bedeutung von engl. frontier »Grenze«. Der Anglizismus beruht auf afrz. frontière »Grenze«, dem substantivierten Femininum von frontier jemandem zugekehrt, benachbart, angrenzend< (zu front >Stirn-, Vorderseite«, s. Front), mit dem auch span, frontera »Grenze« identisch ist, vgl. den andalusischen Ortsnamen Jerez de la Frontera (also eigtl. Jerez an der Grenze«, s. Jerez, de1). Direkte Entlehnung aus dem Französischen ist der Archaismus Frontière >(Landes)grenze«.

Frucht: Das Substantiv (asächs., ahd. fruht, mhd. vruht) ist mit westgermanischer Lautsubstitution /kt/ > /xt/ (s. diktieren) früh entlehnt aus gleichbed. lat. fructus (auch »Genuss; Ertrag; Nutzung«, zu frui >genießen«, urverwandt mit dt. brauchen), das in unveränderter Form in der Pharmazie üblich ist: Fructus >Frucht einer Pflanze, die ganz oder in Teilen medizinisch verwendet wird« (dagegen eingedeutscht rechtssprachl. Ususfruktus »Nießbrauch«, s. Uso). Im Ablativ Plural liegt es in der präpositionalen Fügung in floribus et fructibus >in sehr guten Verhältnissen, sehr wohlhabend« (eigtl. >in Blüten und Früchten«, s. Flor1, in, et) vor. Seine Kompositionsform fructierscheint z. B. im zoologischen Fachausdruck Fruktivoren >Früchtefresser< sowie - französiert - im Namen des zwölften Monats (18. 8-16.9.) im Kalender der Französischen Revolution fructidor Fruchtmonat« (Grundwort griech. döron >Geschenk, Gabe«) und daher im Historismus fruttidoriFruktidor. Romanische Fortsetzer von lat./ructus sind ital. frutto (Plur. frutti) und frz. fruit (> engl. fruit), vertreten in Frutti di mare >essbare Meerestiere« (eigtl. Früchte des Meeres«, vgl. Meer), Tuttifrutti »Vielfruchtspeise; Süßspeise aus verschiedenen Früchten« (Zusammenrückung aus ital. tutti frutti »alle Früchte«, s. tutti) bzw. Grapefruit »eine Art Pampelmuse^ (< engl. grape-fruit, Bestimmungswort grape »Traube« wegen der traubenförmigen Blütenstände der Pflanze).

Fuchs: Wie auch gleichbed. niederd. Voß und engl./ox setzt der Name des Raubtiers germ. *fu%sa- »Fuchs« fort, das im Sinne von »der Geschwänzte« als mögliche verhüllende Bezeichnung (vielleicht anstelle der tabuisierten indogermanischen Vorlage von lat. vulpes, vgl. Bär) auf idg. *peuk-, *puk- »dicht behaart, buschig, mit buschigem Schwanz« zurückgeführt wird. Der niederdeutsche Kognat (mit der üblichen Konsonantenalternation hochdt. -chs- vs. niederd. -ss- wie in der Karpfenfischbezeichnung Brachsen/ Brachse vs. Brassen/Brasse) ist aus der Literatur bekannt sowie als Familienname Voß/Voss geläufig, und der englische Hegt in der Isolierung Fox vor, verselbständigt aus Foxterrier (s. Terrarium) und Foxtrott »um 1910 in den USA entstandener Gesellschaftstanz« (< amerik./bx trot, eigtl. »Fuchsschritt«, Grundwort identisch mit dem Romanismus Trott »Trab«, vermutlich zur Sippe von dt. treten).

Fuge »kontrapunktisches Musikstück«: Das auf lat./wga »Flucht, Entrinnen« beruhende Fachwort bezeichnete zunächst den Kanon (den sich quasi gegenseitig fliehenden Gesang). Im 16. Jh. entwickelte es im Italienischen die heutige Bedeutung, welche die Führung des ersten Themas des polyphonen Tonstücks durch alle Stimmen metaphorisch als deren Davonlaufen voneinander darstellt. Fachsprachlich begegnet gelegentlich Fuga finalis statt dessen Eindeutschung Schlussfuge (s. Finalis). In französischer Lautgestalt Fugue ist das lateinische Wort medizinischer Terminus zur Bezeichnung des im epileptischen Dämmerzustand aufkommenden krankhaften Triebs zum Fortlaufen.

Fülle: Seinem Wesen nach ist das ein abstraktes Femininum: ahd. füllt, gebildet mit dem Suffix -i zum germanischen Adjektivstamm *fulla-, aus dem durch die sog. Brechung oder Vokalharmonie u> 0 vor a in der Folgesilbe heutiges voll (s. d.) entstanden ist. Da der derivative Zusammenhang von Fülle und voll nicht mehr so deutlich empfunden wird wie etwa bei Breite und breit, Helle und hell, Länge und lang usw., wurde zu voll nach deren Vorbild ein neues, wenn auch selten gebrauchtes Abstraktum Völle »Vollsein des Magen« (vgl. analog Tiefe zu tief, s. Teufe) als strukturgleiche etymologische Dublette von Fülle gebildet.

fünf: Die durch Labialisierung i > ü bereits zu mhd. vün/lautlich umgestaltete Kardinalzahl ahd. finf/fimf setzt germ. *fimf, älter *femf(e) fort, das über vorgerm. *pempe aus idg. *penkwe »fünf« hervorgegangen ist. Die nicht umgelautete frühneuhochdeutsche Nebenform fünf, insbesondere ihre berlinerische Modifizierung in fuffze/m gilt in der idiomatisierten Wendung 'ne Fuffzehn machen »fünfzehn Minuten Pause machen« (vgl. ferner ein falscher Fuff-

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ziger »jemand, dem nicht zu trauen istGestüthof< (in Stuttgart, das bei einem von Herzog Hermann I. im 10. Jh. angelegten Gestüt entstand und stuot »Herde von Zuchtpferden< als Bestimmungswort hat), boumgarte »Baumgartens wtngart/ wingarte >Weingarten< (woraus abgeschwächt gleichbed. mda. Ban-/BungerX, Wingert/Wengert, s. Baum, Wein). Es wird daher auf einen maskulinen n-Stamm germ. *gardön »Garten« zurückgeführt, woneben ein ebenfalls maskuliner u-Stamm germ. *garda- etwa in aengl. geard »HofHof< jeweils im Namen des Hauptgebäudes der Londoner Kriminalpolizei Scotland Yard (wörtl. »schottländischer HofGestüthof< (in Stuttgart, das bei einem von Herzog Hermann I. im 10. Jh. angelegten Gestüt entstand und stuot »Herde von Zuchtpferden< als Bestimmungswort hat), boumgarte »Baumgartens wtngart/ wingarte >Weingarten< (woraus abgeschwächt gleichbed. mda. Ban-/BungerX, Wingert/Wengert, s. Baum, Wein). Es wird daher auf einen maskulinen n-Stamm germ. *gardön »Garten« zurückgeführt, woneben ein ebenfalls maskuliner u-Stamm germ. *garda- etwa in aengl. geard »HofHof< jeweils im Namen des Hauptgebäudes der Londoner Kriminalpolizei Scotland Yard (wörtl. »schottländischer HofEchtzeituhr< (s. real) enthalten ist, andererseits das Fachwort der Elektronik Clock »Taktgeber zur synchronen Ablaufsteuerung von Prozessen« geliefert hat. Im Gegensatz zu den anderen romanischen Sprachen im Westen, in denen spätlat. campana »Glocke« ererbt wurde, setzte sich im Französischen dafür cloche als Reflex von ciocca durch, und zwar auch zur Bezeichnung glockenförmiger Gegenstände (z. B. cloche à frontage »Käseglocke«). Daher das in der neusten Ausgabe des Duden-Fremdwörterbuchs verzeichnete Cloche »beim Servieren verwendete Metallhaube zum Warmhalten«.

Glorie geh. »Ruhm, Glanz; Heiligenschein«: Bereits zu mhd. glörje/glörie »Ruhm« stattgefundene Entlehnung des lateinischen Femininums gloria »Ruhm, Ehre; Berühmtheit; Prahlerei; Ehrgeiz; Prunk«, vgl. die heute meist scherzhaft verwendete Bezeichnung eines schnell verblassenden Ruhms sic transit gloria mundi (eigtl. »so vergeht der Ruhm der Welt«, s. si, Mundus), zuerst 1409 für die Wahl Alexanders V. bezeugter Zuruf an den neuen Papst (Pater sancte, sic transit... »heiliger Vater, so vergeht.. .Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste< (s. Vater, et, Filius, Spiritus1, Sanctus). Ein weiteres Homonym ist schließlich der in Deutschland seit eh und je nur vereinzelt vorkommende weibliche Vorname Gloria4 (eigtl. >Ruhmverherrlichen< (s. Fazit) gebildet, und eine Kurzform von Glorie erscheint in dem Mitte des 17. Jh. aufgekommenen Adjektiv glorreich >ruhmreich< (zuerst religiös, doch schon seit dem späteren 17. Jh. auch weltlich). Glosse >Erläuterung zu einem erklärungsbedürftigen Ausdruck innerhalb eines Textes; spöttische Randbemerkung; polemischer Kommentar zu aktuellen Problemen*: Über lat. glossa »schwieriges Wort< geht der hauptsächlich sprachwissenschaftliche Fachausdruck auf griech. glössa >Zunge; Sprache< zurück, das im nicht eingedeutschten medizinischen Terminus Glossa >Zunge< wiederkehrt. Diese Lautung des Fremdworts war für die Koine genannte, im Zeitalter des Hellenismus gebräuchliche griechische Umgangssprache charakteristisch. Ihr entspricht die Kompositionsform glosso-, die als Wortbildungselement mit der Bedeutung >Zunge, Sprache* z.B. in Glossograph >antiker oder mittelalterlicher Verfasser von Glossen* (vgl. auch Diglossie »Zweisprachigkeit*, s. zwei) auftritt, neben sich aber außerdem die auf der attischen Lautung glötta Zunge; Sprache* beruhende Variante glotto- hatte, vgl. etwa glottogon »den Ursprung, die Entstehung der Sprache betreffend* und alternativ in Glosso-ZGlottolalie >das Zungenreden*.

Glu >Vogelleim*: Veraltete Entlehnung aus seit dem 12. Jh. bezeugtem gleichbed. frz. glu, in dem der Akkusativ glutem von spätlat. gius >Leim(Tischler)leimVerklebung der Ohren durch Sekretausfluss bei Mittelohrentzündung* (s. Ohr) und somit gebundene Dublette von Glu im Deutschen ist. Gluten ; die Backfähigkeit des Mehls bedingende, klebrige, zähe Eiweißmasse im Getreidekorn*: Die Bezeichnung für den auch unter dem Namen Kleber be-

kannten Stoff beruht auf lat. gluten, Gen. glutinis »Leim; Bienenharz*, einer Gutturalerweiterung der indogermanischen Grundlage *glei- >schmieren, kleben* (zur Wurzel *gel- »sich ballen*), auf die andererseits germ. *kleib- in kleiben und kleben zurückgeht. Aus dem Flexionsstamm des lateinischen Wortes gebildet ist Glutin, ein weiterer Fachausdruck, der den aus den kollagenen Substanzen tierischen Bindegewebes und der Knochen durch Kochen gewonnenen Leim (Hauptbestandteil der Gelatine) bezeichnet. An die Stelle des im klassischen Latein gebrauchten gluten trat im Spätlatein die Bildung gius, Gen. glutis >LeimGießen, Opferung* (dann übertragen auf den Gott, zu dessen Ehren das Opfer stattfindet) oder >(Gott als ein durch Zauberwort) angerufenes Wesen* entsprechend aus idg. *g’heu- >gießen* und *g’hau- >rufen, anrufen* herzuleiten versucht. In bestimmten Fügungen, die sich auf das Leiden Jesu Christi beziehen, wurde die Genitivform mhd. gotes verselbständigt und über mhd. pocks, frühnhd. botz zur neuhochdeutschen Interjektion potz morphologisch umfunktioniert, vgl. den veralteten Ausruf der Verwunderung potz Blitz. Der englische Kognat steht am Anfang der britischen Nationalhymne God save the King/Queen, d.h. >Gott schütze den König bzw. die Königin* (vgl. König). Formal an good >gut< (s. gut) angelehnt, ist er im englischen Abschiedsgruß goodbye (einer entstellten Zusammenrückung von God be with ye >Gott sei mit dir*) enthalten, der häufiger in der Abwandlung byebye auftritt.

Gouverneur »Statthalter einer Kolonie; höchster Exekutivbeamter eines größeren Verwaltungsbezirks, eines Bundesstaates in den USA; oberster Befehlshaber einer Festung oder eines Standorts*: Das aus gleichbed. frz. gouverneur entlehnte Fremdwort ist eine romanische Fortsetzung des lateinischen Nomen Agentis gubernator »Steuermann; Lenker, Leiter* (zu gubernare »das Steuerruder führen; lenken, leiten, regieren*, das selbst als Fachausdruck der Seefahrt aus gleichbed. griech. kybernän übernommen worden ist, vgl. Kybernetik'). Das lateinische Substantiv liegt in adäquater Form russ. gubernator »oberster Beamter eines Gubernium heißenden Verwaltungsbezirks im zaristischen Russland bzw. einer Oblast im heutigen Russland* zugrunde, das im Deutschen als Exotismus

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Gubernator neben Gouverneur vorliegt (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). graben: Das heutige Verb geht über ahd. graban auf gleichbed. germ. *graba- (vgl. Grube) zurück. Aus dem mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Kognaten graven wurde (a)frz. graver »einschneiden, einritzen* (urspr. >einen Scheitel, eine Furche ziehenRang, Stufe, akademische Würde; Abstufung; Maßeinheit*: Um 1000 getätigte deglutinierte Entlehnung (ahd. gräd »Rang*, mhd. grät >Stufe, Grad*) des lateinischen u-Stammsgradus >Stufe< (eigtl. >Schritt »das Gewicht selbst* oder durch Bedeutungsentlehnung von lat. scripulum »Gewicht einer vierundzwanzigstel Unze* unter dessen unzutreffender Verknüpfung mit etymologisch nicht verwandtem lat. scribere »schreiben* umgedeutet worden. In seiner primären Bedeutung ist griech. gramma zum internationalen Wortbildungselement -gramm im Sinne von »Geschriebenes* geworden, enthalten sowohl in aus dem Griechischen übernommenen Ableitungen wie Programm (über spätlat.

Grammatik programma aus griech. programma »schriftliche Bekanntmachung^ zu progräphein »vorschreiben«, s. vor) als auch in gelehrten Neubildungen wie Phonogramm »Ton-, Schallaufzeichnung< (aus der Kompositionsform von griech. phòné »Laut, Ton, Schall< und -gramm). Durch Umkehrung von dessen Gliedern entstand das Warenzeichen Grammophon als Name des von E. Berliner 1887 in Washington konstruierten Plattenspielers (vgl. Mikrophon unter Mikro1). Dagegen erscheinen der konsonantische Stamm grammat-., der dem Adjektiv grammatikós und daher dem Lehnwort Grammatik (s. d.) zugrunde liegt, und die darauf beruhende echte Kompositionsform des griechischen Substantivs erst im Archaismus Grammatologie »Schriftkunde; philosophische Grammatik< (vgl. Logo).

Grammatik: Ersatzwort dieser fremdsprachlichen Bezeichnung für den Teil der Sprachwissenschaft, der sich mit den sprachlichen Formen und deren Funktion im Satz, mit den Gesetzmäßigkeiten und dem Bau einer Sprache beschäftigt, ist Sprachlehre. Sie wurde von lat. (ars) grammatica bereits zu ahd. grammatih entlehnt. Voraus geht griech. grammatiké, das substantivierte Femininum des Adjektivs grammatikós »schriftkundig, die Schrift betreffend< (zu gramma »Geschriebenes, Schriftzeichen, Buchstaben s. Gramm), herausgelöst aus der Fügung grammatiké téchne »Kunst des Lesens und Schreibens< (dafür auch die lateinische Lehnübersetzung litteratura, vgl. Litera). Dessen substantivierte maskuline Vertretung im Lateinischen grammaticus »Sprachgelehrter< ergab durch Adsuffigierung dt. Grammatiker, und das Adjektiv selbst wurde durch regulären Suffixersatz lat. -icus > dt. -isch zu grammatisch eingedeutscht (vgl. fanatisch). Auf lat. grammatica beruht die im 12. Jh. getätigte halbgelehrte Entlehnung afrz. gram(m)aire, die im 14. Jh. (m)engl. grammar lieferte, lexikographisch verzeichnet z.B. in der in Großbritannien und Nordirland üblichen Bezeichnung für die das Hochschulstudium vorbereitenden Schulen Grammar School (s. Schule). Granat: Als Name des meist dunkelroten Halbedelsteins wurde das Wort in mittelhochdeutscher Zeit aus gleichbed. mlat. granatus (eigtl. »mit Körnern versehen, kornförmighalb< (eigtl. verschnitten, gespalten*, falls zu idg. *[sjkel- >schneiden, hauen, trennen*). Erstarrte Kasusformen der femininen Substantivierung mhd. halbe, ahd. halba >Seite, Richtung, Gegend* (ursprünglich Akkusativ eines ö-Stamms) liegen vor in Zusammenrückungen auf -halb (Reliktform des einstigen Nominativs eines ö-Stamms etwa in oberhalb, s. ober'), -halben, -halber (z. B. in meinethalben, ehrenhalber). Aus Bildungen wie ehrenhalber verselbständigt, fungiert -halber (eine nach W. Pfeifer wohl an das stark flektierte Maskulinum des Adjektivs halb angelehnte Umbildung von-halben) außerdem als dem Substantiv nachgestellte Präposition (und daher eigentlich als Postposition): halber >wegen*. Aus den Wendungen ein halber Liter und gleichbed. eine halbe Maß isoliert, tritt im Norddeutschen und im Bairisch-österreichischen Halbe (jeweils als Maskulinum und Femininum) in elliptischem Gebrauch auf.

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Engl. halß-back) >Läufer in einer Fußballmannschaft* (eigtl. >HalbverteidigerHalm, Schilf*, worauf man auch lat. culmus >(Stroh)halm, Ähre* und griech. kälamos >Halm, Rohr* (mit a statt 0 in der Wurzel wohl durch Assimilation, falls es sich dabei nicht um eine nullstufige Bildung oder Rückbildung aus gleichbed. kaläme handelt) zurückführt. Das griechische Wort, das sich im Historismus Kalam/Kalamos >antikes Schreibgerät aus Schilfrohr* widerspiegelt, gelangte ins Lateinische: calamus, Gen. calami >(Schilf)rohr, Schreibrohr* (als genetisch bedingte etymologische Dublette des einheimischen culmus), von wo aus es zweimal ins Deutsche entlehnt wurde: Calamus als Synonym von Kalamos (vgl. auch die genitivische Konstruktion Lapsus Calami Schreibfehler*, s. Lapsus), aber auch im Sinne von >hohler Teil des Federkiels bei Vogelfedern* und Kalmus >eine Gattung von Sumpf- und Wasserpflanzen, Aronstabgewächs*. Hand: Der Name des Körperteils (ahd., mhd. hant) geht wie gleichbed. engl. hand auf den germanischen «-Stamm *xandu- zurück, den man im Sinne von >die Greifende, Fangende* zu deuten versucht. Schon im Althochdeutschen schließt sich das Substantiv an die femininen z-Stämme an, d. h. es bildete nunmehr seine Pluralformen sowie den Dativ und den Genitiv Singular mit Umlaut, vgl. ahd. bi hendi, woraus mhd. behende und nhd. behände/(vor der Rechtschreibreform) behende >geschickt, flink* (eigtl. >bei der Hand*, s. um). Nichtsdestoweniger halten sich alte, nicht umgelautete Dative Plural in zusammengerückten präpositionalen Fügungen bis heute: vorhanden (eigtl. >vor den Händen*), analog abhanden und zuhanden. Adverbialisiert und zu einem Neutrum wieder substantiviert liegt der Plural hands von engl. hand in österr. hands/Hands >Handspiel beim Fußball* vor. Der Singular des englischen Wortes, dessen Präsenz auch im ersten Bestandteil von Handikap Behinderung; (Wettkampf mit) Ausgleichsvorgabe* (s. Cappa, in) vermutet wird, ist in einigen Zusammenrückungen wie Secondhandshop >Geschäft für den Verkauf von Ware aus zweiter Hand* (s. Sekunde, Schopf), Handout/Hand-out >an Tagungsteilnehmer ausgegebenes Informationsmaterial* (s. aus) enthalten. Hanf: Der über mhd., ahd. hanef auf germ. *xanapazurückführbare Name dieser Fäserpflanze ist eine Entlehnung aus der Zeit vor der germanischen Verschiebung der Verschlusslaute k und b jeweils zu h und p und stammt möglicherweise aus gleichbed. sumer. kunibu. Wahrscheinlich wurde er den alten Germanen von Thrakern oder Skythen vermittelt, denn

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nach einer Aussage Herodots soll es den Hanf in deren Land als Wild- und Kulturpflanze gegeben haben. Herkufts- und bedeutungsgleich mit dem germanischen Wort ist griech. kännabis, das zu lat. cannabis entlehnt wurde (vgl. den botanischen Namen des Hanfs Cannabis sativa) und in der Neuzeit das Fremdwort Cannabis »Hanf; Haschisch< lieferte. hart: Das heutige Eigenschaftswort führt einerseits (ebenso wie sanfte s. d.) das einstige nicht umgelautete Adverb mhd. hart(e), ahd. harto »hart; sehr< des Adjektivs mhd. berte, ahd. berti »hart, fest andererseits auf diesen zurückgehendes gleichbed. mhd. (mitteld.) und ahd. hart fort. Der germanische «-Stamm liegt auch engl. hard »hart* zugrunde, das in mehreren aus dem Englischen übernommenen Wortverbindungen und Zusammensetzungen erscheint, z.B. Hard RocVHardrock »laute Rockmusik mit einfachen Harmonien und Rhythmen* (< engl. hard rock, eigtl. »harter RockHecke; Zaun; Absperrung, SchutzStreitmacht< (mhd. her, ahd. heri) führt germ. *%arja- fort, dessen Ausgangsbedeutung nach E. Seebold vermutlich >das zum Krieg Gehörige< war. Als Bestimmungswort von Substantiven und als Vorderglied von Personennamen tritt das Wort mit ungedehntem Vokal auf in Herzog (eigtl. >der mit dem Heer Ausziehendes offenbar eine alte Lehnübersetzung von griech. stratölätes >HeerführerWohnstätte an den Bächen bzw. am Bach«), Bochum (eigtl. »Buchheim«), Dalem (eigtl. »Talheim«), Bretten (eigtl. »Brettheim«), Piesenkam (aus älter Puosinchaim). Engl. home ist Vorderglied mehrerer Fremdwörter, vgl. das Schlagwort der irischen Unabhängigkeitsbewegung (1877-1921) Homerule (s. Regel), das auf der Fügung home rule >Selbstregierung, Selbstverwaltung« beruht, oder den Baseballterminus Homeplate/Home-Plate (s. platt). heiß: Das Adjektiv geht über mhd., ahd. heiz auf gleichbed. germ. *%aita- zurück, das auch in engl. hot >heiß< fortlebt. Allein stehend liegt dieses vor in Hot >scharf akzentuierende und synkopierende Spielweise im Jazz« (auch kurz für Hotjazz als Bezeichnung für die frühen Jazzstile bis zum Swing) sowie in Hotdog (s. Dogge), Hotline (s. Linie), Hotpants (s. panta) u.a.

Heliand: Der altsächsische Name der um 830 für die Zwecke der Christianisierung der Sachsen geschriebenen, rund 6000 stabreimende Langzeilen umfassenden Evangeliendichtung entspricht hd. Heiland. Es handelt sich um einen Ehrentitel Jesu Christi, der griech. söt&r >Retter, Erlöser« (daraus das Fremdwort Soter) bzw. gleichbed. lat. salvator (s. Salvator1) übersetzt. Das als Sakralausdruck in der alten Lautung bewahrte Heiland führt mhd., ahd. heilant fort, welches eigentlich das einstige substantivierte Partizip Präsens des Verbs heilen (urspr. »heil machen; retten, erlösen«) vertritt und somit als Vorläufer von nhd. heilend erscheint. Heller >kleine Kupfer- oder Silbermünze«: Der Historismus, der in umgangssprachlichen, die Minderwertigkeit der einstigen Münze hervorhebenden Ausdrücken (vgl. keinen roten Heller wert sein u.a.m.) begegnet, führt den Namen der alten Reichsstadt Schwäbisch Hall, wo seit 1208 der sog. Hallerpfenninc geprägt wurde. Aus dieser Fügung nämlich wurde mhd. haller/heller verselbständigt. In Österreich war der Heller bis 1924 in Umlauf, in Tschechien und der Slowakei heißt die Untereinheit der Krone auch heute haléz. Daher der gleichbedeutende Exotismus Haléz, der den mittelhochdeutschen Vokalismus der Bezeichnung zum Vorschein kommen lässt. Helm >Griff, Stiel an Axt, Hammer u. Ä II aufweisenden Nebenformen helle-/hellenbarte, die heute im Historismus Hellebarde »Beil mit langem Stiel« vertreten sind (s. Barte2, wo auch das vermutliche Motiv für die Benennung dieser Hieb- und Stoßwaffe aufgeführt ist).

Henna »zum Färben von Haaren und für kosmetische Zwecke verwendeter rotgelber Farbstoff«: Das Fremdwort, das auch als Kurzform für den in Asien und Afrika heimischen Hennastrauch auftritt, aus dessen Blättern und Stängeln der besagte Farbstoff gewonnen wird, repräsentiert arab. hinnä’ »Hennapulver«. In der Lautform alcanna, d.h. samt bestimmtem Artikel gelangte es bereits ins Altspanische und von dort aus in andere europäische Sprachen. Daher dt. AZkanna, laut Duden-Fremdwörterbuch Bezeichnung für eine Gattung der Raublattgewächse, die besonders im Mittelmeerraum vorkommt. Herakles: Eindeutschung von Hèraklés, dem Namen des beliebtesten griechischen Heros, Sohn des Zeus und der Alkmene, der Frau des Amphitryon. Er setzt sich aus Héra, dem Namen der Gattin des Zeus, und kléos »Ruhm« zusammen und bedeutet möglicherweise »der den Ruhm der Hera hat bzw. zeigt« oder »der dank der Hera ruhmreich geworden ist« (hat doch der von der eifersüchtigen Hera verfolgte Herakles nicht nur die berühmten zwölf gefährlichen Arbeiten verrichtet). In der latinisierten Form Hercules wurde der Halbgott anfänglich im Privatkult, früh auch schon im Staatskult der Römer verehrt. Sie wiedergebendes dt. Herkules ist als Maskulinum zugleich Name eines Sternbilds, wird aber außerdem figurativ mit der Bedeutung »Mensch von großer Körperkraft« gebraucht. Der französische Reflex hercule tritt sowohl im Sinne von »starker Mann« wie auch als Personenname Hercule auf, der durch Agatha Christys Romangestalt Hercule Poirot (der Familienname wahrscheinlich ein Berufsübername aufgrund von frz. poirot »kleine Birne«, also etwa dt. Birner) weltweite Popularität genießt. Herba »während oder kurz nach der Blüte gesammelte oberirdische Triebe meist krautartiger Pflanzen, die getrocknet als Droge verwendet werden«: Das pharmazeutische Fachwort beruht auf lat. herba »der grüne Halm; Kraut, Unkraut, Gras«, dessen Kompositionsform beispielsweise Vorderglied des Kompositums Herbizid »chemisches Unkrautvertilgungsmittel« (Grundwort zu lat. caedere »schlagen, erschlagen, töten«) ist. Auch über frz. herbe, Plur. herbes »Gras, Kraut« gelangte es ins Deutsche, und zwar als gastronomischer Begriff in der Fügung Fines Herbes »fein gehackte Kräuter mit Champignons oder Trüffeln«

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(eigtl. »feine Kräuter«, s. Fines), vgl. Omelette aux fines Herbes »Eierkuchen mit Kräutern«.

Herberge »Gasthaus; Unterkünfte Das heute veraltende Wort führt mhd. herberge, ahd. herberga »Ort oder Haus zum Übernachten für Fremde; Heer-, Feldlagen fort, das sich aus ahd. heri »Heer« (s. Heer) und einem Abstraktum zu ahd. bergan »verbergen, in Sicherheit bringen« zusammensetzt und demnach ursprünglich so viel wie »ein das Heer bergender Ort< bedeutete. Das Wort, das W. Pfeifer und das DudenHerkunftswörterbuch für zunächst nur auf das deutsche und niederländische Sprachgebiet beschränkt erklären, soll über mnd. herberge anord. herbergi »Unterkunft, Herberge« ergeben haben, welches dann seinerseits vermutlich gleich strukturiertes aengl. herebeorg »Zufluchtsort (für Schiffe)« und daher engl. harbour/amerik. harbor »Hafern lieferte. Letzteres erscheint z.B. im Namen des 1941 von japanischen Bombenflugzeugen und U-Booten überfallenen amerikanischen Flottenstützpunktes auf Hawaii Pearl Harbor (eigtl. »Perlenhafen«, s. Perl). Der Lautstand und das frühe Auftreten von ital. albergo und prov. auberjo (woraus frz. auberge) geben manchen Germanisten und Romanisten wohl nicht zu Unrecht Anlass dazu, got. *haribairgö >Herberge< (bzw. germ. *%aribergö) als ihre Quelle zu erschließen. Dieser Meinungsverschiedenheiten ungeachtet sind auch der ital. albergo »Wirtshaus, Herberge, Hotel« widerspiegelnde Exotismus Albergo und der auf frz. auberge »Wirtshaus, Gasthaus< beruhende Archaismus Auberge auf jeden Fall etymologische Dubletten von Herberge. Herold »jemand, der eine wichtige Nachricht überbringt oder verkündete Das mit dieser Bedeutung in der gehobenen Sprache vorkommende Substantiv ist zugleich die historische Bezeichnung des mittelalterlichen Hofbeamten, der der Ausrufer und Bote eines Fürsten und insbesondere der wappenkundige Aufseher bei Turnieren war. Sein Vorgänger mhd. heralt/ heralde wurde im 14. Jh. aus afrz. heralt/heraut/hiraut (latinisiert heraldus) rückentlehnt, sofern man dieses über afränk. *heriwald zurückführt auf westgerm. *hariwald >Heeresbeamter< (eigtl. »der im Heer Waltende«, komponiert aus *walda- »walten« mit *harja»Heer« neben der Umkehrung Walther/Walter, s. Heer, vgl. Arnold, Waldemar). Da den Herolden die Aufgabe zukam, bei Ritterturnieren die Wappen der adligen Kämpfer zu prüfen, entsprang dieser Heroldskunst die Wappenkunde. Man pflegte sie lat. (ars) heraldica und frz. (science) héraldique zu nennen, woraus um 1700 dt. Heraldik entlehnt wurde. Unterdessen hatte sich der Gattungsname zum Eigennamen entwickelt, der aber im Deutschen nicht so sehr in der Lautung Herold bzw. in der dessen Vorlage entsprechenden Lautform Herwald üblich ist,

himmelblau sondern eher in der niederdeutschen Harold1 und der nordischen Harald auftritt, vgl. ferner die englische Harold2, die französische Hérault und die italienische Araldo/Eraldo.

Herz: Wie gleichbed. engl. heart (Grundwort in Sweetheart »Liebste, Liebster«, s. süß) hervorgegangen aus germ. *%ertön »Herz«, in dem die Vollstufe des gleichbedeutenden indogermanischen Wurzelnomens *k’erd- von einem neutralen n-Stamm (nach O. Szemerényi Nasalerweiterung) vertreten ist. Während seine Schwundstufe *k’fd- fortführendes griech. kardia (vgl. dessen Kompositionsform etwa in Kardiologe »Herzspezialist«) eine Ableitung (idg. *k\d~ijä) darstellt, liegt lat. cor, Gen. cordis die verallgemeinerte abgetönte Vollstufe *k*ord- zugrunde. Die Nominativform des lateinischen Wortes, dessen Stamm der obliquen Kasus nur in Ableitungen (z.B. veraltet kordial »herzlich; vertraulich«, konkordant »übereinstimmend«) enthalten ist, erscheint in terminologisierten medizinischen Fügungen wie Cor mobile »abnorm bewegliches Herz, Wanderherz« (s. Mob). Sein Reflex frz. coeure »Herz«, das Coeur als Farbbezeichnung im Kartenspiel neben Herz ergeben hat, tritt sowohl in analoger Funktion auf, vgl. Coeur en sabot »Holzschuhform des Herzens infolge Hypertrophie der rechten Herzkammer mit Hebung der Herzspitze« (eigtl. »Holzschuhherz«) als auch im übertragenen Sinn: contre coeur »ungern, unwillig« (eigtl. »gegen das Herz«, s. Kontra). Als graphosemantische Dublette von Herz offenbart sich die nach dem deutschen Physiker H. Hertz (1857-1894) benannte Maßeinheit der Frequenz Hertz (Zeichen: Hz). Hieronym »heiliger Name, der jemandem beim Eintritt in eine Kultgemeinschaft gegeben wird«: Im DudenFremdwörterbuch verzeichneter Fachausdruck, der sich aus dem auf griech. hierós »heilig« beruhenden Wortbildungselement Hiero- und griech. ónoma! ónyma »Name« (s. Name) zusammensetzt. Strukturgleich mit ihm ist der griechische männliche Vorname Hieronymos (eigtl. »der mit heiligem Namen, Heiliggenannter«). In latinisierter Form trug ihn der lateinische Kirchenvater und Bibelübersetzer Hieronymus (um 347- 420). Im Gegensatz zu seinen lautlich modifizierten Fortführungen ital. Geronimo, frz. Jéròme, engl. Jerome1, span. Jerome2 spielt er heute in der Namengebung in Deutschland keine Rolle mehr.

himmelblau: Das auf einen Vergleich mit der Farbe des wolkenlosen Himmels gestützte Adjektiv setzt gleichbed. mhd. himelblä, flektiert himelbläwer usw. (s. blau) fort. Alternanz von mit und ohne s-Fuge gebildeten Zusammensetzungen mit Himmel- wird bei Himmelstürmer/Himmelsstürmer, Himmelschlüssel/ (seltener:) Himmelsschlüssel toleriert. Nur mits-Fuge verzeichnet das Duden-Universalwörterbuch u.a.

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Hinde dicht. Himmelsblau >Blau des Himmels*, das somit als etymologisch adäquate morphosemantische Dublette von himmelblau zu gelten hat. Hinde >HirschkuhBeere, die sie gern frisst*), wird angenommen, dass Hinde auch Vorderglied in Himbeere (alemann. Impbeere) ist, entstanden durch Angleichung mb < mpb < npb < ntb aus mhd. hintber, ahd. hintberi (wörtl. >Beere der Hindeweg, fort von hier*: Das endbetonte zusammengesetzte Adverb führt gleichbed. spätmhd. hinwec fort, dessen Hinterglied das aus dem Substantiv wec »Weg* durch Hypostase (Erstarrung) entstandene weg >fort; von einem Ort entfernt oder sich entfernend< (s. d.) repräsentiert. Strukturgleich mit hinweg ist das auf der Basis der adverbialen Fügung hin und her gebildete anfangsbetonte Substantiv Hinweg als Gegenteil von Herweg, so dass hinweg und Hinweg als morphologisch und akzentmäßig verschiedene etymologisch adäquate Dubletten auftreten.

Hippokamp/Hippokampos »Mischwesen aus Pferd und Schlange*: Die Bezeichnung für das fischschwänzige Seepferd, ein Reittier von Meeresgottheiten der antiken Sage, beruht auf griech. hippókampos Seepferdchen* (bestehend aus kämpos >Meerungeheuer< als Grundwort und hippo- >Pferde-Reitbahnff aus höchvart/hövart/höh(e)vart (zu höhe varn »vornehm leben*, also urspr. »vornehme Lebensart*, s. Fahrt) entstanden ist. Eine analoge Entwicklung liegt vor in den Ortsnamen Homburg (< mhd. [ze der] höhen bure »[zur] hohen Burg*, s. Burg) und Hannover, Hannöver (zu mnd. hö/höch und över »Ufer*, s. Ufer). Keinen Superlativ von hoch, sondern eine Zusammenrückung des Adjektivs wohl mit Stadt stellt der Ortsname Höchst (s. Statt) dar, der somit mit Höchstadt (an der Aisch) und Höchstädt (an der Donau) zumindest im Vorderglied übereinstimmt. Zum Schluss sei noch vermutlich gleichbed. amerik. high folgendes Hoch als Kopfisolierung aus dem meteorologischen Terminus Hochdruckgebiet erwähnt. Hochzeit1 »Eheschließung*: Das seit dem 17. Jh. in diesem verengten Sinne auftretende Kompositum ist durch Vokalkürzung /0:/ > /0/ vor mehrfacher Konsonanz aus mhd. höch(ge)zit »hohes kirchliches oder weltliches Fest; höchste Freude; Vermählung(sfeier)* (aus hoch »hoch* + (ge)ztt »Zeit; Zeitpunkt; Begebenheit*) hervorgegangen. Aus denselben Bestandteilen ist unter Bewahrung der Aussprache /0:/ in hoch (s. d.) die etymologisch adäquate Dublette Hochzeit2

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»glänzender Höhepunkt, Hochstand« als von Hochzeit1 unabhängige jüngere Bildung komponiert. höfisch: Der Vorläufer dieses Adjektivs mhd. hövesch/ höfisch/(mfränk.) hüvesch/hüb(e)sch »hofgemäß, fein, gebildet« stammt offensichtlich aus mniederl. heuvesc/hovesc, einer Lehnübersetzung von gleichbed. afrz. corteis/cortois (zu cort »Hof«, s. Kohorte) auf der Grundlage von mniederl. hof »Hof«. Die mittelfränkische Variante hüb(e)sch »gebildet, gesittet«, entstanden (nachdem der Zusammenhang mit hof verloren gegangen war) durch hyperkorrekten Ersatz von V durch b in Anlehnung an lautliche Entsprechungen wie leben vs. niederd., niederl. leven, verallgemeinerte im 15.-16. Jh. ihre Bedeutung zu »fein aussehend, schön, angenehm« und verbreitete sich in der Form hübsch über das ganze Sprachgebiet als etymologische Dublette von höfisch.

hohl: Über mhd., ahd. hol geht das deutsche Adjektiv wie gleichbed. aengl. hol auf germ. *hula- »hohl« zurück, dessen gängige Anknüpfungsmöglichkeiten in anderen indogermanischen Sprachen äußerst unsicher sind. Eine Substantivierung des altenglischen Kognaten liegt vor in engl. hole »Loch«, das im Sinne von »Golfloch« im Fremdwort Hole und als Pluraletantum im technischen Fachausdruck Pinholes »kleine, langgestreckte Gasblasen unmittelbar unter der Oberfläche von Gussstücken« (eigtl. »Nadellöcher«, s. Pinne) vertreten ist.

Holz: J. Trier zitierend, definiert E. Seebold die Ausgangsbedeutung von germ. *hulta- »Holz«, das sowohl in asächs. holt wie auch im affrizierten Auslaut aufweisenden ahd. holz fortlebt, folgendermaßen: »Gesamtheit der zu schlagenden Schösslinge des Niederwaldbaums«. Spuren dieser primären, auf idg. *(s)keld-, *(s)kld- »schlagen, hauen, spalten« (vgl. Schild1) hindeutenden Bedeutung bewahrt dt. Gehölz, sonst hält sie sich in norddeutschen Ortsnamen wie Holtdorf (niederd. Holtdörp, eigtl. »Dorf im Holze, Dorf im Walde«, s. Trupp), Holthausen (s. Haus), Holstein (niederd. Holsteen, aus asächs. *Holtsetion/*Holtsätion »Waldbewohner, Waldsassen«, mit Anlehnung des Grundwortes an Stein, s. d.), ferner mit besser ausgeprägtem assimilatorischem Schwund - auch Holland (älter Holtland, nach dem einstigen dichten Buschwerk am Niederrhein).

Homo »Frühform des Menschen; der Mensch selbst als Angehöriger einer Gattung der Hominiden«: Es vertritt das lateinische Wort für Mensch und begegnet gewöhnlich in terminologisierten Fügungen wie Homo erectus (s. erectus), Homo faber »der Mensch mit seiner Fähigkeit, für sich Werkzeuge zur Naturbewältigung herzustellen« (lat. faber »Handwerker«), Homo ludens »der spielende und dadurch schöpferische Mensch« (lat. ludens »spielend«), Homo novus

Honig »Neuling; Emporkömmling« (s. neu), Homo sapiens »Lebewesen mit den morphologischen Merkmalen des heutigen Menschen« (lat. sapiens »verständig, weise«). Sein Dativ Singular ist Bestandteil des geflügelten Wortes homo homini lupus »der Mensch (ist) dem Menschen ein Wolf« (s. Wolf). Aus dem Nominativ homo in tonloser Position und aus dem Akkusativ hominem hervorgegangen sind entsprechend frz. on »man« (enthalten in Ondit »Gerücht«, Übernahme von gleichbed. frz. on-dit, einer substantivischen Bildung aus on »man« und dit »gesagt«, s. Diktum, vgl. man) und frz. homme »Mensch, Mann« (vgl. bildungsspr. Homme de Lettres »Literat«, s. de', Litera; veraltet Bonhomme »gutmütiger, einfältiger Mensch«, eigtl. »guter Mensch«, s. Bon; veraltet Gentilhomme »Mann von vornehmer Gesinnung«, s. gentil; veraltet Homme d’État, s. Staatsmann), ital. uomo »Mensch; Mann; Krieger; Diener« (z.B. in Primo Uomo »erster Tenor in der Barockoper«, s. prim) sowie span, hombre »Mensch«, das in der Bedeutung »der Hauptspieler, der gegen die anderen spielt« zum Namen eines Kartenspiels wurde und über determiniertes frz. l’hombre durch Agglutination des maskulinen bestimmten Artikels l(e) dt. L’hombre/Lomber ergab. O. Szemerényi leitet lat. homo aus idg. *ghmön »Mann« (zu idg. *ghom- »Erde, Erdboden«, also eigtl. »der Irdische«) her, worauf auch germ. *gumön »Mann« > ahd. gomo, mhd. gome zurückgeht, welches heute nur noch als Grundwort von Bräutigam (ahd. brütigomo »der Mann der Braut«) fortlebt. Zur hypothetischen Verknüpfung von dt. Mann mit germ. *gumön s. man.

honett »anständig, ehrenhaft, rechtschaffen«: Weitgehend eingedeutschter, aber der gehobenen Sprache vorbehaltener Gallizismus, der in adäquater Form Vorderglied der veralteten Zusammenrückung Honxxethomme »ehrenhafter Mann« (aus gleichbed. frz. honnète horne, s. Homo) ist. Das französische Adjektiv ist aus lat. honestus »angesehen; anständig« (zum Stamm von honor »Ehre, Ehrung«, älter honos, s. Honneurs) hervorgegangen, vgl. das zugehörige Abstraktum honestas »Ehre, Ansehen; Anstand« in bildungsspr. honestas publica »guter Ruf« (eigtl. »öffentliche Achtbarkeit«, s. publik). Honig: Im Unterschied zu anderen indogermanischen Sprachen, in denen das unter Met besprochene idg. *medhu- »Honig« seine Nachfolger hat, setzte sich in den west- und nordgermanischen Sprachen na(n)ga- »Honig« (wohl aus idg. *kenoko-, *knoko»gelblich, gold-, honigfarben«) durch, vgl. engl. honey, niederl. honing, schwed. honung/honing. In dt. Honig ist das zweite n wie in König (s. d.) schon in mhd. honic/honec durch dissimilatorischen Schwund ausgestoßen worden. Der englische Kognat begegnet uns im Deutschen nur im übertragenen Sinn: Honey

Honneurs >Schätzchen, Lieblings vgl. auch Honeymoon »Flitterwochen* (eigtl. »Honigmond*, s. Monat). Über got. milip >Honig< s. Mehltau.

Honneurs Ehrenbezeigungen; das Umwerfen der mittleren Kegelreihe beim Kegeln; höchste Karten bei Whist und Bridges Die französische Pluralform wurde aufrechterhalten, als man im 18. Jh. die auf Empfänge bezogene Wendung faire les honneurs (cTune maison) durch die Honneurs (des Hauses) machen, d. h. >die Gäste gebührend willkommen heißen* ins Deutsche übertrug. In der präpositionalen Fügung Parole d’Honneur Ehrenwort* (s. Parabel, de1) enthaltenes frz. honneur Ehre, Ehrenbezeigung* beruht auf lat. honor, Akk. honorem Ehre, Ehrung* (vgl. bildungsspr. in honorem >zu Ehren*, s. in). Dessen Genitiv Singular und Genitiv Plural treten auf in den Fügungen honoris causa >ehrenhalber< (und zwar dem akademischen Titel Doktor nachgestellt: Doktor honoris causa, s. Causa) bzw. Cursus Honorum »festgelegte Reihenfolge, in der sich ein Bürger im antiken Rom um öffentliche Ämter bewerben konnte* (eigtl. »Ämterlaufbahn*, s. Kurs). Vgl. honett. Hoplit »schwerbewaffneter Fußsoldat im alten Griechenlands Der Historismus ist durch Deglutination aus gleichbed. lat. hoplites entstanden, das auf griech. hoplites, eine Zugehörigkeitsbildung zu hóplon »Rüstzeug, Kriegsgerät*, Plur. hópla »Waffen* (also etwa »der Bewaffnete*), zurückgeht. Die volle griechisch-lateinische Form des Substantivs gebraucht man als geologischen Terminus: Hoplites »versteinerter Ammonit* (wichtiges Leitfossil der Kreidezeit, das laut Duden-Fremdwörterbuch nach der Ähnlichkeit mit einem Schild so benannt ist). Horn: Wie engl. horn ist das deutsche Substantiv durch die sog. Brechung u> o vor a in der Folgesilbe aus gleichbed. germ. *%urna- entstanden. Dieses ist ein germanischer a- bzw. indogermanischer o-Stamm, gebildet aus der Nullstufe *k’rn- der Nominalwurzel idg. *kfer- »Horn*, auf die auch der lateinische u-Stamm cornu »(Körperteil oder Gerät aus) Horn* zurückgeht. Dieser tritt gelegentlich im Deutschen auf als Historismus und als Terminus der Anatomie: Cornu »dem Tierhorn nachgebildetes metallisches Signalinstrument des Altertums; kleiner knöcherner, knorpeliger oder häutiger Fortsatz*. Als romanischer Name eines Musikinstruments (außer den unter Kornett dargestellten Diminutiva) begegnet Corno »Horn*, die italienische Fortsezung von lat. cornu, hauptsächlich in Fachausdrücken wie corno di bassetto »Bassetthorn* (s. de1). Der in Komposita vorkommende englische Kognat horn wird eher als Eindeutschung denn als Anglizismus empfunden, vgl. Greenhorn (s. grün), Leghorn (s. d.), Hornpipe (s. d.).

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Hornpipe »Blasinstrument, dessen beide Enden (Schallbecher und Windbehälter) aus Horn bestehen; danach benannter alter englischer Tanz im 3/4oder 4/4-Takt und dessen Rhythmus*: Aus gleichbed. engl. hornpipe entlehnter Exotismus, der sich aus horn »Horn* und pipe »Pfeife* (s. Horn, Pfeife) zusammensetzt. Die Bezeichnung des Blasinstruments, von dem manche Lexikographen meinen, es sei nur noch seinem Namen nach bekannt, wird durch die sog. Wort-für-Wort-Übersetzung ins Deutsche übertragen: Hornpfeife. Dies ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe im Prinzip Ersatzwörter für fremdes Wortgut gebildet werden (vgl. Wochenende), gelegentlich können sich jedoch dabei Fremdwort und Lehnübersetzung als semantisch eigenständige lexikalische Einheiten etablieren und daher als etymologisch adäquate Dubletten auftreten (vgl. Fußball). hors »außerhalb; ausgeschlossen, ausgenommen*: Das in hors concours »außer Wettbewerb* (s. Konkurs), Horsd’oeuvre »appetitanregende Vorspeise* (s. Opus) auftretende, sonst veraltete Fremdwort repräsentiert als Präposition und Adverb fungierendes frz. hors. Dieses ist im 11. Jh. durch Vereinfachung einer zusammengerückten präpositionalen Fügung dehors »draußen, außerhalb* entstanden, dessen Substantivierung ebenfalls Eingang ins Deutsche gefunden hat: veraltend Dehors »äußerer Schein; gesellschaftlicher Anstand* etwa in der Wendung die Dehors wahren. Frz. dehors »draußen, außerhalb* geht lat. deforis »von draußen* (s. de1) voraus, wobei anstelle des zwischen zwei Vokalen verstummten -f- ein -hzur graphischen Markierung des Hiatus eingeschoben worden ist. Mit adäquatem Anlaut liegt das lateinische Adverb foris »draußen; auswärts* gebunden vor in frz. faubourg »Vorstadt* (aus afrz. forsbourc, beeinflusst von faux »falsch*, s. Falsum). Im DudenFremdwörterbuch ist Faubourg (s. Burg) als Exotismus zur Bezeichnung der Vorstadt einer französischen Stadt aufgeführt. Hospital »Krankenhaus*: Das früher auch im Sinne von »Altersheim, Armenhaus* gebrauchte Fremdwort geht über mhd. hospitäl(e) auf mlat. hospitale »Herberge (für Gäste, Pilger, Arme, Kranke)* < lat. »Gast(schlaf)zimmer* zurück. Dies ist wohl aus cubiculum hospitale »Schlafzimmer des Gastfreundes* verselbständigt worden und vertritt das substantivierte Neutrum von hospitalis »gastlich, gastfreundlich* (zu hospes »Gastfreund, Wirt*, s. Hospites). Attributiv gebraucht, ist Letzteres Bestandteil der aus der Studentensprache stammenden scherzhaften Fügung Filia hospitalis »Tochter der Wirtsleute des Studenten* (Bezugswort: lat. filia »Tochter*, s. Filius). Parallel zu mhd. hospitäl kommen mit Aphärese spitäl/spitel/spittel vor, auf denen die heteronym verwendeten Dubletten österr., Schweiz. Spital und

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oberd. Spittel >kleines Krankenhaus; Armenhaus, Pflegeheim* beruhen. Das aus lat. hospitale hervorgegangene afrz. (h)ostel, frz. hotel entwickelte die Bedeutung >vornehmes Gasthaus* und ergab im 18. Jh. dt. Hotel. 1925 prägte der amerikanische Architekt A. S. Heineman aus der attributiven Fügung motor hotel das Klammerwort motel, das als Bezeichnung für eine Art Hotels an Autostraßen Mitte des 20. Jh. dt. Motel (s. Motor) lieferte. Hospites >biotopfremde Arten, d.h. Pflanzen- oder Tierarten, die normalerweise in anderen Lebensräumen angesiedelt sind*: Dem biologischen Fachausdruck liegt eigentlich die Pluralform von lat. hospes, Akk. hospitem >Gastfreund, Wirt; Fremdling, Gast* zugrunde, hervorgegangen vermutlich aus älter *hostipot-, einer indogermanischen Zusammenset zung aus *ghosti- >Gast, Fremdling* (s. Gast) und *poti- »Herr*. Über afrz. (h)oste aus dem lateinischen Akkusativ entstandenes frz. hóte >Wirt, Gastwirt; Gast* ist in der veralteten Fügung Table d’Höte gemeinsame Speisetafel in einem Gasthaus oder Hotel* (eigtl. >Tafel des Gastwirtes*, s. Tafel, de1) enthalten. Das altfranzösische Wort war außerdem Ausgangspunkt für engl. host >Gastgeber, Hausherr; Gastwirt*, das - aus Hostcomputer, -rechner isoliert - im EDVTerminus Host »in einem System von Computern oder Terminals befindlicher Zentralrechner mit permanenter Zugriffsmöglichkeit* vorliegt.

Hospiz >im christlichen Geist geführtes (großstädtisches Gasthaus; von Mönchen errichtete Unterkunft für Reisende oder wandernde Mönche im Mittelalter*: Deglutiniert aus älterem Hospitium (18. Jh.), einer Übernahme von lat. hospitium Gastfreundschaft, Bewirtung; Herberge* (Abstraktum zu hospes >Gastfreund, Wirt; Fremdling, Gast*, s. Hospites). Die lautliche Umgestaltung könnte z.T. unter Einfluss von herkunftsgleichem frz. hospice >Klosterherberge, Unterkunft* (vgl. Thospice du Mont-Saint-Bernard als Bezeichnung der Unterkunft für Reisende auf dem St.-Bernhard-Pass) erfolgt sein. Die volle Form des lateinischen Wortes tritt auf in der Fügung Hospitium publicum >im alten Rom durch Senatsbeschluss an auswärtige Gemeinden und einzelne Freunde verliehener Rechtsschutz im römischen Gebiet* (eigtl. »öffentliches Gastrecht*, vgl. publik). Humor1 [’humo:r] »Körperflüssigkeit, Körpersaft*: Der seit dem 16. Jh. bezeugte anfangsbetonte medizinische Terminus spiegelt (wie frz. humeur, afrz. humour > engl. humour) lat. humor »Feuchtigkeit, Flüssigkeit* (zu umere »feucht sein*, mit h- durch volksetymologische Anknüpfung an humus »Erde, Boden*) wider, und zwar in Bezug auf die wichtigsten Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle), deren Mischung nach der mittelalterlichen Medizin angeblich die vier Grundtemperamente

hundert (Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker) bestimmt. Zum anderen entwickelte das Wort die auf dieser Verwendungsweise fußende Bedeutung »Gemütslage, Stimmung*, geriet im 17. Jh. unter den Einfluss von engl. humour als Bezeichnung für jene Wesensart des Menschen bzw. Eigenschaft einer literarischen Darstellung, die Heiterkeit ausstrahlt, und bürgerte sich seit etwa 1700 unter Einwirkung der flektierten lateinischen Formen oder von gleichbed. frz. humeur mit Endbetonung ein: Humor2 [hu’mo:r] »gute Laune, heitere Gelassenheit*. Im Falle des Wortpaars Humor1 - Humor2 (vgl. ferner Epoche1, Hakim1, Konsum1, Synkope1, Tenor1) hebt sich die akzentsemantische etymologische Duplizität deutlich vor dem Hintergrund einer gewöhnlichen Varianz ab, wie sie etwa bei anfangsbetontem und nichtfachsprachlich endbetontem Tumor zu beobachten ist. Hund1: Über mhd., ahd. hunt geht der Tiername auf germ. *hunda- »Hund* zurück, das Dentalerweiterung einer im griechischen vertretenen (s. kynisch) indogermanischen Grundlage ist. Der von dog »Hund* (s. Dogge) zurückgedrängte und bedeutungsmäßig auf »Jagdhund* eingeengte englische Kognat hound ist Grundwort der Zusammensetzung greyhound »Windhund* (Bestimmungswort: aengl. grig »Hund*), das gleichbed. Greyhound (zugleich Bezeichnung eines Omnibusses der gleichnamigen amerikanischen Busliniengesellschaft) lieferte. Die neuhochdeutsche Schreibung Hund führt die partielle Assimilation in den obliquen Kasus von mhd. hunt fort: Gen. hundes, Dat. hunde. Die etymologisch richtige Lautform konkurriert mit der heute geläufigen in der Dublette bergmänn. Hunt/Hund2 »kleiner kastenförmiger Förderwagen* (möglicherweise nach dem Geräusch der knarrenden Räder, das mit Hundegebell verglichen wurde).

hundert: Aus germ. *%unda- »hundert* ererbtes ahd. hunt (s. Cent) erscheint in Zahlwörtern wie ein-, zweihunt »100, 200*, seit frühmittelhochdeutscher Zeit tritt jedoch an seine Stelle aus asächs. hunderod übernommenes hundert. Im Sinne von etwa »Hundertzahl* besteht dieses aus germ. *%unda- als Vorderglied und einem Hinterglied, das mit germ. *rap»Zahl*, der Wurzel von Rede (s. d.), gleichgesetzt wird. Mit asächs. hunderod strukturgleich ist seit der späteren altenglischen Sprachperiode bezeugtes engl. hundred, das im englischen Handelsgewicht Hundredweight (auch Centweight genannt, eigtl. »Hundertgewicht*, Grundwort wie das deutsche Kollektivum Gewicht aus dem unter wägen erörterten germanischen Verb hervorgegangen) enthalten ist und je nachdem, ob ein »»langes** oder ein »»kurzes« Hundredweight gemeint ist, entweder 50,80 kg oder 45,36 kg, d.h. ungefähr einen Zentner wiegt.

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Hüne Hüne »breitschultriger Mann, Riesec Die im 17. Jh. aus dem Niederdeutschen übernommene nicht diphthongierte Form verdrängte gleichbed. frühnhd. Heune (vgl. dessen archaisierender Gebrauch in K. Simrocks Übertragung des Nibelungenliedes ins Neuhochdeutsche). Voraus gehen mnd. hüne, mhd. hiune, eigentlich Bezeichnung für die Angehörigen des im 4. Jh. nach Europa einbrechenden asiatischen Nomadenvolkes (vgl. Attila), die man heute in An-

lehnung an mlat. Hun(n)i Hunnen (Sing. Hunne) nennt. Der bildhafte Ausdruck ist vermutlich erstes Glied von Personennamen wie Huno/d (Grundwort: walten, also etwa >der waltende Riese mb: Humboldt (Grundwort: ahd. bald >kühn also etwa »der Riesenkühnes s. bald), Humbert/Humbrecht bzw. dessen Reflex ital. Umberto (Grundwort: ahd. beruht »glänzends also etwa »der glänzende Rieses vgl. Adalbert unter Adel).

ich: Ebenso wie seine germanischen Kognaten got. ik, anord. ek, aengl. ic (engl. I) geht das Personalpronomen für die 1. Person Singular ich über germ. *ek auf idg. *eg’om »ich* zurück. Ein nach E. Seebold wohl morphologisch selbständiger Ausgang - sofern nicht Umbildung von *egom zu *egö nach der Endung der 1. Person Singular vieler Verben (so W. Pfeifer) - liegt in gleichbed. griech. egö, lat. egö vor. Substantivisch gebraucht, ist Letzteres als Begriff der Philosophie und Psychologie auch im Deutschen üblich geworden: Ego >das Ichzweites, anderes Ich; vertrauter FreundSinnbild der Vollkommenheit; als ein höchster Wert erkanntes Ziele Im 18. Jh. isoliert aus seit dem 17. Jh. bezeugten Zusammensetzungen wie Idealbild n. oder entlehnt aus substantiviertem mlat. idealis >mustergültig, vollkommen* (eigtl. >der Idee entsprechend*, zu lat. idea >Vorstellung; Urbild< < griech. idèa »Erscheinung, Gestalt, Form; Urbildsehen, erkennen*, urverwandt mit lat. videre >sehen< und dt. wissen, eigtl. >gesehen haben*). Das lateinische Adjektiv erscheint im Deutschen zuerst und zum Teil bis heute adsuffigiert: geh. idealisch >einem Ideal entsprechend* (s. antikisch unter antik), dann seit dem 19. Jh. deglutiniert: ideal >mustergültig, vollkommen*. Mit englischer Aussprache ist Letzteres im sprachwissenschaftlichen Ausdruck Ideal Speaker/ideaispeaker eingeschlossen, der zur Bezeichnung des im Rahmen der generativen Grammatik entwickelten Modells eines idealen, d.h. eine Sprache perfekt beherrschenden und keine psychologisch bedingten Fehler machenden SprecherHörers (s. Sprecher) dient. Eine etymologisch adäquate Dublette von Ideal usw. ist das im 18./19. Jh. zum direkt und über das Französische übernommenen Fremdwort Idee neu gebildete Adjektiv ideell »die Idee betreffend; geistig; in der Vorstellung vorhanden*. Vgl. auch aktuell.

Ikon n. »stilisierte Abbildung eines Gegenstandes; Zeichen, das mit dem Gegenstand, den es darstellt, Ähnlichkeit aufweist*: So definiert das DudenFremdwörterbuch dieses Neutrum, das - mit byzantinischer Aussprache von /ei/ als /i:/ - auf griech. eikön, Akk. eikóna »Bild, bildliche Darstellung, Abbild* (zur indogermanischen Grundlage *weik- »ähneln*) zurückgeht. Über lat. icon, Gen. iconis »Bild* ist engl. icon »Abbild; Statue; Heiligenbild* entlehnt. Dieses entwickelte im Rahmen der Datenverarbeitung die Spezialbedeutung »graphisches Sinnbild am Bildschirm eines Personalcomputers*, mit der es die grapho- und phonosemantische Dublette Icon n. lieferte. Die Kompositionsform des Gräzismus liegt beispielsweise vor in IkonofcLzst »Bilderstürmer* (aus gleichbed. griech. eikonoklàstès, dessen Grundwort wie in eikonoklasmós »Bildersturm* besonders im Hinblick auf die Zerstörung von Heiligenbildern während des Bilderstreits in der byzantinischen Kirche des 8-/9. Jh. - auf klän »zerbrechen* beruht). Im Byzantinischen und daher im Neugriechischen trat anstelle von eikön dessen Akkusativ eikóna f. »Abbild; Gemälde; Heiligenbild*, welches über das seit dem 11. Jh. bezeugte abulg., aruss. ikóna »Heiligenbild* im 19. Jh. ins Deutsche gelangte: Ikone f. »Kultbild der orthodoxen Kirche mit der Darstellung heiliger Personen oder ihrer Geschichte; Person oder Sache als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen, eines bestimmten Lebensgefühls o. Ä.Truthahn< (Ellipse aus engl. Indian cock, wörtl. »indianischer Hahn< - der Truthahn wurde ja im 16. Jh. aus Amerika eingeführt), der Name des US-Staates Indiana (vgl. Montana unter montan), lndienne »mit Seide durchschossenes Baumwollgewebe« (Ellipse aus frz. toile indienne, eigtl. »indische Leinwand«, wo das französische Femininum indienne entsprechend lat. Indiana f. vertritt).

indisch: Das heute von Indien ableitbare Adjektiv ist eigentlich die Eindeutschung von gleichbed. lat. Indicus m., das selbst zurückgeht auf griech. Indikós m., ein Adjektiv zu Indiä »Indien« (benannt nach dem Flussnamen Indos »Indus«, eigtl. »Fluss, Strom«). Deglutiniert und eingedeutscht liegt das substantivierte griechische und lateinische Maskulinum vor in Indik »Indischer Ozean« (wörtl. »der Indische«). Das substantivierte Neutrum Indikon steckt seinerseits im Namen des ältesten und wichtigsten organischen blauen Farbstoffs Indigoblau, den die Griechen nach seiner ostindischen Heimat nannten. Zwar gelangte er zunächst über lat. Indicum ins Deutsche und lieferte im 14. Jh. spätmhd. indich, diese Lautform wurde aber im 17. Jh. von der aus dem Spanischen oder Oberitalienischen übernommenen Indigo verdrängt. Vgl. auch Indianer1. Infant: Der einstige Titel spanischer und portugiesischer Prinzen bedeutet eigtl. »Kind«: span, infant »Kind (unter sieben Jahren)«, hervorgegangen aus dem Akkusativ infantem von lat. infans »kleines Kind« (eine Substantivierung des Partizips Präsens infans »unberedt, lallend, kindisch«, gebildet mit der Negation in- »un-< aus fari »sprechen«, also wörtl. »nicht sprechend«). Gleichen Ursprungs sind frz. enfant »Kind« und ital. veraltet infante »Kind; Infant«. Das französische Wort ist Bestandteil der attributiven Fügung Enfant terrible als Bezeichnung für jemanden, der gegen die gesellschaftlichen Regeln verstößt und dadurch seine Umgebung oft schockiert (eigtl. »schreckliches Kind«). Ital. infantebzw. durch Abtrennung von in- wie in instrumento > strumento »Werkzeug, Gerät« daraus entstandenes fante entwi-

Insel ckelte über »Edelknabe« die Bedeutungen »Fußsoldat« (vgl. das aus dem Italienischen stammende Lehnwort Infanterie) sowie »junger Mann; Knecht; Wenzel« und lieferte seit dem 17. Jh. bezeugtes, heute schon veraltetes Fant »unreifer Mann; frecher Junge«.

Ingenuus: Als Bezeichnung des Freigeborenen (im Gegensatz zum unfreien Sklaven und zum Freigelassenen) in der römischen Antike und im Mittelalter ist der Historismus eine Substantivierung von lat. ingenuus m., ingenua f. »freigeboren; frei, freimütig«, das aus in (vgl. in) und der Verbalwurzel in Gens (s. d.) komponiert ist. Von dieser Bedeutung ausgehend, entwickelte sich die Semantik des Adjektivs weiter in Richtung »offen, natürlich, naiv«, vgl. das zugehörige Abstraktum ingenuitas, Gen. ingenuitatis und das darauf zurückgehende Fremdwort Ingenuität »Stand eines Freigeborenen; Freimut, Offenheit, Natürlichkeit im Benehmen«. Französischer Fortsetzer des Latinismus ist gleichbed. ingénu m., dessen substantiviertes Femininum ingènue im Fachausdruck der Bühnenschaffenden Ingenue »Vertreterin einer naiven Rolle, Naive« vorliegt.

Ingot »Form, in die Metall gegossen wird; Barren (Gold, Silber); (Stahl)blockc Etymologische Dublette dieses aus gleichbed. engl. ingot übernommenen Fremdwortes ist zweifelsohne veraltet Lingot »gegossene Metallstange; Goldbarren«, das aus frz. lingot stammt. Bemerkenswert bei diesem Wortpaar ist nicht die ungeklärte Herkunft, sondern die Gegenläufigkeit ihrer Herleitung. Der Form und der Bedeutung nach hält C. T. Onions das englische Wort für eine mögliche Zusammensetzung aus in und aengl. goten »gegossen«, führt als Parallelform u.a. dt. Einguss und erklärt - wie A. Dauzat - frz. lingot für eine Verschmelzung aus Vingot (woraus mlat. lingotus, span. lingote, port, linhota). In Webster betrachtet man dagegen engl. ingot als Entlehnung (mit abgelöstem scheinbarem Artikel /’) aus frz. lingot, das J. Picoche in Anbetracht der länglichen Form der Metallblöcke - über aprov. lingo auf lat. lingua »Zunge« zurückführt. Im Duden-Fremdwörterbuch, in dem Ingot und Lingot englische Abstammung zuerkannt ist, wird diesen praktisch auch der Anglizismus Nugget »(in der Natur vorkommendes) Klümpchen reines Gold« angeschlossen mit der Erläuterung, gleichbed. engl. nugget sei aus an ingot »ein Barren« zusammengezogen. Ein solcher Deutungsversuch und die Erklärung von Nugget für dritte etymologische Dublette in diese Reihe erscheinen insofern problematisch, als die genannten englischen Nachschlagewerke Letzteres als Diminutiv zu nug »Klumpen, Block, formlose Masse« zu behandeln geneigt sind. Insel: Lateinisches Lehnwort, das sich gegen die germanischen Synonyme Au/Aue (s. d.), Eiland (s. d.), Wer-

Inspektor der in der Gemeinsprache durchgesetzt hat. Im 9. Jh. wurde übrigens nicht klass.-lat. insula, sondern eine Lautvariante von dessen vulgärlateinischer Abwandlung *isula/*isola zu ahd. isila >Insel< übernommen. Das daraus infolge der Abschwächung der unbetonten Vokale umgestaltete mhd. isele, welches nach E. Seebold in der Lautung Isel noch in Namen erhalten ist, wurde im 13. Jh. zu insul/insel relatinisiert, bis im 18. Jh. die fortbestehende Nebenform Insul endgültig außer Gebrauch kam. Romanische, in der Kartographie verwendete Fortsetzer von vlat. *isula sind z. B. ital. isola, Plur. isole (vgl. den italienischen Namen der Ägadischen Inseln Isole Egadi), span, isla, Plur. islas (im Namen einer Insel vor der Südküste von Kuba Isla de Pinos, eigtl. >Fichteninseh, ferner in dem der Kanarischen Inseln Islas Canarias u.a.), port. ilha (in llha Grande in Brasilien, eigtl. >Große Insel*, vgl. Grand) und frz. ile in der Bezeichnung der historischen, die weitere Umgebung von Paris umfassende Kernlandschaft Frankreichs \\e-de-France. Über afrz. ile/isle gelangte der Latinismus ins Englische, in dem nur noch in Namen vorkommendes isle >Insel< (etwa Isle Royale im nordamerikanischen Oberen See, eigtl. >KönigsinseIdas antike Italien betreffend« eingedeutscht worden

ist. Dieses lässt sich übrigens durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) auch auf die lateinische Parallelbildung italicus zurückführen, das in ital. italico (neben italo) und frz. italique »italisch, aus Italien; kursiv« (vgl. aus diesem Italique »Kursive«, nach dem Heimatland von A. Manunzio, dem Erfinder dieser Schrift) fortbesteht. Die italienische Nebenform italo tritt als Kompositionsglied auf in Italowestern »von italienischen Regisseuren gedrehter Film im Stil des amerikanischen Western« (vgl. West). Originalgetreu hält sich das lateinische Femininum in dem durch Ellipse aus interpretatio Itala (wörtl. »lateinische Übersetzung«, vgl. Interpretation) entstandenen Namen der ältesten, der Vulgata vorausgehenden lateinischen Bibelübersetzung Itala. Über den Ursprung der lateinischen Grundlage bemerkt R. Köster, dass einigen die gängige Herleitung von Italer aus lat. vitulus »lungstier« (Italien als Rinderland) als irrige Volksetymologie gelte.

Jackett »Anzugjacke, Sakko«: Die Schreibung der im 19. Jh. aus frz. jaquette (seit dem 14. Jh. bezeugtes Diminutiv zu afrz. jaque »kurzer Männerrock«, s. Jacke unter Jakob) zunächst in den Formen Jaquet/ Jaquette übernommenen Bezeichnung des Bekleidungsstücks wurde später an Jacke angeglichen. Aus dem Französischen stammt ferner engl. jacket »Jacke; Mantel, Umhüllung«, enthalten in der Fügung jacket crown, die durch teilweise Lehnübersetzung dt. Jacketkrone »Zahnmantelkrone aus Porzellan oder Kunstharz« (vgl. Krone) ergab. Im Amerikanischen erscheint lumber jacket »windblusenartige Sportweste meist aus Leder« (zu lumber »Bau-, Nutzholz«, zugleich synonym mit lumberer »Holzfäller, -arbeiten) auch mit zu jack fragmentiertem Hinterglied, worauf der Amerikanismus Lumberjack »Leder- oder Kordjacke mit Reißverschluss, mit engem Taillenschluss und Bund an den Ärmeln« beruht.

Jagd: Das Substantiv ist ebenso wie niederl. jacht (älter jaght) Verbalabstraktum zu jagen. Im Niederländischen trat das Wort als erster Bestandteil des Kompositums jaghtschip »Verfolgungs-« oder einfach »Schnellschiff« auf. Aus diesem seit dem 16. Jh. zu gleichbed. jacht isoliert, wurde es zur Quelle sowohl von engl. yacht als auch von dt. Jacht/Yacht »leichtes, schnelles Sport- oder Vergnügungsschiff« (die zweite Variante seemannssprachlich in Anlehnung an engl. yacht).

Jakob/Jacob: Im Alten Testament ist Jakob einer der drei Patriarchen der Genesis und der Vater der zwölf Söhne, die zu den Stammesvätern des Gottesvolkes wurden. Der im Deutschen auch in seiner latinisierten Form Jacobus/Jakobus (mit dem ebenso patronymisch gebrauchten lateinischen Genitiv Jacobi/ Jakobi wie dem deutschen in Jakobs/Jacobs, vgl. sonst Jakobi = Jakobitag = Jakobstag) vorkommende männliche Vorname ist zwar hebräischer Herkunft (jaaqob), seine Bedeutung wird aber sowohl als »Fersenhalter, möge er auf den Fersen folgen« wie auch als »Jahwe/El/Gott schützt/möge schützen« dargestellt und daher gelegentlich wohl nicht zu Unrecht für ungeklärt gehalten. Im Unterschied zur eindeutigen alttestamentlichen Motivation von Namen wie russ. Jakow und arm. Agop soll für die Verbreitung von Jakob im mittelalterlichen Europa eigentlich der

Name des Apostels Jacobus der Ältere ausschlaggebend gewesen sein, dessen Grab in dem nach ihm benannten spanischen Ort Santiago de Compostela ein wichtiges Wallfahrtsziel war. Aus span. Santiago (s. d.) stammen Yago/Yako bzw. Jago im »»Othello«, während ital. Giacomo und engl. James die spätlateinische Nebenform Jacomus fortführen. Frz. Jacques ist die Quelle von engl. Jack, das als Gattungsname im Sinne von »Flagge«, »Bube (im Kartenspiel)« und »Vorrichtung« auftritt in Union Jack (s. Union), Jackpot (s. Pott) und Jackstag »Schiene zum Festmachen von Segeln« (Grundwort: niederd. Stag »Drahtseil zum Verspannen und Abstützen von Masten«). Mit jacques als Spitzname für die französischen Bauern, bei denen Jaques ein beliebter Name war, setzt man außerdem afrz. jaque als Bezeichnung für einen kurzen, engen Männerrock in Verbindung, den sie im 14. Jh. zu tragen pflegten. Dem altfranzösischen Wort ist im 14. Jh. dt. Jacke entnommen worden (vgl. Jackett), dessen Einreihung unter die obigen Dubletten wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn die alternative Herleitung von frz. jaque über span, jaco aus arab. saqq »Brünne, Panzerhemd« nicht zutreffen sollte. Januar: Dieser Monat, der seit 46 v. Chr. nicht mehr der vorletze Monat des Jahres war (s. Februar, Julius), sondern sozusagen das Jahr zu eröffnen begann, wurde nach Janus, dem altitalischen Gott der Türen und Tore, des Ein- und Ausgangs, des Beginns und des Endes, benannt: lat. (mensis) Ianuarius, vgl. Januarius als Name eines italienischen Heiligen. Bei seiner Übernahme ins Mittelhochdeutsche diente die spätlateinische Lautform Jenuarius als Vorlage, die heute in der in Österreich üblichen Dublette Jänner fortlebt. Seit Ende des 18. Jh. setzte sich die endungslose Form Januar der gelehrten Entlehnung Januarius sowohl gegen Jänner als auch gegen die einheimischen Namen dieses Monats Eismonat/Eismond, Hartung/Hartmonat/Hartmond (zu hart, s. auch Monat) durch. In portugiesischer Lautform kehrt der Monatsname im Namen des brasilianischen Staates und seiner 1565 gegründeten Hauptstadt Rio de Janeiro wieder, die man nach der am 1. Januar 1502 von portugiesischen Seefahrern entdeckten und deshalb Rio de Janeiro (eigtl. »Januarfluss«) genannten Guanabarabucht ursprünglich Säo Sebastiäo de Rio

jauchzen de Janeiro (d.h. >St. Sebastian von Rio de Janeiro*, s. Sanctus, de1) nannte (heute dafür meist kurz Rio). jauchzen >laut jubeln; jemandem jubelnd seinen Dank sagene Durch Diphthongierung und Synkope entwickelt aus dem seit dem 15. Jh. bezeugten gleichbedeutenden Verb jüchezen, einer Ableitung von der Interjektion jüch (also eigtl. >jüch rufen*, vgl. das elementarverwandte lat. jubilum >freudiger Aufschreis das dt. Jubel >Frohlocken< zugrunde liegt). Mit gekürztem Wurzelvokal lebt es in ugs. juchzen >einen Juchzer ausstoßen* fort.

je »jemals; immer; entsprechend; pros Die heutige Lautung der adverbial gebrauchten Partikel, die erster Bestandteil in jeglich (s. gleich) ist, resultiert aus einer auffälligen Verschiebung des Silbenakzents in anfangsbetontem mhd. ie »immer, zu aller Zeit; irgendwann; je (verstärkend und distributiv)Jahwe/Gott ist gnädig< zurück. Als Name Johannes’ des Täufers (vgl. seinen lexikalisierten variativen griechisch-lateinischen Genitiv Johannis/ Johanni, der den 24. Juni, den Tag des Johannes des Täufers, bezeichnet und erster Bestandteil von damit zusammenhängenden Begriffen wie Johannisbeere, -feuer, -käfer ist) und des gleichnamigen Apostels und Evangelisten fand er schon früh in der christlichen Welt große Verbreitung. Zu seinen auch im Deutschen bekannt gewordenen fremdsprachlichen Reflexen zählen beispielsweise engl. John2 (etwa in John Bull, s. Bulle), niederd., niederl., tschech., poln. Jan (auch in Jan Maat/Janmaat, der aus dem Norddeutschen und Niederländischen stammenden scherzhaften Bezeichnung für »Matrose«, vgl. Maat, sowie in Dummer-, Liederjan), dän. Jens, frz. Jean, span. Juan (z. B. in Don Juan als Synonym für Verführer und Frauenhelden, s. Dominus), port. Joäo (auch für eine 1722 unter König Johann V. eingeführte brasilianisch-portugiesische Goldmünze), ital. Giovanni (vgl. Mozarts Oper »Don Giovanni«), russ., bulg. Iwan (im Deutschen scherzhaft, oft abwertend auch >russischer Soldat, Russe; die RussenKellner; Piccolo; guter Freund; jemand, der nur Handlangerdienste leistet« ist dagegen als mit dem Kosenamen bildenden Suffix -i versehene Ableitung in gleichem Maße keine Dublette von Jonannes usw. wie auch Hansi, Hanno, Hanke, Janke (s. Yankee) u.dgl. Jolle »kleines (einmastiges) Boote Die Herkunft des seit dem 16. Jh. im Mittelniederdeutschen bezeugten Namens des Segel- oder Ruderbootes bleibt unklar. Er hat aber u.a. Eingang ins Niederländische gefunden und lieferte im 17. Jh. engl. yawl »Schiffsboot; kleines Segel- oder Fischerboot«. Aus diesem stammen die Rückentlehnungen niederl. yawl »kleines Wasserfahrzeug« und dt. Yawl als Bezeichnung für ein zweimastiges Segelboot, dessen kleinerer Mast hinter dem Ruder steht, sowie für eine Takelungsart von solchen Booten. Joschua/Josua/Josuah: So heißt im Alten Testament der Führer der Israeliten ins »gelobte Land« Kanaan. Der Name (vgl. auch seine populäre englische Entsprechung Joshua) geht auf hebr. Yehöshüa* zurück, das als »Jahwe/Gott ist Hilfe/Rettung« (vgl. dt. Gotthilf) gedeutet wird. Aus seiner späteren Form Yèshùa’ wurde über griech. Ièsous und lat. Iesus andererseits

Julius der neutestamentliche Name Jesus (auch in englischer Aussprache etwa in lesus-People-Bewegung, s. Pöbel) übernommen. Aus der lateinischen Anredeform Jesu domine »o Herr Jesus!« ist im Deutschen durch Zusammenrückung mit anschließender Zusammenziehung ein als Ausruf des Erstaunens oder Erschreckens gebrauchtes, schon veraltendes Klappwort jemine (s. Dominus) mit den Bestürzung ausdrückenden Varianten je/oje entstanden, vgl. ferner den umgangssprachlichen Ausruf des Unwillens, des Entsetzens oder Erstaunens Jeses/Jesses/Jessas/ Jösses.

Jour »Dienst-, Amts-, Empfangstag; Wochentag, an dem regelmäßig Gäste empfangen werden«: Die Semantik des eigentlich »Tag« bedeutenden veralteten Fremdwortes basiert auf der attributiven Fügung Jour fixe »für ein regelmäßiges Treffen vereinbarter Tag; Tag, an dem jemand Dienst hat« (aus frz. jour fixe »festgelegter Tag«, s.fix), vgl. auch à jour/österr. ajour »bis zum heutigen Tag«, österr. »durchbrochen gearbeitet (von Spitzen, Geweben)« (s. ad). Der Gallizismus geht über afrz. jorn auf ein von lat. dies »Tag« (s. Zeus) abgeleitetes Adjektiv diurnus m. »Tages-, täglich« zurück, dessen substantiviertes Neutrum diurnum »Tag« im Vulgärlatein an die Stelle von dies getreten war und auch die Quelle von ital giorno »Tag« bildete. Letzteres ist Bestandteil von Mezzogiorno, dem Namen des südlich von Rom (einschl. Sizilien) gelegenen Teils von Italien (eigtl. »Mittag; Süden«, s. mitten). Strukturgleich mit Mezzogiorno ist Midi »Süden; Mittag« (s. d.), veraltete Übernahme von gleichbed. frz. midi, in dem lat. dies ebenso wie in den Namen der Wochentage lundi »Montag« bis samedi »Samstag« relikthaft erhalten geblieben ist.

Julius: Altrömischer Geschlechtername (lat. Iulius »der aus dem Geschlecht der Julier«). Nach seinem bekanntesten Angerhörigen Gaius Iulius Caesar (s. Cäsar1) benannt ist nicht nur der im Jahre 46 v. Chr. von ihm unter Beratung durch den alexandrinischen Gelehrten Sosigenes reformierte Julianische Kalender, durch den der mit März beginnende und mit Februar (s. d.) zu Ende gehende altrömische Kalender abgeschafft wurde, sondern auch der im römischen Kalender fünfte Monat (mensis) Quintilis (zu lat. quintus »fünfter«, s. Quintus1, vgl. ferner September, Oktober, November, Dezember jeweils unter sieben, acht, neun, zehn): Unter Augustus (s. August1) wurde er als Geburtsmonat Julius Casars in (mensis) Julius umbenannt. Dessen vor Datumsangaben stehendem Genitiv Julii entstammende Form Juli setzte sich nach W. Pfeifer seit dem 16. Jh. über die Kanzleiund Urkundensprache gegen die alte deutsche Bezeichnung Heumonat durch (vgl. die analoge Ablösung von Brachmonat durch Juni aus Junii, Gen. von Junius, benannt nach der römischen Götterkönigin

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jung luno). Reflexe des lateinischen männlichen Vornamens, dessen paralleles Femininum im Deutschen (mit homographen Entsprechungen im Englischen und Französischen) Julia/Julie lautet, sind u.a. span. Julio, ital. Giulio, frz. Jules, ung. Gyula. jung : Das zusammen mit engl. young auf germ. *junga»jung« zurückgehende Adjektiv (über seinen Komparativ s. jünger) ist mit gleichbed. lat. iuvenis urverwandt, strukturell aber damit nicht identisch. Verdunkeltes jung ist Vorderglied in Junker >adliger Großgrundbesitzers das sich aus mhd. juncherre als Bezeichnung des noch nicht zum Ritter geschlagenen jungen Adligen entwickelt hat (wörtl. junger Herrzornige junge Männerjünger< (Komparativ von iuvenis >jungLehrling, Schüler« sowie (in Wiedergabe des biblischen discipulus »Schüler«) in Bezug auf die Schüler Jesu, erhalten im heute stark flektierten Jünger >Apostel, Anhängen.

Jungfer >ältere, unverheiratet gebliebene, zimperliche FrauFräulein, Dienstmädchenc Es beruht auf dem seit dem 14. Jh. bezeugten juncfer/jumfer (zuerst niederrheinisch bezeugt), einer Nebenform von mhd. juncvrou(we) junge Herrin, Edelfräulein«, danach »unverheiratete Dame; sexuell unberührtes Mädchens aus dem sich lautlich regelrecht Jungfrau (s.jung, Frau) entwickelte. Die dabei eingetretene Wortspaltung erklärt man üblicherweise durch Konzentration der Betonung auf dem ersten Kompositionsglied und Abschwächung des zweiten Bestandteils von Jungfer, doch kann auch das maskuline Pendant mhd. juncher(re) junger Herr< (daraus Junker, s. hehrer) die Umgestaltung des Auslauts von juncvrou gefördert haben. Juniperus: Der botanische Fachausdruck (nach Ausweis von U. Hermann so viel wie »binsenartige Zweige treibend«, zu lat. iungere »verbinden, zusammenfügen« bzw. iuncus »Binse« und parere »erzeugen, hervorbringen«) beruht auf der lateinischen Bezeichnung für Wacholder. Aus dem Latinismus ererbt ist gleichbed. afrz. gene(i)vre, das über älter niederl. ge-

never dt. Genever »niederländischer Wacholderbranntwein« lieferte. Aus dem Niederländischen übernommen ist außerdem gleichbed. engl. Geneva, das in Form und Lautung an den englischen Namen von Genf angelehnt wurde und später auch in Form der Fragmentierung gin geläufig war. Daher dt. Gin nunmehr als Bezeichnung für den wohlbekannten englischen Wacholderbranntwein.

Jus1 »Recht, Rechtswissenschaft«: Übernahme von lat. ius, Gen. iuris, Plur. iura »Recht; Rechtsbestimmungen, -einrichtungen«, das im Deutschen mit 7-Anlaut und in der Regel mit Großschreibung in verschiedenen terminologischen Verbindungen auftritt wie etwa Jus ad Rem »Recht auf die Sache (Eigentums-, Nutzungsanspruch« (s. ad, Res), Jus Gentium »Völkerrecht« (s. Gens), Jus naturale »Naturrecht« (s. Naturalien), Jus primae Noctis, wörtl. »Recht der ersten Nacht« (s. prim, Nacht), vgl. auch Justus. Der Genitiv Singular ist Attribut in Corpus Juris »Gesetzbuch« (s. Corps) und Bestimmungswort in Jurisdiktion »Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit« (aus gleichbed. lat. iurisdictio, Grundwort: dictio »Sprechen, Aussprechen«, Abstraktum zu dicere »sagen«, vgl. Diktum), und der Ablativ liegt in der präpositionalen Fügung de jure »von Rechts wegen, rechtlich betrachtet« (s. dex) vor. Eine Besonderheit im Gebrauch der Numeri äußert sich darin, dass in Deutschland die Pluralform Jura ohne Artikel im Sinne von »Rechtswissenschaften« üblich ist, wofür es in Österreich und der Schweiz Jus heißt, vgl. Jura studieren vs. Jus studieren. Jus2 »Fleischbrühe, Bratensaft«: Das im Schweizerdeutschen auch »Frucht-, Gemüsesaft« bedeutende Fremdwort stammt aus frz. jus »Brühe, Saft« (< lat. ius »Brühe, Tunke«), vgl. auch die Fügung Premier Jus »mit Salzwasser ausgeschmolzenes und gereinigtes Rinderfett« (s. primär). Über gleichbed. engl. juice ist dasselbe Wort zugleich die Quelle von Juice »Obst-, Gemüsesaft«. Justitia: Name der mit Waage, Schwert und gebundenen Augen dargestellten altrömischen Göttin der Gerechtigkeit, in dem lat. iustitia »Gerechtigkeit« (Abstraktum zu iustus »gerecht, rechtmäßig«, s. Justus) personifiziert auftritt. Obwohl Justitia gelegentlich figurativ im Sinne von »Gerechtigkeit; Gerichtsbarkeit« verwendbar ist, hat seit dem 16. Jh. die deglutinierte Form des Latinismus in seinen mittelalterlichen Bedeutungen »Gerichtsbarkeit, Rechtsprechung; Richterspruch« die Funktion eines juristischen Fachausdrucks im Deutschen übernommen: Justiz »Rechtswesen, Rechtspflege, Rechtsprechung« als etymologische Dublette von Justitia.

Justus/Just: Die nicht deglutinierte Variante ist unmittelbar aus dem lateinischen Ruf- und Familiennamen Iustus übernommen, dem das Adjektiv iustus m.,

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iusta f. »gerecht, rechtmäßig; rechtschaffen; redlich< (zu ius >RechtMeister in einer Sportart< rückentlehnt wurde. Bei diesem gilt englische wie auch französische Aussprache, nur englisch gesprochen wird dagegen sein Plural in dem Champions League genannten Nachfolgewettbewerb des Europapokals der Landesmeister, bei dem die Achtelfinalgegner durch Punktspiele ermittelt werden (s. Liga). Kanal: Im 15. Jh. übernommen aus ital. canale »Wasserlauf; LeitungsröhreStraßenrinneChorschranken< stammt als Bezeichnung für den abgesonderten Platz für die Geistlichkeit in der Kirche. Die lateinische Pluralform cancelli »Gitter, Schränkern (Diminutiv zum durch dieses verdrängten gleichbed. cancer, das seinerseits vermutlich durch Dissimilation aus career »Umfriedung, Schranke< entstanden ist, s. Kerker) bedeutete eigentlich »durch Schranken abgetrenntes Lesepult für den Prediger in der Kirche; Chorschranke« und ist die Quelle von dt Kanzelle »Chorschranke in der altchristlichen Kirche; Kanal beim Harmonium bzw. Abteilung der Windlade bei der OrgelMann, Ehemanns den W. Pfeifer mit Kognaten in anderen germanischen Sprachen über im Ablautverhältnis zueinander stehende germ. *kerla-, *karla- auf idg. *ger(?)~ >morsch, reif werden, altern< zurückführt. Trotz der von E. Seebold geäußerten Bedenken gegen die Erklärung der Bedeutungsvielfalt bei dieser Sippe (die Bedeutung >alt, ehrwürdig< könne kaum der Ausgangspunkt für >Freier nicht-ritterlichen Standes; Ehemann, Geliebter u.Ä.< sein) ließe sich hier doch mit gewisser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass Karl und das offensichtlich aus dem Niederdeutschen stammende Kerl durch Wortspaltung entstandene Dubletten mit — wie etwa bei lat. pes >Fuß< und gleichbed. griech. pous (s. Fuß) - unterschiedlich verallgemeinerten Ablautstufen sind. Auf jeden Fall lohnt es sich, die mannigfaltigen Abwandlungen von Karl aufzufuhren, die sich durch die Verbreitung des Namens Karls des Großen in Nachbarsprachen etablierten. Erwähnenswert ist zunächst die Latinisierung Carolus (E. Seebold hält übrigens Karl als Herrschernamen für die latinisierte Form eines germanischen Namens mit anlautendem h-, z. B. hari-olus o. Ä.), auf der die französische und englische Charles (jeweils [scharl] und [tscharls] gesprochen, vgl. analog Charleroi [scharle’rua] und [tscharle’roi], s. Rex) sowie die spanische Carlos, die italienische Carlo und die polnische Karol beruhen, ferner niederl. und tschech. Karel, ung. Käroly, finn. Kaarle. Der Name des von den Westslawen verehrten Königs Karl des Großen wurde in den slawischen Sprachen - ähnlich wie Cäsar zu dt. Kaiser- zum Gattungsnamen mit der Bedeutung >Königeine Art vierrädriger Wagern (< gai. carrus, zu idg. *k?fs- »laufenKraftwagen< frz. (auto)car >Autobus für Gesellschaftsreisem zugrunde liegt. Aus diesem stammt gleichbed. Schweiz. Car (neben Autocar), vgl. ferner dt. Carjacker »(bewaffneter) Autoräuber< (aus gleichbed. amerik. carjacker, gebildet nach hijacker >LuftpiratStraßenräuberKäse< erhalten gebliebenen Wort bezeichneten. Im Englischen wurde lat. caseus nicht nur durch Umlaut, sondern auch durch Palatalisierung in cheese umgestaltet. Als gebundene etymologische Dublette von dt. Käse erscheint dieses in Cheeseburger hamburger, der zusätzlich eine Scheibe Käse enthält*. In der Zusammensetzung präsentiert sich amerik. cheeseburger, gebildet in Anlehnung an hamburger (älter Hamburg steak, möglicherwiese nach dt. Hamburger Rundstück >aufgeschnittenes Brötchen mit einer Scheibe Rindfleisch und warmer SoßeSchinken< assoziierter Anlaut u.a. durch cheese ersetzt werden konnte (vgl. Fishburger unter Fisch). Das lateinische Wort, das zusammen mit der slawischen Grundlage von Quas (s. d.) auf idg. *kwat(h)-so- >gären, sauer werden* zurückgeführt wird, lebt in ital. cacio >Käse< fort. Dieses tritt seinerseits als Bestimmungswort im Namen der (geräucherten) süditalienischen Hartkäsesorte Caciocavallo (etwa >Stutenmilchkäse*, s. Cavallo) auf. Kasel >vom Priester über anderen Gewändern getragenes Messgewand*: Das Wort ist mit mhd. käsel/käsele hülle, Kleid* identisch und geht zurück auf mlat. casula/casub(u)la > Messgewand, Mantel mit Kapuze* (spätlat. häuschen*, also eigtl. Diminutiv zu casa hütte, Haus*). Aus der zweiten, lautlich nicht einleuchtenden Variante sind frz. chasuble und daraus engl. chasuble >ärmelloses Messgewand* hervorgegangen. Seit dem 19. Jh. ist das französische Wort auch Bezeichnung für ein ärmelloses Überkleid und liegt demnach dem gleichbedeutenden französisch und englisch ausgesprochenen Fremdwort Chasuble zugrunde.

Kasematte: Die Herkunft des im 16. Jh. als Fachwort des Festungsbaus entlehnten, heute außerdem den gepanzerten Geschützraum auf Kriegsschiffen bezeichnenden Fremdwortes ist insofern gesichert, als es über mfrz. casemate auf ital. casamatta >Wall-, Festungsgewölbe* zurückgeht. Dessen Etymologisierung bereitet weiterhin Schwierigkeiten, es überwiegt jedoch die Annahme, dass darin im Sinne von >vorgetriebener, überdeckter Stollen* übernommenes und von ital. casa >Haus< beeinflusstes griech. chasmata, Plur. zu chäsma >Spalte, klaffende Öffnung, Erdschlund* steckt. Sollte dieser Ansatz zutreffen, dann wäre der auf dem Singular des Gräzismus beruhende und über nlat. chasma n./ (in Anlehnung an spasmus m. >Krampf* aus gleichbed. griech. spasmos auch) chasmus m. übernommene medizinische Fachausdruck Chasma n./Chasmus >Gähnkrampf
in humushaltigen Felsspalten wachsende Pflanze* (Grundwort zu griech. phyton >Pflanzeausgestorbene Gattung von Echsen aus der Trias* (Grundwort zu griech. sauros >EidechseSchatzmeister< und >Burgvogt< herzuleiten. Da der Kaspar, der in den mittelalterlichen Dreikönigsspielen als Mohr auftrat, lustige Einlagen brachte, wurde er mit seiner volkstümlichen, durch Abschwächung des unbetonten Vokals gekennzeichneten Nebenform Kasper (auch als Diminutiv bair. Kasperl, schwäb. Kasperle, Schweiz. Kasperli) zur lustigen männlichen Hauptfigur des Puppenspiels. Fremdsprachliche Vertreter des Personennamens sind u.a. engl. Gaspar, ital., span. Gasparo, frz. Gaspard. Kastanie: Ein Vergleich mit dem botanischen Namen dieser Gattung der Buchengewächse Castanea zeigt unmissverständlich, dass das deutsche Wort lat. castanea >Kastanie* widerspiegelt. Bei ihm handelt es sich allerdings um eine Neuentlehnung des 12. Jh., denn eine viel früher ins Westgermanische übernommene Lautvariante castinea liegt sowohl gleichbed. engl. chestnut (zum Grundwort vgl. Nuss) als auch ebenfalls umgelautetem ahd. kestina, mhd. kesten/kestene vor, das als süddeutscher Regionalismus z.B. in wiener. Kästen fortlebt. Im Sinne von >(Frucht, Nuss vom) Kastanienbaum, Kastanie(nnuss)* spiegelt sich in lat. (nux) castanea das gleichbedeutende substantivierte Adjektiv griech. (kärya) kastäneia, das als etymologisch nicht geklärtes Wort vermutlich kleinasiatischer Herkuft gilt. Nicht klar ist eigentlich der Anlaut des griechischen Wortes, der mit armen, kask >Kastanie< zusammenhängt. Seine zweite Komponente -tan- ließe sich dagegen als iranisches Element deuten, vgl. pers. däne >Korn, Frucht mit einer festen Schale*, kurd. dan >Korn*. Anders gesagt, die Vorlage von griech. kästanon > Kastanienbaum*, aus dem das Adjektiv kastäneios m„ kastäneia f. abgeleitet ist, hat möglicherweise *kas(k)tane gelautet.

Kastell: Aus der einstigen Bedeutung >fester Platz, Grenzbefestigungsanlage* des lateinischen Diminutivs castellum, Plur. castella (zu lat. castrum > Festung*, Plur. castra >Feldlager*, s. Castrum) ist die mittelalterliche >Burg, Schloss* hervorgegangen, die sich das bereits zu ahd. kastel/castel/castella/cassella Befestigung, Stadt, Ortschaft* entlehnte Fremdwort aus den romanischen Nachbarsprachen aneignete. Spu-

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ren von dieser alten, anfangsbetonten Entlehnung finden sich in Ortsnamen wie Bernkastel (Vorderglied wohl ein keltischer Bachname) oder Kassel (entstanden durch alte Angleichung /st/ > /ss/, vgl. schon im 10. Jh. Chassala/Chassella). Die heutige Lautform von Kastell (mit auf die zweite Silbe verlegter Betonung) scheint von gleichbed. ital. castello beeinflusst zu sein, vgl. den italienischen Ortsnamen Città di Castello (s. de1, City). Über afrz. chastel entwickelte sich das lautlich stark modifizierte frz. chateau, aus welchem der Exotismus Chateau/Chäteau >Burg, Schloss, Herrenhaus, Landgut, Weingut< (häufig in französischen Ortsnamen, vgl. Chàteauneuf, eigtl. »die neue Burgs s. neu) stammt. Apikard. castel (eine Nebenform von afrz. chastel) ergab engl. castle >Burg, Schloss*, das ähnlich wie chateau und dessen südfranzösische Variante chätel (bzw. -bürg im Deutschen, vgl. Burg) als Bestandteil zahlreicher Ortsnamen auftritt, z.B. New Castle (eigtl. >die neue Burgs s. Newcastle mit seiner Dublette Neuchätel). Kasten : Zusammen mit niederl. käst >Schrank, Kasten* geht das seit dem 8. Jh. bezeugte, ursprünglich schwach flektierte Substantiv (ahd. kasto »Behälter; Kornspeichers s. Brunnen) vermutlich wie auch mda. Kar »Gefäß, Topf, Pfanne< auf germ. *kasa-/ *kaza- >Gefäß< zurück, scheint aber im Auslaut von früh entlehntem lat. cista »Kiste, Kasten< (s. Kiste) beeinflusst gewesen zu sein. Aus dem Altfränkischen entlehnt ist frz. chaton, das in der Goldschmiedekunst auf die Bezeichnung der Einfassung eines Edelsteins eingeengt wurde und in der verdeutlichten fachsprachlichen Übernahme Chaton/hssung»Kastenfassung aus Gold- und Silberblech für Edelsteine< vorliegt.

Kasus »Fall, Vorkommnis*: Im 16. Jh. im Sinne von »Geschehen, Vorfall* in die Kanzleisprache übernommen, kommt das aus dem Lateinischen stammende Wort heute hauptsächlich als juristischer und grammatischer Terminus vor. Lat. casus »Fall, Sturz; Vor-, Zufall* (zu cadere »fallen*, vgl. Chance) ist in der Bedeutung »Beugungsfall* ebenso ein Übersetzungswort für griech. ptösis »Fall, Fallen* (zu piptein »fallen*) wie dt. Fall (s. d.) für lat. casus. In adäquater Form erscheint dieses nur noch in Fügungen wie Casus Belli »Grund für einen Konflikt* (s. Duell), Casus rectus »unabhängiger Fall* (s. recht). Seit dem 13. Jh. bezeugtes frz. cas (< lat. casus »Fall*) ist Bestandteil der auch im Deutschen vorkommenden fachsprachlichen präpositionalen Fügung en tous cas »für jede Gelegenheit passend (von Kleidungsstücken)*, eigtl. »in jedem Fall* (s. in, tutti). Über afrz. cas entlehntes engl. case1 »Fall; Umstand; Sache u.a.< (über dessen Homonym case2 »Behältnis* s. Cash) tritt auf als Vordergleid des wirtschaftlichen und psychologischen Fachausdrucks Case-History »ausführliche Beschrei-

Katharer bung einer Werbeaktion; Beschreibung sämtlicher erfassbarer Lebensdaten, Umweltverhältnisse und deren Einflüsse auf die Entwicklung eines Individuums* (< engl. case history »Vorgeschichte, Krankengeschichte*, eigtl. »Fallgeschichte*, s. Historie). Katafalk: Das ein schwarz verhängtes Gerüst für den Sarg bei Trauerfeiern bezeichnende Wort wurde im 18. Jh. über gleichbed. frz. catafalque und ital. catafalco entlehnt aus vlat. *catafalicum »Gerüst, erhöhte Plattform* (wohl einer hybriden Bildung zu lat. catasta »Schaugerüst beim Sklavenverkauf* oder aus griech.-lat. kata- »von oben herab; darauf* und lat. fala »hohes Gerüst*). Unmittelbar aus der vulgärlateinischen Vorlage hervorgegangen ist afrz. chafaud »hölzerner Aufbau, Schaugerüst* (daraus - vermutlich in Anlehnung an frz. echelle »Leiter*, s. Skala frz. échafaud »Blutgerüst, Hinrichtungsplattform*), das seinerseits im 17. Jh. durch niederländische und niederdeutsche Vermittlung Schafott »erhöhte Stätte, Gerüst für Hinrichtungen* lieferte. Somit spiegelt sich in den etymologischen Dubletten Katafalk und Schafott ein bereits im Französischen zustande gekommenes Dublettenpaar. Katarrh/Katarr »Schleimhautentzündung*: Im 16. Jh. entlehnt über lat. catarrhus »Schnupfen* aus gleichbed. griech. katàrrhous, eigtl. »Herabfluss* (zu katarrhein »herabfließen* < kata- »herab-, abwärts* + rheln »fließen*), nach der antiken Vorstellung, dass aus dem Gehirn herabfließender Schleim die Krankheit verursache. Daraus entstand im 19. Jh. - unter Einfluss von Katzenjammer und in Anlehnung an Kater} »männliche Hauskatze* - zunächst in der Leipziger Studentensprache die Dublette Kater2 »Unwohlsein nach Alkoholgenuss*.

Katharer: Die Bezeichnung für die Angehörigen verschiedener mittelalterlicher strenger Sekten ist unter Zuhilfenahme des Suffixes -er (Adsuffigierung) aus gleichbed. mlat. Catharus, Plur. Cathari übernommen. Letzteres gibt seinerseits griech. Katharós, Plur. Katharoi wieder, das eine Substantivierung des griechischen Adjektivs katharós »rein, sauber* (vgl. auch den weiblichen Vornamen Katharina, eigtl. »die Reine*, s. Trine) darstellt. In der Selbstbezeichnung der besagten Sekten offenbart sich also der Anspruch darauf, dass ihre Anhänger »die Reinen* seien. So nannten sich im 11.-13. Jh. zunächst die Angehörigen einer auf dem manichäischen Dualismus fußenden Sekte, und schon damals wurde ihr Name offensichtlich durch Vermittlung von aital.-mlat. Gassari/ Gazari/Gazeri (mit z für den mittelgriechischen interdentalen Reibelaut th) zu mhd. ketzer/kesser entlehnt. Nachdem im 13. Jh. ihre massenhafte Verfolgung begonnen hatte, wurde ihr Name zur Bezeichnung des Häretikers überhaupt. Dessen mittel-

Katheder hochdeutsche Form lebt heute in Ketzer1 irrgläubiger, Abtrünniger; Vertreter einer anderen Meinung im Vergleich zu der für gültig erklärtem fort. Über Ketzer2 s. Catcher. Katheder >Pult, Lehrstuhle Das auf griech. kathédra >Sitz, Stuhl« (gebildet aus kata- >herab-< und hédra >Sitz, Sessels zu hézesthai >sitzenLehrstuhl; Bischofssitz« vermittelt, vgl. die formal adäquateren Dubletten Kathedra/Cathedra >Bischofssitz, Bischofsstuhl«, Cathedra Petri >der Päpstliche Stuhl« (s. Petrus) sowie - im Ablativ - ex cathedra »aus päpstlicher Vollmacht und daher unfehlbar« (eigtl. »vom [Päpstlichen] Stuhl«, s. ex). Auf lat. cathedra beruht auch frz. chaise >Stuhl«, ursprünglich Pariser Variante von chaire >Pult, Lehrstuhl«. Dem ersteren entstammt veraltet Chaise »Sessel; halbverdeckter, vieroder zweirädriger leichter Wagen« (vgl. ferner Chaiselongue >gepolsterte Liege mit Kopflehne«, s. lang), und Letzteres ergab engl. chair »Stuhl; Lehrstuhl; Vorsitz«, enthalten etwa in chairman »Vorsitzender« (s. man), das - in Bezug auf britische und amerikanische Verhältnisse - ebenso im Deutschen registriert ist: Chairman Vorsitzender eines politischen oder wirtschaftlichen Gremiums«.

katholisch >die katholische Kirche betreffend oder ihr angehörend«: Seit dem 16. Jh. bezeugte, durch regulären Suffxwechsel -icus > -isch gekennzeichnete Übernahme von gleichbed. spätlat. catholicus, dies entsprechend aus kirchengriech. katholikos, eigtl. »allgemein, das Ganze betreffend« (zum Adverb kathólou >im Allgemeinen«, bestehend aus kat- >über ... hin« und dem Genitiv zu hólos >ganz«). Mit Rücksicht auf die Endbetonung und die von W. Pfeifer angeführten frühen Belege Catholicke, Plur. Catholiqen ist die um 1700 aufgekommene Personenbezeichnung Katholik Angehöriger der katholischen Kirche« eindeutig als Entlehnung aus frz. catholique »katholisch; Katholik, Katholikin« anzusehen, das auf dieselbe griechisch-lateinische Vorlage zurückgeht. Zieht man außerdem die Tatsache in Betracht, dass bei Katholik die übliche Adsuffigierung mit -er ausgeblieben ist, stellt sich heraus, dass Katholik und katholisch ein einzigartiges Dublettenpaar bilden im Vergleich zu anderen aus Adjektiven auf griech. -ikós, lat. -icus hervorgegangenen Dubletten wie etwa Fanatiker - fanatisch (s. d.). Daran schließt sich außerdem der Exotismus Katholikos »Titel des Oberhauptes der unabhängigen Ostkirche in Armenien und Georgien« an, der griech. katholikos genau wiedergibt. Kattun »feinfädiges, leinwandbindiges Gewebe aus Baumwolle oder Chemiefasern«: Im 17. Jh. aus niederl. katoen übernommen, das als Bezeichnung für

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Baumwolle und Baumwollstoff über frz. coton und ital. cottone auf arab. qutun »Baumwolle* (ägyptischen oder indischen Ursprungs) zurückgeht. Das Fremdwort hat Eingang in mehrere europäische Sprachen gefunden, so dass auch andere Reflexe von ihm im Deutschen bezeugt sind wie z.B. die gelegentlich vorkommende französische und englische Bezeichnung für (Gewebe aus) Baumwolle Coton/Koton bzw. Cotton sowie der Historismus Hoqueton »gestickter Waffenrock (von Schützen des 14./16. Jh.)«, entlehnt durch französische Vermittlung aus der arabischen Vorlage mit dem bestimmten Artikel al (vgl. span, algodón »Baumwolle; Baumwollgewebe«). kauen: Seiner Lautgestalt nach setzt das seit dem 16. Jh. schwach flektierende Verb die mitteldeutsche Nebenform küwen von mhd. kiuwen fort. Über ahd. kiuwen geht dieses zurück auf westgerm, *kewwa- »kauen«, das auch die Quelle von gleichbed. engl. to chew »kauen« ist (vgl. dessen Verbalsubstantiv chewing »Kauen« im Fremdwort Chewinggum, ins Deutsche durch Kaugummi übertragen). Der auf mhd. kiuwen beruhende Reflex ffühnhd. käuen/keuen ist im 18. Jh. untergegangen, ausgenommen die unfeste ostmittelund ostniederdeutsche Zusammensetzung Wiederkäuen (eigtl. »noch einmal kauen«, vgl. wider), die durch Luther in die Schriftsprache gelangte. Kavalier: Das heute hauptsächlich in der Bedeutung »Frauen gegenüber höflicher Mann« gebrauchte Fremdwort wurde im 16./17. Jh. teils direkt aus ital. cavaliere »Reiter; Ritter, Adliger«, teils über frz. cavalier »Reiter; Edelmann; Begleiter einer Dame« übernommen. Ausgangspunkt ist zu lat. caballus »Pferd« (s. Cavallo) gebildetes caballarius »Pferdeknecht«, dessen semantische Entwicklung über »Reiter« zu »Ritter, Adliger« führte. Fortsetzer der lateinischen Personenbezeichnung, die im Deutschen als Exotismen fungieren und sich als etymologische Dubletten von Kavalier präsentieren, sind das als italienischer Adelstitel auftretende Cavaliere selbst wie auch die jeweils aus dem Spanischen und Französischen stammenden Caballero »spanischer Edelmann, Ritter« (vgl. El caballero de la triste figura »Ritter von der traurigen Gestalt«, wie Sancho Pansa seinen Herrn Don Quijote zu nennen pflegt) und - in deutschen Texten seit dem 17. Jh. bezeugt - Chevalier »französischer Ritter, Adliger«. Unabhängig davon war der französische Kognat bereits zu mhd. schevalier/schevelier/tschavalier »Ritter; als Schlachtruf in Einzelkämpfen und Ritterspielen zwischen zwei Scharen« entlehnt, in seiner ersten Bedeutung konkurrierte es jedoch mit einheimischem ritcere/rrter »Reiter, Kämpfer zu Pferd«, und als Standesbezeichnung wurde es verdrängt von riter/ritter (daraus nhd. Ritter), der verhochdeutschten Form von mniederl. riddere, das seinerseits eine Lehnübertragung von afrz.

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chevalier ist. Eine Kopffragmentierung von ital. cavaliere, mit der der Ritter, d. h. einer der vier Hofkarten im Tarockspiel benannt ist, steckt zweifellos in Kaval/ Caval. Kavallerie >Reiterei, Reitertruppenc Das zu ital. cavaliere >Reiter, Ritter, Adligen (s. Kavalier) gebildete cavalleria >Reiterei; Ritterlichkeit erscheint um 1300 im Deutschen zunächst in der Gestalt des Abstraktums kavalerie »Ritterlichkeit*. In der Folgezeit tritt es als direkte Entlehnung auf: cavalleria/cavallaria, vgl. veraltet Cavalleria Ritterlichkeit, das übrigens aus P. Mascagnis Oper Cavalleria rusticana (eigtl. »bäuerliche Ritterlichkeit) doch wohl bekannt sein sollte. In seiner heutigen Lautform ist Kavallerie ein über frz. cavalerie vermitteltes Lehnwort mit der Bedeutung »berittene TruppeFeuerstätte zur Heizung eines Zimmers< (der aus griech. käminos »Schmelz-, Brennofen< entlehnten Quelle von dt. Kamin), die grammatisch mit dem Femininum camera »Gemach« (s. Kammer) kongruierte. Im Französischen beruht auf caminata das Erbwort cheminée, urspr. »heizbares Gemachs seit dem 18. Jh. mit verengter Bedeutung >Kamin dt. Zisterne »Behälter für Regenwasser«). Als gelehrte Übernahme der Neuzeit ergab das lateinische Wort, das selbst aus griech. kiste »Korb, Kiste« stammt, den Fachausdruck Zista/Ziste »frühgeschichtliche Bronzeeimer bzw. etruskische Urne in Zylinderform; altgriechischer zylinderförmiger Korb, in dem bei Mysterienfeiern die heiligen Symbole aufbewahrt wurden«.

Klampe: Der Name der Vorrichtung zum Festlegen von Tauen auf Schiffen und von Schiffen stammt aus dem Niederdeutschen und beruht auf mnd. klampe »Haken, Klammer«. Sein hochdeutscher, Verschiebung germ, mp > oberd. mp/aufweisender Kognat lautet österr. Klampfe »Bauklammer, Eisenklammer zum Zusammenhalten von Hölzern« (urspr. »Haken, Klammer«). Das westgermanische Substantiv wird als Variante von Klammer zu mhd. klimmen »drücken, kneifen, zwicken« oder zu klimpfen »zusammenziehen, drücken, einengen« gestellt. Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, ob der seit etwa 1700 bezeugte oberdeutsche Gebrauch von Klampfe als Benennung der Zither, seit dem 19. Jh. - von der Wandervogelbewegung allgemein verbreitet - auch der Gitarre von einem lautmalenden Verb klamp(f)ern beinflusst worden (E. Seebold) oder diese Benennung von Klampfe/Klampe »Klammer, Haken, Öse« fern zu halten ist (W. Pfeifer). klar: Das im 12. Jh. am Niederrhein über mniederl. claer und afrz. clar/cler zu mhd. klär/clär »hell, rein, glänzend, schön, deutlich« entlehnte Adjektiv stammt aus lat. clarus »laut, hell, klar, deutlich«, das genauso wie dt. hell (urspr. »tönend, laut«, dann »licht, glänzend«) auf die indogermanische ablautende Schallwurzel *kel-, *kle-, *klä- »rufen, schreien, klingen« zurückgeht. Um dieselbe Zeit fand die feminine Form clara als Heiligenname Verbreitung und liegt dt. Klara/Clara (eigtl. »die Leuchtende, Hervor-

klassisch stechende, Berühmte«) zugrunde, dem z.B. Chiara, Claire, Clare/Claire jeweils im Italienischen, Französischen und Englischen entsprechen. Als Gattungsname ist frz. clair m. »hell, klar, deutlich« ebenso wie die Kompositionsform von gleichbed. ital. chiaro Vorderglied des kunstwissenschaftlichen Fachausdrucks Clair-ofecur (s. d.) bzw. Chiaroscuro »Helldunkelmalerei« (s. obskur), und durch altfranzösische Vermittlung übernommenes engl. clear »hell, klar, licht« tritt im meteorologischen Terminus ClearAir-Turbulenz »Turbulenz im wolkenfreien Raum« (s. Air) auf.

Klasse: Im 16. Jh. entlehnt aus lat. classis »militärisches Aufgebot; Klasse von Schülern; Abteilung der Bürger« (eigtl. »Aufruf, Herbeirufung; einberufene Mannschaft«, verwandt mit calare »ausrufen, berufen«, clamare »herbeirufen«, clarus »laut; hell«, s. klar). Im 18. Jh. entwickelt das Lehnwort zum Teil unter dem Einfluss von herkunftsgleichen frz. classe und engl. dass die Bedeutung »Schicht (des Volkes)« (vgl. engl. lower classes »untere Schichten«), wird zu einem wissenschaftlichen Einteilungsbegriff und dient zu Gliederungen in verschiedenen Lebensbereichen. Seit dem 20. Jh. tritt es umgangssprachlich als indeklinables Adjektiv klasse im Sinne von »großartig, hervorragend« auf. Der Anglizismus ist beteiligt an der Fügung/irst dass »erstklassig, von gehobenem Standard« (< engl. first-class »erstklassig, von bester Qualität«, s. Fürst).

klassisch: Im 18. Jh. unter Einfluss von frz. classique »mustergültig, vorbildlich« erfolgte suffixale Adaptation (vgl. fanatisch, komisch) von gleichbed. mlat. classicus, das - von lat. classis (s. Klasse) abgeleitet ursprünglich »zur Flotte gehörig; die erste römische Bürgerklasse betreffend« bedeutete und im 2. Jh. in der attributiven Fügung scriptor classicus »mustergültiger Schriftsteller« (scriptor »Schreiber, Verfasser«, Nomen Agentis zum Verb scribere, s. schreiben) auftrat. Diese Fügung wiedergebendes frz. auteur classique wurde entsprechend durch die Adsuffigierung Klassiker eingedeutscht. Im Anschluss daran stellte sich im 19. Jh. zum Adjektiv klassisch in seiner erweiterten Bedeutung »das griechische und römische Altertum betreffend; herkömmlich« - in gewissem Sinne das Wortbildungsparadigma ergänzend - das Abstraktum Klassik »Kultur und Kunst der griechischrömischen Antike; Epoche kultureller Höchstleistung« (auch als Gegensatz zu Romantik). Herkunftsgleich mit dt. klassisch sind ital. classico und engl. classic, vertreten in der Bezeichnung für italienische Weine aus dem traditionellen Kernraum eines Anbaugebietes wie etwa in Chianti classico »Chiantiwein, aus der italienischen Landschaft Chianti stammender Rotwein« bzw. Classic Rock oder Barockrock »Stilbereich der Rockmusik seit Ende der 60er Jahre, in dem Gestaltungsprinzipien vor allem der Barock-

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Klause musik mit Klangvorstellungen des Rocks gekoppelt wurden*.

Klause »Einsiedelei; Klosterzelle; kleinere Wohnung; Talengec Durch Diphthongierung entstanden aus mhd. klüse/klüs »abgeschlossene Wohnung mit dem Begriff des Heimischen; Felskluft, Engpass*, das über ahd. klüsa auf lat. elùsa »Einfriedung; Zelle* zurückgeht. Dies ist das substantivierte Femininum von clùsum, dem Partizip Perfekt von elùdere »schließen* (eine nach W. Pfeifer aus den Verbalkomposita übernommenes ü aufweisende Nebenform von claudere, Part. Perf. clausum »ab-, verschließen*, s. Kloster). Phonosemantische Dubletten von Klause mit nicht diphthongiertem Wurzelvokal sind Kluse/schweiz. Klus »Engpass, Schlucht* und durch niederländische Vermittlung übernommenes seemannsspr. Klüse »Öffnung im Schiffsbug für (Anker)ketten und Taue*. Vgl. auch den französischen Ortsnamen Vaucluse (9. Jh. Vallem Clusae, 11. Jh. Vallis Clusa, eigtl. »geschlossenes Tal*, s. Val).

Kleriker »katholischer Geistlicher*: Adsuffigierte Fortführung von mhd. cleric/klerke, frühnhd. Cleric, übernommen aus kirchenlat. clericus »Geistlicher, Priester*, einer Substantivierung des aus dem Griechischen stammenden Adjektivs klèrikós »zur Geistlichkeit gehörig* (eigtl. »zur Erbschaft gehörig*, zu kléros »Anteil; Erbteil*, kirchenspr. »Klerus, Geistlichkeit, Priesterstand, d.h. der Stand, dem das Erbe des Herrn zugefallen ist*). Im Mittelalter schloss sich an lat. clericus bzw. an afrz. clerc und daher auch an mengl. clerc der Begriff des Gebildet-, Schreibkundigseins an, so dass das Wort die weltliche Bedeutung »Schreiber; Angestellter* entwickelte. Daher der Anglizismus Clerk als Bezeichnung für einen kaufmännischen Angestellten oder Verwaltungsbeamten in England und Amerika.

Kleid: Erst seit dem 12. Jh. in der Lautung mhd. kleit »Kleid, Kleidung, Kleidungsstück; Gewandstoff* bezeugt. Mit dem englischen Kognaten cloth »Tuch, Gewebe* (Plur. clothes »Kleider, Kleidung*), der die ältere Bedeutung fortsetzt, lässt sich das Substantiv auf westgerm. *klaipa- mit vermutlicher Ausgangsbedeutung »das mit Klei Gewalkte, das gekleite Tuch* zurückführen. Aus dem Englischen stammt die Dublette Cloth/österr. Kloth mit der spezialisierten Bedeutung »glänzender (Futter)stoff aus Baumwolle oder Halbwolle in Atlasbindung*.

Klient »Auftraggeber eines Rechtsanwalts, Kunde bestimmter Einrichtungen*: Als Historismus bezeichnet das seit dem 16. Jh. bezeugte Fremdwort jene Bürger im alten Rom, die einem Patron zu Dienst verpflichtet waren. Seine lateinische Vorlage lautet cliens, Gen. clientis, der Form nach Partizip Präsens eines auf idg. *k’lei- »neigen* zurückgehenden und mit dt. lehnen urverwandten Verbs *clinare »biegen, beugen, neigen, lehnen* (etwa in declinare »neigen, ablenken* > dt. deklinieren »beugen*), so dass cliens im Sinne von »der sich schutzeshalber an einen Patron Anlehnende, Schutzbefohlener in Rechtssachen* definiert wird. Zu den neuesten Einträgen im Duden-Fremdwörterbuch zählt der herkunftsgleiche Anglizismus client »Klient, Mandant* in seiner Verwendung als EDV-Terminus: Client »Rechner innerhalb eines Netzwerks, der vom Server Dienste in Anspruch nimmt*. Die Annahme, dass man im Altertum lat. clemens, Gen. clementis »gnädig, mild, nachsichtig* (danach der männliche Vorname Clemens/Klemens/Clement/Klement, also eigtl. »der Milde, der Gnädige*) im Sinne von »geneigten Sinnes, freundlich, gnädig* mit dem nur in Präfigierungen auftretenden Verb *clinare zu verknüpfen versuchte, ist kein Argument, den Namen Clemens usw. dem Dublettenpaar Klient - Client zuzurechnen.

klein: Über mhd. kleine »rein, zierlich, hübsch*, ahd. kleini »glänzend, glatt, sauber, zierlich, dünn* geht das Adjektiv zusammen mit engl. clean »rein, sauber* auf germ. *klainja- »hell, glänzend, rein* zurück. Substantivisch tritt es in bergmänn. Klein »kleine Bruchstücke von Kohlen, Gestein* (auch als Schwanzisolierung aus Hosen-, Hühner-, Gänseklein) auf. Der englische Kognat begegnet im Jargon (clean »von Drogen nicht mehr abhängig*), aber auch in der technischen Terminologie: Clean Room »staubfreier Raum zur Fertigung von hoch integrierten Halbleiterbauelementen* (s. Raum).

Klipp/Clip1 m. »Klammer, Klemme*: Teilweise Eindeutschung von gleichbed. engl. clip (zu to clip1 »festklemmen, festhalten; befestigen, anklammern*), die auch synonym mit dem singularisierten Plural des englischen Wortes Klips/Clips m. »Schmuckstück zum Festklemmen; Klammer zum Befestigen des Haares beim Eindrehen* fungiert. Von diesem in der Sprache der Mode entlehnten Dublettenpaar zu unterscheiden ist der Amerikanismus Clip2 »Videoclip*, das im Sinne von »Ausschnitt, Auszug* auf dem homonymen Verb engl. to clip2 »scheren, beschneiden* (vgl. Klipper) beruht.

Klavizimbel: Der Name des vom 14. bis zum 18. Jh. verwendeten Tasteninstruments, dass üblicherweise mit Cembalo (s.u.) gleichgesetzt wird, stammt aus gleichbed. mlat. clavicymbalum, einer Zusammensetzung aus clavis »Schlüssel, Taste* (s. Clavis) und cymbalum »Becken, Glocke* (s. Zimbel). Das soeben genannte Cembalo ist eine Schwanzisolierung aus der italienischen Lautform Clavicembalo der Komposition, woneben in Lexika dieselbe Bezeichnung gelegentlich auch in ihrer französischen Lautgestalt Clavecin aufgeführt wird.

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Klipper »schnelles Segelschiffe Im 19. Jh. entlehnt und eingedeutscht aus engl. clipper >um 1830-1854 gebautes Schnellsegler< (zu to clip »sich schnell bewegens eigtl. »scheren, beschneiden«, wahrscheinlich beeinflusst von cutter »Kutter«, s. Cutter). In Duden-Ausgaben wird orthographisch konsequent unterschieden zwischen diesem Historismus und zwei homonymen strukturgleichen etymologischen Dubletten von ihm: dem veralteten Amerikanismus Clipper1 »auf Überseestrecken eingesetztes amerikanisches Langstreckenflugzeug« und dem physikalischen Fachbegriff Clipper2 »Begrenzerschaltung zur Erzeugung von Rechteckimpulsen«.

Kloster: Die Bezeichnung der Wohnstätte für Mönche oder Nonnen bzw. der Gesamtheit der in dieser lebenden Personen wurde im 10. Jh. (ahd., mhd. klöster) aus der monophthongierten Nebenform clöster von gleichbed. spätlat. claustrum (eigtl. »Verschluss, Riegel; Sperre; Gewahrsam; Mauer«, zu claudere, Part. Perf. clausum »ab-, verschließen«) entlehnt. Die ursprüngliche Bedeutung des Lehnwortes hält sich in dem von E. Wasserzieher und W. Pfeifer aufgeführten (mittel)rheinischen Regionalismus Klauster »Vorhängeschloss«, und in seiner Grundform erschien der Latinismus im veralteten Klaustrum »abgeschlossener Raum, verschlossener Ort; Kloster«. Seine Kompositionsform tritt ihrerseits auf beispielsweise im Fachausdruck der Psychologie und Medizin Klaustrophobie »zwanghafte Angst vor Aufenthalt in geschlossenen Räumen, Platzangst« (Grundwort zu griech. phóbos »Furcht«). Knabe: Das heute in seiner Gebrauchshäufigkeit weitgehend durch nordd. Junge und zum Teil durch südd. Bub eingeschränkte Substantiv beruht zusammen mit ursprünglich gleichbed. engl. knave »Spitzbube, Schelm« (vgl. das im Duden-Fremdwörterbuch mit aufgeführte Knave als englische Bezeichnung für »Bube, Schelm; Bube im Kartenspiel«) auf dem westgermanischen H-Stamm *knabön, dem einerseits ahd. knabo »kleiner Junge, Kind; Diener«, mhd. knabe »Junge, Jüngling, Junggeselle, Diener, Page, Geselle«, andererseits ahd. (afränk.) knabbo, mhd. (mit bereits in der Schrift festgehaltener Verschiebung von germ. -bb- zu hochd. -pp-) knappe »Junge, Jüngling, Junggeselle, der noch nicht Ritter ist, junger Mann in dienender Stellung« entsprangen. Fortsetzung des Letzteren ist nhd. Knappe »Edelknabe; Bergmann«. Dessen Herausbildung als Nebenform von Knabe (vgl. analog Rappe und Rappen neben Rabe, s. d.) erklären W. Pfeifer und die Autoren des Duden-Herkunftswörterbuchs durch expressive Konsonantenverdoppelung. H. Mettke hält dagegen die Gemination in diesem Fall für positionsbedingt und führt aus, dass die seltene Konsonantenverdoppelung vor /n/ hauptsächlich bei n-stämmigen Substantiven

Knöpflein vorkomme, wo in einigen germanischen Kasus durch einstige Endbetonung Schwundstufe eingetreten war und n an den vorangehenden Konsonanten rückte: *knabön, Gen. Plur. *knabnöm > *knabbnö (ebenso im Dativ Plural *knabbnum), wonach sich die Doppelformen in zwei verschiedene Paradigmen spalten konnten. E. Seebold ist seinerseits geneigt, bei der Nebenform Knappe (offensichtlich unter den soeben geschilderten Umständen) einfach Assimilation des Formans des n-Stammes anzunehmen. Bei der etymologischen Deutung der Vorform des Dublettenpaars sucht man Anhaltspunkte in germ. *knab»Pflock, Stock, Knüppel, Klotz« (dazu Knebel), wobei hinsichtlich der Bedeutungsübertragung auf Bengel (eigtl. »Knüppel, Stock«), Flegel im Sinne von »Lümmel«, Stift im Sinne von »Halbwüchsiger, Lehrling« (nach E. Seebold Bezeichnung nach dem Geschlechtsglied) verwiesen wird. Knecht »Diener, Untergebener; auf einem Bauernhof Arbeitender«: Das veraltende, mhd., ahd. knecht »Knabe, Jüngling; Kerl; Krieger, Held u.a.« fortsetzende Substantiv geht zusammen mit niederl. knecht »Diener, Knecht; Geselle« und engl. knight »Ritter« (älter »Knabe, Jüngling«) auf westgerm. *kne%ta»Knabe, Jüngling; Kerl; Diener« zurück, bei dem man gelegentlich aus einer primären Bedeutung »Knüppel, Stock« auszugehen und eine Bedeutungsentwicklung wie bei Bengel, Knabe (s. d.) darzustellen versucht. Das Fremdwörterbuch verzeichnet den Exotismus Knight als Bezeichnung für die nicht erbliche, unterste Stufe des englischen Adels. Nicht als Gattungs-, sondern als Familienname des englischen Physikers W. D. Knight ist der englische Kognat enthalten im kernphysikalischen Fachbegriff Knightshift »Verschiebung der Kernresonanzfrequenz bestimmter Atome in Metallen gegenüber der Frequenz derselben Atome in chemischen Verbindungen« (Grundwort: shift »Wechsel, Veränderung, Verschiebung«, s. Schicht).

kneipen »zusammendrücken, klemmen«: Seit dem 15. Jh. bezeugte diphthongierte mitteldeutsche Form von gleichbed. mnd. knipen, die heute vor allem in Sachsen und Nordthüringen umgangssprachlich üblich ist. Durch Verhochdeutschung des postvokalischen -p- zu -f- kam im 16. Jh. die nach dem 18. Jh. literatursprachlich gewordene Dublette kneifen »zwicken, klemmen, pressen; sich drücken« auf. Die auf den ersten Blick analoge, in Wirklichkeit jedoch wohl auf mnd. kntf, knip zurückführbare Konsonantenal ternation bei nhd. Kneif/Kneip »Messer des Schusters, Sattlers, Gärtners« ist angesichts von anord. knifr fortführendem engl. knife »Messer« nur scheinbar. Über Kneifer als Ersatzwort für Pincenez s. Nase. Knöpf lein: Mit dem vorzugsweise im Süden des deutschen Sprachraums gebrauchten Suffix-lein (< mhd.

knüpfen -lin) gebildetes Diminutiv zu Knopf (s. knüpfen) als Parallelform zur chen-Bildung Knöpfchen. Seine in der Schweiz übliche Lautvariante Knöpfli ist zugleich synonyme Bezeichnung für Spätzli (s. Spätzlein) und somit als formal abweichende, durch teilweise Bedeutungsverschiedenheit gekennzeichnete etymologische Dublette von Knöpflein anzusehen. knüpfen >Fäden miteinander verbinden; eine Schleife binden; Knoten machen«: Das nur im Deutschen bezeugte ;an-Verb (mhd. knüpfen >knöpfen; mit einem Knopf versehen«, ahd. knüpfen >knoten, schlingen«) ist eine voralthochdeutsche Bildung zu westgerm. *knuppa- >Zusammengeballtes, Klumpen, kugelartige Anschwellung«, der Vorform von ahd., mhd, knöpf nhd. Knopf in seiner älteren Bedeutung >Knoten, Schlinge« (vgl. noch heute österr., Schweiz., südd. ugs. Knopf >Knotenmit Knöpfen öffnen, schließen, befestigen« auftritt.

Kobold: Der aus anfangs- wie auch endbetontem mhd. kobolt ererbte und nur im Deutschen vorkommende Name eines Hausgeistes, der zwar Gutes tun, aber auch Schaden anrichten kann, scheint ein Kompositum zu sein, dessen Vorderglied mit Koben Räuschen, Verschlag« verwandt ist und dessen Grundwort zu hold oder zu walten gehören könnte. Es wird angenommen, die heute in der Fügung Kobolz schießen »Purzelbäume (wie ein neckiger Kobold) schlagen« auftretende Form Kobolz »Purzelbaum« sei aus einem endbetonten norddeutschen Plural auf -s entstanden, so dass diese als etymologische Dublette von Kobold aufzufassen ist. Die im Mittelalter im Erzgebirge gefundenen Kobaltminerale, die wie Kupfer-, Silber- oder Zinnerze aussahen, ließen sich mit den damaligen Verfahren schwer zu Metallen verhütten. In der im 16. Jh. aufkommenden Bezeichnung cobalt (so bei Mathesius, kobolt bei Paracelsus, sonst kobelt) offenbart sich nach W. Pfeifer die obersächsische Form von Kobold (zur Alternation -old/-ald/-altvg\. Herold). Zunächst war das ein Scheltwort für ein für wertlos gehaltenes Mineral (vgl. Nickel), das bei der Verhüttung nicht das erwartete Produkt (z. B. Silber) ergab, dann für ein Element, das nach dem Glauben der Bergleute ein Kobold unterschöbe, nachdem er das Silber geraubt hätte. Die metallische Natur dieses Elements, das man seit dem 17. Jh. weitgehend zur Blaufärbung zu nutzen begonnen hatte, wurde 1735 vom schwedischen Chemiker G. Brandt erwiesen, und im Anschluss daran erfolgte die Latinisierung seines deutschen Namens Kobalt/fachspr. Cobalt zu Cobaltum (Zeichen: Co).

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Köcher »länglicher Behälter, Futteral«: Die mittelalterliche Bezeichnung des Behälters für Pfeile mhd. kocher/kochczre (nach M. Lexer auch »Gefäß zum Fischtransport; Kugelgussform«), ahd. kohhäri »Köcher« wird mit mnd. köker, mniederl. cöker möglicherweise über mlat. cucura und mgriech. koükouron auf hunn. *kukur zurückgeführt und somit für die einzige Entlehnung aus der Sprache der Hunnen gehalten. Als niederdeutsche Form von Köcher, d.h. als Fortsetzer von mnd. köker betrachtet E. Seebold das seit dem 18. Jh. auch im Hochdeutschen bezeugte Koker »Öffnung im Schiffsdeck für die Ankerkette«.

Kohl »Kraut«, südd., österr. »Wirsingkohl«: Zu den Obst- und Gemüsearten, die die Germanen durch die Römer kennen lernten und von denen einige wie Kirsche (s. Kirsch), Kürbis (s. d.), Pfirsich (s. d.), Rettich (s. d.) hier dargestellt sind, gehört auch der Kohl, dessen Name ahd., mhd. köl durch Monophthongierung aus lat. caulis/spätlat. caulus (eigtl. »Strunk, Stengel«) entlehnt ist. Die spätlateinische Nebenform lebt im italienischen Erbwort cavolo fort, das bei der Übernahme der Fügung cavolo rapa zu Kohlrübe (s. d.) eingedeutscht wurde. Das aus cavolo und fiore »Blume« (s. Flor1) gebildete Kompositum cavolfiore (eigtl. »Kohlblume«) ergab einerseits die Lehnübertragung Blumenkohl, andererseits dessen vor allem in Österreich übliche Heteronym Karfiol, in dem das italienische Wort wegen der Konsonantenmetathese entstellt auftritt. Mit diesem strukturgleich, aber als Adjektiv geformt oder aus Kauliflorie »das Ansetzen der Blüten unmittelbar am Stamm« rückgebildet ist der Neulatinismus kauli/Zor »unmittelbar am Stamm der Pflanze ansetzend (von Blüten)«, in dem kauliallerdings die Kompositionsform von lat. caulis (s.o.) repräsentiert. Kohlrübe: Mit der sekundären Bedeutung »Steckrübe, weiße Rübe, Wruke« eingedeutscht aus ital. cavolo rapa, Plur. cavoli rape (s. Kohl, Rübe). Eher aus italienischen mundartlichen Formen wie den von W. Pfeifer angeführten cauliravi/calarabi/colrabi übernommen denn durch Eindeutschung von cavolo durch herkunftsgleiches dt. Kohl zustande gekommen ist die semantisch authentische Entlehnung Kohlrabi/ südd. Kohlrabe (älter: Kaulirabi). Die Bezeichnung cavolo rapa ist offensichtlich eine Umkehrung von gleichbed. lat. rapa caulis, das nach E. Seebold in sächs. Rübenkohl, Schweiz. Rüebechöl erhalten ist. Obwohl im Vergleich zu Kohlrübe aus etymologisch identischen Bestandteilen zusammengesetzt (vgl. auch Bertram und Rambert unter Rabe, Gernot und Notker unter Ger, Grammophon und Phonogramm unter Gramm, Walter und Harold unter Heer), dürften derartige Bildungen wegen ihrer strukturellen Inadäquatheit nicht als eine Abart der etymologisch adäquaten Dubletten angesehen werden.

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Kohorte >der zehnte Teil einer römischen Legion (600420 Mann)*: Der Historismus (übertr. »Schar, Gruppeeingezäunter Hofraum; zusammengeschlossene Menschengruppe, Truppenabteilung< (aus co- »mit*, s. con, und hortus, das bedeutungsund möglicherweise auch herkuftsgleich mit dt. Garten, s. d., ist). Im Vulgär- und Mittellateinischen erscheint cohortes in den kontrahierten und modifizierten Formen cörtis/cortis/cürtis/curtis, vgl. das im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte und ebenfalls als Historismus fungierende Curtis »Herrenhof, besonders der fränkischen Königshöfe, der als befestigtes Lager- und Verpflegungsstation diente; Gehöft im Mittelalten. Aus dessen Akkusativ cörtem sind span. corte, Plur. cortes (im Exotismus Cortes »Volksvertretung in Spaniern) und afrz. cort (dazu das Adjektiv corteis/cortois, s. höfisch), frz. cour >Hof< (seit dem 15. Jh. ohne -tin volksetymologischer Anlehnung an mlat. curia >FürstenhofTennisplatzHauptplatz großer Tennisanlagen* (s. Zentrum), Supreme Court >oberster Gerichtshof (s. Supremum). Die Pluralform der lateinischen Vorlage ist in der Fügung Cohortes urbanae >im Jahre 27 v. Chr. von Kaiser Augustus eingerichtete Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur eigenen Sicherheit im alten Rom< (eigtl. »städtische Truppen*, s. urban) enthalten. Kolleg »akademische Vorlesung; Bildungseinrichtung*, österr. »Lehrgang, Kurzstudium nach dem Abiture Durch Deglutination des Auslauts gekürzt aus Kollegium »Gruppe von Personen mit gleichem Amt oder Beruf, besonders der Lehrkörper einer Schule*, mit dem es gelegentlich gleichbedeutend gebraucht wird. Im Sinne von »Behörde, Versammlung; gelehrte Zusammenkunft; Zusammenkunft von Studenten zu Übungszwecken* wurde Letzteres im 16./17. Jh. entlehnt aus lat. collegium »Amtsgemeinschaft, Korporation, Verein*, urspr. »durch Gesetz gebildete Vereinigung* (Kollektivum zu collega im ursprünglichen Sinne »Mitabgeordneter* oder Ableitung von legare »ernennen, abordnen*, s. Kollega). Originalgetreu erscheint die lateinische Vorlage in bildungssprachlichen Fügungen wie Collegium publicum »öffentliche Vorlesung an einer Universität* (s. publik), Collegium musicum »Vereinigung von Musikliebhabern* (s. Musica). Aus lat. collegium hervorgegangen ist afrz. college bzw. frz. collège und durch deren Vermittlung engl. college, die im Deutschen als Exotismen verzeichnet werden: Collège »höhere Schule in Frankreich, Belgien und der französischsprachigen Schweiz*

Koller und College als Bezeichnung für Lehranstalten in England und den USA bzw. für die Eingangsstufe der Universität in den USA. Kollega/Collega: Das besonders unter Ärzten, aber auch sonst als scherzhafte Anrede gebrauchte Fremdwort repräsentiert den Vokativ von lat. collega »Amts-, Standesgenosse*, eigtl. »Mitabgeordneter*, das entweder von mit com-/(assimiliert) col- »mit-* (s. con) präfigiertem legare »abordnen, ernennen, bestimmen* (zu lex »Gesetz*, s. Lex) oder von darauf beruhendem collegium »Vereinigung, Amtsgenossenschaft* (s. Kolleg) abgeleitet ist. Allgemein üblich ist dagegen sowohl als Anrede wie auch als Gattungsname die eingedeutschte Form Kollege »an der gleichen Arbeitsstelle in gleicher oder ähnlicher Funktion Tätiger*.

kollektiv »gemeinschaftlich; alle Beteiligten betreffend, umfassende Im 18. Jh. übernommen (zunächst gelegentlich in der Form collectivisch) eher über frz. collectif »gemeinschaftlich* denn direkt aus dessen Vorlage lat. collectivus »angesammelt*, einem auf der Grundlage von collectum, dem Partizip Perfekt von colligere »zusammenlesen, sammeln* (zu legere »sammeln, auslesen, lesen* mit assimiliertem Präfix com»mit-*, s. con), gebildeten Adjektiv. Dessen substantiviertes Neutrum liegt einerseits vor in Kollektiv »Gruppe von Menschen, die zusammen leben oder arbeiten*, unter Einfluss von herkunftsgleichem russ. kollektiv auch »Produktionsgemeinschaft*, andererseits im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Kollektivum, entstanden elliptisch aus der lateinischen Fügung nomen collectivum (vgl. Name) und im Deutschen wörtlich wiedergegeben durch Sammelname, -bezeichnung (z.B. Gebirge, Gestirn).

Koller2 »Schulterpasse*; veraltet, aber noch mdal. »(breiter) Kragen; Wamse Das Wort (ahd. kolläri, mhd. koller/goller »Halsbekleidung, Koller an männlicher und weiblicher Kleidung; Kummet der Pferde*) ist z.T. direkt aus spätlat. collarium »Halsband, Halsfessel,* (zu collum »Hals*, s. Kollo), z.T. über darauf beruhendes afrz. collier/colier »Halsring, Halsstück* (daher die mittelhochdeutschen Nebenformen kollier/gollier) entlehnt. Die Variante mit g-Anlaut lebt in Schweiz. Göller »Kragen, Halspartie*. In der Bedeutung »Halskette* wurde das französische Wort im 19. Jh. in adäquater Lautform erneut übernommen: Kollier, vgl. auch veraltet Collier de Venus »Leukoderma* < frz. collier de Vénus (eigtl. »Venuskette*). Aus afrz. colier übernommen, aber früh an die lateinische Nebenform collare angelehnt wurde engl. collar »Kragen; Halskette; Halsband*, das im Amerikanismus White-CoWar-Kriminalität auftritt als Bezeichnung für die innerhalb der höher situierten Vertreter der Politik, Wirtschaft und Industrie vor-

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Kollo kommende Kriminalität (aus gleichbed. amerik. white-collar crime, eigtl. »Verbrechen im weißen Kragen«, wobei der weiße Kragen die höhere berufliche Stellung andeutet; s. weiß, Crimen), vgl. ferner übertr. Collar als eine Art Zinsvereinbarung bei Krediten. Als eine weitere Dublette dieser Reihe käme schließlich Kollar »steifer Halskragen, besonders des katholischen Geistlichen; kragenförmiger Zierbesatz des liturgischen Schultertuches« in Frage, obwohl das Duden-Fremdwörterbuch es nicht wie engl. collar »Kragen« aus lat. collare »Halsband, Halseisen«, sondern aus dessen Abwandlung mlat. collaris »Halstuch« herleitet. Zu Koller1 s. Cholera. Kollo n. »Frachtstück, Warenballen«: In die Kaufmannssprache übernommen aus ital. collo, Plur. colli »Paket, Ballen«, dessen Bedeutung im Sinne von »das, was auf dem Nacken getragen wird« figurativ aus collo »Hals« entwickelt worden ist. Singularisiert tritt die Pluralform in österr. veraltet Kolli n. »Frachtstück, großes Paket« auf. Das italienische Wort führt lat. collum »Hals« fort, worauf der medizinische Fachausdruck Collum »Hals; sich verjüngender Teil eines Organs, Verbindungsteil« beruht, vgl. dessen orthographische Eindeutschung besonders in Komposita wie Kollumfcaranom »Krebs des Gebärmutterhalses«. Lat. collum n. (älter auch collus m.) führt man auf idg. *kwolso- (zu *kwel- »drehen«, vgl. Zyklus) zurück, das zugleich Vorstufe von germ. *%alsa- bzw. von daraus hervorgegangenem dt. Hals ist, so dass aufgrund dieser Zusammenstellung der Hals - ebenso wie das lateinische Wort dafür - als Dreher des Kopfes interpretiert wird (vgl. analog slaw. *vart»Hals«, ablautend zu nullstufigem *vriteti »drehen« aus idg. *wert- »drehen, wenden«, der Quelle von lat. vertere »drehen, kehren« und germ. *werpa-, woraus dt. werden).

bzw. »Satzzeichen nach diesem Teil«). Eine Kompositionsform des Gräzismus ist Bestimmungswort des meist im Plural gebräuchlichen medizinischen Fachausdrucks Kolibakterie »außerhalb des Darms als Krankheitserreger auftretende Darmbakterie bei Mensch und Tier«. Kolumne »Druckspalte«: Das seit dem 16. Jh. bezeugte Fachwort der Druckersprache spiegelt eine mittellateinische Bedeutung von lat. columna »Säule, Pfeiler« wider. Auf Letzterem beruht nach A. Dauzat formal von herkunftsmäßig identischem ital. colonna beeinflusstes frz. colonne »Säule; senkrechte Reihe; Marschformation«. Die daraus entlehnte polysemantische Dublette Kolonne überschneidet sich mit Kolumne nur in der Bedeutung »senkrechte Reihe«.

kölnisch: Das von Köln (s. Colonia) abgeleitete Adjektiv lautet - gemäß der Aussprache des Ortsnamens Kölle in der dortigen Stadtmundart - rhein. kölsch, das substantiviert in Kölsch1 n. »in Köln gebrautes obergäriges Bier; Kölner Mundart« und Schweiz. Kölsch2 m. »zweifarbiger Baumwollstoff mit Würfelmuster« auftritt.

komisch: Seit dem 15. Jh. bezeugte, wortbildungsmäßig adaptierte (vgl. fanatisch) Entlehnung - zunächst nur im Sinne von »zur Komödie gehörig« - aus gleichbed. lat. comicus (< griech. kömikos, zu kömos »Gelage, fröhlicher Umzug, Festgesang«, s. Komödie), dann unter Einfluss von herkuftsgleichem frz. comique auch verallgemeinert zu »belustigend, possenhaft, närrisch, sonderbar«. Die im 18. Jh. erfolgte Übernahme der lateinischen Substantivierung comicus »Komödiendichter; Schauspieler der Komödie« ergab durch Adsuffigierung dt. Komiker. Seit dem 19. Jh. bezeichnet man die das Komische darstellende Kunst und die zum Lachen reizende Wirkung Komik, das seiner Natur nach eine feminine Substantivierung des Adjektivs entweder nach dem Muster des heute veralteten gleichbedeutenden Maskulinums frz. comique oder anderer analog zustande gekommener Abstrakta wie Ästhetik, Rhythmik ist. In französischer Lautform tritt das griechisch-lateinische Adjektiv in der Gattungsbezeichnung Opera comique (s. Opus) auf. Das lateinische Lehnwort comic bedeutet im Englischen »komisch; Komiker; Komik«, im Amerikanischen gebraucht man es außerdem anstelle von comic book »Comicheft«, comic strip »komische Bildgeschichte« (eigtl. »drolliger Streifen«), dafür gewöhnlich die Pluralform comics, woraus entsprechend dt. Comic bzw. Comics neben Comicstrip »Bildgeschichte (mit Sprechblasen)«.

Kolon »Grimmdarm«, veraltet »Doppelpunkt«: Die Quelle des Fremdwortes, die quantitativ abweichenden Wurzelvokal aufweist, ist griech. kölon/kolon »Darm; Teil, Glied (eines Körpers); gliedartiges Gebilde, Periode«. In der antiken Metrik und Rhetorik bezeichnete es auch eine auf der Atempause beruhende rhythmische Sprecheinheit in Vers und Prosa sowie das entsprechende Satzzeichen in Form eines Punktes über der Zeile, vgl. seine Funktion als Grundwort in Semikolon »Strichpunkt« (Vorderglied lat. semi- »halb-«, also eigtl. »halber Teil einer Periode«

Kommandeur: Die Bezeichnung für den Befehlshaber einer größeren Truppeneinheit wurde um 1600 entlehnt aus frz. commandeur »Vorsteher« (< afrz. commandeor, Nomen Agentis zu vlat. *commandare für lat. commendare »anvertrauen«, gebildet aus com»mit-< und mandare »übergeben, anvertrauen«, s. con, mano). Über mniederl. commandoor ergab der Gallizismus engl. commandore (17. Jh.), das zu commodore »Geschwaderkommandant« umgestaltet wurde und im 18./19. Jh. die Dublette Kommodore »Geschwaderführer bei Kriegsmarine oder Luftwaffe; verdienter

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Kapitän der Handelsmarine< lieferte. Aus dem Altfranzösischen übernommen wurde andererseits mhd. kommentiur/komtür, auf das nhd. Komtur Ordensritter, dem die Verwaltung eines Kommende oder Komturei genannten Ordensguts anvertraut war; Inhaber eines Komturkreuzes< (außerdem Gestalt der Oper »Don Giovanni«) zurückgeht. Kommerz »Handels- und Geschäftsverkehr; Gewinn; Profit(streben)Berufskomödiemit Ballettnummern verbundene französische Komödie im 17./18. Jh.Sittenkomödie [fest] setzen, stellen*, s. con, Post). Dessen aus der Fügung (verbum) compositum »Zusammengesetztes (Wort)* verselbständigtes Neutrum ergab im 16. Jh. den sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Kompositum. Auf lat. compositus geht unmittelbar oder über frz. composite engl. composite »Zusammengesetztes*, die Quelle von dt. Composite »ein Verbundwerkstoff* zurück. Mlat. compos(i)tum »aus verschiedenen pflanzlichen und tierischen Abfällen bestehender Dünger* liegt gleichbed. afrz. compost zugrunde, das ins

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Mittelenglische gelangte, rückentlehnt wurde und im 19. Jh. dt. Kompost >Mischdünger< lieferte. Auf einem Femininum vlat. *compos(i)ta (ursprünglich gleich lautendes Neutrum Plural von compositum >Zusammengesetztes, Eingemachtes*) beruht afrz. composte > frz. compote, aus dem dt. Kompott stammt. Das Neutrum selbst wurde zu ahd. kumpost, mhd. kumpost/kompost »Eingemachtes, Sauerkohl* entlehnt und lebt heute noch in landsch. Kumst »Weiß-, Sauerkohl* fort. Eine Fortsetzung von lat. compositum stellt frz. composé (heute Partizip Perfekt zu neugebildetem composer »komponieren*) dar, das sich in den Homonymen Composé1 m. »zweifarbig gemustertes Gewebe, bei dem Muster- und Grundfarbe wechseln* und Composé2 n. »zwei oder mehrere farblich und im Muster aufeinander abgestimmte Stoffe bzw. daraus hergestellte, mehrteilige Damenoberbekleidung* widerspiegelt.

Komtess/Komtesse »unverheiratete Tochter eines Grafen*: Eingedeutscht aus veraltetem Comtesse, das frz. comtesse »Gräfin* (zu comte »Graf*, s. Comes) wiedergibt. Wie ital. contessa (daraus dt. Contessa, der Gräfin entsprechender italienischer Adelstitel) geht das französische Femininum auf mlat. comitissa »Frau eines Comes* zurück und lieferte selbst engl. countess »Frau oder Witwe eines Counts oder Earls* (daraus der Exotismus Countess »englischer Titel für eine Gräfin*). Koncha/Concha »Muschel, muschelähnlicher Teil eines Organs*: Wie die zweite Variante zeigt, ist der medizinische Fachausdruck teilweise Eindeutschung von lat. concha »Muschel*, das aus gleichbed. griech. kónchè stammt (vgl. Coquille). Endgültig vollzogen ist die Eindeutschung bei der Dublette Konche »Halbkuppel einer Apsis; bei der Herstellung von Schokolade verwendeter muschelförmiger Trog*. Kompositionsformen des griechisch-lateinischen Fremdwortes liegen beispielsweise vor in konchi/orm »muschelförmig* (Grundwort zu lat. forma, vgl. Form) und Konchosfcop »Spiegelinstrument zur direkten Untersuchung der Nasenmuscheln* (über das Grundwort s. Episkop).

Kondition »Liefer-, Zahlungsbedingungen; körperlichseelische Verfassung, gute körperliche Leistungsfähigkeit*: Im 16. Jh. als kaufmännischer Fachausdruck übernommener Flexionsstamm von lat. conditio, Gen. conditionis »Übereinkunft, Bedingung; Beschaffenheit, Zustand* (Verbalabstraktum zu condicere »verabreden, Übereinkommen*, zu dicere »sagen, sprechen*, präfigiert mit com- »mit-*, s. con, Diktum). Dessen Nominativ ist Bestandteil der Redensart Conditio sine qua non »unabdingbare Voraussetzung* (eigtl. »Bedingung, ohne die nicht ...*, vgl. Absence, ein1). Auf demselben Wege zustande gekommen sind

Konferenz die gleichbedeutenden, anders lautenden Entsprechungen von Kondition im Französischen und Englischen. Frz. condition liegt vor in dem besonders im Buchhandel üblichen Fachausdruck à condition »bedingt, unter Vorbehalt, mit Rückgaberecht im Falle nicht verkaufter Ware* (eigtl. »auf Bedingung*, s. ad). Engl. condition, das in der Fügung good condition vermutlich dt. Kondition im Sinne von »gute Verfassung (eines Sportlers)* beeinflusst hat, erscheint - allerdings verbalisiert - in Aircondition (neben Airconditioning) als englische Bezeichnung für das Vorhandensein einer Klimaanlage (s. Air).

konditional »bedingend*: Sprachwissenschaftlicher Terminus, der auf spätlat. conditionalis »eine Bedingung angebend* (zu lat. conditio, Gen. conditionis »Bedingung*, s. Kondition) basiert. Gleiches gilt für die ebenfalls in der Grammatik gebräuchliche, durch Ellipse aus modus conditionalis »Modus der Bedingung* (s. Modus) verselbständigte Substantivierung Konditional mit den seltener vorkommenden, aber authentischeren Nebenformen Konditionalis/Conditionalis. Über frz. conditionnel übernommenes oder nach seinem Vorbild gebildetes konditionell kennzeichnet seinerseits die von Kondition »körperliche Leistungsfähigkeit, Ausdauer* ausgedrückte Eigenschaft. Konfekt »feine Zuckerwaren*, südd., österr., Schweiz. »Teegebäck*: Das im Mittellateinischen substantivierte und im Deutschen deglutinierte confectum »Zubereitetes*, Partizip Perfekt zu lat. conficere »fertigmachen, zubereiten* (aus com- »mit, zusammen* und der abgeschwächten Form von facere »machen, tun*, s. con, Fazit), bezeichnete seit dem 14. Jh. in der Apothekersprache alle Arten zu Heilzwecken verwendeter eingezuckter und eingekochter Früchte, und seit dem 16. Jh. wurde das Fremdwort in der Bedeutung »Zucker-, Backwerk* geläufig. Seit dem 18. Jh konkurrierte mit ihm im süddeutschen Sprachraum aus herkunftsgleichem ital. confetti (Plural von confetto »zubereitet, zurechtgemacht; Zuckerzeug*, Übernahme von gleichbed. mlat. confectus) stammendes Konfetti. Die heute allgemein gültige Bedeutung »bunte Papierblättchen* dieses Wortes kommt von dem alten karnevalistischen Brauch, kleine Zuckerkügelchen unter das Volk zu werfen, die später durch entsprechend geformte Gipsklümpchen und schließlich durch Papierschnitzel ersetzt wurden.

Konferenz: Das in der Bedeutung »Besprechung, Tagung; Zusammenkunft von Experten* gebräuchliche Fremdwort wurde im 16. Jh. aus gleichbed. mlat. conferentia (Verbalabstraktum zu conferre »Zusammentragen; Meinungen austauschen*, gebildet aus com»mit-< und ferre »tragen*, s. con, Lux) entlehnt. Über frz. conférance lieferte die lateinische Vorlage die etymologische Dublette Conférance »Ansage eines Conféranciers*.

konfluent konfluent »zusammenfließend, sich vereinigende Das in der Medizin beispielsweise in Bezug auf Blutgefäße gebräuchliche Wort beruht auf gleichbed. lat. confluens, Gen. konfluentis, dem Partizip Präsens zu confluere (aus com- »mit, zusammen« und fluere »fließen, strömern, s. con). Dessen substantivierter Plural confluentes »Zusammenfluss« liegt dem Ortsnamen Koblenz zugrunde, den man nach Angaben von D. Berger - ebenso wie den gleich lautenden Namen des Schweizer Ortes Koblenz- auf lat. (ad, apud oder supra, d.h. >an, bei, unterhalb«) Confluentes (2.-4. Jh.) zurückführt und für mögliche lateinische Lehnübersetzung aus gall. Condate »Mündungsort« betrachtet. Erwähnenswert ist auch der Name des links der Mosel gelegenen Stadtteils Lützelkoblenz (eigtl. »Kleinkoblenz«, s. lütt), in einem Beleg aus dem Jahre 1070 heißt er aber Confluentia minor, d.h. anstelle von Confluentes tritt das lateinische Abstraktum confluentia »Zusammenfließen« (zum Attribut s. Minor) auf, das im Deutschen als geologischer Fachausdruck Konfluenz »Zusammenfluss zweier Gletscher« fungiert. König: Die aus mhd. künic/künec, ahd. kuninghervorgegangene heutige Lautform des Wortes setzt die westgermanische Herrscherbezeichnung *kuningaz fort, die in der uralten Entlehnung finn, kuningas, Gen. kuninkaan »König« unversehrt bewahrt ist. Im Sinne von »aus vornehmem Geschlecht stammender Mann« wird diese Bildung, aus der auch gleichbed. engl. king entsprungen ist, herkömmlicherweise auf germ. *kunja- »Geschlecht« (daraus gleichbed. ahd. kunni, mhd. künne), das mit lat. genus »Abstammung; Geschlecht« (s. Genus, Gens) verwandt ist. Im Deutschen ist der englische Kognat King nicht nur als englische Bezeichnung für König bekannt, sondern wird umgangssprachlich in der Bedeutung »jemand, der in einer Gruppe das größte Ansehen genießt und als Anführer gilt« gebraucht, vgl. ferner King-Charles-Spaniel »eine englische Zwerghunderasse« (nach dem 1685 gestorbenen englischen König Karl II., s. Karl, Espagnol), Kingsize »Großformat, Überlänge (von Zigaretten)«, dessen Grundwort engl. size »Größe, Format, Umfang« ist. konkret »anschaulich, gegenständlich, wirklich«: Morphologisch gesehen ist das das adjektivierte Partizip Perfekt concretus von lat. concrescere »zusammenwachsen, sich verdichten, verhärten« (zu crescere »wachsen«, komponiert mit com- »mit, zusammen«, s. con), so dass es eigentlich »zusammengewachsen, greifbar, dinghaft« bedeutet. Es wurde im 18. Jh. als Fachwort der Philosophie, genauer als Gegenwort von abstrakt (s. Abstract) entlehnt, vgl. seinen Ablativ Singular in der präpositionalen Fügung in concreto »auf den konkreten Fall bezogen; im Einzelfall; in Wirklichkeit, tatsächlich« (vgl. in). Substantivisch

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tritt sein Neutrum concretum auf zum einen im sprachwissenschaftlichen Terminus Konkretum n. »Substantiv, das etwas Gegenständliches benennt« (Gegensatz: Abstraktum), zum anderen im Archaismus Konkret n. (auch m.) »mit Steinen vermischter Mörtel, der beim Trocknen Steinhart wird«. Der auch ins Französische aufgenommene Latinismus ist Attribut in der Bezeichnung für eine Art der elektronischen Musik Musique concrète (eigtl. »konkrete Musik«, s. Musica). Konkurs »Zahlungseinstellung, Bankrott«: Im 17. Jh. entlehnt aus lat. concursus »Zusammenlauf, Zusammentreffen« (Verbalabstraktum zu concurrere »zusammenlaufen«, aus com- »mit-« + currere »laufen«, woraus dt. konkurrieren »wetteifern«, s. con, vgl. Kurs), und zwar verselbständigt aus der Fügung concursus creditorum »Zusammenlauf der Gläubiger (um das unzureichende Vermögen eines Schuldners gerichtlich zu teilen)«. Im Französischen hat derselbe Latinismus concours »Wettbewerb« ergeben, das in hors concours »außer Wettbewerb« (s. hors), Concours hippique »Reitturnier mit Springwettbewerben« enthalten ist.

Konopeum »Vorhang zur Verhüllung des Altartabernakels«: Mit orthographisch eingedeutschtem Anlaut übernommen aus gleichbed. lat. conopeum/conopium, das auf griech. könöpeion »feinmaschiges Mückennetz« (zu könöps »Stechmücke«) zurückgeht. Über mlat. canapeum ergab das lateinische Wort, das wie das griechische auch die Bedeutung »(mit einem Mückennetz überzogene) Lagerstätte« kannte, frz. canapé »Sitzsofa«. Aus dem Letzteren wurde im 18. Jh. dt. Kanapee mit dieser bereits veraltenden Bedeutung entlehnt, vorwiegend im Plural gebraucht man aber das Fremdwort weiterhin als kulinarischen Fachausdruck im Sinne von »pikant belegte und garnierte Weißbrotscheibe«. Konsens/Konsensus »Übereinstimmung (von Meinungen)«: Das Fremdwort, das lexikographisch auch mit der veralteten Bedeutung »Zustimmung, Einwilligung Genehmigung« aufgeführt wird, ist eine Übernahme von lat. consensus »Übereinstimmung; Verabredung« (zu consentiri »übereinstimmen; sich einigen auf etwas«, aus com- »mit« und sentire »fühlen«, s. con, vgl. Sensus). In adäquater Form begegnet lat. consensus wohl eher in Fachausdrücken wie Consensus omnium »die Übereinstimmung aller Menschen in bestimmten Anschauungen und Ideen« (s. Omnibus), Consensus communis (s. kommun), Consensus gentium (s. Gens) denn allein stehend: Consensus »Zustimmung«.

konsequent »folgerichtig; unbeirrt, beharrlich«: Das im 18. Jh. entlehnte Fremdwort, zu dem nach E. Seebold zeitgleich folgerecht als Lehnübertragung und Ersatz-

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wort gebildet worden ist, beruht auf dem Flexionsstamm von lat. consequens, Gen. consequentis >in richtiger Folge stehendnachfolgen, folgen, streng befolgen< (vgl. Consecutio Temporum unter Tempo). Dieses ist eine com-Präfigierung (s. con) von sequi >folgendie auf die erste folgende, imitierende Stimme im Kanon*.

Konsum1 >Verbrauch) contraband >vielstimmig< zeugen dürfte.

shatter »zerbrechen, zerspringen*) die kegelförmigen, in dünne Lamellen gegliederten Gesteinsgebilde, die durch extrem hohen Druck bei Meteoriteneinschlägen und unterirdischen Kernwaffenversuchen entstehen.

konträr »gegensätzlich, entgegengesetzt; widrige Durch Vermittlung von frz. contraire »entgegengesetzt; verschieden; regelwidrig< entlehnt aus lat. contrarius m., contrarium n. »gegenüberliegend, entgegengesetzt (zu contra »gegen, wider; gegenüber, s. Kontra). Als rechtswissenschaftlicher Fachbegriff tritt das lateinische Adjektiv selbst im Ablativ Singular auf in der adverbialen präpositionalen Konstruktion e contrario »aufgrund eines Schlusses aus einem gegenteiligen Sachverhalt auf entsprechend gegenteilige Folgen* (eigtl. »aus dem Entgegengesetzten*, s. ex). Durch die Verknüpfung des Nominativs/Akku sativs und Ablativs Neutrum Plural contraria contrariis (wörtl. »Entgegengesetztes mit Entgegengesetztem*) wird der Grundgedanke des Volksglaubens zum Ausdruck gebracht, nach dem man Gegensätzliches durch Gegensätzliches bekämpfen sollte.

Konzert »öffentliche Musikaufführung; Komposition für Soloinstrument und Orchester*: Eindeutschung von im 17. Jh. übernommenem gleichbed. ital. concerto, eigtl. »Zusammenklang, Übereinstimmung; Übereinkommen, Abmachung* (zu concertare »in Übereinstimmung bringen, verabreden* < kirchenlat. concertare »Zusammenwirken*, verstärkende Bildung von lat. certare »wetteifern* mit dem Präfix com- »mit-*, s. con). Das italienische Wort, das in Concerto grosso »Hauptgattung des barocken Instrumentalkonzerts; Gesamtorchester im Gegensatz zum solistisch besetzten Concertino* (eigtl. »großes Konzert*, vgl. Gros1) unverändert auftritt, wurde u.a. auch zu frz. concert und daher zu engl. concert entlehnt. Diese sind auch im Deutschen in bestimmten Fügungen bezeugt, vgl. Concerts spirituels als Bezeichnung für die im 18. Jh. in Paris veranstalteten ersten öffentlichen Konzerte mit zumeist geistlichen Werken (aus frz. concerts spirituels etwa »Kirchenkonzerte*, s. spiritual) bzw. die seit etwa 1966 übliche Bezeichnung Free Concert (s.frei) für ein Rockkonzert, bei dem die Gruppen ohne Gage auftreten und kein Eintritt erhoben wird, sowie das in der Werbesprache nach dem Namen des Interpreten gewöhnlich in der Abkürzung i. c. gebrauchte in concert (auch nur concert, vgl. in) »in einem öffentlichen Konzert (aufgenommen)*.

Kontrolleur »Aufseher, Prüfer*: Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. contröleur, Nomen Agentis zu Controler »überwachen, nachprüfen*, das wie auch dessen Ausgangspunkt contróle »Aufsicht, Überwachung* (s. Kontra) jeweils dt. kontrollieren und Kontrolle lieferten. Frz. contròleur bzw. seine Vorform contreroller war auch die Quelle von mengl. countrollour, auf dessen moderner Fortsetzung controller zwei graphisch geschiedene Dubletten beruhen: das Nomen Agentis Controller »Fachmann für Kostenrechnung und Kostenplanung in einem Betrieb* und das eingedeutschte Nomen Instrumenti Kontroller »Steuerschalter an Elektromotoren*. Über ital. controllore übernommen ist österr. Kontrollor »Kontrolleur*. Konus »Kegel, Kegelstumpf; bei Drucktypen die Seitenflächen des schriftbildtragenden Oberteils; kegelförmiger Stift, Zapfen an Werkzeugen oder Maschinen*: Mit eingedeutschter Schreibung und Pluralbildung Konusse/Konen übernommen aus lat. conus, das seinerseits aus griech. könos »Pinienzapfen; Kegel* stammt. Außerdem ist die lateinische Vorlage mit aufrechterhaltenem Nominativ Plural Coni in Conus mit der Bedeutung »kegelförmige Anschwellung eines Organs* als Variante und mit den Bedeutungen »Zapfen der Koniferen; Gattung aus der Familie der Kegelschnecken mit kegelförmigem Gehäuse* als grapho- und morphosemantische etymologische Dublette von Konus in der deutschen Fachterminologie üblich. Über frz. cone in das Englische gedrungenes cone »Kegel* bezeichnet in der im DudenFremdwörterbuch aufgeführten pluralischen Zusammenrückung Shattercones (Vorderglied zu to

Koog/Kog »eingedeichtes Lande Das an der Nordseeküste verbreitete, durch Theodor Storms Erzählung »»Der Schimmelreiter« in die Literatursprache aufgenommene Wort geht über mnd. köch/koech »durch Eindeichung dem Meer abgewonnenes Land, hohes Land vor dem Deich* ebenso wie niederl. kaag/koog und nordfries. küch zurück auf etymologisch nicht geklärtes germ, *kauga~. Es ist auch Bestandteil von Ortsnamen wie etwa Friedrichskoog, Kronprinzenkoog, aber auch Cuxhaven (1570 Kuckeshaven, um 1700 Koogshaven, s. Hafen). Dieser bedeutet eigtl. »Hafen im Koog* und erinnert daran, dass die an der Elbmündung befindliche Stadt im 16. Jh. aus einer Reihensiedlung am Stromdeich und einer durch Eindeichungen gewonnenen Hafenanlage entstanden ist. Kopula: So nennt man in der Sprachwissenschaft die Verbform, die die Verbindung zwischen Subjekt und Prädikatsnomen herstellt, und in der Logik das Glied, welches Subjekt und Prädikat zu einer Aussage verbindet. Die Quelle des Fremdwortes ist lat. copula »Band, Strick*, mlat. »Verbindung* (aus älterem *coa-

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pula, zu alat, apere »festbinden, anheften* mit Präfix com- »mit-*, s. con, Attitude), das zum Teil direkt» zum Teil über afrz. cople/couple »Band; Hundeleine; Paar< mhd. koppel/kopel/kupel und mnd. koppel »Band, Verbindung, Strick; durch eine Koppel verbundene Tiere; Meute, Haufen, Schar; gemeinschaftliches Landstück, Weideland* lieferte. Daraus sind sowohl Koppel1 n. >Leibriemen, Gürtel* und Koppel2 f. >Leine für mehrere Hunde; Hundemeute* als auchseit dem 19. Jh. von Norddeutschland ausgehend Koppel3 f. >eingezäuntes Weideland* hervorgegangen. Während frz. couplet (Diminutiv zum Gallizismus couple >PaarScharniergelenk< und erst seit dem 16. Jh. möglicherweise unter Einfluss von provenz. cobla die Bedeutung »paarweise reimende Verse; Strophe eines Liedes* (daraus dt. Couplet »scherzhaftsatirisches Lied* bzw. Cobla »Strophe in der provenzalischen Troubadourlyrik*) entwickelt, ist diese dem Hispanismus copia »Vers, Liedchen*, der spanischen Fortsetzung von lat. copula, seit dem 12. Jh. eigen, vgl. den im Duden-Fremdwörterbuch neben obigem Cobla aufgeftihrten Exotismus Copia »volkstümliches spanisches Lied in vier achtsilbigen Versen*. kopulieren: Das in der Biologie und im Gartenbau jeweils im Sinne von »Geschlechtszellen bei der Befruchtung miteinander verschmelzen* und »Pflanzen veredeln* gebrauchte Fremdwort (früher auch »beschlafen, begatten*) beruht auf lat. copulare »zusammenbinden, vereinigen, verknüpfen* (zu copula »Band*, s. Kopula). Die mittelhochdeutschen Varianten kuppeln/ kupelen/koppeln/kopelen »binden, fesseln, an die Koppel legen; geistig verbinden, vereinigen* gelten eher als direkt aus lat. copulare oder über gleichbed. afrz. copier/coupler getätigte Entlehnungen denn als Ableitungen von kuppel/koppel »Band, Verbindung, Hundekoppel*. Ihnen sind in der Gegenwartssprache zwei Verben entsprungen: koppeln »aneinander, miteinander verbinden; in Zusammenhang bringen* und kuppeln1 veraltend auch »zum Beischlaf zusammenbringen*. Als eindeutig denominale Bildung ist von dieser Dublettenreihe das zum Konkretum Kupplung1 (s. d.) rückgebildete Verb kuppeln2 »die Kupplung eines Kraftfahrzeugs betätigen* abzugrenzen.

Kordel »gedrehte oder geflochtene Schnur, Bindfaden*: Das auch andere regionale Bedeutungsnuancierungen aufweisende Wort (vgl. österr. »eine gedrehte Schnur auf Uniformkappen; Korde*) entstammt aus frz. cordelle »kurzes Seil* (Diminutiv zu corde »Schnur, Seil*, s. Chorda). Durch Vermittlung von niederl. kardeel wurde es außerdem zu seemänn. Kardeei »Strang eines starken Taues, einer Trosse* entlehnt.

Kordon »Absperrung; Ordensband; Spalierbaum*: Entlehnt aus gleichbed. frz. cordon (Augmentativ zu corde »Schnur, Seil*, s. Chorda). Nicht eingedeutscht

Korn erscheint dieses in Cordon bleu »mit Käse und gekochtem Schinken gefülltes (Kalbs)schnitzel* für frz. cordon bleu ugs. »hervorragende Köchin*, übertragen von der Bedeutung »Träger eines Verdienstordens* (eigtl. »blaues Ordensband*, s. blau).

Kork »Rinde der Korkeiche; Flaschenverschluss*: Das seit dem 16. Jh. bezeugte Wort (zunächst Bezeichnung für die Korkrinde als Pantoffelsohle, dann auch für den Flaschenstöpsel aus Kork) gilt als über mnd. kork, mniederl. kork (heute; kurk) entlehntes span. corcho »Kork* oder hispano-arab. al-qurq »Schuhzeug mit Korksohle*. Die Bedeutung »Flaschenverschluss* kommt im 18. Jh. auf und wird nach und nach auf die vorzugsweise im Norddeutschen beheimatete Nebenform Korken festgelegt, deren Ausgestaltung offensichtlich nach dem Vorbild der für diese Region typischen Synonyme niederd. Proppen (neben Propp, s. Pfropf), nordwestd. Stoppen und westmitteld. Stopfen erfolgt ist. Die Meinungen über die Herkunft der spanischen Quelle gehen auseinander: Zum einen knüpft man an lat. quercus »Eiche*, zum anderen an lat. cortex »Rinde* an. Die einschlägige etymologische Deutung von dt. Kork, die in der Regel von der zweiten Annahme ausgeht, stimmt mit der gegenwärtig im Spanischen geläufigen überein, so dass sich Kork und das in Verselbständigung begriffene Korken mit großer Wahrscheinlichkeit als etymologische Dubletten des ebenfalls auf lat. cortex beruhenden medizinischen Fachausdrucks Kortex »äußere Zellschicht eines Organs, besonders Hirnrinde* betrachten lassen.

Korn1 n.: Von Korn1 als Bezeichnung für eine kleine rundliche Frucht oder für ein festes rundes Teilchen ist zunächst das durch Kopfisolierung aus Kornbranntwein gewonnene homonyme Maskulinum Korn2 abzutrennen. Kennzeichnend für Korn1 als Name samenartiger Früchte ist sein heterosemes Verhalten, d.h. eine auffällige regionale Bedeutungsverschiedenheit je nach der meist angebauten Getreideart sowohl im Rahmen des Deutschen (schriftspr. und nordd. »Getreide*, stellenweise »Hafer* und »Gerste*, mitteld. und südostd. »Roggen*, südwestd. »Dinkel* und »Getreide*) als auch bei den Kognaten schwed. körn »Gerste*, engl. corn brit. »Getreide* vs. amerik. »Mais* (vgl. Cornflakes »geröstete Maisflocken*, Popcorn »Puffmais*, Grund- und Bestimmungswort jeweils engl. flake »Flocke*, pop »Knall*). Deren Vorform ist germ. *kurna- »Korn, Getreide*, das nach E. Seebold als ein «o-Partizip (zusammen mit dem e-stufigen n-Stamm in Kern) auf idg. *g’rnó- »Gewachsenes* oder »zu Reibendes* (eigtl. zur Wurzel *g’er- »morsch, reif werden, altern*, s. Karl) zurückgeht. Damit identisch ist dehnstufiges lat. gränum »Korn, Kern, Beere* (vgl. Granat). Sein Ablativ steht nach der Präposition cum »mit* in bildungsspr. cum grano salis »mit entsprechender Einschränkung*

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Kornett (eigtl. >mit einem Körnchen Salz*, wo lat. sai mit dt. Salz, s. d., urverwandt ist). Deglutiniert tritt granum in Gran >alte, sehr kleine Gewichtseinheit für Arzneien (ca. 0,06 g)< auf, und im Plural liegt es Grana >farbstoffhaltige Körnchen in der farbstofflosen Grundsubstanz der Chromatophoren< zugrunde. Über frz. grain > Köper* entlehnt ist Grain1 >für Kleiderverwendetes, zweischüssiges Ripsgewebe mit aufgerauter Oberflächen und über französische und englische Vermittlung gelangte Grain2 [grein]/Grän >älteres Gewicht für feine Wiegungen (Gold, Silber, Diamanten und Perlen)< ins Deutsche. Neben dem regulären Reflex grano m. >Korn< existiert im Italienischen das gleichbedeutende Femininum grana (aus singularisiertem lat. grana, dem Plural zu granum), das Hinterglied in filigrana, der Quelle von dt. Filigran >Goldschmiedearbeit aus feinem Drahtgeflecht* (s. Filum), ist.

Kornett1 n. >ein kleines Horn mit Ventilen; Orgelregister*: Der Name des um 1820 in Frankreich aus dem Posthorn entwickelten und mit drei Pumpenventilen versehenen Blechblasinstruments ist wie gleichbed. frz. cornet aus der französischen präpositonalen Fügung cornet à pistons >kleines Ventil-, Klapphorn* elliptisch entstanden. Die Fügung, die in Cornet à Pistons als Ganzes vorliegt und aus der Piston >Kornett< auf andere Weise verselbständigt worden ist, besteht aus einem maskulinen Diminutiv zu corne >Horn< (dies aus gleichbed. lat. cornu, s. Horn) und piston >Ventil, Klappe* (über à s. ad). Gleiche Struktur wie frz. cornet (über cornette f./m. als Quelle des Maskulinums Kornett2 s. d.) weist ital. cornetto >kleines Horn*, ein Diminutiv zu corno >Horn* (s. Horn) auf, das seinerseits den Namen des alten Holzblasinstruments Cornetto >kleines Grifflochhorn, Zink* lieferte. Korrektor >Druckberichtigerzurechtrichten, Fehlerhaftes berichtigen*. Das lateinische Verb ist eine Bildung aus regere >gerade richten; lenken; herrschen* (s. recht) und com- >mit, zusammen, gemeinsam* unter Angleichung von dessen Auslaut an das nachfolgende r (s. con). Mit Korrektor strukturgleich, derivativ allerdings abweichend ist Konrektor >Vertreter des Rektors einer Schule* (eigtl. >MitregierenderFreibeuter, Seeräuber; Seeräuberschiff* und geht über im 16. Jh. entlehntes ital. corsaro auf gleichbed. mlat. corsarius/cursarius (zu lat. cursus >Lauf, Gang; Route; Umlauf*, s. Kurs) zurück. Über kroat. kursar/gursar/gusar/husar gelangte das romanische Wort ins Ungarische, aus dem huszär >Straßenräuber; verwegener Reiter* im 15./16. Jh. zu dt. Husar entlehnt wurde zunächst in der Bedeutung >ungarischer Reiter*, danach im Rahmen der bis zum ersten Weltkrieg existierenden Husarenregimenter Angehöriger einer leichten Reitertruppe (meist in einer an ungarische Uniformen angeglichenen Soldatenkleidung)*. Die besonders bei der Erläuterung von frz. hussard >Husar< anzutreffende Verknüpfung des ungarischen Wortes mit ung. hüsz >zwanzig< (und daher >der Zwanzigste*, weil angeblich seit 1435 je 20 Gutsbesitzer einen Berittenen für das Heer zu stellen hätten) legitimiert nur eine überholte volksetymologische Deutung. Kosak >Angehöriger der einst im Südosten Russlands lebenden militärisch organisierten Grenzbevölkerung; bewaffneter leichter Reiter im zaristischen Russland; Kosakenpferd*: Der Exotismus geht über poln. und ukrain. kozak auf gleichbed. russ. kazak (dazu der Name des russischen Volkstanzes Kasatschok) zurück, das aus turkotat. kazak freier, unabhängiger Mensch* hergeleitet wird. Gleicher Herkunft ist Kasache als Bezeichnung für die Angehörigen eines Turkvolkes in Mittelasien und die Bewohner von Kasachstan. Nach ihnen benannt ist der Kasach/ Kasak, ein handgeknüpfter kaukasischer Teppich mit geometrischen Mustern.

Kost: Das als zu kosten' >abschmecken, genießen* (s. gustieren) gehörig empfundene Substantiv hängt etymologisch mit seinem Homonym kosten2 >einen bestimmten Preis haben* zusammen, dem vlat. 'costare für lat. constare >zu stehen kommen* (eigtl. feststehen*, eine intensivierende Präfigierung von stare >stehen* mit con- >mit-Wert, Preis; Aufwand, Ausgaben*. Über Aufwand für Verpflegung* entwickelte das Nomen schon im Mittelhochdeutschen die Nebenbedeutung >Zehrung, Speise, Lebensmittel* (vgl. ein analoges Verhältnis bei den Dubletten Spesen und Speise, s. d.). Der Singular Kost hat sie bis heute bewahrt, während die Ausgangsbedeutung seit dem 18. Jh. von der Pluralform des Substantivs Kosten übernommen wurde. Der auch ins Englische entlehnte Latinismus kennt eine durch den Nummerus ausgedrückte semantische Spezialisierung anderer Art: Sing. cost>Kosten; Preis*, Plur. costs >GerichtskostenTracht, Maskierung, Damenbekleidung aus Rock und Jacke* bestimmend war. In ital. costume spiegelt sich ebenso wie im französischen Erbwort coutume >Brauch, Sitte* das Suffixwechsel aufweisende vlat. *costumen, welches ^cosetudine, d. h. den Akkusativ consuetudinem von lat. consuetudo >Gewohnheit, Brauch, Sitte* (Verbalabstraktum zu consuescere >eine Gewohnheit annehmen*, bestehend aus suescere >sich gewöhnen*, verstärkt durch com- »mit*, s. con) fortsetzt. Die im Französischen zustande gekommene Duplizität wurde dem Deutschen durch den gelegentlichen Auftritt von Coutume »Sitte, Brauch* (auch als Historismus für das französische Gewohnheitsrecht vor der Einführung des Code civil im Jahre 1804) vermittelt.

Kotelett >RippenstückRippchen< (Diminutiv zu còte >Rippe*, s. Costa). Nach der Ähnlichkeit mit einem Kotelett nannte man im 19. Jh. den kurzen Backenbart frz. ugs. (favoris en) cotelettes, das im Deutschen durch die separate Pluralform Koteletten wiedergegeben wird. Kraft: Über die weitere Herkunft des auf den germanischen femininen i-Stamm *krafti- >Macht, Kraft* zurückgehenden Wortes besteht keine einheitliche Meinung. In der deutschen Rechtssprache entwickelte das Substantiv Kraft die Bedeutung >Gültigkeit* (vgl. u.a. den Ausdruck in Kraft treten »rechtsgültig werden*), auf deren Grundlage es im 16. Jh. in der Kanzleisprache aus präpositionalen Fügungen wie in Kraft, durch Kraft mit nachfolgendem Genitiv in die Präposition kraft »aufgrund* umfunktioniert wurde. Aus der Fügung a vessel of small craft »Wasserfahrzeug geringerer Leistungsfähigkeit* gekürzt, wurde nach E. Klein der englische Kognat craft »Geschicklichkeit, Fertigkeit; List; Kunst; Handwerk* zur Bezeichnung eines Motorboots, das als Grundwort von hovercraft (eigtl. »Schwebefahrzeug*, Bestimmungswort zu to hover »schweben*) auch im Deutschen vorkommt: Hovercraft »Luftkissenfahrzeug (Auto, Schiff)*.

Kredo/Credo »Glaubensbekenntnis, Leitsatz; (öffentliche) Erklärung der eigenen Weltanschauung*: Substantivierung der 1. Person Singular Präsens des lateinischen Verbs credere »glauben, Glauben schenken;

Kreuz anvertrauen, borgen*, d.h. credo »ich glaube*, verselbständigt aus dem Anfang des Glaubensbekenntnisses Credo in unum deum »Ich glaube an den einen Gott*. Ebenso substantiviert im Sinne von »er ist Gläubiger* und in der Schreibung völlig eingedeutscht fungiert auch die 3. Person Singular Präsens desselben Verbs credit »er glaubt* im kaufmännischen Fachausdruck Kredit1 »Konto- oder Habenseite, auf der das Guthaben verzeichnet ist* als paradigmatisch bedingte etymologische Dublette von Kredo. Diesem Dublettenpaar nicht zuzurechnen ist angemessenerweise das letztendlich auf das substantivierte Partizip Präteritum creditum »Darlehen*, d.h. auf eine Nominalform des Verbs zurückgehende Homograph Kredit2 »befristet zur Verfügung gestellter Geldbetrag*. Andere substantivierte finite Verbformen außer Debet »Sollseite eines Kontos* (< lat. debet »er schuldet*) als Gegensatzwort von Kredit1 sind z.B. die Zusammenrückung Quodlibet »buntes Durcheinander u.a.* (< lat. quod libet »was beliebt*, s. was), das allgemeine Sündenbekenntnis im christlichen Gottesdienst Confiteor (< lat. confiteor »ich bekenne*), Veto »Einspruch; Einspruchsrecht* (< lat. veto »ich verbiete*), besonderes Augenmerk gilt aber Wortzusammenstellungen wie Placebo »Scheinmedikament ohne Wirkstoffe* (< lat.placebo »ich werde gefallen*) und Plazet »Bestätigung, Erlaubnis* (lat. < placet »es gefällt*), Lavabo »Handwaschung des Priesters in der Messe und das dazu verwendete Waschbecken mit Kanne*, Schweiz. »Waschbecken* (< lat. lavabo »ich werde waschen*) und die in der Sentenz manus manum lavat »eine Hand wäscht die andere* (s. laben, vgl. mano) als Prädikat fungierende Präsensform lavat, die paradigmatisch nicht übereinstimmen, weshalb ihre Behandlung als etymologische Dubletten wohl nicht ganz begründet wäre (vgl. auch das konjunktivische facias gegenüber den paradigmatisch zusammengehörigen indikativischen facio und Fazit, s. d.). Kreuz: Auslaut, Genus und Bedeutung der aus dem 8. Jh. stammenden ältesten Belege dieses Substantivs ahd. krüzi/krüci/c(h)rüzi/c(h)rüci n. »Kreuz Christi* zeugt davon, dass das Wort offenbar nicht - wie allgemein angenommen - unmittelbar aus einem obliquen Kasus von lat. crux, Gen. crucis, Akk. crucem f. »Marterholz, Kreuz als Folter- und Hinrichtungsgerät; Qual, Plage*, spätlat. »Kreuz Christi* entlehnt ist, sondern eine Isolierung der Kompositionsform cruci- aus spätlat. crucifixum (signum) n. »Bild, Abbild des Gekreuzigten* (s.fix) unter Bewahrung des neutralen Geschlechts darstellt, in dem das Partizip Perfekt von spätlat. crucifigere »ans Kreuz schlagen* unter Weglassung von signum »Zeichen, Bild, Statue* (vgl. Signum) substantiviert auftritt. Später verdrängte es allmählich das seit der Frühzeit der Chris-

kriminell tianisierung germanischer Stämme als Bezeichnung für das Kreuz Christi verwendete einheimische Wort Galgen. Im Anschluss daran wurde deglutiniertes lat. crucifixum in seiner eigentlichen Bedeutung plastische Darstellung des gekreuzigten Christus< zu spätmhd. crüzifix wieder entlehnt und ergab nhd. Kruzi/ix. Die Nominativform des lateinischen Wortes gebraucht man im Deutschen im übertragenen Sinn: Crux/Krux f. »Last, Kummer«. Über air. eros lieferte der Akkusativ crucem engl. cross »Kreuz«, das im Tennisspiel mit der Bedeutung »diagonal« adverbial oder substantivisch in Ausdrücken wie den Ball cross spielen bzw. Cross >diagonal über den Platz geschlagener Balls aber auch kurz für Crosscountry »Querfeldeinwettbewerb< üblich ist. Romanische Fortsetzer von crux sind gleichbed. span.-port. cruz in Ortsnamen wie Santa Cruz (eigtl. >das heilige Kreuzein Verbrechen betreffend« (zu crimen >Verbrechen«, s. Crimen). Eine direkte Übernahme des lateinischen Adjektivs liegt vor in veraltet kriminal »strafrechtlich«, das heute nicht nur als Vorderglied mehrerer Komposita fungiert, sondern auch substantiviert in ugs. Kriminaler Kriminalbeamter« quasi als Gegenteil zu Krimineller auftritt. Als Kopffragmentierung sowohl von Kriminalfilm als auch von Kriminalroman ist ugs. Krimi üblich, während im Kurzwort Kripo für Kriminalpolizei nur noch die erste Silbe des Latinismus erscheint. Vgl. auch aktuell.

Krokodil: In dieser Lautgestalt (vorhin mhd. kokodrille/ kokadrille) im 16. Jh. über lat. crocodilus (mlat. u.a. auch coco-, crocodrillus) entlehnt aus griech. krokodilos, urspr. »Eidechse« (dissimiliert aus *krokódrìlos, allgemein gehalten für eine Zusammensetzung aus krókè »Kies« und drtlos »Wurm«, also eigtl. »Kieswurm«). Im Gegensatz zu frz. croco »Krokodilleder«, einer Kopffragmentierung von crocodile »Krokodil; Krokodilleder« ist anfangsbetontes dt. Kroko »Krokodilleder« nicht aus Krokodil, sondern aus Krokodilleder verkürzt. Daher tritt es in der Bedeutung der Zusammensetzung auf, ist aber als eine Kopffragmentierung, die die Morphemgrenze im Kompositum nicht überschreitet, etymologische Dublette von Krokodil (zu einem entgegengesetzten Fall s. Fax unter Faksimile).

Krise/Krisis schwierige Lage, kritische Situation; kritischer Wendepunkt im Verlauf einer akuten Krankheit«: Über lat. crisis auf griech. krisis >Scheidung; Entscheidung; entscheidende Wende« (zu krinein scheiden, trennen; urteilen«) zurückgehendes Fremdwort, das im 16. Jh. in der Form Crisis/Krisis in die medizinische Fachsprache übernommen wurde. Diese Variante ist dem Duden-Universalwörterbuch zufolge heute noch in der Medizin die geläufigere, während sich Krise mit seiner allgemeineren Bedeutung offensichtlich unter dem Einfluss von herkunftsgleichem frz. crise steht. Nicht adaptiert erscheint Letzteres in der attributiven Fügung Crise noir >tabische Krise mit Magenbluten, wodurch der Stuhl schwarz gefärbt wird« (eigtl. schwarze Krise«, s. Neger). Auch an einem Anglizismus ist das griechische Wort mit entsprechender Aussprache beteiligt, der eine vor allem bei Männern eintretende Krise des Übergangs vom verbrachten zum verbleibenden Leben bezeichnet: Midlife-Cnsis/Midlifecnsis

Krone: Der Name des kranzartigen Kopfschmucks und Zeichens der königlichen Würde ist bereits in mittelhochdeutscher Zeit (mhd. kröne) durch Reduktion und Synkope aus ahd. koröna lautlich umgestaltet worden, das mit entsprechenden Entlehnungen in die anderen westgermanischen Sprachen über lat. corona »Kranz, Krone« auf griech. koröne »Ring, gekrümmtes Ende des Bogens« (eigtl. »Gekrümmtes«, zu korönos »krumm«) zurückgeht. In authentischer Form begegnet lat. corona »Kranz, Krone; Zuschauerkreis; Hof um die Sonne« im Deutschen als seltener weiblicher Vorname Corona/Korona1, im 19. Jh. wurde es zum anderen als Gattungsname zu Korona2 »Heiligenschein an einer Figur; Strahlenkranz der Sonne; Glimmentladung an elektrischen Hochspannungsanlagen; Zuschauerkreis bei einer Mensur, Tafelrunde« erneut und separat in die Kunst-, Wissenschafts- und Studentensprache übernommen. Einige ausländische Währungseinheiten werden grundsätzlich durch Krone eingedeutscht, gelegent-

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lieh verzeichnet man sie aber auch als Exotismen in unveränderter Form, z.B. isländ. Króna (wie schwed. krona >Krone< aus dem Mittelniederdeutschen), tschech., slowak. Koruna. Ein Historismus liegt dagegen vor in der Bezeichnung für eine alte französische Goldmünze mit einer aufgeprägten Krone Couronne d’Or (eigtl. >Krone aus Gold, Goldkrone«, s. de1, Aurum), Kropf »Vergrößerung der Schilddrüse; Vormagen der Vögele Das Wort (ahd. kröpf) ist aus germ. *kruppam. »Krümmung, Biegung, Beule, Rumpf« hervorgegangen. Setzt man als feminine Variante dazu *kruppön in afränk. *kruppa und daher in frz. croupe »Hinterteil, Kreuz des Pferdes« an, dann ließe sich die gleichbedeutende Rückentlehnung Kruppe als Dublette von Kropf ansehen. Weit verbreitet unter Romanisten und Anglisten ist ferner die Zurückführung der Vorlage von dt. Gruppe (und gleichbed. engl. group), nämlich frz. groupe und ital. gruppo (eigtl. »Ansammlung, Schar«, vgl. daneben ital. groppo »Knoten, Verwicklung«), auf germ. *kruppaim Sinne von »zusammengedrängte runde Masse«. Im Bereich des Bankwesens ergab ital. gruppo außerdem frz. group »versiegelter Geldsack«, das in dt. Grupp »aus Geldrollen bestehendes, zur Versendung bestimmtes Paket« vorliegt. Engl. group ist seinerseits z.B. Bestimmungswort in Groupware »durch Gruppenbefragung bzw. Anwendererfahrung erzielte Problemlösung« (s. Ware).

Krücke: In der heutugen Bezeichnung des Stocks für Gehbehinderte spiegelt sich der westgermanische jö(X)-Stamm *krukjö(n) »Stab mit Krümmung oder Gabelung« (wohl zur Sippe von kriechen, eigtl. »sich krümmen«). Sie setzt mhd. krücke/krucke »Krücke; Bischofsstab; Kreuz; Ofenkrücke«, ahd. krucka »Krücke, Krummholz« fort, das über afränk. *krukja seit dem 11. Jh. bezeugtes (a)frz. crosse »Bischofsstab; Stock; Schläger« lieferte. Aus der Wendung (lejeu de) la crosse »(das Spiel mit) dem Krummstab« kam im 18. Jh. in Kanada die Benennung eines ursprünglich unter den nordamerikanischen Indianern beliebten Spiels auf. Mit dem bestimmten Artikel le zusammengewachsen, ergab diese engl. lacrosse und daher dt. Lacrosse »dem Hockey verwandtes amerikanisches Mannschaftsspiel, bei dem ein Gummiball mit Schlägern in die Tore geschleudert wird«, in dem -crosse eine gebundene rückentlehnte etymologische Dublette von Krücke darstellt. Kruste »Brotrinde, Rinde, harter Überzug, Schorf«: Seit althochdeutscher Zeit (krusta/kruste) bezeugte Entlehnung aus lat. crusta »Rinde, Borke; Schorf«, urspr. »durch Gerinnen Festgewordenes; verkrustetes Blut«, vgl. cruor »(geronnenes) Blut, Blutstropfen«. Aus dem Mittelniederdeutschen ererbt sind landschaftliche

Krypta Formen mit r-Umstellung wie Korste/Kurste »Brotrinde« (vgl. Brunnen). Graphisch und lautlich adäquat tritt Crusta auf einerseits in medizinischen fachsprachlichen Fügungen im Sinne von »Borke, Schorf; harte Schicht, Deckschicht eines Organs«, andererseits als Bezeichnung für ein alkoholisches Bargetränk in einem Glas mit etwa i cm breiter Zitrussaft-Zucker-Kruste am oberen Rand. Krypta: Die Bezeichnung für den unterirdischen gewölbten Raum einer Kirche ist im 18. Jh. über lat. crypta entlehnt aus griech. kryptè »unterirdischer Gang; Gewölbe; Gruft«, dem substantivierten Femininum des Verbaladjektivs kryptós m. »versteckt, verborgen« zu kryptein »verbergen, verstecken, verhüllen«. Parallel dazu gebraucht man in der Medizin die meist im Plural übliche eingedeutschte Form desselben Femininums Krypten/fachspr. Cryptae (Sing. Krypte) »Einbuchtungen, Zerklüftungen (z.B. in Form von Schleimhauteinsenkungen oder an chronischentzündlich veränderten Gaumenmandeln)«. Mit dem substantivierten Neutrum krypton benannten die englischen Chemiker W. Ramsay und M. W. Travers das von ihnen 1898 entdeckte Edelgas: engl. krypton (eigtl. »das Verborgene« in Anbetracht der Schwierigkeiten bei der Isolierung dieses chemischen Elements mir dem Zeichen Kr), woraus dt. Krypton »färb- und geruchloses Edelgas, verwendet u.a. zur Füllung von Glühlampen (den sog. Kryptonlampen)«. Die Kompositionsformen krypto-Zkrypt- sind Vorderglieder z.B. in Kryptogramm »Verstext mit verborgener Nebenbedeutung; Geheimtext« (zum suffixartig gebrauchten -gramm vgl. Gramm) und Kryptonym »Pseudonym, gebildet aus den Anfangsbuchstaben oder -silben des Autorennamens« (über das Grundwort vgl. Name). Aus der vulgärlateinischen Form crupta entwickelte sich u.a. durch Assimilaton pt > tt ital. grotta »Höhle«, das im 15. Jh. dt. Grotte »künstlich angelegte Felsenhöhle« lieferte. Nicht eindeutig ist dagegen zu entscheiden, ob lombard. grotto m. »Weinkeller« (> dt. Grotto »Tessiner Weinschenke«) eine Umbildung von ital. grotta f. oder eher eine derivative maskuline Neubildung dazu darstellt. In diesem Zusammenhang ist schließlich die Stellung von dt. Gruft »Grabgewölbe, gemauerte Begräbnisstätte; (offenes) Grab« zu besprechen. E. Seebold meint, es lasse sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen, in welchem Umfang hier eine Ableitung von graben mit unregelmäßigem Ablaut und eine Entlehnung aus lat. crypta zusammengespielt hätten. Als Ausgangspunkt nennt man üblicherweise das von vlat. crupta beeinflusste amorphe ahd. girophti »Graben« bzw. grufti »Ziselierung«, wobei der unregelmäßige Ablaut angeblich auf der vorgermanischen Lautung *ghrebh- (Schwundstufe *ghrbh~) von germ. *graba- »graben« (> dt. graben) beruhen

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Kubba sollte. Das schwundstufige Abstraktum dazu hätte aber - im Gegensatz zu den anders strukturierten Geburt, (Ab-, An-, Her-, Zu)kunft, Vernunft, Zunft jeweils zu gebären, kommen, nehmen, ziemen (ahd. heran, queman, neman, zeman) - eher *grub (wie Bruch, Spruch zu brechen, sprechen) lauten sollen. Zu ahd. graban >graben; schnitzen* stellt sich zum anderen das reguläre ti-Abstraktum graft >Graben, Vertiefung, Skulptur* (vgl. daraus dt. veraltet Graft >Graben, Wassergraben, Kanal; Begräbnis* bzw. den niederländischen Exotismus Gracht »schiffbarer Kanal, Kanalstraße*). Es scheint daher, dass vlat. crupta/grupta durch Lautsubstitution /pt/ > /ft/ (vgl. Schrift) ahd. crufta/cruft »gedeckter Gang; Grotte* und durch Vermischung mit graft mhd. gruft/kruft »unterirdischer Raum, Grabkammer; Höhle, Höhlung; Gruft* ergeben hat, was die Angliederung von Gruft an die obige Dublettenreihe rechtfertigen würde.

Kubba »Kuppel einer Moschee oder eines Grabhauses; kleiner überwölbter Grabbau in der islamischen Baukunst*: Der im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Exotismus repräsentiert die unbestimmte Form von arab. al-qubba »Nebenraum zum Schlafen* (eigtl. »gewölbter Raum; Gewölbe, Kuppel*). Zusammen mit dem bestimmten Artikel al- ergab dieses über span, alcoba »Schlafgemach* und frz. alcòve »Bettnische* um 1700 zunächst Alkove f., dann Mitte des 18. Jh. das heute allerdings selten gebrauchte Fremdwort A/koven m. »nischenartiger Nebenraum zum Schlafen*. Den Übergang zum Maskulinum im Deutschen versucht man durch Einwirkung von Koben, Ofen zu erklären. Küche: Die heutige Lautgestalt des Substantivs ist durch eine im Mittelhochdeutschen stattgefundene Rückbildung aus küchen (Singular und Plural) entstanden, das über ahd. kuhhina vor der hochdeutschen Spirantisierung -k- > -hh- nach Vokal aus vlat. *cucina/*cocina für spätlat. coquina entlehnt worden ist. In dieser Bezeichnung für den Kochraum steckt die substantivierte feminine Form des Adjektivs coquinus »Koch-, zum Kochen gehörig*, einer Ableitung von lat. coquere »kochen, backen*, aus dem über vlat. *cocere dt. kochen stammt (vgl. auch die zur selben Wortfamilie gehörende Personenbezeichnung coquus, worauf über *cocus dt. Koch beruht). Aus vlat. *cocere und *cocina ererbt sind frz. cuire »kochen* und von diesem im Vokalismus beeinflusstes cuisine »Küche*, das in einzelnen Fügungen wie Nouvelle Cuisine »um 1970 in Frankreich aufgekommene moderne Richtung der Kochkunst* (eigtl. »neue Küche*, s. Novelle), Chef de Cuisine »Küchenchef* (s. Haupt, de1) vorliegt. Deutlicher ausgeprägt ist die von lat. coquina ausgegangene etymologische Duplizität im Englischen, wo die dt. Küche zukommenden Bedeutungen »Raum zum Kochen* und »Kochkunst,

Art des Zubereitens* jeweils auf die parallel zu ahd. kuhhina direkt aus dem Vulgärlatein getätigte Entlehnung kitchen und auf die über das Französische vermittelte cuisine verteilt sind. Küfer »Böttcher; Kellermeister*: Der südwestdeutsche und schweizerische Regionalismus setzt mhd. küefer fort und ist das Nomen Agentis von unter Cup erörtertem Kufe »Bottich, Kübel*. Strukturgleich mit ihm ist die im Norddeutschen vorkommende und auf mnd. küper beruhende Dublette Küper »Böttcher*, die als Berufsbezeichnung auch im Sinne von »Warenkontrolleur in Häfen* fungiert.

Kugel: Das Substantiv setzt das zu einer Gutturalerweiterung von idg. *geu-, *gü- »biegen, krümmen, wölben* gestellte gleichbed. mhd. kugel/kugele fort, neben dem eine kontrahierte Form küle »Kugel, Kugelgörmiges, Klumpen* existierte. Regelrecht diphthongiert sieht man diese in mitteld. Kaule1 »Kugel*, ostmitteld. »Beule, Anschwellung* sowie generell im Bestimmungswort Kaul- von Kaulbarsch, -köpf, -quappe, vgl. auch das zugehörige Diminutiv Käulchen »rundes Küchlein, meist aus Kartoffeln und Quark*. Über Kaule2 und über die alternative Verknüpfung von Kaul- mit Kuhle s. d. Kuh: Wie engl. cow (vgl. das Fremdwort Cowboy, eigtl. »Kuhjunge*) hervorgegangen aus germ. *kö(u), das auf idg. *g*vöus »(männliches, weibliches) Rind* zurückgeht. Dieses lebt (allerdings mit in bilabiales b- umgewandeltem labiovelarem *g*'-) u.a. in gleichbed. lat. bos, Gen. bovis, und in griech. boüs fort. Die Kompositionsform von lat. bos begegnet uns im Namen des früher gebräuchlichen Impfstoffs gegen Rindertuberkulose üovovakzin, und sein Dativ Singular tritt auf im populären lateinischen Sprichwort quod licet Jovi, non licet bovi »eines schickt sich nicht für alle* (eigtl. »was Jupiter erlaubt ist, ist nicht dem Ochsen erlaubt*, s. was, Vater, einx). Sein zu afrz. boeft bue/modifizierter Akkusativ bovem lieferte engl. beef »Rindfleisch*, enthalten in Corned Beef »eingesalzenes Rindfleisch* (Vorderglied das Partizip Präteritum von fo corn »einsalzen, mit Salzkörnern einpökeln*, zu corn »Körnchen*, s. Kornx), Beefsteak »Steak vom Rind* (s. Rumpf) u.a. In seiner heutigen Lautgestalt boeuf»Rind; Rindfleisch* liegt der Gallizismus als Fachwort der Gastronomie vor in gleichbed. Boeuf, vgl. Bceuf Stroganoff An kleine Stücke geschnittenes Rindfleisch in pikanter Soße mit saurer Sahne* (wohl nach dem Namen einer alten russischen Familie), aber auch im baukünstlerischen Terminus CEil-deBceu/»Ochsenauge* (s. Oculus, de1). Vermutlich ist eine Entstellung der Kompositionsform des lateinischen Wortes ferner erstes Glied in lat. bucina »Jagd-, Hirtenhorn* (< *bovicina, aus bovi-/bovo- + canere »ertönen, singen*, s. Cantus, also etwa »aus einem

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Rinderhorn gefertigtes Blasinstrument), das über afrz. bu(i)sine >Trompete< mhd. bustne/busüne und daher nhd. Posaune ergab. Gebunden erscheint griech. bous im latinisierten Ortsnamen Bosporus (s. Furt) und in Butter (über vlat. *butira/*butura für lat. butyrum [Kollektivplural butyra] aus griech. boütyron, eigtl. »Kuhkäse*, s. Butter). kühl: Über mhd. küele und ahd. kuoli geht das deutsche Adjektiv auf den westgermanischen ja-Stamm *kölja- zurück, während sein englischer Kognat cool »kühl, frisch* den u-Stamm *kölu- fortsetzt. Den beiden Stammvarianten liegt die Dehnstufe *köl- von germ. *kal- in *kala- >frieren, kalt werden* (s. kalt) zugrunde. Aus dem amerikanischen Englisch entlehnt ist die Dublette cool, die (ursprünglich innerhalb der Bezeichnung für den Jazzstil der 5oer-Jahre des 20. Jh. Cool Jazz/Cooljazz übernommen) in der heutigen Umgangssprache die breit gefächerte Semantik >kühl im Handeln, ruhig, überlegen, kaltschnäuzig; prima, sehr gut (auch in Bezug auf den von Drogen hervorgerufenen Zustand)* besitzt. Kuhle »muldenartige Vertiefung, Grube, Loche Das im 19. Jh. aus dem Niederdeutschen übernommene Wort ließ ein aus mhd. (mitteld.) küle >Grube, Loch* durch Diphthongierung hervorgegangenes mitteld. Kaule2 >Grube, Mulde, Loch; rundliche Vertiefung* nur auf regionaler Ebene bestehen. Zwar vergleicht E. Seebold das mnd. küle fortsetzende und oberd. kaule entsprechende Kuhle mit eine Höhlung oder Wölbung bezeichnenden Wörtern im Griechischen und Lateinischen und meint, dass u.U. idg. *guw}-/ *gül- vorauszusetzen wäre, im Grunde genommen hält er aber die Herkunft des deutschen Wortpaars für unklar. Nach W. Pfeifer gehört dagegen mnd. küle »runder, knotenförmiger oder verdickter Gegenstand*, aber auch »Vertiefung, Grube* zusammen mit mhd. küle »Grube, Loch* als Bildung mit /-Suffix wie das eine andere Ablautstufe voraussetzende Keule zur Wurzel idg. *geu-, *gü- »biegen, krümmen, wölben*, d.h. zur selben Wurzel, die mit Gutturalerweiterung wohl Kaule1 bzw. Kugel (s. d.) zugrunde liegt. Dazu rechnet E. Seebold außerdem Kaul- in Kaulbarsch (bis ins 18. Jh. nach niederdeutschem Vorbild Kuhlbarsch) mit dem Hinweis auf einen anderen, in einer Handschrift aus dem 13. Jh. bezeugten Fischnamen külhoubit, dem nhd. Kaulhaupt/Kaulkopf »Groppe* entspreche. Nimmt man an, dass kül~ in külhoubit noch nicht durch Kontraktion aus kugele entstanden sein könnte, dann ließe sich bei Kaulbarsch, -köpf, -quappe doppelter etymologischer Bezug oder gegebenenfalls Vermischung mit mhd. küle »Kugel, Kugelförmiges, Klumpen* erwägen wie etwa bei dem Grundwort in Monschau, das sowohl auf Gau (s. d.) als auch auf Gaudium (s. d.) beziehbar ist.

Kupfer Küken/österr. Kücken »junges Huhn*: Das im 18. Jh. aus dem Niederdeutschen übernommene Wort hat sowohl jede Spur von gleichbed. mhd. kuchen verwischt als auch das anders gebildete Synonym Küchlein1 zurückgedrängt, das durch die Homonyme Küchlein2 »kleine Küche* und Küchlein3 »kleiner Kuchen* (vgl. Käseküchlein unter Käse) belastet war. Zusammen mit seiner mittelhochdeutschen Entsprechung ist das niederdeutsche Substantiv eine mit dem Suffix germ, -ina- (aus idg. -ino-, s. Schwein) komponierte Verkleinerungs- oder Zugehörigkeitsbildung zu einer lautnachahmenden germanischen Wurzel *kük-. Sein englischer Kognat chicken »Hühnchen; Strichjunge* ist gemäß Duden-Fremdwörterbuch als im Jargon vorkommendes Chicken »Junge, der sich prostituiert* aufgeführt. Kumpan »Kamerad; Mittäter*: In mittelhochdeutscher Zeit über afrz. compain »Genosse* entlehnt aus spätlat. companio »Brotgenosse, Kamerad*. Aus dessen Akkusativ companionem ist die Dublette (a)frz. compagnon »Genosse, Geselle* hervorgegangen, die dt. Kompagnon »Mitinhaber, Geschäftsteilhaber* (im 16. Jh. noch »Geselle, Genosse*) zugrunde liegt. Das lateinische Wort wird herkömmlicherweise als eine wohl in der Heeressprache entstandene Komposition aus com- »mit-* (s. con) und panis »Brot* (also »wer das Brot mit anderen gemeinsam hat*) angesehen, die das analog strukturierte germ. *gaylaiba in ahd. gi(h)leibo, got. gahlaiba »Genosse* (vgl. Laib) nachzubilden scheint. E. Seebold hält übrigens die Herleitung von spätlat. companio aus compaginare »sich vereinigen, sich zusammenschließen* (zu compages »Verbindung*, vgl. Pagina, Pakt) für wahrscheinlicher.

Kupfer: Der einzige aus indogermanischer Zeit überkommene Metallname *ayos »Erz* hat über gleichbed. germ. *ajaz- außer im untergegangenen ahd., mhd. er »Erz* nur noch im etymologisch dazu gehörenden, heute in übertragener Bedeutung üblichen Adjektiv ehern »hart, ewig während* (urspr. »erzen, bronzen, eisern*) Spuren hinterlassen. Der lateinische Kognat aes »Erz* trat in der Fügung aes Cyprium »Kupfererz* (eigtl. »zyprisches Erz*) auf, in dem Cyprium das Neutrum kyprion »aus Kupfer, kupfern* (substantivisch »das Zyprische*) des zum Namen von Zypern (griech. Kypros, s. Zypern), dem Hauptlieferanten von Kupfer(erz) im Altertum, gebildeten Adjektivs wiedergibt. Aus aes Cyprium herausgelöstes und später lautlich in cyprum/cuprum (daher Cuprum als Terminus der Chemie, Zeichen: Cu) umgewandeltes cyprium vermittelte schon vor der Lautverschiebung germ. (p)p > ahd. (p)f die neue Metallbezeichnung ahd. kupfar, das dann mhd. kupfer und nhd. Kupfer ergab. Mit der Kompositionsform des Latinismus gebildet ist Kupxoplatin, der

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Kuppel Name eines Mischkristalls von Platin, Kupfer und Eisen (s. Platin). Zweifellos liegt sie auch Cupro als Sammelbezeichnung für die nach dem KupferoxidAmmoniak-Verfahren auf Zellulosebasis hergestellten synthetischen Fasern zugrunde, auf dessen Grundlage dann veraltet Cuprophan >Zellulosehydrat in Form von Folien, Bogen u.a. für Verpackungszwecke und Kabelumhüllungen* gebildet worden ist. Als Erbwort lebt cyprium über vlat. ^cupreum in frz. cuivre >Kupfer< fort, welches im Rahmen des Fachausdrucks cuivrepoli >Messingbronze< (eigtl. »poliertes Kupfer*) und daher in dt. veraltet Cuivre poli >Messing aus 70 % Kupfer und 30 % Zink für Küchen- und Gebrauchsgegenstände* erscheint. Kuppel >Überdachung eines größeren Raumes*: Eindeutschung des im 17. Jh. entlehnten gleichbed. ital. cupola. Als adäquatere jüngere Übernahme ist der Romanismus auch die Quelle des Bestimmungswortes in Kupolofen >Schmelzofen zum Umschmelzen von Schrott und Gusseisen* (ein bis in die Kuppel der Gießhalle reichender und deshalb gelegentlich auch Kuppelofen genannter Schachtofen). Das italienische Wort wird aus spätlat. cupula >kleine Tonne; kleines Grabgewölbe* (Diminutiv von lat. cüpa »größeres Holzgefäß, Tonne*, spätlat. >Grabgewölbegewölbtes Gebäude oder Gemach* (s. Kubba) nicht ausreichend bestimmbar sei. Auch das lateinische Wort hat Eingang ins Deutsche gefunden, und zwar dem Duden-Fremdwörter buch zufolge als botanischer und medizinischer Fachausdruck: Cupula >Fruchtbecher bei Buchengewächsen; gallertartige Substanz in den Gleichgewichtsorganen der Wirbeltiere und des Menschen*.

Kupplung1: Das ursprünglich als Abstraktum zum Verb kuppeln »miteinander verbinden* (s. kopulieren) entstandene Substantiv entwickelte sich auch zur Bezeichnung von Konkreta, insbesondere der Vorrichtung zur Herstellung oder zum Trennen der Verbindung zwischen Motor und Getriebe bei Fahrzeugen. Somit distanzierte es sich in Form und Verwendung sowohl von den Varianten Kupplung2/Kuppelung »Ankuppeln; lösbare Verbindung zum Aneinanderkoppeln von Wagen u.a.< als auch von den etymologisch adäquaten Abstrakta Kopplung/Koppelung >das Gekoppeltsein*. Kürass >Brustharnischdurchlaufenvöllig bedecken*, einer intensivierenden con-Präfigierung von operire >bedecken*) zurückgeht. Der italienische Kognat von frz. couvert lautet coperto m. >bedeckt; Gedeck; Wetterdach*, coperta f. >bedeckt; Bettdecke; Umschlag; Schiffsdeck* (vgl. die im 16. aufgekommene Lehnübersetzung Verdeck >oberstes Schiffsdeck*) und ist im Deutschen jeweils bezeugt in der musikalischen Vortragsanweisung coperto >bedeckt, mit teilweise abgedeckter Membran, z. B. von Pauken* und in Copertag/asur >durchsichtige Bleiglasur für Fayancen zur Erhöhung des Glanzes*.

Kybernetik1: Der Name der Lehre von der Untersuchung der selbsttätigen Regelungs- und Steuerungsmechanismen verschiedenartiger Systeme ist eine Eindeutschung von engl. cybernetics, das auf griech. kybernetiké (téchnè) >Steuermannskunst* (zu kybernétès >Steuermannsteuern; leiten, regieren*, vgl. Gouverneur) fußt und 1948 vom amerikanischen Mathematiker N. Wiener in seinem Buch »Cybernetics or control and communication in the animal and the machine« (in deutscher Übersetzung »Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine«) geprägt wurde. Voraus geht allerdings der nach Ausweis des Duden-Fremdwörtebuchs vom

französischen Physiker A. M. Ampère bereits im Jahre 1834 geprägte Ausdruck cybernétique >Kunst des Regierens* (vgl. auch das für die evangelische Kirche kennzeichnende Homonym Kybernetik2 >Lehre von der Kirchen- und Gemeindeleitung*). Eine Kopfisolierung aus dem Amerikanismus liegt in Cyberspace >von Computern erzeugte virtuelle Scheinwelt* (s. Spatium) gebunden vor. Geht man davon aus, dass Kybernetiker und kybernetisch ebenso wie Kybernetik1 und Kybernetik2 letztlich umfunktionierte bzw. adsuffigierte Fortsetzungen des griechischen Adjektivs sind, sollten auch sie im Grunde genommen als hierher gehörige Dubletten gelten (vgl. afrikanisch, fanatisch, komisch, kynisch sowie Grammatik, Politik). kynisch: Das durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) aus griech. kynikós (eigtl. »hündisch*, zu kyön, Gen. kynós, urverwandt und gleichbedeutend mit dt. Hund1, s. d.) umgebildete deutsche Adjektiv wird in Bezug auf die Anhänger der griechischen Philosophenschule von Antisthenes (444 - um 366 v. Chr.) bzw. auf ihre Philosophie gebraucht. Man verglich sie nach Ausweis des Duden-Fremdwörterbuchs wegen ihrer Bedürfnislosigkeit und ihrer gewollten Armut, dann auch wegen ihrer Art, die Leute rücksichtslos anzufallen, um diesen ihre Lehre zu predigen, mit den Hunden. Die griechische Substantivierung Kynikós erscheint im Deutschen adsuffigiert: Kyniker (wörtl. >die Hündischen, die Unverschämten*). Im Lateinischen lauten die entlehnten Gräzismen cynicus, Cynicus seit der Affrizierung von lat. cvor den hellen Vokalen e, i, y mit /ts/ an. Er wurde daher in der Lautgestalt zynisch bzw. Zyniker ins Deutsche übernommen. Dabei sind das keine Varianten von kynisch und Kyniker wie etwa Kentaur/Zentaur, Kirke/Circe, Kyklop/Zyklop, sondern es offenbart sich in ihnen - wohl unter Einfluss der Verwendungsweise von herkunftsgleichem frz. cynique- die von griech. kynikós »hündisch; schamlos* ausgehende übertragene Bedeutung »verletzend-spöttisch, bissig, schamlos-verletzend*.

laben: Die sprachgeschichtlich vorausgehenden Vorformen mhd. laben, ahd. labön >waschen, erfrischen< hält man für eine frühe westgermanische Entlehnung aus mit Lauge urverwandtem lat. lavare waschen; benetzen« (offensichtlich mit Lautsubstitution lat. v > ahd. b und einer semantischen Entwicklung benetzen, tränken« > >erfrischen, erquicken«). Über ital. lavare waschen, verwaschen« wurde das lateinische Verb in der Neuzeit nunmehr als Fachwort der Malerei zu lavieren1 >die aufgetragenen Farben auf einem Bild verwaschen, damit die Grenzen verschwinden; mit verlaufenden Farbflächen arbeiten« übernommen, dessen unverwandtes Homonym lavieren2 >im Zickzack gegen den Wind segeln; sich durch Schwierigkeiten hindurchwinden« aus gleichbed. niederl. laveren (zu loev >Luv, Windseite«, also eigtl. >den Wind abgewinnen«) stammt. Zwar liegen in der Sentenz manus manum lavat >eine Hand wäscht die andere« (s. mano) die 3. Person Singular Präsens von lavare und im Fremdwort Lavabo >Handwaschung des Priesters in der Messe bzw. das dazu verwendete Waschbecken mit Kanne« (schweiz. >Waschbecken«) eine Substantivierung seiner 1. Person Singular Futur lavabo >ich werde waschen« vor, aber angesichts ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Paradigmen wäre es kaum vertretbar, die eine flektierte Form als etymologische Dublette der anderen oder gar der Repräsentanten von lavare im Deutschen in der Gestalt von laben — lavieren1 anzusehen, wie dies bei den Wortpaaren facio - Fazit (s. d.), Kredit1 - Kredo (s. d.) versucht wurde.

Lache >Pfützestehendes Wasser«, das seit dem 14. Jh. wohl durch die Verwendung in Bezug auf salzwasserhaltige Pfützen und Kleinseen in Küstennähe in der Bedeutung >(Herings)salzbrühe< auftritt. Im Rahmen des Heringshandels gelangte das Wort bald ins Mittel- und Oberdeutsche (15. Jh. lacke, dessen Zusammenhang mit dem heutigen bair.österr. Lacke >Lache, Pfütze« nicht einleuchtet) und lebt in Lake >Salzlösung zum Einlegen von Fisch, Fleisch o. Ä.< fort. Die Herkunft des germanischen Wortes, vertreten z.B. auch in aengl. lacu >Bach, Teich, See«, ist nicht sicher geklärt. Einerseits wird es

auf idg. *leg- >tröpfeln, sickern« zurückgeführt, andererseits aus lat. lacus >Teich, Weiher, Flussbett, Bassin, Wanne, Trog« (vgl. Lakune) hergeleitet. Im zweiten Fall kämen als weitere Dubletten die auf lat. lacus beruhenden und in Eigennamen auftretenden frz. lac, ital. lago, engl. lake >See< in Frage, vgl. Lac du Bourget, Lago Maggiore (italienischer Name für Langensee, eigtl. >der größere See«, s. Major1), Salt Lake City (Name der südöstlich vom Großen Salzsee gelegenen Hauptstadt des Staates Utah, s. Salz, City), sowie das mit dem lateinischen Wort urverwandte schottisch-gälische loch >See« etwa im Namen des populär gewordenen Loch Ness in Nordwestschottland. Lateinischen Ursprungs ist auch der Name des zwischen Thuner und Bienzer See gelegenen Kurorts Interlaken (eigtl. zwischen den Seen«, s. unter2).

Lagrima >ein meist süßer Wein, der nur aus Most vom Vorlauf (also ohne Druck der Kelter) bereitet wird«: Das im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Fremdwort ist elliptisch aus gleichbed. span, vino di làgrima (eigtl. >Tränenwein«) entstanden und repräsentiert demnach den spanischen Reflex von lat. lacrima >Träne«. Dieses geht über älter dacryma zurück auf das griechische Deverbativ dakryma (eigtl. >das Tränen«), zu dakryein >weinen< (Ableitung von däkry >Träne«, etymologisch identisch mit Zähre, s. d.). Der Plural des Latinismus steckt in einem anderen Fachausdruck der Weinkunde: Lacrimae Christi >alkoholreicher, goldfarbener Wein von den Hängen des Vesuvs und aus Süditalien« (eigtl. >Tränen Christi«) im Gegenstaz zum Singular lacrima etwa in gleichbed. ital. lacrima Christi (auch lacrima di Napoli, lacrima nera, d.h. >Neapler bzw. schwarze Träne«, s. Christus, neu, Neger), frz. lacrima- oder lacryma-christi, engl. lachryma Christi. Im Italienischen wechseln die mit lat. lacrima gleich lautende Form und die wie im Spanischen erweichte lagrima ab, vgl. die auf dieser Alternation beruhende Varianz bei der musikalischen Vortragsanweisung lacrimando/lagrimando und lacrimoso/lagrimoso >traurig, klagend« (eigtl. >weinend< bzw. tränenreich«) im Deutschen. Laib: Die Bedeutung des Wortes, das einst vermutlich zur Benennung des ungesäuerten Brotes gedient hat, ist auf die heutige Bezeichnung einer rund geform-

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Leier der Adjektive vgl. die in der Gegenwartssprache erfolgende Transposition von Adverbien des Typs stundenweise etwa in Wendungen wie seine Arbeit wird stundenweise bezahlt die stundenweise Bezahlung seiner Arbeit). Im Althochdeutschen verband sich -Ith nicht nur mit Personenbezeichnungen, sondern auch mit Partikeln und erscheint synkopiert ebenfalls als gebundene Dublette von Leiche in solch (aus mhd. solich, ahd. solih, Ausgangsbedeutung nach W. Pfeifer >eine so beschaffene Gestalt habend, so beschaffen*) bzw. in welch (eigtl. >was für eine Gestalt habend*, wobei der Anlaut we- mit dem unter was aufgeführten interrogativen Pronominalstamm idg. *kwo- identisch ist). Der Auslaut von biZlig, das mhd. billich >angemessen, passend* (zu *bil »richtige Form*) fortführt, wurde im 17. Jh. an die mit dem Suffix -ig gebildeten Adjektive angeglichen. Das aus aengl. -lie hervorgegangene englische Adjektiv- und Adverbialsuffix -ly begegnet uns im kunstwissenschaftlichen Fachausdruck Early English »Frühstufe der englischen Gotik (etwa 1170 bis 1270)*, übernommen aus engl. Early English (style), eigtl. »früher englischer (Stil)*, vgl. Stil. Siehe auch das von germ. *lika- abgeleitete gleich. Leier: Die umgangssprachlichen Bedeutungen »häufig wiederholte Äußerungen oder Klagen; Kurbel* der durch Diphthongierung entstandenen heutigen Lautung des Wortes gründen sich auf die im Mittelalter aufgekommene »mit Hilfe einer Kurbel betriebene Drehleier*, die mhd. lire entwickelt hatte. Erst zur Zeit des Humanismus wird Leier wieder Bezeichnung für das sieben- oder fünfsaitige Zupfinstrument, die von griech. lyra ausgehend - über lat. lyra bereits zu ahd. lira entlehnt war. Heute kommt diese Bedeutung neben »Drehleier; Lyragitarre; dem Schellenbaum ähnliches Glockenspiel der Militärkapellen u.a.< auch Lyra zu. Über ital. lira ist außerdem Lira1 »birnenförmige, einsaitige Geige des Mittelaters* mit den Abarten Lira da Braccio »Vorgängerin der Geige mit fünf Griffsaiten und zwei seitlich abgespreizten Basssaiten* (s. de1, Pratze) und Lira da Gamba »in Kniehaltung gespielte größere Form der Lira da Braccio mit 9 bis 15 Saiten* (s. Gambe) in der Musikgeschichte bekannt. Über Lira2 s. Libra. Lein »Leinpflanze, Flachs*: Der heutige Pflanzenname ist durch Diphthongierung aus mhd., ahd. litt entstanden, das über germ. *lina- entweder auf gleichbed. lat. linum (vgl. Linie) oder mit diesem auf idg. *lino-/*lino- (möglicherweise nichtindogermanischer Herkunft) zurückführbar ist. Verstümmeltes Lein ist erstes Glied von nordd. veraltet Leilach/Leilak »Betttuch, Leintuch*, dem mhd. li(n)lach(en), ahd. linlahhan (eigtl. »Leinlaken*, s. Laken) vorausgeht. Aus der Wurzel von lat. linum, verknüpft mit lat. oleum »Öl* (s. Öl), prägte der englische Erfinder Wal-

ton im Jahre 1863 die künstliche Bildung engl. linoleum, entlehnt zu dt. Linoleum »Fußbodenbelag aus starkem Jutegewebe, auf das eine Masse aus Leinöl, Kork, Harzen und Farbstoffen aufgepresst ist*. Die Kompositionsform des lateinischen Wortes sowie die gleich lautende von griech. linon »Lein, Flachs* (aus der kurzvokalischen Variante idg. *lino-) liegen vor jeweils in den Fremdwörtern Lino/I/ »aus Flachsabfällen hergestelltes Garn* (Grundwort: lat./i/um »Faden*, s. Filum) und veraltet Linophanie »Fensterlichtbild auf dünnem Leinenstoff oder Papier* (Grundwort zu griech. phainesthai »scheinen*). Als Erbwort lebt lat. linum in ital. lino »Lein, Leinen* fort, aus dem mithilfe von crino »Pferdehaar* (zu lat. crinis »Haar*) als Bestimmungswort das Kompositum crinolino (eigtl. »Rosshaargewebe*) gebildet wurde. Über frz. crinoline ergab dieses den im 19. Jh. übernommenen Fachausdruck der Mode /Crinoline »weit abstehender Rock* (nach E. Seebold so benannt nach dem Gestell aus Fischbein und Rosshaaren, das später durch Stahlreifen ersetzt wurde).

leinen »aus Flachs gewebte Alte suffixale Bildung (ahd., mhd. linin) zu ahd., asächs. lin »Leinpflanze, Flachs* (s. Lein), das auch substantivisch gebraucht wird: Leinen »aus Flachsgarn gewebter Stoff*. Parallel dazu treten die seit dem 18. Jh. im Zusammenhang mit dem westfälischen Tuchhandel aus dem Niederdeutschen übernommenen und heute in der gehobenen Sprache vorkommenden Kognaten linnen »leinen* und Linnen »Leinentuch, Leinwand* auf, die über mnd. linnen durch Vokalkürzung aus asächs. linin »leinen* hervorgegangen sind. Leiste »Latte, Streifen; Schenkelbeuge*: Das neuhochdeutsche Substantiv setzt mhd. liste, ahd. lista »Saum, Borte, Streifen* < germ. *listön »Saum, Rand* (diese Bedeutung führte wohl auch zu »Schenkelbeuge* im Sinne von »Übergang vom Rumpf zum Schenkel*) fort. Das germanische bzw. althochdeutsche Wort ist früh ins Romanische gelangt und liegt sowohl frz. liste »Streifen, Borte* als auch gleichbed. ital. lista zugrunde. Letzteres entwickelte über »Reihe* die Bedeutung »längere Aufstellung, Verzeichnis* und lieferte im 16. Jh. die Rückentlehnung Liste (bis ins 18. Jh. kaufmänn. Lista »Verzeichnis, Katalog*). Die seit dem 16. Jh. auch bei frz. liste bezeugte modernere Bedeutung von ital. lista wurde engl. list »Streifen; Geweberand; Schranken*, das im Unterschied zu dt. Leiste undiphthongiert geblieben war, weitervermittelt. Engl. list ist Grundword des mit back- »Hinter-, Rück-* gebildeten Kompositums backlist, das als Fachausdruck im Verlagswesen vorkommt: BackiisX »Anzahl, Reihe, Verzeichnis von Büchern, die nicht in neuester Zeit erschienen sind, aber weiterhin im Programm eines Verlags geführt werden*, vgl. ferner Checklist »Kontrollliste, mit de-

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ren Hilfe die Funktionsfähigkeit komplizierter Apparate überprüft wird« (s. Checklist und über sein Bestimmungswort vgl. Schach). leiten: Das schwache Verb geht zurück auf germ. * laidja- >gehen machens Kausativ zum starken *leipa- »gehen, Weggehen, fahren, reisen< (daraus dt. leiden, dessen Bedeutung sich in Anlehnung an die Präfigierung erleiden urspr. >durch Reisen erfahren, durchmachen< und an nicht verwandtes Leid völlig umgewandelt hat). Germ. *laidja- liegt auch engl. to lead >leiten, führen, anfuhren« zugrunde, das in substantivierter Form Eingang ins Deutsche gefunden hat: Lead >die Führungsstimme im Jazz (oft Trompete oder Kornett); der Vorsprung bestimmter Werte vor anderen im wirtshaftlichen Konjunkturverlauf; Einleitung zu einer Veröffentlichung oder Rede«, vgl. ferner Leadgitarre »elektrische Gitarre, auf der die Melodie gespielt wird< sowie Leiter.

Leiter »jemand, der etwas leitete Das aus mhd. leitcere, ahd. leitäri »Führen hervorgegangene Maskulinum ist ein vom Verb leiten (s. d.) abgeleitetes Nomen Agentis. Von seinem englischen Kognaten to lead »leiten, fuhren, anführen« ist genau wie bei Leiter mit dem Suffix zur Bildung von Täter- und Gerätebezeichnungen -äri (s. Flieger) aengl. lädere abgeleitet worden. Darauf beruhendes engl. leader »Führer, Anführer< wurde zu dt. Leader »Leiter einer Jazz- oder Rockgruppe, Bandleaders österr., Schweiz. »Tabellenführer, Spitzenreiten als strukturgleiche etymologische Dublette von Leiter übernommen. Leonberg: Der Name der westlich von Stuttgart gelegenen Stadt, die im 13. Jh. neben der gleichnamigen Burg der Grafen von Calw entstanden und nach dem Löwen in ihrem Wappen Lewinberck »Löwenberg« genannt worden ist, erweckt infolge seiner eigenartigen Lautentwicklung den Eindruck einer Regräzisierung oder Relatinisierung des Bestimmungswortes (s. Löwe). Denselben unterschiedlich motivierten, aber stets symbolisch gegebenen Ortsnamen führen ferner - der schriftsprachlichen Lautung von Löwe folgend - Löwenberg (in Schlesien, entsprechend poln. Lwówek Slpnski), 1217 als Goldbergbaustadt mit gitterförmigem Grundriss planmäßig angelegt, sowie - Kontraktion und Angleichung des Vorderglieds an -berg aufweisend - Lemberg, im 13. Jh. nach einem galizischen Fürstensohn Lew (wörtl. »der Löwe«) benannt und auf Russisch Lwow (eigtl. »Lews, von Lew engl. best »best«) engl. last hervorgegangen ist. Dieser ursprüngliche Superlativ zu late »spät« (dem Kognaten von dt. lass), an dessen Stelle im 16. Jh. die systemgerechte Neubildung latest trat, ist auch im Deutschen bekannt geworden etwa im Rahmen der Zusammensetzung Last-Minute-Angebot (bzw. -flug, -reise) als Bezeichnung für ein quasi »in der letzten Minute« von Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften u.Ä. vorgebrachtes Angebot, um für frei gebliebene Plätze gegen Preisnachlass noch Interessenten zu gewinnen (s. Minute); vgl. auch die mit least (Superlativ zu little »klein; wenig«, s. lützel) gebildete Wortfügung last, not least »wer oder was zwar in der Reihenfolge zuletzt, aber nicht minder wichtig, nicht zu vergessen ist« (s. nicht), die einer Stelle in Shakespeares Tragödie »»König Lear« entnommen ist, nämlich als der König das Reich an seine drei Töchter aufteilt und Cordelia - in der Schlegel-Tieckschen Übersetzung »die jüngste, nicht geringste« nennt. Leute: Das heutige Substantiv repräsentiert den Plural mhd. Hute, ahd. liuti von ahd., mhd. Hut »Volk«, Plur. »Leute, Menschen« (nach E. Seebold aus germ. *leudi- m. »dingberechtigtes Mitglied des Volksverbandes«, Plur. »Volk«). Der verloren gegangene Singular ist als Vorderglied von mehreren männlichen und weiblichen Vornamen erhalten, vgl. Luitpold (Grundwort: bald »kühn«, also etwa »kühn im Volk«, s. bald; die Nebenform Leopold wahrscheinlich an Leo angelehnt, s. Löwe), Ludolf/Ludolph/Luitolf (Grundwort: Wolf, s. d., der Name als Ganzes gelegentlich im Sinne von »Volkswolf« gedeutet).

Lex f. »Gesetz, Gesetzesantrag«: Im Grunde genommen ist das Fremdwort Bestandteil juristischer Fachausdrücke wie Lex generalis »allgemeines Gesetz« (s. generell), Lex perfecta »vollkommenes Recht, d.h. Gesetz, dessen Tatbestand eine Rechtsfolge nach sich zieht« (s. perfekt), Lex specialis »Sondergesetz, das dem allgemeinen (d. h. der Lex generalis) übergeordnet ist« (s. Special), eine Lex wird aber außerdem oft nach dem Antragsteller oder nach dem Anlass be-

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Lexikon nannt, z.B. Lex Heinze, Lex Soraya. Als Ausgangsbedeutung der Vorlage lat. lex, Gen. legis »Gesetz, Gesetzesvorschlag, Bestimmung, Regel, Vorschrift* vermutet man >Sammlung (der Vorschriften)*, die an das Verb legere >sammeln, auslesen; lesen* (vgl. kollektiv) anzuknüpfen erlaubt. Der Genitiv Singular des Latinismus ist Vorderglied der Zusammenset zung LegisZatur »Gesetzgebung*, einer über frz. législature vermittelten englischen Bildung auf der Basis von gleichbed. lat. legislatio, eigtl. »Einbringen eines Gesetzes* (aus legis und latio »Einbringen*, Abstraktum zum Partizipialstamm von ferre »tragen, beantragen*, s. Oblate'). Sein Akkusativ Singular ist in der Wendung contra legem »gegen den (reinen) Wortlaut des Gesetzes* enthalten (s. Kontra), und mit seinem Ablativ Singular ist die adverbiale Fügung lege artis »vorschriftsmäßig* (eigtl. »nach der Regel der Kunst*, s. Ars) gebildet. Die Akkusativform legem fortsetzendes afrz. lei/ley »Gesetz, Recht, Verhalten, Art, Weise* ist die Quelle von mhd. lei(e)/leije »Art und Weise, Weg* in genitivischen Verbindungen wie aller leie, maneger leie, aus denen es sich zum indeklinable bestimmte und unbestimmte Gattungszahlwörter bildenden Suffix -lei (vgl. einer-, keiner-, vielerlei) entwickelte. In moderner Lautgestalt ist das französische Wort im Terminus Loi f. »gesetzmäßiger Feingehalt der Münzen* vertreten. Vgl. auch legal, Kolleg, Kollega. Lexikon »Nachschlagewerk mit alphabetisch geordneten Artikeln*: Im 17. Jh. auf gelehrtem Wege getätigte Entlehnung von griech. lexikón, dem substantivierten Neutrum des Adjektivs lexikós »auf das Wort, die Rede bezogen* (zu léxis »Redeweise; Wort*, zu légein »auflesen; sammeln; reden, rechnen*, vgl. Logo). Der Gräzismus hat sich aus der Fügung lexikón biblion »ein die Wörter betreffendes Buch, Wörterbuch* (s. Bibel) verselbständigt, wurde mit dieser Bedeutung übernommen und diente zur Grundlage für die Bildung des Ersatzwortes Wortbuch (17. bis 18. Jh.) und Wörterbuch (seit der ersten Hälfte des 17. Jh.). Wohl in Anlehnung an frz. lexique »Wortschatz*, das im 18. Jh. lexicon »Lexikon* ablöste, an gleichbed. russ. leksika und an die linguistischen Fachausdrücke Lexiko/ogie »Wortschatzwissenschaft* (vgl. Logo), Lexikographie »Wörterbuchschreibung* (s. Skenographie), die mit der Kompositionsform des griechischen Adjektivs gebildet sind, geht im 20. Jh. zum einen die daraus herzuleitende Dublette Lexik »Wortschatz, -bestand* in den deutschen Sprachgebrauch ein, und zum anderen kommt nunmehr auch Lexikon die Bedeutung »Wortschatz* zu.

Libelle »Wasserjungfer; Teil der Wasserwaage*: Mit Rücksicht auf die Fähigkeit des Raubinsekts, beim Fliegen seine ausgespannten Flügel waagerecht zu halten, wurde es im 18. Jh. von den Zoologen mit dem lateinischen Wort libella »kleine Waage; waage-

rechte Fläche* (Diminutiv zu libra »Waage*, s. Libra) benannt. Über eine vulgärlateinische Nebenform ★libellus und afrz. Uvei ergab dieses mengl. livel/level, das in engl. level »ebene Fläche, gleiche Stufe* fortlebt und Quelle des Fremdwortes Level »erreichtes Niveau, Leistungsstand, Rang, Stufe; Spielebene mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad* ist. Durch Dissimilation l-l> n-l und Lautwandel -el > -eau entwickelte sich afrz. Uvei zu frz. niveau, das als dritte auf lat. libella/*Hbellus beruhende etymologische Dublette Eingang ins Deutsche fand: Niveau »waagerechte Fläche auf einer gewissen Höhenstufe; Höhenlage; Stand, Rang, Stufe*.

Liber »Buch*: Der Exotismus, der lat. Uber, Akk. liberem »Schreiben; Verfügung; Schrift, Buch, Register* (eigtl. »Bast* bzw. »als Schreibmaterial benutzter Bast*) repräsentiert, ist z.B. Bestandteil des Namens des mittelalterlichen Papstbuchs, d.h. der Liber pontificalis genannten Sammlung von Biographien römischer Päpste bis zum 15. Jh. (s. pontifikal). Durch Zusammenrückung eines präpositionalen Ablativs Plural entstanden ist die Bezeichnung für auf die Innenseite des vorderen Buchdeckels geklebte Zettel mit dem Namen oder Monogramm des Eigentümers Exlibris (wörtl. »aus den Büchern*, s. ex). Ein auf der Vorderseite des Bucheinbandes eingeprägtes Exlibris nennt man Supralibros, an sich eine andere Zusammenrückung, und zwar aus dem Akkusativ Plural libros und der Präposition supra »über, oberhalb* (also etwa »auf die Bücher*, s. Supra). Aus dem Akkusativ Singular librem ist ital. libro »Buch* hervorgegangen, das Vorderglied der österreichischen Mischbildung Libresso für ein Kaffeehaus mit Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (s. express) ist. liberal »vorurteilslos; freiheitlich*: Deglutinierte, im 16. Jh. im Sinne von »freigebig, großzügig* direkt und im 18. Jh. über frz. libéral »freiheitlich (gesinnt)* getätigte Entlehnung von lat. liberalis »vornehm, anständig; edel, freigebig* (zu Uber »frei*, s. Libero). Seit dem 19. Jh. mit der modernen Bedeutung »den Liberalismus vertretend* bezeugt, die sich aus dem auf der Grundlage des Adjektivs entstandenen Verb liberalisieren bzw. dem zugehörigen Substantiv Liberalismus sekundär entwickelt und die Substantivierung Liberale m./f. »Anhänger/Anhängerin des Liberalismus oder einer liberalen Partei* ermöglicht hat. In lateinischer Form treten der Nominativ und der Genitiv Plural von liberalis jeweils in den Historismen Septem Artes liberales »die sieben freien. Künste* (s. sieben, Ars) und Liberalium Artium Magister »Magister der freien Künste* (vgl. Magister) als Titel mittelalterlicher Universitätslehrer auf.

Libero »nicht mit Spezialaufgaben betrauter freier Abwehrspieler*: Die Bezeichnung für den Fußballspie-

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ler, der wie der Ausputzer keinen direkten Gegenspieler hat, stammt aus gleichbed. ital. libero, eigtl. >der Freies Substantivierung des Adjektivs libero >freifreie Entscheidung«) attributive Funktion erfüllt. Frz. libre ist Vorderglied im Namen der Hauptstadt von Gabun Librevz/Ze (eigtl. >Freistadt«, s. Villa).

Libertas »(römische Göttin der) Freiheit«: Die gelegentliche lexikographische Präsentierung von Libertas als Göttin der Freiheit geht offensichtlich auf eine Vermischung von Libera, dem Namen einer mit Proserpina gleichgesetzten italischen Fruchtbarkeitsgöttin, mit dem vom Adjektiv liber »frei« (s. Libero) abgeleiteten Abstraktum libertas, Gen. libertatis »Freiheit, Freimütigkeit« zurück. Dessen Genitiv Plural tritt auf in der vollen Form des unter Magnus besprochenen englischen Grundgesetzes von 1215 Magna C(h)arta libertatum (eigtl. »Große Urkunde der Freiheiten«, s. Charts). Aus dem Stamm der obliquen Kasus libertat- und unter Einfluss des französischen, aus dem Akkusativ lat. libertatem hervorgegangenen Fortsetzers liberté »Freiheit« ist der Historismus Libertät »Freiheit der Landesfürsten gegenüber dem Kaiser« entwickelt. Frz. liberté liegt vor in der Losung der Französischen Revolution von 1789 und Staatsdevise der französischen Republik Liberté, Egalité, Fraternité »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« (s. Égalité, Fraternité). Aus dem Altfranzösischen übernommen ist das seit dem 14. Jh. bezeugte engl. liberty »Freiheit«, das als Name einer Londoner Textilfirma den Gattungsnamen Liberty »feines atlasbindiges Gewebe aus Naturseide oder Chemiefasern« lieferte, vgl. auch Liberty Ship als Bezeichnung für die Einheitsfrachtschiffe im Zweiten Weltkieg, die die amerikanischen Truppen in Europa versorgten (eigtl. »Freiheitsschiff«, s. Schiff). Libra »altrömisches Gewichtsmaß (= 327 g); früheres Gewichtsmaß in Spanien, Portugal und Brasilien (etwa 460 g)Liga der Champions*, s. Champion unter Kämpe, obgleich an dem so bezeichneten Wettbewerb nicht nur erstplatzierte Mannschaften teilnehmen). Lilak »spanischer Flieder*: Wie diesem Namen des Zierstrauchs Syringa vulgaris zu entnehmen ist, stammt das Wort aus span, lilac »Flieder; Fliederblütenfarbe*, das über gleichbed. arab. liläk und pers. liläg/niläg aufaind. nilah »dunkel-, indigoblau* (zu nil »Indigo*, dieses über gleichbed. arab. an-nil auch in der Bezeichnung des Farbstoffs Anilin') zurückgeführt wird. Da der Flieder nach W. Pfeifer und N. Osman über Südosteuropa nach Mitteleuropa, genauer 1560 von Konstantinopel über Wien nach Frankreich eingeführt wurde, ist auch türk, leyläk »Flieder* (vgl. daraus bulg. liljak/ljulak, rumän. liliac sowie C. T. Onions’ Bemerkung, der bei Bacon nachgewiesene älteste Beleg im Englischen lelacke könne türk. leilaq repräsentieren) als Vermittler in Betracht zu ziehen. Seit 1600 bezeugt ist frz. lilac »Flieder; Fliederblütenfarbe*, im 17./18. Jh. in der Lautung lilas und auch adjektivisch in der entsprechenden Bedeutung auftretend, entlehnt zu dt. lilasfarben/lilafarb. Im 19. Jh. wird aus diesem lila »fliederblau, hellviolett* isoliert, woneben sich das Substantiv Lila »lila Farbe* etablierte. Limes »altrömischer Grenzwall zum Schutz gegen die Germanen*: Der seit dem 19. Jh. in deutschen Texten bezeugte Terminus, welcher in der Mathematik außerdem im Sinne von »Grenzwert* gebraucht wird, beruht auf lat. limes, Gen. limitis »Quergang, Rain, Grenzlinie* (zu limus »schief, quer* und ire »gehen*, also eigtl. »Quergang*). Direkt oder über (a)frz. limite ergab der Latinismus engl. limit »Grenze*, das in Limit n./Schweiz. Limite f. »festgelegte Grenze; Preisgrenze, äußerster Preis* (die phonomorphologische schweizerische Variante aus dem Französischen) vorliegt. Es begegnet auch den Zutritt zu einer Sperrzone verbietendes, nicht adaptiertes engl. off limits (eigtl. »weg von den Grenzen*, s. ab}).

Linie: Das im Gegenwartsdeutsch durch zahlreiche Bedeutungen gekennzeichnete Wort ist eine alte Entlehnung (mhd. linie, ahd. Unna) aus lat. linea (restis) »Leine, Richtschnur; (damit gezogene) Gerade* (eigtl. »leinene [Schnur]*), die eine durch Ellipse entstandene Substantivierung der femininen Form von lat. lineus »leinen* (über dessen Grundlage linum »Lein, Flachs* s. Lein) darstellt. In der Medizin bedeutet das substantivierte Femininum Linea »Kante,

Knochenleiste*, und seine Fortsetzungen frz. ligne »Linie, Reihe, Zeile* und gleichbed. port, linha werden gelegentlich als Exotismen lexikographisch aufgeführt: Ligne »altes Maß (ca. 2,26 mm)< bzw. Linha »altes portugiesisches Längenmaß (2,29 mm)*. Auf dem substantivierten Maskulinum lineus »aus Leinen* beruht frz. linge »Wäsche*, das Schweiz. Linge gleicher Bedeutung zugrunde liegt. Engl. line »Linie, Reihe, Zeile; Leine, Schnur* gilt als Verschmelzung von zwei Wörtern: aengl. line und mengl. ligne/line, die jeweils direkt bzw. über afrz. ligne (< roman. *linja) auf lat. linea »Richtschnur, Lot; Linie* zurückgehen. Andererseits betrachtet man in der germanistischen Lexikologie mit E Kluge sowohl aengl. line als auch ahd. lina (daraus nhd. Leine) als Repräsentanten von germ. *linjön »Leine* (Herkunftsbildung zu *lina- »Lein, Flachs* im Sinne von »aus Flachs gedrehtes Seil*, s. Lein). Bleibt man bei der letzteren Annahme, so muss dt. Leine von dieser Dublettenreihe abgesetzt werden, dagegen lassen sich alle englischen Entlehnungen, die line in der Bedeutung »Linie, Reihe* enthalten, ihr zuordnen, z.B. offline »getrennt von der Datenverarbeitungsanlage arbeitend* (eigtl. »ohne Verbindungslinie*, vgl. ab1), online (eigtl. »in Verbindung*, s. an), Outline »Umriss* (s. d.),Deadlinie»äußerster Termin* (s. tot), Headline »Schlagzeile* (vgl. Haupt), Hotline »Telefonanschluss für rasche Serviceleistungen* (eigtl. »heißer Draht*, s. heiß), Pipeline »Rohrleitung* (s. Pfeife), Second Line »Schar von kleinen Jungen und Halbwüchsigen, die früher hinter den Straßenkapellen in New Orleans herzog* (eigtl. »zweite Reihe*, s. Sekunde).

Liquor »Lösung; flüssiges Arzneimittel; seröse Körperflüssigkeit*: Der seit dem 16. Jh. übliche Fachausdruck der Chemie, Pharmazie und Anatomie beruht auf lat. liquor, Akk. liquorem »Flüssigkeit* (zu liquere »flüssig sein*). Durch Vermittlung von frz. liqueur, das aus dem Akkusativ von lat. liquor hervorgegangen war und sich seit dem 18. Jh. zur Bezeichnung gesüßter alkoholischer Getränke entwickelt hatte, gelangte das lateinische Wort noch einmal ins Deutsche: Likör »süßer Branntwein*.

Litera »auf Effekten, Banknoten, Kassenscheinen usw. aufgedruckter Buchstabe zur Kennzeichnung verschiedener Emissionen*: Diese Bedeutung des Substantivs als Terminus im Bankwesen beruht auf der veralteten »Buchstabe*, mit der es lat. littera widerspiegelt. Dessen auch im Sinne von »Schrifttum, Wissenschaft* gebrauchter Plural litterae, Gen. litterarum, ist dokumentiert in der Sammelbezeichnung für päpstliche Erlässe und Schreiben Litterae apostolicae (eigtl. »apostolische Briefe*) und in der in England üblichen Bezeichnung (mlat.) Lit(t)erarum Humaniorum Doctor »Doktor der Literaturwissenschaft* (eigtl. »Doktor der humanistischen Wissenschaft*,

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vgl. aber die Wiedergabe von griech. grammàtika sowohl durch lat. grammatica als auch durch litteratura, begründet durch die semantische Entsprechung von lat. littera und griech. gramma »Buchstabe*, s. Grammatik, Gramm). Dem lateinischen Wort entstammen (a)frz. lettre >Buchstabe< (seit dem 15. Jh. »Druckbuchstabe*, Plur. lettres auch >Literaturin Metall gegossener Buchstaben Der französische Plural ist in der Fügung Homme de Lettres >Schriftsteller< (eigtl. >Mann der Literatur*, s. Homo, de1) enthalten. Über das Altfranzösische vermittelt ist engl. letter »Brief; BuchstabeVierbuchstabenworts s. vier, Wort) als Anspielung auf einige Vierbuchstabenwörter im Englischen, die mit dem Geschlechtsverkehr oder mit Exkrementen zu tun haben und als Schimpfwörter im Allgemeinen für anstößig gehalten werden (vgLfuck im Imperativ des Verbs tofuck >koitierenScheißeSteinzeichnung, graphisches Kunstblatt in Steindrucke Das Neutrum (wohl nach Kunstblatt) ist eine Kopfisolierung aus dem Femininum Lithographie, das außerdem die Herstellung von Platten für das Flachdruckverfahren sowie die Originalplatte für Stein- oder Flachdruck bezeichnet. Als gelehrte Bildung des 19. Jh. besteht dieser Fachausdruck der künstlerischen Graphik aus litho-, Kompositions form von griech. lithos »Stein*, und -graphie (s. Skenographie), d.h. er setzt sich eigentlich aus zwei Wortbildungselementen zusammen, die jeweils »Stein-* und graphische Darstellung< bedeuten, weshalb das Ganze durch Steinzeichnung bzw. durch Steindruck ins Deutsche übertragen wird. Mit der Bedeutung >Stein, Gestein, Mineral* tritt griech. Uthos deglutiniert auch als Grundwort zahlreicher Termini auf wie Megalith >großer Steinblock bei vorgeschichtlichen Grabanlagen< (s. mega), Astrolith Asterolith (s. d.), Elaolith (s. Oleum).

Litze: Im 14. Jh. (spätmhd. litze >Schnur; Schranke, Zaun, Gehegejeder Faden eines Gewebes* zu >Band, Gewebe* entwickelt haben. Im 14. und 15. Jh. verbindet sich (m)frz. lice/lisse >Weberaufzug, Schaft* mit den adjektivischen Attributen basse und haute zu den heutigen Fügungen basse lisse und haute lisse >Schaft

loco mit waagerecht bzw. senkrecht aufgezogener Kette*, die im Deutschen als Zusammenrückungen auftreten: Bassdisse »gewirkter Bildteppich mit waagerecht geführter Kette* (s. Bass) und Hautelisse >Webart mit senkrechter Kette; mit senkrechter Kette gewebter Wand- oder Bildteppich* (vgl. alt).

loco »am Ort, hier, greifbar, vorrätig; an seinem Platz (zu spielen)*: Der vor allem kaufmännische, aber auch musikalische (in dieser Funktion neben seinem eigenen Fortsetzer ital. luogo) und bildungssprachliche Fachausdruck (vgl. loco citato, Abkürzung: l. c. »am angeführten Ort*, loco sigilli, Abkürzung: l. s. >anstatt des Siegels*, s. Siegel) stellt den erstarrten Ablativ von lat. locus, Gen. loci, Nom./Akk. Plur. loca >Platz, Ort, Stelle* dar. Sein Nominativ Singular ist in der Wortfügung Locus communis (eigtl. »allgemeiner Ort*) enthalten, die im Englischen durch die teilweise Lehnübersetzung common place wiedergegeben und von dort aus sinngemäß durch Gemeinplatz ins Deutsche übertragen wurde (s. kommun). Graphisch eingedeutschtes Lokus ist zwar im Sinne von >Ort, Stelle* veraltet, aus der Fügung locus necessitatis >Ort der Notdurft* verselbständigt, erlangte es aber zunächst wohl in der Schülersprache und dann auch in der Umgangssprache die Bedeutung >Klosett*. Der Genitiv Singular ist Attribut im linguistischen Fachausdruck Nomen Loci »Substantiv, das den Ort eines Geschehens bezeichnet* (s. Name und vgl. z.B. das Nomen Loci cancellarla unter Kanzel). Der von ad (s. d.) abhängige Akkusativ Plural liegt vor in ad loca >an die Plätze*. Aus lat. locus ist (a)frz. Heu >Ort, Stelle, Lage; Umstand* hervorgegangen, das Bestandteil der Lehnwörter Leutnant und Milieu ist. Jenes ist in der Schreibung Lieutenant um 1700 (die heutige Form offiziell erst seit 1899) aus frz. lieutenant übernommen, das eine Zusammenrückung aus Heu und tenant, dem Partizip Präsens von tenir »halten* (vgl. tenuto), ist und lat. locum tenens »Stellvertreter (des Hauptmanns)* (dazu die deutsche Lehnübersetzung Statthalter) wortwörtlich nachbildet. Milieu repräsentiert frz. milieu, eine Zusammensetzung aus mi- »in der Mitte befindlich* (aus gleichbed. lat. medius, s. mitten) und Heu, das Ganze ursprünglich Entsprechung von lat. medius locus »Mitte, mittlere Lage*, seit 1870 in der heutigen Bedeutung »Lebenskreis, soziale Verhältnisse*. In Verbindung mit spätlat. motivus »antreibend, bewegend*, das Ausgangspunkt für dt. Motiv ist und wie mobilis »beweglich* (s. Mob) zu lat. movere »bewegen* gehört, ergab der eingangs erörterte Ablativ loco nlat. locomotivus, welches in der Gestalt der englischen Substantivierung locomotive (engine) »sich von der Stelle bewegende (Maschine)* zu dt. Lokomotive mit der fragmentierten Kopfisolierung Lok entlehnt wurde.

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Logo Logo »Marken-, Firmenzeichen«: Das Fremdwort ist entlehnt aus gleichbed. engl. logo, einer Kopfisolierung aus logotype, das ursprünglich wie dt. Logotype nur >Drucktype mit häufig vorkommender Buchstabenverbindung< (vgl. Typos) bedeutete und die neue Semantik wohl wegen der feststehenden Buchstabenund/oder Zeichenfolge bei Firmenzeichen annahm. Innerhalb von Logotype ist Logo- (vor Vokalen auch Log-) Kompositionsform von griech. lògos »Rede, Wort, Rechnung, Verhältnis, Vernunft u.a.< (zu légein »lesen; sammeln; reden, rechnens vgl. Lexikon), das dem philosophischen Terminus Logos menschliche Rede, logisches Urteil, umfassender Sinn u.a.< zugrunde liegt und Ausgangspunkt für die Ausgestaltung der Wortbildungselemente -löge >Kundiger, Wissenschaftler« (vgl. Astrologe), -logie >Kunde, Lehre« sowie des griechischen Adjektivs analogos >dem Logos, der Vernunft entsprechend« (einer Zusammenbildung auf der Basis von and >gemäß«, s. an, und lògos im Sinne von »Verhältnis«) ist. Dies hat über lat. analogus und frz. analogue dt. analog »gleichartig, entsprechend« ergeben oder dessen Entstehung als Rückbildung aus Analogie (< griech. analogia »Übereinstimmung, Gleichung, Entsprechung«) in denselben vermittelnden Sprachen gefördert.

Loh >Hain, Wald, Buschholz«: Das von E. Wasserzieher und E. Seebold als Archaismus, von G. Wahrig und im Sprachbrockhaus als bairisch-hessischer Regionalismus aufgeführte Maskulinum oder Neutrum geht über mhd., mnd., mniederl. lö/löch »Gebüsch, Wald, Gehölz«, ahd. löh >Hain« zurück auf germ. *lauha >Hain, Lichtung« bzw. auf idg. *louko>Hain; freier Platz«. Im Zusammenhang mit der etymologischen Duplizität ist der Auftritt des Wortes als Bestandteil fast ausschließlich norddeutscher Ortsnamen von Belang: Gütersloh (1184 Gutherslo, wohl >Wald des Guther/Gunther«), Oldesloe (1188 Adislo >Hain des Odi/Odo«, sekundär an mnd. ölt >alt< angelehnt, s. alt, Altenburg), z.T. erstarrte Dative Plural wie in Brilon (Vorderglied unerklärt), Iserlohn (s. Eisen), Stadtlohn (im 19. Jh. Stadt Loen, vgl. Statt), außerdem Waterloo (s. Wasser), nach E. Seebold auch Oslo im Sinne von >Asenhain< (s. Äsen), während andere Autoren (z. B. P. A. F. van Veen) den Namen dieser Mitte des 11. Jh. gegründeten undÄslo genannten Stadt in norw. os >Mündung« und den Flussnamen Lo (also etwa >Lomündungabgelöst; weg«: Das Adjektiv wird prädikativ und adverbial (als Aufforderung) gebraucht und fungiert außerdem gebunden sowohl als Verbalzusatz wie auch suffixartig. Daneben existiert ein attributiv, prädikativ und adverbial verwendetes lose >abgelöst; locker; unverpackt«, das sich aus mhd. löse, dem einstigen Adjektivadverb zu ahd., mhd. lös >frei, ledig;

befreit, beraubt von; leichtfertig«, entwickelt hat (über die Begründung der Duplizität bei Wortpaaren dieser Art s.fest). Voraus geht germ. *lausa- »losgelöst, ungebunden, frei« (zusammen mit der Grundlage von verlieren wohl eine s-Erweiterung der Wurzel idg. *leu- >abschneiden, trennen, lösen« und außerdem Ausgangspunkt für die Bildung von lösen, s. d.). Dieses trat seit alters als Grundwort von Adjektivkomposita auf, was den suffixartigen Gebrauch von -los im Deutschen und von funktionsgleichem -less im Englischen zur Folge hatte, vgl. die Fremdwörter topless >brustfrei< (s. Zopf), tubeless »schlauchlos (von Fahrzeugreifen)« (s. Tubus), in denen -less gebundene Dublette von los und lose ist. Los: Die heutige Bedeutung des Wortes setzt die von mhd. löz »Auslosung, Verlosung; Weissagung durch das Los; Schicksal; Erbteilung; Losungswort«, ahd. (h)löz »Los, Schicksal; Spruch; (zugefallener) Anteil« fort, dessen Quelle germ. *%lauta- »Losung, Los« (Nominalbildung zu *%leuta- »losen«) ist. Während die althochdeutsche Form der gesetzmäßigen postvokalischen Spirantisierung germ, t > ahd. z [s] unterworfen wurde, behielt die altniederfränkische, heute in niederl. lot »Los« fortbestehende Variante *(h)lot (aus der gleichbedeutenden schwundstufigen Nebenform germ. *%luta-) das -t im Auslaut bei. Mniederl. lot (davon abgeleitet loterij, woraus seit dem 16. Jh. dt. Lotterie) bildete den Ausgangspunkt für seit dem 12. Jh. bezeugtes frz. lot »Teil, Anteil, Los«, das seinerseits ital. lotto »Teil, Anteil; Zahlenlotterie« lieferte. Im 18. Jh. wurde der Germanismus in seiner italienischen Lautgestalt und im Sinne von »Zahlenlotterie« zu Lotto rückentlehnt. Sollten die unterschiedlichen Ablautstufen gewisse Zweifel an der Ursprungsgleichheit von Los und der niederländischen Vorlage von Lotto aufkommen lassen, so ist die genetische Identität von niederl. lot »Los« und dem ebenfalls auf germ. *%luta- beruhenden engl. lot »Partie, Posten, Menge (zusammengehöriger Dinge)« unbestreitbar. Aus diesem übernommen ist dt. Lot2 »zusammengestellter Posten einer bestimmten Zucht oder Ware; abgepackte Zusammenstellung von Einzelbriefmarken oder Briefmarkensätzen«. Über das Homonym Lot1 s. d.

lösen: Das polysemantische Verb geht über mhd. loesen/(mitteld.) lösen »losmachen; erlösen, befreien«, ahd. lösen »losbinden, lösen; befreien« zurück auf das von *lausa- »losgelöst, ungebunden, frei« (s. los) abgeleitete germanische jan-Verb *lausjan »losmachen, -binden«. Als etymologische Dublette von lösen tritt die umlautlose mitteldeutsche Variante losen auf, die sich im Wortschatz des Weidmanns in der Bedeutung »Kot lassen« durchgesetzt hat, vgl. entsprechend das Deverbativ Losung (im 19. Jh. auch Lösung) »Kot des Wildes und des Hundes«.

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Lot1 > Richt-, Senkblei; Lötmetall; kleine Gewichtseinheit (etwa 16 g) Blei; gießbares Metall; Metallgemisch zum Löten u.a.aus Blei Hergestelltes< zurück auf >Blei«, die eigentliche Bedeutung von germ. *lauda- >Blei(klumpen)Blei< oder Entlehnung aus dessen keltischem Vorläufer vermutet. Während Lot als Metallbezeichnung im Deutschen durch Blei verdrängt wurde, blieb sie beim englischen Kognaten lead erhalten. Dieser ist beispielsweise im Namen des schottischen Gebirges Leadhills (wörtl. >die Bleihügelein monoklines Bleimineral von gelb- und grauweißer Farbe< gebildet ist. Über Lot2 s. Los. löten >Metallteile mithilfe einer geschmolzenen Legierung miteinander verhindern: Voraus liegt mhd. loeten >mit Blei u.Ä. zusammenlöten«, das neben löt (s. Lot1) seit dem 13. Jh. als Ableitung davon belegt ist und zugleich dessen Verwendung als Lötmetall bezeugt. Aus dem Gebrauch des Substantivs als Messblei im Bau- und Seewesen ist andererseits die etymologisch adäquate Dublette loten >die senkrechte Lage bzw. die Wassertiefe bestimmen« wesentlich später gebildet. Löwe: Der etymologisch nicht sicher geklärte griechische Name des afrikanischen Raubtiers léon, Gen. léontos (gelegentlich wird akkad. labbu >Löwe< als dessen Quelle angesehen) lieferte über lat. leo, Gen. leonis ahd. Zeo/(mit zwischenvokalischem Übergangslaut) lewo, mhd. lewe/lew/leu, aus denen sich einerseits die heute nur noch dichterisch gebräuchliche Form Leu1, andererseits das labialisierte schriftsprachliche Löwe entwickelten (ausgebliebene Labialisierung unter eingetretener Kontraktion und Assimilation weist der Ortsname Lemberg auf, s. Leonberg). Als männlicher Vorname funktioniert lat. leo bzw. der Stamm von dessen obliquen Kasus etwa in Leo (mit besonderer Verbreitung als Heiligen- und Papstname im Mittelalter), ital. Leone, frz. Léon, dt. Leon (Kopfisolierung aus Leonhard) neben Lion1, engl. Lion2 [laian], arm. Lewon. Gebunden erscheinen die beiden Grundformen des lateinischen Wortes ferner in Leopard (Hinterglied ist griech.-lat. pardus >Parder, Panther«) und Chamäleon (Vorderglied ist griech. chamai >auf der Erde«, also eigtl. >ErdlöweZuhälterSteuermannZuhälter< sich nach einer im Duden-Herkunftswörterbuch und im Duden-Fremdwörterbuch geäußerten Annahme auf die gleichnamigen französischen Könige im 17. und 18. Jh. bezieht, die wegen ihrer zahlreichen Mätressen bekannt waren. Frz. Louis geht wie auch Ludwig auf eine unter Chlodwig erörterte Vorform des Namens zurück, die sich aus ahd. hlüt >laut< (als erstes Glied von Namen >berühmtKampf, Krieg« zusammensetzt. Obwohl man sich bei der Kürzung von Ludwig nicht der Isolierung eines erkennbaren Wortes bewusst war, ist ihr Produkt Lude nicht mit dem ganzen Namen, sondern lediglich mit dessen erstem Glied zu identifizieren, so dass sich Lude und nhd. laut1, der gesetzmäßige Nachfolger von ahd. hlüt, als etymologische Dubletten erweisen. An sie schließen sich die Vorderglieder der Personennamen Ludwig und Chlodwig (s. d.) sowie Klothilde/ChlothiWe (aus afränk. Chlodhildis mit Grundwort ahd. hiltia >Kampf«) als gebundene Dubletten an. Eine maskuline Substantivierung des Adjektivs war lüt >Ton, Stimme, Schrei«, also zunächst etwas mit dem Gehör Wahrnehmbares, dann auch Anhalt, Wortlaut«. Daraus heute Laut, aus dem sich durch Verkürzung von Strukturen wie nach lüte + Substantiv im Genitiv (wörtl. mach dem Wortlaut ...gemäß, entsprechend, dem Inhalt nach« entwickelt hat.

Luft: Über mhd., ahd. lüft geht die Bezeichnung für das die Erde umgebende Gasgemenge auf germ. *luftuzurück, dessen Herkunft nicht geklärt ist, aber nach Ausweis von anord. loft/luft >Luft; Obergeschoss«, mniederl. lucht/locht >Luft, oberes Stockwerk eines Hauses« zugleich >Bodenraum, Dachstube« bedeutet zu haben scheint. Gerade in diesem Sinn wird nordd. Lucht >Dachboden, Bodenraum« gebraucht, das mnd. lucht >Bodenraum, oberes Stockwerk« fortsetzt und die niederfränkisch-niedersächsische Assimilation ft > cht (s. analog sacht, Schacht unter sanft, Schaft) aufweist, vgl. auch niederd. Utlucht >Erker< unter Auslucht. Lumpen >Lappen, Stofffetzen, altes Kleidungsstück«: Wie Brunnen (s. d.), Galgen, Kasten Knochen ist auch Lumpen aus einem im Mittelhochdeutschen schwach flektierten Substantiv hervorgegangen: lumpe, Gen. lumpen >Lumpen, Fetzen«. Im Sinne von >schlaff Herabhängendes« wird dieses etymologisch mit

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Lupe mhd. lampen >welk niederhängen* in Verbindung gebracht. Die gelegentlich angenommene enge Verwandtschaft mit 5 mobile aufweisendem Schlampe und die sich daraus zwangsläufig ergebende Rückführung auf idg. *(s)lemb(h)-, eine angeblich nasalierte und im Auslaut alternierende Variante von idg. *leb- »schlaff herabhängen(d)< (s. schlaff), bietet zum Teil eine Erklärung für den ausgebliebenen Lautwandel germ, mp > hochdt. mpf Seit dem 17. Jh. ist eine durch Aufspaltung von mhd. lumpe entstandene apokopierte und ebenfalls stark flektierende Nebenform Lump bezeugt, welche zunächst in der Bedeutung »Mensch in zerlumpter Kleidung(zu der) kleinen Burg< (vgl. München unter Mönch sowie Mecklenburg unter dem Gegensatzwort michel >groß mb bzw. Nasalausfall im Auslaut die Lautungen Luxem- und

Letze- entstanden sind. Da die Interpretation von mhd. lütz(e)/lüz (vgl. auch aengl. lyt, niederl. lutje u.a.) als Kürzung (Kopffragmentierung) von lützel (s. d.) kaum vertretbar wäre, wird die Duplizität bei diesem getrennt dargestellt. lützel »kleine Das nach E. Wasserzieher im Schwäbischen noch gebräuchliche Adjektiv ist außerdem Vorderglied in Lützelkoblenz, dem Namen des links der Mosel gelegenen Stadtteils von Koblenz. Zusammen mit dem unter lütt erörterten mhd. lütz(e)/lüz geht es über ahd. luzzil auf germ. *lut(j)-/lut(t)ila»klein, gering< zurück. Daraus sind das altenglische Adverb lyt >wenig< und engl. little »klein< hervorgegangen, Letzteres z.B. attributiv im Namen der Hauptstadt von Arkansas Little Rock (Grundwort: rock »Felsern).

Lux »Einheit der Beleuchtungsstärke (Zeichen: lx)Steuermanns-, Bootsmannsgehilfe< zustande gekommen, mit der niederd. Mät >Kamerad, Genosse< seit dem 18. Jh. bezeugt ist und ins Hochdeutsche Eingang gefunden hat. Das niederdeutsche Wort hält man für eine durch Aphärese entstandene Nebenform von mnd. gemate, das zusammen mit mhd. gemazze, ahd. gimazzo >Speise-, Essens-, Tischgenosse* die gleichbedeutende Soziativbildung *gimatön (s. Genosse) zu germ. *mata-/*mati- >Speise< (s. Matelot, Mett) fortfuhrt. Aus mnd. mate/mat, mniederl. mate/maet wurde im 14. Jh. engl. mate >Kamerad, Genosse; Gehilfe; Maat< übernommen. Als Bestandteil der Fügung Mate's Receipt beispielsweise ist dieses im Frachtverkehr Bezeichnung für die Quittung des Ladeoffiziers über den Empfang der Ware an Bord des Schiffes (eigtl. >Empfangsbescheinigung des MaatsmachenVermittlergeschäfte machen< sowie das zugehörige Nomen Agentis Makler >Vermittler< mit aufrechterhaltenem germanischem -k~) zugrunde liegt. Der englische Kognat ist Bestandteil des wirtschaftlichen Fachausdrucks zur Benennung der Entscheidungsalternative zwischen der Eigenfertigung von Sachgütern, Dienstleistungen oder Produktionsfaktoren und der Beschaffung bei Dritten make or buy (worth >herstellen oder kaufenzurechtmachenVerschönerung des Gesichts mit kosmetischen Mitteln; kosmetisches Präparat; Aufmachung, Verschönerung eines Gegenstands mit künstlichen Mittelm. Über die etymologische Duplizität bei den Partizipien Perfekt von machen und to make s. gemacht.

Macher: Die Bezeichnung für jemanden, der etwas Bestimmtes in die Tat umsetzt oder sich durch die Fähigkeit zum Handeln auszeichnet, ist in gleicher Weise vom Verb machen mithilfe des Suffixes -er (< lat. -arius, vgl. Flieger) abgeleitet wie gleichbed. engl. maker von herkunfts- und bedeutungsgleichem to make (s. machen). Das englische Substantiv ist als gebundene etymologisch adäquate Dublette von Macher Grundwort in Moneymaker >Großverdiener< (< engl. moneymaker, eigtl. >GeldmacherGeldFreund; Bursche, Kerl; Anführer, Macher; Arbeitskollege* übernommen, dessen Vorlage macker >Mitarbeiter< nach E. Seebold auf einer Soziativbildung (s. Genosse) im Sinne von >der (zusammen) mit einem anderen etwas macht< beruhen könnte. Sollte seine durch den Verweis auf aengl. gemaca! gemczcca >Gefährte< unterstützte Annahme stimmen, dann ließe sich auch ahd. (ga)mahhari >Urheber< als eine Art Analogon des niederdeutschen, auch >Helfer; Freund< bedeutenden Wortes heranziehen. Dies würde aber zugleich die Qualifizierung von Macker als etymologische Dublette von Macher in Frage stellen. Sicher ist dagegen dieser Status bei niederd. -maker in als Familiennamen gebrauchten Berufsnamen wie etwa Sc/iomaker (eigtl. >SchuhmacherSchreinemachersgnädige Fraumeine Herrin< (aus gleichbed. lat. mea domina >meine Gebieterin*, s. Dame) entstanden ist. Parallel dazu sind im Deutschen nachweisbar der gleichbedeutende, über engl. madam bekannt gewordene Exotimus Madam1 und bereits im 17. Jh. aus dem Französischen übernommenes Madam2, das zwar in seiner ursprünglichen Bedeutung >Hausherrin< schon veraltet ist, es begegnet aber noch als scherzhafte Bezeichnung für eine dickliche, behäbige Frau und - landschaftlich - für Ehefrau. Gleicher Struktur und Herkunft ist mit der Nebenform ma des Possessivpronomens mia >meine< komponiertes ital. madonna, das im 16. Jh. zu Madonna als Anrede an vor-

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Magd nehme Frauen übernommen, danach in seiner Bedeutung zu >(schöne) Geliebte< herabgesetzt, seit Anfang des 18. Jh. aber Bezeichnung für die Gottesmutter und ihre Darstellung häufig mit dem Jesuskind in der bildenden Kunst wurde. Über die maskuline Entsprechung dieser Anrede im Sinne von >mein Herr< s. Monseigneur, Magd >LandarbeiterinJungfrauDienstmädchen< gebräuchliche Substantiv, aus dem übrigens die Diminutiva Mädchen (17. Jh. in Sachsen und Thüringen aus Mägdchen) und Mägdelein/Mägdlein/Mädel hervorgegangen sind, beruht auf mhd. maget Jungfrau, (unfreies) Mädchen, Dienerin«. Dessen kontrahierte Form mait lebt im nur noch scherzhaft verwendeten Maid >Mädchen< fort.

mager >nicht dick, ohne Fette Über mhd. mager, ahd. magar geht das Adjektiv auf germ. * magra- und von dort aus auf idg. *makro- »lang, mager« (zu *makoder *mak- »dünn, schlankSchmuck; Ordnung; Weltordnung; Welt«, also etwa »große Welt«). Über vlat. *macrus ergab der lateinische Kognat frz. maigre »mager; dürftig«, enthalten im medizinischen Fachausdruck Diabète maigre »vor dem 30. Lebensjahr auftretende Zuckerkrankheit« (eigtl. »magerer Diabetes«, Bezugswort: diabète, französischer Reflex von griech. diabetes »Harnruhr«, im Hinblick auf die abnorme Harnausscheidung wörtl. »die Beine spreizend«, zu diabainein »mit gespreizten Beinen gehen«, aus dia- »hindurch, zwischen, auseinander« und dem mit dt. kommen urverwandten Verb bainein »gehen«, s. Basis),

Magister: Das heute als akademischer Grad und Titel gebrauchte Fremdwort (früher auch im Sinne von »Lehrer« vorkommend) stammt aus lat. magister »Vorsteher, Anführer; Lehrer, Lehrmeister« (zu magis »mehr«, Adverb zu maior »größer«, s. Major1), dessen Genitiv Singular im Ausdruck jurare in verba magistri, eigtl. »auf des Meisters Worte schwören« (s. Wort, in) attributiv auftritt. Auf einer bereits in germanischer Zeit erfolgten Übernahme des Latinismus, der übrigens das Gegenteil von analog strukturiertem Minister (< lat. minister, urspr. »Diener, Untergebener«, s. Ministerium) bildet, beruhen andererseits sowohl seit dem 8. Jh. bezeugtes Meister (ahd. meistar »Baumeister; Künstler; Lehrer, Vorsteher«) als auch über das Englische vermitteltes Master »Leiter bei Parforcejagden; englischer und amerikanischer akademischer Titel« (aus engl. master »Herr,

Meister, Magister« bzw. master of arts, s. Ars, ferner auch in Quiz-, Showmaster, s. Schau), die englische Anrede Mister (abgeschwächte Nebenform von master in proklitischer Stellung) und der Exotismus Massa »ehemalige, von den schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA verwendete Anrede« (verstümmelt aus master). Bei seiner Etablierung ist engl. master z.T. von herkunfts- und bedeutungsgleichem afrz. maistre beeinflusst worden, das frz. maitre »Gebieter, Herr, Lehrer« (z. B. in der veralteten Wortfügung dt. Maitre de Plaisir »Leiter eines Unterhaltungsprogramms«, eigtl. »Meister des Vergnügens«) ergab. Eine andere romanische Fortsetzung des lateinischen Wortes liegt vor in ital. maestro »Meister, Lehrer, Leiter u.a.«, worauf dt. Maestro1 »großer Musiker, Komponist oder Dirigent; Musiklehrer« zurückgeht. Homonym stellt sich dazu Maestro2 »Mistral«, vgl. Magistrale. Magistrale »Hauptverkehrsader, -linie, -Straße«: Die fachsprachliche Bezeichnung ist eine Substantivierung des lateinischen Adjektivs magistralis »meisterhaft, leitend, hauptsächlich« (zu magister »Vorsteher, Lehrer«, s. Magister), das im Deutschen - auf Arzneien bezogen - okkasionell verzeichnet wird: magistral »nach ärztlicher Vorschrift bereitet«. Auf lat. magistralis (ventus) »Haupt(wind)« geht über prov. maestral der Name eines kalten, trockenen Nordwinds im Rhonetal, in der Provence und an der französischen Mittelmeerküste frz. mistral zurück. Die Letzteren sind die Quelle der gleichbedeutenden Exotismen Mistral und Maestrale (dafür gelegentlich auch das ihnen semantisch entsprechende und aus dem Italienischen stammende Maestro2; darüber und über Maestro1 s. Magister).

Magnus: Der einstige römische Beiname im Sinne von »der Große, Angesehene« verdankt seine Wiederbelebung als männlicher Vorname im Mittelalter dem Umstand, dass der latinisierte Name Karls des Großen Carolus Magnus (s. Karl) lautete (vgl. unter seinen fremdsprachlichen Abwandlungen etwa dän. Mogens und schwed. Mans neben Magnus, finn. Mauno, ital. Magno). Er beruht auf lat. magnus m., magna f., magnum n. »groß, mächtig«, dessen Femininum in Fügungen auftritt wie Magna C(h)arta (libertatum) »englisches Grundgesetz von 1215, in dem der König dem Adel Freiheitsgrundrechte garantieren musste; Grundgesetz, Satzung« (aus lat. Magna Charta libertatum »Große Urkunde der Freiheiten«, s. Charts, Libertas), magna cum laude als Bezeichnung für das zweitbeste Prädikat »»sehr gut« bei der Doktorprüfung (eigtl. »mit großem Lob«, s. Laudes), Magna Mater »Große Mutter« als Beiname der phrygischen Göttin Kybele (s. Mutter). Das substantivierte Neutrum Magnum bezeichnet einerseits eine Wein- oder Sektflasche mit doppeltem Fas-

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sungsvermögen (1,5 I), andererseits Spezialpatronen mit verstärkter Ladung in der Waffentechnik. Die Kompositionsform des Adjektivs ist z.B. im Titel für Hochschulrektoren Magni/izmz (eigtl. »Großartigkeit, Erhabenheit«, Grundwort zu facere >tungroß< zurückgeführt, dem auch gleichbed. griech. mégas und aind. mahä- entsprungen sind (s. mega). Mahd1 f. »Mähen; das gemähte Grase Das landschaftlich und dichterisch gebrauchte Femininum geht zusammen mit dem Neutrum österr., Schweiz. Mahd2 »Bergwiese« über mhd. mät f./n., ahd. mäda zurück auf germ. *m(zpa- »Mahd«, eine Bildung zur Verbalwurzel »mähen«, die dt. mähen zugrunde liegt. In Grummet »Heu vom zweiten Grasschnitt«, einer Zusammensetzung mit Bestimmungswort grün (s. d.), ist das unbetonte Grundwort -mät des ihr vorausgehenden mhd. gruonmät zu -met (gebundene Dublette der morphosemantisch differenzierten Mahd1 - Mahd2) reduziert und in der kontrahierten Nebenform Grumt sogar zu ~(m)t entstellt worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Auslaut von südwestd. ö/imd »zweiter Heuschnitt«, in dem E. Seebold eine Vermischung aus mhd. ämät und üemet (Grundwort: Mahd und erster Bestandteil: ä~ »übrig« bzw. uo- »nach«) sehen will.

Majestät »Größe, Erhabenheit«: Das mhd. majestät/ majestcet fortführende Fremdwort beruht auf dem Stamm der obliquen Kasus von lat. maiestas, Gen. maiestatis »Hoheit« (Abstraktum zu maior m./f., maius n. »größer«, dem Komparativ zu magnus »groß«, s. Magnus, Major1). Das seit der Antike zur Anrede und Bezeichnung von Würdenträgern gebrauchte Nomen gilt auch im Deutschen als Titel und Anrede von Kaisern und Königen. Gleiches gilt für engl. majesty (über frz. majesté aus lat. maiestatem, Akk. zu maiestas), das in den Exotismen Her Majesty, His Majesty »Ihre bzw. Seine Majestät« im Hinblick auf die englische Königin bzw. den englischen König enthalten ist. Die frontale Darstellung des thronenden Christus nennt man in der bildenden Kunst Majestas Domini (eigtl. »die Herrlichkeit des Herrn«, s. Dominus), vgl. auch Maestà, das ital. maestà als Bezeichnung für die Darstellung der inmitten von Engeln und Heiligen thronenden Maria (eigtl. »Größe, Erhabenheit«) widerspiegelt. Der Genitiv des lateinischen Substantivs erscheint seinerseits im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Pluralis Majestatis »Plural der Majestät, d.h. der Gebrauch von wir statt ich in der mittelalterlichen herrschaftlichen Ausdrucksweise, worauf folgerichtig Ihr statt du als Anrede zu erwarten war« (s. Plural).

Major Majolika: Während die Franzosen fein glasierte Tongefäße vornehmlich aus Faenza einführten und sie nach dieser italienischen Stadt faience (früher: fayance, s. Fayance) benannten, stammten die nach alter maurischer Technik angefertigten Fayancen für die Italiener selbst aus Mallorca, der größten Insel der spanischen Balearen. Den im 15. Jh. in der präpositionalen Fügung catinus de maiolica »Schüssel aus Majolika« dokumentierten Namen mlat. Maiolica neben primärem Maiorica (für lat. Balearis maior »größeres Balearis«, s. Major1 und vgl. den Namen der zweitgrößten, d.h. kleineren Insel unter Menorca) übertrug man auf Material und Geschirr: ital. maiolica. Dies ergab im 17. Jh. u.a. frz. maiolique (heute: majolique), engl. majolica sowie dt. Majolika, zunächst als Bezeichnung für das Material, seit dem 18. Jh. für die daraus hergestellten Gefäße. Major1 m. »unterster Stabsoffizier«: Der militärische Dienstgrad ist im 16. Jh. entlehnt aus span, mayor »Hauptmann«, einer Substantivierung des Adjektivs mayor »größer, vorgesetzter« (aus lat. maior < *magios, Komparativ zu magnus »groß«, s. Magnus, vgl. Majestät). Im Nominativ und Akkustaiv Singular tritt lat. maior auf z. B. in der Fügung Propositio maior »Obersatz im Syllogismus« (s. Proposition) bzw. im Wahlspruch der Jesuiten (omnia) ad maiorem Dei gloriam »(alles) zur größeren Ehre Gottes« (s. Omnibus, ad, Ziu, Glorie). Aus der attributiven Fügung maior domus »Vorsteher des Hauses«, die im Deutschen sowohl die Zusammenrückung Majordomus (s. Dom1) als auch die Lehnübersetzung Hausmeier ergeben hat, wurde durch Ellipse bereits ahd. meiur/ meior »Oberaufseher, Pächter eines Guts« übernommen, das in Meier »Gutsverwalter«, oberd. »Milchwirt« (zugleich verschieden geschriebener Familienname, 1996 an 5. Stelle unter den 200 häufigsten Familiennamen in Deutschland) fortlebt. In der bairischen Lautung Moar ist dieses außerdem mit der Bedeutung »Kapitän der Vierermannschaft beim Eisschießen« geläufig. Aus dem substantivisch gebrauchten lat. maior entwickelten sich (über afrz. maire, woraus mengt mair) frz. maire und engl. mayor, die als Bezeichnungen für den Bürgermeister in Frankreich bzw. in England und den USA in Form von Exotismen lexikographisch aufgeführt werden: Maire bzw. Mayor. Romanische Reflexe des lateinischen Adjektivs liegen vor in frz. majeur m./ majeure f. und ital. maggiore, enthalten jeweils in majeur, der französischen Bezeichnung für Dur (< frz. majeur, elliptisch aus ton majeur »größerer Ton«), in der Wendung Force majeure »höhere Gewalt« (s. Forsche) und in Lago Maggiore (eigtl. »der größere See«, s. Lache), dem italienischen Namen für Langensee. Auf eine Substantivierung von engl. major »großartig; bedeutend, Haupt-« geht schließlich das englisch gespro-

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Makel chene Femininum Major2 >den Markt dominierende Firma» besonders der Filmindustrie* zurück. Makel m. >Schandfleck; Fehlere Die Quelle dieses Maskulinums ist das zu spätmhd. makel m. zunächst auch in der konkreten Bedeutung »Fleck* übernommene lat. macula f. >Fleck; Schandfleck; Fehler* (durch semantische Analogie nach Fleck, Fehler, Tadel bedingter Genuswechsel im Deutschen). Auf dem lateinischen Femininum beruht auch der anatomische Fachausdruck Macula >fleckförmiger Bezirk an oder in einem Organ; umschriebene Verfärbung bzw. fleckartige Veränderung (z.B. der Haut)*. Aus dem lateinischen Wort sind sowohl frz. maille »Metallring; Fleck* und (durch vom anlautenden m- ausgegangene zusätzliche Nasalierung *mangla/*mancla, woraus gesetzmäßig) span, mancha >Fleck* wie auch ital. macchia >Fleck< ererbt worden. Als Bezeichnung für die wie Flecken aussehenden Büsche auf den kahlen Hängen lieferte Letzteres den Exotismus Macchia/Macchie »charakteristischer immergrüner Buschwald des Mittelmeergebietes* und über adsuffigiertes frz. maquis >Buschwald< (etymologische Dublette von maille, s.o.) auch den Namen der französischen Widerstandsorganisation im 2. Weltkrieg Maquis. Im Sinne von >ein sich gegen seine Umgebung abhebendes Gebiet* fungiert der Hispanismus als Name der in Neukastilien liegenden Landschaft Mancha, mit dem bestimmten Artikel enthalten auch im vollen Namen des Hidalgos Don Quichotte de la Mancha.

mäkeln >Makler-, Vermittlergeschäfte betreiben*: Im 17. Jh. direkt oder über das Mittelniederdeutsche übernommen aus gleichbed. mniederl. makelen. Da dieses Verb erst seit dem 16. bezeugt ist» kann es kaum Ausgangspunkt für das Nomen Agentis makelaer >Vermittler, Makler* (Belege seit dem 13. Jh.» s. Maquereau) sein; daher ist es (wenn auch meist als Iterativbildung zu maken >machen, handeln* interpretiert) eher als Denominativ anzusehen. Im Niederdeutschen etablierte sich neben makelen eine umgelautete Variante mekelen, die über »unterhandeln, feilschen, an der Ware etwas aussetzen* die Bedeutung >tadeln, herumnörgeln* entwickelte und im 18. Jh. hochd. mäkeln (selten auch so viel wie mäkeln) lieferte.

Makkabäus: Männlicher Vorname nach dem Beinamen von Judas Makkabäus, nach dem das jüdische Herrschergeschlecht der Makkabäer im 2. Jh. v. Chr. bis zur Zeitwende benannt ist (vgl. auch die alttestamentlichen Bücher der Makkabäer). Es ist die latinisierte Form des gegen seleuzidische Unterdrückung kämpfenden jüdischen Volkshelden Judas Makkabi (gedeutet als >Hammerschwinger, Hämmerer*» zu hebr. maqqäbay >mein Hammer* oder »hammerar-

tig*, zu maqqaba »Hammer*). Als Gattungsbezeichnung ist Makkabi Name jüdischer Sportvereinigungen.

Makkaroni1 Plur. >RöhrennudelnKloß, Pfannkuchen*). Dieses wird auf griech. makaria >die den Seligen geopferte Gerstensuppe* (eigtl. »Glückseligkeit* bzw. >das zu den Glückseligen Gehörige*, zu makärios »glückselig, glücklich*) zurückgeführt und ist auch die Quelle von frz. macaron »Gebäck aus Mandeln, Zucker, Mehl und Eiweiß*, welches ebenfalls im 17. Jh. gleichbed. dt. Makrone lieferte.

Mal »Zeitpunkt*: Das Substantiv setzt gleichbed. mhd., ahd. mal (< germ. *m&la- »Zeitpunkt*, eigtl. »Abgestecktes, Abgemessenes*» zu idg. »messen*, vgl. Metrum, Modus) fort. Darauf beruhen mal1 »multipliziert mit* (nach W. Pfeifer isoliert aus Fügungen wie mhd. zu wunfezen malen wunfezen »15 mal 15*) und die aus der Zusammenrückung einmal entstandene Schwanzisolierung ugs. mal2. Der erstarrte Genitiv Singular mhd. males (etwa in è males, woraus nhd. e/iemals, vgl. eher) wird heute suffixartig gebraucht, z. B. erst-, oft-, nochmals. Die im Mittelhochdeutschen über »Essenszeit* entwickelte Bedeutung »Essen, Speise* (vgl. analog bei dem englischen Kognaten meal »Mahlzeit, Essen* < aengl. mäl »Maß, Zeitpunkt, Jahreszeit, Malzeit*) wurde seit dem 17. Jh. durch die Schreibweise Mahl orthographisch abgesondert. Malaise »Übelkeit; Unbehagen, Missstimmung; Unglück, Misere*: Übernahme von gleichbed. frz. malaise, einer Zusammenrückung aus mal »übel, schlecht* (< lat. male, Adverb zum Adjektiv malus »schlecht*, vgl. Malum) und aise »Behagen* (aus lat. adiacens, dem Partizip Präsens von adiacere »an, bei, neben etwas liegen*, s. Adjazent) in Wendungen wie se sentir/ètre mal à Farse »sich unwohl fühlen, missgestimmt sein*. Gleicher Herkunft ist vermutlich nordd. Malesche »Ungelegenheit, Llnannehmlichkeit, Schererei* (weniger glaubwürdig ist seine von U. Hermann angenommene Herleitung aus frz. malchance »Pech, Unglück*).

Malum »chronische Krankheit, Gebrechen, Übel*: Das medizinische Fachwort beruht auf gleichbed. lat. malum, dem substantivierten Neutrum von malus m., mala f. »schlecht, schlimm, schädlich; Fehler, Gebrechen; Übel, Unheil, Schaden*. Dessen Substantivierung Malus bedeutet in der Kraftfahrzeug-Versiche rung »Prämienzuschlag bei Häufung von Schadensfällen*, sonst bezeichnet sie den zum Ausgleich für eine bessere Ausgangsposition erteilten Punktnachteil (im Gegensatz zu Bonus »Vorteil, Vorsprung*, s. Bon).

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mano

Der Ablativ des Maskulinums und des Femininums liegt entsprechend vor in der bildungssprachlichen Fügung sensu maio >im schlechten Sinn< (s. Sensus) und in der rechtssprachlichen mala fide >in böser Absicht; wider besseres Wissen< (s. Fides). Dem lateinischen Adjektiv im Sinne von >schlecht< entstammen ital. malo m., mala f. etwa in Malaria (eigtl. »schlechte Luftklein; gering* als Formen jeweils ohne und mit s mobile s. schmal.

über ahd. manag/manig zurück auf germ. *managa-/ *maniga- »mancher, viel* (daraus auch engl. many »viele*). Die heutige Lautgestalt des Wortes beruht auf der von Luther gestützten mittel- und niederdeutschen Aussprache. Die ursprüngliche Semantik und Lautung bewahren seine im Rahmen der Adjektive mannigfaltig, mannigfach gebunden auftretenden Dubletten (vgl. auch das von ahd. manag abgeleitete Abstraktum managt/menigi »Vielheit, Fülle, Anzahl*, woraus nhd. Menge). Im Gegensatz zur ungeklärten Herkunft der Mangold1 heißenden Gemüsepflanze wird der Familienname Mangold2 (vgl. Manegoldus, bezeugt 1240 in Halberstadt) im DudenFamiliennamen als Zusammensetzung aus manag »viel* und der Wurzel von walten (s. Herold) gedeutet.

Malve: Der Name der Zier- und Heilpflanze mit rötlichen Blüten, die sonst wegen ihrer käselaibartigen Früchte Käsekraut oder Käsepappel genannt wird, ist im 16. Jh. über ital. malva aus gleich lautendem lat. malva (vgl. auch ihre botanische Bezeichnung Malva) entlehnt. Aus dem lateinischen Wort, dessen Ursprung man wie den von gleichbed. griech. maläch in einer mediterranen Substratsprache vermutet, hat sich lautgerecht frz. mauve »Malve; malvenfarbig* entwickelt. Aus diesem übernommen ist das Adjektiv mauve, das auch durch -farbig, -färben (s. mauvefarben) verdeutlicht auftritt und schriftsprachlich ebenso unflektierbar ist wie viele andere Farbbezeichnungen, z.B. bleu (s. blau), chamois (s. d.), cognac (s. Cognac1), creme (s. Chrisam), orange (s. Orange1), rosa (s. d.).

Manier »Art und Weise; Gewohnheit; musikalische Verzierung; Künstelei*: In der Lautform mhd. maniere »Art und Weise, Benehmen* entlehnt aus afrz. maniere, dem das substantivierte Femininum von lat. manuarius »zu den Händen gehörig*, galloroman. »handlich, geschickt, gewohnt* (zu manus »Hand*, s. mano) zugrunde liegt. Sein Plural Manieren neigt zur Lexikalisierung im Sinne von »(Gesamtheit der) Umgangsformen; (gutes) Benehmen*, und zwar nach dem Vorbild von seit dem 17. Jh. bezeugtem gleichbed. frz. les belles manières (vgl. Beau). Über das Provenzalische übernommen wurde ital. maniera »Art und Weise; Stil* (vgl. Maniera greca »die byzantinisch geprägte italienische Malerei, besonders des 13. Jh.*, eigtl. »griechischer Kunststil*, s. Graecum), und aus dem Altfranzösischen stammt gleichbed. engl. manner, vgl. dessen Plural in der Fügung Comedy o/Manners »ein beliebter Komödientyp der englischen Restaurationszeit im 17. Jh.< (eigtl. »Sittenkomödie*, s. ab1, Komödie).

man: Seit dem 8. Jh. bezeugtes Indefinitpronomen, hervorgegangen aus ahd. man »Mensch, Mann*, dem gleichbed. niederl. man (vgl. Männchen), engl. man, Plur. men (z.B. in Chairman, Gentleman, s. jeweils Katheder, gentil, bzw. in Angry YoungMen, s.jung) als Kognaten entsprechen. Analoge funktionale und semantische Verschiebung weist übrigens frz. on »man* auf, das sich aus lat. homo »Mensch, Mann* entwickelt hat (s. Homo, auf dessen germanische Entsprechung *gumön-/*gman-ön E. Seebold Mann/man durch Erleichterung der Konsonantengruppe im Anlaut zurückzuführen sucht). Über mhd. man (Gen. mannes) ergab das althochdeutsche Substantiv nhd. Mann mit der kodifizierten Pluralform Männer, während die veraltete Mannen nur noch historisierend im Sinne von »Lehns-, Dienstleute, Gefolge* auftritt. Aus ahd. eo/io »immer, je* (daraus nhd. je, s. d.) und man ist die Zusammenrückung ioman (negiert: nioman) »irgendein (bzw. kein) Mensch* entstanden, das über mhd. (n)ieman mit unorganischem (epithetischem) t/d in jemand bzw. niemand fortlebt. manch: Das mhd. manec/manic »viel, manch, vielfach, vielgestaltig* fortführende Indefinitpronomen geht

Männchen: Dem hochdeutschen Diminutiv zu Mann (s. man) entsprechen im Sinne von »kleiner (bedauernswerter) Mann; Zwerg* mit unverschobenem -kim Suffix nordd. Männeken und südniederl. mannekijn. Aus dessen Vorstufe mniederl. mannekin wurde frz. mannequin »Männchen, Figürchen, bildliche Menschendarstellung* entlehnt, das im 19. Jh. die Bedeutungen »Schneider-, Schaufensterpuppe* sowie (in der Fügung mannequin vivant »lebende Puppe*) »Person, die die neuesten Modeschöpfungen präsentiert* entwickelte und mit ihnen dt. Mannequin lieferte. mano in mano destra, mano sinistra »mit der rechten bzw. linken Hand (zu spielen)*: Das in diesen Vortragsanweisungen auftretende Fremdwort repräsentiert ital. mano »Hand*. Es entstammt aus lat. manus f. »Hand*, das als Erbwort auch in gleichbed. frz. main fortlebt, dessen Plural in analogen musikalischen Fachausdrücken enthalten ist: à deux mains

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Mantel >für zwei Hände*, à quatre mains >vierhändig< (s. ad, zwei, vier). In scherzhaften festen Wendungen wie ein Brot aus der Lamäng essen, aus der (kalten, freien) Lamäng verbreitete sich von Berlin aus ugs. Lamäng/ Lamain >aus der Hand, ohne Teller und Besteck; aus dem Stegreif, unvorbereitet*, in dem das französische Substantiv main mit agglutiniertem bestimmtem Artikel la erscheint. Als Kompositionsform von lat. manus fungieren mani- und auf dem Ablativ Singular manu (vgl. manu propria/propria manu >mit eigener Hand» eigenhändig*, s. proper) beruhendes manu-, vgl. manipulieren (< frz. manipuler >behandeln, bearbeiten*, zu manipule >eine Handvoll* für gleichbed. lat. manipulus, entstanden auf der Basis von manus und plere >füllenvollHandarbeitBearbeiten, Machen*, s. Facture), Manuskript (< mlat. manuscriptum >eigenhändig Geschriebenes*, aus manu- + scriptum geschrieben*, s. Skript); gekürzt auch in Manöver (über frz. manoeuvre aus lat. manuopera >HandarbeitAuftrag, Befehl*, substantiviertes Partizip Perfekt zu mandare >übergeben, anvertrauen; auftragen, befehlen*, komponiert aus manus und dare >gebenin die Hand geben*, vgl. Kommandeur). Der Nominativ und der Akkusativ des Latinismus stehen in der von Seneca und Petronius gebrauchten Sentenz manus manum lavat >eine Hand wäscht die andere*, wörtl. >die Hand wäscht die Hand* (zur Rolle von lat. lavare >waschen< als Quelle etymologischer Dubletten im Deutschen s. laben); die Sentenz gilt als eine Umbildung von Epicharms Fragment »Hand wird nur von Hand gewaschen, wenn du nehmen willst, so gib!« (so in Goethes Epigramm »Wie du mir, so ich dir«). Jeweils im Akkusativ Singular und Plural steht ferner das lateinische Wort im Hinweis bei Medikamenten ad manum medici bzw. ad manus medici >zur Hand/zu Händen des Arztes* (s. Medikus).

Mantel: Bereits in althochdeutscher Zeit entlehnt aus vlat. *mantellus m. >Hülle, Decke* neben gleichbed. lat. mantellum n. (Diminutiv zu mantus >kurzer Mantel*, vermutlich keltischer Herkunft). Aus lat. mantellum entwickelte sich lautgesetzlich frz. manteau, das gelegentlich auch als dt. Manteau >leichter Damenmantel* lexikographisch verzeichnet wird. Die eindeutige Zuordnung von Mantille1 Schleieroder Spitzentuch der traditionellen Festkleidung der Spanierin* und Mantille2 >Fichu; halblanger Damenmantel* zu diesem Dublettenpaar scheitert an der widersprüchlichen Behandlung von deren Vorlage span, mantilla, das zum Teil als feminine Variante von lat. mantellum, zum Teil als separate Ableitung

von span, manta >Decke; Umhang* angesehen wird. Auf jeden Fall würden sie selbst ein Dublettenpaar bilden, sofern der Hispanismus Mantille1 und über frz. mantille Tanges Kopftuch* vermitteltes und französisch gesprochenes Mantille2 lexikalisch auseinander gehalten werden, wie dies etwa im Duden-Fremdwörterbuch der Fall ist. Maquereau/Mac >Zuhälter*: Das im Jargon vorkommende Fremdwort und seine Kopffragmentierung stammen aus den für die niedrigen Sprachschichten charakteristischen frz. maquereau und mac. In der Romanistik wird seit dem 13. Jh. bezeugtes maquereau (eigtl. >Kupplermachen< denn zu makelen, s. mäkeln, vgl. ferner das herkunftsmäßig unklare, in diesem Zusammenhang aber dennoch in Betracht gezogene afrz. maquerel >Makrele; Kuppler*) hergeleitet. Aus dem Mittelniederländischen wurde im 15. Jh. mnd. mäkeler/mekeler > Vermittler, Makler* übernommen, das seinerseits im 17. Jh. hochd. Makler lieferte. Marabut islamischer Einsiedler oder Heiligere Der Exotismus geht über gleichbed. port, marabuto zurück auf arab. muräbit, eigtl. Bezeichnung für die Bewohner eines der ribät genannten Wehrklöster, welche die Araber nach der Eroberung Nordafrikas als militärische Stützpunkte errichteten. Da ihre Bewohner als tapfere, wehrhafte und zugleich fromme Männer galten, wurde der Begriff muräbit im Volksmund zu >Einsiedler, Asket» Heiliger* verallgemeinert. Die Bezeichnung wurde dann scherzhaft auf eine tropische Storchenart wegen des komisch-würdevollen Aussehens dieses Vogels übertragen und ergab im 19. Jh. durch französische Vermittlung dt. Marabu.

Marburg (a. d. Lahn): D. Berger hält den Namen der im 12. Jh. an der oberen Lahn entstandenen Stadt (im 13. Jh. Marhpurc/Marcborch) für eine aus *Marbachburg unter Auslassung des Mittelglieds gekürzte Klammerform, in deren Bestimmungswort Marbach- sich der Gewässername Marbach (eigtl. >GrenzbachGrenzeBrennen; brennendes Holzscheit*, brinnan >brennen*, brennen >anzünden*) wurde die heute in Slowenien liegende Stadt 1836 von S. Vraz zu Maribor slawisiertbzw. slowenisiert» das gelegentlich auch im Deutschen neben der einheimischen Bezeichnung auftritt.

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Mark »Grenzland, -gebiete Der Historismus geht nach E. Seebold über mhd. marke, ahd. marha/marcha zurück auf germ, *mark/*markö »Grenzgebiet*, mit dem der lateinische «-Stamm margo, Gen. marginis »Rand, Grenze< (etwa in der ablativischen Fügung in margine >am Randes s. in, und als medizinischer Fachausdruck Margo »Rand, Begrenzung, Randleiste eines OrgansFlurgrenze< tritt Mark auf im Ländernamen Dänemark, verstümmelt im Ortsnamen Marburg (s. d.), im Familiennamen Markwart/ Markward(t) und dessen kurioserweise graphisch entstellter Variante Marquart (wörtl. »Grenzschützers s. Wart). Im Falle tatsächlicher Herkunftsgleichheit des Germanismus und des Latinismus ließe sich auch der auf dessen französischer Fortsetzung beruhende Gallizismus Marge »Unterschied, Spielraum; Differenz zwischen Selbstkosten und Verkaufspreis, zwischen den Preisen für die gleiche Ware an verschiedenen Orten, zwischen Ausgabekurs und Tageskurs eines Wertpapiers u.a.< hier einreihen.

Marke »an einer bestimmten Stelle angebrachte Markierung; Handels-, Waren-, Fabrikzeichen; Erkennungs-, Dienst-, Garderoben-, Briefmarke*: Seit dem 17. Jh. bezeugte Entlehnung von frz. marque »Zeichen, Kennzeichen*, einer Rückbildung aus marquer »kennzeichnen*, das seinerseits dt. markieren geliefert hat, selbst aber über ital. marcare »mit einem Zeichen versehen* und dessen Ausgangspunkt marco »Zeichen, Marke* zurückgeht auf die germanische Grundlage *mark- »Zeichen* von dt. Mark »Grenzland* (urspr. »Grenze; Grenzgebiet*, s. Mark). Der auch ins Englische Aufnahme gefundene Gallizismus ist Grundwort des Wirtschaftsterminus Benchmark (s. Bank1).

Marquise Marmaräs und daher verdeutlichend dt. Marmarameer (dafür in der Antike Propontis, heute Propontida, eigtl. »Vormeer*) gebildet sind, stammt aus griech. marmaros (ursprünglich wohl »Felsblock, gebrochener Stein*), das im 8. Jh. über lat. marmor die dissimilierte Form ahd. marmul/murmul »Marmorstein* lieferte. Über mhd. marmel/mermel lebt diese noch in frühnhd. Marmel m. »Marmor* fort, bis es im 16. Jh. unter humanistischem Einfluss zu Marmor relatinisiert wurde. Daneben blieb jedoch landsch. Murmel »kleine (Glas-, urspr. Marmor)kugel zum Spielen* mit der Variantenreihe Marmel/Marbel/Märbel bestehen, deren feminines Geschlecht sich durch Kopfisolierung aus mhd. *marmelkugele/*marmelküle »marmorne Kugel* oder zumindest durch Anlehnung (semantische Analogie) an mhd. kugele/küle f. »Kugel* (s. Kugel) erklären lässt. Die bei den Varianten Marbel/Märbel weitergeführte Dissimilation m-m> m-b hat ihr Analogon in afrz. marbré, dem Nachfolger von lat. marmor und Vermittler von engl. marble »Marmor*. Dieses ist Vorderglied von engl. marblewood »Andamanen-Ebenholzbaum* (eigtl. »Marmorholz*, s. Witt2), das in Marblewood als Handelsbezeichnung für Ebenholz vorliegt.

marokkanisch »Marokko, die Marokkaner betreffend; von den Marokkanern stammend, zu ihnen gehörende Ableitung vom Namen des nordwestafrikanischen Staates Marokko, der über port. Marocos und span. Marruecos zurückgeht auf den Namen von Marrakesch (älter Marrukus), gegründet im 11. Jh. als Hauptstadt des entstehenden Reiches der Almoraviden. Das Adjektiv und die Einwohnerbezeichnung Marokkaner sind ihrem Wesen nach Adsuffigierungen der Art, wie sie unter afrikanisch als Bildungen mit dem lateinischen Suffix -anus dargestellt wurden. Mit demselben Suffix (im Unterschied zum anders gebildeten maroquin »feines, genarbtes Ziegenleder*, woraus gleichbed. dt. Maroquin) ist von Maroc frz. marocain »marokkanisch* abgeleitet, das Attribut in der Fügung crèpe marocain »marokkanischer Krepp*, die die Quelle von dt. Crèpe marocain/ Marocain »fein geripptes (Kunst)seidengewebe in Taftbindung* (s. Crèpe1) ist.

Markt: Das seit dem 8. Jh. (ahd. markät, mhd. market) bezeugte Lehnwort geht wie gleichbed. engl. market (seit dem 12. Jh. nachweisbar) über vlat. *marcatus zurück auf lat. mercatus »Handel, Kauf; ( Jahrmarkt* (zu mercari »Handel treiben, erkaufen*, einer Ableitung von merx, Gen. mercis »Ware, Kram*). Während der Amerikanismus supermarket über Supermarket bereits zu Supermarkt eingedeutscht wurde, bewahrt der Latinismus seine englische Lautgestalt in den vom Duden-Fremdwörterbuch verzeichneten Zusammensetzungen Bear- und ßu/Zmarket »Markt mit fallenden bzw. steigenden Börsenkursen* (zu den Bestimmungswörtern und ihrer übertragenen Bedeutung s. Bär und Bulle1).

Marquess: Der Titel des britischen Hochadels (Nobility), der im 14. Jh. aufkam und in der Rangliste an zweiter Stelle steht, geht ebenso wie der spanische Marqués auf frz. marquis »Markgraf* zurück. Dieses und ital. marchese, jeweils im Deutschen repräsentiert durch Marquis und Marchese ebenfalls als fremde Adelstitel und als Bezeichnungen für ihre Träger, sind von germ, (afränk.) *mark- »Grenzmark* (s. Mark) abgeleitet.

Marmor »grobkörniger, metamorpher Kalksteine Der Name dieser Gesteinsart, auf dessen Basis griech.

Marquise »französischer Adelstitel; Trägerin dieses Titels*: Femininum zu Marquis, wie in Bezug auf italie-

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Marsch nische Verhältnisse geltendes Marchesa zu Marchese (s. Marquess) gehört. Zu span. Marqués gehört entsprechend Marquesa, dessen Plural im Namen der 1595 von Alvaro de Mendaha Neira entdeckten, 1842 an Frankreich gekommenen Marquesasinse/n (frz. Iles Marquises, vgl, Insel) vorliegt. Bis Mitte des 19. Jh. war die französische Schreibweise üblich auch für die danach orthographisch unterschiedene Dublette Markise >aufrollbares Sonnendach, Schutzdach, Schutzvorhang aus festem Stoffs um 1700 in der Seemanns- und Soldatensprache entstandene scherzhafte Bezeichnung für das zusätzliche Zeltdach über dem Zelt eines Offiziers, wodurch es sich von dem des einfachen Soldaten abheben sollte. Marsch »vor Küsten angeschwemmter fruchtbarer Bodens Im 17. Jh. übernommen aus dem Niederdeutschen, wo es über mnd. marsch/mersch und asächs. mersk >sumpfige Niederung« auf westgerm. *marisk>sumpfiges Gelände< (eigtl. »zum Meer Gehöriges«, zu *mari >stehendes Gewässer«, s. Meer) zurückgeht. Über afränk. *marisk ergab das Wort afrz. marois/ marais >Sumpf«, aus dem die gleichbedeutende Rückentlehnung mnd. maras stammt, welches in Anlehnung an mör >Moor< auch in der Lautung möras auftrat und um 1600 epithetisches -t aufweisendes hochd. Morast >sumpfiges Gelände; Schlamm« lieferte. Marter >Folter, Qual, Peinigung«: Das in den Varianten martyra/martira/mart(e)re bereits im Althochdeutschen nachweisbare und heute eine Bedeutungserweiterung aufweisende Wort ist aus kirchenlat. martyrium >Zeugnis; Blutzeugnis für die Wahrheit der christlichen Religion« entlehnt, das aus gleichbed. griech. martyrion (zu martyr »Zeuge, Blutzeuge«) stammt. In adäquater lateinischer Lautgestalt wurde Letzteres im 19. Jh. erneut übernommen: Martyrium >Opfertod, schweres Leiden um seines Glaubens oder seiner Überzeugung willen«. Maske: Im 17. Jh. in der Bedeutung >Gesichtslarve; Kostüm« (seit dem 18. Jh. auch >VerkleideterScherz; Possenreißerei; Verspottung« (zu Sahara >spotten, sich lustig machen«) oder auf roman. *masc- >schwarz< in aprovenz., mlat. masca >Hexe< (daher die von W. Pfeifer angesetzte ursprüngliche Bedeutung >schwarze dämonische Gestalt; die eine solche Gestalt darstellende Maske«) zurückgeführt. Über span, mascara gründet sich auf die italienische Form jedenfalls engl. mascara als Quelle der etymologischen Dublette Mascara1 f. >pastenförmige Wim-

perntusche«, die im Deutschen auch als Maskulinum Mascara2 »Stift oder Bürste zum Aufträgen von Wimperntusche« auftritt. Matelot »zum Matrosenanzug getragener runder Hut mit Band und gerollter Krempe«: Zweifellos Übernahme von frz. matelot, das eigentlich nur >Seemann< bedeutet. Es ist durch Dissimilation m-lSpeise-, Tischgenosse« entsprechende Zusammensetzung (Vorderglied maz >Speise, Mahl« aus gleichbed. germ. * mata-/* muti-, vgl. Maat, Mett; über das Grundwort s. Genosse) und erschließt daher die Bedeutung >Speisegenosse« (da die germanischen Schiffsmannschaften angeblich in Mahlgenossenschaften aufgeteilt waren), andererseits niederl. matte >Matte< als ersten Bestandteil, so dass das Ganze im Sinne von >Matten-, Schlafgenosse« interpretierbar wäre. Die Lösung dieses Rätsels würde die eindeutige Qualifizierung der Komponenten Mate-/Mat- des obigen Dublettenpaars als gebundene Dubletten entweder von Matte oder von Mett bzw. als mit Maat verwandt ermöglichen. Material >Werkstoff» Grundstoff; Hilfsmittel; Unterlagen, Belege«: Im 15. Jh. als Pluralform materialien pharmazeutische Substanzen; Baustoffe« entlehnt aus lat. materialia, dem substantivierten Neutrum Plural von materialis >zur Materie gehörig, stofflich« (zu materia >Stoff«, s. Materie). Über Materiale bildete sich im 18. Jh. der Singular Material (auch im Sinne von >Inhalt«) heraus, an das sich das aus frz. matèrici übernommene und somit ebenfalls auf lat. materialis beruhende Adjektiv materiell >die Materie betreffend, stofflich; das Material betreffend; auf Besitz, Gewinn bedacht; finanziell, wirtschaftlich« neben der semantisch nicht so mannigfaltigen direkten Entlehnung material »stofflich, inhaltlich, sachlich« anschloss. Materie »stoffliche Substanz, Stoff; Gegenstand; Inhalt, Thema«: Das Substantiv setzt mhd. materje/materge »Stoff; Körper, Gegenstand; Flüssigkeit im Körper« fort, das aus lat. materia »Bauholz, Stoff; Aufgabe, Anlage, Ursache« (einer Bildung zu mater »Mutter«, ursprünglich wohl im Sinne von »der hervorbringende, nährende Teil des Baums«, s. Mutter) übernommen wurde. Während sich das Fremdwort im Deutschen auf die Bezeichnung der stofflichen Seite eines Naturkörpers spezialisierte, übernahm die Ableitung Material (s. d.) die ursprüngliche Bedeutung

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>Stoff, aus dem etwas gefertigt wirdTreibholzstromGeliebte (eines Fürsten)Herrin; Lehrerin* des französischen Substantivs maitresse (< afrz. maistresse, mit dem Movierungssuffix -esse abgeleitet von afrz. maistre >Herr; Lehrer, Meister*, s. Magister). Aus dem Altfranzösischem übernommenes mengl. maistresse entwickelte sich durch Abschwächung zu engl. mistress, das selbst und die daraus hervorgegangene lexikalisierte Kopffragmentierung miss als englisch-amerikanische Anreden vor dem Eigennamen auch im Deutschen bekannt wurden: Mistress >Frau ...* bzw. Miss >Fräulein ...< (Letzteres in Verbindung mit einem Orts- oder Ländernamen auch im Sinne von Schönheitskönigin*).

Matrix: Der Latinismus, der hauptsächlich in der Medizin und Mathematik jeweils im Sinne von >Keimschicht, Mutterboden; Hülle der Chromosomen* und geordnetes Schema von Werten, für das bestimmte Rechenregeln gelten* gebraucht wird, vertritt lat. matrix, Gen. matricis »Muttertier, Stammmutter; Gebärmutter*, spätlat. »öffentliches Verzeichnis* (nach dem Vorbild von lat. genetrix! genitrix »Mutter, Erzeugerin*, nutrix »Ernährerin; Amme* gebildet zu mater »Mutter*, s. Mutter). Herkunftsgleich ist seit Mitte des 13. Jh. mit der Bedeutung »Gebärmutter*, seit dem 16. Jh. auch »Gussform in der Druckerei* bezeugtes frz. matrice. Daraus wurde im 17. Jh. die Dublette Matrize als Fachwort der Druckersprache entlehnt, das heute außerdem eine Präge- und Pressform, ein gewachstes Papierblatt zur Vervielfältigung sowie die negative Form bei der Herstellung von Schallplatten bezeichnet. Matutin »nächtliches Stundengebet*: Eindeutschung der kirchenlateinischen Bezeichnung für den frühmorgendlichen Gottesdienst matutina, die elliptisch entstanden ist aus dem Femininum von lat. matutinus »morgendlich* in kongruierten Fügungen wie matutina hora (eigtl. »frühe Stunde*, s. Uhr), matutina vigilia »Frühmesse* (Bezugswort: vigilia »Nachtwachen; Nachtfeier*), laudes matutinae »Morgenlob* (vgl. Laudes). Eine kontrahierte Form davon mattina wurde bereits zu ahd. mattina/mettina, mhd. meten/

Maus metten/mettine/mettin/metti »Frühmesse* entlehnt, das in Mette »mitternächtlicher oder frühmorgendlicher Gottesdienst vor einem hohen kirchlichen Fest* (nach W. Pfeifer ursprünglich Name des ersten der sich siebenmal täglich wiederholenden klösterlichen Stundengebete, das vor Tagesanbruch abgehalten wurde) fortbesteht.

Maureske/Moreske »aus der islamischen Kunst übernommenes, vor allem in der Renaissance verwendetes Flächenornament aus schematischen Linien und stilisierten Pflanzen*: Eindeutschung einer Substantivierung von frz. mauresque/moresque (eigtl. »maurisch*), das über ital. moresco auf span, morisco »maurisch* (zu moro »Maure*, s. Mohr) zurückgeht. Durch italienische Vermittlung bzw. direkt aus dem Spanischen übernommen sind die Exotismen Moresca/ Morisca f. »maurischer, Sarazenenkämpfe schildernder, mit Schellen an den Waden ausgeführter Tanz* und Moriske m. als Bezeichnung für einen nach der arabischen Herrschaft in Spanien zurückgebliebener Maure, der (nach außen hin) Christ war. Angesichts dessen, dass das span, -isco, ital. -esco, frz. -esque zugrunde liegende romanische Suffix germanischer Herkunft ist (s. arabisch, vgl. kryptisch unter Groteske) und mit dt. -isch ursprungsgleich sind, kann den obigen substantivierten Adjektiven auch dt. maurisch als etymologisch adäquate Dublette zugerechnet werden. Mauritius: Der Inselstaat wurde von Jacob van Neck nach dem niederländischen Feldherrn und Politiker Moritz Prinz von Oranien, Graf von Nassau benannt. Sein niederländischer Name Maurits vertritt ebenso wie dt. Moritz/österr. Moriz, engl. Morris/Maurice, frz. Maurice, ital. Maurizio, span. Mauricio den lateinischen Mauritius, eine Weiterbildung von Maurus (s. Mohr). Deren lateinische Vorlage fand als Name des heiligen Mauritius Verbreitung, der im 3. Jh. Anführer der Thebaischen Legion war und in der Schweiz bei Agaunum (heute ihm zu Ehren St. Moritz) den Märtyrertod starb.

Maus: Über germ. *müs- geht der deutsche Name des grauen Nagetiers wie auch sein ebenso diphthongierter englischer Kognat mouse zurück auf das indogermanische Femininum *müs- (möglicherweise zur Verbalwurzel *meuo- »schieben, bewegen*, also etwa »die Stehlerin* oder »die sich Bewegende*?). Herkunftsgleich mit dem Germanismus sind lat. mus >Maus< (vgl. den zoologischen Namen der Hausmaus Mus musculus L. und das auf dem Diminutiv musculus beruhende Lehnwort Muskel, s. d.) und griech. mys »Maus; Muskel* (vgl. dessen Kompositionsform myo- in Myokard »Herzmuskel*, vgl. Herz). Da man das mausähnliche Gerät zur Positionierung des Cursors auf dem Computerbildschirm auf Englisch mouse nennt, wurde Mouse zur zeitweiligen grapho-

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Mauser semantischen etymologischen Dublette von dt. Maus, bis ihre Bedeutung von Maus selbst übernommen wurde, wie dies bei Mickymaus fur W. Disneys Figur Micky Mouse lange zuvor vor sich gegangen war. Sofern die Bezeichnung der Vertreter der Nagetiergattung Marmota ahd. murmunto/murmento, mhd. (diminuiert) mürmendin/murmedin traditionell aus einem romanischen Reflex von mlat. murem montis (Akkusativ zu mus montis >BergmausMurmeltiermurmeln< interpretiert) und an Tier ohne weiteres als gebundene etymologische Dublette von Maus ansehen.

Mauser1 >Federwechsel der Vögele Das feminine Abstraktum hat im 19. Jh. älteres Mause abgelöst, das über mhd. müze zurückgeht auf gleichbed. mlat. muta, eine Bildung zu lat. (pennas) mutare >(die Federn) wechselns welches über ahd. müzön, mhd. müzen dem noch im 19. Jh. gebräuchlichen mausen zugrunde lag. Dieses wurde dann von mausern verdrängt, dessen -r- W. Pfeifer als mögliche Anknüpfung an Mauser2 >sich mausernder Vogel« zu erklären versucht. Sollte diese Annahme zutreffen, dann wäre mausern eine Art Rückbildung aus Mauser2 und ließe sich daher — im Gegensatz zum untergegangenen mausen - nicht als etymologische Dublette von aus dem lateinischen Verb erneut entlehntem mutieren ansehen. Demgegenüber ist nicht diphthongiertes und unverschobenes, aber sonst formgleiches niederd. Muter >Mauser< (neben gleichbed. älterem Mute) gebundene Dublette von Mauser1 in der fachsprachlichen Zusammensetzung Mutterkrebs »schalenloser Krebsmalvenfarbiggrößter, mächtigsten (lautlich aus *magsomos entwickelter Superlativ von magnus >großoberster Grundsatz, wichtigste Regel« (vgl. Proposition, Regel), wurde im 17. Jh. unter Einfluss von frz.

maxime zu Maxime >Hauptgrundsatz, Leitsatz, Lebensregel« (mit auf die vorletzte Silbe verlagerter Betonung) umgestaltet. Das Maskulinum des lateinischen Adjektivs ist Attribut in der als Titel der römischen Kaiser und des Papstes gebrauchten Fügung Pontifex maximus (eigtl. »oberster Priester«, s. Pons), und eine Substantivierung seines Neutrums liegt in Maximum »Höchstwert, oberer Extremwert; etwas Unüberbietbares« vor. Als Analogiebildung zu mini (s. d.) gilt die auf maximus beruhende, adjektivisch gebrauchte Kopffragmentierung maxi >knöchenlang (auf Röcke, Kleider, Mäntel bezogen)«, die als umgangssprachliche Isolierung aus Maxirock und Maxikleid substantivisch jeweils als Maskulinum und Neutrum auftritt: Maxi1 m., Maxi2 n. (Letzteres auch als Substantivierung im Sinne von »knöchellange Kleidung; Länge bis zu den Knöcheln« funktionierend). Eine Deglutination des römischen Beinamens Maximus (daraus ital. Massimo) stellt der im Deutschen nicht übliche Personenname Maxim (vgl. den Vornamen des russischen Schriftstellers Maxim Gorki bzw. den Familiennamen des amerikanischen Konstrukteurs und Erfinders Sir H. S. Maxim) dar, während dt. Max als Fragmentierung von Maximilian (dissimiliert aus zu maximus gebildetem Maximinianus) gilt.

Mäzen »Kunstfreund; freigebiger Kunstgönner«: Ein weiteres Eponym (s. d.), denn das Wort geht auf den Namen des reichen, Kaiser Oktavian (s. August) nahe stehenden Römers C. Cilnius Maecenas (etwa 70-8 V. Chr.) zurück, der Dichter wie Properz, Rufus, Horaz und Vergil großzügig unterstützte. Aus dem Umstand, dass im Zeitraum 16.-18. Jh. das Appellativ in Anlehnung an den lateinischen Plural Maecenates meist in der Lautform Mäzenat auftrat, erklärt sich die abweichende Struktur der mit Mäzen zusammenhängenden Ableitungen mäzenatisch, Mäzenatentum, gelegentlich auch Mäzenatin neben Mäzenin. median »in der Mittellinie eines Körpers oder Organs gelegen«: Das in der Anatomie gebräuchliche Adjektiv beruht auf lat. medianus »mittler, in der Mitte befindlich«, einer Bildung zu medium »das Mittlere, in der Mitte Befindliche« (s. mitten). Substantivierungen dazu sind der geometrische Fachausdruck Mediane f. »Seitenhalbierende eines Dreiecks; Verbindungslinie von einer Ecke eines Tetraeders zum Schwerpunkt der gegenüberliegenden Seite« und der in Anlehnung an engl. median »Mittelwert« in die Statistik eingeführte Median m. »Zentralwert«. Auf mezzana, das substantivierte Femininum von mezzano »mittler«, dem italienischen Fortsetzer von lat. medianus, führt man Besan »Hinter-, Besanmast; Gaffelsegel am Hintermast, Besansegel« zurück, das im 17. Jh. über mniederl. besane (älter mesane, mit Umwandlung me- > be- unter Einfluss des Präfixes

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be-) entlehnt wurde. Das mediterrane Wort (daraus außer niederl. bezaan - vgl. span, mesana, engl. mizen über frz. misaine, das gleichbed. afrz. migenne aus katalan. mitjana >Mittel[segel]< verdrängte) ist als Bezeichnung des zwischen Großmast und Heck befindlichen Mastes zu verstehen. Für unwahrscheinlich hält W. Pfeifer seine Herleitung aus arab. mazän >Mast< (nach P. A. F. van Veen: mizän, einer Ableitung vom Verb wazana >er wog< mit dem Instrumentalpräfix mi-, sofern der Bisam unter bestimmten Umständen ein wichtiger Faktor für die Schiffssteuerung sei), das vielmehr selbst aus dem Italienischen stammen könne. Medikus >Arztheilsam, heilend^ das vom Verb mederi >heilen; abhelfem abgeleitet und selbst Ausgangspunkt für (ars) medicina >Heilkunstheilen< (die Vorlagen von dt. Medizin und den Deverbativa Medikament, Medikation) geworden ist. Sein Genitiv tritt im Hinweis bei Medikamenten ad manum/ad manus medici >zur Hand/zu Händen des Arztes< (s. mano, ad) auf. Lat. medicus liegt auch ital. medico >Arzt< zugrunde. Dessen Plural medici ist seit dem 13. Jh. in Zunft- und Stadtämtern als Name des geadelten Kaufmannsgeschlechts Medici nachgewiesen, das im Zeitalter der Renaissance in der Republik Florenz eine führende Rolle spielte und dem drei Päpste und zwei Königinnen von Frankreich entstammten. Derselbe Name, der im Deutschen - allgemein auf die Angehörigen dieser Familie bezogen auch Mediceer lautet, ist Vorderglied in Mediciporzellan, der Bezeichnung einer Art Weichporzellan mit meist kobaltblauem Dekor (so benannt nach dem Großherzog Francesco de’Medici, unter dessen Regentschaft im 16. Jh. sie in Florenz hergestellt wurde). Mediokrität >Mittelmäßigkeitmittelmäßig< entlehnt jeweils über gleichbed. frz. mediocre bzw. mediocrité aus lat. mediocris >mittelmäßig, unbedeutend; gemäßigt (zu medius >mittlerMäßigkeit, Mittelmäßigkeit; Maß, Bescheidenheit. In nicht adaptierter Form tritt dieses auf in Aurea Mediocritas >goldene Mitte, goldener Mittelweg< (s. Öre), einem geflügelten Wort aus den Oden des Horaz.

Meer: Über mhd. mer und ahd. meri/mari hervorgegangen aus germ. *marja-, das wie gleichbed. lat. mare, Gen. maris und daraus ererbtes ital. mare, aber mit abgewandeltem Paradigma auf den indogermanischen neutralen /-Stamm *mari >stehendes Gewässer, Binnensee< (zum Sachlichen vgl. auch See1) zurückgeht. Der lateinische Kognat liegt vor einerseits

Mehltau im Fachausdruck Mare >als dunkle Fläche erscheinende große Ebene auf dem Mond oder dem Marsstehendes Gewässer, See(mit Wasser gefüllte) kraterförmige VertiefungMeer< ist in der präpositionalen Fügung Frutti di Mare >mit dem Netz gefangene Meerestiere< (eigtl. >Früchte des Meeresheiliger See, heilige Quellet erschließen zu können, in dessen Grundwort demnach die nicht umgelautete Variante von ahd. meri (Bestimmungswort: ahd. wih >heiligsupergroß-< komponierten Zusammensetzungen, in denen es als Wortbildungselement Meg(a)- mit den Bedeutungen >Groß-< (z. B. Megah't/z >großer Steinblock bei vorgeschichtlichen Grabanlagem, s. Litho) und >das Millionenfache der jeweiligen Einheit< (etwa Megabyte, -hertz) auftritt. Die Kompositionsform mega- ist mit dem Neutrum mega (vgl. den Namen des letzten Buchstabens des griechischen Alphabets Omega, eigtl. >das große, d. h. das lange Ö, ö, nämlich Q, cogroß< gleich lautend. Griech. mégas ist mit aind. mähi >groß< herkunftsgleich und geht auf idg. *meg(h)~, *mag(h)~ >groß< zurück. Als Vorderglied von Komposita lautet das altindische Wort mahä-, vgl. den indischen Herrschertitel Maharadscha (eigtl. >Großkönigmit großer SeeleSeeleGrößenwahngroß< (s. Magnus) umstritten bleibt, wäre die Gleichsetzung von Megal(o)- mit Meg(a)- und Maha- im Sinne der etymologischen Duplizität genauso wenig berechtigt wie mit germ. *mekila- >groß< (s. michel), das man gelegentlich als Parallele zur Erklärung der Struktur des griechischen Wortes heranzieht.

Mehltau >durch bestimmte Pilze hervorgerufene Pflanzenkrankheit in Form eines weißen Überzugsc Obwohl man einen primären Zusammenhang des Bestimmungswortes mit der Wurzel von Mehl nicht ganz ausschließt (so im Duden-Herkunftswörter-

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mehr buch), wird für das seit dem 9. Jh. bezeugte Kompositum mit Tau >Niederschlag< (ahd. militou, mhd. miltou), das wohl einen süß schmeckenden Pflanzenbefall bezeichnete, vorzugsweise die ursprüngliche Bedeutung »Honigtau« angesetzt. Gleiches gilt für die englische Entsprechung mildew, aus dem im 19. Jh. frz. mildiou >Mehltau< entlehnt wurde. Somit wird ihr Vorderglied auf das auch in den Romanismen Melasse, Marmelade enthaltene, aber auch in got. milip vorliegende indogermanische Wort für Honig *melit zurückgeführt und eine erst im 13. Jh. erfolgte volksetymologische Anlehnung des deutschen Wortes an Mehl angenommen (vgl. heute noch gleichbed. mda. Miltau). Zu einer graphosemantischen Wortspaltung kam es mittlerweile durch Festlegung der Bedeutung >Honigtau, Blattlaushonig< auf das homophone Meltau. Vgl. auch Honig. mehr: Die erst neuhochdeutsche Schreibung des Adverbs mit Dehnungs-Zi zeigt explizite die bereits im Alt- und Mittelhochdeutschen vorliegende Länge des Wurzelvokals von mèr an, nachdem sich dieses durch Monophthongierung germ, ai > ahd. è vor Dental aus gleichbed. germ. *maizön entwickelt hatte. Es fungiert von vornherein als suppletiver Komparativ zum Positivadverb viel. Durch Zusammenrückung mit vorangehendem io (s. je) und mit der Negationspartikel ni entstanden die Temporaladverbien ahd. iomèr >immer, immerfort; je, jemals< und niomèr »niemals«, deren in unbetonter Silbe stehender langer Vokal im Mittelhochdeutschen abgeschwächt wurde: iemer/imer/immer bzw. niemer/nimer/nimmer. In den daraus ererbten neuhochdeutschen Adverbien immer und nimmer ist das einstige Adverb als quantitativ modifizierte gebundene Dublette von mehr enthalten. Die Annahme, der erste Bestandteil von Meerrettich sei mit mehr identisch, so dass er die Pflanze im Gegensatz zum einheimischen kleineren Rettich als den größeren bezeichnet habe und erst später Anlehnung an Meer im Sinne von >der über das Meer gekommene« eingetreten sei, wird beispielsweise von W. Pfeifer deshalb für wenig wahrscheinlich gehalten, weil für das Althochdeutsche langes è in mer(i)ratih durch die überlieferten Schreibungen nicht zu stützen sei. Melodei >singbare, in sich geschlossene Folge von Tönen«: Das in der Dichtung bis ins 19., gelegentlich sogar im 20. Jh. vorkommende Fremdwort ist die lautgerechte Fortsetzung von mhd. melodìe (Belege seit dem 13. Jh.). Im Unterschied zu Komödie (s. d.) wurde dieses nicht direkt, sondern durch altfranzösische Vermittlung aus spätlat. melodia übernommen, das selbst aus griech. melöidia »(gegliedertes) Singen«, einem aus mélos >Lied, Gesang« (eigtl. »Glied, Teil eines Musikstücks«; daraus dt. Melos >Gesang; Sprachmelodie«, vgl. auch Melodram) und -öidia

>-singen< (ablautend zu aeidein >singeneinzelner melodramatischer Teil einer Bühnenmusik oder Oper; pathetisch inszeniertes Schauspiel«: Im 18. Jh. lautgetreu entlehnt aus seit 1771 bezeugtem frz. mélodrame, einem im Sinne von >Singspiel< aus den griechischen Wörtern mélos »Lied, Gesang« (vgl. Melodei) und dräma >Handlung, Geschehen« (zu drän »machen, tun«) gebildeten literarisch-musikalischen Fachausdruck. Die an ital. melodramma oder an bereits im 16. Jh. übernommenes dt. Drama angelehnte Variante Melodrama entwickelte im Laufe der Zeit die abwertende Nebenbedeutung >Schauspiel mit rührseligen Effekten, Rührstück«. Die beiden Wörter werden lexikographisch vielfach nicht auseinander gehalten. Memoire >Denkschrift, Memorandum«: Moderne Übernahme von gleichbed. frz. mémoire m., einer seit dem 14. Jh. bezeugten maskulinen Nebenform von mémoire f. »Erinnerung; Gedächtnis« (aus lat. memoria »Gedächtnis; Andenken, Erinnerung; Erzählung, Nachricht«, Plur. »Jahrbücher«, zu memor »sich erinnernd, eingedenk«), als Neutrum im Deutschen mit dem Plural Memoires. Die Pluralform mémoires des französischen Maskulinums wurde bereits im 18. Jh. als Bezeichnung für eine im Entstehen begriffenen selbständigen literarischen Gattung zum Pluraletantum Memoiren »Darstellung von Lebenserinnerungen in Buchform« entlehnt. Orthographisch nicht adaptiert bleibt der Gallizismus in Azde-Mémoire/Ardemémoire »auf diplomatischem Wege zugestellte Niederschrift einer Stellungnahme, eines Sachverhalts, um Missverständnisse oder Unklarheiten zu beseitigen« (eigtl. »Gedächtnishilfe«, Bestimmungswort: frz. aide »Hilfe; Helfer«, zu aider »helfen« < lat. adiutare »unterstützen«). Auch in englischer Lautgestalt tritt der Latinismus (im DudenFremdwörterbuch mit dem Hinweis: Warenzeichen) im Deutschen auf: Memory »Computerspeicher; Gesellschaftsspiel, bei dem man mit Blättern, Symbolen o. Ä. bedruckte, jeweils doppelt vorhandene Karten zunächst einzeln aufdeckt, um dann später aus der Erinnerung das Gegenstück wiederzufinden«, vgl. ferner den medizinischen Fachausdruck Memorycells »Gedächtniszellen« (s. Zelle). Der Genitiv und der Akkusativ Singular des Latinismus selbst liegen vor entsprechend in Lapsus Memoriae »Gedächtnisfehler«

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(s. Lapsus) und in memoriam »zum Gedächtnis, zum Andenkem (s. in). Memorial1 »Erinnerungs-, Vormerkbuchs Das veraltete Fremdwort beruht auf lat. memoriale »Erinnerung, Erinnerungszeichen; Denkmals dem substantivierten Neutrum von memorialis >die Erinnerung betreffend, stützend^ dessen maskuliner Plural in bildungsspr. Versus memoriales »als Gedächtnisstütze dienende Verse< (s. Vers) enthalten ist. Sein Homograph mit dem Status einer etymologischen Dublette Memorial2 >(sportliche) Veranstaltung zum Gedenken an einen Verstorbenen; Denkmah reproduziert engl. memorial >Gedenkfeier; Denkmale Mennige >als Schutzanstrich gegen Rost verwendete rote Malerfarbe, Bleirotc Über mhd. minig und ahd. minio geht das Wort auf etymologisch nicht geklärtes lat. minium >Zinnober< zürück, wobei sich das -g- in Mennige nach E. Seebold aus dem unsilbisch gewordenen -i- entwickelt haben soll. Die in Nachschlagewerken mit der Bedeutung von Mennige gelegentlich aufgeführte lateinische Vorlage Minium wird zumindest im Duden-Fremdwörterbuch für veraltet gehalten. Der von E. Seebold angedeutete Versuch P. Guirauds, frz. mine (woraus dt. Miene), das üblicherweise aus bret. min »Schnauze< hergeleitet wird, mit lat. minium >Zinnober, Menniges miniare »schminkem in Verbindung zu setzen, fand bei anderen Forschern praktisch keinen Anklang. Menorca: Spanischer Name der zweitgrößten, wörtlich »kleineren« Insel der Balearen (lat. Balearis minor, s. Minor, vgl. Mallorca unter Majolika). Im Englischen ist der Inselname in seiner italienischen Form Minorca üblich. So nennt man zugleich eine englische Hühnerrasse spanischer Herkunft mit weißen Küken, die in Minorka eingedeutscht auftritt.

Mensa »Altartisch, -platte (steinerne Deckplatte des katholischen Altars); Kantine an Hochschulen und Universitätenc Die beiden Bedeutungen des aus lat. mensa >Tisch< stammenden Fremdwortes zeugen von seiner Verselbständigung (Ellipse) jeweils aus den attributiven Fügungen mensa domini >Tisch des Herrn< (s. Dominus) und mensa academica »akademischer (Mittags)tischHonigwein< entlehnt) zurück, das mit seinen eindeutigen Kognaten in anderen indogermanischen Sprachen die Ansetzung einer gemeinsamen Grundlage *medhu- >Honig; Met< erlaubt. Für eine niederdeutsch-niederlän dische Fortsetzung von germ. *medu- hält man das Vorderglied des im 20. Jh. teilweise verhochdeutschten Namens der als Würzkraut verwendeten Pflanze Mädesüß >Spierstaude (Filipendula ulmaria)< (aus medesoet, Grundwort: süß, s. d.). Vgl. Honig. Metrum > Versmaße Seit dem 19. Jh. bezeugte fachsprachliche Entlehnung aus gleichbed. lat. metrum, das seinerseits griech. métron >Maß, Silben-, Versmaß< wiedergibt. Zusammen mit dem Wortbildungselement -metrie >Messung< in Komposita auf -metrie gehört dieses zu metrein >messen< und ist wohl elementarverwandt mit dt. messen (vgl. Mal). Auf griech. métron beruht frz. mètre als Bezeichnung für die Grundeinheit des Längenmaßes in dem 1795 von der französischen Nationalversammlung festgelegten Maßsystem, die 1864 in der Form Meter m./n. durch Reichsgesetz auch in Deutschland amtlich eingeführt worden ist. Direkt auf griech. métron >Maß< geht -meter als Wortbildungselement mit der Bedeutung >Messgerät< zurück in gelehrten Neubildungen wie Taxameter n. >Fahrpreismesser< (s. Taxe1), in denen es homonym mit Meter und mit ihm als Grundwort zusammengesetzten Maßeinheiten wie Millimeter (s. Mille), Zentimeter (s. Cent) auftritt. Die Kompositionsform des griechischen Wortes ist Vorderglied des Kompositums Metronom >Taktmesser, Tempoanzeiger in der MusikRegel, Gesetz< basiert. Über homonymes metro- >Mutter-, Haupt-< s. Mutter.

Mett >Hackfleisch vom Schwein, das (mit Gewürzen vermischt) roh gegessen wirdc Das semantisch entsprechend auch als Vorderglied in Mettwurst (im 16. Jh. aus mnd. metworst >Fleischwurst< übernommen) fungierende und aus dem Niederdeutschen stammende Neutrum geht über asächs. meti auf germ. *mata-/*mati- >Speise, Essern (vgl. Maat, Matelot) zurück. Die im Altsächsischen wie auch bei engl. meat eingetretene Bedeutungsverengung >Speise< > >Fleisch< war der erschließbaren westgermanischen Zusammensetzung *matiz-sahsa- >Schneidewerk-

zeug für Speisern (eigtl. >Speiseschwert zum Grundwort s. Sachse) fremd. Aus dieser entwickelte sich über ahd. mezzisahs/mezzira(h)s und mhd. mezzer die heutige Lautform des Geräts zum Schneiden Messer1, in der vom Grundwort *sahsa- praktisch nur noch der zu -r- dissimilierte Anlaut geblieben ist. Unter welcher Bedingung auch das Vorderglied von Matrose und Matelot als gebundene Dublette von Mett ansprechbar wäre, wird unter Matelot erwogen. Über homonymes Messer2 s. Monseigneur.

Michaeli/Michaelis n.: Der Name des am 29. September begangenen christlichen Festes wird zwar meist ohne Artikel gebraucht, sein neutrales Geschlecht suggeriert jedoch eindeutig Isolierung aus einer dem maskulinen Kompositum Michaeli(s)tag entsprechenden Nebenform von Michaelsfest. Sofern dieses dem Erzengel Michael (»einer der ersten unter den Engelfürsten« Dan 10,13) gewidmet ist, offenbart sich in südd.-österr. Michaeli und hochd. Michaelis eine (entsprechend durch -5 präzisierte) lateinische Genitivform von Michael1 wie diejenige in Jakobi (s. Jakob), Josefi, Martini, Ruperti, Sebastiani, Stefani bzw. zu Jakobi, zu Josefi >am Fest des Hl. Jakob, Josef< usw., vgl. auch österr. Floriani-Prinzip vs. hochd. (Sankt-)Florians-Prinzip. Michael ist ein mit dem semitischen Element öl >Gott, Gottheit, Jahwe< (s. Allah) gebildeter alttestamentlicher Name hebr. mikä’el >wer ist wie Gott; wer ist gleich GottgroßNeffe< wird im Duden-Fremdwörterbuch als »veraltet, noch scherzhaft« gekennzeichnet. negativ »verneinend, ablehnend; ergebnislos, ungünstige Das auch als Fachwort der Medizin, Fotographie und Physik verwendete Fremdwort wurde im 18. Jh. aus mlat. negativus m., negativa f., negativum n. »verneinend< entlehnt, das eine Bildung zum Partizipialstamm negat- von lat. negare >Nein sagen, bestreiten« (über die indogermanische Satzverneinung wurzelverwandt mit der germanischen in nicht, s. d.) darstellt. Substantiviert erscheint das lateinische Neutrum in Negativum »etwas, was an einer Sache als negativ, ungünstig, schlecht empfunden wirdGegenbild, Kehrbild< beeinflusst oder daraus entlehnt ist der gleichbedeutende fotographische Fachausdruck Negativ (s. auch positiv), Neger: In dieser Lautung wurde die Bezeichnung für die Angehörigen der in Afrika beheimateten Menschenrasse dunkler Hautfarbe im 17. Jh. über frz. nègre aus span., port, negro übernommen, das als Erbwort auf lat. nigrus m., nigra f., nigrum n. >schwarz, dunkelfarbig< zurückgeht und in substantivierter Form die als Sklaven gehandelten Eingeborenen des afrikanischen Kontinents meinte. Gelegentlich begegnet im Deutschen auch die ausgesprochen verächtliche Bezeichnung Nigger als adäquater Repräsentant von amerik. nigger, einer ursprünglich dialektalen Nebenform von Negro >Neger< (heute für Letzteres meist black/Black, doch vgl. sein Auftreten etwa in der Fügung Negro spiritual bzw. in deren Wiedergabe im Deutschen durch die Zusammenrückung Negro spiritual »geistliches Volkslied der im Süden Nordamerikas lebenden Afroamerikaner mit schwermütiger, synkopierter Melodie«, s. spiritual). In seinem Schriftbild stammt engl. negro ebenfalls aus der spanisch-portugiesischen maskulinen Adjektivform negro, die in Verknüpfung mit rio >Flussschwarzer Fluss«, lautgerecht in (port.) Rio Negro1 ['riu 'negru] »größter linker Nebenfluss des Amazonas in Brasilien« und (span.) Rio Negro2 ['rio'negro] »linker Nebenfluss des Rio Uruguay in Uruguay« erscheint, vgl. außerdem deren Plural im Namen der philippinischen Insel Negros. Direkte Fortsetzungen von lat. nigrus, dessen Femininum als Attribut im Namen des römischen Stadttors in Trier Porta Nigra (eigtl. »schwarzes Tor«, s. Pforte) fungiert, sind ferner frz. noir, vertreten in dt. Noir zur Bezeichnung der Farbe Schwarz als Gewinnmöglichkeit beim Roulett und beim Glücksspiel Rouge et Noir (eigtl. »Rot und Schwarz«, vgl. et, s. auch Crise noir unter Krise), und ital. nero, vgl. aber daneben älter (venez.) negro im Landesnamen Montenegro (s. Montes). Der Name des

größten Stroms Westafrikas und der danach benannten Republik Niger hat mit lat. nigrus nichts zu tun, sondern beruht auf dem berberischen Wort für Fluss. nett »freundlich, niedlich, reizend, hübsch«: Die heutige Bedeutung des Adjektivs entwickelte sich im 16./17. Jh. aus der älteren »sauber glänzend (von Metall)«, die mniederl. net zukam. Dieses geht auf (a)frz. net »sauber, rein, unvermischt« zurück, das wie gleichbed. ital. netto lat. nitidus »glänzend, hell, schmuck« (zu nitere »glänzen, blinken«) fortsetzt. Auf ital. (peso) netto »reines (Gewicht), Nettogewicht« beruht zum anderen der seit dem 15. Jh. bezeugte kaufmännische Fachausdruck netto »rein, ohne Abzug, ohne Verpackung«, der sich seinerseits gegen das im Westmitteldeutschen und Niederdeutschen übliche und aus dem Französischen stammende gleichbed. net (vgl. frz. poids net »Nettogewicht«, s. Pensum) durchzusetzen vermochte.

Netz: Über mhd. netze, ahd. nezzi geht das Wort wie engl. net auf den germanischen ju-Stamm *natja »Netz« zurück, der mit lat. nodus »Knoten, Schlinge« die abgetönte Vollstufe *nod- von idg. *ned- »zusammendrehen, knüpfen« repräsentiert. Der englische Kognat fungiert als Grundwort in der allgemein bekannten Bezeichnung des internationalen Computernetzes Internet (s. unter2), ist aber außerdem Bestandteil der im Duden-Fremdwörterbuch aufgefuhrten Komposita Netball »ein aus dem Basketball entwickeltes Ballspiel für Mannschaften mit sieben Spielern« (s. Ball), Network (s. Netzwerk). Netzwerk »netzartiges Gefüge aus Fäden, Drähten, Linien«: Das nach dem Grimmschen Wörterbuch seit Wieland bezeugte Kompositum hat eine strukturund bedeutungsgleiche Entsprechung in engl. network, welches als Terminus des Rundfunks und Fernsehens sowie der Datenverarbeitung im DudenFremdwörterbuch verzeichnet ist: Network »Rundfunkverbundsystem zur großflächigen Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen oder Einzelsendungen durch Zusammenschalten mehrerer Sender oder Umsetzer; Datenverbundsystem, das den Datenaustausch zwischen mehreren, voneinander unabhängigen Geräten ermöglicht« (s. Netz, Werg).

neu: Germanisches Erbwort (vgl. mhd. niuwe/nüwe, ahd. niuwi sowie niederl. nieuw, engl. new, norw. ny), das über germ. *neuja- auf idg. *newyo- (neben *newo-, s.u.) »neu« zurückgeht. Diphthongiertes mitteld. nüwe, Variante von mhd. niuwe, und monophthongiertes mnd. nie leben fort in Ortsnamen wie Nauheim (d.h. Neuheim, s. Heim), Naunstadt (d.h. Neustadt, urspr. ze der nüwen stat»zu der neuen Stadt«, s. Statt), Naumburg (1028 Nuemburgum, eigtl.

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»zur/an der neuen Burg« mit Assimilation der Endung in urspr. ze der nüwen bure) bzw. Nienfeurg, Nimfeurg (s. Burg). Flektiert ist der niederländische Kognat im Namen des Hauptmündungsarms des Rheins Nieuwe Maas (eigtl. >Neue MaasNachricht(en)< von engl. new vertritt der Anglizismus News »(sensationelle) Neuigkeiten, Meldungen«, sonst erscheint new in Wortverbindungen oder Ortsnamen wie New Age »neues Zeitalter als Inbegriff eines neuen integralen Weltbildes« (zweite Komponente: age »Alter, Zeitalters dazu teenager »Halbwüchsigen, s. zehn) bzw. Newcastle (s. d.), New York etc., gelegentlich durch Neu wiedergegeben etwa im Namen der kanadischen Provinz Neufundland für engl. Newfoundland. Norw. ny ist Vorderglied der auf den norwegischen Dialekten beruhenden, mit dem Bokmäl (s. Buch) gleichberechtigten norwegischen Schriftsprache Nynorsk (eigtl. »Neunorwegisch«). Mehrere Repräsentanten der aus idg. *newo- entsprungenen griech. néos m., néa f., neon n. »neu, frisch; jung« und lat. novus m., nova f., novum n. »neu« haben Eingang ins Deutsche gefunden: Mit dem Neutrum des griechischen Wortes hat 1898 der englische Chemiker W. Ramsay das in Leuchtröhren verwendete Edelgas Neon (eigtl. »das Neue«, Zeichen: Ne) benannt, und sein Femininum nea ist Vorderglied des Namens der altgriechischen Kolonie auf der Apenninischen Halbinsel Neapolis (eigtl. »Neustadt«, s. Polis), der heute in ital. Napoli, eingedeutscht in Neapel fortbesteht. Im Sinne von »neu, erneuert, wieder aufgelebt; weiterentwickelt« dient seine Kompositionsform neo- (vor Vokalen auch ne-) zur Bildung von Substantiven und Adjektiven wie etwa Neogenese »Neubildung, besonders von Körpersubstanzen« (s. Genese), neovulkanisch »von neuerem vulkanischem Ursprung«, Nearktis »pflanzen- und tiergeographisches Gebiet, das - im Gegensatz zur Eurasien und Nordaffika umfassenden Paläoarktis - Nordamerika und Grönland umfasst« (also etwa »Neuarktis«, über das Grundwort s. griech arktos »Bär« unter Bär), vgl. auch die einst praktizierte Gräzisierung von dt. Neumann (s. d.) zu Neander. In lat. novus ist der Wurzelvokal e vor dem konsonantischen u (d. i. /w/) zu 0 geworden. Diese maskuline Form ist Attribut in der bildungssprachlichen Fügung Homo novus »Neuling; Emporkömmling« (eigtl. »neuer Mensch«, s. Homo), und Substantivierungen des Femininums nova und des Neutrums novum stecken im astronomischen Terminus Nova1 f. »Fixstern, dessen Helligkeit plötzlich sehr stark ansteigt« (elliptisch für nova stella »neuer Stern«, vgl. Stella) bzw. in Novum »absolute Neuheit, noch nie Dagewesenes«. Homonym von Nova1 ist Nova2, der im Sinne von »Neuerscheinungen im Buchhandel« lexikaliserte Plural von Novum.

Neumann Die Kompositionsform von novus ist Bestimmungswort in Novilunium »erstes Sichtbarwerden der Mondsichel nach Neumond« (das Grundwort nach lat. luna »Mond«). Aus dem Lateinischen ererbt ist frz. neuf»neu«, enthalten im Ortsnamen Chäteauneuf (eigtl. »die neue Burg«, s. Kastell). Am Beispiel der russischen Städtenamen Nowgorod (eigtl. »Neustadt«, vgl. Garten) und Nowosibirsk sowie des serbischen Ortsnamens Novi Sad (eigtl. »neue Anpflanzung«) und der russischen Inselgruppe im Nordpolarmeer Nowaja Semlja (eigtl. »neues Land«) sei hier nur illustrativ auf die mannigfaltigen Vertretungen des slawischen Kognaten *nov- jeweils in gebundener Form und mit genusbestimmenden Morphemen (novi m„ nowaj f.) hingewiesen. Neumagen (an der Mosel): Der Name stellt eine teilweise Adaptation des im 3. Jh. bezeugten latinisierten keltischen Ortsnamens Noviomagus dar, der sich aus der gallischen Vertretung von idg. *newyo- »neu« (s. neu) und kelt. magos »Feld« (vgl. Remagen unter Rex) zusammensetzt und demnach so viel wie »Neufeld« bedeutet. Denselben Namen führt die an der Waal gelegene niederländische Stadt Nijmegen (Bestimmungswort: die Kompositionsform nij- von niederl. nieuw »neu«), ursprünglich eine keltische Siedlung, die im 2. Jh. von Kaiser Trajan zur römischen Kolonie Noviomagus Batavorum (»Neufeld der Bataver«, nach dem in diesem Raum ansässigen west-

Der an dessen Stelle im Deutschen übliche Name Nimwegen stellt eine Abwandlung des niederländischen dar.

Neumann: Neben dieser etymologisch durchsichtigen Form des deutschen Familiennamens, der im Latinismus Homo novus »Neuling; Emporkömmling« (s. neu) ein ziemlich adäquates strukturelles und semantisches Analogon hat, existieren eine ursprünglich mitteldeutsche, auf der regionalen Variante nüwe von mhd. niuwe »neu« basierende Nebenform Naumann sowie eine genaue Entsprechung im Anglizismus Newman (vgl. man). Humanisten des 16. und 17. Jh. gräzisierten gelegentlich Neumann zu Neander (Grundwort: griech. anér, Gen. andrós »Mann« wie in Alexander, eigtl. etwa »der Männer Abwehrende«, vgl. das zugehörige Adjektiv andreios »männlich, mannhaft, tapfer« in griech. Andréas, woraus dt. Andreas, engl. Andrew, frz. André, russ. Andrej). So berichten beispielsweise D. Berger und R. Rössing über den Lehrer und Kirchenlieddichter Joachim Neander, der 1674-1679 oft durch eine Klamm des Düsselbachs wanderte. Seinen Familiennamen erhielt schon um jene Zeit das Neandertal bei Düsseldorf, in dem 1856 Skelettreste des Neandertaler (lat. Homo neanderthalensis) genannten altsteinzeitlichen Menschen gefunden wurden.

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neun neun: Durch Diphthongierung von mhd. iu [y:J zu nhd. eu (vgl. die analoge Lautentwicklung bei engl. nine) entstanden aus mhd., ahd. niun, das über germ. *newun auf idg. *newn »9* (möglicherweise zur Grundlage von neu [s. d.] im Sinne von >neue Zahl der dritten Viererreihe* beim Zählen mithilfe der Finger ohne Daumen) zurückgeht. Daraus hervorgegangen ist lat. novem (auslautendes -m nach decem »io*, s. zehn), ererbt z.B. in ital. nove, frz. neuf Die Letzteren treten auf in November für lat. (mensis) November (ursprünglich Name des neunten Monats nach dem bis 46 v. Chr. gültigen, im März beginnenden altrömischen Kalender, s. Februar, Januar, Julius), in Novecento, der italienischen Bezeichnung für das 20. Jh. (besonders in der Kunstwissenschaft) und für eine 1923 hervorgetretene, in Mailand gegründete Künstlergruppe (eigtl. >neunhundertneunzehnhundertNeunundsechzigschneien< (zu nieve >Schneeblauer Jeansstoff« auf als gebundene graphosemantische Dublette des Ortsnamens Nimes (s. de1).

Nocturne/Nokturne »lyrisches, stimmungsvolles Klavierstück in einem Satz«: Der aus frz. nocturne übernommene musikalische Fachausdruck konkurriert gelegentlich mit dem aus ital. notturno stammenden Notturno »stimmungsvolles Musikstück in mehreren Sätzen für eine nächtliche Aufführung im Freien; einem Ständchen ähnliches Musikstück«. Die beiden romanischen Wörter stellen lautlich angeglichene Substantivierungen des lateinischen Adjektivs nocturnus »nächtlich« (zu nox, Gen. noctis »Nacht«, s. Nacht) dar, das in seinem eigentlichen Sinn auch im Deutschen bezeugt ist: nokturn »nächtlich« (neben

Nord der kirchensprachlichen Substantivierung Nokturn »mitternächtliches Andacht; Teil der Matutin im katholischen Breviergebet«), in medizinischen fachsprachlichen Fügungen freilich sogar in der morphologisch nicht adaptierten Form nocturnus »nächtlich, nachts auftretend« (vgl. Pavor nocturnus »nächtliches Aufschrecken [meist bei Kindern] aus dem Schlaf«). In Anlehnung an ahd. uohta »Morgendämmerung« umgestaltet, soll lat. nocturnus als Klosterwort ahd. nuohturn/nuohtarnin »noch nichts gegessen und getrunken habend« (nämlich in der Zeit des der Nachtruhe folgenden Morgengottesdienstes vor der Einnahme der Morgenmahlzeit) ergeben haben, aus dem mhd. nüchtern »Gegensatz zu trunken; einem Nüchternen angehörend, von ihm kommend; was des Morgens genossen wird« und - durch Vokalkürzung /ü/ < /ü:/ nach der Monophthongierung von /üe/ - nhd. nüchtern (nach E. Seebold möglicherweise ein an lat. nocturnus sekundär angelehntes indogermanisches Erbwort) mit zusätzlichen Bedeutungsnuancen hervorgegangen ist. Indem man aber von lat. nocturnus ausgeht und mnd. nöchteren, mniederl. nuchteren/nochteren, niederl. nuchter »nüchtern« in Betracht zieht, ließe sich andererseits schließen, dass es sich wohl auch in diesem Fall primär um die westgermanische Substitution /kt/ > l^tl (s. diktieren) mit anschließender Anlehnung an ahd. uohta »Morgendämmerung« handeln könnte. Nomenklatur »System oder Verzeichnis der für ein bestimmtes Fachgebiet, einen bestimmten Wissenschaftszweig gültigen Namen und Bezeichnungen«: Übernahme der lateinischen Zusammenbildung nomenclatura »Namenverzeichnis«, die durch Verknüpfung von nomen »Name« (s. Name) mit dem Verb calare »ausrufen« (s. Kalenden) entstanden ist. Unter Bewahrung oder Wiederherstellung der Form des lateinischen Substantivs durch Überführung des konsonantisch ausgehenden Femininums dt. Nomenklatur oder frz. nomenclature in die weibliche «-Deklination im Russischen hat sich russ. nomenklatura etabliert. Ende des 20. Jh. schloss sich die Dublette Nomenklatura mit ihrer in der ehemaligen Sowjetunion entwickelten zusätzlichen, sozial relevanten Semantik »Verzeichnis der wichtigsten Führungspositionen; die privilegierte, alles beherrschende Führungsschicht« ebenso an dt. Nomenklatur an wie nomenklatura an frz. nomenclature.

Nord »Norden«, dicht. »Nordwind«: Den westgermanischen Namen der Himmelsrichtung *norpa- interpretiert man als den substantivierten nullstufigen Komparativ eines indogermanischen Adverbs *ner»unten« (im Sommer hat die Sonne in Skandinawien seinen Höchststand im Süden, und in der Nacht steht sie im Norden unten) bzw. »links« (wenn sich, so E. Seebold, der Seefahrer oder der Opfernde dem

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Norman Morgenlicht im Osten zuwendet» ist der Norden links). Primär soll es also so viel wie >weiter unter, weiter links< bedeutet haben, während das heute im Deutschen als Himmelsrichtung gebräuchlichere Wort Norden ursprünglich ein anders gebildetes Adverb im Sinne von >im, von Norden< war. Mit dt. Nord etymologisch identisch und bedeutungsgleich sind engl. north (vgl. North als englische Bezeichnung für Norden im Duden-Fremdwörterbuch, sonst als Vorderglied von Eigennamen wie Northumberland) und anord. norör. Abwandlungen des Letzteren erscheinen beispielsweise im Namen der nördlichsten Provinz Schwedens Norrbotten (Grundwort >Grund, Bodengroßer Fluss des Nordens«, s. Grand, de1) und seine Pluralform Nortes als Bezeichnung für verschiedene lokale Winde: Nordostwinde in Mexiko, feuchtwarme Nordwinde in Argentinien bzw. kalte Nordwinde, die von den schneebedeckten Höhen der Pyrenäen nach Spanien herabwehen. Norman/Normann: Ebenso wie Norbert (etwa >der im Norden Berühmte«, zu dessen Grundwort ahd. beruht >glänzend« vgl. Adalbert unter Adel) hält man den in Deutschland selten vorkommenden männlichen Vornamen für eine alte bodenständige Bildung aus ahd. nord >Norden« und man >Mann< (also etwa >Mann aus dem Norden«, s. Nord, man). Da er aber zum anderen in England und Amerika recht beliebt ist, kann Norman auch entlehnt sein. Der englische Eigen- und Gattungsname im Sinne von >aus der Normandie Gebürtiger« stammt aus afrz. Normans, Plural von Normant (daraus frz. Normand), einer umgestalteten Form von afränk. northman/nordman für anord. nordmaör, Plur. norömenn, das sich wörtlich durch Nordmannen wiedergeben lässt. Das war die Bezeichnung für die Wikinger, die Angehörigen nordgermanischer Stämme, die im 9. Jh. auch die Küste des Fränkischen Reiches plünderten, 911 die Gebiete an der unteren Seine als Lehen erhielten und das Herzogtum Normandie gründeten. Im Mittelalter hat ihr Name mlat. Nortmanni, engl. Northmen, dt. Normannen ergeben. nostra in der Fügung Cosa Nostra, dem Namen der berüchtigten kriminellen Organisation in Sizilien und den USA: Er ist italienisch und bedeutet wörtlich >unsere Sache« (s. Causa). Darin ist nostra das Femininum zum maskulinen Possessivpronomen nostro »unser«» enthalten im finanziellen Fachausdruck Nostroe^e/cfen >im Eigentum eines Kreditinstitutes befindliche Wertpapiere« (s. Effekt). Ital. nostro und

nostra gehen ebenso wie ihr attributiv gebrauchter, genusindifferenter Kognat frz. notre >unser, unsere« auf gleichbed. lat. noster m., nostra f., nostrum n. zurück. Das nachgestellte Maskulinum des lateinischen Pronomens ist Hinterglied in Paternoster (eigtl. >Vaterunser«, s. Vater) als Name des Gebets und des Umlaufaufzugs (urspr. Paternosterwerk, nach einem Vergleich mit dem Rosenkranz). Das mit ital. nostra formgleiche Femininum und sein Fortsetzer im Französischen sind entsprechend in Nostradamus und NoUe-Dame (s. d.) vertreten, und mit der Kompositionsform nostri- ist das Verb nostri/zzzeren >einbürgern; ein ausländisches Examen, Diplom anerkennen« (zum Grundwort s. Fazit) zusammengesetzt. Nota: Die im Duden-Fremdwörterbuch gebotene etymologische Angabe, Nota sei der substantivierte Imperativ von lat. notare >bezeichnen, bemerken«, geht wohl von der Zusammenrückung notabene »übrigens« (eigtl. »merke wohl!«, s. bene) aus und ist in Bezug auf die Funktion des Wortes als kaufmännischen Terminus »(kleine) Rechnung, Auftrag« denkbar. Dieser lässt sich aber ohne weiteres auf die Vorlage von notare selbst zurückführen, nämlich lat. nota »Kenn-, Merkzeichen» Schriftstück« (vgl. die veraltete Bedeutung von Nota »Zeichen, Anmerkung» Notiz«), das außerdem an der Fügung Nota quadrata »Quadratnote, viereckiges Notenzeichen der Choralnotation« (s. Quadrat) teilnimmt und dessen Akkusativ in der veralteten Konstruktion ad notam nehmen »zur Kenntnis nehmen« auftritt. Das auch in Note vorliegende lateinische Wort (wegen seines kurzen -0- wohl ablautende Bildung zum Verb nöscere »kennen lernen, erkennen, prüfen«) ist im Sinne von »Kennzeichen, Merkmal« seit althochdeutscher Zeit bezeugt, im Mittelhochdeutschen wurde es - entsprechend dem mittellateinischen Gebrauch - Bezeichnung für musikalisches Tonzeichen, wonach sich die übrigen Bedeutungen von Note einstellten. Noten »Musikalien« ist eine umgangssprachliche Lexikalisierung des Plurals von Note. Formgleich mit dt. Note sind engl. note und dessen Vermittler frz. note, die mit entsprechender Aussprache enthalten sind in Notebook »Personalcomputer im Buchformat« (aus engl. notebook, eigtl. »Notizbuch«, s. Buch), Notes »verschiedene Arten kurz- bis mittelfristiger Anleihen, die häufig in einer Summe rückzahlbar sind« und im musikalischen Fachausdruck Note sensible »Leitton« (aus frz. note sensible, eigtl. »empfindliche Note«, Attribut zu lat. sentire »empfinden, wahrnehmen«, vgl. Sensus). Dem lateinischen Verb notificare »bekannt machen«, auf dem dt. veraltet notifizieren »anzeigen, benachrichtigen; im diplomatischen Verkehr durch eine Note förmlich übermitteln« beruht» liegt übri-

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Naib man aus Übersee eingeführte Blütenknospen des Gewürznelkenbaums nach ihrer Ähnlichkeit mit kleinen Nägeln mhd. nagel (diminuiert: negellln, mitteldt. negelkìn), mnd. nögelken/negelkin (kontrahiert neilikrn/neilkin/neliktn) nannte. Aus dem Plural kontrahierter mittel- und niederdeutscher Formen entwickelte sich durch n-Abfall der feminine Singular neilke, der auf die einen würzigen Duft habende Gartennelke übertragen wurde und seit dem 16. Jh. in der Lautgestalt Nelke auftritt.

nym, homonym ist -onym keine gebundene etymologische Dublette von Name, weil darin nicht die griechische Nebenform ónyma schlechthin auftritt, sondern mit dessen Hilfe eine adjektivische Zusammenbildung (im Falle von anonym die mit der Negationspartikel a-/an- als Vorderglied komponierte anönymos >namenlosDorfrichter, Notar* bekannt war, geht auf arab. nä’b »Stellvertreter* zurück. Dessen als Ehrentitel gebrauchter Plural (Pluralis Majestatis) nuwwäb lieferte über Hindi, Urdu nuwwäb/ nawwäb und port, nababo, engl. nabob das singularisierte Nabob >Provinzgouverneur in Indien zur Zeit des Mogulreichs*, das wie im Englischen und Französischen figurativ auch in der Bedeutung >(aus Indien zurückgekehrter) sehr reicher Mann< auftritt und bereits Ende des 19. Jh. durch A. Daudets Roman »Der Nabob« populär geworden war. Zu anderen (morphosemantischen) Dubletten dieser Art s. Fakir, Moslem, Zenit.

namentlich »mit Namen genannt; vor allem, besonders*: Das heute sowohl adjektivisch als auch adverbial gebrauchte, den Gleitlaut -t- aufweisende Wort geht wie seine umgelautete Dublette nämlich »genauer gesagt* zurück auf das Adverb mhd. name(n)liche/ nemeliche bzw. das Adjektiv mhd. name(n)ltch/nemeltch »namentlich, bestimmt, ausdrücklich* < ahd. namoltch/neminlich »namentlich bekannt*, die parallele /ich-Ableitungen von verschiedenen Stammformen des ursprünglich schwach flektierten Substantivs ahd. namo, mhd. name (s. Name) darstellen.

Name/(seltener) Namen: Das ursprünglich schwach flektierte Substantiv (ahd. namo, mhd. name, Gen. namen) geht - wie engl. name - über germ. *namön auf idg. *(o)nomn- »Name* zurück, das sich auch in gleichbed. lat. nomen, Gen. nominis, griech. ónoma (mda. ónyma), Gen. onomatos (ein t-Stamm, entwickelt nach O. Szemerényi als griechische Neuerung aus -mn-tos) widerspiegelt. Sein erstarrter Genitiv Singular namens >im Namen, im Auftrag; mit Namen* wird präpositional oder adverbial gebraucht, und engl. name ist registriert in einigen Ausdrücken wie Namedroppmg»Einflechten von Namen berühmter Persönlichkeiten, mit denen man angeblich bekannt ist, in der Absicht, Eindruck zu machen* (zweiter Bestandteil zu to drop >fallen lassen*, zu drop >TropfenNameDeck-, Künstlername* (eigtl. >Kriegsnametun, machen, dichten*). In Wörtern wie ano-

Nase: Der Name des Geruchsorgans, den Philipp von Zesen für ein Fremdwort hielt und durch Gesichtserker zu verdeutschen versuchte, geht über germ. *nasö(n)-/*nasjö- zurück auf idg. *nas-/*näs- »Nase* (primär wohl »Nasenloch*) mit einzelsprachlich unterschiedlich realisiertem Wurzelvokal und Stammauslaut. Die in der übertragenen Bedeutung »Landspitze; Vorgebirge* auftretende germanische Stammvariante *nasjö- (vgl. mnd. nèse »Vorgebirge*, mniederl. nesse/nes »Landzunge*) ist in Ortsnamen enthalten wie etwa im Namen des Hamburger Stadtteils Blankenese (eigtl. »weiße Bergnase*, vgl. blank unter Blanc). Aus der indogermanischen Grundlage hervorgegangen ist u.a. lat. nasus »Nase* (vgl. das Fremdwort Nasal »durch die Nase gesprochener Laut*), das auch in der deutschen anatomischen Nomenklatur vorkommt: Nasus »Nase*. Fortsetzung des lateinischen Wortes ist gleichbed. frz. Nez z. B. als Bestandteil der Komposition pince-nez »Zwicker* (Vorderglied pincer »zwicken, kneifen*). Daraus dt. veraltet Pincenez, ersetzt durch die Lehnübertragungen Zwicker, Klemmer, Kneifer (vgl. kneipen), die sämtlich Schwanzisolierungen aus Nasenzwicker, -klemmer, -kneifer sind. nativ »im natürlichen Zustand befindlich; angeboren; einheimisch, nicht entlehnt*: Der chemische, medizinische und sprachwissenschaftliche Fachausdruck gründet sich auf lat. nativus »durch Geburt entstanden, angeboren, natürlich* (zum Partizipialstamm nat- von nasci »geboren werden, entstehen*, vgl. Natur). Aus diesem stammt auch engl. native »natürlich, angeboren; gebürtig; Einheimische(r)*, das in seinem substantivischen Gebrauch Eingang ins Deut-

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sehe gefunden hat: Native1 m. »Eingeborener (der ehemaligen englischen Kolonien< (vgl. ferner Nativspeaker »Muttersprachler«, s. Sprecher) und Native2 f. »nicht in Austernbänken gezüchtete Austen. Aus dem Latinismus entsprungen ist das französische Erbwort naiv »natürlich; unbefangen; einfältig«, das im 18. Jh. dt. naiv »natürlich; unbefangen, treuherzig; kindlich; einfältig< lieferte. Dazu stellt sich als Rollenfach beim Theater das schwach flektierende Femininum Naive »Darstellerin jugendlich-naiver Mädchengestaltem. Vgl. Nativität.

Nativität »Stand der Gestirne bei der Geburt eines Menschern: Das in der Astrologie gebräuchliche, früher auch im Sinne von »Geburtsstunde, Geburt« auftretende Fremdwort ist durch die reguläre derivative Substitution lat. -tas > dt. -tät entlehnt aus spätlat. nativitas, Gen. nativitatis »Geburt; Entstehung; Natur, ursprüngliches Wesen«, einem Abstraktum zu nativus »angeboren, natürlich« (s. nativ). Auf der Grundlage von frz. naive, dem Nachfolger von lat. nativus, wurde im 13. Jh. ein sprachhistorisch lat. nativitas, Akk. nativitatem entsprechendes frz. na'iveté »Unbefangenheit; Weltfremdheit; Einfalt« gebildet, nach dessen Muster im 18. Jh. dt. Naivität (parallel zur misslungenen einheimischen Abstraktbildung Naivheit) gestaltet wurde. Natter: Die ursprüngliche Bedeutung dieser durch Vokalkürzung a < ä vor t aus mhd. näter hervorgegangenen Bezeichnung für eine Schlangenart war vermutlich »die Sich-Windende«. Im Ostmitteldeutschen entwickelte sich aus der mittelhochdeutschen Vorlage die labialisierte Variante noter (hinsichtlich der Rundung vgl. Odem vs. Atem, s. d.). Deren anlautendes n- wurde dann vermutlich als Bestandteil eines voraufgehenden unbestimmten Artikels (ei)n(e) aufgefasst und abgelöst (vgl. analog mda. Achen/ Ache bzw. niederl. aak »Kahn« unter Nachen sowie die im Altitalienischen erfolgte lautliche Umgestaltung von Orange, s. d.). So entstand die seit dem 16. Jh. bezeugte etymologische Dublette Otter2 »Schlange«, die heute auch synonym mit Viper gebraucht wird. Über Otter1 s. d.

Natur »Gesamtheit des Gewachsenen, Gewordenen; die Schöpfung, die Welt; Wesen, Art, Anlage, Charakter«: Darauf beruhend gemäß dem Duden-Fremdwörterbuch natur »naturbelassen, naturfarben« etwa in Fügungen wie Eiche natur. Obwohl das Wort seit dem 9. Jh. bezeugt ist (vgl. ahd. natüra, mhd. natüre), hat es in ständiger Anlehnung an seine Vorlage gleichbed. lat. natura (eigtl. »Geburt, natürliche Herkunft, das Geborensein, das Hervorbringen«, zum Stamm von natus »geboren«, dem Partizip Perfekt von nasci »geboren werden, entstehen, entspringen, wachsen«, s. nativ) die ursprüngliche Akzentstelle bewahrt. Das

Neffe lateinische Wort ist in den von Spinoza geprägten Wortverbindungen Natura naturano und Natura naturata jeweils für »die schaffende Natur (gleichbedeutend mit Gott)« und »die geschaffene Natur (gleichbedeutend mit der Welt)« sowie in der ablativischen präpositionalen Fügung in natura »leibhaftig, wirklich, persönlich«, ugs. auch »in Waren, in Form von Naturalien (bezahlen)« (s. in) enthalten. In französischer Lautgestalt liegt es vor im gastronomischen Fachwort nature »natürlich, ohne Zusätze« (etwa in Schnitzel nature, d.h. ohne Panade) sowie in Nature morte, der französischen Bezeichnung für Stillleben. Aus dem Französischen übernommenes engl. nature begegnet uns im Namen der internationalen Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (vgl. Welt, weit, Boden, vor). Naturalien »Naturprodukte, Landwirtschaftserzeugnisse (meist im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit als Zahlungsmittel); Gegenstände einer naturwissenschaftlichen Sammlung«: Morphologische Eindeutschung des im 17. Jh. entlehnten lat. naturalia, Neutrum Plural von naturalis m./f. »leiblich, natürlich, zur Natur gehörig, die Natur betreffend« (zu natura »natürliche Herkunft, Geburt«, s. Natur), dessen Neutrum Singular im juristischen Fachausdruck Jus naturale »Naturrecht« (s. Jus1) vorliegt. Im Sinne von »auf natürlichem Wege« (z.B. Abgang verschluckter Fremdkörper mit dem Stuhl) gebraucht man in der Medizin die im Akkusativ Plural stehende Wortfügung per vias naturales (eigtf »auf natürlichen Wegen«, s. vor, via1). Sonst wird der Stamm des lateinischen Adjektivs im Deutschen nur noch als Bestimmungswort von Zusammensetzungen gebraucht (vgl. Naturallohn, -obligation, -register, -restitution), während in adjektivischer Funktion über frz. naturel übernommenes naturell »natürlich, ungefärbt, unbearbeitet; ohne besondere Zutaten zubereitet« auftritt. Substantivisch erscheint das französische Wort ferner in Naturell »Veranlagung, Wesensart, Gemütsart, Temperament«, das ebenfalls seit dem 17. Jh. bezeugt ist und wie naturell lautlich eingedeutscht - /u/ statt /y/ - ausgesprochen wird im Unterschied zur präpositionalen Fügung der Gastronomie au naturel »ohne künstlichen Zusatz« (wörtl. »im Natürlichen«).

Neffe: Im zugehörigen Femininum Nichte, das - seit dem 16. Jh. hochd. Nift/Niftel verdrängend - aus mnd. nichte/nichtele (zu dessen abweichendem Konsonantismus vgl. sanft) stammt, hält sich der Dental dieser jeweils auf idg. *nepöt- »Enkel« und *neptie»Enkelin« (später auch »Neffe« bzw. »Nichte«) zurückgehenden Verwandtschaftsnamen. Der lateinische Kognat des deutschen Maskulinums nepos, Gen. nepotis kannte die beiden Bedeutungen (mlat. auch zu »Verwandter« erweitert), was in frz. neveu »Neffe« (Plur. auch »Nachkommen«) zum Vorschein kommt.

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negativ Darauf beruhendes dt. Neveu >Neffe< wird im Duden-Fremdwörterbuch als »veraltet, noch scherzhaft« gekennzeichnet. negativ »verneinend, ablehnend; ergebnislos, ungünstige Das auch als Fachwort der Medizin, Fotographie und Physik verwendete Fremdwort wurde im 18. Jh. aus mlat. negativus m., negativa f., negativum n. »verneinend< entlehnt, das eine Bildung zum Partizipialstamm negat- von lat. negare >Nein sagen, bestreiten« (über die indogermanische Satzverneinung wurzelverwandt mit der germanischen in nicht, s. d.) darstellt. Substantiviert erscheint das lateinische Neutrum in Negativum »etwas, was an einer Sache als negativ, ungünstig, schlecht empfunden wirdGegenbild, Kehrbild< beeinflusst oder daraus entlehnt ist der gleichbedeutende fotographische Fachausdruck Negativ (s. auch positiv), Neger: In dieser Lautung wurde die Bezeichnung für die Angehörigen der in Afrika beheimateten Menschenrasse dunkler Hautfarbe im 17. Jh. über frz. nègre aus span., port, negro übernommen, das als Erbwort auf lat. nigrus m., nigra f., nigrum n. >schwarz, dunkelfarbig< zurückgeht und in substantivierter Form die als Sklaven gehandelten Eingeborenen des afrikanischen Kontinents meinte. Gelegentlich begegnet im Deutschen auch die ausgesprochen verächtliche Bezeichnung Nigger als adäquater Repräsentant von amerik. nigger, einer ursprünglich dialektalen Nebenform von Negro >Neger< (heute für Letzteres meist black/Black, doch vgl. sein Auftreten etwa in der Fügung Negro spiritual bzw. in deren Wiedergabe im Deutschen durch die Zusammenrückung Negro spiritual »geistliches Volkslied der im Süden Nordamerikas lebenden Afroamerikaner mit schwermütiger, synkopierter Melodie«, s. spiritual). In seinem Schriftbild stammt engl. negro ebenfalls aus der spanisch-portugiesischen maskulinen Adjektivform negro, die in Verknüpfung mit rio >Flussschwarzer Fluss«, lautgerecht in (port.) Rio Negro1 ['riu 'negru] »größter linker Nebenfluss des Amazonas in Brasilien« und (span.) Rio Negro2 ['rio'negro] »linker Nebenfluss des Rio Uruguay in Uruguay« erscheint, vgl. außerdem deren Plural im Namen der philippinischen Insel Negros. Direkte Fortsetzungen von lat. nigrus, dessen Femininum als Attribut im Namen des römischen Stadttors in Trier Porta Nigra (eigtl. »schwarzes Tor«, s. Pforte) fungiert, sind ferner frz. noir, vertreten in dt. Noir zur Bezeichnung der Farbe Schwarz als Gewinnmöglichkeit beim Roulett und beim Glücksspiel Rouge et Noir (eigtl. »Rot und Schwarz«, vgl. et, s. auch Crise noir unter Krise), und ital. nero, vgl. aber daneben älter (venez.) negro im Landesnamen Montenegro (s. Montes). Der Name des

größten Stroms Westafrikas und der danach benannten Republik Niger hat mit lat. nigrus nichts zu tun, sondern beruht auf dem berberischen Wort für Fluss. nett »freundlich, niedlich, reizend, hübsch«: Die heutige Bedeutung des Adjektivs entwickelte sich im 16./17. Jh. aus der älteren »sauber glänzend (von Metall)«, die mniederl. net zukam. Dieses geht auf (a)frz. net »sauber, rein, unvermischt« zurück, das wie gleichbed. ital. netto lat. nitidus »glänzend, hell, schmuck« (zu nitere »glänzen, blinken«) fortsetzt. Auf ital. (peso) netto »reines (Gewicht), Nettogewicht« beruht zum anderen der seit dem 15. Jh. bezeugte kaufmännische Fachausdruck netto »rein, ohne Abzug, ohne Verpackung«, der sich seinerseits gegen das im Westmitteldeutschen und Niederdeutschen übliche und aus dem Französischen stammende gleichbed. net (vgl. frz. poids net »Nettogewicht«, s. Pensum) durchzusetzen vermochte.

Netz: Über mhd. netze, ahd. nezzi geht das Wort wie engl. net auf den germanischen ju-Stamm *natja »Netz« zurück, der mit lat. nodus »Knoten, Schlinge« die abgetönte Vollstufe *nod- von idg. *ned- »zusammendrehen, knüpfen« repräsentiert. Der englische Kognat fungiert als Grundwort in der allgemein bekannten Bezeichnung des internationalen Computernetzes Internet (s. unter2), ist aber außerdem Bestandteil der im Duden-Fremdwörterbuch aufgefuhrten Komposita Netball »ein aus dem Basketball entwickeltes Ballspiel für Mannschaften mit sieben Spielern« (s. Ball), Network (s. Netzwerk). Netzwerk »netzartiges Gefüge aus Fäden, Drähten, Linien«: Das nach dem Grimmschen Wörterbuch seit Wieland bezeugte Kompositum hat eine strukturund bedeutungsgleiche Entsprechung in engl. network, welches als Terminus des Rundfunks und Fernsehens sowie der Datenverarbeitung im DudenFremdwörterbuch verzeichnet ist: Network »Rundfunkverbundsystem zur großflächigen Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen oder Einzelsendungen durch Zusammenschalten mehrerer Sender oder Umsetzer; Datenverbundsystem, das den Datenaustausch zwischen mehreren, voneinander unabhängigen Geräten ermöglicht« (s. Netz, Werg).

neu: Germanisches Erbwort (vgl. mhd. niuwe/nüwe, ahd. niuwi sowie niederl. nieuw, engl. new, norw. ny), das über germ. *neuja- auf idg. *newyo- (neben *newo-, s.u.) »neu« zurückgeht. Diphthongiertes mitteld. nüwe, Variante von mhd. niuwe, und monophthongiertes mnd. nie leben fort in Ortsnamen wie Nauheim (d.h. Neuheim, s. Heim), Naunstadt (d.h. Neustadt, urspr. ze der nüwen stat»zu der neuen Stadt«, s. Statt), Naumburg (1028 Nuemburgum, eigtl.

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»zur/an der neuen Burg« mit Assimilation der Endung in urspr. ze der nüwen bure) bzw. Nienfeurg, Nimfeurg (s. Burg). Flektiert ist der niederländische Kognat im Namen des Hauptmündungsarms des Rheins Nieuwe Maas (eigtl. >Neue MaasNachricht(en)< von engl. new vertritt der Anglizismus News »(sensationelle) Neuigkeiten, Meldungen«, sonst erscheint new in Wortverbindungen oder Ortsnamen wie New Age »neues Zeitalter als Inbegriff eines neuen integralen Weltbildes« (zweite Komponente: age »Alter, Zeitalters dazu teenager »Halbwüchsigen, s. zehn) bzw. Newcastle (s. d.), New York etc., gelegentlich durch Neu wiedergegeben etwa im Namen der kanadischen Provinz Neufundland für engl. Newfoundland. Norw. ny ist Vorderglied der auf den norwegischen Dialekten beruhenden, mit dem Bokmäl (s. Buch) gleichberechtigten norwegischen Schriftsprache Nynorsk (eigtl. »Neunorwegisch«). Mehrere Repräsentanten der aus idg. *newo- entsprungenen griech. néos m., néa f., neon n. »neu, frisch; jung« und lat. novus m., nova f., novum n. »neu« haben Eingang ins Deutsche gefunden: Mit dem Neutrum des griechischen Wortes hat 1898 der englische Chemiker W. Ramsay das in Leuchtröhren verwendete Edelgas Neon (eigtl. »das Neue«, Zeichen: Ne) benannt, und sein Femininum nea ist Vorderglied des Namens der altgriechischen Kolonie auf der Apenninischen Halbinsel Neapolis (eigtl. »Neustadt«, s. Polis), der heute in ital. Napoli, eingedeutscht in Neapel fortbesteht. Im Sinne von »neu, erneuert, wieder aufgelebt; weiterentwickelt« dient seine Kompositionsform neo- (vor Vokalen auch ne-) zur Bildung von Substantiven und Adjektiven wie etwa Neogenese »Neubildung, besonders von Körpersubstanzen« (s. Genese), neovulkanisch »von neuerem vulkanischem Ursprung«, Nearktis »pflanzen- und tiergeographisches Gebiet, das - im Gegensatz zur Eurasien und Nordaffika umfassenden Paläoarktis - Nordamerika und Grönland umfasst« (also etwa »Neuarktis«, über das Grundwort s. griech arktos »Bär« unter Bär), vgl. auch die einst praktizierte Gräzisierung von dt. Neumann (s. d.) zu Neander. In lat. novus ist der Wurzelvokal e vor dem konsonantischen u (d. i. /w/) zu 0 geworden. Diese maskuline Form ist Attribut in der bildungssprachlichen Fügung Homo novus »Neuling; Emporkömmling« (eigtl. »neuer Mensch«, s. Homo), und Substantivierungen des Femininums nova und des Neutrums novum stecken im astronomischen Terminus Nova1 f. »Fixstern, dessen Helligkeit plötzlich sehr stark ansteigt« (elliptisch für nova stella »neuer Stern«, vgl. Stella) bzw. in Novum »absolute Neuheit, noch nie Dagewesenes«. Homonym von Nova1 ist Nova2, der im Sinne von »Neuerscheinungen im Buchhandel« lexikaliserte Plural von Novum.

Neumann Die Kompositionsform von novus ist Bestimmungswort in Novilunium »erstes Sichtbarwerden der Mondsichel nach Neumond« (das Grundwort nach lat. luna »Mond«). Aus dem Lateinischen ererbt ist frz. neuf»neu«, enthalten im Ortsnamen Chäteauneuf (eigtl. »die neue Burg«, s. Kastell). Am Beispiel der russischen Städtenamen Nowgorod (eigtl. »Neustadt«, vgl. Garten) und Nowosibirsk sowie des serbischen Ortsnamens Novi Sad (eigtl. »neue Anpflanzung«) und der russischen Inselgruppe im Nordpolarmeer Nowaja Semlja (eigtl. »neues Land«) sei hier nur illustrativ auf die mannigfaltigen Vertretungen des slawischen Kognaten *nov- jeweils in gebundener Form und mit genusbestimmenden Morphemen (novi m„ nowaj f.) hingewiesen. Neumagen (an der Mosel): Der Name stellt eine teilweise Adaptation des im 3. Jh. bezeugten latinisierten keltischen Ortsnamens Noviomagus dar, der sich aus der gallischen Vertretung von idg. *newyo- »neu« (s. neu) und kelt. magos »Feld« (vgl. Remagen unter Rex) zusammensetzt und demnach so viel wie »Neufeld« bedeutet. Denselben Namen führt die an der Waal gelegene niederländische Stadt Nijmegen (Bestimmungswort: die Kompositionsform nij- von niederl. nieuw »neu«), ursprünglich eine keltische Siedlung, die im 2. Jh. von Kaiser Trajan zur römischen Kolonie Noviomagus Batavorum (»Neufeld der Bataver«, nach dem in diesem Raum ansässigen west-

Der an dessen Stelle im Deutschen übliche Name Nimwegen stellt eine Abwandlung des niederländischen dar.

Neumann: Neben dieser etymologisch durchsichtigen Form des deutschen Familiennamens, der im Latinismus Homo novus »Neuling; Emporkömmling« (s. neu) ein ziemlich adäquates strukturelles und semantisches Analogon hat, existieren eine ursprünglich mitteldeutsche, auf der regionalen Variante nüwe von mhd. niuwe »neu« basierende Nebenform Naumann sowie eine genaue Entsprechung im Anglizismus Newman (vgl. man). Humanisten des 16. und 17. Jh. gräzisierten gelegentlich Neumann zu Neander (Grundwort: griech. anér, Gen. andrós »Mann« wie in Alexander, eigtl. etwa »der Männer Abwehrende«, vgl. das zugehörige Adjektiv andreios »männlich, mannhaft, tapfer« in griech. Andréas, woraus dt. Andreas, engl. Andrew, frz. André, russ. Andrej). So berichten beispielsweise D. Berger und R. Rössing über den Lehrer und Kirchenlieddichter Joachim Neander, der 1674-1679 oft durch eine Klamm des Düsselbachs wanderte. Seinen Familiennamen erhielt schon um jene Zeit das Neandertal bei Düsseldorf, in dem 1856 Skelettreste des Neandertaler (lat. Homo neanderthalensis) genannten altsteinzeitlichen Menschen gefunden wurden.

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neun neun: Durch Diphthongierung von mhd. iu [y:J zu nhd. eu (vgl. die analoge Lautentwicklung bei engl. nine) entstanden aus mhd., ahd. niun, das über germ. *newun auf idg. *newn »9* (möglicherweise zur Grundlage von neu [s. d.] im Sinne von >neue Zahl der dritten Viererreihe* beim Zählen mithilfe der Finger ohne Daumen) zurückgeht. Daraus hervorgegangen ist lat. novem (auslautendes -m nach decem »io*, s. zehn), ererbt z.B. in ital. nove, frz. neuf Die Letzteren treten auf in November für lat. (mensis) November (ursprünglich Name des neunten Monats nach dem bis 46 v. Chr. gültigen, im März beginnenden altrömischen Kalender, s. Februar, Januar, Julius), in Novecento, der italienischen Bezeichnung für das 20. Jh. (besonders in der Kunstwissenschaft) und für eine 1923 hervorgetretene, in Mailand gegründete Künstlergruppe (eigtl. >neunhundertneunzehnhundertNeunundsechzigschneien< (zu nieve >Schneeblauer Jeansstoff« auf als gebundene graphosemantische Dublette des Ortsnamens Nimes (s. de1).

Nocturne/Nokturne »lyrisches, stimmungsvolles Klavierstück in einem Satz«: Der aus frz. nocturne übernommene musikalische Fachausdruck konkurriert gelegentlich mit dem aus ital. notturno stammenden Notturno »stimmungsvolles Musikstück in mehreren Sätzen für eine nächtliche Aufführung im Freien; einem Ständchen ähnliches Musikstück«. Die beiden romanischen Wörter stellen lautlich angeglichene Substantivierungen des lateinischen Adjektivs nocturnus »nächtlich« (zu nox, Gen. noctis »Nacht«, s. Nacht) dar, das in seinem eigentlichen Sinn auch im Deutschen bezeugt ist: nokturn »nächtlich« (neben

Nord der kirchensprachlichen Substantivierung Nokturn »mitternächtliches Andacht; Teil der Matutin im katholischen Breviergebet«), in medizinischen fachsprachlichen Fügungen freilich sogar in der morphologisch nicht adaptierten Form nocturnus »nächtlich, nachts auftretend« (vgl. Pavor nocturnus »nächtliches Aufschrecken [meist bei Kindern] aus dem Schlaf«). In Anlehnung an ahd. uohta »Morgendämmerung« umgestaltet, soll lat. nocturnus als Klosterwort ahd. nuohturn/nuohtarnin »noch nichts gegessen und getrunken habend« (nämlich in der Zeit des der Nachtruhe folgenden Morgengottesdienstes vor der Einnahme der Morgenmahlzeit) ergeben haben, aus dem mhd. nüchtern »Gegensatz zu trunken; einem Nüchternen angehörend, von ihm kommend; was des Morgens genossen wird« und - durch Vokalkürzung /ü/ < /ü:/ nach der Monophthongierung von /üe/ - nhd. nüchtern (nach E. Seebold möglicherweise ein an lat. nocturnus sekundär angelehntes indogermanisches Erbwort) mit zusätzlichen Bedeutungsnuancen hervorgegangen ist. Indem man aber von lat. nocturnus ausgeht und mnd. nöchteren, mniederl. nuchteren/nochteren, niederl. nuchter »nüchtern« in Betracht zieht, ließe sich andererseits schließen, dass es sich wohl auch in diesem Fall primär um die westgermanische Substitution /kt/ > l^tl (s. diktieren) mit anschließender Anlehnung an ahd. uohta »Morgendämmerung« handeln könnte. Nomenklatur »System oder Verzeichnis der für ein bestimmtes Fachgebiet, einen bestimmten Wissenschaftszweig gültigen Namen und Bezeichnungen«: Übernahme der lateinischen Zusammenbildung nomenclatura »Namenverzeichnis«, die durch Verknüpfung von nomen »Name« (s. Name) mit dem Verb calare »ausrufen« (s. Kalenden) entstanden ist. Unter Bewahrung oder Wiederherstellung der Form des lateinischen Substantivs durch Überführung des konsonantisch ausgehenden Femininums dt. Nomenklatur oder frz. nomenclature in die weibliche «-Deklination im Russischen hat sich russ. nomenklatura etabliert. Ende des 20. Jh. schloss sich die Dublette Nomenklatura mit ihrer in der ehemaligen Sowjetunion entwickelten zusätzlichen, sozial relevanten Semantik »Verzeichnis der wichtigsten Führungspositionen; die privilegierte, alles beherrschende Führungsschicht« ebenso an dt. Nomenklatur an wie nomenklatura an frz. nomenclature.

Nord »Norden«, dicht. »Nordwind«: Den westgermanischen Namen der Himmelsrichtung *norpa- interpretiert man als den substantivierten nullstufigen Komparativ eines indogermanischen Adverbs *ner»unten« (im Sommer hat die Sonne in Skandinawien seinen Höchststand im Süden, und in der Nacht steht sie im Norden unten) bzw. »links« (wenn sich, so E. Seebold, der Seefahrer oder der Opfernde dem

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Norman Morgenlicht im Osten zuwendet» ist der Norden links). Primär soll es also so viel wie >weiter unter, weiter links< bedeutet haben, während das heute im Deutschen als Himmelsrichtung gebräuchlichere Wort Norden ursprünglich ein anders gebildetes Adverb im Sinne von >im, von Norden< war. Mit dt. Nord etymologisch identisch und bedeutungsgleich sind engl. north (vgl. North als englische Bezeichnung für Norden im Duden-Fremdwörterbuch, sonst als Vorderglied von Eigennamen wie Northumberland) und anord. norör. Abwandlungen des Letzteren erscheinen beispielsweise im Namen der nördlichsten Provinz Schwedens Norrbotten (Grundwort >Grund, Bodengroßer Fluss des Nordens«, s. Grand, de1) und seine Pluralform Nortes als Bezeichnung für verschiedene lokale Winde: Nordostwinde in Mexiko, feuchtwarme Nordwinde in Argentinien bzw. kalte Nordwinde, die von den schneebedeckten Höhen der Pyrenäen nach Spanien herabwehen. Norman/Normann: Ebenso wie Norbert (etwa >der im Norden Berühmte«, zu dessen Grundwort ahd. beruht >glänzend« vgl. Adalbert unter Adel) hält man den in Deutschland selten vorkommenden männlichen Vornamen für eine alte bodenständige Bildung aus ahd. nord >Norden« und man >Mann< (also etwa >Mann aus dem Norden«, s. Nord, man). Da er aber zum anderen in England und Amerika recht beliebt ist, kann Norman auch entlehnt sein. Der englische Eigen- und Gattungsname im Sinne von >aus der Normandie Gebürtiger« stammt aus afrz. Normans, Plural von Normant (daraus frz. Normand), einer umgestalteten Form von afränk. northman/nordman für anord. nordmaör, Plur. norömenn, das sich wörtlich durch Nordmannen wiedergeben lässt. Das war die Bezeichnung für die Wikinger, die Angehörigen nordgermanischer Stämme, die im 9. Jh. auch die Küste des Fränkischen Reiches plünderten, 911 die Gebiete an der unteren Seine als Lehen erhielten und das Herzogtum Normandie gründeten. Im Mittelalter hat ihr Name mlat. Nortmanni, engl. Northmen, dt. Normannen ergeben. nostra in der Fügung Cosa Nostra, dem Namen der berüchtigten kriminellen Organisation in Sizilien und den USA: Er ist italienisch und bedeutet wörtlich >unsere Sache« (s. Causa). Darin ist nostra das Femininum zum maskulinen Possessivpronomen nostro »unser«» enthalten im finanziellen Fachausdruck Nostroe^e/cfen >im Eigentum eines Kreditinstitutes befindliche Wertpapiere« (s. Effekt). Ital. nostro und

nostra gehen ebenso wie ihr attributiv gebrauchter, genusindifferenter Kognat frz. notre >unser, unsere« auf gleichbed. lat. noster m., nostra f., nostrum n. zurück. Das nachgestellte Maskulinum des lateinischen Pronomens ist Hinterglied in Paternoster (eigtl. >Vaterunser«, s. Vater) als Name des Gebets und des Umlaufaufzugs (urspr. Paternosterwerk, nach einem Vergleich mit dem Rosenkranz). Das mit ital. nostra formgleiche Femininum und sein Fortsetzer im Französischen sind entsprechend in Nostradamus und NoUe-Dame (s. d.) vertreten, und mit der Kompositionsform nostri- ist das Verb nostri/zzzeren >einbürgern; ein ausländisches Examen, Diplom anerkennen« (zum Grundwort s. Fazit) zusammengesetzt. Nota: Die im Duden-Fremdwörterbuch gebotene etymologische Angabe, Nota sei der substantivierte Imperativ von lat. notare >bezeichnen, bemerken«, geht wohl von der Zusammenrückung notabene »übrigens« (eigtl. »merke wohl!«, s. bene) aus und ist in Bezug auf die Funktion des Wortes als kaufmännischen Terminus »(kleine) Rechnung, Auftrag« denkbar. Dieser lässt sich aber ohne weiteres auf die Vorlage von notare selbst zurückführen, nämlich lat. nota »Kenn-, Merkzeichen» Schriftstück« (vgl. die veraltete Bedeutung von Nota »Zeichen, Anmerkung» Notiz«), das außerdem an der Fügung Nota quadrata »Quadratnote, viereckiges Notenzeichen der Choralnotation« (s. Quadrat) teilnimmt und dessen Akkusativ in der veralteten Konstruktion ad notam nehmen »zur Kenntnis nehmen« auftritt. Das auch in Note vorliegende lateinische Wort (wegen seines kurzen -0- wohl ablautende Bildung zum Verb nöscere »kennen lernen, erkennen, prüfen«) ist im Sinne von »Kennzeichen, Merkmal« seit althochdeutscher Zeit bezeugt, im Mittelhochdeutschen wurde es - entsprechend dem mittellateinischen Gebrauch - Bezeichnung für musikalisches Tonzeichen, wonach sich die übrigen Bedeutungen von Note einstellten. Noten »Musikalien« ist eine umgangssprachliche Lexikalisierung des Plurals von Note. Formgleich mit dt. Note sind engl. note und dessen Vermittler frz. note, die mit entsprechender Aussprache enthalten sind in Notebook »Personalcomputer im Buchformat« (aus engl. notebook, eigtl. »Notizbuch«, s. Buch), Notes »verschiedene Arten kurz- bis mittelfristiger Anleihen, die häufig in einer Summe rückzahlbar sind« und im musikalischen Fachausdruck Note sensible »Leitton« (aus frz. note sensible, eigtl. »empfindliche Note«, Attribut zu lat. sentire »empfinden, wahrnehmen«, vgl. Sensus). Dem lateinischen Verb notificare »bekannt machen«, auf dem dt. veraltet notifizieren »anzeigen, benachrichtigen; im diplomatischen Verkehr durch eine Note förmlich übermitteln« beruht» liegt übri-

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gens nicht lat. nota, sondern nötus »erkannt, bekannt*, das Partizip Perfekt von nàscere (s.o.), zugrunde. Auf dessen Femininum nota wird zuweilen das erörterte Substantiv nota fälschlicherweise bezogen (vgl. auch die an der Semantik von notifizieren erkennbare Verwechslung der verschiedenen Ausgangspunkte von Verb und Substantiv).

Notre-Dame: Französische Bezeichnung der Jungfrau Maria, die synonym mit la Vierge Marie gebraucht wird und Name vieler ihr geweihter Kirchen ist (vgl. Notre Dame de Paris auch als Romantitel »Notre Dame de Paris« bei V. Hugo). Sie besteht aus dame >Frau; Herrin, Gebieterin; die Mutter Christi* (s. Dame, vgl. Frau) und dem Possessivpronomen notre >unser, unsere< (s. nostra) und hat demnach eine semantisch adäquate Entsprechung in dt. Unsere Liebe Frau. Der Familienname des französischen Arztes und Astrologen Michel de Notre-Dame (1503 bis 1566), der durch seine gereimten Prophezeiungen berühmt geworden ist, lautete mfrz. Nostredame, wurde aber zu Nostradamus latinisiert und somit in eine eigenartige maskuline etymologische Dublette von Notre-Dame umgewandelt. Novelle: Dem Wort liegt die substantivierte feminine Form novella von lat. novellus m. >neu, jung*, einem Diminutiv zu gleichbed. novus (s. neu) zugrunde. Im 16./17. Jh. wurde es über ital. novella zunächst in der Bedeutung >Begebenheitneue Verordnungen*) oder aus dem Singular novella lex (eigtl. >neues Gesetz*, vgl. Lex). Das Adjektiv lebt in frz. nouveau m., nouvelle f. >neu* fort und ist Attribut jeweils in Nouveau Roman >nach 1945 in Frankreich entstandene experimentelle Form des Romans, welche die distanzierte Beschreibung einer eigengesetzlichen Welt in den Vordergrund stellt* (eigtl. >neuer Roman*, s. Roman) und in Nouvelle Cuisine »um 1970 in Frankreich aufgekommene, auf neuen Ernährungserkenntnissen beruhende und frische Zutaten bei kurzen Garzeiten verwendende Kochkunst* (eigtl. >neue Küche*, s. Küche). Im 15. Jh. über rnffz. nouvelle und ital. novella vermitteltes engl. novel >neu, neuartig* bzw. »Kurzgeschichte, Erzählung* (seit dem 17. Jh. >RomanNahrung, Lebensrnittel* s. Fast Food unter fest); der Plural des substantivisch gebrauchten Anglizismus ist u.a. Bestandteil des literaturgeschichtlichen Fachbegriffs Fashionable Novels >die Welt des Dandyismus kritisch behandelnde englische Romane der Übergangszeit zwischen Romantik und Realismus im 19. Jh.< (eigtl. >Moderomaneneusehr kurze Zeitspanne*: Das heute ausschließlich in der präpositionalen Fügung im Nu >sehr schnell* (eigtl. >im gegenwärtigen Augenblick*) gebräuchliche Wort ist eine Substantivierung des Temporaladverbs mhd. nü/nu »nun, jetzt, eben*, das wie gleichbed. engl. now auf germ, und idg. *nü/*nu >jetzt< (möglicherweise Tiefstufe von idg. *newo>neuund jetzt, auch jetzt* für eine Zusammensetzung aus nu und der Verbindungspartikel germ. *-7 (= lat. -que »und*) hält.

null »nichtig, ungültig; kein; nichts*: Seit dem 16. Jh. in rechtsspr. null und nichtig »rechtlich ungültig* bezeugte deglutinierte Übernahme von lat. nullus m., nulla f., nullum n. »kein* (urspr. vermutlich »kein Einziger*, d.h. aus negiertem unus >ikeine Strafe ohne Gesetz* (s. Pein, Lex). Auch das Neutrum nullum erscheint substantivisch und adjektivisch in rechtswissenschaftlichen Fachausdrücken: Nullum >etwas Gegenstandsloses, Wirkungsloses* bzw. nullum crimen sine lege >kein Verbrechen ohne Gesetz* (s. Crimen), was so auszulegen ist, dass eine Tat nur dann bestraft werden kann, wenn ihre Strafbarkeit bereits gesetzlich bestimmt war. Numero/Nummer: Die veraltete, den Abkürzungen No. und N° zugrunde liegende Variante Numero n. spiegelt adäquat die Entlehnungsquelle ital. numero m. »Zahl, Zahlenzeichen* wider, das im 16. Jh. in die Kaufmannssprache übernommen und im 18. Jh. zu Nummer f. (Genuswechsel in Anlehnung an Zahl) umgestaltet wurde. Ital. numero selbst beruht auf lat. numerus »Zahl, Menge, Reihe*, aus dem der hauptsächlich in der Grammatik und Mathematik vorkommende Fachausdruck Numerus >Zahlform des Nomens und Verbs; die zu logarithmierende Zahl* stammt. Dessen Plural Numeri ist zugleich Name des 4. Buches Mosis (eigtl. >ZählungenNuss* zurückgehenden Substantiv steckt wahrscheinlich die lautnachahmende Wurzel idg. *kn-, *ken-, die auch lat. nux (aus *knuks), Gen. nucis >Nuss< mit dem Diminutiv nucleus >Nusskern, Kern* (daraus die neoklassische Bildung nuklear >Kern-oben; oberhalb von*, erhalten z. B. in dem Ortsnamen Rothenburg ob der Tauber, gebunden auch in Obacht (dazu beobachten), Obdach, Obhut, darob (vgl. ferner oberst und auf). Es ist Vorderglied der Präposition oberhalb, die im Mittelhochdeutschen (oberhalbe, -halben, -halp >oberhalbSeite, Richtung< in adverbialem Gebrauch (s. halb) entstanden und aus der offensichtlich die österreichische Präposition ober2 >über, oberhalb von< als Kopfisolierung rückgebildet worden ist. Substantivisch tritt das Adjektiv auf im schwach flektierten Maskulinum Oberer >Vorgesetzter* und - nach Abfall des auslautenden -e - im stark flektierten Ober1 >ihrem Wert nach zwischen Wenzel und König stehende, der Dame im französischen Kartenspiel entsprechende Karte*. Letzteres würde allerdings nur zutreffen, wenn Ober1 nicht eine Kopfisolierung aus ebenfalls seit dem 16. Jh. bezeugtem gleichbed. Obermann, Oberbub darstellt, wie dies bei Ober2 (aus Oberkellner isoliert) der Fall ist. Das substantivierte Neutrum auf -s (dieses nicht mehr als Endung empfunden) steckt in bair.-österr. Obers >Sahnehöchster Vorgesetzten sowie des schwach oder stark flektierten Oberst >ein Stabsoffiziere Parallel zu diesem besteht dessen als ist-Ableitung aufgefasste und deshalb endbetonte Nebenform Obrist (vgl. mhd. oberest/oberist >der Höchsteentgegenwerfen; vorsetzen< (Präfigierung von iacere >werfen< mit ob- >gegen, entgegen, widen). Im Sinne von >auf ein Objekt bezüglich* war das Fremdwort auch von Objekt, dem substantivierten

0 Partizip Perfekt zu obicere, inhaltlich abhängig. Diese Bedeutung ermöglichte das Aufkommen der Zusammensetzung Objektivglas >dem zu beobachtenden Gegenstand zugewandte Linse oder Linsenkombination eines optischen Gerätesaus Weizenmehl und Wasser gebackenes dünnes Scheibchen; rundes Gebäck*: Die Bezeichnung für die besonders in der katholischen Kirche als Abendmahlsbrot gereichte unkonsekrierte Hostie ist elliptisch aus mlat. oblata (hostia) >dargebrachtes (Opferbrot)< entstanden. Darin bedeutet das weggelassene Bezugswort hostia, die Quelle von dt. Hostie, >MessopferOpfer(tier)anbieten, darbringen, erweisen< (eigtl. >entgegentragen*, aus ferre >tragen, bringen* [s. Luzifer unter Lux], herkunftsgleich mit dem Grundverb in gebären, und Präfix ob-/of- >entgegen-anerbotener (Knabe)*, einer in der mittelalterlichen Kirche üblichen Bezeichnung für Knaben, die von ihren Eltern für das Leben im Kloster bestimmt worden waren. Daher die morphosemantische, in Österreich (sofern Oblate1 dort auf der ersten Silbe betont wird) auch akzentsemantische Dublette Oblate2 m. >im Mittelalter im Kloster erzogenes, für den Ordensstand bestimmtes Kind; Mitglied einer neueren Ordensgemeinschaft; jemand, der sich einem Orden oder Kloster angeschlossen hat, ohne Vollmitglied zu sein*.

Oboe: Der Name des Holzblasinstruments wurde über ital. oboe aus gleichbed. frz. hautbois entleht, das eine Zusammenrückung aus haut >hoch< (s. alt) und bois >Holz; Wald* (s. Busch) ist und demnach wörtl. >hohes, d.h. hoch klingendes Holz* bedeutet. Neben Oboe verzeichnet das Duden-Fremdwörterbuch Hautbois selbst als französische Bezeichnung für dieses Musikinstrument. obskur >dunkel, verdächtig, fragwürdig, unbekannte Seit dem 17. Jh. bezeugte Übernahme von lat. obscu-

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Ochse rus »dunkel, unsichtbar, unbekannt (ursprünglich wohl >bedecktLochkammer< (eigtl. >dunkle Kammer«, s. Kammer) enthalten, und in französischer und italienischer Lautgestalt liegt das Wort vor in der Bezeichnung für die Helldunkelmalerei C/azr-obscur (s. d.) bzw. in dessen selteneren Dublette Chiaroscuro (s. klar). Ochse: Die deutsche Bezeichnung für ein verschnittenes männliches Rind geht wie auch engl. ox »Ochse; Rind< auf den germanischen maskulinen n-Stamm *uhsön >Ochse< zurück. Im Sinne von »Befeuchter, d.h. Samenspritzer, Stier< (vgl. den von W. Pfeifer mit erwähnten landwirtschaftlichen Gebrauch von Ochse in der Bedeutung >Zuchtbulledas Auge schädigend« im Hinblick auf Medikamente) wieder, das als eine diminuierende Ableitung auf dieselbe indogermanische Grundlage *okw- zurückgeht wie gleichbed. germ. *augön (s. Auge). Nach dem Eingangsvers des Gottesdienstes (Psalm 25,15: »Meine Augen schauen stets auf den Herrn«) ist in der evangelischen Kirche der orthographisch eingedeutschte Nominativ Plural Okuli Name des dritten Sonntags in der Passionszeit, d.h. des vierten vor Ostern, während der Singular Okulus ein kleines rundes Kirchenfenster benennt. In

der präpositionalen Fügung ad oculos >vor Augen« (vgl. ad) ist sein Akkusativ Plural üblich als Bestandteil der Redewendung jemandem etwas ad oculos demonstrieren, d.h. »es ihm durch den Augenschein beweisen«. Aus griech. monophthalmos >einäugig< entstand unter Beibehaltung des präfixoiden mon(o)»einzig, allein« (s. mono) die Teilübersetzung spätlat. monoculus, das im 19. Jh. über frz. monocle dt. Monokel >Einglas« neben nach demselben Muster im Jahre 1645 mithilfe von lat. bini »je zwei, doppelt« gebildetem nlat. binoculus bzw. frz. binocle und daher dt. Binokel >Brille; Fernglas; Mikroskop für beide Augen« lieferte. Als Erbwort im Französischen etablierte sich das aus dem lateinischen Akkusativ oculum im Laufe der Zeit lautlich umgestaltete oeil >Auge«, enthalten im baukünstlerischen Fachwort (E\\-de-Boeuf >rundes oder ovales Dachfenster«, das auch als wörtliche Übersetzung Ochsenauge (s. de\ Kuh) fungiert. Die gleiche Metapher liegt engl. bulFs eye (eigtl. >Bullenauge«, s. Bulle1, Auge) zugrunde, das über niederd. bulloogdt. Bullauge wasserdicht schließendes rundes Schiffsfenster« ergab. Odor >GeruchDuft, Geruch«. Dessen seit dem 12. Jh. bezeugter gleichbedeutender Reflex frz. odeur ist seinerseits die Quelle des Gallizismus Odeur wohlriechender Stoff, Duft; seltsamer Geruch«. Vgl. Desodorans.

offen: Mit gleichbed. engl. open hervorgegangen aus einem Adjektiv germ. *upena- >offen«, das zu der Grundlage *up(a) gebildet ist, welche auf(s. d.) zugrunde liegt. Der englische Kognat tritt auf in der Fügung open end »offenes Ende« (s. Ende), substantivisch in Open »offener Wettbewerb« oder als Bestandteil von Open-Air- (eigtl. »im Freien stattfindend, Freiluft-«, s. Air), vgl. z.B. Open-Air-Konzert (s. Konzert).

offiziell »amtlich; feierlich, förmlich«: Das im Sport auch als schwach flektierendes Substantiv Offizieller »Spielleiter, Spielaufsicht« auftretende Fremdwort ist Ende des 18. Jh. über frz. officici (seit dem 18. Jh.) und engl. official (seit dem 16. Jh.) übernommen aus spätlat. officialis m./f., officiale n. »amtsgemäß; die Pflicht betreffend« (zu officium »Pflicht; Dienst, Amt«, s. Offizium). Als direkte Entlehnungen aus dem Mittellateinischen gelten das deglutinierte, stark flektierende Maskulinum Offizial »Vertreter des (Erz)bischofs als Vorsteher der Offizialat heißenden (erzbischöflichen kirchlichen Gerichtsbehörde; Beamter im mittleren Dienst in Österreich« (vgl. auch Offizialais Wortbildungselement mit der Bedeutung »von Amts wegen, pflichtgemäß«) und veraltet Officialia/ Offizialien Plur. »Amtsgeschäfte, Dienstangelegenheiten« (adäquate und adaptierte Übernahme des

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gleichbedeutenden substantivierten Neutrums Plural officialia),

Offizium >Messe an hohen Feiertagen; Stunden-, Chorgebet; katholisches Kirchenamt, Amt und die damit verbundenen Pflichten eines Geistlichen«: Das früher gelegentlich in der Kurzform Offiz, in erstarrten Redewendungen dagegen meist Officium (vgl. Sanctum Officium >Heiliges Offizium«, Officium supremum >letzte Pflicht, letzte Ehre«, s. Sanctus, Supremum) und mit Bedeutungen wie >(Dienst)pflicht, Obliegenheit; Amt, Dienst« auftretende Fremdwort beruht auf lat. officium >Pflicht, Schuldigkeit, Dienstfertigkeit; Dienst, Amt« (wohl mit Assimilation aus opificium »Dienstleistung; Handwerk«, das mit oder über das Nomen Agentis opifex »Verfertiger, Handwerker« aus der Kompositionsform opi- von *ops, Gen. opis »Kraft, Macht; Hilfe« und facere »tun« gebildet ist, s. Opus, Fazit), Dessen Ablativ ist in der präpositionalen Fügung rechtssprachl. ex officio »von Amts wegen, amtlich« (s. ex) enthalten. Über frz. office »(Gottes)dienst; Amt; Büro«, das endbetontes, im Gastgewerbe gebräuchliches Schweiz. Office1 »Anrichte(raum)« lieferte, wurde engl. office »Amt; Büro; Ministerium« übernommen, vgl. die Exotismen Office2 und Foreign Office als englische Bezeichnungen für Büro bzw. für das britische Außenministerium (Attribut: engl. foreign »auswärtig« aus mlat. foranus/ foraneus »auswärts wohnend«) sowie Office of the Future als plakativen Begriff zur Beschreibung von besonders stark automatisierten Verwaltungseinrichtungen, in denen die traditionelle Kommunikation mit Papier weitgehend entfällt (eigtl. »Büro der Zukunft«, s. ab1, Futur). Im Italienischen ist der Latinismus durch drei Lautvarianten vertreten: officio/ufficio/uffizio »Obliegenheit; Amt, Kanzlei, Dienststelle; Stellung, Posten«. Die Letztere liegt eingedeutscht im Namen des einstigen Verwaltungsgebäudes in Florenz Uffizien (eigtl. »Ämter«) vor, verselbständigt aus ital. Palazzo degli Uffizi, wörtl. »Palast der Ämter« (vgl. Palas, de1), einem 1560ft. von G. Vasari im Auftrag Cosimos I. de’Medici errichteten Gebäude, heute Kunstmuseum und Staatsarchiv. Oheim: Der seit dem 18. Jh. von Onkel (s. d.) zurückgedrängte Verwandtschaftsname bezeichnete ursprünglich - im Gegensatz zu Vetter »Vatersbruder« - den Bruder der Mutter. Er geht zurück auf die gleichbedeutende westgermanische Komposition *awa%aima, dessen Bestimmungswort auf dem unter Onkel erörterten idg. *awos »Großvater mütterlicherseits« beruht und dessen Grundwort mit Heim (s. d.) verwandt ist, so dass E. Seebold die Zusammensetzung als »der im Haus des Großvaters lebt« und das Duden-Herkunftswörterbuch sie im Sinne von »der dem Großvater Vertraute« zu deuten versuchen. Dazu stellt sich die aus dem Mittelniederdeutschen stam-

Oktave mende kontrahierte Form Ohm1 (daneben auch Öhm, vgl. mhd. oeheim/öheim »Mutterbruder, Oheim; Schwestersohn, Neffe; Verwandter überhaupt«), die auch als Familienname fungiert. Der des Physikers G. S. Ohm (1789-1854) wurde 1881 als Maßeinheit für den elektrischen Leitungswiderstand Ohm2 (Zeichen: Q) vom Pariser Kongress vorgeschlagen und durch Reichsgesetz vom 1. Juni 1898 festgelegt. Ohr: Das Gehörorgan zählt mit Auge (s. d.), Fuß (s. d.) Herz (s. d) zu den Körperteilen, die einen indogermanischen Namen führen. Zusammen mit engl. ear geht es über germ. *auzön auf verschiedene Stammbildungen aufweisendes idg. *aus- »Ohr«, aus dem u.a. der gleichbedeutende i-Stamm lat. auris hervorgegangen ist. Der Plural des englischen Kognaten von dt. Ohr ist im medizinischen Fachausdruck G/aeears/G/ue-Ears »Verklebung der Ohren durch Sekretausfluss bei Mittelohrentzündung« (s. Glu) enthalten. Die Kompositionsform von lat. auris, das genau wie die Westgermanismen Ohr und ear durch den Rhotazismus genannten Wandel eines stimmhaften s (d. h. [z] ) in r gekennzeichnet ist, erscheint beispielsweise in einem anderen Fachausdruck der Ärzte, nämlich Aurisfcop »mit einer Lichtquelle versehenes Instrument zur direkten Betrachtung des Innenohrs« (s. Episkop),

ökonomisch »die Wirtschaft betreffend; wirtschaftlich; sparsam«: Mit sprachgeschichtlich unangemessener Wiedergabe der fremden Graphemfolge durch den Laut [0] statt durch [e] (vgl. analog Komödie) und durch regulären Suffixersatz -icus > -isch entlehnt über lat. oeconomicus aus griech. oikonomikós »den Haushalt betreffend, zur Hauswirtschaft gehörig« (abgeleitet von den mithilfe der Suffixe -nómos, -nomia aus otkos »Haus« gebildeten Substantiven oikonómos »Haushalter, Verwalter«, oikonomta »Haushaltung, Verwaltung«, den Quellen von dt. Ökonom, Ökonomie). Das aus der Fügung oikonomiké (téchnè) »die Kunst der Haushaltung« verselbständigte Femininum des Adjektivs liegt dem Abstraktum Ökonomik »Wirtschaftswissenschaft; Wirtschaft, wirtschaftliche Struktur; Wirtschaftlichkeit« sowie dem herkunftsgleichen Namen der an amerikanischen Hochschulen gelehrten, der Volkswirtschaftslehre vergleichbaren Disziplin Economics (aus engl. economics, eigtl. »Sparsamkeit«) zugrunde. Oktave »Interval von acht diatonischen Stufen bzw. der achte Ton einer diatonischen Tonleiter vom Grundton an; Stanze, Strophenform aus acht elfsilbigen jambischen Verszeilen«: Seit dem 13. Jh. bezeugte Übernahme von mlat. octava (elliptisch für octava vox »die achte Stimme«, s. Voces), das mit Angleichung /kt/ > /tt/ auch ital. ottava/ottavo »die, der Achte« ergeben hat und ebenfalls als musikalisches Fachwort

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okular in der Spielanweisung ottava >in der Oktave (zu spielen)< vorliegt. Synonym mit Oktave als Bezeichnung der ursprünglich italienischen achtzeiligen Strophenform begegnen auch Ottava und Ottaverime (Zusammenrückung aus ital. ottave rime >acht Reimes in der rime, Sing, rima auf frz. rime-, allem Anschein einer Rückbildung aus rimer >reimenachte Klasse eines Gymnasiumsachter< (Ordnungszahl zu octo >8*, s. acht) dar, aus dem drei weitere homonyme Dubletten stammen: Oktav1 n. >AchteIbogengröße, Zeichen 8°< (sofern der gefalzte Druckbogen ursprünglich acht Blätter ergab), Oktav2 f. achttägige Festwoche nach Weihnachten oder Ostern mit Nachfeier am achten Tag (in der katholischen Kirche)achte Fechtbewegung*).

okular >mit dem Auge, für das Auge, das Auge betreffend, Augen-*: Regelrechte Eindeutschung von spätlat. ocularis >Augen-, zu den Augen gehörig*, einer Ableitung von oculus >Augemit oder für (nur) ein Auge bzw. beidäugig, für beide Augen bestimmte Wie eine Wortspaltung infolge von Kopfisolierung zustande kommt, lässt sich am Beispiel der im 18. Jh. aufgekommenen Zusammensetzung Okularglas >die dem Auge zugewandte Linse eines optischen Gerätes* aufzeigen, aus der schon im selben Jahrhundert gleichbed. Okular unter Beibehaltung des neutralen Geschlechts verselbständigt wurde. Oleum: In der Chemie verwendet man das lateinische Wort für Öl zur Benennung der rauchenden Schwefelsäure (wegen ihrer Zähflüssigkeit), und in der Pharmazie ist es die Bezeichnung für ein ätherisches Öl, vgl. auch das Grundwort der Gelehrtenbildung Menthol Bestandteil des Pfefferminzöls< (s. Minze) oder in Petrol >Erdöl< (siehe weiter unten Petroleum). Lat. oleum >(Oliven)öl< (aus gleichbed. griech. élaion >Ö1, Fettigkeit*, vgl. dessen Kompositionsform Elaio-/Eläo- etwa in Eläo/zt/i >ein gesteinsbildendes Mineral*, s. Litho), das ferner in der hybriden Bildung mlat. petroleum (Bestimmungswort: griech. pétros >Stein, Fels*, also eigtl. >Steinöl Kraftwagen mit vielen Sitzplätzen zur gewerbsmäßigen Personenbeförderung, Autobus, Buse Im 19. Jh. entlehnt aus frz. omnibus, entstanden elliptisch aus der Fügung (volture) omnibus >(Fahrzeug) für alle*, in der omnibus den Dativ Plural von lat. omnis >jederalle< repräsentiert. Auf einer Substantivierung des Genitivs Plural omnium >aller< beruht der Terminus des Radsports Omnium als Bezeichnung eines aus mehreren Bahnwettbewerben bestehender Wettkampfs, in dem für die Platzierung in den einzelnen Disziplinen gleiche Punktzahlen vergeben werden, aus deren Addition sich die Gesamtplatzierung ergibt (vgl. auch Consensus omnium unter Konsens). Der neutrale Nominativ und Akkusativ Plural erscheint in einzelnen geflügelten Worten wie im Wahlspruch der Jesuiten omnia ad maiorem Dei gloriam >alles zur größeren Ehre Gottes* (auch abgekürzt O. A. M. D. G., s. ad, Major1, Ziu, Glorie) oder omnia mea mecum porto >all meinen Besitz trage ich bei mir* (lateinische Übersetzung eines Ausspruchs von Bias, einem der Sieben Weisen Griechenlands, 625-540 V. Chr.). Mit der Kompositionsform omni- >all-* ist beispielsweise omnipräsent allgegenwärtig* (aus gleichbed. mlat. omnipraesens, Gen. omnipraesentis, s. präsent) gebildet.

Onkel: Das im 18. Jh. aus frz. onde Bruder der Mutter oder des Vaters* übernommene Lehnwort verdrängte einheimisches und auf indogermanischer Grundlage urverwandten ersten Bestandteil enthaltendes Oheim (s. d.). Der Gallizismus, der über spätlat. aunculus auf lat. avunculus >Mutterbruder* (Diminutiv zu avus >Großvater< < idg. *awo- >Großvater mütterlicherseits*) zurückgeführt wird, lieferte bereits im 13. Jh. engl. uncle >Onkel*. Im Deutschen tritt dieses auf in der symbolischen Bezeichnung für die (Regierung der) USA Uncle Sam (eigtl. >Onkel Samuel*, wohl nach einer scherzhaften Interpretation der Abkürzung U. S. für United States >Vereinigte Staaten*; über die Deutung des hebräischen Namens Samuel s. Allah).

Operateur >operierender Arzt*, veraltend >Kameramann; Filmvorführer*: Im 18. Jh. als medizinischer Terminus übernommen aus gleichbed. frz. Operateur, das auf lat. operator >Arbeiter, Verrichter* (Nomen Agentis zu operari arbeiten, wirken*, s. operieren)

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beruht. Dieses liegt dem mathematischen, linguistischen und biologischen Fachwort Operator zugrunde, das im Sinne von >Fachkraft, die eine EDV-Anlage überwacht und bedient* auch in englischer Aussprache auftritt (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). operieren: Im 16. Jh. (zunächst in der Bedeutung handeln, verfahren*, dann in der medizinischen Fachsprache auch in der spezielleren >einen chirurgischen Eingriff vornehmen* auftretend) entlehnt aus mlat. operari »arbeiten, wirken, beschäftigt sein* (zu lat. opus »Arbeit, Werk*, opera »Tätigkeit, Bemühung*, s. Opus). Aus dem Kirchenlatein, in dem operari »einer religiösen Handlung obliegen, Gott ein Opfer bringen, Almosen spenden* bedeutete, wurde ahd. opfarön »ein religiöses Opfer darbringen* übernommen, das in der Dublette opfern fortlebt. Mit diesem Verb konkurrierte nicht verwandtes und verloren gegangenes ahd. offrön »Gott schenken, weihen, opfern* (aus gleichbed. kirchenlat. offerre, urspr. »entgegentragen, darbringen*, woher die jüngere Entlehnung offerieren »an-, darbieten*, s. Oblate1).

Opus »(musikalisches) Werke Übernahme von lat. opus »Arbeit, Beschäftigung, Werk* (zu *ops, Gen. opis »Kraft, Macht; Hilfe*, Plur. opes »Machtmittel; Streitkräfte; Schätze*, vgl. Offizium). Dessen Plural opera wurde schon zu Piatus’ Zeiten (3.-2. Jh. v.Chr.) als kollektiver femininer Singular in der Bedeutung »Arbeit, Tätigkeit, Mühe* (vgl. operieren) gebraucht und ergab einerseits ital. opera »Handlung, Werk*, seit dem 17. Jh. »Bühnenwerk mit Musik* (verselbständigt aus der Fügung opera in musica »Musikwerk*), andererseits frz. oeuvre »Werk, Arbeit, Handlung*. Ersteres ist in unveränderter Form und in französischer Adaptation Bestandteil der Gattungsbezeichnung für eine heiter-komische Oper Opera buffa bzw. Opera comique (s. komisch), und eingedeutscht erscheint es seit dem 18. Jh. in Oper. Das französische Erbwort tritt auf in (Euvre »Gesamtwerk eines Künstlers* (vgl. ferner die veraltete Fügung Chefd’CEuvre »Haupt-, Meisterwerk*, s. Haupt, de1, und die Zusammenrückung Horsd’oeuvre »appetitanregendes Vor- oder Beigericht* < frz. horse-d’oeuvre, eigtl. »Beiwerk*, s. Dehors), gebunden auch in Manöver »größere Truppenübung; mit einem Schiff oder Flugzeug ausgeführte Bewegung; Winkelung* (aus gleichbed. frz. manoeuvre, dies aus lat. manuopera, eigtl. »Handarbeit*, Vorderglied: manus »Hand*, s. mano). Orange1 f.: Das vorwiegend süd- und mitteldeutsche Heteronym von Apfelsine (s. China) ist im 17. Jh. aus gleichbed. frz. orange, älter pomme d’orange/pume orenge (danach dt. Orangenapfel) entlehnt. Letzteres ist eine Lehnübersetzung von aitai, bzw. mlat. pomarancia oder melarancia, in denen die ersten Kompo-

Orbita nenten pom- und mel- so viel wie »Apfel* bedeuten. Das Grundwort ital. arancia, dessen Anlaut durch als unbestimmter Artikel una »eine* aufgefasstes und abgetrenntes n- aus venez. naranza umgestaltet worden ist, geht durch arabische Vermittlung auf die persische Bezeichnung für eine bitter schmeckende Apfelsinensorte närang zurück. Im Französischen erklärt man den zusätzlichen Wandel des anlautenden a- in 0- durch volksetymologische Anlehnung entweder an den Namen der südfranzösischen Stadt Orange, über die die Frucht importiert wurde, oder an or »Gold* (s. Aurum) wegen des goldgelben Aussehens der Früchte. Wohl nach dem Vorbild von frz. orange »orangefarben* tritt orange im Deutschen ebenfalls seit dem 17. Jh. adjektivisch auf, vgl. dazu das Neutrum Orange2 »orange Farbe*. Das eingangs erwähnte aitai, pomarancia bzw. darauf beruhendes mlat. pomerancia lieferte bereits im 15. Jh. frühnhd. pomerancz/pomerantze, d. h. die Vorformen von nhd. Pomeranze »Bitterorange* (s. Pommes), in dem das persische Wort als gebundene Dublette fortlebt.

Oration »formal strenges liturgisches Gebete Der besonders im Rahmen der katholischen Messe gebräuchliche kirchensprachliche Begriff repräsentiert den Flexionsstamm von lat. oratio, Gen. orationis »Rede; Erörterung; Äußerung*, spätlat. »Gebet* (Verbalabstraktum zu orare »reden; vortragen; beten; bitten*). Im Deutschen wird der Latinismus auch in seiner Grundform Oratio lexikographisch verzeichnet als Bestandteil von Wortfügungen, in denen er sowohl im Sinne von »Rede* wie auch in der Bedeutung »Gebet* auftritt, vgl. die sprachwissenschaft lichen Fachausdrücke Oratio recta »direkte Rede* (vgl. recht), Oratio obliqua »indirekte Rede* und den kirchensprachlichen Oratio dominica »Gebet des Herrn, Vaterunser* (vgl. Dominikus). Orbis »Umkreis oder Wirkungsbereich, der sich aus der Stellung der Planeten zueinander und zur Erde ergibt*: Astrologischer Fachausdruck, der auf lat. orbis, Gen. orbis »Kreis(linie); Wölbung; Himmelsphäre* (vgl. Otbita) beruht und von der Wortfügung orbis terrarum (s. dürr) heraus auch die Bedeutung »Erdkreis, bewohnte Erde, Welt* entwickelt hat. Der Dativ des etymologisch unklaren, auf jeden Fall nicht als indogermanisches Erbwort angesehenen Substantivs tritt zusammen mit urbs »Stadt* auf in der Formel urbi et orbi »aller Welt, allgemein* (eigtl. »der Stadt bzw. Rom und dem Erdkreis*, s. et, Urbs), mit der päpstliche Erlasse und Segenspendungen verkündet werden.

Orbita »Augenhöhle*: Die den Augapfel aufnehmende Höhlung des Gesichtsschädels bezeichnet man mit dem als anatomischer Begriff übernommenen lateinischen Wort orbita »Kreislauf, -bahn; Wagen-, Fahr-

Orchester geleise«, einer femininen Substantivierung des von orbis »Kreis(linie); Wölbung« (s. Orbis) abgeleiteten Adjektivs orbitus »kreisförmig« (möglicherweise elliptische Verselbständigung aus der Fügung via orbita >kreisförmiger Weg«, vgl. via1). Mithilfe der zugehörigen Kompositionsform ist beispielsweise Orbitogramm >Röntgenbild der Augenhöhlen« (s. Gramm) gebildet. Dasselbe Wort ist der über engl. orbit Planeten-, Raumschiffbahn; Augenhöhle« entlehnte Terminus des Raumflugs Orbit »elliptische Umlaufbahn eines Satelliten o. Ä. um einen größeren Himmelskörper«.

Orchester: Das heute auch im Sinne von »größeres Ensemble von Instrumentalisten unter der Leitung eines Dirigenten« wurde im 18. Jh. ursprünglich in der Bedeutung »Raum für die Musiker vor der Bühne« aus frz. orchestre entlehnt, das über spätlat. orchestra »Erhöhung auf der Vorderbühne für Musiker, Tänzer, Pantomimen« auf griech. orchèstra »Tanzraum des Chores zwischen Bühne und Zuschauern« (eigtl. »Tanzplatz«, zu orchetsthai »tanzen«) zurückgeht. In der Lautung Orchestra fungiert das griechische Wort historisierend als Bezeichnung für den runden Raum im altgriechischen Theater, in dem sich der Chor bewegte, für den Raum zwischen Bühne und Zuschauerreihen als Platz für die Hofgesellschaft (im Theater des 15./16. Jh.) u.a. Orden: Die heute vorherrschende Bedeutung des Substantivs erinnert uns an den Umstand, dass man einst bei der Aufnahme in einen christlichen Orden Ehrenzeichen zu verleihen pflegte. Die Bezeichnung Orden für jene ursprünglich religiösen und später auch weltlichen Gemeinschaften beruht auf lat. ordo, Gen. ordinis »Reihe, Ordnung, Regel« und deutet auf die bestimmten Regeln hin, nach denen sie lebten. Das lateinische Wort wurde schon zu ahd. ordena »Reihe(nfolge)«, mhd. orden »Ordnung, Regel, Rang; christlicher Orden« (dazu auch die Ableitung ordenlieh »der Ordnung, Regel gemäß« > nhd. ordentlich) entlehnt, wohingegen der z.B. in der Biologie anzutreffende Fachausdruck Ordo »verwandte Familien zusammenfassende systematische Einheit« nur ein selten vorkommendes Fremdwort ist. Über afrz. ordene ergab die lateinische Akkusativform ordinem frz. ordre »Auftrag, Befehl«, aus dem im 17. Jh. gleichbed. dt. Order übernommen wurde. Dessen Verwendung im kaufmännischen Bereich ist möglicherweise von herkunftsgleichem engl. order »Bestellung, Auftrag« beeinflusst, vgl. auch den in das Duden-Fremdwörterbuch aufgenommenen finanziellen Fachausdruck order to negotiate »Auftrag einer Bank an eine ausländische Bank, gezogene Wechsel gegen Akkreditiv anzukaufen« (eigtl. »Auftrag zu verhandeln«), während im Namen der ökumenischen Einigungsbewegung Faith and Order »Glaube und Gesetz« (s. Fi-

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des, und) und im Schlagwort law and order »Gesetz und Ordnung« (s. Law, und) dasselbe englische Wort mit der ursprünglichen Semantik »Ordnung, Regel, Gesetz« wiederkehrt. In französischer Gestalt liegt das erörterte Wort vor z.B. in Ordre public »Gesamtheit der grundlegenden Rechtsbestimmungen eines Staates, die eine Sperre gegen ansonsten anzuwendendes ausländisches Recht im Rahmen des internationalen Privat-, Straf- oder öffentlichen Rechts darstellt« (eigtl. »öffentliche Ordnung«, s. publik). Vgl. ordinär, ordnen. ordinär »gewöhnlich; niedrig, unanständig«: Das im 17. Jh. aus frz. ordinaire »ordentlich, ordnungsgemäß; gewöhnlich« entlehnte Adjektiv entwickelte durch häufige Gegenüberstellung mit dem Feinen und Vornehmen seine heutige pejorative Bedeutung. Nicht assimiliertes frz. ordinaire ist in der präpositionalen Fügung à /’ordinaire »wie gewöhnlich« (vgl. ad) enthalten. Der Gallizismus stammt seinerseits aus dem lateinischen Adjektiv ordinarius m., ordinarium n. »ordentlich, regelmäßig« (zu ordo »Reihe, Ordnung, Regel«, s. Orden). Dessen aus der Fügung professor Ordinarius verselbständigtes Maskulinum tritt in Ordinarius »ordentlicher Professor an einer Hochschule« substantivisch auf, und das ebenfalls substantivierte Neutrum liegt z.B. in Ordinarium missae »die im ganzen Kirchenjahr gleich bleibenden Gesänge der Messe« (s. Missa) vor. ordnen »in eine bestimmte Ordnung oder Reihenfolge bringen«: Im 9. Jh., etwas früher als die Übernahme von ahd. ordina »Reihe(nfolge)« aus lat. ordo, Gen. ordinis »Reihe, Ordnung« (s. Orden), wurde aus dem zum Letzteren gebildeten Verb lat. ordinare »in Reihen zusammenstellen, anordnen, in ein Amt einsetzen« ahd. ordinön »einreihen, einteilen« entlehnt, das über gleichbed. mhd. ordenen in nhd. ordnen fortlebt. Seit dem 16. Jh. bezeugt ist die wiederholte Übernahme des lateinischen Verbs zu ordinieren/ordenieren »ordnen, einrichten, in ein Amt einsetzen«. Die schon damals zustande gekommene Duplizität äußert sich heute weiterhin im Nebeneinander von ordnen und ordinieren »in ein geistliches Amt einweisen, zum Priester weihen«, seltener in der medizinischen Fachsprache »eine Arznei verordnen, Sprechstunde abhalten«.

Öre: Der Untereinheit der schwedischen Krone liegt ebenso wie gleich lautendem Ore als Untereinheit der dänischen und norwegischen bzw. Eyrir der isländischen Krone lat. aureus, der Name einer altrömischen Goldmünze, zugrunde. Im Deutschen tritt dagegen Aureus in dieser Bedeutung nur als Historismus auf. Das lateinische Substantiv ist elliptisch aus der Fügung nummus aureus »Goldstück« entstanden, in der

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aureus »golden* eine Ableitung aus lat. aurum >Gold< (s. Aurum, vgl. Vlies) ist. Die feminine Form des Adjektivs ist enthalten in Aurea mediocritas, einem geflügelten Wort aus den Oden des Horaz im Sinne von »goldener Mittelwegs und - gebunden - im Gallizismus Ori/Zf2mme/(relatinisiert und an die Kompositionsform von aurum angelehnt) Auüflamma als seit dem 11. Jh. belegte Bezeichnung für die rote, fünfzipflige Kriegsfahne der französischen Könige im Mittelalter (< frz. oriflamme für afrz. orie flambe = mlat. aurea flamma >GoldflammeWerkzeug, (Musikinstrument, Körperteil* und dessen Quelle griech. órganon »Werkzeug, Gerät< (ablautend zu érgon »Werk, Sacheim Osten* oder von östana »von Osten* (neben ostar »im, nach Osten*, enthalten in Österreich und möglicherweise in Ostern, sofern dadurch im Althochdeutschen lat. alba »weiß; Morgenröte*, Plur. albae spätlat. »Ostern* wiedergegeben wurde). Mit engl. east »Osten* (woraus gleichbed. frz. est) geht dt. Ost/Osten auf germ.

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Otter *austa- zurück, das mit idg. *auso- >Morgenröte< (etwa in gleichbed. lat. aurora und daraus dt. Aurora) in Zusammenhang gebracht wird. Der englische Kognat ist beispielsweise Vorderglied der Zusammenrückung East-Coast-Jazz als Bezeichnung für eine besondere Stilrichtung des Jazz an der Ostküste der USA (s. Costa) und des New Yorker Gewässernamens East River (s. Revier), vgl. auch die im DudenFremdwörterbuch aufgeführten Exotismen East und Est >Osten< mit der gemeinsamen Abkürzung E. Eine Entstellung des Anglizismus liegt vor im Namen der südostenglischen Grafschaft Essex (894 East Seaxe, eigtl. >die OstsachsenFischotterWassertier< (zu *wod-, *ud- >Wassers s. Wasser), das auch in griech. hydros/ hydra >Wassertier, Wasserschlange< vorliegt. Über lat.

hydra ergab die feminine Variante des griechischen Wortes dt. Hydra als Bezeichnung eines Süßwasserpolyps, eines Sternbilds (auch Wasserschlange genannt) sowie der sagenhaften Lernäischen Schlange mit neun Köpfen, die Herakles abschlug und, da sie ihr doppelt nachwuchsen, die Halsstümpfe ausbrannte. Über Otter1 s. Natter. Outline »Umriss, Entwurf einer literarischen Arbeite Moderne Entlehnung aus gleichbed. engl. outline, einer Zusammensetzung aus out >aus< (s. aus) und line >Linie, Reihe< (s. Linie). Nicht um eine (teilweise) Lehnübersetzung des englischen Wortes, sondern um eine im Deutschen entstandene strukturgleiche Bildung handelt es sich bei Auslinie/österr. Outlinie »Grenzlinie an der Längsseite des Spielfeldes (bei Ballspielen)< für engl. touch-line, side-line (vgl. dem Letzteren adäquates dt. Seitenlinie).

Paar >zwei zusammengehörende Dinge, zwei miteinander verbundene Lebewesen verschiedenen Geschlechtsc Das seit dem 13. Jh. bezeugte Wort stammt aus gleichbed. lat. par, dem substantivierten Neutrum des Adjektivs par, Gen. paris >gleich, von gleicher Beschaffenheit, entsprechend* (vgl. dessen Akkusativ und Ablativ Plural in den Fügungen Primus inter Pares >der Erste unter Gleichen, ohne Vorrang* bzw. ceteris paribus >unter [sonst] gleichen Umständen*, s. prim, unter2, ceterum). Aus dem ungenauen Gebrauch des Lehnwortes entwickelt sich seit dem 16. Jh. das kleingeschriebene Indefinitpronomen (ein) paar >einige, wenige*. Auf Umwegen gelangte die lateinische Vorlage in anderer Lautgestalt und Bedeutung mehrfach ins Deutsche: Über engl. par (eigtl. »Gleichheit; Nennwert*) wurde der Terminus des Golfspiels Par »festgesetzte Anzahl von Schlägen für ein Loch* übernommen. Romanische Reflexe von lat. par sind z. B. ital. pari und frz. pair »gleich*, vgl. Letzteres sowohl adjektivisch in pair »gerade (von den Zahlen beim Roulette)* wie auch substantivisch als Titel (eigentlich Substitut eines lateinischen Maskulinums im Sinne von »Gleichrangiger, Ebenbürtiger*) im Historismus Pair »Angehöriger des hohen Adels im alten Frankreich* und im Exotismus Peer »Mitglied des englischen Hochadels bzw. des englischen Oberhauses* (d.h. über englpeer und afrz. peer/per auf lat. par zurückgehend). Auch die gleichartig strukturierten und eigtl. »zum gleichen (Wert)* bedeutenden präpositionalen Fügungen frz. au pair und ital. al pari (s. ad) sind ins Deutsche gedrungen: au pair »Leistung gegen Leistung, auf Gegenleistung, ohne Bezahlung* (heute besonders im Kompositum Aupairmädchen »gegen Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld als Haushaltshilfe im Ausland arbeitende Schülerin oder Studentin*) bzw. (al) pari »zum Nennwert*, substantiviert Pari »Nenn-, Pariwert*; dazu die Zusammensetzung Parikurs »dem Nennwert eines Wertpapiers entsprechender Kurs*, während pari- etwa in parisyllabisch »gleichsilbig (in allen Beugungsformen)* die homophone Kompositionsform von lat. par vertritt.

Pacemaker: Als Fachausdruck der Medizin und des Sports entlehnt aus engl. pacemaker, einer Zusammenbildung aus pace »Schritt* und to make »machen*,

also eigtl. »Schrittmacher* (s. Passus, Macher). In der Medizin bedeutet das Fremdwort einerseits »Schrittmacherzelle der glatten Muskulatur, die Aktionsströme zu erzeugen und weiterzuleiten vermag* und andererseits »elektrisches Gerät zur künstlichen Anregung der Herztätigkeit nach Ausfall der physiologischen Reizbildungszentren*, wofür die (verdeutlichte) Lehnübersetzung (Herz)Schrittmacher üblicher ist. Im Pferderennen bezeichnet Pacemaker das führende Pferd, das die Pace, d. h. das Tempo des Rennens bestimmt, und konkurriert mit der Dublette Pacemacher. Dies wird als teilweise Lehnübersetzung von engl. pacemaker angesehen, es lässt sich aber ebefalls als eine nach dem Vorbild des englischen Wortes entstandene Zusammenbildung auf der Grundlage von (eine) Pace machen interpretieren.

Packen/Pack1 m. »großes Bündel, Ballen*: Die Variante Packen, im 16. Jh. aus einer schwach flektierenden Nebenform frühnhd. Packe hervorgegangen, ist heute üblicher als Pack1, das nunmehr vorzugsweise in der Wendung mit Sack und Pack und als Grundwort in Komposita wie Dreierpack auftritt. Als Grund dafür, dass das ursprünglich als morphologische Variante fungierende Neutrum Pack2 über die semantischen Zwischenstufen »Gepäck* > »Heeresgepäck* > »Trossmannschaft* (vgl. Tross) die pejorative Bedeutung »Gesindel, Pöbel* entwickelte, wird der Umstand genannt, dass die Trossmannschaft im Vergleich zur kämpfenden Mannschaft als minderwertig galt. Die Quelle des auf diesem Wege entstandenen Dublettenpaars ist das seit dem 12. Jh. bezeugte, etymologisch unklare mniederl. pac »Bündel, Ballen*, welches als ein Wort des flämischen Wollhandels Eingang in die Nachbarsprachen fand. Paella: Der international gewordene Name des spanischen Gerichts aus Reis mit verschiedenen Fleischund Fischsorten, Muscheln, Krebsen und Gemüsen bzw. der zu dessen Zubereitung verwendeten eisernen Pfanne ist aus gleichbed. span, paella (eigtl. »Kasserolle*) entlehnt, das selbst aus afrz. paele (heute: poèle) übernommen ist. Demnach ist der Hispanismus paella im Französischen nicht ein Fremdwort schlechthin wie etwa im Englischen und Deutschen, sondern Rückentlehnung. Das altfranzösische Wort geht über älteres paielle zurück auf lat. patella »(Op-

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men und leichter Blutarmut u.a.)«. Von mlat. pasta >Teig< ausgehend, pflegt man pastös wiederum in medizinischen fachsprachlichen Fügungen zu pastosus m. (pastosa f., pastosum n.) zu latinisieren. Patiens >Ziel eines durch ein Verb ausgedrückten Verhaltens«: In diesem linguistischen Fachausdruck, der sich mit dem direkten Objekt der traditionellen Grammatik berührt und das Gegenteil von Agens (s. d.) in der sog. Kasusgrammatik bildet, präsentiert sich eigentlich das substantivierte Partizip Präsens patiens, Gen. patientis >leidend< des lateinischen Verbs pati >dulden, erdulden, hinnehmen, leidem. Im Hinblick auf den adjektivischen Gebrauch des Partizips sei auf die in der Theologie übliche lateinische Fügung Ecclesia patiens >die leidende Kirche< (s. Ekklesia) hingewiesen. Der Genitiv Singular ist Attribut in einem anderen, im Duden-Fremdwörterbuch erläuterten linguistischen Fachausdruck: Nomen Patientis (s. Name), d.h. ein Substantiv mit passivischer Bedeutung, wie es z. B. Hammer als Werkzeug, mit dem gehämmert wird, eines ist. Bereits im 16. Jh. entstand aus dem Stamm der obliquen Kasus von patiens die Substantivierung Patient als Bezeichnung für den in ärztlicher Behandlung befindlichen Kranken. Vgl. ferner Passio, passiv.

PatinaVPatine >(im Gottesdienst verwendete) Schüssel«: Adäquate Wiedergabe von lat. patina >Schüssel< (dies aus gleichbed. griech. patäne), das über mlat. patena auch in Patene >Hostienteller< vorliegt. Ein wohl durch Synkope (*patna) und anschließende Angleichung tn > nn entstandenes spätlat. panna hat zuvor ahd. phanna, mhd. phanne und dann nhd. Pfanne ergeben. Sofern für ital. patina >Edelrost< (älter >Firnis, Glanzmittel für FelleZelt< (im 12. Jh. auch »Schmetterling*) hat sich lautlich entwickelt aus lat. papilio, Akk. papilionem »Schmetterling*, einer auf idg. *pel-, *pol- »fließen, fliegen, flattern* zurückgehenden reduplizierenden Bildung im Sinne von >die Flatterndes wie es germ. *fifal-drön bzw. ahd. fifalt(a)ra, mhd. vtvalter (daraus durch Ablösung des vielfach umgestalteten und umgedeuteten Anlauts nhd. Falter) eine war. Die im Spätlatein aufgekommene metaphorische Bedeutung >(Soldaten)zelt< erklärt man durch die Ähnlichkeit der am Zelteingang nach außen umgeschlagenen Enden mit einem Schmetterling. Im 13. Jh. wurde frz. pavilion als Bezeichnung des Schmetterlings von der adäquateren Nebenform papillon verdrängt, die mit übertragenen, auf dem Vergleich mit einem Schmetterling oder seinen Flügeln fußenden Bedeutungen auch im Deutschen vorkommt: Papillon »Zwergspaniel mit nach außen gerichteten Stehohren; feinfädiges Woll- und Mischgewebe von ripsähnlichem Aussehen< (veraltet auch »flatterhafter Menschmühsam; peinlich< kaum unabhängigen Ableitung zu pin/ptne, der Vorform des Substantivs Pein (s. d.). Der nicht diphthongierte westmitteldeutsche Regionalismus pingelich »empfindlich; zimperlich, peinlich genau< (vgl. entsprechend Ping >Pein< im Kölschen) gelangte seinerseits Anfang i960 aus einer politischen Fernsehrede des Bundeskanzlers K. Adenauer über sein Idiolekt in die überregionale Umgangssprache: pingelig »übertrieben gewissenhaft, pedantisch; zimperlich, empfindlich (m)hd. -el (vgl. Karbunkel) übernommen aus mlat. pendulum »Herabhängendes; Schwinggewicht*, substantiviertes Neutrum von pendulus m., pendula f. »herabhängend, schwebend* (zu pendere »hängen*, s. Pendant). Das Substantiv begegnet in älteren Belegen auch in der Lautung Pendul und ist wohl unter Einfluss von frz. pendule1 m. »Pendel* gelegentlich Maskulinum. Aus der französischen morphosemantischen Dublette pendule2 f. »Pendeluhr* (nach E. Baumgartner elliptisch entstanden aus gleichbed. horloge à pendule, wörtl. »Uhr mit einem Pendel*, offenbar unter Bewahrung des femininen Genus von horloge »Uhr*) ist das nunmehr mit dem Vermerk »veraltet** lexikographisch aufgeführte Pendule/Pendüle »Pendeluhr* entlehnt.

Pensum »zugeteilte Aufgabe, zu erbringende Leistung*: Das seit dem 17. Jh. im Deutschen bezeugte Fremdwort repräsentiert das substantivierte Partizip Perfekt Singular pensum von lat. pendere »herabhängen lassen; abwägen* (vgl. Pfund). In substantivischem Gebrauch bedeutete es wörtlich »Abgewogenes, Zugewogenes; Gewicht* (vgl. nett), und zwar sowohl im Sinne von »die einer Spinnerin als Tagesarbeit zugewogene Wollmenge* wie auch von »das Gewicht des zur Bezahlung abgewogenen Metalls*. Im Romanischen entwickelte sich daraus durch Nasalschwund

Perche in der Konsonantengruppe /ns/ (vgl. analog Mesa unter Mensa sowie die aus einer Präfigierung von pendere hervorgegangenen Spesen und Speise, s. d.) die Lautform *pèsum, die span, peso »Gewicht; alte spanische Münze u.a.< ergab. Darauf geht der Exotismus Peso als Bezeichnung der Währungseinheit in einigen lateinamerikanischen Staaten (z.B. Mexiko, Kuba, Chile, Kolumbien, Uruguay) und den Philippinen zurück. Aus *pesum hervorgegangen ist auch afrz. peis/pois (heute: poids) »Gewicht*, das in der präpositionalen Fügung avoir-de-pois »Warengewicht* (Vorderglied: der substantivierte Infinitiv avoir »Habe, Besitz*, aus lat. habere »haben*, s. de1) seit dem 14. Jh. zur Bezeichnung des englisch-nordamerikanischen Handelsgewichts für alle Waren außer Edelsteinen, Edelmetallen und Arzneien avoirdupois (Zeichen: avdp, d.h. 16 Ounces bzw. 453,59 g) dient. Daher gleichbed. dt. Avoirdupois, ein weiterer Exotismus mit -pois als gebundener Dublette von Pensum und Peso im Deutschen. Vgl. Pendant, Pendel. Pentagon1 »Fünfeck*: Im endbetonten Namen dieser geometrischen Figur steckt das substantivierte Neutrum von griech. pentagönos m. »fünfeckig*, einer Zusammenbildung aus gönia »Ecke* und pénte »fünf* (s.fünf). Über engl. pentagon gelangte anfangsbetontes Pentagon2 als Bezeichnung für das auf einem fünfeckigen Grundriss errichtete Gebäude des Verteidigungsministeriums der USA und für das Ministerium selbst ins Deutsche.

Pentekoste: Der kirchensprachlichen Bezeichnung für Pfingsten als den fünfzigsten Tag nach Ostern bzw. für den Zeitraum zwischen Ostern und Pfingsten liegt das Femininum der mit hèméra f. »Tag* kongruierenden griechischen Ordinalzahl pentèkosté zugrunde, so dass darunter eigtl. »fünfzigster (Tag)* zu verstehen ist (s.fünf). Pentekoste gelangte über kirchenlat. pentecoste mit adäquater Lautform ins Deutsche, das griechische Wort wurde aber schon in voralthochdeutscher Zeit (wahrscheinlich durch Vermittlung von got. pamtèkustè im Rahmen der arianischen Misson) übernommen, wovon die Affrikata im Anlaut und die Hebung e > i vor Nasalverbindung in mhd. pfingesten (vgl. auch pfinxtmorgen im Nibelungenlied 271,1) zeugen. Daher der heutige Name des Festes der Ausgießung des Heiligen Geistes Pfingsten, das im Oberdeutschen Plural, sonst Neutrum Singular ist, hervorgegangen aus der ursprünglich als Dativ Plural aufgefassten Lautgestalt des Wortes. Perche »lange, elastische (Bambus)stange der Artisten zur Darbierung von Percheakte genannten Balanceakten*: Über gleichbed. frz. perche übernommen aus lat. pertica »Rute, (Mess)stange*. Französische Vermittlung verrät auch das englische Längen- und Flä-

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perfekt chenmaß von jeweils 5 m und 25 m2, das als Exotismus Perch auch im Deutschen lexikographisch verzeichnet ist.

perfekt »vollendet, vollkommen (ausgebildet)so beschaffen, dass es nicht mehr geändert werden kann oder muss; abgemacht, gültig< gebrauchte Fremdwort ist entlehnt aus lat. perfectus »vollendet, vollkommens dem adjektivierten Partizip Perfekt zu perficere »Vollendern (Präfixbildung aus per- »sehr, ganz* und facere »tunOstern< bzw. Paasche(n) als Familienname (etwa >zu Ostern Geborenen) ist in einer Randzone an der niederländischen Grenze gebräuchlich, vgl. daher den veraltenden Namen eines Ostergebäcks Paschwecfc (um Aachen) und Paschsemmel (um Hamburg). Petit »Schriftgrad von acht Punkte An sich Substantivierung von frz. petit m. »kleine das offensichtlich eine Verselbständigung des Attributs in petit romain, der französischen Bezeichnung für die im Deutschen Borgis (s. bourgeois) heißende Neunpunktschrift, zur Benennung des um einen Punkt kleineren Schriftgrad darstellt. Der Plural des französischen maskulinen Adjektivs liegt vor in der Fügung Petits Fours »feines Kleingebäck< (aus gleichbed. frz. petits fours, wörtl. »kleine Öfen*, Bezugswort four aus lat. furnus »Backofen, -hausder Persische«). Über frz. alberge und span, albérchiga hat dieselbe lateinische Vorlage, mit dem arabischen Artikel al- versehen, den Exotismus A/berge >Sorte kleiner, säuerlicher Aprikosen mit festem Fleisch« geliefert. Ebenso wie lat. Persia dem morphologischen System des Deutschen assimiliert wurde und die Lautung Persien annahm, so scheint auch das zugehörige Adjektiv persicus mit Suffixersatz (vgl. fanatisch) dt. persisch ergeben zu haben, das somit dem Dublettenpaar Pfirsich Alberge als ein weiteres Glied angeschlossen werden darf. Pflanze: Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus lat. planta »Schössling, Setzling« (wohl rückgebildet aus plantare »bepflanzen«, Denominativ zu planta »Fußsohle«, also eigtl. »die Erde um den Setzling mit der Sohle festtreten«). Mithilfe von dessen Kompositionsform ist die hybride Bildung Plantowolle »veredelte Jutefaser« konstruiert. Auf das lateinische Wort werden air. eland bzw. daraus hervorgegangenes gäl. dann »Abkömmling, Nachkommenschaft« zurückgeführt, auf dem engl. clan und dahe- dt. Clan/Klan »Lehns-, Stammesverband; Gruppe von Personen, die jemand um sich scharrt« beruhen (zum Bedeutungswandel vgl. dt. Stamm »Teil eines Baums«, übertr. »Geschlecht, Sippenverband«). Die eine Zeitlang in Duden-Wörterbüchern durch Bedeutungsverteilung angedeutete teilweise Duplizität, nämlich Clan »schottischer Sippen- oder Stammesverband« vs. Klan »Gruppe eines Stammes, die sich von gleichen Vorfahren herleitet« bzw. Clan/ Klan »durch gemeinsame Interessen oder verwandtschaftliche Beziehungen verbundene Gruppe« wurde neuerdings zugunsten der Varianz aufgegeben. Pflaster: Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus mlat. plastrum »Wundpflaster; aufgetragener Fußboden- oder Straßenbelag« zu ahd. pflastar »Wundpflaster; gepflasterter Boden; Straßenpflaster«. Das mittellateinische Wort ist durch Präfixschwund aus lat. emplastrum (vgl. daraus das Fremdwort

Pforte Emplastrum »medizinisches Pflaster«) entstanden, das aus griech. émplastron/émplaston (phärmakon) »zu Heilzwecken aufgetragene Salbe, Salbenverband«, eigtl. »aufgeschmiertes (Heilmittel)« (zu emplässein »eindrücken, aufschmieren«, einer en-Präfigierung von pldssein »kneten, bilden, formen«) stammt. Das aus mlat. piastra, dem Plural von plastrum, singularisierte Femininum ital. piastra »Metallplatte« hat sich (nach C. T. Onions elliptisch aus piastra d'argento »Silberplatte«) zur Münzbezeichnung entwickelt und liegt durch Vermittlung von frz. piastre in dt. Piaster »Währungseinheit im Libanon, Sudan, in Syrien und Ägypten, früher auch in der Türkei« vor. Pflaume: Der deutsche Name dieser Steinfrucht ist wie gleichbed. niederl. pruim und engl. plum eine westgermanische Entlehnung aus vlat. *prüma, dem als femininer Singular aufgefassten Plural von *prümum, einer Nebenform von lat. *prünum n. »Pflaume« (dazu prunus f. »Pflaumenbaum« in dem botanischen Fachausdruck Prunus »Pflanzengattung der Steinobstgewächse«). Bei der Übernahme des lateinischen Wortes, das selbst ein Lehnwort ist und über griech. proümnon wohl aus einer kleinasiatischen Sprache stammt, trat ein teilweiser Wechsel von r zu / im Althochdeutschen (pfrüma neben pflüma) und im Altenglischen (plüme) auf. Engl.p/um mit der Nebenbedeutung »Rosine« ist in Plumpudding »mit vielerlei Zutaten im Wasserbad gekochter Rosinenpudding« (aus gleichbed. engl. plum pudding) gebundene Dublette von Pflaume. Niederl. pruim wurde seinerseits um 1800 in der Bedeutung »Stück Kautabak« zu Priem entlehnt, ein metaphorischer Gebrauch der Fruchtbezeichnung, bei dem vermutlich davon ausgegangen ist, dass die Menge Kautabak in Form und Farbe einer Backpflaume gleicht.

Pforte »kleines Tor, Eingang; Gebirgsdurchgang«: Einer der zahlreichen Fachausdrücke auf dem Gebiet des Bauwesens (insbesondere des Steinbaus), welche die Germanen von den Römern entlehnten. Die Vorlage lat. porta »Tür, Tor, Eingang«, das wie etymologisch zugehöriges portus »Hafen« (s. Port) mit Furt (s. d.) urverwandt, ja möglicherweise herkunftsgleich ist, weist heute - im Gegensatz zu mhd. pforze neben pforte - Inkonsequenz bei der Affrizierung der Verschlusslaute p und t in der Ausgangsform auf. Lat. porta tritt heute adäquat auf im Fachwort der Anatomie Porta »Zugang, Stelle der Einmündung oder des Eintretens besonders von Gefäßen in ein Organ«, bekannt geworden ist es aber vielmehr durch den Namen des monumentalen römischen Stadttors in Trier Porta Nigra (eigtl. »schwarzes Tor«, s. Neger) sowie durch den der 1973 entstandenen Stadt Porta (Westfalica), die nach dem Westfälische Pforte bzw. lat. Porta Westfalica heißenden Durchbruch der Weser durch den Rand des Weserberglandes genannt

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Pfropf wurde. Der lautgetreue Fortsetzer des Latinismus ital. porta erscheint teilweise eingedeutscht im baukünstlerischen Fachausdruck des Barocks und Rokokos Sopra-/Supraporte >Feld mit Verzierung über der Tür< (aus ital. soprapporta, wörtl. »über dem Tors s. Supra). Pfropf »zusammengeballte, etwas verstopfende Masse, z.B. Blutgerinsel; Wattebausche Die semantisch differenzierte Nebenform von Pfropfen »kleiner Zylinder- oder kegelförmiger Gegenstand aus Kork, Holz oder Kunststoff* stellt ebenso wie diese eine Verhochdeutschung von niederd. Propp/Proppen »Stöpsel* (< mnd. prop/proppe, nach W. Pfeifer urspr. »jede Masse, durch die eine Öffnung fest verstopft wird*) dar. Die niederdeutsche Vorlage wird übrigens auch umgangssprachlich allein oder als Kompositionselement gebraucht: Proppen »Pfropfen, Stöpsel*, vgl. ferner ein kleiner Proppen »kleiner Junge*, proppenvoll »ganz voll, übervoll, vollgestopft*, Wonneproppen »niedliches, wohlgenährtes Kleinkind*. Abgesehen von E. Seebolds Ansicht, Pfropfen gehe wie pfropfen auf lat. propago »Ableger* und propagare »ausdehnen, fortpflanzen, hineinstecken* (der Verschluss werde in die Flasche gesteckt wie das Edelreis in die Erde oder in den Wildling) zurück, vermutet man in Proppen eher eine Mischbildung aus lautnachahmenden Verben.

Pfründe »Einkommen durch ein Kirchenamt*: Das seit dem 9. Jh. (ahd. pfruonta) bezeugte, durch Vokalkürzung /ü:/ > /ü/ nach der Monophthongierung von /üe/ aus mhd. pfrüende umgestaltete, heute scherzhaft auch im Sinne von »(fast) müheloses Einkommen* gebrauchte Substantiv ist aus mlat. provenda »was einem Geistlichen als Gegenleistung für seine Dienste zusteht* entlehnt. Dies ist eine unter Einwirkung von lat. providere »vorhersehen; versorgen* entstandene lautliche Umgestaltung von spätlat. praebenda »Proviant, Lebensmittel für Militär* (eigtl. »das Darzureichende*, zu praebere »hinhalten, darreichen, gewähren*, einer Präfigierung von habere »haben, halten*). In der Kirchensprache erhaltenes praebenda »Lebensunterhalt der Mönche* spiegelt sich im Fremdwort Präbenda »kirchliche Pfründe*. Wohl über ital. provianda vermittelt sind seit dem 15. Jh. auftretende Varianten wie prouiant/profiand/proviant u.a., von denen sich im 18. Jh. die vorwiegend im Ober- und Mitteldeutschen verbreitete Form Proviant »Reiseverpflegung; Vorrat an Lebensmitteln* durchsetzt und somit zum Teil frühere Bedeutungen von Pfründe wie »Nahrung, Lebensmittel* verdrängt. Pfuhl »große Pfütze*: Die westgermanische Grundlage des Wortes *pöla- »Sumpf, Morast* (daraus auch engl. pool »Tümpel, Teich*) gilt als etymologisch ungeklärt (möglicherweise zu idg. *bhel- »glänzen*, falls

ihre nichtgermanische Vorlage mit lit. bald »Sumpf* urverwandt sein sollte). Das aus amerik. swimming pool verselbständigte pool »Schwimmbecken* ergab gleichbed. dt. Pool1 (woneben auch die Vollform Swimmingpool/Swimming-Pool gebräuchlich ist). Die im Duden-Herkunftswörterbuch dem Fremdwort zugeschriebene Bedeutung »Gewinnverteilungskartell* kommt eigentlich dem Homonym P00P (s. Poule) zu. Pfühl »Kissen; weiche Lagerstatt*: Eine alemannische Nebenform dieses Archaismus lebt fort in Schweiz. Pf ulmen »breites Kissen, auf dem das Kopfkissen liegt*. Die beiden Wortformen sind aus einem schwach flektierten Maskulinum oder Neutrum frühnhd. pfülwe/pfulwe hervorgegangen, und zwar jeweils durch Übertritt zur starken Flexion, bei Pfulmen unter Generalisierung des -n aus den obliquen Kasus und mit spontanem Wandel Im < Iw. Voraus gehen mhd. pfulwe/pfülwe »Federkissen*, ahd. pfuliwi/pfuluwi/pfuluwo »Kissen*, übernommen vor der hochdeutschen Affrizierung pf- < p- im Anlaut aus lat. pulvinus »Polster, Kissen; Gartenbeet*. Über aengl. pyle und meng, pilwe geht auch engl. pillow »Kopfkissen, Polster; Lager* auf dieselbe, etymologisch ungeklärte lateinische Vorlage zurück. Der Anglizismus ist Vorderglied im geologischen Fachausdruck Pillow/ava »für untermeerischen Erguss typische Lava von kissenähnlicher Form*.

Pfund: Das in erster Lienie als Gewichtseinheit in Höhe von einem halben Kilo gebrauchte Wort stellt eine alte lateinische Entlehnung in den germanischen Sprachen dar. Ihre Vorlage ist der erstarrte Ablativ pondo (eigtl. »dem Gewicht nach, an Gewicht*) des verloren gegangenen o-Stamms *pondus »Gewicht (bei der Waage)* gegenüber dem üblichen gleichbedeutenden s-Stamm pondus, Abi. pondere (daraus die ältere Maßeinheit der Kraft Pond), beides Ableitungen von pendere »abwägen*. In englischer Lautgestalt Pound »Gewichtseinheit von 453,60 g< wird das Wort gelegentlich als Exotismus lexikographisch aufgeführt, während es als Münzeinheit in Großbritannien durch Pfund Sterling wiedergegeben wird. Ein weiterer Exotismus liegt vor in Pud als früheres russisches Gewicht (16,38 kg), das durch altnordische Vermittlung aus derselben Quelle stammt. Unter Annahme einer Bedeutungsentwicklung von »Gewicht* zu »Münzsicherheit* unternahm man den Versuch, auch dt. Pfand (ähnlich wie Pfennig, s. d.) auf lat. pondo zurückzuführen, dies macht es aber zugleich erforderlich, den Eintritt des Wandels vorgerm. 0 > germ, a erst nach der Entlehnung anzusetzen, was kaum wahrscheinlich ist. Pfütze »Lache*: Das Substantiv (ahd. phuzzi/phuzza/ puzza »Brunnen, Wassergrube*, mhd. phütze »Brun-

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nen; Tümpel, Lache*) wird zusammen mit rhein., westfäl. Pütt »Ziehbrunnen; Kohlengrube, Bergwerk, Schacht< sowie niederl. put »Brunnen; Grube, Vertiefung; Schacht< und engl. pit >Grube, Vertiefung; Kampfplatz für Hahnenkämpfe< herkömmlicherweise als sehr frühe Entlehnung aus lat. puteus >Grube; Brunnen; Brunnen-, Luftschacht< (mit westgermanischer Gemination des t vor aus lat. e entwickeltem;) angesehen. Die englische Entsprechung liegt in Pit »als Speicher der Information dienende Vertiefung unterhalb der Oberfläche der CD-ROM* vor, und gebunden steckt sie in Cockpit Pilotenraum, Sitzraum eines Sportboots oder Rennwagens< (s. Coq) und in Pitbull(terrier) >mit Bulldogge und Terrier verwandte, als Kampfhund abrichtbare englische Hunderasse* (s. Bulle1). Aus niederl. puts »kleiner Eimer< übernommenes gleichbed. seemänn. Pütz/Pütze ließe sich als wahrscheinliche lautnachahmende Bildung höchstens über das Verb putten »Wasser schöpfen* mit dem dt. Pfütze entsprechenden niederl. put in Zusammenhang bringen.

Phiale form auffällt, ungewöhnlich ist; Erscheinung; außergewöhnlicher, phänomenaler Mensch* bedeutet. Als Kopffragmentierung von Phänomen gilt der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Fachausdruck der Biologie Phän »deutlich in Erscheinung tretendes (Erb)merkmal eines Lebewesens, das mit anderen zusammen den Phänotypus ausbildet*. Die Kompositionsform des Gräzismus tritt auf in Phänomeno/ogie »Lehre von den Wesenserscheinungen der Dinge* (über das Grundwort vgl. Logo).

Phantasma »Sinnestäuschung, Trugbild*: Der Fachausdruck der Psychologie geht über lat. phantasma zurück auf griech. phantasma »Erscheinung, Gestalt, Trugbild, Gespenst* (Verbalabstraktum zu phantäzesthai »erscheinen, sichtbar werden*, zu phainein »sichtbar machen, zeigen; erscheinen*, s. Fantasia, vgl. Phänomenon). Aus *fantagma, einer galloromanischen Nebenform von lat. phantasma, entwickelte sich prov. fantauma, auf der afrz.fantome (nebenfantosme) bzw. frz. fantòme beruht. Im 18. Jh. wurde aus diesem die Dublette Phantom »gespenstische Erscheinung; Nachbildung eines Körperteils oder Organs für den Unterricht* entlehnt, vgl. ferner die allgemein bekannte Zusammensetzung Phantombild für ein nach Zeugenaussagen gezeichnetes Bild eines gesuchten Täters.

Phalanx »geschlossene Schlachtreihe*: Das in der Anatomie auch »Finger-, Zehenglied* bedeutende Fremdwort wurde im 18. Jh. über gleichbed. lat. phalanx, Akk. phalangem aus griech. phalanx, Akk. phälanga »Baumstamm; Balken; Walze; Schlachtreihe* (urverwandt mit Balken, s. d.) entlehnt. Aus dem Akkusativ phalangem ererbt ist span, falange »Fingerglied; SchlachtreiheBrettan der Hirnbasis liegender Hirnabschnitt als Verbindung zwischen Groß- und Kleinhirne Der medizinische Fachausdruck (regelrechter Plural Pontes) fußt auf einer metaphorischen Verwendung von lat. pons, Gen. pontis >Brücke; Stegs während homonymes Pons2 m. (Plur. Ponse) als Bezeichnung für eine zur heimlichen Benutzung bei Klassenarbeiten gedruckte Übersetzung eines altsprachlichen Textes aus der Fügung pons asinorum (wörtl. »Eselsbrücke«) im Rahmen der regionalen Schülersprache herausgelöst worden ist. In der fachsprachlichen Fügung Sectiones pontis >die Abschnitte der Kleinhirnbrücke< (s. Sektion) bewahrt lat. pons logischerweise seine reguläre Genitivform. Die Kombinationsform des Lati-

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nismus ist Vorderglied in Ponti/ex >altrömischer OberpriesterBischof< (wörtl. »Brückenmacher«, Grundwort zu facere >machen, tuns s. Fazit), dessen semantische Motivierung nicht befriedigend geklärt ist. Über landsch. Ponte »Fähre«, dessen unmittelbare Rückführung auf lat. pons nicht korrekt ist, s. Ponton. pontif ikal >bischöflichoberpriesterlichbischöflichim Festgewand, höchst feierlich«, eigtl. >in priesterlichen (Gewändern)< (s. in) auftreten. Die Semantik dieses Ausdrucks geht zurück auf pontificalia, die substantivierte Pluralform des Neutrums pontificale, die auch dt. Pontifikalien liturgische Gewänder und Abzeichen des katholischen Bischofs bzw. die Amtshandlungen, bei denen er seine Abzeichen trägt< ergeben hat. Der substantivierte Singular des Neutrums lieferte seinerseits Pontifikale >lithurgisches Buch für die bischöflichen Amtshandlungen«, wie es das amtliche katholische Formelbuch Pontificale Romanum (s. Romane) für diese Amtshandlungen des Bischofs außerhalb der Messe eines ist.

Ponton: Die Bezeichnung für das kahnähnliche Wasserfahrzeug zum Bau von Behelfsbrücken bzw. für eine aus solchen flachen Kähnen zusammengesetzte Brücke meist zum Übersetzen von Truppen wurde im 16. Jh. als Terminus der Militärsprache aus gleichbed. frz. ponton übernommen, das aus dem Akkusativ pontonem von lat. ponto >flache Fähre, Brückenboot, Transportschiff (zu lat. pons >Brücke, Stegs s. Pons) hervorgegangen ist. Durch Vermittlung von herkunftsgleichem mniederl. ponte/pont »Fähre« (daraus gleichbed. niederl. pont) wurde am Niederrhein landsch. Ponte >breite Fähre« entlehnt. Pop: Das Fremdwort, das als Kurzform für Popmusik, zusammenfassend aber auch für Popliteratur und -kunst (vgl. Pop-Art unter Ars) sowie als Wortbildungselement mit der Bedeutung >von der Pop-Art beeinflusst, modern und auffallend« gebraucht wird, stammt aus gleichbed. engl. pop, einer Kopffragmentierung von popular »volkstümlich, beim Volke beliebt« möglicherweise mit Anlehnung an engl. pop »Knall« (etwa in Popcorn »Puffmais«, s. Korn1). Engl. popular ist ebenso wie dt. populär »volkstümlich; gemeinverständlich; beliebt, allgemein bekannt; Anklang, Beifall findend« eine durch französische Vermittlung getätigte Entlehnung aus lat. popularis »zum Volk gehörig, volkstümlich« (zu populus »Volk; Menge«, s. Pöbel). Personifizierend substantiviertes

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lat. popularis >Landsmann; Genosse, Teilnehmer liegt deglutiniert vor im Historismus Popular Mitglied der altrömischen Volkspartei, die in Opposition zu den Mitgliedern der Senatspartei im alten Rom Stande 1798 prägte Voß zu lat. popularis die Lehnübertragung Volksgenosse, die während des Nationalsozialismus im Sinne von Angehöriger der sog. deutschen Volksgemeinschaft gebraucht wurde.

Port >Hafen, Zufluchtsorte Das seit dem 13. Jh. bezeugte, heute als Appellativ veraltete Fremdwort ist in englischer und französischer Lautung Bestandteil der Namen mehrerer Hafenstädte wie etwa der nordamerikanischen Port Angeles (vgl. Engel) und der Hauptstadt von Haiti Port-au-Prince (eigtl. »PrinzenhafenHafen, MündungTür< (s. Pforte) stellt und das mit Furt (s. d.) eng verwandt ist. Auf den Enzübergang bezogen, ist es angesichts seiner im Mittellateinischen entwickelten Bedeutungen > Landeplatz; Überfahrtstelle; Zollstation* wahrscheinlich Vorderglied in Pforzheim. Die Reflexe des lateinischen Wortes span, puerto und gleichbed. ital. porto, port, porto [portu] liegen vor z.B. in Puerto Rico (eigtl. >reicher Hafern, s. reich), im Namen der italienischen Stadt Portoferraio (Grundwort: ferraio >Schmiedschmieden, mit Eisen beschlagen* zu ferro >Eisenwarm< oder >BuchtPförtner; Empfangschef eines Hotels; Hauswarte Im 18. Jh. entlehnt aus frz. portier >Pförtner; Hausmeister; livrierter Türhüten, das seinerseits spätlat. portarius >Türhüter< (zu porta »Tor, Pforte; Eingänge s. Pforte) fortsetzt. Teilweise synonym mit Portier gebraucht man Pförtner >TorwächterTorhüter; unterer Magenmundtrag das Blatttragen< und/og/zo (Plur./og/i) >Blattmit Fotografien ausgestatteter Bildband; Mappe mit einer Serie von Druckgrafiken oder Fotografien eines oder mehrerer Künstler* entlehnt. Von englischer Vermittlung zeugen dagegen mit dem Homograph portfolio komponierte Wirtschaftstermini wie Portfolio Selection >Verteilung eines gegebenen Vermögensbestandes auf unterschiedliche Vermögensobjekte< (s. Selektion).

Portio: Der in fachsprachlichen Fügungen vorkommende Terminus der Anatomie dient zur Bezeichnung (abgegrenzter) Teile eines Organs (z.B. Portio supravaginalis >der Teil des Gebärmutterhalses, der nicht in die Scheide hineinragtabgemessene Menge, besonders auf Speisen bezogen*, ugs. > (bestimmte, nicht geringe) Menge*, ist seit dem 16. Jh. bezeugt, schon aus dem Ende des 15. Jh. finden sich aber Verwendungen des Fremdwortes in Form der Kopffragmentierung Portz.

positiv »bejahend; zustimmend; günstig, wünschenswert; wirklich, konkret; sicher, bestimmte Das auch als Fachwort der Medizin, Fotographie und Physik verwendete Fremdwort wurde im 18. Jh. wohl über frz. positif >als sicher feststehend, gesetzt* aus spätlat. positivus m., positiva f., positivum n. »gesetzt, gegeben* entlehnt, das eine Bildung zum Partizipialstamm posit- von lat. ponere >setzen, stellen* (vgl. Post) ist. Substantivisch gebraucht, erscheint das Neutrum in Positivum >etwas Positives*. Im Gegensatz zur Portativ heißenden kleinen tragbaren Orgel nennt man seit spätalthochdeutscher Zeit die kleine Standorgel ohne Pedal Positiv1 n., verselbständigt und deglutiniert aus mlat. organum positivum (vgl. Organ). Das Homonym Positiv2 n. »ein aus einem Negativ gewonnenes positives Bild* ist eben zur Benennung der Umkehrung eines Negativs (s. negativ) terminologisiert worden, während Positiv3 m. als Bezeichnung der Grundstufe eines Adjektivs (zum Unter-

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Post schied von Komparativ und Superlativ) elliptisch und deglutiniert für spätlat. graduspostivus (Bezugswort: gradus »Schritt; Stufe«, woraus dt. Grad, s. d.) steht.

Post: Das Wort wurde im 16. Jh. aus gleichbed. ital. posta entlehnt, das im 15. Jh. eine Wechselstation des frühen Postwesens bezeichnete, an der Pferde und auch Boten gewechselt werden konnten. Diesem geht lat. posita, das Femininum des Partizips Perfekt positus von ponere >(fest)setzen, steilem voraus, das aus posita (statio) >festgelegter (Standort)« (vgl. Station) verselbständigt ist. In Verbindung mit restante (feminines Partizip Präsens von frz. rester >bleibenPost< im heutigen internationalisierten Fachausdruck des Postwesens poste restante >postlagerndfestgelegte Summe« stammt kaufmänn. Posten1 m. (früher auch Post f.) >Rechnungsbetrag, Warenmenge«, während das Homonym Posten2 m. »Wache; Amt, Stellung« das italienische Maskulinum posto gleicher Bedeutung, aber auch >Platz, Sitzplatz« (für lat.positus locus >festgelegter Ort«, positum >Festgelegtes«, vgl. loco) widerspiegelt. In adäquater Form tritt dieses in Posto >Stand, Stellung«, und zwar in der veralteten Wendung Posto fassen >sich aufstellen«, sowie im Fachwort des Automobilrennsports Monoposto >Einsitzer mit freilaufenden Rädern« aus bedeutungsgleichem ital. monoposto (s. mono).

postgradual mach Abschluss eines (Hochschulstudiums stattfindendc Mithilfe von post- mach-« (aus lat. post »hinter, nach«) vorgenommene Präfigierung des unter graduell besprochenen Adjektivs. Die dort erwiesene etymologische Duplizität bei den direkt und indirekt übernommenen Fremdwörtern tut sich auch bei postgradual und postgraduell kund, sofern diese beispielsweise im Duden-Fremdwörterbuch nicht als Varianten aufgeführt sind, sondern dem Letzteren die selbständige Bedeutung mach der Graduierung, dem Erwerb eines akademischen Grades erfolgend« (vgl. graduieren) zugeschrieben wird. potenzial/potential >die bloße Möglichkeit betreffend, die Möglichkeit ausdrückend«: Von der Schreibreform zugelassene und auch für die Dubletten unten geltende graphische Varianz des in der Philosophie und Sprachwissenschaft gebräuchlichen Adjektivs, an sich eine regelrechte Deglutination von spätlat. potentialis >möglich< (zu potens, Gen. potentis »mächtig, beherrschend; vermögend, stark«, Partizip Präsens zum früh untergegangenen und von posse ersetzten Verb ^potere >können«, vgl. Power). Substantiviert tritt es seit dem 19. Jh. in Potenzial n.

>Leistungsfähigkeit; Maß für die Stärke eines Kraftfeldes« auf, dem der nicht deglutinierte, aus der Fügung modus potentialis (s. Modus) verselbständigte sprachwissenschaftliche Fachausdruck Potenzialis m. »Möglichkeitsform« gegenübersteht. Über frz. potentiel >möglich, denkbar« ist außerdem gleichbed. potenziell als Gegenwort von wirklich und aktuell entlehnt. Pott >TopfTopf< zurück, das auch in an lat. potus >Trank< angelehntes spätlat. potus (älter pottus) >Trinkgefäß< auftritt. Mit französischer Aussprache [po:J liegt es vor in Schweiz. Pot1 >Topf< und mit eingedeutschter in Potpourri >Allerlei; aus populären Melodien zusammengesetztes Musikstück« (aus gleichbed. frz. pot-pourri, Lehnübersetzung von span, ollapodrida »Eintopfgericht«, eigtl. >verfaulter Topf«), vgl. ferner Potaufeu unter Fokus. Als Anglizismus kehrt das Wort in Pot2 »Summe aller Gewinneinsätze beim Poker« wieder, vgl. auch Jackpot »der in eine gemeinsame Kasse gekommene Einsatz beim Poker; hohe Gewinnquote, die dadurch entsteht, dass es in den Spielen vorher keinen Gewinner gegeben hat« (s. Jakob). Poule »Spiel-, Wetteinsatz; bestimmtes Spiel beim Billard oder Kegeln«: Wie gleichbed. engl. pool Übernahme von frz. poule, eigtl. >Huhn< (< mlat. pulla, Femininum zu pullus »Tierjunges«, zu einer Wurzel idg. *peu- »klein«), das nach und nach älteres geline »Huhn« (aus gleichbed. lat. gallina) verdrängte, wobei die Bedeutungsübertragung im Französischen dunkel bleibt (nach J. Picoche war vielleicht der Spieleinsatz ursprünglich ein Huhn). Im Englischen wurde das Fremdwort an pool »Teich« (s. Pfuhl) angelehnt, es entwickelte über »gemeinsame Kasse, gemeinsamer Fonds« die Bedeutung »Gewinnverteilungskartell« und ergab gleichbed. dt. Pool2 m. Im Sinne von »Lochbillard« (früher mit Wetteinsatz gespielt) lieferte engl. pool auch das Neutrum Pool3/ Poolbillard, vgl. dafür amerik. pocket billards (eigtl. »Taschenbillard«).

power »armselig, dürftige Das meist als landschaftlich ausgewiesene Adjektiv ist eine Eindeutschung von frz. pauvre »arm«, das wie gleichbed. ital. pover m.Ipovera f. auf lat. pauper »arm, ärmlich« zurückgeht. Das italienische Femininum ist Attribut in Ars povera, der lateinisch-italienischen kunstwissenschaftlichen Bezeichnung für jene Kunst, die unkonventionelle Materialien wie Erde, Asche, Abfälle u.Ä. verwendet, indem sie diese formlos und bewusst

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unästhetisch darbietet (wörtl. »arme Kunst*, s. Ars), Das substantivierte Maskulinum des Latinismus, von dem auch der sozialwissenschaftliche Terminus Pauperismus »Verelendung, Massenarmut< abgeleitet ist, erscheint im Genitiv Plural in den Fügungen Biblia Pauperum und Mensa Pauperum, d.h. im Namen der sog. »Armenbibel« (s. Bibel) im Mittelalter und des früher für die Unterstützung der Armen bestimmten Kirchenguts (eigtl. >Tisch der Armem, s. Mensa). Zum Adjektiv power gebildet ist das Verb auspowern > (bis zur Verelendung) ausbeutem, das heute im Sinne von >entkräften< vielfach auf den Anglizismus Power >Kraft, Stärke< (s. d.) bezogen wird.

Power >Kraft, Stärke, Leistung, Wuchte Moderne Übernahme von engl. power >Macht, Kraft, Vermögen; Gewalt, Herrschaft*, das auch in Komposita auftritt: Powerslide >eine Kurvenfahrtechnik bei Autorennern (Grundwort: engl. slide >Gleiten, Rutschern), Horsepower >Leistungseinheit< (s. Ross), FlowerPower (s. Flor1), Redpower (s. rot). Das seit dem 13. Jh. bezeugte englische Wort geht über afrz. poeir auf den substantivierten Infintiv von vlat. ^potere >mächtig sein, vermögen* zurück, das anstelle von lat. posse »können* trat und das einst von potis »mächtig, vermögend* (zu idg. *poti- >Herrmüssen< das heutige Verb und Substantiv pouvoir1 »können* bzw. pouvoir2 m. >Macht, Kraft, Vermögen; Vollmacht*. Letzteres liegt österr. Pouvoir n. »Machtbefugnis, Spielraum, Entscheidungsmöglichkeit, Handlungsberechtigung* zugrunde. Präambel »feierliche Erklärung als Einleitung einer (Verfassungs)urkunde, eines Staatsvertrags o. Ä.Wiese< (s. Prato), genauer aus einer darauf beruhenden Kollektivbildung vlat. *prataria, die offensichtlich auch dem Namen des Parks mit Vergnügungsplatz Prater in Wien zugrunde liegt.

präsent »anwesend; gegenwärtig; zur Hande Das im 19. Jh. übernommene Fremdwort beruht auf dem Stamm der obliquen Kasus von gleichbed. lat. praesens, Gen. praesentis, dem mit prae »vor, da, zur Hand* (s. vor) komponierten Partizip Präsens von esse »sein* (vgl. Essentia, Interessent). Aus der Fügung (tempus) praesens, wörtlich gegenwärtige (Zeit)* (vgl. Tempo), etablierte sich die Nominativform des Verbaladjektivs elliptisch als sprachwissenschaftlicher Fachausdruck, der bereits im 16. Jh. dt. Präsens >Gegenwart< (im Sinne von »Gegenwärtiges ausdrückende Zeitform des Verbsdarbieten, Vorstehern, aus dem das Substantiv présent >Geschenk< (urspr. >Anerbieten, Darbringung*) rückgebildet wurde. Dies liegt gleichbed. dt. Präsent zugrunde, das allerdings wegen seiner derivativen Zugehörigkeit zu présenter bzw. zu praesentare ebenso wenig etymologische Dublette von Praesens ist wie vom homophonen präsent. Präses: Im Fremdwort, das als Historismus einen altrömischen Provinzstatthalter und sonst den geistlichen Vorstand eines katholischen kirchlichen Vereins bzw. den Vorsitzenden einer evangelischen Synode bezeichnet, spiegelt sich gleichbed. lat. praeses (eigtl. >der vor etwas Sitzende*, zu praesidere Vorsitzen, leiten*, der Quelle von dt. präsidieren). Zu aus dem Plural Präsides/Präsiden in der Studentensprache rückgebildetem Präside »Leiter einer Kneipe, eines Kommerses* wurde offensichtlich mit Bezug auf Präsidium außerdem die umgangssprachliche Bedeutung »Mitglied eines Präsidiums* entwickelt. Prato: Der Name der in der mittelitalienischen Provinz Florenz gelegenen Stadt beruht auf ital. prato »Wiese*, das lat. pratum »Wiese*, Plur. prata »Gras* (vgl. Prärie) fortsetzt. Der spanische Kognat des italienischen Gattungsnamens lautet prado »Wiese; öf-

fentliche Parkanlage*, wonach das spanische Nationalmuseum Prado in Madrid (eigtl. Museo National del Prado) benannt ist. Auf die lateinische Urquelle führt E. Wasserzieher auch das Bestimmungswort im graubündnerischen Ortsnamen Prätigau (vgl. Gau) zurück und deutet ihn im Sinne von »Wiesental*. Pratze: Das mit Pranke (s. Branche) synonym sowie im Sinne von »starke, große Hand* gebrauchte Wort trat um 1600 in der Lautung Bratze (heute gelegentlich regional in Österreich) als Entlehnung von ital. braccio »Arm* auf. Im 17. Jh. wurde auch die Fügung viola da braccio »Armgeige* zunächst in der Form Braz und als Komposition Bratschgeige übernommen, aus der dann Bratsche »Altgeige* als nach dem Muster von Geige ausgeformter Name des Streichinstruments isoliert worden ist (vgl. außerdem Lira da Braccio unter Leier). Dasselbe italienische Wort steckt ferner in den Archaismen Braccio und (in der Schweiz französiert) Brache »früheres, der Elle entsprechendes Längenmaß*. Ital. braccio führt ebenso wie frz. bras »Arm* gleichbed. lat. bra(c)chium fort, das selbst entlehnt ist aus griech. brachiön »(Ober)arm* (eigtl. wohl »kürzeres Stück [des Armes]*, falls es mit brachys »kurz* etymologisch zusammenhängt). Das lateinische Wort verwendet man übrigens auch im Deutschen als Fachausdruck der Anatomie: Brachium »(Ober)arm; armförmiges Gebilde*. Kompositionsformen davon sind enthalten in Brachia/gie »Schmerzen im (Ober)arm* (Grundwort zu griech. älgos »Schmerz*) und Brachiosawrier/Brachiosaurus »Pflanzen fressender, sehr großer Dinosaurier mit langen, armähnlichen Vorderbeinen* (Grundwort zu griech. saüros »Eidechse*). Der französische Fortsetzer ist Bestandteil der präpositionalen Fügung à bras ouverts »mit offenen Armen* (s. ad, vgl. Apertur), während Brasse »Klafter*, seemänn. »Faden; Tau zum Stellen eines Rahsegels* über frz. brasse auf den als kollektives Femininum aufgefassten und als Bezeichnung eines Längen- oder Raummaßes gebrauchten Plural brachia von lat. brachium zurückgeht.

präzis »genau, eindeutig, klare Im 17. Jh. getätigte relatinisierte Übernahme von frz. précis »genau, deutlich; knapp*, das seinerseits im 16. Jh. aus lat. praecisus, dem Partizip Perfekt von lat. praecidere »vorn abhauen, abschneiden; abkürzen* (zu caedere »schlagen, hauen, schneiden*, komponiert mit dem Präfix prae- »vor-*, s. Cäsar1, vor) entlehnt war. Das französische Adjektiv tritt auch als maskulines Substantiv précis »Abriss* auf und ist in dieser seiner Eigenschaft die Quelle des als Aufsatzform gebrauchten Gallizismus Précis »kurz und präzise abgefasste Inhaltsangabe*. Preis: Durch Diphthongierung ei < i hervorgegangen aus mhd. pris »Lob; Ruhm; Wert* (seit dem 17. Jh.

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prim

auch »Bezahlung; Wert in Geld«), das über afrz. pris >Lob; Ruhm; Herrlichkeit; Belohnung; Kaufpreis, Wert< auf lat. pretium >Preis, Wert; Geld; Lohn« (daraus veraltet Pretium >Wert, Preis; Belohnungdurch Bitten erlangt«, über preces »Bitte« zu precari »bitten«, urverwandt mit der germanischen verbalen Vorlage von dt. Frage) als juristischen Begriff repräsentiert. Das substantivierte Neutrum Prekarium ist seinerseits als Fachausdruck des römischen Rechts im Sinne von »widerrufbare, auf Bitten hin erfolgende Einräumung eines Rechts, das keinen Rechtsanspruch begründet« bekannt. Daneben bringt das Duden-Fremdwörterbuch den Historismus Prekarie »im Mittelalter auf Widerruf verliehenes Gut; Schenkung eines Grundstücks o. Ä. an die Kirche, das der Schenkende als Lehen zurückerhielt«, Eindeutschung von auf der mittellateinischen Bedeutung des Adjektivs »vorübergehend; in Lehnsabhängigkeit« beruhendem precaria, dem als Femininum aufgefassten substantivierten Plural von precarium. Die Substantivierung des eigentlichen Femininums precaria hat über afrz. preiere sowohl frz. prière »Bitte; Gebet« wie auch gleichbed. engl. prayer »Gebet; Bitte, Gesuch« ergeben.

preziös/pretiös »geziert, gekünstelt, unnatürlich«: Die Varianz bei diesem Adjektiv ergibt sich aus den Neuregelungen der Schreibreform. Vorher ließ sich im Duden-Fremdwörterbuch ein auf lat. pretiosus »kostbar, kostspielig« (zu pretium »Preis, Wert«, s. Preis) direkt zurückgehendes pretios »kostbar, wertvoll« als veraltete etymologische Dublette von preziös »geziert, geschraubt« finden, das seinerseits durch herkunftsgleiches frz. précieux »kostbar, wertvoll; manieriert, gekünstelt« vermittelt ist. Die ursprüngliche Bedeutung »kostbar« ist die einzige, welche die nur im Plural gebräuchliche, graphisch teilweise, morphologisch dagegen völlig eingedeutschte Substantivierung Preziosen/Pretiosen »Kostbarkeiten; Geschmeide« (aus gleichbed. lat. pretiosa, Neutrum Plural von pretiosus) kennt. Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet daneben ein entsprechendes französisches Pluraletantum: Précieuses als Name eines literarischen Kreises von Damen im Paris des 17. Jh., die sich um die Pflege der gesellschaftlichen Sitten und der französischen Sprache verdient machten.

pressen »durch Druck bearbeiten, herstellen«: Das heute als zum Substantiv Presse gehörig empfundene Verb setzt spätmhd. pressen »keltern; hart bedrücken«, ahd. bressön/pressön »auspressen, keltern« fort, das aus lat. pressare »drücken« (Intensivbildung zu premere, Part. Perf. pressum »drücken, pressen; bedrängen; belasten«, vgl. express, Impressum) entlehnt wurde. Über frz. presser »auspressen; bedrängen; antreiben; dringend sein« gelangte der Latinismus im 17. Jh. in der Lautform pressieren »eilig, dringend sein, drängen« noch einmal ins Deutsche, wird aber heute vorwiegend im Süddeutschen, in Österreich und der Schweiz (hier auch im Sinne von »sich beeilen«) gebraucht.

presto »schnell, in schnellem Tempo«: Der auch als Substantiv Presto »schnelles Tempo; Musikstück in

Priester: Seiner Lautgestalt nach stammt die seit althochdeutscher Zeit bezeugte Bezeichnung des geweihten Geistlichen der katholischen Kirche aus einer auch afrz. prestre zugrunde liegenden galloromanischen Form *prestre von gleichbed. kirchenlat. presbyterus. Dies ist seinerseits entlehnt aus griech. presbyteros »Gemeindeältester, Priester« (eigtl. »der Ältere, der Gemeindeobere«, substantivierter Komparativ von présbys »alt, ehrwürdig«). Eine adäquate Übernahme desselben Wortes aus dem Lateinischen und etymologische Dublette von Priester ist Presbyter »Mitglied eines evangelischen Kirchenvorstandes; Gemeindeältester im Urchristentum« (vgl. Archipresbyter).

prim »nur durch eins und sich selbst teilbar«: Im adjektivischen mathematischen Terminus, entstanden durch Abtrennung des Bestimmungswortes in Primzahl »nur durch eins und sich selbst teilbare ganze Zahl«, offenbart sich die Wurzel von lat. primus m.,

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primär prima f., primum n. »erster, erste, erstes< (dem Superlativ von prior »ersterer, vorderer*, daraus Prior >Klostervorsteher; Stellvertreter eines Abtes*). Über princeps >der Erste in der Reihenfolge* erscheint sie gebunden und zuprin- dissimiliert - im Titel Prinzips (s. Prinz), während in Primipara »Erstgebärende* (Grundwort zu parere >gebärenKlassenbester< beruht auf dem substantivierten Maskulinum (vgl. dieses außerdem im Rahmen der Fügung Primus inter Pares Erster unter Ranggleichen*, s. unter2, Paar), dessen italienischer Fortsetzer primo »erster* in Primo uomo >erster Tenor in der Barockoper* (eigtl. >erster Mann*, s. Homo) vertreten ist. Das (substantivierte) lateinische Femininum prima liegt - zum Teil über gleichbed. ital. prima, frz. prime und engl. prime vor in ugs. prima >ausgezeichnet, großartig*, Übernahme aus der Kaufmannssprache, wo es im 19. Jh. im Sinne von »erstklassig* aus italienischen Qualitätsbezeichnungen wie prima sorte erste Sorte*, prima qualità erste Qualität* herausgelöst worden ist (im eigentlichen Sinne dagegen etwa in prima facie >dem ersten Anschein nach*, prima volta >das erste Mal* und in der Zusammenrückung Primadonna erste Sängerin*, eigtl. erste Dame*, s. Facies, Volta, Dame); veraltend Prima1 f. »die beiden oberen Klassen (in Österreich die erste Klasse) eines Gymnasiums* (elliptisch aus lat. prima classis erste Klasse*, d.h. die erste der in Deutschland von oben nach unten gezählten Klassen, s. Sekunda, Tertia, Quarta sowie Quinta unter Quintus1); Prima2 m., isoliert (und deswegen maskulin) aus Primawechsel Erstausfertigung eines Wechsels* für gleichbed. ital. prima lettera di cambio; Prim1 >Morgengebet im katholischen Brevier* (für lat. prima hora, wörtl. >erste Stunde*, vgl. Uhr); Prim2 »bestimmte Klingenhaltung beim Fechten* (für gleichbed. frz. prime oder ital. prima, vgl. Sekond unter Sekunde); Prime’/Prim3 >erster Ton der diatonischen Tonleiter; Intervall im Einklang* und Prime2 »am Fuß der ersten Seite eines Bogens stehende Kurzfassung des Buchtitels* (für gleichbed. lat. oder ital. prima); Primerate/Prime Rate »Diskontsatz für Großbanken, dem Leitzinsfunktion zukommt* (s. Rate), ein aus dem Amerikanischen stammender wirtschaftlicher Fachausdruck. Der Genitiv Singular des Femininums ist Bestandteil der Fügung Jus primae Noctis, wörtl. >Recht der ersten Nacht* (s. Jus1, Nacht), d.h. das im Mittelalter gelegentlich bezeugte Recht eines Grundherrn auf die erste Nacht mit der neu vermählten Frau eines Hörigen oder Leibeigenen. Das lateinische Neutrum primum ist Attribut des auf Aristoteles zurückgeführten philosophischen Terminus Primum mobile >der erste (unbewegte) Beweger* (s. Mob).

primär >die Grundlage bildend, wesentlich; ursprünglich*: Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. primaire, das seit 1789 als Übernahme von lat. primarius m., primaria f. »einer/eine der ersten; ausgezeichnet, vornehm* (zu primus »erster*, s. prim) bezeugt ist (vgl. auch Primär als frühere Bezeichnung für die erdgeschichtliche Formation Paläozoikum und die daran anknüpfenden Tertiär, Quartiär jeweils unter tertiär und Quartier). Substantivisch tritt das lateinische Maskulinum auf in Primarius »erster Geiger im Streichquartet; Oberpfarrer, Hauptpastor*, daneben im österreichischen auch deglutiniert Primär bzw. Primararzt »Chef-, Oberarzt* (dazu das Femininum Primaria bzw. Primärärztin). Als Erbwort im Französischen und als etymologische Dublette von primaire (s. o.) fungiert frz. premier »erster*, dessen aus der Fügung première représentation »erste Aufführung* verselbständigtes Femininum dt. Première »Erst-, Uraufführung* lieferte. Nach dem Muster von frz. premier für premier ministre und darauf beruhendem engl. premier für premier minister »Ministerpräsident* (eigtl. »erster Minister*) ist auch dt. Premier aus Premierminster isoliert (vgl. auch die Fügung Premier Jus »mit Salzwasser ausgeschmolzenes und gereinigtes Rinderfett*, s. Jus2). Direkt aus dem Lateinischen übernommenes engl. primary »primär, ursprünglich* liegt seinerseits vor in dem sich auf das Wahlsystem in den USA beziehenden Exotismus Primary »Vorwahl* (< amerik. primary für primary election, eigtl. »erste Auswahl*). Primas1: Der Ehrentitel des würdehöchsten Erzbischofs eines Landes geht von kirchenlat. primas, Gen. primatis »Vorsteher einer Kirchenprovinz* (eigtl. »der dem Rang nach Erste, Vornehmste*, zu primus »erster*, s. prim) aus. Die Pluralform primates ist über Primates (Linné) Ausgangspunkt für die Bezeichnung der die Halbaffen, Affen und Menschen umfassende Ordnung der Säugetiere Primaten (Sing. Primat), die auch Herrentiere genannt werden. Mit Primas1 etymologisch gleichgesetzt wird üblicherweise homonymes Primas2 »Solist und Vorgeiger einer Zigeunerkapelle*, und zwar durch Vermittlung von ung. primas (auch »Erzbischof*!), das übrigens von W. Pfeifer - wohl zu Unrecht - als eine Weiterbildung (eher Ableitung mit dem Suffix für Nomina Agentis -ds?) von ital. (viola) prima »erste Geige* interpretiert wird.

Prinz: Der seit dem 17. Jh. den Fürstensohn bezeichnende Gallizismus geht über mhd. prinze »Fürst, Statthalter* und (a)frz. prince »Fürst, Oberster* (etwa im Ortsnamen Port-au-Prince, s. Port) zurück auf lat. princeps »erster* (etwa in Editio princeps »Erstausgabe eines alten, wiederentdeckten Werkes*), substantivisch »der Erste in der Reihenfolge, Herrscher, Fürst*, das aus primus »erster, vorderster* (s. prim) und einer

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Kompositionsform von capere »fassen, ergreifen* (woher dt. kapieren im Sinne von »begreifen*, s. heben) zusammengesetzt ist und demnach eigtl. >der die erste Stelle Einnehmende* bedeutet, vgl. den Historismus Princeps >altrömischer Senator; Titel römischer Kaiser*. Afrz. prince setzt wie auch ital. principe (woraus gelegentlich als Exotismus Principe »Fürst, Prinz*) die lateinische Akkusativform prinzipem fort und bildet auch den Ausgangspunkt für engl. prince >König, Fürst*, vgl. z.B. den seit 1301 dem englischen Thronfolger zukommenden Titel Prince of Wales (eigtl. >Fürst von Wales* wegen der ihm übertragenen walisischen Fürstenwürde, s. ab'). Prise: Seit dem 16. Jh. zunächst im Sinne von >Beute, Kriegsbeute, aufgebrachtes feindliches Schiff*, später auch >mit zwei Fingern genommene Menge (Salz, Schnupftabak)* bezeugte Entlehnung aus gleichbed. frz. prise (eigtl. >das Genommene; das Ergreifen; Fang, Beute*, substantiviertes Femininum des Partizips Perfekt von prendre >nehmen, ergreifen*, dies aus lat. prehendere Tassen, ergreifen*). Bis ins 17. Jh. trat es auch diphthongisch auf in der Lautung preis, vgl. heute noch in der Zusammenrückung preisgefeen >ausliefern, verraten*, die aus der älteren Fügung preis geben »zum Nehmen, zur Beute hingeben* als teilweise Lehnübersetzung von frz. donner (en) prise >zur Beute geben* entstanden ist.

Probe: Seit dem 15. Jh. bezeugte Übernahme von spätlat. proba »Prüfung, Untersuchung* (Rückbildung zu probare »erproben, untersuchen*, s. prüfen). Auf dieselbe Quelle geht über mengl. pröf/pref und afrz. preve/proeve auch engl. proof »Probe; Prüfung; Versuch; Beweis* zurück. Seit dem 16. Jh. tritt dieses auch adjektivisch auf im Sinne von »erprobt, bewährt; sicher; dicht, undurchlässig*, vielfach als Grundwort wie etwa in waterproof das im Deutschen gemäß seinem Gebrauch in der gebenden Sprache sowohl als Adjektiv waterproof »wasserdicht* wie auch als Substantiv Waterproof »wasserdichtes Material; wasserdichter Regenmantel* (s. Wasser) verzeichnet ist, vgl. auch rainproof »durch Imprägnierung Wasser und Regen abstoßend* (s. Regen). Procedere/Prozedere »Verfahrensordnung, -weise; Prozedur*: Die besonders auf eine Verhandlungsführung angewandten Varianten des Fremdwortes stellen eine untypische substantivische Verwendung des Infinitivs eines lateinischen Verbs im Deutschen dar, nämlich des Verbs procedere »vorwärts gehen, vorankommen, vonstatten gehen* (einer mit pro- komponierten Präfigierung von lat. cedere »gehen, treten, einhergehen*, s. vor). Sofern Letzteres die Quelle von dt. veraltet prozedieren »verfahren, zu Werke gehen* ist, lässt sich dieses in gleichem Maße wie seine Substantivierung Prozedieren als etymologische Dublet-

proper ten von Procedere betrachten im Gegensatz zu prozessieren »einen Prozess führen*, das eine denominale Bildung zu Prozess (s. d.) ist. professionell »berufsmäßig; fachmännisch*: Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. professional, einer Ableitung von profession »Beruf, Gewerbe* (< lat. professio, Gen. professionis »öffentliche Erklärung; Ausübung eines Gewerbes*, mlat. »Gewerbe, Beruf*, zu profiteri »offen bekennen, öffentlich angeben*, gebildet aus/ateri »bekennen, zu erkennen geben* mit dem Präfix pro- »vor-*, s. vor). Im Gegensatz zu der im 20. Jh. aus dem Englischen übernommenen Substantivierung Professional macht man im Deutschen von professional, der analog strukturierten latinisierten Variante von professionell, selten Gebrauch. Der Anglizismus war zunächst nur in der Bedeutung »Berufssportler* üblich, heute verwendet man dagegen die davon gewonnene und mit -i versehene Kopffragmentierung Profi auch allgemein für jemand, der etwas berufsmäßig betreibt.

Promotion1: Die Bezeichnung für die Erlangung oder Verleihung der Doktorwürde (in Österreich auch für die aus diesem Anlass stattfindende akademische Feier) ist im 17. Jh. entlehnt aus lat. promotio, Gen. promotionis »Beförderung (zu Ehrenstellen)* (Verbalabstraktum zu promovere »vorwärts bewegen, vorrücken [lassen]; befördern*, einer mit pro- »vor-* präfigierten und in dt. promovieren »die Doktorwürde erlangen, verleihen* vorliegenden Bildung zu movere »bewegen*, vgl. vor, Motor). Als graphosemantische Dublette von Promotion' wurde im 20. Jh. aus dem Amerikanischen Promotion2 »Absatzförderung durch gezielte Werbemaßnahmen* mit der entsprechenden englischen Aussprache übernommen, vgl. ferner Salespromotion für amerik. sales promotion »Verkaufsförderung* und die Staff-Promotion genannten Maßnahmen der Verkaufsförderung durch Schulung des Personals (s. Stab). proper/propre »sauber, ordentlich; nett anzusehen; sorgfältig, solide ausgeführt*: Seit dem 17. Jh. bezeugte Entlehnung von gleichbed. frz. propre, wie die zweite Variante, die sich auch als Vorderglied der orthographischen Alternanz Propergeschäft/Propregeschäft »Geschäft für eigene Rechnung* präsentiert, erraten lässt. Frz. propre selbst geht zurück auf lat. proprius »eigen, eigentümlich; wesentlich; zuvorkommend* (nach C. T. Onions wahrscheinlich aus einer ablativischen Konstruktion *pro priuo, gebildet aus pro »vor, für, zugunsten*, s. vor, und privus »einzeln, für sich bestehend, eigentümlich*). Ablativformen dieser maskulinen Form des Adjektivs wie auch der femininen propria liegen vor entsprechend in den Fügungen proprio motu »aus eigenem Antrieb* (Grundwort: motus »Bewegung, Stoß, Regung*, zu movere

Proportion >bewegenmit eigener Hand, eigenhändig< (s. mano). Das Neutrum tritt substantiviert auf im psychologischen und kirchlichen Fachausdruck Proprium >die Identität eines Menschen ausmachende Eigenschaften, das Ich, das Selbst; die wechselnden Texte und Gesänge der Messe dagegen attributiv im sprachwissenschaftlichen Nomen proprium >EigennamenGrößenverhältnis; Gleichmaß; Verhältnisgleichungs Ende des 15. Jh. entlehnt aus lat. proportio, Gen. proportionis »Verhältnis, Eben-, Gleichmaß«, einer Zusammenrückung der ablativischen Fügung pro portione >dem Anteil, dem Verhältnis entsprechend« (Lehnübersetzung von griech. anä logon >einem, dem richtigen Verhältnis entsprechend«, s. an, Logo), in der man eine Verknüpfung der Präposition pro >vor; entsprechend, gemäß« (s. vor) mit lat. *partio >Teilung« (Verbalabstraktum zu partire teilen, verteilen«, zu pars >Teil«, s. Part) unter Angleichung o-a> 0-0 vermutet. Im Zeitraum 16.-17. Jh. konkurrierte mit Proportion die gleichbedeutende Kopffragmentierung Proporz (vgl. auch ursprünglich Portz neben Portion, s. d.), die heute in Proporz Verteilung von Sitzen und Ämtern nach dem Stimmenverhältnis«, in der Schweiz und Österreich Verhältniswahlsystem« mit nicht einleuchtendem maskulinem Genus und als Entsprechung von engl. proportional representation, frz. représentation proportionnelle ein Analogon hat. proportional »verhältnismäßig; verhältnisgleich; angemessen, entsprechend«: Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. spätlat. proportionalis, das von lat. proportio Verhältnis« (s. Proportion) abgeleitet und auch die Quelle von frz. proportionnel »proportional, verhältnisgleich« ist. Nach dem Vorbild von dessen Verwendung in Wortfügungen wie représentation proportionnelle »proportionale Vertretung« wird österr. proportionell mit der Bedeutung »dem Proporz entsprechend« gebraucht. Eine im Sinne von »proportionale Größe« feminine Substantivierung des Latinismus ist außerdem als mathematischer Fachausdruck üblich: Proportionale »Glied einer Verhältnisgleichung«.

Proposition »Ankündigung des Themas (in der antiken Rhetorik); der Satz als Informationseinheit; Ausschreibung bei Pferderennen«: Das Fremdwort, das früher auch im Sinne von »Vorschlag, Antrag, Angebot« gebraucht wurde, gibt den Stamm der obliquen Kasus von lat. propositio, Gen. propositionis »Vorstellung; Thema; These; Vorschlag« (Abstraktum, gebildet aus dem Partizipialstamm von proponere »darlegen, vorschlagen«, s. Proposta) wider. Dessen Nominativ Singular liegt adäquat vor im philosophischen Fachwort Propositio »Satz, Urteil«, enthalten

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beispielsweise in Fügungen wie Propositio maior »Obersatz im Syllogismus« (s. Major1), Propositio minor »Untersatz im Syllogismus« (vgl. Minor).

Proposta »Vordersatz, die beginnende Stimme eines Kanons«: Der im Gegensatz zu Risposta (s. d.) stehende musikalische Fachausdruck fußt auf gleichbed. ital.proposta (eigtl. »Darlegung, Vorschlag«), das zurückgeht auf das substantivierte Femininum proposita von spätlat. propositus m., propositum n., dem Partizip Perfekt von proponere »darlegen, Vorschlägen, voranstellen« (mit Präfixwechsel entstanden aus gleichbed. lat. praeponere, einer Präfigierung von ponere »setzen, stellen«, s. vor, Post), woraus dt. veraltet proponieren »vorschlagen, beantragen«. Das substantivierte Neutrum des lateinischen Partizips tritt seinerseits in ebenfalls veraltetem Propositum »Äußerung, Rede« auf. Das Maskulinum propositus/propostus »Vorgesetzter, Aufseher«, kirchenlat. »Vorsteher einer mönchischen Gemeinschaft« wurde - zum Teil wohl über afrz. provost neben prévost- bereits Ende des 8. Jh. zu ahd. probast/probist/provost »Vorsteher, Leiter eines Stifts« übernommen und ergab über mhd. probest/probst nhd. Propst »Kloster-, Stiftsvorsteher« (vgl. die ältere Schreibweise des Appellativs im Ortsnamen Probstze//a, s. Zelle). Durch Vermittlung von mniederl. provoost/provost lieferte frz. prévòt, das über die altfranzösische Variante prévost aus lat. praepositus hervorgegangen war und mittlerweile die Bedeutung »Zuchtmeister« entwickelt hatte, in frühneuhochdeutscher Zeit den Historismus Profos »mit der Militärgerichtsbarkeit beauftragter Beamter, Feldrichter«.

Protze »zweirädriger Munitionswagen, an den ein Geschütz angehängt wird«: Im 19. Jh. als feminisierte Kopfisolierung herausgelöst aus Zusammensetzungen wie Protzkarren, -wagen, in denen seit dem 15. Jh. in Tirol und Bayern bezeugtes protz/protzn/brotzen »Karren« als Vorderglied auftritt. Über eine norditalienische Dialektform birozzo von ital. barroccio/ birroccio »Zweiradkarren« wird das Lehnwort auf spätlat. birotium zurückgeführt, das man für eine Art Univerbierung der Wortfügung birotum vehiculum »zweirädriges Fahrzeug« hält. In dieser ist birotum das Neutrum von lat. birotus »zweirädrig«, einer Zusammenbildung aus bi- »zwei-« (s. zwei) und rota »Rad« (s. Rad), deren substantiviertes Femininum Birota »zweirädriger Wagen« im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet ist. Ital. barroccio/birroccio selbst wurde zum Archaismus Barutsche/Birutsche »zweirädrige Kutsche, zweirädriger Wagen« entlehnt. Nach Ausweis von W. Pfeifer ist die dt. Barutsche zugrunde liegende italienische Variante bar(r)occio im Wortanfang wohl nach ital. bara »Bahre; Sarg«, in Norditalien auch »zweirädriger Wagen« verändert worden. Aus dt. Birutsche stammt andererseits mit slaw. -ka adsuf-

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Agiertes poln. bryczka »Kalesche*, das zu früher üblichem dt. Britschka »leichter, offener Reisewagen* rückentlehnt wurde. Provinz »Land, Landesteil; größeres staatliches oder kirchliches Verwaltungsgebiet; das Land im Gegesatz zur Hauptstadt; kulturell rückständige Gegend*: Diese Bedeutungen hat das Fremdwort allmählich angenommen, nachdem es im 14. Jh. am Niederrhein zunächst in der Lautung provincie und im Sinne von »erzbischöflicher Amtsbezirk* aufgetreten war. Seine Quelle ist der etymologisch nicht geklärte Latinismus provincia »Geschäfts-, Herrschaftsbereich; unter römischer Oberherrschaft und Verwaltung stehendes, erobertes Gebiet außerhalb Italiens*, spätlat. auch »Gegend, Bereich*. Einfach Provincia (urspr. Provincia Gallia Narbonensis) nannte man auch die älteste, zwischen 125 und 118 v. Chr. gegründete römische Provinz in Gallien, deren Name im 11. Jh. auf die Provence, das Gebiet zwischen unterer Rhone, Durance, Meeralpen und Mittelmeer im Südosten Frankreichs beschränkt wurde. Auf dem lateinischen Gattungsnamen beruht ferner Provins, Name einer Stadt in der Champagne, bis ins 11. Jh. Hauptort einer fränkischen Grafschaft (vgl. in diesem Zusammenhang den danach benannten, im Mittelalter besonders in Südwestdeutschland und im Elsass verehrten heiligen Theobald von Provins in der Champagne). provinzial »eine Provinz betreffend, zu ihr gehörende Seit dem 16. Jh. bezeugte Übernahme von gleichbed. lat. provincialis (Ableitung von provincia, s. Provinz), zu dem hingegen das im 19. Jh. aufgekommene provinziell »die Provinz betreffend; landschaftlich, mundartlich; hinterwäldlerisch* eine französierende Bildung ist. Substantivierungen des Latinismus stellen der Archaismus Provinziale »Provinzbewohner* und der Historismus Provinzial »Vorsteher einer Ordensprovinz* (schon mhd. provinciäl »geistlicher Würdenträger*) dar, die entsprechend schwach und stark flektieren und demnach auch morphologisch differieren. An diese Dublettenreihe schließen sich die etymologisch adäquaten Dubletten Provenzale »Bewohner der Provence* und die Adsuffigierung provenzalisch »aus der Landschaft Provence stammend oder zu ihr gehörend* an, die frz. provenga! (zu Provence, s. Provinz) in seiner jeweiligen Funktion widerspiegeln.

Prozess »Vorgang, Ablauf; Rechtshandlung, Gerichtsverfahren*: Das seit mittelhochdeutscher Zeit (mhd. process »Erlass, gerichtliche Entscheidung*) bezeugte Fremdwort stammt aus lat. processus »Fortgang, Fortschritt, Erfolg*, einem Verbalabstraktum zu procedere »vorwärts gehen, vorankommen* (s. Procedere). In der Medizin gebrauchte man den Latinis-

publik mus zur Bezeichnung vorspringender Teile; daher dt. Processus »Fortsatz, Vorsprung, kleiner, hervorragender Teil eines Knochens*. In englischer Laut- und Schreibform tritt er im Rahmen des künstlerischen Fachausdrucks Process-Art/Processart auf als Name einer avantgardistischen Kunstrichtung seit den 6oer-Jahren des 20. Jh. (eigtl. »Prozesskunst*, vgl. Ars), in deren Zentrum die Vermittlung künstlerischer Prozesse steht.

prüfen: Wegen des aus (vor)ahd. ö entwickelten Diphthongs uo/(umgelautet) üe, der im vorausgehenden mhd. prüeven/pruoven »erwägen, prüfen, erkennen; erproben; erweisen u.a.* vorliegt, hält man das Verb für eine ältere Übernahme von vlat. ^provare für lat. probare »(auf seine Tüchtigkeit oder Güte) untersuchen, erproben; anerkennen, gutheißen* (zu probus »tüchtig; rechtschaffen; gut*). Aus gleichbed. mlat. probare wurde mhd. (mitteld.) pröben/prüben entlehnt, worauf sich mit eingeschränkter Bedeutung nhd. proben »für eine Darbietung üben, einstudieren* gründet. Dazu stellte sich - mit französischer Endung versehen - mhd. probieren »beweisen, prüfen*, das heute in probieren »prüfen; versuchen; kosten, abschmecken* fortlebt. Psyche1 »Name der Gattin des Eros in der griechischen Mythologie*: In dieser Bedeutung endbetont seit dem 17. Jh., seit Anfang des 19. Jh. Psyche2 »Seele; Seelenleben; Wesen, Gemüt, Eigenart*, mit vorverlegtem Akzent fach- und gemeinsprachliche Entlehnung aus griech. psyché »Hauch, Atem; Seele, Geist, Gemüt* (zu psfchein »atmen, hauchen, aushauchen, sterben*). Im österreichischen nahm Psyche2 [’psi^(e)] unter französischem und italienischem Einfluss die zusätzliche Bedeutung »Frisiertoilette (mit Spiegel)* an, begründet durch eine oft auf dem Möbelstück stehende Figur der griechischen Göttin. Die Kompositionsform des griechischen Wortes psych(o)erscheint u. a. in der gelehrten Neubildung des 19. Jh. Psychiater (s. Arzt) sowie in der im Jargon vorkommenden Isolierung Psycho m. »psychologisch angelegter (Kriminal)roman, -film o. Ä.das staatseigene Ackerland im alten Rom< (s. Acker), und frz. public begegnet uns im völkerrechtlichen Fachausdruck Ordre public (eigtl. »öffentliche Ordnung«, s. Orden). Durch französische Vermittlung oder direkt aus der lateinischen Quelle stammt engl. public »öffentlich«, das sowohl in der Fügung Public Relations >Öffentlichkeitsarbeit< (s. Relation) als auch in Pub »Gaststätte, Bierlokal in England; Lokal, Bar im englischen Stil« (für gleichbed. engl. pub, eine Kopffragmentierung von public in public house, eigtl. öffentliches Hausdas gemeine Volk, die Öffentlichkeit« ist das substantivierte Neutrum von publicus in Publikum >Öffentlichkeit< entlehnt, das dann wohl unter dem Einfluss von entsprechendem frz., engl. public >öffentlichkeit, Publikum« die Bedeutung Gesamtheit der Zuschauer, Zuhörer, Leser« entwickelte; vgl. ferner die altüberlieferte ablativische Konstruktion coram publico >vor aller Welt, öffentlich«, in der lat. coram >vor aller Augen« als Präposition fungiert. In attributiver Funktion treten das Femininum und das Neutrum auf etwa in bildungsspr. honestas publica >guter Ruf« (eigtl. öffentliche Achtbarkeit«, s. honett) bzw. in den terminologischen Wortfügungen Collegium publicum öffentliche Vorlesung an einer Universität« (s. Kolleg), Jus publicum öffentliches Recht« (vgl. Jus1).

Publizität >Bekanntsein in der Öffentlichkeit, Offenkundigkeit«: Gebildet nach gleichbed. frz. publicité (Abstraktum zu public öffentlich«, s. publik), das über engl. publicity dt. Publicity mit der zusätzlichen Semantik »Reklame, Propaganda, (Bemühung um) öffentliches Ansehen« lieferte.

Pulp/Pulpe/Pülpe »breiige Masse mit Fruchtstücken zur Marmeladeherstellung«: In allen drei Varianten (Pulpe allerdings auch mit der zusätzlichen Bedeutung »als Futtermittel verwendeter Rückstand der Kartoffeln bei der Stärkefabrikation«) spiegelt sich über engl. pulp und frz. pulpe (älter: poulpe) vermitteltes lat. pulpa »(Frucht)fleisch« wider. In adäquater Lautgestalt liegt dieses im medizinischen Fachausdruck Pulpa »weiche, gefäßreiche Gewebemasse im Zahn und in der Milz« vor. pulsieren »schlagen, klopfen; sich lebhaft regen, fließen«: Das seit dem 17. Jh. bezeugte und sprachgefühlsmäßig auf Puls beziehbare Verb entstammt eigentlich lat. pulsare »kräftig stoßen, schlagen« (Intensivbildung zu pellere »stoßen, schlagen«, zu dessen Partizipialstamm pulsus »Pulsschlag« gehört). Über das Vulgärlatein wurde lat. pulsare zu port, puxar »ziehen, schleppen« ererbt, aus dem im 16. Jh. gleichbed. mniederl. boesjaren, später-volksetymologisch an boeg »Schiffsbug« angelehnt - boegseren entlehnt

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wurde. Auf dieses geht über ältere Formen wie buxiren/buchsieren (gleichermaßen von Bug beeinflusst) nhd. bugsieren »ein Schiff ins Schlepptau nehmen« (in dieser Schreibweise seit dem 19. Jh.) zurück. Zu diesem Dublettenpaar stellt sich auch der veraltende Gallizismus poussieren »flirten; hofieren, umschmeicheln«, dessen Quelle pousser »stoßen, schieben, vorantreiben, drängen« der französische Fortsetzer von lat. pulsare ist. Für den im 19. Jh. in der Studentensprache aufgekommenen Bedeutungswandel des im 17. Jh. gedrungenen Fremdwortes (zunächst im Sinne von »drängen, um etwas bemüht sein« gebraucht) versucht man von »an sich drücken, knutschen« (Duden-Herkunftswörterbuch), »eine Affäre vorantreiben« (E. Seebold), frz. pousser les beaus sentiments »verliebt tun« (W. Pfeifer) auszugehen.

Pulver »staubfein zerriebener fester Stoff«: Das seit althochdeutscher Zeit bezeugte Substantiv (seit Mitte des 14. Jh. auch in der Bedeutung »Schießpulver«) wurde aus mlat. pulver für lat. pulvis, Gen. pulveris »Staub, Sandstaub, Asche« entlehnt. Auf dessen Akkusativ Singular pulverem geht frz. poudre »Staub; Pulver; Puder« zurück, das - abgesehen von seinem fachmännischen Gebrauch innerhalb der präpositionalen Fügung à poudre »auf Puder« (s. ad) in Ausdrücken wie (Edelsteine) àpoudrefassen, d.h. (Edelsteinen) eine weiße Unterlage geben - seit dem 17. Jh. dt. Puder zugrunde liegt. Nach E. Seebold wurde das Substantiv zunächst in der Bedeutung »Haarmehl« (zum Pudern der Haare) entlehnt, dann auf andere Kosmetika ausgeweitet, vgl. aber auch die Zusammensetzung Puderzucker »Staubzucker«, die laut Duden-Herkunftswörterbuch ebenfalls von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes zeugen soll.

Punctum Puncti »Hauptpunkt (besonders von Geld in Bezug auf finanzielle Planungen)«: Die bildungssprachliche Wendung besteht aus dem Nominativ und dem Genitiv Singular von lat. punctum n. »Stich; Punkt; Auge auf dem Würfel« (spät- und mittellateinisch dafür auch punctus m. »Merkzeichen, Note«, eigtl. »das oder der Gestochene«, substantiviertes Partizip Perfekt von pungere »stechen«) und bedeutet wörtlich »der Punkt des Punktes«. Der Nominativ und der Ablativ dieses Latinismus erscheinen ferner jeweils im interjektionellen Ausdruck (und damit) Punktum! »Schluss!« und in der präpositionalen Fügung in puncto /schweiz., österr. (elliptisch) punkto »hinsichtlich, betreffs« (s. in). Das lateinische Wort wurde bereits in mittelhochdeutscher Zeit zu pun(c)t »(Mittel-, Zeit)punkt; Umstand; Abschluss u.a.« entlehnt, das im polysemen nhd. Punkt fortlebt. Über (a)frz. point wurden andererseits dt. Point1 »Stich, Auge (beim Karten- und Würfelspielen)« und engl. point »Punkt« (etwa in Point2 of Sale »für die Werbung zu nutzender Ort, an dem ein Produkt verkauft wird,

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Z.B. die Verkaufsthekemit regelmäßig angeordneten Punkten gemusterter Stoff< (eigtl. »tausend Punktes s. Mille). Das italienische Maskulinum punto »Punkt; Stich u.a.< ist Bestandteil der präpositionalen Fügung al punto »aufs Haar, ganz genau< (eigtl. »auf den Punkts s. ad). Das Femininum lat. puncta >Stich< ergab sowohl frz. pointe »Spitze, Schärfe*, übertr. »geistreicher Schlusseffekts das im 18. Jh. gleichbed. dt. Pointe lieferte, als auch span, und ital. punta >Spitzevielfarbigein von sechs Rechtecken begrenzter Körper< gründet sich auf die ursprüngliche Bedeutung »rechteckiger Steinblocks mit der vorausgehendes mhd. quäder(stein) aus mlat. quadrus (lapis) »viereckiger (Stein)< entlehnt wurde (vgl. Lapis). Lat. quadrus m. »viereckig*, quadrum n. »Viereck* (zu quatuor/quattuor >4 (viereckiger) Rahmen; Einfassung; Stamm einer Truppe u.a.< zugrunde, aus dem im 19. Jh. dt. Kader zunächst im Sinne von >Stamm einer Truppenabteilung< übernommen wurde. Nicht eingedeutschtes Cadre »Kennzeichnung bestimmter Cadrepartien in Verbindung mit zwei Zahlen als Maßangaben* neben Cadrepartie/Kaderpartie bestimmte Partie im Billard* (eigtl. >Spielart beim Billardcarambol, bei der das Billard durch Kreidestriche in Felder aufgeteilt wird*) ist im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführt. Quadragesima/Quadragese vierzigtägige christliche Fastenzeit vor Ostern*: Substantivierte feminine Form von lat. quadragesimus >der vierzigste* (zu quattuor >4*, s. vier), verselbständigt aus der Fügung mlat. quadragesima (dies) >der vierzigste (Tag)* (vgl. Dies unter Zeus). Dieselbe Bedeutung weist über vlat. ★quaresima und afrz. quaresme ererbtes frz. carème auf, das im Fremdwort Carème >die vierzigtägige Fastenzeit; Sammlung von Fastenpredigten* vorliegt. Dagegen scheint Carena >Fasten- und Bußzeit von vierzig Tagen; Kirchenbuße von geringerer Dauer; Entzug des Mittagessens als Strafe in den mittelalterlichen Lateinschulen*, das im Duden-Fremdwörterbuch aus gleichbed. mlat. carena hergeleitet und mit Carème verglichen wird, eher mit lat. carere »nicht haben; entbehren; sich enthalten* (vgl. dazu carentia »Freisein, Verzicht*, woraus dt. Karenz »Enthaltsamkeit, Verzicht*) zusammenzuhängen.

Quadrant »in Grade unterteilter Viertelkreis, Winkelmesser*: Der als Terminus der Mathematik und der Seefahrt sowie als Bezeichnung für Messinstrumente in Astronomie, Baukunst und Militärwesen gebrauchte Fremdwort repräsentiert den Stamm der obliquen Kasus des Partizips Präsens quadrans, Gen. quadrantis von lat. quadrare »viereckig machen;

in vier Teile teilen* (s. quadrieren). Dessen Nominativform wurde ihrerseits zu Quadrans »ein Viertel einer zwölfteiligen Skala* und über herkunftsgleiches frz. cadran auch zu veraltet Cadran »Sonnenuhr; Zifferblatt (einer Uhr)< übernommen. Quadrat: Deglutiniert aus lat. quadratum »Viereck*, dem substantivierten Neutrum des Partizips Perfekt quadratus m. von quadrare »viereckig machen* (s. quadrieren). Dessen Maskulinum tritt auf in der bildungssprachlichen Bezeichnung des antiken Versmaßes Versus quadratus »trochäischer Septenar* (eigtl. »viereckiger Vers*, s. Vers) und dessen Femininum im musikalischen Fachausdruck Nota quadrata »Quadratnote, viereckiges Notenzeichen der Choralnotation* (s. Nota) bzw. substantiviert in Quadrata »die Buchstabenform der Kapitalis* (eigtl. »die Viereckige*). Auf lat. quadratus geht frz. carré »viereckig, gekästelt; Viereck* zurück, das als Verbaladjektiv zu kariert »gekästelt, gewürfelt* adoptiert und als Substantiv zu Karree »Viereck* (österr. auch »Rippenstück*) entlehnt wurde.

quadrieren »eine Zahl in die zweite Potenz erheben (d.h. mit sich selbst multiplizieren)*: In dieser Bedeutung ist das Verb, das in der Kunstwissenschaft außerdem im Sinne von »in Quadrate aufteilen; eine aus Quadern gemauerte Wand vortäuschen* gebraucht wird, seit dem 18. Jh. üblich. M. Lexer verzeichnet neben mhd. quädern auch quadrieren als Entsprechung seiner lateinischen Vorlage quadrare »viereckig zurichten* (zu quadrus »viereckig*, s. Quader, vgl. Quadrant, Quadrat). Im Französischen ist diesem gleichbed. carrer »quadrieren* entsprungen, das die Dublette karrieren »mit Würfelzeichnung mustern, kästeln* lieferte.

Quant1 »kleinste Energiemenge*: Der physikalische Terminus stellt eine Deglutination von Quantum »Menge, Anzahl, Maß, Summe, Betrag* dar, das im 17. Jh. aus lat. quantum, dem substantivierten Neutrum zu quantus m. »wie groß, wie viel*, in die Kaufmannssprache übernommen wurde, vgl. quantum vis »nach Belieben, so viel du nehmen willst* (eigtl. »so sehr du willst*, abgekürzt: q. v.) als Hinweis auf Rezepten. Aus dem Pronomen ist ital quanto, Plur. quanti »wie viel; alle* hervorgegangen, dessen Plural-

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form in der Fügung tutti quanti >alle zusammen, ohne Ausnahme« (s. tutti) auftritt. Durch Substantivierung der Frage des Auktionators mlat. in quantum? »wie viel, wie hoch« sind andererseits sowohl ital. incanto »Versteigerung« als auch das seit dem 14. Jh. bezeugte, heute jedoch nur noch in der Schweiz übliche Gant »öffentliche Versteigerung« entstanden. Ferner ist man geneigt, auf lat. quantum zurückzufuhren sowohl das seit dem 19. Jh. im Westmitteldeutschen nachweisbare Maskulinum Quant2 »kleiner Junge« (nach H. Küpper so viel wie »kleine Menge«) als auch das Pluraletantum Quanten »(große) Füße; plumpe Hände; große, breite Schuhe« (nach H. Pauls »Deutsches Wörterbuch« um 1900 zuerst ostpreußisch und soldatensprachlich). Quarta f. veraltend »dritte (in Österreich vierte) Klasse eines Gymnasiums«: Elliptisch entstanden aus lat. quarta classis »erste Klasse« (s. Prima1 unterpr/m), wo das Attribut das Femininum des lateinischen Numerales quartus »der vierte« (zu quattuor »4«, s. vier) repräsentiert. Eingedeutscht erscheint es in Quarte f. »der vierte Ton einer diatonischen Tonleiter vom Grundton an bzw. Intervall von vier diatonischen Stufen« (aus gleichbed. mhd. quarte), mit welchem deglutiniertes Quart1 f. (auch als Name der vierten Bewegung beim Fechten) konkurriert. Homonym und homograph mit dem Letzteren sind entsprechend das Buchformat Quart2 n. »Viertelbogengröße (Zeichen: 4°)« (herausgelöst aus der ablativischen Fügung in quarto folio »in einem Viertelbogen«, s. Folie) und der Anglizismus Quart3 n. als Bezeichnung für englische und amerikanische Hohlmaße jeweils zu 1,136 1 (Zeichen: qt), 0,946 (Zeichen: liq qt) u.a., der sich über afrz. quarte aus lat. quarta (pars) »vierter (Teil), Viertel« (s. Part) herleitet. Herkunftsmäßig entsprechen diesem dt. Quart4 n. »altes deutsches Hohlmaß unterschiedlicher Größe« (identisch mit dem bereits erwähnten mhd. quarte f./quart n. »vierter Teil von etwas« in seiner Funktion ganz besonders als Flüssigkeitsmaß, vgl. dazu bair. Quartel »kleines Biermaß«) und poln. kwart m. im Exotismus Kwarta f. »altes polnisches Hohlmaß für Flüssigkeiten (= 0,9511)«. Das lat. quartus fortführende französische Maskulinum quart »Viertel« liegt formal in troisquarts/trocar vor, das den Namen des chirurgischen Stichinstruments Trokar/Trocart/Troicart (s. drei) lieferte.

Quartermeister »Matrose, der insbesondere als Rudergänger eingesetzt wird«: Das Duden-Fremdwörterbuch bringt dieses Substantiv mit der Erläuterung, es sei Lehnübersetzung von gleichbed. engl. quartermaster (urspr. »Aufsicht über die auf dem Quarterdeck Beschäftigten«) und man habe das Schiff vom Quarterdeck aus gesteuert. C. T. Onions vergleicht das seit dem 15. Jh. bezeugte englische Wort, das aus

Quas den unter Quartier und Magister erörterten Komponenten quarter und master zusammengesetzt ist und neben »Steurer« auch »Quartiermeister« bedeutet, mit bedeutungsgleichem niederl. kwartiermeester. Damit identisch ist dt. Quartiermeister (worauf die seit dem 17. Jh. bezeugte bedeutungs- und strukturgleiche Lehnübersetzung frz. quartier-maitre beruht), vgl. F. Kluges Datierung von Quartiermeister seit 1532, ein quattermeistere aber schon 1475 in Köln belegt. Man kann daher annehmen, dass das Kompositum im 15. Jh. am Niederrhein zustande gekommen ist und als militärischer Ausdruck (einschließlich der Marine) in Form von Lehnübersetzungen Eingang in Nachbarsprachen gefunden hat, so dass sich Quartermeister in gewissem Sinne auch als Rückentlehnung betrachten ließe.

Quartier »(Truppen)unterkunft«, Schweiz., österr. »Stadtviertel«: Über mhd. quartier »Quartier; Viertel« übernommen aus afrz. quartier/cartier »vierter Teil, Viertel«, dann durch Übertragung auf verschiedene Bereiche »Stadtviertel; Soldatenunterkunft u.a.« (aus lat. quartarius »Viertel eines Maßes«, zu quartus »vierter«, s. Quarta). In adäquater Lautung tritt der Gallizismus auf im Namen des Pariser Hochschulviertels Quartier latin (wörtl. »lateinisches Viertel«, s. Latinum) und als frühe Entlehnung zu engl. quarter »Viertel(stunde); Stadtviertel; Quartal u.a.« im Exotismus Quarter »englisches Gewicht (= 12,7 kg) und Hohlmaß (= 290,95 1); Getreidemaß (= 21,75 kg) und Bezeichnung für den Vierteldollar in den USA« (vgl. ferner den Namen der aus den USA und Kanada stammenden Pferderasse Quarterhorse/QuarterHorse, die wegen ihrer hohen Schnelligkeit für die Viertelmeile so genannt ist, s. Ross). Strukturgleich mit dem lateinischen Substantiv ist eine zu quartus mit dem Suffix -är (für frz. -aire < lat. -arius, vgl. konträr) wohl nach dem Muster von Primär (s. primär) und Tertiär (s. tertiär) gebildetes Quartär als Bezeichnung für die vierte erdgeschichtliche Formation nach der früheren Zählung des Paläozoikums als Primär. Das zugehörige Adjektiv quartär »das Quartär betreffend« gebraucht man allerdings auch im Sinne von »an vierter Stelle in einer Reihe oder Reihenfolge stehend; das zentrale Atom in Molekülen bildend, an das vier organische Reste gebunden sind, die je ein Wasserstoffatom ersetzen«. Sofern nicht aus carretier »Fuhrmann« kontrahiert, besteht die altfranzösische bzw. normannisch-pikardische Variante cartier im Familiennamen Cartier fort, z.B. in dem des französischen Seefahrers und Entdeckers Jacques Cartier (1491-1557), der u.a. 1535/1536 Kanada als »»Neu-Frankreich« für die französische Krone in Besitz nahm. Quas »Gelage, Schmaus; Pfingstbier mit festlichem Tanz«: Das seit dem ausgehenden Mittelalter in den

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quer Formen mhd. (mitteld.) quäz, mnd. quäs belegte Substantiv gilt unter Berufung auf sorb, fcwas >Sauerteig; Schmaus; Hochzeit< als Entlehnung aus dem Westslawischen. Es handelt sich um das gemeinslawische Wort *kväsi> >Gärmittel< (daraus abulg. kvash »Sauerteig«, vgl. das im Duden-Fremdwörterbuch aufgefuhrte Podkwassa >Ansatz zur Joghurtherstellung«, aus bulg. podkväsa >Hefe, Sauerteig, Ferment«), das vermutlich mit lat. caseus, der Vorlage von dt. Käse (s. d.), urverwandt ist. Auf dieselbe slawische Quelle geht auch russ. kvas »säuerliches Getränk« zurück, das den Exotismus dt. Kwass >schwach alkoholisches Getränk aus gegorenem Brot, Mehl und Malz< lieferte.

lung von der Prima, der obersten Klasse der Oberstufe, abwärts erfolgte (daher österr. Quinta »fünfte Klasse des Gymnasiums«). Aus mlat. quinta (vox) >fünfter (Ton)« (vgl. Voces) herausgelöst, tritt quinta in Quinte/Quint1 >fünfter Ton der diatonischen Tonleiter; Intervall im Abstand von fünf Stufen« eingedeutscht und zum Teil appokopiert auf, während homonymes Quint2 eine Klingenhaltung beim Fechten (etwa »fünfte Fechtbewegung«) bedeutet. Diese Kurzform kennt man aber vor allem aus Quintessenz »Wesen, Kern einer Sache, Hauptinhalt, Endergebnis«, die durch Zusammenrückung entstanden ist aus der lateinischen Fügung quinta essentia »fünftes Seiendes«, einer Lehnübersetzung von griech. pémptè ousiä >feinster, unwandelbarer Ätherstoff als fünftes Element« bei Aristoteles und den Pythagoreern (s. Essentia).

quer: Das primär mitteldeutsche Adjektiv ist ebenso wie gleichbed. oberd. (alemann.) zwerch (vgl. auch überzwerch >quer über, über Kreuz; unangenehm, verschroben, übermütig«) eine lautliche Umbildung von mhd. twerch/dwerch >auf die Seite gerichtet, verkehrt, schräg, quer« (< ahd. dwerah < germ. *pwer%a»quer«). Standardsprachlich hält sich die oberdeutsche, keine Auslautsvereinfachung aufweisende Variante als Bestimmungswort etwa in Zwerchfell >Trennwand zwischen Brust- und Bauchraum« (eigtl. >die quer durch den Oberkörper verlaufende Haut«), Zwerchhaus >Dachhäuschen mit einem quer zum Hauptdach verlaufenden First«. Der adverbial gebrauchte erstarrte Genitiv mhd. twerhes/tweres >quer, verkehrt, seitwärts« (vgl. flugs, stets jeweils unter Flug, stet) ist im Neuhochdeutschen untergegangen, sein Kognat mniederl., mnd. dwers/dwars lebt dagegen fort sowohl in niederl. dwars >quer< wie auch in gleichbed. niederd. dwars (neben dweer, vgl. die eigenartige Zwillingsformel dwars un dweer). Daher seemänn. dwars >quer, querab«, das wie zwerchvornehmlich Vorderglied von Komposita ist: dwarsschiffs >querschiffs«, Dwarswind >Seitenwind«, in Dwarslinie fahren mebeneinander fahren«.

Quomodo >Art und Weise des Verfahrens, Behandlungsart«: Das veraltete Fremdwort ist eine Substantivierung des lateinischen Interrogativpronomens quomodo >auf welche Weise«, entstanden durch Zusammenrückung der ablativischen Verknüpfung von qui >welcher< und modus »Weise« (s. Quorum, Modus). Über vlat. *quomo ergab es frz. comme >wie«, das als Relativum enthalten ist in der veraltenden, als Antwort auf die Frage »Wie gehts?« gebrauchte comme ci, comme $a >nicht besonders (gut), soso«, vgl. auch die ebenfalls veraltende Wendung comme ilfaut >wie sichs gehört, mustergültig, vorbildlich« (ilfaut »es ist nötig«, flektierte Form von falloir »müssen, sollen; benötigen« < lat. fallere »täuschen«, woher auch dt. fehlen usw., s. fallieren1). Der italienische Kognat des französischen Wortes begegnet uns in der musikalischen Terminologie im Rahmen der Spielanweisungen come sopra »wie oben, wie zuvor« (s. Supra), come sta »ohne freie Verzierung« (eigtl. »wie es steht«, Prädikat zu stare < lat. stare »stehen«, wurzelverwandt mit dt. stehen).

Quintus1 m.: Auf lat. quintus >fünfter« (zu quinque >fünf«, s.fünf) beruhende Bezeichnung für die fünfte Stimme in den mehrstimmigen Kompositionen des 16. Jh. Gleich lautend ist der männliche Vorname Quintus2, den die Römer ursprünglich im Sinne von >der Fünfte« wie andere Ordinalzahlen (etwa Primus >der Erste«, Secundus >der Zweite«, vgl. prim, Sekunde) als Beinamen zur Unterscheidung gleichnamiger Namensträger, dann aber auch als eigentlichen Vornamen ohne Zählung verwendeten. Das Femininum von quintus lautet quinta >fünfte< und ist im Deutschen durch Dubletten vertreten wie veraltet Quinta >zweite Klasse einer höheren Schule« (in Österreich veraltet »fünfte Klasse des Gymnasiums«, vgl. Prima1 unter prim), verselbständigt aus quinta classis >fünfte Klasse«, als in der Reformationszeit die Einteilung und Benennung der Unterrichtsklassen nach römischen Ordinalzahlen üblich wurde und die Zäh-

Quorum: In Süddeutschland und in der Schweiz übliche Bezeichnung für die zur Beschlussfähigkeit einer Vereinigung, Körperschaft o. Ä. vorgeschriebene Zahl anwesender stimmberechtigter Mitglieder oder abgegebener Stimmen. Im Sinne von »derer, von denen« (nach dem formelhaften Anfangswort, mit dem man in England seit dem 15. Jh. die Anwesenheit einer erforderlichen Zahl von Richtern oder Personen bestätigte) ist das eigentlich der Genitiv Plural des lateinischen Interrogativ- und Relativpronomens qui »welcher«, das mit dt. wer, wann (s. d.) u.a. wurzelverwandt ist. Sein Nominativ und Ablativ Singular treten auf im Fremdwort Quiproquo »Verwechslung einer Person mit einer anderen«, einer Zusammenrückung von lat. qui pro quo, eigtl. »(irgend)wer für (irgend)wen« (s. vor) und im Archaismus Quomodo »Behandlungsart« (s. d.). Der Genitiv und der Dativ Singular liegen vor im Grundsatz cuius regio, eius re-

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ligio »wessen das Land, dessen die Religion< (s. Region) und in der aus Ciceros Reden entnommenen prinzipiellen Frage cui bono? >wem nützt es, wer hat einen Vorteil davon?< (eigtl. >wem zum Guten?scharf aufpassen, dass man nicht ins Hintertreffen gerät< vorhanden, einer partiellen Übersetzung von frz. ètre sur le qui-vive, in der der Ruf des Wachpostens qui vive? >wer da?wer lebt (da)?< (3. Person Singular zu vivre >lebender wievielte Teilder wievielte< mit pars f. »Teil, Anteil< (s. Part) im Genus kongruiert. Als Verwaltungsbegriff wurde der Latinismus im 14. Jh. zu frz. cote >Kennziffer, Marke< adaptiert, das seinerseits die Quelle des eingedeutschten geodätischen und mathematischen Fachwortes Kote »Geländepunkt mit genau vermessener Höhenlage; Zahlenangabe in der Eintafelprojektion< ist.

Rabat >länglich rechteckiger leinener Überfallkragen auf dem Männerhemd Ende des 17. Jh., der im Beffchen weiterbesteht*: Das bereits im 17. Jh. ins Deutsche übernommene Fremdwort stammt aus frz. rabat >Kragen, Umschlag, Halskrausen Zuvor hatte dieses mniederl. rabat/rebat/robat >gefältelter Streifen einer Gardine< ergeben, aus dem niederl. rabat über >streifenartiger Saum an Kleidungsstücken, Umschlag, Aufschlag an Röcken, Kragen< in der Gartenkunst die übertragene Bedeutung >schmales Beet entlang einer Erdaufschüttung< entwickelte und dt. Rabatte >Einfassungs-, Randbeetherabschlagen, niederdrücken, abziehen, einen Preisnachlass gewährens stellvertretend für eine Doppelpräfigierung vlat. *re-ab-battere wieder herabschlagen* zu lat. battuere >schlagenaus bestimmten Gründen gewährter Preisnachlass*, der Quelle - wohl neben auch diese Bedeutung aufweisendem frz. rabat -von wiederum seit dem 17. Jh. bezeugtem gleichbed. dt. Rabatt.

Rabe: Der Name des pechschwarzen Vogels ist lautnachahmender Herkunft (etwa >Krächzer*) und geht auf die germanischen Varianten *%rabna-/*xraban >Rabe< zururück, die jeweils stark und schwach flektierte Fortsetzer in ahd. (h)raban/(h)rabo, mhd. raben/rabe haben. Durch Assimilation bn> mn> m(m) ist aus germ. *%rabna- die althochdeutsche Nebenform (h)ram enstanden, die heute als (Hinterjglied alter Eigennamen auftritt, vgl. Bertram wie auch dessen Umkehrung Rambert (beide mit ahd. beruht »glänzend* komponiert, also etwa »glänzender Rabe*, sofern der Rabe in der germanischen Mythologie eine Rolle gespielt hat), ferner auch Wolfram (kopulative Aneinanderreihung: Wolf + Rabe, nicht mit dem Namen des chemischen Elements Wolfram zu verwechseln, in dessen Grundwort mhd. räm »Schmutz, Russ* steckt, so dass das Kompositum primär so viel wie »Wolfsschmutz* bedeutete). Aus ahd. (h)rappo, mhd. rappe »Rabe*, einer Nebenform von gleichbed. ahd. (h)rabo, mhd. rabe, die sich zu dieser

so verhält wie Knappe zu Knabe (s. d.), ist Rappe mit der seit dem 16. Jh. bezeugten übertragenen Bedeutung »schwarzes Pferd* hervorgegangen. Parallel dazu verselbständigte sich ein stark flektiertes Rappen (zuvor auch Rapp/Rappe/Rabenpfennig, -batzen, -vierer), seit Mitte des 19. Jh. amtliche Bezeichnung für frz. centime (eigtl. »ein Hundertstel des Frankens*) in der deutschsprachigen Schweiz. Voraus geht spätmhd. rappe als spöttischer Name einer im 14./15. Jh. in Freiburg im Breisgau geschlagenen Münze mit aufgeprägtem Vogelkopf (wohl Adlerkopf), man erwägt aber auch Reminiszenzen an die dieser Münze sehr ähnlichen schlechten Pfennig-Prägungen eines Herrn von Rappoltstein bei Colmar Ende des 13. Jh.

Rabies »Tollwut*: Medizinischer Fachausdruck, der auf lat. rabies »Tollheit, Wahnsinn; Wut; Besessenheit* (zu rabere/mlat. rabiare »wüten*, Part. Perf. rabiatus, woraus dt. rabiat »wütend; grob*) beruht. Da im Vulgärlatein die Substantive der fünften Deklination in die erste übergingen, wurde auch rabies in *rabia umgewandelt. Als Erbwort lebt dieses in span, rabia. ital. rabbia, frz. rage »Wut; Tollwut; Leidenschaft*, Letzteres im 18. Jh. Quelle der Dublette Rage »unbeherrschte Aufgeregtheit, Wut, Empörung*. Rad: Das heute nur noch im Deutschen und Niederländischen begegnende Wort geht über ahd. rad und westgerm. *rapa- auf idg. *roto-/*rotä- »Rad* (wohl zu *ret- »laufen, rollen*) zurück. Auf der morphologischen Variante *rotä beruht lat. rota »Rad; Wagen*, das im Exotismus Sacra (Romana) Rota oder Rota (Romana) »höchster Gerichtshof der katholischen Kirche* (eigtl. »heiliges römisches Rad*, wohl nach der kreisrunden Richterbank, s. Sakrum, Romane) vorliegt. Der spanische Fortsetzer des Latinismus lautet rueda »Rad; Kreis; Runde; Reigen*, worauf sich der Name des im Duden-Fremdwörterbuch als ein weiterer Exotismus verzeichneten spanischen Tanzes im 5/8-Takt Rueda stützt. Über einige aus Ableitungen von lat. rota hervorgegangene etymologische Dubletten s. Rotulus und rund. radikal »politisch, weltanschaulich extrem; gründlich; rücksichtslos*: Das Adjektiv, das im 18. Jh. über frz. radical »gründlich, grundlegend* aus spätlat. radiculis »eingewurzelt* (zu radix »Wurzel*, s. Radix) entlehnt

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wurde und mit dem das stark flektierte Neutrum Radikal als Fachausdruck der Chemie, Mathematik, Psychologie und Sprachwissenschaft etymologisch identisch ist, entwickelte im 19. Jh. unter Einfluss von herkunftsgleichem engl. radical die Bedeutung »extrem eingestellte Seit dem 18. Jh. bezeugt ist auch die an landsch. Ratze (s. Ratte) angelehnte volksetymologische Umbildung ratzekahl >völlig, ganz und garKeimwurzel der Samenpflanzenc Der botanische Fachausdruck bedeutet wörtlich »Würzelchen< und gibt lat. radicula, ein feminines Diminutiv von lat. radix »Wurzel* (s. Radix), graphisch eingedeutscht wieder. Im Italienischen hat sich aus dem lateinischen Femininum eine maskuline Nebenform radicchio als Pflanzenname entwickelt, dessen in Duden-Wörterbüchern verzeichnete Vertretung Radicchio m. besonders in Italien angebaute Art der Zichorie mit rotweißen, leicht bitter schmeckenden Blättern, die als Salat zubereitet werden* im Deutschen berechtigterweise als phono- und morphosemantische etymologische Dublette von Radikula zu betrachten ist. Radio »Rundfunk(gerät)*: Um 1920 übernommen aus gleichbed. amerik. radio, einer Kopfisolierung aus radiotelegraphy > Übermittlung von Nachrichten durch Ausstrahlung elektromagnetischer Wellern, wo radio- >Strahlen-, Rundfunk-< als Kompositionsform von lat. radius >Stab, Radspeiche, Strahl, Halbmessen fungiert. In der letzteren Bedeutung lieferte das lateinische Wort um 1700 dt. Radius, das älteres Semidiameter oder halber Diameter verdrängte und heute als Schwanzisolierung aus Aktionsradius außerdem »Wirkungsbereich, Reichweite, Umkreis< bedeutet. Dessen Pluralform Radien tritt in der Fachsprache der Zoologie lexikalisiert auf auch im Sinne von »Flossenstrahlen der Fische; Strahlen der Vogelfeder; Strahlen oder Achsen radialsymmetrischer Tiere t und Umlaut a > e in ahd. retih, welches über mhd. retich den heutigen Namen des Wurzelgemüses Rettich ergab. Im 17. Jh. lieferte das aus radicem (dem Akkusativ von lat. radix) hervorgegangene ital. radice »Wurzel; Rettich; Radieschem

Rasch über mfrz. radice und niederl. radijs das Mitte des 20. Jh. noch immer lexikographisch aufgeführte, nach W. Pfeifer und E. Seebold heute nur noch wenig übliche Radies besonders als Bezeichnung des kleinen, würzigen Monatsrettichs, die durch das Diminutiv Radieschen verdrängt wurde. Auf Radies durch falsche Ablösung oder auf der modernen französischen Lautform radis »Rettich< beruht im BairischÖsterreichischen mit vorverlegter Betonung gebräuchliches gleichbed. ugs. Radi (dazu auch Radisalat »Rettichsalat)*. Vgl. auch radikal, Radikula. Ränke »Intrigen, Listen, Machenschaftenc Der Singular dieses veraltenden, mit dem Verb renken verwandten und heute vorzugsweise im Plural üblichen Substantivs lebt als Regionalismus weiter etwa in Schweiz. Rank »Kniff, Trick< (vgl. die Wendung den Rank finden »zurechtkommen, den Dreh, den Weg zu etwas oder jemandem finden*), vor allem aber mit der Bedeutung »Wegbiegung, Kurve*. Sie führt die von mhd. rane »schnelle drehende Bewegung* fort und liegt auch Rang2 in der Wortfügung jemandem den Rang ablaufen »jemanden überflügeln, übertreffen* zugrunde, die eigentlich »jemandem die Wegkrümmung abschneiden, um ihm zuvorzukommen* bedeutet, aber sinngemäß an das aus dem Französischen rückentlehnten Rang1 »berufliche oder gesellschaftliche Stellung* (s. Ring) angeschlossen worden ist.

rar »selten und gesucht; selten auftretend, selten vorkommende Das seit dem 16. Jh. im Nieder- und seit dem 17. Jh. im Hochdeutschen bezeugte Adjektiv geht wahrscheinlich über gleichbed. frz. rare auf lat. rarus m., rara f., rarum n. »locker; vereinzelt, selten* zurück. Substantivisch tritt dessen nicht deglutiniertes Neutrum in Rarum (meist im Plural Rara) »seltener, kostbarer Gegenstand, z.B. ein Buch* auf, und das Femininum ist Attribut in der etwas Seltenes bezeichnenden Fügung Rara Avis (eigtl. »seltener Vogel*, vgl. Aviarum). Rasch »gröberes, als Unterfutter verwendetes Wollgewebe*: Der Archaismus geht über Aphärese aufweisendes mnd., mniederl. ras auf den Namen der einst niederländischen, heute nordfranzösischen Stadt Arras zurück, in der der Stoff hergestellt wurde und die noch heute ein Wollindustriezentrum ist. In voller Lautung erscheint der Ortsname schon im Nibelungenlied: » Vii manigen kolter spaehe / von Arraz man dà sach / der vii liehten pfellel...« (1825,1-2), d.h. (nach Simrock/Heusler) »»Schmucker Decken sah man / von Arras da genug / Aus lichthellem Zeuge ...**, im Spätmittelhochdeutschen ist er aber auch als Appellativ arraz/(h)arras »leichtes Wollgewebe* bezeugt. An die Stelle dieses verloren gegangenen Wortes ist die über ital. arazzo vermittelte Dublette

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Rasen Arazzo/Arrazzo getreten, die einen im 14.-16. Jh. zuerst zwar in Arras, doch oft nach Entwürfen italienischer Maler gewirkten Bildteppich bezeichnet. Der Ortsname selbst beruht auf dem Namen des keltischen Volksstamms Atrebates, in dem A. Dauzat eine Präfigierung der Wurzel trebo »Leute; Dorf, Siedlung< mit ad- annimmt. Rasen >gepflegte Grasflächec Die Herleitung dieses vom Ostmitteldeutschen ausgegangenen Substantivs basiert auf lauter Vermutungen, was die Ermittlung eventueller etymologischer Dubletten noch problematischer macht. Aus morphosemantischen Gründen lässt es sich auf einen westgermanischen n-Stamm *w(r)asön >Rasen< zurückführen. Dieses liegt in gleichbed. mnd. wrase vor, das mit der üblichen Umwandlung des Anlauts wr- > r- die Quelle von mhd. rase >Rasen< bzw. von nhd. Rasen zu sein scheint. Oberdeutsch ist die r-lose Nebenform Wasen1 »Rasen*, das mhd. wase grasbewachsene Erdfläche, Rasern, ahd. waso >Rasen, Erdscholle* fortführt. Letzteres lieferte gleichbed. frz. gazon, aus dem die veraltete Rückentlehnung Gazon >Rasen, Rasenplatz* stammt. Mit den Gliedern dieser Dublettenreihe möglicherweise verwandt, aber nicht identisch sind die mnd. wäsem >Dunst, Rauch* fortsetzenden, von Haus aus stark flektierenden Maskulina Wrasen/Wasen2 >Wasserdampf, dichter Dunst (in der Küche), Brodern*, die sich mit jenen, vielleicht auch mit Brodern vermischt und gegenseitig beeinflusst haben.

Rate »Teilzahlungsbetrag*: Im 19. Jh. eingedeutscht aus älterem Rata >Anteil au lautlich umgewandelte und vor der Rechtschreibreform rauh geschriebene Adjektiv führt mhd. rüch »haarig, struppig, zottig; rau, herb, streng, unwirsch* fort, beruht aber eigentlich auf flektierten Formen von diesem wie rüher, rühe usw., in denen der frühere Hauchlaut -h- verstummt war (vgl. dagegen hoher, hohe usw. gegenüber hoch, s. d.). Aus der unflektierten Form rüch war die bis ins 19. Jh. hinein gebräuchliche etymologische Dublette rauch »haarig, behaart* hervorgegangen, die heute nur noch in Rauchware, Rauchwerk »Pelzware, -werk* gebunden vorliegt (über die analoge Bewahrung des Gutturals vgl. ferner nach, schiech sowie Viech unter Vieh und zach unter zäh). Über ahd. rüh geht das Adjektiv zusammen mit gleichbed. engl. rough auf westgerm. *rü%wa- »rau* zurück, welches seinerseits allem Anschein nach auf idg. *reuk-, *rük- »rupfen* basiert, so dass die Bezeichnung gewöhnlich auf Art und Aussehen ausgerupfter, struppiger Wollzotten bezogen wird. Raum: Das durch Diphthongierung von mhd., ahd. rüm lautlich umgeforme Nomen ist ebenso wie engl. room »Zimmer, Raum, Platz* hervorgegangen aus germ. *rüma- »Raum, Platz, Lagerstätte*, Substantivierung des Adjektivs *(ga)rüma- »geräumig* (vgl. dessen mit ge- verstärkte Nebenform in nhd. geraum). Der englische Kognat tritt als Bestandteil entlehnter Fügungen auf, so z. B. in den Fachausdrücken Tearoom »Teestube (im Hotel)*, Schweiz. »Café, in dem kein Alkohol ausgeschenkt wird* (eigtl. »Teeraum*, s. Tee) und Clean Room »Reinstraum, weitgehend staubfreier Raum zur Fertigung von hoch integrierten Halbleiterbauelementen* (eigtl. »reiner Raum*, s. klein).

real »dinglich, wirklich, tatsächlich*: Im 17. Jh. entlehntes Adjektiv aus lat. realis »sachlich, wesentlich, wirklich* (zu res »Ding, Sache*, s. Res), das u.a. auch gleichbed. engl. real und frz. réel lieferte. Aus diesem stammt das fast gleichzeitig übernommene sinnver-

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wandte reell, das dann die heute vorherrschende Bedeutung >ehrlich, anständig, ordentlich* entwickelte. Unter Beibehaltung der englischen Aussprache ist real Bestandteil der Komposition Reai-Time-Clock als Bezeichnung für die im Computer eingebaute, ständig laufende und auch Echtzeituhr genannte Uhr (s. Glocke), Das substantivierte Neutrum Plural lat. realia spiegelt sich in dt. Realien wirkliche Dinge; Sachkenntnisse; naturwissenschaftliche UnterrichtsfächerWörter für Gegenstände und Erscheinungen, die für einzelne Länder und Kulturkreise spezifisch sind*. Als Fachausdruck der Philosophie wird im Duden-Fremdwörterbuch noch ein auf real basierendes Pluraletantum aufgeführt: Realen >die letzten wirklichen Bestandteile des Seins*. Vgl. auch aktuell.

Recherche >Ermittlung, Nachforschung*: Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. recherche, dies aus afrz. recerche, einem Deverbativ zu recercher >suchend durchstreifen* (heute rechercher> dt. recherchieren), gebildet aus re- wieder-* und cercher >suchen< (für spätlat. circare »prüfend umhergehen*, zu circa >ringsumKreisUntersuchung, Nachforschung*, auf dem dt. Research >Markt- und Meinungsforschung* beruht, vgl. ferner Deskresearch (s. Disco) als Gegenwort zu Fieidresearch »Feldforschung* (s. Feld). recht: Das Adjektiv (mhd., ahd. reht) geht wie gleichbed. engl. right (etwa in der Fügung all right »richtig, in Ordnung, einverstanden*, s. all) über germ. *re%ta>recht, gerade, richtig* zurück auf eine alte Partizipialbildung zu idg. *reg- denken, richten, leiten*, zu dem sich formal auch dehnstufiges lat. rèctus m., rectum n. >gerade, aufrecht; recht, richtig*, das Partizip Präteritum zu regere >gerade richten; lenken, leiten; bestimmen; herrschen* (s. Regens), stellt. Dt. recht tritt in den Substantivierungen Recht n. Gesamtheit der Gesetze; Rechtsordnung; Berechtigung u.a.< und Rechte f. >rechte Hand* sowie im erstarrten adverbialen Genitiv rechts auf. Der maskuline Nominativ des als etymologisch adäquate Dublette ansprechbaren lateinischen Partizipialadjektivs ist enthalten im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Casus rectus >unabhängiger Fall* (eigentlich Umschreibung des Begriffs von Nominativ, s. Kasus). Durch Ellipse entstandene Substantivierungen stellen der Nominativ des Neutrums Rektum/Rectum >Mastdarm* (aus intestinum rectum >gestreckter, gerader Darm*) und sein Ablativ Rekto >Vorderseite eines Blattes* bzw. recto folio >auf der Vorderseite des Blattes stehend* (s. Folie) dar. Die Kompositionsform recti- ist Vorderglied des Verbs rektifizieren >die Länge einer Kurve bestimmen; ein Flüssigkeitsge-

Redaktion misch durch wiederholte Destillation trennen*, urspr. berichtigen, zurechtweisen* (aus mlat. rettificare berichtigen*, über das Grundwort s. Fazit). Reck: Die Bezeichnung für das aus einer waagerecht befestigten stählernen Stange bestehende Turngerät wurde 1816 von F. L. Jahn in die Turnersprache eingeführt in Anlehnung an das niederdeutsche Neutrum Reck/Rick >Querstange zum Aufhängen von Wäsche, Kleidern, zum Aufsitzen des Federviehs*, das möglicherweise mit (niederd.) Rahe >quer am Mast angebrachte Stange* verwandt ist. Die Nebenform Rick, die man landschaftlich (mitteldeutsch) im Sinne von batte, Stange; Gestell aus Stangen* gebraucht, bedeutet ihrerseits im Reitsport »Hindernis aus übereinander liegenden Stangen*.

Recke: Die altertümliche Bezeichnung für Held, Krieger wurde im 18. Jh. aus inzwischen ausgestorbenem gleichbed. mhd. recke neu belebt. Ahd. reckeo (maskuliner jan-Stamm zu rehhan »vergelten, strafen, rächen*, woraus heute rächen, vgl. wrack) bedeutete »Verfolgter, Verbannter*, wurde dann für die zur Gefolgschaft eines Fürsten gehörigen fremden Krieger, endlich für Krieger überhaupt gebraucht. Seine Vorform westgerm. *wrakkjo ergab über umgestelltes galloroman. *warkio, Akk. *warkionem durch Gutturalisierung des Anlauts frz. garfon »Trossknecht, Lotterbube*, dann »Bursche*, aus dem veraltet Garton »junger Mann; Junggeselle; Kellner* als Rückentlehnung stammt. Redakteur »Bearbeiter von Manuskripten für eine Zeitung oder einen Verlag*: Im 18. Jh. aus frz. rédacteur »wer Rechtstexte sammelt und ordnet, Zeitungsartikel bearbeitet oder schreibt* entlehnte Berufsbezeichnung, die als Nomen Agentis neben dem Nomen Actionis et Loci rédaction (s. Redaktion) gebildet wurde. Ausgangspunkt war der Partizipialstamm redact- von lat. redigere »zurücktreiben, zurückbringen* (s. redigieren). Mitte des 19. Jh. wurde nach demselben Prinzip ein neolateinisches Nomen Agentis Redaktor gebildet, das in der Schweiz anstelle von Redakteur gebraucht wird, außerdem aber im Deutschen so viel wie »Sammler, Bearbeiter, Herausgeber von literarischen oder wissenschaftlichen Texten* bedeutet (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). Sofern der Partizipialstamm der neolateinischen Vorlage der unter redigieren genannten etymologisch adäquaten Dublette reagieren react- lautet und amerik. reactor »Vorrichtung, in der eine Kernreaktion abläuft* darauf beruht, hat das diesem entstammende gleichbedeutende Fremdwort Reaktor als strukturgleiche Dublette von Redakteur und Redaktor zu gelten. Redaktion: Die Bezeichnung für die Tätigkeit des Redakteurs sowie für die Gesamtheit der Redakteure

redigieren und deren Arbeitsraum wurde im Anschluss an Redakteur (s. d.) aus frz. rédaction übernommen, das wie das Nomen Agentis vom Partizipialstamm des lateinischen Verbs redigere (s. redigieren) abgeleitet und an die Seite von dessen französischer Vertretung rédiger getreten war. Das seinerseits im 18. Jh. in Analogie zu lat. actio »Ausführung, Tätigkeit, Handeln« (s. Actio) zum Partizipialstamm von reagere gebildete strukturgleiche Abstraktum nlat. reactio, Gen. reactionis ergab dt. Reaktion »Rück-, Gegenwirkung; chemische Umwandlung«, das sich als etymologisch adäquate Dublette zu Redaktion stellte. In nicht eingedeutschter Form liegt das heute polyseme Substantiv vor im Zitatwort der Philosophie actio et reactio »Wirkung und Gegenwirkung« (vgl. et). Das DudenFremdwörterbuch verzeichnet dasselbe Wort außerdem im Rahmen der in der Psychologie anzutreffenden Wortfügung Delayed Reaction »die mit zeitlicher Verzögerung eintretende Reaktion auf bestimmte Reize« (< engl. delayed reaction »verzögerte Reaktion«, wo delayed das attributiv gebrauchte Partizip Perfekt zu to delay »aufschieben, aufhalten, verzögern« ist).

redigieren »als Redakteur einen Text bearbeiten, druckfertig machen«: Um 1800 als Begriff des Zeitungswesens über das seit dem 16. Jh. gebräuchliche frz. rédiger »zusammenstellen, ordnen, abfassen; zu etwas machen, in Ordnung bringen« übernommen aus lat. redigere (Part. Perf. redactus, vgl. Redakteur, Redaktion) »zurücktreiben, zurückbringen; eintreiben; in einen anderen Zustand versetzen« (aus agere »treiben, handeln«, s. Agens, präfigiert mit re-, im klassischen Latein vor Vokalen auch red- »wieder-«). Seit dem 18. Jh. bezeugt ist auch die etymologisch adäquate Dublette reagieren »eine Gegenwirkung zeigen; eine chemische Reaktion eingehen« als Adaptation der ebenfalls aus lat. re- und dem Verb agere bestehenden gleichbedeutenden neoklassischen Bildung reagere (Part. Perf. reactus), nunmehr aber ohne die in redigere vorhandene Abwandlung des Wurzelvokals. Rede: Das aus germ. *rapjön »Rechenschaft« hervorgegangene Substantiv (ahd. reda »Rechenschaft; Vernunft; Gespräch; Sprache«, vgl. got. rapjö »Rechenschaft; Rechnung; Zahl«) stimmt genau mit lat. ratio, Gen. rationis, Akk. rationem »Rechenschaft; Berechnung; Zahl; Erwägung; Vernunft« überein, welches als Ableitung vom Partizipialstamm rat- des Verbs reri »meinen, glauben, urteilen« angesehen wird. Da das Vorhandensein eines aus älterem t entstandenen germ, p die Annahme von Entlehnung aus dem Lateinischen aus chronologischen Gründen unwahrscheinlich macht, lässt sich als gemeinsame Quelle oder zumindest als etymologisch adäquate Vorform des germanischen Wortes idg. *ratiön- (zur mit Den-

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tal erweiterten Wurzelform *ré- der indogermanischen Grundlage *aro- »zusammenfügen, anpassen«) erschließen. Aus unter diesem Ansatz als Kognat zu betrachtendem lat. ratio (mlat. auch »berechneter Anteil an nötiger Verpflegung oder an einem Unternehmen«) wurden dann die Dubletten Ratio »Vernunft, Denkvermögen« und (durch französische Vermittlung) Ration »zugeteilte Menge, Portion« übernommen. Dazu stellen sich ferner Räson »Vernunft, Einsicht« und Schweiz. Ragione »im Handelsregister eingetragene Firma«, Entlehnungen entsprechend von den Erbwörtern frz. raison und ital. ragione (dieses eigtl. »Vernunft; Verhältnis; Rechtsanspruch«, früher auch »Firma«), in denen der lateinische Akkusativ rationem über vlat. *ratione fortlebt. Im semantisch breit gefächerten lat. ratio sieht man ursprünglich im Sinne von »Kategorie, Art, Sorte« schließlich den Ausgangspunkt für im 17./18. Jh. über ital. razza und frz. race vermitteltes dt. Rasse; damit konkurriert aber - außer einer weniger wahrscheinlichen Schwanzfragmentierung von lat. (gene)ratio »Zeugungskraft; Sippe, Familie« - die nicht von der Hand zu weisende Herleitung des Wortes aus arab. ra’s »Kopf; Spitze; Stammesoberhaupt; Ursprung«, die - falls richtig - Duplizität bei Rasse und Ras als abessinischer Titel und arabische Bezeichnung für Kap, Berg, Gipfel bedeuten würde.

Redemption »Erlösung«: Im Fremdwort spiegelt sich kirchenlat. redemptio, Gen. redemptionis (eigtl. »Loskauf«, Verbalabstraktum zu redimere »los-, zurückkaufen«, aus re- »zurück-, wieder-« und emere »kaufen«) als Grundbegriff der 1732 von Alfons von Liguori gegründeten, speziell in der Missionsarbeit tätigen katholischen Kongregation vom allerheiligsten Erlöser. Etymologische Dublette von Redemption ist der Historismus Ranzion »Lösegeld für Kriegsgefangene oder für gekaperte Schiffe«, der über frz. ran$on und afrz. raenfon ebenfalls auf lat. redemptio zurückgeht.

Reduit n. »beschusssichere Verteidigungsanlage im Kern einer Festung«: Entlehnung von frz. réduit, das lat. reductum n. »abgelegen, zurückgezogen« (Partizip Perfekt zu reducere »zurückziehen«, gebildet aus re»zurück-, wieder-« und ducere »ziehen, führen«, s. Ductus) fortsetzt und substantivisch das Rückzugswerk einer Befestigungsanlage bezeichnet. Das Femininum lat. reducta ergab ital. ridotta f. (heute ridotto m.), das substantiviert »Zufluchtsort; Wandelhalle; Tanzsaal u.a.« bedeutete und über frz. redoute f. (lautlich beeinflusst von nicht verwandtem redouter »sich fürchten«) die phono- und morphosemantische Dublette Redoute f. »Festungswerk in Form einer trapezförmigen geschlossenen Schanze«, veraltet und regional auch »Tanzsaal; Maskenball« lieferte.

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Referent »Berichterstatter, Vortragender; Referatsleiter in einer Dienststelle; Denotat, d.h. außersprachliches Bezugsobjekt des sprachlichen Zeichens«: Wie engl. referent (seit dem 19. Jh.), worauf die dritte Bedeutung des Fremdwortes zurückgeht, Mitte des 18. Jh. zunächst im Sinne von »Erzähler, Berichterstatter« bezeugt als Übernahme des Flexionsstamms von lat. referens, Gen. referentis, dem Partizip Präsens zur Quelle von dt. referieren, nämlich lat. referre Berichten, mitteilen; auf etwas beziehen« (eigtl. >wieder-, zurückbringen, einordnen«, gebildet aus re~ >wieder-< und ferre >tragen, bringen«, s. Lux, vgl. Relation), Auf den Nominativ Singular des Latinismus gründet sich der im Duden-Fremdwörterbuch als Gegenteil von Relatum aufgeführte linguistische Fachausdruck Referens >erstes Glied einer aus zwei Objekten bestehenden Relation, das dasjenige Objekt wiedergibt, von dem die Handlung ausgeht«, illustriert durch den Satz der Jager schoss auf den Fuchs, in dem Jäger das Referens ist.

Regal/Regale n. »wirtschaftlich nutzbares Hoheitsrecht wie Zoll-, Münz-, Postrecht«: Der gewöhnlich im Plural Regalien vorkommende Historismus repräsentiert mlat. regalia (iura) >königliche (Rechte)«, das substantivierte Neutrum Plural von lat. regalis m./f., regale n. >königlich< (zu rex, Gen. regis >König«, s. Rex, vgl. Regalität), das übrigens okkasionell auch in dt. regal >königlich, fürstlich« auftritt. Reflexe des lateinischen Adjektivs sind gleichbed. span., port. real und frz. royal. Seit Ende des 15. Jh. gebraucht man real substantivisch im Sinne von »für einen König geprägte Münze«, woher dt. Real »alte spanische und portugiesische Silbermünze«, Plur. Reales bzw. Reis, verselbständigt aus real de piata »königliche Silbermünze« (s. de\ platt). Frz. royal m., royale f. (vgl. mfrz. real z.B. im Namen der kanadischen Stadt Montreal, dem dt. Königsberg semantisch entspricht, vgl. Montes) ist die Quelle von dt. royal »königlich; königsgetreu« (mit den Substantivierungen Royal1 n. »ein Papierformat«, Royal2 m. »Kunstseidenstoff in versetzter Kettripsbindung«) und von engl. royal »königlich« (daraus dt. ugs. Royal3 m. »Mitglied der englischen königlichen Familie« sowie Royal4 n. »ein über den Bramsegeln geführtes Rahsegel auf großen Segelschiffen«, nach seiner ersten Verwendung auf dem englischen Linienschiff »Royal Sovereign«; vgl. auch die Bezeichnung der britischen Luftwaffe Royal Air Force, eigtl. »Königliche Luftwaffe«, s. Air, Forsche). Die feminine Form des Gallizismus hält sich im nordamerikanischen Inselnamen Isle Royale (eigtl. »Königsinsel«, s. Insel). Regalität »Anspruch einer Regierung auf den Besitz von Hoheitsrechten«: Historismus, der auf mlat. regalitas, Gen. regalitatis »Königsgewalt, Königswürde« (Abstraktum zu lat. regalis »königlich«, s. Regal) be-

Regel ruht. Aus dessen altfranzösischem Reflex roialte sind frz. royauté und engl. royalty hervorgegangen, die zwei weiteren Entlehnungen im Deutschen zugrunde liegen: dem Fachausdruck Royalty »dem Besitzer eines Verlagsrechtes für dessen Überlassung bezahlte Vergütung; Abgabe, die eine ausländische Erdölgesellschaft dem Land zahlt, in dem das öl gewonnen wird« und dem Archaismus Royauté »Königswürde, Königtum«, wobei dt. Königtum »monarchistische Regierungsform« als Lehnübersetzung vom Gallizismus gilt. Regel »Richtschnur, Norm, Vorschrift«: Über mhd. regele/regel und ahd. regula »Ordensregel, Richtschnur« geht das Substantiv (zunächst als Ausdruck des Klosterlebens) zurück auf mlat. regula »Regel, Maßstab, Richtschnur; Ordnung« (urspr. »Leiste, Latte, Richtscheit«, zu regere »gerade richten«, s. Regens). Unverändert erscheint das lateinische Wort in den Fachausdrücken Regula »Tropfleiste im Architrav des dorischen Tempels« und Regula falsi »Verfahren, aus zwei Näherungswerten für die Wurzel einer Gleichung einen verbesserten Näherungswert zu berechnen« (eigtl. »Regel des Falschen«, s. Falsum) sowie in dem etwa als »die nach der Glaubensordnung Lebende« zu deutenden weiblichen Vornamen Regula, der - sofern die Märtyrerin Regula (4. Jh.) die Patronin von Zürich und Namensvorbild ist hauptsächlich im Raum Zürich vorkommt. W. Seibicke nimmt allerdings an, dass der weibliche Vorname ursprünglich Latinisierung eines mit regin (zu *ragan »Rat, weiser Ratschlag, Beschluss«) gebildeten germanischen Namens sei, der im Sinne von »die nach der Kirchenordnung lebt« mit lat. regula »Regel, Norm, Maßstab« gleichgesetzt wurde. Im Französischen hat sich die Form règie »Linie, Regel« gegen afrz. reille und reule/ruile als konkurrierende romanische Fortsetzer von lat. regula durchgesetzt, die jeweils engl. rail »Riegel; Schiene« und rule »Regel; Verfügung; Herrschaft« ergeben haben, Letzteres enthalten im Schlagwort der irischen Unabhängigkeitsbewegung und der 1921 erreichten Selbstverwaltung Irlands Homerule (aus engl. home rule »Selbstregierung«, s. Heim). Durch Kreuzung von mniederl. regel »Reihe, gerade Linie« und richel »Abzugsrinne im Stall«, die gleichermaßen auf lat. regula beruhen, versucht man zum anderen - allerdings mit Bedenken bei manchen Autoren - das Aufkommen von frz. rigole (13. Jh. regol) »Rinne« zu erklären, aus dem dt. Rigole »tiefe Rinne, Entwässerungsgraben« stammt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die weiterhin vielfach ignorierte, von W. Pfeifer dagegen für möglich gehaltene Herleitung von dt. Riegel (ahd. rigil »Türriegel«, rigilstab »Richtscheit, Messlatte«) bzw. (m)niederl. richel »Leiste; Querbalken; Lattengestell; Bord; Sims« ebenfalls aus lat. regula/

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Regen vlat. * regula »Leiste, Latte, Stab, Richtstab, Lineal; Regele Regen: Die mit gleichbed. engl. rain aus germ. *regna>Regen< hervorgegangene Bezeichnung für den in Form von Wassertropfen zur Erde fallenden Niederschlag zählt zu den gemeingermanischen Wörtern mit ungeklärter Herkunft. Der durch Spirantisierung des -g- in aengl. regn lautlich umgewandelte englische Kognat liegt z. B. vor in der auf Gewebe beziehbaren und auch im Deutschen anzutreffenden adjektivischen Komposition rainproo/»durch Imprägnierung Wasser und Regen abstoßend«. Uber dessen Grundwort s. Probe.

Régence: Gallizismus, der zwar das mittellateinische Nomen Actionis regentia »Herrschaft« (zu lat. regere >herrschenHerrscher, Fürst«, das substantivierte Partizip Präsens von regere >gerade richten; lenken; herrschen« (woraus dt. regieren), vgl. auch Regens chori »Dirigent eines katholischen Kirchenchors« (s. Chorus). Der Partizipialstamm der obliquen Kasus spiegelt sich seinerseits in der Dublette Regent »regierender Fürst, Vertreter eines regierungsunfähigen Monarchen« wider.

Regest n. >zusammenfassende Inhaltsangabe einer Urkunde«: Das meist im Plural Regesten gebrauchte Fremdwort repräsentiert spätlat. regestum Eintragung« (eigtl. >das Eingetragene«, substantiviertes Partizip Perfekt Neutrum von regerere >zurückbringen; eintragen, einschreiben«, re-Präfigierung von gerere >tragen, zur Schau tragen; verrichten«, s. Geste1) bzw. dessen Plural regesta »Verzeichnis«. Unter Einfluss von afrz. épistre »Epistel« entwickelte sich nach A. Dau-

zat und J. Picoche aus regesta die seit dem 13. Jh. bezeugte Variante afrz. registre bzw. mlat. registrum »Vorschriftensammlung« (nach W. Pfeifer allerdings schon spätlat. registrum, mlat. auch register »Verzeichnis, Katalog« zuerst der Briefe Papst Gregors des Großen, d.h. 6J7. Jh., mit einem allgemeinen Hinweis auf Umbildung mit Suffixwechsel). Daraus wurde im 14. Jh. dt. Register »alphabetisch geordnetes Namen- oder Sachverzeichnis; Stimmenzug bei Orgel und Harmonium« übernommen, dessen sekundäre Bedeutung man aus der Fügung mlat. registrum campanae »Zugschnur der Glocke« herleitet, welche vermutlich von der Verwendung einer Schnur als Buchzeichen zum Auffinden einer Stelle ausgeht.

Regina: Der weibliche Vorname mit der eingedeutschten Variante Regine ist lateinischen Ursprungs, gehört zu rex, Gen. regis »König« (s. Rex), bedeutet »Königin« und bezieht sich wohl auf die Himmelskönigin Maria, vgl. die aus Marienhymnen stammenden Fügungen Regina coeli »Himmelskönigin« und Salve regina »sei gegrüßt, Königin« (s. Salve). Mit der kontrahierten Form des lateinischen Appellativs frz. reine »Königin«, verknüpft mit Claude, dem Namen der Gemahlin des französischen Königs Franz I. (1494-1547), nannte man im 16. Jh. eine grüne, saftige, süße Pflaumenart frz. reine-claude (eigtl. »Königin Claude oder Claudia«), die im Deutschen Reneklode/Reineclaude lautet, in Österreich aber wohl volksetymologisch zu Ring/otte umgebildet wurde. Region »Gegend; Bereich; Körperzone«: Im 15. Jh. entlehnter Flexionsstamm von lat. regio, Gen. regionis »Richtung, Linie; Gegend« (Verbalabstraktum zu regere »gerade richten, lenken, leiten«). Dessen Nominativ Singular tritt in der vom Augsburger Religionsfrieden (1555) vereinbarten Formel cuius regio, eius religio »wes das Land, des der Glaube« (s. Quorum) auf, von der die Landesfürsten das Recht ableiteten, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen.

Regular »Mitglied eines katholischen Ordens mit feierlichen Gelübden«: Deglutinierte Substantivierung von spätlat. regularis m./f., regulare n. »nach der Ordensregel (lebend)« (eigtl. »regelmäßig, einer Richtschnur gemäß«, zu regula »Richtschnur«, s. Regel). Eindeutschung von regularia, einer Substantivierung des Plurals des Neutrums regulare, liegt dem wirtschaftlichen Fachausdruck Regularien »auf der Tagesordnung stehende, regelmäßig abzuwickelnde Vereinsangelegenheiten« zugrunde. Das lateinische Adjektiv selbst ergab dt. regular »regelmäßig angeordnet«, seit dem 17. Jh. französierend regulär »der Regel gemäß; vorschriftsmäßig, üblich, normal«. reich: Das Wort (ahd. rihhi »königlich, mächtig, wohlhabend«, mhd. riche/rich/rich »von hoher Abkunft,

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vornehm; mächtig; reichKönig< entlehnten Substantiv *rik- >Herrscher< (Ausgangsbedeutung nach E. Seebold also »herrscherlich«), vgl. gleichbed. got. reiks und möglicherweise den ersten bzw. den zweiten Bestandteil von Personennamen wie Richbert (s. Adel), Richard (Hinterglied: hart, s. Rex), Dietrich (s. deutsch), Friedrich (s. d.), Heinrich (s. Hain, Rex). Aus dem Germanischen gelangte das Adjektiv in romanische Sprachen, z.B. span, rico m., rica f. >reich(auch aus Schilfrohr gemachte) Zunge in den Blasinstrumentem ist der englische Kognat reed >Ried, Schilfrohr< Attribut im Fachausdruck des Jazz Reed Section >die Gruppe der Holzblas- bzw. Rohrblattinstrumente einer Band, d.h. Saxophon, Klarinette, Flöte, Oboe u.a.< (s. Sektion).

Ring: Dass die ursprüngliche Bedeutung des Wortes >Kreis, kreisförmiges Gebilde< war, bezeugt die Verwandtschaft seiner Quelle germ. »Ring* mit ablautendem slaw. ^kr^gb >Kreisdrehen, biegen, kreisend bewegens Aus afränk. *hring >Kreis, Ring, ringförmige Versammlung< stammt afrz. rene »Reihe, Kampfreihe; Kreis der zu Gerichtssitzungen Geladenen; Zuschauerreihe bei Kampfspielens dessen Fortsetzer frz. rang (dazu ranger, arranger > dt. rangieren, arrangieren, s. ad) zu verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen Bedeutungen zu dt. Rang1 >Reihe, Reihenfolge; berufliche oder gesellschaftliche Stellung; Sitzklasse im Theater; Gewinnklasse im Toto* rückentlehnt wurde (zu Rang2 s. Ränke). Aus präpositionalen Wendungen wie zu rings umbher hat sich nach W. Pfeifer seit dem 16. Jh. die Genitivform von Ring zum Adverb rings >rundherum, im Kreis, überall* entwickelt. Rippe: In der Bezeichnung für einen der den Brustkorb bildenden gebogenen Knochen spiegelt sich wie in gleichbed. engl. rib, aisl. rifder ursprünglich neutrale germanische ja-Stamm *rebja- >RippeRippebedecken, überwölben* zurückführbar, so dass sich die Rippen als Bedeckung der Brusthöhle auffassen lassen. Zu etymologischer Duplizität kam es in diesem Fall dadurch, dass Kognaten von dt. Rippe wegen ihrer differierenden Semantik Eingang ins Deutsche gefunden haben: Im Englischen übertrug man die Pluralform ribs >Rippen* auf ein geripptes, d.h. durch starke Einschlagfäden gekennzeichnetes Gewebe, das im Deutschen seit dem 18. Jh. entsprechend Rips heißt. Zum anderen wurde im 17. Jh. aus dem Niederdeutschen Riff >Klippenreihe; lang gestreckte Sandbank* übernommen, das letztendlich für eine Entlehnung aus gleichbed. anord. rif (eigtl. >RippeRippe< zu >Küste< bei lat. costa.

Risposta >Antwortstimme in der Fuge, nachahmende Stimme im Kanone Als Gegenwort zu Proposta (s. d.) entlehnt aus gleichbed. ital. risposta (eigtl. »Antwort*, substantiviertes Femininum zu risposto, dem Partizip Perfekt von rispondere »antworten*, dies aus gleichbed. lat. respondere, s. Responsum). Über frz. riposte lieferte dasselbe italienische Wort den Fachausdruck im Fechten Riposte »unmittelbarer Gegenstoß nach einem parierten Angriff*. Robe »festliches Frauenoberkleid; Amtstracht, Talar*: Das auch in Garderobe (einer imperativischen Zusammensetzung mit frz. garder »bewachen; aufbewahren* aus afränk. *wardön »auf der Hut sein, Sorge tragen*, s. Warte) enthaltene Fremdwort gilt für Rückentlehnung aus frz. robe »Kleid; Amtstracht*. Über afrz. robe »Kriegsbeute; erbeutetes Kleidungsstück* wird der feminine Gallizismus in den einschlägigen französischen und deutschen Wörterbüchern auf westgerm. *rauba f. »Raub, Beute* zurückgeführt, wonach es die erweiterte Bedeutung »Gewand, Kleid* entwickelt haben soll. Nach W. Pfeifer lässt sich ungeachtet der Bezeugung von mlat. rauba »gewaltsame Wegnahme, geraubtes Gut* ein althochdeutsches (afränk.) *rouba als feminine Nebenform von roub »Raub, Beute* nicht sicher nachweisen. Er vermutet daher, dass die flektierten Formen des Maskulinums erst im Romanischen und z.T. im mittellateinischen Sprachgebrauch als Feminina angesehen worden seien. In Anbetracht der eindeutigen mittellateinischen Lautform rauba könnte jedoch von vorahd. bzw. westgerm. *rauba m. »Raub, erbeutete Rüstung* (dies von E. Seebold aus germ. *reufa- »reißen, rupfen* hergeleitet) ausgegangen werden, das über ahd. roub, mhd. roup, Gen. roubes, nhd. Raub ergeben hat.

Rock: Den Namen des Oberbekleidungsstücks führt man über ahd. roc »Obergewand, Kittel* auf westgerm. *rukka- »Rock* zurück, das sich mit air. rucht »Tunika* etymologisch vergleichen lässt. Daneben existierte im Althochdeutschen und Altsächsischen eine nicht sicher gedeutete, möglicherweise durch Vermischung entstandene Nebenform hroc, die mit dem üblichen Lautwandel hr- >fr- (vgl. afränk. *hlanka »Seite, Hüfte, Lende* > [a] frz. flanc »Weiche*, woraus dt. Flanke, s. flanken) afrz. froc »Mönchskutte* ergab. Dies wurde zu gleichbed. engl. frock (später

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auch »langes, mantelartiges Kleidungsstücke) entlehnt, das im 18. Jh. — die damalige offene Aussprache von engl. o in der Schrift wiedergebend - die Rückentlehnung Frack »schwarzer Gesellschaftsanzug für Herren und Berufskleidung der Kellner« als wahrscheinliche etymologische Dublette von Rock lieferte. roden »durch Abholzung und Entfernung der Wurzelstöcke urbar machen«: Übernahme von gleichbed. mnd. roden als Vertretung von westgerm. *rudö-, einer nullstufigen, Brechung /u/ > /o/ aufweisenden Parallelbildung zu germ. *reud- »roden« in ahd., mhd. riuten, oberd. reuten. Hochdeutscher Kognat von roden war mhd. rutten/roten. Dazu seit dem 15. Jh. die Präfixbildung bair. ausrutten, seit dem 16. Jh. mitteld. ausrotten vorwiegend mit der übertragenen Bedeutung »vollständig vernichten, vertilgen«, mit der heute ausrotten (vgl. aus) ausschließlich auftritt. Auf dieselbe Verbalwurzel (zum Unterschied von -reut, -ried) geht -rod/-rode als Grundwort von Namen für Siedlungen auf ehemaligem Waldboden im Rheinland, in Hessen und Thüringen zurück wie Annerod, Gernrode, Wernigerode.

RomanDas im 17. Jh. aus frz. roman entlehnte Fremdwort geht über afrz. romanz zurück auf vlat. ^Romanice »auf Romanisch«, Adverb zu lat. Romanicus »römisch, aus Rom stammend« (suffixale Erweiterung von Romanus »römisch«, s. Romane, wo auch Ron?an2 besprochen ist), das - in substantivierter Form - zunächst zur Benennung einer in der romanischen Volkssprache verfassten Erzählung diente. Seit dem 14. Jh. bezog man das Wort auf die abenteuerlichen Ritterdichtungen, und seit dem 17. Jh. bezeichnet man damit auch eine literarische Gattung erzählerischer Prosa. Aus afrz. romanz bzw. aprov. romans übernommen wurde span, romance »volksliedhaftes episches Gedicht mit balladenhaften Zügen«, das im 18. Jh. wieder durch französische Vermittlung die Dublette Romanze lieferte, die heute zum Teil als Historismus in der genannten Bedeutung des spanischen Ausdrucks, zum Teil im Sinne von »schwärmerisches, sentimentales Musikstück; romantische Liebesepisode« gebräuchlich ist. Eine Fortsetzung von vlat. *Romanice ist auch der Name der rätoromanischen Sprache in Graubünden Romantsch und das zugehörige Adjektiv romantsch (neben Romansch/ Romauntsch/Romaunsch bzw. romansch/romauntsch/ romaunsch). Romane »Angehöriger eines Volkes mit romanischer Sprache«: Eindeutschung von substantivisch und adjektivisch fungierendem lat. Romanus, das von Roma »Rom« abgeleitet ist und demnach primär »von, aus Rom; römisch« bedeutet hat. Das lateinische Maskulinum hält sich im männlichen Vornamen Romanus (eigtl. »der Römer«), auch deglutiniert mit vorverleg-

rosa ter Betonung Roman2 (über das Homograph Roman1 s. d.) und mit französischer Entsprechung Romain, ferner attributiv in Populus Romanus »Gesamtheit aller altrömischen Bürger« (s. Pöbel). Sein Genitiv Plural ist Attribut im Titel des mittelalterlichen Novellenbuches Gesta Romanorum (eigtl. »Taten der Römer«, s. Geste1). Die feminine, auch als weiblicher Vorname Romana vorkommende Form sowie die neutrale sind ihrerseits Attribute jeweils in den Fügungen Sacra (Romana) Rota als Bezeichnung für das oberste Gericht der katholischen Kirche (eigtl. »heiliges [römisches] Rad«, s. Sakrum, Rad) und Pontificale Romanum »katholisches Formelbuch für die Amtshandlungen des Bischofs außerhalb der Messe« (s. pontifikal). Der als Adjektiv auftretende Latinismus ist durch Adsuffigierung zu romanisch »den Romanen zugehörig« adaptiert worden. In Anbetracht dessen, dass man im Baustil des Hochmittelalters Elemente der antiken römischen Baukunst zu finden glaubte, gebraucht man das Adjektiv in diesem Sinn seit dem 19. Jh. auch als kunstgeschichtlichen Terminus mit dem dazu gebildeten relatinisierten Abstraktum Romanik, das formal lat. Romanicus »römisch, aus Rom stammend« (s. Roman1) gleichgesetzt werden könnte. Rondeau »mittelalterliches französisches Tanzlied beim Rundtanz; mittelalterliches Gedicht mit zweireimigem Refrain«: Damit ist Rondel nicht nur gleichbedeutend, sondern auch etymologisch identisch. Die Quelle ist jeweils (a)frz. rondel (eigtl. »Tanzlied mit Kehrreim; Ringelgedicht«), eine substantivische Ableitung zu rond »rund« (s. Rotunde), und daraus lautlich regelrecht entwickeltes rondeau. Aus dem Französischen entlehnt ist endbetontes ital. rondo, das sowohl dt. (mit vorverlegter Betonung) Rondo »mittelalterliches Tanzlied; Instrumentalsatz mit mehrfach wiederkehrendem Thema« wie auch die gleichbedeutende Rückentlehnung frz. rondo lieferte. Eine Relatinisierung von afrz. rondel liegt möglicherweise vor in mlat. rondellus, worauf dt. Rondellus »eine mehrstimmige mittelalterliche, dem Kanon nahe stehende Kompositionsart« beruht.

rosa: An die Farbbezeichnung mhd. röse-/rösenvar, nhd. rosenfarbig schließt sich seit dem 18. Jh. synonymes und unflektiertes rosa (substantivisch Rosa »rosa Farbe«, auch als aus dem Italienischen übernommener weiblicher Vorname) an, das - durch lat. rosa »Rose« motiviert - aus Zusammensetzungen wie Rosaband isoliert zu sein scheint, wonach es in prädikativer und attributiver Verwendung aufzutreten beginnt. Der Blumenname Rose selbst (mhd. rose, davon abgeleitet rösenvar u.a.) ist seit dem 9. Jh. in der Lautung ahd. rosa als westgermanische Übernahme einer vulgärlateinischen Form *rösa von lat. rosa bezeugt. Dieses stammt über griech. rhódon

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Ross (genauer über eine als *rhó0on/rhóson anzusetzende mundartliche Nebenform) aus apers. *urda-, aus dem pers. gul und daraus entlehntes türk, gül >Rose< hervorgegangen sind. Im Duden-Fremdwörterbuch sind Gül als Bezeichnung eines achteckigen oder rankenförmigen Ornaments bei turkmenischen Teppichen und Julep als Name eines in England und Amerika beliebten alkoholischen Erfrischungsgetränks aufgeführt, der durch französische und arabische Vermittlung zurückgeht auf die persische Zusammensetzung guläb (eigtl. »Rosenwasser«; über das Grundwort -ab »-wasser« vgl. Pandschab unter fünf). Ross: Das seit mittelhochdeutscher Zeit auf das Oberdeutsche zurückgedrängte Wort für Pferd, das in der Schriftsprache nur noch im Sinne von >edles (Reit)pferd< gebräuchlich ist, geht über mhd. ros/ors, ahd. (h)ros auf etymologisch nicht geklärtes germ. *%russa- »Pferd; Stute< zurück. Wie die mittelhochdeutschen Varianten, der englische Kognat horse »Pferd« und die anderen Reflexe im West- und Nordgermanischen erkennen lassen, zeichnet sich diese Tierbezeichnung durch die sog. r-Metathese aus, auf die bei Bronn vs. Born (s. Brunnen) aufmerksam gemacht wurde. Als etymologische Dublette von Ross begegnet der Anglizismus Horse im Jargon mit der Bedeutung >Heroinin Großbritannien und den USA verwendete Einheit der Leistung (=745,7 Watt)< (eigtl. »Pferdestärke«, s. Power) und im Namen der Pferderasse Quarterhorse/Quarter-Horse (s. Quartier). Erinnert sei dabei an König Richards III. verzweifelten Ruf am Ende der gleichnamigen Tragödie von Shakespeare A horse! A horse! my kingdom for a horse!, d. h. Ein Pferd! Ein Pferd! mein Königreich für ein Pferd! rot: Auf die abgetönte Vollstufe *roudh-der wohl ältesten indogermanischen Farbbezeichnung *reudh(Schwundstufe *rudh~) >rot< geht u.a. germ. *raudazurück, das über ahd. röt und aengl. read heute in dt. rot und engl. red fortlebt. Der englische Kognat des deutschen Adjektivs ist erster Bestandteil des Namens der Bewegung nordamerikanischer Indianer gegen die Unterdrückung durch die Weißen und für kulturelle Eigenständigkeit und politische Autonomie Redpower/Red Power (s. Power) und Grundwort im geologischen Terminus Oldred als Bezeichnung für alte rote devonische Sedimentgesteine (eigtl. >altes Rotrot< und gleichbed. lat. ruber (über das etymologisch zugehörige russus >rot< s. Roux), die hier allerdings im Hinblick auf eine vorauszusetzende genetische Wortspaltung nur mit erheblichen Vorbehalten mit be-

handelt werden können. Auf dem substantivierten Neutrum von lat. ruber beruht das veraltende kanzleisprachliche Fachwort Rubrum >kurze Inhaltsangabe als Aufschrift von Aktenstücken; Kopf eines amtlichen Schreibens« (eigtl. >Rotes, rot Gefärbtes, rot Geschriebenes«, vgl. die substantivierte suffixale Erweiterung rubrica »rote Erde, Rötel; roter Titel von Gesetzen«, woraus Rubrik »Überschrift; Spalte, Abschnitt«). Die Kompositionsform erythro- von griech. erythros ist Wortbildungselement mit der Bedeutung >rot, rot gefärbt« in zahlreichen Zusammensetzungen in der Sprache der Medizin wie etwa Erythrozyt »rotes Blutkörperchen« (eigtl. >rote Zelle«; Grundwort ist griech. kytos »Höhlung, Wölbung« wiedergebendes nlat. cytus »Zelle«). Rotte »Schar, Haufen, Horde«: Voraus geht mhd. rote/ rotte »Kriegerschar, Abteilung«, entlehnt aus gleichbed. afrz. rote, der Quelle auch von engl. rout »Bande; Auflauf«, das in der veralteten Bedeutung »Abendgesellschaft, -empfang« dem Archaismus Rout zugrunde liegt. Das altffanzösische Wort stammt aus mlat. rupta/rut(t)a/rot(t)a »Schar, Abteilung, Räuberhaufen«, dem substantivierten Femininum (vielleicht elliptisch für turba rupta oder turma rupta »abgesprengte Schar«) des Partizips Perfekt ruptus m., rupta f., ruptum n. von lat. rumpere »brechen, zerreißen, zersprengen«. Als Bestandteile des Partizips Perfekt der Präfigierung abrumpere »abbrechen, abreißen« (s. ab') treten abruptus m. sowie Kasusformen von abruptum n. auf in abrupt »plötzlich und unvermittelt« und in den unter diesem Stichwort erörterten Abrupta »plötzliche, witzige Einfälle (aus dem Stegreif)«, ex abrupto »unversehens«. Attributiv ist das Neutrum Singular ruptum nach Ausweis von E. Wasserzieher im tirolischen Ortsnamen Kastelruth (aus lat. castellum ruptum »das zerstörte Kastell«, s. Kastell) enthalten. Auf vlat. (via) rupta »freigebrochener, (durch den Wald) geschlagener (Weg)« wird frz. route »Weg, Richtung« zurückgeführt, das zwar im 17. Jh. dt. Route »festgelegte Wegstrecke« lieferte, französisch gesprochen aber außerdem an der präpositionalen Fügung en route »unterwegs« (s. in) beteiligt ist. Das adjektivierte lateinische Partizip hat ferner ital. rotto m., rotta f. »zerbrochen« ergeben. Auf der eher bildlich als konkret aufzufassenden Fügung banca rotta »zerbrochener Tisch (des zahlungsunfähigen Geldwechslers)« beruht die seit dem 16. Jh. bezeugte Zusammenrückung Bankrott »finanzieller Zusammenbruch, Zahlungsunfähigkeit«, bankrott »zahlungsunfähig« (s. Bank'). Rotulus »Aktenbündel, Aktenverzeichnis; Theaterrolle«: Der Archaismus repräsentiert lat. rotulus »Rädchen; Rolle; Walze« (zusammen mit gleichbed. rotula ein Diminutiv zu rota »Rad«, s. Rad) und des-

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sen Bedeutungsspezialisierung im Mittellateinischen (insbesondere in der Kanzleisprache) und in den romanischen Sprachen. Lat. rotulus ist die Quelle des seit dem 14. Jh. im alemannischen Sprachraum gebräuchlichen Rodel »Schriftrolle, amtliches Verzeichnis*, älter beschriebene Papierrolle, Urkunde, Register* (vgl. die feststehenden schweizerischen Bezeichnungen bestimmter Verzeichnisse wie Absenz-, Bürger-, Bürgergaben-, Schulden-, Schülerrodel). Zum Teil aus kontrahiertem mlat. rollus, zum Teil über afrz. rol(l)e/roul(l)e stammt mhd. rolle/rulle »Verzeichnis, etwas Zusammengerolltes; GiättrolleRundbau< (veraltet auch »rund gebaute öffentliche Toilette*): Ebenso wie Rotunda »gerundete italienische Art der gotischen Schrift (13./14. Jh.)< latinisierte Entlehnung von gleichbed. ital. rotonda, dem substantivierten Femininum von rotondo »rund*. Zusammen mit der Dublette tondo »rund; runde Scheibe, Kreis, Kugel* (daraus der Fachausdruck der Malkunst Tondo »Rundbild, besonders in der Florentiner Kunst des 15./16. Jh.Rücken; Bergrücken, Gebirgskammblauer Gebirgskamm*, s. blau, montan) als Teil der Südlichen Appalachen in den USA auch in deutschsprachigen Nachschlagewerken anzutreffen ist.

Ruin >Zusammenbruch, Zerrüttung, Verderbe Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. ruine, das auf lat. ruina >Sturz, Einsturz* (Verbalabstraktum zu ruere stürzen, niederreißen*) beruht. Etwas früher und zuerst in der Form Ruinen bezeugt ist das aus dem Plural frz. ruines bzw. lat. ruinae »Trümmer* stam-

mende Femininum Ruine >Trümmerstätte, zerfallenes oder zerfallendes Bauwerk; hinfälliger, entkräfteter Mensch*, in dem die resultative Bedeutung des lateinischen Wortes fortlebt. Rumpf >Leib; Schiffskörper*: Das etymologisch nicht eindeutig geklärte Wort hat Entsprechungen beispielsweise in schwed. rumpa >Schwanz, Steiß, Hintern*, dän. rumpe >Steiß, Hintern*. Nicht bodenständig, sondern skandinavischer Herkuft zu sein scheint engl. rump »Hinterteil, Steiß*, das zusammen mit auf anord. steik »Braten* (zu steikja »am Spieß braten*, eigtl. >an den Bratspieß stecken*, urverwandt mit stechen) zurückgehendes steak »Fleischschnitte, halbdurchbratene Rindslende* in der eigenartigen, aus skandinavischen Wörtern gebildeten Zusammensetzung rumpsteak »Rumpfstück* auftritt. Im 19. Jh. wurde sie zu dt. Rumpsteak »(gebratene) Fleischscheibe vom Rückenstück eines Rindes* entlehnt, in dem das Bestimmungswort gebundene Dublette von Rumpfist.

Sabbat: Der gelegentlich auch in seiner neuhebräischen und jiddischen Lautgestalt Schabbes auftretende Exotismus bezeichnet den nach jüdischem Glauben geheiligten, von Freitagabend bis Samstagabend dauernden Ruhetag, der mit bestimmten Ritualen begangen wird. Dt. Sabbat (schon mhd. säbäot/säbot/sabbat) geht über lat. sabbatum und griech. säbbaton auf hebr. sabbät wöchentlicher Feiertag< (zu sävat >ruhen, aufhören, etwas zu tun mb) entstandene nasalierte Form vgriech. *sämbaton, die außerdem sowohl in die slawischen Sprachen und über sie in das Rumänische und Ungarische Eingang fand als auch durch die frühe Missionstätigkeit über vlat. *sambati dies und afrz. sam(b)adi/sam(b)edi heutiges frz. samedi >Samstag< ergab. Die verdeutlichte deutsche Zusammensetzung ist seit dem 9. Jh. nachweisbar: ahd. sambaztag, in dem das t von got. *sambatö zu z spirantisiert wurde und aus dem durch Assimilation mb > m (wie sambedi > samedi im Französischen) mhd. sam(e)ztagbzw. nhd. Samstag hervorging. Der herkömmlichen Auffassung von der Rolle des Gotischen als Vermittler der griechischen nasalierten Form im Deutschen wird neuerdings die Annahme des nasalierten vlat. *sambati dies auch als Quelle von Samstag entgegengesetzt (so z.B. E. Seebold, U. Hermann u.a.), was am Status von Sams- als gebundener Dublette von Sabbat und Schabbes nichts ändert.

sächlich: Das im Anschluss an Ableitungen wie hauptsächlich, ursächlich gebildete Adjektiv war seit dem 18. Jh. zunächst für die Latinismen neutral und neutrum als Fachausdruck der Grammatik gebucht, dann wurde es aber auch allgemeiner im Sinne von >eine Sache angehend< gebraucht. Heute ist sächlich

nur noch in der Bedeutung >neutrales Genus aufweisend< üblich, nachdem es seit der ersten Hälfte des 19. Jh. von dem mit ihm konkurrierenden umlautlosen sachlich >konkret, sachbezogen, unvoreingenommem aus der allgemeineren Verwendung verdrängt worden war. Durch die eingetretene Bedeutungsdifferenzierung hebt sich das Dublettenpaar sächlich - sachlich beispielsweise von regional unterschiedenen Varianten wie einfarbig und österr. einfärbig ab. Sachse: Von Haus aus Bezeichnung für die Angehörigen des westgermanischen Stammes, der im 5. Jh. zusammen mit den Angeln zum größten Teil nach Britannien übersiedelte, vgl. die englischen Ortsnamen Es-, Sus-, Wessex, einst eigtl. >die Ost-, Süd-, Westsachsen< (s. Ost, Süd, West). Auf dem Dativ Plural des Ethnonyms beruht entsprechend der Landesname Sachsen (vgl. Franken, Schwaben unter frank, Swebe). Mit Sachse identisch ist der ursprünglich als Beiname auftretende männliche Vorname Sachso/niederd. Sasso (mit Angleichung hs > ss wie im Ortsnamen Sassenburg). Das Ethnikon Sachsen (ahd. Sahsun, aengl. Seaxe, lat. Saxones) wird mit dem Historismus Sachs >Steinschwert< (also etwa >die mit Steinschwertern Bewaffnetem) in Verbindung gesetzt, das mit lat. saxum >Stein, Fels< (eigtl. >das Schneidendes zu secare >schneidem, dieses aus gleichbed. idg. *sek-, worauf u.a. auch dt. Säge zurückgeht) verwandt ist und als verdunkeltes Grundwort in Messer (< mhd. mezzer < ahd. mezzirahs/mezzisahs etwa Schneidewerkzeug für Speisern, s. Mett) steckt. Sack: Wie engl. sack ist die Bezeichnung für einen Behälter aus grobem Stoff (ahd., mhd. sac) aus gleichbed. lat. saccus entlehnt, das über griech. säkkos auf hebr. saq Stoff aus Haar; Sack< und assyr. sakku Sack; Büßergewand< zurückgeführt wird. Das Wort wird auch in der Neuzeit auf nicht taillierte, sackförmige Bekleidungsstücke angewandt, so amerik. sack coat dose hängende Jacke als Teil eines GeschäftsanzugsSackHerrenjackett, Jacke< benannte. Der französische Kognat von ital. sacco ist Bestandteil der substantivierten präpo-

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Safaladi sitionalen Fügung cul-de-sac >Sackgasse< (Vorderglied frz. cui »Hintern, Gesäß*, vgl. de1), worauf gleichbed. veraltet Cul-de-Sac beruht.

Safaladi/Savaladi f. »Zervelatwurst*: Der nach J. Ebner schon veraltete, nach anderen Autoren landschaftliche (so bei W. Teuschl wiener. Safalade auch »Lüge, Unfug, Blödsinn; Speichels Safaladebruader »vertrauensunwürdiger Menschs bei P. Wehle mit umgestelltem, nicht vokalisiertem -r- Saverladi »BrühwurstHirnwursts abgeleitet von cervello »Gehirn< aus gleichbed. lat. cerebellum >kleines Gehirns Diminutiv von cerebrum >Gehirneine Brühwurst aus Rindfleisch mit Schwarten und Specke Sonst gilt Servela1 m./f. als süddeutsche Variante der seit dem 17. Jh. bezeugten verdeutlichenden Zusammensetzung Zervelatwurst (1676 Servilat-Wurst), die heute eine Dauerwurst aus Schweinefleisch, Rindfleisch und Speck bezeichnet. Sage: Im Mittelalter verwendete man das Wort im Sinne von >Rede, Aussage, Erzählung; Gerücht; Angabe, Berichte Die heute übliche Bedeutung Erzählung historischen Inhalts, der nicht bewiesen ist* setzte sich im 18. Jh. in der Epoche der Romantik auf Dauer durch. Als Ableitungen zum Vorläufer von dt. sagen werden mhd. sage/sag, ahd. saga/sag zusammen mit aengl. sagù (daraus engl. saw >Sprichworteine der sieben in der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche (Taufe, Abendmahl, Buße, Firmung, Priesterweihe, Ehe, Letzte Ölung) bzw. der zwei in der evangelischen Kirche (Taufe und Abendmahl) religiösen Handlungen, die dem Gläubigen Gnade vermitteln*: Im 13. Jh. entlehnt aus gleichbed. kirchenlat. sacramentum, eigtl. »religiöses Geheimnis, Weihung< (lat. »Weihe, Verpflichtung, Treueids zu lat. sacrare »heilig machen, einer Gottheit weihens zu sacer >heiligSalz des Steins vgl. Petrus; möglicherweise so benannt, weil sich Salpeter am Gestein in Höhlen bildet) entstand die Mischform Salpeter, die nach W. Pfeifer im Frühneuhochdeutschen als populäre Bezeichnung für die unbearbeitete, salniter dagegen als gelehrte Bezeichnung für die raffinierte, bearbeitete Chemikalie interpretiert wurde. Eine weitere lautliche Umbildung von diesem liegt vor im westmitteldeutschen Regionalismus Solper/Sulper »Salzbrühe« (vgl. auch Solperfleisch »Pökelfleisch«) als Zeugnis von der einstigen Verwendung des Salpeters zum Einsolpern.

Salus »Heil, Gedeihen, Wohlsein«: Veraltete Entlehnung aus lat. salus, Akk. salutem >Gesundheit; Wohl, Heil< (zu salvus >gesund(ihnen sei) das Wohl des Volkes das oberste Gesetz« (s. Pöbel, Supremum, Lex). Die Akkusativform des lateinischen Abstraktums liegt frz. salut >Gruß, Wohlsein« zugrunde, das zum einen die besonders in der Schweiz zur Begrüßung und zum Abschied gebrauchte Grußformel salü, zum anderen relatinisiertes Salut »Ehrengruß; Ehrenbezeigung für Staatsmänner durch Abfeuern einer Salve aus Geschützen« lieferte. Vgl. ferner Salve, Salvation, Salvator1, Salvatorianer, salvieren.

Salvation >Rettung, Verteidigung«: Das veraltete Fremdwort ist eine Übernahme des gleichbedeutenden neulateinischen Deverbativs salvatio, Gen. salvationis (Verbalabstraktum zu salvare >retten, erlösen«, s. salvieren). Aus dem Lateinischen durch französische Vermittlung entlehntes gleichbed. salvation liegt homograph vor im Exotismus Salvation Army (s. Armada), dem Namen der 1865 in England von W. Booth zu religösen und philanthropischen Zwecken gegründeten und 1878 so genannten internationalen, militärisch gegliederten christlichen Organisation zur Linderung der sozialen Not, die im Deutschen mit der Lehnübersetzung Heilsarmee bezeichnet wird. Salvator1 »Erlöser, Retter, insbesondere Christus als Retter und Erlöser der Menschheit«: Homonym dazu wird das Warenzeichen Salvator2 (Maskulinum oder aber Neutrum nach Salvator-Bier/Salvatorbier) als Name eines bayrischen Starkbiers lexikographisch

salvieren mit aufgeführt. Das Substantiv gibt spätlat. salvator »Erhalter, Erlöser, Retter«, ein von salvare »retten, erlösen« (s. salvieren) abgeleitetes Nomen Agentis wieder, das im Kirchenlatein den Gräzismus sotér »Retter, Heiland« als Ehrentitel Jesu Christi (daher gleichbed. dt. Soter, s. Heliand) übersetzt. In seiner italienischen Lautgestalt salvatore wird das Substantiv als Personenname Salvatore gebraucht, in der spanischen Salvador ist es außerdem - ebenso wie Sacramento (s. Sakrament) — ekklesiogener Name von geographischen Objekten, so z. B. der von El Salvador (eigtl. »der Heiland«) und von dessen Hauptstadt San Salvador (s. Sanctus), zugleich Name einer Insel der Bahamas, auf der C. Kolumbus angeblich erstmals in der Neuen Welt landete (neuerdings wird in dieser Hinsicht der Insel Samana Cay der Vorrang gegeben). Die etymologische Duplizität bei Salvator und Salvador hat zur Folge, dass deren strukturgleiche und lautlich verwechselbare Derivate SalvadorianerSalvatorianer (s. d.) ein etymologisch adäquates Dublettenpaar bilden.

Salvatorianer »Angehöriger der 1881 begründeten Priesterkongregation für Seelsorge und Mission SDS«: Personenbezeichnung, abgeleitet von lat. salvator »Erlöser, Heiland« (s. Salvator1), dessen Genitivform im neulateinischen Namen der besagten Priesterkongregation Societas Divini Salvatoris »Gesellschaft des göttlichen Heilands« (vgl. Societas) auftritt. Etymologisch adäquat mit Salvatorianer ist die Bezeichnung für die Bewohner von El Salvador: Salvadorianer.

Salve »gleichzeitiges Abfeuern einer Anzahl von Schüssen aus Gewehren oder Geschützen«: Entlehnt aus gleichbed. frz. salve, eigtl. »Salutschießen (als Eherengruß)«. Dies ist eine im 16. Jh. stattgefundene Substantivierung des lateinischen Grußes salve »sei gegrüßt« (Imperativ Singular von salvere »gesund sein, sich wohl befinden«, zu salvus »gesund, heil«, s. Salus), als es üblich wurde, besondere Ereignisse durch Salven der Artillerie zu ehren. Der lateinische Gruß ist auch im Deutschen als Exotismus bekannt: salve »sei gegrüßt«, möglicherweise gestützt (wie gleichbed. frz. salve/salve Regina) auf in katholischen Marienhymnen vorkommendes Salve Regina »sei gegrüßt, Königin« (s. Regina). salvieren »retten, in Sicherheit bringen«: Archaismus, der lat. salvare »heilen; retten, erlösen« (eigtl. »gesund machen«, Faktitiv zu salvus »gesund, heil, wohlbehalten«, s. Salus) wiedergibt. Aus salvare ererbtes afrz. salver hat durch anglonormannische Vermittlung mengl. salve!sauve!save ergeben, das in engl. to save »retten; sichern, schützen« fortlebt. Daraus übernommen ist in neuester Zeit dt. saven/absaven »Computerdaten sichern, speichern«, ugs. »genau absichern«. Auf einer Substantivierung des Verbs im

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Salz Englischen beruht veraltet save >Behälter zur sicheren Aufbewahrung von etwas< (15. Jh.), das später in Form an das Adjektiv safe »sicher; heil, unversehrt; geschützt* (über afrz. sauf aus lat. salvus »gesund*, s.o.) angeglichen wurde. Dies ist seinerseits die Quelle eines zweiten, als morphosemantische Dublette von salvieren und saven interpretierbaren Anglizismus im Deutschen: Safe >Panzerschrank; Schließfach zur Aufbewahrung von Geld, Schmuck, Wertpapieren*. In imperativischer Form tritt das englische Verb auf in der volkstümlichen Deutung für den internationalen Morsenotruf SOS save our souls >rettet unsere Seelen* (s. Seele), und der Stamm des französischen Verbs in seiner heutigen Lautung sauver ist erster Bestandteil des veralteten Kompositums Sauvegarde >Schutzwache; Schutzbrief (gegen Plünderung)* (s. Warte). Salz: Mit infolge der hochdeutschen Lautverschiebung affriziertem Auslaut hervorgegangen aus germ. ★salta- >SalzSaIz< dar, das u.a. die Quelle ist von gleichbed. lat. sal (s. Korn1, Salpeter, Soße), griech. hals (vgl. dessen Kompositionsform in halogen >salzbildendChemie der Salze*, s. Chemie).

Samen/selten Same: Obwohl nur im Deutschen bezeugt, lässt sich das einst schwach flektierte Substantiv (mhd. säme, ahd. sämo) über den germanischen n-Stamm ★sätman- (vgl. Brunnen) auf gleichbed. idg. sèmen- (zu se- >säenSamen, Keim; Geschlecht* hervorgegangen, das im Duden-Fremdwörterbuch als in der Fachsprache vorkommendes Semen >Pflanzensamen; als Heilmittel verwendete Pflanzensamen; Sperma* verzeichnet ist. E. Seebold lemmatisiert seinerseits Rüfcsen, in dem die Zusammensetzung Rübsamen >dem Raps ähnliche Pflanze, aus deren Samen öl gewonnen wird* (vgl. Rübe) mit kontrahiertem Grundwort auftritt. Sanctus: Der Lobgesang vor der Eucharistie erhielt diesen Namen nach dem lateinischen Anfangswort von Jes. 6,3 sanctus >heilig, geheiligt; ehrwürdig, erhaben* (Partizip Perfekt von sancire >weihen, heiligen, unverletzlich machen*, zu sacer »heilig*, s. Sakrum), vgl. ferner Spiritus Sanctus >Heiliger Geist* (s. Spiritus1, Geist) und den Genitiv Plural der Substantivierung sanctus >Heiliger< in Communio Sanctorum >die Gemeinschaft der Heiligen* (s. Kommunion), Com-

mune Sanctorum >Sammlung von Mess- und Breviergebeten* (s. kommun). Dessen Femininum sancta und Neutrum sanctum treten beispielsweise auf in Una Sancta >die eine heilige katholische und apostolische Kirche* (s. ein1) sowie im Zitatwort sancta simplicitas als Ausruf des Erstaunens über jemandes Begriffsstutzigkeit (eigtl. >heilige Einfalt*) bzw. in der Bezeichnung der Kardinalskongregation für die Reinhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre Sanctum Officium (s. Offizium). Deglutiniert steht Sankt (Abkürzung: St.) als einheitliche männliche und weibliche Form in Heiligennamen und auf solche zurückgehenden Ortsnamen wie etwa Sankt Paulus, Sankt Petersburg, Sankt Elisabeth. Dieselbe Funktion erfüllen seine und des lateinischen Femininums Abwandlungen in den romanischen Sprachen, namentlich frz. (und engl.) Saint bzw. Sainte (z.B. Saint-Exupéry, Sainte-Marie; engl. Saint Louis, Saint Anne), ital., span, und port. Santo/San, Plur. ital. Santi bzw. Santa, Plur. ital. Sante, (z.B. Santo Domingo, San Salvador, Santi Pietro e Paolo, Santa Cruz, Sante Maria e Madalena, s. Dominikus, Salvator1, Petrus, Paulus, Kreuz, et), port, auch Säo vor Konsonanten in männlichen Heiligennamen wie Säo Paulo. Vom Festtag Todos los Santos bzw. Todos os Santos >Allerheiligen< (vgl. tutti) abgeleitet ist der pluralische spanisch-portugiesische Familienname Santos. Als Erbwort im Spanischen lebt sanctus im Vornamen des Knappen Don Quichottes Sancho Pansa (s. Pansen) fort, und aus frz. saint entlehnt ist auch niederl. Sint etwa im Ortsnamen Sint-Maarten. Den Namen einer Kirche und eines Stifts lat. Ad Sanctos (wörtl. >bei den Heiligen*, s. ad), in deren Nähe sich angeblich die Gräber des hl. Viktor und seiner Genossen aus der diokletianischen Christenverfolgung befanden, führt schließlich die niederrheinische Stadt Xanten. Zur Annahme, span, santo stecke auch in Palisander, s. Pfahl. sanft: In seiner heutigen Lautung setzt das Wort nicht das Adjektiv mhd. senfte, ahd. semfti (< westgerm. ★samftja- »sanft, weich*, wohl aus vorgerm. ★somptjofür älter *somtjo- >sanft, weich, angenehm*) fort, sondern das zugehörige umlautlose Adverb mhd. sanfte/samfte, ahd. samfto (< westgerm, ★samfto, vgl. fest). Auf diesem beruhen ferner mit Nasalausfall vor dem Spiranten/engl. soft »weich* und außerdem regionalen Wandel germ./t > cht (s. achter) aufweisendes mnd., mniederl. sachte »bequem; ruhig; langsam; leise*. Letzteres drang vom Niederrhein aus seit dem 15. Jh. südwärts vor und lieferte die Dublette sacht/ ugs. sachte »leise, unmerklich, vorsichtig, langsam*. In der Neuzeit wurde aus dem Englischen soft »weich (in Bezug auf den Sound oder auf einen Mann, der seinen Gefühlen Ausdruck gibt)* entlehnt, das häufiger gebunden oder in Wortfügungen wie Softdrink/

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Soft Drink »alkoholfreies Getränk< (aus amerik. soft drink, eigtl. weiches Getränk«), Softeis »sahniges, weiches Speiseeis< (nach gleichbed. engl. soft icecream, s. Eiscreme), Software >die nichtapparativen Bestandteile der EDV-Anlage< (aus engl. software, eigtl. weiche Ware«, s. Ware) auftritt. Santiago: Wie unter Jakob dargelegt, hat der Name des Apostels Jacobus der Ältere, dessen Grab sich in dem nach ihm benannten spanischen Ort Santiago de Compostela befindet, zur Verbreitung des Vornamens Jakob und aller seiner Abwandlungen in Europa beigetragen. Der Ortsname Santiago stellt eine Zusammenrückung von lat. Sanctus Jacobus (s. Sanctus) dar und ist zur Quelle der durch Schwanzfragmentierung entstandenen spezifischen männlichen Vornamen port. Diago und span. Diego geworden.

Sarg: Als Quelle der seit dem 9. Jh. bezeugten Bezeichnung für die Totenkiste ahd. sarc wird (auch angesichts von gleichbed. afrz. sarcou) vlat. *sarcus vorausgesetzt. Da man in diesem eine Kürzung oder Kurzform von lat. sarcophagus »Steinsarg« sieht, scheint dt. Sarg die älteste, aus dem Romanischen entlehnte Kopfisolierung zu sein. Denn das lateinische Wort ist ein aus griech. sarkophagos entlehntes und auch substantivisch gebrauchtes Adjektiv, das aus griech. phagein »essen, fressen« in Kombination mit sdrx, Gen. sarkós »Fleisch« gebildet ist und demnach »fleischfressend« bedeutet. Die Substantivierung ist vermutlich auf der Basis der griechischen Wortfügung sarkophagos (lithos) »fleischfressender (Stein)« (vgl. Litho) erfolgt, bezogen ursprünglich auf einen bei Assos in Kleinasien gebrochenen und zur Herstellung von Särgen verwendeten Kalkstein mit der besonderen Eigenschaft, das Fleisch der bestatteten Leichen angeblich innerhalb von kurzer Zeit zu zerstören und in Asche zu verwandeln. Möglicherweise handelte es sich dabei nach W. Pfeifer (mit Verweis auf J. Knobloch) zunächst um eine Bezeichnung für Ätzkalk, womit Tierkadaver bedeckt und dadurch aufgelöst wurden, die dann auf eine gemaserte, für vornehme Grabmäler geeignete (Kalk)steinart übertragen wurde. Nachdem nun um 1600 das griechisch-lateinische Kompositum in seiner vollen Form Sarkophag »Stein-, Prunksarg« ins Deutsche übernommen worden war, erwies sich sein Bestimmungswort als eine gebundene Dublette von dt. Sarg, die in Komposita mit vokalisch anlautendem Grundwort Sark- lautet: Sarkomphalos »kleine Wucherung am Nabel, die sich manchmal nach Abstoßung der Nabelschnur bildet« (Grundwort: griech. omphalós »Nabel«). Das Substantiv Sarx selbst ist beispielsweise im Duden-Fremdwörterbuch mit der Bedeutung »Körperlichkeit, Leiblichkeit, besonders als Sinnbild für das Vergängliche im Hellenismus« ebenfalls aufgeführt.

Schaff Satan »Teufel«: Über mhd. Satan/Satanäs, ahd. Satanäs bereits im 9. Jh. entlehnt aus kirchenlat. Satan/Sata näs, das seinerseits durch griechische Vermittlung hebr. sätän »Widersacher, Feind (Gottes), Teufel« (zu sätan »nachstellen, verfolgen«) fortführt. Dies ist ein auch in arab. säytan vorliegendes semitisches Wort, das das Duden-Fremdwörterbuch in der Lautform Schaitan »Teufel, Dämon« verzeichnet.

schaben »reiben, abkratzen«: Das bis ins 16. Jh. stark flektierende Verb setzt über mhd. schaben und ahd. scaban germ. *skaba- fort, das selbst auf idg. *skabh-, *skäbh- »schneiden, spalten« (vgl. Schafft zurückgeht. Während man im Deutschen sich den Bart schaben für »sich rasieren« nur als einen scherzhaften umgangssprachlichen Ausdruck gebraucht, ist das die Hauptbedeutung von engl. to shave, dem Kognaten des deutschen Verbs. In substantivierter Form liegt er vor in der Bezeichnung für kosmetische Mittel After-Shave »(Gesichtswasser zum Gebrauch) nach der Rasur« (s. achter). Schaden/Schade: Die in der Wendung es wird sein Schade nicht sein »er wird dafür belohnt werden« noch vorkommende zweite Variante ist sonst veraltet. Über mhd. schade, ahd. scado »Verlust, Nachteil, Verderben, Übel« geht der ursprünglich schwach flektierte maskuline n-Stamm zurück auf germ. *skapön »Schaden«, Abstraktum zu dem im Deutschen verloren gegangenen starken Verb *skapja»schaden«. Zum Unterschied von anderen morphosemantischen Wortspaltungen infolge phonomorphologischer Abwandlungen einstiger n-Stämme (s. Brunnen und die dort angegebenen Verweise) hat sich der prädikativ auftretende Nominativ Singular (mhd. schade sin »schädlich sein«, seit dem 16. Jh. »bedauerlich sein«) zum Adjektiv und zur Interjektion schade »bedauerlich, betrüblich« entwickelt. Schaff »Bottich, Zuber«: Regionalismus, der mit dieser Bedeutung im Bairisch-Österreichischen üblich ist. Auf alemannischem Boden, insbesondere in der Schweiz, tritt das Wort in der Regel mit epithetischem -t und mit der Bedeutung »Regal, Gestell; Schrank« auf: Schaft2. Bemerkenswerterweise bezeichnet auch sein niederdeutscher Kognat ein Möbelstück: Schapp »Schrank, Spind; (Schub)fach« (vgl. ferner niederl. mda. schap »Regal; Brett eines Schranks; Schrank«). Abgesehen von gewissen Vorbehalten bei E. Seebold, leitet man das aus älteren Sprachstufen ererbte Schaff (vgl. mhd. schaff Gefäß für Flüssigkeiten; Getreidemaß«, schuft »Badewanne«, schafreite »Gestell für Gefäße, Küchenschrank« neben mnd. schap »Fass; Schrank« aus asächs. scap »Gefäß, Weinfass«) im Sinne von »Ausgehöhltes« her aus einer Variante westgerm. *skapa- des unter schaben »reiben, abkratzen« dargestellten Wurzel germ. *skaba- für idg. *skabh- »schnei-

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Schaft den, spalten, schnitzend gestalten* (vgl. auch Schaft1, schöpfen). Der Gebrauch des Substantivs als Lehnwort in Nachbarsprachen scheint weit fester zu sein als im Deutschen selbst: Aus dem Altbairischen übernommen ist skaf>Wasserschaff’; Schublade; Schachtel (neben jüngerem safolj >Wasserschaff< aus dem Diminutiv bair.-österr. Schaffl) im Kroatischen und Serbischen, und aus niederd.-niederl. schap (weniger wahrscheinlich über schwed. skäp >SchrankSchrank< im Russischen und von dort aus im Bulgarischen.

Schaft1 >StangeStange, Speer* (eigtl. >abgeschnittener Ast, StabStange, Stock< ist (über den niederdeutsch-niederländischen Wandel germ./t> chts. achter). Im 13. Jh. gelangte Letzteres als Bezeichnung für die senkrechte Grube (Bedeutungsentwicklung nach W. Pfeifer >Messstange< > >damit abgesteckte Fläche gleicher Länge und Breite, Quadratrute< > >in die Tiefe führender Grubenbau*) aus dem Harzer Bergbau in die erzgebirgische Bergmannssprache und liegt heute nhd. Schacht >abwärts führender Bergbau; hoher, enger, geschlossener Raum; schmaler Einstieg* zugrunde. Über Schaft2 s. Schaff. Schah: Der Titel ehemaliger persischer Herrscher repräsentiert pers. sah >Königan Macht gewinnen* hergeleitet wird. Dasselbe Wort ist Bestandteil des Namens des aus Indien stammenden Brettspiels pers. säh mät »der König ist ratlos*, daraus - durch volksetymologische Umdeutung - arab. säh mäta »der König ist tot*. Im 11. Jh. gelangte das Spiel durch die Araber nach Europa, wo es infolge einer unklaren Lautentwicklung mlat. scacci (Plural zu scaccus »Spielstein, Spielfigur im Schach*) bzw. nur im Plural vorkommendes afrz. eschas und (durch Kreuzung mit afrz. echec »Beute*, einem in mhd. schach »Raub, Räuberei* vorliegenden Germanismus) eschac/eschec »Schach* ergab und heute in gleichbed. échec fortlebt (vgl. daraus sowohl als französische Bezeichnung für Schach wie auch im Sinne von Niederlage im Deutschen verzeichnetes Echec). Afrz. eschac (mat) lieferte mhd. schach und schächmat, auf denen nhd. Schach, Schachmatt beruhen. Die Pluralform esches von afrz. eschec hält man für die Quelle von engl. chess »Schach*, das im Rahmen der Fügung/azry chess auch in dt. Fairy Chess »Teilgebiet des Problemschachs mit z.T. neu erfundenen Figuren oder mit verändertem Schachbrett* (eigtl. »Zauberschach*, s. Feerie) bezeugt ist. Auf afrz. eschec »Schach*, seit dem 13. Jh. auch »Behinderung, Verwirrung* geht engl. check »Behinderung, Hindernis, Kontrolle*, amerik. auch

»Scheck* (vermutliche Bedeutungsentwicklung nach Webster »Bedrohung des Königs im Schachspiel* > »feindselige Handlung* > »aufhaltende Handlung* > »Einschränkungs- oder Kontrollmaßnahmen*) zurück, das im sportlichen und technischen Fachausdruck Check1 »Behinderung, Rempeln (im Eishockey); Überprüfung von technischen Geräten hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit, Sicherheit u.Ä.*, vgl. auch Checkpoint »Kontrollpunkt an Grenzübergangsstellen* (s. Punctum puncti), möglicherweise auch im etymologisch sehr umstrittenen Scheck/ Schweiz. Check2 »Zahlungsanweisung an eine Bank* auftritt, falls dessen Vorlage nicht aus to check »kontrollieren* rückgebildet ist oder aus pers. chäk »Zahlungsversprechen* stammt.

Schalk »Schelm, listiger Spaßvogel*: Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes (ahd. scale, mhd. schale) war »Knecht, Diener* und ist im heute veralteten männlichen Vornamen Gottschalk (eigtl. »Gottesknecht*) erkennbar. Im Mittelhochdeutschen entwickelte sich daraus die pejorative »arglistiger, hinterhältiger Mensch*, die im 18. Jh. zu »Spötter, Schelm* gemildert wurde. Mit ahd. marah- »Pferde-* (zu der das Femininum Mähre, urspr. »Stute*, gehört) als Bestimmungswort entstand ahd. marahscalc, mhd. marschalc »Pferdeknecht* (vgl. analog komponiertes Marstall »fürstliche Stallung*). Dies wurde dann über »Aufseher über die Pferde eines Fürsten* zu »Befehlshaber der waffenfähigen Mannschaft am Hofe* und somit zu einem der vier Hofämter (s. Kämmerer) aufgewertet. Aus dem Altniederfränkischen früh entlehnt ist frz. maréchal, unter dessen Einfluss bis ins 17. Jh. übliches, heute nur noch als Familienname nachweisbares Marschalk »Reiterbefehlshaber* in Marschall umgewandelt wurde. Dieselbe gebundene etymologische Dublette von Schalk als Grundwort enthält ebenfalls aus dem Französischen rückentlehntes Seneschall »oberster Hofbeamter im fränkischen Reich, dem die Verwaltung, das Heerwesen und die Gerichtsbarkeit unterstellt waren*, wo sénéchal aus afränk. finiscale (eigtl. »Altknecht, der älteste der Dienerschaft*, Bestimmungswort urverwandt mit lat. senex »alt*, s. Senhor) stammt. Durch französische Vermittlung etablierte sich engl. marshal »Marschall; höherer Gerichtsbeamter in den USA*, das im Deutschen häufiger als Eigenname denn als exotischer Gattungsname bekannt ist: Marshal/Marshall (auch als Bestimmungswort in Marshallinseln, Marshallplan).

Schalom/Shalom: Lexikographisch verzeichnet als hebräische Grußformel, der hebr. salöm »Friede* zugrunde liegt. Dies ist ein semitisches Wort, dessen Kognat im Arabischen saläm »Friede, Heil, Wohlbefinden* lautet. Darauf beruht entsprechend die arabische Grußformel saläm ‘alaikum »Friede mit euch*

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bzw. dt. Salam (alaikum)/veraltet, noch scherzhaft Salem aleikum, vgl. ferner den Namen der 1862 gegründeten früheren Hauptstadt Tansanias Daressalam, gelegentlich in englischer Umschruft Dar es-Salaam (eigtl. »Hafen des Friedens, des Wohlstandes Vorderglied bandar >HafenHaus, Heimder Anblick, den etwas gewährt*) fort. Das ist eine Rückbildung aus dem schwachen Verb schouwen >sehen, betrachten, besichtigen, prüfen*, aus dem nhd. schauen stammt und das über ahd. scouwön auf westgerm. *skauwö- >schauen< zurückführbar ist. Aus diesem ist auch engl. to show >zeigen< (mit ungeklärtem Wandel der Ausgangsbedeutung >sehen< zur kausativen >sehen lassen*) hervorgegangen, zu dem sich seit dem 13. Jh. das semantisch entsprechende Substantiv show >Schau, Ausstellung* stellt. Unter dessen Einfluss entwickelte dt. Schau zum Teil seine heute übliche Semantik, bis in der zweiten Hälfte des 20. Jh. das englische Wort selbst zu Show >Darbietung, Vorführung; buntes, aufwendiges Unterhaltungsprogramm* als eine Art etymologisch adäquate Dublette von Schau übernommen wurde, einschließlich als Bestandteil von Komposita wie Showbusiness >Vergnügungsindustrie< (eigtl. »Schaugeschäft/Showgeschäft*, s. Business), Lightshow >Show mit besonderen Lichteffekten* (s. licht), Talkshow >Unterhaltungssendung, in der bekannte Persönlichkeiten interviewt werden* (Bestimmungswort: Talk »Unterhaltung, Plauderei*) und sogar in der anglisierenden Bildung Showmaster »Unterhaltungskünstler, der eine Show präsentiert* auftretend. Schaube >weiter, vorn offener Mantelrock des Mittelalters*: Lautlich geht diesem Historismus mhd. schoube/schübe/schüwe >langes und weites Überkleid* voraus. Mit der Bedeutung Jacke* sind daneben seit dem 13. Jh. mhd. schope/schoppe/schöpe und jope/joppe/juppe bezeugt, die in gleichbed. Joppe fortleben. Alle diese Formen pflegt man über mlat. giuppa und ital. giubba auf arab. gubba >Obergewand mit Ärmeln; langes wollenes Unterkleid* zurückzuführen, das im Namen des schlafrockähnlichen Oberkleids der Araber Dschubbe lautlich adäquat auftritt. Über ital. giubba ist auch frz. jupe >Frauenrock< übernommen, aus dem Schweiz. Jupe >Kleidungsstück für Frauen und Mädchen, von der Taille abwärts* stammt.

Scheiße >KotDurchfallscheißen< aus gleichbed. germ. *skeita-, urspr. >sich teilen, zerfließen, ausscheiden*, zu idg. *skeid-/*skei>spalten, trennen, absondern*, vgl. Scheit). Daneben existieren im übertragenen Gebrauch die maskuline Variante Scheiß und die aus dem Niederdeutschen als Hüllwörter übernommenen, nicht diphthongierten morphologischen Varianten Schiet m./Schiete f. >Dreck, Schmutz, unangenehme Sache*. Analog be-

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steht und fungiert neben engl. to shit (mit verallgemeinertem kurzem -i- aus dem einstigen Partizip Perfekt shitten) das Deverbativum shit >Scheiße*, das im Slang auch Drogen wie Marihuana und Heroin bezeichnet. Daher entsprechend dt. ugs. Shit Haschisch*.

Scheit >abgespaltenes Stück Holze Das im Ostdeutschen auch im Sinne von »Spaten* auftretende Substantiv (mhd. schit, ahd. seit) geht wie anord. skid >Scheit; Schneeschuh* auf germ. *skida- >Scheit< (wörtl. »das Gespaltene*) zurück, das wie *skaida(woraus dt. scheiden) wohl eine Dentalerweiterung von idg. *skei- »spalten, trennen* darstellt. Aus dem altnordischen Kognaten ist gleichbed. norw. ski hervorgegangen, das im 19. Jh. nunmehr als Fachwort des Wintersports dt. Ski/Schi lieferte. Scherz: Gewisse derivative Probleme stellen sich bei diesem Substantiv insofern ein, als es ebenso wie das zugehörige Verb scherzen erst seit dem 13. Jh. bezeugt ist: mhd. scherz »Scherz, Vergnügen, Spiel* bzw. scherzen »fröhlich springen, hüpfen, sich vergnügen; Scherz treiben, scherzen*. Da aber auch starke Formen des Verbs bezeugt sind, scheint es doch sinnvoller zu sein, scherzen wohl als Erweiterung von ahd. skerön »jauchzen* mit diesem auf idg. *sker(d)~ »herumspringen* zurückzuführen. Dann wäre Scherz genauso eine Rückbildung aus scherzen wie ital. scherzo »Spaß, Scherz* (seit dem 14. Jh., zuerst »Scherzen*) aus scherzare »Spaß machen, scherzen*. Und weil dieses nicht zu Unrecht aus gleichbed. langob. *skerzön als Kognaten von dt. scherzen hergeleitet wird, ließe sich die Entlehnung Scherzo »bewegtes, heiteres Musikstück (besonders als dritter Satz in Sinfonien, Sonaten und Kammermusik)* als etymologisch adäquate Dublette von Scherz ansehen.

Scheuche »Schreckbild, Popanze Nach W. Pfeifer durch Kürzung (Schwanzisolierung) aus Vogelscheuche entstanden, dessen Grundwort er (wie auch E. Seebold) für eine Bildung zu scheuchen hält. Mit dem DudenHerkunftswörterbuch lässt sich Scheuche dagegen eher als eine Fortsetzung von mhd. schiuhe »Scheu, Abscheu; Schreckbild* (zu schiuhen »scheu machen, erschrecken* oder zu dessen althochdeutscher Quelle *scioh »schüchtern*, s. schiech) betrachten, wobei bei (Vogel)scheuche - in Anbetracht der älteren Formen vogelschewe (15. Jh.), Vogelscheue (17.-19. Jh.) - Angleichung an scheuchen (s. d.) anzunehmen ist. Nach gesetzmäßigem Verstummen des h zwischen Vokalen und anschließender Apokope hat sich andererseits aus mhd. schiuhe die Dublette Scheu »Schüchternheit* entwickelt. scheuchen »fortjagen, vertreiben*: Mit dieser Bedeutung verselbständigt sich das Verb durch Verallgemeinerung von mhd. ch vor Konsonant (etwa erUr

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schiucht) gegenüber lautgesetzlich (mit h-Schwund zwischen Vokalen wie bei Scheu, s. Scheuche) entwickeltem scheuen, denen mhd. schiuhen >scheu machen, erschrecken; scheuen, meiden; verscheuchem (aus ahd. sciuhen >sich entsetzen, meidens zu *scioh >schüchtern chts. achter). Letzteres ist eine Ableitung von oder gehört zu mnd. schichten/schiften »(aufeinander) ordnen, reihen, aufteilens das mit aengl. sciftan »teilen, Ordnern (daraus engl. to shift »umstellen, verschieben, verlagern*) als etymologisch identisch gilt. Zu diesem gehört engl. shift »Wechsel, Veränderung, Verschiebung; (Arbeits) schicht*, das in der Gestalt des medizinischen Terminus Shift »plötzliche Änderung des Antigenmusters eines Virus (vor allem bei Influenzviren), wodurch neue Erregertypen entstehen* auch im Deutschen verzeichnet ist. Vgl. auch den unter Knecht kommentierten kernphysikalischen Fachbegriff Knightshift. schiech »hässlich; zornig; Furcht erregende Das heute auf das Bairische und österreichische (hier schiach gesprochen) beschränkte Adjektiv setzt mhd. schiech »scheu, verzagt; abschreckend, scheußlich* (aus ahd. *scioh »schüchtern*) fort, das andererseits in Anlehnung an die einst davon abgeleiteten scheuen, Scheu (s. scheuchen, Scheuche) lautlich zu scheu »schüchtern, zurückhaltend, furchtsam* umgeformt wurde.

Schiff: Die Bezeichnung für das Wasserfahrzeug (mhd. schif, ahd. skif, Letzteres auch im Sinne von »Fass, Gefäß*) ist wie gleichbed. engl. ship, isl. skip aus germ. *skipa- hervorgegangen, das ursprünglich wohl »ausgehöhlter Stamm, Einbaum* bedeutet hat, so dass es als schwundstufige Labialerweiterung von idg. *skei- »schneiden, trennen* (vgl. Scheit) angesehen werden kann. Der spezifische Auslaut des deutschen Wortes ist eine Folge der hochdeutschen Verschiebung von postvokalischem germ, -p zu ahd. -f Aufgrund von ahd. skif wird langob. *skif erschlossen, worauf man ital. schifo »kleines Ruderboot* zurückführt. Über gleichbed. frz. esquif ergab dieses engl. skiff, das dann - auf die Bezeichnung eines Rennboots eingeschränkt - die Rückentlehnung Skiff »schmales nordisches Einmannruderboot* lieferte und somit die Entstehung des Dublettenpaars SchiffSkiff als Analogon von ship - skiff im Englischen veranlasste. Der englische Kognat von Schiff ist Bestandteil der attributiven Wortfügung Liberty Ship »Ein-

Schild heitsfrachtschiff im Zweiten Weltkieg, das zur Versorgung der amerikanischen Truppen in Europa diente* (eigtl. »Freiheitsschiff*, s. Libertas) und der Rangbezeichnung in der britischen und amerikanischen Marine Midshipman (s. mitten, man).

Schiffer: Das seit dem 15. Jh. im Sinne von »Führer, Eigentümer eines Schiffes* bezeugte Nomen Agentis gehört ebenso zu Schiff (s. d.) und zu mhd., nhd. schiffen »zu Schiff reisen; mit dem Schiff befördern* wie aus dem Niederdeutschen übernommenes gleichbed. Schipper zu mnd. schip/schep »Schiff* bzw. schèpen »schiffen*. Als Entlehnung aus dessen mittelniederländischer Entsprechung schipper gilt engl. skipper »Kapitän eines kleinen Schiffes*, woneben die Kopffragmentierung skip »Mannschaftskapitän* üblich ist. Die beiden Anglizismen treten auch im Deutschen auf: Skipper »Kapitän einer (Segel)jacht* und Skip »Mannschaftsführer (besonders beim Curling)*.

Schifffahrt »Verkehr zu Schiff*: Während die Verwendung von Varianten mit und ohne Fugen-s wie Vorortverkehr/Vorortsverkehr, Waldrand vs. geh. Waldesrand, Landrat vs. österr. Landesrat mehr oder weniger fakultativ bzw. stilistisch oder regional markiert ist, hat sich der Sprachgebrauch im Falle von Schiffsfahrt »Fahrt mit einem Schiff* auf semantische Unterscheidung gegenüber Schifffahrt festgelegt, so dass die beiden Komposita zu den nicht zahlreichen mit und ohne Fugen-s strukturierten etymologisch adäquaten Dubletten im Deutschen zählen (vgl. eine analoge Gegenüberstellung unter Landmann, Wassernot und siehe Volkskunde). Schild1 m. »Schutzwaffe*: Das seit dem 8. Jh. bezeugte Substantiv beruht auf germ. *skeldu- »Schild*, ursprünglich wahrscheinlich »Brett*, weil zum einen die Schilde der Germanen nach W. Pfeifer wohl aus durch einen Metallring zusammengehaltenen Holzteilen bestanden, zum anderen das germanische Wort auf idg. *(s)kel- »spalten, schneiden* (also etwa »abgeschnittenes Holzstück, Brett*, vgl. Holz) zurückführbar ist. Wie bei Waffe (s. d.) wurde im Mittelalter die Bezeichnung außerdem zunächst auf die zur Zierde, dann als Abzeichen dienende Bemalung des Schildes übertragen. Sofern mittlerweile mit dem maskulinen Genus des Substantivs auch ein neutrales zu konkurrieren begonnen hatte, kam es (im Unterschied zu voneinander unabhängig gebildeten Homonymen wie etwa der Band und das Band) zur Verteilung der beiden Hauptbedeutungen »Schutzwaffe* und »Wappen(schild)* auf die beiden Genera und somit zu einer darauf beruhenden Aufspaltung des Wortes in Schild1 m. und dessen homonyme morphosemantische etymologische Dublette Schild2 n. »Abzeichen; Aushängeschild; Etikett* (vgl. analog See2 - See1, s. d.).

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Safaladi sitionalen Fügung cul-de-sac >Sackgasse< (Vorderglied frz. cui »Hintern, Gesäß*, vgl. de1), worauf gleichbed. veraltet Cul-de-Sac beruht.

Safaladi/Savaladi f. »Zervelatwurst*: Der nach J. Ebner schon veraltete, nach anderen Autoren landschaftliche (so bei W. Teuschl wiener. Safalade auch »Lüge, Unfug, Blödsinn; Speichels Safaladebruader »vertrauensunwürdiger Menschs bei P. Wehle mit umgestelltem, nicht vokalisiertem -r- Saverladi »BrühwurstHirnwursts abgeleitet von cervello »Gehirn< aus gleichbed. lat. cerebellum >kleines Gehirns Diminutiv von cerebrum >Gehirneine Brühwurst aus Rindfleisch mit Schwarten und Specke Sonst gilt Servela1 m./f. als süddeutsche Variante der seit dem 17. Jh. bezeugten verdeutlichenden Zusammensetzung Zervelatwurst (1676 Servilat-Wurst), die heute eine Dauerwurst aus Schweinefleisch, Rindfleisch und Speck bezeichnet. Sage: Im Mittelalter verwendete man das Wort im Sinne von >Rede, Aussage, Erzählung; Gerücht; Angabe, Berichte Die heute übliche Bedeutung Erzählung historischen Inhalts, der nicht bewiesen ist* setzte sich im 18. Jh. in der Epoche der Romantik auf Dauer durch. Als Ableitungen zum Vorläufer von dt. sagen werden mhd. sage/sag, ahd. saga/sag zusammen mit aengl. sagù (daraus engl. saw >Sprichworteine der sieben in der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche (Taufe, Abendmahl, Buße, Firmung, Priesterweihe, Ehe, Letzte Ölung) bzw. der zwei in der evangelischen Kirche (Taufe und Abendmahl) religiösen Handlungen, die dem Gläubigen Gnade vermitteln*: Im 13. Jh. entlehnt aus gleichbed. kirchenlat. sacramentum, eigtl. »religiöses Geheimnis, Weihung< (lat. »Weihe, Verpflichtung, Treueids zu lat. sacrare »heilig machen, einer Gottheit weihens zu sacer >heiligSalz des Steins vgl. Petrus; möglicherweise so benannt, weil sich Salpeter am Gestein in Höhlen bildet) entstand die Mischform Salpeter, die nach W. Pfeifer im Frühneuhochdeutschen als populäre Bezeichnung für die unbearbeitete, salniter dagegen als gelehrte Bezeichnung für die raffinierte, bearbeitete Chemikalie interpretiert wurde. Eine weitere lautliche Umbildung von diesem liegt vor im westmitteldeutschen Regionalismus Solper/Sulper »Salzbrühe« (vgl. auch Solperfleisch »Pökelfleisch«) als Zeugnis von der einstigen Verwendung des Salpeters zum Einsolpern.

Salus »Heil, Gedeihen, Wohlsein«: Veraltete Entlehnung aus lat. salus, Akk. salutem >Gesundheit; Wohl, Heil< (zu salvus >gesund(ihnen sei) das Wohl des Volkes das oberste Gesetz« (s. Pöbel, Supremum, Lex). Die Akkusativform des lateinischen Abstraktums liegt frz. salut >Gruß, Wohlsein« zugrunde, das zum einen die besonders in der Schweiz zur Begrüßung und zum Abschied gebrauchte Grußformel salü, zum anderen relatinisiertes Salut »Ehrengruß; Ehrenbezeigung für Staatsmänner durch Abfeuern einer Salve aus Geschützen« lieferte. Vgl. ferner Salve, Salvation, Salvator1, Salvatorianer, salvieren.

Salvation >Rettung, Verteidigung«: Das veraltete Fremdwort ist eine Übernahme des gleichbedeutenden neulateinischen Deverbativs salvatio, Gen. salvationis (Verbalabstraktum zu salvare >retten, erlösen«, s. salvieren). Aus dem Lateinischen durch französische Vermittlung entlehntes gleichbed. salvation liegt homograph vor im Exotismus Salvation Army (s. Armada), dem Namen der 1865 in England von W. Booth zu religösen und philanthropischen Zwecken gegründeten und 1878 so genannten internationalen, militärisch gegliederten christlichen Organisation zur Linderung der sozialen Not, die im Deutschen mit der Lehnübersetzung Heilsarmee bezeichnet wird. Salvator1 »Erlöser, Retter, insbesondere Christus als Retter und Erlöser der Menschheit«: Homonym dazu wird das Warenzeichen Salvator2 (Maskulinum oder aber Neutrum nach Salvator-Bier/Salvatorbier) als Name eines bayrischen Starkbiers lexikographisch

salvieren mit aufgeführt. Das Substantiv gibt spätlat. salvator »Erhalter, Erlöser, Retter«, ein von salvare »retten, erlösen« (s. salvieren) abgeleitetes Nomen Agentis wieder, das im Kirchenlatein den Gräzismus sotér »Retter, Heiland« als Ehrentitel Jesu Christi (daher gleichbed. dt. Soter, s. Heliand) übersetzt. In seiner italienischen Lautgestalt salvatore wird das Substantiv als Personenname Salvatore gebraucht, in der spanischen Salvador ist es außerdem - ebenso wie Sacramento (s. Sakrament) — ekklesiogener Name von geographischen Objekten, so z. B. der von El Salvador (eigtl. »der Heiland«) und von dessen Hauptstadt San Salvador (s. Sanctus), zugleich Name einer Insel der Bahamas, auf der C. Kolumbus angeblich erstmals in der Neuen Welt landete (neuerdings wird in dieser Hinsicht der Insel Samana Cay der Vorrang gegeben). Die etymologische Duplizität bei Salvator und Salvador hat zur Folge, dass deren strukturgleiche und lautlich verwechselbare Derivate SalvadorianerSalvatorianer (s. d.) ein etymologisch adäquates Dublettenpaar bilden.

Salvatorianer »Angehöriger der 1881 begründeten Priesterkongregation für Seelsorge und Mission SDS«: Personenbezeichnung, abgeleitet von lat. salvator »Erlöser, Heiland« (s. Salvator1), dessen Genitivform im neulateinischen Namen der besagten Priesterkongregation Societas Divini Salvatoris »Gesellschaft des göttlichen Heilands« (vgl. Societas) auftritt. Etymologisch adäquat mit Salvatorianer ist die Bezeichnung für die Bewohner von El Salvador: Salvadorianer.

Salve »gleichzeitiges Abfeuern einer Anzahl von Schüssen aus Gewehren oder Geschützen«: Entlehnt aus gleichbed. frz. salve, eigtl. »Salutschießen (als Eherengruß)«. Dies ist eine im 16. Jh. stattgefundene Substantivierung des lateinischen Grußes salve »sei gegrüßt« (Imperativ Singular von salvere »gesund sein, sich wohl befinden«, zu salvus »gesund, heil«, s. Salus), als es üblich wurde, besondere Ereignisse durch Salven der Artillerie zu ehren. Der lateinische Gruß ist auch im Deutschen als Exotismus bekannt: salve »sei gegrüßt«, möglicherweise gestützt (wie gleichbed. frz. salve/salve Regina) auf in katholischen Marienhymnen vorkommendes Salve Regina »sei gegrüßt, Königin« (s. Regina). salvieren »retten, in Sicherheit bringen«: Archaismus, der lat. salvare »heilen; retten, erlösen« (eigtl. »gesund machen«, Faktitiv zu salvus »gesund, heil, wohlbehalten«, s. Salus) wiedergibt. Aus salvare ererbtes afrz. salver hat durch anglonormannische Vermittlung mengl. salve!sauve!save ergeben, das in engl. to save »retten; sichern, schützen« fortlebt. Daraus übernommen ist in neuester Zeit dt. saven/absaven »Computerdaten sichern, speichern«, ugs. »genau absichern«. Auf einer Substantivierung des Verbs im

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Salz Englischen beruht veraltet save >Behälter zur sicheren Aufbewahrung von etwas< (15. Jh.), das später in Form an das Adjektiv safe »sicher; heil, unversehrt; geschützt* (über afrz. sauf aus lat. salvus »gesund*, s.o.) angeglichen wurde. Dies ist seinerseits die Quelle eines zweiten, als morphosemantische Dublette von salvieren und saven interpretierbaren Anglizismus im Deutschen: Safe >Panzerschrank; Schließfach zur Aufbewahrung von Geld, Schmuck, Wertpapieren*. In imperativischer Form tritt das englische Verb auf in der volkstümlichen Deutung für den internationalen Morsenotruf SOS save our souls >rettet unsere Seelen* (s. Seele), und der Stamm des französischen Verbs in seiner heutigen Lautung sauver ist erster Bestandteil des veralteten Kompositums Sauvegarde >Schutzwache; Schutzbrief (gegen Plünderung)* (s. Warte). Salz: Mit infolge der hochdeutschen Lautverschiebung affriziertem Auslaut hervorgegangen aus germ. ★salta- >SalzSaIz< dar, das u.a. die Quelle ist von gleichbed. lat. sal (s. Korn1, Salpeter, Soße), griech. hals (vgl. dessen Kompositionsform in halogen >salzbildendChemie der Salze*, s. Chemie).

Samen/selten Same: Obwohl nur im Deutschen bezeugt, lässt sich das einst schwach flektierte Substantiv (mhd. säme, ahd. sämo) über den germanischen n-Stamm ★sätman- (vgl. Brunnen) auf gleichbed. idg. sèmen- (zu se- >säenSamen, Keim; Geschlecht* hervorgegangen, das im Duden-Fremdwörterbuch als in der Fachsprache vorkommendes Semen >Pflanzensamen; als Heilmittel verwendete Pflanzensamen; Sperma* verzeichnet ist. E. Seebold lemmatisiert seinerseits Rüfcsen, in dem die Zusammensetzung Rübsamen >dem Raps ähnliche Pflanze, aus deren Samen öl gewonnen wird* (vgl. Rübe) mit kontrahiertem Grundwort auftritt. Sanctus: Der Lobgesang vor der Eucharistie erhielt diesen Namen nach dem lateinischen Anfangswort von Jes. 6,3 sanctus >heilig, geheiligt; ehrwürdig, erhaben* (Partizip Perfekt von sancire >weihen, heiligen, unverletzlich machen*, zu sacer »heilig*, s. Sakrum), vgl. ferner Spiritus Sanctus >Heiliger Geist* (s. Spiritus1, Geist) und den Genitiv Plural der Substantivierung sanctus >Heiliger< in Communio Sanctorum >die Gemeinschaft der Heiligen* (s. Kommunion), Com-

mune Sanctorum >Sammlung von Mess- und Breviergebeten* (s. kommun). Dessen Femininum sancta und Neutrum sanctum treten beispielsweise auf in Una Sancta >die eine heilige katholische und apostolische Kirche* (s. ein1) sowie im Zitatwort sancta simplicitas als Ausruf des Erstaunens über jemandes Begriffsstutzigkeit (eigtl. >heilige Einfalt*) bzw. in der Bezeichnung der Kardinalskongregation für die Reinhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre Sanctum Officium (s. Offizium). Deglutiniert steht Sankt (Abkürzung: St.) als einheitliche männliche und weibliche Form in Heiligennamen und auf solche zurückgehenden Ortsnamen wie etwa Sankt Paulus, Sankt Petersburg, Sankt Elisabeth. Dieselbe Funktion erfüllen seine und des lateinischen Femininums Abwandlungen in den romanischen Sprachen, namentlich frz. (und engl.) Saint bzw. Sainte (z.B. Saint-Exupéry, Sainte-Marie; engl. Saint Louis, Saint Anne), ital., span, und port. Santo/San, Plur. ital. Santi bzw. Santa, Plur. ital. Sante, (z.B. Santo Domingo, San Salvador, Santi Pietro e Paolo, Santa Cruz, Sante Maria e Madalena, s. Dominikus, Salvator1, Petrus, Paulus, Kreuz, et), port, auch Säo vor Konsonanten in männlichen Heiligennamen wie Säo Paulo. Vom Festtag Todos los Santos bzw. Todos os Santos >Allerheiligen< (vgl. tutti) abgeleitet ist der pluralische spanisch-portugiesische Familienname Santos. Als Erbwort im Spanischen lebt sanctus im Vornamen des Knappen Don Quichottes Sancho Pansa (s. Pansen) fort, und aus frz. saint entlehnt ist auch niederl. Sint etwa im Ortsnamen Sint-Maarten. Den Namen einer Kirche und eines Stifts lat. Ad Sanctos (wörtl. >bei den Heiligen*, s. ad), in deren Nähe sich angeblich die Gräber des hl. Viktor und seiner Genossen aus der diokletianischen Christenverfolgung befanden, führt schließlich die niederrheinische Stadt Xanten. Zur Annahme, span, santo stecke auch in Palisander, s. Pfahl. sanft: In seiner heutigen Lautung setzt das Wort nicht das Adjektiv mhd. senfte, ahd. semfti (< westgerm. ★samftja- »sanft, weich*, wohl aus vorgerm. ★somptjofür älter *somtjo- >sanft, weich, angenehm*) fort, sondern das zugehörige umlautlose Adverb mhd. sanfte/samfte, ahd. samfto (< westgerm, ★samfto, vgl. fest). Auf diesem beruhen ferner mit Nasalausfall vor dem Spiranten/engl. soft »weich* und außerdem regionalen Wandel germ./t > cht (s. achter) aufweisendes mnd., mniederl. sachte »bequem; ruhig; langsam; leise*. Letzteres drang vom Niederrhein aus seit dem 15. Jh. südwärts vor und lieferte die Dublette sacht/ ugs. sachte »leise, unmerklich, vorsichtig, langsam*. In der Neuzeit wurde aus dem Englischen soft »weich (in Bezug auf den Sound oder auf einen Mann, der seinen Gefühlen Ausdruck gibt)* entlehnt, das häufiger gebunden oder in Wortfügungen wie Softdrink/

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Soft Drink »alkoholfreies Getränk< (aus amerik. soft drink, eigtl. weiches Getränk«), Softeis »sahniges, weiches Speiseeis< (nach gleichbed. engl. soft icecream, s. Eiscreme), Software >die nichtapparativen Bestandteile der EDV-Anlage< (aus engl. software, eigtl. weiche Ware«, s. Ware) auftritt. Santiago: Wie unter Jakob dargelegt, hat der Name des Apostels Jacobus der Ältere, dessen Grab sich in dem nach ihm benannten spanischen Ort Santiago de Compostela befindet, zur Verbreitung des Vornamens Jakob und aller seiner Abwandlungen in Europa beigetragen. Der Ortsname Santiago stellt eine Zusammenrückung von lat. Sanctus Jacobus (s. Sanctus) dar und ist zur Quelle der durch Schwanzfragmentierung entstandenen spezifischen männlichen Vornamen port. Diago und span. Diego geworden.

Sarg: Als Quelle der seit dem 9. Jh. bezeugten Bezeichnung für die Totenkiste ahd. sarc wird (auch angesichts von gleichbed. afrz. sarcou) vlat. *sarcus vorausgesetzt. Da man in diesem eine Kürzung oder Kurzform von lat. sarcophagus »Steinsarg« sieht, scheint dt. Sarg die älteste, aus dem Romanischen entlehnte Kopfisolierung zu sein. Denn das lateinische Wort ist ein aus griech. sarkophagos entlehntes und auch substantivisch gebrauchtes Adjektiv, das aus griech. phagein »essen, fressen« in Kombination mit sdrx, Gen. sarkós »Fleisch« gebildet ist und demnach »fleischfressend« bedeutet. Die Substantivierung ist vermutlich auf der Basis der griechischen Wortfügung sarkophagos (lithos) »fleischfressender (Stein)« (vgl. Litho) erfolgt, bezogen ursprünglich auf einen bei Assos in Kleinasien gebrochenen und zur Herstellung von Särgen verwendeten Kalkstein mit der besonderen Eigenschaft, das Fleisch der bestatteten Leichen angeblich innerhalb von kurzer Zeit zu zerstören und in Asche zu verwandeln. Möglicherweise handelte es sich dabei nach W. Pfeifer (mit Verweis auf J. Knobloch) zunächst um eine Bezeichnung für Ätzkalk, womit Tierkadaver bedeckt und dadurch aufgelöst wurden, die dann auf eine gemaserte, für vornehme Grabmäler geeignete (Kalk)steinart übertragen wurde. Nachdem nun um 1600 das griechisch-lateinische Kompositum in seiner vollen Form Sarkophag »Stein-, Prunksarg« ins Deutsche übernommen worden war, erwies sich sein Bestimmungswort als eine gebundene Dublette von dt. Sarg, die in Komposita mit vokalisch anlautendem Grundwort Sark- lautet: Sarkomphalos »kleine Wucherung am Nabel, die sich manchmal nach Abstoßung der Nabelschnur bildet« (Grundwort: griech. omphalós »Nabel«). Das Substantiv Sarx selbst ist beispielsweise im Duden-Fremdwörterbuch mit der Bedeutung »Körperlichkeit, Leiblichkeit, besonders als Sinnbild für das Vergängliche im Hellenismus« ebenfalls aufgeführt.

Schaff Satan »Teufel«: Über mhd. Satan/Satanäs, ahd. Satanäs bereits im 9. Jh. entlehnt aus kirchenlat. Satan/Sata näs, das seinerseits durch griechische Vermittlung hebr. sätän »Widersacher, Feind (Gottes), Teufel« (zu sätan »nachstellen, verfolgen«) fortführt. Dies ist ein auch in arab. säytan vorliegendes semitisches Wort, das das Duden-Fremdwörterbuch in der Lautform Schaitan »Teufel, Dämon« verzeichnet.

schaben »reiben, abkratzen«: Das bis ins 16. Jh. stark flektierende Verb setzt über mhd. schaben und ahd. scaban germ. *skaba- fort, das selbst auf idg. *skabh-, *skäbh- »schneiden, spalten« (vgl. Schafft zurückgeht. Während man im Deutschen sich den Bart schaben für »sich rasieren« nur als einen scherzhaften umgangssprachlichen Ausdruck gebraucht, ist das die Hauptbedeutung von engl. to shave, dem Kognaten des deutschen Verbs. In substantivierter Form liegt er vor in der Bezeichnung für kosmetische Mittel After-Shave »(Gesichtswasser zum Gebrauch) nach der Rasur« (s. achter). Schaden/Schade: Die in der Wendung es wird sein Schade nicht sein »er wird dafür belohnt werden« noch vorkommende zweite Variante ist sonst veraltet. Über mhd. schade, ahd. scado »Verlust, Nachteil, Verderben, Übel« geht der ursprünglich schwach flektierte maskuline n-Stamm zurück auf germ. *skapön »Schaden«, Abstraktum zu dem im Deutschen verloren gegangenen starken Verb *skapja»schaden«. Zum Unterschied von anderen morphosemantischen Wortspaltungen infolge phonomorphologischer Abwandlungen einstiger n-Stämme (s. Brunnen und die dort angegebenen Verweise) hat sich der prädikativ auftretende Nominativ Singular (mhd. schade sin »schädlich sein«, seit dem 16. Jh. »bedauerlich sein«) zum Adjektiv und zur Interjektion schade »bedauerlich, betrüblich« entwickelt. Schaff »Bottich, Zuber«: Regionalismus, der mit dieser Bedeutung im Bairisch-Österreichischen üblich ist. Auf alemannischem Boden, insbesondere in der Schweiz, tritt das Wort in der Regel mit epithetischem -t und mit der Bedeutung »Regal, Gestell; Schrank« auf: Schaft2. Bemerkenswerterweise bezeichnet auch sein niederdeutscher Kognat ein Möbelstück: Schapp »Schrank, Spind; (Schub)fach« (vgl. ferner niederl. mda. schap »Regal; Brett eines Schranks; Schrank«). Abgesehen von gewissen Vorbehalten bei E. Seebold, leitet man das aus älteren Sprachstufen ererbte Schaff (vgl. mhd. schaff Gefäß für Flüssigkeiten; Getreidemaß«, schuft »Badewanne«, schafreite »Gestell für Gefäße, Küchenschrank« neben mnd. schap »Fass; Schrank« aus asächs. scap »Gefäß, Weinfass«) im Sinne von »Ausgehöhltes« her aus einer Variante westgerm. *skapa- des unter schaben »reiben, abkratzen« dargestellten Wurzel germ. *skaba- für idg. *skabh- »schnei-

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Schaft den, spalten, schnitzend gestalten* (vgl. auch Schaft1, schöpfen). Der Gebrauch des Substantivs als Lehnwort in Nachbarsprachen scheint weit fester zu sein als im Deutschen selbst: Aus dem Altbairischen übernommen ist skaf>Wasserschaff’; Schublade; Schachtel (neben jüngerem safolj >Wasserschaff< aus dem Diminutiv bair.-österr. Schaffl) im Kroatischen und Serbischen, und aus niederd.-niederl. schap (weniger wahrscheinlich über schwed. skäp >SchrankSchrank< im Russischen und von dort aus im Bulgarischen.

Schaft1 >StangeStange, Speer* (eigtl. >abgeschnittener Ast, StabStange, Stock< ist (über den niederdeutsch-niederländischen Wandel germ./t> chts. achter). Im 13. Jh. gelangte Letzteres als Bezeichnung für die senkrechte Grube (Bedeutungsentwicklung nach W. Pfeifer >Messstange< > >damit abgesteckte Fläche gleicher Länge und Breite, Quadratrute< > >in die Tiefe führender Grubenbau*) aus dem Harzer Bergbau in die erzgebirgische Bergmannssprache und liegt heute nhd. Schacht >abwärts führender Bergbau; hoher, enger, geschlossener Raum; schmaler Einstieg* zugrunde. Über Schaft2 s. Schaff. Schah: Der Titel ehemaliger persischer Herrscher repräsentiert pers. sah >Königan Macht gewinnen* hergeleitet wird. Dasselbe Wort ist Bestandteil des Namens des aus Indien stammenden Brettspiels pers. säh mät »der König ist ratlos*, daraus - durch volksetymologische Umdeutung - arab. säh mäta »der König ist tot*. Im 11. Jh. gelangte das Spiel durch die Araber nach Europa, wo es infolge einer unklaren Lautentwicklung mlat. scacci (Plural zu scaccus »Spielstein, Spielfigur im Schach*) bzw. nur im Plural vorkommendes afrz. eschas und (durch Kreuzung mit afrz. echec »Beute*, einem in mhd. schach »Raub, Räuberei* vorliegenden Germanismus) eschac/eschec »Schach* ergab und heute in gleichbed. échec fortlebt (vgl. daraus sowohl als französische Bezeichnung für Schach wie auch im Sinne von Niederlage im Deutschen verzeichnetes Echec). Afrz. eschac (mat) lieferte mhd. schach und schächmat, auf denen nhd. Schach, Schachmatt beruhen. Die Pluralform esches von afrz. eschec hält man für die Quelle von engl. chess »Schach*, das im Rahmen der Fügung/azry chess auch in dt. Fairy Chess »Teilgebiet des Problemschachs mit z.T. neu erfundenen Figuren oder mit verändertem Schachbrett* (eigtl. »Zauberschach*, s. Feerie) bezeugt ist. Auf afrz. eschec »Schach*, seit dem 13. Jh. auch »Behinderung, Verwirrung* geht engl. check »Behinderung, Hindernis, Kontrolle*, amerik. auch

»Scheck* (vermutliche Bedeutungsentwicklung nach Webster »Bedrohung des Königs im Schachspiel* > »feindselige Handlung* > »aufhaltende Handlung* > »Einschränkungs- oder Kontrollmaßnahmen*) zurück, das im sportlichen und technischen Fachausdruck Check1 »Behinderung, Rempeln (im Eishockey); Überprüfung von technischen Geräten hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit, Sicherheit u.Ä.*, vgl. auch Checkpoint »Kontrollpunkt an Grenzübergangsstellen* (s. Punctum puncti), möglicherweise auch im etymologisch sehr umstrittenen Scheck/ Schweiz. Check2 »Zahlungsanweisung an eine Bank* auftritt, falls dessen Vorlage nicht aus to check »kontrollieren* rückgebildet ist oder aus pers. chäk »Zahlungsversprechen* stammt.

Schalk »Schelm, listiger Spaßvogel*: Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes (ahd. scale, mhd. schale) war »Knecht, Diener* und ist im heute veralteten männlichen Vornamen Gottschalk (eigtl. »Gottesknecht*) erkennbar. Im Mittelhochdeutschen entwickelte sich daraus die pejorative »arglistiger, hinterhältiger Mensch*, die im 18. Jh. zu »Spötter, Schelm* gemildert wurde. Mit ahd. marah- »Pferde-* (zu der das Femininum Mähre, urspr. »Stute*, gehört) als Bestimmungswort entstand ahd. marahscalc, mhd. marschalc »Pferdeknecht* (vgl. analog komponiertes Marstall »fürstliche Stallung*). Dies wurde dann über »Aufseher über die Pferde eines Fürsten* zu »Befehlshaber der waffenfähigen Mannschaft am Hofe* und somit zu einem der vier Hofämter (s. Kämmerer) aufgewertet. Aus dem Altniederfränkischen früh entlehnt ist frz. maréchal, unter dessen Einfluss bis ins 17. Jh. übliches, heute nur noch als Familienname nachweisbares Marschalk »Reiterbefehlshaber* in Marschall umgewandelt wurde. Dieselbe gebundene etymologische Dublette von Schalk als Grundwort enthält ebenfalls aus dem Französischen rückentlehntes Seneschall »oberster Hofbeamter im fränkischen Reich, dem die Verwaltung, das Heerwesen und die Gerichtsbarkeit unterstellt waren*, wo sénéchal aus afränk. finiscale (eigtl. »Altknecht, der älteste der Dienerschaft*, Bestimmungswort urverwandt mit lat. senex »alt*, s. Senhor) stammt. Durch französische Vermittlung etablierte sich engl. marshal »Marschall; höherer Gerichtsbeamter in den USA*, das im Deutschen häufiger als Eigenname denn als exotischer Gattungsname bekannt ist: Marshal/Marshall (auch als Bestimmungswort in Marshallinseln, Marshallplan).

Schalom/Shalom: Lexikographisch verzeichnet als hebräische Grußformel, der hebr. salöm »Friede* zugrunde liegt. Dies ist ein semitisches Wort, dessen Kognat im Arabischen saläm »Friede, Heil, Wohlbefinden* lautet. Darauf beruht entsprechend die arabische Grußformel saläm ‘alaikum »Friede mit euch*

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bzw. dt. Salam (alaikum)/veraltet, noch scherzhaft Salem aleikum, vgl. ferner den Namen der 1862 gegründeten früheren Hauptstadt Tansanias Daressalam, gelegentlich in englischer Umschruft Dar es-Salaam (eigtl. »Hafen des Friedens, des Wohlstandes Vorderglied bandar >HafenHaus, Heimder Anblick, den etwas gewährt*) fort. Das ist eine Rückbildung aus dem schwachen Verb schouwen >sehen, betrachten, besichtigen, prüfen*, aus dem nhd. schauen stammt und das über ahd. scouwön auf westgerm. *skauwö- >schauen< zurückführbar ist. Aus diesem ist auch engl. to show >zeigen< (mit ungeklärtem Wandel der Ausgangsbedeutung >sehen< zur kausativen >sehen lassen*) hervorgegangen, zu dem sich seit dem 13. Jh. das semantisch entsprechende Substantiv show >Schau, Ausstellung* stellt. Unter dessen Einfluss entwickelte dt. Schau zum Teil seine heute übliche Semantik, bis in der zweiten Hälfte des 20. Jh. das englische Wort selbst zu Show >Darbietung, Vorführung; buntes, aufwendiges Unterhaltungsprogramm* als eine Art etymologisch adäquate Dublette von Schau übernommen wurde, einschließlich als Bestandteil von Komposita wie Showbusiness >Vergnügungsindustrie< (eigtl. »Schaugeschäft/Showgeschäft*, s. Business), Lightshow >Show mit besonderen Lichteffekten* (s. licht), Talkshow >Unterhaltungssendung, in der bekannte Persönlichkeiten interviewt werden* (Bestimmungswort: Talk »Unterhaltung, Plauderei*) und sogar in der anglisierenden Bildung Showmaster »Unterhaltungskünstler, der eine Show präsentiert* auftretend. Schaube >weiter, vorn offener Mantelrock des Mittelalters*: Lautlich geht diesem Historismus mhd. schoube/schübe/schüwe >langes und weites Überkleid* voraus. Mit der Bedeutung Jacke* sind daneben seit dem 13. Jh. mhd. schope/schoppe/schöpe und jope/joppe/juppe bezeugt, die in gleichbed. Joppe fortleben. Alle diese Formen pflegt man über mlat. giuppa und ital. giubba auf arab. gubba >Obergewand mit Ärmeln; langes wollenes Unterkleid* zurückzuführen, das im Namen des schlafrockähnlichen Oberkleids der Araber Dschubbe lautlich adäquat auftritt. Über ital. giubba ist auch frz. jupe >Frauenrock< übernommen, aus dem Schweiz. Jupe >Kleidungsstück für Frauen und Mädchen, von der Taille abwärts* stammt.

Scheiße >KotDurchfallscheißen< aus gleichbed. germ. *skeita-, urspr. >sich teilen, zerfließen, ausscheiden*, zu idg. *skeid-/*skei>spalten, trennen, absondern*, vgl. Scheit). Daneben existieren im übertragenen Gebrauch die maskuline Variante Scheiß und die aus dem Niederdeutschen als Hüllwörter übernommenen, nicht diphthongierten morphologischen Varianten Schiet m./Schiete f. >Dreck, Schmutz, unangenehme Sache*. Analog be-

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steht und fungiert neben engl. to shit (mit verallgemeinertem kurzem -i- aus dem einstigen Partizip Perfekt shitten) das Deverbativum shit >Scheiße*, das im Slang auch Drogen wie Marihuana und Heroin bezeichnet. Daher entsprechend dt. ugs. Shit Haschisch*.

Scheit >abgespaltenes Stück Holze Das im Ostdeutschen auch im Sinne von »Spaten* auftretende Substantiv (mhd. schit, ahd. seit) geht wie anord. skid >Scheit; Schneeschuh* auf germ. *skida- >Scheit< (wörtl. »das Gespaltene*) zurück, das wie *skaida(woraus dt. scheiden) wohl eine Dentalerweiterung von idg. *skei- »spalten, trennen* darstellt. Aus dem altnordischen Kognaten ist gleichbed. norw. ski hervorgegangen, das im 19. Jh. nunmehr als Fachwort des Wintersports dt. Ski/Schi lieferte. Scherz: Gewisse derivative Probleme stellen sich bei diesem Substantiv insofern ein, als es ebenso wie das zugehörige Verb scherzen erst seit dem 13. Jh. bezeugt ist: mhd. scherz »Scherz, Vergnügen, Spiel* bzw. scherzen »fröhlich springen, hüpfen, sich vergnügen; Scherz treiben, scherzen*. Da aber auch starke Formen des Verbs bezeugt sind, scheint es doch sinnvoller zu sein, scherzen wohl als Erweiterung von ahd. skerön »jauchzen* mit diesem auf idg. *sker(d)~ »herumspringen* zurückzuführen. Dann wäre Scherz genauso eine Rückbildung aus scherzen wie ital. scherzo »Spaß, Scherz* (seit dem 14. Jh., zuerst »Scherzen*) aus scherzare »Spaß machen, scherzen*. Und weil dieses nicht zu Unrecht aus gleichbed. langob. *skerzön als Kognaten von dt. scherzen hergeleitet wird, ließe sich die Entlehnung Scherzo »bewegtes, heiteres Musikstück (besonders als dritter Satz in Sinfonien, Sonaten und Kammermusik)* als etymologisch adäquate Dublette von Scherz ansehen.

Scheuche »Schreckbild, Popanze Nach W. Pfeifer durch Kürzung (Schwanzisolierung) aus Vogelscheuche entstanden, dessen Grundwort er (wie auch E. Seebold) für eine Bildung zu scheuchen hält. Mit dem DudenHerkunftswörterbuch lässt sich Scheuche dagegen eher als eine Fortsetzung von mhd. schiuhe »Scheu, Abscheu; Schreckbild* (zu schiuhen »scheu machen, erschrecken* oder zu dessen althochdeutscher Quelle *scioh »schüchtern*, s. schiech) betrachten, wobei bei (Vogel)scheuche - in Anbetracht der älteren Formen vogelschewe (15. Jh.), Vogelscheue (17.-19. Jh.) - Angleichung an scheuchen (s. d.) anzunehmen ist. Nach gesetzmäßigem Verstummen des h zwischen Vokalen und anschließender Apokope hat sich andererseits aus mhd. schiuhe die Dublette Scheu »Schüchternheit* entwickelt. scheuchen »fortjagen, vertreiben*: Mit dieser Bedeutung verselbständigt sich das Verb durch Verallgemeinerung von mhd. ch vor Konsonant (etwa erUr

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schiucht) gegenüber lautgesetzlich (mit h-Schwund zwischen Vokalen wie bei Scheu, s. Scheuche) entwickeltem scheuen, denen mhd. schiuhen >scheu machen, erschrecken; scheuen, meiden; verscheuchem (aus ahd. sciuhen >sich entsetzen, meidens zu *scioh >schüchtern chts. achter). Letzteres ist eine Ableitung von oder gehört zu mnd. schichten/schiften »(aufeinander) ordnen, reihen, aufteilens das mit aengl. sciftan »teilen, Ordnern (daraus engl. to shift »umstellen, verschieben, verlagern*) als etymologisch identisch gilt. Zu diesem gehört engl. shift »Wechsel, Veränderung, Verschiebung; (Arbeits) schicht*, das in der Gestalt des medizinischen Terminus Shift »plötzliche Änderung des Antigenmusters eines Virus (vor allem bei Influenzviren), wodurch neue Erregertypen entstehen* auch im Deutschen verzeichnet ist. Vgl. auch den unter Knecht kommentierten kernphysikalischen Fachbegriff Knightshift. schiech »hässlich; zornig; Furcht erregende Das heute auf das Bairische und österreichische (hier schiach gesprochen) beschränkte Adjektiv setzt mhd. schiech »scheu, verzagt; abschreckend, scheußlich* (aus ahd. *scioh »schüchtern*) fort, das andererseits in Anlehnung an die einst davon abgeleiteten scheuen, Scheu (s. scheuchen, Scheuche) lautlich zu scheu »schüchtern, zurückhaltend, furchtsam* umgeformt wurde.

Schiff: Die Bezeichnung für das Wasserfahrzeug (mhd. schif, ahd. skif, Letzteres auch im Sinne von »Fass, Gefäß*) ist wie gleichbed. engl. ship, isl. skip aus germ. *skipa- hervorgegangen, das ursprünglich wohl »ausgehöhlter Stamm, Einbaum* bedeutet hat, so dass es als schwundstufige Labialerweiterung von idg. *skei- »schneiden, trennen* (vgl. Scheit) angesehen werden kann. Der spezifische Auslaut des deutschen Wortes ist eine Folge der hochdeutschen Verschiebung von postvokalischem germ, -p zu ahd. -f Aufgrund von ahd. skif wird langob. *skif erschlossen, worauf man ital. schifo »kleines Ruderboot* zurückführt. Über gleichbed. frz. esquif ergab dieses engl. skiff, das dann - auf die Bezeichnung eines Rennboots eingeschränkt - die Rückentlehnung Skiff »schmales nordisches Einmannruderboot* lieferte und somit die Entstehung des Dublettenpaars SchiffSkiff als Analogon von ship - skiff im Englischen veranlasste. Der englische Kognat von Schiff ist Bestandteil der attributiven Wortfügung Liberty Ship »Ein-

Schild heitsfrachtschiff im Zweiten Weltkieg, das zur Versorgung der amerikanischen Truppen in Europa diente* (eigtl. »Freiheitsschiff*, s. Libertas) und der Rangbezeichnung in der britischen und amerikanischen Marine Midshipman (s. mitten, man).

Schiffer: Das seit dem 15. Jh. im Sinne von »Führer, Eigentümer eines Schiffes* bezeugte Nomen Agentis gehört ebenso zu Schiff (s. d.) und zu mhd., nhd. schiffen »zu Schiff reisen; mit dem Schiff befördern* wie aus dem Niederdeutschen übernommenes gleichbed. Schipper zu mnd. schip/schep »Schiff* bzw. schèpen »schiffen*. Als Entlehnung aus dessen mittelniederländischer Entsprechung schipper gilt engl. skipper »Kapitän eines kleinen Schiffes*, woneben die Kopffragmentierung skip »Mannschaftskapitän* üblich ist. Die beiden Anglizismen treten auch im Deutschen auf: Skipper »Kapitän einer (Segel)jacht* und Skip »Mannschaftsführer (besonders beim Curling)*.

Schifffahrt »Verkehr zu Schiff*: Während die Verwendung von Varianten mit und ohne Fugen-s wie Vorortverkehr/Vorortsverkehr, Waldrand vs. geh. Waldesrand, Landrat vs. österr. Landesrat mehr oder weniger fakultativ bzw. stilistisch oder regional markiert ist, hat sich der Sprachgebrauch im Falle von Schiffsfahrt »Fahrt mit einem Schiff* auf semantische Unterscheidung gegenüber Schifffahrt festgelegt, so dass die beiden Komposita zu den nicht zahlreichen mit und ohne Fugen-s strukturierten etymologisch adäquaten Dubletten im Deutschen zählen (vgl. eine analoge Gegenüberstellung unter Landmann, Wassernot und siehe Volkskunde). Schild1 m. »Schutzwaffe*: Das seit dem 8. Jh. bezeugte Substantiv beruht auf germ. *skeldu- »Schild*, ursprünglich wahrscheinlich »Brett*, weil zum einen die Schilde der Germanen nach W. Pfeifer wohl aus durch einen Metallring zusammengehaltenen Holzteilen bestanden, zum anderen das germanische Wort auf idg. *(s)kel- »spalten, schneiden* (also etwa »abgeschnittenes Holzstück, Brett*, vgl. Holz) zurückführbar ist. Wie bei Waffe (s. d.) wurde im Mittelalter die Bezeichnung außerdem zunächst auf die zur Zierde, dann als Abzeichen dienende Bemalung des Schildes übertragen. Sofern mittlerweile mit dem maskulinen Genus des Substantivs auch ein neutrales zu konkurrieren begonnen hatte, kam es (im Unterschied zu voneinander unabhängig gebildeten Homonymen wie etwa der Band und das Band) zur Verteilung der beiden Hauptbedeutungen »Schutzwaffe* und »Wappen(schild)* auf die beiden Genera und somit zu einer darauf beruhenden Aufspaltung des Wortes in Schild1 m. und dessen homonyme morphosemantische etymologische Dublette Schild2 n. »Abzeichen; Aushängeschild; Etikett* (vgl. analog See2 - See1, s. d.).

Schinn Schinn m./Schinne f. »Kopfschuppe*: Die feminine morphologische Variante scheint aus dem meist im Plural Schinnen vorkommenden Substantiv rückgebildet zu sein. Es ist ein niederdeutsches Wort, das durch Angleichung nn < nd entstanden ist aus einem nicht bezeugten altdeutschen Fortsetzer *skind von germ. *skinpa- »Haut*. Über anord. skinn liegt dieses einerseits in engl. skin »Haut; Fell, Pelz< vor, andererseits war es - wohl über *skind - auch Ausgangspunkt für das ursprünglich schwache Verb schinden >enthäuten, schälen* und offensichtlich für Schweiz. Schinte >Rinde(zu Gewalttätigkeit neigender) Jugendlicher mit kahlgeschorenem Kopf< (s. Haupt) und in der Zusammensetzung Lambskin >LammfelIimitation aus Plüsch< (s. Lamm).

Schlaf: Wie seine Kognaten in anderen germanischen Sprachen (vgl. engl. sleep) ist das Substantiv (ahd., mhd. släf) eine Rückbildung aus der jeweiligen Entsprechung von schlafen, das über mhd., ahd. släfen auf germ. *släpa- (eigtl. >schlaffsein oder werdens s. schlaff) zurückgeht. Spätmhd. släf wird auch Bezeichnung für die Stirnseite, auf der der Schlafende liegt, und seit dem 18. Jh. beginnt der Gebrauch seines in dieser Bedeutung auftretenden Plurals als Singular: Schläfe. E. Seebold meint, der Grund für diesen Zusammenhang ließe sich nicht ersehen, weshalb obige Etymologie unklar bliebe, sein Versuch, auf eine auffällige lautliche Ähnlichkeit zu serbokroat. sljepòoc(n)ica, bulg. sljapo okó >Schläfe< hinzuweisen, ist aber andererseits insofern abwegig, als diesen nicht verwandtes slaw. *slept >blind< (gleich ob es mit lit. slèpti »verstecken* etymologisch zusammenhängt oder nicht) und somit die Bedeutung >blindes Auge< (nicht >verstecktes Auge*!) zugrunde liegt. schlaff docker, lose herabhängend, träge*: Das Wort, das gleichbed. ahd., mhd. slaf fortführt und gesetzmäßige Spirantisierung germ, p > ahd./im Auslaut aufweist, ist neben mnd. slap ein abtönungsstufiges Adjektiv zu germ. *släipa- >schlaff sein oder werden< (zusammen mit slaw. slabt >schwach< zu idg. *leb-, *läb- »schlaff herabhängen* mit s mobile), der Quelle von schlafen (vgl. Schlaf sowie Lappen, Lapsus). Im 16. Jh. trat neben schlaff sein niederdeutscher Kognat schlapp >schlaff, müde, abgespannt*, der sich später besonders durch die Soldatensprache verbreitete (vgl. dazu ugs. schlappmachen »nicht durchhalten, am Ende seiner Kräfte seinPantoffel< (mit sekundärer, verhochdeutschender Lautsubstitution pf < pp) vergleicht. Schlaufe >Schlinge, (Leder)ring*: Das heute nur noch im alemannischen Sprachraum und in einigen wenigen Komposita wie Gürtel-, Schistockschlaufe vorkommende Wort führt mhd. sloufe »Öhr; Öffnung, Kreis* (zu sloufen »schlüpfen lassen*, Kausativum zu sliefen, woraus nhd. weidmänn. schliefen »in den Bau schlüpfen, kriechen*) fort. Sie wurde von einer seit frühneuhochdeutscher Zeit bezeugten und bis ins 18. Jh. nachweisbaren umgelauteten Nebenform Schleuffe/Schläufe zurückgedrängt, die sich letztendlich in der Schriftsprache in der von Luther bevorzugten entrundeten Lautform Schleife1 »Schlinge, geknüpftes Band* durchsetzte. Über Schleife2 s. Schleppe. schlecht: Über ahd., mhd. sieht »glatt, eben, einfach, einfältig* geht das Wort zurück auf germ. *sli%ta»eben, geglättet*, das seiner Form nach ein Verbaladjektiv zur Schwundstufe des dem Verb schleichen zugrunde liegenden Stamms germ. *sleik- »gleiten, rutschen* ist. Daneben erscheint asächs. sliht »geschmückt*, mnd., mhd. (mitteld.) sliht »eben, flach, gerade, glatt, einfach* (vgl. analog germ. *seuka»krank > abair. abweichend siuh vs. affänk. regelrecht sioh, woher mhd., nhd. veraltend siech »krank, hinfällig*). Das Dasein von sliht ist eher durch ausgebliebene Brechung i > e vor germ, a oder durch Angleichung an das zugehörige faktitive jan-Verb slihten ahd. »ebnen, glätten*, mhd. auch »beilegen, beruhigen; Recht erteilen, entscheiden* (woraus nhd. schlichten, eigtl. »glatt, eben, schlicht machen*) erklärbar denn durch Rückbildung daraus (so W. Henzen, E. Seebold) oder aus mhd. slihte »Glätte, Ebenheit; Geradheit, Aufrichtigkeit; Einfachheit, Schlichtheit* (das hieße im Gegensatz zu den unter Teufe dargestellten Prozessen). Nachdem schlecht vom 15. Jh. an seine in schlecht und recht, schlechterdings, schlechthin, schlechtweg noch immer erkennbare ursprüngliche Bedeutung über »einfach* einzubüßen begonnen und die »von minderwertiger Qualität* angenommen hatte, trat an seine Stelle (seit dem 17. Jh. schriftsprachlich) das aus mittel- und niederdeutschen Dialekten übernommene schlicht »einfach, bescheiden*.

schleifen1 »über den Boden ziehen*: Das mhd. steifen/ slei(p)fen »gleiten machen, gleiten lassen* fortführende schwache Verb ist Kausativum zum einst in erster Linie intransitiven starken Verb ahd., mhd. slifen, nhd. schleifen2 mit der Bedeutung »gleiten, glitschen, hinsinken*. Etymologisch identisch mit mhd. slei(p)fen ist mnd. slèpen, in dem die Verschie-

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bung von germ. (p)p zu hochd. (p)f gesetzmäßig fehlt. In mitteldeutschen Texten, insbesondere in der Deutschordensliteratur ist slepen seit dem 13. Jh. bezeugt, seine Vokalkürzung aufweisende Fortsetzung schleppen verdankt jedoch ihre Existenzberechtigung in der deutschen Gegenwartssprache vor allem der sekundären Bedeutung »schwer tragens durch die sich dieses Verb von seinem schwach flektierten hochdeutschen Kognaten schleifen1 abhebt.

Schleppe »nachschleifender Anhang an Kleidern; Fährte von Wildenten u.Ä. im Schilf; fahrbares Heugestells Das Substantiv wurde im 17. Jh. aus niederd. sièpe, einer Ableitung von slepen »schleifen, hinter sich ziehens übernommen und lautlich an dessen verhochdeutschte Form schleppen angelehnt. Sofern schleppen und schleifen1 (s. d.) ein Dublettenpaar bilden, lässt sich das vom Letzteren abgeleitete Femininum Schleife2 landsch. »Schütter-, Rutschbahns veraltet »schlittenähnliches Transportgerät< (vgl. schon ahd. sleifa »glatte Bahn; Bahn zum Holztransport *(s)lig’- »gleiten, glätten; schleimig, glatt 0-ß das Adjektiv schlohweiß »völlig weiß, ganz ergraut< (nach W. Pfeifer eine Nachbildung von strukturgleichem kontrahiertem mnd. slöwitt, s. weiß) zurück, in dem das umgewandelte Nomen als gebundene Dublette von Schloße auftritt. schmal: Das seit dem 8. Jh. nachweisbare Adjektiv (ahd., mhd. smal »klein; gering, wenig, knapp, nicht breit m-r eines Ansatzes *Schmettenling leitet W. Pfeifer das seit 1501 bezeugte Schmetterling aus Schmetten her. Sein Aufkommen wird analog argumentiert wie das von Butterfliege (s. d.), obwohl nach E. Seebold auch ein Anschluss an schmettern (in Bezug auf das Schlagen der Flügel) denkbar wäre.

Schmu »leichter Betrug«: Das umgangssprachliche Wort (meist in der Wendung Schmu machen »auf harmlose Weise betrügen« gebraucht) stammt nach W. Pfeifer aus dem Rotwelschen und beruht auf hebr. semü’ah »Erzählung, Kunde, Gerücht«. Auf dessen Plural semü’ot »Erzählungen, Neuigkeiten« geht über jidd. schmuoss (Sing, schmuo »Gerücht, Geschwätz«) ebenfalls ugs. Schmus »leeres Gerede; Schöntun« zurück. Schnauze »vorgestreckte Maul- und Nasenpartie bei Tieren«, derb abwertend auch »Mund, Maul, Gesicht«, ugs. »Nase; Schnabel«: Bei Luther und seinen Zeitgenossen ist das Wort in der Form Schnauße bezeugt, weshalb allgemein angenommen wird, das es seine Lautgestalt offensichtlich unter dem Einfluss des verwandten Verbs schneuzen schon im 16. Jh. zu Schnauze veränderte. Das im Ergebnis der hochdeutschen Lautverschiebung und der frühneuhochdeutschen Diphthongierung entstandene Schnauße ist

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Schnee auf eine germanische Vorform *snüt- zurückführbar, aus dem ferner rheinffänk. Schnüß und mnd. snüt(e) entsprungen sind. Auf dem Letzteren beruht nicht diphthongiertes nordd. Schnute >MundSchnurrbart Kraft, Mut, Schwung< entwickelt hatte und in die Soldatensprache gelangt war, wurde im 19. Jh. durch norddeutsche Truppen besonders in Ausdrücken wie (keinen) Schneid haben als Maskulinum aufgenommen und verbreitet. Heute gehört Schneid m./regional f. >Mut, Tapferkeit, Tatkraft* als phono- und morphosemantische etymologische Dublette von Schneide der Umgangssprache an.

Schneeweißchen: Der Name des im Vergleich zu seiner Schwester Rosenrot stilleren und sanfteren Mädchens aus Brüder Grimms Kindermärchen »Schneeweißchen und Rosenrot« ist strukturgleich mit dem einer anderen beliebten Gestalt des Volksmärchens: Schneewittchen. Den beiden Namen liegt die Vergleichsbildung schneeweiß zugrunde, deren zweites Glied, die Farbbezeichnung, jeweils in hochdeutscher und niederdeutscher Lautung auftritt (s. weiß). Die Substantivierung des Adjektivs ist mit gleichzeitiger Diminuierung durch Anfügen des mitteldeutschen Suffixes -chen erfolgt. Eine adäquatere niederdeutsche Form liegt in Sneewittchen vor (s. Schnee).

schön: Das heutige Adjektiv ist aus germ. *skauni- hervorgegangen. Dieses interpretiert man als ein Verbaladjektiv zur Grundlage von schauen (s. Schau), was >ansehnlich< als seine ursprüngliche Bedeutung zu erschließen erlaubt. Im Althochdeutschen trat es in der Lautung scöni >schön; glänzend; herrlich; angenehm; gut< auf, d.h. als ein ja-Stamm, neben dem das Adjektivadverb scöno >schön; glanzvoll; herrlich; recht; wohl< stand, vgl. analog fasto neben festi (s. fest, wo auf die Begründung der Duplizität bei derartigen Wortpaaren näher eingegangen wird). Im Mittelhochdeutschen unterscheiden sich Adjektiv und umlautloses Adverb immer noch in Form und Funktion: schoene bzw. schöne, wobei sich aber beim Letzteren in Konstruktionen wie allez ist schöne bereit, alles ist schöne fertic eine Modifizierung der Bedeutung von >in schöner, gehöriger Weise* über >vollständig, ganz und gar* auf die temporale >bereits< anbahnt. Das ist als Hauptgrund dafür in Betracht zu ziehen, dass mhd. schöne im heutigen Adverb schon lexikalisiert, ohne jeglichen spürbaren Bezug auf seine Dublette schön fortbesteht und nicht wie ange (s. bange), kuole, strange, swäre, truobe u.a. unterging, nachdem die jeweiligen Adjektive enge, küele, strenge, swcere, trüebe auch die adverbiale Funktion übernommen und sich zu nhd. eng, kühl, streng, schwer, trüb(e) entwickelt hatten. Gelegentlich vermochte allerdings bei der Konkurrenz der beiden Formen die umlautlose, primär adverbiale die attributive, prädikative und adverbiale Funktion zu übernehmen, wie dies bei allen Bildungen auf -bar der Fall ist, welche die mittelhochdeutschen Adjektive auf -beere ersetzten, z.B. mhd. vruhtbcere Adj./vruhtbäre Adv. > nhd. fruchtbar (s. auch sanft, das sich gegen mhd. senfte durchgesetzt hat). Gleiches gilt für niederl. schoon >schön; rein; sauber*, das - substantivisch gebraucht - Grundwort ist im teilweise eingedeutschten kaufmännischen Fachausdruck Besemschon >Vergütung für die an der Verpackung hängen bleibenden Warenteilchen* (aus niederl. bezemschoon, eigtl. >besenreinWaffenschneidekleines Nebengebäude zum Einstellen von Gartengeräten, Fahrrädern, Brennholz; vorstehendes Dach, Wetterdach, Schuppen*: Das in der Schweiz, in Österreich und im Oberdeutschen gebräuchliche Wort setzt das stark und schwach flektierte Maskuli-

Schnee: Ein aus germ. *snaiwa- ererbtes Wort indogermanischer Abstammung, dessen Kognat im Englischen snow lautet. Selbständig gebrauchtes Snow im Deutschen ist eine aus dem Slang übernommene Bezeichnung für alle Rauschmittel, die als weißes Pulver gehandelt werden, vor allem Kokain (dafür jetzt auch Schnee). Weitaus geläufiger sind zweifellos die mit snow komponierte Entlehnung Snowboard >als Sportgerät dienendes Brett zum Gleiten auf Schnee< (aus gleichbed. engl. snow-board, zu dessen Grundword board >Brett< s. Bord1) und seine adaptierten Ableitungen snowboarden, Snowboarding, Snowboarder. Die niederdeutsche Lautform desselben Substantivs erscheint in Sneewittchen, der adäquateren regionalen Variante von Schneewittchen (s. Schneeweißchen). Als Quelle des Germanismus und seiner indogermanischen Kognaten im Sinne von >der Klebrige< versucht man eine Verbalwurzel idg. *(s)neigwh-, *(s)nougwh- >schneien; (zusammen)ballen, kleben* zu erschließen, auf deren Schwundstufe ohne anlautendes 5- lat. nix, Gen. nivis >Schnee< (Kompositionsform nivo- etwa in Mivometer >Gerät zur Messung der Dichte gefallenen Schnees*, vgl, Metrum) zurückführbar wäre (s. aber auch schmal).

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num mhd. schopf/schopfe >Gebäude ohne ( Vorder) wand als Scheune, Remise oder Vorhalle< fort. Aus einem ebenfalls schwach flektierten mnd. schoppe/ schuppe (vgl. niederd. Schupp »Wetterdach, an die Scheune angebaute Hütteschätzen, wertschätzen« oder von mhd. pris abgeleitet, s. Preis). In neuerer Zeit wurden Präfigierungen des lateinischen Verbs übernommen, in denen die Hauptkomponente etymologische Dublette von schreiben ist: subskribieren >ein Druckerzeugnis vor dem Erscheinen durch Namensunterschrift bestellen« (in diesem Sinne seit Ende des 18. Jh., zuvor >unterschreiben< aus gleichbed. lat. subscribere; über die Präfigierung s. auf), transkribieren >einen Text in eine andere Schrift, die Originalfassung eines Musikstücks auf ein anderes Instrument übertragen« (< lat. transcribere »schriftlich übertragen«), präskribieren »vorschreiben, verordnen; als verjährt erklären« (< lat. praescribere »vorschreiben«). Vgl. auch Schrift.

Schrift: Das mhd. schrift »Geschriebenes; Schriftwerk; Schreibkunst« und ahd. scrift »Schreiben, Schriftstück; Zeichen, Buchstabe; geschriebenes Gesetz« fortführende Wort hält man entweder (ohne nähere Erläuterung) für Entlehnung von lat. scriptum »Geschriebenes; Schrift, Buch; Konzept« (Partizip Perfekt von scribere »schreiben«, s. schreiben) oder für davon beeinflusste Ableitung von der Urform des Verbs schreiben wie etwa Giftfs. d.) zu geben, Kluft zu klieben, Trift (s. d.) zu treiben. So definiert W. Pfeifer ahd. scrift und seine westgermanischen Entsprechungen als Abstraktbildungen mit t-Suffix zur Vorlage von schreiben (wie Gift zu geben), die aber zugleich unter dem Einfluss von lat. scriptum »Schrift, das Geschriebene; Auftrag, Anweisung« stehen, so dass germanische Bildungsweise und Lehnwortbeziehungen einander entgegenkommen. Vor dem Hintergrund von anord. skript/skrift lässt sich jedoch westgerm. *skrift auch umgekehrt als eine an die tiAbstrakta angelehnte Übernahme von lat. scriptum durch Lautsubstitution /pt/ > /ft/ wie vermutlich bei Gruft (s. Krypta) und analog derjenigen von /kt/ >

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/Xt/ (etwa bei dichten, trachten, Trichter u.a., s. diktieren) behandeln. Dann wären der Latinismus Skriptum »schriftliche Ausarbeitung; Nachschrift einer Hochschulvorlesung« und der (über afrz. escript auf lat. scriptum zurückgehende) Anglizismus Skript »Drehbuch«, die im österreichischen auseinander gehalten werden, im Hochdeutschen dagegen vielfach als Varianten gelten, noch eindeutiger als etymologische Dubletten von Schrift anzusprechen. Schrot »grob gemahlene Getreidekörner; kleine Bleikügelchen«: Im Sinne von »abgeschnittenes Stück« gehört das Substantiv (ahd. scröt, mhd. schrot) zu ahd. scrötan »schneiden, hauen«. Seine am Niederrhein mit kurzem Vokal ausgesprochene Variante, welche die Bedeutung »Eisenabfälle, Alteisen« entwickelt hatte, gelangte Anfang des 20. Jh. in das Hochdeutsche und ergab die phonosemantische Dublette Schrott »Altmetall«. Schule: Der seit dem 9. Jh. bezeugte, vermutlich aber schon im 6. Jh. übernommene und zu ahd. scuola diphthongierte Latinismus stammt wie engl. school »Schule« aus mlat. scola für lat. schola, das selbst aus dem griechischen Femininum scholé »Lehranstalt; Unterricht; gelehrte Unterhaltung während der Mußestunden« (eigtl. »Rast, Muße«) entlehnt ist. In adäquater Form liegt lat. schola vor im Historismus Schola »mittelalterliche institutionelle Vereinigung von Lehrern und Schülern, besonders zur Pflege und Weiterentwicklung des Gregorianischen Chorals«. Sein Dativ ist in Senecas Wort non vitae, sed scholae discimus »nicht für das Leben» sondern für die Schule lernen wir« (s. Vita) enthalten, mit dem er dem Studienbetrieb Weltfremdheit vorwirft und das belehrend meist umgekehrt zitiert wird: non scholae, sed vitae discimus. In Verbindung mit engl. boarding »Verpflegung« (vgl. Board unter Bord1) erscheint engl. school im Exotismus Boarding-School »englische Internatsschule mit familienartigen Hausgemeinschaften«, vgl. ferner Dayschool unter Tag und Grammar School unter Grammatik.

Schüler: Durch Monophthongierung umgewandelt aus mhd. schuokzre/schüelcere/schüeler, das seinerseits zuvor durch Umlaut und Reduktion aus ahd. scuoläri entstanden war. Dabei lässt sich allerdings kaum unwiderlegbar beweisen, ob das althochdeutsche Nomen Agentis Übernahme von mlat. scölaris »Schüler, Student« (Substantivierung des »zur Schule gehörig« bedeutenden und zu scola »Schule« gebildeten Adjektivs) oder ein nach dessen Vorbild strukturiertes, d.h. von dem Lehnwort scuola »Schule« (s. Schule) mithilfe des aus lateinischen Entlehnungen isolierten Suffixes -ari abgeleitetes Denominai darstellt (vgl. den unter Schrift kommentierten artgleichen Sachverhalt). Sollte jedoch das Erstere zutref-

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fen, dann wäre die aus mlat. scölaris deglutinierte Dublette Scholar >im Mittelalter herumziehender Schüler oder Student< eine wiederholte, adäquatere Entlehnung des Latinismus, wie dies etwa bei Karzer und Kerker (s. d.), Kastanie und Kästen (s. d.) der Fall ist. Schüppe: Als norddeutsche Bezeichnung für Schaufel ist das Substantiv eine Ableitung aus schuppen/ schuppen >heftig stoßen«, der unverschobenen Entsprechung von südd., österr., Schweiz, schupfen Stoßen« (Intensivbildung zu schieben). Im Mitteldeutschen und von dort aus in der Schriftsprache tritt es entrundet auf: Schippe »Schaufel« (ugs. auch »Schmollmund, vorgeschobene Unterlippe«), dessen Plural Schippen im Kartenspiel Ausgangspunkt für das Neutrum Schippen >Pik« (eigentlich stilisierte Schaufeln oder Spieße nach E. Seebold) geworden ist.

Schwein ten in anord. skyrta »Hemd«, aengl. scyrte »Hemd, Schürze«, mnd. schärte »Panzerschurz, Schürze«. Nhd. Schürze erscheint erst im 17. Jh. und lässt sich als Verhochdeutschung von mnd. schärte (heute Schärte!Schärt) betrachten. Auf dessen altenglischen Kognaten geht engl. shirt »Hemd« (mit aus dem Altnordischen übernommener phonosemantischer etymologischer Dublette skirt »Frauenrock«) zurück, das auch in das Deutsche Eingang gefunden hat: Shirt »meist kurzärmeliges Hemd aus Baumwollstoff« (auch als Grundwort in Poloshirt, T-Shirt, Sweatshirt, s. Schweiß).

Schwang: Das heute nur noch in den Wendungen im Schwange sein »sehr verbreitet, in Mode sein«, in Schwang kommen »üblich werden« gebräuchliche Maskulinum setzt mhd. swanc, Gen. swanges!swankes »schwingende Bewegung; Schlag, Hieb, Streich; listiger oder neckischer Einfall bzw. Erzählung eines solchen« fort, das eine Abstraktbildung zum Verb schwingen ist. Die ähnlich wie bei (Fechter)streich »Hieb; listiger Streich, Finte; lustiger Streich, Possen« entwickelte und seit dem 15. Jh. bezeugte Bedeutung »Erzählung eines Streichs, lustige Geschichte« verbindet sich im Laufe der Zeit mit der die mittelhochdeutsche Auslautverhärtung widerspiegelnde Schreibweise Schwank. Im 16. Jh. wurde dies zur Bezeichnung für eine damals blühende Form derbkomischer kurzer Erzählungen, worauf sein heutiger Gebrauch in der Literaturwissenschaft im Sinne von »kurze launige, oft derbkomische Erzählung in Prosa oder Versen; lustiges Schauspiel mit Situations- und Typenkomik« beruht.

Schurz »kurzes, um die Hüften gebundenes Kleidungsstück«: Das seit mittelhochdeutscher Zeit bezeugte Nomen (nach M. Lexer ein Kleid, das nur einen Teil des unteren Leibes deckt, also oben und unten abgeschnitten ist) stellt eine Substantivierung von mhd. schürz, ahd. scurz/scurt »kurz« dar, das mit aengl. sceort auf germ. *skurta »kurz, abgeschnitten« (Dentalerweiterung *skerd- zu idg. *sker- »schneiden«) zurückgeht. Aengl. sceort fortsetzendes engl. short »kurz« tritt im Deutschen auf einerseits als Bezeichnung für eine Verkaufsposition am Terminmarkt: short (Gegenwort long, s. lang), andererseits als substantivierter Plural Shorts »kurze sportliche Hose«, vgl. ferner den Exotismus Shortstory/Short Story »Kurzgeschichte, Novelle« (s. Historie). Während seit Schweif »langer buschiger Schwanz; Schleppe; gedem 17. Jh. belegtes engl. curt »kurz, gekürzt; kurz schwungene Linie«: Das alte Abstraktum zu schweifen gefasst, knapp; barsch« eine späte Übernahme von setzt mhd. sweif>schwingende Bewegung, Umlat. curtus »kurz, verstümmelt« ist, wurde dieses beschwung; umschlingendes Band, Besatz eines Kleireits vor der hochdeutschen Lautverschiebung zu dungsstückes; Schwanz« fort. Wohl an die primäre ahd. kurz entlehnt, das über mhd. kurz - einheimiBedeutung des Wortes »schwingende Bewegung« sches schürz verdrängend - heute in kurz fortlebt. Soknüpft über mda. »Dorftanz« die Semantik der ostfern man das lateinische Adjektiv als eine schwundmitteldeutschen Form Schwof »anspruchsloses öfstufige Partizipialbildung zur oben aufgeführten, fentliches Tanzvergnügen« an, zu deren Verbreitung sog. s mobile (s. Mob) aufweisenden Verbalwurzel als salopp-umgangssprachlicher Ausdruck Studenidg. *(s)ker- »(ab)schneiden« (daraus über germ. ten an den Universitäten in dieser Region in der ers*skera- dt. scheren) interpretiert und germ. *skurtaten Hälfte des 19. Jh. beigetragen haben. ebenfalls eine schwundstufige Bildung zur Wurzelerweiterung *skerd~ ist, erweisen sich das germanische Schwein: Die lautlich durch Diphthongierung aus und das lateinische Adjektiv als verwandt (Grundlamhd., ahd. swin entwickelte Tierbezeichnung gilt für gen: idg. *skurd-o- bzw. *kur-to~), lassen sich jeeine germanische Substantivierung von idg. *sutnodoch - trotz der gleichen Bedeutung »abgeschnit»vom Schwein«, vgl. gleichbed. lat. suinus, slaw. svim>. ten« - nicht für etymologisch identisch erklären. Ausgangspunkt ist idg. bzw. germ. *sü- (woher dt. Sau). Dazu wird idg. *suino- als ZugehörigkeitsbilSchürze »zum Schutz gegen Beschmutzung bei der Ardung mit dem Suffix -ino- (vgl. Küken) gestellt, wobeit besonders von Frauen getragenes Kleidungsbei E. Seebold für germ. *swina- folgende Bedeustück«: Neben der in Schurz (s. d.) auftretenden alten tungsentwicklung annimmt: »zum Schwein gehörig« maskulinen Substantivierung von germ. *skurta> »Ferkel« > »Schwein«. Nicht diphthongiertes nie»kurz« hat ein femininer jön-Stamm existiert, vertre-

Schweinigel derd. Swien ist Bestimmungswort im volkstümlichen Namen des Igels Swinege/, dem hochd. Schweinigel (s. d.) entspricht. Aus germ. *swina- hervorgegangen sind u. a. auch engl. swine und schwed. svin, die als Vorderglieder in Komposita mit den Kognaten von dt. Haupt (s. d., also eigtl. >Schweinskopfweit geschnittener Sportpullover meist aus Baumwolle* (über das Grundwort s. Schürze). Gleich lautend mit dem Substantiv ist engl. to sweat »schwitzen* mit dem Nomen Instrumenti sweater, das veraltendes Sweater >Pullover< lieferte (eigtl. »Schwitzer*, Wortgeschichte nach E. Seebold: ursprünglich ein Kleidungsstück, das bei körperlicher Betätigung getragen wurde, damit man schwitzt und Gewicht verliert, dann übertragen auf solche Kleidungsstücke, die vor oder nach dem Sport angezogen werden, um Erkältungen vorzubeugen und schließlich allgemein >Pulloverbedrückend warm< (zur Wurzel von schwelen »langsam brennen*) und im 19. Jh. umgedeutet, wobei die Fügung warmer Bruder »Homosexuellen als semantische Paralelle herangezogen wird. Die ursprüngliche Bedeutung des Adjektivs hält sich in der Dublette schwül, die zunächst als eine unter dem Einfluss des Antonyms kühl umgelautete Variante entstanden sein mag.

Scudo »alte italienische Münze*: Ebenso wie dt. Wappen seine Bedeutung aus dem Erkennungszeichen im Schild entwickelte (s. Waffe), wurde lat. scutum »Schild* in den romanischen Sprachen metonymisch im Sinne von »Wappen< und dann nach dem auf Münzen abgebildeten Wappen auch als Bezeichnung für Münzen bzw. Währungseinheiten gebraucht. Dies gilt sowohl für ital. scudo als auch für e-Vorschlag aufweisende span., port, escudo und frz. écu. Auf sie gehen die Historismen Escudo/Es-

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kudo und Ecu zurück als Namen einstiger portugiesischer, südamerikanischer und französischer (Silber)münzen. Mit dem Letzteren nicht zu verwechseln ist Ecu/ECU als EWG-Verrechnungseinheit, die zwar formal an frz. écu angelehnt ist, an und für sich aber eine Abkürzung (Initialwort) aus engl. European currency unit »Europäische Währungseinheit< darstellt.

sechs: Das deutsche Numerale geht mit engl. six (z.B. in Sixpence »bis 1971 in Umlauf befindliche englische Silbermünze im Wert von 0,5 Shilling*, eigtl. »sechs Pence*, s. Pfennig; Sixty-nine »Neunundsechzig*, s. zig, neun) über germ. *se/5 auf idg. *s(w)eks »sechs* zurück. Aus der zweiten Variante *sueks wird griech. héx (vgl. den Dorizismus wéx »sechs*) hergeleitet, dessen Kompositionsform hex-/hexa- nicht nur als Wortbildungselement fungiert (etwa in Hexamin »ein hochexplosiver Sprengstoff* mit Grundwort Amin »organische Stickstoffverbindung* und Hexagramm »Figur aus zwei gekreuzten gleichseitigen Dreiecken, Sechsstern, Davidsstern der Juden*, vgl. Gramm), sondern auch in Samt auftritt, in dem das durch Aphärese entstellte Kompositum hexamiton »sechsfädig* (Grundwort: mitos »Faden, Schlinge*) als Bezeichnung für ein ursprünglich in Ostrom hergestelltes sechsfädiges Seidengewebe steckt. Lat. sex, dessen Kompositionsform Vorderglied in Sexagesima »achter Sonntag vor Ostern* (mit dies f. »Tag*, vgl. Zeus, kongruierende feminine Form von sexagesimus »sechzigster*, also eigtl. »der sechzigste Tag vor Ostern*) ist, erscheint in der italienischen bzw. toskanischen Kardinalzahl Seicento/Secento »die italienische Kunst des 17. Jh. als eigene Stilrichtung* (eigtl. »sechshundert* statt 1600 für 17. Jh., aus lat. sexcenti »6oo(die einem Dur- oder Molldreiklang als charakteristische Dissonanz) hinzugefügte Sexte< (nachgestelltes Attribut das Partizip Perfekt von ajouter »hinzufügen«) und im Sinne von >sechste (Fechtbewegung)« — Sixt »Fechtstellung mit gleicher Klingenlänge wie bei der Terz, jedoch mit anderer Haltung der FaustMeer< als morphosemantische etymologische Dublette gegenüber. Die beiden Subtantive gehen auf das herkunftsmäßig ungeklärte, angesichts des Vorhandenseins von Meer (s. d.) wahrscheinlich aus einem nichtindogermanischen Substrat übernommene germ, *saiwi- m. als Bezeichnung sowohl für einen See als auch für eine See zurück. Eine sich im Deutschen früh herausgebildete feminine Variante sé wird seit dem 16. Jh. vorzugsweise mit der Bedeutung >Meer< verknüpft, zur endgültigen semantischen Differenzierung von See m. und See f. in der Literatursprache kommt es aber nach W. Pfeifer erst im 19. Jh. Somit liefert dieses Dublettenpaar neben Schild2 - Schild1 (s. d.) ein anschauliches Beispiel dafür, wie die bestehende Mehrdeutigkeit eines Substantivs im Falle vorhandener Genusvarianz eine sprachinterne Wortspaltung im Sinne der lexikalischen Auseinanderentwicklung herbeiführen kann. Der germanischen Grundform entsprungen ist auch engl. sea >Meerweit, breit, ausgedehnt, lang< sowie im althochdeutschen Adverb sito >schlaff< vorliegt und bei dem die Grundbedeutung »schlaff herabfallend* erschlossen wird. Der englische Kognat side »Seite; Seitenfläche; Rand; ParteiSeitenbrettabseits< (s. ab1). Obwohl seitens wie auch -seits etwa in abseits scheinbar erstarrte Kasusformen von mhd. site vertreten, haben sie den Boden der Wortspaltung verlassen und sind wie nachts vs. Nacht (s. d.) als adverbial markierte Derivate zu interpretieren. Sekans »Verhältnis der Hypotenuse zur Ankathete im rechtwinkligen Dreiecke Der mathematische Fachbegriff (Zeichen: see) beruht auf lat. secans, Gen. secantis, dem substantivierten Partizip Präsens von secare »schneidern (daraus dt. sezieren »anatomisch zerlegens vgl. auch Sektion), das zusammen mit dt. Säge (ahd. sega) auf idg. *sek- »schneidern zurückgeht. Aus flektierten Formen des Partizips im Rahmen der Fügung linea secans (eigtl. »schneidende LinieGebieter, Besitzen: Portugiesische Bezeichnung und Anrede eines Herrn, welche die substantivische Verwendung von lat. senior »älter; Greiss mlat. >Höhergestellter, Herr< (Komparativ zu senex >alt, bejahrt) widerspiegelt. Andere analog gebrauchte und lexikographisch im Deutschen aufgeführte Reflexe des lateinischen Wortes sind (span.) Senor und (ital.) Signor/Signore, vgl. ferner den Historismus Seigneur französischer Grund-, Lehnsherr im Mittelalten (veraltet auch >vornehmer, gewandter Hern). An sie schließen sich die französische Anrede an einen Monarchen Sire »Majestät« (aus frz. sire, das über vlat. *seior aus senior hervorgegangen ist) und der darauf beruhende englische Adelstitel Sir (auch Anrede an einen Herrn ohne Hinzusetzung des Namens) an. Als Anrede mit der Ausgangsbedeutung >mein Herr< erscheint frz. sieur (ursprünglich Akkusativ von sire) gebunden in der Zusammenrückung Monsieur (s. Monseigneur). Direkte Entlehnungen aus lat. senior, das übrigens den Anstoß zur Lehnübersetzung Herr (s. hehrer) gegeben haben mag, sind Senior >Ältester; Vorsitzender; Altmeister; Sprecher; Sportler etwa zwischen 20 und 30 Jahren< und senior >der Ältere« (hinter dem Personennamen).

Senhora: Portugiesische Bezeichnung für Dame, Frau, eine feminine Bildung zu senhor (s. Senhor), das auf lat. senior, Gen. senioris m./f. >älter< beruht. Analoge romanische Movierungen stellen entsprechend die spanische und die italienische Bezeichnung für Frau Sehora (zu span, senor) und Signora (zu ital. signor/ signore) dar.

Senhorita: Zusammen mit dem homophonen Hispanismus Sehorita strukturgleiche Diminutiva von

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Senhora (s. d.) und Senora und dementsprechend etymologisch adäquate Bezeichnungen im Portugiesischen und Spanischen mit der Bedeutung Mädchen, unverheiratete (junge) Frau«, die im Anschluss an die unter Senhor und Senhora dargelegte Duplizität der Vollständigkeit halber erwähnenswert sind. Im Falle der Diminutiva hat sich allerdings die Duplizität wegen der derivativ abweichenden italienischen Entsprechung Signorina zahlenmäßig auf das genannte Paar reduziert. Sensus »Empfindungsvermögen (eines Sinnesorgans)«: Der auf lat. sensus »Empfindung, Gefühl; Gesinnung« (Verbalabstraktum zu sentire »fühlen, empfinden, wahrnehmen«, vgl. Konsens) beruhende medizinische Fachausdruck hat in umgangssprachlichen Wendungen wie einen Sinn für etwas besitzen die Bedeutung »Gespür«. Der Ablativ Singular des Latinismus ist in bildungsspr. sensu maio »im schlechten Sinn« (s. Malum), sensu stricto »im strengen Sinn« (s. strikt) und sein Akkusativ Singular in Constructio ad Sensum (wörtl. »Verbindung nach dem Sinn«, vgl. ad) für die in der Sprachwissenschaft auch Synesis genannte Interpretation einer syntaktischen Struktur nach inhaltlichen statt grammatischen Aspekten (etwa In der Nähe saßen statt saß eine Gruppe Studenten) vertreten. Seit dem 18. Jh. bezeugtes Nonsens »Unsinn« ist aus engl. nonsense (17. Jh.) übernommen, das - aus der Negation non (s. ein1) und ebenfalls auf lat. sensus zurückgehendem sense »Gefühl, Empfindung; Sinn, Verstand« bestehend wahrscheinlich Struktur- und bedeutungsgleiches frz. non-sens (13. Jh.) nachbildet. Adäquat ins Deutsche entlehnt ist der Anglizismus innerhalb der Wortfügung common sense (Lehnübersetzung oder eher Adaptation von lat. sensus communis »die allgemein herrschende Anschauung«, s. kommun): Common Sense/Commonsense »gesunder Menschenverstand«. Aus dem Romanischen ererbtes, Beeinflussung seitens des westgermanischen Vorläufers von dt. Sinn aufweisendes frz. sens »Sinn« liegt dem Archaismus ßonsens »Menschenverstand, Mutterwitz« (aus frz. bon sens, wörtl. »guter Sinn«, s. Bon) zugrunde.

separat »getrennt, gesondert«: Seit dem 17. Jh. gebuchte Übernahme von gleichbed. lat. separatus m., separata f., separatum n., dem adjektivierten Partizip Perfekt von dem dt. separieren »absondern, ausschließen« zugrunde liegenden lateinischen Verb separare »absondern« (aus se »für sich; beiseite; ohne« und parare »bereiten«, s. Duell). Daran schließen sich drei Substantivierungen an: Sein Neutrum liegt deutlich erkennbar vor in Separatum »Exemplar eines Sonderdrucks«, über engl. separates (Plural zu separate »getrennt«) ist durch Singularisierung der Fachausdruck der Mode Separate »zwei- oder dreiteilige Kombina-

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tion, deren Einzelteile man auch getrennt tragen kann* gedrungen, und aus dem nach W. Pfeifer im Deutschen gebildeten Gallizismus chambre séparée besonderer, abgetrennter Raum* (bestehend aus den französischen Reflexen von lat. separata und camera, s. Kammer) hat sich Séparée >Nebenraum in einem Lokal< verselbständigt.

Serail1 n. >Palast (des Sultans), orientalisches Fürstenschlosse Über gleichbed. frz. sérail entlehnt aus ital. serraglio »Serail; Harem (als Teil des mohammedanischen Hauses)*, eine unter Einfluss von ital. serraglio »Gehege; Käfig< (zu serrare >Verschließern) geratene Umbildung von türk, saray bzw. von dessen Quelle pers. seräi »Schlosse Infolge der Umbildung lassen sich dieses Fremdwort sowie dessen nur im Deutschen belegbares Homonym Serail2 m. »feines, leicht gewalktes Wolltuch< nur bedingt als Dubletten des Grundwortes in Karawnserai »Unterkunft für Karawanen< (aus gleichbed. pers. kärwän-seräi, s. Karawane) betrachten. Service1 n. »zusammengehörendes Tafelgeschirre Seit dem 17. Jh. bezeugtes französisches Lehnwort, das mit über das Englische im 20. Jh. vermitteltem und daher englische Aussprache aufweisendem Service2 m. »Dienstleistung; Kundendienst; Kunden- und Gästebedienung; Aufschlag(ball)* (vgl. ferner Secret Service unter Sekret1) ein weiteres Dublettenpaar von Homographen bildet. Die französische Vorlage service, auf die auch veraltet Servis »Quartier-, Verpflegungsgeld; Wohnungs-, Ortszulage* zurückgeht, setzt lat. servitium »Sklaverei, Sklavendienst; Dienstbarkeit< (zu servus >Sklavewennpfeifend, zischend«: Der in der Medizin beispielsweise in Bezug auf Lungengeräusche gebräuchliche Fachausdruck vertritt das Partizip Präsens sibilans, Gen. sibilantis von lat. sibilare >zischen< (s. sibilieren). Auf dessen Stamm der obliquen Kasus beruht der in der Sprachwissenschaft vorkommende Terminus Sibilant (/s/, /z/, /f/, /3/), für den im Deutschen seit Gottsched auch das Ersatzwort Zischlaut üblich ist.

sibil ieren : Das auf lat. sibilare >zischen< beruhende Verb bezeichnet in der Sprachwissenschaft die Herausbildung von Zischlauten oder Sibilanten (s. sibilans), d.h. die Umwandlung beispielsweise von lat. /g/ vor /e/ und /i/ in frz. /3/ (etwa lat. genius > frz. génie, s. Genie). Über eine spätlateinische Variante sifilare (4. Jh.) hat sibilare frz. siffler »pfeifen; zischen; sausen; auspfeifen« ergeben, das seinerseits die nunmehr veraltete Dublette sifflieren >zischen; auspfeifen« lieferte. Sicht: Zusammen mit engl. sight Sehvermögen; Anblick; Sehenswürdigkeit« hervorgegangen aus westgerm. 'sehwti- »Sicht« (ti-Abstraktum zu 'sehwa- >sehen«, woraus engl. to see, dt. sehen). Im englischen Kognaten, welcher als gebundene Dublette von Sicht in dem praktisch aus zwei Ableitungen von to see (dem Abstraktum sight Sehenswürdigkeit« und dem Verbalsubstantiv seeing >das Sehen, Ansehen«) gebildeten Kompositum Sightseeing »Besichtigung von Sehenswürdigkeiten« auch im Deutschen vorkommt, ist übrigens infolge der spezifischen lautlichen Umwandlung des Augments gi- im Englischen auch gesiht >das Sehen, der Anblick«, die altenglische Entsprechung von ahd. gisiht bzw. nhd. Gesicht, aufgegangen. Im Deutschen hat sich Letzteres hingegen nicht nur erhalten, sondern aus >Anblick« seine heutige Bedeutung >Vorderseite des menschlichen Kopfes« entwickelt.

sieben: Wie got. sibun, engl. seven usw. hervorgegangen aus germ. 'sebun, einer lautlichen Umgestaltung von idg. 'septm »sieben«, dessen weitere Herkunft unklar ist. Kognaten des germanischen Numerales sind u.a. griech. hepta und lat. septem, die gebunden auftreten jeweils in dem »sieben« bedeutenden Wortbildungselement hepta-/Hepta- (z.B. Heptameter »siebenfüßiger Vers«, s. Metrum) und im Namen des siebten Monats nach dem bis 46 v. Chr. gültigen altrömischen Kalender September für lat. (mensis) September (s. auch Februar, Januar, Julius), vgl. ferner die vollständige Bezeichnung für die sog. sieben freien Künste der Antike und des Mittelalters Septem Artes liberales (s. Ars). Das durch totale Angleichung /pt/ > /tt/ aus septem entstandene Erbwort ital. sette »sieben« ist in Settecento »das 18. Jh. in Italien als Kunstepoche« (eigtl. »siebenhundert«, s. Cento) enthalten. Siegel »Stempel zum Eindrücken eines Zeichens; Abdruck eines solchen Zeichens; (Brief)Verschluss«: Über mhd. sigel »Siegel; damit versehene Urkunde« entlehnt aus gleichbed. lat. sigillum (eigtl. »Bildchen, kleine Figur, Zeichen«, Diminutiv von signum »Zeichen, Bild, Siegel«, s. Signum), dessen Genitiv Singular in der auf Abschriften anzutreffenden Fügung loco sigilli bzw. I. s./L. S. »anstatt des Siegels« (s. loco) auftritt. Die späteren originalgetreueren Wiedergaben Sigillum/Sigill »Siegel« sind veraltet, doch der synkopierte und als Femininum aufgefasste Plural sigla »Abkürzungszeichen« lieferte über gleichbed. frz. sigle dt. Sigel/Sigle »festgelegtes Abkürzungszeichen für Silben, Wörter oder Wortgruppen, Kürzel«. Gelegentlich verzeichnen Fremdwörterbücher auch Seal »Siegel; Wohltätigkeitsmarke ohne Frankaturkraft«, das über gleichbed. amerik. seal und afrz. seel »Siegel« ebenfalls auf lat. sigillum zurückgeht.

signieren »unterschreiben, mit einer Signatur versehen«: Im 15. Jh. übernommen aus gleichbed. lat. signare (eigtl. »mit einem Zeichen versehen; ein-, bezeichnen«, zu signum »Zeichen«, s. Signum). Wohl über eine vulgärlateinische Form 'segnare mit der kirchenlateinischen Bedeutung »das Zeichen des Kreuzes machen« wurde das Verb bereits zu ahd. seganön entlehnt, das über mhd. segenen »bekreuzigen, segnen« in der heutigen Lautgestalt segnen synkopiert auftritt. Eine noch frühere Entlehnung von Südgallien her hat nach Ausweis des Duden-Herkunftswörterbuchs lat. signare »zeichnen« alemann. sinnen als südwestdeutsches Heteronym von eichen (s. äquieren) ergeben. signifikant »bezeichnend, kennzeichnend, charakteristisch; wichtig, bedeutsam«: Eindeutschung des Stamms des Partizips Präsens significans, Gen. signi-

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ficantis von lat. significare »bezeichnen; andeuten, zu erkennen geben< (vgl. daraus dt. selten signifizieren »bezeichnen; anzeigen*), gebildet aus der Kompositionsform von signum »Zeichen* (s. Signum) und der abgeschwächten Form von facere »tun< (s. Fazit). Substantivisch tritt Signifikant »Bezeichnendes* in der Sprachwissenschaft neben dem Gallizismus Signifiant (vgl. Signifikat) auf, um die Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens im Sinne von E de Saussure zu benennen.

Signifikat »Bezeichnetes*: Relatinisierung von Signifié (< frz. signifié, eigtl. »bezeichnet*, Partizip Perfekt von signifier »bedeuten; zu verstehen geben*, über afrz. senefier aus lat. significare »bezeichnen*, s. signifikant). In der Sprachwissenschaft bezeichnet Signifikat als Pendant von Signifikant die Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens, das nach E de Saussure eine Einheit von Ausdruck und Inhalt, d.h. von Lautung und Bedeutung bildet.

Signum »Zeichen; verkürzte Unterschrift*: Übernahme von lat. signum »Zeichen, Kennzeichen* (urspr. »Eingeschnittenes, eingeschnittene Marke*, zu secare »schneiden*, s. Sekans), dessen Kompositionsform etwa in signi/ifcant »bezeichnend* (s. d.) auftritt. Der Ablativ Singular signo ist Bestandteil der präpositionalen Fügung in hoc signo (vinces) »in diesem Zeichen (wirst du siegen)*, die nach der Legende dem römischen Kaiser Konstantin I., dem Großen, vor seinem Sieg über Maxentius im Jahre 312 bei Rom als Inschrift eines Kreuzes (Abkürzung: I. H. S.) am Himmel erschien. Das lateinische Wort lebt in gleichbed. ital. segno fort, und auf diesem beruht der musikalische Fachausdruck Segno »Zeichen, von dem oder bis zu dem noch einmal zu spielen ist*, explizite dal segno »vom Zeichen an* (s. de1) bzw. al segno »bis zum Zeichen* (s. ad). Über die Vermutung, dass Zinken2 »Geheim-, Gaunerzeichen* von lat. signum, frz. signe »Zeichen* beinflusst oder gar daraus umgebildet worden ist, s. Zinke1. Nicht aus signum entlehnt, sondern aus mhd. segenen »bekreuzigen, segnen* (s. signieren) rückgebildet ist Segen (mhd. segen »Zeichen des Kreuzes*). Simon: Der ursprüngliche Name des Apostels Petrus gilt als eine in Anlehnung an griech. simós »stumpf, plattnasig* erfolgte Umdeutung des biblischen Namens Simeon, der selbst hebr. Schimon (eigtl. etwa »Gott hat gehört*) wiedergibt. In entsprechender Lautgestalt tritt Simon auch im Französischen und Englischen auf, vgl. ferner span. Simón, ital. Simone, russ. Semjon. Auf Simen/Siemen, einer Nebenform von Simon, bzw. auf seinem starken Genitiv beruht das Patronymikum Siemens. So lautet bekanntlich auch der Familienname des deutschen Erfinders W. V. Siemens (1816-1892), dem zu Ehren die Maß-

Single einheit des elektrischen Leitwerts Siemens (Zeichen: S) genannt wurde. Nach Ausweis von R. Köster soll im 16. Jh. ein deutscher Soldat namens Peter Siemens (hispanisiert: Pedro Ximénez) die weit verbreitete spanische Rebsorte (in der heutigen Schreibweise) pedrojiménez nach Spanien gebracht haben, auf die der Name des likörähnlichen spanischen Südweins Pedro Ximénez (s. Petrus) zurückgeht.

simpel »einfach, unkompliziert; anspruchslos; einfältig, beschränkt*: Das Adjektiv, an dessen abwertende Bedeutung das in Österreich und im Oberdeutschen gebräuchliche Maskulinum ugs. Simpel »einfältiger, beschränkter Mensch, Einfaltspinsel* anknüpft, wurde im 14. Jh. aus afrz. simple »einfach, schlicht; bescheiden; arglos; einfältig* übernommen und hat sich vom Niederdeutschen aus verbreitet. Das auch zu engl. simple entlehnte französische Wort setzt lat. simplus »einfach* fort, dessen substantiviertes Neutrum dem finanziell-wirtschaftlichen Fachwort Simplum »einfacher Steuersatz* zugrunde liegt. Aus lat. facere »tun* (s. Fazit) und der Kompositionsform von simplus wurde mlat. simplificari »vereinfachen* gebildet, das im 18. Jh. dt. simplifizieren lieferte. Als Grundlage des lateinischen Wortes erschließt man idg. *smplos »einteilig, einfach*, aus dem auch gleichbed. griech. haplóos »einzeln, einfach* etwa im sprachwissenschaftlichen Terminus Haplo/ogze »Vereinfachung zweier gleich oder ähnlich klingender Silben (etwa Zauberin statt Zaubererin)< (vgl. Logo) hervorgegangen ist. Die indogermanische Grundlage *smplos setzt sich aus der auch in lat. similis m./f., simile n. »gleich* (s. Faksimile) vertretene Nullstufe von idg. *sem- »eins, in eins zusammen* (vgl. die o-Stufe in gesamt, s. d.) und dem unter Double aufgeführten Kompositionselement -plus/-plex »-fach* zusammen. Sofern in etymologischen Angaben über dt. simpel und frz. simple vielfach auf lat. simplex als deren Quelle verwiesen wird, ist in Anbetracht der obigen Ausführungen zusammenfassend festzuhalten, dass die gleichbedeutenden Latinismen simplus und simplex »schlicht, einfach; einfältig* (ebenso wie duplus und duplex »doppelt, zweifach*) Derivationsvarianten darstellen, weshalb sie weder im Lateinischen noch in romanischen Fortsetzern und in Entlehnungen daraus als etymologisch identische Dubletten interpretierbar sind. Single1 m. »jemand, der ohne feste Bindung an einen Partner lebte Übernahme von engl. single »einzeln* (über afrz. sengle aus gleichbed. lat. singulus, vgl. Singular). Dieses gelangte eigentlich mit drei spezifischen Bedeutungen ins Deutsche und bekam jedes Mal aufgrund der sog. semantischen Analogie ein neues Genus zugewiesen, so dass infolge einer derartigen Wortspaltung drei morphosemantische Dubletten entstehen konnten. Das maskuline Genus von Single1 richtet sich offensichtlich nach dem Geschlecht

Singular von Junggeselle, das feminine von Single2 >kleine Schallplatte mit nur je einem Titel auf Vorder- und Rückseite; CD mit nur einem Titel* eindeutig nach dem von Schalplatte wie das neutrale von Single3 »Einzelspiel (zwischen zwei Spielern) im Tennis oder Badminton bzw. Zweierspiel im Golf< nach dem von Spiel/(Einzel)spiel. Singular/veraltet Singularis »Einzahl*: Wie der zweiten Variante zu entnehmen ist, stellt der sprachwissenschaftliche Fachausdruck Singular, der als Zahlform des Nomens oder Verbs anzeigt, dass es sich im Gegensatz zu Plural >Mehrzahl< (s. d.) um eine einzelne Person oder Sache handelt, Deglutination aus Singularis dar. Dieses ist durch Ellipse aus der gleichbedeutenden lateinischen Fügung numerus singularis entstanden, die gebildet ist aus numerus (s. Numero) und dem attributiv gebrauchten Adjektiv singularis m./f., singulare n. »vereinzelt, zum Einzelnen gehörig< (zu singulus »einzeln*, s. Single1). Dessen Neutrum tritt auf in der Zusammenrückung Singularetantum »nur im Singular vorkommendes Substantiv* (aus lat. singulare tantum, Plur. singularia tantum »nur Einzahl habend*, s. tanto). Französierend (nach dem Muster tatsächlicher Gallizismen wie ordinär, s. d.) ist das Adjektiv selbst zu dt. singulär »vereinzelnd vorkommend; einzigartig* umgestaltet worden, wobei man Beeinflussung durch gleichbed. frz. singulier (mit Suffixersatz aus afrz. singuler umgeformt) nicht anzunehmen braucht.

Sinter »durch Ablagerung aus fließendem Wasser entstandenes poröses (Kalk)gestein, Tropfsteine Diese seit etwa 1700 geläufige Bedeutung des Wortes ist aus der älteren »(glühende) Metallschlacke; Hammerschlag* von mhd. sinter/sinder, ahd. sintar entstanden, das sich mit aengl. sinder, anord. sindr aus germ. *sendra »Schlacke, Abfall von Metall* ableiten lässt. Die 1917 von V. Brondal geäußerte und von E. Seebold zitierte Annahme, der Germanismus, der übrigens mit seinen Entsprechungen in slawischen Sprachen von W. Pfeifer auf idg. *sendhro-, *sendhrä »geronnene, sich verdichtende Flüssigkeit* zurückgeführt wird, gehöre mit regionaler (umbrischer) Aussprache zu lat. cinis, Gen. cineris »Asche* (s. Zinerarium), hat zwar keinen Anklang gefunden, doch unter Einfluss des aus dem Latinismus hervorgegangenen frz. cendre »Asche* ging man seit dem 16. Jh. bei der Schreibung von engl. sinder zu cinder über. Das ist der Grund, dass der ins Deutsche übernommene englische Kognat von Sinter in der eigenartigen Lautform Zinder »ausgeglühte Steinkohle* adaptiert worden ist.

Skala: Das in seiner Hauptbedeutung »Maßeinteilung an Messgeräten* auch in der völlig eingedeutschten Variante Skale auftretende und sonst im Sinne von

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»Stufenfolge, Reihe; Tonleiter* gebrauchte Fremdwort stammt über ital. scala »Treppe, Leiter* aus gleichbed. lat. scala, meist Plur. scalae (zu scandere »steigen, besteigen*). Seine Ausgangsform bewahrt es im Namen des von G. Piermarini an der Stelle der Kirche »»Santa Maria della Scala« erbauten und 1778 eröffneten Mailänder Opernhauses Scala (eigtl. Teatro alla Scala). Der französische Reflex des Latinismus échelle »Leiter* liegt im veralteten Echelle »Leiter; Maßstab; gleitende Lohnskala; Tonleiter* vor.

Skart österr. »Kiloware*: Der philatelistische Fachausdruck beruht auf ital. scarto »Ausgesondertes, Abgelegtes; Ausschussware* (zu scartare »aussortieren, wegschmeißen; ablehnen; Karten ablegen, wegwerfen*, zu carta »Papier; [Spieljkarte*, s. Charts). Mit demselben Wort nannte man die zwei abgelegten Karten in einem bestimmten Kartenspiel, die der Solospieler aufnehmen und austauschen kann, vgl. tirol. Skartkarte. Der Name dieses eigenartigen Talons wurde im Deutschen auf das Spiel selbst übertragen (vgl. Tarock), allerdings mit vokalisiertem r: Skat. Skelet/Skelett 1 n. »Gerippe, Gerüste Die in der Medizin noch gebräuchliche Variante Skelet ist aus Skeleton deglutiniert, wurde jedoch in der Praxis von durch gleichbed. frz. squelette formal beeinflusstem Skelett (dazu homonym Skelett2 f. »aus relativ dünnen Strichen bestehende Schrift*) zurückgedrängt. Quelle des deutschen und französischen Wortes ist griech. skeleton (sòma) »Mumie, Knochengerippe*, wörtl. »ausgetrockneter (Körper)* (zu skéllesthai »vertrocknen, ausdörren*). Dessen volle Form hält sich in engl. skeleton »Skelett, Gerüst, Gestell, Rahmen*, das als Bezeichnung des in Bauchlage gefahrenen Sportrennschlittens anfangs betontes dt. Skeleton lieferte. Die Kompositionsform des Gräzismus ist Bestimmungswort im medizinischen und biologischen Terminus Skeletotope »Lagebeziehung eines Organs zum Skelett* (Grundwort zu griech. tópos »Ort, Stelle*).

Skenographie »altgriechische Bühnendekoration*: Systematische Eindeutschung der griechischen Zusammenbildung skenographia »Kulissenmalerei*, die aus der Kompositionsform von skèné »Bühne* (s. Szene) und dem Verb gräphein »schreiben; malen, zeichnen; ritzen* (s. Gramm) bzw. dem darauf beruhenden Wortbildungselement mit der Bedeutung »Beschreibung, graphische Darstellung* -graphie besteht. Eine veraltete etymologische Dublette von Skenographie stellt lautlich an Szene angeiehntes Szenographie »Filmbildnerei, Entwurf und Ausführung der Dekorationen im Film* dar (zu einem analogen Dublettenpaar s. Kerographie). Skizze f. »(erster) Entwurf; flüchtig entworfene Zeichnung; sich auf das Wesentliche beschränkende litera-

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rische Darstellung*: Im 17. Jh. wie gleichbed. niederl. skets übernommen als Fachwort der bildenden Kunst aus ital. schizzo m. (eigtl. »Spritzer, Strich*), das lautnachahmenden Ursprungs ist oder über lat. schedium >ein aus dem Stegreif verfertigtes Gedicht* aus griech. schédios »unvorbereitet, improvisiert (eigtl. »nahe liegend*) zurückgeht. Das zunächst auch im Deutschen als Maskulinum auftretende Fremdwort wurde wohl nach herkunftsgleichem frz. esquisse (daraus veraltet Esquisse »Entwurf*) in Femininum umgewandelt. Aus niederl. schets oder dt. Skizze entlehntes engl. sketch »Entwurf, Skizze; Kurzgeschichte* ergab auch als Bezeichnung für eine kurze, effektvolle Bühnenszene mit meist witziger Pointierung dt. Sketch/Sketsch.

Sohle Angreifer spritzt, stammt aus der nordamerikanischen Indianersprache Algonkin. Das zwei Pluralformen - Skunks und Skunke - bildende Maskulinum dient ferner zur Bezeichnung des Fells eines Skunks und des daraus hergestellten Pelzes. Fachsprachlich tritt jedoch der singularisierte englische Plural Skunks (Plur. Skunkse) ebenfalls als Maskulinum auf und bezeichnet den aus Skunkfell hergestellten, meist zu Besätzen verarbeiteten Pelz. Societas »im römischen Recht der formlos geschlossene Gesellschaftsvertrag zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks*: Im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte adäquate Übernahme von lat. societas, Gen. societatis (eigtl. »Gemeinschaft, Verbindung; Handelsgenossenschaft*, Abstraktum zu socius »gemeinsam*, s. Sozius), vgl. auch den Namen des Ordens der Jesuiten Societas Jesu (wörtl. »Gesellschaft Jesu*, s. Joschua). Über seinen französischen Reflex société »Gesellschaft* (vgl. den Exotismus Société anonyme, französische Bezeichnung für Aktiengesellschaft, s. anonym) oder durch die reguläre derivative Substitution lat. -tas > dt. -tät (s. Aktivitas) entlehnt ist das Fremdwort Sozietät »Gesellschaft; Genossenschaft* als soziologischer, biologischer und juristischer Fachausdruck. Durch französische Vermittlung ist der Latinismus auch im Englischen integriert worden: society »Gesellschaft*, woraus der im Deutschen üblicherweise in der attributiven Wortfügung bzw. Zusammenrückung High Society/Highsociety auftretende Anglizismus Society »gesellschaftliche Oberschicht, die vornehme Gesellschaft, die große Welt* (zur ersten Komponente s. hoch). Der Hispanismus sociedad »Gesellschaft, Verein* sollte zumindest den Fußballfans aus dem Namen des Fußballklubs Real Sociedad (eigtl. »königlicher Verein*, s. Regal) bekannt sein.

Sklave: Das Wort (mhd. slave »Sklave*, nach M. Lexer eigtl. »kriegsgefangener Slawe*, spätmhd. sclave »Unfreier, Knecht*) ist eine Entlehnung von gleichbed. mlat. slavus/sclavus, das sich nach der gängigen Etymologie über mgriech. skläbos »Sklave; Slawe* aus der herkunftsmäßig nicht geklärten Eigenbenennung der Slawen urslaw. *slovène »Slawen* herleitet. Dabei geht nach dem Duden-Herkunftswörterbuch die appellativische Bedeutung »Sklave* auf den Sklavenhandel im mittelalterlichen Orient zurück, dessen Opfer vorwiegend Slawen gewesen sein sollen. E. Seebold schließt sich dagegen der Ansicht an, dass mlat. sclavus über *scylavus zu griech. skyleüo »ich mache Kriegsbeute* (zu griech. skylon »Kriegsbeute*) gehört, mit dem die griechische Bezeichnung der Slawen, mgriech. Sklabènoi, später zusammenfiel, was zu verfehlten etymologischen Vermutungen Anlass gab. Trotz dieser nicht geringfügigen Deutungsnuance erweisen sich auf die Eigenbenennung der Slawen direkt oder indirekt zurückgehendes dt. Sklave und über mlat. Sclavus/Slavus aus derselben Quelle stammendes Slawe letztendlich als herkunftsgleich, d.h. als etymologische Dubletten. Aus mlat. sclavus Socke f.: Das einstige Maskulinum mhd. soc/socke, ahd. hervorgegangen sind gleichbed. ital. schiavo und soc/socko (vgl. heute noch gleichbed. südd., österr., (a)frz. esclave. Die venezianische Lautform sciavo Schweiz. Socken m. als regionale morphologische Vavon ital. schiavo wurde in der Gemeinsprache zu ciao riante von Socke) zählt zu den ältesten lateinischen lautlich modifiziert und ebenso wie bair.-österr. Lehnwörtern im Deutschen. Seine Vorlage lat. soccus (Ihr) Servus »(Ihr) Diener* in ein Begrüßungswort »leichter griechischer Schlüpfschuh*, das aus dem umgewandelt, aus dem ciao, eingedeutscht auch Griechischen stammt und wohl orientalischen Urtschau »tschüs!, hallo!* stammt. Über afrz. esclave sprungs ist, präsentiert sich außerdem im Historiswurde im 13. Jh. engl. slave »Sklave* entlehnt, das im mus Soccus »leichter, niedriger (Frauen)schuh der Deutschen als EDV-Terminus verzeichnet ist: Slave Antike (als Fußbekleidung des Komödienschauspie»untergeordnete Einheit bei informationsverarbeilers Gegenstück zum Kothurn des tragischen Schautenden Systemen* bzw. in Master-Slave-System »Aufspielers)*. Da diese Schuhe vielfach aus Stoff hergegabenteilung in Rechnersystemen, bei der einem stellt wurden, konnte sich nach E. Seebold die größeren Rechner mindestens ein kleinerer, zuverBedeutung »kurzer Strumpf* entwickeln. lässig arbeitender Rechner zugeteilt wird* (eigtl etwa. »Meister-Knecht-System*, vgl. Magister). Sohle: Das Wort Sohle ist ebenso wie Socke von den Römern übernommen, nämlich aus vlat. *sola (dem Skunk m.: Der Name des in Amerika heimischen, auf singularisierten Plural des lateinischen Neutrums Deutsch auch Stinktier genannten Marders, der aus solum »Erdboden; Grundfläche; Fuß-, Schuhsohle*), Stinkdrüsen am After ein übel riechendes Sekret auf

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Sohn das ahd. sola »Fußsohle*, mhd. sol/sole nunmehr auch bergmännisch zur Bezeichnung der Grundfläche eines Stollens ergab. Aus lat. solum stammt frz. sol »Boden* etwa in sous-sol »Untergeschoss, Kellerwohnung< (> gleichbed. Schweiz. Soussol, s. sotto), während frz. seuil >Schwelle< aus vlat. *solium, einer Kreuzung von solum und solea >GrundlageErdboden< entsprungen, das in der Fügung Soilerosion als englische Bezeichnung für Bodenerosion im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet ist.

Sohn: Die heutige Lautung des Verwandtschaftsnamens hat sich aus mhd. sun, ahd. sunu entwickelt, das zusammen mit dän. son, norw. sonn und den homographen schwed. son und engl. son über germ. *sunu- zurückgefuhrt wird auf den indogermanischen u-Stamm *snnu-/*sünu- >Sohn< (zu *sen- »gebären*, also eigtl. >GeborenerSonneAltan, Raum unter dem Dach< und mhd. sölre/solre/soller/sulre >Boden über einem Gemach oder Haus; Vorplatz; Flur im ersten Stockwerk; Laube; Saal< nhd. Söller »offener, umlaufender Balkon, AltanDachbodenFußbodenAnlage für künstliche Sonnenbäder unter UV-Bestrahlung*.

Sold >Entgelt des Soldaten*: Das Substantiv (mhd. solt >Lohn für geleistete Dienste, BezahlungMünze; Entlohnunghöchste Frauen- und Knabenstimme; Sopransängerin; Sopranpartie* in diesem Zusammenhang ist insofern gerechtfertigt, als seine Vorlage ital. soprano >darüber befindlich* (substantivisch eigtl. >Oberer*) nicht auf aus ital. sopra/sovra >oben* bzw. aus dessen Quelle lat. supra »oben* (s. Supra) gebildetes vlat. *supranus >oben befindlich* zurückgeht, sondern eine Nebenform von ital. soverano >oberer, höher* darstellt und somit aus vlat. *superanus hervorgegangen ist. Sozius >Geschäftsteilhaber; Motorradbeifahrer*: Im 17. Jh. als Fachwort des Wirtschaftslebens (parallel dazu aber auch im Sinne von »Begleiter, Gefährte; Hilfslehrer*) entlehnt aus lat. socius »Gefährte; (Bundesgenosse; Teilnehmer*, einer Substantivierung von socius »gemeinsam; verbündet* (zu sequi »folgen*, s. konsequent). Auf der Kompositionsform des lateinischen Nomens beruht das Wortbildungselement sozio-ZSozio- »gesellschaftlich; eine soziale Gruppe oder Gemeinschaft betreffend* etwa in Sozio/ogze als Wissenschaft zur Erforschung komplexer Erscheinungen und Zusammenhänge in der menschlichen Gesellschaft (vgl. Logo). Der Genitiv Singular von lat. socius ist Attribut im rechtswissenschaftlichen Fachausdruck Animus Socii »Gehilfenwille* (eigtl. »Wille des Gefährten*, s. Animo). Als Pendant zu Sozius »Beifahrer* (semantische Innovation des 20. Jh.) gebraucht man vor allem scherzhaft Sozia »Beifahrerin auf einem Motorrad oder -roller*, das sich mit lat. socia, dem Femininum zu socius, formal deckt.

Spagat »Bindfaden*: Bairisch-österreichischer Regionalismus, der über älter Spaget auf ital. spaghetto, Plur. Spaghetti »dünner Bindfaden* (Diminutiv zu spago »Schnur*) zurückgeht. In seinem Plural ist das italienische Wort als Bezeichnung für die landestypische Speise Spaghetti '/Spagetti1 »lange, dünne, schnurartige Nudeln* international bekannt geworden. Danach hat sich in der deutschen Umgangssprache das Maskulinum SpaghettP/Spagetti2 als abwertende Bezeichnung für Italiener eingestellt. spät: Das Adjektiv, Repräsentant des gleichbedeutenden germanischen ja-Stamms *spä>di-, lautete im Alt- und Mittelhochdeutschen spati bzw. spcete. Als Adjektivadverb fungierte daneben ahd. spato, das in mhd. späte

umlautlos blieb, im Frühneuhochdeutschen und danach gelegentlich attributiv und prädikativ mit spät(e) konkurrierte, dann aber von diesem praktisch verdrängt wurde. Heute gilt spat im allgemeinen Sprachgebrauch als veraltet, landschaftlich findet es dagegen weiterhin Verwendung, und zwar hauptsächlich in der Bedeutung »abends, am (späten) Abend* (zur Begründung der Duplizität bei Adjektiv und einstigem Adjektivadverb s.fest und vgl. schön).

Spatel: Ebenso wie die durch c/z-Einschub gekennzeichnete (vgl. analog Schachtel unter Schatulle), im 16. Jh. aufgekommene und zunächst nur im Bairischen übliche Variante Spachtel entlehnt im 15. Jh. über ital. spatola »Schäufelchen (der Apotheker und Maler)* oder unmittelbar aus lat. spat(h)ula »kleiner Rührlöffel* (Diminutiv von spatha »Rührlöffel; Degen u.a.*, s. Spatha). Heute sind beide Wörter vielfach semantisch differenziert: Spachtel ist ein Werkzeug der Handwerker, Spatel eines der Ärzte und Apotheker. Spatha »zweischneidiges Langschwert der Germanen und der römischen Reiterei*: Das Fremdwort, das nicht nur als Historismus, sondern auch übertragen im Sinne von »Blütenscheide kolbiger Blütenstände* verwendet wird, geht über lat. spatha »Degen, Schwert; Rührlöffel; Weberholz; Schulterblatt* auf griech. spàthè »flaches Werkzeug; Weberholz; Rührlöffel; Ruder-, Schulterblatt; Klinge, Schwert* zurück, welches wohl mit germ. *spadön »Spaten* und somit mit darauf beruhendem dt. Spaten urverwandt ist. Romanische Reflexe von lat. spatha als Waffenbezeichnung sind ital. spada, span, espada, frz. épée »Schwert, Degen*, vertreten im Deutschen entsprechend von den Dubletten Spada »degenähnliche Fechtwaffe*, Espada (metonymisch schon im Spanischen für) »Stierkämpfer, der den Stier mit einem Stoßdegen tödlich verwundet* und - gebunden - Portepee »Degen-, Säbelquaste* (aus frz. porte-épée »Degengehenk*, zu porter »tragen* + épée). Spatium »schmales Ausschlussstück; Zwischenraum (z.B. zwischen Notenlinien)*: Der Terminus des Druckwesens gibt adäquat lat. spatium »(Zwischen)raum; Weite* wieder. Das lateinische Wort (mittellateinisch auch spacium) ergab über (a)frz. espace unter Weglassung des e-Vorschlags engl. space »(Welt-, Zwischen)raumLeerzeichen< üblich sein. Spätzlein dicht. »kleinerjunger Spatz«: Diminutiv von Spatz, gebildet regelrecht mit dem auf mhd. -lin zurückgehenden und hauptsächlich im Oberdeutschen gebräuchlichen Suffix -lein. Eine Mehlspeise, die aus kleinen, länglichen Klößen bestand und im 18. Jh. Wasserspatzen hieß, ist heute mit seinem schwäbischen Namen Spätzle (in der Schweiz: Spätzli, vgl. Knöpfli unter Knöpflein) allgemein bekannt. Im Gegensatz zu E. Seebolds vorsichtiger Äußerung, der Plural Spatzen für die besagte Mehlspeise sei möglicherweise ein Ausdruck für »Klumpen« (wie Batzen, Butzen), wird generell angenommen, dass es sich bei Spatzen/Spätzle/Spätzli im eine Metapher handelt. Demnach sind Spätzle/Spätzli als regionale Lautvarianten von Spätztlein, deren Auslaut sich aus mhd. -lin durch Weglassung des Nasals jeweils zu nicht diphthongiertem Schweiz, -li bzw. - über le™ zu schwäb. -le entwickelt hat, in Anbetracht ihrer zusätzlichen Bedeutung zu etymologischen Dubletten von Spätzlein geworden.

Special >Sondersendung zu einem aktuellen Thema; Fern- oder Rundfunksendung, in der eine Persönlichkeit, eine Gruppe oder ein Thema im Mittelpunkt steht«: Das Fremdwort, enthalten auch in Specialeffect/Special Effect »besonderer Bild- oder Toneffekt zur Dramatisierung des Handlungsablaufs in Actionfilme™ (s. Effekt), basiert auf engl. special »Sonder-, besonder, extras das aus lat. specialis »besonderer Art, eigentümlich«, spätlat. »vertraut« (Ableitung von species »Aussehen, Anblick; Vorstellung, Begriff; Art; Eigenheit«, zu specere »spähen, schauens vgl. Spekulum, Inspektor) stammt. In adäquater Form tritt dieses auf im juristischen Fachausdruck Lex specialis »Sondergesetz, das der Lex generalis übergeordnet ist« (s. Lex). Anstelle des im 15. Jh. aus specialis entlehnten Archaismus spezial »besonder, eigentümlich, einzeln< gebraucht man seit dem 18. Jh. die französierende Bildung speziell, jenes fungiert aber weiterhin als Bestimmungswort von Komposita wie Spezialgebiet, -geschäft u.dgl. Veraltet ist ebenfalls der substantivierte Plural Spezialien »Besonderheiten, Einzelheiten«, und die auf die lateinische maskuline Substantivierung specialis »besonderer Freund« zurückgehende Eindeutschung Spezial wurde im Süddeutschen und Österreichischen durch die Fragmentierung Spezi’ m. »Busenfreund« ersetzt. Homophones ugs. Spezi2 n. »Mischgetränk aus Limonade und Cola« gilt als Kürzung aus Spezialmischung, ist aber im Hinblick auf sein neutrales Genus an Getränk angelehnt. Im Okkasionalismus Kopßallspezi scheint sich andererseits eine Kopffragmentierung von Spezialist an-

Spekulum zubahnen, die allerdings außerhalb der obigen Dublettenreihe liegt. Speiche: Die Vorformen des Substantivs mhd. speiche, ahd. speihha werden mit seinen Kognaten asächs. spèka, aengl. späca auf westgerm. *spaikön »Speiche« zurückgeführt, das wohl mit spitz entfernt verwandt ist und zunächst etwa »langes zugespitztes Holzstück« bedeutet hat. Anhand von nigunspetze »neunspeichig« erschließt E. Seebold afries. *späke, das er für herkunftsgleich mit ahd. speihha hält und daher das im Bereich des Seewesens gebrauchte Fachwort Spake »die über das Steuerrad hinausgehenden Speichengriffe« für ursprünglich friesische Form des Wortes Speiche (an sich also für dessen etymologische Dublette) erklärt. Zu bemerken ist, dass die üblicherweise aufgefuhrte Bedeutung »Hebel, Hebebaum, als Hebel dienende Holzstange« von Spake die nach Ausweis von F. Kluges Untersuchung der Seemannssprache schon Anfang des 19. Jh. verzeichnete »Vorrichtung zum Heben des Ankers« reflektiert, wohingegen »Handgriff am Steuerrad« erst seit 1903 im Hochdeutschen begegnet.

Speise: Über ahd. spisa, mhd. spise »Kost, Lebensmittel, Proviant; eigene Haushaltung« übernommen aus mlat. spèsa/spensa »Ausgaben, Aufwand; Nahrung« für spätlat. expensa »Aufwand, Kosten«, im klösterlichen Latein auch »Lebensunterhalt, Proviant« (zur Semantik vgl. Kosten und Kost, s. d.). Dies ist eine Substantivierung von expensa, der femininen Form des Partizips Perfekt expensus von expendere »abwägen; auszahlen, ausgeben« (s. spenden, vgl. Pensum), die wohl aus der Fügung expensa pecunia »ausgegebenes Geld« verselbständigt worden ist. Im Mittelalter entwickelte das Lehnwort sondersprachliche Bedeutungen wie »Metalllegierung; Mineralmischung; Mörtel«, vgl. heute noch das Kompositum Glockenspeise und im Fränkischen und Alemannischen übliches Speis1 m. »Mörtel«. Ebenso apokopiert wie Letzteres tritt im Bairisch-Österreichischen Speis2 f. auf, das eine umgangssprachliche bedeutungsgleiche Kopfisolierung aus Speis(e)kammer darstellt. Über ital. spese, den Plural des Femininums spesa »Ausgabe, Aufwand«, gelangte im 17. Jh. dasselbe lateinische Wort in die Kaufmannssprache: Spesen »die bei der Erledigung eines Geschäfts anfallenden Auslagen, welche vom Arbeitgeber erstattet werden«. Als eingedeutschter Plural ist der Latinismus in seiner ursprünglichen Lautform im Fremdwort Expensen »(Gerichts)kosten« vertreten.

Spekulum »mit einem Spiegel versehenes röhren- oder trichterförmiges Instrument zum Betrachten und Untersuchen von Hohlräumen und Organen«: Der medizinische Fachausdruck ist aus lat. speculum »Spiegel« (zu specere »spähen, schauen«, vgl. Special,

spenden Inspektor) eingedeutscht» graphisch adäquat wird es andererseits in dem literarischen Historismus Speculum >Titel von spätmittelalterlichen Kompilationen theologischer» lehrhafter und unterhaltender Art< wiedergegeben. Das lateinische Wort wurde eigentlich zuerst zu ahd. spiagal/spiegal entlehnt, und zwar diphthongiert aus einer vulgärlateinischen Vorlage *speglum (zum analog verlaufenden Lautwandel s. Brief). Über mhd. spiegel lebt es heute von neuem monophthongiert in Spiegel fort.

spenden >für einen bestimmten Zweck schenken*: Zunächst im Sinne von »als Geschenk austeilen, Almosen geben* setzt das Verb mhd. spenden, ahd. spentön fort. Dies ist wie engl. to spend »ausgeben» verbrauchen, verbringen* entlehnt aus mlat. spendere »ausgeben, verausgaben, aufwenden*, das selbst durch Aphärese auf lat. expendere »abwägen; auszahlen, ausgeben* (eine mit ex- »aus* gebildete Präfigierung von pendere »abwägen; schätzen; zahlen*, s. ex, Pensum, vgl. Speise) beruht. Seit dem 17. Jh. bezeugt ist die wohl studentische Innovation spendieren »großzügig ausgeben, freihalten*, welche eher einen Rückgriff auf die mittellateinische Vorlage denn irgendeine Intensivierung, Weiterbildung, Romanisierung u.dgl. von spenden darstellt. S. auch Spind.

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aengl. spell »Erzählung, Rede» Zauberspruch* bzw. des Grundwortes von Gospel (s. gut) ist. Beispiel führt zwar ahd. btspel »belehrende Erzählung, Gleichnis* (eigtl. »nebenbei, dazu Erzähltes*, vgl. bei unter um) fort, seine heutige Bedeutung verrät jedoch Beeinflussung durch lat. exemplum »Muster, Vorbild; Gleichnis*. Die Bedeutung von mhd. kirchspel/kirchspil »Pfarrbezirk* (vgl. Kirche) lässt nach Duden-Herkunftswörterbuch annehmen, dass sie sich wohl aus »Kirchenpredigt(bezirk)* entwickelt hat.

Spind »Kleider-, Vorratsschrank*: Im 16. Jh. durch die Soldatensprache in die Literatursprache aufgenommen aus dem Mittelniederdeutschen, in dem spint »Reliquienschrein, kastenähnlicher Behälter, kleiner Schrank* ebenso wie Spinde »Vorratsbehälter, Schrank* aus mlat. spinda/spenda »Ausgabe, Almosengabe an die Armen in den Klöstern; (zum Austeilen vorgesehener) Vorrat; Vorratsraum, Speisekammer* (zu spendere »ausgeben, verbrauchen*, woraus dt. spenden, s. d.) stammt. Aus mlat. spenda entlehnt und nicht ihm nachgebildet ist höchstwahrscheinlich ahd. spenda »Austeilung*, mhd. spende »Geschenk, Gabe, Almosen sowie die Austeilung desselben*, das heute in Spende fortlebt.

Spica »Ähre; Verband in Form einer Kornähre*: Der botanische und medizinische Fachausdruck gründet sich auf lat. spica »Ähre; Büschel* (dazu als Räumlichkeitsbezeichnung spicarium »Gebäude zur Aufbewahrung von Getreide*, das in voralthochdeutscher Zeit entlehnt wurde und über ahd. spihhari, mhd. spi eher das weit geläufigere Lehnwort Speicher lieferte). Aus der mittellateinischen Fügung spica nardi (Attribut: lat. nardus »Narde*) herausgelöst wurde frühnhd. Spieke, das als Name verschiedener wohlriechender Pflanzen wie Lavendel, Baldrian, Primel in Gestalt des diphthongierten oberdeutschen Regionalismus auf Speik zurückgedrängt wurde. Ähnlich wie J. Picoche ist E. Seebold geneigt, den etymologisch umstrittenen Gallizismus Aspik (urspr. »Konzentrat aus Fleischsoße, Fond*) als Übertragung aus der Bezeichnung des ätherischen Öls des Lavendels (lat. lavandula spica) zu betrachten, weil es sich in beiden Fällen um wichtige Essenzen handele, was jedoch genau wie die unter Aspiden dargelegte häufigere Anknüpfung an frz. aspic »ägyptische Kobra* weiterhin im Rahmen der Vermutungen bleiben muss.

spiritual »auf den (Heiligen) Geist bezogen; geistig; übersinnlich*: Wie die Substantivierungen Spiritual1 m. »Seelsorger, Beichtvater in katholischen Seminaren und Klöstern*, Spirituale m. »Angehöriger einer strengen Richtung der Franziskaner im 13./14. Jh.< und Spiritualien Plur. »geistliche Dinge des kirchlichen Lebens* beruht das Adjektiv spiritual auf lat. spiritualis »geistig* (eigtl. »zur Luft, zum Atem gehörend*, eine Ableitung von spiritus »Hauch, Atem; Geist*, s. Spiritus1), vgl. dessen Ablativ Plural in der Fügung in spiritualibus »in geistlichen Angelegenhei ten* (s. in). Über (a)frz. spirituel ist zum anderen spirituell »geistig; geistlich* entlehnt, in dessen Funktion gelegentlich auch spiritual auftritt. Aus der altfranzösischen Form stammt ferner gleichbed. mengl. spirituel, später zu engl. spiritual relatinisiert. Seine amerikanische Substantivierung (Negro) spiritual lieferte dt. Spiritual2 n./m. »geistliches Lied der Schwarzen im Süden der USA* (auch Negrospiritual, s. Neger) im Gegensatz zu seiner attributiven Verwendung im Amerikanismus spiritual songs und daher in Spiritual Songs »geistliche Hymnen und Gesänge der weißen Amerikaner* (s. Song).

-spiel: Grundwort in Beispiel und wahrscheinlich in Kirchspiel, in denen es durch volksetymologische Anlehnung an nicht verwandtes Spiel lautlich umgewandelt worden ist aus -spei = mhd., ahd. spei »Erzählung, Gleichnis*. Dieses beruht auf germ. *spella»überlieferte Geschichte*, das auch die Quelle von

spirituos/spirituös »stark alkoholisch; geistig*: Das selten vorkommende Adjektiv ist zum Teil durch französische Vermittlung entlehnt aus mlat. spirit(u)osus »geistreich; sanguinisch; Weingeist enthaltend*, das zu lat. spiritus »Geist* (in der Sprache der Alchimisten auch »Weingeist*, s. Spiritus1) gebildet und in

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französischen Texten seit dem 16. Jh. mit der medizinisch-physiologischen, seit dem 17. Jh. mit der alchimistischen Bedeutung bezeugt ist. Vom 18. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde im Deutschen der substantivierte Plural des Neutrums Spirituosa möglicherweise als Relatinisierung des französischen Plurals spiritueux gebraucht, wonach sich die eingedeutschte Form Spirituosen als Bezeichnung für die hauptsächlich durch Destillation gewonnenen alkoholhaltigen Getränke durchsetzt. Die italienische Vertretung des Latinismus spiritoso »geistvoll, lebhaft; alkoholhaltig< wurde als musikalische Vortragsanweisung in Anlehnung an spirituos in der Lautung spirituoso »geistvoll, feurig< übernommen. Spiritus1 m. »Hauch, Atem; Geiste Das Fremdwort, enthalten in Fügungen wie Spiritus familiaris »guter Geist des Hauses; Vertrauter der Families Spiritus Sanctus, woraus die Lehnübersetzung Heiliger Geist (s. Sanctus, Geist1), gibt gleichbed. lat. spiritus (zu spirare »hauchen, blasen, atmendreieckige Flagge« anzuknüpfen, das man sonst aus mnd. stender »stehender Gegenstand, Ständen unter Beeinflussung durch Standarte herzuleiten pflegt. Über die Abstammung des heute étendard lautenden französischen Wortes (daraus veraltet Etendard »Standarte, Fahne, Feldzeichen«) bestehen auseinander gehende Vermutungen: Ableitung von afrz. estendre »ausstrecken, ausdehnen« (Fortsetzer von gleichbed. lat. extendere) mit dem Suffix -ard (< ahd. -hart); aus substantiviertem afränk. *standhard »standfest« als Bezeichnung für fest in die Erde eingerammte, an Stangen befestigte Fahnen, die weithin sichtbar dem kämpfenden Heer als Orientierungs- und Sammelpunkt dienten; aus afränk. ^standard »Aufstellungsort« bzw. »die um eine Fahne sich sammelnden Soldaten« und schließlich »Fahne, Fähnlein«. Sollte die letztere Annahme zutreffen, dann ließe sich seit dem 17. Jh. bezeugtes Standort als etymologisch adäquate Dublette der obigen ansehen.

Stapfe f. /Stapfen m. »Fußspur«: Die beiden meist im Plural vorkommenden morphologischen Varianten setzen zusammen mit dem gleichbedeutenden, außer Gebrauch gekommenen Stapf m. jeweils ein schwach und ein stark flektierendes Maskulinum mhd. stapfe »Tritt; Fußspur«, ahd. stapfo »Schritt« bzw. stapf »Schritt« (zu einer analogen Parallelität s. Garten) fort. Es handelt sich also um zwei alternierende Verbalabstrakta zu germ. *stapja- »treten, stapfen«, neben denen ein i-Stamm engl. step »Schritt« ergeben hat. Aus diesem stammt das Fremdwort Stepp »zweiter Sprung beim Dreisprung; artistischer Tanz, bei dem der Rhythmus durch Klappen mit den Fußspitzen und Hacken hörbar gemacht wird« als in der Stammbildung differierende Dublette der Varianten Stapfe/Stapfen (vgl. auch Quickstepp »schneller Foxtrott«, Sidestepp »Seitenschritt beim Boxen« sowie die schnellen Tänze One- und Twostepp, eigtl. »Ein- bzw. Zweischritt«, s. entsprechend keck, Seite, ein1, zwei). Infolge eingetretener Verschwommenheit der Morphemgrenze im Kompositum Fußstapfe (mhd. vuozstapfe, ahd. fuozstapfo) entstanden über Fußtapfe die parallelen Lautformen Tapfe f./Tapfen m. »Fußspur«. Station »Aufenthalt; Haltestelle, Bahnhof; Abteilung eines Krankenhauses; Standort technischer Anlagen«: Im 15. Jh. in der Form stacion/station und in der religiös-kirchlichen Bedeutung »das Anhalten bei Prozessionen« entlehnt aus mlat. statio, Gen. stationis »(Still)stehen; Standort, Aufenthaltsort« (zum Partizipialstamm von lat. stare »stehen« gebildetes Verbalabstraktum, s. Status). Mit englischer Aussprache ist

stattlich der Latinismus bezeugt im Fremdwort Workstation »an ein lokales Netz angeschlossener Computer, der besonders beim Einsatz und bei der Entwicklung umfangreicher Systeme von Programmen benötigt wird« (s. Werg). Neben aus dem Mittellatein übernommenem stazione »Haltestelle, Bahnhof; Beobachtungsstelle« existiert im Italienischen aus dem Vulgärlatein ererbtes und als etymologische Dublette fungierendes stagione »Saison, Jahreszeit«, die den Exotismus Stagione »Spielzeit italienischer Operntheater; Ensemble eines italienischen Operntheaters« nunmehr als Dublette von Station im Deutschen lieferte. Statt »Stelle, Platz, Ort«: Das heute nur noch in der gehobenen Sprache und als Grundwort in Zusammensetzungen gebräuchliche Substantiv führt den femininen i-Stamm mhd. stat, Gen. stete »Stelle, (Stand)ort; Raum; Ortschaft«, ahd. stat, Gen. steti »Stelle, Ort, Platz; Raum; Gegend« fort, das über germ. *stadi- auf idg. *stetis »Stand«, zu *sto-, *stä»stehen«) zurückgeht. Synonymes Stätte wurde aus dem Plural stete von mhd. stat rückgebildet bzw. hat sich aus dessen umgelautetem Dativ und Genitiv Singular stete paradigmatisch verselbständigt. Durch Zusammenrückung der präpositionalen Fügung mhd. an stat »an Stelle von« (vgl. noch heute die diskontinuierliche Struktur rechtsspr. an Eides statt) zu anstatt und seit dem 17. Jh. bezeugte Deglutination des Vorderglieds an- entstand andererseits die Präposition und Konjunktion statt. Mhd. stat »(mit bestimmten Rechten ausgestattete) Ortschaft« verdrängte nach dem 12. Jh. zuvor in diesem Sinn auftretendes bure (daraus heute Burg, s. d.), trat im 16. Jh. in der Schreibung abwechselnd mit -dt im Auslaut auf und wurde im 18. Jh. in der Form Stadt endgültig von Statt orthographisch differenziert. Die ursprünglich variierende Bezeichnung von Siedlungen mit Marktrechten und Selbstverwaltung hat Spuren im Grundwort von heutigen Ortsnamen hinterlassen wie etwa He/mstedt, Eichstädt, Rheinstetten (einst Dativ Plural) neben Darmstadt usw., verbaut auch in Höchst (sofern darin nicht das in südd. Staden fortlebende ahd. stado, mhd. stade »Ufer, Gestade« enthalten ist, vgl. Ufer, s. hoch).

stattlich »prächtig, ansehnlich, vortrefflich«: Im 16. Jh. stattgeftmdene Verhochdeutschung von mnd. stätlik/ statllk »ansehnlich, prunkvoll, prächtig«, einer Ableitung von stät »Stand; hohe Stellung; Ansehen, Prunk, äußere Aufmachung«, der mittelniederdeutschen Entsprechung von Staat (s. Status). Von Staat im Hochdeutschen abgeleitet ist die etymologisch adäquate Dublette staatlich, die seit Anfang des 19. Jh. der unter französischem und niederländischem Einfluss entwickelten modernen Bedeutung des Substantivs entsprechend im Sinne von »den Staat betreffend bzw. von ihm ausgehend« gebraucht wird.

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Status Status »Zustand, Stand; Lage, Stellung*: Das seit dem 16. Jh. bezeugte Fremdwort stammt aus lat. status >Stand, Beschaffenheit; Verfassung; Rang*, mlat. auch >Stand der Rechnungsführung, Haushalt* (Verbalabstraktum zu stare >stehen frz. état »Zustand, Beschaffenheit; Stand; Staat; Staatshaushalt*, welches im 18. Jh. auch als Lexem zu dt. Etat »(Staats)haushalt; Haushaltsplan; Geldmittel* entlehnt wurde (vgl. ferner die Historismen Tiersétat »der dritte Stand* und Etats généreaux »Generalstände*, s. Tertia, generell, sowie veraltet Homme d’État, s. Staatsmann). Afrz. estat ergab im 13. Jh. über mengl. estat engl. estate »Zustand; Vermögen; Landbesitz; Baugrund*, woraus durch Aphärese oder unter Einfluss von lat. status engl. state »Zustand; Lage, Staat u.a.< entstand. Dessen Singular fungiert attributiv in den Exotismen State Department »das Außenministerium der USA* (s. Departement) und Secretary of State »Außenminister (der USA)* (s. Sekretär), und der Plural states ist Bestandteil der englischsprachigen Bezeichnung der Vereinigten Staaten (von Amerika) United States (of America).

Stecken »Stock, Stab*: Angesichts des Nebeneinanders von ahd. stehho/stecko »Pfahl, Pflock* sieht W. Pfeifer in der zweiten Variante expressive Konsonantendoppelung, E. Seebold dagegen eine in schwundstufigen Formen des n-Stammes entstandene und generalisierte Geminate. Der zu erschließende n-Stamm germ. *stikön/*stikkön, der zur Schwundstufe *stigvon idg. *steig- »stechen; spitz; Pflock, Stab, Stange* (vgl. Stake) gestellt werden kann, ist auf jeden Fall auch die Quelle von engl. stick »Stock, Stecken*, das das Fremdwort Stick »kleine, dünne Salzstange; Stift als Kosmetikartikel* lieferte, vgl. ferner das Grundwort in Joystick »Steuerhebel für Computerspiele* (s. Gaudium), Slapstick »grotesk-komischer Gag im Film, wobei meist die Tücke des Objekts als Mittel eingesetzt wird; Slapstickkomödie* (eigtl. »Narrenpritsche*, Vorderglied zu to slap »schlagen*). Stein: Wie gleichbed. engl. stone, schwed., norw., dän. sten ein Erbwort aus germ. *staina- »Stein*. In terminologischem Gebrauch ist der englische Kognat bezeugt z.B. in stone-was/zed, wörtl. »mit Steinen gewa-

schen* in Bezug auf Jeansstoffe, die so vorgewaschen werden, dass sie nicht mehr neu ausshen, sowie in Eigennamen wie etwa die der in der Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit errichteten Kultstätte in Südengland Stonehenge (eigtl. »Steinhang*), des Yellowstone-Nationalparks in den USA (nach dem gleichnamigen Fluss Yellowstone River und See Yellowstone Lake, s. gelb, vgl. Revier, Lache, Lehnübersetzung von frz. Roche Jaune »Gelbfels*, das seinerseits angeblich französische Wiedergabe der gleichbedeutenden indianischen Bezeichnung nissi-a-dazi für die gelbfelsigen Abhänge des Canons von Yellowstone sein soll) und der englischen Rockgruppe Rolling Stones (Pluralform, eigtl. »rollende Steine*). Asachs., mnd. sten ist seinerseits Bestimmungswort im Namen der in Altmark liegenden Stadt Stenda/ (eigtl. »Steintal*, s. Tal). Durch Isolierung aus Namen wie Torsten (erster Bestandteil der Name des altnordischen Donnergotts Thor) hat sich in den skandinavischen Sprachen Sten/Steen als männlicher Vorname verselbständigt. steinreich1 »reich an Steinen; steinige Belege für das aus Stein (s. d.) und reich (s. d.) gebildete Kompositum gibt es seit spätmittelhochdeutscher Zeit; steinriche »reich an Edelsteinen*. Das anfangsbetonte Adjektiv hat im strukturgleichen, aber auf beiden Silben betonten Homograph steinreich2 »sehr, ungewöhnlich reich*, in dem stein- ebenso emotional verstärkend gebraucht ist wie in steinalt, -hart, -müde, eine akzentsemantische etymologische Dublette (s. blutarm1).

Stella »Stern- oder kreuzförmiger Verband*: Als Fachwort der Medizin entlehnt aus lat. stella, das mit dt. Stern (s. d.) urverwandt und gleichbedeutend ist. Über vlat. *stela ergab das lateinische Wort frz. etoile »Stern*, welches im veralteten Etoile »sternartiger Sprung im Glas* oder beispielsweise im Namen des Pariser Platzes Place de l'Etoile vorliegt. Auf den Gebrauch von Stella als weiblicher Vorname hat in der älteren Zeit vielleicht die Verehrung Marias als Stella maris (d.h. »Meeresstern*, vgl. Meer) eingewirkt. Stern: Am Beispiel dieses Substantivs lassen sich gewisse Komplikationen bei der Unterscheidung zwischen der allgemeinen (formativen und derivativen) Verwandtschaft und der für die etymologische Duplizität ausschlaggebenden lexikalischen Identität aufzeigen. Über mhd. sterne, ahd. sterno führt nhd. Stern gleichbed. germ. *sternön fort. Die ältere deutsche Sprache kennt aber auch die Parallel- oder Neben- oder Assimilationsformen sterre, sterro, die identisch sind mit aengl. steorra, dem Vorläufer von engl. star »Stern*. Dem aus diesem entlehnten dt. Star »berühmte Persönlichkeit* ist das Statut einer etymologischen Dublette von Stern schwerlich abzusprechen, es bleibt allerdings offen, ob es sich bei ihm um

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Assimilationsvarianz oder um variierende Suffigierung (bedingte Duplizität) handelt. Die germanische Grundlage ist eine suffixale Weiterbildung (nach W. Pfeifer mit den indogermanischen Suffixen -round -no-) von idg. *ster-, *ster- »Stern«, das außerdem Quelle von gleichbed. griech. astèr (mit der zugehörigen Bildung àstron »Gestirn, SternGewebe; Substanz, Materie; Thema, Inhalte Das erst seit Beginn des 17. Jh. zunächst im Sinne von »Gewebe« bezeugte Substantiv bewahrt Spuren des älteren Anlauts von gleichbed. frz. étoffe f. (< mfrz., afrz. estophe), das ein Deverbativ zu afrz. estoffer >ausstopfen, polstern« (woraus frz. étoffer >ausstatten, ausschmückem, s. stopfen) und mit Aphärese und Genuswechsel ins Deutsche sowie zu engl. stuff »Stoff, Material, Gewebe< übernommen wurde. Ähnlich wie das englische Wort begegnet Stoff seit dem 19. Jh. mit der Bedeutung »Getränk, Bien, um 1920 euphemistisch auch für »Rauschgifts vgl. den im Jargon registrierten Anglizismus HardsXutt/Hard Stuff »starkes Rauschgift, z.B. Heroin, LSD< (eigtl. »harter Stoffs s. hart).

stopfen »dicht machen, hineinpressenc In der etymologischen Forschung überwiegt die Auffassung, dass dieses Verb (mhd. stopfen »stechen; stopfen, verstopfen; ausbessern; verbergen«) aus mlat. stuppare »mit Werg Verschließern (zum lateinischen Gräzismus stuppa »Werg«) stammt, in ihm ist aber offenbar auch ein althochdeutscher Germanismus stopfön »Stechern aufgegangen. Ursprungsgleich (mit fehlender Affrizierung der Geminata -pp-) ist mnd., mhd. (md.), mengt stoppen »verstopfen, dicht machen, aufhaltenStrom< zurück, das von idg. *sreu-, *srou- >fließen< abgeleitet ist. Die germanischen Kognaten stream und ström treten auf als Bestandteile von Third Stream >musikalische Stilrichtung* (eigtl. >dritte Strömung*, s. Tertia), Jetstream >starker Luftstrom in der Tropo- oder Stratosphäre< (< engl. jet stream >Strahlstromschleudern< gebildeten Romanismus gehört) bzw. der veralteten Einheit der Licht- und Röntgenwellenlänge Angström (Zeichen: Ä), die zwar nach dem schwedischen Physiker A. J. Angström (1814-1874) benannt ist, sein Familienname aber so viel wie >Dampf-, Dunststrom< bedeutet. Derselbe Germanismus liegt außerdem den französischen Ortsnamen Estreux, Etreux und (mit agglutiniertem Artikel) Lestrem zugrunde. Stübchen: Hochdeutsches Diminutiv von Stube (s. d.) in seiner veraltenden Bedeutung >Zimmer, Wohnraum*. Aus dessen Kognaten mnd., mniederl. stove >heizbarer Raum< hergeleitet wird die in mitteldeutscher Lautung auftretende Dublette Stövchen/ Stüvchen als Bezeichnung für einen kleinen Untersatz mit einer Kerze zum Warmhalten der Tee- oder Kaffeekanne (Rechaud), norddeutsch auch synonym mit Kieke »Kohlenbecken zum Wärmen der Füße< gebraucht.

Stube >Wohn- und Schlafzimmer in Kasernen und Internatene veraltend >Zimmer, Wohnraum* : Das Substantiv setzt mhd. stube fort, dessen Semantik M. Lexer wie folgt erläutert: >Stube, heizbares Gemach (spez. Badegemach, Speisesaal, Trinkstube einer Zunft, Zunftstube, -herberge); kleines Wohnhaus*. Mnd., mniederl. stove >beheizte Badestube; Trockenraum; Ofen; Fußbank mit einer Kieke< liegt seinerseits nordd. Stove »Trockenraum* als etymologische Dublette von Stube zugrunde (s. ferner Stövchen unter Stübchen). In Anbetracht von ahd. stuba heizbares Gemach, Baderaum*, aengl. stofa >BadestubeRaum für Dampf- und Schwitzbäder* (daraus frz. étuve >BadestubeRaum für Schwitzbäder,

Subjekt Schwitzkasten, Wärmeschrank das dritte Glied in dieser Dublettenreihe.

Stück: Über gleichbed. mhd. stück/stücke, ahd. stucki (auch Kinde, KrusteStück< zurück, der sich zwar im Sinne von »Abgeschlagenes, Abgeschnittenes< zum maskulinen a-Stamm *stukka (s. Stock) stellt, doch eher als Zugehörigkeitsbildung dazu denn einfach als dessen morphologische Variante zu interpretieren ist. Aus ahd. stucci bzw. langob. ★stucchi in der Bedeutung >Kruste< wird ital stucco >Gips(mörtel); Stückarbeit hergeleitet, das im 18. Ih. in Gestalt der Rückentlehnung Stuck »gipserne Ornamente und Verzierungen an Wänden und Deckern ins Deutsche zurückkehrte.

Studium »Hochschulbesuch; wissenschaftliche (Erforschung; (kritisches) Durchlesenc Seit mittelhochdeutscher Zeit bezeugte Entlehnung im Sinne von »intensive Beschäftigung mit etwas; Ort, wo man studiert aus lat. studium, Plur. studia »Trieb, Eifer; wissenschaftliche Beschäftigung; Studienort (Verbalabstraktum zu studere »betreiben; streben, sich bemühen um etwas; sich wissenschaftlich beschäftigen*, woraus dt. studieren). Dessen Fortsetzer im Italienischen und Französischen lauten jeweils studio und étude und bedeuten im Allgemeinen »Studium; Studie; Arbeitszimmer*. Ital. studio wurde im 18. Ih. als Bezeichnung der Werkstatt eines Künstlers übernommen und entwickelte auch später grundsätzlich raumbezogene Bedeutungen: Studio »Atelier; Aufnahmeraum (bei Film, Funk und Fernsehen); Experimentierbühne; abgeschlossene Einzimmerwohnung*. Ebenfalls im 18. Jh. lieferte frz. étude »Studie, Übungsstück* (dies aus afrz. estude/estuide/estudie, einer Adaptation von lat. studium oder eventuell Singularisierung von dessen Plural studia mit e-Vorschlag) dt. Etude, und zwar zunächst im Sinne von »Skizze, Entwurf*, wonach es sich als musikalischer Terminus mit der Bedeutung »Übungs-, Vortrags-, Konzertstück, das spezielle Schwierigkeiten enthält* durchsetzte. Ende des 18. und Anfang des 19. Jh. erschien neben Studium ein neuer Singular Studie »Entwurf, auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhende kurze Darstellung; Vorarbeit (zu einem Werk der Wissenschaft und Kunst)*, der zwar als Rückbildung aus dem eingedeutschten Plural Studien von Studium interpretiert wird (vgl. die morphologische Ausgestaltung von Waffe, s. d.), dabei ist aber die Rolle des gleichbedeutenden französischen Femininums étude als Vorbild kaum von der Hand zu weisen. Subjekt »Satzgegenstand; wahrnehmendes, denkendes Wesen*: Das in der Sprachwissenschaft und Philosophie gebräuchliche Fremdwort (abwertend auch im Sinne von »gemeiner Mensch*) wurde im 16. Jh. ent-

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Süd lehnt aus lat. subiectum »Satzgegenstand, Grundbegriff* (eigtl. »das Daruntergeworfene, Daruntergelegte*, substantiviertes Neutrum von sibiectus, dem Partizip Perfekt von subicere »unterwerfen, unterlegen, unterstellen*, einer Präfigierung von lacere werfen* mit sub- >unter*, s. auf). Über älteres suget ist aus der maskulinen Form gleichbed. frz. sujet hervorgegangen, das im 18. Jh. dt. Sujet »Gegenstand künstlerischer Darstellung, Stoff* lieferte. Der italienische Reflex des Latinismus soggetto >Thema, Sujet; Subjekt* dient in der Musik zur Bezeichnung des Themas eines kontrapunktischen Werkes: Soggetto.

Süd >Süden (vgl. Nord)zur Sonne, der Sonnenseite zugewandt, von der Sonne her* adverbial gebrauchte Bezeichnung versucht man eher mit germ, und idg. *sun- >Sonne< denn mit idg. *sup>obendie Gegend, wo die Sonne oben ist* etymologisch zu verknüpfen. Der englische Kognat ist Bestimmungswort zahlreicher Ortsnamen wie Southampton, Southport (vgl. Port), Southfield (vgl. Feld). Entstellt liegt er ferner vor im Namen der südostenglischen Grafschaften am Kanal Sussex (722 Sup Seaxe, eigtl. >die Südsachsen*, s. Sachse).

Suite »Komposition aus lose gefügten Sätzen*, veraltet »Gefolge; lustiger Streich*: An die diesem Gallizismus zukommenden Bedeutungen schließt sich »Zimmerflucht in einem Hotel* an, die nach C. T. Onions zunächst bei engl. suite aufgekommen ist. Das englische Wort und seine etymologische Dublette suit »Klage, Prozess; Satz, Garnitur; Anzug, Kostüm*, die Bestandteil von Fremdwörtern ist wie Suitcase »kleiner Handkoffer* (s. Cash), Bodysuit »eng anliegende, einteilige Unterkleidung aus elastischem Material* (Vorderglied: engl. body »Körper*, etymologisch identisch mit ahd. botah/boteh »Körper; Leichnam*), geht wie dt. Suite über frz. suite »Folge; Gefolge; Zimmerflucht u.a.< zurück auf vlat. *sequita, das Femininum des Partizips Perfekt sequitus m. von *sequere (für lat. sequi) »folgen*. Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet auch präpositionale Fügungen mit frz. suite: tout desuite »auf der Stelle, unverzüglich* (vgl. tutti, de1), à la suite »einem Truppenteil ehrenhalber zugeteilt* (eigtl. »im Gefolge von ...*, vgl. ad).

Summe: Mit diesem Fortsetzer des seit dem 13. Jh. bezeugten mhd. summe »Inbegriff; Gesamtzahl; Betrag, Summe; Anzahl, Menge* konkurrierte stets eine Nebenform mit nicht abgeschwächtem Auslaut Summa (abgekürzt: Sa.). Sie ist heute grundsätzlich nur noch als zusammenfassende Darstellung von Theologie und Philosophie in der Scholastik aufzufassen, begegnet aber außerdem in einigen nicht adaptierten lateinischen Wortfügungen: summa summarum »alles in allem, alles zusammengerechnet, Endergebnis* (eigtl. »Summe aller Summen*), veraltend in summa »im Ganzen, insgesamt* (an sich ihr Ablativ Singular nach der Präposition in, s. d.), summa cum laude als höchstes Prädikat bei Doktorprüfungen (eigtl. »mit höchstem Lob*, s. Laudes). Da früher von unten nach oben addiert wurde, hat die Vorlage lat. summa »höchste Stelle* aus »die an der Spitze stehende Zahl* heraus die Bedeutung »Gesamtzahl, Betrag* (und daher »Gesamtheit, Inbegriff*) entwickelt. In dieser Funktion ist lat. summa eigentlich das substantivierte Femininum von summus m. »oberster, höchster*, einer der beiden Superlativformen von superus »oben befindlich* (zu super »oben*, s. über, Supremum), die über *sup-mos auf idg. *sub-/*sup- »(von unten) hinauf* zurückgeführt wird (s. Sub unter auf). Das Maskulinum summus und das Neutrum summum sind ihrerseits Attribute in den terminologisierten Wortverbindungen Summus Episcopus »der Papst* (eigtl. »oberster Bischof*, s. Episkop) und Summum Bonum »höchstes Gut; Gott* (s. Bon). Supra: Diese Erwiderung auf ein Re bei Kartenspielen ist wohl - wie Re selbst aus Rekontra - als Isolierung aus Suprakontra aufzufassen, wo Supra- üblicherweise als Präfix mit der Bedeutung »oberhalb, darüber (hinaus)* fungiert, vgl. Supralibros »auf der Vorderseite des Bucheinbandes eingeprägtes Exlibris* (s. Liber). Es beruht auf lat. supra »oben, darauf; oberhalb, über* (einem als Adverb und Präposition auftretenden erstarrten Ablativ des Femininums supera von superus »oben befindlich*, zu super »oben; über*, s. über), das aus supera parte »auf dem oberen Teil* (vgl. Part) hergeleitet wird. Sein italienischer Reflex sopra »oben; über, oberhalb* wird als musikalischer Fachausdruck allein oder in der Fügung come sopra »wie oben* (s. Quomodo) gebraucht. Infolge von Relatinisierung variiert in Sopra-/Supraporte der Gebrauch der beiden Dubletten bei der Wiedergabe der Bezeichnung des Wandfeldes über einer Tür im Baustil des Barocks und Rokokos durch ital. soprapporta (eigtl. »über dem Tor*, s. Pforte).

Supremum n. »obere Grenze, kleinste obere Schranke einer Menge von Zahlen*: Im mathematischen Fachausdruck präsentiert sich das substantivierte Neutrum von lat. supremus m., suprema f. »oberst, höchst; äußerst, letzt; tödlich*. Dies ist die zweite Superlativ-

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form (neben summus, s. Summe) des Adjektivs superus »oben befindliche (zu super »oben*, s. über), deren Neutrum in der Wortfügung Officium supremum »letzte Pflicht, letzte Ehre< (s. Offizium) attributiv wiederkehrt. Gleiches gilt für ihr Femininum im Spruch Salus populi suprema lex >das Wohl des Volkes (ist) das oberste Gesetze (s. Salus, Pöbel, Lex). Der Latinismus lieferte seit dem 16. Jh. bezeugtes engl. supreme >oberst; äußerste, enthalten im Exotismus Supreme Court >oberster Gerichtshof, oberste Instanz in Staaten mit angloamerikanischem Rechte (s. Kohorte). süß: Das deutsche Adjektiv und sein englischer Kognat sweet gehen jeweils über mhd. süeze, ahd. s(w)uozi und aengl. swète auf germ. *swötja- >süße zurück, das als ja-Stamm neben dem u-Stamm *swötu- auf idg. *swädu- >süß, wohlschmeckend, den Geschmack süßer Fruchtsäfte habende beruht. Engl. sweet >süß; gefällig, sentimentale tritt laut Duden-Fremdwörterbuch in Sweet >dem Jazz nachgebildete, seine Elemente mildernde und versüßlichende Unterhaltungsmusike substantiviert und - als Bestandteil von sweetheart >Liebste(r), Schatze - in gleichbed. Sweetheart (s. Herz) gebunden auf. Über *suäduis setzt lat. suävis >süß, angenehm, liebliche dieselbe indogermanische Vorlage fort und liegt ital. suave zugrunde, das als musikalische Vortragsanweisung suave »lieblich, einschmeichelnd, angenehme auch im Deutschen bekannt ist. Vgl. Mädesüß unter Met.

Swebe/Suebe/Svebe >Angehöriger eines Verbandes westgermanischer Stämmee: Der Lautgestalt nach stellt dieses Ethnonym, das über germ. *swäba- auf idg. *swebho- >frei, zum eigenen Volk gehörende zurückgeführt wird, eine Regermanisierung seiner in lateinischen Quellen (etwa in Cäsars »Gallischem Kriegee) bezeugten Pluralformen Suébi/Suévi dar. Im Althochdeutschen war es dagegen lautlich zu swäbo, im Mittelhochdeutschen zu Swäbe/Swäp umgestaltet, und sein Dativ Plural Swäben/Swäbin, ze Swäben trat als Landesname auf (vgl. Franken unter frank), woher heute Schwaben bzw. Schwabe1 >Bewohner Schwabens< (dazu Schweiz. Schwab als abweisende Bezeichnung für den Deutschen schlechthin). Unter scherzhafter Anlehnung an Schwabe1 oder durch spöttische Übertragung (nach E. Seebold jedoch unter dem Einfluss von ital. mda. sciavo > Slawe; Kakerlak [vgl. Slawe] und nach W. Pfeifer möglicherweise zur Unterscheidung zu älterem und landschaftlich verbreitetem Schabe >Kleidermottemit-JahrmarktPanflöte; unterer Kehlkopf der Vögel, der die Laute bzw. Töne erzeugte Im Fremdwort spiegelt sich das über das Lateinische vermittelte griech. syrinx, Akk. syringa, eigtl. >Rohr, RöhreFlieder< als etymologische Dublette von Syrinx beruht. Szenarium/Szenar »Übersicht über Szenenfolge, szenische Ausstattung u. a. eines Theaterstücks*: Die Grundform des Fremdwortes beruht auf einer Substantivierung von lat. scenarium, dem Neutrum von szenarius m. >zur Bühne gehörig< (Ableitung von scena >Bühne(in Szenen gegliederter) Entwurf eines Films< entlehnt, wobei die beiden Dubletten nicht nur eine gemeinsame, wenn auch seltener gebrauchte deglutinierte Variante Szenar haben, sondern sich vielfach semantisch überschneiden (so z.B. in der Bedeutung »hypothetische Aufeinanderfolge von Ereignissen, die zur Beachtung kausaler Zusammenhänge konstruiert wirdServierbrettAbstellbrett< entlehnt mit Genuswechsel aus gleichbed. frz. tablette f. (eigtl. >Täfelchen, kleine Platte*, Diminutiv von table »Brett, Tisch*, s. Tafel). Parallel dazu (und im Gegesatz etwa zum Variantenpaar Roulett/Roulette) ergab die französische Vorlage unter Bewahrung des Schriftbilds und des Genus auch die etymologische Dublette Tablette f. »Notizblock, Heft; (befestigtes) Abstellbrett für Geschirr oder Büchen, seit dem 20. Jh. mit der neuen und gegenwärtig einzigen Bedeutung >in die Form einer flachen Scheibe gepresstes Arzneimittel zum Einnehmern gebräuchlich.

Tafel: Die Quelle des Lehnwortes ist lat. tabula »(Spielbrett, (Schreib)tafel*, das zum einen durch romanische Vermittlung ahd. tavala/tabela, mhd. tavele/tavel und daher nhd. Tafel, zum anderen die einstige, vor der hochdeutschen Lautverschiebung übernommene und im späten Mittelalter außer Gebrauch gekommene Dublette ahd. zabal, mhd. zabel »Spielbrett, Brettspiel* lieferte (vgl. den im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten und unzutreffend als Entstellung aus lat. tabula angesehenen Archaismus Zabel »Spielbrett*). Aus dem Lateinischen stammen auch frz. table »Tisch, Tafel* und darauf beruhendes gleichbed. engl. table, enthalten jeweils in der veralteten Fügung Table d’Hòte »gemeinsame Speisetafel in einem Gasthaus oder Hotel* (eigtl. »Tafel des Gastwirtes*, s. de1, Hospites) und in Round-Table-Konferenz »Konferenz am runden Tisch zwischen Gleichberechtigten* (s. Rotunde, Konferenz, vgl. Tafelrunde unter Rotunde). In adäquater Form erscheint das lateinische Substantiv im philosophischen Fachausdruck Tabula rasa »unbeschriebenes Blatt*, eine mittellateinische Verknüpfung von tabula mit dem Femininum rasa von rasus m., dem Partizip Perfekt von radere »schaben, streichen* (daraus dt. radieren, s. abradieren1), so dass das Ganze eigtl. »abgeschabte Schreibtafel* bedeutet. Tag: Das Substantiv, das ursprünglich die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sowie den festgesetzten Tag des Things (s. Ding1), d.h. den Gerichts- oder Verhandlungstag (bis heute bewahrt in institutionellen Namen wie Bundes-, Land-, Reichstag) bezeichnete, hat mit engl. day »Tag* denselben

gemeingermanischen Ausgangspunkt: *daga- »Tag*, dies wahrscheinlich aus idg. *dhogwho-, Abtönungsstufe zu *dhegwh- »brennen*, so dass eine Grundbedeutung »Zeit, da die Sonne brennt* erschließbar ist. In den alemannischen Namen der Wochentage tritt -tag in der abgeschwächten Lautform -dig auf, z. B. Zischdig »Dienstag* (s. Ziu), absolut unkenntlich geworden ist es aber im Adverb heute, das über mhd. hiute und ahd. hiutu/hiuto zurückgeführt wird auf germ. *hiu dagu »an diesem Tag* (instrumentale Konstruktion mit dem Demonstrativum *hi »dieser*). Gebunden begegnet der englische Kognat vereinzelt in Exotismen wie D-Day als Bezeichnung für den Tag, an dem ein größeres militärisches Unternehmen beginnt (aus engl. D-Day, verkürzt aus Day-Day, wörtl. »Tag-Tag*, primär Deckname für den Beginn der Invasion der Allierten in Frankreich am 6. Juni 1944), Dayschool »Ganztagspflichtschule ohne Internat* (eigtl. »Tagesschule*, s. Schule), auch als Pluraletantum in Holidays »Ferien, Urlaub* (s. heilig). Tal: Im Unterschied zum stimmhaften Anlaut seiner gleichbedeutenden Kognaten niederd., niederl., schwed. dal, engl. dale führt das deutsche Substantiv (mhd., ahd. tal) den vor dem 7. Jh. erfolgten Wandel germ, d > hochd. t fort. Quelle des gemeingermanischen Wortes ist germ. *dala- »Tal* (zu idg. *dhel»Höhlung, Wölbung*). Die ältere orthographische Variante Thal und niederd. Dal sind meistens Bestandteile von Ortsnamen wie Joachimsthal (s. Taler), Dalem (eigtl. »Talheim*, s. Heim), Stendal (eigtl. »Steintal*, s. Stein), vgl. ferner skandinavische Familiennamen wie Grondai (eigtl. »Grüntal*, vgl. grün), Heyerdahl, die auf Ortsnamen zurückgehen. Engl. dale (lautlich beeinflusst von gleichbed. anord. dalr) tritt auf etwa im Namen der ursprünglich für die Otterjagd gezüchtete temperamentvolle, sehr dressurfähige Hunderasse Airedaleterrier (nach einem Airedale genannten Talabschnitt, durch den der englische Fluss Aire im westlichen Yorkshire fließt, s. Terrarium). Taler: Der Name der früheren, 1520-1528 zunächst in St. Joachimsthal in Böhmen (heute Jächimov in Tschechien) geprägten Großsilbermünze als Silberäquivalent des Guldengroschens ist eine Schwanziso-

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Titel in Mezzotinto »(Erzeugnis der) Schabkunst< (eigtl. etwa »Halbgefärbtes*, s. mitten), Titel »Überschrift; Aufschrift; Name eines Buches; Amts-, Dienstbezeichnung; Anredeform; Rechtsgrund; Abschnitte Das seit dem 8. Jh. (ahd. titul/ titulo/titula »Aufschrift, Titeltot< bzw. *daupu>Tod< entstanden. Morphologisch stellen sie entsprechend eine Partizipialbildung und ein Verbalabstraktum zu germ. *dauja- >sterben< (eigtl. wohl »betäubt, bewusstlos werden; hinschwinden*, zu idg. *dheu-, *dhou- »stieben, wirbelns s. Dunst) dar, vgl. das untergegangene Verb ahd. touwen »sterben< und das aus gleichbed. anord. deyja übernommene engl. to die »Sterben*. Fortsetzer des nach dem Muster der indogermanischen to-Partizipien (s. alt, kalt) gebildeten *dauda- ist engl. dead »tot*, der Kognat von dt. tot, enthalten z.B. in Deadline »äußerster Termin; Stichtag, Fristablauf* (aus engl. deadline, wörtl. »Todesstreifen, Sperrlinie*, s. Linie). Tourné n. »als Trumpf umgeschlagenes Kartenblatt*: Das sich nach dem Genus von Blatt richtende Fremdwort repräsentiert das substantivierte maskuline Partizip Perfekt tourné von frz. tourner »wenden, umdrehen, umschlagen* (also wörtl. »das Umgeschlagene*). Das entsprechende Femininum liegt in Tournee »Gastspielreise von Artisten, Künstlern u.Ä.< (eigtl. »Rundreise*) vor. Der provenzalische Kognat der letzteren Form ist seinerseits im literaturwissenschaftlichen Fachwort Tornada »epilogartiger Ausklang in Gedichten der provenzalischen Troubadours* (eigtl. »Rückkehr*) vertreten. Das galloromanische Verb setzt lat. tornare »drechseln, runden; drehen* (Ableitung von tornus »Drechseleisen* < griech. tórnos »Dreheisen des Drechslers, zirkelähnliches Werkzeug; Zirkel, Kreislinie*) fort, auf das nicht nur span, tornar »umkehren; drehen; verwandeln*, sondern - zum Teil über afrz. turner- auch engl. to turn »drehen, wenden* zurückgeht. Aus dem maskulinen Partizip Perfekt tornado von span, tornar vitiA vielfach Tornado »heftiger Wirbelsturm in Nordamerika* hergeleitet, dieses erst Ende des 19. Jh. im Spanischen aufgekommene Substantiv entstammt jedoch engl. tornado, das eine Umbildung von span, tronada »Gewitter* (zu tronar »donnern*) in Anlehnung an die Verben to turn und tornar zu sein scheint. trachten »streben*: Über mhd. trahten, ahd. trahtön »betrachten; bedenken; streben; behandeln* geht das Verb - wie auch gleichbed. niederd., niederl. trachten - zurück auf eine durch Lautsubstitution /kt/ > //t/ gekennzeichnete westgermanische Übernahme von lat. tractare »behandeln, bearbeiten; untersuchen; überdenken*, mlat. »bewirten; misshandeln* (eigtl. »herumziehen*, Intensivum zu trahere »ziehen,

Traktus schleppen*, s. Traktus; über die germanisierende Lautsubstitution vgl. dichten unter diktieren). Derselben Quelle entstammt außerdem seit dem 15. Jh. bezeugtes traktieren »(schlecht) behandeln, quälen*, veraltet »üppig bewirten*. Aus lat. tractare ist frz. traiter »behandeln* hervorgegangen, das zwar in Fremdwörterbüchern in der Form trätieren »behandeln* verzeichnet wird, geläufiger aber im Rahmen der Präfigierung malträtieren »misshandeln* (aus frz. malträtier, wo mal »schlecht* gleichbed. lat. male, Adverb zu malus »schlecht*, widerspiegelt, s. Malaise, Malum) ist.

Trajekt: Die Semantik dieses Fremdwortes deutet auf zwei verschiedene Quellen hin, die mit dem lateinischen Verb traicere »hinüberwerfen, -bringen* (s. Trichter) Zusammenhängen: Die veraltete Bedeutung »Überfahrt* geht auf das gleichbedeutende Verbalabstraktum traiectus und die heute geltende »(Eisenbahn) fährschiff* auf das mittellateinische Homonym traiectus »Fähre* zurück, das auf dem Partizip Perfekt des besagten Verbs beruht. Aus dem Neutrum traiectum des Partizips leitet man niederl. drecht/trecht/ tricht »Überfahrtsstelle* her. Dessen letztere Varianten liegen vor jeweils in den Ortsnamen Utrecht (zusammengesetzt mit mniederl. üt/ uut »aus, außerhalb*, d.h. niedriger gelegen als der alte Bischofssitz Trecht, s. aus) und M^nstricht (aus Mosae Traiectum »Überfahrtsort, Furt über die Maas*). Trakt »sich ausdehnender Gebäudeteil; Landstrich; anatomische Ausdehnung, z.B. Darmtrakt*: Deglutiniert aus lat. tractus »Ziehen, Zug; Ausdehnung, Reihe; Landstrich*, Abstraktum zu trahere »ziehen*, wird aber bei Etymologisierungen häufig mit der maskulinen Form tractus von dessen Partizip Perfekt (s. Traktus) verwechselt. Selben Ursprungs ist frz. trait »Zug, Eigenheit*, das über engl. trait dem Fachausdruck der Psychologie Trait als Bezeichnung für eine weitgehend stabil gedachte Charaktereigen schaft oder ein Verhaltensmerkmal einer Person zugrunde liegt. Traktus »nicht im Wechsel gesungener Psalm, der in der Fastenzeit und beim Requiem an die Stelle des Hallelujas tritt*: Gemäß Duden-Fremdwörterbuch elliptisch entstanden aus mlat. cantus tractus (eigtl. »gezogener Gesang*, vgl. Cantus), wo tractus das attributiv gebrauchte Maskulinum des Partizips Perfekt von lat. trahere »ziehen* (woher gleichbed. ital. trarre, frz. traire) repräsentiert. Das Femininum tracta - nunmehr in der Angleichung /kt/ > /tt/ aufweisenden Lautung tratta als Partizip zum italienischen Reflex von trahere-hegt der im Bankwesen gebräuchlichen Substantivierung Tratte »gezogener Wechsel* zugrunde: wörtl. »die Gezogene*, aus ital. tratta, herausgelöst aus lettera tratta di cambio »gezo-

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Tranche gener Wechsel (Bezugswort: lettera £ »Urkunde, Schreiben» Brief, vgl. Litera, de1). Gebunden ist das Maskulinum des französischen Kognaten in der Präfigierung Porträt >Bildnis< (eigtl. >Dargestelltes, Abgemaltes, aus frz. portrait, Partizip Perfekt von afrz. portraire >hervorziehen; darstellen, gestaltem für lat. protrahere »vorwärts ziehen, ans Licht bringen, offenbarem, s. vor). Zum Teil deglutiniert (vgl. Trakt) ist der Latinismus in anderen Präfigierungen enthalten, so in Abstraktum, abstrakt, Abstract (s. d.), ferner in Extrakt >Auszug< (eigtl. »Herausgezogenes*, zu lat. extrahere >herausziehen, -führen, -bringen*, vgl. ex), Kontrakt >Vertrag< (wörtl. >Zustandegebrachtesmit-, zusammen-* präfigiertes trahere), vgl. auch deren Homonym Trakt.

Tranche >fingerdicke Scheibe von Fleisch oder Fisch; Teilbetrag einer Emission (von Wertpapieren, Briefmarken o. Ä.)Schnitt; Abschnitt, Teil*, Deverbativ zu trancher >durch-, abschneiden*, das über afrz. trenchier (n. Jh.) allgemein auf vlat. *trinicare >in drei Teile zerschneiden* (Ableitung von lat. trini >je drei*, zu tres »drei*, s. drei) zurückgeführt wird. Aus dem Altfranzösischen entlehntes mengl. trench >Waldschneise* entwickelte im 15. Jh. die Bedeutung »Graben*, in der Neuzeit auch »Schützengraben*, enthalten in der attributiven Fügung trench coat »Schützengrabenmantel*. Daraus ist nach dem Ersten Weltkrieg dt. Trenchcoat »Wettermantel mit lose aufliegendem, passenartigem Schulterstück, Schulterklappen und Gürtel*, in dem das Bestimmungswort gebundene Dublette von Tranche ist (zum Grundwort s. Kutte).

Trank: Das der gehobenen Sprache zukommende Wort für Gertränk (das selbst als Kollektivum dazu gebildet ist) repräsentiert die substantivierte Abtönungsstufe von trinken (vgl. auch das nullstufige einstige Partizip Präteritum trunken, s. d.). Sein unverschobenen Anlaut aufweisender niederdeutscher Kognat wird in standardsprachlichen Nachschlagewerken als norddeutscher Regionalismus verzeichnet: Drank »Spülwasser; flüssiges Schweine- und Viehfutter aus Küchenabfällen*. Traum: Das über mhd., ahd. troum auf germ, *draumazurückführbare Substantiv scheint ein älteres *draugma- »nicht wirkliches Bild, Trugbild* fortzusetzen, d.h. mit dem Verb trügen verwandt zu sein und somit auf idg. *dhreugh- »trügen, listig schädigen* (so bei W. Pfeifer) zu beruhen. Sein gleichbedeutender Kognat engl. dream ist in neuerer Zeit auch im Deutschen belegbar, z.B. gebunden in

Dream-Team/Dream team »ideal zusammengesetztes Team, Gespann* (< engl. dream team »Traumteam*, über das Grundwort s. Zaum). Trecker »Traktor*: In dieser Bedeutung seit den 20erJahren des 20. Jh. bezeugt als Ersatzwort für den englischen Namen derselben Zugmaschine tractor (Neubildung zu lat. trahere »ziehen*, s. Traktus). Das zuvor im Sinne von »Schiffszieher* (15. Jh. auch »Zapfen*) gebrauchte Substantiv ist eine Instrumentalbildung auf-er (s. Flieger) aus dem im Norddeutschen und Niederländischen üblichen Verb trecken bzw. trekken »ziehen* (Intensivum zu ahd. trehhen, mhd. trechen »ziehen, schieben*, möglicherweise verwandt mit tragen). Aus niederl. trekker »Abzug, Drücker* entlehntes engl. tricker (so bis ins 18. Jh. hinein) wurde in trigger lautlich umgewandelt und lieferte im 20. Jh. den in der Elektronik und Elektrotechnik verwendeten Fachausdruck Trigger »Bauelement bzw. Impuls, der einen Schaltvorgang auslöst* als adäquate (strukturgleiche) etymologische Dublette von Trecker.

treiben: Ebenso wie engl. to drive »treiben; fortbewegen; fahren; jagen* ist das heutige Verb lautlich durch Diphthongierung entstanden. Voraus gehen mhd., ahd. triben und germ. *dreiba- »treiben, in Bewegung setzen*. Der englische Kognat ist im Deutschen mit einer sehr spezialisierten Bedeutung verzeichnet: driven »einen Treibball spielen (besonders Golf)*. Hinsichtlich des unterschiedlichen Anlauts vgl. Tal, über die Duplizität bei Ableitungen von treiben s. Treiber und Trift. Treiber: Die Bezeichnung für jemanden, der bei der Treibjagd den Schützen das Wild zutreibt, ein Lasttier führt oder Vieh auf die Weide treibt, ist seit dem 11. Jh. als Ableitung (Nomen Agentis) von mhd. triben (woraus nhd. treiben, s. d.) mit dem Suffix -er (vgl. Flieger) bezeugt. Strukturgleich mit ihr ist engl. driver »Treiber; Fahrer; Golfschläger*, das zum Verb to drive »treiben* mit demselben Suffix -er gebildet ist wie dt. Treiber und in seiner Funktion als Nomen Instrumenti im Deutschen vorkommt: Driver »Golfschläger für Abschlag und Treibschlag*. tremblieren »eine gewellte Linie gravieren, wobei der Gravurstichel abwechselnd zur einen und zur anderen Seite gekantet wird*: Als Fachausdruck der Kunst entlehnt aus frz. trembler, das vlat. *tremulare (zu lat. tremulus »zitternd, bebend*, zu tremere »zittern, beben*) fortführt. Genau wie auf lat. tremulus beruhendes und substantivisch als musikalischer Terminus gebrauchtes ital. tremolo »zitternd, bebend* dt. Tremolo »(fehlerhafte) bebende Tonführung beim Gesang; bei Musikinstrumenten in verschiedener Weise erzeugte Bebung* lieferte, so ergab auf vlat. *tremulare zurückgehendes ital. tremolare »zittern, beben* seinerseits tremolieren/

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tremulieren »mit einem Tremolo singen bzw. spielen* als Dublette von tremblieren. Treue: Lautlich hat sich das Abstraktum durch Diphthongierung des iu und Vokalisierung des w in mhd. triuwe >Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Treue; Gelübdes einem Kernbegriff der ritterlich-höfischen Ethik, entwickelt (über den indogermanischen Ansatz s. Trost). Aus der präpositionalen Fügung in triuwen/entriuwen >in Wahrheit* (wörtl. >in Treuen*) entstand durch Deglutination der abgeschwächten Präposition in der Zusammenrückung entriuwen die Kurzform triuwen, mitteld. (infolge gesetzmäßigen Wandels iu > ü vor w) trüwen/trün, die nach der Diphthongierung die veraltete, in der gehobenen Sprache als Ausruf vorkommende Dublette traun >fürwahr, in der Tat* ergab (vgl. analog anstatt > statt, enwec > wec jeweils unter Statt, weg). Triangel m. >aus einem runden Stahlstab bestehendes Schlaginstrument, das - frei hängend - mit einem Metallstäbchen angeschlagen wird*: Der in Österreich als Neutrum gebräuchliche musikalische Fachausdruck fußt auf lat. triangulum >Dreieckdreieckig< (Zusammenbildung aus tri- und angulus >Ecke, Winkel«, s. drei, vgl. Quadrangei unter vier). Landschaftlich wird der Latinismus bzw. seine teilweise Übertragung ins Deutsche Dreiangel außerdem im Sinne von >Winkelriss in Kleidungsstücken* verwendet, wobei die hier angesetzte etymologische Adäquatheit von Vorlage und teilweiser Lehnübersetzung durch die etymologische Identität von drei und tri- gestützt wird. Als substantiviertes Neutrum tritt lat. triangulum im seltener vorkommenden Triangulum »Dreieck, dreieckige Fläche* auf. Trias: Mit vorverlegter Betonung beruht das Fremdwort auf griech. triàs, Gen. triados >Dreiheit*, dem Nominativ des Abstraktums zu tria n., treis m./f. >drei< (s. drei), und teilt mit der Dublette Triade (paradigmatische Verselbständigung des Akkusativs triäda von triàs im Griechischen) die allgemeine Bedeutung »Dreizahl, Dreiheit*, insbesondere >Gruppe von drei Göttern, Dreieinigkeit*. Im Sinne von »drei zusammengehörige, gleichartige Dinge* bezeichnet Triade außerdem die Dreiheit aus Strophe, Antistrophe und Epode als Kompositionsform vor allem in der altgriechischen Tragödie, die Gruppe aus drei chemisch verwandten Grundstoffen bei den Versuchen der Aufstellung eines natürlichen Systems der Elemente, dreistufige historische Entwicklung (Thesis, Antithesis, Synthesis nach Hegels Auffassung), gelegentlich auch chinesische kriminelle Geheimorganisation. Als Fachausdruck der Geologie und Medizin ist Trias seinerseits Bezeichnung für die erdgeschichtliche Formation des Mesozoikums, die

Trine Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper umfasst, bzw. für eine Gruppe von drei Symptomen, die eine bestimmte Krankheit charakterisieren.

Trichter: Über mhd. trihter/trehter/trahter und ahd. trehtäri/trahtär wird das Wort auf spätlat. traiectorium >Trichter< zurückgeführt, das im Rahmen der Übernahme römischer Weinkultur früh entlehnt wurde (zur auch in gleichbed. niederl. trechter nachweisbaren Substitution /kt/ > /%t/ s. diktieren). Als Gerätebezeichnung stellt das lateinische Nomen eine Substantivierung des Neutrums des Adjektivs traiectorius m. >zum Hinüberwerfen, hinüberwerfend, -gießend* (zu lat. traicere »hinüberwerfen, -bringen, -führen, -schütten*, einer Präfigierung von iacere »werfen* mit trans-/ tra- >über-, hinüber-*) dar. Auf Ellipse aus (linea) traiectoria >die hinüberführende (Linie)* beruht andererseits die Substantivierung des Femininums von traiectorius und entsprechend die Entstehung des mathematischen Fachausdrucks Trajektorie >Linie, die jede Kurve einer ebenen Kurvenschar unter gleichbleibendem Winkel schneidet*. Trifolium >Klee, Kleeblatt*: Als botanischer Terminus entlehnt aus lat. trifolium (eigtl. »Dreiblatt*, s. drei, Folie), einer Lehnübersetzung von bedeutungs- und strukturgleichem griech. triphyllon. Über vlat. *trifolum entstand frz. trèfle >Klee(blatt); kleeblattförmiges Ornament oder Ding*, das im Kartenspiel die metaphorische Bedeutung >Kreuz< entwickelte. Im 18. Jh.'daraus ins Deutsche übernommenes Treffle wurde als mit dem schwäbischen Diminutivsuffix -le (vgl. Spätzle unter Spätzlein) gebildete Verkleinerungsform aufgefasst und ergab durch Abtrennung des vermeintlichen Suffixes (und daher eigentlich durch Kopffragmentierung) Treff >Kreuz im Kartenspiel* als etymologische Dublette von Trifolium.

Trift »Viehweide; Holzflößung; Strömung des Wassers*: Das Substantiv, das im Unterschied zu seinen drift lautenden Kognaten in anderen germanischen Sprachen hochdeutsches t- aufweist, ist ein gemeingermanisches tz-Abstraktum zum Verb treiben (s. d.), so dass die obigen Bedeutungen aus der ursprünglichen »Treiben* hervorgegangen sind. Aus dem Niederdeutschen ist der seemännische Ausdruck Drift mit der spezialisierten Bedeutung »das Treiben der Strömung, durch Winde bewirkte Meeresströmung und dadurch verursachtes Abtreiben eines Schiffes vom Kurs* ins Hochdeutsche gelangt.

Trine: Das umgangssprachliche Schimpfwort für eine als träge, ungeschickt angesehene weibliche Person (gewöhnlich attribuiert: eine dumme, faule, liederliche Trine) wird als Paradebeispiel für die Umwandlung eines Personennamens in einen Gattungsnamen unter Andeutung charakteristischer Eigenschaften seines ursprünglichen Trägers angeführt (vgl. ferner

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Trinität Stackes unter Eustachius). Trine/Trina ist eine entstellte niederdeutsche Schwanzfragmentierung des weiblichen Vornamens griechischen Ursprungs Katharina (eigtl. >die ReineDreieinigkeit, Dreifaltigkeit Gottes*: Dieser Begriff, durch den griech. trias >Dreiheit< (vgl. Trias) wiedergegeben und unter dem in der christlichen Religion die Einheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist verstanden wird, ist eine seit dem 13. Jh. bezeugte Eindeutschung von gleichbed. spätlat. trinitas, Gen. trinitatis (eigtl. >Dreizahl3*, s. drei). Als Bezeichnung für den Dreifaltigkeitssonntag (den Sonntag nach Pfingsten) tritt seine Genitivform entweder im Kompositum Trinitatisfest oder im daraus isolierten Trinitatis auf. Die spanische Fortsetzung des Latinismus trinidad ist zugleich ekklesiogener Name der mittelamerikanischen Insel Trinidad (möglicherweise dadurch angeregt, weil sie aus der Ferne wie drei Feime aussieht) und von hier aus auch des Staates Trinidad und Tobago im Karibischen Meer. Tripolis: Name mehrerer Städte, der aus griech. tri»drei-< (s. drei) und polis >Stadt< (s. Polis) gebildet ist und demnach so viel wie >Dreistadt< bedeutet. Das im nordwestlichen Küstengebiet von Libanon gelegene Tripolis/Tripoli wurde nach 700 v. Chr. von Phönizern gegründet und war in der Perserzeit Vorort der phönizischen Drei-Städte-Föderation Tyros, Sidon und Arados. Von dort führte man eine Art zum Polieren von Metallen, Steinen und zu anderen Zwecken verwendete Kieselerde nach Europa ein, die im Französischen und Englischen mit dem Namen der Stadt gleich lautend - tripoli - blieb, im Deutschen und Niederländischen dagegen zu Tripel1 m. bzw. tripel modifiziert wurde. Manche Autoren geben den gleich lautenden Namen der Hauptstadt Libyens Tripolis (wörtl. >DreistadtNeulanddreiteiliger Altaraufsatz, bestehend aus dem Mittelbild und zwei Seitenflügeln*: Kunstwis-

senschaftlicher Fachausdruck, der das substantivierte Neutrum von griech. triptychos m. dreifältig, dreifach* (Zusammenbildung aus tri- drei-*, s. drei, und ptyx, Gen. ptychós »Falte, Lage* oder ptyssein »falten*) darstellt. Über engl. und frz. triptyque (eigtl. >TriptychonArzneimittel< ist Bestimmungswort im Amerikanismus Drugstore >Verkaufsgeschäft mit Schnellgaststätte und Abteilung für Artikel des täglichen Bedarfs* (Grundwort: store >Vorrat; Lagerhaus*, amerik. >LadenArzneimittelfieber* (s. Fieber).

Tropaeum/Tropaion >Göttern geweihtes Siegesmai an der Stelle, an der der Gegner sich zuerst zur Flucht wandte*: In den im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten Varianten spiegeln sich lat. tropaeum und seine griechische Vorlage tropaion Siegeszeichen* (eigtl. >WendepunktWendung der Feinde herbeiführend*, zu trope >Wendung*, s. Tropus). In der griechischen und römischen Antike handelte es sich ursprünglich um einen mit erbeuteten Waffen behängten Baum oder um ein Monument aus den Waffen der Besiegten, das E. Seebold zufolge nach Zeus Tropaios >dem Wender (des Feindes zur Flucht)* errichtet wurde. Im Lateinischen entwickelte sich eine angeblich regräzisierte Nebenform trophaeum, in der ph hyperkorrekt furp eingetreten war und die im 16. Jh. zunächst dt. trophaeum, seit dem 17./18. Jh. unter Einfluss von herkunftsgleichem frz. trophée m. mit Genuswechsel nicht zuletzt in Anlehnung an Beute (semantische Analogie) die Dublette Trophäe f. Siegeszeichen (erbeutete Fahne, Waffe o. Ä.); Jagdbeute; Pokal oder Medaille zur Erinnerung an den Sieg in einem sportlichen Wettbewerb* lieferte.

Tropf »einfältiger Mensch*: Im Sinne von »nichtig, unbedeutend wie ein Tropfen* oder aber »einer, der an Schlagfluss oder Fallsucht leidet* (metonymisch nach der Bezeichnung solcher Krankheiten aufgrund der Vorstellung, dass sie von einem ins Gehirn oder Rückenmark gefallenen Tropfen herrühren) ist das Wort durch Aufspaltung des schwach flektierten Maskulinums mhd. tropfe, Gen. tropfen »Tropfen, Träne; Schlagfluss; Tropf* entstanden, das auch die Quelle von nhd. Tropfen (eigtl. »Triefer, Triefendes*) ist. Über ahd. tropfo geht mhd. tropfe auf germ. *drupön/*druppn- »Tropfen* (nullstufige Bildung zum Verb *dreupa- »triefen* > nhd. triefen) zurück, worauf auch engl. drop »Tropfen* beruht. In der Bedeutung »tropfenförmige Fruchtbonbons* tritt dessen Plural drops in der Entlehnung Drops m./n. singularisiert auf. tropisch »südlich, heiß; bildlich, übertragen*: Im heutigen Sprachgefühl wird die Semantik dieses Adjektivs in der Regel mit den unter Tropus erörterten Fremdwörtern Tropen und Trope in Zusammenhang gebracht, W. Pfeifer glaubt es dagegen seit dem 17. Jh. im Sinne von »auf den Wendekreis am Himmel oder die Sonnenwende bezogen* in Gebrauch. Es wurde durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) über lat.

Tross tropicus aus griech. tropikós »zur Wende, Wendung gehörig* (zu trópos und/oder tropé »Wende, Wendung*, s. Tropus) übernommen. Auf dem substantivierten Maskulinum spätlat. tropicus »Wendekreis* beruht das im 18. Jh. zeitweilig gebräuchliche gleichbed. dt. Tropicus, vgl. engl. tropics, frz. tropiques »Tropen*, unter deren Einfluss tropisch im 18. Jh. die erste seiner modernen Bedeutungen angenommen zu haben scheint. Durch Ellipse aus nlat. malaria tropica (s. Malum, Air) wurde tropica, die feminine Form von lat. tropicus, substantiviert und liegt im medizinischen Fachausdruck Tropika »schwere Form der Malaria* vor. Tropus »Kirchentonart; melodische Ausschmückung von Texten im gregorianischen Choral*: Über lat. tropus »Weise, Melodie; Bild* (vgl. Troubadour) übernommen aus griech. trópos m., wörtl. »Wende, Wendung* (zu trépein »wenden, umkehren; sich wenden; in die Flucht schlagen oder die Flucht ergreifen*, vgl. Tropaeum), das gleichbed, tropé f. (als morphologische Variante?) neben sich hat. Aus diesem hergeleitet oder für Rückbildung aus Tropen, dem Plural von Tropus, gehalten wird oder aber über (auf lat. tropus zurückgeführtes) gleichbed. frz. trope entlehnt sein kann Trope »bildlicher Ausdruck (etwa Bacchus für Wein) »Heergepäck* > »der dem Heer nachfolgende Zug*) fort. Letzteres stammt aus afrz. trose/torse »Bündel, Pack* (heute trousse, zu trousser »zusammenpacken, beladen*, afrz. torser < vlat. Corsare »ein Bündel schnüren*, Ableitung aus dem Partizipialadjektiv lat. tortus/vlat. *torsus »gedreht, gewunden* von torquere »drehen, winden*, vgl. Tort). Im 18. Jh. wurde aus dem Niederdeutschen Trosse »starkes Schiffstau*, das - wie oben angedeutet gleichen Ursprungs ist. Den Bedeutungswandel von »Bündel* zu »Seil, Tau* bei niederd. trosse versuchen E. Seebold und W. Pfeifer durch das semantische Bindeglied »zusammengerolltes Seil* bzw. »vor dem Gebrauch wie ein Bündel auf Deck liegendes Tau* zu überbrücken, es kann sich aber einfach um eine Kopf-

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Trost isolierung aus Komposita wie mhd. trosserieme »Riemen am Packsattel* handeln, wie dies bei Sarg (s. d.) als Kopfisolierung aus Sarkophagus zu sehen war. Trost: Angesichts der Vorform mhd., ahd. tröst sowie anord. traust>Trost, Stärke< u.a. wird germ. *trausta>Zuversicht(innere) Festigkeit* als ihr Ausgangspunkt angesetzt. Nach E. Seebold ist das eine morphologisch nicht recht durchsichtige Bildung zu treu und trauen, nach W. Pfeifer dagegen eine sf-Bildung zu idg. *deru-, *dreu- >hart, fest; Baum, Eiche< (und damit verwandt mit Teer, trauen, treu, vgl. Treue). Auf anord. traust führt man engl. trust >Vertrauen; anvertrautes Gut; Treuhand* zurück, das seit Ende des 19. Jh. - aus amerik. trust (company) »Treuhand(gesellschaft)< verselbständigt - in dt. Trust >Kartell, Zusammenschluss mehrerer Unternehmen unter einer Leitung zum Zweck der Monopolisierung* vorliegt, vgl. auch Braintrust beratender Ausschuss; Expertengruppe* unter Bregen.

Troubadour: Über frz. troubadour geht die Bezeichnung für provenzalische Minnesänger des 12./14. Jh. auf aprov. trobador >Dichter< zurück, dessen nordfranzösischer Kognat trouvère in dt. Trouvère mordfranzösischer Minnesänger des Mittelalters* vorliegt. Die beiden Historismen setzen jeweils vlat. *tropator Nom., *tropatorem (galloroman. *troveor) Akk. fort, das von *tropare >Weisen, Verse erfinden*, nach dem 12. Jh. >erfinden; finden* überhaupt (zu lat. tropus >Weise, Melodie; Bild*, s. Tropus) abgeleitet ist. Aus *tropare und *troveor sind entsprechend frz. trouver >finden< und trouveur »Finder; Erfinder* hervorgegangen, Letzteres mit regionalhistorischen etymologischen Dubletten troubadour - trouvère. Troyes: Die Hauptstadt des französischen Departements Aube ist nach dem keltischen Stamm der Tricasser (4. Jh. civitas Tricassium) benannt. Ihren Namen führte der namhafte altfranzösische Dichter Chrétien de Troyes (um 1135-1183, s. Christ, de1), Begründer des sog. höfischen Romans und Verfasser der epischen Versdichtungen »Erec«, »Lancelot**, »Yvain«, »Perceval«. Im Anschluss an ein auf den mittelalterlichen Jahrmärkten in Troyes verwendetes Handelsgewicht für Gold, Silber und Edelsteine nennt man das in Großbritannien und den USA ihm entsprechende Massemaß troy weight, das im Deutschen durch die teilweise Lehnübersetzung Troygewicht »Gewicht für Edelmetalle und -steine* wiedergegeben wird (zu germ. *wega- »bewegen*, der gemeinsamen verbalen Grundlage von dt. Gewicht und gleichbed. engl. weight jeweils als Kollektivum und Abstraktum, s. wägen). Laut Duden-Universalwörterbuch gehen wohl auf den Namen der französischen Stadt andererseits mhd. troie/treie, mnd. troye »Jacke, Wams* zurück, die - falls das zutrifft -

Troyer/Troier »grobmaschiger dickerer Rollkragenpullover, dessen Rollkragen sich mit einem Reißverschluss öffnen und umlegen lässt*, seemänn. »wollenes Unterhemd oder Strickjacke der Matrosen* als graphischen Varianten einer adsuffigierten Dublette (vgl. Dragoner unter Drache) von Troyes und dem gebunden auftretenden Troy- zugrunde liegen.

Trubel »lautes Durcheinander, Aufregung, unruhiges Treiben*: Im 17. Jh. entlehnt aus frz. trouble »Unordnung, Verwirrung; Unruhe*, seit dem 13. Jh. bezeugte Rückbildung aus afrz. trobler/torbler »trüben; beunruhigen, verwirren*, das gleichbed. vlat. *furbulare (zu turbulentus »stürmisch, aufgeregt* und turbidus »verwirrt, erregt*) fortsetzt. Seit dem 13. Jh. bezeugt ist auch engl. trouble »Unruhe; Verdruss; Verlegenheit*, das entweder aus dem französischen Substantiv stammt oder wie dieses Postverbale zu aus afrz. troble übernommenem to trouble »beunruhigen, stören* ist. Demnach ist der Anglizismus Trouble »Ärger, Unannehmlichkeiten* im Deutschen entweder vermittelte oder etymologisch adäquate Dublette von Trubel. Truchsess »oberster Hofbeamter, der den Tafeldienst am Hofe versieht*: Als Bezeichnung eines der vier Ehrenämter einer fürstlichen Hofhaltung (vgl. Kämmerer) beruht der Historismus auf mhd. truh(t)sceze, das sich aus germ. *druhti- »Schar* und einer von sitzen abgeleiteten, in Insasse (verselbständigt auch in Sasse »Ansässiger, Einwohner*) vorhandenen Ablautbildung zusammensetzt und ursprünglich den in einer Schar, in einem Gefolge Sitzenden, zu den nächsten Vertrauten Gehörenden und die Hausverwaltung Versehenden meinte. Im Mittelniederdeutschen lautete dasselbe Kompositum dros(se)te, das in Drost »Verwalter eines Drostei heißenden Verwaltungsbezirks in Nordwestdeutschland* zusammengezogen fortlebt.

Trum/Trumm1 m./n. »Abteilung eines Schachtes; schmaler Gesteinsgang; frei laufender Teil des Förderbandes oder des Treibriemens*: Der im Berg- und Maschinenbau gebräuchliche Fachausdruck hat eine gewissermaßen morpho- und graphosemantische etymologische Dublette in mdal. (oberd.) Trumm2 n. »Ende; großes Stück; Fetzen; Exemplar; kleiner Erzgang*. Dessen Plural Trümmer »Bruchstücke, Ruinen* hat sich dagegen zu einem stilistisch neutralen Lexem verselbständigt. Das ihnen vorausgehende mhd., ahd. trum/drum »Endstück, Splitter* versucht man, über germ. *prum- auf idg. *trm-, *term- (eine Bildung mit ni-Suffix zu *ter- »hinübergelangen, hindurchdringen*) zurückzuführen, aus dem auch lat. terminus »Grenzstein, Grenze; Ziel, Ende* (s. Term) hergeleitet wird.

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Trupp m. >kleine Schar, militärische Einheitc Das Substantiv wurde im 17. Jh. möglicherweise über gleichbed. niederl. troep bzw. mniederl. troep/troepe aus frz. troupe >Menschengruppe, Abteilung einer Armee< entlehnt. Dieses ist zugleich die unmittelbare Quelle des ebenso seit dem 17. Jh. bezeugten Femininums Truppe >militärischer Verband; Gruppe gemeinsam auftretender Schauspieler oder Artistem (in der militärischen Bedeutung zunehmend als Pluraletantum Truppen auftretend). Falls das französische Wort (afrz. trope) über galloroman. troppus >Schar; Herde< direkt auf afränk. throp/thorp >Ansammlung, Haufen< zurückgeht und nicht aus afrz. tropel »Menschenmenge, Gruppe von Soldatem (heute troupeau »Herde; PöbelGehöft< mit nachfolgender Bedeutungsverschiebung zu »Versammlungsort; Pferch; Herde; Menschenmenge^, niederd. Dorp/Dörp (etwa in Holtdörp, s. Holz) stellen (vgl. ferner Dörfler). Das in adverbialer Funktion seit dem 12. Jh. »zu sehr, (all)zu< bedeutende (a)frz. trop lieferte ital. troppo »zu sehr, zu viels das seinerseits im Rahmen musikalischer Vortragsanweisungen wie ma non troppo »aber nicht zu sehr< Eingang ins Deutsche fand.

Tuba »tiefstes Blechblasinstrument; Ohrtrompete; Eileiters Im 18. Jh. zunächst im Sinne von »Kriegstrompete< entlehnt aus lat. tuba f. »gerade, tieftönende (Kriegs)trompeteRöhremit einer Abgasturbine arbeitende Vorrichtung zum Aufladen eines Motors* und Turbomotor »Motor mit einem Turbolader; mit einer Gasturbine arbeitendes Triebwerk* sowie als Bezeichnung für einen Wagen mit Turbomotor etabliert. Turf »Pferderennbahn; Pferderennen, -sporte Im 19. Jh. aus gleichbed. engl. turf (eigtl. >Rasen, Rasenstück; Torf*) übernommen. Dessen Quelle germ. *turba-, die vermutlich eine labiale Erweiterung *drbh- von idg. *der- >spalten, reißen, schinden* fortsetzt, be-

deutete wie auch ursprünglich wohl >Abgestochenes, Losgelöstes*. Daraus hervorgegangenes ahd. zurf/ zurba »ausgeschnittenes Rasenstück* war - im Gegensatz zu seinen Kognaten asächs. turf »Rasen* und mnd. torf »Rasenstück; Torf* - offesichtlich schon im Mittelhochdeutschen ausgestorben, seit dem 16. Jh. im Hochdeutschen bezeugtes mnd. torf trat jedoch an seine Stelle und ergab nhd. Torf »durch Zersetzung von pflanzlichen Substanzen entstandener Boden*. Turm: Das im Allgemeinen ein hoch aufragendes Bauwerk bezeichnende Wort ist mit unregelmäßigem Lautwandel -m < -n in mhd. (md.) türm, sonst turn »Turm; Gefängnis* entstanden. Es ist aus dem aufgrund des Diminutivs tornele erschließbaren afrz. *torn, einer Nebenform von afrz. tor entlehnt, das über lat. turris, Akk. turrem auf griech. tyrsis »(Wohn-, Mauer)turm; Burg; mit Mauer und Burg befestigte Stadt* zurückgeht. Da lat. turris auch den drehbaren Beobachtungsturm des römischen Befestigungssystems bezeichnete, erklärt W. Pfeifer das Aufkommen des auslautenden -n in *torn durch Anlehnung an spätlat. tornare »wenden*. Afrz. tor/tur fortsetzendes frz. tour »Turm* liegt mehreren Ortsnamen zugrunde, z.B. dem des Hauptorts der westfranzösischen Landschaft Tourain Tours, mit agglutiniertem bestimmtem Artikel auch Latour etwa im Namen des französischen Malers Maurice Quentin de Latour (1704-1788). Das altfranzösische Wort ist außerdem die Quelle von meng, tür/tour, das engl. tower »Turm, Burg* ergab. Im Deutschten ist Tower sowohl als Name der historischen Befestigungswerke in der Altstadt Londons wie auch als Bezeichnung des turmartigen Gebäudes auf Flugplätzen zur Überwachung des Flugverkehrs (< engl. control tower »Kontrollturm*) bekannt.

tutti »alle (Instrumente, Stimmen)*: Der musikalische Hinweis (substantivisch Tutti »volles Orchester; tutti zu spielende Partie*; gebunden in Tuttifrutti »Vielfruchtspeise; Süßspeise aus verschiedenen Früchten* < ital. tuttifrutti »alle Früchte*, s. Frucht) repräsentiert den Plural der maskulinen Adjektivform ital. tutto »all, ganz*. Dessen Femininum tutta (Plur. tutte) erscheint in den ebenfalls musikalischen Fachausdrücken tutta la forza »mit voller Kraft* (s. Forsche) und tutte le corde »alle Saiten, ohne Verschiebung (beim Klavier)* (s. Chorda), vgl. auch Mozarts komische Oper Così fan tutte, eigtl. »so machen es alle (Frauen)*. Französischer Kognat von ital. tutto ist gleichbed. tout m. (mit dem Femininum toute und dem maskulinen Plural tous) etwa in tout le monde »jeder(mann), alle Leute* (eigtl. »die ganze Welt*, s. Mundus), à tout prix »um jeden Preis* (s. ad, Preis), Atout »Trumpf* (Zusammenrückung aus à tout »bei, zu allem*), ugs. partout »durchaus, unbedingt* (umgedeutete Übernahme von frz. partout »überall; al-

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lenthalben*, s. vor» vgl. Pasch), à toute force >mit aller Kraft* (vgl. tutta la forza oben) bzw. en tous cas >für jede Gelegenheit passend (von Kleidungsstücken) < (eigtl. >in jedem Falldas Ganze, Gesamtbestand< vorliegt» vgl. auch die sprachwissenschaftlichen Termini Totum pro Parte und Pars pro Toto (s. Part) sowie die Hypostasierung Faktotum >Mädchen für alles< (eigtl. »mache alles!*, s. Fazit). Die Kompositionsform toti- tritt ihrerseits auf im biologischen Fachausdruck totipotent »befähigt zur allseitigen Entwicklung*.

Twen »junger Mann, junge Frau um die zwanzig*: Im Deutschen getätigte Isolierung aus engl. twenty, der Struktur- und bedeutungsgleichen Entsprechung von dt. zwanzig (s. d.). Als Vorderglied des Numerales fungiert das einstige Maskulinum zu zwei (s. d.). In dieser noch immer erklärungsbedürftigen Form (ahd. zwène, aengl. twègen weisen zusätzliche formale Modifizierungen auf) steckt beispielsweise nach E. Seebold ein westgermanisches Distributivzahlwort *twajina und nach W. Pfeifer das Zahladjektiv germ. *twaina. Tympanon »oft mit Reliefs geschmücktes Giebelfeld über Fenstern und Türen*: In dieser übertragenen Bedeutung» motiviert durch die halbrunde Form des Giebelfelds, vertritt der architektonische Fachausdruck lautgetreu griech. tympanon »Handtrommel* (zu griech. typtein »schlagen, stoßen*, vgl. Typos). Mit derselben Bedeutung als semantischer Konstante kehrt das griechische Wort über lat. tympanum in Tympanum wieder, das außerdem »altgriechische Handtrommel; trommelartiges Schöpfrad in der Antike; Paukenhöhle im Mittelohr* bedeutet.

Typos Derselben Herkunft sind ferner die durch romanische Vermittlung übernommenen musikalischen Termini Timpano »Pauke* (über gleichbed. ital. timpano für lat. tympanum) und Timbre »Klangfarbe einer (Gesangs)stimme oder eines Instruments* (über gleichbed. frz. timbre, eigtl. »Klang*, älter »Schellentrommel*, aus mgriech. tymbanon für griech. tympanon).

Typos: Das auf griech. typos »Schlag, Gepräge, Abdruck, Gestalt, Abbild, Vorbild* (zu typtein »schlagen, stoßen*, vgl. Tympanon) zurückgehende Fremdwort ist laut Duden-Fremdwörterbuch ebenso wie Typus (s.u.) Bezeichnung für alttestamentliche Personen oder Vorgänge, denen vorbildhafte Bedeutung für Personen oder Ereignisse des Neuen Testaments zugesprochen wird. Die Kompositionsform des Gräzismus erscheint in Zusammensetzungen wie Typoskript »maschinengeschriebenes Manuskript* (vgl. Schrift), in denen sie semantisch mit über lat. typus »Figur, Bild» Muster* getätigten Entlehnungen zusammenhängt. Zum einen sind das die polysemantischen maskulinen Varianten TypVTypus »Urbild, Beispiel; bestimmte psychologische Ausprägung* (nur die deglutinierte Variante bedeutet außerdem »Bauart, Muster, Modell; Gattung, Schlag; Gesamterscheinung eines Tiers*, während Typus mit Typos synonym ist), woneben ein auch schwach flektiertes ugs. Typ2 im Sinne von »bestimmte männliche Person* auftritt. Zum anderen ist aus dem gemeinsamen Plural Typen eine wohl nach dem Vorbild von herkunftsund bedeutungsgleichem frz. type feminine Rückbildung entstanden: Type »gegossener Druckbuchstabe (auch als Teil einer Schreibmaschine); Sortenbezeichnung für Müllereiprodukte*» ugs. »Sonderling, komische Figur*. Die meisten Bedeutungen von Typ1, Typ2, Type aufweisendes engl. type ist Grundwort im eingetragenen Warenzeichen Monotype »Gieß- und Setzmaschine für Einzelbuchstaben* (s. mono).

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über: Der Form nach setzt das heute als Präposition und Adverb fungierende Wort das Adverb ahd. ubari/ubiri gegenüber als Präposition auftretendem ahd. uber/ubar >über< fort. Beide Partikeln werden über funktional nicht differenziertes germ. *uber(i) >über, oberhalb* auf gleichbed. idg. *uperi, eine Komparativbildung zu *upo »von unten an etwas heran; (von unten) hinauf, über* (vgl. auf, zurückgeführt. Die germanische Vorlage liegt sowohl engl. over >über< (enthalten u.a. in Overall >einteiliger Arbeitsanzug*, eigtl. >über alles*, s. all) wie auch gleichbed. asächs. ober zugrunde, das im Regionalismus mitteld., niederd. ober3 >über< fortlebt (zu dessen Homonymen s. ober1). Im Hinblick auf die etymologische Duplizität kommen unter den Kognaten von germ. *uber(i) >über< gleichbed. griech. hyperund lat. super in Frage. Jenes ist Vorderglied von Hyperbe/ >Übertreibung des Ausdrucks; Kegelschnitt* (über lat. hyperbole aus griech. hyperbolé, eigtl. >das Darüberhinauswerfen*, zum Grundwort s. Parabel). Als Präfixoid zur Bezeichnung hervorragender Eigenschaften liegt lat. super (über dessen umstrittenen Anlaut s. auf in Kopfisolierungen wie Super Superbenzin (Oktanzahl über 96)* und ugs. super großartig, hervorragend* vor. Aus lat. super/super- wird vielfach als Präposition und Präfix fungierendes frz. sur/sur- >über/über-* hergeleitet, vgl. dessen Präsenz in Pate sur päte >Art der Porzellan- oder Steingutverzierung* (s. Paste), Villefranche-sur-Saón (s. Villafranca), Surcot/Surkot >ärmelloses Übergewand* (s. Kutte), ferner mit englischer Aussprache in Surplus »Überschuss, Gewinn* (s. plus).

Überdruck1 »nochmaliger Druck auf Geweben, Papier u.Ä.c In dieser Bedeutung ist das Wort ein Deverbativ, genauer eine Rückbildung aus überdrucken »über etwas Gedrucktes nachträglich drucken*. Andererseits ist durch Antritt von über- als Bezeichnung für etwas über eine bestimmte Grenze Hinausgehendes direkt an das Substantiv Druck strukturgleiches Überdruck2 »zu starker, den normalen Atmosphärendruck übersteigender Druck* entstanden, das im Unterschied zum ersten Glied des analog aufgekommenen Dublettenpaars Konrekror - Korrektor (s. d.) mit Überdruck1 gleich lautend ist. In beiden Fällen lässt sich allerdings höchstens von einer durch die Koinzi-

denz etymologisch identischer Morpheme bedingten Duplizität reden, im Gegensatz zu teilweise homonymen Morphemfolgen wie in Druckerzeugnis1 (aus druck- + Erzeugnis) vs. Druckerzeugnis2 (aus Drucker + Zeugnis).

übersetzen1 »auf das andere Ufer bringen*: Das präfixbetonte, unfest zusammengesetzte Verb führt gleichbed. mhd. übersetzen, ahd. ubarsezzen »von einem Ort an einen anderen bringen* fort. An die Stelle einer parallel existierenden festen Zusammensetzung mhd. übersetzen »übermäßig besetzen, überbürden; schriftlich verfassen* trat im 15. Jh. übersetzen2 »in eine andere Sprache übertragen*, gebildet — wohl wie auch mnd. oversetten — nach dem Vorbild von Struktur- und bedeutungsgleichem lat. traducere oder transferre (eigtl. »hinüberführen* bzw. »hinüberbringen; übertragen*, Präfigierungen von ducere »führen* und ferre »tragen* mit tra- »über-, hinüber*, s. Trichter, Ductus, Lux). Dieses Dublettenpaar sei neben wiederholen1 (s. d.) und wiederholen2 - für die anderen mit durch-, über-, uni-, unter- gebildeten, in Betonung und Semantik abweichenden festen und unfesten Zusammensetzungen (etwa durchsetzen durchsétzen, umstellen - umstéllen, unterlegen - unterlégen) repräsentativ aufgeführt.

Ud »Laute persischer Herkunft, die als Vorstufe der europäischen Laute gilt und deren Saitenzahl heute 4-7 Paare beträgt*: Der Name des exotischen Instruments stammt aus dem Arabischen, in dem ‘üd eigentlich »Holz* bedeutet. Mit agglutiniertem bestimmtem Artikel ergab arab. al-'üd im 13./14. Jh. aspan. alod/alaüd/laüd, das über afrz. leüt m. mit Genuswechsel spätmhd. lüte f. lieferte. Aus diesem entstand nach der ffühneuhochdeutschen Diphthongierung des langen mhd. ü die heutige Form Laute, so dass das Dublettenpaar Ud - Laute im Grunde genommen gleichen Typs ist wie Chemie (s. d.) - Alchimie, Kadi (s. d.) -Alkalde, Kali (s. d.) - Alkali.

Ufer: Das aus spätmhd. uover monophthongierte Substantiv hat sich von Norddeutschland ausgehend verbreitet und mitteld., oberd. Staden »Ufer; Uferstraße* (zu germ. *stä-/*ste- »stehen*) sowie das dazu gebildete Kollektivum Gestade aus der Gemeinsprache verdrängt. Seine Quelle mnd. över geht zusammen

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mit aengl. öfer/öfor zurück auf westgerm. *öber >Ufer< (vermutlich eine Komparativbildung zu idg. *apo >ab, weg*, s. ab1). Gebunden treten diese in Ortsnamen auf: Hannover, Hannöver (eigtl. >hohen Ufer«, d.h. »am hohen Ufer gelegen*, s. hoch) bzw. Windsor (aus aengl. Windles öfer >Ufer des Flusses WindelStunde< geht es durch Vermittlung von afrz. ore und vlat. *öra auf lat. höra »Stunde; Jahr(eszeit)< zurück, das seinerseits griech. höra »(rechte) Zeit, Jahres-, Tageszeit, Stunde< widerspiegelt. Sofern in deutschen Lexika aufgeführt, existiert der Latinismus hora gegenwärtig nur in der Gestalt des graphischen Symbols h bei Zeitangaben wie 10 h (aufgelöst: zehn Uhr) und als Bestandteil von Kürzeln wie kWh für die Vollform Kilowattstunde. Die modernen Lautformen des französischen und des englischen Substantivs (mit in der Schrift relatinisiertem Anlaut) heure bzw. hour »Stunde< sind enthalten jeweils im bildungssprachlichen Ausruf der Begeisterung à la bonne heure »so ist es recht, das trifft sich gut, vortrefflich, ausgezeichnet* (eigtl. »zur guten Stunde*, s. ad, Bon) und im Kompositum Rusfthour »Hauptverkehrszeit* (Bestimmungswort: rush »Ansturm, Andrang*). Aus dem Kirchenlatein stammt das Fremdwort Hora2 »Stundengebet der katholischen Geistlichen* (zu Hora1 s. Chorus, vgl. Matutin). Personifiziert liegt griech. höra in seinem lexikalisierten Plural Hörai vor, das über lat. Horae dt. Horen als Sammelbezeichnung für die griechischen Göttinnen der Jahreszeiten und der sittlichen Ordnung lieferte, nämlich Zeus* und Themis’ Töchter Dike (Göttin der Gerechtigkeit), Eunomia (Göttin der gesetzlichen Ordnung) und Eirene (Göttin des Friedens, s. Irene1). Horo-, die Kompositionsform des griechschen Wortes, ist gebundene Dublette von Uhr usw. z.B. in Horoskop, Übernahme von spätlat. horoscopium »Instrument zur Ermittlung der Planetenkonstellation bei der Geburt eines Menschen* (Grundwort: -skop, zu griech. skopein »betrachten*, also eigtl. »Stundenseher*, vgl. Episkop). Als indogermanische Basis für griech. höra f. (daneben auch höros m. »Zeit, Jahr*) wird *yör- angesetzt, das sich als ö-Stufe zur Wurzel *yèr- »Jahr, Sommer* (so W. Pfeifer), nach E. Seebold eher »Frühling* mit Übergang zur Bedeutung »Jahr* durch die Zählung der Jahre nach den Lenzen, stellt. Letzteres ist kaum als handfester Deutungsvorschlag zu akzeptieren, wenn man

um bedenkt, dass bei den Slawen die Zählung der Jahre nach Sommern erfolgte und dass nach Angaben des Duden-Herkunftswörterbuchs in altgermanischer Zeit das Wort für Winter zugleich »Jahr* bedeutete und Zeitspannen und Lebensjahre vorwiegend nach Wintern gezählt wurden. Idg. *yör- ist nun eben auch die Quelle von germ. *p£ra-, aus der u. a. dt. Jahr und gleichbed. engl. year hervorgegangen sind. Unter genetischem Gesichtswinkel ließe sich somit das Neutrum Jahr unter Umständen als ablautende morphosemantische Dublette von Uhr und den Repräsentanten von dessen griechischer Vorlage im Deutschen betrachten (vgl. das unter Fuß über ablautende Kognaten Ausgeführte).

um; Im Gegensatz zu niederdt. üm und zu aus ahd. umbi regelrecht umgelautetem mhd. ümbe/ümme führt die heute als Präposition, Adverb und Konjunktion fungierende Partikel um die umlautlosen Nebenformen mhd. um/umme/umbe fort. Zusammen mit asächs. umbi, aengl. ymb(e), anord. um(b) geht ahd. umbi über west- und nordgerm. *umbi auf idg. *mbhi zurück. Dies ist die gleichbedeutende Schwundstufe zu idg. *ambhi »um - herum, zu beiden Seiten*, vertreten in kelt. *ambi »herum* und daher in Amt (zu gall. *ambaktos »Höriger, Diener, Bote*, s. Ammann) sowie in den jeweils aus dem Griechischen und Lateinischen stammenden Präfixen amphi- und amb(i)- im Sinne von »beidseitig, zweifach, um - herum, ringsum*, vgl. etwa Amphitheater (aus griech. amphithéàtron, eigtl. »Theater, bei dem der Zuschauerraum ringsum ist*), Amphora (aus griech. amphoreüs, haplologisch verkürzt aus *amphiphoreüs »Zweiträger, ein beiderseits getragener Krug*, s. Amphora), Ambiente »Umwelt, Atmosphäre* (über ital. ambiente »Umwelt, Milieu* aus lat. ambiens, Gen. ambientis, Partizip Präsens von ambire »umgehen; umgeben*, also eigtl. »das Umgebende*). Die schwedische Entsprechung von dt. um liegt vor im Fremdwort Ombudsmann »Beauftragter zur Wahrung staatsbürgerlicher Rechte* (aus gleichbed. schwed. ombudsman/ombud, eigtl. »Bevollmächtigter, Vertreter, Treuhänder*, zu anord. bjoÖa um »seine Vollmacht übertragen*, Grundverb identisch mit dt. bieten). In Anbetracht von got. bi »um - herum* wird angenommen, dass der erste Wortteil von germ. *umbi abfallen konnte, infolgedessen die Schwanzfragmentierung *hzbzw. (gedehnt) *hf entstand. Letzteres ergab ahd., mhd. bi, das zu nhd. bei diphthongiert wurde (nicht diphthongiert erscheint es in der Rückentlehnung Biwak, s. d.). Ahd. bi/bt hält sich offenbar in bis (< mhd. bitze/biz, einer Verschmelzung aus bi und ze »zu*, also »dabei zu*) sowie in veraltet biderb und in dessen Dublette bieder (s. d.), in unbetonter Position wurde es andernfalls zu be- abgeschwächt, vor allem als Präfix zahlreicher Verben wie

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tremulieren »mit einem Tremolo singen bzw. spielen* als Dublette von tremblieren. Treue: Lautlich hat sich das Abstraktum durch Diphthongierung des iu und Vokalisierung des w in mhd. triuwe >Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Treue; Gelübdes einem Kernbegriff der ritterlich-höfischen Ethik, entwickelt (über den indogermanischen Ansatz s. Trost). Aus der präpositionalen Fügung in triuwen/entriuwen >in Wahrheit* (wörtl. >in Treuen*) entstand durch Deglutination der abgeschwächten Präposition in der Zusammenrückung entriuwen die Kurzform triuwen, mitteld. (infolge gesetzmäßigen Wandels iu > ü vor w) trüwen/trün, die nach der Diphthongierung die veraltete, in der gehobenen Sprache als Ausruf vorkommende Dublette traun >fürwahr, in der Tat* ergab (vgl. analog anstatt > statt, enwec > wec jeweils unter Statt, weg). Triangel m. >aus einem runden Stahlstab bestehendes Schlaginstrument, das - frei hängend - mit einem Metallstäbchen angeschlagen wird*: Der in Österreich als Neutrum gebräuchliche musikalische Fachausdruck fußt auf lat. triangulum >Dreieckdreieckig< (Zusammenbildung aus tri- und angulus >Ecke, Winkel«, s. drei, vgl. Quadrangei unter vier). Landschaftlich wird der Latinismus bzw. seine teilweise Übertragung ins Deutsche Dreiangel außerdem im Sinne von >Winkelriss in Kleidungsstücken* verwendet, wobei die hier angesetzte etymologische Adäquatheit von Vorlage und teilweiser Lehnübersetzung durch die etymologische Identität von drei und tri- gestützt wird. Als substantiviertes Neutrum tritt lat. triangulum im seltener vorkommenden Triangulum »Dreieck, dreieckige Fläche* auf. Trias: Mit vorverlegter Betonung beruht das Fremdwort auf griech. triàs, Gen. triados >Dreiheit*, dem Nominativ des Abstraktums zu tria n., treis m./f. >drei< (s. drei), und teilt mit der Dublette Triade (paradigmatische Verselbständigung des Akkusativs triäda von triàs im Griechischen) die allgemeine Bedeutung »Dreizahl, Dreiheit*, insbesondere >Gruppe von drei Göttern, Dreieinigkeit*. Im Sinne von »drei zusammengehörige, gleichartige Dinge* bezeichnet Triade außerdem die Dreiheit aus Strophe, Antistrophe und Epode als Kompositionsform vor allem in der altgriechischen Tragödie, die Gruppe aus drei chemisch verwandten Grundstoffen bei den Versuchen der Aufstellung eines natürlichen Systems der Elemente, dreistufige historische Entwicklung (Thesis, Antithesis, Synthesis nach Hegels Auffassung), gelegentlich auch chinesische kriminelle Geheimorganisation. Als Fachausdruck der Geologie und Medizin ist Trias seinerseits Bezeichnung für die erdgeschichtliche Formation des Mesozoikums, die

Trine Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper umfasst, bzw. für eine Gruppe von drei Symptomen, die eine bestimmte Krankheit charakterisieren.

Trichter: Über mhd. trihter/trehter/trahter und ahd. trehtäri/trahtär wird das Wort auf spätlat. traiectorium >Trichter< zurückgeführt, das im Rahmen der Übernahme römischer Weinkultur früh entlehnt wurde (zur auch in gleichbed. niederl. trechter nachweisbaren Substitution /kt/ > /%t/ s. diktieren). Als Gerätebezeichnung stellt das lateinische Nomen eine Substantivierung des Neutrums des Adjektivs traiectorius m. >zum Hinüberwerfen, hinüberwerfend, -gießend* (zu lat. traicere »hinüberwerfen, -bringen, -führen, -schütten*, einer Präfigierung von iacere »werfen* mit trans-/ tra- >über-, hinüber-*) dar. Auf Ellipse aus (linea) traiectoria >die hinüberführende (Linie)* beruht andererseits die Substantivierung des Femininums von traiectorius und entsprechend die Entstehung des mathematischen Fachausdrucks Trajektorie >Linie, die jede Kurve einer ebenen Kurvenschar unter gleichbleibendem Winkel schneidet*. Trifolium >Klee, Kleeblatt*: Als botanischer Terminus entlehnt aus lat. trifolium (eigtl. »Dreiblatt*, s. drei, Folie), einer Lehnübersetzung von bedeutungs- und strukturgleichem griech. triphyllon. Über vlat. *trifolum entstand frz. trèfle >Klee(blatt); kleeblattförmiges Ornament oder Ding*, das im Kartenspiel die metaphorische Bedeutung >Kreuz< entwickelte. Im 18. Jh.'daraus ins Deutsche übernommenes Treffle wurde als mit dem schwäbischen Diminutivsuffix -le (vgl. Spätzle unter Spätzlein) gebildete Verkleinerungsform aufgefasst und ergab durch Abtrennung des vermeintlichen Suffixes (und daher eigentlich durch Kopffragmentierung) Treff >Kreuz im Kartenspiel* als etymologische Dublette von Trifolium.

Trift »Viehweide; Holzflößung; Strömung des Wassers*: Das Substantiv, das im Unterschied zu seinen drift lautenden Kognaten in anderen germanischen Sprachen hochdeutsches t- aufweist, ist ein gemeingermanisches tz-Abstraktum zum Verb treiben (s. d.), so dass die obigen Bedeutungen aus der ursprünglichen »Treiben* hervorgegangen sind. Aus dem Niederdeutschen ist der seemännische Ausdruck Drift mit der spezialisierten Bedeutung »das Treiben der Strömung, durch Winde bewirkte Meeresströmung und dadurch verursachtes Abtreiben eines Schiffes vom Kurs* ins Hochdeutsche gelangt.

Trine: Das umgangssprachliche Schimpfwort für eine als träge, ungeschickt angesehene weibliche Person (gewöhnlich attribuiert: eine dumme, faule, liederliche Trine) wird als Paradebeispiel für die Umwandlung eines Personennamens in einen Gattungsnamen unter Andeutung charakteristischer Eigenschaften seines ursprünglichen Trägers angeführt (vgl. ferner

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Trinität Stackes unter Eustachius). Trine/Trina ist eine entstellte niederdeutsche Schwanzfragmentierung des weiblichen Vornamens griechischen Ursprungs Katharina (eigtl. >die ReineDreieinigkeit, Dreifaltigkeit Gottes*: Dieser Begriff, durch den griech. trias >Dreiheit< (vgl. Trias) wiedergegeben und unter dem in der christlichen Religion die Einheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist verstanden wird, ist eine seit dem 13. Jh. bezeugte Eindeutschung von gleichbed. spätlat. trinitas, Gen. trinitatis (eigtl. >Dreizahl3*, s. drei). Als Bezeichnung für den Dreifaltigkeitssonntag (den Sonntag nach Pfingsten) tritt seine Genitivform entweder im Kompositum Trinitatisfest oder im daraus isolierten Trinitatis auf. Die spanische Fortsetzung des Latinismus trinidad ist zugleich ekklesiogener Name der mittelamerikanischen Insel Trinidad (möglicherweise dadurch angeregt, weil sie aus der Ferne wie drei Feime aussieht) und von hier aus auch des Staates Trinidad und Tobago im Karibischen Meer. Tripolis: Name mehrerer Städte, der aus griech. tri»drei-< (s. drei) und polis >Stadt< (s. Polis) gebildet ist und demnach so viel wie >Dreistadt< bedeutet. Das im nordwestlichen Küstengebiet von Libanon gelegene Tripolis/Tripoli wurde nach 700 v. Chr. von Phönizern gegründet und war in der Perserzeit Vorort der phönizischen Drei-Städte-Föderation Tyros, Sidon und Arados. Von dort führte man eine Art zum Polieren von Metallen, Steinen und zu anderen Zwecken verwendete Kieselerde nach Europa ein, die im Französischen und Englischen mit dem Namen der Stadt gleich lautend - tripoli - blieb, im Deutschen und Niederländischen dagegen zu Tripel1 m. bzw. tripel modifiziert wurde. Manche Autoren geben den gleich lautenden Namen der Hauptstadt Libyens Tripolis (wörtl. >DreistadtNeulanddreiteiliger Altaraufsatz, bestehend aus dem Mittelbild und zwei Seitenflügeln*: Kunstwis-

senschaftlicher Fachausdruck, der das substantivierte Neutrum von griech. triptychos m. dreifältig, dreifach* (Zusammenbildung aus tri- drei-*, s. drei, und ptyx, Gen. ptychós »Falte, Lage* oder ptyssein »falten*) darstellt. Über engl. und frz. triptyque (eigtl. >TriptychonArzneimittel< ist Bestimmungswort im Amerikanismus Drugstore >Verkaufsgeschäft mit Schnellgaststätte und Abteilung für Artikel des täglichen Bedarfs* (Grundwort: store >Vorrat; Lagerhaus*, amerik. >LadenArzneimittelfieber* (s. Fieber).

Tropaeum/Tropaion >Göttern geweihtes Siegesmai an der Stelle, an der der Gegner sich zuerst zur Flucht wandte*: In den im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten Varianten spiegeln sich lat. tropaeum und seine griechische Vorlage tropaion Siegeszeichen* (eigtl. >WendepunktWendung der Feinde herbeiführend*, zu trope >Wendung*, s. Tropus). In der griechischen und römischen Antike handelte es sich ursprünglich um einen mit erbeuteten Waffen behängten Baum oder um ein Monument aus den Waffen der Besiegten, das E. Seebold zufolge nach Zeus Tropaios >dem Wender (des Feindes zur Flucht)* errichtet wurde. Im Lateinischen entwickelte sich eine angeblich regräzisierte Nebenform trophaeum, in der ph hyperkorrekt furp eingetreten war und die im 16. Jh. zunächst dt. trophaeum, seit dem 17./18. Jh. unter Einfluss von herkunftsgleichem frz. trophée m. mit Genuswechsel nicht zuletzt in Anlehnung an Beute (semantische Analogie) die Dublette Trophäe f. Siegeszeichen (erbeutete Fahne, Waffe o. Ä.); Jagdbeute; Pokal oder Medaille zur Erinnerung an den Sieg in einem sportlichen Wettbewerb* lieferte.

Tropf »einfältiger Mensch*: Im Sinne von »nichtig, unbedeutend wie ein Tropfen* oder aber »einer, der an Schlagfluss oder Fallsucht leidet* (metonymisch nach der Bezeichnung solcher Krankheiten aufgrund der Vorstellung, dass sie von einem ins Gehirn oder Rückenmark gefallenen Tropfen herrühren) ist das Wort durch Aufspaltung des schwach flektierten Maskulinums mhd. tropfe, Gen. tropfen »Tropfen, Träne; Schlagfluss; Tropf* entstanden, das auch die Quelle von nhd. Tropfen (eigtl. »Triefer, Triefendes*) ist. Über ahd. tropfo geht mhd. tropfe auf germ. *drupön/*druppn- »Tropfen* (nullstufige Bildung zum Verb *dreupa- »triefen* > nhd. triefen) zurück, worauf auch engl. drop »Tropfen* beruht. In der Bedeutung »tropfenförmige Fruchtbonbons* tritt dessen Plural drops in der Entlehnung Drops m./n. singularisiert auf. tropisch »südlich, heiß; bildlich, übertragen*: Im heutigen Sprachgefühl wird die Semantik dieses Adjektivs in der Regel mit den unter Tropus erörterten Fremdwörtern Tropen und Trope in Zusammenhang gebracht, W. Pfeifer glaubt es dagegen seit dem 17. Jh. im Sinne von »auf den Wendekreis am Himmel oder die Sonnenwende bezogen* in Gebrauch. Es wurde durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) über lat.

Tross tropicus aus griech. tropikós »zur Wende, Wendung gehörig* (zu trópos und/oder tropé »Wende, Wendung*, s. Tropus) übernommen. Auf dem substantivierten Maskulinum spätlat. tropicus »Wendekreis* beruht das im 18. Jh. zeitweilig gebräuchliche gleichbed. dt. Tropicus, vgl. engl. tropics, frz. tropiques »Tropen*, unter deren Einfluss tropisch im 18. Jh. die erste seiner modernen Bedeutungen angenommen zu haben scheint. Durch Ellipse aus nlat. malaria tropica (s. Malum, Air) wurde tropica, die feminine Form von lat. tropicus, substantiviert und liegt im medizinischen Fachausdruck Tropika »schwere Form der Malaria* vor. Tropus »Kirchentonart; melodische Ausschmückung von Texten im gregorianischen Choral*: Über lat. tropus »Weise, Melodie; Bild* (vgl. Troubadour) übernommen aus griech. trópos m., wörtl. »Wende, Wendung* (zu trépein »wenden, umkehren; sich wenden; in die Flucht schlagen oder die Flucht ergreifen*, vgl. Tropaeum), das gleichbed, tropé f. (als morphologische Variante?) neben sich hat. Aus diesem hergeleitet oder für Rückbildung aus Tropen, dem Plural von Tropus, gehalten wird oder aber über (auf lat. tropus zurückgeführtes) gleichbed. frz. trope entlehnt sein kann Trope »bildlicher Ausdruck (etwa Bacchus für Wein) »Heergepäck* > »der dem Heer nachfolgende Zug*) fort. Letzteres stammt aus afrz. trose/torse »Bündel, Pack* (heute trousse, zu trousser »zusammenpacken, beladen*, afrz. torser < vlat. Corsare »ein Bündel schnüren*, Ableitung aus dem Partizipialadjektiv lat. tortus/vlat. *torsus »gedreht, gewunden* von torquere »drehen, winden*, vgl. Tort). Im 18. Jh. wurde aus dem Niederdeutschen Trosse »starkes Schiffstau*, das - wie oben angedeutet gleichen Ursprungs ist. Den Bedeutungswandel von »Bündel* zu »Seil, Tau* bei niederd. trosse versuchen E. Seebold und W. Pfeifer durch das semantische Bindeglied »zusammengerolltes Seil* bzw. »vor dem Gebrauch wie ein Bündel auf Deck liegendes Tau* zu überbrücken, es kann sich aber einfach um eine Kopf-

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Trost isolierung aus Komposita wie mhd. trosserieme »Riemen am Packsattel* handeln, wie dies bei Sarg (s. d.) als Kopfisolierung aus Sarkophagus zu sehen war. Trost: Angesichts der Vorform mhd., ahd. tröst sowie anord. traust>Trost, Stärke< u.a. wird germ. *trausta>Zuversicht(innere) Festigkeit* als ihr Ausgangspunkt angesetzt. Nach E. Seebold ist das eine morphologisch nicht recht durchsichtige Bildung zu treu und trauen, nach W. Pfeifer dagegen eine sf-Bildung zu idg. *deru-, *dreu- >hart, fest; Baum, Eiche< (und damit verwandt mit Teer, trauen, treu, vgl. Treue). Auf anord. traust führt man engl. trust >Vertrauen; anvertrautes Gut; Treuhand* zurück, das seit Ende des 19. Jh. - aus amerik. trust (company) »Treuhand(gesellschaft)< verselbständigt - in dt. Trust >Kartell, Zusammenschluss mehrerer Unternehmen unter einer Leitung zum Zweck der Monopolisierung* vorliegt, vgl. auch Braintrust beratender Ausschuss; Expertengruppe* unter Bregen.

Troubadour: Über frz. troubadour geht die Bezeichnung für provenzalische Minnesänger des 12./14. Jh. auf aprov. trobador >Dichter< zurück, dessen nordfranzösischer Kognat trouvère in dt. Trouvère mordfranzösischer Minnesänger des Mittelalters* vorliegt. Die beiden Historismen setzen jeweils vlat. *tropator Nom., *tropatorem (galloroman. *troveor) Akk. fort, das von *tropare >Weisen, Verse erfinden*, nach dem 12. Jh. >erfinden; finden* überhaupt (zu lat. tropus >Weise, Melodie; Bild*, s. Tropus) abgeleitet ist. Aus *tropare und *troveor sind entsprechend frz. trouver >finden< und trouveur »Finder; Erfinder* hervorgegangen, Letzteres mit regionalhistorischen etymologischen Dubletten troubadour - trouvère. Troyes: Die Hauptstadt des französischen Departements Aube ist nach dem keltischen Stamm der Tricasser (4. Jh. civitas Tricassium) benannt. Ihren Namen führte der namhafte altfranzösische Dichter Chrétien de Troyes (um 1135-1183, s. Christ, de1), Begründer des sog. höfischen Romans und Verfasser der epischen Versdichtungen »Erec«, »Lancelot**, »Yvain«, »Perceval«. Im Anschluss an ein auf den mittelalterlichen Jahrmärkten in Troyes verwendetes Handelsgewicht für Gold, Silber und Edelsteine nennt man das in Großbritannien und den USA ihm entsprechende Massemaß troy weight, das im Deutschen durch die teilweise Lehnübersetzung Troygewicht »Gewicht für Edelmetalle und -steine* wiedergegeben wird (zu germ. *wega- »bewegen*, der gemeinsamen verbalen Grundlage von dt. Gewicht und gleichbed. engl. weight jeweils als Kollektivum und Abstraktum, s. wägen). Laut Duden-Universalwörterbuch gehen wohl auf den Namen der französischen Stadt andererseits mhd. troie/treie, mnd. troye »Jacke, Wams* zurück, die - falls das zutrifft -

Troyer/Troier »grobmaschiger dickerer Rollkragenpullover, dessen Rollkragen sich mit einem Reißverschluss öffnen und umlegen lässt*, seemänn. »wollenes Unterhemd oder Strickjacke der Matrosen* als graphischen Varianten einer adsuffigierten Dublette (vgl. Dragoner unter Drache) von Troyes und dem gebunden auftretenden Troy- zugrunde liegen.

Trubel »lautes Durcheinander, Aufregung, unruhiges Treiben*: Im 17. Jh. entlehnt aus frz. trouble »Unordnung, Verwirrung; Unruhe*, seit dem 13. Jh. bezeugte Rückbildung aus afrz. trobler/torbler »trüben; beunruhigen, verwirren*, das gleichbed. vlat. *furbulare (zu turbulentus »stürmisch, aufgeregt* und turbidus »verwirrt, erregt*) fortsetzt. Seit dem 13. Jh. bezeugt ist auch engl. trouble »Unruhe; Verdruss; Verlegenheit*, das entweder aus dem französischen Substantiv stammt oder wie dieses Postverbale zu aus afrz. troble übernommenem to trouble »beunruhigen, stören* ist. Demnach ist der Anglizismus Trouble »Ärger, Unannehmlichkeiten* im Deutschen entweder vermittelte oder etymologisch adäquate Dublette von Trubel. Truchsess »oberster Hofbeamter, der den Tafeldienst am Hofe versieht*: Als Bezeichnung eines der vier Ehrenämter einer fürstlichen Hofhaltung (vgl. Kämmerer) beruht der Historismus auf mhd. truh(t)sceze, das sich aus germ. *druhti- »Schar* und einer von sitzen abgeleiteten, in Insasse (verselbständigt auch in Sasse »Ansässiger, Einwohner*) vorhandenen Ablautbildung zusammensetzt und ursprünglich den in einer Schar, in einem Gefolge Sitzenden, zu den nächsten Vertrauten Gehörenden und die Hausverwaltung Versehenden meinte. Im Mittelniederdeutschen lautete dasselbe Kompositum dros(se)te, das in Drost »Verwalter eines Drostei heißenden Verwaltungsbezirks in Nordwestdeutschland* zusammengezogen fortlebt.

Trum/Trumm1 m./n. »Abteilung eines Schachtes; schmaler Gesteinsgang; frei laufender Teil des Förderbandes oder des Treibriemens*: Der im Berg- und Maschinenbau gebräuchliche Fachausdruck hat eine gewissermaßen morpho- und graphosemantische etymologische Dublette in mdal. (oberd.) Trumm2 n. »Ende; großes Stück; Fetzen; Exemplar; kleiner Erzgang*. Dessen Plural Trümmer »Bruchstücke, Ruinen* hat sich dagegen zu einem stilistisch neutralen Lexem verselbständigt. Das ihnen vorausgehende mhd., ahd. trum/drum »Endstück, Splitter* versucht man, über germ. *prum- auf idg. *trm-, *term- (eine Bildung mit ni-Suffix zu *ter- »hinübergelangen, hindurchdringen*) zurückzuführen, aus dem auch lat. terminus »Grenzstein, Grenze; Ziel, Ende* (s. Term) hergeleitet wird.

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Trupp m. >kleine Schar, militärische Einheitc Das Substantiv wurde im 17. Jh. möglicherweise über gleichbed. niederl. troep bzw. mniederl. troep/troepe aus frz. troupe >Menschengruppe, Abteilung einer Armee< entlehnt. Dieses ist zugleich die unmittelbare Quelle des ebenso seit dem 17. Jh. bezeugten Femininums Truppe >militärischer Verband; Gruppe gemeinsam auftretender Schauspieler oder Artistem (in der militärischen Bedeutung zunehmend als Pluraletantum Truppen auftretend). Falls das französische Wort (afrz. trope) über galloroman. troppus >Schar; Herde< direkt auf afränk. throp/thorp >Ansammlung, Haufen< zurückgeht und nicht aus afrz. tropel »Menschenmenge, Gruppe von Soldatem (heute troupeau »Herde; PöbelGehöft< mit nachfolgender Bedeutungsverschiebung zu »Versammlungsort; Pferch; Herde; Menschenmenge^, niederd. Dorp/Dörp (etwa in Holtdörp, s. Holz) stellen (vgl. ferner Dörfler). Das in adverbialer Funktion seit dem 12. Jh. »zu sehr, (all)zu< bedeutende (a)frz. trop lieferte ital. troppo »zu sehr, zu viels das seinerseits im Rahmen musikalischer Vortragsanweisungen wie ma non troppo »aber nicht zu sehr< Eingang ins Deutsche fand.

Tuba »tiefstes Blechblasinstrument; Ohrtrompete; Eileiters Im 18. Jh. zunächst im Sinne von »Kriegstrompete< entlehnt aus lat. tuba f. »gerade, tieftönende (Kriegs)trompeteRöhremit einer Abgasturbine arbeitende Vorrichtung zum Aufladen eines Motors* und Turbomotor »Motor mit einem Turbolader; mit einer Gasturbine arbeitendes Triebwerk* sowie als Bezeichnung für einen Wagen mit Turbomotor etabliert. Turf »Pferderennbahn; Pferderennen, -sporte Im 19. Jh. aus gleichbed. engl. turf (eigtl. >Rasen, Rasenstück; Torf*) übernommen. Dessen Quelle germ. *turba-, die vermutlich eine labiale Erweiterung *drbh- von idg. *der- >spalten, reißen, schinden* fortsetzt, be-

deutete wie auch ursprünglich wohl >Abgestochenes, Losgelöstes*. Daraus hervorgegangenes ahd. zurf/ zurba »ausgeschnittenes Rasenstück* war - im Gegensatz zu seinen Kognaten asächs. turf »Rasen* und mnd. torf »Rasenstück; Torf* - offesichtlich schon im Mittelhochdeutschen ausgestorben, seit dem 16. Jh. im Hochdeutschen bezeugtes mnd. torf trat jedoch an seine Stelle und ergab nhd. Torf »durch Zersetzung von pflanzlichen Substanzen entstandener Boden*. Turm: Das im Allgemeinen ein hoch aufragendes Bauwerk bezeichnende Wort ist mit unregelmäßigem Lautwandel -m < -n in mhd. (md.) türm, sonst turn »Turm; Gefängnis* entstanden. Es ist aus dem aufgrund des Diminutivs tornele erschließbaren afrz. *torn, einer Nebenform von afrz. tor entlehnt, das über lat. turris, Akk. turrem auf griech. tyrsis »(Wohn-, Mauer)turm; Burg; mit Mauer und Burg befestigte Stadt* zurückgeht. Da lat. turris auch den drehbaren Beobachtungsturm des römischen Befestigungssystems bezeichnete, erklärt W. Pfeifer das Aufkommen des auslautenden -n in *torn durch Anlehnung an spätlat. tornare »wenden*. Afrz. tor/tur fortsetzendes frz. tour »Turm* liegt mehreren Ortsnamen zugrunde, z.B. dem des Hauptorts der westfranzösischen Landschaft Tourain Tours, mit agglutiniertem bestimmtem Artikel auch Latour etwa im Namen des französischen Malers Maurice Quentin de Latour (1704-1788). Das altfranzösische Wort ist außerdem die Quelle von meng, tür/tour, das engl. tower »Turm, Burg* ergab. Im Deutschten ist Tower sowohl als Name der historischen Befestigungswerke in der Altstadt Londons wie auch als Bezeichnung des turmartigen Gebäudes auf Flugplätzen zur Überwachung des Flugverkehrs (< engl. control tower »Kontrollturm*) bekannt.

tutti »alle (Instrumente, Stimmen)*: Der musikalische Hinweis (substantivisch Tutti »volles Orchester; tutti zu spielende Partie*; gebunden in Tuttifrutti »Vielfruchtspeise; Süßspeise aus verschiedenen Früchten* < ital. tuttifrutti »alle Früchte*, s. Frucht) repräsentiert den Plural der maskulinen Adjektivform ital. tutto »all, ganz*. Dessen Femininum tutta (Plur. tutte) erscheint in den ebenfalls musikalischen Fachausdrücken tutta la forza »mit voller Kraft* (s. Forsche) und tutte le corde »alle Saiten, ohne Verschiebung (beim Klavier)* (s. Chorda), vgl. auch Mozarts komische Oper Così fan tutte, eigtl. »so machen es alle (Frauen)*. Französischer Kognat von ital. tutto ist gleichbed. tout m. (mit dem Femininum toute und dem maskulinen Plural tous) etwa in tout le monde »jeder(mann), alle Leute* (eigtl. »die ganze Welt*, s. Mundus), à tout prix »um jeden Preis* (s. ad, Preis), Atout »Trumpf* (Zusammenrückung aus à tout »bei, zu allem*), ugs. partout »durchaus, unbedingt* (umgedeutete Übernahme von frz. partout »überall; al-

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lenthalben*, s. vor» vgl. Pasch), à toute force >mit aller Kraft* (vgl. tutta la forza oben) bzw. en tous cas >für jede Gelegenheit passend (von Kleidungsstücken) < (eigtl. >in jedem Falldas Ganze, Gesamtbestand< vorliegt» vgl. auch die sprachwissenschaftlichen Termini Totum pro Parte und Pars pro Toto (s. Part) sowie die Hypostasierung Faktotum >Mädchen für alles< (eigtl. »mache alles!*, s. Fazit). Die Kompositionsform toti- tritt ihrerseits auf im biologischen Fachausdruck totipotent »befähigt zur allseitigen Entwicklung*.

Twen »junger Mann, junge Frau um die zwanzig*: Im Deutschen getätigte Isolierung aus engl. twenty, der Struktur- und bedeutungsgleichen Entsprechung von dt. zwanzig (s. d.). Als Vorderglied des Numerales fungiert das einstige Maskulinum zu zwei (s. d.). In dieser noch immer erklärungsbedürftigen Form (ahd. zwène, aengl. twègen weisen zusätzliche formale Modifizierungen auf) steckt beispielsweise nach E. Seebold ein westgermanisches Distributivzahlwort *twajina und nach W. Pfeifer das Zahladjektiv germ. *twaina. Tympanon »oft mit Reliefs geschmücktes Giebelfeld über Fenstern und Türen*: In dieser übertragenen Bedeutung» motiviert durch die halbrunde Form des Giebelfelds, vertritt der architektonische Fachausdruck lautgetreu griech. tympanon »Handtrommel* (zu griech. typtein »schlagen, stoßen*, vgl. Typos). Mit derselben Bedeutung als semantischer Konstante kehrt das griechische Wort über lat. tympanum in Tympanum wieder, das außerdem »altgriechische Handtrommel; trommelartiges Schöpfrad in der Antike; Paukenhöhle im Mittelohr* bedeutet.

Typos Derselben Herkunft sind ferner die durch romanische Vermittlung übernommenen musikalischen Termini Timpano »Pauke* (über gleichbed. ital. timpano für lat. tympanum) und Timbre »Klangfarbe einer (Gesangs)stimme oder eines Instruments* (über gleichbed. frz. timbre, eigtl. »Klang*, älter »Schellentrommel*, aus mgriech. tymbanon für griech. tympanon).

Typos: Das auf griech. typos »Schlag, Gepräge, Abdruck, Gestalt, Abbild, Vorbild* (zu typtein »schlagen, stoßen*, vgl. Tympanon) zurückgehende Fremdwort ist laut Duden-Fremdwörterbuch ebenso wie Typus (s.u.) Bezeichnung für alttestamentliche Personen oder Vorgänge, denen vorbildhafte Bedeutung für Personen oder Ereignisse des Neuen Testaments zugesprochen wird. Die Kompositionsform des Gräzismus erscheint in Zusammensetzungen wie Typoskript »maschinengeschriebenes Manuskript* (vgl. Schrift), in denen sie semantisch mit über lat. typus »Figur, Bild» Muster* getätigten Entlehnungen zusammenhängt. Zum einen sind das die polysemantischen maskulinen Varianten TypVTypus »Urbild, Beispiel; bestimmte psychologische Ausprägung* (nur die deglutinierte Variante bedeutet außerdem »Bauart, Muster, Modell; Gattung, Schlag; Gesamterscheinung eines Tiers*, während Typus mit Typos synonym ist), woneben ein auch schwach flektiertes ugs. Typ2 im Sinne von »bestimmte männliche Person* auftritt. Zum anderen ist aus dem gemeinsamen Plural Typen eine wohl nach dem Vorbild von herkunftsund bedeutungsgleichem frz. type feminine Rückbildung entstanden: Type »gegossener Druckbuchstabe (auch als Teil einer Schreibmaschine); Sortenbezeichnung für Müllereiprodukte*» ugs. »Sonderling, komische Figur*. Die meisten Bedeutungen von Typ1, Typ2, Type aufweisendes engl. type ist Grundwort im eingetragenen Warenzeichen Monotype »Gieß- und Setzmaschine für Einzelbuchstaben* (s. mono).

u

über: Der Form nach setzt das heute als Präposition und Adverb fungierende Wort das Adverb ahd. ubari/ubiri gegenüber als Präposition auftretendem ahd. uber/ubar >über< fort. Beide Partikeln werden über funktional nicht differenziertes germ. *uber(i) >über, oberhalb* auf gleichbed. idg. *uperi, eine Komparativbildung zu *upo »von unten an etwas heran; (von unten) hinauf, über* (vgl. auf, zurückgeführt. Die germanische Vorlage liegt sowohl engl. over >über< (enthalten u.a. in Overall >einteiliger Arbeitsanzug*, eigtl. >über alles*, s. all) wie auch gleichbed. asächs. ober zugrunde, das im Regionalismus mitteld., niederd. ober3 >über< fortlebt (zu dessen Homonymen s. ober1). Im Hinblick auf die etymologische Duplizität kommen unter den Kognaten von germ. *uber(i) >über< gleichbed. griech. hyperund lat. super in Frage. Jenes ist Vorderglied von Hyperbe/ >Übertreibung des Ausdrucks; Kegelschnitt* (über lat. hyperbole aus griech. hyperbolé, eigtl. >das Darüberhinauswerfen*, zum Grundwort s. Parabel). Als Präfixoid zur Bezeichnung hervorragender Eigenschaften liegt lat. super (über dessen umstrittenen Anlaut s. auf in Kopfisolierungen wie Super Superbenzin (Oktanzahl über 96)* und ugs. super großartig, hervorragend* vor. Aus lat. super/super- wird vielfach als Präposition und Präfix fungierendes frz. sur/sur- >über/über-* hergeleitet, vgl. dessen Präsenz in Pate sur päte >Art der Porzellan- oder Steingutverzierung* (s. Paste), Villefranche-sur-Saón (s. Villafranca), Surcot/Surkot >ärmelloses Übergewand* (s. Kutte), ferner mit englischer Aussprache in Surplus »Überschuss, Gewinn* (s. plus).

Überdruck1 »nochmaliger Druck auf Geweben, Papier u.Ä.c In dieser Bedeutung ist das Wort ein Deverbativ, genauer eine Rückbildung aus überdrucken »über etwas Gedrucktes nachträglich drucken*. Andererseits ist durch Antritt von über- als Bezeichnung für etwas über eine bestimmte Grenze Hinausgehendes direkt an das Substantiv Druck strukturgleiches Überdruck2 »zu starker, den normalen Atmosphärendruck übersteigender Druck* entstanden, das im Unterschied zum ersten Glied des analog aufgekommenen Dublettenpaars Konrekror - Korrektor (s. d.) mit Überdruck1 gleich lautend ist. In beiden Fällen lässt sich allerdings höchstens von einer durch die Koinzi-

denz etymologisch identischer Morpheme bedingten Duplizität reden, im Gegensatz zu teilweise homonymen Morphemfolgen wie in Druckerzeugnis1 (aus druck- + Erzeugnis) vs. Druckerzeugnis2 (aus Drucker + Zeugnis).

übersetzen1 »auf das andere Ufer bringen*: Das präfixbetonte, unfest zusammengesetzte Verb führt gleichbed. mhd. übersetzen, ahd. ubarsezzen »von einem Ort an einen anderen bringen* fort. An die Stelle einer parallel existierenden festen Zusammensetzung mhd. übersetzen »übermäßig besetzen, überbürden; schriftlich verfassen* trat im 15. Jh. übersetzen2 »in eine andere Sprache übertragen*, gebildet — wohl wie auch mnd. oversetten — nach dem Vorbild von Struktur- und bedeutungsgleichem lat. traducere oder transferre (eigtl. »hinüberführen* bzw. »hinüberbringen; übertragen*, Präfigierungen von ducere »führen* und ferre »tragen* mit tra- »über-, hinüber*, s. Trichter, Ductus, Lux). Dieses Dublettenpaar sei neben wiederholen1 (s. d.) und wiederholen2 - für die anderen mit durch-, über-, uni-, unter- gebildeten, in Betonung und Semantik abweichenden festen und unfesten Zusammensetzungen (etwa durchsetzen durchsétzen, umstellen - umstéllen, unterlegen - unterlégen) repräsentativ aufgeführt.

Ud »Laute persischer Herkunft, die als Vorstufe der europäischen Laute gilt und deren Saitenzahl heute 4-7 Paare beträgt*: Der Name des exotischen Instruments stammt aus dem Arabischen, in dem ‘üd eigentlich »Holz* bedeutet. Mit agglutiniertem bestimmtem Artikel ergab arab. al-'üd im 13./14. Jh. aspan. alod/alaüd/laüd, das über afrz. leüt m. mit Genuswechsel spätmhd. lüte f. lieferte. Aus diesem entstand nach der ffühneuhochdeutschen Diphthongierung des langen mhd. ü die heutige Form Laute, so dass das Dublettenpaar Ud - Laute im Grunde genommen gleichen Typs ist wie Chemie (s. d.) - Alchimie, Kadi (s. d.) -Alkalde, Kali (s. d.) - Alkali.

Ufer: Das aus spätmhd. uover monophthongierte Substantiv hat sich von Norddeutschland ausgehend verbreitet und mitteld., oberd. Staden »Ufer; Uferstraße* (zu germ. *stä-/*ste- »stehen*) sowie das dazu gebildete Kollektivum Gestade aus der Gemeinsprache verdrängt. Seine Quelle mnd. över geht zusammen

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mit aengl. öfer/öfor zurück auf westgerm. *öber >Ufer< (vermutlich eine Komparativbildung zu idg. *apo >ab, weg*, s. ab1). Gebunden treten diese in Ortsnamen auf: Hannover, Hannöver (eigtl. >hohen Ufer«, d.h. »am hohen Ufer gelegen*, s. hoch) bzw. Windsor (aus aengl. Windles öfer >Ufer des Flusses WindelStunde< geht es durch Vermittlung von afrz. ore und vlat. *öra auf lat. höra »Stunde; Jahr(eszeit)< zurück, das seinerseits griech. höra »(rechte) Zeit, Jahres-, Tageszeit, Stunde< widerspiegelt. Sofern in deutschen Lexika aufgeführt, existiert der Latinismus hora gegenwärtig nur in der Gestalt des graphischen Symbols h bei Zeitangaben wie 10 h (aufgelöst: zehn Uhr) und als Bestandteil von Kürzeln wie kWh für die Vollform Kilowattstunde. Die modernen Lautformen des französischen und des englischen Substantivs (mit in der Schrift relatinisiertem Anlaut) heure bzw. hour »Stunde< sind enthalten jeweils im bildungssprachlichen Ausruf der Begeisterung à la bonne heure »so ist es recht, das trifft sich gut, vortrefflich, ausgezeichnet* (eigtl. »zur guten Stunde*, s. ad, Bon) und im Kompositum Rusfthour »Hauptverkehrszeit* (Bestimmungswort: rush »Ansturm, Andrang*). Aus dem Kirchenlatein stammt das Fremdwort Hora2 »Stundengebet der katholischen Geistlichen* (zu Hora1 s. Chorus, vgl. Matutin). Personifiziert liegt griech. höra in seinem lexikalisierten Plural Hörai vor, das über lat. Horae dt. Horen als Sammelbezeichnung für die griechischen Göttinnen der Jahreszeiten und der sittlichen Ordnung lieferte, nämlich Zeus* und Themis’ Töchter Dike (Göttin der Gerechtigkeit), Eunomia (Göttin der gesetzlichen Ordnung) und Eirene (Göttin des Friedens, s. Irene1). Horo-, die Kompositionsform des griechschen Wortes, ist gebundene Dublette von Uhr usw. z.B. in Horoskop, Übernahme von spätlat. horoscopium »Instrument zur Ermittlung der Planetenkonstellation bei der Geburt eines Menschen* (Grundwort: -skop, zu griech. skopein »betrachten*, also eigtl. »Stundenseher*, vgl. Episkop). Als indogermanische Basis für griech. höra f. (daneben auch höros m. »Zeit, Jahr*) wird *yör- angesetzt, das sich als ö-Stufe zur Wurzel *yèr- »Jahr, Sommer* (so W. Pfeifer), nach E. Seebold eher »Frühling* mit Übergang zur Bedeutung »Jahr* durch die Zählung der Jahre nach den Lenzen, stellt. Letzteres ist kaum als handfester Deutungsvorschlag zu akzeptieren, wenn man

um bedenkt, dass bei den Slawen die Zählung der Jahre nach Sommern erfolgte und dass nach Angaben des Duden-Herkunftswörterbuchs in altgermanischer Zeit das Wort für Winter zugleich »Jahr* bedeutete und Zeitspannen und Lebensjahre vorwiegend nach Wintern gezählt wurden. Idg. *yör- ist nun eben auch die Quelle von germ. *p£ra-, aus der u. a. dt. Jahr und gleichbed. engl. year hervorgegangen sind. Unter genetischem Gesichtswinkel ließe sich somit das Neutrum Jahr unter Umständen als ablautende morphosemantische Dublette von Uhr und den Repräsentanten von dessen griechischer Vorlage im Deutschen betrachten (vgl. das unter Fuß über ablautende Kognaten Ausgeführte).

um; Im Gegensatz zu niederdt. üm und zu aus ahd. umbi regelrecht umgelautetem mhd. ümbe/ümme führt die heute als Präposition, Adverb und Konjunktion fungierende Partikel um die umlautlosen Nebenformen mhd. um/umme/umbe fort. Zusammen mit asächs. umbi, aengl. ymb(e), anord. um(b) geht ahd. umbi über west- und nordgerm. *umbi auf idg. *mbhi zurück. Dies ist die gleichbedeutende Schwundstufe zu idg. *ambhi »um - herum, zu beiden Seiten*, vertreten in kelt. *ambi »herum* und daher in Amt (zu gall. *ambaktos »Höriger, Diener, Bote*, s. Ammann) sowie in den jeweils aus dem Griechischen und Lateinischen stammenden Präfixen amphi- und amb(i)- im Sinne von »beidseitig, zweifach, um - herum, ringsum*, vgl. etwa Amphitheater (aus griech. amphithéàtron, eigtl. »Theater, bei dem der Zuschauerraum ringsum ist*), Amphora (aus griech. amphoreüs, haplologisch verkürzt aus *amphiphoreüs »Zweiträger, ein beiderseits getragener Krug*, s. Amphora), Ambiente »Umwelt, Atmosphäre* (über ital. ambiente »Umwelt, Milieu* aus lat. ambiens, Gen. ambientis, Partizip Präsens von ambire »umgehen; umgeben*, also eigtl. »das Umgebende*). Die schwedische Entsprechung von dt. um liegt vor im Fremdwort Ombudsmann »Beauftragter zur Wahrung staatsbürgerlicher Rechte* (aus gleichbed. schwed. ombudsman/ombud, eigtl. »Bevollmächtigter, Vertreter, Treuhänder*, zu anord. bjoÖa um »seine Vollmacht übertragen*, Grundverb identisch mit dt. bieten). In Anbetracht von got. bi »um - herum* wird angenommen, dass der erste Wortteil von germ. *umbi abfallen konnte, infolgedessen die Schwanzfragmentierung *hzbzw. (gedehnt) *hf entstand. Letzteres ergab ahd., mhd. bi, das zu nhd. bei diphthongiert wurde (nicht diphthongiert erscheint es in der Rückentlehnung Biwak, s. d.). Ahd. bi/bt hält sich offenbar in bis (< mhd. bitze/biz, einer Verschmelzung aus bi und ze »zu*, also »dabei zu*) sowie in veraltet biderb und in dessen Dublette bieder (s. d.), in unbetonter Position wurde es andernfalls zu be- abgeschwächt, vor allem als Präfix zahlreicher Verben wie

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und bekommen (s. d.), bestellen (s. d.), bestehen, betragen (vielfach mit etymologisch adäqaten Dubletten in wesentlich später entstandenen unfesten Zusammensetzungen: beikommen, beistellen, beistehen, beitragen, mehr darüber unter bekommen) sowie in behände (s. Hand), bevor; synkopiert tritt be- in bleiben (< mhd. beliben), bange (s. eng) und binnen auf. Englischer Kognat von dt. bei ist by »an, bei; nahe dabei; seitlich, Neben- enthalten etwa in Standby-Kredit >Beistandskredit< (zu engl. stand by »beistehen*), Bypass >Nebenleitung, Umführung einer Strömung, Umleitung der Blutbahn* (< engl. bypass >Umleitung, Umgehungund< (entwickelt aus einem adversativen >dagegen, gegenüber Vorderseite, Stirnauf der Vorderseite, gegenüber interpretiert, s. auch Ende) herzuleiten. Von einem derartigen Zusammenhang hat man aber im Allgemeinen wohl nicht zu Unrecht wegen der auffälligen, selbst mithilfe des Vernerschen Gesetzes kaum zu umgehenden lautlichen Schwierigkeiten schon längst Abstand genommen. Der englische Kognat tritt auf in Wortverbindungen wie im konfessionellen Begriff Faith and Order (s. Fides, Orden), im musikalischen Rock and Roll/Rock’nRoll (eigtl. >wiegen und rollern), im publizistischen Sex and Crime (s. Sex, Crimen) sowie im Schlagwort law and order (s. Law, Orden). Union >Bund, Vereinigung*: Das in erster Linie auf Vereinigungen von Staaten und von Kirchen mit verwandten Bekenntnissen beziehbare Fremdwort repräsentiert den Stamm der obliquen Kasus von kirchenlat. unio, Gen. unionis »Einheit, Vereinigung* (zu unus »einer, der eine, ein einzigen, s. ein1), dessen Nominativ in der Fügung Unio mystica, einem Begriff der Mystik im Sinne von »geheimnisvolle Vereinigung der Seele mit Gott als Ziel der Gotteserkenntnis< (eigtl. »mystische Einheit, geheimnisvolle Einswerdung*, s. Mystik) auftritt. Gleicher Herkunft ist engl. union [jumjan] »Vereinigung; Verbindung; Vereins enthalten auch im Namen der britischen Nationalflagge Union Jack, in dem die zweite Komponente wahrscheinlich identisch ist mit Jack (einer englischen Kurzform von Jakob, s. d.) in seiner übertragenen Verwendung zur Benennung kleiner Dinge (in diesem Fall der Flagge im Vergleich zur Fahne). In England gebraucht man übrigens Jack als aus dem niederländischen Diminutiv Jankin/Jakkin hervorgegangene Koseform von John, d.h. etwa wie Hans im Deutschen (s. Johannes).

unter1 »unterhalb*: In der lexikographischen Praxis ist es nicht üblich, bei der Darstellung von als Präposition fungierendem unter Homonyme zu unterscheiden. Obwohl die Partikel (mhd. under, ahd. untar) ebenso wie engl. under »unter* - auf jeden Fall germ. ★under fortführt, hat die etymologische Forschung nachgewiesen, dass in diesem zwei verschiedene Wörter lautlich zusammengefallen sind. Das ist der Grund, dass bei der Ermittlung eventueller etymologischer Dubletten das Auseinanderhalten von unter1 und unter2 (s. d.) als unerlässlich erscheint. Dt. unter1 stammt über germ, ★under »unterhalb* aus gleichbed. idg. ★ndher, der Quelle auch von lat. infer, das genau wie dt. unter als Adjektiv inferus »unten befindlich* auftritt. Aus dessen erstarrtem Ablativ ★inferad ist adverbial und präpositional gebrauchtes lat. infra »unter, unterhalb* bzw. das darauf beruhende Präfix infra- etwa in Infrastruktur »der Unterbau einer hochentwickelten Wirtschaft* hervorgegangen. Gebunden liegt der englische Kognat der deutschen Präposition beispiesweise vor in Underdog »sozial Benachteiligter, Schwächerer* (eigtl. »unterhalb eines Hundes*, s. Dogge und vgl. Untergrund). Stark flektiertes (nach dem Wegfall des -e) Unter »Wenzel, Bube im Kartenspiel* (urspr. »der Untere* im Vergleich zum Ober, s. ober1) ist seit dem 15. Jh. bezeugt.

unter2 »zwischen*: Die Semantik dieser Präposition deutet daraufhin, dass sie zwar ebenso wie unter1 (s. d.) auf germ, ★under zurückgeht, deren Vorlage aber ★ntér gelautet haben soll. Dies ist die Nullstufe von ★énter »zwischen, unter*, einer Komparativbildung zu in (s. d.), aus der auch lat. inter »zwischen, unter, inmitten* stammt. Der lateinische Kognat ist in der Fügung Primus inter Pares »der Erste unter Gleichen* (s. prim, Paar), vor allem aber in präfixartigem Gebrauch in mehreren Entlehnungen aus verschiedenen Sprachen enthalten, vgl. Intermezzo »Zwischenspiel* (s. d.), Interessent »Bewerber; Kauflustiger* (s. d.), Interface »Schnittstelle* (s. Facies), Internet »(internationales) Computernetzwerk* (s. Netz), vgl. auch durch Angleichung ri > II in intelligent (aus dem Flexionsstamm des Partizips Präsens intelligens, Gen. intelligentis von lat. intelligere »wahrnehmen, erkennen, einsehen*, zu legere »sammeln, auslesen*, s. Diligence). Das lateinische Wort wurde zu gleichbed. frz. entre modifiziert, das in der präpositionalen Fügung entre nous »vertraulich, ungezwungen* (eigtl. »unter uns*), meist aber ebenfalls als Präfix wie in Entrecote »Rippenstück vom Rind* (s. Costa) auftritt. Als erstarrte Ablative von lat. ★interns, d.h. von adjektivisch gebrauchtem inter deutet man die Adverbien intra »innerhalb, innen* (< ★intera) und intro »hinein, inwendig* (< ★interod). Jenes liegt in der juristischen Formel intra legem »innerhalb, im Rahmen des Gesetzes* (s. Lex) vor und ist Präfiix einer Reihe von Ad-

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jektiven in der medizinischen Fachsprache wie intravenös innerhalb einer Vene gelegen oder in die Vene hinein erfolgendaußenausschweifend< zurückgehendes gleichbed. frz. extravagant, das im 18. Jh. dt. extravagant »überspannt, übertrieben« ergab. vage/vag »nicht genau, unbestimmt; dunkel, verschwommene Im 18. Jh. über frz. vague entlehnt aus lat. vagus »umherschweifend, unstet« (Bedeutungsentwicklung nach E. Seebold: »ohne festen Standort< > »ohne feste Position, im Status nicht festgelegtdurch Dienen bzw. Arbeit erlangens wie Dienst (ahd. dionöstm./n. >Dienst, Dienstleistung; Kriegsdienst; Verrichtung*) von dienen (ahd. dionön >dienen, untertan sein*) abgeleitet ist. Daneben entwickelte verdienen die Bedeutung »für seine Bemühungen etwas wert sein*, die seit Adelung zunehmend die Semantik der ursprünglich mit dem Maskulinum gleichbedeutenden Variante Verdienst2 n. »Anerkennung verdienende Leistung* zu bestimmen begann (vgl. Erkenntnis1, Gehalt1).

verflucht >unangenehm, ärgerlich; verdammt*: Adjektivisch gebrauchtes Partizip Perfekt zu verfluchen, einer Präfigierung des germanischen Erbwortes/Zuchen (urspr. wohl >schlagen< bzw. >trauernd an die Brust schlagen*). Parallel dazu begegnet seit dem 19. Jh. die verharmlosende, euphemistische Entstellung verflixt, die eine willkürliche (nicht einmal echt volksetymologisch bedingte) lautliche Auseinanderentwicklung zur Folge hatte wie die beim Zustandekommen von potz (s. Gott), sackerlot/sapperlot (s. Sakrum), parbleu (s. Ziu) Dargestellte.

Vers >Zeile einer Dichtung; Bibelstelle*, ugs. >Strophe*: Das seit dem 9. Jh. bezeugte Wort (ahd. fers »Vers*, mhd. vers >Vers; Strophe*) ist entlehnt aus lat. versus >Wendung, Drehung; Reihe, Linie; Zeile, Vers*, eigtl. »das Umwenden des Pfluges, (nachdem eine) Furche (gezogen worden ist)* oder >das Umwenden der Erde durch den Pflug und die dadurch entstandene Furche*. Seine lateinische Vorlage ist ein Abstraktum, gebildet aus dem Partizipialstamm vers- des mit dt. werden und -wärts urverwandten Verbs vertere, alat. vortere »drehen, wenden, umkehren* (Ausgangspunkt: die indogermanische ablautende Grundlage *wert-, *wort- »wenden*), zu dessen mit versus »Wendung* homophonem Partizip Perfekt s. versus. Das fremde Substantiv bewahrt seine nicht deglutinierte Form in einigen bildungssprachlichen terminologisierten Fügungen wie das Versmaß der antiken Metrik Versus quadratus »trochäischer Septenar* (eigtl. »viereckiger Vers*, s. Quadrat), Versus memoriales »als Gedächtnisstütze dienende Verse* (eigtl. »Erinnerungsverse*, s. Memorial). Sein französischer Reflex erscheint in der attributiven Fügung Vers blancs »Blankverse* (s. Blanc).

versus »gegen, gegenüber, im Gegensatz zu*: Die häufig als Abkürzung vs. erscheinende Präposition beruht auf mit Ortsbestimmungen verbundenem und meist nachgestelltem, d.h. wie etwa dt. -wärts fungieren-

via dem lat. versus »nach ... hin, nach ... zu*. Dies ist die adverbial gebrauchte maskuline Form des Partizips Perfekt von lat. vertere »drehen, wenden* (s. Vers), welches im Mittellatein eigentlich die Bedeutung von lat. adversus »entgegengewandt, gegenüberliegend, entgegengesetzt*, ex adverso »gegenüber*, in adversum »entgegen* (Partizip Perfekt der ad-Präfigierung advertere »hinwenden*, vgl. ad) übernommen hat, vgl. auch die deglutinierte Entlehnung kontrovers »entgegengesetzt, gegeneinander gerichtet; umstritten* (< lat. controversus »entgegengewandt*, s. Kontra). Der Ablativ der neutralen Form versum »gewendet, gekehrt* tritt auf in der attributiven Fügung verso folio »auf der Rückseite des Blattes stehend* (s. Folie) bzw. in ihrer durch Ellipse entstandenen Substantivierung Verso »Rückseite eines Blattes in einer Handschrift oder einem Buch*. Aus versus und uni-, Kompositionsform von unus »ein, einzig* (s. ein1), ist das Adjektiv universus »ganz, sämtlich* (eigtl. »in eins gekehrt*) gebildet, dessen substantiviertes Neutrum universum »das Ganze als Inbegriff aller Teile; die ganze Welt* der seit Anfang des 17. Jh. bezeugten Entlehnung Universum »Weltall* zugrunde liegt. Einen femininen adverbialen Ablativ stellt die Konstruktion viceversa »umgekehrt genauso* (eigtl. »im umgekehrten Wechsel, abwechselnd*, s. Vize) dar. Vestibül »Vor-, Eingangshalle*: Übernahme von gleichbed. frz. vestibule, das über ital. vestibulo oder unmittelbar aus dem etymologisch unklaren lat. vestibulum »Vorhof, Vorplatz* stammt. Im Deutschen wird die originalgetreue Form Vestibulum im Sinne von »Vorhalle des altrömischen Hauses* und als Fachwort der Anatomie mit der Bedeutung »den Eingang zu einem Organ bildende Erweiterung* gebraucht.

via1 »(auf dem Wege) über; durch*: Erstarrter, international als Präposition gebrauchter Ablativ von lat. via »Weg, Straße*, vgl. dessen ursprüngliche Präsenz in der attributiven Fügung spätlat. (via) strata »gepflasterter (Weg)*, aus der über westgerm, ^strata Spirantisierung t> z aufweisendes ahd. sträza (s. Straße) übernommen wurde. Der Nominativ Singular des lateinischen Substantivs ist Bestandteil von Eigennamen wie der der sog. Appischen Straße Via Appia, der ältesten römischen Heerstraße, die 312 v. Chr. vom Zensor Appius Claudius Caecus begonnen wurde und zunächst von Rom bis Capua führte. Im Sinne von »Methode* kehrt der Latinismus in einigen philosophischen Fügungen wieder wie etwa Via moderna »rationalistisch-mathematische Methode des Kartesianismus* (s. modern). Herkunftsgleiches ital. via »weg*, das sich zu via »Weg, Straße* (vgl. den Schluchtnamen Via Mala, eigtl. »Böser Weg*, s. Malum) in derselben Weise verhält wie dt. weg (s. d.) zu Weg, ist aus in der Sprache der Musik üblichen Fü-

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Vieh gungen wie via il sordino >den Dämpfer abnehmen< auch im Deutschen nicht unbekannt und schließt sich somit als drittes gleich lautendes Glied via2 >weg< an die bisher dargestellte morphosemantische Dublettenreihe an. Hinzu kommt ein Akkusativ Plural des Latinismus in der medizinischen präpositionalen Fügung per vias naturales >auf natürlichem Wege« (wörtl. >auf natürlichen Wegen«, s. vor, Naturalien), durch die z.B. der Abgang verschluckter Fremdkörper mit dem Stuhl gemeint ist.

Vieh: Die Bezeichnung für Nutztiere der Haus- und Landwirtschaft, umgangssprachlich auch im Sinne von >Tier; roher Mensch« gebraucht, geht über mhd. vihe/vehe und ahd./zhu auf germ. *fe%u- >Vieh< zurück. Anhand von lat. pecu >Vieh; Vermögen< und anderen Parallelen erschließt man idg. *peku- »Vieh, Kleinvieh< (aus älter »Rupf-, Wolltier, Schaft, eigtl. »das zu Rupfendes zu *pek,~ >Wolle, Haare rupfen, raufen«), wobei das Aufkommen der sekundären Bedeutung >Vermögen, Habe, Besitz, Geld< (vgl. auch aengl. feoh »Vieh; Eigentum, Gelds got./azhu »Vermögen, Gelds s. ferner Feudum) dadurch erklärbar ist, dass Vieh in früher Zeit offensichtlich als Tauschmittel verwendet wurde und einen Gradmesser für den Besitzstand darstellte. Während der inlautende Hauchlaut in mhd. vihu gesetzmäßig verstummte, blieb der einstige Spirant -ch in der apokopierten Form mhd. vich erhalten, die heute in mda. und ugs. Viech »Tier; roher Mensch« fortlebt (mit deutlicher ausgeprägter Varianz vgl. das vom Duden-Rechtschreibung verzeichnete Paar ugs. scherz. Urviech/ Urvieh »urwüchsiger Mensch«). Auf die Nullstufe der indogermanischen Wurzel als Vorderglied einer Zusammensetzung ★pk’u-klöps »Viehdieb« versucht E. Seebold die Bezeichnung für die einäugigen Riesen der griechischen Mythologie Kyklöps zurückzuführen, die - neben der selteneren Variante Kyklop über lat. Cyclops dt. Zyklop (s. Cyclops) ergab und herkömmlicherweise als »der Rundäugige« (angeblich aus griech. kyklos »Kreis, Ring« und öps »Auge« bestehend, s. Zyklus) gedeutet wird.

viel: Im heute als Indefinitpronomen, Adverb und Adjektiv auftretenden Wort steckt das im Althochdeutschen adverbial gebrauchte substantivierte Neutrum des u-stämmigen Adjektivs fdu, das über germ. ffeluauf idg. *pelu-, *polu- »viel« (zu *pefo-, *ple- »füllen«, s. voll) zurückgeht. Daraus stammt auch griech. polys »viel«, worauf das gleichbedeutende internationale Wortbildungselement poly- beruht, vgl. Polyp »Nesseltier; Tintenfisch; gestielte Geschwulst« (eigtl. »Vielfuß«, s. Fuß, wo u.a. die paradigmatische Verallgemeinerung einzelner Ablautstufen aufgezeigt ist), polyglott »viele Sprachen sprechend« (eigtl. »vielzüngig«, vgl. Glosse), polysem »viele Bedeutungen habend« (aus griech. polysèmos »vieles bezeichnend«,

Grundwort sèma »Zeichen, Merkmal«) u.a.m. Die heutige Schreibung viel deutet die im Frühneuhochdeutschen eingetretene Dehnung des kurzen i in mhd. vii »sehr; viel« visuell an. Unverändert hält sich die frühere Schreibweise im männlichen Vornamen Vilmar (eigtl. etwa »der Vielberühmte«, Hinterglied ahd. -mär »groß, berühmt« wie in Dietmar »der im Volk Berühmte«, vgl. deutsch). vier: Ebenso wie gleichbed. engl. four geht das deutsche Numerale (ahd. fior) über germ. *fewar/*fedwör zurück aufvorgerm. *petwör- für idg. *kwetwör- »vier«. Der englische Kognat erscheint in der Zusammenrückung four-Letter-Word »vulgäres (Schimpf)wort besonders aus dem Sexualbereich«, eigtl. »Vierbuchstabenwort« (nach engl. to fuck »koitieren«, s. Litera, Wort). Auf dem indogermanischen Ansatz beruhen außerdem griech. t&sares/attisch téttares und lat. quattuor »vier« (vgl. Quarta). Über lat. tessera »viereckige (Spiel)marke, Täfelchen; Würfel« ist das Neutrum Plural tèssera des griechischen Zahlwortes die Quelle von dt. Tessera »Täfelchen zum Abstimmen; Spielgeld; Ersatzmünze in der Antike«. Die Kompositionsformen tetr(a)- und quadr(i)/quadru- der attischen und der lateinischen Lautvertretung treten z.B. auf in Tetrode »vierpolige Elektronenröhre« (mit suffixartigem -ode auf der Grundlage von griech. hodós »Weg«) und in der Kopfisolierung Tetra (aus Tetrachlorkohlenstoff) bzw. in Quadrange/ »Viereck« (zu lat. angulus »Ecke«, vgl. Triangel), Quadrinom »viergliedrige Größe« (zu griech. nómos »Zugeteiltes«), Quadrupol »elektrische Schaltung mit vier Einund Ausgängen« sowie in den Kopfisolierungen Quadro und quadro (aus Quadrophonie »Vierkanalstereophonie« bzw. aus quadrophon, gebildet nach mono-, stereophon zu griech. phónè »Stimme, Laut«). Aus lat. quattuor sind u.a. frz. quatre und ital. quattro »vier« hervorgegangen, die jeweils im musikalischen Fachausdruck à quatre mains »vierhändig« (s. ad, mano) und im tänzerischen Pas de quatre »Balletttanz für vier Tänzer« (eigtl. »Tanzschritt zu viert«, s. Passus, de1) bzw. im kunstgeschichtlichen Quattrocento »das 15. Jh. in der italienischen Kunst« (eigtl. »vierhundert«, s. Cent) enthalten sind. Eine Kopffragmentierung von mlat. quatuor liegt in der Zusammenrückung Quatember »vierteljährlicher katholischer Festtag« (s. Tempo) vor. Vierer »Rennboot für vier Ruderer; aus vier Mitgliedern bestehende Mannschaft; vier Zahlen, auf die ein Gewinn fällt; Bewertungsnote 4 u.a.«: In frühneuhochdeutscher Zeit war dieses von vier (s. d.) abgeleitete, heute polysemantische Wort die Bezeichnung für eine Scheidemünze von geringem Wert. Durch bairisch-österreichische Vermittlung ergab frühnhd. vierer im 15. Jh. mit Dissimilation des inlautenden -rung. fyler, das heute als ungarische Währungseinheit

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fillér >ein hundertstel Forint< lautet und bedeutet. Daraus der rückentlehnte Exotismus Fillér. Vikunja >höckerloses südamerikanisches Kamel (Lama vicugna), aus dessen Fell sehr feine Wolle gewonnen wird«: Eindeutschung von span, vicuna, das gleichbed. huik’una in der südamerikanischen Indianersprache Ketschua wiedergibt. In der französischen Lautform Vigogne (verdeutlichend auch Vigognewolle) ist dasselbe Wort Bezeichnung für ein Mischgarn aus (Reiß)wolle und Baum- bzw. Zellwolle. Villa >vornehmes Einzelwohnhaus, Landhaus«: Das im 17. Jh. aus ital. villa >Landhaus, Sommersitz« zunächst in Reiseberichten über italienische Landsitze übernommene, noch nicht adaptierte Fremdwort geht auf lat. villa >Landhaus, Landgut« (zu vicus »Gehöft«) zurück. Ein Kollektivum zu villa ist in frz. village »Dorf« (vgl. Coq) vertreten, im Mittellateinischen hatte aber villa selbst die Bedeutung >Dorf, Siedlung« (dazu villanus >Land-, Dorfbewohner«, s. Dörfler) entwickelt. Daher frz. ville >Stadt«, enthalten etwa in Bidonville >(aus Kanistern, Wellblech u.Ä. aufgebautes) Elendsviertel« (< frz. bidonville »Kanisterstadt«, vgl. Schweiz. Bidon >Kanne, Kanister« französisch-skandinawischer Herkunft) sowie in Dutzenden Ortsnamen wie Albertville, Libreville, s. entsprechend Adel, Libero und vgl. Villafranca.

Villafranca: Der Name der oberitalienischen Stadt, in der am 11. Juli 1859 der Vorfrieden zwischen Napoleon III. und Franz Josef I. geschlossen wurde, ist eine Zusammenrückung aus der gleich lautenden mittellateinischen attributiven Fügung villa franca »abgabenfreie Stadt« (s. Villa, frank). So nannte man die abgabenfreien Siedlungen, die im Mittelalter von einem Herrn oder einer religiösen Gemeinschaft gegründet wurden und deren Ziel es war, Neusiedler heranzuziehen. Im Französischen liegt der entsprechende Historismus ville franche mehreren Ortsnamen zugrunde, z.B. der Arrondissementshauptstadt des ostfranzösischen Departements Rhone Villefranche-sur-Saòne (s. über). vis, enthalten in Vis major >höhere Gewalt«: Das lateinische Substantiv vis, Gen. vis, Nom. Plur. vires »Kraft, Stärke, Gewalt« ist Bestandteil sowohl dieses rechtssprachlichen Fachausdrucks mit einer unter Major1 (und Forsche) dargestellten sinngemäßen französischen Entsprechung Force majeure als auch des alchimistischen Vis vitalis »für die Erzeugung organischer Stoffe verantwortliche Lebenskraft« (Attribut: zu lat. vita >Leben«, vgl. Vita). Sein Ablativ Plural tritt auf in bildungsspr. viribus unitis >mit vereinten Kräften« (Attribut: das Partizip Perfekt von lat. unire »vereinigen«, zu unus »ein«, s. ein1).

Visum »Sichtvermerk im Reisepass«, Schweiz, auch »Unterschrift, mit der man ein Schriftstück als »»gesehen«

Visus abzeichnet«: Anfang des 20. Jh. durchgefuhrte Relatinisierung von älterem Visa n./f., das über frz. visa m. »amtlicher Prüfungsvermerk auf einem Dokument« zurückgeht auf singularisiertes lat. visa wörtl. »gesehene Dinge«, Plural von visum n., dem Partizip Perfekt von videre »sehen« (vgl. Visus). Das substantivierte Femininum visa ergab über die funktionsgleiche Parallelform vlat. ^veduta frz. vue, ital., span., port, vista »Gesehenes; Sehen; Sicht; Ansicht; Auge u.a.«. Sie sind in fremden Wörtern, Ausdrücken und Namen enthalten wie Bellevue n., dem Namen von Schlössern oder Gaststätten mit schöner Aussicht (s. Beau und vgl. das gleich lautende veraltete Femininum Bellevue »Aussichtspunkt«), Entrevue und dem darauf beruhenden Anglizismus Interview (s. d.), Vista »Vorzeigen eines Wechsels«, veraltet »Sicht, Ansicht« (aus ital. vista, dieses auch in a prima vista »unvorbereitet; ohne vorherige Kenntnis«, eigtl. »auf den ersten Blick«, vgl. ad, prim), im portugiesischen Inselnamen Boa Vista (eigtl. »schöne Aussicht«, s. Bon). Die maskuline Form des französischen Partizips Perfekt zu voir »sehen« liegt vor im Fachwort der Psychologie Déjà-vu(-Erlebnis) »Eindruck, Gegenwärtiges schon einmal »»gesehen«, erlebt zu haben« (aus der Substantivierung déjà-vu »schon gesehen«, Vorderglied bestehend aus lat. iam »schon«, verstärkt durch frz. dès »noch«, Zusammenrückung von lat. de und ex, vgl. de1, ex). Ital. vedere »sehen« hat neben dem ursprünglichen Partizip Perfekt visto m. eine an den Verbalstamm angelehnte Nebenform veduto m., die mit der für das Vulgärlatein erschließbare ^veduto (s. o.) gleich lautend ist und deren substantiviertes Femininum veduta dem in der Malerei üblichen Fachausdruck Vedute »naturgetreue Darstellung einer Landschaft oder Stadt« (eigtl. »das Gesehene; Ansicht, Anblick«) zugrunde liegt. Visus »das Sehen, der Gesichtssinn; Sehschärfe«: Medizinischer Fachausdruck auf der Grundlage von gleichbed. lat. visus (Verbalabstraktum zu videre »sehen«, s. Visum), dessen Kompositionsform Vorderglied ist in V\somotorik »Gesamtheit der willkürlichen Blickbewegungen« (Hinterglied: das Abstraktum zu motorisch, gebildet nach dem Muster der Gräzismen auf-ikè, s. komisch, Kybernetik1). Im Vulgärlatein entwickelte visus aus der Nebenbedeutung »Erscheinung, Gestalt« die konkrete »Gesicht«, mit der afrz. vis (von manchen Autoren zu Unrecht mit visus, dem Maskulinum zum Partizip Perfekt visum, gleichgesetzt) bis ins 17. Jh. auftrat. Danach wurde vis endgültig von gleichbed. visage (der Quelle von dt. ugs. Visage »Gesicht; Miene«) verdrängt, es hält sich aber in der Wendung vis-à-vis (wörtl. »Gesicht zu Gesicht«, s. ad) und in der Zusammenrückung Avis (s. d.). Aus jener stammt das als Präposition und Adverb fungierende vis-à-vis »gegenüber; drüben« (auch substantivisch: Visavis »Gegenüber«).

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Vita Vita »Leben; Lebenslaufe Auch am philosophischen Fachausdruck Vita activa >tätiges Lebern (s. aktiv) beteiligte Entlehnung aus lat. vita >Leben< (über *vivita zu vivus »lebendig*, s. keck), dessen gleich lautender Genitiv und Dativ Singular jeweils in der attributiven Fügung Curriculum Vitae »(kurzgefasster) Lebenslauf< (mit erstem Bestandteil lat. curriculum >Lauf; Ablaufs zu currere »laufen*, s. Kurs) und in Senecas Wort non vitae, sed scholae discimus (s. Schule) vorliegt. Den in der Heilkunde verwendeten Äthylalkohol nannte man mlat. aqua vitae (eigtl. >Wasser des Lebens*, s. Aqua), das einerseits über frühnhd. Aquavitte/Aquavite »alkoholhaltiges Heilgetränk< seit dem 17. Jh. in AquaViX »mit Gewürzen und Kräuterextrakten zubereiteter Branntwein* gebunden auftritt, andererseits über seine französische Übersetzung eaude-vie >Branntwein< gleichbed. dt. Eau de Vie (s. Aqua, de1) ergab; vgl. ferner die unter ist behandelte Redensart c’est la vie »so ist das nun einmal* (eigtl. >das ist das Leben*). In der Literaturwissenschaft spiegelt Vida »kurzer Abriss des Lebenslaufes eines Troubadours* den provenzalischen Reflex vida »Leben* von lat. vita wider.

Vitrum »Arzneiflasche*: Metaphorischer Gebrauch von lat. vitrum »Glas* in Medizin und Pharmazeutik, der sich auch in der akkusativischen präpositionalen Fügung ad vitrum »in einer Flasche (abzugeben)* (wörtl. »in ein Glas*, vgl. ad) als in der Regel abgekürzte (ad vitr.) Angabe auf ärztlichen Rezepten offenbart. Dieser mehr distributiven Formel stellt sich die rein lokale ablativische in vitro »im Reagenzglas (durchgeführt)* (vgl. in) entgegen, die im Rahmen der Ausdrücke In-vitro-Befruchtung, In-vitro-Fertilisation als Befruchtungsverfahren außerhalb des Körpers allgemein bekannt geworden ist. Vivarium »Behälter zur naturgemäßen Haltung kleiner Tiere*: Übernahme von lat. vivarium »Gehege für lebende Tiere; Fischteich*, dem substantivierten Neutrum von vivarius »zu lebenden Tieren gehörig* (zu vivere »leben*, vivus »lebendig*, s. keck). Schon im Althochdeutschen wurde daraus wiwäri »Fischteich* entlehnt. Darauf geht über mhd. wiwer/wther das heute vornehmlich im Oberdeutschen und Fränkischen geltende Weiher »(Fisch)teich* zurück, während im Ostmitteldeutschen und Norddeutschen Teich (s. d.) geläufiger ist.

Vize ugs. »Stellvertreter; jemand, der den zweiten Platz belegt oder den zweithöchsten Rang einnimmt*: Kopfisolierung aus Zusammensetzungen mit dem Wortbildungselement Vize-. Dieses beruht auf lat. vice »an Stelle von*, dem zum Adverb erstarrten Ablativ von vicis »Wechsel, Platz, Stelle* (eigtl. Genitiv zum gleichbedeutenden, im Nominativ nicht üblichen Femininum *vix, Gen. vicis, Akk. vicem usw.),

vgl. die adverbiale Konstruktion vice versa »umgekehrt genauso, in der gleichen Weise zutreffend* (eigtl. »im umgekehrten Wechsel, abwechselnd*, s. versus). Sein Akkusativ ist in der zusammengerückten präpositionalen Fügung invicem »wechselweise, abwechselnd, gegenseitig* (aus gleichbed. lat. invicem/in vicem, vgl. in) vertreten. Zu mhd. viztuom »Statthalter, Verwalter* entlehnt wurde mlat. vicedominus »Stellvertreter des Herrn, des Fürsten* (s. Dominus), das im Historismus Viztum »Vermögensverwalter geistlicher, später auch weltlicher Herrschaften*. Aus mlat. vicecomes, Akk. vicecomitem (s. Comes) hervorgegangen sind die romanischen Adelstitel frz. Vicomte und ital. Visconte (hierher auch engl. Viscount), in denen vice- nur noch verstümmelt enthalten ist. Vlies »Schaffell; Rohwolle; breite Faserschicht*: Anstelle des verloren gegangenen, den heutigen Mundarten fehlenden mhd. vlies »Schaffell* trat im 16. Jh. aufgekommenes, aus dem niederländischen Kognaten vlies übernommenes nhd. Vlies, und zwar zunächst hinsichtlich des 1429 in Brügge gegründeten, auf das goldene Widderfell der griechischen Argonautensage zurückgreifenden Ordens vom Goldenen Vlies (niederl. gulden vlies, Lehnübersetzung von lat. aureum vellus, vgl. Öre). Mit mhd. und (m)niederl. vlies identisch ist engl. fleece »Schaffell; weicher, warmer, genoppter Futterstoff*, das als Stoffbezeichnung Ende des 20. Jh. zu Fleece »(synthetischer) Flausch* entlehnt wurde. Als Nebenform der Vorlage dieser westgermanischen Neutra *fleusa- wird eine ablautende Nebenform *flüsa- (Dehnstufe zu idg. *plus»Wollflocke* etwa in *plusma > lat. plüma »Daunen; Bartflaum*, woraus das Lehnwort Flaum) erschlossen, auf die mnd. vlüs/vlüsch, mniederl. vloos/vloosch »Schaffell* zurückgehen. Soll bei westgerm. *fleusaund *flüsa- tatsächlich Varianz vorgelegen haben, dann ließen sich dem obigen Dublettenpaar auch folgende aus dem Niederdeutschen getätigten Entlehnungen zuordnen: Flausch/veraltet Flaus »weiches Wollgewebe* (seit dem 18. Jh., studentensprachlich zunächst im Kompositum Flaus-/Flauschrock »wollener Überrock*), Flausen Plur. »Unsinn, närrische Einfälle* (seit dem 16. Jh. bezeugtes Femininum, wie Flausch/Flaus diphthongiert aus mnd. flüs »herumfliegende Wollflocken*, dann »dummes Zeug*), Fluse »Fadenrest, Fussel* (feminin wie Flause, aber nicht diphthongiert). Voces »die Singstimmen*: Dem musikalischen Terminus (vgl. auch Voces aequales »gleiche Stimmen*, s. äqual) liegt der Plural von lat. vox, Akk. vocem »Stimme, Ton, Laut* zugrunde, vertreten in der lateinischen Form der vom griechischen Dichter Hesiod (um 700 V. Chr.) stammenden und ziemlich verbreiteten Sentenz Vox populi vox Dei »Volkes Stimme (ist) Got-

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tes Stimme* (s. Pöbel, Ziu), ferner ebenso nominativisch in fachsprachlichen Fügungen wie Vox acuta »hohes, scharfes Orgelregister* (eigtl. >von scharfem Klang*, s. akut), Vox angelica »lieblich, schwebend klingendes, flötenartiges Orgelregister* (eigtl. >von engelhaftem Klang*, s. Angelica) sowie akkusativisch in ad vocem >zu dem Wort (ist zu bemerken), dazu wäre zu sagen* (s. ad) und ablativisch in sub voce »unter dem (Stich)wort* (vgl. auf). Als seltener Fachausdruck der Rhetorik und Stilkunde besteht der Latinismus Vox media »inhaltlich neutrales, von zwei Extremen gleich entferntes Wort* aus Wörtern, die jeweils in ital. voce und mezza als ErbwÖrter aus dem Lateinischen fortleben und in umgekehrter Reihenfolge in der Vortragsanweisung mezza voce »mit gedämpfter Stimme, halblaut* (s. mitten) auftreten, vgl. auch den Plural von voce in a due voci »für zwei Stimmen (gesetzt)* (s. ad, zwei). Fortsetzer von lat. vox (über afrz. vois) ist außerdem gleichbed. frz. voix, enthalten in Voix mixte »Mittelregister bei der Orgel; Übergangston von der Brust- zur Kopfstimme* (eigtl. »gemischte Stimme*), à haute voix »mit lauter Stimme* (s. ad, alt). Über afrz. vox's vermitteltes engl. voice »Stimme* ist seinerseits Vorderglied der in der Phonetik anzutreffenden Bezeichnung Voicegramm »graphische Darstellung des Sprechmechanismus beim Menschen* (s. Gramm) und im Namen der in eine Telefonanlage eingebauten elektronischen Einrichtung Voicemail (eigtl. »mündliche Nachricht*, Grundwort: mail »Post, Postsendung*). Zu vox, das auf idg. *wekw- »einen Laut von sich geben, sprechen* zurückgeht und mit griech. èpos »Wort, Rede* (aus dem über lat. epos »Verserzählung* dt. Epos stammt) sowie mit germ. *wa%w-na- (etwa in dt. erwähnen) verwandt ist, gehören das Adjektiv vocalis »klangvoll* und das Verb vocare »rufen; einladen* (s. Advokat).

Volant »Besatz an Kleidungs- und Wäschestücken, Falbel; Steuer-, Lenkrad*: Übernahme von gleichbed. frz. volant, der substantivierten maskulinen Form des Partizips Präsens von voler »fliegen*, und daher eigtl. »der/das Fliegende, Flatternde, Bewegliche*, wobei nach E. Seebold die Bedeutung »Steuerrad* aus den älteren Bedeutungen »Flügel einer Windmühle; Schwungrad* kommt. Attributiv sind die feminine Form volante und der Plural volantes enthalten in den fremden Wortfügungen Armée volante »leichte Heeresabteilung* (eigtl. »die fliegende Armee*, s. Armada) und Mouches volantes »Mückensehen* (Name einer Sehstörung, eigtl. »fliegende Flecken*; zu frz. mouche »Fliege; Fleck* s. das elementar verwandte Mücke).

Volk: Ebenso wie gleichbed. engl., dm. folk hervorgegangen aus germ. ffulka- »Kriegerschar, Heerhaufen* (vielleicht aus idg. *plgo- »Fülle, Menge*, zu *peld-, *ple- »aufschütten, füllen*, vgl. voll). Angesichts sei-

Volksweise nes maskulinen Geschlechts scheint dt. Folk »englischsprachige, volkstümliche Musik mit Elementen der Rockmusik* aus gleichbed. amerik./o/fc-rock (zum Grundwort vgl. Rock m. als Stilrichtung der Popmusik, verselbständigt aus Rock and Roll »stark synkopierter Tanz; Rockmusik*, eigtl. »wiegen und rollen*, s. und) und aus folksong »Volkslied* (s. Song) isoliert zu sein, vgl. ferner Folklore (s. Lehre), in dem engl./o/fc gebunden auftritt. Der dänische Kognat folk ist in der Bezeichnung für das Parlament Dänemarks Folketing (s. Ding1) enthalten. Aus germ. ffulka- stammt (durch Lautsubstitution/- > p-) urslaw. *p7>llcb »Heer, Schar* in russ. polk, poln. pulk »Truppenabteilung, Regiment*, aus denen dt. Pulk (älter Polk) »Verband von Kampfflugzeugen oder militärischen Kraftfahrzeugen; Anhäufung; Schar, Schwarm* rückentlehnt wurde. Volkskunde »Wissenschaft von den Lebensformen eines Volkes und den von ihm geschaffenen Kulturleistungen*: Die Bedeutung dieses erstmals 1806 in Brentanos Volksliedersammlung »»Des Knaben Wunderhorn« auftretenden Kompositums entspricht einem Teil der breiteren Semantik des wohl nach ihm gebildeten englischen Fremdwortes Folklore (s. Lehre). Im Vergleich zu den zahlreichen Bildungen mit Bestimmungswort Volks- sind die mit Völker- wie Völkerball, -bund, -familie, -mord, -recht, -Wanderung bedeutend weniger. Im Falle von Völkerstamm/Volksstamm »Stamm innerhalb eines (Natur)volkes* gilt Varianz, wohingegen sich Volkskunde und Völkerkunde »Erforschung der Kultur- und Lebensformen der (Natur)Völker* (vielfach Oberbegriff für die Ethnographie als beschreibende Völkerkunde und die Ethnologie als vergleichende Völkerkunde) semantisch unterscheiden. Da diese zwei Komposita dasselbe Grundwort und verschiedene Formen ein und desselben Bestimmungswortes (Singular mit Fugen-s bzw. Plural von Volk, s. d.) haben, lassen sie sich den gleich strukturierten, d.h. etymologisch adäquaten Dubletten zuordnen. Vergleichbar sind Geisteswelt - Geisterwelt (s. d.), ferner, wenn auch Wortpaare anderen Typs, Landsmann - Landmann (s. d.), Schiffsfahrt ~ Schifffahrt (s. d.), Sonnentag - Sonntag (s. d.), Wassersnot Wassernot (s. d.).

Volksweise »Melodie eines Volksliedes, eine volkstümliche Weise*: Das Kompositum besteht aus Volk (s. d.) und dem auf germ. *wis-/*wison »Weise* beruhenden Substantiv Weise, dessen Bedeutung »Melodie* im Althochdeutschen und Altnordischen besonders ausgeprägt war. Strukturgleich mit ihm ist d'm.folkevise »Volksweise, Volkslied*, das dem Historismus Folkevise »skandinawische Ballade des Mittelalters (13.-16. Jh.)< zugrunde liegt (vgl. auch dessen Gattung Kämpevise »altdänische und altschwedische Bal-

lade in Dialog- und Kehrreimform< aus gleichbed. dän. kämpevise, zu kämpe »Held, Reckes s. Kämpe).

voll: Zusammen mit engl./id/, das z.B. in den Fügungen Full House/Fullhouse >Kartenkombination (drei und zwei jeweils gleichrangige Karten) bei dem Poker; drangvolle Enge« (aus gleichbed. engl./u// house, eigtl. >volles Hausvolle Dienstleistung«, vgl. Service1) auftritt, führt das deutsche Adjektiv germ. *fulla- >voll< fort, entstanden durch Angleichung II < In aus der reduzierten Ablautstufe *pfon- von idg. *plön- »gefüllt, voll« (Partizipialadjektiv zu *pelo-, *ple- »füllen«). Auf dem hochstufigen *plen~ beruht lat. plenus »voll«, dessen aus der Fügung plenum consilium »vollzählige Versammlung« im 18. Jh. in engl. plenum verselbständigtes und substantiviertes Neutrum dem Fremdwort Plenum »Vollversammlung einer Körperschaft« zugrunde liegt. Ablativformen des Neutrums liegen in den Adverbialfügungen pleno iure »mit vollem Recht« (s. Jus), pleno organo »mit allen Registern (bei der Orgel)« (s. Organ), in pleno »in voller Versammlung, vollzählig« (s. in) vor, und die Kompositionsform des lateinischen Adjektivs ist Bestimmungswort etwa im astronomischen Fachausdruck Plenilunium »Vollmond«. Fortsetzer von lat. plenus sind u.a. gleichbed. ital. pieno (vgl. die musikalische Vortragsanweisung pieno »voll, vollstimmig«) und frz. plein, das Vorderglied der Zusammenrückungen Pleinair »Freilichtmalerei, Bildhauerei im Freien bzw. durch sie entstandenes Bild oder geschaffene Skulptur« (< frz. plein-air, aus plein und air »Luft«, s. Air) und pleinjeu als Synonym von obigem pleno organo (eigtl. »volles Spiel«, vgl. Jux) ist. Volta »schneller, ausgelassener Tanz im Dreier- oder Sechs-Achtel-Takt (16./17. Jh.)mit, mittels; je« (daraus dt. per etwa in per Fax, per Kilo, substantivisch: Per als Kopfisolierung aus Perchloräthylen Lösungsmittel bei der chemischen Reinigungdurch< in par exprès >durch Eilboten«, s. Espresso, par excellence >in typischer Ausprägung«, s. Exzellenz), lat. prae >vor, voraus< (daraus die Substantivierung Prä >Vorteil, Vorrangs gebunden etwa in Prädikat und Predigt, s. Prädikat), lat. pro >vor, für, zugunsten« (daraus dt. pro >je< etwa in pro Kopf, substantiviert: Pro1 n. >das Für< in das Pro und Kontra, s. Kontra, auch als Präfix z.B. in Pronomen, s. Name, Pro2 f., isoliert aus Prostituierte, über prostituieren aus lat. prostituere >preisgebenvorn hinstellen< aus gro-

vor und statuere >hin-, aufstellens zu status >Stand, Stellungs s. Status; als Erbwort afrz. por in Porträt >Bildnis< [eigtl. >Dargestelltess s. Traktus], woher frz.pour >für< in der Bezeichnung des französischen Verdienstordens Pour le Mérit, s. Meritum) sowie im gleich lautenden griech. prò >vor, vorher< (z.B. in Programm, Propolis, s. Gramm, Polis), griech. pert/ péri >um - herum, über - hinaus« (gebunden etwa in peripher >am Rande befindlich« über spätlat. peripheres aus griech. peripheres >sich herumbewegend«), griech. parä/pära >entlang, neben; über - hinaus« (gebunden etwa in Parate/ >Gleichnis«, über kirchenlat. parabola aus griech. parabola eigtl. >Vergleichung, Nebeneinanderwerfen«, s. Parabel).

w

Waffe f.: Das heutige Femininum ist eine wohl im 18. Jh. vorgenommene morphologische Rückbildung aus dem Plural Waffen des gleich lautenden ursprünglichen, von Waffe verdrängten Neutrums Waffen, entstanden durch Vokalkürzung aus mhd. wäfen »Waffe; Erkennungszeichen auf der Waffe bzw. im Schild; Wappen« (< ahd. wäfan >Waffe« < germ. *wfèpna- >Gerät, Kampfgerät«, woraus auch engl. weapon »Waffe«). Seit dem 12. Jh. tritt neben mhd. wäfen aus dem Mittelniederländischen eingedrungenes unverschobenes wäpen synonym auf, das im 16. Jh. allein die Bedeutung des Erbzeichens (das seit dem 14. Jh. auch Bürger und Städte führen konnten) übernimmt und heute in der etymologischen Dublette Wappen n. fortlebt (vgl. aber das zugehörige Verb sich wappnen >sich bewaffnen, sich ausrüsten«, s. wappnen). Bemerkenswert ist die Parallelität der semantischen Entwicklung >Gerät< > >Kampfgerät< > »Erkennungszeichen auf dem Kampfgerät« > »Wappen« bei lat. arma bzw. frz. armes (s. Arma) einerseits und bei germ. *wtzpna- im Falle von dt. Waffe und Wappen andererseits. Angesichts dessen liegt die Vermutung nahe, dass der Bedeutungswandel »Kampfgerät« > »Erkennungszeichen, Wappen« im Deutschen und Niederländischen wohl ein weiteres Zeugnis von der mannigfaltigen Beeinflussung der Sprache und Lebensweise des deutschen Rittertums durch die der französischen Ritter ablegt.

wain aus germ. *wagna- (im Sinne von »das Fahrende« zu idg. *weg’h »bewegen, fahren«, s. wägen) hervorgegangen. Aus dem Niederländischen wird engl. waggon hergeleitet, das im 19. Jh. als Fachwort des Eisenbahnwesens das nachträglich französierte dt. Waggon/Wagon »(Eisenbahn)wagen« lieferte.

wägen »vorsichtig bedenken«: Dieser übertragenen Bedeutung geht die fachsprachlich noch übliche »auf die Waage legen und das Gewicht bestimmen« voraus. Das Verb selbst führt ahd. wegan »bewegen, wägen, wiegen, einschätzen; bestimmen, festsetzen« fort, das als Erbwort aus dem starken Verb germ. *wega- »bewegen« (< idg. *weg’h- »bewegen, fahren«) hervorgegangen ist. In Anlehnung an das nächstverwandte Substantiv Waage setzte sich seit dem 16. Jh. die Schreibung wägen durch, wobei es auch zur semantischen Loslösung von dem nunmehr nur präfigiert auftretenden Grundverb bewegen1 »jemanden zu etwas veranlassen« (< ahd. biwegan »bewegen; wägend prüfen« mit dem Kausativ biweggen »bewegen, erregen, erschüttern« neben sich, woraus nhd. bewegen2 »die Lage verändern«, vgl. um) kam. Zugleich trat eine vom Vokalismus der Stammsilbe ausgehende Aufspaltung ein, indem sich aus den einstigen Präsensformen der 2. und 3. Person Singular von we~ gen/wägen (nämlich du wiegst, er wiegt) ein neues, weiterhin stark flektierendes Verb wiegen »Gewicht haben; das Gewicht feststellen« verselbständigte. Ein Waffel: Der Name des Gebäcks mit wabenartiger MusAnalogon hat der letztgenannte Vorgang im Wandel terung wurde im 16. Jh. über mnd. wafel aus gleichvon mhd. zemen »passen, zukommen, angemessen bed. mniederl. wäfel(e) ins Hochdeutsche übernomsein, sich eignen; scheinen; wohlgefallen« zu nhd. ziemen. Das Wort hängt etymologisch mit Wabe und men, ohne dass dies etymologische Duplizität zur weben zusammen und geht wohl auf afränk. *wäflaFolge hätte. zurück, das über afrz. gaufré (neben walfre/waufre/ Wahn »krankhafte Vorstellung«: Das Substantiv setzt wafre) zu frz. gaufré »Waffel; Honigwabe« (dazu das ahd. wän »Vermutung, Erwartung, Hoffnung«, mhd. Verb gauffer »Figuren auf etwas pressen« > dt. gauwän/wön »nicht völlig begründete Ansicht oder Meifrieren »mit dem Gaufrierkalander prägen«) entleht nung, das bloße Glauben, Erwarten, Hoffen« (vgl. wurde. Afrz. waufre/wafre vermittelte seinerseits das zugehörige Verb wähnen »glauben, meinen«) fort, engl. wafer »Waffel; Oblate«, das im 20. Jh. als Faches geriet aber unter den Einfluss der mit unverwandausdruck der Elektronik zu dt. Wafer »dünne Scheibe tem mhd. wan »leer, unerfüllt, erfolglos« komponieraus Halbleitermaterial für die Herstellung von Miten Bildungen Wahnwitz, wahnwitzig, wahnsinnig, krochips« übernommen wurde. Wahnsinn und entwickelte die heutige pejorative BeWagen: Die Bezeichnung für das Fahrzeug auf Rädern, deutung. Aus ahd. arg »schlecht, böse, feige, unzüchdas zur Beförderung von Personen und Sachen dient, tig« und obigem wän wurde argwän »schlimme Verist wie gleichbed. niederl. wagen und engl. dicht. mutung, Verdacht« gebildet, das über mhd. arcwän

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»Verdacht, Argwohn* (mit durch das w geförderter Rundung /a:/ > /o:/, vgl. mhd. wä > nhd. wo, s. auch Atem) nhd. Argwohn ergab, dessen Grundwort gebundene etymologische Dublette von Wahn ist. wahr: Das Adjektiv (ahd., mhd. wär) geht über westgerm. *wära- >wahr, wahrhaft* auf gleichbed. idg. *wero- (nach E. Seebold zu einem Wurzelnomen *wer- >Vertrauenachtenwahr, echt, wirklich; wahrhaft* ist. Während in fürwahr die ursprüngliche Länge wie in wahr selbst durch als Dehnungszeichen fungierendes h bezeichnet wird, differiert die Schreibung von zwar, das durch Zusammenrückung einer ebenfalls aus einer mit dem Neutrum des Adjektivs gebildeten präpositionalen Fügung entstanden ist (s. zu). Das substantivierte Neutrum des lateinischen Kognaten Verum dient zur Benennung eines Arzneimittels, das kein Placebo ist, sondern Wirkstoffe enthält, sein Femininum tritt im adverbial erstarrten Ablativ re vera >in der Tat, in Wahrheit* (s. Res) auf, und seine Kompositionsform veri- ist Vorderglied des Verbs verifizieren >durch Überprüfen die Richtigkeit von etwas bestätigen; beglaubigen* (aus gleichbed. mlat. verificare, wörtl. >wahr machenVerdammungsurteilUrteilsspruch der Geschworenem entlehnt aus relatinisiertem engl. verdict. Dieses geht über anglonormannisches verdit, afrz. veirdit zurück auf mlat. ver(e)dictum/ verumdictum >eidliche Aussage, Urteilsspruch*, eigtl. »wahrhaft gesprochen* (s. Diktum), vgl. die seit 1843 bezeugte, heute nur noch in Österreich gebräuchliche Lehnübersetzung Wahrspruch »Urteil, Urteilsspruch*. Der italienische Fortsetzer von lat. verus lautet vero »wahr, echt*, vgl. seinen Auftritt in der unter ist besprochenen Sentenz se non è vero, è ben trovato »wenn es nicht wahr ist, so ist es (doch) gut erfunden*.

während1: Morphologisch von Haus aus Partizip Präsens zu währen »dauern, dauernd sein* (Durativ zu mhd. wesen »sein*, erhalten als substantivierter Infinitiv in Wesen). Seit dem 18. Jh. auch umfunktioniert zu während2, das als Präposition und Konjunktion (vgl. kraft, laut, falls unter Kraft, Lude, Fall) auftritt, wobei bei der Letzteren der Ausdruck der Gleichzeitigkeit zum Teil in Gegensätzlichkeit übergegangen ist. Waldemar: Der altgermanische Personenname setzt sich aus walt (zu ahd. waltan »walten, herrschen*, vgl. Arnold) und mär (zu germ. *märja- »berühmt*, zu idg. *me-, *mö- »groß, ansehnlich*) zusammen. Auf seine voralthochdeutsche Lautform *waldim /la/ verbreitete sich der Name in der auch heute geltenden Lautung Vladimir/Wladimir in die anderen slawischen Sprachen, woneben sich im Russischen und Polnischen die an die lautgesetzlichen Reflexe von slaw. /ald/angeglichenen Nebenformen Wolodimir bzw. Wtodzimierz einstellten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass unabhängig vom geschilderten Entlehnungsprozess der germanische Name, dessen erster Bestandteil mit slaw. *valdeti »walten, herrschen* ursprungsgleich und semantisch durchsichtig war, der zweite dagegen vor der Umdeutung unklar blieb, durch teilweise Lehnübersetzung (slaw. *-slav- »berühmt, ruhmreich* für gleichbed. germ. *-mär-) den slawischen Namen Wladislaw als strukturell-semantische Entsprechung von Waldemar ergab.

Wall »langgestreckte Erdaufschüttung*: Wie engl. wall »Wand, Mauer* alte Entlehnung aus lat. vallum »mit Palisaden versehene Erdaufschüttung, Schanzwall* (zu vallus »Schanzpfahl*). Das englische Wort ist Bestandteil beispielsweise von Wall5treet»Geld- und Kapitalmarkt der USA* (nach der gleichnamigen New Yorker Straße im unteren Manhattan, wo 1653 die holländischen Einwanderer eine Schutzwehr errichteten, s. Straße), Firewall »ein Netzwerksicherungssystem* (s. Feuer), Curtainwall »Außenwand eines Gebäudes, der keine tragende Funktion zukommt* (s. Gardine). Aus dem mit inter »zwischen* (s. unter2) komponierten lat. intervallum (eigtl. »Raum zwischen zwei Schanzpfählen*) stammt dt. Intervall »Zeitabstand, Zeitspanne, Zwischenraum; Frist*, das im 17. Jh. zunächst nur in der Bedeutung »Abstand zwischen zwei Tönen* entlehnt wurde. Wamme »vom Hals herabhängende Hautfalte bei Rindern und Hunden; Bauchseite der Felle*: In dieser Lautung setzt das Wort mhd. wamme fort, das durch Assimilation mm < mp/mb aus wambe/wampe »Bauch, Wanst; Mutterleib; Bauchteil am Tierfell; unedle Eingeweide geschlachteter Tiere* entstanden ist und über ahd. wamba auf herkunftsmäßig unklares germ. *wambö »Bauch* (vgl. daraus auch engl. womb »Gebärmutter; Mutterleib*) zurückgeht. Eine nicht assimilierte Nebenform von Wamme lebt in Wampe »dicker Bauch; Magen* weiter, wofür mundartlich auch Wamme selbst auftritt.

wann: Die Unterscheidung zwischen dem Adverb wann und der Konjunktion wenn in der Schriftsprache beginnt im 18. Jh. und setzt sich erst im 19. Jh. durch. Ebenso wie denn und dann (s. d.) waren sie

wappnen ursprünglich umlautlose und umgelautete Form desselben Wortes und daher bedeutungs- und funktionsgleich. Über die älteren Formen mhd. wanne/wenne und ahd. (h)wanne/(h)wenne gehen sie als eine ne-Erweiterung auf die nasalierte Fortsetzung germ, des Interrogativstamms idg. *kwe-, *kwo- zurück» dem ferner sowohl dt. wer, was als auch gleichbed. lat. qui(s), quod (s. Quorum, was) entsprungen sind. Aus der primären temporalen Bedeutung »sobald, sooft« entwickelte sich die in der Gegenwartssprache auf die Konjunktion wenn festgelegte konditionale »falls, unter der Bedingung, dassworum< bei Schiller: wegen des Geldes, warum ich sie ersuchte). was: Das als Neutrum zum Frage- und Relativpronomen wer angesehene Fürwort ist zusammen mit besonders in Berlin gebräuchlichem niederd. (und niederl.) wat, engl. whatu.a. aus germ. *%wat hervorgegangen, welches idg. *kwod >was< (zum indogermanischen interrogativen Pronominalstamm *kwe-, *kwo~) fortsetzt. Während unter quorum und wann Wurzelverwandtschaft zwischen dt. wer und lat. qui(s) >wer, welchen angedeutet wurde, liegt bei lat. quod >wasbuntes Durcheinander, willkürliche Auswahl; scherzhafte Zusammenstellung verschiedener Melodien und Texte; ein Kartenspiek, entstanden durch Substantivierung des übertragen gebrauchten lateinischen Ausdrucks quod libet >was beliebt, was gefällt*. Sonst kommt es im Rahmen von geflügelten Worten und Sprüchen vor, z.B. quod erat demonstrandum ►was zu beweisen war* (auf Euklid zurückgeführte Redensart als Schlusssatz eines mathematischen oder philosophischen Beweises) oder quod licet Jovi, non licet bovi >eines schickt sich nicht für alle* (eigtl. >was Jupiter erlaubt ist, ist nicht dem Ochsen erlaubt*, s. Vater, ein', Kuh).

Wasser: Das hochdeutsche Spirantisierung /t/ > /s/ nach Konsonanten aufweisende Substantiv (ahd. wazzar, mhd. wazzer) setzt zusammen mit niederd., niederl., engl. water den westgermanischen r-Stamm *watar > Wasser* fort. Dieser geht wie gleichbed. griech. hydör auf idg. *wod-, *wed-, *ud- > Wasser* zurück, vgl. ferner den zugehörigen slawischen ä-Stamm voda ►Wasser*, auf dem die russische Ableitung Wodka (etwa >Wässerchen Wasser*, das aus gäl. uisgebeatha ►Lebenswasser* umgebildetem und gekürztem engl. whiskey/whisky und daher dt. Whisky zugrunde liegt. Der niederdeutsche Kognat von Wasser und seine Homographe im Niederländischen und Englischen erscheinen in der scherzhaften Bezeichnung für das norddeutsche Küstengebiet Waterkant (eigtl. ►Wasserkante*), im belgischen Ortsnamen Waterloo (s. Loh) bzw. in Tonicwater ►Limonade mit Chininzusatz* (s. Tonic), Watergate ►politischer Skandal größten Ausmaßes (nach dem Sitz der Demokratischen Partei der USA im Washingtoner Watergatehotel, in dem 1972 eine ihrer Wahlkampfsitzungen mit kriminellen Methoden abgehört wurde)* (wörtl. ►Wasser-, d.h. Schleusentor*, s. Gasse), waterproof ► wasserdicht* (s. Probe). Mit der Bedeutung ►Wasser-* ist die

weg Kompositionsform von griech. hydör Wortbildungselement zahlreicher Fachausdrücke, z.B. Hydrömie ►erhöhter Wassergehalt des Blutes* (Grundwort: -arnie im Sinne von ►Blutkrankheit*, zu griech. haima ►Blut*), Hydrobiologie ►Teilgebiet der Biologie, das sich mit den im Wasser lebenden Organismen befasst* (vgl. Otter1, keck, Logo). Wassernot ►bedrohlicher Wassermangel*: Die entgegengesetzte Bedeutung der etymologisch adäquaten Dublette Wassersnot ►Überschwemmung* zeigt, dass diese veralteten Komposita, die bis auf das Fugenelement -s- den gleichen Aufbau aufweisen, wohl im Unterschied zu den analogen Strukturen Schiffsfahrt-Schifffahrt (s. d.) und ganz besonders Landsmann - Landmann (s. d.) nie Varianten gewesen, sondern von vornherein zu verschiedenen Zwecken gebildet worden sind. Weitere ähnlich strukturierte Dubletten siehe unter Volkskunde.

Weck/Wecken m./Wecke f.: Dem in zwei Genera und drei Lautvarianten auftretenden Regionalismus weist das Duden-Universalwörterbuch - in erster Linie den Austriazismus Wecke(n) anvisierend und wohl in Anlehnung an J. Ebners Angaben - zwei Bedeutungen zu: bängliches Weizenbrötchen; längliches Weizenbrot*. W. Seibicke unterscheidet im Allgemeinen zwischen Weck ►Brötchen* im Hessischen, Pfälzischen und Moselfränkischen und Wecken >Brötchen< im Südrheinfränkischen, Schwäbischen und Niederalemannischen sowie Wecken ►Brotlaib* in Ostbayern und Österreich. Zusammen mit engl. wedge ►Keil* geht das Substantiv auf germ. *wagja- ►Keil* (woraus im Deutschen ►keilförmiges Gebäck*) zurück. Der englische Kognat Wedge wird in deutschen Lexika als Bezeichnung für einen Golfschläger mit besonders breiter Schlagfläche für bestimmte Schläge verzeichnet. Er ist außerdem erster Bestandteil von Wedgwood Teines, verziertes Steingut* (Grundwort: engl. wood ►Holz*, also etwa ►Keilholz*, s. Witt2), benannt nach dem englischen Kunsttöpfer J. Wedgwood (1730-1795)weg: Die als Adverb (weg dal), Präfix (weggehen) und Kompositionsglied (frischweg, schlichtweg, durchweg, hinweg, s. d.) im Sinne von Tort* gebrauchte Partikel vertritt den erstarrten Akkusativ von mhd. wec ►Weg*, herausgelöst aus der präpositionalen Fügung enwec/in wec, ahd. in weg >auf den Weg*. Durch diese Verselbständigung blieb das ursprünglich kurze e in der geschlossenen Wurzelsilbe ungedehnt, dagegen wurde es in der offenen Silbe der obliquen Kasusformen weges, wege, wegen gedehnt und von dort aus paradigmatisch auf den Nominativ und Akkusativ Singular Weg übertragen. Durch Erstarrung des Dativs Plural in der präpositionalen Fügung mnd. van ... wegen und danach vermutlich mhd. von ...

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Weibel wegen >von + Gen. + Seiten« mit anschließender Weglassung der Präposition von ist zum anderen die Präposition wegen zustande gekommen. Das deutsche Substantiv geht ebenso wie sein englischer Kognat way über germ. *wega- »Weg« auf die unter wägen aufgeführte indogermanische Verbalwurzel *weg’h»bewegen, fahren< zurück, wobei E. Seebold »Geleise, Spur< als wahrscheinliche Ausgangsbedeutung des Wortes ansetzt. Im Deutschen ist engl. way »Weg, Straße, Bahn; Strecke< als Bestandteil einiger Amerikanismen bezeugt, vgl. Broadway (s. breit), Highway >Fernstraße< (eigtl. >HochstraßeRennstrecke< (eigtl. >SchnelIstraßeAmts-, Gerichts-, Gemeindedienerc Mit diesen Bedeutungen wird das Substantiv nur noch in der Schweiz gebraucht. Seiner Herkunft nach ist es Nomen Agentis zu ahd. weibön >sich hin und her bewegen«: ahd. weibil, mhd. weibel >Gerichtsbote, -diener«, das sich im 16. Jh. in der Zusammensetzung Feldweibel (s. Feld) zu militärischem Ausdruck meist für untere Dienstgrade entwickelte, vgl, noch heute Schweiz. Feldweibel >höherer Unteroffiziersgrad; für die Unterkunft und den inneren Dienstbetrieb einer Einheit verantwortlicher Unteroffizier«. In Deutschland wurde die primäre Lautform durch die ostmitteldeutsche monophthongierte Fetówebel »Unteroffiziersdienstgrad« verdrängt.

Weigand >KämpferKrieger, Held« das Partizip Präsens des erst im Mittelhochdeutschen belegten, mit ahd. wig »Kampf, Krieg« (s. Chlodwig) etymologisch zusammenhängenden starken Verb wtgen >streiten, kämpfen«. Während Weigand im Zuge der neuhochdeutschen Diphthongierung regelrecht aus wigant hervorgegangen ist, lebt dieses archaisierend oder regional (niederdeutsch, alemannisch) nicht diphthongiert im Familiennamen Wiegand und in der auch als männlicher Vorname vorkommenden orthographischen Variante Wigand fort. weil: Die seit dem 18. Jh. nur kausal fungierende Konjunktion hat einst auch >während, indem« bedeutet und ist elliptisch aus der Fügung mhd. (al) die wile >die Zeit hindurch, solange, während« (vgl. daraus veraltet alldieweil »weil; inzwischen«, dieweil während; weil; unterdessen«) entstanden. Sie enthält den adverbial gebrauchten Akkusativ Singular von mhd. wile >Zeit(punkt)vormals< liegt

hingegen vor in der Zusammenrückung bisweilen (für mhd. bi wilen »von Zeit zu Zeit«, s. um, wohl durch Vermischung mit frühnhd. zu wylen >zu bestimmten Zeiten« > nhd. zuweilen) und in dem sekundär angetretenen Dental aufweisenden veralteten weiland »ehemals« (nicht verwandt ist freilich der gleichlautende Personenname Weiland, nach K. Burkart eine Nebenform von Wiland/Wieland für älter Waland aus ahd. waland »kunstfertig«, das auch frz. Galland zugrunde liegt).

Wein: Gemeingermanische Entlehnung aus lat. vinum n. als Bezeichnung für das Getränk wie auch für die Kulturpflanze. Die Herkunft des lateinischen Wortes ist nicht gesichert, es stammt aber wahrscheinlich aus einer nichtindogermanischen Sprache im Pontusgebiet, der Heimat der Weinkultur (im Duden-Herkunftswörterbuch wird beispielsweise auf georgisch gwino >Wein< verwiesen). Die Kompositionsform von lat. vinum ist in der neulateinischen Bildung Vinotbek »Sammlung kostbarer Weine; Weinkeller mit Weinausschank« (s. Theke) enthalten. Frz. vin m. als Fortsetzung des Latinismus ist Bestandteil einiger Fügungen wie Vin de Pays als Bezeichnung einer unteren Qualitätsstufe (eigtl. »Landwein«, s. de}, Pais), Coq au Vin »Hähnchen in Weinsoße« (s. Coq). Ohne Nasalierung des Wurzelvokals ist es Vorderglied von frz. vinaigre »Essig« (aus afrz. vyn egre für vlat. *vinum acrum »Sauerwein«, das afrz. aisil aus lat. acetum, der Quelle von dt. Essig, verdrängt hat) und daher im Diminutiv vinaigrette bzw. im daraus übernommenen dt. Vinaigrette »aus Essig, Öl, Senf und verschiedenen Gewürzen bereitete Soße«. Dt. Wein ist durch Diphthongierung aus mhd., ahd. win entstanden, in dem die Länge von lat. vinum aufrechterhalten, das Substantiv aber vermutlich unter französischem Einfluss zu den Maskulina übergetreten ist. Nicht diphthongiertes Win- hält sich in der alemannischen Variante Wingert/schwäb. Wengert von Weingarten (s. Garten); dagegen präsentiert sich im ersten Bestandteil von Namen wie Win rieh/ Wein rieh/Wein reich ahd. wini »Freund« (s. Balduin, vgl. reich). Durch Assimilation des Nasals gekennzeichnet ist es als erster Bestandteil von Schweiz, wmmen/wimmen »Weinlese halten« (dazu Wimmet/Wümmet /Weinlese*), in dem sich über mhd. wimmen/windemen, ahd. windemön gleichbed. lat. vindemiare (zusammengesetzt aus vinum und demere »herab-, wegnehmen«) spiegelt. weiß: Die heutige Lautung dieser gemeingermanischen Farbbezeichnung ist durch die in frühneuhochdeut scher Zeit erfolgte Diphthongierung des langen i in mhd., ahd. wiz entstanden, dessen spirantisches z sich zuvor infolge der hochdeutschen Lautverschiebung aus germ, t in *%wita- »weiß« (zu einer Dentalerweiterung von idg. *kwei- »leuchten, glänzen, hell

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sein; hell, weiß«) entwickelt hatte. Der englische Kognat des deutschen Adjektivs erscheint z.B. in der Handelsbezeichnung Whitecoaf >weißes Fell junger Seehunde< (eigtl. >weißer Mantels s. Kutte) sowie im teilweise eingedeutschten Amerikanismus WhiteCollar-Kriminalität als Bezeichnung für die weniger offensichtliche strafbare Handlungsweise höher situierter Vertreter der Politik, Wirtschaft und Industrie (aus gleichbed. amerik. white-collar crime, eigtl. >Verbrechen im weißen Kragen«, s. Koller2, Crimen). Eine kurzvokalische Variante germ. liegt niederd. wit »weiß« zugrunde, welches Bestandteil von Ortsnamen ist wie Wittenberg, Wittenberge (eigtl. >WeißenbergWeißenbergweit< ist, enthalten im Namen der internationalen Naturschutzorganisation Worldwide Fundfor Nature (vgl. weltweit sowie Welt, Boden, vor, Natur) und in World Wide Web (s. Welt, weltweit). Welpe: Die aus dem Niederdeutschen stammende, vermutlich lautmalende und etwa >Heulendes, Winselndes« bedeutende Bezeichnung für das Junge von Hunden, Füchsen, Wölfen setzte sich seit dem 16. Jh. zunehmend gegen den morphologisch abweichenden hochdeutschen Kognaten Welf m./n. durch. Neben diesem stark flektierenden Substantiv existierte

weltweit im Mittelhochdeutschen der n-Stamm weife, der heute im Historismus Welfe, meist Plural Welfen »Angehörige eines deutschen (bayrischen) Adelsgeschlechts im 9./13. Jh.« fortlebt (vgl. M. Lexers ausdrücklicher Hinweis auf mhd. Welf, Welfe als Personen- und Geschlechtsnamen). Auf ihm beruht der in italienischer Lautung (mit gutturalisiertem Anlaut) bekannt gewordene Historismus Guelfen, die Verfechter der päpstlichen Politik im Italien des 12./15. Jh. und Gegner der sog. Gibellinen oder Ghibellinen (zu mhd. wibeling, nach dem Namen des Stammsitzes der Staufer, heute Waiblingen), d. h. der italienischen Anhänger der Stauferkaiser waren.

Welt: Die Analyse der vorausgehenden Formen dieses Wortes, nämlich mhd. welt/werlt/werelt u.aun., ahd. weralt/werolt »Zeitalter; Welt«, lässt überraschenderweise erkennen, dass im heutigen Einsilbler eine Zusammensetzung steckt: Deren mit alt (s. d.) verwandtes Grundwort tritt wohl im Sinne von »Alter; Zeit« auf, während das Bestimmungswort wer- mit dem Vorderglied in Werwolf »in einen Wolf verwandelter Mensch« (s. Wer-) identisch ist und demnach »Mann, Mensch« bedeutet. Laut Duden-Herkunftswörterbuch bedeutet Welt einfach »Menschenalter, Menschenzeit«, E. Seebold hält dagegen das Benennungsmotiv bei dem germanischen Kompositum im Einzelnen für unklar, dies wohl in Anlehnung an F. Kluges Bemerkung, die Doppelbedeutung »Welt« und »Zeitalter« ließe sich schwer aus einer Grundform begreifen (vgl. auch M. Lexers breit gefächerte Deutungen zu mhd. werlt: »Zeitalter, Jahrhundert, -tausend; die ganze Schöpfung, Welt, Erde als Wohnsitz der Menschen und als Gegensatz zum Meer; Menschengeschlecht, Menschheit, Volk, Leute ...WacholderZitronenbaum; Lebensbaum< ansehen, das entweder durch etruskische Vermittlung ebenfalls aus griech. kédros >Zeder< stammt oder mit diesem auf ein unbekanntes Mittelmeerwort zurückgeht.

Zeh m »bewegliches Endglied des Fußes«: Das wohl in Anlehnung an Fuß und Finger entwickelte und schon bei Luther vorkommende Maskulinum hat sich an das ursprüngliche Femininum Zehe angeschlossen, das außerdem »Teilzwiebel des Knoblauchs< bedeutet. Die aufgrund der 2. Lautverschiebung affrizierten Anlaut aufweisende hochdeutsche Form (vgl. dagegen niederd. Tehn/Tohn/Töhn m. >ZeheZeit< (urspr. wohl >Abgeteiltes, Abschnitt*) entwickelt hat. Der germanische Konsonantismus hält sich im niederdeutschen Kognaten Tid/Tide »Zeit; Gezeiten*. Während seit Anfang des 17. Jh. das mittelniederdeutsche Kollektivum getide >Flutzeit< auf hochdeutschem Boden durch das identisch strukturierte Gezeit, Plur. Gezeiten >Flut und Ebbe* wiedergegeben und dadurch das diesem vorausgehende mhd. gezit »bestimmte Zeit, Festzeit* semantisch spezialisiert wurde, übernahm man niederd. Tide als seemannssprachlichen Fachausdruck unverändert: Tide >(Steigen und Fallen des Wassers im Ablauf der) Gezeiten*, vgl. auch dessen Verwendung in Zusammensetzun gen wie Tidehafen »Hafen, dessen Wasserstand von Ebbe und Flut abhängt*. Dem obigen Dublettenpaar hinzuzufügen ist der als Präposition mit Genitiv auftretende erstarrte Akkusativ zeit in Redewendungen des Typs zeit meines Lebens.

Zelle: Das seit dem 9. Jh. bezeugte Wort ist eine Entlehnung von lat. cella >Wohn-, Vorratskammer*, und zwar in dessen kirchenlateinischer Bedeutung »Klause, Kammer eines Mönchs*. Genau wie lat. cella bezeichnet es seit dem 14. Jh. auch die Bienenzelle, und seit dem 18. Jh. tritt es nach dem Vorbild seiner Umformung cell im Englischen als Ausdruck der Biologie auf. Auf die Zeiten nach seiner Übernahme gehen Ortsnamen zurück wie Zella (entstanden bei einer Mönchszelle des Klosters Reinhardsbrunn an der Straße nach Erfurt) in Zella-Mehlis (vgl. auch Probstzella unter Proposta) und Zell (etwa als Name einer Stadt südlich von Cochem an der Mosel). In seiner ursprünglichen Lautform Cella fungiert das besagte Wort hauptsächlich als Historismus mit der Bedeutung >Hauptraum im antiken Tempel, in dem das Götterbild stand*. Der Plural von engl. cell ist im medizinischen Fachausdruck MemoryceWs »Gedächtniszellen* (s. Memoire) enthalten. Zement1 m.: Als Baustoffbezeichnung und als eine Art Beize zum Scheiden oder Reinigen der Metalle zu mhd. zimente/ziment/cimente/cement n./m. entlehnt - wie das Genus schließen lässt — zum Teil über das gleichbedeutende altfranzösische Maskulinum ciment/cement, zum Teil unmittelbar aus dem mittellateinischen Neutrum cementum/cimentum Kalkmörtel* (für spätlat. caementum/cimentum n. Bruchstein zum Mauern; zerstoßener Stein*, zu lat. caedere »schlagen, abhauen, herausschlagen, -schneiden*, vgl. Cäsar1). Aus dem einst schwankenden Genus setzte sich das Maskulinum in der Bedeutung >als

Bindemittel zur Herstellung von Beton und Mörtel verwendeter Baustoff* durch, woneben ein in der Medizin übliches Zement2 n. »die Zahnwurzeln überziehendes Knochengewebe* als morphosemantische Dublette existiert. Über ital. cimento »Probe* (Bedeutungswandel gemäß Duden-Fremdwörterbuch über »Masse zur Lösung oder Läuterung von Metallen* zu »Eichmaß*) wurde außerdem bair.-österr. veraltet Ziment n. »metallenes zylindrisches geeichtes Maßgefäß der Wirte* übernommen. zementieren »mit Zement ausfüllen; eine Zementation durchführen*, übertr. »etwas unverrückbar festlegen*: Im 18. Jh. in der konkreten Bedeutung wohl neu gebildet zu Zement (s. Zement1), vgl. bereits Ende des 15. Jh. cimentieren »Metall durch chemische Veränderung veredeln, beizen, läutern* und spätmhd. zimenten »beizen, scheiden, reinigen*. Aus ital. cimentare »einer Prüfung unterziehen; herausfordern; läutern* stammt bair.-österr. veraltet zimentieren »Gefäße amtlich eichen oder geeichte Gefäße prüfen und berichtigen*, dessen Statut einer strukturgleichen Dublette von zimentieren durch die bei Zement1 - Ziment erwiesene Duplizität gesichert ist.

Zenit »Scheitelpunkt (des Himmels); Gipfel-, Höhepunkt einer Entwicklung*: Im 15./16. Jh. entlehnt über ital. zenit(h) und span, zenit (heute cenit) aus arab. semt (für hocharab. samt ar-ra's »Scheitelpunkt*, eigtl. »Weg, Richtung des Kopfes*). So pflegten die arabischen Astronomen einen bestimmten Ort am Himmelsgewölbe zu nennen, die spanische Wiedergabe des Arabismus zemt in Alfonso el Sabios »»Libros del Saber de Astronomia« (Bücher der Sternkunde, 13. Jh.) wurde jedoch nach Ausweis von J. Corominas durch einen Lesefehler zu zenit entstellt. In dieser Lautgestalt gelangte dann das Wort über das Mittellateinische und Italienische in die anderen europäischen Sprachen. (Schreib- und Lesefehler bedingen übrigens auch die Lautgestalt von Akne, s. Akrne, von Basalt, s. Basanit, von Mammut »ausgestorbene Elefantenart der Eiszeit* und Monsun »jahreszeitlich wechselnder Wind, besonders im Indischen Ozean*, die über frz. mammouth - mit ou für on - auf gleichbed. russ. mamont bzw. - umgekehrt über port. monfäo, älter moufäo auf arab. mausim »Jahreszeit* zurückgehen.) Mit Assimilation des bestimmten Artikels al liegt der Plural desselben arabischen Wortes as-sumüt »die Wege*, das manche Autoren aus lat. semit »Pfad, Weg* herzuleiten versuchen, in einem anderen Fachwort der Astronomie vor: Azimut »Winkel zwischen der Vertikalebene eines Gestirns und der Südhälfte der Meridianebene, gemessen von Süden über Westen, Norden und Osten* (zur Duplizität bei aus dem Arabischen stammenden Pluralen und Singulären vgl. Naib).

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Zensus »durch die Zensoren in der Antike vorgenommene Schätzung der Bürger nach ihrem Vermögen; Verzeichnis aller bekannten Exemplare von Frühdrucken; Abgabe, Pachtzins, Steuerleistung im Mittelalter; Volkszählung«: Alle diese im Duden-Fremdwörterbuch verzeichneten Bedeutungen des Fremdwortes setzen diejenigen fort, welche dem polysemantischen lat. census »Einschätzung; Volkszählung; Vermögen(ssteuer); Steuerliste; Abgabe, Tribut« (zu censere >einschätzen; begutachten; bestimmen, beschließen«) zukommen. Eine bedeutend frühere Entlehnung des seit dem 8. Jh. im Deutschen bezeugten Latinismus zu ahd. zins/cins >Steuer, Abgabe« soll jedoch schon nach dem 5-/6. Jh. erfolgt sein, da lat. ce nicht mehr /ke/, sondern /tse/lautete. Über mhd. zins >Abgabe, Tribut, Miete« entstanden daraus die heute morphologisch und regional unterschiedenen Dubletten Zins1 (Plur. Zinse) veraltet >Abgabe, Steuer«, österr., Schweiz. >Miete< und Zinsen (selten im Sing. Zins2) >Entgelt für die Überlassung von Kapital« (älteste Belege für diese Bedeutung seit dem 14. Jh., Durchsetzung der Pluralform im 18. Jh.).

Zentner: Die Maßeinheit für ein Gewicht von 100 Pfund in Deutschland und von 100 Kilo in Österreich und der Schweiz ist ein Musterbeispiel für die Erscheinung Heterosemie, d.h. für die Bedeutungsverschiedenheit eines Wortes in zwei Subsystemen eines Sprachsystems. Dt. Zentner, das im 19. Jh. das in den einzelnen Gegenden Deutschlands unterschiedlich große Maß Malter ersetzte, ist eine althochdeutsche maskulinisierte Übernahme von spätlat. centenarium >Hundertpfundgewicht«, dem substantivierten Neutrum von lat. centenarius m. >aus hundert bestehend, hundert enthaltend« (zu centeni »je hundert«, zu centum >hundert«, s. Cent). In adäquater Lautform kehren das Neutrum und das deglutinierte Maskulinum in Zentenarium Hundertjahrfeier« bzw. Zentenar, einem seltenen Synonym von Hundertjähriger wieder. Ins Arabische früh entlehntes qintär/qintäl wurde als Gewichtsmaß zu ital. cantaro und mlat. quintale rückentlehnt und steckt im heute nicht mehr gebrauchten Handelsgewicht Italiens und der östlichen Mittelmeerländer Kantar/ Cantaro bzw. im einen Zentner wiegenden Gewichtsmaß Quintal, das in Frankreich, Spanien sowie in mittel- und südamerikanischen Staaten gebraucht und durch q bezeichnet wird. Eine eigenartige Relatinisierung des Letzteren liegt wohl vor in der in Großbritannien verwendeten Gewichtseinheit von 45,359 kg Cental.

Zentrum >Mittelpunkt; Innenstadt; Haupt-, Sammelstelle«: Über spätlat. centrum »Mittelpunkt; Zenit« übernommen im 13. Jh. (mhd. zenter) aus griech. kéntron »Stachel; Spitze eines Zirkelschenkels; Mittelpunkt des gezogenen Kreises« (zu kenteln >stechenZelle des Keimzentrums der Lymphozyten« (Grundwort: nlat. cytus >Zelle< aus griech. kytos Höhlung, Wölbung«), zentri/uga/ »vom Mittelpunkt wegstrebend« (neulateinische Bildung zu lat. fugere >fliehenGerät zur Entfernung von Unreinheiten aus der wässrigen Faserstoffsuspension durch Zentrifugalkraft bei der Papierherstellung« (eigtl. >Zentralreiniger«, zu to clean >säubern, reinigen«, vgl. klein). Sonst sind Eindeutschungen wie im veralteten österr. Zenter/za/fMittelläufer im Fußball« (für gleichbed. engl. centre-half, vgl. halb) nicht mehr üblich, so dass in Entlehnungen aus dem Englischen und Französischen das Schriftbild intakt bleibt: Center1 n. »Geschäftszentrum; Großeinkaufsanlage« (auch als Grundwort -center, gelegentlich durch -Zentrum ersetzt, aus amerik. center), Center2 m. als Isolierung aus Centerspieler »Mittelspieler im Basketball«, CenUe-Court/Center-Court/Centrecourt »Hauptplatz großer Tennisanlagen« (s. Kohorte), Canal du Centre (s. Kanal).

Zettel »kleines rechteckiges Stück Papier«; Die seit dem 15. Jh. im Oberdeutschen bevorzugte Form (im Gegensatz zu Zeddel bei nord- und mitteldeutschen Autoren bis ins 19. Jh.) geht über mhd. zedele/zedel/zetel »beschriebenes oder zu beschreibendes Blatt« auf gleichbed. mlat. ceduta bzw. aitai, cedola, afrz. cedule zurück. Eindeutige französische Vermittlung macht sich beim Archaismus Cedule »Pfandbrief, Schuldschein« (für frz. cédule hypothécaire »Pfandbrief«) bemerkbar. Durch Vereinfachung des Anlauts, wie sie z.B. auch in dt. Zepter, mhd. zepter/cepter aus lat. sceptrum »Herrscherstab« (< griech. skSptron, eigtl. »Stock, Stab«) vorliegt, ist die mittellateinisch-romanische Lautform ceduta aus spätlat. schedula »Papierblättchen« (Diminutiv zu scheda/scida »Papierstreifen«, vermutlich aus gleichbed. griech. *schide oder schida »Abgespaltenes«) hervorgegangen. Zwar ist Schedula, Plur. Schedulä »ein Blättchen Papier, Zettel« als Fremdwort im Deutschen ebenfalls veraltet, in eingedeutschter Lautgestalt ist es aber erster Bestandteil des wirtschaftswissenschaftlichen Fachausdrucks Schedulensystem »Einkommensbesteuerung getrennt nach verschiedenen Einkommensarten« (vgl. auch den Anglizismus Scheduling »zeitliche Zuordnung von Arbeiten zu Maschinen, Rechnern u.a.«, Verbalabstraktum zu to schedule »zeitlich planen«, zu schedule »Liste, Tabelle; Stundenplan«). Zeug: Das heutige Neutrum geht über mhd. ziuc auf ahd. ziug »Stoff, Mittel, Ausstattung, Werkzeug« zurück, die mit ge- bzw. gi- präfigierte Parallelformen haben und als starke Maskulina und Neutra flektieren. Zu mhd. ziuc/geziuc verzeichnet M. Lexer jeweils

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Zeus Bedeutungen wie »Stoff, Zeug; Werkzeug; kriegerische Ausrüstung; Zeuge; die Gesamtheit der Zeugern und »Handwerkszeug, Gerät; Ausrüstung; Zeug, Stoff, Material; Zeugnis, Beweis; Zeuge*. Daneben führt er ein nunmehr schwach flektiertes Maskulinum ziuge >Zeuge< an. Diese Substantive werden etymologisch zur Sippe von ziehen gerechnet, und zwar im Sinne von >Ziehen, Ziehung; Mittel zum Ziehen, Gerät* (dazu auch Zaum, s. d.). Die juristische Bedeutung entwickelt sich offensichtlich von »das Ziehen eines materiellen Beweises vor Gericht (= Zeugnis)* zu >das Ziehen einer beweisenden Person vor Gericht (= Zeuge)*. Nach der semantischen Spezialisierung kommt es im 18. Jh. zur endgültigen morphologischen Auseinanderentwicklung von Zeug n. und Zeuge m. Die im 16. Jh. aufgekommene verallgemeinerte Bedeutung »Gegenstände aller Art, Kram, Plunder, Worte, Gedanken* von Zeug wird seit Ende des 18. Jh. stark abwertend durch ugs. Zeugs ausgedrückt, das aus partitiven genitivischen Fügungen wie viel schönes Dings und Zeugs (vgl. Ding') verselbständigt ist. Analog fungiert nordd. Tügs (zu Tüg/ Tüüg, dem niederdeutschen Kognaten von Zeug), das in mundartlich gefärbten Texten auftritt, vgl. etwa Dumm Tügs! in H. Faladas »Kleiner Mann - was nun?«.

Zeus: O. Szemerényi führt den Namen des höchsten griechischen Gottes zurück auf idg. *dyeus Tageslicht; Himmel; Himmelsgott* (zu verwandtem *deiwos >Gott< s. Ziu). Aus dem indogermanischen Paradigma dieses Nomens sind nach ihm im Lateinischen letztlich zwei neue hervorgegangen, d.h., das ursprünglich einheitliche Wort wurde in zwei Paradigmen aufgespalten: Der Vokativ *dyeu, der sich immer mit pater »Vater* verband (vgl. entsprechend griech. Zeü pater) ergab - nach einer Lautumwandlung dy > y und eu> ou- lat. Iüpiter/(mit expressiver Konsonantendehnung) Iuppiter gegenüber dem Nominativ Diès-piter. Der Vokativ übernahm allmählich die Funktion des Nominativs Diès-piter in einem neuen Paradigma mit Gen. Jovis, Dat. Jovi, Abi. Jove und einem neu geformten Akkusativ Jovem. Daher dt. Jupiter als Name des höchsten römischen Gottes (s. Vater) und eines Planeten, in dem der indogermanische Ansatz von Zeus gebunden auftritt. Die ursprünglich dehnstufige Akkusativform diern erzeugte nach Szemerényi den Nominativ dies (anstelle des alten diüs, einschl. in Diès-piter) und die obliquen Kasus Gen., Dat. dièi, Abi. diè etc., d.h. das Paradigma von lat. dies m./f. Tageslicht; Tag u.a.*. Im Deutschen tritt der Latinismus im Nominativ und Akkusativ Singular auf beispielsweise in Dies (academicus) »vorlesungsfreier Tag an der Universität, an dem eine Feier oder Vorträge angesetzt sind* (eigtl. »akademischer Tag*) bzw. rechtsspr. ad diem dictum >auf den anbe-

raumten Tag* (s. ad, Diktum), carpe diem »nutze, genieße den Tag* (eigtl. »pflücke den Tag*, erster Bestandteil Imperativ von carpere »rupfen, abpflücken*), vgl. auch Quadragesima. Relikthaft besteht lat. dies in frz. midi »Mittag; Süden* fort, aus dem veraltet Midi »Süden; Mittag* (s. d.) übernommen worden ist. Zichorie »Wegwarte*: Der Name dieser Pflanze, der als Bezeichnung für den aus der gerösteten Wurzel einer Zuchtform der Zichorie hergestellten Kaffeeersatz allgemein bekannt ist, wurde im 15. Jh. durch Vermittlung von ital. cicoria und mlat. cichorea f. (zum Plural von lat. cichorium) aus griech. kichórion »Wegwarte; Endivie* entlehnt. Über frz. chicorée wurde im 19. Jh. das griechisch-lateinische Wort noch einmal zu Chicorée/Schikoree übernommen, nunmehr zur Bezeichnung der unter Lichtabschluss getriebenen Sprosse der Zichorie, die als Salat verwendet werden.

Ziffer: Im 14./15. Jh. entlehnt über afrz. cifre oder direkt aus mlat. cifra »Null*, das auf arab. sifr »Null* (eigtl. »leer*, gebildet zum Verb safira »leer sein* als Lehnübersetzung von aind. sünya- »leer; Null*) zurückgeht. Die Bedeutungsverschiebung von »Null* zu »Zahlzeichen* erfolgte wohl im Italienischen, als ital. nulla (eigtl. »Nichts*, s. null) an die Stelle von cifra trat und dieses die Aufgabe von figura »Zahlzeichen* (vgl. heute noch engl. figure »Figur, Gestalt; Zahl, Ziffer*) übernahm. In der Annahme, die Null besitze magische Kräfte, verwendete man Ziffer bis ins 18. Jh. auch im Sinne von »Geheimzeichen, Geheimschrift*, wofür dann das herkunftsgleiche Chiffre (< frz. Chiffre »Zahl, Chiffre*, dessen Zischlaut von Beeinflussung durch die Affrikata im Anlaut von ital. cifra zeugt) üblich wurde. Unterdessen setzte sich im Italienischen das aus zefiro kontrahierte oder über aspan. zero entlehnte, auf jeden Fall auf arab. sifr beruhende zero »Null* durch, das über gleichbed. frz. zèro dt. Zero »Null, Nichts; Gewinnfeld des Bankhalters im Roulettspiel* lieferte.

zig »sehr viele*: Das umgangssprachliche Numerale zur Angabe einer unbekannten, aber als sehr hoch angesehenen Zahl stellt Schwanzisolierung des zur Bildung der Zehnerzahlen von 20 bis 90 üblichen Suffixes ahd. -zugl-zig dar, mit welchem aengl. -tig bzw. engl. -ty (substantivisch im Plural: -ties) etwa in fifty-fifty »halb und halb, zu gleichen Teilen* (s. fünfzig), Sixty-nine »Neunundsechzig* (s. sechs, neun), Golden Twenties »die goldenen zwanziger Jahre* (s. Gulden, zwanzig) korrespondiert. Die beiden Wortbildungselemente gehen zurück auf germ. *teg(u)»Zehner, Zehnheit, Dekade*, ein den Genitiv Plural verlangendes Nomen (vgl. got. tigus »Zehner*), das mit germ. *te%un/*te%an »io< (s. zehn) etymologisch verwandt ist und sich von diesem durch den akzentbedingten grammatischen Wechsel (h ~ g) lautlich

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unterscheidet. Die in dreißig auftretende Variation von -zig ist dadurch zu erklären, dass in vorahd. *dritug germ, t in postvokalischer Stellung nicht affriziert, sondern spirantisiert wurde. Zimbel >kleines Becken; Orgelregister von heller, silberner Klangfarbec In althochdeutscher Zeit (cymbala/ zimbala Plural, mhd. zimbal/zimbel m./n.) als Name eines alttestamentlichen Schlaginstruments aus zwei metallenen Becken über lat. cymbalum (Plur. cymbala) entlehnt aus griech. kymbalon, Plur. kymbala >kleine hellklingende Metallbecken, die man aneinander schlug< (Diminutiv von kymbos >Hohlgefäß, Schalekleines Becken; mittelalterliches Glockenspiele Neben das heutige Femininum stellt sich ein unter dem Einfluss von herkunftsgleichem ung. cymbal, poln. cymbaly, tschech. cimbäl stehendes Neutrum Zimbal »mit hölzernen Hämmerchen (Klöppeln) geschlagenes Hackbrett mit etwa dreißig Saitenchören* als Bezeichnung dieses in der osteuropäischen Volksmusik, insbesondere in der ungarischen Zigeunermusik gespielten Instruments. Eine Schwanzisolierung aus ital clavicembalo (s. Klavizimbel) ist andererseits Cembalo >klavierähnliches Tasteninstrument, bei dem die Saiten nicht angeschlagen, sondern angerissen werden*, das ebenfalls auf lat.-griech. cymbalum zurückgeht. Als Grundwort (genau wie Zimbel in Klavizimbel und Cembalo in Clavicembalo) erscheint ein stark modifizierter Reflex von lat. cymbalum gebunden in Clavecin, der französischen Bezeichnung für (Clavicembalo. Zinerarium >Nische für die Aufnahme von Aschenurnen in den großen römischen Grabanlagen*: Historismus, der eine Substantivierung des Neutrums von lat. cinerarius m., cineraria f. >zur Asche gehörig* (zu cinis, Gen. cineris >[Leichen]ascheAschenkammer< bedeutet. Im Sinne von >Aschenblume< gebraucht man in der Botanik das substantivierte und eingedeutschte Femininum des lateinischen Adjektivs Zinerarie zur Bezeichnung einer zu den Korbblütlern gehörenden Zimmerpflanze (Benennungsmotiv laut Duden-Fremdwörterbuch und Wahrig-Herkunftswörterbuch ist der oft starke Befall von Blattläusen, der die Pflanze wie mit Asche bedeckt aussehen lässt).

Zinke1 f./Zinken1 m. >Spitze, Zacke (an Rechen, Gabeln etc.)*: Die hier vorliegende morphologische Aufspaltung ist im Vergleich zu der beim synonymen Variantenpaar Zacke/Zacken (s. d.) insofern übersichtlicher, als Zinke/Zinken über mhd. zinke m. >Zacken, Spitze* und ahd. zinko m. >vorspringender Teil, Zahn* auf den germanischen maskulinen n-Stamm *tindkön (wohl jl-Erweiterung zu der in mhd. zint >Zacken, Zinke* enthaltenen e-Stufe von germ. *tanp- >Zahn Zts/) wider. In figurativem Sprachgebrauch besteht der im Sinne von »Wagenrunge* bereits zu ahd. kipf/kipfa, mhd. kipf/kipfe entlehnte Latinismus andererseits in südd. Kipf »länglich geformtes (Weiß)brot* (dazu besonders österr. Kipfel/

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Zirkel Kipferl »Hörnchen*) fort. E. Seebold ist geneigt, auch Kippe >Zigarettenrest< (als niederdeutsche Entsprechung von frühnhd. Kipfe) zu einer alten Entlehnung aus cippus zu stellen. Zirkel: Das Substantiv wurde um 900 aus lat. circulus >Kreis(linie); Personenkreis< (Diminutiv von circus >Kreis, Kreislinie; Rennbahn*, s. Zirkus) zu ahd. zirkil »Kreis* entlehnt, dessen Fortsetzer mhd. zirkel außer >Kreis; Kreislauf; goldener Reif< auch die Bedeutung des teilweisen, etymologisch verwandten Synonyms lat. circinus >Kreis; Gerät zum Ziehen eines Kreises* übernommen hat. Im 17. Jh. wurde Zirkel von Kreis in dessen Bedeutung verdrängt, geriet aber unter den Einfluss von herkunftsgleichem frz. cercle >in einem Salon versammelte Personen; Vereinigung Gleichgesinnter* und entwickelte daher die Bedeutung >eng miteinander verbundene Gruppe von Personen*. Dessen ungeachtet fand auch Cercle Eingang ins Deutsche, und zwar in den heute veralteten Bedeutungen >Empfang (bei Hofe); vornehmer Gesellschaftskreis* bzw. »die ersten Reihen vor der Bühne im Theater oder Konzertsaal* als Austriazismus (vgl. dementsprechend österr. Cerclesitz). Der Latinismus Circulus >(kleiner) Kreis, Ring* ist ein Fachwort der Medizin, vgl. aber ferner die polysemantische Wortfügung Circulus vitiosus >Zirkelschluss, bei dem das zu Beweisende in der Voraussetzung enthalten ist; sich gegenseitig ungünstig beeinflussende Krankheitsprozesse; Teufels-, Irrkreis* (Bestimmungswort: vitiosus »fehlerhaft*).

zirkular »kreisförmig*: Das Adjektiv vertritt gleichbed. spätlat. circularis (zu circulus »Kreis*, s. Zirkel), auf dem entsprechend auch frz. circulaire beruht. Von diesem beeinflusst ist dt. zirkulär, das zwar als Lautvariante von zirkular veraltet ist, in der Medizin aber im Sinne von »periodisch wiederkehrend* auftritt. Substantivisch wird Zirkular, an dessen Stelle sich sonst Rundschreiben durchgesetzt hat, nur noch in der Schweiz gebraucht. Zirkulation »Umlauf; (Blut)kreislauf*: Hinzu kommt die beim Fechten übliche Bedeutung des Fremdwortes »Umgehung der gegnerischen Klinge mit kreisenden Bewegungen* (so Duden-Universalwörterbuch). Im Duden-Fremdwörterbuch wird Zirkulation an dritter Stelle als Synonym von Circolation »Kreisstoß beim Fechten* definiert, welches eine Mischform aus gleichbed. ital. circolazione und frz. circulation darstellt. Als Quelle von dt. Zirkulation und den beiden Romanismen erwägt man in erster Linie mlat. circulatio, Gen. circulationis »kreisförmige Bewegung, Kreis*, Verbalabstraktum zu circulare »kreisförmig machen* (woraus dt. zirkulieren »umlaufen, umkreisen; kreisen, im Umlauf sein*), das wie circularis (s. zirkular) von circulus »Kreis* (s. Zirkel) abgeleitet ist.

Unverkennbar ist aber andererseits auch eine gewisse Beeinflussung durch lat. circumlatio, Gen. circumlationis »Kreisbewegung, -lauf; Umlauf; Verkehr*, gebildet aus dem Partizipialstamm circumlat- von circumferre (Part. Perf. circumlatum) »herumtragen; unter die Leute bringen, verbreiten* (über dessen Glieder s. Zirkus und das über Luzifer unter Lux Ausgeführte). Zirkus/Circus »Kampfspielbahn im Rom der Antike; (Unternehmen mit einem großen) Zelt oder Gebäude, in dem Tierdressuren u.dgl. gezeigt werden*, ugs. »Durcheinander, Trubel*: Als Historismus im 16. Jh. entlehnt aus lat. circus (maximus) »Arena für Wettkämpfe und Spiele; Rennbahn* (eigtl. »großer Kreis*), seit dem 18. Jh. auch Bezeichnung für das Unterhaltungsunternehmen, und zwar unter dem Einfluss von engl. circus und frz. cirque, welche diese Bedeutung ebenfalls nach der kreisrunden Arena von einem circus maximus entwickelt haben. Lat. circus »Kreis, Kreislinie, Kreisbahn; Rennbahn* (< griech. kirkos »Ring*) lieferte das seit dem 8. Jh. bezeugte ahd., mhd. zirc »Kreis, Umkreis, Gebiet*, mit dem die von der Ableitung bezirken »im Umfang bestimmen* beeinflusste Präfigierung bezirc »Umkreis, (Verwaltungs)gebiet< vom 15. bis 19. Jh. konkurrierte. Danach wurde Zirk endgültig aufgegeben, die deglutinierte Form blieb jedoch in Bezirk »abgegrenztes Gebiet, Gegend, Bereich* bestehen. Ein adverbialer Akkusativ des Latinismus liegt vor im Wortbildungselement Zirkum- mit der Bedeutung »um — herum*, z.B. Zirkum/Zex »Dehnungszeichen; Zeichen A (etwa bei è, i)Tageslicht; Himmel; Himmelsgott* (s. Zeus) verwandt und dem über alat. deivos auch lat. deus >Gott< entsprungen ist. Der Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ Singular des lateinischen Wortes, dessen verblüffende Ähnlichkeit mit griech. theós »Gott* auf keiner Verwandtschaft beruht, sind in Wendungen (meist aus dem Gottesdienst in der katholischen Kirche) vertreten wie Deus ex Machina »unerwarteter Helfer aus einer Notlage< (eigtl. >der Gott aus der Maschinen d.h. eine Göttergestalt im antiken Theater, die durch eine mechanische Vorrichtung erschien und den Konflikt löste, s. ex), Civitas Dei >der Staat Gottes, der dem Staat des Teufels gegenübergestellt wird< (eigtl. >Gottesstaat< nach Augustinus’ Vorstellungen, s. City), Dei gratia »von Gottes Gnaden< und Deo gratias! »Gott sei Dank!< (vgl. Gratia), Tedeum »Hymnus der lateinischen Liturgie bzw. musikalisches Werk über diesen Hymnus< (nach dessen Anfangsworten Te deum laudamus »Dich, Gott, loben wirheftig ziehen< zum starken Verb ziehen (s. Zaum), fort. Die umgelautete, ursprünglich mitteldeutsche Nebenform des einstigen jun-Verbs zücken hat die Ausgangsbedeu tung besser bewahrt, wird aber nur noch in bestimmten Fügungen wie den Bleistift, das Portemonnaie, das Schwert zücken verwendet.

Zunge: Die Bezeichnung des Organs für Sprechen und Schmecken geht über mhd. zunge >Zunge; Sprache; Volk; Land, HeimatZunge; Sprache; Rede< zurück auf germ. *tungön >ZungeZunge; Sprache; Lasche; Klöppel« lautet und im medizinischen Fachausdruck Black Tongue/B/uc/ctongue >krankhafte braune Verfärbung der Zunge(nmitte); Schwarzzungenkrankheit des Hundes« vorliegt. Das gemeingermanische Wort lässt sich nach W. Pfeifer anhand von Kognaten in anderen indogermanischen Sprachen aus einer Vorform idg. *dng*hwa >Zunge< herleiten, E. Seebold führt seinerseits mit Verweis auf W. Winter die nach seiner Meinung spekulative Rekonstruktion idg. ^ndh-^ou- >das unter dem Munddach (Gaumen) liegende« auf. Aus *dngJhwä ist alat. dingua und daraus durch Anschluss an lingere decken« lat. lingua >Zunge; Sprache; Landzunge« hervorgegangen, ver-

treten zum einen etwa in Lingua franka Verkehrssprache (an der Mittelmeerküste im Mittelalter), Mischsprache« (s. frank) und - im Genitiv Singular — Lapsus Linguae >das Sichversprechen« (s. Lapsus), zum anderen - in Gestalt des Erbwortes frz. langue »Zunge; Sprache« - im sprachwissenschaftlichen Terminus nach E de Saussure Langue »die Sprache als grammatisches und lexikalisches System« (über das Gegenwort Parole s. Parabel). Vgl. auch (port.) Lingua geral unter generell. zwanzig: Struktur- und bedeutungsgleiche Entsprechung des deutschen Numerales ist engl. twenty. Voraus gehen aengl. twentig und ahd. zweinzug, die im Sinne von »zwei Zehner« gebildet sind mithilfe der Wortbildungselemente aengl. -tig und ahd. -zug/-zig (< germ. *teg[u]- >Zehner, Zehnheit, Dekade«, s. zig) zum unter Twen besprochenen einstigen Maskulinum von zwei (s. d.). Die seit dem 16. Jh. bezeugte Lautform zwanzig hat sich aus mhd. zwäinzec durch den schrittweisen Wandel /ei/ > /ai/ > /a/ und den Suffixwechsel -ec > -ig (wie mhd. künec > nhd. König, s. d.) entwickelt. Die Pluralform des Anglizismus twenties, die auch so viel wie >Zwanzigerjahre< bedeutet, ist im Duden-Fremdwörterbuch in zwei verschieden ausgerichteten Charakterisierungen ein und derselben Epoche registriert: Golden Twenties >die goldenen zwanziger Jahre« (wörtl. >die goldenen Zwanziger«, s. Gulden), Roaring Twenties >die 20erJahre des 20. Jh. in den USA und in Westeuropa, die durch die Folgeerscheinungen der Wirtschaftsblüte nach dem 1. Weltkrieg, durch Vergnügungssucht und Gangstertum gekennzeichnet waren« (eigtl. >die stürmischen Zwanziger«, Attribut: roaring »brüllend; stürmisch; schwunghaft; glänzend«, zu to roar »brüllen; brausen, toben«). Zweck: Das ursprünglich nur im Hochdeutschen heimische Substantiv setzt ahd., mhd. zweck »Holznagel, Pflock« fort, dessen herkömmliche Verknüpfung im Sinne von »gegabelter Ast, Gabelung« mit Zweig und zwei (s. d.) heute stark angezweifelt wird. Seit dem 13. Jh. bezeichnet zweck außerdem den Pflock in der Mitte der aufgehängten Zielscheibe, von wo aus es die Bedeutung »Zielpunkt«, danach übertragen »Ziel, Absicht, Sinn«, entwickelte. Nach dem Vorbild des präpositionalen Gebrauchs anderer erstarrter Genitivformen wie behufs, betreffs, mittels in der Amtssprache trat zwecks »zum Zwecke« seit dem 19. Jh. in dieser Funktion auf. Ein seit dem 18. Jh. bezeugter, nach W. Pfeifer aus dem Plural Zwecke im Mitteldeutschen entstandener femininer Singular Zwecke übernahm die vom Maskulinum Zweck aufgegebene Bedeutung »Nagel«.

Zwehle »Hand-, Tischtuch«: Dieser alemannisch-west mitteldeutsche Regionalismus ist wie ostmitteld.

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Quehle infolge des bei zwerch und quer (s. d.), Zwetsehe und Quetsche (s. Damaszener) aufgezeigten Wandels von mhd. tw-/dw- zu nhd. (oberd.) zwoder (mitteld.) qu- aus bedeutungsgleichem mhd. twèle/dwèle, kontrahiert aus twehel/dwehel, ahd. twahila/dwahila (urspr. »Badetuch«, zu dwahal »Bad« < germ. *pwayla- »Bad, Wäsche«, zu *pwaya- waschen« > ahd. dwahan > nhd. veraltet zwagen waschen«) lautlich modifiziert worden. Ihnen gegenüber hat niederd. Twele >schmales Handtuch; schmale Tischdecke« (< mnd. dwele) den dentalen Verschlusslaut im Anlaut bewahrt. Vor allem im Hinblick auf standardspr. Handtuch, aber vielfach auch aufeinander haben sich also die territorial geschiedenen Dubletten gleicher Semantik Zwehle und Quehle (nach W. Seibicke heute selbst in den Mundarten schon weitestgehend veraltet) zusammen mit Twele zu Heteronymen entwickelt. Ihnen schließt sich als gewöhnliche etymologische Dublette seemänn. Dweil >Aufwischbesen aus Lumpen« an, das über niederl. dweil, mniederl. dwale/dwele >Hand-, Tischtuch, Tuch« auf dieselbe germanische Quelle zurückgeht.

zwei: Anstelle dieser allgemein üblichen Form des Numerales gab es im Althochdeutschen drei genusabhängige: die Neutralform zwei, die der heutigen zugrunde liegt; die feminine zwo (die im 20. Jh. ohne Unterschied des Geschlechtes neu belebt wurde, um Verwechslungen von zwei mit dem gleich auslautenden drei, s. d., zu verhindern: zwo) und wahrscheinlich *zwa in ahd. zwelif (woraus - mit Labialisierung e> ö- zwölf, ursprünglich wohl im Sinne von >zwei darüber«, d.h. die Zahl, bei der nach dem Zählen bis zehn zwei übrig bleiben, vgl. elf unter ein1); die maskuline zwène (s. Twen, vgl. zwanzig). Die hochdeutsche Affrikata im Anlaut ist aus t- in germ, *twö, *twai hervorgegangen, das seinerseits idg. *dwö(u)> *dwoi »zwei« fortführt. Der englische Kognat two ist im Namen des schnellen Tanzes mit Betonung des zweiten Schrittes twostepp (eigtl. >Zweischritt«, s. Stapfe) enthalten. Der lateinische Reflex von idg. *dwö(u) lautet duo m. und n., duae f. >zwei«, vgl. seine Präsenz im Spruch si duo faciunt idem, non est idem wenn zwei dasselbe tun, ist es (doch) nicht dasselbe« (s. Fazit, ein1, ist), in Duodezime >der zwölfte Ton einer diatonischen Tonleiter« (s. Duodez) sowieals archaischer Genitiv - im altrömischen Beamtentitel Duumvir (s. Werwolf). Als Erbwort liegt es vor in gleichbed. ital. due und daher in Termini der Musik und Kunst wie a due voci >für zwei Stimmen« (s. ad, Voces), Ducento/Duecento/Dugento »das 13. Jh. in Italien als Stilbegriff« (eigtl. »zweihundert«, s. Cent) sowie in der Substantivierung Duo »Musikstück für zwei Instrumente; zwei gemeinsam musizierende Solisten«. Aus dem Akkusativ des lateinischen Maskulinums duos (vlat. *dös) entstammen frz. deux (vgl. im

Zyklus Klavierspiel à deux mains »für zwei Hände«, s. ad, mano) und - über afrz. deus/do(u)s - engl. deuce (woraus im Tennis gelegentlich dt. Deuce »Einstand, Gleichstand in einem Spiel«) wie auch seit dem 12. Jh. bezeugtes dt. Daus »zwei Augen im Würfelspiel; Ass in der Spielkarte«. Reflexe der Kompositionsform idg. *dwi- »doppelt, zweifach« sind griech. di- (z. B. in Dipteren »Insektenordnung der Mücken und Fliegen«, eigtl. »Zweiflügler«, s. Dipteros; Diglossie »Zweisprachigkeit innerhalb einer Sprache«, vgl. Glosse), lat. bi- (z.B. in Biquadrat »Quadrat des Quadrats, vierte Potenz«, vgl. Quadrat), germ, *twi-, woraus hochd. zwie- etwa in Zwielicht »das Licht zwischen hell und dunkel« (Nachbildung von niederd. twelecht, vgl. gleichbed. engl. twilight), Zwieback (Lehnübersetzung von ital. biscotto, s. Biskotte), Zuber »großer Bottich« (über mhd. zuber »Gefäß mit zwei Handhaben« aus ahd. zwibar »Amphore, Krug«, dessen zweiter Bestandteil für eine Ableitung von heran »tragen« gehalten wird und somit das Ganze »zweiträgiges, zweihenkliges Gefäß« bedeutet haben soll, vgl. Eimer unter ein1). Mit dem erörterten Numerale verwandt bzw. davon abgeleitet sind z.B. Zweig, Zwiesel, Zwillich/Zwilch, Zwilling (vgl. gleichbed. engl. twin), Zwirn, zwischen, Zwist, Zwitter. Zwiebel : Seit dem 12. Jh. bezeugte Entlehnung von mlat. cipolla/cipulla/cibula (für spätlat. cebulla, ein Diminutiv von cepa »Zwiebel«), die bereits in den ältesten Belegen teilweise an ahd. zwi- »zweifach« (s. zwei) und bolla »runder Körper, Bolle« (s. Bolle1) volksetymologisch angelehnt wurde und daher wohl im Sinne von »zweifache Bolle« erscheint: zibolla/zwibolla, zibolle/ zwibolle. Aus mlat. cipolla bzw. aus herkunftsgleichem ital. cipolla »Zwiebel; Knolle; Uhr« stammen außerdem die Regionalismen nordd. Zipolle »Zwiebel« (neben offensichtlich wieder von Bolle »runder Körper, Knospe, Samenkapsel« beeinflusstem gleichbed. Bolle2) undebenfalls unter Weglassung der unbetonten ersten Silbe - Schweiz. Bolle »Zwiebel; Uhr«.

Zyklus »Kreislauf; Folge; Reihe«: Im 18. Jh. über spätlat. cyclus »Kreis, Umlauf« entlehnt aus griech. kyklos »Kreis, Ring, Rad« (einer Reduplikation von idg. *kwel-, *kwoT, *kwl- »drehen«, auf das auch dt. Hals und lat. collum gleicher Bedeutung zurückgehen, s. Kollo). Als Wortbildungselemente verleihen die Kompositionsformen Cycl-/Cyclo- und Zykl-/ZykloBedeutungen wie »ringförmig verknüpfte Atomgruppen enthaltend« bzw. »zu einem kreisförmigen Gebilde zusammengefügt; periodisch wiederkehrend«, z.B. Cyciohexan »ein als Lösungsmittel für Fette, Harze und Wachse verwendeter Kohlenwasserstoff« (zum Grundwort vgl. Hexamin unter sechs), Zyklotron »Beschleuniger für positiv geladene Elementarteilchen« (Auslaut nach Elektron). Aus dem Lateinischen, möglicherweise durch französische

Zypern

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Vermittlung entlehntes engl. cycle »Kreis, Kreislauf, Zyklus< dient besonders in den Zusammensetzungen bi-, tri-, motorcycle (vgl. zwei, drei, Motor) zur Bezeichnung verschiedener Arten von Fahrrädern, so in Bicyde-Moto-Cross »Radrennen mit Spezialrädern< (s. Bike, Motor, Kreuz). Zypern: Vielfach wird angenommen, dass der Name dieses Inselstaates im Mittelmeer (griech. Kypros)

mit dem der Zypresse (griech. kyparissos, ein Mittelmeerwort unbekannten Ursprungs) zusammenhängt und demnach etwa >Zypresseninsel< bedeutet. Er ist auch in seiner französischen Lautung Chypre im Deutschen bekannt, und zwar als Bezeichnung für ein Parfüm. Das Neutrum des zum griechischen Namen der Insel Kypros gebildeten Adjektivs kyprios »zyprisch« liegt übrigens der Metallbezeichnung Kupfer (s. d.) zugrunde.

Alphabetisches Zugriffsregister Der Pfeil (-►) verweist auf das Lemma, unter dem die herkunfts- und strukturgleichen Wörter, Wortformen und Eigennamen verzeichnet sind.

à ad adagio Adjazent Aa/Aach/Ach/Ache, Aachen Aqua Adalbert Adel Aak/Aake -* Nachen ad calendas graecas -*■ ad, Kalenden, Graecum Aar Arn Addendum -* Addend ab2/a ab1 addio -► ade, Ziu Abate, Abba, Abbé -* Abt ade -* Ziu Abenteuer Aventiure à deux mains -► ad, zwei, mano ab/ex ovo -►ab1, ex, Ei ad diem dictum ad, Zeus, Diktum abradieren2 -► abradieren1 adieu ade, Ziu Abraham -► Abt adjuvant, Adjuvant -► Adjuvans Abrasion -* Abrasio Adler Adel, Arn à bras ouverts -► ad, Pratze ad loca -► ad, loco Abrego -* Afrika ad manum/ad manus medici ad, mano, Medikus Abréviateur -► Abbreviator ad notam ad, Nota abrupt, Abrupta Rotte, ab1 ad oculos -*■ ad, Oculus Abrupta abrupt Adolfo Adel Absalom, Absalon, Abschalom Axel, Abt, Schalom ad partem -*■ ad, Part Abseite -► Apsis ad patres -► Vater, ad Absenz Absence ad pias causas ad, Pius, Causa Abstract Traktus ad pios usus -► ad, Pius, Uso abstrakt, Astrakten, Abstraktum ab1, Abstract, Trak- a due voci -*■ ad, zwei, Voces ad usum -► ad, Uso tus ad valorem -* ad, Valoren Abteilung2 -► Abteilung1 Advantage -* Avantage Abu -*■ Abt Advis Avis, ad, Visus Abzucht Aquädukt ad vitrum -*■ ad, Vitrum a capella -* ad, Kapelle1 Advocatus Diaboli -*• Advokat, Teufel a capriccio -► ad, Capriccio ad vocem -*• ad, Voces Accent aigu -► Accentus, akut Advokaat Advokat Accent circonflexe -► Accentus, Zirkus aequis partibus -* aequis, Part Accent grave -► Accentus, grave Aerodynamik -► Air Achen/Ache -► Nachen Affix -*■ ad, fix à cheval -► Cavallo, ad à fonds perdu -► ad, Boden Acidometrie, Acidum Acid a fresco -► ad, frisch à condition Kondition, ad Africa -* Afrika à contre coeur -► ad, Kontra, Herz African National Congress, Africanus, afrikaans, Acre -*■ Acker Afrikaans, Afrikaander/Afrikander, Afrikana, Acta Act Afrikaner afrikanisch actio et reaktio Actio, et, Redaktion After achter Action, Action directe -► Actio After-Shave achter, schaben Actus purus -► Actus, pur Agende, Agenden -► Agenda ad acta -► Act, ad

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Alphabetisches Zugriffsregister Agent, Agent provocateur Agens Ager publicus — Acker, publik aggressiv — ad Agop — Jakob Agosto — August1 à grands courants — ad, Grand, kurrent Agrément — Agreement Agrikultur, Agronom — Acker Ague — akut Ahasver, Ahasverus — Xerxes Ahrenhold/Ahrenholz Arnold, Arn Aide de Camp — de1, Camp Aide-Mémoire/Aidemémoire — Memoire Aigelstein — Aquila Aiguière Aquarium Airbus — Aerobus Aircondition — Air, Kondition Airedaleterrier — Tal, Terrarium Airfresh — Air, frisch Aise — Adjazent Aix-en-Provence Aqua, in, Provinz Akademiker — akademisch Aken Aqua Akne — Akme Akt1 — Actus Akte/Akt2 Act Aktie, Aktion — Actio Aktiv1, Aktiv2, Aktiva/Aktiven, Aktive, Aktiver Aktivität, Aktivitäten Aktivitas aktual — aktuell Aktus — Actus Akut — akut Akzent — Accentus, ad Akzidenz — Akzidens alaaf — all, ab1 à la bonne heure — ad, Bon, Uhr à la carte — Charts, ad à la grecque — Graecum, ad à la mode — Modus, ad Älandinseln — Aqua à la queue Cauda, ad Alarm — Arma, ad Alb2 — Alpen AlbaVAlbe, Alba2 — Album Alberge — Pfirsich Albergo — Heer, Herberge albern — all Albiklas Album Albrecht — Adel Albus Album Alkazar/Alcäzar — Castrum Alchimie/Alchemie — Chemie Al-Chwarismi — Algorithmus Alkalien Kali Alkoven — Kubba al dente Zahn, ad

aktiv

Alderman älter, man alert — erectus Alf-Alb1 al fine — ad, Finis Alkalde — Kadi Alkali — Kali Alkanna — Henna Alkohol — Alquifoux All - all alla breve — Brief, ad alla caccia/à la chasse — Caccia, ad alla campagna — Kampagne, ad alla minuta — Minute, ad (alla) tedesca — deutsch, ad Allgäu — Alpen Alligator — Lazerte alliieren — ad, alligieren all right — all, recht all’s well — all, ist, wohl Alm, Alp/Alpe — Alpen à l’ordinaire — ad, ordinär al punto — Punctum Puncti, ad als2 - all also — als1 Alt, Altus — alt Amause — Email Amber2 — AmberVAmbra Ambergau — Ammer, Gau Ambiente — um Amboß — an Américaine — amerikanisch American Way of Life — amerikanisch, weg, ab1, Leib Amerikana, Amerikaner — amerikanisch Amici, Amiga — Amigo Ami du Peuple — Amigo, de1, Pöbel Amis des Noirs — Amigo, de1, Neger Amor Fati — Amor, Fatum Amorosa, Amoroso — amoroso Amour bleu — Amor, blau Amouren — Amor Amourettes — Amorette amourös — amoroso Ampel — Ampulle Amper1 — Ammer Amper2 — Amphora Ampère — Amper Amphitheater — urn Amphora, Amt — urn Amtmann — Ammann analog — an Analysis — Analyse ana partes aequales — an, Part, äqual Anchorman — Anker, man Ancre — Anker Anderson, Andersson — Sohn Angel — Engel

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Angelika, Angélique -*■ Angelica Angelo, Angelologie, Angelus Engel Angina pectoris Pectus Angorakatze Anker Angry Young Men jung, man Ängström -► Strom Animus Animo Animus Auctoris Animo, Autor Animus Socii -► Animo, Sozius Ankara Anker Ankunft -*■ Basis annektieren ad Annex -*• Adnex anno currente -*■ kurrent Anno Domini Dominus Anonymus anonym Ansgar -* Äsen, Ger ante diem anti, Zeus Antigua, Antike, antikisch antik Antipode Fuß, anti Antiqua antik Antlitz anti apagogisch ab1 Apartheit Apartheid Apfelsine China Aphärese ab1 Apotheke ab1, Theke Aparthotel Appartement, Hospital Apartment Appartement Aplomb Plumbum, ad Apodeixis/Apodixis Police à poudre Pulver, ad Appeal Appell Apside Apsis Aptitude Attitude arabo-tedesco arabisch, deutsch Arie Air Aquädukt -*■ Aqua, Ductus Aquatinta -* Aqua, Tinte à quatre mains ad, vier, mano Aquavit Aqua, Vita Aquifer Aqua Aquila alba Aquila, Album Aquilifer Aquila äquivalent -* aequis, Valente Aquokomplex, Aquoxyd/Aquoxid Aqua Ar/Are -*■ Area arabesk, Arabeske, Arabesque -* arabisch arabo-tedesco Araber, deutsch Araldo/Eraldo Herold Archiater Arzt Arc de Triomphe Arkus, de1, Triumph Arco, arco Arkus Argwohn Wahn Arkebuse Hakenbüchse, Arkus, Büchse Arkuballiste Arkus

Alphabetisches Zugriffsregister Armbrust Arkuballiste Armee Armada Armée volante Armada, Volant Armes pariantes -► Arma Ar mia Krajowa -*■ Armada Armure/Armüre Armatur Arnaldo/Arnoldo, Arnaud, Arnd/Arndt, Arnoldi, Arnoldt/Arnolt, Arnoldus Arnold, Arn Aromaten Aroma/Arom arrangieren ad Ars antiqua -*■ Ars, antik Arsen Arsenik Ars povera Ars, power Art brut Ars, brut Artefakt Ars, Fact artifiziell Ars Asgeir Ansgar, Äsen, Ger Äskulap Asklepios Aspirateur Aspirator Aspis Aspiden assimilieren -*■ ad Assunzione Assumtion Asteriskus Asteriskos Asterolith Aster, Litho Astrolith Asterolith Astrologe, Astrum Aster Asuncion Assumtion As You Like It es a tempo ad, Tempo Atlant Atlas Atli Attila1 à toute force -*■ ad, tutti, Forsche à tout prix ad, tutti, Preis attachieren attackieren Attack, Attaque -* Attacke Attila2 -*■ Attila1 Attitüde1, Attitüde2 -* Attitude attraktiv ad ätzen -* atzen Aube Album Auberge Heer, Herberge Auditeur Auditor Auditio colorata Audition1, Colorado Audition2 Audition1 Audition colorée -*■ Audition1, Colorado Augsburg August1, Burg Augst, August2, Augusta/Auguste2, Auguste1, Augusto, Augustus August1 au moment ad, Moment1 au naturel ad, Naturalien Aurea Mediocritas Öre, Mediokrität Aureomycin, Aureus Öre Auripigment -*■ Aurum, Pigment Aurotherapie Aurum Aus aus Auslinie/Outlinie Outline

Alphabetisches Zugriffsregister ausrotten roden äußer außer ausstaffieren -* stopfen Aust August1 Auto1 -*■ Actus Autodafé Actus, de1, Fides Avenida Avenue Aventura, Aventüre Aventiure Average, average Havarie a verbis ad verbera Wort, ab1, ad Averbo -* Wort, ab1 aviär -*■ Aviarium Avicenna^ Ben1 Aviso1, Aviso2 Avis, ad, Visus Avocado, Avocat, Avoué Advokat Avoirdupois Pensum, de1 Axis, Axon, Axonen Achse Axonometer -*■ Achse, Metrum Axopodium Achse Azimut Zenit Azur, Azzurri/Azzurris Lasur

Baas/Bas Boss Bachem Heim Backlist Leiste Baedeker Böttcher Baetica -*■ beige Bakkalaureus -* Bachelor Balduin bald Baldwin Balduin Balg2, Balgen Balg1 Balkon Balken Ballen Ball Bamboo * Bambus Band2 Band1 Banda, Bande1 Band3 Bande2 Binde bange eng Bangert -*■ Baum, Garten Bank2 Bank1 Bankrott Bank1, Rotte Banner2 Banner1 Baptista, Baptiste Baptist Bar -* Barre Barbara -*• Barbar Barbarossa Bart, Roux Barbe Bart Barge1, Barge2, Bark -* Barke Barren Barre Barte1 -* Bart Barutsche/Birutsche Protze Basalt Basanit Base1, Base2 Basis Baseball Ball, Basis Basilikum, Basoche Basilika Basrelief Bass

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Bassa Danza/Basse Danse Bass, Tanz Basselisse -*■ Bass, Litze Bassena, Bassin Becken bätisch -*■ beige Batist, Batista, Battista Baptist Baude Bude Baudouin Balduin Beam Baum Bear -*■ Bär beamtet Beamter Beckum Heim Bedfich Friedrich Bedros Petrus Beet Bett behände/behende Hand, um Behrbohm Birnbaum, Baum Behrend/Behrens Bär bei “*■ um beikommen -*■ bekommen Beispiel -spiel, um beistellen bestellen Beistellung Bestellung Beiwache Biwak bekommen um Beiesprit Beau, Spiritus Bell Bel Bella Beau Belle Époque Beau, Epoche1 Bellevue Beau, Visum Bello Beau bello modo -* Beau, Modus Bel Paese/Belpaese -* Beau, Pais Ben2 Ben1 Benchmark-* Bank1, Marke benedeien benedizieren Benedict -*■ Benedictus Benedictus, Benedikt bene, Diktum Benedetta, Benedetto, Benedikt/Benediktus, Benedikta Benedictus, bene Benedix Benedictus, Diktum Benefiz Benefizium Benes, Bengt, Benita, Benito, Bennet/Bennett, Benoit Benedictus ben tenuto bene, tenuto Berber -*■ Barbar beredet ^* beredt Bernard, Bernardo, Bernhard(t) Bär, hart Bernkastel -* Kastell Berserker Bär Bertram Rabe Besan median beschieden bescheiden Besemschon Besen, schön bestallen bestellen Bestallung1, Bestallung2 Bestellung bète, Bète -*■ Bestie

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Beton -*■ Bitumen Beuel -* Bühel bewegen -*■ wägen Bezirk Zirkus Bianca/Bianka -*■ Blanc Biblia Pauperum -* Bibel, power Bibliothek -*■ Bibel, Theke Biche -*■ Bestie Bichl/Pichl Bühel Bickbeere Pix Bicycle-Moto-Cross Bike, zwei, Zyklus, Motor, Kreuz biderb -*■ bieder Bidonville Villa bieder um bien -*■ bene Bienfaiteur -*■ Benefaktor Bierbaum Birnbaum Biest Bestie billig -* Leiche Bin Ben1 Biquadrat zwei, Quadrat Bischof, Bishop Episkop Biscuit, Biskuit Biskotte Biskop/Biskup Episkop Bison -*■ Wisent bisweilen weil, um Biwak um Björn Bär Blache, Blähe Plane Blanca/Blanka, Blanche, blank, Blank, blanko -*• Blanc Blankenese -* Nase, Blanc Blankscheit Planchette Blau blau bleiben um bleu, Bleu ** blau blutarm2 blutarm1 Blue Jeans blau, Genua Blues, blümerant blau Blue Ridge Mountains blau, Rücken, montan Board Bord1 Boarding-School Schule Boatpeople/Boat People Boot, Pöbel Boa Vista Bon, Visum Bodden ->■ Boden Bödeker, Bödiker Böttcher Bodega Apotheke, Theke BoeufKuh Boisseau Bushel Bokmäl Buch Bola Bulla Boletus Pilz Bolle1 Bowle Bolle2, Bolle -*• Zwiebel Bollwerk Bohle, Werg bombenfest2 bombenfest1 bon Bon

Alphabetisches Zugriffsregister bona fide -* Bon, Fides Bond Band1 Bonebed Bein, Bett Bone China Bein, China Bönhase Bühne Bonifikation Bon Bonmot Bon, Motto Bonne -> Bon bono modo Bon, Modus Bonus -*■ Bon Bookmaker -*■ Buchmacher, Buch, Macher Books Buch Boots -* Botten Bor Borax Borago Borretsch, Bord2, Bord3 Bord1 Borgis bourgeois Borgo Burg Born Brunnen Börse1, Börse2 Bursa Borte Bord1 Boskett Bukett/Bouquet Bosporus Kuh Bottega Apotheke Bottelier/Bottler -*■ Bouteiller Böttger Böttcher Bottich Apotheke, Theke Bottleparty Bouteille, Partie Bottoms -*■ Boden Boule -+■ Bulla Boulevard Bollwerk, Bohle, Werg Bouquet -*■ Bukett Bourgeois -*■ bourgeois Boutique -* Apotheke, Theke ... bovi, Bovovakzin Kuh Bowls Bulla Box Büchse Boxkalf/Boxcalf-* Büchse, Kalb Braccio, Brache, Brachialgie, Brachiosaurier/Brachiosaurus, Brachium, Pratze Brack -* wrack Braintrust -* Bregen, Trost Brandy gebrannt Branntwein gebrannt, Wein Brasse -*■ Pratze Brat, Brät -* Braten Bratsche, Bratze Pratze Bräutigam Homo brav, bravo, Bravo1, Bravo2 Barbar Breccie/Brekzie Bresche Bregma -> Bregen Bretten -*■ Heim Breve, Brevis Brief Brevier -* Breviar Bridge -► Brücke Brigantine Brigg

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Alphabetisches Zugriffsregister Brille Beryll Brilon Loh Brimborium Breviar Britschka -* Protze Broadway breit, weg Broder/Bror Bruder Bronn/Bronnen -*■ Brunnen Brown -* braun Bruck an der Mur -*■ Brücke Brüderschaft Bruderschaft Brügge Brücke Brunn Brunnen Bruno braun brutto brut Brutum, Brutus brut Buchse Büchse Buchstabe -*• Buch, Stab Buddel/Buttel Bouteille Buenos Aires -*■ Bon, Air Buen Retiro Bon bugsieren pulsieren Bull Bulle1 Bulldogge Bulldog, Bulle1 Bulle2 Bulla Bullfinch Fink, Bulle1 Bullmarket Markt, Bulle1 Bunda “* Punctum Puncti Bungert Baum, Garten bunt Punctum Puncti Bure Bauer1 Burgh, Burgos, Burrough/Burrow Burg Burning Feet -*■ Fuß Bursch, Bursche, Burse Bursa Bush Busch Bussole Bossolo Butike/Budike Apotheke, Theke Butler Bouteiller Bütt, Bütten -* Bütte Butter Kuh Butterfly Butterfliege, Butter, Fliege Cab -* Kabriolett Caballeria Kavallerie Caballero -* Kavalier Cabo Bianco Haupt, Blanc Cabo Delgado -*■ Haupt, delikat Cabo Verde Haupt, Wirz Cabriole -* Kapriole Caciocavallo -*■ Käse, Cavallo Caddie Kadett Cadeau -*■ Kapitell Cadran -* Quadrant Cadre -*■ Quader Caisson Cassone Cafard -*■ Kaffer Café Kaffee

Café complet komplett, Kaffee Cage Cavea Caisse -*■ Cash Cake/Cakes Keks Calamares, Calamari Kalamarien Calamus -*■ Halm Calembour/Calembourg Kalauer Calf Kalb Calix, Calyx Kelch Camarero -*• Kämmerer Camera obscura Kammer, obskur Camerarius -*■ Kämmerer Camerata Kamerad Camerlengo Kammerling Campos, Campus -► Camp Canal du Centre Kanal, Zentrum Canale, Canalis -► Kanal Cancer en Cuirasse Cancer, in, Kürass Canción Kanzone Cancioneiro, Cancionero -** Canzoniere Canna/Kanna1 ->■ Kanne Cannabis Hanf Cant -*• Cantus Cantio Kanzone Canto Cantus Cantus firmus -*■ Cantus, firm Capa Cappa Cape1 -* Cappa Cape2 Haupt Capitalflow -* Kapital Capitulum Capitolo Cappuccino -*■ Kapuziner Caput -* Haupt Cap Vert Haupt, Wirz Car -* Karre Caravan Karawane Caréme Quadragesima Caritas2 -*■ Karitas Carlo, Carlos, Carolus -*■ Karl Carsten/Karsten -► Christ Carte blanche Charts, Blanc Cartier -*■ Quartier Cartoon -*• Karton Catalina, Catarina, Cathérine Trine Cäsar2 -*■ Cäsar1 Case-History -*■ Kasus, Historie cash, Cassa -*■ Cash Casus Belli Kasus, Duell Casus rectus Kasus, recht Caudillo Kapitell causa finalis Causa, Finalis Cause célèbre Causa Cavaliere -* Kavalier Cavalleria Kavallerie Cedro Zeder Cedule -*■ Zettel

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c’est la vie Ist, Vita Cella -*■ Zelle Cembalo Zimbel Cental Zentner Center1, Center3 Zentrum Centésimo Centesimo Céntimo Centime Centrecourt -* Zentrum, Kohorte Centricleaner -*■ Zentrum Cercle Zirkel cerise, Cerise -► Kirsch Cervelat/Servela2 Safaladi César Cäsar1 ceteris paribus ceterum, Paar Ceulen -* Colonia Chain, Chaine Kette Chairman -*■ Katheder, man Chaise -*■ Katheder Chaiselongue Katheder, lang1 Chambellan, Chamberlain -** Kammerling Chambre séparée Kammer, separat Chamois “* chamois Champagne Kampagne Champion Kämpe Champions Leage -*■ Kämpe, Liga Champs-Elysees -*■ Camp Channel Kanal Chanson1, Chanson2 -* Kanzone Chansonnier Canzoniere Chant1, Chant2 -* Cantus Chanteur Kantor Chapeau Schappel Chapel/Chapelle Kapelle1 Chapiteau Kapitell Chapitre -* Capitolo Char Karre Charitas/Caritas1, Charité -*■ Karitas Charleroi Karl, Rex Charles -* Karl Charleston Zaun Chart, Charta, Charte -* Charts Chartreuse2 Chartreuse1 Chäs-Chüechli -► Käse Chase, Chasse Caccia Chasma/Chasmus, Chasmatosaurier, Chasmophyt -* Kasematte Chasuble Kasel Chateau/Chàteau Kastell Chateauneuf-* Kastell, neu Chatonfassung Kasten Chauffeur/Schofför Kalfakter Chauvi, Chauvinist Calvinist Check Schah Checkliste Checklist, Schach, Leiste Cheeseburger -* Käse Chef Haupt

Alphabetisches Zugriffsregister Cheminée Kemenate Chenal -*■ Kanal Cherrybrandy Kirsche, gebrannt Chester Castrum Chevalerie Kavallerie Chevalier Kavalier Chevauleger Cavallo, leger Chianti classico -»• klassisch Chiara -* klar Chiaroscuro -*■ Clair-obscur, klar, obskur Chicken -*■ Küken Chicorée/Schikoree -*■ Zichorie Chief Haupt Chiffre -* Ziffer Chilbi/Kilbi Kirchweihe, Kirche Chimära/Chimäre2 Chimäre1 Chinatown China, Zaun Chlodwig Lude Chor Chorus Chose/Schose Causa Chrétien de Troyes Christ, de1, Troyes Christe, Christi Christus Christian, Christiani, Christianus -► Christ Christmesse/Christmette -* Christus, Missa, Matutin Christopher/Christoffer, Christophorus Christoph, Christus Christum Christus Chronik, Chronika, Chronique scandaleuse chronisch Church Army Kirche, Armada Churchard/Churchyard Kirche, Garten Chypre -*• Zypern ciao Sklave Cicero2, Cicerone Cicero1 Cinquecento -*■ fünf, Cent Circolation Zirkulation Circulus -* Zirkel Cister Gitarre Città di Castello City, de1, Kastell Ciudad City Civitas Dei City, Ziu Civitavecchia City Claire -*■ klar Clair-obscur klar, obskur Clan/Klan Pflanze Clare/Claire klar Classic Rock klassisch Clavecin Klavizimbel, Clavis, Zimbel Claves Clavis Clavicembalo Klavizimbel, Clavis, Zimbel clean -* klein Clean Room klein, Raum Clear-Air-Turbulenz -* klar, Aria Clerk -*• Kleriker Client Klient Clipper1, Clipper2 -* Klipper

Alphabetisches Zugriffsregister Cloche, Clock -* Glocke Clodwig/Klodwig Chlodwig Cloth/Kloth Kleid Clown -* Colono Coat -* Kutte Cobaltum Kobold Cobla -* Kopula Cockpit Coq, Pfütze Cocktail -* Coq, Zagei Coda/Koda Cauda Code/Kode -* Codex Coeur Herz Collum -* Kollo Coffeeshop Kaffee, Schopf1 cognac, Cognac2 Cognac1 Cohortes urbanae Kohorte, urban col basso -* Bass, con Coldcream/Cold Cream -* kalt, Chrisam Collège, College Kolleg Collegium musicum -* Kolleg, Musica Collegium publicum -* Kolleg, publik Collier -* Koller2 Colombo, Colon Coulomb Comédie-Ballet -* Komödie Comedy of Manners -* Komödie, ab1, Manier Comes -* con come sopra -* Quomodo, Supra Comics -* komisch comme ci, comme $a -* Quomodo Commedia dell’Arte Komödie, de1, Ars Common Name -* kommun, Name Commune Sanctorum -* kommun, Sanctus Communes Conceptiones, Communs kommun Communio -* Kommunion Communio Sanctorum -* Kommunion, Sanctus comodo -* Kommode Composé1, Composé2, Composite ~* Komposite Comte -* Comes Concerto grosso -* Konzert, Gros1 Concerts spirituels Konzert, spiritual Condicio sine qua non -* Kondition, ein1 con effetto -* Effekt, con Conférence -* Konferenz con fuoco -* Fokus, con Coniae -* Cognac1 Consecutio Temporum -* Tempo Conseguente -* konsequent Consensus -* Konsens Consensus communis -* Konsens, kommun Consensus Gentium -* Konsens, Gens con spirito Spiritus1, con Constructio ad Sensum -* ad, Sensus Conte Comes Contessa -* Kontess Contradanza -* Kontertanz, Tanz contra legem -* Kontra, Lex

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contraria contrariis -* konträr Controller -* Kontrolleur Conus -* Konus cool -*■ kühl Copa Cup Copertaglasur, coperto -* Kuvert Copia Kopula coram publico -* publik Cord/Kord, Corde -* Chorda Cordon bleu Kordon, blau Corned Beef-* Kuh Cor mobile ~* Herz, Mob Cornet à Pistons -* Kornett1 Cornette Kornett2 Cornetto -* Kornett1 Cornflakes -* Korn1 Corno, Cornu ~* Horn Corona/Korona1 ~* Krone Corpus Corps Corpus Juris -* Corps, Jus1 Corso/Korso ~* Kurs Cortes -* Kohorte Cortina d’Ampezzo -* Gardine Cosa Nostra -* Causa, nostra Coss -* Causa Costa brava -* Costa, Barbar Costa Rica/Kostarika -* Costa, reich cost, insurance, freight -* Kost, Fracht Cote d’Azure Costa, de1, Lasur Coton/Koton, Cotton -* Kattun Couleur -* Color Count Comes Countess -* Kontess Counterpart -* Kontra, Part Countrydance “* Kontertanz, Tanz Coup de Gràce -* Gratia, de1 Coupe -* Cup Cour, Court -► Kohorte Courante/Corrente -* kurrent Couronne d’Or -* Krone, de1, Aurum Course -* Kurs Coutume -* Kostüm Couvert -* Kuvert Cowboy Kuh creme, Creme/Krem — Chrisam Crème fraiche -► Chrisam, frisch Crèpe de Chine -* Crèpe1, de1, China Crèpe marocain/Marocain marokkanisch, Crèpe1 Crest -* Crista Crime1, Crime2 -* Crimen Crise noir Krise, Neger Cristobal -* Christoph Croce, cross, Cross -* Kreuz Crudum -* crudus Crux/Krux -* Kreuz Crusta -* Kruste

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Cucurbita Kürbis Cuesta Costa cui bono Quorum, Bon cuius regio, eius religio Quorum, Region Cuivre poli -> Kupfer Cul-de-Sac de1, Sack cuius regio, eius religio Quorum, Region cum grano salis Korn1, con cum laude -* Laudes, con cum tempore -> Tempo, con Cupfer Kupfer Cuppa -* Cup Cupro, Cuprum Kupfer Cupula Kuppel currentis kurrent Curriculum Vitae Vita Cursus Kurs Cursus Honorem Kurs, Honneurs Curtainwall -*■ Gardine, Wall Curtis Kohorte Cuxhaven Koog, Hafen1 Cyberspace -»■ Kybernetik1, Spatium Cyclohexan Zyklus

da capo -*■ de1, Haupt d’accord de1, Akkord Dachtel, Daktylo Daktylus Dalem -*■ Tal, Heim dal segno -*■ de1, Signum Damaskus Damast damaszenisch Damaszener Dar es-Salaam -* Schalom dass das Date, Daten, dato -* datum Dattel Daktylus Datum datum Daun -* Zaun Dauphin -* Delphin1 Daus -* zwei D-Day-^Tag de2-* de1 Deadline tot, Linie dealen teilen Dealer -*• Teiler Dean -* Dekan de cetero -*■ ceterum, de1 Dechant -* Dekan Decher/Techer Dekurie Decime Decima Decimeter Decima, Metrum Decimus Decima Deep-Freezer/Deepfreezer -*■ tief Deep Purple tief, Purpur de facto de1, Fact Defense musculaire Fenz de gustibus ... Gusto, de1

Alphabetisches Zugriffsregister Deich Teich Déjà-vu Visum de jure de1, Jus1 Dekapode zehn, Fuß Dekar/Dekare zehn, Area Delacroix de1, Kreuz Delayed Reaction -*■ Redaktion Delicius/Delizius deliziös Delphin2/Delfm Delphin1 Demijohn Dame, Johanna Demiteinte Tinte Denier Denar Denim de1, Nimes Denis Dionysien denn dann Dens -*• Zahn Deo gratias -* Ziu, Gratia Department Departement Deponent Deponens Depositum, Depot Depositen Derk/Dirk, Derek/Derrick Dietrich designen designieren Deskresearch -*■ Disco, Recherche Desodorans, Desodorant -*■ Deodorant Desperado desperat Dessein, Dessin Design dessinieren designieren detto Diktum Deubel/Deibel/Deiwel -*■ Teufel Deuce zwei Deus ex Machina Ziu, ex Dezem zehn Dezime Decima Dezimeter -* Decima, Metrum Diabète maigre mager Diable, Diablokultur Teufel Diabolik diabolisch Diabolo, Diabolos, Diabolus Teufel diachron chronisch Diago Santiago Diavolo -* Teufel dichten diktieren dicto loco -* Diktum, loco Diego Santiago Dies -* Zeus Dietbald -* Theobald Differential2, differential/differentiell ~ä" Differential1 dilettieren delektieren Diligent Diligence Dime Decima Dinar Denar Diner Dejeuner Ding2, Dings Ding1 dinieren -*■ dejeunieren Dinner Dejeuner

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Alphabetisches Zugriffsregister Dionysios, Dionysius/Dionys -* Dionysien Dipteren Dipteros, zwei Dirham/Dirhem Drachme Dirty Tones Tonus Disc Disco Diskkamera Disco, Kamera Diskos, Diskus Disco Displaced Person Person dito, Dix Diktum Dix-huitième zehn Djurhuus Tier, Haus doctor rerum montanarum Res, montan Doge Dux Dollar -*■ Taler doloroso doloros Dom3 -► Dominus Domaine Domäne Domenica, Domenico Dominikus Domina Dame Domingo, Dominic, Dominika/Dominica, Dominikum, Dominique -*■ Dominikus Dominion Donjon Dominium Domäne Domino1, Domino2 Dominus Domostroi Dom1 Dompfaffs Dom1, Papst Don Dominus Dona, Donja, Donna -* Dame doof taub Doofkopp taub, Cup doppelt, Doppel1, Doppel2 Double doppio movimento -*■ Double, Moment1 Dorade, Doré-Metall Dorado Dorf Trupp Dörfer Dörfler Dorsche/Dorse Torso Doublebind -*■ Double down Düne Downing Street Straße Doyen -*■ Dekan Drachen, Dragon/Dragun, Dragoner, Drakon Drache Drank Trank Dream-Team/Dreamteam Traum, Zaum Dreiangel Triangel, drei dreißig -*■ drei, zig Dreizack drei, Zacke Drift -> Trift dritt Tertia Drittel Tertia, Teil1 driven -*• treiben Driver Treiber Droge, dröge trocken Drops Tropf Drost -* Truchsess drucken drücken

Drugstore, dry -* trocken Dryade Dryas Dschahannam Gehenna Dschubbe -*■ Schaube Dublette -* Dublett Duc, Duca, Duce Dux Ducento/Duecento/Dugento zwei, Cent Duchess, Duchesse Duchessa düdisch deutsch Duenja -*■ Dame duff, Duff taub Duffel Düffel Dufflecoat -* Düffel, Kutte Duke Dux Düker Taucher Duktus Ductus Dumb Show/Dumbshow dumm, Schau Dune Daune Duo zwei Duodezime Duodez, zwei, zehn Dura, Duro -* Dur Dürpel/Dörpel Tür, Pfahl Durumweizen Dur Dussel Dusel Dust1, Dust2 Dunst Dutchman -*■ deutsch, man Duumvir zwei, Werwolf dwars quer Dweil Zwehle Dynamis, Dynamo Dyn

Eagle Aquila Early English Leiche East-Coast-Jazz Ost, Costa Eau de Cologne Aqua, de1, Colonia Eau de Vie Aqua, de, Vita Ecaillemalerei -*• Shell Ecclesia patiens Ekklesia, Patiens Echarpe Schärpe Echec Schah Echelle -* Skala Eck -* Ecke Economics -*■ ökonomisch e contrario -*• konträr, ex Ecossaise/Ekossaise Ecossais Ecstasy Ekstase, ex Ecu Scudo Ecuador/Ekuador Äquator Ecuyer Esquire Editio princeps Prinz Effekten, Effet -* Effekt egal1, egal2-** äqual Egalität Égalité Egbert, Egg, Egge1 - Ecke Egghead -*■ Ei, Haupt Eglise Ekklesia

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Ego — ich eh1, eh2, ehe — eher ehehaft echt ehemals — eher. Mal eichen äquieren Eichstädt — Statt Eiland — Au Eimer Amphora ein2 — in einbegriffen — inbegriffen eins, einst ein1 Eisbein — Ischium, Bein Eirene Irene1 Ekklesie — Ekklesia Eklipse — ex ekrü/ecru ex, crudum Eläolith — Oleum, Litho Elder Statesman — älter, Staatsmann Electric Jazz elektrisch Electronic Cash Elektronik, Cash Electronic Commerce — Elektronik, Kommerz Elegeion Elegie Elektrik, Elektrisch, Elektrische elektrisch elektronisch Elektronik elf — ein1 Elf-Alb1 Elfenbein — Elefant Eloah — Allah Eloge, Elogium — Elegie Elohim — Allah El Salvador — Salvator Elter, Eltern — älter E-Mail — Elektronik Email brun — Email, braun Eman — Emanation Emmer — Ammer empfangen — anti Emphysem — in Empire1, Empire2 — Imperium Emplastrum — Pflaster empor — in Energeia — Energie en effet — in, Effekt en face — in, Facies Enfant terrible — Infant eng —bang(e) en gros — in, Gros1 Enkaustik — in en miniature — in, mini en passant — in, Passant Enrico — Hain, Rex en route — Rotte, in entkommen — anti entlang — in, lang en tous cas — in, tutti, Kasus Entrecote — unter2, Costa

Alphabetisches Zugriffsregister Entree — Intrade Entrelacs — unter2, Lasso entre nous — unter2 Entrevue — Interview, unter2, Visum entweder — ein1 Epagneul — Espagnol Ephor, Ephorus2 — Ephorus1 Episkopus — Episkop e pluribus unum — ex, plus, ein1 Epoche2 — Epoche1 Eponymos — Eponym Erg — Werg Ergometer — Werg, Metrum Ergon — Werg erhoben — erhaben Erkenntnis2 — Erkenntnis1 erlaucht, Erlaucht — erleuchtet Ermitage — Eremitage Ernaut/Ernout — Arnold, Arn Ernest, Ernesto, Ernestus, ernst — Ernst Erythrozyt — rot Erzpriester — Archipresbyter Escudo/Eskudo — Scudo

Espagnole — Espagnol Espresso1, Espresso2 — express, ex Esprit —Spiritus1 Esquisse — Skizze Essential, Essentialien — essenziell Essenz — Essentia Essex — Ost, Sachse Essigmutter — Moder Est — Ost Esteban — Etienne Estrade — Straße Estragon — Drache Estrée — Straße Estrées-Saint-Denis — Straße, Sanctus, Dionysien Estreux — Strom Etablissement — Establishment Etappe — Staffel Etat — Status Etats généreaux — Status, generell et cetera — et, ceterum et cum spiritu tuo — et, con, Spiritus1 Etendard — Standard1 Ethniker, Ethnikon, Ethnikum — ethnisch Étienne — Etienne Etikette2 — Etikett etoffieren — stopfen Etoile — Stella etoupieren — stopfen Etreux — Strom Etude — Studium Etuve — Stube Etzel — Attila1

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Ligue Liga liieren legieren Liierung -*■ Legierung Likör Liquor lila, Lila -* Lilak Limit/Limite -*■ Limes Linea, Linge, Linha Linie Lingot Ingot Lingua franca Zunge, frank Lingua geral Zunge, generell linnen, Linnen leinen Linofil Lein Linoleum Lein, Öl Lion1, Lion2 -*■ Löwe Lira1 Leier Lira2 Libra Lira da Gamba Gambe, Lira1, de1 Liste Leiste Litra Libra Litterae, Lit(t)erarum ... ->Litera Little Rock lützel live Leib Livorno Leghorn Livre Libra Llanos -*■ plan Lobby Laube Lobdengau Zaun loco sigilli loco, Siegel Locus communis loco, kommun Loch Ness -*■ Lache Lodewik -*■ Chlodwig Lodge Laube Lodi -*■ Laudes Loge, Loggia Laube Logos Logo Loi -*■ Lex Lok, Lokus -*■ loco Lombardei, long, Longa, Longe, Longimetrie -* lang1 Long Island lang1, Eiland Lord -*■ Laib, Wart Los Angeles Engel lose los losen lösen loten -► löten Lot2, Lotto Los Louis Chlodwig Löwenberg Leonberg Lowik Chlodwig loyal legal Lucht Luft Ludolf/Ludolph Leute, Wolf Ludovic, Ludovico, Ludovicus Chlodwig Ludwig Chlodwig, Lude Luigi, Luis/Luiz Chlodwig Luitpold -* Leute, bald Lumberjack Jackett

Alphabetisches Zugriffsregister Lump -> Lumpen lungo lang1 luogo loco Luppe Lupe Lupus -* Wolf Luxemburg -► lütt, Burg Luzifer Lux Lyra Leier Maar ->■ Meer Maastricht -*■ Trajekt Macker Macher Macula, Macchia/Macchie Makel Madam1, Madam2 Madame made in gemacht, in MadeiraVMadera, Madeira2 -** Materie Mädesüß Met, süß Madonna Madame Maecenas -* Mäzen Maestà Majestät Maestrale -*■ Magistrale Maestro1, Maestro2 Magister Magister Artium -► Magister, Ars magistral Magistrale Magna Charta libertatum Magnus, Charts, Libertas Magnifizenz, Magno, Magnum Magnus Maharadscha -»■ mega, Rex Mahl Mal Maid Magd Maire Major1 Maitre de plaisir -*■ Magister, de1 Majestas Domini -*■ Majestät, Dominus majeur, Major2 Major1 Majordomus Major1, Dom* mäkeln -»■ mäkeln make or buy -► machen Makkabi Makkabäus Makkaroni2, Makrone -*■ Makkaroni1 Makler -* Maquereau Makrokosmos mager mal1, mal2 Mal mala fide Malum, Fides Malaria Malum, Air Malaise, Malesche Adjazent Malesche Malaise Malheur Malum, Augurium Mall Modul1 Mallorca -*■ Majolika Malus -* Malum malvenfarben mauvefarben Mancha Makel Mangold2 manch Maniera greca Manier, Graecum Manieren Manier manipulieren mano Mann man

Alphabetisches Zugriffsregister Männeken, Mannequin Männchen Mannen man mannigfaltig -* manch ma non troppo Trupp, ein1 Manöver -* mano, Opus Mans -* Magnus Manteau -* Mantel Mandile1, Mandile2 -* Mantel manu propria/propria manu mano, proper manus manum lavat mano Maquis -* Makel Marabu -*■ Marabut Mare -* Meer Maribor -* Marburg Marbel/Märbel/Marmel, Marblewood ~* Marmor Marburg Mark, Burg March -* Mark Marchesa -* Marquise Marchese -* Marquess Marge, Margo -* Mark Marlborough/Marlboro Mergel, Burg Marihuana Johanna Markise -* Marquise Marmoutier -* Monasterium Marokkaner marokkanisch Marquart Mark, Wart Marqués -* Marquess Marquesa, Marquesasinseln -* Marquise Marquis Marquess Marschalk, Marschall, Marshal/Marshall -* Schalk Martyrium Marter Mascara1, Mascara2 -* Maske Massa -* Magister Massimo -* Maxima Master (of Arts) Magister (ab1, Ars) Matelot -* Genosse Mater -* Mutter Mater dolorosa -* Mutter, doloros material, materiell Material Mate’s Receipt Maat, Rezept Matres, Matriarchat -* Mutter Matrize -* Matrix Matrose -* Matelot, Genosse Maulesel Mulus Mauno Magnus maurisch -* Maureske Maure -* Mohr Maurice, Mauricio, Maurits, Maurizio Mauritius Mauro, Maurus -*■ Mohr Mäuslein -* Misel mauve Malve maxi, Maxi1, Maxi2, Maxim, Maxime, Maximum Maxima Mayor -* Major1 Mecklenburg michel, Burg Media -* mitten

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Median, Mediane -* median Medici Medikus Medien, Medio, medio mitten mediterran mitten, Terrain medium, Medium1, Medium2, Medius -* mitten Megalith -* mega, Litho Meier-* Major1 Meile Mille meinethalben -* halb Meister Magister Melanzani/Melanzane -* Aubergine Melodie Melodei Melodrama -* Melodram Meltau -* Mehltau Memoiren -* Memoire Memorial2 -* Memorial1 Memory -* Memoire Memorycells -* Memoire, Zelle Menestrel -* ministerial Mensa academica -* Mensa, akademisch Mensch2 -* Mensch1 Menschenskind Menschenkind Menthol -* Minze, Oleum Menü/Menu -* Minute Meridian, Mesolithikum mitten Mesa Mensa Messa di Voce -* Missa, de1, Voces Messe1, Messe2, Messe3 -* Missa Messer1 -* Mett Messer2 -* Monseigneur Meter Metrum Metier -* Ministerium Metro Mutter Metronom -* Metrum Metropole -*• Mutter, Polis Mette -* Matutin Mezair mitten mezza voce ~* mitten, Voces Mezzogiorno -* Midi, mitten, Jour Mezzotinto -* mitten, Tinte Michael1, Michael2/Michel2, Michail, Michal, Michal Michaeli Michel1 -* michel Michel3, Michele Michaeli Microburst -* Mikro1 Midi -* mitten, Zeus Midlife-Crisis/Midlifecrisis -* Krise, mitten, Leib Midshipman -* mitten, Schiff, man Miguel, Mihai/Mihail, Mihäly Michaeli Mijnheer hehrer Mikael, Mikkeli Michaeli Miklós -* Nickel1 Mikro2, Mikron Mikro1 MikuläS -* Nickel1 Milieu mitten, loco Millefioriglas, Millefleurs2 -* Millefleurs1, Mille, Flor1

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Mille Miglia, Millennium Mille Millepoints -*■ Mille, Punctum Puncti Millimeter -*■ Mille, Metrum Milreis Mille, Regal mineur Minor Mini1, Mini2, Miniatur mini Ministeriale ministerial Minium -*■ Mennige Minorka Menorca Minstrel -*■ ministerial minor, minore, Minore -*■ Minor Mintsoße -*■ Minze, Soße Mise Missa Mise en scène Missa, in, Szene Miss Mätresse Missa solemnis -* Missa, solenn Mister Magister Mistral Magistrale Mistress Mätresse Mitgift Gift mitnichten nicht Mittag mitten, Tag mittel, Mittel2, mittels/mittelst Mittel1 Mitternacht mitten, Nacht mittlerweile -*■ Mittel1, weil Mittwoch -*■ mitten, Woche Moar Major1 Möbel, mobil, Mobil, mobile, Mobile, Mobilien Mod modern Modder Moder Mode1, Mode2, mode -*■ Modus Model1 Modul1 Model2 Modell moderato, Moderato -* moderat Moderne, Modern Jazz modern Modul2, modulo -*■ Modul1 Mofa Motor Mogens Magnus Molle1, Molle2, Molle3 Mulde Moment2 Moment1 Moment musical Moment1, musikalisch Monaco/Monako Mönch Monarch mono Mond Monat mondän mondän Moneten Moneta Moneymaker Moneta, Macher Mono mono Monokel mono, Oculus Monotype mono, Typos Mons Montes Monschau Montes, Gau, Gaudium Monsieur, Monsignore Monseigneur Monstrefilm, Monstrum Monster Montag Monat, Tag Montaigne, Montana, Montanus montan

Alphabetisches Zugriffsregister

Mob

Montblanc Montes, Blanc Monte Carlo Montes, Karl Moonboots Monat, Botten Moosham -*■ Heim Morast Marsch Mordtat Moritat Moresca/Morisca, Moriske Maureske morgen, Morgen2, Morgen3, morgens Morgen1 Moritz/Moriz -*• Mauritius Morphaktin, Morphe, Morphologie Form Morris/Maurice Mauritius Mörsel, Mörtel ->■ Mörser Motel ->■ Motor, Hospital Moteur, Moto Motor Motherboard Mutter, Bord1 Mouches volantes Volant Mountainbike -*• montan Mount Everest Montes Mouse Maus Mucken -*• Mücke Muli -*■ Mulus mulsch/molsch/mölsch/melsch Mulch Multi molto multum non multa molto, ein1 Mummenschanz Chance München Mönch Münchhausen Mönch, Haus Münster mono, Monasterium Münz, Münze Moneta Murmel Marmor Murmeltier Maus, Tier Muschel Muskel Muselman/Muselmann -* Moslem Museum -* Museion Musical -* musikalisch Musicbox -* Musica, Büchse Musik Musica Musikalien musikalisch Musiker, Musikus Musica Musique concrète -*■ Musica, konkret musisch Musica Mutterkrebs Mauser1 Myokard Maus Mysterien, Mystery Mysterium Mystiker, mystisch Mystik

Näber/Naber Ger Nabob -* Naib Nachbar nach, Bauer1 nah, nahe nach naiv, Naive nativ Naivität Nativität Name-Dropping, namens nämlich namentlich Nasus Nase Native1, Native2 nativ

Name

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Alphabetisches Zugriffsregister natur. Natura naturana, nature Natur naturell, Naturell -* Naturalien Nature morte Natur Nauheim neu, Heim Naumann Neumann Naumburg neu Naunstadt neu, Statt Neapel neu, Polis Nearktis -*■ neu neben -*• in Negativ, Negativum -> negativ Negros Neger Negrospiritual Neger, spiritual Nelke Nägelchen Neogenese neu, Genese Neon neu netto -* nett Network Netzwerk, Netz, Werk Neuchatei Newcastle, neu, Kastell Neukölln -* Colonia, neu Nevada Nevado Neveu Neffe New Age neu New Castle -* neu, Kastell New Haven neu, Hafen1 Newman Neumann News neu Newtown Newton, new, Zaun Niccoló/Nicola, Nicholas Nickel1 nicht Wicht nichts/nix, Nichts nicht Nickel2 Nickel1 Nicolaas/Claas, Nicolae, Nicolas/Nicol, Nicolas, Nicolau -* Nickel1 nie je Niels Nickel1 Nienburg neu, Burg Niete nicht Nieuwe Maas neu Nife Nickel1, Ferrum Nigger Neger Nightclub Nacht Nijmegen neu, Neumagen Niklas/Niklaus, Nikola, Nikolai, Nikolaos, Nikolaus, Nils Nickel1 Nimburg neu, Burg Nimwegen Neumagen Niveau -*■ Libelle Nivometer Schnee, Metrum noch Nu Noctiluca Nacht nocturnus Nocturne no future Futur Noir Neger Noktambulismus Nacht Nokturn, nokturn Nocturne

Nom de Guerre -*■ Name, de1 Nomen Name Nomen Acti -*■ Act, Name Nomen Actionis Actio, Name Nomen Agentis Agens, Name Nomen gentile -*■ gentil, Name Nomenklatura -*■ Nomenklatur Nomen Loci Name, loco Nomen Patientis Name, Patiens Nomen proprium -* Name, proper Nonsens Sensus, ein1 non vitae, sed scholae ... ein1, Vita, Schule Nooteboom -*■ Nuss, Baum Nordhausen -* Nord, Haus Norrbotten Nord, Boden Nordmannen, Normannen Norman Norte, Nortes, North, Norwegen Nord Nota quadrata Nota, Quadrat Nostradamus Notre-Dame nostrifizieren nostra Nostroeffekten nostra, Effekt Note Nota Notebook -*■ Nota, Buch Noten, Notes, Note sensible Nota Notker -* Ger Notre-Dame “* nostra, Dame Notturno -* Nocturne Nouveau Roman -* Novelle, Roman1 Nouveautée Novität Nouvelle Cuisine Novelle, Küche Nova1, Nova2 neu Novecento neun, Cent Novel Food/Novelfood -* Novelle November -> neun Novilunium, Novi Sad, Novum, Nowaja Semlja, Nowgorod, Nowosibirsk neu nu Nu nüchtern Nocturne Null1, Null2 null nulla dies sine linea null, Zeus, Linie nulla poena sine lege null, Pein, Lex Nullum null nullum crimen sine lege null, Crimen, Lex Numeri, Numerus Numero nun -*■ Nu Nyktalgie, Nyktophobie Nacht Nynorsk neu Oath Eid ober2, Ober1, Ober2 ober1 ober3 -*■ über Oberer, Obers ober1 Oberst, Oberster -*■ oberst Objektiv objektiv Oblate2 Oblate1 Oboe alt, Busch

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Obrist — oberst Ochs — Ochse Öchsle Öchslein oculotoxisch — Oculus Odem — Atem Odeur — Odor Odontoblast — Zahn CEil-de-Boeuf — Oculus, de1, Kuh CEuvre — Opus off, Off-ab1 Office1, Office2 — Offizium Officialia/Offizialien — offiziell Offiz/Officium — Offizium Offizieller — offiziell off limits — ab1, Limes offline — ab1, Linie Ohm1, Ohm2, Öhm — Oheim öhmd —Mahd Oildag — Oleum Oka1 — Aqua Okka/Oka2 — Unze Ökonomik — ökonomisch Okrug — Ring Oktav1, Oktav2, Oktav3, Oktava — Oktave Oktober — acht oktroyieren — autorisieren Okular — okular Okuli, Okulus — Oculus Öl — Oleum Oldenaarde — alt Oldenburg — Altenburg, alt Oldesloe — Loh Oldred — alt, rot Oleg, Olga — heilig Olifant — Elefant Oldtimer — alt Olf-Wolf olle Kamellen — alt, Kamille Ombudsmann — um, man omnia ad maiorem Dei gloriam — Omnibus, ad, Major1, Ziu, Glorie omnipräsent — Omnibus, präsent Omnium — Omnibus on, On — an Once, Oncia — Unze Ondit — Homo, Diktum Onestepp — ein1, Stapfe Onomatopöie — Name Onze et demi — ein1, zehn, et, mitten Oogenese/Ovogenese — Ei, Genese Open — offen open end — offen, Ende Oper, Opera buffa — Opus Opera comique — Opus, komisch Operator — Operateur Operment — Auripigment

Alphabetisches Zugriffsregister opfern — operieren Opium — Affion Ora — Aura orange, Orange2 — Orange1 Oratio — Oration Orbis Terrarum — Orbis, dürr Orbit — Orbita Orbitogramm — Orbita, Gramm Orchestra — Orchester Ordal — Urteil, Teil1 Order — Orden order to negotiate — Orden, zu Ordinarium missae — ordinär, Missa Ordinarium, Ordinarius — ordinär ordinieren — ordnen Ordo — Orden Ordre public — Orden, publik Organon, Organum, Orgel — Organ Oriflamme/Auriflamma — Öre Origano/Oregano — Origanum Original, Originalien, originell — original Ortega y Gasset — et Oscar/Oskar — Ansgar, Äsen, Ger Oschersleben — Ansgar Osnabrück — Brücke ottava, Ottava, Ottaverime — Oktave Otter2 — Natter Ottocento — acht, Cent Ounce — Unze out, Out — aus Outdoor — aus, Tür Ouvertüre — Apertur Ouzo — Uso Overall — über, all Ovidukt — Ei, Ductus Ovotestis, Ovum — Ei Oxford — Ochsenfurt, Ochse, Furt Oxhoft — Haupt

paar — Paar Paasche(n) — Pessach Paavali, Pablo — Paulus Pace — Passus Pacemacher — Pacemaker Pack2 — Packen Pacht — Pakt Padre — Vater Padrone — Patron1 Page — Pagina Pagne — Fahne paille — Palea pair, Pair — Paar Pal/Pàl, Pal — Paulus Palace — Palas Paladin — Palatin Palais, Palast, Palatium — Palas

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Alphabetisches Zugriffsregister Palatschinke Plazenta Palaver Parabel Palazzo -* Palas Palefroi Pferd Pall -* Pfahl Palm1 Palme Palm2 Palmus Palma de Mallorca Palme, de1, Majolika Palmarum, Palm Beach -*■ Palme Pandschab fünf Paneel Panel Panier Banner1 Panneau Panel Pannus Fahne Pantalone, Pantalons, Pantelermon/Panthel leon Pantheon, Pantomime panta Panz/Panzen -* Pansen Paolo Paulus Papa2 -* Papst Papagallo, Papagayos Papagei Papas/Pappas “*■ Papst Paper, Papiermaché -*■ Papier Papillon Pavillon Papyrologie, Papyrus Papier Parabel vor Parabolantenne -*■ Parabel Par -* Paar Parabellum Duell Paradeis Paradies Paraphe -*■ Paragraph parbleu Ziu, vor Parcours vor, Kurs par exprès -*■ vor, express Pari, (al) pari -*■ Paar Parfait perfekt par force vor, Forsche Parole1, Parole2 Parabel Parole d’Honneur -*■ Parabel, de1, Honneurs Pars pro Toto -* Part, vor, tutti Parte1, Parte2 Part Partei Partie parterre vor, dürr Partita, Partite -* Partie Partizip Part Party -* Partie Parvis Paradies Pas -* Passus Pascal2-^ Pascal1 Pascha, Pasche(n) Pessach Paschalis -*■ Pascal1 Paschalstil Pascal1, Stil Paschweck -*■ Pessach Pascual Pascal1 Pas de trois -* Passus, de1, drei Pasigraphie panta

Panta-

Paso, Pass Passus Paso doble Passus, Double Paso fino Dassus, Finis Paspel “* Pasch, Pilus Pasquale Pascal1 Passah/Passa Pessach passe Pasch Passepartout -*■ Pasch, vor, tutti Passepoil -* Paspel, Pasch, Pilus Pas seul -► Passus, solo passieren passen Passion Passio Passiv, Passiva/Passiven -► passiv Pasta -* Paste Pasteur Pastor Pasteurella Pastorelle Pastiche, Pastis -*■ Pasticcio Pastoral, Pastorale1, Pastorale2, Pastoralien pastoral pastös pastos Pastourelle Pastorelle Patella Paella Patene Patina1 Pate, Pater Vater Paternoster Vater, nostra Pàté sur Pate Paste, über Patient Patiens Patina2 Patina1 Patrice, Patricia/Pat, Patrick/Pat Patrizier Patrimonium, Patrologie -* Vater Patrizia, patrizisch, Patrizius/Patricius Patrizier Patron2, Patrone Patron1 patt, Patt Pakt Pattern Patron1 Paul1, Paul2, Paula, Paulo, Pavel, Pawel Paulus Paying Guest -* Gast Pazifik -* pazifisch, Pax Peanuts Nuss Pearl Harbor Perl, Herberge Peau d’Ange Fell, de1, Engel Peau d’Orange Fell, de1, Orange Pech -*■ Pix Peder -»■ Petrus Pedigree Fuß Pediküre -»■ Fuß, Cura Pedometer -*■ Podometer, Fuß, Metrum Pedro -* Petrus Pedro Ximénez -* Pedro, Simon Peer Paar Pelle -*■ Fell Pence Pfennig pendent -*• Pendant Pendule/Pendüle -*■ Pendel Peneplain -* plan Penni, Penny Pfennig Pentagon2 -* Pentagon1, fünf Penunsen/Penunzen Pfennig

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Pentathlon, Pentekoste -*■ fünf Pep Pfeffer per, Per -► vor per cassa vor, Cash Perch -*• Perche Percussion -* Perkussion Pére -*• Vater Perfekt/Perfektum -► perfekt peripher -*■ vor Perle -*■ Perl per pedes -*■ vor, Fuß per/pro mille vor, Mille persisch Pfirsich Persona grata Person, grata Personal, Personalcomputer/Personal Computer, Personale1, Personale2, Personalien, personell -*• personal personifizieren Person, Fazit per vias naturales vor, via1, Naturalien Pes Fuß Peso -► Pensum Petar, Peter1, Peter2, Péter Petrus Petersen -*■ Sohn, Petrus Petersilie/Petersil Petrus, Sellerie Petits Fours Petit Petr Petrus Petrefakt Petrus, Fact Petri Heil -*■ Petrus Petrochemie Petrus, Chemie Petrol/Petroleum Petrus, Oleum Petru -*■ Petrus Petticoat Petit, Kutte Pfaffe Papst Pfalz -*■ Palas Pfeil -* Pilum Pferch Park Pfingsten -* Pentekoste, fünf Pfinztag fünf, Tag Pfanne -*■ Patina1 Pförtner Portier Pforzheim Port, Heim Pfropfen -*■ Pfropf Pfulmen -*■ Pfühl Pfyn ad, Finis Phallos/Phallus Bulle1 Phän, Phänomen, Phänomenologie -*■ Phänomenon Phantasie Fantasia Phantom Phantasma Pharao2/Pharo Pharao1 Phiole -*■ Phiale Phosphor Foto1 Phosphoren Phosphor Phot-” Foto1 Pia Mater Pius, Mutter piano, Piano1, Piano2 plan Piaster Pflaster

Alphabetisches Zugriffsregister Piatti, Piazza platt Pickel Pökel Pickelhaube -*• Becken Pickelhering Pökelhering Pickles Pökel Pidgin Business Pie, Pied, Piede -* Fuß Piedestal Fuß, Stall Piedmontfläche Piemont Piedra, Pierre Petrus Piemont Fuß, Montes pieno voll piepe -*■ Pfeife piepen pfeifen Piesenkam Heim Pieta/Pietà -* Pietät Pietari Petrus Pietra dura Petrus, Dur Pietro Petrus Pike Pik Pilar, Piler Pfeiler Pillowlava Pfühl Pilomotorik Pilus Piment Pigment Pin Pinne Pincenez Nase Pincop Pinne, Cup pingelig peinlich Pinholes Pinne, hohl Piombi -*■ Plumbum Pipa -*■ Pfeife Pipe1, Pipe2, Pipe3 Pfeife Pit Pfütze Pitchpine Pix più forte -*■ plus, Forsche Pium corpus -*■ Pius, Corps Piva Pfeife Pjotr -* Petrus Plache/Plachen -*• Plane Plafond platt, Boden Plain-Chant plan, Cantus Plan plan Planche Phalanx Pläne plan Planimeter -*■ plan, Metrum Planke Phalanx plano plan Plantowolle Pflanze Platine Platin Platt, Platte, Platy, Platz, Plaza Pleuel Bleuel Plumpudding Pflaume Pleinair -*■ voll, Aria Plenilunium voll pleno iure -* voll, Jus1 pleno organo voll, Organ

platt

Alphabetisches Zugriffsregister Plenum voll plural Plural Pluraletantum Plural» tanto Pluralis Majestatis -* Plural, Majestät Pluripara, Plus -*■ plus Podagra Fuß Podometer -* Fuß, Metrum Pofel Pöbel Poil/Pol -*■ Pilus Point1, Pointe Punctum Puncti Point2 of Sale Punctum Puncti, ab1 Poiseuille Poise , Poleposition Pfahl Poliklinik Polis Politbüro, Politiker, Politikum, Politikus, politisch Politik Polizze Police Polyp viel, Fuß Pomander Pommes, AmberVAmbra Pomeranze -* Pommes, Orange1 Pomologie Pommes Pön Pein Pons2, Pontifex Pons1 Ponte -* Ponton Pontifex maximus Pons1, Maxima Pontificale Romanum pontifikal, Romane Pontifikale, Pontifikalien pontifikal Pool1 Pfuhl Pool2, Pool3 Poule Pop-Art Pop, Ars Pope Papst populär, Popular -*■ Pop Populus Romanus Pöbel, Romane Porphyroblasten Purpur Port Angeles Port, Engel Porta Pforte Porta Nigra -*■ Pforte, Neger Port-au-Prince -*■ Port, Prinz Portefeuille Folie Portepagen Pagina Portfolio -* Portefeuille Portfolio Selection Portefeuille, Selektion Portemonnaie/Portmonee Moneta Portépée Spatha Portion Portio Portoferraio, Porto/Oporto -*■ Port Porträt -*■ vor, Traktus Portugal Port Posaune -*■ Kuh Positiv1, Positiv2, Positiv3, Positivum positiv poste restante Post Posten1, Posten2 Post post factum Fact post festum -*■ Fest postgraduell postgradual Posto Post

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Pot1, Pot2-*“ Pott Potaufeu -*■ Fokus, Pott, ad Potenzial, Potenzialis. potenziell potenzial Potpourri Pott potz -► Gott Poul Paulus Pound Pfund Pour le Mérite vor, Meritum poussieren pulsieren Pouvoir -*■ Power Prä -*■ vor Präbenda Pfründe Prado Prato Praktik, Praktiken, Praktikum, Praktikus praktisch Pranke -*■ Branche Präsens präsent Präside Präses Prater Prärie Prätigau Prato, Gau Précieuses preziös Précis präzis Predigt Prädikat, vor Preference Präferenz, vor preisgeben Prise Preiskurant Preis, kurrent Prekarie, Prekarium prekär Premier, Première -*• primär Presbyter Priester preschen pirschen pressieren pressen Presto, Prèt-à-porter presto pretios preziös Pretium Preis Preziosen/Pretiosen preziös Priamel Präambel Priem Pflaume Prim1, Prim2, prima, Prima1, Prima2 -*• prim prima facie prim, Facies Primär, Primär» Primaria, Primarius, Primary -*■ primär Primas2, Primaten Primas1 prima volta -* prim, Volta PrimeVPrim3, Prime2 prim Primerate/Prime Rate -*• prim, Rate Primipara, Primo prim Primo Uomo prim, Homo Primium mobile prim, Mob Primus prim Primus inter Pares prim, unter2, Paar Prince of Wales -* Prinz, ab1 Principe Prinz Prinzeps prim, Prinz Prix fixe -► Preis, fix pro, Pro1, Pro2 vor proben, probieren prüfen Probstzella Proposita, Zelle

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pro centum vor, Cent Process-Art Prozess, Ars Processus Prozess pro domo vor, Dom1 Professional/Profi professionell pro forma -* vor, Form Profos Proposta Proportionale, proportionell proportional Proporz Proportion Propositio maior -> Proposition, Major1 Propositum, Propst Proposta Proppen Pfropf proprio motu, Proprium -* proper Provence -*■ Provinz Provenzale, provenzalisch -*■ provinzial Proviant Pfründe Provins Provinz Provinzial, Provinziale, provinziell provinzial prozedieren, Prozedieren -*■ Procedere Prozent -* vor, Cent Psyche2, Psychiater, Psycho Psyche1 Pub -*■ publik Public Relations publik, Relation Publicity -* Publizität Publikum -*■ publik Pud Pfund Puder Pulver Pueblo Pöbel Puerto Rico Port, reich Pulk Volk Pulle Ampulle Pulpa Pulp Punkt, Punktum Punctum Puncti Punsch fünf Punta Punctum Puncti punta d’arco -* Punctum Puncti, de1, Arkus Punze/Punzen/Bunzen Punktion Purpura Purpur purum pur Pütt -* Pfütze Pyrotechnik -* Feuer, technisch Pyxis Büchse

Quadrangei vier Quadrans Quadrant Quadrata Quadrat Quadrinom, Quadro, quadro, Quadrupol vier Quai Kai1 Quant2, Quanten, Quantum, quantum vis -* Quant1 Quart1, Quart2, Quart3, Quart4, Quarte Quarta Quartär, quartär, Quarter Quartier Quartier latin -* Quartier, Latinum Quartiermeister Quartermeister Quatember vier, Tempo Quattrocento vier, Cent Quehle Zwehle

Alphabetisches Zugriffsregister Quetsche -*■ Damaszener Queue1, Queue2 -»• Coda Qinquennium fünf Quint2, Quinta Quintus1 Quintal Zentner Quinte/Quint1, Quintus2 Quintus1 quick/queck keck Quickstepp keck, Stapfe Quiproquo Quorum, vor Quivive Quorum Quodlibet was Rabatt, Rabatte Rabat Radagaisus Ger Radi, Radies Radix Radicchio -* Radikula Radikal radikal Radscha Rex Rage Rabies Ragione Rede Ragout fin Finis Rainer/Reiner Heer Rainfarn Fahne rainproof-” Regen, Probe Raki/Rack -* Arrak Rang1 Ring Rang2, Rank Ränke Ranzion Redemption Rappe, Rappen Rabe Raps Rübe Rara Avis, Rarum rar Räson Rede ratifizieren -* Rate, Fazit Ratio, Ration -*■ Rede rationell -*■ rational Ratz/Ratze -* Ratte ratzekahl -*■ radikal Raub Robe Rauchware -*■ rau, Ware reagieren redigieren Reaktion Redaktion Reaktor Redakteur Real Regal Realen, Realien real Real Sociedad Regal, Societas Real-Time-Clock -* real, Glocke Rebus Res Recht, Rechte, rechts -*■ recht recto folio recht, Folie Redaktor -* Redakteur Red Fir Föhre, rot Redingote Kutte Redoute Reduit Redpower/Red Power -* rot, Power Red Deer Tier, rot Reed Section Ried, Sektion

Alphabetisches Zugriffsregister reell real Reentry Intrade Reep Reif Reet Ried Referens Referent regal Regal Regency -*■ Régence Regens Chori Regens, Chorus Regent -* Regens Register Regest Regula Regel Regula falsi -»• Regel, Falsum regulär, Regularien Regular Reifen Reif rektifizieren -* recht, Fazit Rekto, Rektum/Rectum -*■ recht Remagen -* Rex remis, Remis Missa Remis, Remise remis Reneklode/Reineclaude Regina Repro Reproduktion Research Recherche Resistance, Resistanz, Resistanza, Resistencia Resistenz Respons, Response -* Responsum Restaurateur -*■ Restaurator Restauration2 Restauration1 Rettich Radix re vera -* Res, wahr Revers1, Revers2, Revers3 revers Review Revue Rhabarber -*• Barbar Rheinstetten Statt Rick -* Reck rien ne va plus Res, plus Riff -► Rippe Rigbert Rex Rigole Regel ringen wringen rings Ring Rio de la Plata -*• platt, de1 Rio de Oro Aurum, de1 Rio des Janeiro -*■ Januar, de1 Rio Negro1, Rio Negro2 Neger Riposte -** Risposta Rips -*■ Rippe River, Rivier, Riviera “* Revier riverso revers Rodel, Rolle Rotulus Rolling Stones Stein Rom Dom2 Romantsch, romantsch, Romanze Roman1 Romain, Roman2, Romana, romanisch, Romanus -»■ Romane Rond de Jambe -* Rotunde, de1, Gambe Rond, Ronde1 -*■ Rotunde

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Rondel, Rondellus, Rondo -*■ Rondeau Rosa, Rose rosa Rotunda, Rotundum, Round -* Rotunde Round-Table-Konferenz Rotunde, Tafel, Konferenz Rout, Route Rotte royal, Royal1, Royal2, Royal3, Royal4 Regal Royalty, Royauté -*■ Regalität Rübezahl Rübe, Zagei Rubrum rot Rübsen Samen, Rübe Rucksack Rücken, Sack Rueda Rad Ruine Ruin Rumpsteak Rumpf rund, Rund, Runde Rotunde Rushhour Uhr

sachlich sächlich Sachsen, Sachso/Sasso Sachse sacht/sachte sanft sackerlot/sapperlot Sakrum sackerment/sapperment, Sacramento Sakrament Sacra (Romana) Rota Sakrum, Romane, Rad Saga Sage Saint, Sainte -*• Sanctus Sakko Sack sakra Sakrament Sakrileg/Sakrilegium Sakrum sakrosankt -** Sakrum, Sanctus Salam/Salem -*• Schalom Salband -** selb, Ende Salsa, Salse -* Soße Salt Lake City -*■ Salz, Lache, City salü, Salut Salus Salus populi suprema lex -► Salus, Pöbel, Supremum, Lex Salvation Army Salvation, Armada Salvator2, Salvatore Salvator1 Salvadorianer Salvatorianer salve -► Salve samisch -*• chamois Sample Exempel Samstag Sabbat Samt sechs Sancho Pansa -*■ Sanctus, Pansen Sanctum Officium -*■ Sanctus, Offizium Sang -*• Song Sankt Sanctus San Salvador -* Sanctus, Salvator1 Santa Claus/Klaus Sanctus, Nickel1 Santa Cruz -* Sanctus, Kreuz Santa Fé, Santa Fe Sanctus, Fides Sante Maria e Madalena Sanctus, et Sante, Santi Sanctus Santiago Sanctus, Jakob Santo, Santos, Säo Sanctus

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Sapo, Saponifikation Seife Sarkophag -► Sarg Sassenburg Sachse, Burg Sauce hollandaise Soße Sauvegarde -*■ salvieren, Warte saven salvieren save our souls -*■ salvieren, Seele Scala Skala Scene, Scenotest/Szenotest Szene Schabbes Sabbat Schach Schah Schacht Schaft1 Schachtel Schatulle schade Schaden schaffen2 -*■ schöpfen Schafott Katafalk Schaft2 Schaff Schaitan -* Satan Schang Johannes Schanker Cancer Schanze -*■ Chance Schapp Schaff Schedula, Schedulensystem -* Zettel Scheiß Scheiße Schellack, Schellfisch -*■ Shell Scherzo -* Scherz scheu schiech Scheu Scheuche scheuen scheuchen Schiet/Schiete -*■ Scheiße Schiffsfahrt -*• Schifffahrt Schild2 Schild1 Schimäre/Chimäre 3 Chimäre1 Schimon Simon Schippe, Schippen ** Schüppe Schipper -► Schiffer Schläfe Schlaf Schlapfen, schlapp, Schlappen -*■ schlaff Schleife1 -* Schlaufe Schleife2 Schleppe schleppen schleifen1 schlicht schlecht Schlick Schlich schlohweiß Schloße, weiß Schmalte/Smalte, Schmalz Email Schmus Schmu Schnauz Schnauze Schneewittchen Schneeweißchen, Schnee Schneid -* Schneide Schnute Schnauze Schola Schule Scholar -*■ Schüler Schomaker Macher schon -* schön Schopf2 Schopf Schot/Schote Schoß

Alphabetisches Zugriffsregister Schottisch/Schottische schottisch Schreinemakers -*■ Macher schwül schwul Schrott Schrot Schupfen, Schupp, Schuppen Schopf Schwab, Schwabe1, Schwabe2, Schwaben Swebe Schwank Schwang Schwof Schweif Schwowen -*■ Swebe Schwyzerdütsch/-tütsch -> deutsch Scotch schottisch Scotland Yard -*■ Garten Sea-Floor-Spreading See1, Flur1 Seal Siegel see, secco, Secco Sekt Secondhandshop Sekunde, Hand, Schopf secondo, Secondo Sekunde seconda volta Sekunde, Volta Secretary of State -* Sekretär, ab1, Status Secret Service Sekret1, Service1 Sectio, Section Sektion Sectiones pontis Sektion, Pons1 See2 See1 segnen signieren Segno Signum Segregation2 Segregation1 Seicento/Secento sechs, Cent Seigneur Senhor Sekante -*■ Sekans Sekond Sekunde sekret, Sekret2 -*■ Sekret1 Sekretär, Sekretarius -»• Sekretär Sekretolyse Sekret1 Sekund, Sekunda, Sekunda, Sekundipara Sekunde selber, selbst -*■ selb Selfmademan selb, gemacht, man Semen -*■ Samen Semjon-* Simon Send -* Synod Senior, senior, Senor -* Senhor se non è vero, è ben trovato -*■ si, ein1, ist, wahr, bene Senora Senhora Senorita Senhorita sensu malo -*■ Sensus, Malum sensu stricto Sensus, strikt senza pedale Absence Separate, Separatum, Séparée separat Septem Artes liberales sieben, Ars, liberal September sieben Servela1 Safaladi sesamme zu Session2 Session1 Settecento -*■ sieben, Cent Serail2 Serail1 Service2, Servis, Servitien, Servitium Service1 Sewastopol Polis

Alphabetisches Zugriffsregister Sexagesima -*■ sechs Sext2, Sexta, Sexte/Sext1 -*■ sechster Sexus Sex Share -* Schar Shattercones -* Konus Sherry Jerez Shift Schicht Shirt Schürze Shit Scheiße Shop Schopf1 short, Shorts -*■ Schurz Show Schau Shrapnel Schrapnell Sibilant sibilans siccum Sekt sic transit gloria mundi si, Glorie, Mundus Sideboard Seite, Bord1 si duo faciunt idem, non est idem -► si, zwei, Fazit, es, ein1, Ist Siècle Säkulum Sierra Madre Mutter Siesta sechster sifflieren sibilieren Sigel/Sigle -*■ Siegel Sightseeing Sicht Siglo de Oro Säkulum, de1, Aurum Signifiant signifikant Signifié -*■ Signifikat signifikant Signum Signifikant -* signifikant Signor/Signore -* Senhor Signora -* Senhora Simen/Siemen, Siemens, Simeon, Simón, Simone Simon Simpel, simplifizieren, Simplum -* simpel Sinanthropus -*• China Sinekure Cura Single2, Single3 Single1 singulär Singular Singularetantum -* Singular, tanto sinnen signieren Sinologie -* China Sint -* Sanctus Sir, Sire -* Senhor Sitar Gitarre Sitcom -* Komödie si vis pacem ... -*■ si, Pax Sixpence -*• sechs, Pfennig Sixt, Sixte ajoutée sechster Sixty-nine -*■ neun Skale Skala Skat Skart Skeleton, Skeletotopie, Skelett2 Skelet Skene, Skenographie -► Szene Sketch/Sketsch Skizze Ski/Schi -*• Scheit

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Skiff Schiff Skin Schinn Skip, Skipper Schiffer Skript, Skriptum Schrift Skunks Skunk Slave, Slawe Sklave small schmal Smetana Schmetten Sneewittchen -* Schneeweißchen, Schnee Snow Schnee Soapopera/Soap-Opera -*• Seife, Opus Soccus Socke/Socken Société anonyme Societas, anonym Society Societas soft sanft Soggetto -* Subjekt, auf Soixante-neuf neun Soilerosion Sohle Sol Solutio sola fide solo, Fides Solarium solar solch -*■ Leiche Soldo, solid/solide Sold soli Deo gloria -*■ solo, Ziu, Glorie Solidus Sold Söller solar Solo solo Solper/Sulper Salpeter solus Christus -*■ solo, Christus solvent Solvens Sonnentag Sonntag Sonthofen Süd Sopran souverän Sou Sold Soul Seele Soussol sotto, Sohle Souterrain sotto, Terrain Southampton Süd Souvenir -*■ auf Souverän, Sovereign -* souverän Sozia Sozius Sozietät -*■ Societas Soziologie -► Sozius Space -► Spatium Spachtel Spatel SpaghettiVSpagetti1, Spaghetti2/Spagetti2 Spagat Spake Speiche Spada Spatha Spaniel, Spaniole Espagnol spat spät Spätzle/Spätzli Spätzlein Speaker Sprecher Specialeffect/Special Effect Special, Effekt Speculum Spekulum spedieren expedieren Spedition Expedition

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Speigat/Speigatt Gasse Speik Spica Speis1, Speis2 Speise Spende Spind spendieren -*■ spenden Spesen -► Speise Spezi1, Spezi2, spezial, Spezial, Spezialien, speziell Special Spiegel — Spekulum Spirit Spiritus1 Spiritual1, Spiritual2, Spirituale, Spiritualien -► spiritual Spiritual Songs -* spritual, Song spirituell spiritual Spirituosen, spirituoso -*■ spirituoso Spiritus2 -*■ Spiritus1 Spiritus familiaris Spiritus1, familiär Spital, Spittel -*■ Hospital Spleen, Splenomegalie Spien Sprit-* Spiritus1 Staat Status staatlich stattlich Stach, Staches, Stachus Eustachius stad stet Stadium Stadion Stadt Statt Staff-Promotion -*■ Stab, Promotion1 Stage, Stagediving -* Etage Stagione Station Stakes Stake Standard2, Standarte Standard1 Stand-by-Kredit -*■ um Stander Standard1 stante pede/stantape -*■ Fuß Stapel Staffel Star -*■ Stern State Department Status, Departement statt, Stätte Statt Stefano -*■ Etienne steinreich2 -*■ steinreich1 Stendal Stein, Tal Sten/Steen Stein Stepan, Stephan/Stephen/Stefan, Stephen/Steven -* Etienne Stepp Stapfe Stick Stecken Stiel Stil Stile antico -* Stil, antik Stilus Stil stets stet Steward Wart Stock2 -*■ Stock1 stone-washed Stein stoppen stopfen Story Historie Stove Stube Stratigraphie, Stratosphäre, Stratum, Stratus Straße

Alphabetisches Zugriffsregister streiken streichen Stretta, stretto -* strikt Strolch Astrologe Stuart Steward Stuck Stück Studie, Studio Studium Studium generale Studium, generell Stuttgart Garten Stylist -* Stilist Stylographie, Stylus -* Stil suave -*■ süß Sub -* auf subskribieren schreiben Substrat Straße, auf sub voce auf, Voces Suffix, suggerieren auf sui generis Genus Suitcase Suite, Cash Sujet Subjekt, auf sukzessiv auf Summa, summa summarum * Summe Summum Bonum Summe, Bon Summus Episcopus -*• Summe, Episkop Sundgau Süd, Gau Super, super über Supplement -*• auf Supralibros -* Supra, Liber Supreme Court -»■ Supremum, Kohorte Surcot/Surkot über, Kutte Surplus über, plus Surrogat -*• auf Sussex Süd, Sachse Svinhufvud Schwein, Haupt Sweatshirt -*■ Schweiß, Schürze Sweepstake Stake Sweet “* süß Sweetheart -*■ süß, Herz Swinegel Schweinigel, Schwein Swineshead -* Schwein, Haupt Synapsis -*■ Synapse Synkope2 Synkope1 Synode -*■ Synod Syringe -* Syrinx Szenario/Szenar, Szenerie Szenarium Szenographie -* Skenographie, Szene

Taberne Taverne Table d’Hòte Tafel, de1, Hospites Tablette -*■ Tablett Tabula rasa -* Tafel Täcks/Täks/Tacks -*■ Zacke Täfern -*• Taverne Talkum Talk Talon Talus Tampon Zapfen Tand, tant mieux tanto

Alphabetisches Zugriffsregister Tapestry Tapisserie Tapete, Tapetum Tapet Tapfe/Tapfen Stapfe Tara, Tarot — Tarock Tartsche — Zarge Task — Taxe1 täuschen — tauschen Tawern Taverne Taxameter — Taxe1, Metrum Taxi/Taxe2 — Taxe1 Tbilissi — Tiflis Tea Tee Team — Zaum Teamwork — Zaum, Werg Tearoom Tee, Raum Tebaldo — Theobald, bald Technik, Techniker, Technikum — technisch tedesca — deutsch Tedeum — Ziu Teen — zehn Teil2, teils — Teil1 Teint — Tinte Tempi passati — Tempo, passé tempo giusto — Justus, Tempo Tempus Tempo Tenaille — Tenakel Tenor2 — Tenor1 Tenue/Tenü — tenuto Tenuis, tenuis/tenue dünn Teppich Tapet Terme, Termin, Terminologie, Terminus — Term Terminus technicus — Term, technisch Terms of trade — ab1, Term Terra, Terrae dürr Terrazzo — Terrasse Terrier — Terrarium Tertiär, Tertiarier/Terziar — tertiär Tertie, Tertium Comparationis, Tertius gaudens, Terz1, Terz2, Terzo — Tertia Testo Text1 Tete, Téte-à-Téte — Dez teuflisch — diabolisch Tex — textil Text2 — Text1 Textilien — textil Tiersétat — Tertia, Status Timbre, Timpano — Tympanon Thea, Thè dansant — Tee Theka — Theke Theoderich, Theodericus/Theudericus — Dietrich Thesis These Thibaut/Thibault Theobald Thing — Ding1 Third Stream — Tertia, Strom Thun — Zaun Thyrsos/Thyrsus — Torso

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Tibout — Theobald, bald Tick — Tic Tick-Fever Zecke, Fieber Ticket — Etikett Tide-Zeit Tiefe — Teufe Tierra templada — dürr Tilde — Titel time is money — Ist, Moneta tipptopp — Zopf Tisch — Disco Tissue-Paper — Text1, Papier Titer, Titlonym, Titre, Titrimetrie — Titel titulo pleno — Titel, voll Titulus — Titel Tiu — Ziu To be, or not to be: that is the question — zu, nicht, das, Ist Toeloop — Zeh Token — Zeichen Tolar — Taler Tolle/Dolle — Dolde Tölpel — Dörfler Tonneau — Tunnel Tonus — Ton Tondo — Rotunde Tonicwater — Tonic, Wasser Tonika, Tonikum, tonisch — Tonic Tonometer — Tonus, Metrum top, Top1, Top2, Topp — Zopf topless — Zopf, los Torf — Turf Tornada, Tornado — Tomé Torse, Torte — Tort totipotent, Totum — tutti Totum pro Parte — tutti, vor, Part Tournee — Tomé Tours, Tower — Turm tout de suite — tutti, de1, Suite tout le monde — tutti, Mundus Trait — Trakt Trajektorie — Trichter traktieren — trachten Tran, Träne — Zähre Trass — Terrasse trätieren — trachten Tratte — Traktus traun — Treue Trecento — drei, Cent Treff — Trifolium, Folie tremolieren/tremulieren — tremblieren Trenchcoat — Tranche, Kutte Trente-et-un — ein1, et Tresen/Dresen, Tresor — Thesaurus Tri — drei Triade — Trias

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Triangulum Triangel Trident -* drei, Zahn Trigger ~* Trecker Trikolore -* drei, Color Trinidad, Trinitatis -* Trinität Tripel -* Tripolis Triptyk/Triptik Triptichon Tripus -* Dreifuß Triton -* Tertia Triumvir -* drei, Werwolf Trokar/Trocart/Troicart -* drei, Quarta Trope, Tropen -* Tropus Tropfen Tropf Trophäe -*■ Tropaeum Tropika -* tropisch Trosse -* Tross Trouble -* Trubel Trouvère -* Troubadour Trumm2, Trümmer Trum Trumpf-* Triumph Trunkenbold bald Truppe, Truppen -* Trupp Trust -* Trost Tschador/Tschadyr/Chador -* Schatjor tschau -* Sklave tschüs/tschüss, Tschüs/Tschüss -* Ziu Tube1 -* Tuba Tube2, Tubifex Tubus tubeless -* Tubus, los Tügs -* Zeug Tulle -* Tüll Tulipan/Tulipane, Tulpe -* Turban tumb -* dumm Tunell -* Tunnel Tor-* Tür Turbo -* Turbine tutta la forza -* tutti, Forsche tutte le corde -* tutti, Chorda tutti quanti -* tutti, Quant1 Twele Zwehle Twostepp -* zwei, Stapfe Tympanum -* Tympanon Typ1, Typ2, Type -* Typos Typoskript -* Typos, Schrift Typus -* Typos Tyr -* Ziu Überdruck2 -* Überdruck1 übersetzen2 -* übersetzen1

Uditore Auditor Uffizien Offizium Umberto -* Hüne Una Sancta ein1, Sanctus unbedarft -* bieder Uncle Sam -* Onkel Underdog -* unter1, Dogge

Alphabetisches Zugriffsregister Underground -* Untergrund Uni -* ein1 Unio mystica -* Union, Mystik Union Jack -* Union, Jakob United States -* Status Universum -* ein1, versus uno actu -* ein1, Actus un poco largo -* ein1, poco, largo Unter unter1 unus multorum -* ein1, molto unus pro multis -* ein1, vor, molto up -* auf Upgrade auf, Grad Upper Ten -* zehn up to date -* auf, zu, Datum Urbain, Urban/Urbanus -* urban urbi et orbi -* Urbs, et, Orbis Ursel -* Ursula Usus -* Uso Ususfruktus -* Uso, Frucht Utbremen aus Utgard -* aus, Garten Utlucht aus, Auslucht Utrecht -* aus, Trajekt

va banque ~* Bank1 Vagant -* Vagans Vagus vage Valence, Valencia -* Valenz Valens -** Valente Valentia -* Valenz Valeur, Valor -* Valoren Valle Grande -* Val, Grand Valparaiso -* Val, Paradies Vampir ■* Vamp Van Karawane van Dyck -* von, Teich Varieté/Varietee -* Varietät Vas -* Vase Vasomotoren -* Vase, Motor Vaucluse -* Val, Klause Vedute -* Visum Veetrikki Friedrich Velours2 -* Velours1 Venedikt -* Benedictus Verba pura -* Wort, pur verbi causa -* Wort, Causa Verb/Verbum -* Wort Verdienst2 Verdienst1 Verdikt wahr, Diktum Verdun ~* Zaun verflixt verflucht verifizieren -* wahr verlieren -* vor Vers blancs -* Vers, Blanc Verso -* versus

Alphabetisches Zugriffsregister verso folio versus, Folie Versus memoriales Vers, Memorial1 Versus quadratus Vers, Quadrat Verum wahr Verve Wort Vestibulum Vestibül via2, Via Appia -* via1 Via moderna via1, modern vice versa -* Vize, versus Vicomte -* Vize, Comes Vida Vita Viech Vieh Viertel vier, Teil1 vif keck Vigogne -*• Vikunja Villefranche-sur-Saon Villafranca, über Vilmar viel Vinaigrette Wein Vin de Pays Wein, de1, Pais Vinothek Wein, Theke viribus unitis vis vis-à-vis, Visavis Visus Visconte Vize, Comes Vis major vis, Major1 Visomotorik Visus Vista Visum Vita activa Vita, aktiv vita brevis, ars longa Vita, Brief, Ars, lang1 Viztum Vize, Dominus Vladimir/Wladimir Waldemar Voces aequales -*■ Voces, äqual Vogt -* Advokat Voicegramm Voces, Gramm Voile Velum Voit Advokat Voix mixte Voces Völkerkunde Volkskunde Volte Volta vorhanden Hand Voß/Voss Fuchs Voute Volute Vox acuta Voces, akut Vox angelica Voces, Angelica Vox populi vox Dei Voces, Pöbel, Ziu

Wafer Waffel waffnen wappnen Waggon/Wagon Wagen wählen -* wollen während2 während1 Wallstreet -*■ Wall, Straße Wampe Wamme Wappen Waffe Warrant Garant Wasen1 -► Rasen Wassersnot Wassernot

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Waterkant Wasser Waterloo -*■ Wasser, Loh waterproof Wasser, Probe Wedde, Wedekind Witt2 Wedge -*■ Weck Wedgwood Weck, Witt2 Weekend -*■ Wochenende, Woche, Ende Weg, wegen -*■ weg Wehdwinde Witt2 Weiher Vivarium weiland, Weile weil Weimar Meer Welf, Welfen Welpe well done wohl, -tan Welt Werwolf weltenweit weltweit Wengert Wein, Garten wenn wann Werk Werg Wessex West, Sachse Westend West, Ende Westminster -*■ West, mono, Monasterium wett Wette Whitecoat -*■ weiß, Kutte White-Collar-Kriminalität weiß, Koller2 Widerton wider, -tan wieder wider wiederholen2 wiederholen1 wiederkäuen kauen, wider Wiegand//Wigant Weigand wiegen * wägen Wildbret Braten Wildcard -*• wild, Charts willen, willens Wille wimmen/wümmen Wein Wimper Braue Window Wind, Auge Winds Wind Windsor -*■ Ufer Wingert -*■ Wein, Garten Wirsing Wirz WittVWitte, Wittenberg -* weiß Wittenburg Weißenburg, weiß, Burg Wlodzimierz -*■ Waldemar Wochen Woche Woog Woge Wohl, Wollust wohl Wolfen Wolf Wolodimir -*■ Waldemar Workstation Werg, Station Worldcup -* Welt, Cup World Wide Fund for Nature Welt, weit, Boden, vor, Natur worum warum Wrack wrack Wulven Wolf

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Alphabetisches Zugriffsregister

Xanten Sanctus Xenie/Xenion -* Xenia Xenoi, xenophob -* Xenon Yago/Yako Jakob Yard Gerte Yawl Jolle Yellow Cake gelb, Keks Yellow Ground/Yellowground Yen Yuan

gelb, Grund

Zabel -* Tafel Zabern Taverne zach -* zäh Zar Cäsar1 Zaragoza/Saragossa August1 Zeemaneffekt Seemann, Effekt, See Zehe -* Zeh zeit -* Zeit Zell, Zella -* Zelle Zement2 Zement1 Zentenar, Zentenarium -* Zentner Zenterhalf Zentrum, halb Zentimeter -* Cent, Metrum zentrifugal, Zentrozyt Zentrum Zentumvir -* Cent, Werwolf Zero -* Ziffer Zerographie Xerographie Zervelatwurst -* Safaladi Zession -* Cessio Zeuge, Zeugs Zeug Zieche/Ziche -* Theke Zimbal -* Zimbel

Ziment Zement1 zimentieren -* zementieren Zimt Zinnamom Zincum, Zink, Zinken2 -* Zinke1 Zinder -* Sinter Zinerarie -* Zinerarium Zinken3 -* fünf Zinko -* Zinke1 Zins1, Zinsen Zensus Zipolle -* Zwiebel zirkulär, Zirkular -* zirkular Zirkumflex -* Zirkus Zischdig -* Ziu, Tag Zista/Ziste Kiste Zither -* Gitarre Zitrusfrucht -* Zeder, Frucht Zmorge -* zu, Morgen1 Zoon politikon Zoo, Politik Zotte -* Zote Zuber zwei Züchen -* Theke zücken -* zucken zunichte nicht, zu zurück Rücken, zu zwanzig -* Twen, zwei, zig zwar zu, wahr Zwecke, zwecks -* Zweck zwerch -* quer Zwetsche/Zwetschge/Zwetschke - Damaszener Zwieback, zwo, zwölf-* zwei Zyklop/Kyklop -* Cyclops, Vieh Zyklotron -* Zyklus Zyniker, zynisch -* kynisch