Wirtschaftsjournalismus und Markt - Notwendigkeit und Ansätze einer Regulierung [1 ed.] 9783428532049, 9783428132041

Ein funktionierender Kapitalmarkt ist für eine moderne Volkswirtschaft existenziell. Von großer Bedeutung sind in diesem

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German Pages 264 Year 2009

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Wirtschaftsjournalismus und Markt - Notwendigkeit und Ansätze einer Regulierung [1 ed.]
 9783428532049, 9783428132041

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Schriften zu Kommunikationsfragen Band 48

Wirtschaftsjournalismus und Markt – Notwendigkeit und Ansätze einer Regulierung Von

Carolin Flaig

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CAROLIN FLAIG

Wirtschaftsjournalismus und Markt – Notwendigkeit und Ansätze einer Regulierung

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 48

Wirtschaftsjournalismus und Markt – Notwendigkeit und Ansätze einer Regulierung

Von

Carolin Flaig

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 978-3-428-13204-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Es ist mir ein großes Anliegen, mich an dieser Stelle bei all jenen zu bedanken, die mich auf meinem Weg dorthin begleitet haben. Danken möchte ich meinem Doktorvater Herrn Professor Rolf Stürner. Er hat mein Interesse für die Problematik des Wirtschaftsjournalismus geweckt und die Entstehung der Arbeit fördernd begleitet. Dabei hatte er stets ein offenes Ohr für alle meine Fragen und Anliegen. Meine fünfjährige Mitarbeit bei ihm am Institut für Deutsches und Ausländisches Zivilprozessrecht waren und sind eine große Bereicherung – weit über meine juristische Arbeit hinaus. Bedanken möchte ich mich daher auch bei meinen Kollegen vom Institut. Allen voran bei Dr. Anna Quast, Dr. Malte von Bargen und Dr. Christoph Kern, LL.M. (Harvard), die immer für meine Sorgen und Nöte da waren, die sich mit mir gefreut und an mich geglaubt haben und von denen ich gleichzeitig so viel lernen konnte, sowie bei Victoria Marini und Barbara Wiechmann. Herrn Professor Uwe Blaurock danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Studienförderwerk Klaus Murmann der Stiftung der Deutschen Wirtschaft danke ich für die Gewährung eines großzügigen Promotionsstipendiums. Auch meinen Eltern, Gottfried und Ute Flaig, schulde ich großen Dank, denn sie haben mich in jeder Phase bis zur Veröffentlichung meiner Dissertation bedingungslos und unermüdlich unterstützt. Schließlich möchte ich mich bei Johanna Felkl und Florian Schmidt-Volkmar bedanken. Mit ihnen habe ich unzählige Stunden der vergangenen zwei Jahre im Doktorandenraum C verbracht und ohne sie hätte ich diese Arbeit nicht zu Ende geschrieben. Vor allem aber hätte ich ohne sie nicht solch eine unvergessliche Zeit in Freiburg gehabt. Ihnen will ich meine Arbeit widmen. Stuttgart, im Juli 2009

Carolin Flaig

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Teil 1 Ökonomische, medienwissenschaftliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

24

Kapitel 1 Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes

24

A. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Auswirkungen auf die Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Auswirkungen auf die Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Kapitel 2 Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung durch Wirtschaftsjournalismus

29

A. Tatsächliche Marktbeeinflussung durch Wirtschaftsjournalismus . . . . . . . . . . . .

29

B. Hervorrufen einer Marktbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Normative Vorgaben des allgemeinen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Kapitel 3 Meinungs- und Pressefreiheit

61

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

C. Grundrechtliche Vorgaben auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

D. Verfassungsrechtliche Grenzen der empirischen, ökonomischen und kapitalmarktnormativen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

8

Inhaltsübersicht Teil 2 Untersuchung und Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

75

Kapitel 4 Regulierung durch Verhaltensvorschriften A. Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76

B. Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Kapitel 5 Selbstregulierung

179

A. Theoretische Einordnung der Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Ansätze zur Selbstregulierung im Bereich des Wirtschaftsjournalismus . . . . . . 181

Kapitel 6 Regulierung durch Haftung

210

A. Gegendarstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 B. Allgemeine deliktsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C. Ansprüche nach dem UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Quasinegatorische Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Teil 1 Ökonomische, medienwissenschaftliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

24

Kapitel 1 Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes

24

A. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen auf die Kapitalallokationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen auf die Kapitalaufbringungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen auf die Kapitalbewertungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26 27

B. Auswirkungen auf die Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Auswirkungen auf die Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Kapitel 2 Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung durch Wirtschaftsjournalismus A. Tatsächliche Marktbeeinflussung durch Wirtschaftsjournalismus . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Medienberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Breuer-Interview auf Bloomberg TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Studie Anne Täubert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnisse der Untersuchung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 30 30 30 31 33 34 34 34 35

10

Inhaltsverzeichnis 3. Untersuchungen Thomas Schuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktienempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 3sat-Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung und Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Medien Tenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablauf der ersten Untersuchung (jeweils Donnerstag bis Montag) c) Ablauf der zweiten Untersuchung (sechs Wochen) . . . . . . . . . . . . . . 3. Thomas Schuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 37 38 38 38 39 39 39 40 40 41 41 41 42 43

B. Hervorrufen einer Marktbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ökonomische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorie des effizienten Kapitalmarktes und Rational Choice . . . . . . . . a) Schwache Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelstrenge Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strenge Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfügbarkeitsheuristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dispositionseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herdenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Medienwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 45 47 47 48 48 50 51 52 54 55 55

C. Normative Vorgaben des allgemeinen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Information als zentraler Regulierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Bedeutung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßstab zur Bewertung harter Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßstab zur Bewertung weicher Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 56 56 58 58 60

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel 3 Meinungs- und Pressefreiheit

61

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung von Meinungs- und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umfang des Schutzes der einzelnen Beitragsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkömmliche redaktionelle Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gastbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Werbeanzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 65 66 66 67 67 68 69 69 69

C. Grundrechtliche Vorgaben auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

D. Verfassungsrechtliche Grenzen der empirischen, ökonomischen und kapitalmarktnormativen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

Teil 2 Untersuchung und Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

75

Kapitel 4 Regulierung durch Verhaltensvorschriften A. Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verbot der Marktmanipulation, § 20a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand bis zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergänzung der Vorgaben durch die erste Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das heutige Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der klassische Fall der informationsgestützten Manipulation durch unrichtige oder irreführende Äußerungen (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Angabe über Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76 77 77 77 79 83 84

84 84 84

12

Inhaltsverzeichnis (2) Unrichtig oder irreführend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bewertungserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Eignung zur Einwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderregelung für Journalisten, § 20a Abs. 6 WpHG . . . . . . . (1) Journalist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlautauslegung und Presserecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Historische und teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . (c) Mögliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Ziehen eines direkten oder indirekten Nutzens bzw. Schöpfen von Gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erfordernis einer Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Berufsständische Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtsfolge im engeren Sinn und ihre Durchsetzung . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfasst wird cc) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV erfasst wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV erfasst wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV erfasst wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Möglichkeiten der informationsgestützten Manipulation (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 bzw. Nr. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . II. Verhaltensvorschriften für die Analyse von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand bis zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergänzung der Vorgaben durch die Richtlinie 2003/125/EG . . . . . aa) Begriff der Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 87 88 88 91 92 92 92 93 95 95 97 97 99 101 101 102 104 104 105 105 106 107 107 109 111 112 113 114 114 114 114 117 119 119

Inhaltsverzeichnis bb) Erstellen von Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beiträge von Personen, die unter Art. 1 Nr. 4 lit. a der RiL 2003/125/EG fallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Pflichten bei der Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Journalistenprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Welche Pflichten gelten in Bezug auf die Erstellung der Beiträge von Personen, die unter Art. 1 Nr. 4 lit. b der RiL 2003/125/EG fallen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Journalistenprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitergabe der von Dritten erstellten Empfehlungen und Weitergabe einer Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die heutige Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unter welchen Voraussetzungen werden Zeitungsartikel erfasst? . . aa) Finanzinstrument, Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Empfehlung mit Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unbestimmter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Im Rahmen der Berufs- oder Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . ee) Keine Anwendung der Vorschriften auf Emittenteninformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erstellen und Veröffentlichen einer Finanzanalyse, § 34b Abs. 1 S. 1 und S. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Personen, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FinAnV fallen (1) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Formale Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhaltliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sorgfaltspflichten von Personen, die unter § 1 Abs. 2 HS 2 FinAnV fallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitergabe einer Finanzanalyse, § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG . . . . . . . aa) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitergabe der Zusammenfassung einer Finanzanalyse . . . . . . . . . . e) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) § 34c WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsfolge bei Verstoß gegen die Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . .

13 121 121 121 122

124 124 124 124 125 125 126 126 128 128 129 130 131 131 132 133 133 134 134 135 136 136 136 137 138 139 139 140 140 140

14

Inhaltsverzeichnis h) Journalistenprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlicher Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift . . . . cc) Bezugspunkt der Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Inhaltliche Ausgestaltung der Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . ee) Praktische Umsetzung (wirksame Kontrollverfahren) . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtslage vor Erlass des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes . . . b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die erste Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . 2. Die heutige Ausgestaltung des Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerbs- und Veräußerungsverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG . . . . c) Weitergabeverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Emittent unterlässt es zu veröffentlichen, obwohl er müsste . . bb) Emittent muss nicht veröffentlichen, weil ihn die Insiderinformation nicht unmittelbar betrifft, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG cc) Emittent muss wegen § 15 Abs. 3 WpHG nicht veröffentlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Empfehlungs- und Verleitungsverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG . . e) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Journalisten als Primärinsider gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Journalisten als Primärinsider gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 143 144 145 146 148 152 153 153 153

B. Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmittelbare Anforderungen nach dem Landespressegesetz . . . . . . . . . . . . II. Modifikation anderer Normen durch das Landespressegesetz . . . . . . . . . . . 1. Vorliegen eines Presseinhaltsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterte Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erstreckung auch auf Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 173 173 174 175 176 177 179

154 155 155 155 157 158 158 160 164 165 166 167 167 168 170 171 171 172

Inhaltsverzeichnis

15

Kapitel 5 Selbstregulierung

179

A. Theoretische Einordnung der Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Ansätze zur Selbstregulierung im Bereich des Wirtschaftsjournalismus . . . . . . I. Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation des DAI . . . . . . . II. Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation und Arbeit des Deutschen Presserates . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen des Presserates an den Wirtschaftsjournalismus . . . . . . a) Erster Teil der Journalistischen Verhaltensgrundsätze . . . . . . . . . . . . b) Zweiter Teil der Journalistischen Verhaltensgrundsätze . . . . . . . . . . aa) Wirtschaftliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarte Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unabhängigkeit der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Vorgaben des Pressekodex und seiner Richtlinien . . . . . . . . aa) Trennung von Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Trennung von Werbung und Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich mit den Vorgaben von § 34b Abs. 4 WpHG und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unternehmensinterne Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der unternehmensinternen Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelmäßig nur im dienstlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenze: billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individualvertragliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausdrückliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkludente Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen bei einem Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelung zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit in der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) FAZ.net Redaktioneller Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 181 184 184 187 188 189 189 190 191 191 191 191 192 192 192 194 197 198 199 200 200 201 201 203 203 204 204 205 206 206 208 210

16

Inhaltsverzeichnis Kapitel 6 Regulierung durch Haftung

210

A. Gegendarstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 B. Allgemeine deliktsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Emittent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formen der Beeinträchtigung beim Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch aus § 824 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruch aus § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V. m. kapitalmarktrechtlichen Normen . . 5. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . b) Voraussetzungen der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebsbezogenheit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfassende Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . II. Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formen der Beeinträchtigung beim Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch aus § 824 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruch aus § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individualschützender Charakter der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einfügung eines Schadensersatzanspruchs in das haftungsrechtliche Gesamtsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Passivlegitimation des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Passivlegitimation des Verlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung aus § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung über die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung des Geschäftsinhabers für betriebliche Organisationsmängel – Fiktionshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Passivlegitimation sonstiger Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hiervon erfasste Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212 213 213 214 215 216 217 217 219 219 219 223 223 226 226 227 227 227 228 229 231 231 232 232 232 233 234 234 236

C. Ansprüche nach dem UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Der Anwendungsbereich des UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

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II. Förderung des eigenen Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 III. Förderung eines fremden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 D. Quasinegatorische Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines zum Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung für den Wirtschaftsjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beseitigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines zu den Beseitigungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung für den Wirtschaftsjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Einleitung Die Bedeutung der Medien als Informationsquelle und Faktor für die Meinungsbildung ist in einem demokratischen Staat sicher unbestritten, gleich ob es um Politik oder Wirtschaft geht. Da Fragestellungen im Bereich der Wirtschaft und der Finanzmärkte regelmäßig sehr komplex sind und es gerade privaten Anlegern schwer fällt, sich ein eigenes Urteil zu bilden, bleibt „ein kritischer und gut verständlicher Wirtschaftsjournalismus (. . .) eine dringende Notwendigkeit“1. Voraussetzung für einen kritischen und gut verständlichen Wirtschafts- und Finanzmarktjournalismus2 sind Rahmenbedingungen, die einen solchen Journalismus garantieren. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, diese rechtlichen Rahmenbedingungen aufzuzeigen und kritisch zu hinterfragen. Dabei beschränkt sie sich auf die Printmedien, also die Presse.

A. Problemstellung Eine eigenständige Finanzpresse gibt es in Deutschland bereits seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts, also der Zeit, in der Kredite an Bedeutung gewannen und neue Banken gegründet wurden.3 Gut fünfzig Jahre später stellt Schmalenbach fest, dass es wohl in keinem anderen Land eine so „unabhängige und anständige Finanzpresse“ gebe wie in Deutschland.4 Im Zusammenhang mit dem Aufstieg des Neuen Marktes Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gewinnt der Finanzmarktjournalismus weiter an Bedeutung und eine bisher eher unbedeutende Form der Berichterstattung tritt in den Vordergrund: die anlageorientierte Berichterstattung, die auf den ersten Blick eine Dienstleistung zu sein scheint. Ob in Bezug auf diese anlageorientierte Berichterstattung an Schmalenbachs Aussage festgehalten werden kann, erscheint zumindest fraglich.5 1 Diese Forderung formuliert der ehemalige Bundeskanzler, Mitherausgeber der ZEIT und studierter Volkswirtschaftler, Helmut Schmidt in: ders., Außer Dienst, S. 127. 2 Der Einfachheit halber wird im Folgenden lediglich der Begriff des Wirtschaftsjournalismus verwendet. Er umfasst im Rahmen dieser Arbeit auch den Finanzmarktjournalismus. 3 Schmalenbach, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1906/7, 277, 278. 4 Schmalenbach, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1906/7, 277, 277. 5 Siehe zu den Schwächen des Wirtschaftsjournalismus S. 13 f.

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Zugleich drängen seit dieser Zeit vermehrt private Anleger auf den Kapitalmarkt.6 Diese Anleger sind allein gar nicht in der Lage, die Flut kapitalmarktrelevanter Informationen zu verarbeiten,7 die durch die Ausweitung verschiedenster Publizitätspflichten in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat.8 Die privaten Anleger sind vielmehr auf die Arbeit von Informationsintermediären angewiesen, die die vorhandenen Informationen für sie sichten, selektieren und bewerten.9 Nach einer Studie des Calwer Instituts für Verbraucherjournalismus10 stellt dabei die Tageszeitung die „Hauptinformationsquelle für Themen rund ums Geld“11 dar. Auch wird die Tageszeitung von den Befragten als das glaubwürdigste Medium eingestuft.12 Gerade für Anlageentscheidungen privater Kleinanleger spielt die Presse also eine entscheidende Rolle. Dabei wird den Journalisten ein fast grenzenloses Vertrauen entgegengebracht13 und der daraus 6 Dies liegt auch daran, dass vom Einzelnen verlangt wird, zusätzlich selbst für eine „kapitalgedeckte individuelle Absicherung“ zu sorgen, vgl. Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 17 f. 7 Vgl. Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 91. 8 Zu nennen sind bspw. die Ausdehnung der Ad-hoc-Publizitätspflicht, § 15 WpHG, und die Prospektpflichten nach dem WpPG. 9 Beispielhaft zur Rolle der Informationsintermediäre v. Rosen/Gerke, Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, S. 9 ff. 10 Sog. Gothaer-Studie: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus in regionalen Tageszeitungen in Deutschland 2007 vom Institut für Verbraucherjournalismus an der SRH Hochschule Calw. Die Studie kann unter http://www.institut-verbraucherjournalis mus.de (besucht am 10.7.2009) angefordert werden. 11 S. 8 der Gothaer-Studie: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus in regionalen Tageszeitungen in Deutschland 2007 (siehe Fn. 10). 39% der Befragten nannten die Tageszeitung, mit großem Abstand folgen die anderen Medien wie das Fernsehen (28%), das Internet (23%) und Zeitschriften (22%). Außerdem stütze nur eine – noch dazu schrumpfende – Minderheit ihr Informationswissen auf Fachtitel. Zum selben Ergebnis kommt v. Rosen (Hrsg.), Verhalten und Präferenzen deutscher Anleger, S. 28: Presse und Fernsehen bildeten über alle Aktionärsgruppen hinweg den meistbenutzten und am besten bewerteten Informationskanal. Insbes. für Privatanleger sei die Presse der zentrale Kommunikationskanal für Unternehmen (a. a. O., S. 52). Auf S. 17 a. a. O. finden sich Verweise auf weitere Studien, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, dass die Presse das zentrale Informationsinstrument sei. 12 S. 4 Gothaer-Studie: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus in regionalen Tageszeitungen in Deutschland 2007 (siehe Fn. 10). Es wird dabei auf eine andere Studie aus dem Jahre 2004 (Fn. 6, S. 4) verwiesen, in der 47% der Befragten der Tageszeitung die größte Glaubwürdigkeit zuerkannten. An dieser Stelle wird die Dominanz der Tagespresse noch deutlicher: Dem Fernsehen wurde von 27% der Befragten und dem Internet nur von 6% der Befragten die größte Glaubwürdigkeit zugesprochen. Die besondere Bedeutung der Tageszeitung als Informationsmedium werde außerdem dadurch belegt, dass die überwiegende Mehrheit der Entscheidungsträger und Führungskräfte sich morgens anhand einer Tageszeitung ins Bild setze (90% der Politiker, 72% der Wirtschaftsmanager und 83% der Entscheider im Kulturbereich). Weit abgeschlagen auf Platz zwei mit Werten zwischen 40% und 49% wurde das Internet genannt. 13 Stürner beschreibt den Bedeutungsgewinn der Medienberichte über Finanz- und Kapitalmärkte folgendermaßen: „Berichte über den Markt und sein Geschehen finden ein durchaus andächtiges Publikum, wie es einem inzwischen nahezu religiösen Cha-

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resultierende Einfluss der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung auf den Markt von niemandem ernsthaft in Frage gestellt, wenngleich die genauen Wirkungen der Medien in diesem Bereich mehr empirisch als theoretisch belegt sind. Wenn Medienberichte über Finanz- und Kapitalmärkte einen solch starken Einfluss haben, so zeigt dies die große Verantwortung, die Journalisten auf diesem Gebiet tragen. An die Qualität und Objektivität der Berichterstattung sind daher hohe Anforderungen zu stellen. Zeitgleich mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes wurden dann aber erste Missbrauchsfälle wie die des Egbert Prior oder Sascha Opel bekannt.14 Beide hatten im Bewusstsein ihres Einflusses auf das Marktgeschehen ihre Berichte am eigenen finanziellen Vorteil ausgerichtet, was zu einem Vermögensund Vertrauensverlust auf Seiten der Anleger führte. In der Folgezeit ist es in den Finanzmarktmedien dann – nicht zuletzt bedingt durch den Zusammenbruch des Neuen Marktes und der auf diesen folgenden Katerstimmung – ruhiger geworden. Teilweise erinnert man sich wohl der Äußerungen Schmalenbachs, wenn auf Seiten der Journalisten davon gesprochen wird, dass man zu einem neuen Bewusstsein für „kritische Distanz, sorgfältige Recherchen und auch Ansehen“ zurückgekehrt sei.15 Auch im Zusammenhang mit der Finanzkrise des Jahres 2008 fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle und der Verantwortung der Medien bisher gänzlich. Schlechter Wirtschaftsjournalismus wird aber nicht von heute auf morgen guter Wirtschaftsjournalismus. Dies nicht zuletzt, weil den Journalisten möglicherweise gar nicht bewusst ist, wie sie sich zu verhalten haben, um – natürlich innerhalb der Grenzen der Meinungs- und Pressefreiheit – ihrer Funktion im Markt gerecht zu werden. Festzustellen ist aber in jedem Fall ein grundsätzliches Bewusstsein für das besondere Konfliktpotential im Bereich des Wirtschaftsjournalismus, was sich auch an neu geschaffenen Sondervorschriften für den Bereich des Finanzmarktjournalismus manifestiert.16 Betrachtet man den Wirtschaftsjournalismus genauer, so lassen sich verschiedene Schwachpunkte ausmachen. So hat die oben erwähnte Studie des Calwer Instituts für Verbraucherjournalismus aufgezeigt, dass gerade in den regionalen Tageszeitungen die Qualität der Berichterstattung unter der Geldnot der Zeitungen und der daraus resultierenden Zeitnot der Mitarbeiter leidet. Die Studie ergab außerdem, dass nur zwei Fünftel der Ressortleiter ein wirtschaftswissen-

rakter einer Marktideologie adäquat erscheint“, Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 11. 14 Zu diesen siehe unten Kapitel 2 A. II. 1. a) und die Fn. 87 (Fall Prior) und 88 (Fall Opel). 15 So zumindest Roth/Wittrock, Journalist 2008, 66, 67. 16 Zu nennen sind vor allem die Sonderbestimmungen in § 20a Abs. 6 WpHG und § 34b Abs. 4 WpHG.

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schaftliches Studium absolviert haben17 bzw. jede dritte Zeitung im Wirtschaftsressort gar ohne akademische Fachkompetenz auskommt18, also nicht ausreichend qualifizierte Journalisten über schwierige Sachverhalte berichten. Zu bemängeln ist weiterhin die immer wieder fehlende Objektivität der Berichterstattung. Diese folgt zum einen aus den eben beschriebenen personellen und finanziellen Engpässen, die dazu führen, dass PR- oder Pressematerial oftmals einfach aus der Finanzbranche übernommen wird.19 Zum anderen finden sich häufig Gastbeiträge oder Gastkommentare von Personen aus dem Finanzmarktsektor oder auch Stellungnahmen von Anwälten, Wirtschaftsprüfern oder Anlageberatern, die offensichtlich interessengeleitet schreiben.20 Besonderes Gewicht erhält diese fehlende Objektivität dadurch, dass sie für den Leser häufig nicht oder nur schwer erkennbar ist. Schließlich gibt es noch immer Fälle, in denen Journalisten ihre eigenen finanziellen Interessen in den Vordergrund stellen und ihre Berichterstattung nach dem eigenen Gewinnstreben ausrichten. Wenn es nun darum geht, die Qualität der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung zu verbessern, dann sind diesen Bestrebungen von vornherein verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. So schließt es die Pressefreiheit beispielsweise aus, nur besonders qualifizierte Journalisten im Finanzmarktteil einer Zeitung berichten zu lassen. Auch bedarf es keiner völligen Neuregelung dieses Bereiches. Wichtiger erscheint vielmehr, die bestehenden Vorschriften und Regelwerke so auszulegen, dass sie den Vorgaben der Verfassung entsprechen und zugleich den Journalisten erlauben, ihrer Funktion im Markt nachzukommen. Letztlich sollte der rechtliche Rahmen darauf hinwirken, den Journalisten einen Leitfaden für guten Wirtschaftsjournalismus an die Hand zu geben. Dabei müssen rechtlich verbindliche Regeln, deren Einhaltung durch staatliche Aufsicht oder Ansprüche Einzelner gewährleistet wird, und die seit jeher im Bereich der Presse starke Selbstkontrolle in einen wirkungsvollen Ausgleich gebracht werden, damit sie sich ergänzen, anstatt sich zu behindern.

17 S. 27 der Gothaer-Studie: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus in regionalen Tageszeitungen in Deutschland 2007 (siehe Fn. 10), die anderen Ressortleiter haben Politikwissenschaft, Geschichte, Journalistik, Germanistik oder anderes studiert. 18 S. 39 ff. der Gothaer-Studie: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus in regionalen Tageszeitungen in Deutschland 2007 (siehe Fn. 10). Auch sonstige Fachqualifikationen und entsprechende Weiterbildung werden vernachlässigt. 19 Hierzu Roth/Wittrock, Journalist 2008, 66, 68. 20 Diese Aufzählung findet sich bei Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 96. In Fn. 689 nennt Stürner Beispiele für Finanzmarktteile, die ganz ohne Fremdbeiträge auskommen (so z. B. F.A.Z. v. 29.8.06, Nr. 200, S. 19 ff.) und solche, die eine große Anzahl an Fremdbeiträgen enthalten (so z. B. F.A.Z. v. 23.8.06, Nr. 195, auf S. 17 ff.). Dabei bemängelt Stürner vor allem die nur schwache Kennzeichnung dieser Beiträge als Fremdbeiträge.

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B. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil behandelt die ökonomischen, medienwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Grundlagen einer Regulierung des Wirtschaftsjournalismus. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die große Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes für eine Volkswirtschaft, welche als zwingende Voraussetzung eine ordnungsgemäße Preisbildung an den Kapitalmärkten hat (Kapitel 1). Im Anschluss daran wird zunächst anhand verschiedener empirischer Beispiele aufgezeigt, wie Wirtschaftsjournalismus den Markt beeinflussen kann. Wann eine solche – grundsätzlich wünschenswerte – Beeinflussung in eine Marktbeeinträchtigung umschlägt, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Dabei wird der Versuch unternommen, Erkenntnisse der ökonomischen, medienwissenschaftlichen und kaptialmarktrechtlichen Theorie gerade hinsichtlich der Wirkungsweise von Wirtschaftsjournalismus fruchtbar zu machen und so Rahmenbedingungen für eine Regulierung zu setzen (Kapitel 2). Schließlich treten neben diese marktbezogenen Erwägungen verfassungsrechtliche Grenzen, die sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene ergeben und die je nach Beitragstyp unterschiedliche Form annehmen können (Kapitel 3). Der zweite Teil der Arbeit, der ihren Schwerpunkt darstellt, untersucht und bewertet die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus anhand der im ersten Teil aufgezeigten Kriterien. Dabei lassen sich drei große Bereiche unterscheiden, dem sich Kapitel 4–6 zuwenden. Zunächst gilt das Interesse der Regulierung durch Verhaltensvorschriften in Form zwingenden staatlichen Rechts (Kapitel 4). Im Zentrum stehen dabei die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes zum Verbot der Marktmanipulation, zur Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen und zum Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen. Im Anschluss daran wird auf die Bedeutung der Landespresse- bzw. Landesmediengesetze eingegangen. Kapitel 5 widmet sich sodann dem zweiten Bereich, der Selbstregulierung der Presse im Bereich des Wirtschaftsjournalismus. Nach einer kurzen Einführung werden hier schwerpunktmäßig die Arbeit des deutschen Presserates und die unternehmensinterne Selbstkontrolle erläutert und bewertet. Das sechste und letzte Kapitel behandelt Haftungsansprüche im weitesten Sinne, also alle die Fälle, in denen Journalisten individuellen Ansprüchen anderer Marktteilnehmer ausgesetzt sind, um auf diese Weise marktkonformes Verhalten zu erreichen. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung und Gesamtbewertung der verschiedenen Rahmenbedingungen, die derzeit für den Wirtschaftsjournalismus von Bedeutung sind. Besonderes Augenmerk wird dabei darauf gelegt, ob mit Hilfe der derzeitigen Ausgestaltung Marktbeeinträchtigungen vermieden werden können und gleichzeitig die verfassungsrechtlich verbürgte Meinungs- und Pressefreiheit zur bestmöglichen Entfaltung kommen kann.

Teil 1

Ökonomische, medienwissenschaftliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus Kapitel 1

Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes Ein funktionsfähiger Kapitalmarkt21 ist zentrale Bedingung für Wachstum und Dynamik einer modernen Volkswirtschaft.22 Nur ein funktionierender Kapitalmarkt sorgt dafür, dass den privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, um Investitionen zu tätigen.23 In jüngerer Zeit tritt neben diese klassische Funktion des Kapitalmarktes die Vermögensbildungsfunktion für private Haushalte, insbesondere für die private Altersvorsorge.24 Damit der Kapitalmarkt diese Aufgaben erfüllen kann, müssen verschiedene Funktionsbedingungen erfüllt sein.25 Hierzu zählt zunächst, dass ausreichend Informationen vorhanden sind, niedrige Transaktionskosten be21 Der Kapitalmarkt ist ein institutionalisierter Markt für mittel- und langfristige Finanzierungstitel, vgl. Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1, 4, und beinhaltet den Markt für Beteiligungskapital (Aktienmarkt), langfristige Kredite (Rentenmarkt) und Investmentanteile. Vom Kapitalmarkt abzugrenzen ist der Geldmarkt. Zobl/Kramer a. a. O. verweisen jedoch zu Recht darauf, dass diese Abgrenzung aus juristischer Sicht ohne Bedeutung sei und daher auch kurzfristige Anlagetechniken dem Kapitalmarkt unterfallen sollten. Siehe zum Begriff des Kapitalmarktes außerdem Woll, Wirtschaftslexikon, Stichwort „Kapitalmarkt“, S. 413. Zum Wandel des deutschen Kapitalmarktes und der damit verbundenen veränderten Unternehmenskultur Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 4 ff. 22 Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, Einl. Rn. 14; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 52. 23 Begr. RegE 2. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drs. 12/6679, S. 33; Merkt/ Rossbach, JuS 2003, 217, 220; Hopt, Gutachten G, G 47. 24 Hierzu Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 17; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.396; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.37; auch Hopt, Gutachten G, G 48 weist bereits darauf hin, dass es ein anerkanntes Anliegen sei, breite Bevölkerungsschichten an den Kapitalmarkt heranzuführen. Siehe außerdem Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, S. 1, und Schröder, NJW 2009, 465, 467 der zutreffenderweise darauf verweist, dass vom Staat geförderte Vorsorgemodelle gerade auf Kapitalmarkt Bezug nähmen. 25 Siehe zum Folgenden die ausführliche Darstellung bei Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 59 ff.

Kap. 1: Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes

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stehen und eine hohe Liquidität gewährleistet ist. Des Weiteren müssen die Marktteilnehmer Vertrauen in die Integrität, also das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes, haben. Schließlich muss als zentrales Funktionselement garantiert sein, dass Wertpapiere zu „richtigen“ Preisen gehandelt werden, d.h. zu solchen Preisen, die Risiko und Ertrag einer Anlage korrekt widerspiegeln.26 Voraussetzung hierfür ist ein ordnungsgemäßer Preisbildungsprozess, damit sog. artificial prices verhindert werden.27 Wenn hingegen Wertpapiere nicht zu „richtigen“ Preisen gehandelt werden, ist die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes beeinträchtigt, es kommt zu einer Marktstörung.28 Diese kann sich auf unterschiedliche Weise äußern. Es kann zwischen den Auswirkungen auf den Kapitalmarkt als solchen29, auf die Anleger30 und auf die Emittenten31 unterschieden werden, wobei die Auswirkungen auf die beiden letztgenannten spiegelbildlich zu den Auswirkungen auf den Kapitalmarkt als solchen sind.

A. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt I. Auswirkungen auf die Kapitalallokationsfunktion Grundvoraussetzung eines funktionierenden Marktes ist eine Kapitalallokation, bei der das Kapital dorthin fließt, wo es am dringendsten gebraucht wird 26 Watter, SZW 1990, 193, 195. Problematisch ist, dass eben diese Bestimmung des „richtigen“ Preises nicht exakt möglich ist, vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 5. Hierzu auch Avgouleas, The mechanics and regulation of market abuse, S. 109 ff. und Fleischer/Merkt, Gutachten F, F 119. 27 Als artificial prices bezeichnet man Preise, die nicht aus einem unbeeinflussten Zusammenspiel der Marktkräfte (Angebot und Nachfrage) entstanden sind und daher nicht der wirklichen Marktlage am betreffenden Markt entsprechen. Siehe hierzu unter dem Blickwinkel der Marktmanipulation nach § 20a WpHG die Darstellung bei Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 12 ff. und S. 293 ff., m.Nw. zu verschiedenen Ansätzen im U.S.-amerikanischen Recht. Zwar ist der Fall denkbar, dass gerade durch eine Störung des Preisbildungsprozesses der Kurs in eine Richtung geht, die viel mehr seinem „richtigen“ Preis entspricht. Da aber für die Anleger nicht erkennbar ist, welches der „richtige“ Preis ist, müssen sich die Anleger darauf verlassen können, dass eine solche Preisbeeinflussung generell nicht stattfindet, auch wenn im Einzelfall ein Kurs sich einmal mehr in Richtung seines wahren Wertes bewegen würde. Auch der deutsche Gesetzgeber stellt hierauf ab, vgl. § 24 Abs. 2 S. 1 BörsG („Börsenpreise müssen ordnungsmäßig zustande kommen und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen“). 28 Baums, ZHR 167 (2003), 139, 144 spricht im Hinblick auf falsche Informationen sogar von einer Marktversagensproblematik, die eine Regulierung rechtfertige. 29 Unter A. 30 Unter B., sog. Kapitalanbieter, vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 74 f. 31 Unter C., sog. Kapitalnachfrager, vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 75.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

und gleichzeitig am meisten bewirken kann.32 Damit die Anleger bei der Fülle der Anlagemöglichkeiten erkennen können, wo dies der Fall ist, muss der Preis Risiko und Ertrag einer Anlage möglichst korrekt widerspiegeln.33 Ist dies nicht der Fall, kann der Preis seine Lenkungsfunktion im Rahmen der Kapitalallokation nicht mehr wahrnehmen. Folge ist, dass das knappe Kapital nicht dort eingesetzt wird, wo es den größten Nutzen bringt.34 Es kommt zu einer ineffizienten Kapitalallokation, der gesamtwirtschaftliche Nutzen fällt geringer aus.35 Ein Preis, der Ertrag und Risiken richtig widerspiegelt, führt also dazu, dass das Kapital der Anleger dorthin fließt, wo es den größten volkswirtschaftlichen Nutzen hat. II. Auswirkungen auf die Kapitalaufbringungsfunktion Damit das von den Anlegern angebotene Sparkapital in das von den Emittenten nachgefragte Investitionskapital umgewandelt werden kann, müssen die Anleger ihr Sparkapital zur Verfügung stellen.36 Voraussetzung hierfür ist, dass die Anleger Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes, in dessen Stabilität und Integrität haben, also insbesondere die mit einer bestimmten Anlage verbundenen Chancen und Risiken richtig einschätzen können.37 32 Man spricht insoweit auch von einer effizienten Kapitalallokation, vgl. Easterbrook/Fischel, Va. L. Rev. 1984, 669, 673 f.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 365; Assmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 55. Kapitalallokation beschreibt dabei den Vorgang, dass privates Vermögen in produktive Investitionen umgewandelt wird, vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 53; Watter, SZW 1990, 193, 195. Beispiel: Die Unternehmen, die den größten Erfolg versprechen, können auch die höchste Verzinsung des eingesetzten Kapitals bieten, wohingegen unrentable Unternehmen nur eine geringe oder keine Rendite bieten können. Somit ist ersteres Unternehmen für den Anleger attraktiver, er wird in dieses Unternehmen investieren und sein Kapital wird dort eingesetzt, wo es am meisten bewirken kann. Siehe hierzu auch Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, Einl. Rn. 14; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7 und Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 64. Zur Kritik an dieser positiven Bewertung der Markteffizienz siehe z. B. Stout, Mich. L. Rev. 1988, 613, 643 f. 33 Vgl. Kahan, Duke L. J. 1992, 977, 1006. Auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 306 geht davon aus, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ganz entscheidend davon abhänge, dass Renditeerwartungen und Risiken einer Anlage in Einklang gebracht würden. 34 Baums, ZHR 167 (2003), 139, 144 spricht vom Entstehen „echter Wohlfahrtsverluste“. 35 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse, S. 212. 36 Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 375; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 52 ff., 77. 37 Daneben gilt es aber auch, einen Vertrauensverlust der Anleger aus anderen Gründen zu verhindern, also z. B. indem bestimmte Marktteilnehmer bevorzugt behandelt werden. Zum Vertrauensschutz als Ziel des Kapitalmarktrechts siehe Möllers, AcP 208 (2008), 1, 8 f.

Kap. 1: Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarktes

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Kommt es nun zu „falschen“ Preisen, werden die Anleger mit Risiken belastet, die nur schwer kalkulierbar sind. Dieser Vertrauensverlust kann dazu führen, dass die Anleger sich aus dem Kapitalmarkt zurückziehen38 oder den höheren Risiken und Unwägbarkeiten durch die Forderung nach einem Risikozuschlag begegnen. Im Ergebnis steht dadurch dem Kapitalmarkt weniger Kapital zur Verfügung, was mit einer Erhöhung der Kapitalkosten einhergeht. III. Auswirkungen auf die Kapitalbewertungsfunktion Schließlich kommt dem Kurs eines Wertpapiers neben der Aufgabe der Kapitalbereitstellung und Kapitallenkung eine wichtige Bewertungs- und Informationsfunktion zu.39 So hat beispielsweise der Börsenkurs eines Unternehmens nicht nur die Funktion einer Bewertung desselben im Bereich der Eigenkapitalbeschaffung, sondern es wird der Aktienkurs allgemein als Indikator für den Zustand des Unternehmens in anderen Breichen herangezogen.40 Daneben dienen Wertpapierkurse häufig in vielfältiger Weise als Berechnungsgrundlage: so etwa – um nur zwei Bespiele zu nennen – bei der Bestimmung des Gehalts eines Unternehmens- oder Portfoliomanagers41 oder bei der Festlegung der Beleihungsgrenze eines Wertpapierdepots.42 Schließlich bestimmt ein Wertpapierwert z. B. auch die Preise von ihm abhängender Derivate oder eines Investmentfonds, der dieses Wertpapier enthält. Diese Funktion ist ebenfalls gestört, wenn der tatsächliche Kurs nicht dem wahren Wert des Wertpapiers entspricht.

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Baums, ZHR 167 (2003), 139, 144. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 55; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 56 f., 78. 40 Z. B. spielt der Kurs bei der Bewertung eines Unternehmens im Rahmen eines Unternehmenskaufs oder einer Fusion, bei der Bewertung des Umlaufvermögens in der Bilanz oder für die Berechnung von Steuern eine Rolle. Auch das BVerfG (BVerfGE 100, 289, 306 ff.) geht hiervon aus: Im sog. DAT-Altana-Beschluss hat es 1999 entschieden, dass der Kurs der Aktie bei der Bestimmung des Wertes eines Unternehmens zu berücksichtigen sei. Die Vorinstanz (OLG Düsseldorf, AG 1995, 85) hatte noch anderes entschieden. Das OLG betrachtete den Börsenkurs bei der Schätzung des Wertes eines Unternehmens als unbeachtlich, da dieser von einer Vielzahl von Außeneinflüssen, unter anderem von „psychologischen Momenten“ abhänge. 41 Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 56 f.; dies insbes. dann, wenn die entsprechenden Personen ihre Vergütung in Aktienoptionen erhalten; vgl. hierzu auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 64. 42 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 55, siehe zum Ganzen auch Thel, Colum. Bus. L. Rev. 1988, 359 ff. 39

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

B. Auswirkungen auf die Anleger Eine Marktstörung äußert sich unmittelbar auch auf Seiten der Anleger,43 welche dadurch unnötigen Risiken ausgesetzt sind. Wenn Anleger Wertpapiere zu einem falschen Preis handeln, wird ihr Kapital nicht am effektivsten eingesetzt und sie erlangen nicht den größtmöglichen Nutzen.44 Des Weiteren verlangen Anleger, die sich solchen Gefahren ausgesetzt sehen, beim Handel einen Risikozu- bzw. Risikoabschlag. Dieser ist nicht nur für die Emittenten, sondern beim Handel auf dem Sekundärmarkt auch für die Anleger selbst mit negativen Auswirkungen verbunden. Häufig ist schließlich zu beobachten, dass diese artificial prices kurze Zeit später wieder auf ihr Ausgangsniveau zurückfallen, sodass Anleger dadurch weitere Einbußen erleiden.45

C. Auswirkungen auf die Emittenten Die Nachteile, die sich für den Kapitalmarkt als solchen ergeben, manifestieren sich schließlich in unmittelbaren konkreten Nachteilen für die Emittenten: Wenn sich die Anleger aus dem Kapitalmarkt zurückziehen bzw. Risikozu- oder Risikoabschläge verlangen, dann hat dies für die Emittenten erhöhte Kapitalkosten zur Folge, es können weniger Investitionsprojekte verwirklicht werden.46 Neben diese generelle Verknappung des Kapitals tritt die Gefahr, dass Anleger die Rentabilität und die Risiken falsch einschätzen und das wenige zur Verfügung stehende Kapital nicht in die Emittenten investieren, in die sie bei einer zutreffenden Bewertung investiert hätten.47 Letztendlich kann auch die fehlerhafte Kapitalbewertungsfunktion negative Auswirkungen auf die Emittenten haben, beispielsweise wenn die Wertpapierwerte als Grundlage für die Entlohnung von Managern genommen wurden oder im Rahmen von Unternehmensübernahmen.48

43 Watter, SZW 1990, 193, 196; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 75 f.; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 52. 44 Es werden also beispielsweise Wertpapiere gekauft, die andernfalls nicht oder zu einem anderen Preis gekauft worden wären oder es werden falsche Renditen erzielt. Vergleiche zu dieser Problematik die Ausführungen bei den Auswirkungen auf die Kapitalallokation unter A. I. 45 Hierzu Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 52. 46 Dies beruht auf der Störung der Kapitalaufbringungsfunktion, vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 78 f.; dazu oben unter A. II. 47 Dies korrespondiert mit der Störung der Kapitalallokation, hierzu Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 79; dazu oben unter A. I. 48 Dies korrespondiert mit der Kapitalbewertungsfunktion, vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 79; dazu oben unter A. III.

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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Kapitel 2

Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung durch Wirtschaftsjournalismus An dieser Stelle soll untersucht werden, welche Rolle Wirtschaftsjournalismus im Zusammenhang mit der Entwicklung von Wertpapierkursen spielt. Hiermit eng verbunden ist die Frage nach einem möglichen Regulierungsbedarf: Wenn Wirtschaftsjournalismus eine marktbeeinflussende Wirkung dergestalt hat, dass es zu einem künstlichen Preisniveau kommt, ist eine Marktbeeinträchtigung die Folge und es besteht aus den im ersten Kapitel dargestellten Gründen Regulierungsbedarf.49 Bewirkt die Marktbeeinflussung dagegen keine Marktbeeinträchtigung, sondern führt sie vielmehr dazu, dass sich der tatsächliche Wert aufgrund der neuen Information dem „richtigen“ Wert des Wertpapiers annähert bzw. im Idealfall diesen erreicht, dann ist eine solche Beeinflussung aus ökonomischer Sicht wünschenswert und bedarf gerade keiner Regulierung. Fraglich ist nun, wie der eine Fall vom anderen abzugrenzen ist. Doch bevor versucht wird, diese Frage auf der Grundlage unterschiedlicher theoretischer Ansätze zu klären, werden zunächst einige empirische Belege für die marktbeeinflussende Wirkung von Wirtschaftsjournalismus dargestellt, ohne diese im Hinblick auf eine mögliche Marktbeeinträchtigung zu bewerten.50

A. Tatsächliche Marktbeeinflussung durch Wirtschaftsjournalismus Dass sich ein Einfluss von Wirtschaftsjournalismus auf Wertpapierkurse empirisch feststellen lässt, ist im Grunde unbestritten.51 Dennoch erscheint es lohnend, verschiedene Studien bzw. Beispiele darzustellen, die sich mit der Wirkung von Presseberichterstattung auf den Finanzmarkt beschäftigen und den Nachweis eines Einflusses erbracht haben. Unter I. folgen Fälle der Marktbeeinflussung durch allgemeine Medienberichterstattung, unter II. wird das Verhältnis von konkreter anlagebezogener Berichterstattung und Wertpapierkursentwicklung behandelt.

49 Unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle, dass die Frage der Regulierung von Wirtschaftsjournalismus nicht einseitig unter Berücksichtigung ökonomischer Interessen beurteilt werden darf. Für die zunächst zu beantwortende Frage nach der Regulierungsbedürftigkeit sollen andere Interessen, also vor allem Interessen der Wirtschaftsjournalisten, aber zunächst außen vor bleiben. 50 Hierzu unten unter B. 51 Vgl. Schröder, Aktienhandel und Strafrecht, S. 61 ff.; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 18 m.w.Nw.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

I. Allgemeine Medienberichterstattung In diesem Bereich geht es darum, dass allgemeine Wirtschaftsberichterstattung geeignet ist, die Kurse von Wertpapieren in eine solche Richtung zu beeinflussen, wie sie vom entsprechenden Artikel vorgezeichnet wird. Werden beispielsweise positive Meldungen über ein bestimmtes Unternehmen verbreitet, hat dies zur Folge, dass sich sein Aktienkurs in die entsprechende Richtung entwickelt. Dennoch gilt dies nicht uneingeschränkt, wie die Ergebnisse von Schuster und auch die des Gutachtens von Media Tenor zum Fall Breuer zeigen.52 1. Breuer-Interview auf Bloomberg TV a) Fragestellung Einer der aufsehenerregendsten Fälle der letzten Zeit, mit dem sich im Jahre 2006 der BGH befasste und mit dem sich seit November 2008 wieder das Landgericht München53 zu befassen hat, ist das Interview des damaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank Rolf-E. Breuer in Bloomberg TV im Januar 2002, in welchem er sich negativ über die Kreditwürdigkeit der KirchMedia GmbH & Co. KGaA äußerte.54 Diese stellte im April 2002 Insolvenzantrag. Leo Kirch nun macht gerade die Aussagen Breuers im besagten Interview für den Zusammenbruch seines Medienimperiums verantwortlich. Er verklagte daher die Deutsche Bank und Breuer persönlich auf Schadensersatz aus eigenem und abgetretenem Recht.55 Mit Urteil vom 14. Januar 2006 hat der BGH56 einen Schadensersatzanspruch der PrintBeteiligungs GmbH dem Grunde nach anerkannt, weil diese vertragliche Beziehungen mit der Deutschen Bank AG hatte und außerhalb des Vertragsrechts bzw. der Wertungen des Vertragsrechts wegen Art. 5 Abs. 1 GG Schadensersatzansprüche ausscheiden würden. Zu der vorliegend interessierenden Frage, ob die Aussagen Breuers tatsächlich kausal für den Zusammenbruch der KirchMedia waren, musste der BGH in seiner Entscheidung keine Stellung beziehen, da es sich um eine Feststellungsklage handelte, für deren Begründetheit es laut BGH ausreichend sei, dass die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens wahrscheinlich ist.57

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Siehe hierzu unten unter 1. c) und II. 3. c). Az. 33 O 9550/07, Verkündungstermin soll der 10.3.2009 sein. Ein Teil der Anträge wurde am 25.11.2008 durch Versäumnisurteil abgewiesen. 54 Eine Dokumentation des Interviews findet sich in der Schilderung des Tatbestandes bei BGHZ 166, 84, 88. 55 Ein Darlehensvertragsverhältnis bestand zwischen der PrintBeteiligungs GmbH und der Deutschen Bank. 56 BGHZ 166, 84. 53

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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Im oben genannten Verfahren vor dem Landgericht München muss die Kausalitätsfrage entschieden werden. Es bedarf folglich der Klärung, ob die Äußerungen Breuers kausal für den Zusammenbruch waren, oder ob dieser Zusammenbruch durch andere Ereignisse ohnehin bevorstand, beispielsweise weil Kirch den Kaufpreis von 767 Millionen Euro für die Beteiligung an der ProSiebenSat. 1 Media AG nach Ausübung der Put-Option durch den Springer Verlag nicht aufbringen konnte. Bereits im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren hat Roland Schatz vom Forschungsinstitut Media Tenor58 in einem Gutachten die Frage nach der Kausalität der Äußerung Breuers untersucht.59 Schatz geht in seinem Gutachten davon aus, dass die Kausalität des Interviews für den Zusammenbruch dann bejaht werden könne, „wenn die Intensität, mit der das Interview von Breuer bei Bloomberg von anderen Medien aufgegriffen wurde, stark genug (war), um die Wahrnehmungsschwelle bei den Entscheidern auf dem Finanzmarkt zu übersteigen“60, diese daraufhin weitere Kredite bzw. Kreditverlängerungen verweigert hätten und die KirchMedia infolgedessen Insolvenzantrag hätte stellen müssen. b) Ablauf der Untersuchung Schwerpunkt der Untersuchung war also die Klärung der Frage, ob dieses eine Interview ursächlich dafür war, dass sich im weiteren Verlauf die allgemeine Meinung über die Kreditwürdigkeit der KirchMedia verschlechtert hat. 57 BGHZ 166, 84, 95 f. In seiner Entscheidung weist der BGH auf Stimmen in der Literatur hin, die hierzu anderer Ansicht sind, siehe z. B. Wagner, ZInsO 2003, 485, 489; Bütter/Tonner, BKR 2005, 344, 351 f. 58 Das Forschungsinstitut Media Tenor (ehemals Medien Tenor) fertigt Medienanalysen, indem es Medien mit der Methode der computergestützten Inhaltsanalyse untersucht. Nachdem das Institut seit seiner Gründung 1993 kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hatte, büßte es aufgrund verschiedener Vorfälle an Glaubwürdigkeit ein, siehe „Dubiose Daten – Die Stimmungsmache von Media Tenor“ v. 16.4.2008, abrufbar unter http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/ethik_journalismus/zapp772.html (besucht am 10.7.2009). Außerdem laufen strafrechtliche Ermittlungen gegen den Gründer und Chef Roland Schatz wegen verschiedener Delikte im Zusammenhang mit der Geschäftsführung von Media Tenor. So lautet ein Vorwurf der Bonner Staatsanwaltschaft (Geschäftsnummer 400 Js 21708) auf „Veruntreuung von Arbeitsgeld“ (Stand 16.4.2008, Quelle: www.taz.de, besucht am 10.7.2009). Direkte Kritik an den in dieser Arbeit verwendeten Studien ist jedoch nicht bekannt. Generell sind derartige empirische Studien immer kritisch und mit einer gewissen Distanz zu würdigen. 59 Es handelt sich dabei um das Gutachten Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt? Dieses Gutachten wurde nach Aussage Schatz’ von der Rechtsanwaltskanzlei Bub, Gauweiler und Partner in Auftrag gegeben, die mit der Vertretung Kirchs beauftragt ist. Das Gutachten ist nicht veröffentlicht, wurde der Verfasserin jedoch von Roland Schatz zur Verfügung gestellt. 60 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 23.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

Den Vorgang, dass ein bestimmtes Thema im öffentlichen Bewusstsein verankert wird, bezeichnet die Kommunikationswissenschaft als agenda setting.61 Das Forschungsinstitut Media Tenor geht aufgrund seiner Erfahrungswerte davon aus, dass bei 200 Beiträgen in Tageszeitungen, 25 Beiträgen in Wochenmedien und 50 Fernsehbeiträgen in einem Monat ein bestimmtes Thema von 15% der Bevölkerung wahrgenommen werde und damit Teil des öffentlichen Problembewusstseins sei.62 Fraglich war nun, ob dieses Interview allein eine solche Flut an Veröffentlichungen hervorrufen konnte, die dann ihrerseits zur Verankerung des Themas im öffentlichen Bewusstsein führte. Bereits im Januar 2002 habe die Süddeutsche Zeitung einen Bericht mit Spekulationen über die schlechte finanzielle Situation bei KirchMedia enthalten, jedoch ohne weiter Beachtung zu finden.63 Dieser Bericht habe es also nicht geschafft, eine (vermeintlich) schlechte finanzielle Situation im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern.64 Im Gegensatz dazu geht Media Tenor davon aus, dass das Fernsehinterview Breuers in der Lage gewesen sei, so viele weitere Medienberichte zu diesem Thema nach sich zu ziehen, dass die Kreditwürdigkeit der KirchMedia Teil des öffentlichen Bewusstseins wurde.65 Als Grund hierfür wird zunächst das Renommé Breuers genannt, der zu diesem Zeitpunkt als „Deutschlands Finanzmann Nr. 1“ gegolten habe.66 Daneben sei die Aussage vernichtend formuliert und auf das Wichtigste fokussiert gewesen, was ein Bankier beurteilen könne: die Kreditwürdigkeit.67 Auch war Bloomberg ein idealer 61

Die These des agenda setting wurde erstmals von McCombs/Shaw, Public Opinion Quarterly 1972, 176, 177 im Zusammenhang mit dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von 1968 formuliert. Siehe zum agenda setting auch die ausführliche Darstellung bei Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 434 ff. m.w.Nw., der die Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien als „die Fähigkeit der Massenmedien, das Wissen und Denken des Publikums zu strukturieren und auch Wandlungsprozesse in den Kognition zu bewirken“ beschreibt. 62 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 3, 16 f. 63 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 27. 64 Als Gründe hierfür nennt Schatz, dass die Berichte unterhalb der Wahrnehmungsschwelle gewesen seien und diesen Spekulationen außerdem ein „glaubwürdiger“ Kronzeuge gefehlt habe, vgl. S. 27 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt? 65 Vor dem besagten Interview widmeten die TV-Nachrichten und Wochenzeitschriften der KirchMedia ca. 20 Beiträge pro Quartal. Unmittelbar nach dem Interview stieg diese Zahl auf 120 Beiträge und es dauerte bis zum ersten Quartal 2003, bis sie wieder auf 20 eingependelt war, Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 32. 66 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 37. 67 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S 37. Auch galt Breuer zu

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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Nachrichtenvermarkter: Nicht zuletzt durch die Eingliederung einer eigenen Nachrichtenagentur sei die Nachricht unmittelbar weltweit verbreitet worden, infolgedessen von vielen anderen Medien aufgenommen und weiter kommuniziert worden.68 Um die Ursächlichkeit des Interviews eindeutig nachzuweisen, legt das Gutachten schließlich noch dar, dass das Medienimage von Kirch im Vorfeld des Interviews gerade dabei gewesen war, sich positiv zu entwickeln, KirchMedia also nicht ohnehin schon im öffentlichen Ansehen tief gesunken und ihre Kreditunwürdigkeit bereits Teil des öffentlichen Bewusstseins gewesen war.69 c) Ergebnisse der Untersuchung Dies alles wertet diese Studie als Zeichen, dass es gerade das Interview Breuers gewesen sei, das kurze Zeit später zum Zusammenbruch der KirchMedia führte. Anhand dieses Falles wird deutlich, welche Auswirkungen Medienberichterstattung haben kann und dass ein einziges Interview das Potential haben kann, die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens nachhaltig zu schädigen. Gleichzeitig zeigt diese Untersuchung die Besonderheiten, aufgrund derer es ein einziges Interview geschafft hat, eine solch große Wirkung zu haben. Dieser Fall zeigt außerdem, dass nicht die Verbreitung einer bestimmten Nachricht in einem Medium allein entscheidend ist, sondern dass andere Medien sich daran anhängen und durch diesen Multiplikationseffekt ein bestimmtes Thema Teil der öffentlichen Wahrnehmung wird und so große Wirkung entfalten kann. Insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Nachrichtenagenturen wird dieser Effekt zusätzlich begünstigt.

diesem Zeitpunkt als einer von fünf Managern, die der breiten Öffentlichkeit bekannt waren, vgl. Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 29. 68 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S 28. 69 Schatz, Inwieweit hat das Breuer-Interview auf Bloomberg-TV Wirkung auf die Zielmärkte Banken – Journalisten – Analysten ausgeübt?, S. 32: Kirch habe eigentlich von Anfang an ein sehr schwieriges Verhältnis zu den Medien gehabt, was nicht zuletzt daran gelegen haben mochte, dass er diesen gegenüber sehr zurückhaltend gewesen sei. Gerade im unmittelbaren Zeitraum vor dem besagten Interview habe sich das Verhältnis Kirchs zu den Medien aber deutlich entspannt: Kirch habe begonnen, mit den Medien zu kommunizieren und z. B. in der FAZ ein Interview gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Medien verstanden, dass den Verbindlichkeiten der KirchMedia erhebliche Assets gegenüber gestanden hätten, die Kirch bereit war, an Partner zu veräußern, um die Eigenkapitalposition zu stärken. Somit sei die angespannte finanzielle Situation der KirchMedia bekannt gewesen. Aufgrund der Erklärungen Kirchs sei seine Situation jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht als hoffnungslos eingestuft worden. Dies sei erst nach dem besagten Interview auf Bloomberg-TV der Fall gewesen.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

2. Studie Anne Täubert a) Fragestellung Die Kommunikationswissenschaftlerin Anne Täubert hat sich Mitte der 1990er Jahre eingehend mit der Frage beschäftigt, ob eine Beziehung zwischen Medienberichterstattung und Aktienkurs bestehe und hierzu eine eigene Studie durchgeführt.70 Sie beschäftigte sich mit dem Zusammenhang von Pressemitteilungen und Kursveränderungen und dem Verhältnis von Pressemitteilungen zu entsprechender Wirtschaftsberichterstattung. 71 Täubert wollte zum einen nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen der Relevanz des Inhalts und der Stärke der Aktienkursveränderung72 besteht und zum anderen, dass sich ein positiver Tenor der Pressemitteilung bzw. des Presseartikels positiv auf die Aktienkursveränderung auswirkt.73 b) Ablauf der Untersuchung Die Untersuchung lief wie folgt ab: Im Zeitraum vom 27. März 1992 bis zum 28. März 1995 verglich Täubert für jedes der 30 damaligen DAX-Unternehmen74 den Wert der Aktie mit dem Wert 70

Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations. Wurde in der deutschen Kommunikationswissenschaft der Bereich Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations (PR) zunächst vernachlässigt, nahm die Forschung in diesem Bereich in den letzten 30 Jahren zu. Den großen Durchbruch brachten zunächst die Untersuchungen von Barbara Baerns (Baerns, Publizistik 1979, 301, später Baerns, Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einfluss im Mediensystem), die einen einseitigen Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus feststellten und vor einem damit einhergehenden Gleichlauf der Medieninhalte warnten. In die Kommunikationswissenschaft ist dieser Ansatz Baerns als sog. Determinierungshypothese eingegangen, vgl. Weber, in: Rolke/Wolff (Hrsg.), Wie die Medien die Wirklichkeit steuern und selbst gesteuert werden, S. 265. In den darauf folgenden Jahren wurde Baerns sowohl kritisiert als auch bestätigt. Abgelöst wurde die Determinierungshypothese als Erklärungsmodell für den Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Medienberichterstattung 1997 von dem von Günter Bentele, Tobias Liebert und Stefan Seeling entwickelten Intereffikationsmodell (Bentele/Liebert/Seeling, in: Bentele/Haller (Hrsg.), Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit, S. 240 ff.), das die Determinierungshypothese jedoch nicht widerlegt, sondern ergänzt, indem es besagt, dass auch von Seiten der Journalisten Einflüsse auf die PR-Praktiker bestehen. An dem grundsätzlichen Einfluss von Unternehmens-PR auf Wirtschaftsjournalismus ändert dies also nichts. Siehe zu dieser Problematik aus Sicht der Medien z. B. Hombach, Cicero 2/2009, S. 91. 72 Diese Aktienkursveränderung wird von ihr als Peak bezeichnet. Täubert versteht darunter alle Kursbewegungen der Aktie, die stärker als der vom DAX repräsentierte Durchschnitt sind, vgl. Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 183 Fn. 673. 73 Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 183. 74 Allianz, BASF, Bayer, Bayrische Hypotheken- und Wechselbank, Bayrische Vereinsbank, BMW Bayrische Motorenwerke, Commerzbank, Continental, Daimler-Benz, 71

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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vom Vortag. Im Anschluss daran teilte sie die Differenz durch den Wert vom Vortag. Auf diese Weise ermittelte sie die relative Abweichung in Prozent. Den DAX verglich sie in gleicher Weise jeweils mit dem Wert vom Vortag. In einem letzten Schritt subtrahierte Täubert die relative Abweichung des DAX von der relativen Abweichung der Aktie, d.h. „die Abweichung der Aktie wurde an der Abweichung des DAX relativiert“. Alle Fälle, in denen die Differenz der relativen Abweichung zwischen Aktie und DAX dem Betrag nach größer als 1 war, bezeichnete sie dann als „Peak“, d.h. ein Peak war dann gegeben, wenn die Kursbewegung der Aktie deutlich stärker war als der durch den DAX repräsentierte Durchschnitt.75 Von den für jedes Unternehmen festgestellten Peaks (insgesamt 4199) wurden pro Aktie 10 Peaks (jeweils mit etwa gleich vielen Ausschlägen nach oben und unten) per einfacher Wahrscheinlichkeitsauswahl, d.h. per Los, ausgewählt. Danach wurden die jeweiligen Unternehmen angeschrieben und gefragt, ob zwei Tage vor der signifikanten Kursveränderung eine Pressemitteilung herausgebracht worden war. 25 Unternehmen antworteten.76 Gleichzeitig wurde für den entsprechenden Zeitraum geprüft, ob im Handelsblatt Presseartikel erschienen waren.77 Insgesamt wurden 194 Stichproben untersucht. In 52 Fällen ging nur eine Pressemitteilung, in 29 Fällen nur ein Presseartikel voran. In 93 Fällen gab es sowohl Pressemitteilung als auch Presseartikel. In 120 Fällen gab es weder Pressemitteilung noch Presseartikel. Dabei wurden den Pressemitteilungen/Presseartikeln auch jeweils bis zu drei Themen zugeordnet und es wurde ermittelt, wenn möglich, ob der Tenor der Pressemitteilung/des Presseartikels positiv oder weniger positiv war. c) Ergebnisse der Untersuchung und Bewertung Es wurde festgestellt, dass das Verhältnis von Peaks, welche durch Unternehmensinformationen in Form von Pressemitteilungen ausgelöst wurden, zu der Anzahl der Peaks ohne Unternehmensinformation 145:149, als fast 1:1, ist.78 Degussa, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Henkel, Hoechst, Karstadt, Kaufhof, Linde, Lufthansa, MAN, Mannesmann, Metallgesellschaft, Preussag, RWE, SAP, Schering, Siemens, Thyssen, Veba, Viag und VW Volkswagen. 75 Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 190 ff. 76 Die Unternehmen Bayrische Hypotheken- und Wechselbank, BMW, Henkel, SAP und VW erteilten keine Auskunft. 77 Dabei wurde aus verschiedenen Gründen das Handelsblatt als Kontrollmaßstab herangezogen: Es erscheint börsentäglich und umfasst alle börsenrelevanten Themenbereiche. Des Weiteren waren die Wirtschafts- und Finanzmarktteile der großen Tageszeitungen noch nicht so ausgeprägt, dass diese das Informationsbedürfnis der Leser befriedigen konnten. Zumindest damals erschienen im Handelsblatt täglich mehr Unternehmens- und Marktberichte als in jeder anderen deutschen Zeitung. Aus diesen Gründen wurde das Handelsblatt als Kontrollmaßstab herangezogen. 78 Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 195.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

Das Verhältnis Peak mit und ohne Presseartikel ist 122:172, also ca. 5:7.79 Daraus zog Täubert den Schluss, dass sowohl Pressemitteilungen als auch Presseartikel geeignet seien, den Kurs zu beeinflussen. Eine genauere Untersuchung erfolgte dann in Bezug auf die Peaks, die sich sowohl auf eine Pressemitteilung als auch auf einen Presseartikel zurückführen ließen. Es wurde beobachtet, dass in 60 von 93 Fällen das Thema von Pressemitteilung und Presseartikel übereinstimmten. Der Tenor der Meldung (positiv oder weniger positiv), welcher nur in 63 Fällen sowohl für Pressemitteilung als auch Presseartikel feststellbar war, stimmte in 60 Fällen überein. In mindestens 42 dieser Fälle kam es auch zu einer eindeutigen Kursbeeinflussung in diese Richtung. In weiteren 11 Fällen stand dies ebenfalls zu vermuten: Hier waren Tenor von Pressemitteilung und Presseartikel übereinstimmend positiv, wegen eines Dividendenabschlags entwickelte sich der Kurs aber insgesamt negativ. Täubert kam daher zu dem Ergebnis, dass die Medienberichterstattung in diesen Fällen eindeutig den Aktienkurs beeinflusst habe. Bei der Frage nach einem Zusammenhang zwischen der Relevanz des Inhalts und der Stärke des Peaks konnte für Pressemitteilungen eine statistische Signifikanz nachgewiesen werden. Bei Presseartikeln konnte ein solcher Zusammenhang nicht nachgewiesen werden, was aber möglicherweise auf die sehr kleine Anzahl an Presseartikeln zurückgeführt werden kann. Die Frage nach einem Zusammenhang zwischen positivem Tenor und positivem Peak konnte hingegen laut Täubert in vollem Umfang bewiesen werden: Sowohl bei der Untersuchung von Pressemitteilungen als auch bei der Untersuchung von Presseartikeln führe ein positiver Tenor mit statistischer Signifikanz zu einem positiven Peak.80 Täubert stellt damit fest, dass nachweislich ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftsberichterstattung und Aktienkursentwicklung bestehe. 3. Untersuchungen Thomas Schuster a) Fragestellung Thomas Schuster führte keine eigenen Studien durch, sondern untersuchte bereits bekannte Fälle über das Zusammenspiel von Markt und Medien.81 Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Medien einer von vielen Faktoren seien, die

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Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 199. Täubert, Unternehmenspublizität und Investor Relations, S. 220 ff. 81 Schuster hat sich darüber hinaus mit dem Zusammenhang von Aktienempfehlungen in den Medien und möglichen Kursbeeinflussungen auseinander gesetzt, seine hieraus resultierenden Ergebnisse werden unter II. 3. dargstellt. 80

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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die Wertpapierkurse beeinflussten.82 Für die vorliegende Untersuchung wichtig ist seine Erkenntnis, dass immer wieder Fälle von Kursbeeinflussungen vorkämen, die sich unmittelbar auf bestimmte Medienberichte zurückführen ließen.83 Dabei sei der Zusammenhang zwischen Medienberichterstattung und Kursentwicklung immer dann am offensichtlichsten, wenn es sich in den Medien um fiktive Meldungen handele. b) Beispielsfälle Ein Beispiel Schusters für eine solche fiktive Meldung ereignete sich am 30. Juni 2000. An diesem Tag stiegen die Aktienkurse der Firma MACC Private Equities, einer kleinen Investmentgesellschaft, plötzlich um 80%, das Handelsvolumen der Aktie war dreimal so groß wie sein übliches Volumen. Zuvor hatte der Fernsehsender CNBC einen positiven Bericht über den Halbleiter-Hersteller Applied Micro Circuits unter Einblendung seines Ticker-Symbols – das AMCC lautet – gesendet. Auf den Fernsehschirmen wurde jedoch aufgrund eines Versehens das Kürzel MACC eingeblendet.84 Ähnlich verhielt es sich in einem anderen Fall, der jedoch nicht mit einer fiktiven, sondern einer bereits allgemein bekannten Information aufwartete: Am 3. Mai 1998 titelte die New York Times: „Hope in the Lab. A Special Report. A Cautious Awe Greets Drugs That Eradicate Tumors in Mice“.85 In diesem Artikel wurde neben renommierten Wissenschaftlern auch der Name des Unternehmens genannt, das die Lizenz für diesen Wirkstoff hatte. Der Kurs der Aktie des kleinen Biotechnologieunternehmens stieg infolgedessen um 600%, und dies, obwohl die Forschungsergebnisse bereits in der Zeitschrift Nature veröffentlicht worden waren und auch CNN und CNBC schon darüber berichtet hatten. Zwar war auch nach der Veröffentlichung in Nature der Kurs angestiegen, jedoch nicht annähernd so stark wie nach der Veröffentlichung als Titelstory. Sogar die Aktien weiterer Biotechnologieunternehmen wurden von der Euphorie angesteckt und verzeichneten Kurszuwächse.86

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Schuster, Märkte und Medien, S. 69. Diese Erkenntnis stellt jedoch nicht den Schwerpunkt seiner Arbeit dar. Schuster ging es vielmehr vor allem darum, ob es sich hierbei um dauerhafte Kursveränderungen handle und ob es möglich sei, daraus systematisch Gewinne zu schöpfen, vgl. Schuster, Märkte und Medien, S. 69. 84 Schuster, Märkte und Medien, S. 97. 85 The New York Times, 3.5.1998, zitiert nach Schuster, Märkte und Medien, S. 87, der dies wie folgt übersetzt: „Innerhalb eines Jahres, wenn alles gut geht, wird der erste Krebspatient zwei neue Medikamente verabreicht bekommen, die jede Art von Krebs beseitigen können, ohne erkennbare Nebenwirkungen oder Therapieresistenz – bei Mäusen.“ 86 Schuster, Märkte und Medien, S. 87 f. 83

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

II. Aktienempfehlungen Ein weiterer Bereich, in dem immer wieder von Fällen der Kursbeeinflussung durch Medien berichtet wird, ist der von Aktienempfehlungen, die starke Kursausschläge nach sich ziehen. Dieser Fallgruppe sehr ähnlich sind Aussagen von Analysten, die häufig zumindest indirekte Empfehlungen enthalten dürften, indem beispielsweise eine positive Bewertung als Kaufsignal gewertet werden kann und umgekehrt eine negative Bewertung als Signal zur Veräußerung bzw. zum Nichterwerb. Auch hier soll zunächst ein prominenter Beispielsfall geschildert werden, um im Anschluss daran wiederum beispielhaft zwei medienwissenschaftliche Untersuchungen darzustellen. 1. 3sat-Börse a) Fragestellung und Ablauf Der Börsenjournalist Egbert Prior gab Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts immer mittwochs und freitags einen Börsenbrief mit konkreten Anlageempfehlungen heraus. Der Börsenbrief vom Mittwoch enthielt jeweils 24 Kaufempfehlungen, die nicht in der 3-Sat-Sendung veröffentlicht wurden und die zu keinerlei auffälligen Kurseffekten führten. Dagegen wurden aus dem Freitagsbrief in der Sendung 3sat-Börse freitags um 21.30 Uhr (d.h. längst nach Börsenschluss) verschiedene Empfehlungen – ohne Vorankündigung – herausgegriffen und in der Fernsehsendung 3sat-Börse veröffentlicht.87 In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, inwieweit die präsentierten Anlagetipps Einfluss auf die Kursentwicklung hatten.88 87 Gleichzeitig kam der Verdacht auf, dass die Kursveränderungen von einigen an der Sendung Beteiligten gezielt genutzt wurden. Eine ausführliche Schilderung des Sachverhalts findet sich im Rahmen des Beschlusses des LG Frankfurt a. M. v. 9.11.1999, NJW 2000, 301. Das LG hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen in einem Nichteröffnungsbeschluss abgelehnt. Nach seiner Überzeugung gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Prior bereits beim Erwerb der Aktien in Empfehlungsabsicht handelte. Die sofortige Beschwerde der StA hatte keinen Erfolg (Beschluss des OLG Frankfurt a. M. v. 15.3.2000, NJW 2001, 982). In dem Verfahren ging es darum, ob ein Verstoß gegen das Insiderrecht gem. §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a. F. gegeben war. Umstritten war insbes., ob die innere Absicht ein bestimmtes Wertpapier zu kaufen, eine Insidertatsache darstellen könne. Das OLG enthielt sich ausdrücklich einer Stellungnahme, ob es sich aus rechtlicher Sicht um ein Insiderdelikt handle, während das LG noch mit der damals h. A. ein Insiderdelikt grundsätzlich bejahte. Bemerkt sei an dieser Stelle, dass das damalige Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation eine Manipulation mittels wahrer Tatsachen nicht erfasste. Hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 26. Siehe zum Fall Prior aus nicht juristischer Sicht außerdem Gerke, Handelsblatt v. 29.6.1998, S. 39 und Schmitt, Handelsblatt v. 5.2.1999, S. 12. 88 Ein ähnlicher Fall ist der des Sascha Opel. Sascha Opel war Herausgeber mehrerer Börsenzeitungen sowie Berater mehrerer Aktienfonds und nutzte diese Stellung

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b) Ergebnis In fünf Beispielsfällen der in der Sendung von Februar bis April 1998 veröffentlichten Anlageempfehlungen kam es zu überdurchschnittlichen Überrenditen von mehr als 20% gegenüber der allgemeinen Marktentwicklung, wohingegen die Empfehlungen aus dem Freitagsbrief, die nicht einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurden, keine signifikanten Kursveränderungen mit sich brachten.89 Es liegt daher der Schluss nahe, dass die Kursänderungen auf die Empfehlungen der Fernsehsendung zurückzuführen sind. 2. Medien Tenor a) Fragestellung Das Medienanalyseinstitut Media Tenor,90 das sich mit den Auswirkungen medialer Berichterstattung beschäftigt, hat im Jahre 2004 zwei Untersuchungen91 durchgeführt, in denen es in Zeitungen veröffentlichte Analystenempfehlungen und Aktienkurse verglich.92 Eine zentrale Frage hierbei war, wie sich Analystenzitate in Medien auf Aktienkurse auswirken.93

aus, indem er zunächst Aktien auf eigene Rechnung erwarb und nach den auf seine Kursempfehlungen folgenden Kurssteigerungen gewinnbringend verkaufte. Seine strafrechtliche Verurteilung durch den BGH (BGH v. 6.11.2003, BGHSt 48, 373.) war die erste Verurteilung eines Journalisten in einer solchen Konstellation. Die Vorinstanz (LG Stuttgart v. 30.8.2002, ZIP 2003, 259) hatte noch einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot angenommen. Siehe zum Fall Sascha Opel aus nicht juristischer Sicht z. B. Hipp, Scalping ist strafbar, spiegelonline v. 8.11.2003. 89 Schuster, Märkte und Medien, S. 98 berichtet von Studien mit ähnlichen Ergebnissen aus den USA. Auch dort wurden Fälle beobachtet, in denen Nachrichten über Analystenberichte signifikante Kursveränderungen hervorgerufen haben. In den Minuten nach der Ausstrahlung der jeweiligen Sendung stieg das Handelsvolumen der besprochenen Aktien jeweils um ein Mehrfaches an. Auch hier war es aber nur in der ersten Minute nach der Veröffentlichung möglich, signifikante Trading-Gewinne zu machen, danach sanken die Kurse wieder, häufig sogar unter das Ausgangsniveau (sog. partielles price reversal), was als Zeichen dafür gewertet wird, dass eine Überreaktion vorliegt. 90 Siehe zu diesem oben in Fn. 58. 91 Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 148 – 4. Quartal 2004, S. 94 f. („Investoren aufgepaßt: Analystenzitate“) und Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 149 – 1. Quartal 2005, S. 56 f. („MT-Portfolio besteht 6-Wochen-Test“). 92 Zur generellen Kritik an der Arbeit von Media Tenor siehe Fn. 58. Zu beachten ist wiederum, dass spezielle Kritik gegen die hier beschriebenen Studien nicht bekannt ist. 93 Daneben wurde die vorliegend weniger interessierende Frage untersucht, inwieweit Anleger hiervon profitieren können.

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b) Ablauf der ersten Untersuchung (jeweils Donnerstag bis Montag) Um einen Zusammenhang zwischen veröffentlichten Analystenempfehlungen und Aktienkursen nachzuweisen, bildete Media Tenor zwei Muster-Portfolios.94 Über einen Zeitraum von sechs Monaten wurden wöchentlich in verschiedenen Zeitungen95 diejenigen Werte aus DAX, MDAX oder Eurostoxx50 identifiziert, die mindestens 40 Analystenaussagen aufwiesen; insgesamt wurden im Rahmen dieser Studie 61.737 Analystenaussagen untersucht. Die Analystenaussagen der Aktienunternehmen, bei denen die Anzahl der positiven Aussagen die der negativen überwog, wurden in das Musterportfolio aufgenommen. Die Aktien wurden jeweils donnerstags per Schlusskurs gekauft und am darauf folgenden Montag per Schlusskurs verkauft. Für das Portfolio, das sich aus im DAX notierten Aktien zusammensetzte, konnte in 51,22% der Fälle ein Zuwachs oberhalb des DAX festgestellt werden, im MDAX waren es 57,14%. Das Portfolio der Eurostoxx50-Aktien wies sogar in 62,5% der Fälle einen Gewinn aus. Über den gesamten Zeitraum konnte mit dem Aktienpaket im MDAX eine Rendite von 12,75% erwirtschaftet werden, während der Index selbst mit 10,59% im Plus lag. Auch das DAX-Portfolio konnte den Index schlagen: Es sank insgesamt um 0,95%, während der Index 1,23% verlor. Auf auffälligsten ist auch hier wiederum das Eurostoxx50-Portfolio: Es lag mit 8,10% im Plus, während der Index 1,29% verlor. Dass der Einfluss der Analysten bei den Eurostoxx50-Aktien am größten war, wurde damit erklärt, dass Anleger neben den Analystenempfehlungen auch andere Informationsquellen gehabt hätten: Auch makroökonomische Zusammenhänge wie Konjunktur, Geschäftsklima, Rohstoffpreise, politische Entwicklungen oder persönliche Einstellungen beeinflussten Anlegerstrategien. Die untersuchten Zeitungen enthielten zu DAX-Werten deutlich mehr dieser weitergehenden Informationen als zu Eurostoxx50-Werten. Folglich konnte bei Eurostoxx50-Analystenaussagen ein noch größerer Einfluss festgestellt werden als bei den DAX-Werten. c) Ablauf der zweiten Untersuchung (sechs Wochen) In einer weiteren Studie96 hat Media Tenor Musterportfolios über einen Zeitraum von jeweils sechs Wochen betrachtet. Die ganze Studie dauerte ungefähr zehn Monate.97 Dieser längere Zeitraum wurde gewählt, da es sich bei den Re94 Die genaue Beschreibung der Studie findet sich im Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 148 – 4. Quartal 2004, S. 94 f. („Investoren aufgepaßt: Analystenzitate“). 95 Wall Street Journal Europe, Financial Times, Handelsblatt, Börsen-Zeitung, Die Welt, Frankfurter Allgemeine und Wirtschaftswoche. 96 Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 149 – 1. Quartal 2005 S. 56 f. („MT-Portfolio besteht 6-Wochen-Test“).

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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zipienten von Analystenzitaten meist um Kleinanleger handelt, die häufig die Tages- und Wirtschaftspresse konsumieren. Diese Anleger bevorzugen jedoch mittelfristige Anlagen vor kurzfristigen Anlagen wie sie in der ersten Untersuchung gewählt worden waren. Das einsetzbare Kapital belief sich auf 60.000 Euro, wobei wöchentlich 10.000 Euro zur Verfügung standen. Außerdem konnten nur Wertpapiere erworben werden, die oberhalb der Wahrnehmungsschwelle lagen.98 Dabei wurde ein Überwiegen positiver Bewertung als Kaufsignal interpretiert und ein Überwiegen negativer Bewertungen als Verkaufssignal bzw. als Aufforderung, die entsprechenden Titel erst gar nicht ins Portfolio aufzunehmen. Vergleichsmaßstab war hier ebenfalls die allgemeine Indexentwicklung. Auch hier konnte bei dem Musterportfolio wieder ein signifikant stärkerer Anstieg als bei den Vergleichsindizes beobachtet werden. Während sich beispielsweise der Eurostoxx-Index im untersuchten Zeitraum um 2,36 Prozentpunkte steigern konnte, legte das Musterportfolio um 11,80 Prozentpunkte zu. Auch für die Werte des DAX-30 erwirtschaftete das Musterportfolio ein gegenüber dem Index höheres Plus, welches allerdings nicht so hoch war wie das der Eurostoxx50-Werte.99 3. Thomas Schuster a) Fragestellung Auch Thomas Schuster hat sich mit der Frage beschäftigt, in welchem Verhältnis Wirtschaftsnachrichten und Börsenentwicklungen stehen. Dabei ist er ebenfalls der Wirkung von Aktienempfehlungen und Kursprognosen in den Wirtschaftsmedien nachgegangen.100 Neben der tatsächlichen Beeinflussung ging es ihm unter anderem darum, von welcher Dauer diese Beeinflussungen sein würden und – hier kommt er zu einem anderen Ergebnis als die Studien von Media Tenor – ob die einzelnen Anleger hiervon profitieren könnten. b) Gang der Untersuchung Im Gegensatz zu Media Tenor hat Schuster keine eigenen empirischen Studien durchgeführt, sondern bereits vorhandenes Material gesichtet und ausge-

97 Der genaue Untersuchungszeitraum war v. 1.1.2004 bis zum 1.11.2004 bzw. 9.12. 2004. 98 Dabei wurde die Wahrnehmungsschwelle bei 40 Analystenaussagen innerhalb von fünf Tagen angesetzt, Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 149 – 1. Quartal 2005, S. 57. 99 Medien Tenor Forschungsbericht Nr. 149 – 1. Quartal 2005, S. 57. 100 Schuster, Märkte und Medien, 1. Kapitel („Aktienempfehlungen und Börsenkurse“), S. 15–45.

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wertet.101 Insgesamt wertete er 33 Ereignisstudien zur Veröffentlichung von Aktienempfehlungen in den Wirtschaftsmedien aus.102 c) Ergebnis Schuster kommt dabei zunächst zu der Erkenntnis, dass Wirtschaftsmedien weder über außergewöhnliche Prognosequalitäten verfügten noch in der Lage seien, Kurse dauerhaft in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.103 Dies bedeute aber nicht, dass Aktienempfehlungen und Börsenkurse völlig zusammenhangslos seien, vielmehr bestehe sehr wohl eine Beziehung zwischen beiden. Dabei unterscheidet er zwei Phänomene: Bei einem Teil der untersuchten Werte – und zwar vor allem bei Werten mit hoher Börsenkapitalisierung und großer Marktdichte – stiegen die Kurse schon vor einer entsprechenden Veröffentlichung. Hier vermutet Schuster, dass nicht die Berichterstattung den Wertpapierkurs beeinflusst habe, sondern dass sich die Börsenempfehlungen schlicht an der allgemeinen positiven Entwicklung der Aktie orientiert hätten und sozusagen der Markt die Medien beeinflusste und gerade nicht umgekehrt die Medien die Kurse bestimmten. Beim anderen Teil der untersuchten Werte, welcher sich vor allem aus Werten mit niedriger Börsenkapitalisierung zusammensetzte, stiegen die Kurse zunächst, häufig schon am Vortag der Veröffentlichung, signifikant an, fielen aber im Schnitt zwei Tage nach der Veröffentlichung signifikant ab, und zwar regelmäßig unter den Ausgangswert. Hieraus schließt Schuster, dass der Ursprung dieser Kurssteigerungen die Kaufempfehlungen der entsprechenden Berichterstattung seien.104 101 Schuster, Märkte und Medien, S. 17 ff. Dabei handelt es sich vorwiegend um Studien aus den USA, zum Teil stammen die Studien aber auch aus Deutschland. Es wurden dabei Fälle untersucht, in denen es zu „abnormalen“ Renditen gekommen war. Dem Verständnis dieser Studien zufolge ist eine Rendite dann „abnormal“, wenn eine Differenz zwischen einer mit Hilfe eines Marktmodells errechneten Rendite und der tatsächlich erzielten Rendite festgestellt werden kann. 102 Eine Auflistung der ausgewerteten Studien findet sich bei Schuster, Märkte und Medien, S. 21 f. 103 Daneben untersuchte Schuster die Frage, wem diese Wirkung nutze. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass der einzelnen Anleger in aller Regel Verluste machen würde, da die Kurse z. B. im Falle einer Kurssteigerung sehr schnell wieder unter das Ausgangsniveau zurückfielen, die Überrenditen also zu Lasten der Allgemeinheit der Anleger gingen. Vgl. Schuster, Märkte und Medien, S. 34: „Eine Chance, systematisch den Markt zu schlagen, liefern die Tipps der Öffentlichkeit nicht.“ 104 Dass die Kurse bereits vor der Veröffentlichung stiegen, lege seiner Ansicht nach außerdem den Verdacht von Insidergeschäften nahe. Dass die Kurse später sogar unter ihr Ausgangsniveau fielen, sei Folge dieser Insidergeschäfte, es komme zu einer „Kompensation der Insidergewinne“. Schuster, Märkte und Medien, S. 19 f. sieht hierin ein „untrügliches Zeichen“ dafür, dass die Kursreaktion auf eine entsprechende Berichterstattung zurückzuführen sei.

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Schuster kommt somit zu dem Ergebnis, dass in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Erscheinungstag signifikante Kursveränderungen feststellbar seien, doch nicht in allen Fällen führt er die Kursveränderung auf die Medienberichterstattung zurück. III. Zwischenergebnis Gemeinsam ist diesen Studien, dass sie jeweils nachweisen konnten, inwieweit zwischen der Wirtschaftsberichterstattung in den Medien und der Entwicklung von Wertpapierkursen ein Zusammenhang bestehen kann. Dies ist sowohl bei allgemeiner Berichterstattung als auch bei konkreter anlagebezogener Berichterstattung der Fall. Festgestellt werden konnte außerdem, dass gerade im Bereich von Anlageempfehlungen die Kurse kurz nach ihrem Ansteigen wieder auf oder sogar unter das Ausgangsniveau zurückfielen, d.h. die hervorgerufenen Kursveränderungen regelmäßig nicht dauerhafter Natur waren. Aus den Untersuchungen von Media Tenor ergeben sich außerdem Kriterien dafür, wann eine Beeinflussung gegeben ist. Zu prüfen ist, ob die festgestellte mögliche Beeinflussung von Wertpapierkursen durch Medienberichte dazu führen kann, dass ein künstliches Preisniveau entsteht, also eine Marktbeeinträchtigung herbeiführt wird. Diese Frage lässt sich, anders als die der tatsächlichen Beeinflussung, nicht so leicht beantworten. Unbestritten ist dabei zwar, dass Beeinträchtigungen grundsätzlich möglich sind und daher Regulierungsbedarf grundsätzlich gegeben ist.105 Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, diese Fälle unerwünschter Beeinträchtigungen von denen wünschenswerter Beeinflussungen abzugrenzen. Dass dies so schwierig ist, liegt zunächst daran, dass man den „richtigen“ Wert eines Wertpapiers nicht kennt und man auch nicht weiß, wie er genau zustande kommt bzw. woraus er sich zusammensetzt.106 Ein Indiz für eine Beeinflussung in Richtung eines künst105 Der z. T. vertretene Ansatz, dass der Kapitalmarkt sich selbst regulieren könne, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Es wird vielmehr mit der h. M. von der grundsätzlichen Regulierungsbedürftigkeit ausgegangen. Siehe zum Ganzen Hirte/ Heinrich, in: KK-WpHG, Einl. Rn. 21 ff. m.w.Nw. 106 Zwar existiert auch hierzu in der ökonomischen Finanzlehre eine anerkanntes Modell (das sog. Capital Asset Pricing Model), jedoch gründet sich dieses seinerseits ebenfalls auf modelltheoretischen Annahmen. Siehe hierzu die Darstellung bei Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 160 f., 375 ff. m.w.Nw. Bereits Keynes, The General Theory of Employment Interest and Money, S. 153 ff. ging davon aus, dass Aktienkurse durch andere Faktoren als die reine Beurteilung des unterliegenden Unternehmensvermögens beeinflusst würden. Mangels eines besseren Modells bleibt jedoch der Marktpreis der beste Stellvertreter für den zugrunde liegenden Wert eines Wertpapiers, vgl. Fischel, Cornell L. Rev 1989, 907, 915. Roll, The Journal of Finance 1988, 541, 542 geht z. B. davon aus, dass sich weniger als 40% der Kursvarianz einer Aktie anhand allgemeiner ökonomischer Einflüsse, industriespezifischer Bedingungen und Unternehmensnachrichten erklären ließen.

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lichen Preisniveaus ist, wenn der Kurs kurze Zeit später und ohne dass es einen von außen kommenden Grund hierfür geben würde, wieder auf bzw. sogar unter den Ausgangswert zurückfällt.107 Nichtsdestotrotz vermögen empirischen Untersuchungen nicht zu erklären, in welchen Fällen eine Beeinträchtigung und in welchen eine bloße Beeinflussung vorliegt, die den Kurs eines Wertpapiers seinem wahren Wert annähern lässt.

B. Hervorrufen einer Marktbeeinträchtigung Die Frage, wann eine Marktbeeinflussung zu einer Marktbeeinträchtigung führt, soll zunächst anhand der Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften und im Anschluss daran anhand der Medienwissenschaften beantwortet werden. Eine umfassende Darstellung der jeweiligen Forschungs- und Meinungsstände kann hier nicht erfolgen. Daher liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Anwendung der Erkenntnisse der Wirtschafts- und Medienwissenschaften auf die Wirkungsweise von Wirtschaftsjournalismus, d.h. auf der Abgrenzung von wünschenswerter Beeinflussung und marktschädigender Beeinträchtigung. In jedem Fall bedürfen die so möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse ihrerseits einer kritischen Hinterfragung anhand der Realität, bevor Regulierungsmaßstäbe formuliert werden. Denn erster Maßstab muss immer die Wirklichkeit sein, Modelle dürfen nur ergänzend herangezogen werden.108 I. Ökonomische Theorie In der ökonomischen Theorie werden bezüglich der Preisbildung und der Informationsverarbeitung am Kapitalmarkt unterschiedliche Ansätze vertreten. Ausgangspunkt dieser Darstellung soll die wohl herrschende Theorie des effizienten Kapitalmarktes sein109, welche mittlerweile durch die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie ergänzt wird.110

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Siehe dazu bereits in Fn. 104. In diese Richtung auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 189 f., der betont, dass man zwar die Augen vor der Ökonomie nicht verschließen dürfe, die Rechtswissenschaft aber eine Wissenschaft mit eigenen Methoden und Wertungen bleibe. Auch Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 149 warnt vor einer „Verabsolutierung wirtschaftstheoretischer Modelle“. Schließlich bleiben an dieser Stelle Meinungs- und Pressefreiheit völlig unberücksichtigt. Verfassungsrechtliche Wertungen werden erst im dritten Kapitel berücksichtigt. Canaris (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/ 2, § 76 III. 4. lit. h) geht noch einen Schritt weiter. Er lehnt eine ökonomische Analyse gänzlich ab, sobald immaterielle Werte betroffen sind. 109 Efficient Capital Market Hypothesis, kurz: ECMH. Zur Bedeutung der ECMH allgemein und speziell zu ihrer Akzeptanz in der Rechtswissenschaft Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 551; Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 127. 108

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1. Theorie des effizienten Kapitalmarktes und Rational Choice Die Theorie des effizienten Kapitalmarktes, als deren Begründer der Ökonom Eugene Fama gilt111 und die in der neoklassischen Kapitalmarkttheorie wurzelt, geht als Ideal von einem vollkommenen Kapitalmarkt aus, also einem Kapitalmarkt, an welchem die Preise zu jedem Zeitpunkt den inneren Wert der Wertpapiere widerspiegeln.112 Ein solcher Kapitalmarkt wird dann als effizient bezeichnet.113 Kursveränderungen werden durch neue Informationen am Markt ausgelöst, die sich unmittelbar im Kurs wieder finden.114 Dabei versteht man unter Informationen „zweckorientiertes Wissen“ über Umstände.115 110 Ein knapper Überblick zur Verhaltensökonomik aus rechtswissenschaftlicher Sicht findet sich bei Lüdemann, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker genannt Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, S. 7, 20 ff. m.w.Nw. 111 Wegweisend ist seine Abhandlung „Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work“ aus dem Jahre 1970 (Fama, The Journal of Finance 1970, 383), die durch Fama, Efficient Capital Markets: II, The Journal of Finance 1991, 1575 aus dem Jahre 1991 weitergeführt wird. Eine umfassende Aufarbeitung der Mechanismen der ECMH findet sich auch bei Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549 ff. 112 Fama, The Journal of Finance 1970, 383. Dabei beansprucht der wahre Wert keine objektive Richtigkeitsgewähr, da der tatsächliche Wert zu großen Teilen auch von in der Zukunft liegenden Entwicklungen abhängt und auch fehlerhafte Informationen enthalten sein können, Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 67 f. Entscheidend ist, dass der Preis einen Gleichgewichtspreis durch Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung aller zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen bildet. Auch Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 92, stellt als zentrale Aussage der ECMH fest, dass die Marktpreise immer die jeweils verfügbaren Informationen inkorporierten. Er zieht daraus den Schluss, dass die Marktpreise dadurch den zutreffenden Wert der Wertpapiere reflektierten. 113 Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 387 beschreibt anhand dreier hinreichender Bedingungen, wann ein Kapitalmarkt effizient sei. Zunächst einmal dürften keine Transaktionskosten entstehen. Des Weiteren müssten Informationen kostenlos zur Verfügung stehen und schließlich homogene Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der momentanen und der zukünftigen Kurse bestehen. 114 Fama, The Journal of Finance 1970, 383. 115 So die „klassisch gewordene“ (Merkt, Unternehmenspublizität, S. 334) Definition von Wittmann, Unternehmung und unvollkommene Information, S. 14. Gilson und Kraakman bezeichnen Informationen als Angaben, die in der Lage sind, die Vorstellung eines Einzelnen von der Welt, bzw. in einem beschränkteren Kontext im Hinblick auf den angemessenen Preis einer Anlage, zu verändern, vgl. Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 561. Es kann dabei zwischen sog. harten und weichen Informationen unterschieden werden. Harte Information sind bekannte Tatsachen, weiche Informationen sind Prognosen und Bewertungen. Da es sich bei Wertpapierpreisen um Erwartungen im Hinblick auf künftige Einkünfte handelt, sind gerade auch die weichen Informationen von Interesse. Des Weiteren wird im Folgenden davon ausgegangen, dass diese Informationen auch falsch sein können, um sich im Kurs wieder zu finden. Dies wird zwar in aller Regel nicht ausdrücklich gesagt, die Ausführungen von Gilson/ Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 561 ff., insbes. 562, können jedoch dahingehend verstanden werden. Auch die oben aufgeführte Definition macht keine Einschränkung dergestalt, dass eine Information wahr sein müsse. Schließlich lassen auch die empiri-

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Ausgangspunkt der Überlegungen zur ECMH war dabei, ob es möglich sei, anhand bestimmter Informationen bzw. Informationsvorsprüngen besondere Gewinne erzielen zu können.116 Der ECMH zufolge ist dies immer dann der Fall, wenn eine Information noch nicht im Kurs enthalten sei, da man dann aufgrund der Kenntnis dieser Information eine bestimmte Kursentwicklung antizipieren und entsprechende gewinnbringende Wertpapiergeschäfte tätigen könne.117 Damit lässt sich hieraus auch schließen: Nur solche Informationen, die noch nicht im Kurs enthalten sind, können den Kurs noch beeinflussen. Zu beachten ist, dass die Kurse die Informationen „augenblicklich“118, also „automatisch“, d.h. ohne dass die einzelnen Anleger selbst handeln müssten119, beinhalten. Dies zeigt, dass die Theorie neben den soeben formulierten hinreichenden Bedingungen stillschweigend voraussetzt, dass die Marktteilnehmer rational handeln bzw. sich irrationales Handeln gegenseitig ausgleicht.120 Innerhalb der ECMH werden drei Formen unterschieden, wobei jede Form einen unterschiedlichen Umfang an in den Wertpapierkursen enthaltenen Informationen beschreibt.121 schen Untersuchungen, auf welchen sich die ECMH gründet, einen solchen Schluss zu. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 54 geht ebenfalls davon aus, dass auch falsche Informationen im Kurs enthalten sein könnten. Problematisch ist jedoch, wann eine Information falsch ist, dazu mehr unter C. I. 116 Hierzu insbes. Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 135. 117 Siehe hierzu Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 555; Brealey/Myers/ Allen, Corporate Finance, S. 337; Schuster, Märkte und Medien, S. 55. Ist dies der Fall, so die Theorie, war die Information noch nicht im Kurs enthalten und der Kurs verändert sich entsprechend dem Inhalt der Information. Ist eine Information dagegen schon bekannt, ist sie auch schon im Kurs enthalten und kann diesen infolgedessen nicht mehr beeinflussen. 118 Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 87. 119 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 53. 120 In diese Richtung auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 89. Nach der Standardformulierung von Becker, The Economic Approach to Human Behavior, S. 14 besteht rationales Verhalten aus drei Elementen. Zentrales Element sei, dass die Handelnden ihren eigenen Nutzen maximierten. Dies geschehe unter Berücksichtigung einer optimalen Menge an Informationen und anderen Inputs sowie bei gleich bleibenden Präferenzen. Siehe zum sog. Marktmenschen bzw. homo oeconomicus und die diesem zugrunde liegende Rational Choice Theory bzw. das diesem zugrunde liegende Rational Choice Model aus der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 128 ff., m.w.Nw.; Englerth, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker genannt Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, S. 60, 63; van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 73 ff. und Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 84 ff. 121 Diese Unterteilung in drei Formen rührt ursprünglich daher, dass man in empirischen Studien hinsichtlich der jeweils in den Wertpapierkursen enthaltenen Informationen zu unterschiedlichen Ergebnissen kam. Auch diese Dreiteilung geht auf Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 388) zurück. Entscheidend ist also, auf welche Informationen sich das „widerspiegeln“ bezieht. Siehe zu dieser Dreiteilung auch Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 555 ff., die feststellen, dass im Laufe der

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a) Schwache Form Die sog. schwache Form geht davon aus, dass der aktuelle Kurs nur die bereits im vergangenen Kursverlauf enthaltenen Informationen beinhaltet.122 Wie genau neue Informationen auf den Kurs wirken, wird nicht näher beschrieben, vielmehr wird festgestellt, dass die Kursentwicklung einem sog. „random walk“ folge, zukünftige Entwicklungen also nicht vorhersehbar seien.123 Im Hinblick auf die in der Wirtschaftspresse veröffentlichten Informationen würde dies bedeuten, dass man keine Aussage über die Art und Weise der Kursbeeinflussung machen kann. b) Mittelstrenge Form Die mittelstrenge Form geht davon aus, dass der aktuelle Kurs eines Wertpapiers neben der Entwicklung in der Vergangenheit auch sämtliche ohne Weiteres öffentlich verfügbaren Informationen enthält.124 Sobald eine Information also öffentlich verfügbar ist, ist sie auch im Kurs enthalten. Für den Einfluss von Medienberichten auf Aktienkurse würde dies bedeuten, dass diese überhaupt nur dann Einfluss auf den Kurs hätten, wenn die Information vor ihrer Veröffentlichung in den Medien noch nicht öffentlich verfügbar war. Ist dies aber der Fall, werden also beispielsweise Unternehmenszahlen aus einem Quartalsbericht veröffentlicht, dann hätte der Zeitungsbericht keinen Einfluss mehr auf den Wertpapierkurs. Wenn hingegen die Information erst mit Hilfe des ZeitungsbeZeit an Stelle der ursprünglichen Funktion der drei Formen, nämlich die Klassifizierung empirischer Tests, eine generelle Klassifizierung von Marktreaktionen auf bestimmte Informationen getreten sei. 122 Sog. „weak form“, Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 388. Zum Teil wird ergänzend darauf abgestellt, dass der Kurs daneben auch alle anderen allgemein zugänglichen und kostenlosen Informationen in Form allgemeiner Nachrichten wie z. B. ein Wahlergebnis oder die Veränderung von Leitzinsen enthält, dazu Gilson/ Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 568 f., diesen folgend z. B. Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 94. 123 Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 388; von zentraler Bedeutung im Zusammenhang mit der Annahme eines random walk ist die Arbeit von Kendall, Journal of the Royal Statistical Society 1953, 11. Dazu Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 128 f.; zum random walk aus medienwissenschaftlicher Sicht Schuster, Märkte und Medien, S. 54 m.w.Nw. 124 Sog. „semi-strong form“, Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 388. Wann eine Information öffentlich verfügbar ist, ist nicht ganz klar. Es wird wohl aber davon ausgegangen, dass es auf eine etwaige Distribution dieser Information nicht ankommen soll, vgl. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 94. Gilson/ Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 558 schreiben im Zusammenhang mit der Frage, wann eine Information verfügbar sei, dass dies auch davon abhänge, welcher Form der Theorie man folge. Bei der strengen Form (zu dieser unter lit. c), gilt eine Information schon dann als verfügbar, wenn sie nur einer einzigen Person zugänglich ist, selbst wenn niemand aufgrund dieser Information handelt.

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richts öffentlich gemacht wird bzw. der Zeitungsartikel selbst neue Informationen schafft125, dann finden sich diese Informationen so, wie sie in dem jeweiligen Bericht enthalten waren, im Kurs des Wertpapiers wieder.126 Werden also beispielsweise Insiderinformationen als klassisches Beispiel einer nur wenigen Personen bekannten Information in der Presse veröffentlicht, so gehen diese dadurch in den Kurs ein. c) Strenge Form Nach der strengen Form enthalten die Wertpapierkurse schlechthin alle Informationen, die zu einem bestimmten Wertpapier existieren.127 Der entscheidende Unterschied zur mittelstrengen Form besteht im Hinblick auf die Veröffentlichung nicht öffentlich bekannter Informationen. Während nämlich im Rahmen der mittelstrengen Form Informationen durch ihre Veröffentlichung öffentlich bekannt gemacht werden können, so finden sich bei der strengen Form auch diese Informationen schon im Kurs wieder, insbesondere Insiderinformationen sind also bereits in den Kursen enthalten. Von Einfluss auf den Kurs dürften demnach nur solche Informationen sein, die vorher noch gar nicht existierten, also durch die Medien erst entstehen, was wohl nur bei weichen Informationen bzw. bei unwahren harten Informationen möglich ist.128 d) Bewertung Welcher Theorie ist zu folgen? Für die Beantwortung dieser Frage müssen ihr Erkenntnisgewinn und ihre Übereinstimmung mit der Realität betrachtet werden. Die schwache Form der ECMH hilft bei der Frage nach einer möglichen Regulierung nicht weiter, da ihrzufolge Informationen keinen bzw. keinen vorhersehbaren Einfluss auf den Aktienkurs nehmen und eine Regulierung des Informationsflusses daher nicht notwendig erscheint. Eine Regulierung ist jedoch, 125 Dies ist insbes. im Bereich der sog. weichen Informationen (siehe zum Begriff der weichen Information Fn. 115) denkbar, also wenn im Rahmen eines Artikels beispielsweise Unternehmensdaten ausgewertet werden und daraufhin eine Prognose für den weiteren Geschäftsverlauf erstellt wird. Des Weiteren stellen auch unwahre Informationen immer neue Informationen dar. 126 Nicht möglich ist es jedoch, dass die einzelnen Anleger von dieser Beeinflussung profitieren, da die Theorie davon ausgeht, dass sich die Informationen dann unmittelbar im Kurs wiederfinden. Dies betont u. a. Schuster, Märkte und Medien, S. 55: Eine Auswertung der Medieninhalte würde sich damit erübrigen, nichtsdestotrotz könne eine Beeinträchtigung festgehalten werden. 127 Sog. „strong form“, Fama, The Journal of Finance 1970, 383, 388, 414. 128 Siehe zum Begriff der weichen und der harten Information die Darstellung in Fn. 115.

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wie die empirischen Studien ergeben haben, durchaus erforderlich, das „ob“ einer Regulierung steht also gar nicht in Frage, sondern vielmehr lediglich das „wann“ und „wie“. Die anderen beiden Formen der ECMH erläutern, welche Informationen sich im Kurs wiederfinden. Voraussetzung ist aber, dass der Markt zumindest mittelstreng effizient ist. Ob dies der Fall ist, darüber trifft die ECMH jedoch keine Aussage. Sie stellt vielmehr fest, welche Marktmechanismen im Falle eines bestimmten Effizienzniveaus zu beobachten sind und geht gleichzeitig davon aus, dass Märkte effizient sind.129 Mittlerweile scheint sich die Auffassung durchzusetzen, wonach die Märkte in aller Regel nicht effizient sind, sodass auch der ECMH nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden kann. Einen zentralen theoretischen Einwand stellt hier das sog. Effizienzparadoxon130 dar. Dabei wird wie folgt argumentiert: Gehe man davon aus, dass die Informationsbeschaffung und -verarbeitung mit Kosten verbunden sei, wäre niemand bereit, diese Kosten zu tragen, da in einem informationseffizienten Markt bereits alle Informationen im Kurs enthalten seien. Rationale Marktteilnehmer würden also auf eine Informationsverarbeitung verzichten. Dies aber würde zur Folge haben, dass die Märkte gerade nicht mehr gut informiert seien.131 Empirische Studien haben außerdem gezeigt, dass Märkte häufig alles andere als effizient sind. Klassisches Beispiel für die Widerlegung der strengen Effizienzhypothese ist, dass sich anhand von Insiderinformationen, d.h. von Informationen, die nicht öffentlich bekannt sind, sehr wohl Sondergewinne ziehen lassen. Auch die Beispiele Schusters, bei denen bereits bekannte Informationen zu massiven Kursbeeinflussungen führten, lassen auf eine Ineffizienz schließen. Die viel gravierendere Schwäche der ECMH dürfte jedoch sein, dass sich die ganzen soeben dargestellten Wirkungsweisen von Informationen nur darauf beziehen, ob und wann Informationen Kursbeeinflussungspotential haben. Die eigentliche Frage, deren Klärung mit Hilfe der ökonomischen Theorie angestrebt wird, ist hingegen, wann diese Beeinflussung zu einer Beeinträchtigung führt. Hierzu trifft die ECMH keine Aussage, dies hängt vielmehr allein von der Information als solcher ab.132 Die ECMH bestätigt also, dass die Medieninhalte 129 „Als „Hypothese“ behauptet die ECMH nämlich nicht, dass Kapitalmärkte effizient seien, „sondern sie stellt heraus, wie Märkte auf Informationen reagieren, wenn sie effizient sind“, Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 69. 130 Laut Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 163, Fn. 641 wurde dieser Begriff erstmalig von Sanford Grossmann verwendet, vgl. etwa Grossman/Stiglitz, Am. Econ. Rev. 1980, 393. 131 Siehe zum sog. Effizienzparadoxon auch die Darstellung bei Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 163 ff. 132 Enthält die Information Aussagen, die für den wahren Wert eines Wertpapiers von Bedeutung sind, sog. kursrelevante Informationen (zu diesem Begriff Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 60), ist deren Kursbeeinflussung erwünscht. Sind die Informationen hingegen für den wahren Wert ohne Be-

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Einfluss in die Wertpapierkurse nehmen, scheitert jedoch damit, Kriterien für eine Abgrenzung von Beeinflussung und Beeinträchtigung zu finden. Daher soll die ECMH im Folgenden weiterentwickelt und ergänzt werden. 2. Behavioral Finance Die Schwächen der ECMH, die sich aus der Ineffizienz der Kapitalmärkte ergeben, versuchen die Vertreter der Behavioral Finance133 zu überwinden.134 Sie sehen sich jedoch nicht als Gegenstück zur ECMH, sondern als Ergänzung.135 Zentraler Grund für die Ineffizienz der Märkte ist nach ihrer Auffassung, dass die Anleger vielfach nicht rational handeln würden.136 Zwar gibt dies auch die ECMH zu, gleichzeitig geht sie jedoch davon aus, dass sich das irrationale Verhalten der einzelnen Anleger untereinander ausgleiche. Genau hiergegen wendet sich die Verhaltensökonomie, die ein gleichgerichtetes irrationales Verhalten der Anleger festgestellt hat. Kernbeobachtung ist dabei, dass die einzelnen Anleger häufig nicht in reiner Gewinnmaximierungsabsicht handeln, es also zu Abweichungen vom Erwartungsnutzenkonzept kommt. So ist zu beobachten, dass die Maximierung des eigenen Nutzens nicht immer das ausschlaggebende

deutung, also falsch, dann kommt es zu einer Beeinflussung in Form einer Beeinträchtigung. Dies führt jedoch wiederum nur zu einer Verlagerung der Problematik, entscheidend ist nun, wann eine Information als falsch einzustufen ist. In der Literatur zur Effizienzhypothese finden sich zumeist keine Aussagen im Hinblick auf die Verarbeitung falscher Informationen. In der kapitalmarktrechtlichen Literatur zur Marktmanipulation wird der Begriff der falschen Information hingegen gebraucht ohne ihn weiter zu hinterfragen, siehe z. B. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 54. 133 Dt. Verhaltensökonomik, wobei Behavioral Finance genau genommen einen Unterfall der Verhaltensökonomik (Behavioural Economics) darstellt und das Verhalten auf Finanz- und Kapitalmärkten erfasst. 134 Zurück geht diese Forschung der Verhaltensökonomik auf John B. Watson, der in seinem Hauptwerk Behaviorism eine neuartige Form der psychologischen Forschung entwickelt, die das menschliche Verhalten in den Vordergrund stellt, Watson, Behaviorism, S. 11. Auch Herbert Simon hat sich mit dem Verhalten der Marktteilnehmer beschäftigt und nur eingeschränkt rationales Verhalten (sog. bounded rationality) festgestellt, jedoch noch keine konkreten Einzelabweichungen herausgearbeitet und auch eine empirische Fundierung fehlte, siehe Simon, Models of Man, S. 256. Der Durchbruch der Verhaltensökonomik folgt daher erst einige Jahre später. Daniel Kahneman, Amos Tversky, Richard Thaler und Vernon Smith finden zahlreiche Einzelbeispiele, in denen der einzelne systematisch irrational agiert. 135 Siehe zum Verhältnis der Verhaltensökonomie zum Modell des Marktmenschen Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, Fn. 912 m.w.Nw. 136 Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 145, 148; Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 134 ff., der auf Sicherheit und regionale Bindung als menschliche Grundbedürfnisse abstellt; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff. m.w.Nw. zu U.S.-amerikanischer Literatur.

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Motiv für ein wirtschaftliches Handeln ist, sondern häufig andere Motive im Vordergrund stehen. Auch lässt sich der Mensch zum Teil von Altruismus, Fairnessgesichtspunkten und anderen sozialen Normen leiten.137 Im Hinblick auf die Wirkung von Medieninhalten führt dies dazu, dass sie anders wahrgenommen und bewertet werden, als es bei einem streng rational handelnden Marktteilnehmer der Fall wäre. Neben dieser allgemeinen Beobachtung lassen sich im Einzelnen verschiedene sog. Verhaltensanomalien beobachten. Die diesen Verhaltensanomalien zugrunde liegenden psychischen Dispositionen werden als „biases“ oder „cognitive biases“ bezeichnet. Ziel der Verhaltensökonomen ist eine Systematisierung dieser Anomalien, um so Vorhersagen über menschliches Verhalten treffen zu können. Im Folgenden werden beispielhaft einige dieser Verhaltensanomalien dargestellt.138 Gleichzeitig soll überlegt werden, ob sich daraus Erkenntnisse für eine marktgerechte Regulierung von Wirtschaftsjournalismus ergeben. a) Verfügbarkeitsheuristik Ein zentrales Merkmal im Hinblick auf die Informationsaufnahme ist, dass Menschen vor allem die Informationen wahrnehmen und ihrer Entscheidungsfindung zugrunde legen, die im Moment der Entscheidungsfindung aktuell verfügbar sind. Diese Anomalie wird als availability bias oder Verfügbarkeitsheuristik bezeichnet.139 Hintergrund dieser Anomalie ist, dass die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines ungewissen Ereignisses umso höher eingeschätzt wird, je mehr Informationen diesbezüglich verfügbar sind. Damit geht einher, dass Informationen umso mehr für die Beurteilung einer Situation genutzt werden, je konkreter, auffälliger oder aktueller sie sind.140 Dagegen sind schon länger zurückliegende Informationen nicht mehr so stark im Bewusstsein der Anleger vorhanden und finden daher keine Berücksichtigung bei der Anlageentschei-

137 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216 S. 219, der als einprägsames Beispiel das sog. Ultimatumspiel nennt. 138 Eine vollständige Darstellung kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, vgl. aber z. B. die aktuelle Darstellung bei Ariely, Predictably irrational. Auch bei Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 134 ff. und Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 f. finden sich weitere Beispiele und Nachweise für verschiedene Verhaltensanomalien. 139 Grundlegend zur Verfügbarkeitsheuristik ist Kahneman/Tversky, Cogn. Psychol. 1973, 207, insbes. 207 und 209, die als erste empirisch untersuchten, wie sich die kognititve Verfügbarkeit auf die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten und Häufigkeiten auswirkt. Eine anschauliche Darstellung findet sich bei Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 148 f.; aus rechtswissenschaftlicher Sicht: Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 140 Vgl. Andreassen, Journal of Behavioral Decision Making 1990, 153, 154, der Belege dafür liefert, dass aktuelle Informationen gegenüber weiter zurückliegenden Informationen stärker gewichtet werden.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

dung,141 deren Komplexität dadurch verringert wird. Folge kann eine Überreaktion des Aktienmarktes auf die in den Medien veröffentlichten Informationen sein.142 Informationen, die eigentlich schon lange bekannt sind, können so durch eine erneute oder verspätete Veröffentlichung nochmals Eingang in die Anlageentscheidungen der Marktteilnehmer finden und diese beeinflussen, obwohl die Information eigentlich schon vom Markt verarbeitet ist. Auch kann es zu einer Fehlgewichtung von Informationen und infolgedessen zu einer Marktbeeinträchtigung kommen, wenn unwichtige Informationen veröffentlicht werden, während die Veröffentlichung wichtiger Informationen unterbleibt. Schließlich kann auch durch die generelle Auswahl, über welche Finanzmarktinstrumente berichtet wird, Einfluss auf das Anlageverhalten der Marktteilnehmer genommen werden. Damit kann es vor allem durch selektive Berichterstattung – wobei hiervon sowohl selektiv im Hinblick auf verschiedene Informationen bezüglich eines Wertpapiers als auch hinsichtlich unterschiedlicher Wertpapiere – zu Marktbeeinträchtigungen kommen. Konsequenz hieraus ist, den Medien aus Sicht des Kapitalmarktes eine Pflicht zur zeitnahen und umfassenden Berichterstattung aufzuerlegen. Gleichzeitig nimmt der Mensch die Realität nur selektiv wahr und er neigt dazu, Informationen, die nicht in seine Vorstellungen passen, zu ignorieren.143 Dies bedeutet, dass derjenige, der gerade in ein bestimmtes Wertpapier investiert hat, negativen Zeitungsberichten über dieses weit weniger Aufmerksamkeit schenken wird als positiven.144 Anleger neigen also dazu, Argumente und Informationen zu finden, die ihre ursprüngliche Anlageentscheidung rechtfertigen, auch wenn diese sich mittlerweile als „schlechtes Geschäft“ herausgestellt hat und revidiert werden könnte, was darüber hinaus mit Transaktionskosten verbunden wäre. Hieraus Maßstäbe für eine Regulierung zu ziehen, ist jedoch schwierig, da es vom Wertpapierbesitz des einzelnen Anlegers abhängt, wie er auf eine bestimmte Information reagiert. Die Formulierung einer allgemein gültigen Regel ist daher nicht möglich. b) Dispositionseffekt Eine weitere zentrale Verhaltensauffälligkeit bildet der sog. Dispositionseffekt.145 Dieser kann auf die sog. Prospect-Theorie146 zurückgeführt werden. Sie besagt, dass bei Anlegern die Tendenz besteht, verlustbehaftete Aktien ver141 Als Beispiel führt Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 149 an, dass z. B. die Gefahr eines Börsencrashs umso weniger Berücksichtigung im Rahmen der Anlegerentscheidung finde, je länger der letzte Börsencrash zurückläge. 142 Vgl. Barber/Odean, The Review of Financial Studies 2008, 785, 795. 143 Grundlegend Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 144 Goldberg/von Nitzsch, Behavioral Finance, S. 128.

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gleichsweise spät und gewinnbehaftete Aktien vergleichsweise früh zu verkaufen. Dabei bedarf es zunächst überhaupt eines Bezugspunktes, der festlegt, ob ein Wertpapiergeschäft gewinn- oder verlustbehaftet ist.147 Je nachdem, ob die Aktie im entscheidenden Zeitpunkt im Verlust- oder Gewinnbereich ist, handeln die Anleger unterschiedlich: Im Gewinnbereich sind sie deutlich weniger risikobereit als im Verlustbereich. Dies hat zur Folge, dass Informationen wiederum ganz unterschiedlich verarbeitet werden, je nachdem, ob sich die Aktie der Anleger gerade im Verlustbereich befindet oder nicht. Die Prospect-Theorie lässt sich um weitere Phänomene erweitern, von denen an dieser Stelle noch die sog. sunk cost-fallacy148 und der sog. endowment-effect149 vorgestellt werden sollen. Bei der sunk cost-fallacy150 geht es darum, dass man sich bei der Frage, ob ein bestimmtes Geschäft getätigt werden soll, unter rationalen Gesichtspunkten nicht daran orientieren darf, wie viel man bereits ausgegeben hat. Trotzdem ist dies immer wieder zu beobachten.151 Eng hiermit verbunden ist schließlich der endowment-effect, der besagt, dass Menschen dazu neigen, das, was sie bereits besitzen, höher einzuschätzen als das, was sie (noch) nicht haben.152 Da auch hier die Reaktion eines Anlegers auf eine bestimmte Information von seinem

145 Der Dispositionseffekt geht zurück auf Shefrin/Statman, The Journal of Finance 1985, 777, 778. Anschaulich hierzu Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 152 ff. 146 Die Prospect-Theorie geht auf Kahneman und Tversky zurück (Kahneman/ Tversky, Econometrica 1979, 263), die in wichtigen Punkten Abweichungen vom üblichen Erwartungsnutzenmodell festgestellt haben. Sie stellten z. B. eine Gewinn-Verlust-Asymmetrie fest, d.h. ein bestimmtes Geschäft wird in Relation zu einem bestimmten Referenzpunkt gesehen, wobei im Gewinnbereich risikoscheues und im Verlustbereich risikofreudiges Verhalten zu beobachten ist. Die Prospect-Theorie geht also davon aus, dass die Menschen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen in den Kategorien von Verlusten und Gewinnen relativ zu einem grundsätzlich frei bestimmbaren Ausgangswert erfassen (a. a. O. S. 277). 147 Beispiel: Wer eine Aktie für 100 Euro gekauft hat, für den liegt der Wert der Aktie, wenn dieser 105 Euro beträgt, im Gewinnbereich. Wurde die Aktie dagegen für 110 Euro gekauft, handelt es sich zu diesem Zeitpunkt um ein Verlustgeschäft. Das Festsetzen dieses Bezuges wird auch Anchoring (dt.: Verankerung) genannt. 148 Dt.: Durchhalteeffekt. 149 Dt.: Besitzeffekt. 150 Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 1998, 1471, 1482 f., 1492 f. 151 Goldberg/von Nitzsch, Behavioral Finance, S. 94 f. bringen das Beispiel eines Studenten, der sein Auto für 1000 Euro reparieren lässt. Kurz darauf hat das Auto einen Getriebeschaden, der weitere 200 Euro Reparaturkosten verursacht. Damit die ersten 1000 Euro nicht umsonst waren, entschließt sich der Student auch noch zu der zweiten Reparatur, obwohl diese eigentlich wirtschaftlich unsinnig ist, weil das Auto gar nicht mehr so viel wert ist. 152 Der Begriff geht zurück auf Thaler, J. of Econ. Behav. & Org. 1980, 39, 43 ff.; siehe aus der umfangreichen Literatur zum endowment effect z. B. Kahneman/ Knetsch/Thaler, J. of Econ. Persp. 1991, 193, 194 ff. und Kahneman/Knetsch/Thaler, Journal of Political Economy 1990, 1325 jeweils m.w.Nw.

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individuellen Wertpapierbesitz abhängt, lassen sich hieraus keine allgemeinen Kriterien für eine Regulierung von Wirtschaftsjournalismus formulieren. c) Herdenverhalten In diesem Bereich geht es um die Interaktion vieler Anleger im Informationsund Entscheidungsprozess. Grundannahme ist zunächst, dass nicht alle Anleger über die gleichen Informationen verfügen, sondern dass manche Anleger einen Informationsvorsprung haben. Dies führt dazu, dass andere Anleger von diesem Informationsvorsprung profitieren wollen und infolgedessen ihr Verhalten – bewusst oder unbewusst – an dem Verhalten der besser informierten Anleger ausrichten, in der Hoffnung, an deren Informationsvorsprung teilhaben zu können.153 Dieser interaktive Prozess kann zu einem gleichgerichteten Verhalten, genauer gesagt einem aufeinander bezogenen Verhalten, dem sog. Herdenverhalten, führen.154 Ein solches Herdenverhalten kann durch Wirtschaftsjournalismus auf zweierlei Weise hervorgerufen bzw. begünstigt werden. Zunächst dadurch, dass die Anleger blindlings dem folgen, was ihnen in den Medien vorgemacht wird und darüber hinaus, indem Anleger, die selbst keine Finanzmedien konsumieren, den Anlegern folgen, die sich von den Medien beeinflussen lassen. Dadurch wird die Wirkung der Medien nochmals verstärkt. Somit kann es auch auf diese Weise zu einer Überreaktion des Marktes kommen, wobei es jedoch schwierig ist, hieraus konkrete Vorgaben für eine Regulierung zu entwickeln, ohne Medienberichterstattung als solche zu verhindern, was im Hinblick auf eine umfassende Information der Marktteilnehmer gerade nicht im Interesse des Marktes ist. Als Erkenntnis bleibt jedoch festzuhalten: Zum einen wird der tatsächlich große Einfluss der Medien bestätigt, woraus sich zum anderen ergibt, dass das Entscheidende die Information als solche ist.

153 Vgl. Menkhoff/Röckemann, ZfB 1994, 277, 282 f., die u. a. das Phänomen des „gruppen-interaktiven Verhaltens“ beschreiben. In jüngerer Zeit wurden jedoch auch kritische Stimmen im Hinblick auf das Phänomen des Herdenverhaltens laut. Generell lässt sich sagen, dass Herdenverhalten sehr schwer nachzuweisen ist, da man den Kenntnisstand der einzelnen Akteure und deren Handlungsmotivation häufig nicht nachprüfen kann. Drehmann, Oechssler und Roider (Drehmann/Oechssler/Roider, Am. Econ. Rev. 2005, 1403) haben ein Experiment durchgeführt, im Rahmen dessen über 6000 Teilnehmer mit unterschiedlichen Wertpapieren handeln konnten. In dieser Studien nun wurde festgestellt, dass sich die Teilnehmer in der Regel primär von ihren eigenen Informationen und nicht von den Anlageentscheidungen der Anderen beeinflussen ließen. Häufig entschieden sich die Teilnehmer sogar bewusst dafür, einen bestehenden Trend zu brechen und trugen dadurch zur Kursstabilisierung bei (a. a. O., S. 1423). 154 Dazu, dass ein solches Verhalten bisweilen auch rational sein kann Devenow/ Welch, European Economic Review 1996, 603 m.w.Nw.

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d) Bewertung Der Schwerpunkt der Verhaltensökonomik liegt auf der Beschreibung solcher Verhaltensanomalien. Dabei trifft sie verschiedene Aussagen zur Informationsverarbeitung der Marktteilnehmer, wobei sich die einzelnen Beobachtungen sogar teilweise widersprechen.155 Das Ziel, einen neuen theoretischen Ansatz vorzugeben und damit die ECMH zu überwinden, ist bislang nicht erreicht.156 Dennoch liefert die Verhaltensökonomik in gewissem Umfang Maßstäbe für eine Regulierung, wobei bei der entscheidenden Frage der Abgrenzung von Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung nur die Verfügbarkeitsheuristik klare Kriterien bereitstellt. Festzuhalten ist jedoch, ebenso wie bei der ECMH, dass im Zentrum regulatorischer Tätigkeit die Information als solche stehen muss, da diese für die Anlageentscheidung des Einzelnen von zentraler Bedeutung ist. Insgesamt liegt der Erkenntnisgewinn also, ebenso wie der der ECMH, eher in einer Relativierung der Bedeutung ökonomischer Theorien157, zumal die Beeinflussung als solche sich bereits zweifelsfrei aus den empirischen Untersuchungen ergibt. II. Medienwissenschaften Die Medienwissenschaften stehen noch am Anfang ihrer Forschung zur Problematik der Marktbeeinträchtigung durch Medienberichterstattung. Bisher hat sich die Forschung vor allem darauf beschränkt herauszustellen, was Grundlage der Veröffentlichungen in den Medien ist. Dabei wurde zum einen Forschung dazu durchführt, wie sich Unternehmens-PR auf Presseinhalte auswirkt.158 Zum anderen hat man sich dem Eingang von Analystenaussagen in die Medien und deren „Trefferquote“ gewidmet.159 Schließlich gibt es Forschung dazu, welche Bedeutung Wirtschaftsmedien für Anlageentscheidungen haben. Hierbei ist beispielsweise die Studie des Calwer Instituts für Verbraucherjournalismus aus dem 155 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 136 nennt diesbezüglich als Beispiel den Umgang mit niedrigen Wahrscheinlichkeiten, wo zum einen die Neigung bestehe, diese überzugewichten und zum anderen diese bei der Entscheidungsfindung völlig auszublenden; siehe auch Schmies, in: Engel/Englerth/Lüdemann/ Spiecker genannt Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, S. 165, 172 f. 156 So auch Lüdemann, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker genannt Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, S. 7, 22 f., der es mit den zu unterschiedlichen und facettenreichen Erscheinungsformen beschränkter Rationalität begründet, dass diese sich bisher nicht auf einen gemeinsamen theoretischen Nenner bringen ließen. Allenfalls die sog. Prospect-Theorie könne eine eigenständige Theorie bilden. 157 Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 153 f. mit Hinweis darauf, dass dies gar nicht oder nur ungern zur Kenntnis genommen werde. 158 Siehe hierzu den knappen Überblick in Fn. 71. 159 Siehe hierzu z. B. die Studien von Medien Tenor und Schuster oben in Kapitel 2 A. II. 2. und 3.

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Jahre 2007 zu nennen, die festgestellt hat, dass Wirtschaftsjournalismus von ganz entscheidender Bedeutung für die individuelle Anlageentscheidung privater Kleinanleger ist.160 Was bislang jedoch noch nicht untersucht wurde, ist die Frage, wann eine Beeinflussung der Wertpapierkurse durch die Medien erwünscht ist und wann nicht. Vielmehr wird häufig eine Beeinflussung von vornherein als negativ kritisiert, ohne zu hinterfragen, ob eine mögliche Wertpapierkursreaktion nicht im Sinne des Kapitalmarktes sei, indem kursrelevante Informationen einem breiten Anlegerpublikum zugänglich gemacht werden und so in den Kurs eingehen. Die Aussage Schusters, dass „die tatsächliche Qualität der Beziehungen von Märkten und Medien längst nicht geklärt“ sei und die „Wechselbeziehungen von Märkten und Medien (. . .) von diesem Fach bislang nicht untersucht“ würden161, bringt den aktuellen Forschungsstand auf den Punkt und macht deutlich, dass derzeit von Seiten der Medienwissenschaften keine klaren Vorgaben für ein Regulierungsmodell zu erwarten sind.

C. Normative Vorgaben des allgemeinen Kapitalmarktrechts Da sich die Regulierung von Wirtschaftsjournalismus in die allgemeine Kapitalmarktregulierung einfügen soll, genauer gesagt einen Sonderfall aus dem Bereich der Kapitalmarktkommunikation bildet, und sich aus den bisher angestellten Überlegungen kein umfassender Regulierungsmaßstab ergibt, erscheint es zweckmäßig, das allgemeine Kapitalmarktrecht als Ausgangspunkt für Überlegungen zu einer Regulierung speziell von Wirtschaftsjournalismus zu nehmen. Hierbei kann ergänzend immer auch auf die Erkenntnisse aus den empirischen Untersuchungen und theoretischen Überlegungen aus dem vorangehenden Teil B. zurückgegriffen werden kann.162 I. Information als zentraler Regulierungsansatz 1. Generelle Bedeutung der Information Im Zentrum kapitalmarktrechtlicher regulatorischer Tätigkeit steht die Information der Marktteilnehmer163 mit dem Ziel, bestehende Informationsasym160

Siehe hierzu die Einleitung und die Fn. 10, 11, 12. Schuster, Märkte und Medien, S. 53. 162 Dabei sollen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen an dieser Stelle nur kurz aufgezeigt werden, eine ausführliche Darstellung folgt dann im zweiten Teil der Arbeit in Kapitel 4 A. 163 Siehe zum Begriff der Information und zur Unterscheidung zwischen harter und weicher Information oben unter I. 1. und Fn. 115. Die zentrale Rolle der Information wird sowohl durch die empirischen als auch die theoretischen Untersuchungen ge161

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metrien, wie sie für einen Markt für Vertrauensgüter wie den Kapitalmarkt typisch sind,164 auszugleichen.165 Daneben sind auch andere Regulierungsansätze denkbar, im Rahmen dieser Untersuchung können sie jedoch unberücksichtigt bleiben.166 Entscheidend ist nun, welche inhaltlichen Anforderungen an die Information im Einzelnen zu stellen sind. Dabei erscheint es als Ausgangspunkt sinnvoll, anknüpfend an die zuvor dargestellten Erkenntnisse, nur die Verbreitung solcher Informationen zu stärken, die dazu führt, dass der tatsächliche Kurs sich dem wahren Wert des Wertpapiers annähert. Zu einer solchen Annäherung kommt es in aller Regel dann, wenn es sich um inhaltlich richtige Informationen handelt. Dies zu bestimmen, bringt insbesondere für weiche Informationen gewisse Schwierigkeiten mit sich. Daher soll der Maßstab für diese im Anschluss an den Maßstab für die harten Informationen gesondert dargestellt werden. Für beide gleich ist jedoch der Beurteilungsmaßstab, welcher sich aus einem einheitlichen objektiven Empfängerhorizont ergibt.167 stützt, siehe hierzu bereits oben unter A. und B. Vgl. auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 308 und Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 90: „Zu verhindern gilt es in jedem Fall fehlende, falsche und ungleiche Informationen“, der außerdem einen Trend von der Regulierung der Sache hin zur Regulierung der Information feststellt. Die besondere Bedeutung richtiger und umfassender Kapitalmarktinformation zeigt sich beispielhaft auch in den Bemühungen der Regierungskommission „Corporate Governance“ zur Einführung eines allgemeinen Haftungstatbestandes für fehlerhafte Kapitalmarktinformation, welche 2004 in einen Entwurf für ein Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG, erster Entwurf v. 16.8.2004 [unveröffentlicht] und zweiter Entwurf v. 7.10.2004, abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff.) mündeten. Zu einer Umsetzung dieses Entwurfes kam es jedoch nicht. Siehe zum Ganzen die Darstellung von Sethe, in: Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, c Rn. 24 ff. Bereits im Rahmen des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes (Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland v. 21.6.2002, BGBl. I, 2010) eingeführt worden waren die §§ 37b, c WpHG, welche zumindest in einem begrenzten Anwendungsbereich einen Schadensersatzanspruch wegen falscher und unterlassener Kapitalmarktinformation enthalten. 164 Vgl. Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, Einl. Rn. 17. 165 Dabei geht eine Mindermeinung davon aus, dass sich die Informationsasymmetrien insbes. durch sog. Arbitrage-Geschäfte selbst aufheben und daher auch eine Kapitalmarktregulierung ablehnt, vgl. hierzu Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, Einl. Rn. 20; siehe außerdem bereits Fn. 105. 166 So gibt es z. B. bestimmte besonders riskante Finanzprodukte, die nicht im öffentlichen Handel zugelassen sind, vgl. Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 261. Dies kann jedoch aus zweierlei Gründen vernachlässig werden: Zum einen bewegt sich das Recht immer mehr in die Richtung, auch solche Produkte zuzulassen und verstärkt auf Information zu setzen und zum anderen, und das ist das Entscheidende, spielt dieser Bereich als Vorbild für die Regulierung von Finanzjournalismus keine Rolle, weil dieser sich ja gerade an Anleger richtet, die im öffentlichen Handel aktiv werden. 167 Vgl. Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 125 zu Ad-hoc-Mitteilungen. M. E. kann dieser Maßstab aber auf jede an die Allgemeinheit gerichtete Information übertragen werden.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

2. Maßstab zur Bewertung harter Informationen Harte Informationen sind zunächst einmal dann nicht richtig, wenn sie im Widerspruch zu tatsächlichen Gegebenheiten stehen bzw. von tatsächlichen Verhältnissen abweichen, also unwahr sind.168 Darüber hinaus kann sich die Unrichtigkeit aber auch daraus ergeben, dass Tatsachenteile weggelassen werden, deren Berücksichtigung zu einer anderen Gesamtaussage führen würde und sich infolgedessen ein unvollständiges Gesamtbild ergibt.169 Schließlich schaden auch solche Informationen dem Kapitalmarkt, die zwar objektiv richtig sein mögen, vom Empfänger der Information aber anders wahrgenommen werden, bei diesem also falsche Vorstellungen über die Wirklichkeit hervorrufen und so die gleiche Wirkung wie objektiv unrichtige Informationen haben.170 Der relevante Zeitpunkt ist dabei zunächst der der Veröffentlichung.171 Wenn sich diese Tatsachen später verändern, dann führt das nicht dazu, dass die Information unrichtig wird, sondern sie ist lediglich überholt.172 3. Maßstab zur Bewertung weicher Informationen Schwieriger ist es, wenn es um einen Maßstab für weiche Informationen geht, da für diese kein objektives Richtigkeitskriterium besteht und sie nicht im

168 Vgl. Sethe, in: Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, c Rn. 56. Zum Begriff der Unwahrheit außerdem Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 127, bei dem sich die Unwahrheit aus der Unrichtigkeit und der Unvollständigkeit zusammensetzt; vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89. Der Emittentenleitfaden, laut BaFin „Ergebnis einer umfassenden Konsultation mit zahlreichen Verbänden und Unternehmen“, soll „den Emittenten praxisnahe Hilfe bei Anwendungs- und Auslegungsfragen bieten“, http://www.bafin.de/cln_109/nn_722552/SharedDocs/Mitteilungen/DE/Service/ PM__2005/pm__050720__emittleitver_C3_B6ff.html?__nnn=true (besucht am 10.7. 2009). Er enthält Erläuterungen zu den Verboten des Insiderhandels und der Marktmanipulation sowie zu Ad-hoc-Publizität, Directors’ Dealings und zur Führung von Insiderverzeichnissen. Rechtlich gesehen handelt es sich beim Emittentenleitfaden weder um ein Gesetz noch um eine Rechtsverordnung, sondern vielmehr um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, deren Verbindlichkeit sich erst durch jahrelange Übung ergeben kann. Insbes. Gerichte sind also nicht an die dort vorgeschlagene Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale gebunden, vgl. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 729 f.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 26. 169 Vgl. Sethe, in: Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, c, Rn. 56; Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 128. Als Beispiel führen sie an, dass eine Steigerung der Erträge gemeldet werde ohne den Hinweis, dass eine Veräußerung von Unternehmensanteilen stattgefunden habe; vgl. außerdem BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89. 170 Vgl. zum Merkmal der Irreführung i. R.v. § 20a WpHG, BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 44. 171 Vgl. Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 133. 172 Dies ist entscheidend, da andernfalls andauernde Berichtigungspflichten entstünden.

Kap. 2: Marktbeeinflussung und Marktbeeinträchtigung

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wörtlichen Sinne unwahr sein können.173 Innerhalb der weichen Informationen lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden: Bewertungen und Prognosen.174 Als Maßstab für die Richtigkeit von Prognosen wird im Zusammenhang mit den Schadensersatzansprüchen der §§ 37b und c WpHG vertreten, dass Prognosen nicht unwahr sein könnten, sondern lediglich unvertretbar, dass die Unvertretbarkeit jedoch der Unwahrheit gleichzustellen sei.175 Aus der Feststellung allein, dass eine Information eindeutig bzw. schlechterdings unvertretbar sei, ergibt sich jedoch als solches kein Erkenntnisgewinn, sondern die Problematik verlagert sich vielmehr lediglich auf die Frage, wann Unvertretbarkeit gegeben ist. Unvertretbarkeit wird zum einen dann angenommen, wenn die Prognose auf unzureichender oder unzutreffender Tatsachenbasis getroffen wird und zum anderen, wenn die aus den Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen logisch nicht haltbar sind oder kaufmännischen Erfahrungen widersprechen.176 Gleichzeitig wird betont, dass man darüber nicht hinausgehen solle.177 Dies überzeugt insoweit, als man auch aus kapitalmarktrechtlicher Sicht nicht zu strenge Anforderungen an Prognosen und Bewertungen stellen wird, da diese schon aus der Natur der Sache mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind.178 Zu fordern ist aber, dass deutlich wird, dass es sich um eine weiche Information handelt, damit die Anleger die mit dieser Einordnung einhergehenden Unsicherheiten entsprechend gewichten und bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen können. Schließlich gilt für den Beurteilungszeitpunkt das Gleiche wie für harte Informationen: entscheidend ist der Zeitpunkt der Äußerung, ex-post-Beurteilungen sind unzulässig.179

173

Vgl. Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 132. Der Unterschied äußert sich vor allem darin, dass Bewertungen von einer Beurteilung der gegenwärtigen Situation geprägt sind und keine Aussage bezüglich einer zukünftigen Entwicklung treffen, während Prognosen sich gerade auf die Zukunft beziehen und sich daher im Nachhinein als unzutreffend herausstellen können. Für ihre Bewertung bzw. Einordnung als fehlerhaft ergeben sich hieraus aber keine Unterschiede. 175 So im Zusammenhang mit dem Verbot der Marktmanipulation Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 43; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89. 176 Hier stellt sich jedoch sogleich die Frage, wann etwas kaufmännischen Erfahrungen widerspricht. Denn gerade bei der Beurteilung oder gar Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklungen bestehen große Unsicherheiten. 177 Nietsch, BB 2005, 785, 788, der betont, dass auch die nunmehrige Einbeziehung von Prognosen nichts daran ändere, dass grundsätzlich nur Tatsachen einer Feststellung als richtig oder falsch zugänglich seien und es darüber hinaus nicht darum gehe, den Anleger für nicht in Erfüllung gegangene Prognosen zu entschädigen, sondern „wegen der Investitionsentscheidung auf einer falschen (. . .) Tatsachengrundlage, welche die wertende Schlussfolgerung zuließ, die Vorhersage werde eintreten“. 178 Vgl. auch Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 1984, 549, 562. 179 Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 133. 174

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

II. Gesetzliche Ausgestaltung Diesem Streben nach umfassender und richtiger Information ist der Gesetzgeber durch die Einführung zahlreicher Informationspflichten nachgekommen, die sich vornehmlich an die Emittenten von Wertpapieren richten, da diese über den entsprechenden Informationsvorsprung verfügen.180 Daneben existieren aber auch Vorschriften, die sich an alle Marktteilnehmer richten. Zu nennen ist hier zunächst das generelle Verbot der Marktmanipulation gem. § 20a WpHG, welches auch die informationsgestützte Manipulation erfasst und im Rahmen dieser insbesondere eine Verfälschung des Marktpreises durch falsche oder irreführende Informationen verhindern will.181 Generell schwer tut sich das Kapitalmarktrecht mit dem Problem der Überreaktionen des Marktes auf richtige Informationen. Hier wurde mit der Vorschrift des § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 MaKonV182 erstmals der Versuch einer Regelung gewagt, die vor allem die Fälle des sog. Scalpings erfassen soll. Des Weiteren kommt auch dem Insiderhandelsverbot gem. §§ 12 ff. WpHG insbesondere im Hinblick auf die Weitergabe von Insiderinformationen Bedeutung zu, wobei bei diesem weniger die unmittelbare Marktpreisbildung durch Informationen als die informationelle Chancengleichheit und damit das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt im Mittelpunkt steht.183 Gleichzeitig hat sich das Kapitalmarktrecht der in den letzten Jahren stetig gewachsenen Bedeutung der sog. Informationsintermediäre184 angepasst,185 die den Anlegern bei der Bewältigung der Vielzahl und Komplexität von Informationen helfen sollen. Auch hierbei steht die Vollständigkeit und Richtigkeit der verbreiteten Informationen im Vordergrund. In diesem Bereich, in dem weiche 180 Dieser Bereich ist für die vorliegende Untersuchung von untergeordneter Bedeutung und soll daher vernachlässigt werden. Zu nennen wären hier beispielsweise die Herstellung von Transparenz, der Prospektzwang, die Rechnungslegung oder die Adhoc-Publizität. Schmies, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker genannt Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, S. 165, 175 f. weist darauf hin, dass sich das Kapitalmarktrecht in aller Regel hinsichtlich der Information der Anleger darauf beschränke, die Bereitstellung von Informationen anzuordnen, da die auf Seiten der Anleger erforderliche Aufnahme und Verarbeitung dieser Informationen häufig vergessen werde. 181 Zum Verbot der Marktmanipulation unten in Kapitel 4 A. I. 182 Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) v. 1.3.2005 (BGBl. I, 515). 183 Zum Insiderhandelsverbot unten in Kapitel 4 A. III. 184 Zum Begriff des Informationsintermediärs siehe oben Einleitung A. und Fn. 9. 185 Das Kapitalmarktrecht erkennt somit die Schwächen des individuellen Informationsmodells, aufgrund derer sich Informationsintermediäre gebildet haben, und ist folgerichtig dazu übergegangen, entsprechende Regelungen zu schaffen, Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 95.

Kap. 3: Meinungs- und Pressefreiheit

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Informationen besondere Bedeutung erlangen, setzt der Gesetzgeber daneben auf Sorgfalts-, Offenlegungs- und Organisationspflichten, ein Beispiel hierfür ist § 34b WpHG.186 Kapitel 3

Meinungs- und Pressefreiheit Bisher wurde eine mögliche Regulierung des Wirtschaftsjournalismus ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines funktionierenden Kapitalmarktes betrachtet. Insbesondere wurden auch die Maßstäbe, die das deutsche Kapitalmarktrecht für die Regulierung liefert, allein aus Sicht des Kapitalmarktes beschrieben. Wenn es nun um eine Anwendung dieser Grundsätze auf Wirtschaftsjournalismus geht, dann kann diese jedoch nicht losgelöst von den grundrechtlichen Vorgaben erfolgen, die sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene hinsichtlich des Schutzes von Meinungs- und Pressefreiheit ergeben. Nach einer Darstellung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben soll daher gezeigt werden, inwieweit durch sie im Einzelfall den im zweiten Kapitel aufgezeigten Anforderungen Grenzen gesetzt werden.

A. Einführung Nicht zuletzt die Erfahrungen aus dem Dritten Reich und das durch sie geprägte Grundgesetz haben dazu geführt, dass man sich der besonderen Bedeutung eines freien und unabhängigen Journalismus für eine funktionierende Demokratie bewusst wurde und die Presse möglichst frei von staatlichem Zwang halten will.187 So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner umfangreichen Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 GG seine herausragende Bedeutung immer wieder festgestellt.188 Schon in einer seiner ersten Entscheidungen betonte es, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung „als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ sei189. Auch sei die Meinungsfreiheit für den Prozess demokratischer Willensbildung „schlechthin konstituierend“, denn sie ermögliche erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Mei186 187

Zu § 34b WpHG unten in Kapitel 4 A. II. Besonderen Ausdruck findet dies z. B. im Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3

GG. 188 Aus jüngerer Zeit zu nennen ist bspw. die Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme der Redaktionsräumen des Politikmagazins Cicero, BVerfGE 117, 244, 258. 189 BVerfGE 7, 198, 208.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

nungen, der ihr Lebenselement bilde. Und „eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfenen Presse“ sei „Wesenselement des freiheitlichen Staates“ und „für die moderne Demokratie unentbehrlich“190. Neben diese sog. Demokratiefunktion191 tritt seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die sog. Wirtschaftsfunktion192 der Medien,193 welche die besondere Bedeutung der Medien im Hinblick auf Informationen und Vorgänge wirtschaftlicher Natur erfasst und zwar sowohl im Interesse der Marktteilnehmer als auch „schlechthin unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten“194: Nicht nur im unmittelbaren Zusammenhang mit der demokratischen Willensbildung, sondern auch bezüglich wirtschaftlicher Fragestellungen und Problembereiche bedarf es der Herstellung von Öffentlichkeit und der Information des Einzelnen. Durch das Hervorrufen einer öffentlichen Debatte sollen mögliche Missstände aufgeklärt und Markttransparenz geschaffen werden.195 Daraus folgt, dass Wirtschaftsjournalismus einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz unterliegt und nicht einfach im selben Maße und in derselben Intensität wie das Verhalten anderer Wirtschaftsakteure bzw. Marktteilnehmer geregelt werden kann. Schwieriger wird es jedoch, wenn es um die genaue Ausformung und die Grenzen dieses Schutzes geht. Ist jede Form der Berichterstattung erfasst und spielt die Person des Verfassers eine Rolle? Bestehen bestimmte inhaltliche Grenzen und was ist, wenn eine klare Zuordnung beispielsweise zum redaktionellen Teil nicht möglich ist? Zur Beantwortung dieser Fragen soll daher im Folgenden eine verfassungsrechtliche Standortbestimmung versucht werden, deren Schwerpunkt auf der Ausgestaltung durch das Grundgesetz liegt. Da mittlerweile jedoch ein Großteil der Regelungen im Bereich der Kapitalmarktregulierung auf europäische Vorgaben zurückgeht, soll auch ein Blick auf den europäischen Grundrechtsschutz geworfen werden und ein Vergleich mit den Regelungen des Grundgesetzes erfolgen.

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BVerfGE 20, 162, 174; BVerfGE 52, 283, 296. Beater, Medienrecht, Rn. 35 ff. 192 Beater, Medienrecht, Rn. 37 ff.; siehe auch Fn. 969. 193 In dieser Zeit sind grundlegende Entscheidungen zur Bedeutung der Medien auch im Rahmen wirtschaftlicher Sachverhalte ergangen, siehe BGHZ 45, 296; BGH NJW 1966, 2010; BGH NJW 1967, 390. 194 BGHZ 65, 325, 332. 195 Beater weist im Zusammenhang mit der Wirtschaftsfunktion der Medien in seinem Lehrbuch (Beater, Medienrecht, Rn. 37 ff.) auf den Fall Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Consumer Council aus dem amerikanischen Recht hin, in welchem die Gerichte so weit gingen, „commercial information“ im Ansatz sogar über politische Information zu stellen: „As to the particular consumer’s interest in the free flow of commercial information, that interest may be as keen, if not keener by far, than his interest in the day’s most urgent political debate“, vgl. Blackmun J. in Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, 425 U.S. 748, 763 (1976). 191

Kap. 3: Meinungs- und Pressefreiheit

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben durch das Grundgesetz Art. 5 Abs. 1 GG bildet die zentrale verfassungsrechtliche Norm, die sowohl den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG) also auch den der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) beinhaltet. Wichtig ist, dass diese Freiheiten damit den Schutz des Individualinteresses des Einzelnen umfassen und gleichzeitig eine institutionelle Zielsetzung verfolgen.196 I. Meinungsfreiheit Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Bild und Schrift frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei ist der Begriff der Meinung weit zu verstehen, er umfasst zunächst alle Stellungnahmen, Werturteile, Einschätzungen und dergleichen. Umstritten ist hingegen, inwieweit auch Tatsachenäußerungen vom Schutz erfasst sind.197 Während Teile der Literatur mit guten Gründen davon ausgehen, dass auch Tatsachenbehauptungen geschützt seien und nur den bewusst unwahren Tatsachenäußerungen den Schutz versagen wollen,198 sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Tatsachen vom Schutz nur erfasst, wenn und soweit sie Voraussetzung für das Bilden einer Meinung sind.199 Dieser Schutz unterliegt hinsichtlich des Inhalts keiner

196 Diese institutionelle Zielsetzung – gemeint ist damit die Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen und den öffentlichen Meinungsbildungsprozess – ist vor allem bei der Frage nach Einschränkungsmöglichkeiten im Einzelfall von Bedeutung: Wenn nämlich eine Äußerung im öffentlichen Interesse erfolgt, dann spricht dies stark für die Zulässigkeit der entsprechenden Äußerung. Vgl. hierzu Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 5 ff.; aus medienrechtlicher Sicht ihm folgend Beater, Medienrecht, Rn. 87 f. 197 Grundsätzlich sind Tatsachenäußerungen solche Äußerungen, die dem Beweis zugänglich sind und daher den Kategorien wahr und unwahr zugeordnet werden können, RGZ 101, 335, 338; BGHZ 3, 270, 274; BGHZ 139, 95, 102; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfGE 94, 1, 8; ausführlich und m.w.Nw. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kapitel 4, Rn. 41 ff.; eine differenzierende Darstellung findet sich bei Rühl, AfP 2000, 17. 198 Grundlegend für diesen weiten Meinungsbegriff ist die Kommentierung Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 51–54. Als Argument für den weiten Meinungsbegriff wird z. B. angeführt, dass eine Differenzierung zwischen Meinungen und Tatsachen in der Praxis häufig nicht möglich sei, da Tatsachen die Grundlage für eine Meinungsbildung seien und Meinungen zur Bekräftigung häufig Tatsachen beigefügt würden (Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 51; siehe auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 26). Auch die Enstcheidung, ob und wie eine Tatsache präsentiert werde, enthalte bereits eine Wertung (Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 553). 199 Siehe z. B. BVerfGE 85, 1, 15; BVerfGE 90, 241, 247. Gleichzeitig wird der Begriff der Meinung sehr weit ausgelegt und auch bei der Vermischung von Tatsachen und Werturteilen wird im Zweifel die ganze Äußerung als Werturteil eingeordnet.

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thematischen Beschränkung,200 sodass auch Äußerungen aus dem Bereich der Wirtschafts- oder Finanzwelt erfasst werden. Welche Grenzen aber für den Einzelfall gelten, also insbesondere dann, wenn andere Rechtsgüter von einer Äußerung betroffen sind, hängt von einer Einzelfallabwägung der jeweils betroffenen Interessen ab.201 Dabei steht der Meinungsfreiheit das Interesse an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt gegenüber, welcher vermögenswerte Individualinteressen der Anleger und Emittenten genauso umfasst wie das Gemeinschaftsgut eines – für eine Volkswirtschaft unerlässlich – funktionierenden Kapitalmarktes.202 Bei der Frage, wie diese widerstreitenden Interessen in Einklang zu bringen sind, kommt es entscheidend darauf an, inwieweit durch die entsprechende Äußerung ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erfolgen soll, also ein öffentliches Informationsinteresse bedient wird.203 Je stärker dies der Fall ist, umso größer ist der Schutz, der einer solchen Äußerung zukommt. Werden hingegen vorwiegend private Ziele verfolgt, dann sind die entsprechenden Äußerungen auch Einschränkungen leichter zugänglich und genießen einen geringeren Schutz. Außerdem spielt es für die Zulässigkeit einer Äußerung eine Rolle, inwieweit in Rechte Dritter eingegriffen wird.204

200 Andernfalls wird ein „staatliches Meinungsrichtertum“ befürchtet, Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 62. Es ist für die Bestimmung des Schutzbereiches also ohne Bedeutung, ob sich die Äußerung auf öffentliche oder private Angelegenheiten bezieht, Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 22. 201 Art. 5 Abs. 1 GG steht unter dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Abs. 2 und kann also insbes. durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden; zu den Schranken von Art. 5 Abs. 1 GG siehe die ausführlichen Darstellungen z. B. bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 135 ff. und Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 67 ff.). Im Rahmen der Wechselwirkungslehre (dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 158 ff.) kommt es aber dann wieder zu einer Einschränkung des einschränkenden Gesetzes. Hierbei ist umstritten, ob es sich dabei um eine abstrakte Güterabwägung handelt (so z. B. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 260 unter Berufung auf die Rechtssicherheit) oder um eine konkrete (so insbes. die Rspr. des BVerfG, z. B. BVerfGE 21, 239, 243 f. und BVerfGE 24, 278, 282. 202 Siehe hierzu Kapitel 1. Insbes. geht es also um von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsgüter. Zur unterschiedlichen Gewichtung von Individual- und Gemeinschaftsgütern in der Abwägung siehe Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 268 ff. 203 Geht es nicht um eigene Interessen wirtschaftlicher Art, sondern um wirtschaftliche Belange der Allgemeinheit, dann spreche dies für einen Schutz aus Art. 5 Abs. 1 GG, BVerfGE 62, 230, 244. Dabei setzt das BVerfG teilweise strengere Maßstäbe als die Literatur: So vertritt Wendt, dass auch bei einer privaten Auseinandersetzung der Kernbereich der Meinungsfreiheit betroffen sein könne (Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 2), während das BVerfG in solchen Fällen grundsätzlich von einem niedrigeren Schutzniveau ausgeht, da kein Beitrag zum „geistigen Meinungskampf in einer der Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ geleistet werde, vgl. BVerfGE 61, 1, 11. 204 Siehe zum Einfluss der Meinungs- und Pressefreiheit auf zivilrechtliche Schadensersatzansprüche unten in Kapitel 6 B. I. 5. b) bb).

Kap. 3: Meinungs- und Pressefreiheit

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II. Pressefreiheit Art 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG gewährleistet die Pressefreiheit. Der Begriff der Presse ist im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes weit zu verstehen.205 Ihm unterfallen alle Druckerzeugnisse, die zur Verbreitung an die Allgemeinheit bestimmt sind.206 Die Pressefreiheit ist nicht Spezialgrundrecht für gedruckte Meinungen und auch nicht bloße Wiederholung der Meinungsfreiheit für die Presse. Vielmehr geht es um „die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung“207 Erfasst werden grundsätzlich Meinungsäußerungen208 genauso wie reine Berichterstattung über Tatsachen.209 Von diesem Schutz erfasst wird der gesamte Inhalt des Presseerzeugnisses, also insbesondere auch der Anzeigenteil210 und sämtliche Artikel unabhängig von der Person des Verfassers. Insbesondere ist es auch unerheblich, ob es sich bei dem Verfasser des Artikels um einen hauptberuflichen Journalisten oder eine sonstige Person handelt.211 Auch im Rahmen der Pressefreiheit wird auf der Ebene des Schutzbereichs nicht danach differenziert, worum es in dem Zeitungsartikel inhaltlich geht.212 Der Inhalt spielt entsprechend der Meinungsfreiheit erst im Kollisionsfall mit anderen Rechtsgütern eine Rolle.213 Da die Pressefreiheit genau wie die Meinungsfreiheit der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt, gilt hinsichtlich der Einschränkbarkeit und der erforderlichen Abwägung zunächst das zur Meinungsfreiheit Gesagte entsprechend. Ein Unterschied besteht jedoch im Ausgangspunkt der Abwägung: Bei der Presse wird davon ausgegangen, dass sie im Regelfall über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und im Rahmen des 205

Statt aller Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59 ff. BVerfGE 95, 28, 35; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 89; Kunig, Jura 1995, 589, 590f. 207 BVerfGE 85, 1, 12. 208 Ob die Meinungsäußerung als solche dagegen nicht dem Schutz der Pressefreiheit, sondern vielmehr dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfällt, wird sogleich unter III. erörtert. 209 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 134. Anders als bei Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, bei dem immer noch umstritten ist, ob nun reine Tatsachenmitteilungen davon erfasst werden sollen oder nicht (siehe oben unter I.), hat es eine solche Diskussion im Rahmen des Schutzumfangs der Pressefreiheit nie gegeben. So ist z. B. das Abdrucken von Börsentabellen unstreitig vom Schutz der Pressefreiheit erfasst, vgl. Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 3. 210 BVerfGE 21, 272, 278; BVerfGE 64, 108, 114. 211 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 162. Da die Rspr. den Inhalt als solchen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst ansieht, wird gerade bei Beiträgen Außenstehender die Meinungsfreiheit als das einschlägige Grundrecht erachtet (zur Abgrenzung von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit siehe unten unter III.). 212 Bullinger, § 142 Rn. 16 f.: „Pressefreiheit und allgemeine Freiheit der Meinungsäußerung decken sich so im formal verstandenen Schutz aller Gedankeninhalte.“ 213 Vgl. Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 31. 206

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öffentlichen Interesses berichtet. Äußerungen der Presse liegen also in ihrem Ausgangspunkt näher an einem öffentlichen Informationsinteresse als private Äußerungen.214 III. Abgrenzung von Meinungs- und Pressefreiheit Der Klärung bedarf nun noch die Frage nach dem Verhältnis von Meinungsund Pressefreiheit. Klar ist, dass die Pressefreiheit mehr ist als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit.215 Umstritten ist hingegen, wodurch in der Presse getätigte Meinungsäußerungen geschützt sind. Während das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass die gedruckte Meinungsäußerung als solche von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG geschützt werde und Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG nur dann einschlägig sei, wenn es um die Bedeutung der Presse für die freie und öffentliche Meinungsbildung gehe, d.h. „um die Schaffung von Umständen, damit die Presse ihre Aufgabe im Kommunikationsprozess erfüllen kann“,216 vertreten weite Teile der Literatur217, dass die Pressefreiheit im Falle gedruckter Meinungsäußerungen Spezialgrundrecht zur Meinungsfreiheit sei und sich der Schutz in diesen Fällen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GG ergebe. Im Ergebnis handelt es sich hierbei jedoch um eine Diskussion eher theoretischer Bedeutung,218 da die Schranken beider Grundrechte die gleichen sind und für den im Einzelfall garantierten Schutzumfang nicht die Zuordnung zu dem einen oder anderen entscheidend ist, sondern vielmehr eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des öffentlichen Informationsinteresses erfolgen muss. IV. Umfang des Schutzes der einzelnen Beitragsformen Zentrales Kriterium für die Bestimmung des jeweiligen Schutzumfangs ist, inwieweit ein Beitrag dem öffentlichen Informationsinteresse dient, was grundsätzlich durch jede Form der Berichterstattung und sogar durch Werbeanzeigen möglich ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit staatlicher Entscheidungen219 sollten die verschiedenen Inhalte jedoch abstrakt hin214 So auch BVerfGE 20, 162, 177: „Diese Grundsätze (. . .) gewinnen hier sogar besondere Bedeutung, da Äußerungen in der Presse in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen wollen (. . .)“; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 267. 215 BVerfGE 10, 118, 121. 216 BVerfGE 85, 1, 12; BVerfGE 86, 122,128. 217 Siehe nur Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 153 ff.; Bethge, in: Sachs, Art. 5 GG, Rn. 89. 218 Bethge, in: Sachs, Art. 5 GG, Rn. 89; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 153, 154a. 219 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 260.

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sichtlich ihres Verhältnisses zum öffentlichen Informationsinteresse strukturiert werden, wobei es immer auch möglich sein muss, im Einzelfall zu einer anderen Beurteilung zu kommen. 1. Herkömmliche redaktionelle Veröffentlichungen Herkömmliche redaktionelle Veröffentlichungen, die von fest angestellten oder freien Journalisten bzw. Redakteuren verfasst werden, dienen grundsätzlich dem öffentlichen Informationsinteresse und unterliegen daher einem besonderen Schutz. Insbesondere ist der Schutz höher als der eines Einzelnen, wenn dieser sich in gleicher Weise äußern würde.220 Etwas anderes gilt dann, wenn eine Berichterstattung rein durch private wirtschaftliche Interessen des Redakteurs motiviert ist, beispielsweise, weil dieser selbst im Besitz bestimmter Wertpapiere ist. An solchen Beiträgen besteht grundsätzlich nur ein sehr eingeschränktes öffentliches Informationsinteresse, sodass in Bezug auf solche Beiträge eine Einschränkung der Pressefreiheit aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist. Diese Einschränkung des Schutzes gilt für alle Formen der Berichterstattung gleichermaßen. 2. Gastbeiträge Weniger eindeutig ist der Schutzumfang für sog. Gastbeiträge.221 Dabei handelt es sich um Artikel von Personen, die hauptberuflich anderen Tätigkeiten nachgehen und die aufgrund ihres besonderen Fachwissens einen Beitrag oder Kommentar in einer Zeitung verfassen. Diese Artikel erscheinen weder wie Leserbriefe in einer gesonderten Kategorie noch unterliegen sie wie Werbung einer besonderen einheitlichen Kennzeichnung, sondern sind in aller Regel schlicht in den redaktionellen Teil eingegliedert.222 Ihre Verfasser sind häufig Mitarbeiter 220

Siehe hierzu die Nachweise in Fn. 214. Gerade in den Wirtschafts- und Finanzmarktteilen bzw. reinen Wirtschaftszeitungen sind Gastbeiträge verbreitet. Siehe zu der Häufigkeit von Gastbeiträgen in der F.A.Z. bereits die Nachweise in Fn. 20. In der Financial Times Deutschland erscheinen nach eigenen Angaben mehr oder weniger täglich sog. Gastkommentare, jedoch räumlich getrennt immer auf der linken der beiden Kommentarseiten. In der Welt erscheinen ebenfalls regelmäßig verschiedene Beiträge sog. Gastautoren, wobei immer Name und Beruf am Ende des Gastbeitrags genannt werden. Dagegen enthalte das Handelsblatt „im Prinzip keine Gastbeiträge“ (so der stellvertretende Chefredakteur und Ressortleiter in einer E-Mail an die Verfasserin), einzige tägliche Ausnahme sei unten auf der Meinungsseite der Beitrag eines namhaften Gastautors. In Extra-Beilagen, etwa zu Derivaten oder zur Mittelstandsfinanzierung, lautet die Faustregel des Handelsblatts: ein Drittel Redakteurstexte, ein Drittel Texte von freien Journalisten, maximal ein Drittel Texte von Gastautoren. 222 Von herkömmlichen redaktionellen Beiträgen unterscheiden sie sich jedoch dadurch, dass die Verfasser gerade in dem Bereich, über den sie berichten bzw. in dem 221

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großer Unternehmen oder Banken, Wirtschaftsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder ähnliches. D.h., sie unterliegen ihren Arbeit- oder Auftraggebern gegenüber vertraglichen Verpflichtungen, und sie kommen gerade aufgrund dieser besonderen Position zu Wort. Dadurch, dass sie diesen vertraglichen Verpflichtungen unterliegen, können sie sich nicht frei äußern223 und sie verfolgen gleichzeitig auch immer private Zwecke. Das öffentliche Informationsinteresse tritt daher bei diesen Personen in den Hintergrund, sodass ihre Artikel Einschränkungen leichter zugänglich sind als Artikel unabhängiger Personen. Anders verhält es sich mit Beiträgen unabhängiger Personen, die bei ihren Äußerungen keinerlei vertraglichen Verpflichtungen unterliegen und in diesen völlig frei sind. Ein Beispiel hierfür ist der Artikel eines Wissenschaftlers einer Universität oder einer anderen unabhängigen Institution. Diese Artikel fallen daher nicht unter das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Gastbeiträgen, sondern sind vielmehr dem Bereich der Artikel freier Journalisten zuzuordnen und wie diese zu behandeln. 3. Leserbriefe Eine weitere Form des Artikels im weitesten Sinne sind Leserbriefe.224 Diese sind in aller Regel auf einer speziellen Seite zusammengefasst und als solche gekennzeichnet. Außerdem erfolgt eine Distanzierung der Redaktion von den in den Leserbriefen geäußerten Inhalten.225 Somit steht bei Leserbriefen die Individualäußerung im Vordergrund. Dennoch wird sich derjenige, der den Lesersie als Experte fungieren, anderen vertraglichen Verpflichtungen ausgesetzt sind, sie also z. B. Anwalt einer Wirtschaftskanzlei oder Analyst einer Bank sind. 223 In seinem Urteil zu den Äußerungen Breuers vom Januar 2002 über die Kreditwürdigkeit der KirchMedia (siehe dazu oben unter A. I. 1.) hat der BGH angenommen, dass sich Breuer im Hinblick auf seine Äußerungen nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne, da sich aus dem Darlehensvertrag mit der Printbeteiligungs-GmbH die Pflicht ergebe, weder durch Tatsachen- noch durch Meinungsäußerungen die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu gefährden. Seinem Vertragspartner gegenüber könne man sich also nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Übertragen auf die Verfasser von Gastbeiträgen bedeutet dies, dass sich diese ihrem Kunden bzw. Mandanten gegenüber nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen können. Dies hat zwar nicht zur unmittelbaren Folge, dass ihre Zeitungsartikel ebenfalls nicht vom vollen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst werden, nichtsdestoweniger wird hierdurch deutlich, dass es sich bei den Gastbeiträgen nicht um völlig „freie“ Artikel handelt, die nur im Dienste des öffentlichen Informationsinteresses stehen, sondern dass hier in aller Regel auch private Ziele verfolgt werden, weil entsprechende vertragliche Verpflichtungen bestehen. 224 Zum Schutz der Meinungsfreiheit für den Leserbrief siehe BVerfGE 28, 55, 64 und BVerfG NJW 1991, 3023, 3024; ebenfalls könnte man vertreten, dass auch der Leserbrief den Schutz der Pressefreiheit unterfalle, vgl. oben unter II.; zur fehlenden praktischen Relevanz dieser Differenzierung oben unter III. 225 In der F.A.Z. steht keine ausdrückliche Distanzierung vom Inhalt der Leserbriefe, die Leserbriefe sind aber mit „Briefe an die Herausgeber“ überschrieben, siehe z. B. F.A.Z. v. 19.1.2009, Nr. 15, S. 7.

Kap. 3: Meinungs- und Pressefreiheit

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brief schreibt, in aller Regel auf ein öffentliches Informationsinteresse als Motivation für seine Äußerungen berufen und genau aus diesem Grund eine Veröffentlichung seiner Aussagen in einer Zeitung anstreben, sodass das Schutzniveau wohl dem herkömmlicher redaktioneller Beiträge entspricht – zumal der Schutz der Pressefreiheit ja im Ausgangspunkt unabhängig von der Person des Verfassers gewährt wird. 4. Werbeanzeigen Ein weiterer Inhalt von Presseerzeugnissen sind Werbeanzeigen. Zwar sind diese von existenzieller Bedeutung für das Presseunternehmen und – zumindest nach der Rechtsprechung des Buundesverfassungsgerichts226 – wohl auch vom Schutzbereich der Meinungs- bzw. Pressefreiheit erfasst. Doch sagt dies nichts über das öffentliche Informationsinteresse aus, welches bei Anzeigen regelmäßig sehr gering ausfallen wird, da eigene wirtschaftliche Interessen bei Anzeigen klar im Vordergrund stehen. Unbestritten ist daher die Pflicht zur Kennzeichnung von Anzeigen als solche.227 In der vorliegenden Arbeit sollen solch klassische Werbeanzeigen unberücksichtigt bleiben. 5. Sonderveröffentlichungen Ungeklärt ist schließlich die Einordnung sogar Sonderveröffentlichungen. Ein Beispiel hierfür ist die in unregelmäßigen Abständen in der F.A.Z. erscheinende Sonderveröffentlichung „Derivate“.228 Sie ist bewusst nicht in den redaktionellen Teil eingegliedert und ein Großteil der Artikel sind Gastbeiträge. Daher wird man den Schutz dieses Teils einer Zeitung wohl ähnlich dem von Gastbeiträgen anzusetzen haben, zum Teil dürfte auch die Grenze zur Werbeanzeige überschritten sein.229 6. Zwischenergebnis Es ist festzuhalten, dass grundsätzlich jede Form der Berichterstattung in den Schutzbereich der Presse- und Meinungsfreiheit fällt und dieser Schutz im Ein226 BVerfG NJW 2001, 591, 592; in der Literatur wird dagegen zum Teil bezweifelt, ob in Fällen herkömmlicher Produktwerbung überhaupt Art. 5 Abs. 1 GG und nicht vielmehr Art. 12 Abs. 1 GG das einschlägige Grundrecht sei, hierzu Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, S. 174 f. 227 Teilweise werden Anzeigen dennoch bewusst wie ein redaktioneller Artikel aufgebaut und nur durch den kleinen Hinweis „Anzeige“ wird deutlich, dass es sich um Werbung handelt, siehe bspw. Der Sonntag v. 16.9.2007, S. 11. 228 Siehe hierzu Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 390 Fn. 689. 229 Der Presserat behandelt Sonderveröffentlichungen wie herkömmliche redaktionelle Veröffentlichungen, siehe Richtlinie 7.3 des Pressekodex.

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zelfall je nach Beitragsform unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Mit der Form der Berichterstattung unmittelbar verbunden ist die Person des Verfassers, sodass auch diese für den Schutzumfang eine Rolle spielt. Festzuhalten bleibt außerdem, dass sich sowohl der Verfasser selbst als auch das Presseunternehmen auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen können. Inhaltliche Grenzen des Schutzes ergeben sich schließlich daraus, inwieweit im Hinblick auf ein öffentliches Informationsinteresse gehandelt wird. Insbesondere Tatsachen müssen auf ihre Richtigkeit überprüft werden, wozu gehört, sich über die Zuverlässigkeit von Quellen und Informanten zu vergewissern.230 Gleichzeitig muss es der Presse jedoch möglich sein, zeitnah und aktuell zu berichten, sodass diese Prüfungspflichten aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden dürfen. Maßstab für die Prüfungsintensität ist insoweit wiederum, wie groß ein etwaiges öffentliches Informationsinteresse ist.231 Schließlich besteht für die Presse anders als für den Rundfunk keine grundsätzliche Trennungspflicht zwischen Tatsachen und Werturteilen,232 vielmehr begünstigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch die von ihm aufgestellten Maßstäbe gerade das Vermischen von Tatsachen und Werturteilen.233

C. Grundrechtliche Vorgaben auf europäischer Ebene Wenn es im Folgenden um die Untersuchung der derzeit bestehenden Regelungen im Bereich der Regulierung von Wirtschaftsjournalismus geht, dann sind die soeben dargestellten Maßstäbe des Grundgesetzes kein tauglicher Prüfungsmaßstab, wenn und soweit die entsprechenden Regelungen auf europäisches Gemeinschaftsrecht zurückgehen, denn sowohl primäres als auch sekundäres Gemeinschaftsrecht und damit auch auf ihm beruhendes nationales Recht gehen nationalem Verfassungsrecht vor.234 Doch stehen die Journalisten da230 BGH NJW 1966, 2010, 2011; BGH GRUR 1969, 555, 559; Beater, Medienrecht, Rn. 1177. 231 So Beater, Medienrecht, Rn. 1181. 232 § 10 Abs. 1 S. 4 RStV, § 6 Abs. 2 ZDF-StV. 233 Kritisch zu dieser Tendenz Stürner, JZ 1994, 865, 868; ihm folgend Beater, Medienrecht, Rn. 1189 und Rn. 1613 m.w.Nw. 234 Hierüber besteht im Ergebnis Einigkeit, Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 22. Aus europäischer Sicht grundlegend ist die Entscheidung Costa/ENEL (EuGH, Slg. 1964, 1251, 1269 ff.). Auch das BVerfG hat den Vorrang des Gemeinschaftsrechts immer wieder bestätigt (BVerGE 31, 145, 173 f.; BVerfGE 73, 339, 374 f.; BVerfGE 89, 155, 174 f.) und geht derzeit davon aus, dass Verfassungsbeschwerden nur dann zulässig sind, wenn im Einzelnen dargelegt werde, „dass die gegenwärtige Rechtsentwicklung zum Grundrechtsschutz im europäischen Gemeinschaftsrecht, insbes. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, den jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz generell nicht gewährleiste“ (BVerfGE 102, 147, 161). Siehe zu den bestehenden dogmatischen Unterschieden in der Begrün-

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durch nicht schutzlos da, vielmehr finden die Meinungs- und Pressefreiheit als ein durch den EuGH konkretisierter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts Anwendung, welcher aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und Art. 10 EMRK inklusive der Konventionsrechtsprechung des EGMR hergeleitet wird.235 Art. 10 EMRK schützt die Meinungsfreiheit sowie die Freiheit, Informationen und Ideen zu empfangen und weiterzugeben. Schließlich wird auch die Freiheit der Presse von diesem Schutz erfasst und stellt einen eigenständigen Teil des Schutzbereiches dar, ohne jedoch als eigenständiges Grundrecht formuliert zu sein.236 Dabei findet auf Schutzbereichsebene keinerlei inhaltliche Beschränkung statt,237 insbesondere sind auch sämtliche Formen von Tatsachenäußerungen inklusive unwahrer Tatsachen vom Schutz erfasst. Staatliche Beschränkungen der Meinungsfreiheit sind gem. Art. 10 Abs. 2 EMRK zulässig, wenn sie vom Gesetz vorgesehen sind, einen gem. Art. 10 Abs. 2 EMRK legitimen Zweck verfolgen und zur Erreichung dieses Zwecks in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich sind.238 Dabei setzt die Prüfung der Notwendigkeit keine Erforderlichkeit im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne voraus, sondern es reicht ein dringendes soziales Bedürfnis.239 Diese erweiterte Möglichkeit der Einschränkbarkeit ergibt sich daraus, dass bei der Bestimmung des Schutzbereichs keinerlei Einschränkung vorgenommen wird.240 Der Unterschied zum Schutz des Grundgesetzes ist also im dung dieses Vorrangs Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, S. 127 Fn. 483. 235 Vgl. Schorkopf, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Rn. 59; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 20, 22. Dagegen hat die EMRK selbst nur den Rang einfachen Bundesrechts. Gleichzeitig gilt der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung, der Verfassungsrang hat. Entscheidende Bedeutung erlangt die EMRK aber durch die Übernahme der Rechtssprechung der EGMR durch EuG und EuGH. Siehe zum Ganzen Kraus, in: Grote/Marauhn, Kapitel 3. 236 Dass die Pressefreiheit „nur“ als Bestandteil der allgemeinen Meinungsfreiheit geschützt wird, mag verwundern, steht aber in der Tradition der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die ebenso wie der UN-Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte die Pressefreiheit nicht besonders nennt, vgl. Frowein, in: Frowein/Peukert Art. 10, Rn. 15. Der Schutz der Pressefreiheit ist als eigenständiger Schutzbereich aber anerkannt, vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 22. Die Europäische Grundrechtscharta differenziert hingegen und gewährleistet in Art. 11 Abs. 1 die Meinungsfreiheit und in Art. 11 Abs. 2 die Freiheit der Medien. 237 Vgl. Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, Art. 10 Rn. 25. 238 Siehe z. B. EGMR NJW 1985, 2885, 2886 f.; EGMR NJW 1995, 857, 857 f.; EGMR NJW 1996, 375, 376 f.; Klein, AfP 1994, 9, 13 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 19. Als Zweck kommt hier vor allem der Schutz der Rechte anderer in Betracht. 239 EGMR EuGRZ 1995; 16, 20; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 19; Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, Art. 10 Rn. 27; Klein, AfP 1994, 9, 14. 240 Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, Art. 10 Rn. 26.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

Ergebnis rein dogmatischer Natur.241 Entscheidend für den Schutzumfang im Einzelfall ist, wie auch im deutschen Recht, eine Abwägung. So genießen öffentliche Äußerungen einen stärkeren Schutz als rein private.242 Entscheidend ist im Ergebnis also auch, ob ein öffentliches Informationsinteresse oder private bzw. kommerzielle Interessen243 verfolgt werden, sodass im Ergebnis hinsichtlich des abstrakten Maßstabes auf die Ausführungen zu Art. 5 Abs. 1 GG verwiesen werden kann.

D. Verfassungsrechtliche Grenzen der empirischen, ökonomischen und kapitalmarktnormativen Vorgaben An dieser Stelle soll nun der Versuch unternommen werden, die im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Maßstäbe mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des dritten Kapitels in Einklang zu bringen, um hieraus nach Möglichkeit einen Maßstab für die Regulierung von Wirtschaftsjournalismus zu entwickeln, an welchem sich dann die bestehenden Regelungen des geltenden Rechts genauso messen lassen müssen wie etwaige Ergänzungen oder Verbesserungen. Aus ökonomischer Sicht und auch bei den empirischen Studien steht die Information im Mittelpunkt, sie ist gleichzeitig ein zentraler Punkt der derzeitigen kapitalmarktrechtlichen Regulierungsansätze. Dabei lassen sich harte und weiche Informationen unterscheiden und verschiedene Vorgaben für beide formulieren. Im Verfassungsrecht hingegen findet sich traditionellerweise nicht der Begriff der Information, sondern es wird zwischen Tatsachenäußerungen und Werturteilen unterschieden. Im Ergebnis wird man aber davon ausgehen können, dass die harte Information der Tatsache entspricht und die weiche Information dem Werturteil, sodass insoweit eine gemeinsame Basis besteht. Wie sich aus den Ergebnissen des zweiten Kapitels ergibt, kommt aus Sicht des Kapitalmarktes der Richtigkeit der Information entscheidende Bedeutung zu. Dem entsprechen aus verfassungsrechtlicher Sicht die besonderen Sorgfaltspflichten für Wahrheit, Inhalt und Herkunft der Meldungen, sie sich als „Korrelat zur öffentlichen Aufgabe der Medien“244 für die Presse ergeben.245 Gleich241 Somit gelten die unter B. IV. zu den verschiedenen Beitragsformen gemachten Ausführungen entsprechend, soweit der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene betroffen ist. 242 Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, Art. 10 Rn. 140. 243 Dass kommerziell motivierte Äußerungen unstreitig dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen, liegt daran, dass im Gegensatz bspw. zum Grundgesetz die Berufsfreiheit nicht gesondert geschützt ist, vgl. Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 10 Rn. 9. Siehe hierzu die einleuchtende Stellungnahme des Generalanwalts Fennelly im Streit um die Primärrechtskonformität der Tabakwerberichtlinie, der dafür plädiert, solche Äußerungen einer leichteren Einschränkbarkeit zu unterstellen, GA Fennelly, Slg. 2000, I-8419 Rn. 158. 244 Beater, Medienrecht, Rn. 158, in Anlehnung an Steffen, in: Löffler, § 6, Rn. 2 ff.

Kap. 3: Meinungs- und Pressefreiheit

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wohl bestehen bei den inhaltlichen Anforderungen an die Informationen verfassungsrechtliche Grenzen und zwar durch das Recht der Presse zur zeitnahen Berichterstattung. Zwar sprechen auch die Erkenntnisse der availibility bias für eine zeitnahe Berichterstattung, jedoch nur dann, wenn Gewissheit bezüglich der Richtigkeit gewährleistet ist. Dagegen muss es der Presse bei Bestehen eines entsprechenden öffentlichen Informationsinteresses aus verfassungsrechtlichen Gründen auch möglich sein, zeitnah und aktuell zu berichten, wenn die Richtigkeit noch nicht einhundertprozentig feststeht, sodass insoweit den Anforderungen aus Sicht des Kapitalmarktes nicht voll entsprochen werden kann. Ein weiterer möglicher Konfliktbereich ergibt sich bei den Anforderungen, die an die inhaltliche Ausgestaltung weicher Informationen, also Meinungsäußerungen, gestellt werden. Denn die Meinungs- und Pressefreiheit umfasst gerade das Recht, auch Meinungen zu äußern, die nicht nachvollziehbar oder gar völlig unvertretbar sind. Auch ist die Presse nicht verpflichtet, sich nur „ausgewogen“, „rücksichtsvoll“ oder „angemessen“ zu äußern.246 Dagegen setzt das Kapitalmarktrecht auch hier Grenzen. Doch ist der verfassungsrechtliche Schutz nicht grenzenlos gewährleistet und bereits aus der sog. Warentest-Rechtsprechung des BGH247 ergibt sich, dass im Einzelfall auch an Werturteile strengere Anforderungen gestellt werden können, wenn hierfür gewichtige Gründe – und dazu kann ein funktionierender Markt zählen – sprechen. Dagegen tendiert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu, die aus Sicht des Kapitalmarktes wünschenswerte Trennung von Tatsachen und Werturteilen zu unterlaufen.248 Sinnvoll und wohl auch verfassungsrechtlich zulässig erscheint es nichtsdestoweniger, zumindest eine entsprechende Kennzeichnung weicher Informationen als solche zu verlangen – was in seiner Wirkung einer Trennung gleichkommt – und auf diese Weise zu einer ausreichenden Berücksichtung der Interessen des Kapitalmarktes führt. Aus den Feststellungen des zweiten Kapitels ergibt sich des Weiteren, dass die Presse möglichst zeitnah und umfassend berichten sollte. Dies kollidiert mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit, Inhalt, Umfang und auch Erscheinungszeitpunkt eines Presseerzeugnisses frei bestimmen zu können, sodass auch insoweit Einschränkungen zu machen sind. Verfassungsrechtlich unbedenk245 Siehe z. B. BVerfGE 12, 113, 130: „Nur dann, wenn der Leser – im Rahmen des Möglichen – zutreffend unterrichtet wird, kann sich die öffentliche Meinung richtig bilden. Die Presse ist daher um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn auch diese Prüfungs- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden darf, so ist es doch unzulässig, leichtfertig unwahre Nachrichten weiterzugeben.“ 246 Diese Aufzählung findet sich bei Beater, Medienrecht, Rn. 1185. 247 Siehe zu dieser Rspr. Fn. 835 und unten in Kapitel 6 B. I. 5. b) bb). 248 Siehe hierzu bereits Fn. 233.

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Teil 1: Grundlagen der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus

lich erscheint eine Regelung, die verbietet, bei einem Artikel den Eindruck der Vollständigkeit zu erwecken, wenn gar keine Vollständigkeit bezweckt ist. Unbedenklich erscheint außerdem eine Regelung, die eine Kennzeichnung von Informationen hinsichtlich ihrer Aktualität gebietet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es grundsätzlich möglich erscheint, die Interessen eines funktionierenden Marktes und die der Presse- und Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen. Dabei sind sowohl Einschränkungen der Erfordernisse eines idealen Kapitalmarktes als auch auf Seiten der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten zu machen. Ob das Aufstellen bestimmter Pflichten, die von der Presse eingehalten werden müssen, verfassungsgemäß ist, hängt schließlich auch von der Möglichkeit ab, auf etwaige Besonderheiten des Einzelfalls reagieren zu können, beispielsweise indem anstelle der Verpflichtung zur Einhaltung der Pflicht die Pflicht zum Hinweis darauf tritt, dass aus bestimmten Gründen eine Einhaltung nicht möglich gewesen sei.

Teil 2

Untersuchung und Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus Nachdem im ersten Teil der Arbeit eindeutig Regulierungsbedarf festgestellt und außerdem Rahmenbedingungen hierfür aufgezeigt werden konnten, wird im zweiten Teil das derzeit geltende Recht unter dem Blickwinkel der Regulierung von Wirtschaftsjournalismus dargestellt und bewertet. Sinnvollerweise lassen sich hierbei drei große Bereiche unterscheiden. Zunächst gibt es den der Regulierung durch Verhaltensvorschriften, wobei hier vor allem Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes einschlägig sind (Kapitel 4). Der zweite Bereich umfasst die Presseselbstkontrolle und ihre Regelungen. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Zusammenspiel zwischen staatlicher Kontrolle und Selbstkontrolle eingegangen (Kapitel 5). Zuletzt wird eine Regulierung durch Haftung untersucht. Da in diesem Bereich keine Spezialvorschriften für Medien bestehen, ist vor allem von Interesse, ob und wie die allgemeinen Haftungsnormen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu einer Regulierung von Wirtschaftsjournalismus beitragen können (Kapitel 6). Kapitel 4

Regulierung durch Verhaltensvorschriften Gesetzliche und damit rechtsverbindliche Vorschriften zur Regulierung von Wirtschaftsjournalismus könnte man zunächst in den Landespresse- bzw. Landesmediengesetzen vermuten. Diese lassen jedoch entsprechende Spezialregelungen vermissen. Vielmehr ging die Schaffung entsprechender Vorschriften zur Regulierung vom allgemeinen Kapitalmarktrecht aus. Dort entstanden bezüglich des Marktmissbrauchs249 – nicht zuletzt als Reaktion auf den Zusammenbruch des Neuen Marktes – immer detailliertere Regelungen. Die Folge war eine generelle Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verbotstatbestände verbunden 249 Der Begriff des Marktmissbrauchs findet sich so in der sog. Marktmissbrauchsrichtlinie, der Richtlinie 2003/6/EG des Europäisches Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABlEU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16, in Erwägungsgrund 12, wo es heißt: „Marktmissbrauch beinhaltet Insider-Geschäfte und Marktmanipulation.“

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

mit einer erweiterten Einbeziehung journalistischer Tätigkeit. Gleichzeitig besann man sich aber auch der besonderen Bedeutung einer freien Presse, sodass erste Sonderbestimmungen für Journalisten entstanden. Die folgenden Ausführungen beginnen daher mit der Darstellung kapitalmarktrechtlicher Normen, wobei diejenigen des Wertpapierhandelsgesetzes und ihre europäischen Vorgaben im Mittelpunkt stehen. Im Anschluss wird auf die Regelungen der Pressegesetze eingegangen, wobei hier besonderes Augenmerk auf eine etwaige Modifikation kapitalmarktrechtlicher Normen durch die Landespresse- bzw. Mediengesetze gelegt wird.

A. Wertpapierhandelsgesetz Von einem eigenständigen Kapitalmarktrecht kann in Deutschland eigentlich erst seit dem Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes im Jahre 1994 gesprochen werden.250 Seitdem hat es sich dann aber, nicht zuletzt durch die Finanzmarktförderungsgesetze drei251 und vier252 und zahlreiche gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, sehr schnell entwickelt. Im Bereich des Marktmissbrauchs hat diese Entwicklung erst in den letzten Jahren, nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes253 im Jahre 2004, etwas an Fahrt verloren.254 Als einschlägige Normbereiche kommen für meine Fragestellung drei Bereiche in Betracht, die alle zum Bereich des Marktmissbrauchs gezählt werden können und die sich in ihrem Anwendungsgebiet zum Teil auch überschneiden. Im Zentrum steht – dies wurde bereits im ersten Teil dieser Arbeit deutlich – das Verbot der Marktmanipulation, § 20a WpHG. Dieses bezweckt den Schutz der Integrität der Kapitalmärkte und des Vertrauens der Marktteilnehmer in eine 250 Ausgangspunkt des WpHG war das sog. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (2. Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I, S. 1749, inkraftgetreten am 1.8.1994, zuletzt geändert wurde das WpHG durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, S. 1666. 251 Sog. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (3. Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 1998, S. 529. 252 Sog. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (4. Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, S. 2010, berichtigt 2316. 253 Sog. Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, S. 2630. 254 Vgl. Weber, NJW 2006, 3685. Insbes. durch die sog. Richtlinie über Märkte für Finanzinstumente – MiFID (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates, ABlEU Nr. L. 145 v. 30.4.2004, S. 145) kommt es zu keinen für diese Arbeit relevanten Änderungen.

Kap. 4: Regulierung durch Verhaltensvorschriften

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ordnungsgemäße Preisbildung.255 Flankiert wird es durch spezielle Vorschriften, die bei der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen zu beachten sind, § 34b WpHG. Auch diese wollen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes das Vertrauen der Anleger schützen und zwar soweit es um die Zuverlässigkeit von Finanzanalysen geht.256 Daneben treten schließlich die Vorschriften zum Umgang mit Insiderinformationen, §§ 12 ff. WpHG, bei welchen die Schutzrichtung eine etwas andere ist. Bei diesen geht es nicht primär um eine ordnungsgemäße Preisbildung, sondern darum, dass die Anleger vor einer Übervorteilung durch Geheimnisträger geschützt und die informationelle Chancengleichheit am Kapitalmarkt gewährleistet werden sollen.257 Im Folgenden werden diese Vorschriften unter dem Blickwinkel des Setzens rechtlicher Rahmenbedingungen für den Finanzmarktjournalismus untersucht. Besonderes Augenmerk gilt dabei der ausdrücklichen Einbeziehung und Ausgestaltung etwaiger Sondervorschriften für Journalisten durch die Marktmissbrauchsrichtlinie258, deren Vorgaben sich im deutschen Recht wiederfinden. Auf Probleme insbesondere bezüglich der Reichweite der einzelnen Tatbestände, die sich nicht nur im Bereich der Presseberichterstattung, sondern ganz allgemein stellen, kann nur am Rande eingegangen werden. I. Das Verbot der Marktmanipulation, § 20a WpHG 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand a) Tatbestand bis zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz Schon aus dem 19. Jahrhundert ist das Verbot der Kursmanipulation bekannt.259 Auch das ihm folgende Reichs-Börsengesetz aus dem Jahre 1896 enthielt einen im Vergleich zur Vorgängervorschrift verallgemeinerten Straftatbe255 Also die im ersten Teil ausgeführten Funktionsmerkmale des Kapitalmarktes. Vgl. auch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1041. Siehe zum Ganzen außerdem Kapitel 1. 256 Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 1 spricht insoweit von dem „Vertrauen der Anleger in die Sorgfalt, Neutralität und Integrität derjenigen, die Analysen von Finanzinstrumenten erstellen und dann verbreiten“. 257 Vgl. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041. 258 Siehe zur Marktmissbrauchsrichtlinie den Nachweis in Fn. 249. 259 Art. 249d Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften v. 18.7.1884, RGBl. I 1884, S. 167 enthielt folgende Regelung: „Mit Gefängnis bis zu einem Jahr und zugleich mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark wird bestraft: 1. wer in öffentlichen Bekanntmachungen wissentlich falsche Thatsachen vorspiegelt oder wahre Thatsachen entstellt, um zur Betheiligung an einem Aktienunternehmen zu bestimmen (. . .).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

stand für Börsen- und Marktpreismanipulationen. 260 Diese Tradition setzte sich bis zum Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes261 am 1. Juli 2002 fort. Im Rahmen dieses Gesetzes regelte der Gesetzgeber die nunmehr sog. Kurs- und Marktpreismanipulation vollständig neu und verlagerte das Verbot vom Börsengesetz ins Wertpapierhandelsgesetz und zwar in den neu geschaffenen § 20a WpHG; § 88 BörsG wurde gestrichen.262 Das Ziel war schon zu diesem Zeitpunkt, endlich wirksam gegen Marktmanipulationen vorgehen zu können und den bisherigen Straftatbestand des Kursbetruges aus seinem „Dornröschenschlaf“263 zu erwecken.264 Im Ansatz war man sich bereits damals der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Manipulationsvorschriften auf Journalisten265 und auch des Spannungsverhältnisses zwischen Art. 5 Abs. 1 GG und § 20a Abs. 1 WpHG bewusst,266 wenngleich auch noch keine Sonderbestimmungen für Journalisten Eingang in den Wortlaut des § 20a WpHG a. F. gefunden hatten. Aus dieser Zeit stammt auch die bislang einzige Verurteilung eines 260 Dieser fand sich zunächst in § 75 BörsG (RGBl. Nr. 15, S. 174 [1896]) und seit der Börsengesetznovelle von 1908 in § 88 BörsG. § 75 BörsG lautete wie folgt: „Wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waaren oder Werthpapieren einzuwirken, wird mit Gefängnis und zugleich mit Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher in betrügerischer Absicht wissentlich unrichtige Angaben in Prospekten (§. 38) oder in öffentlichen Kundgebungen macht, durch welche die Zeichnung oder der Ankauf oder Verkauf von Werthpapieren herbeigeführt werden soll.“ Eine ausdrückliche Erwähnung der Presse findet man in den damaligen Gesetzeskommentierungen jedoch nicht, siehe z. B. Nussbaum, Kommentar zum Börsengesetz für das Deutsche Reich v. 22. Juni 1896, § 88. 261 Sog. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland v. 21.6. 2002, BGBl. I, 2010, berichtigt 2316. 262 Die Neugestaltung im Zuge des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes orientierte sich stark an der im Entwurf bereits vorliegenden Marktmissbrauchsrichtlinie. Als inhaltliche Neuerung besonders hervorzuheben ist die Unterteilung in informations- und handelsgestützte Manipulation. Ausführlich zu den damaligen Neuerungen Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., Vor § 20a Rn. 1 ff. 263 Ziouvas, ZGR 2003, 113, 114. 264 Dies wird z. B. aus der Statistik des damaligen Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel deutlich, aus welcher hervorgeht, dass im Jahr 2000 nur 20 Fälle des Verdachts der Kursmanipulation bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden, Jahresbericht 2000 des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, S. 24 (abrufbar unter www.bafin.de, besucht am 10.7.2009). Auch in der Literatur ist man sich einig, dass sich § 88 BörsG nicht bewährt hat, siehe nur Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., Vor § 20a Rn. 3 m.w.Nw. 265 Der Begriff des Journalisten wird in diesem Zusammenhang untechnisch gebraucht, eine genau Eingrenzung des Personenkreises im Zusammenhang mit den Sondervorschriften des § 20a Abs. 6 WpHG und § 34b Abs. 4 WpHG findet sich unten unter 2. a) cc) (1) bzw. II. 2. h) bb). 266 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 20a Rn. 32.

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Journalisten wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation.267 Überraschenderweise finden sich aber im Urteil selbst keinerlei Ausführungen dazu, wie die Presse- und Meinungsfreiheit in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist. b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie Erstmals ausdrückliche Erwähnung fanden Journalisten dann in der Marktmissbrauchsrichtlinie;268 wer genau Journalist ist, wird von ihr jedoch nicht weiter erläutert. Da man erkannt hatte, welche Bedeutung den Medien im Bereich von Marktmanipulationen zukommt, bezog man Journalisten erstmals ausdrücklich in die Regelungen ein, was vor allem auf Seiten der Medien großes Misstrauen und Unmut hervorrief.269 Gleichzeitig sollte es nochmals zu einer generellen Ausweitung des Verbots der Marktmanipulation kommen. Schnell einig war man sich darüber, dass dies zunächst dadurch zu erreichen sei, dass nicht nur unrichtige, sondern auch irreführende Angaben tatbestandsmäßig sein sollten. Welche weiteren Merkmale der Manipulationstatbestand daneben haben sollte, wurde dagegen heftig diskutiert. Der Ausgangsvorschlag der Kommission vom Mai 2001270 enthält in Art. 1 eine knappe Definition der Marktmanipulation. Nach Art. 1 Nr. 2 lit. b des Entwurfs ist eine Manipulation „die Verbreitung von Informationen über Medien, die falsche oder irreführende Signale bezüglich des Angebots von, der Nachfrage nach oder des Kurses von Finanzinstrumenten geben oder geben können, unter anderem durch Verbreitung von Gerüchten sowie falscher oder irreführender Nachrichten.“ Es war also weder erforderlich, dass die Person, die die Information verbreitet, deren marktbeeinflussende Wirkung kannte bzw. hätte kennen müssen, noch bedurfte es einer Vorteils- oder Gewinnerzielungsabsicht. 267 Es handelt sich um den Fall des Sascha Opel, der BGH (BGHSt 48, 373) verurteilte ihn wegen eines Verstoßes gegen das damalige Verbot der Marktmanipulation, während die Vorinstanz (LG Stuttgart, ZIP 2003, 259) noch einen Verstoß gegen das damalige Insiderhandelsverbot angenommen hatte. Siehe zum Fall Opel auch Fn. 88. 268 Alle Dokumente des Werdegangs der Marktmissbrauchsrichtlinie sind im Internet abrufbar unter http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId= 165003 (besucht am 10.7.2009). 269 Siehe z. B. Neue Zürcher Zeitung v. 17.5.2002 Nr. 112, S. 75. Dagegen schafften es die Rating-Agenturen, sich dem Anwendungsbereich weitgehend zu entziehen, wie sich aus Erwägungsgrund 10 der zweiten Durchführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/ 125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darstellung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, Amtsblatt der Europäischen Union v. 24.12.2003, L 339/73) ergibt. 270 Sog. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABlEG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 265.

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Art. 5 des Entwurfs enthielt in Abs. 1 ein generelles Manipulationsverbot. Außerdem sah der Entwurf in Art. 5 Abs. 3 folgende Regelung vor: „Die Mitgliedstaaten können beschließen, spezielle Vorschriften einzuführen, um Personen zu schützen, die im normalen Lauf der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit für journalistische Zwecke handeln.“ In der hierzu ergangenen Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses271 weist dieser darauf hin, dass Art. 5 des Entwurfes zwar vorsehe, dass die Mitgliedstaaten spezielle Vorschriften zum Schutze der Journalisten einführen könnten, es aber nicht gewährleistet sei, dass dies auch erfolge. Dies könne dazu führen, dass ein Journalist, der im Land A angesiedelt sei, wo staatliche Schutzvorschriften für Journalisten bestünden, und über ein im Land B angesiedeltes Unternehmen berichte, im Land B von den Behörden belangt werden könne, falls in diesem keine entsprechenden Schutzvorschriften bestünden.272 Dass Journalisten aber grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen, wird nicht kritisiert. Auf großen Widerstand stößt dieser Vorschlag hingegen bei den Journalisten.273 Diese befürchteten, die Richtlinie könne die Aktualität und Qualität der Berichterstattung beeinträchtigen, da Journalisten aus Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen womöglich Informationen nur unvollständig oder sogar gar nicht weitergeben würden. Sie forderten, Absichtlichkeit in Bezug auf die Marktbeeinflussung in die Definition der Marktmanipulation mit aufzunehmen. Auf besonders große Ablehnung traf die Sonderbestimmung des Art. 5 Abs. 3. Die Journalisten befürchteten, dass die Mitgliedstaaten möglicherweise zusätzliche staatliche Kontrollorgane für die Medien einführen würden und dadurch die Autonomie der bereits bestehenden Selbstregulierungsgremien274 verloren gehen könnte. In diesem Sinne fällt auch die Stellungsnahme des Europäischen Parlaments aus.275 Das Europäische Parlament wendet sich entschieden gegen die Regelung des Art. 5 Abs. 3 des Entwurfes. Als Begründung wird Folgendes angeführt: „Die Bestimmungen über die Journalisten erscheinen unklar, brandmarken einen bestimmten Berufsstand und sind überhaupt überflüssig, da die sich im Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit stellenden Probleme bereits 271

ABlEG Nr. C 80 v. 3.4.2002, S. 61. ABlEG Nr. C 80 v. 3.4.2002, S. 66. 273 Hierzu Neue Zürcher Zeitung v. 17.5.2002, Nr.112, S.75. 274 Z. B. des Deutschen Presserates. 275 Sitzungsdokument des Europäischen Parlaments A5-0069/2002 v. 27.02.2002, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (KOM(2001) 281 . C5-0262/2001 . 2001/0118[COD]), abrufbar unter http://www.europarl.europa. eu/sides/getDoc.do?pubRef=-/ /EP//NONSGML+REPORT+A5-2002-0069+0+DOC+ PDF+V0//DE (besucht am 10.7.2009). 272

Kap. 4: Regulierung durch Verhaltensvorschriften

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in Art. 3 lit. a276 der Marktmissbrauchsrichtlinie hinreichend behandelt werden.“277 Bemerkenswert ist aber, dass sich Art. 3 auf die Insidergeschäfte bezieht, während Art. 5 die Marktmanipulation untersagt. Scheinbar sieht das Europäische Parlament in der Arbeit der Journalisten unter dem Blickwinkel einer möglichen Marktmanipulation kein Konfliktpotential. Vielmehr sollten seiner Ansicht nach Journalisten im positiven wie im negativen Sinne nicht anders behandelt werden als andere Berufe oder Personenkreise.278 Auch die speziell auf die Informationsverbreitung durch die Medien bezogene Definition der Marktmanipulation in Art. 1 Nr. 2 lit. b des Entwurfs lehnte das Europäische Parlament in der vorgelegten Form ab und forderte vielmehr eine Ergänzung, die ein subjektives Wissenselement in Bezug auf die Manipulationswirkung und eine Gewinnerzielungsabsicht verlangt.279 In der Begründung zu seinen Vorschlägen gibt das Europäische Parlament dann folgende Erklärung ab: „In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung vonnöten. Der Richtlinienvorschlag zielt in keiner Weise auf eine Beschränkung der Pressefreiheit ab. Alle Medien können weiter so arbeiten wie bisher und über alle Aspekte der Finanzmärkte informieren, einschlägige Untersuchungen durchführen und die Entwicklungen kommentieren. Für jeden Journalisten ist die Überprüfung seiner Quellen ein absoluter ethischer Grundsatz. Falls sich jedoch ein Journalist im Rahmen eines InsiderGeschäfts oder einer Marktmanipulation hat manipulieren lassen, dann müssen die Urheber dieser Delikte verfolgt werden, nicht der unfreiwillige Überbringer der Nachricht (außer wenn letzterer persönlich einen Vorteil aus der Manipulation gezogen hat). Aus diesem Grund schlägt der Berichterstatter des Europäischen Parlaments vor, den Vorschlag der Kommission, wonach die Mitgliedstaaten aufgefordert werden sollen, spezielle Vorschriften für Journalisten zu erlassen, zu streichen.“280 276 Dieser lautet wie folgt: „Art. 3 Die Mitgliedstaaten untersagen den Personen, die dem Verbot nach Art. 2 unterliegen und über eine Insider-Information verfügen, a) diese Insider-Information an einen Dritten weiterzugeben, soweit dies nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht.“ 277 S. 29 (Änderungsantrag 34) des in Fn. 275 genannten Sitzungsdokuments des Europäischen Parlaments. 278 S. 76 (hier Änderungsantrag 14, der sich aber ebenfalls auf Art. 5 bezieht und ebenfalls die Streichung von Abs. 3 fordert) des in Fn. 275 genannten Sitzungsdokuments des Europäischen Parlaments. 279 S. 21 (Änderungsantrag 22), 70 des in Fn. 275 genannten Sitzungsdokuments des Europäischen Parlaments. 280 S. 61 des in Fn. 275 genannten Sitzungsdokuments des Europäischen Parlaments. Nach dieser sehr eindeutigen Stellungnahme zugunsten der Journalisten ist man wenig überrascht, wenn man feststellt, dass der Berichterstatter dieses Vorschlags, Robert Goebbels, selbst Journalist war und von 1972–1974 den Vorsitz des luxemburgischen Journalistenverbandes hatte, www.eurosocialistes.lu (besucht am 10.7.2009).

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Im weiteren Verlauf des Richtliniengebungsverfahrens kam es auf der Wirtschafts- und Finanzministertagung vom 7. Mai 2002 zu einer grundsätzlichen Zustimmung zur vorgeschlagenen Marktmissbrauchsrichtlinie.281 In Bezug auf die Bestimmungen für Journalisten näherten sich Parlament, Rat und Kommissionsvorschlag einander an.282 Die Definition der Marktmanipulation wurde geändert. Es wurde lit. c neu eingefügt, der nun die vorherige Regelung des Art. 5 Abs. 3 aufnimmt und modifiziert.283 Die Mitgliedstaaten können jetzt nicht mehr nur spezielle Vorschriften einführen, um Journalisten zu schützen, sondern die berufsständischen Regeln sind verpflichtend zu berücksichtigen, es sei denn, die Journalisten ziehen aus der Verbreitung der betreffenden Informationen direkt oder indirekt einen Nutzen. Somit konnten die Bedenken des Wirtschafts- und Sozialausschusses in Bezug auf einen unterschiedlichen Schutzstandard in den verschiedenen Ländern ausgeräumt werden. Gleichzeitig wurde auch den Bedenken der Journalisten insoweit entsprochen, als explizit auf die berufsständischen Regeln Bezug genommen und so die in ihren Augen bestehende Gefahr eines staatlichen Kontrollorgans für die Presse ausgeräumt wird. Wichtig ist dabei, dass die berufsständischen Regeln ausdrücklich nur dann berücksichtigt werden sollen, wenn die Journalisten keinen direkten oder indirekten Nutzen aus der unrichtigen oder irreführenden Berichterstattung ziehen; nur insoweit spielt also eine etwaige Gewinnerzielungsabsicht eine Rolle.284 Der Forderung des Europäischen Parla281

IP/02/669 v. 7.5.2002, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction. do?reference=IP/02/669&-format=HTML&aged=1&language=DE&guiLanguage=en (besucht am 10.7.2009) 282 Es kam zu folgender Erklärung: „Nach dem vom Rat vereinbarten Text würden Fälle, in denen Journalisten falsche oder irreführende Informationen verbreiten, unter Berücksichtigung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung geprüft, es sei denn, der betreffende Journalist wusste oder hätte wissen müssen, dass die Informationen falsch waren, und hat sich durch sein Vorgehen einen Vorteil oder Gewinn verschafft. Mit anderen Worten: Wenn Journalisten inkorrekte Informationen in gutem Glauben aufnehmen und weitergeben, kommt die Richtlinie nicht zur Anwendung. Die Kriterien und Verfahren, nach denen festgestellt wird, ob Journalisten falsche Informationen wissentlich verbreitet und Nutzen daraus gezogen haben, sind ebenfalls durch einzelstaatliche Vorschriften zu regeln und könnten den nationalen Gerichten oder Medienaufsichtsgremien übertragen werden“, S. 3 IP/02/669 v. 7.5.2002 (Fn. 281). 283 Dieser entspricht nunmehr der endgültigen Fassung der Marktmissbrauchsrichtlinie. 284 Gegen das generelle Erfordernis einer solchen Gewinnerzielungsabsicht spricht nach Auffassung des Rates im Gemeinsamen Standpunkt, dass andernfalls klare Fälle der Marktmanipulation aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen würden, z. B. wenn der „Manipulator“ aus bestimmten Gründen nicht die erwarteten Gewinne aus einer andauernden Informationskampagne schöpfe, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 50/2002 vom Rat festgelegt am 19. Juli 2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/. . ./EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom . . . über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABlEG Nr. C 228 E v. 25.9.2002, S. 19, 30.

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ments nach einem generellen Ausschluss der Journalisten von der Anwendbarkeit der Marktmissbrauchsrichtlinie kam man dagegen nicht nach. Was genau unter diesen berufsständischen Regeln zu verstehen ist und wann ein indirekter und wann ein direkter Nutzen vorliegt, wird nicht weiter vorgegeben. Neu eingefügt wurde außerdem ein subjektives Element dergestalt, dass Marktmanipulation nur dann vorliegt, wenn der Verbreitende wusste oder hätte wissen müssen, dass die verbreiteten Informationen falsch oder irreführend waren. Erwähnt sei schließlich noch die Regelung des dritten Spiegelstrichs von Art. 1 Nr. 2, der als Beispiel für eine Manipulation die Konstellation nennt, dass jemand den Zugang zu den Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument ausnutzt, wobei zuvor Positionen hinsichtlich dieses Finanzinstruments eingegangen und anschließend eine entsprechende Kursentwicklung ausgenutzt wurden, ohne dass der Öffentlichkeit dieser Interessenkonflikt zugleich auf ordnungsgemäße und effiziente Weise mitgeteilt wurde. Damit soll auch das sog. Scalping285 vom Tatbestand des Manipulationsverbots erfasst werden. c) Ergänzung der Vorgaben durch die erste Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie Konkretisierungen zum Manipulationsverbot enthält die erste Durchführungsrichtlinie286, welche zwar ihren Schwerpunkt bei Regelungen zur handelsgestützten und nicht zur informationsgestützten Manipulation hat, zum Teil aber auch letztere konkretisiert. In Art. 5 lit. b der ersten Durchführungsrichtlinie findet sich ein Beispiel für einen Fall der Manipulation, der auch für Medienberichterstattung relevant werden kann. Danach müssen die Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass Personen vor oder im Anschluss an von ihnen veröffentlichte Analysen oder Anlageempfehlungen, die ganz offensichtlich von materiellen Interessen beeinflusst wurden, keine Geschäfte mit entsprechenden Finanzinstrumenten machen. Die Besonderheit im Verhältnis zum bereits in der Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 1 Nr. 2 selbst geregelten Fall im dritten Spiegelstrich ist, dass auch die Fälle erfasst werden, in denen zuerst entsprechende Empfehlungen geäußert und dann Geschäfte getätigt werden.

285

Zum Scalping sogleich ausführlich unter 2. b). Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABlEU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. 286

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2. Das heutige Verbot der Marktmanipulation Das heutige Manipulationsverbot findet sich nach Umsetzung der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz weiterhin in § 20a WpHG, der mittlerweile durch die MaKonV287 konkretisiert wird. § 20a WpHG enthält dabei nur den objektiven Verbotstatbestand, während sich die unmittelbaren Rechtsfolgen eines Verstoßes aus den §§ 38 f. WpHG ergeben. Adressat des Manipulationsverbotes ist grundsätzlich jedermann, also auch juristische Personen und Personenvereinigungen.288 Wen genau die rechtlichen Konsequenzen bei einem Verstoß treffen, hängt von den jeweiligen Rechtsfolgen ab und wird daher im Zusammenhang mit diesen dargestellt. a) Der klassische Fall der informationsgestützten Manipulation durch unrichtige oder irreführende Äußerungen (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG) aa) Tatbestand Zentraler Tatbestand, wenn es um das Verbot der Marktmanipulation durch den Inhalt eines bestimmten Presseerzeugnisses geht, ist § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG. Danach ist es verboten, „unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sind (. . .), wenn die Angaben (. . .) geeignet sind, auf den inländischen Börsenoder Marktpreis eines Finanzinstruments (. . .) einzuwirken.“ Im Folgenden werden nun die einzelnen Tatbestandsmerkmale kurz dargestellt und auf die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung übertragen. (1) Angabe über Umstände Entgegen der wohl noch herrschenden Ansicht, die Werturteile und Prognosen nur dann erfassen will, wenn diese einen Tatsachenkern enthalten, ist der Begriff der Angaben über Umstände weit zu verstehen, sodass alle Formen von Äußerungen hiervon erfasst sind. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes, welches jegliche Aussagen erfassen will, die Einfluss auf die Anlageentscheidung der Anleger haben können.289 Dabei spielen aber 287

Siehe Fn. 182. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 200; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 37. Diese Auslegung ist europarechtlich vorgegeben, vgl. Art. 1 Nr. 6 RiL 2003/6/EG. 289 Siehe zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals die überzeugende Darstellung bei Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 238 ff., der sich auch mit den Argumenten der noch h. A. auseinandersetzt. 288

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gerade auch Bewertungen und Prognosen eine große Rolle.290 Auch Gerüchte291 und Empfehlungen sollen unabhängig von ihrer tatsächlichen bzw. sachlichen Grundlage erfasst werden.292 Somit fällt grundsätzlich jede Form der Berichterstattung unter das Tatbestandsmerkmal der „Angaben über Umstände“. (2) Unrichtig oder irreführend Diese Angaben über Umstände müssen unrichtig oder irreführend sein. Maßstab hierfür ist der objektive Empfängerhorizont,293 der sich am gewöhnlichen Adressatenkreis der Äußerung zu orientieren hat. Entscheidend ist somit, wie der durchschnittliche Leser einen bestimmten Artikel versteht. Die Unrichtigkeit von Tatsachen ist, entsprechend der Darstellung im ersten Teil294, dann gegeben, wenn diese entweder im Widerspruch zur Wirklichkeit stehen oder wenn Tatsachenteile weggelassen werden und sich infolgedessen auch der Aussagegehalt der veröffentlichten Tatsachen verändert.295 Wichtig ist jedoch, dass dabei eine restriktive Auslegung zu erfolgen hat, da grundsätzlich gerade keine Pflicht zur inhaltlichen Vollständigkeit besteht. Auch für Werturteile findet das oben zu den weichen Informationen Ausgeführte entsprechend Anwendung.296 Entscheidend ist danach zunächst, ob das Werturteil auf einer falschen Tatsachenbasis gründet oder ob es aus logischen Gründen nicht haltbar ist. Im Emittentenleitfaden der BaFin findet man außerdem die Formulierung, dass ein Werturteil dann unrichtig sei, wenn es eindeutig und schlechterdings 290 Dass keine Beschränkung auf Tatsachen gewollt ist, ergibt sich auch aus der Legaldefinition der „bewertungserheblichen Umstände“ in § 2 Abs. 1 MaKonV, wo Umstände als „Tatsachen und Werturteile“ umschrieben werden. Dass die Qualifizierung von Werturteilen als unrichtig bzw. irreführend schwieriger und damit wohl auch seltener ist, ist kein Grund, diese deswegen von vornherein vom Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes nach Nr. 1 auszuschließen; so aber Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, S. 267. 291 Park, BB 2001, 2069, 2070. 292 A. A. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 93; Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1043. 293 Dies ergibt sich daraus, dass es beim Manipulationsverbot primär um den Schutz des Kapitalmarktes als überindividuelles Interesse geht und es somit auch unerheblich ist, ob es zu einer tatsächlich eingetretenen Täuschung gekommen ist, vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 242 ff. 294 Siehe Kapitel 2 C. II. 2. 295 Also „bezüglich des von der Aussage konkret betroffenen Aspekts ein falsches Gesamtbild entsteht“, so Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 248, m.w.Nw. in Fn. 45. Teilweise wird dies nun seit der ausdrücklichen Erfassung der irreführenden Angaben nicht mehr als Fall einer unrichtigen Angabe verstanden, so z. B. Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 161. Vogel, in: Assmann/Uwe. H. Schneider § 20a Rn. 44 f. will solche Fälle sowohl unter das Merkmal der Unrichtigkeit als auch unter das Merkmal der Irreführung subsumieren. Praktische Relevanz hat diese Einordnung jedoch nicht. 296 Siehe Kapitel 2 C. I. 3.

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unvertretbar sei,297 ohne dass dies jedoch näher ausgeführt wird bzw. Kriterien hierfür festgelegt werden. Neu in den Tatbestand aufgenommen wurde die Irreführung. Davon werden, soweit sie nicht schon unter die Fallgruppe der Unrichtigkeit fallen298, die Fälle erfasst, „die zwar inhaltlich richtig sind, jedoch durch ihre Darstellung beim Empfänger der Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahe legen“299. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Grundsatz das Verschweigen einer Angabe nur dann relevant ist, wenn eine Rechtspflicht zur Offenlegung besteht, was für die Presse grundsätzlich nicht der Fall ist.300 Entscheidend ist, dass die veröffentlichte Angabe selbst durch das Weglassen von Angaben in ihrer Sinnhaftigkeit verfälscht wird. (3) Bewertungserheblichkeit Diese Umstände müssen für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sein.301 Wann dies der Fall ist, wird in § 2 Abs. 1 S. 1 MaKonV näher bestimmt als solche „Tatsachen und Werturteile, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.“302 Ergänzend dazu zählt § 2 Abs. 3 MaKonV Regelbeispiele hierfür auf. Generell lässt sich sagen, dass Bewertungserheblichkeit dann gegeben ist, wenn dies nach der Verkehrsausfassung der Fall ist.303 Es sind die Umstände des konkreten Einzelfalls in einer abstraktgenerellen Betrachtungsweise einzubeziehen,304 wobei es unerheblich sein soll, 297

BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 250 ff., 253 geht in seiner überzeugenden Darstellung davon aus, dass der Irreführung wohl kein eigener praktischer Anwendungsbereich verbleibe. 299 Reg. Entwurf z. Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BT-Drs. 15/3174, S. 37; diesem folgend BaFin, Emittentenleitfaden, S. 89. 300 Eine Ausnahme kann sich aus § 34b WpHG ergeben, siehe dazu unten unter II. 2. 301 Dabei ist gleichgültig, in welche Richtung sich der Kurs entwickelt, Kutzner, WM 2005, 1401; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 55. 302 Es kommt also zu einem Gleichlauf mit der Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG, amtliche Begründung zur MaKonV, BR-Drs. 18/05, S. 12. 303 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 279, ausführlich Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 54 ff. 304 Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 263. Damit sind für die Beurteilung der Adressatenkreis, der betroffene Vermögensgegenstand, der betroffene Handelsplatz, die Geschäftsart usw. von Bedeutung. In diese Richtung auch Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 54, der ebenfalls betont, dass die Bewertungserheblichkeit objektiv bestimmt werden müsse, was bedeute, dass es nicht im Belieben einzelner am Kapitalmarkt Tätigen stehen solle. Ausführlich zu dieser Problematik im alten Recht (die laut Vogel (a. a. O.) mehr ein Problem von Begrifflichkeiten als ein Problem der tatsächlichen Auslegung gewesen sei) Kutzner, WM 2005, 1401, 1401 ff. 298

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aus welchem Bereich der Umstand stammt, er daher nicht zwingend wirtschaftlicher Natur sein muss.305 Erforderlich ist also jeweils eine Bewertung des einzelnen Artikels aus Sicht des Durchschnittslesers. (4) Eignung zur Einwirkung Schließlich ist zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes die Eignung zur Einwirkung auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments erforderlich.306 Dabei ist der Begriff der Einwirkung grundsätzlich entsprechend dem im ersten Teil gebrauchten Begriff der Beeinflussung zu verstehen. Dies bedeutet, dass die Einwirkung also solche wertungsneutral ist und damit noch nichts über das Entstehen eines künstlichen Preisniveaus ausgesagt wird.307 Bei einer Einwirkung durch unrichtige oder irreführende Angaben ist es jedoch regelmäßig so, dass die Beeinflussung auch eine Beeinträchtigung zur Folge hat.308 Da außerdem lediglich auf die Eignung zur Einwirkung abgestellt wird, ist es zudem irrelevant, ob der Kurs tatsächlich beeinflusst wurde; entscheidend ist, dass die Angaben generell zur Preiseinwirkung tauglich sind.309 Die Problematik dieses Tatbestandsmerkmals besteht darin, dass – und dies wurde im ersten Teil der Arbeit deutlich – keine exakten Kausalgesetze für die Preisrelevanz einzelner Umstände bestehen. Zwar existieren Modelle zur Preisbildung am Kapitalmarkt, diese sind aber sehr ungenau und in keinem Fall in der Lage „quasi naturgesetzliche Zusammenhänge“310 zwischen einer Angabe und einer bestimmten Kursentwicklung festzustellen. 305 Nur eine solche Auslegung wird Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes gerecht, welcher den Schutz der Funktionsfähigkeit der Märkte durch Sicherung des Vertrauens in deren ordnungsgemäßes Funktionieren bezweckt. Denn hierfür ist es unerheblich, warum ein Umstand Einfluss auf den Preis hat, vielmehr genügt, dass er Einfluss hat. Vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 266. 306 Bemerkenswert ist, dass (im Gegensatz zum Insiderhandelsverbot des § 13 WpHG) diesbezüglich keine Erheblichkeit verlangt wird. Grund hierfür sind die unterschiedlichen Schutzzwecke der beiden Verbote: Das Manipulationsverbot will die ordnungsgemäße Preisbildung am Markt schützen, diese ist schon dann gefährdet, wenn nur ein geringer Einfluss auf das Anlegerverhalten ausgeübt wird, siehe Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 275. 307 Offenlassend auch Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 273 f. Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 88, setzt die Einwirkung hingegen mit dem Hervorrufen eines künstlichen Preisniveaus gleich. 308 Von Bedeutung ist diese Unterscheidung jedoch, wenn es um die Frage der Einwirkung durch zutreffende Informationen geht, was beim Scalping relevant wird. Hierzu unter b). 309 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 277. Entscheidend ist hierfür die Sichtweise eines verständigen Anlegers, BaFin, Emittentenleitfaden, S. 93. Es handelt sich somit um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, und zwar in Form eines Eignungsdelikts bzw. potentiellen oder abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts, Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 274 in Fn. 16. 310 Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 278.

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Damit es deswegen nicht zur Unanwendbarkeit des Manipulationsverbotes kommt, muss es ausreichen, anhand gesicherter Erfahrungssätze311 die Preiseinwirkungseignung zu bestimmen. Letztendlich entscheidend ist somit eine Wertung des Rechtsanwenders, wobei die Gegebenheiten des Einzelfalls im Zentrum stehen.312 Vor allem die handelnde Person und die Art und Weise der Verlautbarung sind von Bedeutung, sodass gerade bei Äußerungen von Journalisten oder Experten in den Medien aufgrund ihrer Reputation und des weiten Verbreitungsgrades eine Einwirkungseignung schneller zu bejahen sein wird als beispielsweise bei einer Äußerung im Rahmen einer privaten Unterhaltung. Für den Grad des Wahrscheinlichkeitsurteils muss es außerdem ausreichen, dass die Wahrscheinlichkeit der Preisbeeinflussung größer ist als ihr Ausbleiben.313 (5) Subjektiver Tatbestand Das Manipulationsverbot des § 20a WpHG enthält keine ausdrücklichen subjektiven Tatbestandsmerkmale. Trotzdem überzeugt es, dass der Verbotstatbestand nur dann erfüllt ist, wenn die entsprechenden subjektiven Merkmale, wie sie in § 38 WpHG und § 39 WpHG beschrieben sind, gegeben sind.314 Für den § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG bedeutet dies, dass Vorsatz oder Leichtfertigkeit315 hinsichtlich aller soeben aufgeführten objektiven Tatbestandsmerkmale vorliegen muss. Dies bedeutet, dass die für den Artikel verantwortliche Person zumindest leichtfertig bezüglich der Erfüllung des Manipulationsverbotes gehandelt haben muss. bb) Rechtsfolge Bei den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation kann zwischen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, bußgeld- und strafrechtlichen Sanktionen und zivilrechtlichen Haftungsansprüchen unterschieden werden.316 Untrennbar mit den unterschiedlichen Rechtsfolgen verbunden ist dabei, 311

Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider § 20a Rn. 95. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 278 f. 313 Vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 278 ff. m.w.Nw. 314 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 2. Eigenständige Relevanz erhält dieses subjektive Tatbestandsmerkmal ohnehin nur bei der Frage, ob neben den Konsequenzen der §§ 38 f. WpHG auch andere Rechtsfolgen bei einem Verstoß in Frage kommen. Hier steht vor allem eine zivilrechtliche Haftung in Frage. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Probleme werden in Kapitel 6 behandelt. Die Frage, ob darüber hinaus ein subjektives Tatbestandsmerkmal sinnvoll wäre, stellt sich bei der informationsgestützten Manipulation durch unrichtige oder irreführende Angaben nicht, vgl. Eichelberger, WM 2007, 2046, 2053. 315 Leichtfertigkeit erfordert ein objektiv und subjektiv erhöhtes Maß an Fahrlässigkeit, vgl. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1042. 312

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wer für einen Verstoß gegen die jeweilige Norm des Wertpapierhandelsgesetzes einzustehen hat. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Rechtsfolgen muss auf die Darstellung im 6. Kapitel dieser Arbeit verwiesen werden, da sich aus dem Wertpapierhandelsgesetz selbst, anders als beispielsweise im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus den §§ 37b, c WpHG, keine eigenständige zivilrechtliche Haftung ergibt. Dagegen spielen aufsichtsrechtliche Maßnahmen, wie beispielsweise das Ruhen der Börsenzulassung,317 nur für aktive Handelsteilnehmer eine Rolle und können daher im Rahmen dieser Arbeit generell vernachlässigt werden. An dieser Stelle soll vielmehr nur auf die Rechtsfolgen eingegangen werden, die sich unmittelbar aus dem Wertpapierhandelsgesetz, nämlich aus den §§ 38 f. WpHG ergeben. Diese qualifizieren einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot unter Hinzutreten zusätzlicher Voraussetzungen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Ausgangspunkt ist die Prüfung des Vorliegens einer Ordnungswidrigkeit nach § 39 WpHG. Hier gilt der Grundsatz des § 10 OWiG, wonach nur vorsätzliches Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, es sei denn, das Gesetz bedroht fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Geldbuße. In § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass auch ein leichtfertiger318 Verstoß gegen § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Höhe der Geldbuße kann bei vorsätzlichem Handeln gem. § 39 Abs. 4 WpHG maximal eine Million Euro betragen, bei leichtfertigem Handeln gem. § 39 Abs. 4 WpHG i.V. m. § 17 Abs. 2 OWiG maximal die Hälfte. Wer Adressat eines Bußgeldbescheides ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Ordnungswidrigkeitsrechts. Wichtig ist, dass hierbei das Analogieverbot, § 3 OWiG, zu beachten ist, eine Ausdehnung der rechtlichen Verantwortlichkeit über den Wortlaut von WpHG und OWiG hinaus also nicht möglich ist.319 Da bei Ordnungswidrigkeiten von einem einheitlichen Täterbegriff 320 ausgegangen wird, ist gem. § 14 OWiG jeder Täter, der an der Ordnungswidrigkeit vorsätzlich beteiligt ist. Keine Anwendung findet § 14 OWiG auf fahrlässige Tatbeiträge.321 Dies muss dann auch für die leichtfertige Bege316 Siehe zu diesen unterschiedlichen Rechtsfolgen die ausführliche Darstellung bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 415 ff. 317 Nach § 16 Abs. 8 BörsG. 318 Siehe hierzu bereits Fn. 315. 319 Anders dagegen bei der zivilrechtlichen Haftung: Bei dieser hat die Rspr. die Figur der sog. Fiktionshaftung entwickelt, die im Ergebnis zu einer generellen Verantwortlichkeit des Verlegers führt. Siehe hierzu unten Kapitel 6 B. III. 2. c). 320 König, in: Göhler, § 14 Rn. 1 m.w.Nw. in Fn. 1 zu den verschiedenen Abgrenzungen, die im Einzelnen umstritten sind. 321 Altenhain, in: KK-WpHG, § 39 Rn. 54; König, in: Göhler, § 14 Rn. 4: Der fahrlässig Handelnde kann allerdings Nebentäter sein.

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hung gelten, die eine gesteigerte Form der Fahrlässigkeit darstellt. Zu beachten ist schließlich § 30 OWiG, der die Verhängung von Bußgeldern gegenüber juristischen Personen und Personenvereinigungen ermöglicht. Für den Bereich des Finanzmarktjournalismus bedeutet dies, dass die Ordnungswidrigkeit zunächst einmal von dem begangen wird, der den betreffenden Artikel verfasst hat. Doch auch der Chefredakteur oder Herausgeber, mit dessen Wissen und Unterstützung ein bestimmter Artikel veröffentlicht wird, kann Täter sein.322 Erforderlich ist jedoch immer die Feststellung eines konkreten – vorsätzlichen oder leichtfertigen – Tatbeitrages im Einzelfall, eine pauschale Haftungserweiterung, wie sie beispielsweise über die Figur des verantwortlichen Redakteurs erfolgt, scheidet vielmehr aus.323 Zu einer Verschärfung der Rechtsfolgen kommt es, wenn bei vorsätzlichem Handeln der Manipulationserfolg auch tatsächlich eintritt, es also zu einem künstlichen Preisniveau kommt: Dann wird aus der Ordnungswidrigkeit gem. § 38 Abs. 2 WpHG eine Straftat, bei der eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe droht. In gleicher Weise wie bei den Ordnungswidrigkeiten gilt ein Analogieverbot, § 1 StGB. Im Bereich der Straftaten finden die allgemeinen Regeln über Täterschaft und Teilnahme, §§ 25 ff. StGB, Anwendung. Auch hier muss also immer im Einzelfall geprüft werden, inwieweit ein Beitrag zur Veröffentlichung geleistet wurde und ob sich durch diesen Mittäterschaft oder Teilnahme begründen lässt. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch bei Presseveröffentlichungen im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit: Erfüllt eine Veröffentlichung einen Straftatbestand, dann kann dies eine eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit des sog. verantwortlichen Redakteurs begründen.324 Hierauf wird im Zusammenhang mit der Darstellung der Landespresse- bzw. Landesmediengesetze gesondert eingegangen. Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines jeden Einzelnen nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen bestimmt.325

322 Beispiele dazu, wie die unterschiedlichen Tatbeiträge strafrechtlich zu qualifizieren sind, finden sich bei Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 49. Kapitel Rn. 16 ff. So gelten z. B. Verleger und Herausgeber, die die Veröffentlichung zulassen, als Gehilfen. Wenn sie die Veröffentlichung jedoch nicht nur dulden, sondern veranlassen, werden sie zu Mittätern. Zu beachten ist, dass die Unterscheidung in Täterschaft und Teilnahme im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht erforderlich ist, die Qualifizierungen aber dennoch für die Beurteilung der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verantwortung herangezogen werden können. 323 Dazu unten unter B. II. 2. 324 Zu einer Erweiterung der Verantwortlichkeit über die Anwendung der jeweiligen Landespresse- bzw. Landesmediengesetze siehe unter B. II. 2. In Baden-Württemberg ergibt sich diese Haftungserweiterung aus § 20 Abs. 2 Nr. 1 LPG BW. 325 BGH, NJW 1980, 67; Beater, Medienrecht, Rn. 1760.

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Kann demjenigen, der auf die Kurse einwirkt, hingegen weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit nachgewiesen werden, hat sein Verhalten keine Sanktionen nach dem Wertpapierhandelsgesetz zur Folge. Als weitere Rechtsfolge ergibt sich aus § 40b WpHG, dass die BaFin unanfechtbare Maßnahmen veröffentlichen kann, die Journalisten also an den „aufsichtsrechtlichen Pranger“326 gestellt werden können. cc) Sonderregelung für Journalisten, § 20a Abs. 6 WpHG Wenn der Tatbestand des Manipulationsverbotes gem. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG durch eine Presseveröffentlichung erfüllt wird, muss in einem nächsten Schritt geprüft werden, inwieweit dann die Sondervorschrift des § 20a Abs. 6 WpHG anwendbar ist. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Presserates war es also nicht wie im Bereich des Redaktionsdatenschutzes zu einer generellen Unanwendbarkeit der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes durch eine staatliche Behörde auf Journalisten gekommen.327 Vielmehr hat sich der Gesetzgeber in Anlehnung an die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie dafür entschieden, Journalisten grundsätzlich dem Manipulationsverbot zu unterstellen, gleichzeitig aber eine Sonderbehandlung für sie vorzusehen, welche auf Anraten des Finanzausschusses in § 20a Abs. 6 WpHG folgendermaßen ausdrücklich normiert wurde: „Bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes handeln, ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen.“ Um den genauen Anwendungsbereich dieser Sonderregelung näher zu bestimmen, werden zunächst ihre einzelnen Tatbestandsmerkmale untersucht und konkretisiert, um im Anschluss die Rechtsfolgen der Sonderregelung aufzuzeigen.

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So Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1042. So aber die Forderung des Deutsche Presserates (zusammen mit dem BDZV, DJV, VDZ und dju in Ver.di) in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG)“ am 16. Juni 2004 in Berlin, S. 3 ff. (abrufbar unter http://www.presserat.info/43.0.html, besucht am 10.7.2009): Vergleichbar der Regelung des BDSG sollten Journalisten an „exponierter Stelle“ generell aus dem Anwendungsbereich des AnSVG ausgenommen werden. 327

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(1) Journalist Die Sonderregelung richtet sich an Journalisten. Da jedoch eine Legaldefinition fehlt,328 ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wer hiervon erfasst sein soll. (a) Wortlautauslegung und Presserecht Ausgehend vom Wortlaut ist Journalist jemand, „der beruflich für die Presse, den Rundfunk, das Fernsehen schreibt, publizistisch tätig ist“.329 Das presserechtliche Verständnis ähnelt dem Wortlautverständnis: Journalisten sind natürliche Personen, die Artikel verfassen, wobei zwischen freien Journalisten und angestellten Journalisten unterschieden wird; letztere werden auch als Redakteure bezeichnet.330 Schon die Verfasser von Gastbeiträgen wären demnach ebenso wie Verleger oder Herausgeber vom Begriff des Journalisten nicht erfasst. Gleichwohl ist dieses Begriffsverständnis, welches vornehmlich durch die Landespressegesetze geprägt ist, nicht für die Auslegung des Begriffs im Rahmen des Wertpapierhandelsgesetzes bindend, genauso wie der Wortlaut als solcher nur ein erster Ansatzpunkt für die Auslegung des wertpapierrechtlichen Journalistenbegriffs ist. (b) Historische und teleologische Auslegung Viel weiter fällt die Begriffsbestimmung dagegen aus, wenn man historisch vorgeht und danach fragt, wieso diese Sonderregelung für Journalisten aufgenommen wurde. Bereits in den Erwägungsgründen zur Marktmissbrauchsrichtlinie und ihren Durchführungsrichtlinien wird auf die Meinungs- und Pressefreiheit eingegangen und deren Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit wird wiederholt betont.331 Ebenfalls in diese Richtung geht die Begründung zur deutschen Umsetzung: Danach dienen die Sondervorschriften der Gewährleistung der Pressefreiheit.332 Daraus folgt, dass vom Begriff des Journalisten derjenige erfasst sein soll, der sich auf die Pressefreiheit berufen kann. 328 Eine Legaldefinition fehlt sowohl in der Marktmissbrauchsrichtlinie und ihren Durchführungsrichtlinien als auch im Wertpapierhandelsgesetz. 329 Duden, Die deutsche Rechtschreibung, Stichwort: Journalist. 330 Löhner, in: Löffler, § 9 Rn. 12; ein Redakteur ist jemand, der in Presse, Buchverlagen, im Rundfunk oder Fernsehen Manuskripte be- und ausarbeitet, Duden, Die deutsche Rechtschreibung, Stichwort: Redakteur. 331 Erwägungsgrund 44 RiL 2003/6/EG und Erwägungsgrund 11 RiL 2003/125/ EG. 332 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 15/3174, S. 39 (zu § 34b WpHG, der auch den Begriff des Journalisten enthält. § 20a WpHG enthielt zu diesem Zeitpunkt noch keine ausdrückliche Sonderbestimmung für Journalisten.).

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Zum gleichen Auslegungsergebnis kommt man, wenn man nach Sinn und Zweck der Sondervorschriften fragt: Im Zentrum steht die Gewährleistung der Meinungs- und Pressefreiheit.333 Gleichzeitig hält sich eine solche Auslegung in den Grenzen des Wortlautes, sodass der Begriff des Journalisten entsprechend weit zu verstehen ist. (c) Mögliche Einschränkungen Abzulehnen ist daher auch eine Beschränkung des Begriffs des Journalisten auf berufliches Handeln, wie es folgende Formulierung in der Regierungsbegründung nahe legen könnte, nach welcher „jede Person als Journalist anzusehen ist, deren berufliche Tätigkeit von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfasst wird.“334 Gemeint ist damit wohl eher, dass nur für diejenigen Journalisten, für die es sich um eine professionelle Tätigkeit handelt, entsprechendes Standesrecht gilt bzw. eine entsprechende Selbstregulierung besteht.335 Dies ist jedoch eine der Qualifizierung als Journalist nachgeordnete Frage.336 Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 20a Abs. 6 WpHG gegen eine solche Einschränkung, da andernfalls das Tatbestandsmerkmal „auf Grund seines Berufes“ überflüssig wäre. Auch in anderem Zusammenhang, vor allem im Rahmen von § 34b WpHG,337 werden verschiedene Einschränkungen des Begriffs des Journalisten diskutiert, um einen Missbrauch der Ausnahmeregelungen zu verhindern.338 Möllers beispielsweise nennt dabei als Kriterien für die Frage, ob der Verfasser eines Artikels als Journalist eingestuft werden könne, den Inhalt des Mediums, den Zweck der Gegenleistung und das Interesse des Empfängerkreises. Damit will er die Fälle eindeutiger Anlageberatung aus dem Anwendungsbereich des Jour-

333 Auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 405 gehen davon aus, dass der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung dann eröffnet ist, wenn die Tätigkeit materiell den Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG genießt. 334 Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 15/3174, S. 39. 335 So auch Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 219. 336 Abzulehnen ist auch die Auffassung Kollers (Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 107), wonach Journalisten nur solche Personen sein könnten, die nicht unter die strengeren Anforderungen der RiL 2003/125/EG und der FinAnV (zu dieser Fn. 411) fielen. Da die RiL 2003/125/EG beispielsweise in Art. 4 und Art. 6 keine Sondervorschriften für Journalisten vorsehe, könnten diese auch nicht Adressaten dieser Vorschrift sein. Wie aber noch zu zeigen sein wird [unten unter II. 1. c) bb) (2) (b)], finden auch diese Vorschriften auf Journalisten Anwendung, sodass dieses Argument entkräftet werden kann. 337 Meines Erachtens muss der Begriff des Journalisten für das ganze WpHG einheitlich verstanden werden, siehe hierzu unten unter II. 2. h) bb). 338 So soll z. B. verhindert werden, dass sich jede Finanzanalyse, sobald sie nur gedruckt und pressemäßig verteilt wird, den regulären Vorschriften entziehen kann, vgl. Spindler, NZG 2004, 1138, 1142; in die gleiche Richtung Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 220 ff.

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nalistenprivilegs ausgrenzen. Dieses Kriterium soll beispielsweise in den Fällen, in denen der „objektivierte Empfänger das Medium annimmt, um Informationen für seine Anlageentscheidung zu erhalten“, dazu führen, das kein journalistisches Handeln vorliegt. Dabei wird meines Erachtens jedoch verkannt, dass gerade die Wirtschafts- und Finanzmarktteile der großen Tageszeitungen natürlich auch deshalb gelesen werden, um Informationen für Anlageentscheidungen zu erhalten, andernfalls wäre deren großer Einfluss auf die Märkte ja nicht zu erklären. Außerdem ist es für die Anwendbarkeit beispielsweise des § 34b WpHG gerade Voraussetzung, dass überhaupt eine Finanzanalyse vorliegt, andernfalls bedarf es keiner Sonderbestimmung für Journalisten.339 Einer Finanzanalyse ist es aber, wie noch zu zeigen sein wird, immanent, dass diese auch Informationen für eine konkrete Anlageentscheidung enthält.340 Daher erscheint zumindest dieses letztgenannte Kriterium nicht geeignet, ein taugliches Abgrenzungskriterium zu liefern, wann eine bestimmte Veröffentlichung unter das Journalistenprivileg fallen soll. Auch andere Versuche in diese Richtung sind wenig überzeugend. Entscheidend muss vielmehr sein, ob der Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit eröffnet ist oder nicht, sodass an dieser Stelle eine Einschränkung der Sondervorschrift nur über das Verfassungsrecht möglich ist.341 Schließlich ist es wenig überzeugend, wenn zum Teil gefordert wird, dass nur natürliche Personen Journalisten sein könnten.342 Dafür sprechen zunächst die oben aufgeführten verfassungsrechtlichen Erwägungen.343 Des Weiteren ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz, dass im Zusammenhang mit der für Journalisten im Rahmen des § 34b WpHG bestehenden Möglichkeit der Selbstregulierung ausdrücklich die Selbstregulierung durch den Deutschen Presserat als eine mögliche Form genannt wurde.344 Diesem Pressekodex unterfallen direkt jedoch nur juristische Personen.345 Auch 339

Siehe hierzu unten unter II. 2. a). Siehe hierzu unten unter II. 2. a) bb). 341 Siehe zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die für die einzelnen Beitragsformen gelten, oben in Kapitel 3 B. IV. Im Ergebnis nimmt auch Möllers, in: KKWpHG, § 34b Rn. 225 für Analysen im Wirtschaftsteil einer Zeitung an, dass diese ebenso wie Berichte der Wirtschaftspresse unter das Privileg des § 34b Abs. 4 WpHG fielen. Seines Erachtens dagegen nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind Börsenbriefe, da es ihnen an einem meinungsbildenden Faktor fehle. 342 So Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 384 f., die solche Unternehmen, die Journalisten beschäftigen, dann aber mittelbar an der Privilegierung Teil haben lassen möchten und hinsichtlich des Begriff des Journalisten in § 20a WpHG behaupten, dass dieser Verhaltensweisen zu regeln suche, welche notwendigerweise von natürlichen Personen begangen sein müssten, gleichzeitig aber eine Erklärung hierfür schuldig bleiben. 343 Siehe oben Kapitel 3. 344 Vgl. hierzu das Wortprotokoll der 64. Sitzung des Finanzausschusses v. 16.6. 2004, S. 25, Frage von Herrn Ulrich Hubert an den Vertreter des Deutschen Presserates, zitiert nach Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 216 (Fn. 522). 345 Siehe zur Selbstregulierung durch den Deutschen Presserat unten Kapitel 5 B. II. 340

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ist es unpraktikabel,346 Unternehmen, also insbesondere Verlage, vom Anwendungsbereich der Privilegierung auszunehmen, während der einzelne Verfasser eines Artikels darunter fällt.347 (d) Zwischenergebnis Es ist also grundsätzlich jede Form der Berichterstattung von der Sonderregelung des § 20a Abs. 6 WpHG erfasst.348 Entscheidend für die Qualifikation als Journalist ist, ob die Veröffentlichung in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt, sodass die Anwendung des Journalistenprivilegs nur dann versagt werden kann, wenn der Schutz der Pressefreiheit versagt wird. Erfasst werden also nicht nur der unmittelbare Verfasser, sondern auch hinter ihm stehende Personen wie beispielsweise die Verleger oder Herausgeber der Presseerzeugnisse, da auch diese den Schutz der Pressefreiheit genießen. Bemerkt sei an dieser Stelle noch, dass diese Einordnung nicht zur Folge hat, dass hierdurch für alle diese Personen die Vorschriften in der gleichen Art und Weise Anwendung finden. Dies bedeutet, dass beispielsweise die Verfasser von Gastbeiträgen als Journalisten qualifiziert werden können, ohne dass dies unmittelbar zur Folge hätte, dass für sie die gleichen Besonderheiten gelten wie für „hauptberufliche“ Journalisten. Die Qualifizierung einer Person als Journalist sagt noch nichts über den Grad und die Art der durch die Sonderbestimmung für sie eintretenden Modifikationen. (2) Berufsausübung Seinem Wortlaut nach erfasst die Privilegierung des § 20a Abs. 6 WpHG nur die Journalisten, „die in Ausübung ihres Berufes handeln“. Diese Einschränkung überrascht zunächst, ist der Begriff des Journalisten doch weit zu verstehen, da der Schutz der Pressefreiheit umfassend ist. Grund für diese Einschränkung, die bereits in der Marktmissbrauchsrichtlinie enthalten ist, ist wohl, dass als Rechtsfolge der Sonderbestimmung für Journalisten die berufsständischen Regeln zu berücksichtigen sind. Solche existieren aber nur für diejenigen, für die es sich um eine berufliche Tätigkeit handelt, sodass alle anderen von vorn-

346 Dies geben auch Kämmerer und Veil zu, wenn sie Unternehmen mittelbar an der Privilegierung teilhaben lassen, Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 384 f. 347 So auch Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 216. Dieser nennt als zusätzliches Argument den Verweis auf Abs. 5 in § 34b Abs. 4 WpHG, welcher als solcher nur dann Sinn mache, wenn man auch Unternehmen grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Privilegierung unterwerfe. 348 Im Ergebnis ebenso in Bezug auf den Wirtschaftsteil einer Zeitung Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 225.

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herein von der Privilegierung ausgenommen werden können.349 Für die Bejahung des Merkmals der Berufsausübung muss es sich nach allgemeinen Grundsätzen nicht um einen Hauptberuf handeln, ein Gelegenheitsjournalist ist daher in gleicher Weise von der Vorschrift erfasst. Ausgeschlossen sei dagegen nichtberufliches, d.h. vor allem rein privates Handeln.350 Somit fallen die Verfasser von Leserbriefen eindeutig aus dem Anwendungsbereich der Privilegierung des § 20a Abs. 6 WpHG heraus. Doch auch die Verfasser von Gastbeiträgen können sich wegen dieses einschränkenden Merkmals nicht auf die Privilegierung berufen: Zwar steht bei ihnen das Verfassen von Gastbeiträgen in engem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und sie handeln eben nicht als unabhängige Privatpersonen, jedoch ist bei Gastautoren die berufliche Tätigkeit gerade nicht generell von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt, sondern in aller Regel gehen sie beruflich einer ganz anderen Tätigkeit nach, die ihnen lediglich die Position bzw. das Fachwissen verschafft, einen bestimmten Artikel zu verfassen. Dieses Ergebnis wird auch durch Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung gestützt: Wenn es sogleich bei der Rechtsfolge darum geht, dass die berufsständischen Regelungen zu berücksichtigen sind, dann sind damit die berufsständischen Regeln des Pressewesens gemeint, und diesen unterstehen nur die Personen, die auch im Bereich der Presse tätig sind. Auch sprechen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss sog. Gastbeiträge von dieser Privilegierung. Eben durch ihre vertragliche Einbindung sind sie weniger am öffentlichen Informationsinteresse orientiert als herkömmliche redaktionelle Beiträge und können daher auch strengeren Einschränkungen unterworfen werden. Dadurch soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch Leserbriefe und Gastbeiträge – wie im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt – den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit genießen. Dieser ist dann aber nicht über die Privilegierung des § 20a Abs. 6 WpHG, sondern bei der unmittelbaren Anwendung von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG zu berücksichtigen, beispielsweise bei der Prüfung des Verschuldens.351 Fraglich ist schließlich noch, was dies für die Fälle bedeutet, in denen mehrere Personen an einer Veröffentlichung beteiligt sind, und nur für einen Teil dieser Personen der Anwendungsbereich der Privilegierung des § 20a Abs. 6 349 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 284, der feststellt, dass die Privilegierung nur dann Anwendung finde, wenn auch entsprechende berufsständische Regeln existierten, sodass sich die Anwendung von § 20a Abs. 6 WpHG auf die klassische Pressetätigkeit beschränken werde. 350 Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 407; ähnlich Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 108. 351 Der ursprüngliche Entwurf des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes sah gar keine ausdrückliche Ausnahmeregelung vor, sondern man ging davon aus, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben ohnehin zu berücksichtigen seien, vgl. BT-Drs. 15/ 3174, S. 15.

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WpHG erfüllt ist. Man könnte davon ausgehen, dass der Schutzumfang vom Inhalt des Beitrags als solchem abhängt, wobei sich das öffentliche Informationsinteresse dann nach der Person des unmittelbaren Verfassers richtet. Andererseits stellt aber die Ausnahmeregelung des § 20a Abs. 6 WpHG ausdrücklich auf die Person als solche ab. Daher sollte sich meines Erachtens bei mehrstufigen Beteiligungen derjenige auf die Sonderbestimmung berufen können, der in Ausübung seines Berufes handelt. So kann es sein, dass für den Gastautor das Manipulationsverbot selbst unmittelbar anwendbar ist, während sich der Chefredakteur auf die Sonderbestimmung des § 20a Abs. 6 WpHG berufen kann. (3) Kein Ziehen eines direkten oder indirekten Nutzens bzw. Schöpfen von Gewinnen Schließlich enthält die Sonderregelung des § 20a Abs. 6 WpHG noch eine Einschränkung. Sie findet keine Anwendung, wenn „die Personen aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen“. Fraglich ist zunächst, wann ein – direktes oder indirektes – Ziehen von Nutzen oder das Schöpfen von Gewinnen vorliegt, um in einem zweiten Schritt zu fragen, ob dieses Tatbestandsmerkmal möglicherweise einer Einschränkung bedarf. (a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Auch dieser Teil der Privilegierung wurde auf Anraten des Finanzausschusses unmittelbar aus Art. 1 Nr. 2 lit. c S. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie übernommen, ohne dass sich in den Gesetzesmaterialien eine genauere Begründung hierfür finden lässt.352 Da sowohl von Nutzen als auch von Gewinnen die Rede ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber einen weiten Anwendungsbereich wollte, dem möglichst alle Fälle unterfallen, in denen irgendwelche Vorteile erlangt werden, sei es, dass diese im Ersparen von Aufwendungen, sei es, dass sie in Form eines Vermögenszuwachses bestehen.353 Entscheidend ist, dass der Manipulator in irgendeiner Weise besser gestellt wird und auf diese Besserstellung keinen rechtlichen Anspruch hat.354 Meines Erachtens folgt der

352 Beschlussempfehlung und Bericht Finanzausschuss, BT-Drs. 15/3493 v. 1.7. 2004, S. 52. Auch in der Plenardiskussion v. 1.7.2004 betonte Florian Pronold, dass man sich sehr eng an das, was durch die EU-Richtlinie vorgegeben wird, gehalten habe, siehe Plenarprotokoll 15/118, S. 87 (10779). 353 Zur Auslegung kann der Begriff des Vorteils der §§ 331 ff. StGB herangezogen werden, der ebenfalls jede Besserstellung, sowohl materiell als auch immateriell, erfassen will und insbes. weiter ist als der Begriff des Vermögensvorteils etwa i. S. d. § 263 StGB, vgl. Fischer, § 331 Rn. 11 ff. 354 Vgl. dazu Fischer, § 331 Rn. 11.

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Begriff des direkten Nutzens oder Gewinns diesem Verständnis: Ein solcher ist dann gegeben, wenn er unmittelbar beim Verantwortlichen eintritt. Schwieriger erscheint hingegen die Feststellung, wann ein Nutzen oder Gewinn indirekt eintritt. So ist der Fall denkbar, dass beispielsweise die Ehefrau eines Journalisten entsprechende Aktien in ihrem Portfolio hält. Sind ihre Kursgewinne indirekt auch Gewinne des Journalisten durch den dadurch z. B. erreichten höheren Lebensstandard? Auch werden in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen Werbeanzeigen für Unternehmen und ihre Produkte geschaltet. Wenn nun ein Blatt zu positiv über ein solches Unternehmen berichtet und es dadurch zu einer Manipulation des Kurses dieses Unternehmens kommt, das Unternehmen aber aufgrund der ihm günstigen Berichterstattung weiterhin Werbeanzeigen in der betreffenden Zeitung schaltet, hat dann der Journalist oder zumindest der Verlag oder der Herausgeber einen indirekten Nutzen von der Berichterstattung? In der Literatur finden sich hierzu so gut wie keine Stellungnahmen. Eichelberger355, der ebenfalls nicht auf solche Fallkonstellationen eingeht, legt den indirekten Nutzen oder Gewinn in Abgrenzung zum direkten Nutzen wie folgt fest: Ein direkter Nutzen sei gegeben, wenn der Vorteil unmittelbar aus der in Frage stehenden Angabe stammt, also beispielsweise aus dem Verkauf entsprechender Wertpapiere, ein indirekter hingegen, wenn der Journalist auf andere Weise einen finanziellen Vorteil erlangt, also beispielsweise durch die Zahlung eines Dritten. Eine solch enge Auslegung führt meines Erachtens jedoch zu einer unerwünschten Einschränkung des Anwendungsbereichs, wie man am Beispiel des durch die Ehefrau erzielten Gewinns sehen kann. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es gerade zu verhindern, dass Journalisten durch das Streben nach eigenem wirtschaftlichem Vorteil zu einer Art der Berichterstattung verleitet werden, die nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die ohne einen entsprechenden finanziellen Anreiz anders ausgefallen wäre. Diese Gefahr besteht aber auch, wenn der Journalist mittelbar vom Gewinn einer ihm beispielsweise persönlich nahe stehenden Person profitiert. Daher ist der Begriff des indirekten Nutzens oder Gewinns weit zu fassen. Eine Auslegungshilfe hierfür könnte das Verständnis der Straftaten im Amt bieten, indem man den Begriff des indirekten Nutzens oder Gewinns mit dem des „mittelbaren Vorteils“ gleichsetzt, welcher bis zum Korruptionsbekämpfungsgesetz356 im Jahre 1997 ein zentrales Tatbestandsmerkmal der Straftaten im Amt war. Bis dahin wurde eine Zuwendung nur dann von § 331 StGB a. F. erfasst, wenn sie dem Amtsträger selbst zufloss.357 Es war also ein Vorteil beim Handelnden selbst erforderlich. Wenn der Vorteil einem Dritten zukam, dann war 355 356 357

Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 285 f. v. 13.8.1997, BGBl. I, 2038. Fischer, § 331 Rn. 13.

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dies nur ausreichend, wenn dies auch zu einem Vorteil für den Amtsträger selbst führte, der aber auch nur mittelbarer Natur sein konnte.358 Dies erforderte, dass der Vorteil beim Amtsträger selbst irgendwie zu Buche schlug, beispielsweise, indem er sich Aufwendungen ersparte, mochten diese auch unnötig gewesen sein.359 Auf subjektiver Seite wurde gefordert, dass der Amtsträger mit der Zuwendung an den Dritten einverstanden war bzw. diese nachträglich billigte.360 Übertragen auf § 20a WpHG würde dies für das Beispiel der Ehefrau bedeuten, dass ihr Gewinn oder Nutzen auch für den Journalisten selbst irgendeinen Vorteil beinhalten müsste. Wenn also die Frau des Journalisten aufgrund der Berichterstattung ihres Ehegatten Gewinne erzielte, dann wären diese Nutzen oder Gewinne des Journalisten, wenn sie den Ehemann in irgendeiner Weise an dem Gewinn teilhaben ließe oder er sich dadurch Aufwendungen ersparte. Die bloße Freude über den Gewinn der Frau wäre jedoch nach dieser Abgrenzung kein eigener Nutzen oder Gewinn des Ehegatten.361 Für das Beispiel mit den Werbeeinnahmen bedeutet dies, dass man einen indirekten Nutzen oder Gewinn beim Journalisten bejahen könnte, wenn man darauf abstellt, dass das Presseunternehmen auf Werbeeinnahmen angewiesen ist und der einzelne Journalist aufgrund dieser Werbeeinahmen mehr verdient als er ohne entsprechende Werbeeinnahmen verdienen würde. (b) Erfordernis einer Einschränkung Fraglich ist, ob dieses Tatbestandsmerkmal des direkten oder indirekten Nutzens oder Gewinns dennoch einer einschränkenden Auslegung bedarf. So wird diskutiert, ob wirklich alle Fälle, in denen der Journalist von seiner Berichterstattung profitiert, vom Anwendungsbereich der Sondervorschrift ausgeschlossen sein sollen. Es ist der Fall denkbar, dass der Journalist gar nicht gewusst hat, dass er im Besitz bestimmter Wertpapiere ist, beispielsweise, weil er sein Geld in einem Fonds angelegt hat und dessen Zusammensetzung sich häufig ändert, der Journalist dies aber nicht weiter verfolgt, und er so fahrlässige Unkenntnis des Nutzens hatte. Oder es ist der Fall denkbar, dass er es aus zeitlichen Gründen gar nicht wissen konnte, weil sich die Zusammensetzung seines Fonds im Moment der Veröffentlichung des fraglichen Artikels verändert hat. In einem solchen Fall erscheint es fraglich, ob das Verhalten des Journalisten tatsächlich unter Außerachtlassung der berufsständischen Regeln zu beurteilen 358

Fischer, § 331 Rn. 13. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn. 20 nennt als mögliches Beispiel den an die Ehefrau geschenkten Pelzmantel. 360 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn. 20. 361 Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn. 20: Die reine Freude des Amtsträgers ist nicht ausreichend. 359

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sein soll. Denn wenn er sich des Nutzens nicht bewusst war, konnte es dadurch auch nicht zu einer Beeinflussung seiner Berichterstattung kommen, er handelte also grundsätzlich gleichermaßen am öffentlichen Informationsinteresse orientiert wie dies ohne entsprechenden Wertpapierbesitz der Fall gewesen wäre. Voraussetzung einer Einschränkung wäre also, dass kein Zusammenhang, also keine Kausalität, zwischen einem erwarteten wirtschaftlichen Vorteil und der Berichterstattung des Journalisten bestand. Vogel362 hingegen geht sogar einen Schritt weiter und will auch die Fälle der Sonderregelung unterstellen, in denen der Journalist ein entsprechendes Finanzinstrument in seinem Portfolio hat, sorgfältig berichtet und sich von der Berichterstattung Nutzen oder Gewinne verspricht. Entscheidend ist für ihn, dass in diesen Fällen ja eine sachgerechte Berichterstattung vorliege und es „problematisch“ sei, dann die Vorschrift ihrem Wortlaut entsprechend anzuwenden.363 Ein Vergleich mit den Regelungen zum Scalping zeigt jedoch, dass eine solche Einschränkung zu weitgehend ist: Beim Scalping ist ebenfalls nicht entscheidend, ob es sich um eine sachgerechte Berichterstattung handelt oder nicht 364 – wenn der Journalist in der Absicht der Erlangung von Sondervorteilen handelt, dann ist dieses Verhalten unzulässig, insbesondere ist hier keine Berücksichtigung berufsständischer Regeln vorgesehen. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde an anderer Stelle der Journalist von einer Privilegierung und der Berücksichtigung berufsständischer Regeln profitieren, auch stünde ein solches Verständnis im ausdrücklichen Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift. Es sollte daher nur folgende Einschränkung vorgenommen werden: Unschädlich für die Anwendbarkeit der Privilegierung ist ein Wertpapierbesitz, solange er keinen Einfluss auf die Berichterstattung hat. Davon wird man aber wohl nur ausgehen können, wenn der Journalist keine positive Kenntnis von einem entsprechenden Wertpapierbesitz hat, wie dies beispielsweise bei einem Besitz von Fondsanteilen der Fall sein kann.365 Sobald aber der Journalist seine Berichterstattung diesem Wertpapierbesitz anpasst, ein erwarteter Nutzen oder Gewinn also irgendeinen Einfluss auf die Berichterstattung hat, ist dem Journalisten, unabhängig davon, ob der Einfluss dazu geführt hat, dass die Berichterstattung

362 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 110; ihm folgend Spindler, NZG 2004, 1138, 1143. 363 Aus welchen Gründen er es problematisch findet, erläutert Vogel nicht näher. 364 Siehe zum Scalping die Darstellung unten unter b). 365 Man könnte insoweit davon ausgehen, dass bei einem entsprechenden Wertpapierbesitz ein Anscheinsbeweis für eine Beeinflussung der Berichterstattung spricht und der Journalist den Nachweis erbringen muss, dass er keine positive Kenntnis seiner Wertpapierzusammensetzung hatte. Andernfalls könnte es in der Praxis schwierig sein, dem Journalisten die Beeinflussung nachzuweisen.

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nicht mehr sorgfältig oder sachgerecht ist, die Berufung auf die Privilegierung versagt.366 Der Vorwurf lautet also, dass die eigenen Interessen die journalistische Tätigkeit beeinflussen und nicht, zu welchem Ergebnis diese Beeinflussung führt, ob also dadurch die Berichterstattung fehlerhaft wird. (4) Rechtsfolge Sind diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, dann ist gem. § 20a Abs. 6 HS 2 WpHG „das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln zu beurteilen“. Zunächst bedarf es einer Klärung, was die berufsständischen Regeln sind. Danach ist zu erörtern, an welcher Stelle genau es zu einer Modifikation des Manipulationsverbotes kommt. Hieran schließt sich die Frage nach der Ausgestaltung der Rechtsfolgen für Journalisten an, welche eng mit der Frage nach der Durchsetzbarkeit des Manipulationsverbots, also insbesondere der Rolle der BaFin, verbunden ist. (a) Berufsständische Regeln Das Standesrecht der Presse kann man in einem engen und in einem weiten Sinn verstehen. Unter das Standesrecht im weiteren Sinn fallen alle staatlichen Rechtsvorschriften, die „das Verhalten der in der Presse Tätigen regeln“, und zusätzlich alle ungeschriebenen und geschriebenen Standesgrundsätze, von denen erwartet wird, dass ein verantwortungsvoller Journalist sie einhält.367 Die geschriebenen und ungeschriebenen Standesgrundsätze allein bilden das Standesrecht im engeren Sinn.368 Fraglich ist, welchem Verständnis die Formulierung in § 20a WpHG folgt, wenn dort von berufsständischen Regeln die Rede ist. In der kapitalmarktrechtlichen Literatur wird auf die aus dem Presserecht stammende Unterscheidung in weites und enges Standesrecht nicht eingegangen und in der presserechtlichen Literatur hat die neue Vorschrift des § 20a WpHG bisher noch keine über die bloße Nennung hinausgehende Beachtung gefunden. In der Literatur zu § 20a Abs. 6 WpHG werden die berufsständischen Regeln häufig als „verfassungsrechtlich geprägt“369 bezeichnet oder es wird darauf ver366 So im Ergebnis auch Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 286. Dabei weist er zutreffend darauf hin, dass in diesen Fällen die Privilegierung schon deshalb häufig nicht anwendbar sein dürfte, weil sich der Journalist in diesen Fällen der Unrichtigkeit seiner Aussagen bewusst sei und daher ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Manipulationsverbot nahe liege. Dies entspricht außerdem der Auslegung von § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV [siehe zu dieser unten unter b) ee)]. 367 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 40. Kapitel Rn. 2. 368 Löffler, AfP 1971, 16, 17. 369 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 109.

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wiesen, sie seien durch das Bundesverfassungsgericht konkretisiert.370 Die berufsständischen Regeln werden danach in eine Pflicht zur Sorgfalt, welche die Pflicht zur Recherche, Prüfung und Wahrheit umfasst, die Pflicht zur Neutralität und die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten unterteilt.371 Gleichzeitig wird auf die einschlägigen Regeln im Pressekodex des Deutschen Presserates, welche durch Richtlinien und „Journalistische Verhaltensgrundsätze des Deutschen Presserates zur Finanzmarktberichterstattung“ flankiert werden, verwiesen.372 Es wird also einem weiten Verständnis der berufsständischen Regeln gefolgt.373 Dies ist überzeugend, da keine Gründe für eine Beschränkung auf Standesrecht im engeren Sinn ersichtlich sind. Erfasst werden sollen also die Regelungen, deren Einhaltung den Journalisten generell von der Rechtsordnung aufgegeben wird.374 Dabei kann insbesondere auf die Rechtssprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts zurückgegriffen werden; sie konkretisiert in zahlreichen Urteilen die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Presseberichtertstattung gestellt werden, und hat dabei ihrerseits auch die Spruchpraxis des Deutschen Presserates als dem zentralen Organ der Presseselbstkontrolle in Deutschland berücksichtigt.375 Außerdem finden sich in den Presse- oder Mediengesetzen der Länder, beispielsweise in § 6 LPG BW, Sorgfaltsanforderungen für die Arbeit der Presse. (b) Anknüpfungspunkt § 20a Abs. 6 WpHG bestimmt nun, dass „das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1“ unter Berücksichtigung dieser berufsständischen Regeln zu beurteilen ist. Damit steht fest, dass es gerade nicht zu einer aus-

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Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 410. Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider § 20a Rn. 109; Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 410. 372 Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 410; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider § 20a Rn. 109. Diese Journalistischen Verhaltensgrundsätze (siehe Fn. 733) werden unten in Kapitel 5 B. II. 2. ausführlich dargstellt. Teilweise findet sich sogar lediglich ein Verweis auf den Pressekodex und die Journalistischen Verhaltensgrundsätze des Presserates, siehe etwa Schröder, NJW 2009, 465, 467 und Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 20a WpHG Rn. 42. 373 Im Ergebnis nimmt auch Spindler, NZG 2004, 1138, 1143 sowohl auf die Regeln des Presserates als auch auf die Rechtsprechung zu „staatlichen“ Normen (vorliegend § 824 BGB) Bezug, sodass auch er einem weiten Verständnis folgt. 374 A. A. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 285, der unter berufsständischen Regeln diejenigen Verhaltensvorschriften versteht, die durch die für die Journalisten zuständigen Berufsvereinigungen aufgestellt worden sind; einer gesetzlichen Anerkennung bedürfe es nicht, wohl aber einer allgemeinen Anerkennung der Regeln unter den Journalisten. 375 Vgl. z. B. BGH NJW 1979, 1041. 371

Kap. 4: Regulierung durch Verhaltensvorschriften

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schließlichen Anwendung der berufsständischen Regeln kommen kann, insoweit also ein Unterschied zu § 34b WpHG besteht. Ausgangspunkt der Prüfung ist folglich immer der Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG in Verbindung mit den §§ 38 f. WpHG. Der Wortlaut des § 20a Abs. 6 WpHG legt dabei nahe, dass es bei der Prüfung der in § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG genannten Tatbestandsmerkmale zu einer Modifikation kommt. Jedoch treffen die berufsständischen Regeln hierzu in weiten Bereichen keine übertragbaren Aussagen.376 Die Frage beispielsweise, wann eine Angabe über Umstände im Sinne des § 20a Abs. 1 WpHG vorliegt oder wann diese Angaben bewertungserheblich sind, muss sinnvollerweise auch für Journalisten so bestimmt werden, wie dies oben dargstellt ist. Auch die Frage, wann ein Umstand irreführend ist, entscheidet sich für journalistische Angaben über Umstände zunächst in gleicher Weise wie für Angaben über Umstände bei allen anderen Marktteilnehmern. Berücksichtigung finden die berufsständischen Regeln somit erst im Rahmen der Prüfung des Verschuldens,377 auch wenn das Verschulden als subjektiver Tatbestand des Manipulationsverbotes nicht ausdrücklich in § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG geregelt ist, sondern sich aus den §§ 38 f. WpHG ergibt.378 Denn bei der Prüfung, ob ein leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Journalisten gegeben war, können die berufsständischen Regeln sinnvoll berücksichtigt werden. Wenn also beispielsweise ein Journalist Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Informationen hat, diese aber dennoch ohne weitere Recherche aus Zeitdruck veröffentlicht, dann kann unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln Leichtfertigkeit zu verneinen sein, wenn das öffentliche Informationsinteresse im konkreten Falle überwiegt. Dagegen erscheint eine solche Modifikation des Verschuldensmaßstabes auf den ersten Blick schwieriger, wenn vorsätzliches Handeln des Journalisten in Frage steht. Denn wenn ein Journalist vorsätzlich unrichtige Informationen verbreitet, dann erscheint es schwer, einen solchen Vorsatz unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln zu verneinen. Jedoch ist diese Fallgruppe von geringer Relevanz, da die berufsständischen Regeln selbst ihrerseits bereits die vorsätzliche Verbreitung unrichtiger oder irreführender Angaben untersagen.

376 Auch Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, 6. Teil Rn. 19 gehen davon aus, dass es bisher keine berufsständischen Regeln gebe, die auf die Tätigkeit von Wirtschaftsjournalismus zugeschnitten seien und Verhaltensstandards bezüglich Recherche und Berichterstattung festlegten. 377 Leider schweigt die Literatur zu § 20a Abs. 6 WpHG zur Frage der dogmatischen Anknüpfung der berufsständischen Regeln. 378 Siehe hierzu oben unter bb).

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(c) Rechtsfolge im engeren Sinn und ihre Durchsetzung Die Rechtsfolgenseite selbst bleibt dagegen unberührt. Ist trotz modifizierten Verschuldensmaßstabes der Tatbestand der Marktmanipulation erfüllt, dann treffen den Journalisten die gleichen Rechtsfolgen wie jeden anderen Marktteilnehmer, ihm drohen folglich Geld- oder Freiheitsstrafe bzw. ein Bußgeld.379 Auch die Aufsichtsbefugnisse der BaFin bestehen in vollem Umfang, da sich gerade keine § 34c S. 6 WpHG entsprechende Regelung findet. Auch erscheint eine Einschränkung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, solange die BaFin nur die entsprechende Modifikation des Tatbestandes bei ihren Ermittlungen von Anfang an ausreichend berücksichtigt.380 dd) Zwischenergebnis Es ist im Ausgangspunkt unabdingbar, das Manipulationsverbot auch auf Presseveröffentlichungen anzuwenden. Doch ist zu beachten, dass sich das Manipulationsverbot in seinem Ausgangspunkt nur an den Interessen eines funktionierenden Kapitalmarktes orientiert, sodass eine unmittelbare Anwendung des Verbots auf Journalisten verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen würde.381 Versteht man aber die Privilegierung des § 20a Abs. 6 WpHG in dem soeben dargestellten Sinn – berücksichtigt man also die verfassungsrechtlich verbürgten Interessen der Journalisten durch die Anwendung der berufsständischen Regeln im Rahmen des Verschuldens – dann kommt es zu einem angemessenen Ausgleich zwischen dem besonderen Schutzbedürfnis der Journalisten und dem Interesse an einem funktionierenden Kapitalmarkt. So kann z. B. das Recht der Journalisten auf eine zeitnahe Berichterstattung dazu führen, dass trotz Vorliegens einer unrichtigen Angabe über Umstände der Tatbestand des Manipulationsverbotes nicht erfüllt ist. Auch bietet der Tatbestand in seiner vorliegenden Form die Möglichkeit, im jeweiligen Einzelfall angemessene Entscheidungen zu treffen. Dass außerdem die Verfasser von Leserbriefen und Gastbeiträgen sich nicht direkt auf die Privilegierung berufen können, erscheint folgerichtig, da für diese auch kein gefestigtes Standesrecht besteht und der Verweis damit ins

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Dazu oben unter bb). Dagegen geht Spindler, NZG 2004, 1138, 1142 f. davon aus, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen auch im Rahmen von § 20a WpHG die aufsichtsrechtlichen Befugnisse der BaFin eingeschränkt werden müssten, da bereits der potentielle Eingriff durch die Aufsicht des Staates maßgeblich sei. Insoweit plädiert er für eine analoge Anwendung von § 34b Abs. 4 WpHG. 381 Zu denken ist z. B. an das Recht der Journalisten, zeitnah auch dann zu berichten, wenn eine Information möglicherweise noch nicht gesichert ist, aber dennoch ein öffentliches Informationsinteresse an einer sofortigen Veröffentlichung besteht, siehe hierzu auch oben in Kapitel 3 D. 380

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Leere ginge. Ein etwaiges erhöhtes Schutzbedürfnis dieser Beiträge muss und kann vielmehr bei der unmittelbaren Anwendung des Manipulationsverbotes berücksichtigt werden. Aufgrund dieser Möglichkeit, auch im Rahmen des eigentlichen Manipulationsverbotes, bei der Prüfung des Verschuldens die Meinungsund Pressefreiheit zu berücksichtigen, wäre die Sondervorschrift des § 20a Abs. 6 WpHG aus verfassungsrechtlichen Gründen – und wie im Ausgangsentwurf vorgesehen – nicht zwingend erforderlich gewesen. Dennoch erscheint es aus Sicht der Journalisten begrüßenswert, dass ihr von der Verfassung gewährleisteter Schutz in Bezug auf ihre Tätigkeit auch im einfachen Recht ausdrücklich festgehalten ist, da so dem Rechtsanwender die besondere Stellung der Journalisten eindrücklich vor Augen geführt wird. Außerdem werden durch den ausdrücklichen Verweis auf die berufständischen Regeln die Kriterien der Abwägung im Einzelfall vorgegeben und damit sowohl für die Journalisten als auch für die Marktteilnehmer vorhersehbar. b) Sonderfall Scalping aa) Allgemeine Einordnung Insbesondere durch das Erfordernis der Unrichtigkeit oder Irreführung wird der Anwendungsbereich der informationsgestützten Manipulation nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erheblich eingeschränkt. Gerade im Hinblick auf Äußerungen in Presseerzeugnissen erscheint dies jedoch verfassungsrechtlich grundsätzlich geboten: Zutreffende Aussagen unterfallen dem vollen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG und es bedarf guter Gründe, diesen zu beschränken.382 Gleichzeitig scheinen von zutreffenden Angaben über Umstände zunächst einmal keine Gefahren für den Preisbildungsprozess und damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes auszugehen, bewirkt die Veröffentlichung zutreffender Informationen doch, dass diese in die Preise eingehen und sich damit der tatsächliche Wert dem wahren Wert des Wertpapiers annähert,383 ihre Einwirkung auf den Preis also zunächst nicht unerwünscht ist. Nichtsdestoweniger gibt es eine bekannte Fallkonstellation, in der auch zutreffende Äußerungen verhindert werden sollen: Es handelt sich hier um die Fälle des sog. Scalpings:384 Bei diesem nutzt eine Person ihre besondere Glaubwürdigkeit aus 382 Zu den Kriterien, die bei dieser Abwägung eine Rolle spielen und die sich je nach Person des Äußernden unterscheiden siehe oben Kapitel 3, insbes. unter B. IV. 383 Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2. 384 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 189: Wörtlich „skalpieren“, idiomatisch „das Fell über die Ohren ziehen“. Es existiert keine einheitliche Definition dessen, was im Zusammenhang mit dem Verbot der Marktmanipulation unter Scalping zu verstehen ist. Ein Überblick über die verschiedenen vertretenen Definitionen findet sich bei Vogel a. a. O. Prominente Beispiele sind die bereits oben geschilderten Fälle Prior (oben in Kapitel 2 A. II. 1. und Fn. 87) und Opel (oben in Fn. 88).

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und gibt – unzutreffende oder eben auch zutreffende – breitenwirksame Anlageempfehlungen oder sonstige Äußerungen zur künftigen Entwicklung eines bestimmten Wertpapiers mit dem Hintergedanken, von den hierauf folgenden Kursbewegungen zu profitieren. Die Notwendigkeit, ein solches Verhalten zu unterbinden, ist nicht so offensichtlich wie bei einer Manipulation durch unrichtige oder irreführende Angaben. Empirische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass auch mittels zutreffender Informationen eine Beeinträchtigung des Marktes in Form einer Überreaktion hervorgerufen werden kann.385 Ein häufiger Grund hierfür ist das bereits oben geschilderte „Herdenverhalten“ der Anleger, welches durch mediale Äußerungen hervorgerufen oder zumindest verstärkt werden kann.386 Ob dies allein ausreichend ist, eine so weitreichende Einschränkung von Art. 5 Abs. 1 GG zu rechtfertigen, dass zutreffende Aussagen untersagt werden können, erscheint jedoch zweifelhaft, zumal es in der Praxis schwierig ist, derartige Kursbeeinflussungen im Einzelfall als schädlich (d.h. als Überreaktionen) zu qualifizieren. Daher kommt beim Scalping zum Vorwurf der (potentiellen) Preisbeeinträchtigung der Vorwurf hinzu, das Anlegerpublikum über die wahre Motivation der Äußerung, nämlich eigene Vermögensinteressen, zu täuschen. Es geht also auch darum, das Vertrauen der Anleger in einen Kapitalmarkt zu schützen, in welchem Chancengleichheit herrscht und in dem es einzelnen Marktteilnehmern nicht möglich ist, ungerechtfertigte Sondervorteile zu ziehen.387 Beim Scalping sind unterschiedliche Konstellationen und Ausführungsvarianten denkbar, welche von verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen erfasst werden. Gleichzeitig sind noch immer Fälle von Scalping denkbar, die von keinem der normierten Scalpingverbote erfasst werden. bb) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfasst wird Ein großer Teil der Fälle von Scalping wird bereits vom soeben dargestellten § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfasst. Zwar findet sich in § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV eine Regelung, die fast wörtlich den klassischen Fall des Scalpings 385 Vgl. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 22; siehe auch die Beispiele aus Kapitel 2 A. 386 Zum Herdenverhalten siehe oben in Kapitel 2 B. I. 2. c). 387 Hier wird die Nähe bzw. der fließende Übergang zum Verbot des Insiderhandels deutlich, bei welchem weniger das Vertrauen der Anleger unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Preisbildung im Zentrum steht als vielmehr das Vertrauen der Anleger unter dem Gesichtspunkt informationeller Chancengleichheit und der Verhinderung der Erzielung ungerechtfertigter Sondervorteile. Daher verwundert es auch nicht, dass das Scalping lange Zeit als Insiderdelikt eingestuft wurde. Probleme hatte man aber bei der Begründung des Vorliegens einer Insidertatsache (bzw. heute Insiderinformation), sodass man seit der Marktmissbrauchsrichtlinie dazu überging, das Scalping als Fall der Marktmanipulation zu qualifizieren; siehe auch Fn. 389.

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schildert und die gem. § 4 Abs. 1 MaKonV eine Konkretisierung der sonstigen Täuschungshandlung nach § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG darstellt. Da ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot des § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG aber nicht nur vorsätzlich, sondern auch leichtfertig begangen werden kann, ist er vor der vermeintlichen Sonderregelung vorrangig. Sind also die Tatbestandsmerkmale des § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfüllt, ist es insbesondere irrelevant, inwieweit die entsprechenden Äußerungen nur gemacht wurden, um hieraus einen finanziellen Vorteil zu ziehen.388 Unerheblich ist außerdem, zu welcher Zeit eigene Geschäfte gemacht werden (also vor oder nach der Empfehlung) oder ob sogar nur fremde Geschäfte unterstützt werden sollen und der Journalist hiervon nur indirekt profitiert. cc) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV erfasst wird In Umsetzung von Art. 1 Nr. 2 letzter Spiegelstrich der Marktmissbrauchsrichtlinie findet sich dann in § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV eine Regelung, die ausdrücklich auf die Erfassung der sonstigen Fälle des Scalpings abzielt. Bedeutung hat diese Regelung vor allem dann, wenn die Angaben über Umstände richtig oder nicht irreführend sind, oder wenn sich dies zumindest nicht nachweisen lässt; vor allem bei weichen Informationen wird ein Nachweis der Unrichtigkeit häufig nicht gelingen. (1) Objektiver Tatbestand Anknüpfungspunkt für den Manipulationsvorwurf ist in dieser Konstellation nicht mehr die Äußerung allein,389 sondern die Kundgabe einer Stellungnahme oder eines Gerüchtes390 durch die Medien391, nachdem zuvor Positionen über

388 Denn ein Handeln zum eigenen Vorteil und auch sonstige subjektive Elemente sind nicht erforderlich, da die Äußerung unrichtiger oder irreführender Angaben, die geeignet sind, den Preis zu beeinflussen, in keinem Fall kapitalmarktadäquat ist. 389 Bis zur Klarstellung durch BGHSt 48, 373 hatte man Scalping hingegen nicht an die interessengeleitete Äußerung, also die Empfehlung etc. als das in Frage stehende Verhalten angeknüpft, sondern an den dieser vorausgegangenen Erwerb von Wertpapieren in der Absicht, diese später zu empfehlen. Indem man diese Empfehlungsabsicht als Insidertatsache qualifizierte, war schon beim Erwerb der Positionen das Insiderhandelsverbot erfüllt. Nicht erfasst waren damit die Fälle, in denen bestimmte Positionen erst nach der Empfehlung eingegangen wurden. 390 Von der Kundgabe einer Stellungnahme oder eines Gerüchts ist jede Form der Äußerung – unabhängig von der Richtigkeit des Inhalts – erfasst, vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 34. 391 Zum Merkmal des Medienzugangs siehe Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 33.

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dieses Finanzinstrument eingegangen wurden und dieser Interessenkonflikt nicht in angemessener Weise zusammen mit der Kundgabe mitgeteilt wird.392 Auffällig ist sogleich die Begrenzung des Tatbestandes auf die Fälle, in denen im Vorfeld der Äußerung entsprechende Positionen eingegangen wurden.393 Ausdrücklich nicht erfasst werden dagegen die Fälle, in denen der Scalper nach einer Verkaufsempfehlung zum gesunkenen Preis kauft, um das Wertpapier wieder zu verkaufen, nachdem sich der Preis wieder erholt hat – was bei solch künstlichen Preisen in aller Regel der Fall ist.394 Außerdem ist der Tatbestand dann nicht erfüllt, wenn auf diesen Interessenkonflikt in angemessener Weise hingewiesen wird. Fraglich ist, wann dies der Fall ist. Sowohl die MaKonV als auch ihre Begründung schweigen hierzu. Stellt man auf den Aspekt ab, dass eine Beeinflussung des Marktpreises in Form einer Überreaktion verhindert werden soll, dann kann man feststellen, dass die schlichte Offenlegung des privaten Wertpapierbesitzes nicht ausreichend ist: Denn der alleinige Hinweis auf einen eigenen Wertpapierbesitz wird in aller Regel nicht dazu führen, dass das Anlegerpublikum die Empfehlung als unseriös einstuft. Vielmehr liegt es nahe, dass es einen entsprechenden Wertpapierbesitz gar als Bekräftigung entsprechender Empfehlungen verstehen und die negative Wirkung in Form von Überreaktionen des Marktes noch verstärkt wird.395 Dies würde aber Sinn und Zweck des Scalpingverbots gerade entgegenlaufen. Auch wird die bloße Offenlegung eines privaten Wertpapierbesitzes nicht dazu führen, dass den Anlegern unmittelbar bewusst wird, dass die wahre Motivation der Äußerung das Erzielen eigener Sondervorteile ist. Wenn man dagegen qualifizierte Anforderungen an die Offenlegung des Interessenkonfliktes stellt, führt dies dazu, dass den Anlegern die wahre Motiviation des Handelnden deutlich wird und so zum einen ein Vertrauensverlust verhindert werden kann und gleichzeitig Überreaktionen des Marktes abgewendet werden können. Wichtig erscheint dabei vor allem, dass die Motive des eigenen Handelns 392 So § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV. Der Scalper täuscht also durch aktives Tun, indem er stillschweigend bzw. konkludent vortäuscht, dass die Empfehlung „nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung zu eigennützigen Zwecken bemakelt“ sei, Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 191. 393 Unerheblich ist, in welchem zeitlichen Abstand zur Kundgabe dies geschehen ist, Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 35. 394 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 188 kritisiert § 4 Abs. 3 Nr. 2 der MaKonV daher als „teleologisch verfehlt“. Dagegen sind Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 35 der Auffassung, dass die insoweit verbotswürdig erscheinenden Fälle ausreichend von § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG und § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV erfasst seien. Zu letzterem sogleich unter ee). 395 In diese Richtung auch Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 191 in Fn. 4; Schäfer, BKR 2004, 78, 79. Schönhöft, Die Strafbarkeit der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG, S. 141, bemerkt ebenfalls, dass der Hinweis, der Scalper habe das Wertpapier auch selbst erworben „für die Anleger selbstverständlich“ erscheine und „nur das Gewicht der Empfehlung“ verstärke.

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offengelegt werden,396 der genaue Umfang des Wertpapierbesitzes muss dabei jedoch nicht zwingend angegeben werden.397 (2) Subjektiver Tatbestand Was dem Tatbestand jedoch auch in seiner Konkretisierung durch die MaKonV fehlt, ist eine ausdrückliche subjektive Komponente. Daher muss auch hier zunächst auf die Sanktionsnormen der § 39 WpHG und § 38 WpHG zurückgegriffen werden, nach welchen nur vorsätzliches Handeln eine Ordnungswidrigkeit bzw. eine Straftat darstellt. Fraglich ist jedoch, ob dies als subjektive Komponente ausreichend ist. Im einzigen Fall von Scalping, der bisher von der Rechtsprechung entschieden wurde,398 stellte sich dieses Problem nicht, da ohnehin ein Fall des absichtlichen Scalpings gegeben war, d.h. der Täter hatte bereits beim Erwerb der Wertpapiere die Absicht, später entsprechende Empfehlungen abzugeben und dann von diesen zu profitieren.399 Ungeklärt ist dagegen, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen der Scalper beim Erwerb der Wertpapiere400 oder gar bei der Empfehlung der Wertpapiere401 noch keine Absicht zum Scalping hatte. Wie bereits erwähnt, fordert weder der Wortlaut des § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG noch der des § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV eine derartige Absicht. Andererseits genießen inhaltlich zutreffende Äußerungen den vollen Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG, der – wie oben gezeigt – dann besonders groß ist, wenn mit der entsprechenden Äußerung ein öffentliches Informationsinteresse bedient wird.402 Vogel 403 vertritt daher unter Hinweis auf die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG die Auffassung, dass eine sachlich zutreffende Äuße396 A. A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 36, die eine solche Offenlegung ablehnen. 397 Insoweit ist den Ausführungen von Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 36 zuzustimmen. 398 BGHSt 48, 373, siehe auch Fn. 88. 399 Wenn alle Akte durch eine durchgängige Absicht des Scalpers verbunden sind, dann liegt ein Fall des sog. absichtlichen Scalpings vor, vgl. Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 189. 400 Also wenn der Scalper die entsprechenden Wertpapiere z. B. schon seit langer Zeit in seinem Besitz hat. 401 Hier ist die Konstellation denkbar, dass dem Scalper erst im Anschluss an seine Äußerung deren Wirkung bewusst wird, er sich eines entsprechenden Wertpapierbesitzes erinnert und sich dann die Auswirkungen seiner Empfehlung zu Nutze macht. 402 Auch die Begründung, wieso bei der informationsbasierten Manipulation kein spezieller subjektiver Tatbestand erforderlich sei (weil es „unter keinen Umständen kapitalmarktadäquat [sei], falsche oder irreführende preisbeeinflussungsgeeignete Informationen zu verbreiten“, vgl. Eichelberger, WM 2007, 2046, 2053), greift in diesen Fällen zutreffender Äußerungen nicht. 403 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 189.

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rung nicht schon deshalb unzulässig sein dürfe, weil der Empfehlende das empfohlene Finanzinstrument in seinem Portfolio habe. Welche subjektiven Anforderungen aber genau erfüllt sein müssen, lässt er ebenso offen wie eine exakte Zuordnung der verschiedenen Fallkonstellationen zum Manipulationsverbot. Auch Eichelberger404 spricht sich dafür aus, dass eine sonstige Täuschungshandlung i. S. d. § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG ein qualifiziertes subjektives Tatbestandsmerkmal benötige, um legitime Marktteilnahme von verbotener Manipulation abzugrenzen. Er plädiert dafür, das Merkmal der Täuschung ähnlich wie bei § 263 StGB auszulegen und verlangt, dass der Täter eine Täuschung bezwecken müsse, also diesbezüglich mit dolus directus 1. Grades handeln müsse.405 Dies würde bedeuten, dass zumindest im Zeitpunkt der Äußerung die Absicht gegeben sein muss, diese zum eigenen406 finanziellen Vorteil auszunutzen. Dieser einschränkenden Auslegung Eichelbergers ist zu folgen. Denn aus Sinn und Zweck des Scalpingverbots ergibt sich, dass Scalping mittels zutreffender Informationen nur dann zu untersagen ist, wenn eine entsprechende Absicht zur Ausnutzung der Wirkung der Äußerung gegeben ist. Grund dafür ist Folgendes: Zunächst ist festzuhalten, dass beim Scalping das tatbestandsmäßig relevante Verhalten die Äußerung ohne gleichzeitige Mitteilung des Interessenkonfliktes ist. Wenn die Person, die diese Äußerung abgibt, deren Wirkung aber gar nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen will, dann greift der oben ausgeführte zweite Grund für die Rechtfertigung des Scalpingverbots gerade nicht: Der sich Äußernde will ja gerade keinen Sondervorteil erzielen, sodass auch keine Übervorteilung anderer Marktteilnehmer und ein Vertrauensverlust dieser anderen Marktteilnehmer zu befürchten ist. Der einzige Vorwurf, den man dem Scalper in dieser Konstellation also machen kann ist, dass durch die zutreffende Äußerung die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Marktpreises in Form einer Überreaktion besteht.407 Problematisch ist hierbei, wann genau die Eignung zum Hervorrufen einer Überreaktion gegeben ist. In der Praxis ist es äußerst schwierig, solche Überreaktionen festzustellen. Somit erscheint es nicht vertret404

Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 310 ff. Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 312, mit dem Hinweis darauf, dass dies nicht zu einer Wiedereinführung der ausdrücklich abgeschafften Manipulationsabsicht führen würde, wenngleich der Nachweis der Täuschungsabsicht ähnlich Probleme hinsichtlich ihres Nachweises mit sich bringen würde. 406 Diesbezüglich gilt das unter a) cc) (3) (a) Gesagte entsprechend. 407 Denn der Tatbestand fordert weder eine tatsächliche Beeinträchtigung noch kann in den Fällen zutreffender Informationen eine reine Beeinflussung bzw. Eignung hierzu ausreichend sein, da es ja gerade erwünscht ist, dass Preise auf zutreffende Informationen reagieren. Das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Einwirkung muss also telelogisch eingeschränkt werden, sodass nur die Einwirkungen bzw. Beeinflussungen darunter fallen, die auch eine Beeinträchtigung zur Folge haben. 405

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bar, wegen der bloßen Möglichkeit des Hervorrufens einer Überreaktion des Marktes die Kundgabe zutreffender Äußerungen zu untersagen. Vielmehr bedarf es bei Fällen zutreffender Informationen eines besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmals. Zwar fallen damit die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Scalpings heraus, in denen ein Journalist mittels zutreffender Empfehlungen auf Überreaktionen des Marktes hofft, ohne hieraus einen Vorteil ziehen zu wollen, doch dürften diese Fälle zum einen in der Praxis eher die Ausnahme bilden und sich zum anderen allemal aus dem „allgemeinen Kapitalmarktrisiko“408 rechtfertigen lassen. Der relevante Zeitpunkt, zu dem der Täter die Absicht zum Scalping haben muss, ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass objektiver und subjektiver Tatbestand zur gleichen Zeit vorliegen müssen, was bedeutet, dass es ausreichend ist, wenn der Täter erst zum Zeitpunkt der Äußerung, nicht aber bereits bei Erwerb der Papiere die Absicht zum Scalping hat. Dies überzeugt, da es für die schädliche Wirkung des Verhaltens irrelevant ist, wie lange der Täter die entsprechenden Papiere schon in seinem Besitz hatte und welche Absichten er bei deren Erwerb verfolgt hat. dd) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV erfasst wird Teilweise werden Fälle des Scalpings außerdem von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV erfasst. Da diese Vorschrift als Voraussetzung jedoch auch die Weitergabe unrichtiger oder irreführender Informationen hat, für welche § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG spezieller ist, ist ihr Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkt, in denen keine bewertungserheblichen Informationen betroffen sind. Nach dem hier vertretenen Verständnis dürfte dies jedoch in aller Regel der Fall sein, sobald die Eignung zur Preiseinwirkung gegeben ist.409 Daher spielt § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV weder im Bereich des Scalpings noch darüber hinaus eine Rolle, wenn es um die Frage der Regulierung von Wirtschaftsjournalismus geht.

408 Gemeint ist damit, dass derjenige, der am Kapitalmarkt aktiv wird, immer einem Restrisiko ausgesetzt ist, da es praktisch nicht möglich ist, alle möglichen Fälle einer Fehlentwicklung am Kapitalmarkt zu verhindern. 409 Zu einem weiteren, aber noch immer engen Anwendungsbereich gelangt man, wenn man den Begriff der bewertungserheblichen Umstände eng auslegt und eine wirtschaftliche Bewertung verlangt, vgl. Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 58 und Rn. 182, wo er als Beispiel die Nennung von Umständen unternehmensethischer Natur anführt.

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ee) Scalping, das von § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV erfasst wird Schließlich können Fälle des Scalpings auch unter § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV fallen, welcher Art. 5 lit. b der RiL 2003/124/EG entspricht. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV bestimmt als Anzeichen410 für eine sonstige Täuschungshandlung Wertpapiergeschäfte, für welche vorab oder im Nachhinein eine von wirtschaftlichen Interessen beeinflusste Finanzanalyse oder Anlageempfehlung erstellt oder weitergegeben wurde. Auffällig ist hier, dass damit auch die Fälle erfasst werden können, die nicht unter § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV fallen, nämlich diejenigen, in denen erst im Anschluss an die Äußerung entsprechende Geschäfte getätigt werden. Es muss also zunächst eine Finanzanalyse gegeben sein. Dies bestimmt sich entsprechend § 34b WpHG i.V. m. der diesen konkretisierenden Finanzanalyseverordnung411, sodass sich hieraus bereits eine gewisse Einschränkung des Anwendungsbereichs ergibt. Fraglich ist, wie die Analyse oder Empfehlung beschaffen sein muss, damit sie als von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst gilt. Im Mittelpunkt steht dabei, ob Auswirkungen auf den Inhalt der Analyse oder Empfehlung gegeben sein müssen. Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch die Aufzählung in § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV, die neben der Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen die Unrichtigkeit, Fehlerhaftigkeit oder Verzerrung nennt. Um zu einem eigenständigen Anwendungsbereich dieser Tatbestandsvariante zu kommen, muss es zunächst unerheblich sein, wie sich die Beeinflussung ausgewirkt hat, ob also die Analyse oder Empfehlung unrichtig, fehlerhaft oder verzerrt war oder nicht. Der Wortlaut „beeinflusst“ spricht außerdem dafür, dass die wirtschaftlichen Interessen kausal für die eigene Willensbildung, eine bestimmte Äußerung zu machen, gewesen sein müssen. Eine Beeinflussung ist dann nicht gegeben, wenn man die gleiche Analyse oder Empfehlung ohnehin abgegeben hätte. Wenn dagegen eine solche Kausalität gegeben ist und eine bestimmte Äußerung auch deshalb gemacht wird, weil man eigene wirtschaftliche Interessen im Auge hat, dann ist das Tatbestandsmerkmal erfüllt. Im Unterschied zur Tatbestandsvariante des § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV muss also der Nachweis erbracht werden, dass die wirtschaftlichen Interessen tatsächlich Einfluss auf die Willensbildung hatten,412 während bei den anderen Fallgruppen des Scalpings das Vorliegen entsprechender Geschäfte im Vorfeld ausreicht. Unerheblich ist 410 Diese Anzeichen haben weder zwingenden Charakter noch sind sie abschließend, vgl. BR-Drs. 18/05, S. 17; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 181. 411 Finanzanalyseverordnung – Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (FinAnV) in der Fassung der Bekanntmachung v. 17.12 2004 (BGBl. I, 3522), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 20.7.2007 (BGBl. I, 1430). Es wird insoweit auf die Ausführungen unten unter II. 2. a) verwiesen.

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jedoch – wie bereits erwähnt – ob der Einfluss auf die Willensbildung dazu führt, dass die Analyse fehlerhaft wird. Somit können über diese Tatbestandsvariante auch Fälle inhaltlich zutreffender Analysen und Empfehlungen erfasst werden. Rechtfertigen lässt sich die damit einhergehende Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in gleicher Weise wie beim Scalping nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV.413 Gleichzeitig führt dies aber auch dazu, dass die dort aufgezeigten subjektiven Anforderungen gegeben sein müssen.414 Schließlich muss bei Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale noch eine „umfassende Gesamtwürdigung“415 erfolgen. Dabei kann z. B. berücksichtigt werden, dass eine sonstige Täuschungshandlung dann nicht vorliegt, wenn die Interessenkonflikte entsprechend den Vorgaben der § 34b WpHG i.V. m. der FinAnV 416 offengelegt wurden und zwar auch dann, wenn es zu einer Beeinflussung kam.417 ff) Bewertung Erstmals ist es also zu einer ausdrücklichen Normierung des Scalpingverbots gekommen und zwar durchweg im Bereich des Verbots der Marktmanipulation.418 Trotzdem gibt es noch Stimmen, denen die derzeitige Normierung nicht weit genug geht. Bemängelt wird dabei vor allem die unterschiedliche Behandlung von Wertpapiergeschäften vor oder nach entsprechenden Äußerungen. So kritisiert Vogel die derzeitige Normierung des Scalpings in § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV als „telelogisch verfehlt“, da diese Regelung den nachträglichen Handel ausschließe. Allerdings geht er an dieser Stelle nicht darauf ein, dass bereits viele Fälle des Scalpings durch nachträglichen Handel von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG bzw. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV erfasst werden, worauf Mock, Stoll und Eufinger419 zutreffend hinweisen. Ihrer Ansicht nach sind damit alle verbotswürdig erscheinenden Fälle des Scalpings von einem gesetzlichen Verbot erfasst. Man wird wohl abwarten müssen, ob 412 Im Ergebnis so auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 15. Einschränkend dagegen Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 846, der von einer Indizwirkung für eine sonstige Täuschungshandlung nur dann ausgeht, wenn die Beeinflussung dazu führt, dass die Analyse oder Empfehlung sogleich unrichtig, fehlerhaft oder verzerrend ist. 413 Dazu oben unter cc) (1). 414 Dazu oben unter cc) (2). 415 Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 16. 416 Siehe zu dieser Fn. 411. 417 Zum gleichen Ergebnis kommen Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 15; Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a Rn. 183. 418 Das bisher einzige Urteil des BGH hierzu aus dem Jahre 2003 (BGHSt 48, 373) hat insoweit weiterhin Bestand, vgl. zu diesem auch die Fn. 88, 267 und 389. 419 Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 35.

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sich das Scalpingverbot in seiner vorliegenden Form bewährt und tatsächlich alle verbotswürdig erscheinenden Fälle erfasst werden. Falls sich Lücken zeigen, sollte § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV so geändert werden, dass auch der nachträgliche Handel erfasst wird.420 Denn Gründe für eine Andersbehandlung sind nicht ersichtlich. Dass im Zusammenhang mit der Regelung des Scalpings keine Sonderregelung für Journalisten vorgesehen ist, scheint folgerichtig, gilt doch § 20a Abs. 6 WpHG ohnehin nur dann, wenn kein direkter oder indirekter Nutzen oder Gewinn gezogen wird. Ein Journalist, dessen Motivation für eine bestimmte Berichterstattung eigene Vorteile sind, handelt auch nicht im öffentlichen Informationsinteresse. Seine Interessen müssen daher hinter den Interessen des Kapitalmarktes zurücktreten. Insoweit bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Scalpingverbots. c) Weitere Möglichkeiten der informationsgestützten Manipulation (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 bzw. Nr. 3 WpHG) Schließlich sind Fälle von Manipulation denkbar, die weder zu den unter a) noch zu den unter b) beschriebenen Fallgruppen gehören. Da diese jedoch eher theoretischer Natur sein dürften, werden sie an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber kurz erwähnt. Bei § 20a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ist vor allem an die Fälle zu denken, in denen Veröffentlichungspflichten nach § 34b WpHG nicht nachgekommen wird. § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG stellt einen Auffangtatbestand dar, sodass grundsätzlich viele weitere Fallkonstellationen unter ihn subsumiert werden können. Dabei muss jedoch der Spezialitätsgrundsatz beachtet werden, damit die detaillierten Vorgaben der MaKonV nicht einfach umgangen werden. II. Verhaltensvorschriften für die Analyse von Finanzinstrumenten 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand a) Tatbestand bis zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz Nach der „Talfahrt der Märkte“421 und Fällen wie dem des Egbert Prior422 wurde der Ruf laut nach Verhaltensvorschriften für Marktintermediäre wie Wirtschaftsprüfer und Finanzanalysten, die über das Verbot der Marktmanipulation 420 Da die Marktmissbrauchsrichtlinie ihrerseits keine weiteren Fälle des Scalping als verbotswürdig einstuft und gleichzeitig eine Vollharmonisierung (Möllers, WM 2005, 1393, 1396) anstrebt, ist aber fraglich, ob es dem nationalen Gesetzgeber überhaupt möglich wäre, weitere Scalpingverbote zu normieren. 421 Weber, NJW 2003, 18, 22. 422 Siehe zum Fall Prior oben Fn. 87.

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hinausgehen. Ergebnis war der durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz neu eingeführte § 34b WpHG a. F.,423 der Verhaltensvorschriften für Wertpapieranalysen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufstellte, die bei der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen zu beachten sind. Im inhaltlichen Zentrum dieser Vorschrift stand zum einen, dass Wertpapieranalysen424 mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erstellen waren. Dies beinhaltete beispielsweise, dass Tatsachen von Meinungen und Empfehlungen zu trennen waren425 und die verwendeten Informationen möglichst aktuell und vollständig sein mussten.426 Zum anderen bestand die Pflicht, mögliche Interessenkonflikte in der Wertpapieranalyse offenzulegen. Der Adressatenkreis dieser Vorschrift waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG a. F. § 34b WpHG a. F. richtete sich damit ausschließlich an die Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. 427 Der einzelne Analyst hingegen war von diesen Regelungen nicht betroffen und zwar unabhängig davon, ob er bei einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen angestellt oder selbstständig tätig war. Erst recht nicht von dieser Regelung erfasst waren Personen, deren Tätigkeit gerade nicht hauptsächlich in der Erstellung von Anlageempfehlungen lag, also beispielsweise Zeitungsredakteure. Es stellte sich aber die Frage, was für Analysen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen galt, die in den Medien veröffentlicht wurden. Denn diesbezüglich hatte die BaFin in einer Bekanntmachung vom 11. März 2003428 festgestellt, 423 § 34b WpHG (in der vom 1.7.2002 bis zum 29.10.2004 gültigen Fassung, BGBl. I 2002, 2010): (1) Führt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen eine Wertpapieranalyse durch und macht das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sie seinen Kunden zugänglich oder verbreitet sie öffentlich, so ist es verpflichtet, die Wertpapieranalyse mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erbringen und mögliche Interessenkonflikte in der Wertpapieranalyse offen zu legen. Eine Verpflichtung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zur Offenlegung im Rahmen der Wertpapieranalyse besteht insbes. dann, wenn es oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen 1. an der Gesellschaft, deren Wertpapiere Gegenstand der Analyse sind, eine Beteiligung in Höhe von mindestens 1% des Grundkapitals hält, 2. einem Konsortium angehörte, das die innerhalb von fünf Jahren zeitlich letzte Emission von Wertpapieren der Gesellschaft, die Gegenstand der Analyse sind, übernommen hat, oder 3. die analysierten Wertpapiere auf Grund eines mit dem Emittenten abgeschlossenen Vertrages an der Börse oder am Markt betreut. (2) § 33 gilt entsprechend. 424 Damals beschränkte sich der sachliche Anwendungsbereich auf die Erstellung von Wertpapieranalysen. 425 Jahresbericht der BaFin 2003, S. 109 f., abrufbar unter www.bafin.de (besucht am 10.7.2009). 426 Jahresbericht der BaFin 2003, S. 109 (Fn. 425). 427 Jahresbericht der BaFin 2003, S. 109 (Fn. 425). 428 Abrufbar unter www.bafin.de (besucht am 10.7.2009).

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dass der Begriff der Wertpapieranalyse nicht nur schriftliche, sondern auch über das Fernsehen und die Medien verbreitete Analysen erfasse, d.h. der Anwendungsbereich des § 34b WpHG a. F. grundsätzlich eröffnet sei. Die Folge war eine große Verunsicherung im Bereich der Medien, an die sich die Regelung des § 34b WpHG a. F. zwar einerseits nicht richten sollte, die aber andererseits als Verbreitungsmedium genannt wurden. So kam es am 12. Mai 2003 bei der BaFin in Frankfurt a. M. zu einem Round-Table-Gespräch über die Veröffentlichungspflichten in den Medien veröffentlichter Wertpapieranalysen.429 Im Rahmen dieses Gespräches erklärte der Präsident der BaFin, Jochen Sanio, erneut, dass sich die neuen Regelungen nur an die Wertpapierdienstleistungsunternehmen, nicht aber an die Medien selbst richteten. Gleichwohl sei es aber, nicht zuletzt, um Transparenz für die Anleger herzustellen, ein Anliegen der BaFin, „eine einvernehmliche, allseits praktikable Übereinkunft zwischen Banken, Medien und Aufsicht zu erreichen.“ Nach Gesprächen mit verschiedenen Medienvertretern und den betroffenen Wirtschaftskreisen empfahl die BaFin in ihrem Jahresbericht 2003 folgende Vorgehensweise:430 Wegen der unterschiedlichen Formen von Medienauftritten sollte zwischen zwei verschiedenen Arten von Analysen unterschieden werden: zum einen Analysen, die im Verantwortungsbereich der Wertpapierdienstleistungsunternehmen ständen, und zum anderen Analysen, die im Verantwortungsbereich des jeweiligen Mediums verbreitet würden. Unter die erste Gruppe fallen laut BaFin beispielsweise Gastbeiträge oder Besprechungen von Musterdepots in Börsensendungen. In diesen Fällen griffen die Verhaltenspflichten des § 34b WpHG a. F. und so müssten beispielsweise Tatsachen, die einen Interessenkonflikt begründen könnten, in den Beiträgen selbst genannt werden. Im Verantwortungsbereich des jeweiligen Mediums liege eine Analyse dagegen, wenn dem Medium die Analysen für eigene redaktionelle Beiträge zur Verfügung gestellt würden, also zum Beispiel Kurzmeldungen über veröffentlichte Wertpapieranalysen. Laut BaFin sei in solchen Fällen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, gegenüber dem Medium etwaige Interessenkonflikte offenzulegen. Das Medium selbst solle hingegen nicht verpflichtet sein, auf die möglichen Interessenkonflikte in seinem Beitrag hinzuweisen. Dabei überrascht, dass die Wertpapierdienstleistungsunternehmen also verpflichtet sein sollen, den Medien gegenüber etwaige Interessenkonflikte offenzulegen, die Medien jedoch in ihren Beiträgen nicht darauf hinzuweisen haben. Dass die BaFin darüber hinaus mit keinem Wort auf eigene Interessenkonflikte der Journalisten eingeht, verwundert hingegen weniger, sondern dürfte 429 Siehe dazu die Pressemitteilung der BaFin v. 13.5.2003, abrufbar unter www. bafin.de (besucht am 10.7.2009). 430 Jahresbericht der BaFin 2003, S. 112 (Fn. 425).

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daran liegen, dass im Jahre 2003 Journalisten selbst nicht Adressaten des § 34b WpHG a. F. waren, sondern dieser immer die Finanzanalyse eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens voraussetzte. b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie Bei Finanzanalysen kam es durch die Marktmissbrauchsrichtlinie erstmals zu einer ausdrücklichen Nennung der Journalisten, die mit einer generellen Ausweitung des Anwendungsbereichs einherging. Gleichzeitig wurde eine ausdrückliche Sonderbestimmung für Journalisten geschaffen. Zentrale Norm ist Art. 6 des Entwurfs der Kommission.431 Von Bedeutung für Journalisten ist Art. 6 Abs. 5 432, der bestimmt, dass Personen, die Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien erstellen oder weitergeben, für eine sachgerechte Darstellung und die Vermeidung etwaiger Interessenkonflikte zu sorgen haben. Außerdem müssen eventuell bestehende Interessenkonflikte offengelegt werden. Diese Regelung erinnert stark an den in Deutschland bereits durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz im Jahre 2002 eingeführte und oben kurz vorgestellten § 34b a. F.433 Da der Entwurf aber – und hierin besteht der entscheidende Unterschied zur in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehenden Regelung434 – keine Einschränkung in Bezug auf den verpflichteten Personenkreis enthält, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit dieser Regelung auf Journalisten. Offen gestellt wurde diese Frage von Theresa Villiers435 im Rahmen einer schriftlichen Anfrage an die Kommission im Oktober 2002.436 Insbesondere wollte sie von der Kommission bestätigt haben, dass dieser Artikel nicht zur Regulierung von Wirtschaftsjournalismus genutzt werden würde. Beantwortet wurde ihre Frage von Frederik Bolkestein im Namen der Kommission am 431

Siehe Fn. 270. „(5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass geeignete Regelungen getroffen werden, wonach Personen, die Analysen von Finanzinstrumenten oder von Emittenten von Finanzinstrumenten oder sonstige für Informationsverarbeitungskanäle oder die Öffentlichkeit bestimmte Informationen mit Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien erstellen oder weitergeben, in angemessener Weise dafür Sorge tragen, dass die Information sachgerecht dargeboten wird, und etwaige Interessen oder Interessenkonflikte im Zusammenhang mit den Finanzinstrumenten, auf die sich die Information bezieht, offen gelegt werden. Diese Regelungen werden der Kommission mitgeteilt.“ 433 Oben unter a). 434 Damals waren in Deutschland nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen Adressat der Vorschrift, siehe hierzu unter a) und Fn. 423. 435 Theresa Villiers war damals britische Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied der Konservativen Fraktion, http://www.theresavilliers.co.uk (besucht am 10.7.2009). 436 ABl. EG Nr. C 161 E v. 10.7.2003, S. 38 ff. 432

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25. Oktober 2002. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass das Entscheidende nicht eine bestimmte Person, sondern eine bestimmte Verhaltensweise sei. Wenn also Finanzjournalisten allgemeine Informationen über Emittenten verbreiten würden, dann fielen sie nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 5 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Wenn sie dagegen empfehlen würden, bestimmte Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen, dann seien auch sie von der Regelung erfasst, da diese bestimmte Vorkehrungen, sog. „geeignete Regelungen“, vorschreibe. Gleichwohl könnten solche „geeigneten Regelungen“ auch im Wege einer Selbstregulierung vorgenommen werden, darauf nehme auch Erwägungsgrund 22437 explizit Bezug. In keinem Fall sollten bereits bestehende Selbstkontrollmechanismen der Presse in Frage gestellt werden. Auf die genauere Ausgestaltung der Pflichten ging Bolkestein nicht ein. Dies liegt wohl daran, dass die Ausgestaltung dieser Pflichten nicht im Rahmen der Marktmissbrauchsrichtlinie, sondern in einer speziellen Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie erfolgen sollte, welche sich auf Art. 6 Abs. 10 Spiegelstrich 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie stützt. In diese Ermächtigung wurde im weiteren Verlauf auf Drängen des Europäischen Parlaments438 folgender Zusatz aufgenommen: „Bei solchen Modalitäten werden die Regeln – einschließlich der Selbstkontrolle – für den Berufsstand der Journalisten berücksichtigt.“ Es kann somit festgestellt werden, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie selbst in Bezug auf die Verhaltensvorschriften bei der Analyse von Finanzinstrumenten nur sehr allgemeine Anforderungen aufstellt und es im Detail nicht deutlich wird, inwieweit sie überhaupt für die Arbeit von Journalisten relevant wird. Gleichwohl muss man von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit auf Journalisten ausgehen. Ist dann der Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsrichtlinie im Einzelfall eröffnet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit geeignete Regelungen getroffen wurden, was auch im Wege der Selbstregulierung erfolgen kann. 437 Entwurfs i. d. F. v. 19.7.2002 (Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 50/2002), ABl. EG Nr. C 228 E, S. 19 v. 25.9.2002. 438 Dass es dem bekanntermaßen sehr journalistenfreundlichen Europäischen Parlament ein Anliegen war, diese Sonderbestimmung in der Marktmissbrauchsrichtlinie selbst zu verankern, lässt sich mit den Besonderheiten des Lamfalussy-Verfahrens erklären (siehe zu diesem Karpf, ÖBA 2005, 573): Das Europäsche Parlament ist auf der ersten Stufe beteiligt, auf welcher die Haupt-Richtlinie erlassen wird. Auf der zweiten Stufe, bei der Ausgestaltung der Durchführungsrichtlinien, darf das Europäische Parlament dagegen nur überprüfen, ob diese sich innerhalb der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie halten. Daher war das Parlament daran interessiert, dass in der Haupt-Richtlinie die Privilegierung für die Journalisten aufgenommen wurde und es so zu einer inhaltlichen Beschränkung der Durchführungsrichtlinien kommt, vgl. zu dieser Über- und Unterordnung zwischen Basisrechtsakt und Durchführungsmaßnahme Wichard, in: Calliess/Ruffert, Art. 202 Rn. 9 ff.; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), S. 160.

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c) Ergänzung der Vorgaben durch die Richtlinie 2003/125/EG Zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie hat die Kommission in der Folgezeit auf der zweiten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens die Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG erlassen,439 die insbesondere auf Art. 6 Abs. 10 Spiegelstrich 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie gestützt ist. Ziel dieser Richtlinie sind harmonisierte Standards für die sachgerechte, klare und exakte Darbietung von Informationen und für die Offenlegung von Interessen und Interessenkonflikten, welche für Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien gelten sollen, die für die Öffentlichkeit bzw. Informationsverarbeitungskanäle bestimmt sind.440 Zentraler Begriff der gesamten zweiten Durchführungsrichtlinie ist der der „Empfehlung“. Nur wenn eine Empfehlung vorliegt, ist ihr Anwendungsbereich eröffnet. Dabei wird zwischen Vorschriften, die bei der „Erstellung von Empfehlungen“441 und Vorschriften, die bei der „Weitergabe der von Dritten erstellten Empfehlungen“442 gelten, unterschieden. aa) Begriff der Empfehlung Entscheidend ist also zunächst, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Zeitungsartikel selbst eine „Empfehlung“ darstellt. Art. 1 Nr. 3 der zweiten Durchführungsrichtlinie definiert „Empfehlung“ im Sinne dieser Vorschrift wie folgt: „Eine Analyse oder sonstige für Informationsverbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit bestimmte explizite oder implizite Information mit Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten von Finanzinstrumenten, einschließlich einer aktuellen oder künftigen Beurteilung des Wertes oder des Kurses solcher Instrumente.“ Zur näheren Konkretisierung des ersten Teils dieser Definition definiert Art. 1 Nr. 4 der zweiten Durchführungsrichtlinie die „Analyse oder sonstige Information mit Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien“443 folgendermaßen: „a) eine von einem unabhängigen Analysten, einem Wertpapierhaus, einem Kreditinstitut, einer sonstigen Person, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Empfehlungen besteht, oder einer bei den genannten Einrichtungen im Rahmen eines Arbeitsvertrages o.Ä. tätigen natürlichen Person erstellte Information, die 439

Siehe zu dieser bereits Fn. 331. So der Erwägungsgrund Nr. 1 der RiL 2003/125/EG. 441 Kapitel 2 der RiL 2003/125/EG. 442 Kapitel 3 der RiL 2003/125/EG. 443 Diese Bezeichnung findet sich auch in Art. 6 Abs. 10 sechster Spiegelstrich der RiL 2003/6/EG, der hier konkretisiert wird. 440

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direkt oder indirekt eine bestimmte Anlageempfehlung zu einem Finanzinstrument oder einem Emittenten von Finanzinstrumenten darstellt, b) eine von anderen als den in Buchstabe a) genannten Personen erstellte Information, die direkt eine bestimmte Anlageentscheidung zu einem bestimmten Finanzinstrument empfiehlt.“ Erstaunlicherweise findet hier nun sehr wohl eine Differenzierung danach statt, von wem eine Aussage stammt, obwohl Kommissar Bolkestein zuvor noch betonte, dass allein das in Frage stehende Verhalten entscheidend sei.444 Für die Frage, ob eine Empfehlung vorliegt, ist also auch von Bedeutung, von wem die Äußerung stammt. Lit. a betrifft unabhängige Analysten, Wertpapierhäuser, Kreditinstitute oder sonstige Personen, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Empfehlungen besteht, lit. b dagegen alle anderen Personen.445 Somit wird bereits bei der tatbestandlichen Definition berücksichtigt, dass man in Bezug auf unterschiedliche Personen unterschiedliche Rechtsfolgen herbeiführen möchte. Daher erscheint es notwendig, bei der Bestimmung der einzelnen Pflichten entsprechend den Vorgaben der Richtlinie nach der sich äußernden Person zu differenzieren. Was genau unter einer Empfehlung zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Zusammenspiel der beiden oben dargestellten Definitionen der Nummern 3 und 4, wobei angesichts der Unklarheit dieser Definitionen auch die Erwägungsgründe der Richtlinie und ihr Gesamtzusammenhang berücksichtigt werden müssen. Zunächst muss ein Bezug zu einem Finanzinstrument bestehen und eine Bewertung des aktuellen oder zukünftigen Wertes eines solchen erfolgen. Dafür muss die Äußerung Informationen enthalten.446 Außerdem muss es zu einer zumindest knappen Handlungsanweisung kommen447. Damit ist es weder ausreichend, dass eine alleinige Handlungsanweisung gegeben wird noch, dass reine 444 Insgesamt erscheinen die Definitionen wenig geglückt. Nr. 3 definiert eine „Empfehlung“ als „Analyse oder (. . .) Information mit Empfehlungen oder Anregungen (. . .)“, es wird also die Empfehlung zum einen unter Verwendung des Begriffs der Empfehlung definiert, zum anderen wird der Begriff der Anregung dem der Empfehlung gegenübergestellt, obwohl es ja gerade um den Begriff der Empfehlung geht. Auch Definition Nr. 4 ist nicht unbedingt aufschlussreich, wenn ein Teil der Definition aus Nr. 3 wiederum unter Verwendung des Begriffs der Empfehlung definiert wird, so das man erneut auf die Definition der Nr. 3 zurückgreifen muss. Auch aus der englischen und der französischen Fassung (diese finden sich ebenfalls im Amtsblatt der Europäischen Union, EN: Official Journal of the European Union, 24.12. 2003, L 339/73; FR: Journal officiel de l’Union européenne, 24.12.2003, L 339/73) ergibt sich nichts anderes, da auch hier der Begriff der recommendation bzw. recommandation mit Hilfe des Verbs recommending bzw. recommandant definiert wird. 445 Hiervon erfasst werden also die Verfasser herkömmlicher redaktioneller Beiträge genauso wie von Leserbriefen. Auch Gastbeiträge werden erfasst, soweit ihr Verfasser nicht eine von lit. a genannte Person ist. 446 Vgl. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 9. 447 Vgl. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 9.

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Informationen übermittelt werden, wie es beispielsweise bei klassischer Branchenberichterstattung der Fall ist.448 Bei der Frage, wie diese Handlungsanweisung ausgestaltet sein muss, kommt es nun zu der Unterscheidung zwischen den beiden Personenkreisen. Denn bei Personen, die unter lit. a fallen, kann diese Handlungsanweisung „direkt“ oder „indirekt“ sein. Was unter „direkt“ und „indirekt“ zu verstehen ist, wird nicht weiter erläutert. Sinnvollerweise muss aber auf Erwägungsgrund 2 der zweiten Durchführungsrichtlinie zurückgegriffen werden, der von „expliziten“ und „impliziten“ Empfehlungen oder Anregungen zu Anlagestrategien spricht.449 „Explizite“ werden näher bestimmt als „z. B. Empfehlungen zum ,Erwerb‘, ,Halten‘ oder ,Veräußern‘“, „implizite“ als „unter Bezugnahme auf ein bestimmtes Kursziel o.Ä.“. Personen hingegen, die unter lit. b fallen, geben nur dann Empfehlungen im Sinne der Durchführungsrichtlinie ab, wenn diese „direkt“ sind, also wenn sie explizit zum Erwerb, Halten oder Veräußern auffordern. bb) Erstellen von Empfehlungen (1) Beiträge von Personen, die unter Art. 1 Nr. 4 lit. a der RiL 2003/125/EG fallen (a) Pflichten bei der Erstellung Für die Erstellung von Empfehlungen gilt Kapitel 2 der zweiten Durchführungsrichtlinie, d.h. die Artikel 2 bis 6. Dort sind detaillierte Vorgaben enthalten, die beim Erstellen von Empfehlungen zu beachten sind.450 Im Zentrum stehen Regelungen zur Identität des Verfassers451, zur sachgerechten Darbietung von Empfehlungen452 und zur Offenlegung von Interessen und Interessenkon-

448 In Erwägungsgrund 10 der RiL 2003/125/EG ausdrücklich vom Begriff der Empfehlung ausgenommen wird die Arbeit von Rating-Agenturen, was daran liegen soll, dass ein einzelner Hinweis auf die Qualität eines Finanzprodukts nicht ausreichend sei, um eine Empfehlung anzunehmen. Zwingend ist dies meines Erachtens aber nicht, sondern es handelt sich vielmehr um eine politische Entscheidung, RatingAgenturen eigenen Regelungen zu unterwerfen. 449 Auch der deutsche Gesetzgeber geht bei seiner Umsetzung von einer Gleichstellung der Begriffe direkt – explizit und indirekt – implizit aus, siehe dazu unten Fn. 475. 450 Es kann an dieser Stelle keine ausführliche Darstellung dieser Pflichten erfolgen, insoweit muss auf die Darstellung zur deutschen Umsetzung [unten unter 2. b), c) und d)] verwiesen werden, die den europäischen Vorgaben entspricht. 451 Gem. Art. 2 Abs. 1 S. 1 RiL 2003/125/EG muss die Identität der Person, die die Empfehlung abgibt, d.h. ihr Name und ihre Berufsbezeichnung, aus der Empfehlung selbst klar und unmissverständlich hervorgehen. 452 Hier enthält z. B. Art. 3 Abs. 1 RiL 2003/125/EG in lit. a die Pflicht, Tatsachen von Bewertungen etc. zu trennen und in lit. b die Pflicht zur Offenlegung von Quellen.

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flikten453. Für Personen, deren Haupttätigkeit die Erstellung von Empfehlungen ist, gelten für die beiden letztgenannten Bereiche zusätzliche Bestimmungen.454 Wenn also Personen dieser Gruppe in Zeitungen Empfehlungen aussprechen, müssen sie diese Pflichten grundsätzlich einhalten. (b) Journalistenprivileg Gleichwohl existieren auch hier Sondervorschriften für Journalisten, die schon Art. 6 Abs. 10 Spiegelstrich 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie festschreibt, die in den Artikeln 2, 3 und 5 der zweiten Durchführungsrichtlinie jeweils im letzten Absatz angeführt sind und die besagen, dass die jeweiligen Vorschriften auf Journalisten, die einer gleichwertigen angemessenen Regelung – einschließlich einer gleichwertigen angemessenen Selbstkontrolle – unterliegen, keine Anwendung finden.455 Zur Frage, wer alles von diesem Begriff des Journalisten erfasst ist, schweigt die zweite Durchführungsrichtline. Von Interesse könnte dabei sein, dass die Artikel 4 und 6 der zweiten Durchführungsrichtlinie von vornherein keine Sonderregeln für Journalisten vorsehen. Fraglich ist, ob dies dazu führt, dass Personen, die unter lit. a fallen, nach dem Verständnis der Zweiten Durchführungsrichtlinie gar nicht unter den Begriff des Journalisten fallen können und daher bei Vorschriften, die nur für diese Personen gelten, keine Sondervorschriften für Journalisten erforderlich sind. Dass die Art. 4 und 6 RiL 2003/125/EG keine Sondervorschriften für Journalisten vorsehen, könnte aber auch daran liegen, dass diese Pflichten auf Journalisten vollumfänglich anwendbar sein sollen. Möglich erscheint schließlich, dass es schlicht übersehen wurde, in diesen Vorschriften ebenfalls Sonderregeln für Journalisten aufzunehmen, weil man nicht davon ausging, dass Personen, die unter lit. a fallen, als Journalisten qualifiziert werden könnten. Gegen die generelle Möglichkeit einer Qualifizierung von Personen der ersten Gruppe456 als Journalisten könnte sprechen, dass diese eine besondere Sach453 Hiervon ist z. B. gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 RiL 2003/125/EG die Offenlegung nennenswerter finanzieller Interessen an einem Finanzinstrument, auf welches sich die Empfehlung bezieht, erfasst. 454 Art. 4 und Art. 6 RiL 2003/125/EG. So müssen z. B. gem. Art. 4 Abs. 1 lit. b RiL 2003/125/EG die Bewertungsgrundlagen und Methoden zur Bewertung eines Finanzinstruments ausreichend zusammengefasst und gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a RiL 2003/125/EG wesentliche Beteiligungen offen gelegt werden. 455 So z. B. Art. 2 Abs. 4 RiL 2003/125/EG: „Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf Journalisten, die einer gleichwertigen angemessenen Regelung – einschließlich einer gleichwertigen angemessenen Selbstkontrolle – in den fraglichen Mitgliedstaaten unterliegen, sofern die genannten Regelungen eine ähnliche Wirkung haben wie die Regelungen gemäß den Absätzen 1 und 2.“ 456 Gemeint sind damit Personen, die unter Art. 1 Nr. 4 lit. a fallen.

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kunde für sich in Anspruch nehmen, auf den Finanzmärkten in der Regel stärkere Reaktionen auszulösen vermögen und daher für missbräuchliches Verhalten besonders geeignet sind und man sie somit der Richtlinie voll unterstellen will.457 Andererseits würde eine Einordnung als Journalist ja nur zur Folge haben, dass eine Kontrolle im Wege der Selbstregulierung erfolgen kann, nicht jedoch der völlige Wegfall etwaiger Vorgaben. Außerdem entspricht es dem Verständnis der Marktmissbrauchsrichtlinie und ihrer Durchführungsrichtlinien, dass derjenige unter den Begriff des Journalisten fällt, dem der Schutz der Pressefreiheit gebührt.458 Somit können grundsätzlich auch Personen, die unter lit. a fallen, Journalisten sein. Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Vorgaben der Art. 2, 3 und 5 RiL 2003/125/EG im Wege der Selbstregulierung umgesetzt werden können, während die Art. 4 und 6 RiL 2003/125/EG immer unmittelbare Anwendung fänden, da diese keine ausdrückliche Sonderbestimmung für Journalisten vorsehen. Dies könnte man mit der oben erwähnten besonderen Sachkunde und der damit einhergehenden Gefahr begründen und daher diese Personen bewusst strengeren Regeln und diesbezüglich einer staatlichen Aufsicht unterstellen. Jedoch würde dies zu dem widersprüchlichen und unpraktikablen Ergebnis führen, dass die staatliche Kontrolle (für die Vorgaben aus Art. 4 und 6 RiL 2003/125/EG) und die Selbstkontrolle (für die Vorgaben der Art. 2, 3 und 5 RiL 2003/125/EG) nebeneinander treten würden. Es erscheint zweifelhaft, ob dies tatsächlich so beabsichtigt war. Meines Erachtens ist ein schlichtes Übersehen naheliegender, dass Personen, die unter lit. a fallen, im Einzelfall auch als Journalist qualifiziert werden können. Darüber hinaus müssen die Sondervorschriften für Journalisten schon deshalb Anwendung finden, weil sich die Durchführungsrichtlinie andernfalls nicht im Rahmen der Ermächtigung der Marktmissbrauchsrichtlinie hielte. Diese bestimmt nämlich in Bezug auf die Verhaltensvorschriften, dass ausnahmslos die Sonderstellung der Journalisten beachtet werden müsse. Somit finden auch auf Beiträge von Personen, die unter lit. a fallen und dennoch als Journalisten zu qualifizieren sind, also z. B. Gastbeiträge459, die Vorschriften der Artikel 2 bis 6 nur dann Anwendung, wenn keine vergleichbare angemessene Selbstregulierung inklusive Kontrolle besteht. Wie diese Selbstkontrolle ausgestaltet sein muss, wird den Mitgliedstaaten überlassen. Ob und welche Formen der Ausgestaltung erforderlich sind, wird daher erst im Rahmen des nationalen Rechts erörtert.460

457 Vgl. zur deutschen Umsetzung die Begründung zur FinAnV, S. 3, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de (besucht am 10.7.2009). 458 Wie sich aus Erwägungsgrund 11 der RiL 2003/125/EG, der wortgleich mit Erwägungsgrund 44 der Marktmissbrauchsrichtlinie ist, ergibt, soll diese Richtlinie das Recht auf eine freie Presse und eine freie Meinungsäußerung in der Presse wahren. 459 Zu diesen oben in Kapitel 3 B. IV. 2. 460 Dazu unten unter 2. h).

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(2) Welche Pflichten gelten in Bezug auf die Erstellung der Beiträge von Personen, die unter Art. 1 Nr. 4 lit. b der RiL 2003/125/EG fallen? (a) Pflichten In Bezug auf die Erstellung treffen die Personen, die unter lit. b fallen, nur die Pflichten der Artikel 2, 3 und 5 der RiL 2003/125/EG. Es kann insoweit auf das oben Gesagte verwiesen werden. Dadurch, dass der Begriff der Empfehlung für diese Personen jedoch relativ eng ist, da nur direkte Anlageempfehlungen erfasst werden, ist der Anwendungsbereich der zweiten Durchführungsrichtlinie insoweit von vornherein begrenzt. (b) Journalistenprivileg Wenn aber im Einzelfall ein Artikel einer Person, die unter lit. b fällt, die Merkmale einer Empfehlung erfüllt und diese Person gleichzeitig als Journalist zu qualifizieren ist, dann greift wiederum das Journalistenprivileg und die Selbstregulierung kann die staatliche Kontrolle ersetzen. Da die Richtlinie hierfür keine weiteren Vorgaben enthält, ist insoweit auf die Darstellung zum nationalen Recht zu verweisen.461 (3) Weitergabe der von Dritten erstellten Empfehlungen und Weitergabe einer Zusammenfassung Besondere Vorschriften gelten, wenn nicht der Zeitungsartikel originär eine Empfehlung enthält, sondern wenn er – was in der Praxis häufiger der Fall sein dürfte – die Empfehlung eines Dritten weitergibt. Für die Weitergabe von Empfehlungen462 bestimmt Art. 7 RiL 2003/125/EG, dass die Identität der Anlageempfehlungen Dritter weitergebenden Personen klar und unmissverständlich in der Empfehlung angegeben werden muss. Dies gilt für alle in Betracht kommenden Personen. Eine Ausnahmebestimmung für Journalisten ist nicht vorgesehen. Art. 8 RiL 2003/125/EG schließlich bestimmt ein allgemeines Muster für die Weitergabe von Empfehlungen, das aber gem. Art. 8 Abs. 3 RiL 2003/ 125/EG keine Anwendung auf Presseberichte über von Dritten erstellte Empfehlungen findet, wenn diese Empfehlungen nicht wesentlich geändert wurden.463 461

Dazu ebenfalls unter 2. h). Ob eine Empfehlung vorliegt, richtet sich wiederum danach, von wem die besagte Aussage stammt, siehe oben unter aa). 463 Die Sinnhaftigkeit dieser Vorschrift erscheint zweifelhaft, da die Abs. 1 und 2 ohnehin nur Vorschriften für die Weitergabe von Empfehlungen aufstellen, wenn diese wesentlich verändert wurde. 462

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Schließlich sieht Art. 8 Abs. 4 RiL 2003/125/EG noch eine Regelung für die Weitergabe einer Zusammenfassung vor. Hier wird nicht ausdrücklich auf die Ersetzungsmöglichkeit durch berufsständische Regeln verwiesen, sodass teilweise vertreten wird, dass die entsprechenden Selbstregulierungskodizes diese Bestimmung wortgleich übernehmen müssten.464 Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass die Durchführungsrichtlinie sich grundsätzlich innerhalb des durch die Marktmissbrauchsrichtlinie gesetzten Rahmens zu halten hat.465 Daher muss auch an dieser Stelle das Privileg aus Art. 6 Abs. 10 Spiegelstrich 6 angewandt werden und auch in diesem Bereich eine Ersetzung durch eine vergleichbare Selbstregulierung möglich sein.466 2. Die heutige Ausgestaltung Auch § 34b WpHG wurde durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in verschiedener Hinsicht geändert. Entsprechend der Zweiteilung in Marktmissbrauchsrichtlinie und Durchführungsrichtlinie findet sich die grundsätzliche Vorschrift zur Analyse von Finanzinstrumenten in § 34b WpHG und die nähere Ausgestaltung in der Finanzanalyseverordnung. Da im nationalen Recht zentrales Tatbestandsmerkmal die Finanzanalyse ist, wird im Folgenden zunächst erörtert, wann eine solche vorliegt. Im Anschluss werden die bei Vorliegen einer Finanzanalyse einzuhaltenden Pflichten dargestellt. Entsprechend den europäischen Vorgaben wird dabei danach unterschieden, ob eine neue, eigene Finanzanalyse erstellt wird oder ob die Finanzanalyse eines Dritten weitergegeben wird. Schließlich bestehen noch spezielle Regelungen, wenn es sich bei der Weitergabe um eine Zusammenfassung einer von einem Dritten erstellten Finanzanalyse handelt. a) Unter welchen Voraussetzungen werden Zeitungsartikel erfasst? Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 34b WpHG ist die Finanzanalyse, welche in § 34b Abs. 1 S. 1WpHG legaldefiniert wird als „eine Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll“.467 Es scheint also, als hätte 464

Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 226. Siehe hierzu bereits Fn. 438. 466 A. A. Göres, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, 634b 3 Rn. 117, der daher die deutsche Umsetzung, die, wie noch zu zeigen sein wird, auch für diesen Bereich die Möglichkeit der Selbstregulierung anerkennt, als europarechtswidrig einstuft. 467 In der Marktmissbrauchsrichtlinie und der RiL 2003/125/EG ist der zentrale Begriff dagegen der der „Empfehlung“, siehe dazu oben 1. c) aa), insbes. Fn. 444. 465

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sich im nationalen Recht doch das durchgesetzt, was Kommissar Bolkestein auf die Anfrage von Frau Villiers angekündigt hatte: dass ein bestimmtes Verhalten entscheidend sei, nämlich, ob eine Finanzanalyse erstellt oder weitergegeben werde, und grundsätzlich alle Personen gleich behandelt würden. Auf jeden Fall ergibt sich hieraus, dass auch Zeitungsartikel grundsätzlich Finanzanalysen darstellen können, wenn nur die Merkmale einer Finanzanalyse erfüllt sind. Erst in einem zweiten Schritt, also nach der grundsätzlichen Bejahung der Anwendbarkeit, stellt sich dann die Frage, inwieweit die Sonderregelung für Journalisten nach § 34b Abs. 4 WpHG Anwendung findet, die besagt, „Die Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 5 gelten nicht für Journalisten, sofern diese einer mit den Regelungen der Absätze 1, 2 und 5 sowie des § 34c vergleichbaren Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen unterliegen“. Es kann somit festgehalten werden, dass sich die Begriffe des Journalismus und der Finanzanalyse nicht ausschließen.468 Jedoch kann für Journalisten im Einzelfall die staatliche Kontrolle durch Selbstregulierung ersetzt werden. Der Tatbestand setzt sich aus den folgenden Tatbestandsmerkmalen zusammen: aa) Finanzinstrument, Emittenten Neu ist insbesondere die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf die Analyse von Finanzinstrumenten und die Analyse von Emittenten von Finanzinstrumenten. Der Begriff des Finanzinstruments wird zwar in § 34b Abs. 3 WpHG im Vergleich zur Legaldefinition der Finanzanalyse in § 2 Abs. 2b WpHG einschränkend definiert, nichtsdestoweniger entstehen hierdurch keine nennenswerten Schutzlücken im Zusammenhang mit Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung in der Presse.469 bb) Empfehlung mit Information Des Weiteren muss eine Information über das Finanzinstrument oder seinen Emittenten erstellt werden, die direkt oder indirekt eine Empfehlung zu einer bestimmten Anlageentscheidung enthält. Auch in diesem Zusammenhang ist der Begriff der Information weit zu verstehen.470 Er umfasst die Mitteilung einer 468 Anders dagegen Spindler, NZG 2004, 1138, 1141, der in seinem Beitrag, der jedoch vor Erlass der FinAnV erschienen ist, zwischen Finanzanalysten auf der einen und Journalisten auf der anderen Seite unterscheidet. 469 Die Einschränkung besagt, dass nur solche Finanzinstrumente erfasst werden, die in der EU oder dem EWR zum Handel zugelassen sind oder ein Antrag diesbezüglich gestellt oder angekündigt wurde. In Deutschland genügt auch die Einbeziehung in den geregelten Markt (§ 49 BörsG) oder in den Freiverkehr (§ 57 BörsG). 470 Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 6.

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Tatsache471 einschließlich der Mitteilung eigener Einschätzungen oder Beurteilungen des aktuellen oder künftigen Wertes bzw. Kurses eines Finanzinstruments472, also sowohl harte als auch weiche Informationen.473 Eine Empfehlung liegt dann vor, wenn die Äußerung eine knappe Handlungsanweisung enthält.474 Diese kann direkt und indirekt sein.475 Schließlich müssen die Information und die Empfehlung so miteinander verknüpft sein, dass der Eindruck erweckt wird, es habe eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Finanzinstrument oder dessen Emittenten stattgefunden.476 Maßstab hierfür ist der objektive Empfängerhorizont eines durchschnittlichen, verständigen Anlegers.477 Von ihrem Inhalt her entspricht die deutsche Umsetzung den europäischen Vorgaben. Zwar steht dort der Begriff der Empfehlung und nicht der der Finanzanalyse im Zentrum der Darstellung, doch geht es auch dort um eine Kombination von Information und Handlungsanweisung. Ein Unterschied besteht aber dennoch: Während im europäischen Recht der Begriff der Empfehlung je nach sich äußernder Person unterschiedlich ist, umfasst der Begriff der Finanz-

471 Zwar müssen die Tatsachen nicht feststellbar sein, erforderlich ist aber, dass sie geeignet sind, die Anlageentscheidung des Durchschnittsanlegers zu beeinflussen, vgl. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 7. 472 Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 7. 473 Zum Bergriff der harten und weichen Information siehe Kapitel 2 B. I. 1. und Fn. 115. 474 Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 9. 475 Bei der Auslegung, wann eine direkte und wann eine indirekte Handlungsanweisung gegeben ist, orientiert sich die deutsche Kommentarliteratur an Erwägungsgrund Nr. 2 der RiL 2003/125/EG und setzt dabei explizite und implizite Empfehlungen mit direkten und indirekten gleich, vgl. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 89; in diese Richtung auch die Begründung zur FinAnV, S. 3 (siehe zu dieser Fn. 457), ohne jedoch ausdrücklich auf die Definitionen zu explizit und implizit der RiL 2003/125/EG zu verweisen. Übergangen wird dabei, dass sich in der RiL 2003/ 125/EG neben dem Begriffspaar explizit und implizit auch das Begriffspaar direkt und indirekt findet. Da aber auch aus der Richtlinie nicht ersichtlich wird (und zwar weder aus der deutschen, noch aus der englischen oder französischen Fassung, hierzu bereits oben unter aa) und in Fn. 449), worin der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffspaaren liegen soll, können sie m. E. synonym verwandt werden und folglich kann bei der Definition von direkt und indirekt auf die Legaldefinition von implizit und explizit zurückgegriffen werden. Auch Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 81 geht von einem solchen Verständnis aus. Unklar bleibt, welche Fälle der „direkten“ Empfehlung außer „Halten, Kaufen und Verkaufen“ existieren, da einerseits immer davon die Rede ist, dass diese Aufzählung lediglich ein Beispiel für eine „direkte“ Empfehlung sei, andererseits aber alle anderen Fälle immer unter die „indirekte“ Empfehlung subsumiert werden. Siehe für Beispiele zu Empfehlungen Fn. 492. 476 Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 S. 4, 34b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) v. 21.12.2007 (abrufbar unter www.bafin.de, besucht am 10.7.2009). 477 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 78, 80.

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analyse im nationalen Recht unabhängig von der Person, die sich äußert, direkte und indirekte Handlungsanweisungen. cc) Unbestimmter Personenkreis Schließlich sind Empfehlungen, die lediglich einem bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis zugänglich gemacht werden, nach neuem Recht nicht mehr vom Begriff der Finanzanalyse erfasst.478 Hierdurch wird die individuelle Anlageberatung vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.479 Daneben erforderlich ist die Absicht des Zugänglichmachens, d.h. der unbestimmte Personenkreis muss die Anlageempfehlung jederzeit abrufen können.480 Dieses Merkmal ist bei der Berichterstattung in der Presse unproblematisch gegeben. dd) Im Rahmen der Berufs- oder Geschäftstätigkeit Schließlich muss diese Finanzanalyse, damit der Anwendungsbereich des § 34b WpHG eröffnet ist, von einer Person im Rahmen ihrer Berufs- und Geschäftstätigkeit erstellt worden sein. In § 20a WpHG findet sich im Zusammenhang mit der Privilegierung von Journalisten eine ähnliche Formulierung, dort ist Voraussetzung, dass in Ausübung des Berufes gehandelt wird.481 Fraglich ist, ob diese beiden Merkmale gleich zu verstehen sind. Folge hiervon wäre, dass von § 34b WpHG nur diejenigen erfasst würden, deren berufliche Tätigkeit zumindest auch darin besteht, Anlageempfehlungen zu geben. Grund dieser Einschränkung könnte sein, dass diesen Personen ein besonderes Vertrauen hinsichtlich der Qualität ihrer Äußerungen entgegen gebracht wird. Gegen ein solch enges Verständnis spricht jedoch, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie und die zweite Durchführungsrichtlinie davon ausgehen, dass auch Personen, deren gewöhnliche berufliche Tätigkeit gerade nicht im Erstellen derartiger Anlageempfehlungen besteht, vom Anwendungsbereich erfasst werden, wie sich eindeutig aus der Regelung in Art. 1 Abs. 4 lit. b RiL 2003/125/EG ergibt. Auch der nationale Gesetzgeber geht, wie sich aus der Finanzanalyseverordnung ergibt,482 von einem solchen Verständnis aus. Daneben spricht ein systematisches Argument für ein weites Verständnis, da andernfalls die Ausnahmeregelung des § 34b WpHG nur einen sehr geringen Anwendungsbereich hätte. Des Weiteren sind die Formulierungen in § 20a Abs. 6 WpHG und § 34b 478 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 88. Eine Ausnahme, die vorliegend nicht relevant ist, findet sich für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 34b Abs. 6 WpHG. 479 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 89. 480 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 89 und Fn. 222. 481 Siehe hierzu oben unter I. 2. a) cc) (2). 482 Siehe dazu unten unter b) bb).

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WpHG gerade nicht identisch. Vielmehr ist das Merkmal „im Rahmen der Berufs- oder Geschäftsausübung“ aus den oben genannten Gründen schon dann erfüllt, wenn die Anlageempfehlung in Zusammenhang mit dem Beruf steht. Ausgeschlossen wird also nur rein privates Handeln.483 Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass herkömmliche redaktionelle Beiträge in aller Regel im Rahmen der Berufs- und Geschäftstätigkeit verfasst werden und daher Finanzanalysen darstellen können. Gleiches gilt für Gastbeiträge, solange sie nur im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit ihres Verfassers stehen. Irrelevant ist es also, ob der Verfasser des Gastbeitrages im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit regelmäßig Anlageempfehlungen ausspricht. Dagegen fallen Leserbriefe aus dem Anwendungsbereich des § 34b WpHG heraus, solange sie – was in aller Regel der Fall ist – privates Handeln darstellen und daher nicht im Rahmen der Berufs- und Geschäftstätigkeit erstellt werden. Daraus folgt, dass Leserbriefe und Beiträge anderer Personen, bei denen rein privates Handeln vorliegt, nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 34b WpHG und der Finanzanalyseverordnung unterworfen sind. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass diesen Personen in aller Regel nur ein geringes Vertrauen entgegen gebracht wird und sie so für die individuellen Anlageentscheidungen der Leser von wenig praktischer Relevanz sein dürften. Zwingend erscheint der Ausschluss dieser Personen jedoch nicht. ee) Keine Anwendung der Vorschriften auf Emittenteninformationen Die Vorschriften über die Finanzanalyse finden keine Anwendung auf Emittenteninformationen, wenn diese als solche erkennbar sind. Denn Sinn und Zweck des § 34b WpHG ist es, das Vertrauen der Anleger in die Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen zu schützen. Ein solches Vertrauen wird aber Analysen, die aus dem Kreis der Emittenten selbst stammen, nicht entgegengebracht werden. Dies spielt in Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit, welche reine Werbeanzeigen nicht zum Gegenstand hat, vor allem im Zusammenhang mit den sog. Sonderveröffentlichungen eine Rolle. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Emittenteninformationen als solche erkennbar sind. Anderenfalls sind die Anleger gerade besonders schützenswert, da sie von einer Objektivität ausgehen, die gerade nicht gegeben ist. Somit werden also Produktbeschreibungen oder Werbebroschüren der Emittenten nicht erfasst und stellen als solche keine Finanzanalysen im Sinne des § 34b WpHG dar.484 483 Zum gleichen Ergebnis kommt Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 3 mit Verweis auf die deutsche, englische und französische Fassung von Art. 1 Nr.5 der RiL 2003/125/EG, auf die dieses Merkmal zurückgehe und nach welcher alles unternehmerische Handeln erfasst werde. 484 Zu dieser Einschränkung Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 92.

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b) Erstellen und Veröffentlichen einer Finanzanalyse, § 34b Abs. 1 S. 1 und S. 2 WpHG Die Darstellung beginnt mit den Pflichten, die bei der Erstellung und Veröffentlichung einer Finanzanalyse einzuhalten sind,485 da entsprechend den europäischen Vorgaben die Personen im Mittelpunkt der aufgestellten Pflichten stehen, die an der Erstellung beteiligt sind.486 Die bestehenden Pflichten lassen sich ihrem Inhalt nach in Sorgfalts-, Offenlegungs-, und Organisationspflichten unterteilen.487 Sie ergeben sich aus § 34b WpHG, welcher durch die Finanzanalyseverordnung ergänzt und konkretisiert wird488. Daneben besteht nach § 34c WpHG eine Anzeigepflicht gegenüber der BaFin für andere Personen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, da letztere ohnehin der Kontrolle durch die BaFin unterliegen. Dass der Begriff der Finanzanalyse, wie oben gezeigt, für alle Personen einheitlich definiert wird, bedeutet nicht, dass die an das Vorliegen einer Finanzanalyse anknüpfenden Pflichten für alle Personen gleich ausgestaltet wären. Zwar unterscheidet § 34b WpHG selbst nicht innerhalb des Begriffs der Finanzanalyse danach, wer diese erstellt hat, jedoch enthält die Finanzanalyseverordnung eine Differenzierung danach, von wem eine Analyse erstellt wurde: In § 1 Abs. 2 FinAnV findet sich die Unterscheidung der zweiten Durchführungsrichtlinie, in dem § 1 Abs. 2 FinAnV bestimmt, dass für andere als in den Ziffern 1 bis 5 genannten Personen489 die §§ 2 bis 6 FinAnV nur dann gelten, wenn diese 485 Die Formulierung des Gesetzes in § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG legt eine Unterscheidung zwischen dem Erstellen und öffentlichem Verbreiten und der Weitergabe nahe. Andererseits spricht § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG von Pflichten, die bereits bei der Erstellung einzuhalten sind. Daher sollten die inhaltlichen Pflichten bereits bei der Erstellung eingehalten werden, während die formalen Pflichten tatsächlich erst greifen, wenn es zur Veröffentlichung kommt, vgl. Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 118. 486 Dabei erfolgt eine Unterteilung in drei Gruppen von Personen: den Ersteller, die für die Erstellung verantwortliche Personen/Unternehmen und sonstige an der Erstellung Mitwirkende. Vgl. hierzu Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 100 und § 5 Abs. 1 FinAnV. Diese Unterteilung erfolgt u. a. deswegen, da nach h. M. als Ersteller nur natürliche Personen in Betracht kommen. Siehe dazu auch Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 8 m.V. a. die Begründung zur FinAnV v. 20.12.2004, S. 4 (siehe zu dieser Fn. 457). 487 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 11. 488 Die Verordnungsermächtigung findet sich in § 34b Abs. 8 WpHG. 489 „1. Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen oder Zweigniederlassungen im Sinne des § 53b des Kreditwesengesetzes, 2. unabhängige Finanzanalysten, 3. mit Unternehmen im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 verbundene Unternehmen, 4. Personen oder Unternehmen, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Finanzanalysen besteht, oder

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direkte Empfehlungen für Anlageentscheidungen zu bestimmten Finanzinstrumenten enthalten; außerdem findet § 5 FinAnV nur auf Personen Anwendung, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FinAnV fallen, deren Haupttätigkeit also in der Erstellung von Finanzanalysen besteht.490 Aus der Begründung zur Finanzanalyseverordnung491 ergibt sich, dass mit direkten Empfehlungen solche gemeint sind, die zum Kaufen, Halten oder Verkaufen eines bestimmten Finanzinstruments auffordern.492 Als Grund für diese Differenzierung wird angeführt, dass die Personen der ersten Gruppe eine besondere Sachkunde für sich in Anspruch nähmen, auf den Finanzmärkten eine stärkere Reaktion auslösten und daher besonders geeignet seien, für marktmissbräuchliches Verhalten genutzt zu werden. Es wird also die Unterscheidung des europäischen Rechts übernommen. Daher wird im Folgenden wiederum nach den beiden Gruppen von Verfassern unterschieden. aa) Personen, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FinAnV fallen (1) Sorgfaltspflichten § 34b Abs. 1 S. 1 und S. 2 WpHG stellt die zentralen Bestimmungen der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten auf, es wird verlangt, dass die Finanzanalyse mit der „erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ erstellt wird bzw. die Finanzanalyse „sachgerecht erstellt und dargeboten“ wird. Was mit der erforderlichen Sachkenntnis gemeint ist, wird – auch in der Finanzanalyseverordnung – nicht näher erläutert. Man wird wohl verlangen müssen, dass derjenige, der die Finanzanalyse erstellt, durch dauernde Aus- und Weiterbildung umfassend über Finanzmarkt und Wirtschaft Bescheid weiß.493 Was hingegen unter einer sorgfältigen und gewissenhaften Finanzanalyse zu verstehen ist, 5. für Unternehmen im Sinne der Nummern 1 bis 4 aufgrund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses tätige natürliche Personen.“ Personen, die nicht unter diese Aufzählung fallen, deren Haupttätigkeit also nicht in der Erstellung von Finanzanalysen liegt, werden im Folgenden als sonstige Personen bezeichnet. 490 Der Unterschied zum europäischen Recht besteht also in der Regelungstechnik: Der Begriff der Finanzanalyse wird einheitlich definiert und nur in Bezug auf die bei Vorliegen einer Finanzanalyse geltenden Vorschriften wird danach unterschieden, von wem die entsprechende Empfehlung stammt. 491 Begründung zur FinAnV, S. 3 (siehe zu dieser Fn. 457). 492 Es werden also an dieser Stelle die direkte und indirekte Empfehlung so verstanden, wie die Richtlinie die explizite und implizite Empfehlung definiert. Beispiele für indirekte Empfehlungen finden sich bei Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 82: „Die Aktie ist über-/unterbewertet“, „Bullische/Bärische Aktie“, oder „Aktie/Tipp des Tages“. Weitere Beispiele finden sich im Schreiben der BaFin v. 21.12.2007 (Fn. 476), Ziff. 2. 493 So Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 124 Fn. 311. Dabei gibt die BaFin selbst zu, dass dieses Merkmal wegen seiner generalklauselartigen Formulierung bei der Aus-

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findet sich in der Finanzanalyseverordnung, welche die Anforderungen an eine sachgerechte Erstellung und Darbietung konkretisiert.494 Überzeugend erscheint in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Möllers bei der Informationsverwertung in formale und inhaltliche Kriterien. (a) Formale Kriterien Zu den formalen Kriterien zählt zunächst gem. § 2 Abs. 1 FinAnV, dass der Ersteller seinen Namen, seine Berufsbezeichnung und die Bezeichnung des für die Erstellung verantwortlichen Unternehmens angeben muss.495 Des Weiteren sind nach § 3 Abs. 1 S. 1 FinAnV in einer Analyse die Angaben über Tatsachen, über Werturteile Dritter und eigene Werturteile sorgfältig voneinander zu trennen und jeweils kenntlich zu machen.496 § 3 Abs. 1 S. 2 FinAnV bestimmt die Pflicht zur Angabe der wesentlichen Grundlagen und Maßstäbe eigener Werturteile. Außerdem hat gem. § 3 Abs. 2 FinAnV der Ersteller die Zuverlässigkeit von Informationsquellen vor deren Verwendung insoweit zu überprüfen, als dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist und gegebenenfalls vor deren Unzuverlässigkeit zu warnen.497 § 6 FinAnV bestimmt, dass alle Angaben „deutlich und unmissverständlich mit der Finanzanalyse selbst zu erfolgen“ haben. Eine Ausnahme kann nach Abs. 2 dann gemacht werden, wenn dies „gemessen am Gesamtumfang der Finanzanalyse unverhältnismäßig wäre“. In diesem Fall muss jedoch in der Finanzanalyse darauf hingewiesen werden, wo diese Informationen zugänglich sind, beispielsweise auf einer Internetseite.498 Schließlich bestehen für Personen der ersten Gruppe (also die, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FinAnV fallen) zusätzlich die Pflichten des § 4 FinAnV, wobei hier insbesondere die Pflicht zur Angabe der Informationsquelle gem. § 4 Abs. 2 FinAnV und die Pflichtangaben gem. § 4 Abs. 3 und Abs. 4 FinAnV hervorzuheben sind. Letztere schreiben vor, dass die Bewertungsgrundlagen und -methoden in der Finanzanalyse selbst angegeben sein müssen.499 legung Probleme bereite (so ein Mitarbeiter der Wertpapieraufsicht in einer E-Mail an die Verfasserin). 494 Auch Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 125 ff. setzt diese Merkmale von § 34b Abs. 1 S. 1 und S. 2 WpHG gleich, wie sich bereits aus der Überschrift in Rn. 125 ergibt. 495 Sog. Urheberschaft, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 126. Möllers bedauert, dass diese Pflicht nicht in § 34b WpHG selbst aufgenommen wurde. 496 Sog. Trennungsprinzip, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 127; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 95. 497 Sog. Warnpflicht, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 130. 498 Sog. Transparenzgebot, Möllers, in: KK-WpHG, 34b Rn. 128. 499 Ausführlich hierzu Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 131 ff.

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(b) Inhaltliche Kriterien Neben diesen formalen Kriterien bestehen inhaltliche Kriterien, die bei der Erstellung einer Finanzanalyse zu beachten sind. Die Finanzanalyse muss gem. § 3 Abs. 3 FinAnV nachvollziehbar sein.500 Dies ist sie, wenn die Analyse aus einer ex-ante Sicht vertretbar erscheint, insbesondere anerkannte Bewertungsmethoden verwandt wurden.501 Des Weiteren muss der Ersteller unvoreingenommen sein, was bedeutet, dass eine gewisse Objektivität502 der Finanzanalyse gewährleistet werden muss.503 Neben den in der FinAnV ausdrücklich normierten Pflichten umfassen diese Sorgfaltspflichten auch die Pflicht zu Vollständigkeit und Richtigkeit.504 Dies beinhaltet auch, dass die verwendeten Daten und Fakten aktuell und nicht veraltet sind.505 Schließlich gilt nur für die erste Personengruppe die Pflicht des § 4 Abs. 3 FinAnV, die Anlagerisiken und Bewertungsparameter zu erläutern. (2) Offenlegungspflichten Die verschiedenen Offenlegungspflichten treten neben die Sorgfaltspflichten. Sie sind ein zentrales Element der Neuregelungen506 und sollen gewährleisten, dass der Analyseempfänger in die Lage versetzt wird, sich ein Bild über eine mögliche Beeinflussung der Analyse zu machen,507 indem Umstände, die Interessenkonflikte begründen können, offen gelegt werden müssen. Die Offenlegung der Identität des Erstellers selbst ist dagegen schon von den formalen Sorgfaltspflichten erfasst.

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Sinn dieser Vorschrift ist, dass es der Aufsichtbehörde erleichtert wird zu überprüfen, ob die Finanzanalyse sachgerecht erstellt wurde, siehe hierzu Möllers, in: KKWpHG, § 34b Rn. 140. 501 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 141. 502 Unbestritten ist, dass jede Finanzanalyse in gewissem Umfang eine subjektive Bewertung darstellt. Dennoch können und müssen gewisse Anforderungen an die Art und Weise, wie dieses Werturteil getroffen wird, gestellt werden. So müssen bspw. sachfremde Interessen außen vor gelassen werden und es darf nicht in sachlich nicht gerechtfertigter Weise Partei ergriffen werden (Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 152). Wichtig ist außerdem, dass das, was zur Grundlage der Finanzanalyse gemacht wird, zutreffend ist. 503 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 148. 504 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 145 m.w.Nw. 505 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 146. Sobald Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit bestehen, ist auf diese hinzuweisen. 506 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 100. 507 Begründung zur FinAnV, S. 8 (siehe Fn. 457).

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Als Ausgangspunkt bestimmt § 34b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG, dass sämtliche Umstände und Beziehungen, die bei den Erstellern, den für die Erstellung verantwortlichen juristischen Personen oder mit diesen verbundenen Unternehmen Interessenkonflikte begründen können, offen gelegt werden müssen. Die Offenlegungspflichten werden durch § 5 FinAnV konkretisiert, welcher zwischen allgemeinen Interessenkonflikten (§ 5 Abs. 1 FinAnV) und besonderen Interessenkonflikten (§ 5 Abs. 3 FinAnV) unterscheidet. Von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 FinAnV kann gem. § 5 Abs. 2 FinAnV ausnahmsweise eine Befreiung vorliegen, wohingegen § 5 Abs. 3 FinAnV, der aber von vornherein einen eingeschränkten Anwendungsbereich hat,508 zwingend gilt. Wann genau jedoch ein Interessenkonflikt besteht, wird auch durch § 5 Abs. 1 FinAnV nicht eindeutig festgelegt, wenn dieser fordert, dass Finanzanalysen unvoreingenommen zu erstellen sind und die Unvoreingenommenheit dann beeinträchtigt ist, wenn ein Interessenkonflikt besteht. Dagegen findet sich in § 5 Abs. 3 FinAnV eine ganze Reihe von Regelbeispielen, an denen man sich auch für die Fälle des § 5 Abs. 1 FinAnV orientieren kann, solange man sich gleichwohl bewusst bleibt, dass dieser im Ausgangspunkt nur an Personen adressiert ist, die generell strengeren Anforderungen unterstellt werden. (3) Organisationspflichten Die sog. Organisationspflichten sind in § 34b Abs. 5 WpHG geregelt, welcher von Unternehmen, die Finanzanalysen erstellen, verlangt, dass sie intern so organisiert sind, dass Interessenkonflikte im Sinne des § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG möglichst gering sind.509 Mangels konkreterer Vorgaben in der zweiten Durchführungsrichtlinie enthält auch die Finanzanalyseverordnung insoweit keine konkreteren Regelungen.510 bb) Sorgfaltspflichten von Personen, die unter § 1 Abs. 2 HS 2 FinAnV fallen Auch sonstige Personen, also Personen, die nicht unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FinAnV fallen, deren Tätigkeit also nicht hauptsächlich darin besteht, Finanzanalysen zu erstellen, müssen gewisse Verhaltenspflichten einhalten. 508 Er gilt nur für Personen oder Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1–5 FinAnV. 509 Dabei fällt auf, dass die Verhinderung von Interessenkonflikten nur in begrenztem Umfang vorrangig vor ihrer Offenlegung ist, Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 109; ihm folgend Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 237. 510 Da dies aber im Rahmen der Problematik der Wirtschaftsberichterstattung nur eine untergeordnete Rolle spielt und mehr auf „klassische“ Unternehmen zugeschnitten ist, soll dies an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Ausführlich hierzu Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 237 ff.

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(1) Sorgfaltspflichten Zunächst einmal ergeben sich die einzuhaltenden Sorgfaltsvorschriften aus § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG. Da dieser keinerlei Einschränkungen enthält, würde er auf alle Berichte aller Personen Anwendung finden, sobald der fragliche Beitrag die Voraussetzungen einer Finanzanalyse erfüllt, d.h. auch dann, wenn er „nur“ eine indirekte Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie enthält. Anders dagegen wie oben dargestellt die Finanzanalyseverordnung, die in § 1 Abs. 2 HS 2 bestimmt, dass die Vorschriften der §§ 2 bis 6 FinAnV511 auf sonstige Personen nur dann Anwendung finden, wenn die Finanzanalyse eine direkte Anlageempfehlung enthält. Fraglich ist nun, ob auch dann, wenn ein Artikel, der die Voraussetzungen einer Finanzanalyse erfüllt, aber nur eine indirekte Anlageempfehlung enthält, trotzdem mit der von § 34b WpHG und der FinAnV geforderten Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erstellt sein muss. Dafür spricht der ziemlich eindeutige Wortlaut des § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG, der für alle Finanzanalysen gilt. Auch muss sich die Verordnung im Rahmen des Gesetzes halten, das sie konkretisiert, sodass die Verordnung die ihr übergeordnete Regelung des § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG nicht einschränken kann. Außerdem erscheint es wünschenswert, dass alle Finanzanalysen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erstellt werden. Dagegen spricht, dass § 1 Abs. 2 HS 2 FinAnV ersichtlich Finanzanalysen sonstiger Personen vom Anwendungsbereich der Sorgfaltsvorschriften ausnehmen will, die lediglich indirekte Anlageempfehlungen enthalten. Würde man dann auf § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG direkt zurückgreifen, würde diese Regelung umgangen. Entscheidendes Argument gegen die Anwendung der Vorschriften aber ist die europäische Regelung in der zweiten Durchführungsrichtlinie, auf der die Einschränkungen der Finanzanalyseverordnung beruhen. Der europäischen Vorgabe liegt eine andere Regelungstechnik zugrunde (s. o.), die dazu führt, dass in den Fällen von Personen, die nicht hauptberuflich Finanzanalysen verfassen, eine Empfehlung – und die wird entsprechend dem Begriff der Finanzanalyse im deutschen Recht gebraucht – nur dann vorliegt, wenn sie eine direkte Anlageempfehlung enthält. Dies führt dazu, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie schon gar nicht eröffnet ist, und für Empfehlungen, die nur indirekte Anlageempfehlungen geben, keine besonderen wertpapierrechtlichen Vorschriften bei der Erstellung zu beachten sind. Hiervon kann der nationale Gesetzgeber auch nicht abweichen, da es sich bei der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht um eine Mindestharmonisierung, sondern um eine Vollharmonisierung handelt.512 511 Hierbei handelt es sich um die zentralen Vorschriften, die bei der Erstellung einer Finanzanalyse zu beachten sind.

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Daher muss das nationale Recht richtlinienkonform so ausgelegt werden, dass Finanzanalysen sonstiger Personen nur dann die Sorgfaltspflichten erfüllen müssen, wenn sie direkte Anlageempfehlungen enthalten. Ist dies der Fall, finden die Vorschriften des § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG und die §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 6 Abs. 1 S. 3 der FinAnV Anwendung. Zu der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Vorschriften kann auf das oben Gesagte verwiesen werden,513 da die inhaltlichen Anforderungen die gleichen sind und nur die zusätzlichen Anforderungen, die sich lediglich an die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FinAnV genannten Personen richten, keine Anwendung finden. (2) Offenlegungspflichten Die Offenlegungspflichten finden nur Anwendung, wenn eine direkte Anlageempfehlung vorliegt.514 Im Vergleich zu den Offenlegungspflichten der ersten Personengruppe besteht jedoch der Unterschied, dass § 4 FinAnV und § 5 Abs. 3 und Abs. 4 FinAnV, die Regelungen zu zusätzlichen Angaben treffen, nicht auf diese Personen anwendbar sind und die Offenbarungspflichten also auch bei direkten Empfehlungen etwas schwächer ausgestaltet sind. (3) Organisationspflichten Auch die Organisationspflichten greifen aus den oben genannten Gründen nur bei direkten Empfehlungen, dann aber entsprechen die Pflichten denen der Personen der ersten Gruppe.515 c) Weitergabe einer Finanzanalyse, § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG Neben dem Bereich der Erstellung einer Finanzanalyse, die auch die Veröffentlichung der eigenen Finanzanalyse umfasst, gibt es als weiteren großen Regelungsbereich die Weitergabe einer Finanzanalyse. Weitergegeben wird eine Finanzanalyse immer von einer anderen Person als derjenigen, die die Finanzanalyse erstellt hat.516 Eine Weitergabe liegt also beispielsweise dann vor, wenn ein Zeitungsartikel die Finanzanalyse eines freien Analysten enthält oder über sie berichtet.517 Auch hier wird die oben genannte Differenzierung weiterge512

Möllers, WM 2005, 1393, 1396. Siehe oben unter aa) (1). 514 Hierzu oben unter aa) (2). 515 Hierzu oben unter aa) (3). 516 Schreiben der BaFin v. 21.12.2007 (Fn. 476), Ziff. 4. 517 Für die Abgrenzung der Erstellung von der Weitergabe gilt: Grundsätzlich keine Disponibilität der Erstellungsverantwortlichkeit, es gibt aber Ausnahmen. Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 93 f. 513

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führt, indem gem. § 7 Abs. 4 FinAnV die Weitergabe solcher Finanzanalysen nicht erfasst ist, die von sonstigen Personen518 erstellt wurden und indirekte Anlageempfehlungen enthalten. Da deshalb grundsätzlich die Vorschriften für beide Gruppen gleich sind, bedarf es keiner gesonderten Darstellung der Pflichten sonstiger Personen,519 vielmehr muss danach unterschieden werden, ob eine wesentliche Veränderung der weitergegebenen Analyse stattgefunden hat. aa) Sorgfaltspflichten Die Sorgfaltspflichten für die Weitergabe einer fremden Analyse ergeben sich zunächst aus § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG. Danach darf eine Weitergabe oder öffentliche Verbreitung nur erfolgen, wenn die Finanzanalyse sachgerecht erstellt und dargeboten wurde. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit der Weitergebende verpflichtet ist zu überprüfen, ob diese Vorgaben eingehalten wurden.520 Eine inhaltliche Prüfungspflicht würde die Anforderungen an die bei der Weitergabe aufzuwendende Sorgfalt überspannen und ist deshalb abzulehnen.521 Dies ergibt sich auch aus der zweiten Durchführungsrichtlinie, aus der, wie bereits oben erwähnt, erkennbar ist, dass die für die Erstellung verantwortliche Person die primär verantwortliche sein soll.522 Vielmehr muss der Weitergebende nur eine formale Prüfung durchführen, im Rahmen welcher er überprüft, ob die Analyse aus einer zuverlässigen Quelle stammt und ob die Mindestanforderungen an die Offenlegung eingehalten sind und gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Analyse keine offensichtlichen Mängel enthält.523 Dies entspricht insoweit der Pflicht bei der Erstellung und Veröffentlichung der Finanzanalyse zur Überprüfung der Zuverlässigkeit der Informationsquelle. Des Weiteren muss gem. § 34b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG die Identität der Person, die für die Weitergabe oder die Verbreitung der Finanzanalyse verantwortlich ist, zusammen mit der Finanzanalyse offengelegt werden.524 518

Siehe zum Begriff der sonstigen Personen oben in Fn. 489. Siehe zum Begriff der sonstigen Personen oben Fn. 489. 520 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 98. 521 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 98. 522 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 98. 523 Z. B. den Abdruck eines unvollständigen Textes enthält, vgl. Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 98. In diese Richtung auch Möllers, der darauf abstellt, dass man sich grundsätzlich darauf verlassen könne, dass eine von der BaFin überwachte Finanzanalyse ordnungsgemäß erstellt wurde, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 192. 524 Man könnte diese Pflicht auch unter die Offenlegungspflichten fassen. Im Rahmen der Erstellung und Veröffentlichung einer Finanzanalyse wird die Pflicht zur Offenlegung der Identität des Erstellers jedoch unter die formellen Sorgfaltspflichten gefasst [siehe oben unter b) aa) (1) (a)]. An dieser Einordnung wird auch im Rahmen der Weitergabe festgehalten. 519

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Zusätzliche Pflichten ergeben sich, wenn es zu einer wesentlichen Änderung der Finanzanalyse kommt. Eine wesentliche Veränderung liegt vor, wenn sie aus der Sicht eines verständigen Anlegers von Bedeutung ist, weil er seine Anlageentscheidung auf diese Analyse stützt.525 In diesem Fall muss wieder danach unterschieden werden, ob die Analyse von einem Kreditinstitut, einem Finanzdienstleistungsinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG tätigen Unternehmen und für diese jeweils tätige natürlich Personen weitergegeben wird. Dann nämlich greifen die besonderen Pflichten des § 7 Abs. 1 S. 1 FinAnV, die ihrerseits danach unterscheiden, ob die Finanzanalyse bereits zuvor veröffentlicht wurde. Entscheidend ist, dass bei den genannten Personen jede wesentliche Veränderung wie eine Neuerstellung behandelt wird, mit der Folge, dass die Pflichten der §§ 2 bis 5 FinAnV gelten.526 Für alle anderen, d.h. vor allem für freie Analysten, greifen diese zusätzlichen Pflichten gem. § 7 Abs. 2 FinAnV nur dann, wenn die Veränderung so wesentlich ist, dass es zu einer abweichenden Anlageentscheidung527 kommt. § 7 Abs. 2 S. 1 FinAnV bestimmt, dass Änderungen genau zu kennzeichnen sind, wenn es zu einer abweichenden Anlageentscheidung kommt, dann greifen außerdem gem. § 7 Abs. 2 S. 2 FinAnV wiederum die Pflichten, die bei der Erstellung einer Finanzanalyse gelten. Eine Sonderregelung für Journalisten ist hierbei weder im Wertpapierhandelsgesetz noch in der Finanzanalyseverordnung vorgesehen. Anders hingegen erscheint auf den ersten Blick die Regelung der zweiten Durchführungsrichtlinie, die in Art. 8 Abs. 3 feststellt, dass die Absätze 1 und 2, welche ein allgemeines Muster für die Weitergabe von Empfehlungen enthalten, auf Presseberichte keine Anwendung finden, wenn keine wesentliche Veränderung vorliegt. Da sich jedoch in den Absätzen 1 und 2 nur Regelungen für den Fall finden, dass eine wesentliche Änderung stattgefunden hat, ist diese Ausnahmevorschrift ohne Bedeutung und bedarf daher auch keiner Entsprechung im nationalen Recht. bb) Offenlegungspflichten Wird die Finanzanalyse nicht wesentlich verändert, dann bestehen auch keine besonderen Offenlegungspflichten. Da es ja gerade zu keiner relevanten inhaltlichen Änderung kommt, besteht auch nicht die Gefahr, dass etwaige Interessenkonflikte die Unvoreingenommenheit und damit die inhaltliche Qualität beeinträchtigen. Weitergehende Offenlegungspflichten ergeben sich hingegen dann, wenn die Finanzanalyse wesentlich verändert wird, denn dann müssen gem. § 7

525 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 99; vgl. auch die Begründung zum Diskussionsentwurf zu § 7 FinAnV, abgedruckt in ZBB 2004, 422, 429. 526 § 7 Abs. 1 Nr. 2 FinAnV. 527 Wenn also z. B. aus einer Empfehlung, ein bestimmtes Wertpapier zu kaufen, die Empfehlung wird, ein bestimmtes Wertpapier zu verkaufen.

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Abs. 2 S. 2 FinAnV die Anforderungen, die bei der Erstellung einer Finanzanalyse gelten, erfüllt werden. cc) Organisationspflichten In Bezug auf die Organisationspflichten gilt dasselbe wie in Bezug auf die Erstellung von Analysen.528 d) Weitergabe der Zusammenfassung einer Finanzanalyse Die Weitergabe der Zusammenfassung einer Finanzanalyse unterliegt immer der Vorschrift des § 34b Abs. 2 WpHG;529 es findet keine Differenzierung danach statt, von wem die Finanzanalyse stammt oder wer sie weitergibt. Es findet sich also keine Sonderbestimmung für die Weitergabe von Finanzanalysen sonstiger Personen, die nur indirekte Anlageempfehlungen enthalten. Entsprechend dem oben Gesagten und einer richtlinienkonformen Auslegung muss man hier ebenfalls einschränkend auslegen und die Zusammenfassung solcher Finanzanalysen aus dem Anwendungsbereich ausnehmen, die von sonstigen Personen erstellt wurden und nur indirekte Anlageempfehlungen enthalten. Im Übrigen dürfte diese Fallgruppe sehr selten sein, da bei der Zusammenfassung ebenso wie bei der Analyse wohl zum Großteil Analysen von Personen weitergegeben werden, die diese regelmäßig erstellen. Entscheidend ist hier, wann tatsächlich eine Zusammenfassung gegeben ist und nicht vielmehr eine Sekundäranalyse, d.h. eine wesentlich veränderte Finanzanalyse, vorliegt. Letztere ist streng von einer Zusammenfassung abzugrenzen und muss die Voraussetzungen des § 7 FinAnV erfüllen. Als Abgrenzungskriterium kann man darauf abstellen, ob aus Sicht des objektiven Empfängers eine Weitergabe unter eigenem oder unter fremden Namen erfolgt.530 Die einzuhaltenden Pflichten ergeben sich bei der Weitergabe der Zusammenfassung unmittelbar aus § 34b Abs. 2 WpHG. Danach gilt ein Deutlichkeitsgebot und Irreführungsverbot und es muss auf das Ausgangsdokument mitsamt der in diesem offenzulegenden Angaben verwiesen werden. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Pflichten des tatsächlichen Erstellers in vollem Umfang bestehen bleiben, insbesondere ist die Eigenschaft, wer Ersteller ist, nicht disponibel.531 528

Hierzu oben unter aa) (3). Grundlage bildet hier Art. 8 Abs. 4 RiL 2003/6/EG. 530 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 200. 531 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 205. Generell ist es so, dass die Pflichten des § 34b WpHG nicht zur Disposition stehen, sog. Disclaimer also unwirksam sind. Vgl. hierzu a. a. O. Rn. 188. 529

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e) Subjektiver Tatbestand § 34b WpHG enthält keinen subjektiven Tatbestand, sondern es werden rein objektive Verhaltenspflichten formuliert. Ähnlich wie bei § 20a WpHG spielen subjektive Elemente erst im Hinblick auf etwaige Rechtsfolgen eine Rolle und werden, da sich keine Besonderheiten ergeben, im Zusammenhang mit diesen dargestellt.532 f) § 34c WpHG Ergänzend zu den Pflichten des § 34b WpHG stellt § 34c WpHG für andere Personen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften oder Investmentaktiengesellschaften die Pflicht auf, sowohl die Aufnahme als auch die Einstellung einer entsprechenden Tätigkeit der BaFin anzuzeigen. Sie dient also der Information der BaFin über den von ihr zu überwachenden Personenkreis.533 Im Jahre 2007 sind Angaben der BaFin zufolge 114 selbstständige Analysten dieser Pflicht nachgekommen.534 Ob hierunter auch Journalisten waren, ist leider nicht bekannt. g) Rechtsfolge bei Verstoß gegen die Verhaltenspflicht Ein Verstoß gegen § 34b WpHG kann unterschiedliche Rechtsfolgen haben. Die Befugnisse der BaFin als Aufsichtsbehörde ergeben sich aus § 34b Abs. 7 WpHG, welcher bestimmt, dass der BaFin zur Einhaltung von § 34b Abs. 2, 3 und 5 die Befugnisse nach § 35 WpHG zustehen. Dagegen sind ausdrückliche haftungsrechtliche Konsequenzen nicht vorgesehen; ob ein allgemeiner Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB gegeben ist, wird im Zusammenhang mit den anderen deliktsrechtlichen Ansprüchen dargestellt. Die unmittelbare Rechtsfolge eines Verstoßes ergibt sich wie auch bei § 20a WpHG aus § 39 WpHG. § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 WpHG bestimmen, dass ein Verstoß gegen die Sorgfalts-, Offenlegungs- und Organisationspflichten des § 34b Abs. 1 S. 2535 und Abs. 2 WpHG und ordnungswidrig ist, wobei gem. § 10 OWiG nur vorsätzliches Handeln erfasst ist. Des Weiteren stellt ein Verstoß gegen die An532

Dazu unten unter g). BT-Drs. 15/3174, S. 39. 534 Jahresbericht der BaFin 2007, S. 149, abrufbar unter www.bafin.de (besucht am 24.2.2009). Nach Auskunft der BaFin handelt es sich dabei um Analysten, die sich gerade nicht auf die Ausnahmeregelung des § 34b Abs. 4 WpHG berufen haben, da sie keiner entsprechenden Selbstregulierung unterlägen. Ob sich unter diesen 114 Analysten auch solche befanden, die sich grundsätzlich auf die Sonderregelung für Journalisten hätten berufen können, ist nicht bekannt, da dies nicht statistisch erfasst wird. (So die Auskunft der BaFin in einer E-Mail an die Verfasserin.) 535 Inklusive eines Verstoßes gegen die Konkretisierungen der FinAnV. 533

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zeigepflicht nach § 34c WpHG gem. § 39 Abs. 2 Nr. 22 WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei insoweit nicht nur vorsätzliches, sondern auch leichtfertiges Handeln erfasst wird.536 Die Höhe des Bußgeldes kann gem. § 39 Abs. 4 WpHG bei einem Verstoß gegen § 34b Abs. 1 S. 2 WpHG maximal 200.000 Euro betragen, bei einem Verstoß gegen § 34b Abs. 2 oder § 34c WpHG maximal 50.000 Euro. Im Gegensatz zum Verbot der Marktmanipulation ist keine Qualifikation als Straftat vorgesehen. Zu beachten ist noch, dass ein Verstoß gegen § 20a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 WpHG einem Verstoß gegen § 34b Abs. 1 bzw. Abs. 2 WpHG vorgeht, da dieser bereits leichtfertiges Handeln erfasst537 und außerdem das Bußgeld maximal eine Million Euro bzw. 500.000 Euro betragen kann. Adressaten eines entsprechenden Bußgeldbescheides können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein,538 da sich § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG an beide Personengruppen richtet. Weil bei einer Presseveröffentlichung auch immer mehrere Personen am Inhalt beteiligt sind, stellt sich die Frage, wer genau für die Einhaltung der Pflichten nach § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG verantwortlich ist. Dabei bietet es sich an, zwischen der Erstellung und der Weitergabe einer Finanzanalyse zu unterscheiden, wobei letztere auch die Weitergabe einer Zusammenfassung umfasst. Im Zusammenhang mit der Erstellung von Finanzanalysen wird zum Teil vertreten, Ersteller selbst könne nur eine natürliche Person sein. Die Verantwortlichkeit der hinter diesen natürlichen Personen stehenden Unternehmen ergibt sich dann aber daraus, dass in der Finanzanalyseverordnung von den „für die Erstellung verantwortlichen Unternehmen“ die Rede ist. Dabei hat der Gesetzgeber wohl den klassischen Fall der Finanzanalyse vor Augen, bei dem ein Unternehmen viele Mitarbeiter beschäftigt, die alle an verschiedenen Finanzanalysen mitarbeiten, die im Ergebnis dann Finanzanalysen des jeweiligen Finanz- bzw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen darstellen. Dies erklärt wohl auch, wieso Möllers539 im Außenverhältnis die einzelnen Mitarbeiter von einer Verantwortlichkeit ausnehmen will: Im Außenverhältnis handle es sich um eine Finanzanalyse des jeweiligen Unternehmens und die einzelnen beteiligten Mitarbeiter würden nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar sollten mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes auch natürliche Personen Adressaten der Vorschriften zur Analyse von Finanzinstru536 Dazu, dass Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich nur vorsätzlich begangen werden können, und zu den Anforderungen, die an das Vorliegen von Leichtfertigkeit gestellt werden, siehe oben unter I. 2. a) bb). 537 Ausführlich zu etwaigen Konkurrenzproblem Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 271 ff. 538 Siehe zum persönlichen Anwendungsbereich des § 34b WpHG, der sich auf natürliche und juristische Personen erstreckt, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 108 ff. 539 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 109.

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menten werden, doch hatte man dabei vor allem vor Augen, dass auch freie Analysten erfasst werden sollten. Eher unwahrscheinlich ist dagegen, dass diese tatbestandliche Erweiterung dazu führen sollte, dass bei Finanzanalysen von Unternehmen in Zukunft gegen jeden einzelnen an der Erstellung beteiligten Mitarbeiter ein Bußgeldbescheid erlassen werden kann.540 Diese Struktur kann auf Presseveröffentlichungen jedoch nicht einfach übertragen werden. Bei einem Zeitungsartikel ist normalerweise nur ein eng begrenzter Personenkreis oder sogar nur eine Person unmittelbar für den Inhalt des Artikels verantwortlich ist. Diese Person hat auch viel größere inhaltliche Freiheiten als der Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Wie in anderen Bereichen auch, beispielsweise bei Beleidigungsdelikten, die mittels eines Zeitungsartikels begangen werden, ist daher der unmittelbare Verfasser für den Inhalt seines Artikels verantwortlich. Stellt der Inhalt des Artikels also eine Finanzanalyse dar, so gilt der Verfasser als Ersteller und er muss dafür sorgen, dass die Vorschriften des § 34b WpHG und der FinAnV eingehalten werden. Die Verantwortlichkeit weiterer an der Veröffentlichung beteiligter Personen ergibt sich dann nach den allgemeinen Grundsätzen.541 Somit werden in aller Regel auch der Verleger oder der Ressortleiter für einen Verstoß verantwortlich sein, da diese Personen zumindest Gehilfen sein dürften. Dass es dadurch zu einer Ausdehnung der Verantwortlichkeit und einem in der Summe höheren Bußgeld kommt, liegt dann aber nicht mehr an der Ausdehnung der Verantwortlichkeit auch auf natürliche Personen, sondern an den allgemeinen Grundsätzen von Täterschaft und Teilnahme bei Ordnungswidrigkeiten, wo beim Zusammenwirken mehrerer Sanktionen gegen jeden einzelnen und nach § 30 OWiG auch gegen juristische Personen möglich sind. Ähnlich verhält es sich, wenn in einem Zeitungsartikel eine Finanzanalyse weitergegeben wird, wobei zu beachten ist, dass das Abdrucken einer Finanzanalyse eines eigenen Mitarbeiters in einem Presseerzeugnis aus Sicht des Verlegers keine Weitergabe einer Finanzanalyse ist. Nach Sinn und Zweck liegt eine Weitergabe erst dann vor, wenn es sich um die Finanzanalyse einer externen Person handelt. Bei Presseveröffentlichungen wird es in aller Regel so sein, dass diese Finanzanalyse in einen redaktionellen Beitrag eingebaut ist. Für die Weitergabe verantwortlich ist dann zunächst einmal der Journalist, der diesen Beitrag verfasst hat. Die Verantwortlichkeit der anderen an der Presseveröffent540 Bei einem Verstoß liegt zunächst einmal eine Ordnungswidrigkeit vor. Wegen des Einheitstäterprinzips wären dann alle Beteiligten Mittäter, die verschiedenen Bußgeldbescheide würden addiert, eine starke Steigerung der zu zahlenden Bußgelder wäre die Folge, was m. E. jedoch nicht Sinn und Zweck der Erweiterung des Personenkreises war. Dagegen stellt sich diese Problematik bei zivilrechtlichen Haftungsansprüchen nicht, da dort mehrere Schädiger nach außen als Gesamtschuldner haften, § 840 Abs. 1 BGB, und der absolut zu zahlende Betrag sich dadurch nicht erhöht. 541 Insoweit kann auf die Darstellung zu § 20a WpHG verwiesen werden, siehe oben unter I. 2. a) bb).

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lichung Beteiligten bestimmt sich wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie auch beim Erstellen von Finanzanalysen gelten. h) Journalistenprivileg Entsprechend den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 6 Abs. 10 Spiegelstrich 6 kam es aufgrund der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Vorschriften im Bereich der Presse zur Aufnahme folgender Ausnahmevorschrift in § 34b Abs. 4 WpHG: „Die Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 5 gelten nicht für Journalisten, sofern diese einer mit den Regelungen der Absätze 1, 2 und 5 sowie des § 34c vergleichbaren Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen unterliegen.“ aa) Allgemeine Einordnung § 34b Abs. 4 WpHG unterscheidet sich bereits auf den ersten Blick von der Sonderbestimmung des § 20a Abs. 6 WpHG542, bestimmt er doch, dass die Absätze 1, 2 und 5 von § 34b WpHG als solche unter bestimmten Voraussetzungen nicht gelten. Diese Möglichkeit der Suspendierung staatlicher Aufsicht durch Selbstregulierung erinnert damit an das im Bereich des Datenschutzes praktizierte Modell der sog. Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz.543 Im Unterschied zu diesem Modell ist es im Bereich der Finanzanaly542

Siehe zu dieser oben unter I. 2. a) cc). Zwar sind dort die Medien vom Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes zunächst von vornherein ausgenommen, jedoch bestimmt § 41 Abs. 1 BSDG, dass die Länder den §§ 5, 9, 38a und 7 BDSG entsprechende Regelungen zu treffen haben. In Baden-Württemberg z. B. findet sich eine entsprechende Regelung in § 12 LPG, der seinerseits im Wege einer dynamischen Verweisung schlicht die Anwendbarkeit der §§ 5, 9, 38a und 7 BDSG auf die Presse anordnet. Gleichwohl, und dies machte bisher die Einzigartigkeit dieser Regelung im deutschen Recht aus, obliegt die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften dem Deutsche Presserat, welchem gegenüber sich die Verlage zur Einhaltung durch Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung (abrufbar unter http://www.presserat.info/Selbstverpflichtungs-e.143.0.html, besucht am 10.7.2009) verpflichten können. Dies gilt auch dann, wenn sie ansonsten nicht der Kontrolle des Deutschen Presserates unterliegen. Verweigert ein Verlag hingegen die Abgabe einer solchen Selbstverpflichtungserklärung, kommt es unmittelbar zur Anwendung der §§ 5, 9, 38a und 7 BDSG durch die staatliche Aufsicht (Rosenhayn, in: Deutscher Presserat (Hrsg.), Bericht zum Redaktionsdatenschutz 2004, S. 55, 60). Dies ergibt sich zwar nicht eindeutig aus der gesetzlichen Regelung, eine andere Auslegung, also die Nichtanwendung des Bundesdatenschutzgesetzes, hätte jedoch eine europarechtswidrige Lücke zur Folge, da die Einbeziehung der Presse auf die Datenschutzrichtlinie 95/46/EWG zurückgeht. Einen ausführlichen Überblick zur Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz geben die drei Berichte des Deutschen Presserates zum Redaktionsdatenschutz, abrufbar unter www.presserat.info (besucht am 10.7.2009); zur praktischen Umsetzung siehe insbes. die Darstellung von Rosenhayn, in: Deutscher Presserat (Hrsg.), Bericht zum Redaktionsdatenschutz 2004, S. 55. Ein kurzer Überblick über dieses Modell inklusive seiner Entwicklung findet sich 543

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sen aber nicht § 34b WpHG, der im Rahmen der entsprechenden Selbstregulierung angewandt wird. Außerdem ist die Selbstregulierung nach § 34b WpHG nicht auf den Presserat beschränkt. Der vor allem aus Sicht der Presse entscheidende Unterschied zum Modell des Redaktionsdatenschutzes besteht jedoch darin, und insoweit wird letzteres bevorzugt, dass der BaFin die Kompetenz zugestanden wird zu überprüfen, ob die Selbstregulierung vergleichbar ist. Zumindest theoretisch besteht die Kontrolle der BaFin also auch im Bereich der Selbstkontrolle als subsidiäre Kontrolle fort, während eine solche der Selbstkontrolle nachgeschaltete staatliche Kontrolle im Bereich des Redaktionsdatenschutzes gerade nicht erfolgt. Bedeutung erlangt die BaFin außerdem dann, wenn sich ein Journalist freiwillig der Kontrolle der BaFin und nicht der Selbstkontrolle unterstellt. Bei der Anwendung der Pflichten des § 34b WpHG und der Finanzanalyseverordnung muss dann von der BaFin die Meinungs- und Pressefreiheit des Journalisten ausreichend berücksichtigt werden, was sinnvollerweise wie auch bei einer Prüfung von § 20a WpHG im Rahmen des Verschuldens erfolgen sollte.544 bb) Persönlicher Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift Zentrale Voraussetzung des § 34b Abs. 4 WpHG ist, dass ein Journalist handelt. Dabei ist der Begriff des Journalisten in § 34b Abs. 4 WpHG gleich zu verstehen wie in § 20a WpHG.545 Zwar wird in der Literatur zu § 34b WpHG immer wieder diskutiert, wie man den Journalisten vom Analysten abgrenzen könne,546 letztlich sprechen aber zwei Erwägungen, die sich in gewisser Weise bedingen, für die Übernahme des Journalistenbegriffs des § 20a WpHG. Zum einen ist der Grund für die Ausnahmebestimmung der gleiche: Es soll eine Möglichkeit geschaffen werden, die Meinungs- und Pressefreiheit angemessen zu berücksichtigen.547 Zum anderen bedürfte es aus Gründen der Rechtssicherheit im Sinne der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns einer besonderen auch bei Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 122 ff. Zur Rechtslage vor Umsetzung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EWG siehe Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, S. 34 ff.: Damals lagen journalistische Veröffentlichungen vollständig außerhalb des Anwendungsbereichs des Datenschutzrechts. 544 Siehe zu den Einzelheiten oben unter I. 2. a) cc) (4) (b). 545 So wohl auch Möllers, in: WpHG-KK, § 34b Rn. 216 ff. A. A. Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 382 f., die zunächst wenig überzeugend darlegen, wieso nur natürliche Personen Journalisten sein können, um dann aber Unternehmen mittelbar an der Privilegierung teilhaben zu lassen; siehe zur Auslegung des Begriffs des Journalisten oben unter I. 2. a) cc) (1). 546 Dagegen findet sich eine Diskussion dieser Problematik im Rahmen des Journalistenbegriffs des § 20a WpHG nicht, vgl. oben unter I. 2. a) cc) (1) (c). 547 Insoweit erscheint es wenig hilfreich, sich mit Begrifflichkeiten aufzuhalten, also mit der Frage danach, ob jemand gleichzeitig Journalist und Analyst sein könne.

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Rechtfertigung, wollte man innerhalb desselben Gesetzes einen Begriff unterschiedlich auslegen. Weil die beiden Ausnahmetatbestände aber der gleichen Motivation entspringen, wäre eine unterschiedliche Begriffsbestimmung nicht zu rechtfertigen, sodass der Begriff des Journalisten in § 34b Abs. 4 WpHG wie der in § 20a Abs. 6 WpHG zu verstehen ist. Unerheblich für eine etwaige Qualifikation als Journalist ist schließlich, ob die fragliche Person einer Selbstregulierung unterliegt bzw. einem Selbstregulierungsgremium unterworfen ist. Zwar stellt § 34b auf das Bestehen einer „vergleichbaren Selbstregulierung“ ab, dies ist aber lediglich als Voraussetzung für das Eingreifen der Privilegierung zu verstehen und für die Qualifikation als Journalist irrelevant. cc) Bezugspunkt der Vergleichbarkeit Wenn § 34b Abs. 4 WpHG außerdem eine vergleichbare Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen verlangt, dann stellt sich die Frage nach dem Bezugspunkt der Vergleichbarkeit. Möllers betont, dass allein auf die europäischen Regelungen, also die Marktmissbrauchsrichtlinie und ihre Durchführungsrichtlinie abzustellen sei548 und verweist hierfür auf die Gesetzesbegründung. Diese ist jedoch nicht eindeutig, da zunächst auf die §§ 34b, c WpHG Bezug genommen wird und dann weiter hinten von der Überprüfung auf die Vereinbarkeit hin mit den europäischen Vorgaben die Rede ist.549 Andere hingegen verweisen ohne weitere Erklärung auf die nationalen Regelungen,550 welche jedoch ihrerseits richtlinienkonform ausgelegt werden müssten.551 Im Ergebnis führt dies nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da sich der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung sehr genau an die europäischen Vorgaben gehalten hat und im Zweifelsfall das nationale Recht richtlinienkonform ausgelegt werden muss und auch richtlinienkonform ausgelegt werden kann. Neben § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG ist die Finanzanalyseverordnung als Maßstab heranzuziehen, da § 34 Abs. 8 WpHG so verstanden werden muss, dass auch die Vorschriften der FinAnV durch die Selbstregulierung ersetzt werden können, anderenfalls würde die Sonderbestimmung des § 34b Abs. 4 WpHG in weiten Teilen konterkariert werden. Gleiches ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung, da auch die Durchführungsrichtlinie 125/ 2003/EG, auf welcher die Finanzanalyseverordnung beruht, entsprechende Ausnahmebestimmungen für Journalisten vorsieht. 548 549 550 551

Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 226. Siehe BT-Drs. 15/3174, S. 39. Spindler, NZG 2004, 1138, 1144; Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 384. So z. B. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 108.

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dd) Inhaltliche Ausgestaltung der Selbstregulierung Entscheidend ist nun, wie die Selbstregulierung inhaltlich ausgestaltet sein muss, um noch als vergleichbar im Sinne von § 34b Abs. 4 WpHG zu gelten. Weder aus dem Gesetzestext selbst noch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich hierfür Kriterien. Auch die Literatur beschränkt sich in ihren Darstellungen zumeist darauf, einige Pflichten, die gleichfalls für Journalisten gelten sollen, aufzuzählen, ohne jedoch eine schlüssige Begründung für die Übernahme der einen und die Ablehnung der anderen Pflicht zu liefern. Daher soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, Kriterien dafür zu finden, welche Pflichten Teil der Selbstregulierung sein müssen, damit sie als vergleichbar anzusehen ist. Hintergrund der Formulierung der Vergleichbarkeit ist, dass so die Möglichkeit geschaffen wurde, der besonderen Stellung und der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Journalisten Rechnung zu tragen. Es soll verhindert werden, dass eine Überspannung des Pflichtenkatalogs zu einer nicht zu rechtfertigenden Behinderung der Pressearbeit führt und es damit zu einer Verletzung der Pressefreiheit kommt. Bei der Bestimmung eines Vergleichbarkeitsmaßstabes ist der von vornherein stark beschränkte Anwendungsbereich der von § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG aufgestellten Pflichten zu berücksichtigen: Es muss sich um eine Anlageempfehlung – häufig gar eine direkte – handeln und nur vorsätzliches Handeln ist tatbestandsmäßig. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, dass alle Pflichten des § 34b WpHG im Blick auf einen funktionieren Kapitalmarkt ihre Daseinsberechtigung haben. Hieraus folgt ein ebenfalls schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Pflichten auch für Journalisten gelten. Sollen daher bestimmte Pflichten von vornherein auf Journalisten keine Anwendung finden, dann bedürfte dies eines besonderen Grundes, der sich insbesondere aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Journalisten ergeben könnte. Meines Erachtens sind derartige Gründe jedoch nicht ersichtlich,552 da Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Pressefreiheit eines Journalisten, obwohl er alle Verhaltenspflichten des § 34b WpHG einhalten muss, nicht verletzt ist. In solchen Fällen sollte dann ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflichten auch geahndet werden können. 552 Man könnte überlegen, dass manche der Pflichten auf Journalisten nicht sinnvoll anwendbar sind. Hierzu könnte die Pflicht zur Angabe des Berufes zählen, die für hauptberufliche Journalisten auf den ersten Blick überflüssig erscheint. Doch gerade bei Gastbeiträgen, deren Verfasser auch als Journalisten zu qualifizieren sind, kann die Angabe des Berufes von besonderer Bedeutung sein. Außerdem könnte es Pflichten geben, deren Einhaltung einem Journalisten von vornherein nicht zugemutet werden kann. Hierunter könnte die Pflicht zur Objektivität fallen, denn es muss dem Journalisten möglich sein, seine eigene Meinung zu äußern. Doch kann die Pflicht zur Objektivität nach dem vorliegenden Verständnis [zu diesem oben unter b) aa) (1) (b)] einem Journalisten grundsätzlich zugemutet werden.

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Daher finden als Ausgangspunkt alle Pflichten des § 34b WpHG auch auf Journalisten Anwendung; eine Regelung im Bereich der Selbstregulierung ist demnach nur vergleichbar, wenn sie grundsätzlich alle Pflichten des Wertpapierhandelsgesetzes und der Finanzanalyseverordnung enthält. Besonderheiten ergeben sich dann aber im Falle eines Verstoßes gegen eine dieser Pflichten. Um den Anforderungen der Pressefreiheit gerecht zu werden, kann es im Einzelfall zu Modifikationen der Pflichten kommen, ohne dass hierdurch die Selbstregulierung nicht mehr mit der gesetzlichen Regelung vergleichbar wäre. Entscheidend für solche Modifikationen ist der Grund des Verstoßes des Journalisten gegen die Pflichten des § 34b WpHG. Klar ist zunächst, dass fahrlässiges Verhalten ohne Konsequenzen ist. Dies ergibt sich aus den §§ 38 f. WpHG.553 Bei vorsätzlichem Handeln bedarf es einer Differenzierung. Verstößt der Journalist aus berufsständisch legitimen Gründen gegen eine der Pflichten, dann ist dies zu berücksichtigen und kann dazu führen, dass dem Journalisten im Einzelfall kein Vorwurf bezüglich der Nichteinhaltung der fraglichen Pflicht gemacht werden kann. Ähnlich wie im Rahmen des § 20a WpHG kommt es auch hier nicht zu einer Modifizierung der Pflicht als solcher – beispielsweise besteht die Pflicht zur Trennung von Tatsachen und Werturteilen als solche fort – vielmehr kommt es zu einem modifizierten Verschuldensmaßstab, d.h., die Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung kann im Einzelfall entfallen. Wenn also beispielsweise nicht sicher ist, ob bestimmte Informationen richtig sind, also Eventualvorsatz gegeben ist, kann unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln eine Veröffentlichung dennoch zulässig sein, da eben auch ein zeitnahes Berichten möglich sein muss. Folglich kann bei Berücksichtigung der berufsständischen Regeln im Einzelfall ein Verstoß gegen eine Pflicht des § 34b WpHG hinzunehmen sein. In Fällen, in denen ein solcher Verstoß zulässig ist, wird man aber vom Journalisten verlangen müssen, dass er auf die Nichteinhaltung der Pflicht hinweist.554 Denn ein schützenswertes Interesse des Journalisten, nicht darauf hinweisen zu müssen, dass er beispielsweise eine Anlageempfehlung auf der Basis einer unsicheren Informationsgrundlage abgibt, ist nicht ersichtlich. Dagegen ist aus Sicht des Kapitalmarktes ein solcher Zusatz von großer Bedeutung, weil nur so die Information richtig bewertet werden kann. Daher ist es wichtig, alle Pflichten grundsätzlich auch auf Journalisten zu erstrecken. Liegt dagegen ein vorsätzlicher Verstoß des Journalisten gegen die Pflichten des § 34b WpHG vor, der auch nicht unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln zulässig ist, dann muss ein solches Verhalten des Journalisten Konsequenzen im Rahmen der Selbstregulierung haben. Ist dies nicht der Fall, liegt keine vergleichbare Selbstregulierung vor. 553

Dazu oben unter g). Auch dies spricht für eine grundsätzliche Anwendung aller Pflichten auf Journalisten: Denn wenn die Pflichten nicht für sie gelten würden, dann müssten sie auch nicht auf ihre Nichteinhaltung hinweisen. 554

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Folge dieses Verständnisses ist, dass nur diejenige Selbstregulierung vergleichbar im Sinne des § 34b Abs. 4 WpHG ist, die grundsätzlich sämtliche Pflichten des § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG inklusive ihrer Konkretisierung durch die Finanzanalyseverordnung enthält, wenngleich für Journalisten unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln im Einzelfall Ausnahmen gelten können. Problematisch an diesem Ansatz erschient, dass damit zum einen sehr hohe Anforderungen an die Selbstregulierung gestellt werden und zum anderen die Selbstregulierung sich sehr stark an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren hat. Doch darf daraus nicht folgen, dass man einfach einzelne Pflichten aus dem umfangreichen Pflichtenkatalog herausgreift und nur diese als für die Vergleichbarkeit erforderlich ansieht. Nicht erforderlich ist jedoch, dass alle Pflichten schriftlich fixiert sind.555 Vielmehr genügen auch allgemeinere Formulierungen wie die des § 34b Abs. 1 S. 1 WpHG, solange diese im Rahmen ihrer Anwendung entsprechend der Vorgaben der Finanzanalyseverordnung ausgelegt werden.556 Die Grenze bilden dabei solche Inhalte der Selbstregulierung, die in ausdrücklichem Widerspruch zu § 34b WpHG und zur Finanzanalyseverordnung stehen; bei einer derartigen Selbstregulierung entfiele die Vergleichbarkeit. ee) Praktische Umsetzung (wirksame Kontrollverfahren) Neben der inhaltlichen Vergleichbarkeit fordert § 34b Abs. 4 WpHG wirksame Kontrollmechanismen. Aus § 34c S. 6 WpHG ergibt sich, dass hiervon auch die Anzeigepflicht gegenüber der BaFin erfasst ist. Sie kann also ebenfalls durch eine entsprechende Regelung im Wege der Selbstregulierung ersetzt werden. Fraglich ist, welche Anforderungen an die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Selbstkontrolle zu stellen sind, damit diese einen wirksamen Kontrollmechanismus im Sinne des § 34b Abs. 4 WpHG darstellt. Das Gesetz selbst enthält, ebenso wie die europäischen Richtlinien, keine weiteren Vorgaben für die praktische Ausgestaltung der Selbstregulierung. In der Begründung zum Entwurf des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wird ausdrücklich, aber nur beispielhaft, auf eine unternehmensinterne Selbstregulierung Bezug genommen,557 dagegen findet sich in den Anhörungen des Finanzausschusses die ausdrückliche Bezugnahme auf den deutschen Presserat.558 In 555 Das Risiko, dass ein Journalist eine entsprechende Pflicht mangels schriftlicher Fixierung nicht kennt und daher nicht einhält, ist aber von diesem zu tragen. 556 So auch die Praxis des Presserates, der nach eigenen Angaben sämtliche Pflichten der FinAnV in seine Bestimmungen zur Selbstregulierung von Wirtschaftsjournalismus hineinliest (so eine Vertreterin der Presserates in einem Gespräch mit der Verfasserin). Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 230 fordert dagegen eine schriftliche Fixierung aller Pflichten im Pressekodex selbst. 557 „Interne Verhaltensrichtlinien von Medienunternehmen“, BT-Drs. 15/3147 S. 39.

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der Literatur herrscht keine Einigkeit über die praktische Ausgestaltung, sondern man findet zahlreiche Vorschläge mit verschiedensten Vorgaben, die eine Selbstkontrolle erfüllen müsse, um als wirksam im Sinne des § 34b Abs. 4 WpHG zu gelten. Spindler geht, zu Unrecht, davon aus, dass das Gesetz ausdrücklich darauf abstelle, dass der Journalist einer selbst regulierenden Organisation angehören müsse.559 Gleichwohl stellt er fest, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen auch die Journalisten, die keiner solchen Organisation angehörten, in den Genuss einer Privilegierung kommen müssten.560 Bezüglich der sich selbst regulierenden Organisation wirft er die Frage auf, welche Maßstäbe an eine solche zu stellen seien, da weder die Richtlinie noch der nationale Gesetzgeber insoweit weitere Vorgaben machten. Er selbst legt dann § 34b Abs. 4 WpHG, welcher seiner Ansicht nach jede Art der Organisation zulasse, einschränkend aus und fordert eine verfestigte Organisation mit entsprechenden handlungsfähigen Organen, eine ausreichende Mitgliederzahl und eine verbreitete Anerkennung in der relevanten Fachwelt. Außerdem müsse diese Organisation spezielle Verfahren zur Durchsetzung der Pflichten nach § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG vorsehen.561 Der Deutsche Presserat stelle eine solche Organisation dar, problematisch ist seiner Meinung nach aber, ob die Ausgestaltung des Verfahrens vor dem Deutschen Presserat eine effektive Durchsetzung gewährleisten könne, da die entsprechenden Regelungen nur moralische Verbindlichkeit hätten. Abhilfe könne seiner Ansicht nach die Einführung von Vertragsstrafen schaffen. Koller562 geht noch einen Schritt weiter, indem er nur rechtsfähige Organisationen als gleichwertig betrachtet, die außerdem über ausreichende Sanktionsmöglichkeiten wie Vereins- bzw. Vertragsstrafen verfügen und eine Ausschlussmöglichkeit vorsehen müssten. Im Gegensatz zu Spindler stellt er an diese Organisationen jedoch keine besonderen Anforderungen hinsichtlich der Mitgliederzahl oder der Anerkennung in den einschlägigen Fachkreisen. Er begrün558 Frage von Herrn Ulrich Hubert an den Vertreter des Deutschen Presserates im Finanzausschuss am 16.06.2004, Vgl. Wortprotokoll S. 25. Zitiert nach Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 216. Dagegen kann aus der Begründung zum AnSVG (BT-Drs. 15/3174) selbst kein eindeutiger Hinweise auf den Presserat entnommen werden, wenn er von der Einbindung in feste berufliche Strukturen spricht, da dies genauso gut ein Hinweis auf eine feste Anstellung bei einem Verlag bedeuten kann. A. A. Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 108a. 559 Spindler, NZG 2004, 1138, 1145. 560 Dies entspricht der Auffassung, die für Journalisten eine generelle Modifikation der Pflichten entsprechend der Regelung des § 20a WpHG annimmt. Dies bedeutet, dass auch das Verhalten eines Journalisten, der keiner Selbstregulierung unterliegt, zwar von der BaFin, aber dennoch unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln zu beurteilen ist. 561 Hier hat Spindler, a. a. O., wohl die Ausgestaltung der Selbstkontrolle zum Datenschutz vor Augen, für die der Presserat ein eigenes Verfahren eingerichtet hat. 562 Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 108a.

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det dies damit, dass andernfalls die Gründung neuer, schlagkräftiger Organisationen verhindert würde. Schließlich müsse auch der Journalist nicht zwingend selbst Mitglied dieser Organisation zu sein. Ausreichend sei, wenn er sich dieser gegenüber schuldrechtlich verpflichte und bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung Vertragsstrafen und Kündigung563 drohten. Möllers564 hingegen geht nicht vom Erfordernis einer selbstregulierenden Organisation aus, vielmehr sei eine entsprechende Selbstregulierung auch durch interne Verhaltensrichtlinien von Medienunternehmen grundsätzlich möglich. Daraus folge, dass der Journalist auch nicht zwingend Mitglied einer solchen Selbstregulierungsorganisation sein müsse. Im Gegensatz zu Spindler und Koller betont Möllers außerdem, die Effektivität der Kontrolle müsse gewährleistet sein, um eine der BaFin vergleichbare Kontrolldichte zu gewährleisten, was beispielsweise durch die Veröffentlichung von Jahreszahlen geschehen könne. Da vom Gesetz keine weiteren Anforderungen gestellt würden, lehnt es Möllers ab, weitere Anforderungen z. B. hinsichtlich der Größe der Organisationen etc. zu stellen. Im Ergebnis sei es also eine Frage des Einzelfalls, ob eine bestimmte Form der Selbstregulierung die Voraussetzungen des § 34b WpHG erfülle. Schließlich legen Kämmerer und Veil565 ein ganz eigenes System der medienrechtlichen Selbstregulierung im Sinne von § 34b WpHG vor.566 Zunächst einmal stellen sie fest, dass mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben eine Selbstregulierung entweder durch eine selbstregulierende Organisation oder durch unternehmensinterne Kontrolle möglich sei. Dann legen sie den Schwerpunkt ihrer Ausführungen darauf, wie eine solche unternehmensinterne Selbstregulierung ausgestaltet sein sollte, wobei sie sich auch ausdrücklich zu der Ausgestaltung der Anzeigepflicht des § 34c WpHG äußern, auf welche gem. § 34c S. 6 WpHG die Ausnahmevorschrift des § 34b Abs. 4 WpHG ebenfalls Anwendung finde. Für sie stellt sich eine vergleichbare Umsetzung der Selbstregulierung wie folgt dar: Das Medienunternehmen setzt seinen Mitarbeitern, also den Journalisten, Richtlinien für deren Tätigkeit, und die Mitarbeiter zeigen ihrerseits ihre Tätigkeit, sofern diese die Merkmale einer Finanzanalyse erfüllt, dem Medienunternehmen an. Das Medienunternehmen selbst sei nicht als Journalist zu qualifizieren, sodass es seinerseits gegenüber der BaFin gem. § 34c WpHG anzeigepflichtig bleibe.567 Diese Anzeige wirke dann auch für die 563 Diese Kündigung solle dem Journalisten die Privilegierung nach § 34b WpHG nehmen können. 564 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 214 f., 226. 565 Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 382 ff. 566 Hierbei ist möglicherweise von Interesse, dass diese Darstellung auf eine rechtsgutachterliche Anfrage aus der Praxis zurückgeht, siehe Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, Fn. 1, und daher vor allem den Börseninformationsdiensten (also gerade nicht den klassischen Printmedien) ein besonderes Augenmerk zuteil wird. 567 Aus verfassungsrechtlichen Gründen solle allerdings auch das Medienunternehmen selbst von den inhaltlichen Modifikationen der entsprechenden Pflichten profitie-

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Mitarbeiter, die ja ihre Tätigkeit dem Medienunternehmen gegenüber offengelegt hätten; durch die Anzeige bei der BaFin werde gleichzeitig der interne Kontrollmechanismus in Gang gesetzt. Für die Klärung der Frage, welchem dieser Ansätze der Vorzug zu geben ist, bildet der Wortlaut der Sonderbestimmung den Ausgangspunkt der Auslegung. Dabei ist festzustellen, dass das Gesetz selbst keine konkreteren Anforderungen an die Ausgestaltung der Selbstregulierung stellt. Hintergrund ist, dass man Eingriffe in die Pressefreiheit durch die auferlegten Pflichten möglichst gering halten will, was durch ein Zurücktreten der unmittelbaren staatlichen Kontrolle durch die BaFin erreicht werden soll. Daher besteht meines Erachtens ein besonderer Rechtfertigungszwang, will man Kriterien festlegen, die eine Selbstkontrolle zwingend erfüllen muss, um als wirksamer Kontrollmechanismus im Sinne von § 34b Abs. 4 WpHG zu gelten. So kann es zwar sinnvoll sein, beispielsweise eine selbstregulierende Organisation zu fordern, weil hierdurch die tatsächliche Durchsetzbarkeit der Pflichten erleichtert wird. Wenn aber eine Selbstregulierung auch ohne eine entsprechende Organisation funktioniert, dann sollte dies ebenfalls möglich sein. Folge dieser Auffassung ist, dass, und insoweit kann Möllers gefolgt werden, eine Einzelfallentscheidung erforderlich ist. Nicht geklärt ist damit aber, anhand welcher Kriterien eine solche Einzelfallentscheidung zu treffen ist. Entscheidend ist wohl, dass die Selbstkontrolle zur Einhaltung der Pflichten führen muss; wie sie das erreicht, ist der Selbstkontrolle überlassen. Dafür kann die Veröffentlichung entsprechender Zahlen, also beispielsweise über die Anzahl der durchgeführten Verfahren, sicherlich sinnvoll sein. Vermag die Selbstkontrolle die Einhaltung der Pflichten nicht zu leisten, lebt die Kontrolle durch die BaFin wieder auf. Dabei steht der BaFin im Rahmen ihrer allgemeinen Aufsichtsbefugnis nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG ein entsprechendes Feststellungsrecht zu.568 Wichtig ist, dass dieses keinen Zustimmungsvorbehalt oder ähnliches darstellt, vielmehr kann die BaFin nur im Nachhinein feststellen, dass eine bestimmte Selbstregulierung derzeit nicht den Anforderungen des WpHG entspricht.569 ren, d.h. solange das Medienunternehmen die unternehmensinterne Selbstregulierung übernehme, sei es von den Pflichten des § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG befreit. 568 In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass die BaFin bereits bei der Erstellung entsprechender Selbstregulierungskodizes auf freiwilliger und informeller Basis konsultiert wird. Wichtigstes Beispiel hierfür ist der geänderte Kodex des Deutschen Presserates und die von diesem formulieren Journalistischen Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung, die BaFin spricht insoweit von einem „begleitenden Dialog in der Phase der Entstehung“ (so ein Vertreter der BaFin in einer E-Mail an die Verfasserin). Dadurch erübrige sich dann die nachträgliche Kontrolle der Selbstregulierung. 569 Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 15/3174, S 39; Möllers, in: KKWpHG, § 34b, Rn. 214. Zu einer solchen Feststellung kam es bisher nicht. Vielmehr geht die BaFin davon aus, dass die Selbstregulierungskodizes, die ihr vorliegen, vergleichbar i. S. d. § 34b Abs. 4 WpHG sind und insoweit die Kontrolle durch die BaFin

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Bereits an dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Kontrolle auch mehrstufig ausgestaltet sein kann und es dann in der Praxis nicht entweder Kontrolle durch den Presserat oder unternehmensinterne Kontrolle bedeutet, sondern beide Formen der Regulierung angewandt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass der einzelne Journalist selbst nicht Mitglied im Presserat ist bzw. im Presserat nicht nur die schreibenden Journalisten, sondern auch die Verleger direkt vertreten sind. Diese Verleger kümmern sich dann ihrerseits innerhalb ihres Verlages um die Einhaltung bestimmter Standards bezüglich der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung. Eine Vorreiterrolle hat hierbei die Handelsblatt-Verlagsgruppe, deren Selbstregulierung an späterer Stelle als Beispiel für eine unternehmensinterne Kontrolle vorgestellt werden soll. 3. Bewertung Was an den gesetzlichen Vorgaben auffällt – und insoweit auch für die Selbstkontrolle Bedeutung hat, da diese ja den gesetzlichen Vorgaben vergleichbar sein muss – ist, dass der Anwendungsbereich stark eingeschränkt ist, wenn beim Handeln sonstiger Personen nur direkte Empfehlungen erfasst werden. Doch kann dem nationalen Gesetzgeber insoweit kein Vorwurf gemacht werden, da diese Unterscheidung bereits in der europäischen Vorgabe vorgesehen war. In der Praxis zu § 34b WpHG überwiegen informelle Maßnahmen klar die „harten Sanktionen“570 wie Bußgelder und Strafen. So stellte die BaFin im Jahre 2007 nur in „einzelnen Fällen“571 Mängel fest, und zwar insbesondere bei der Offenlegung von Interessenkonflikten und bei der Beachtung der Hinweise zu Bewertungsmethoden und Anlagerisiken. Doch auch in diesen wenigen Fällen kam es nicht immer zu förmlichen Verfahren, vielmehr wirkte die BaFin nach eigenen Angaben in Gesprächen auf eine Verbesserung hin.572 Die BaFin kommt zu dem Ergebnis, dass eine effektive Umsetzung der Vorschriften gewährleistet sei und gerade die sehr geringe Zahl an Bußgeldbescheiden dafür spräche, dass sich die Mehrzahl der Adressaten an die Vorschriften hielte.573 ausgesetzt ist. Derzeit liegen der BaFin nach eigenen Angaben der Kodex des Presserates, die Kodizes von ARD und ZDF, ein entsprechendes Instrument des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) sowie mehrere unternehmensinterne Selbstregulierungsinstrumente vor. 570 So ein Vertreter der BaFin in einer E-Mail an die Verfasserin. 571 S. 150 Jahresbericht der BaFin 2007, abrufbar unter www.bafin.de (besucht am 10.7.2009). 572 S. 150 Jahresbericht der BaFin 2007 (Fn. 571); auch in einer E-Mail an die Verfasserin bestätigt ein Vertreter der BaFin, dass man in aller Regel ohne „harte“ Maßnahmen auskomme. Genau Zahlen diesbezüglich sind jedoch leider nicht erhoben bzw. zugänglich. 573 So ein Vertreter der BaFin in einer E-Mail an die Verfasserin. Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gibt es dagegen ein jährliches Prüfverfahren nach § 36 WpHG, welches die Einhaltung unter anderem des § 34b WpHG sichern soll.

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Eine Bewertung des § 34b WpHG in Bezug auf journalistisches Handeln ist schwierig, da bisher keine Fälle bekannt sind, in denen er direkt auf Presseveröffentlichungen angewandt worden ist. Auch ist kein Fall eines Journalisten bekannt, der sich selbst der BaFin und gerade nicht einer vergleichbaren Selbstkontrolle unterworfen hätte. Wie dagegen etwaige Selbstregulierungsmodelle zu bewerten sind, die anstelle von § 34b WpHG treten, wird in Kapitel 5 dargestellt. III. Insiderrecht 1. Entwicklung hin zum heutigen Tatbestand a) Rechtslage vor Erlass des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes Erst seit Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes im Jahre 1994574 ist in Deutschland überhaupt ein Insiderhandelsverbot gesetzlich normiert,575 welches dann in seinem materiellrechtlichen Regelungsgehalt zunächst weitgehend unverändert geblieben ist. Der Schwerpunkt einiger Änderungen lag auf dem Versuch einer Effektivierung der Durchsetzbarkeit des Verbots von Insiderhandel.576 Sinn und Zweck der Insidervorschriften ist es, eine informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten und gleichzeitig die Erzielung von Sondervorteilen durch nicht öffentlich bekannte Tatsachen zu unterbinden.577 Zentrale Bedeutung hatte der Begriff des Insiders, der in § 13 WpHG a. F. definiert wurde; Anknüpfungspunkt der Insiderregelungen war die Insidertatsache.578 Die verbotenen Handlungen ergaben sich wie heute auch aus § 14 Abs. 1 WpHG a. F. Der entscheidende Unterschied zum heutigen Recht bestand, neben der Beschränkung auf Insidertatsachen, darin, dass nur sog. Primärinsider sich der Tatbestandsvarianten der unbefugten Mitteilung oder des Zugänglichmachens von Insidertatsachen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F.) und der Empfehlung 574

Siehe dazu Fn. 250. Deutschland war damals einer der wenigen Staaten weltweit, der kein gesetzlich normiertes Insiderhandelsverbot kannte, und dies obwohl auf europäischer Ebene bereits 1989 die sog. Insiderrichtlinie (Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11. 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABlEG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30) verabschiedet worden war, die bis zum 1.6.1992 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, hierzu Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 11. 576 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 13. 577 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 73. 578 Deren Legaldefinition fand sich ebenfalls in § 13 Abs. 1 WpHG a. F.: Eine „nicht öffentlich bekannte Tatsache, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“. 575

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in Kenntnis einer Insidertatsache (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a. F.) strafbar machen konnten. Sekundärinsider unterfielen hingegen nur dem Insiderhandelsverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F.,579 welches den klassischen Fall des eigenen Handels in Kenntnis einer Insidertatsache erfasste. Für die Frage der Qualifizierung journalistischen Verhaltens als Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot war es daher von entscheidender Bedeutung, ob man Journalisten als Primärinsider einstufen konnte, was von der wohl herrschenden Meinung bejaht wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kenntniserlangung von Insidertatsachen durch Journalisten zu ihren mit dem Beruf verbundenen Aufgaben gehöre.580 Die in der Praxis im Zusammenhang mit Wirtschaftsjournalismus am häufigsten auftretende Frage war, wann die Weitergabe eine Insidertatsache als unbefugt zu qualifizieren war. Dabei ging die herrschende Meinung davon aus, dass eine Weitergabe dann zulässig gewesen sei, wenn zum einen keine Ad-hoc-Publizitätspflicht bestanden habe581 und durch die Veröffentlichung gleichzeitig Bereichsöffentlichkeit582 hergestellt worden sei.583 Außerdem wurde zu dieser Zeit das Scalping von weiten Teilen der Literatur als Insiderdelikt qualifiziert.584 b) Vorgaben durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die erste Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie Auch in Bezug auf das Verbot von Insidergeschäften kam es durch die Marktmissbrauchsrichtlinie zu einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs. Anstelle von Insidertatsachen wurden Insiderinformationen zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt. Außerdem wurde der vormals streitige Fall des Scalpings von Art. 1 Nr. 2 lit. c dritter Spiegelstrich der RiL 2003/6/EG eindeutig dem Bereich der Marktmanipulation zugeordnet.585 Insgesamt entspricht die deutsche Umsetzung den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie und der das Insiderverbot konkretisierenden ersten Durchführungsrichtlinie, sodass an

579 § 14 Abs. 2 WpHG a. F., Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 14 Rn. 5. 580 Süßmann, AG 1997, 63, 65. 581 Die im Gegensatz zur heutigen Regelung erhöhte praktische Relevanz dieser Fallgruppe ergibt sich daraus, dass damals noch kein Gleichlauf zwischen Insidertatsache und Ad-hoc-Publizitätspflicht bestand, d.h. nicht alle Insidertatsachen auch ad-hoc-publizitätspflichtig waren. 582 Zum Begriff der sog. Bereichsöffentlichkeit siehe Fn. 597. 583 Siehe zum Ganzen Süßmann, AG 1997, 63, 65; Eichele, WM 1997, 501, 507 ff. 584 Siehe oben unter I. 2. b) aa) und Fn. 387, 389. 585 Hierzu bereits oben unter I. 1. b) a. E.

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dieser Stelle von einer ausführlichen Darstellung der europäischen Vorgaben abgesehen werden kann.586 Auffallend ist, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie im Bereich des Insiderrechts Journalisten nicht besonders erwähnt. Gerade im Zusammenhang mit der Weitergabe von Insiderinformationen oder der Abgabe von Empfehlungen bestehen jedoch einige Unklarheiten, beispielsweise wann die Veröffentlichung einer Insiderinformation in einer Zeitung eine unbefugte Weitergabe darstellt. Es finden sich zu dieser Problematik weder in den Erwägungsgründen noch in den Materialien Aussagen, sodass die konkrete Ausgestaltung dem nationalen Gesetzgeber überlassen wurde. 2. Die heutige Ausgestaltung des Insiderrechts Bei den Vorschriften zum Insiderrecht findet sich ebenfalls eine Trennung in Verbotsnorm, § 14 WpHG, und Rechtsfolgennormen, §§ 38 f. WpHG. § 14 Abs. 1 WpHG unterscheidet drei Varianten des Verbots des Insiderhandels: § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG enthält das zentrale Verbot, in Kenntnis von Insiderinformationen Handel mit Insiderpapieren zu treiben, § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG enthalten sog. Vorfeldtatbestände587. a) Allgemeines aa) Insiderinformation Alle Tatbestände verlangen, dass eine Insiderinformation vorliegen muss. Diese ist in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG legaldefiniert als „eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder die Insiderpapiere selbst beziehen und die 586 Erwägungsgrund 16 der RiL 2003/06/EG definiert den neuen Begriff der Insiderinformation als „nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente direkt oder indirekt betreffen“ und Art. 1 Nr. 1 RiL 2003/06/EG lautet wie folgt: „Insider-Information“ ist eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Art. 2 Unterabsatz 1 RiL 2003/06/EG enthält das zentrale Insiderhandelsverbot, während sich aus Art. 3 RiL 2003/06/EG die sog. Vorfeldtatbestände ergeben. Aus Art. 2 Unterabs. 2 und Art. 4 RiL 2002/06/EG ergibt sich außerdem die Unterscheidung in Primär- und Sekundärinsider. Art. 6 RiL 2003/06/EG schließlich regelt die Ad-hoc-Publizitätspflicht. Konkretisiert werden diese Vorgaben durch die RiL 2003/ 124/EG; hierzu Ziemons, NZG 2004, 537. 587 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 63. Bei diesen handelt es sich um Vorbereitungshandlungen zum Handel mit Insiderpapieren.

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geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“.588 § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG bestimmt, dass eine solche Eignung gegeben ist, „wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“ und § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG ergänzt, dass als Umstände im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG auch solche gelten, „bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden“. Entscheidende Neuerung ist die bereits erwähnte Erweiterung von der Tatsache zur konkreten Information,589 welche künftige Ereignisse oder Umstände ebenso erfasst wie Prognosen590 und Bewertungen591. Ähnlich wie beim Merkmal der Angaben über Umstände im Rahmen des Manipulationsverbotes wird auch beim Merkmal der Insiderinformation diskutiert, inwieweit darüber hinausgehend auch reine Werturteile und insbesondere Gerüchte eine konkrete Information im Sinne des Insiderrechts darstellen können. Zum Teil wird gefordert, dass zumindest ein Tatsachenkern enthalten sein müsse.592 Begründen ließe sich diese Ansicht damit, dass im Fall reiner Werturteile und Gerüchte das Recht auf informationelle Chancengleichheit gar nicht betroffen ist, da die Chancengleichheit nicht vor jeder Information schütze, die den Markt „nervös“ machen könne, sondern nur vor solchen, die „sich mit Fakten untermauern und überprüfen“ ließen.593 Andererseits wird, wie § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG deutlich macht, der Anleger in den Mittelpunkt gestellt, Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbotes ist gerade das Vertrauen der Anleger in einen ordnungsgemäß funktionierenden Kapitalmarkt. Dieses Vertrauen ist gefährdet, wenn die Anleger von Insidern übervorteilt werden, Anlegern also Informationen fehlen, die sie, wenn sie diese genauso gekannt hätten wie der Insider, anders hätten entscheiden lassen. Dies kann aber auch bei reinen Werturteilen und Gerüchten der Fall sein. Daher ist also eine konkrete Information unabhängig von ihrer Quelle und ihrem Wahrheitsgehalt dann gegeben, wenn von ihr ein Schluss auf etwaige Auswirkungen

588 Hieraus ergibt sich, dass allgemeine Marktdaten vom Tatbestand ausgeschlossen sind, auch wenn sie einzelne Marktteilnehmer mehr betreffen als andere. Zum Ganzen Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 Rn. 8. 589 Die RiL 2003/6/EG spricht insoweit von „präziser Information“, was dann in der RiL 2003/124/EG näher ausgeführt wird. Im Ergebnis weicht die deutsche Umsetzung nicht von der Richtlinie ab. In diese Richtung auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 120. Zum Begriff der Information siehe auch Fn. 115. 590 Vgl. § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG. 591 Dass Werturteile, also z. B. Beurteilungen, erfasst werden, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 13 Abs. 2 WpHG, der ansonsten überflüssig wäre. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 Rn. 16. 592 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 Rn. 13 f. 593 Volk, BB 1999, 66, 69.

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auf den Börsenpreis eines Insiderpapiers möglich ist.594 Somit können auch reine Werturteile und Gerüchte konkrete Informationen darstellen.595 Durch das hinzukommende Erfordernis einer erheblichen Kursbeeinflussung sollen Bagatellfälle ausgeschlossen werden, also die Fälle, in denen sich aus der Nutzung der Information keine Sondervorteile erzielen lassen.596 Schließlich dürfen die Umstände, auf die sich die konkrete Information bezieht, nicht öffentlich bekannt sei. Öffentlich bekannt sind sie dann, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen die Möglichkeit hat, Kenntnis von ihnen zu erlangen.597 bb) Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht Ebenfalls durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz erweitert wurde die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG. Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG muss der Emittent von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen. Folglich sind grundsätzlich alle Insiderinformationen ad-hoc-publizitätspflichtig. Eine Einschränkung ergibt sich aus dem Merkmal des unmittelbaren Betreffens.598 Gem. § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG betreffen insbesondere die Insiderinformationen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind, diesen unmittelbar und sind somit adhoc-publizitätspflichtig. 599 Dabei handelt es sich jedoch nur um ein Regelbeispiel, sodass es auch möglich ist, dass der Emittent für außerhalb seines Tätigkeitsbereichs eingetretene Insiderinformationen ad-hoc-publizitätspflichtig ist. Voraussetzung ist, dass die Insiderinformationen den Emittenten ausschließlich oder doch maßgeblich betreffen.600 Insiderinformationen ohne unmittelbaren Emittentenbezug sind dagegen Umstände, die zu den allgemeinen Marktdaten zu rechnen und damit für jeden Marktteilnehmer erheblich sind,601 also z. B. 594

Vgl. Pawlik, in: KK-WpHG, § 13 Rn. 21. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass „reiner Börsentratsch“ auch nach dieser Ansicht gerade keine konkrete Information darstellt, Pawlik, in: KK-WpHG, § 13 Rn. 19 596 Vgl. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 Rn. 50 ff. Siehe auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 128 m.w.Nw. 597 Sog. Bereichsöffentlichkeit. Ausführlich hierzu Pawlik, in: KK-WpHG, 12–14, § 13 Rn. 26 ff.; siehe auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 126. Unerheblich ist also eine tatsächliche Kenntnis der Marktteilnehmer, vgl. hierzu Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), S. 174. 598 Simon, Der Konzern 2005, 13, 17; Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 Rn. 55 ff. Zu weiteren tatbestandlichen Einschränkungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht siehe beispielsweise die Darstellung bei Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 Rn. 40 ff. 599 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 179. 600 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 Rn. 68. 601 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 Rn. 64. Die BaFin führt in ihrem Emittentenleitfaden, S. 41, auf, in welchen Fällen Insiderinformationen den Emit595

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sich ändernde Rohstoffpreise.602 Schließlich gibt es Fälle, in denen der Emittent trotz Vorliegens einer Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nicht adhoc-publizitätspflichtig ist. Diesen Fall regelt § 15 Abs. 3 WpHG und betrifft beispielsweise den ganzen Bereich der betrieblichen Geheimnisse. b) Erwerbs- und Veräußerungsverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Der zentrale Verbotstatbestand ist das Erwerbs- und Veräußerungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Voraussetzung für diese Tatbestandsalternative ist der Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers unter Verwendung der Insiderinformation.603 Hier ist der Fall denkbar, dass der Journalist604 im Rahmen seiner Recherchen Kenntnis von Insiderinformationen erlangt und daraufhin selbst Handel mit den Insiderpapieren betreibt. Dies erfüllt ganz unproblematisch den Verbotstatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG und es sind keine Gründe zu einer Privilegierung des Journalisten ersichtlich. Auch im Übrigen ergeben sich im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Verbotstatbestandes auf journalistisches Handeln keine Besonderheiten. c) Weitergabeverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Weit schwieriger ist die Fallgruppe des Verbots des unbefugten Mitteilens oder Zugänglichmachens von Insiderinformation an einen anderen gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, das sog. Weitergabeverbot, zu beurteilen.605 Möglicherweise könnten die Fälle, in denen Journalisten Insiderinformationen veröffentlichen, von vornherein vom Anwendungsbereich dieser Tatbestandsvariante ausgeschlossen sein. Man könnte argumentieren, dass mit der Veröffentlichung die Insiderinformation zugleich öffentlich bekannt ist606 und so gar tenten nur mittelbar betreffen. Hierbei handelt es sich um eine Übersetzung der Empfehlungen des Komitees der europäischen Aufsichtsbehörden (CESR). 602 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 Rn. 64; a. A. Simon, Der Konzern 2005, 13, 17. 603 Vgl. dazu Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 145 ff. 604 Der Begriff des Journalisten ist wie bei § 20a WpHG und § 34b WpHG zu verstehen, siehe dazu oben unter I. 2. a) cc) (1) und II. 2. h) bb). 605 Grund des sog. Weitergabeverbots ist, ein Durchsickern der Insiderinformation in den Markt zu verhindern, um die informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten, vgl. Sethe, ZBB 2006, 243, 244. 606 Vorausgesetzt, dass durch die Veröffentlichung Bereichsöffentlichkeit (Fn. 597) der Information hergestellt wird. Dies ist zumindest durch die Veröffentlichung in einer überregionalen Tageszeitung wie z. B. der F.A.Z. der Fall. Ob die Veröffentlichung auf der Internetseite einer Lokalzeitung ausreichen würde, erscheint fraglich. Dabei ist zu beachten, dass die Regelungen zur Ad-hoc-Publizität nicht bedeuten, dass nur noch durch dieses Verfahren (also nach § 5 S. 1 WpAIV) die Insiderinformation ihre Eigenschaft als solche verlieren kann. Vielmehr kann auch durch eine Veröf-

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keine Insiderinformation mehr vorliegt. Andererseits ist es ja gerade erst das in Frage stehende Verhalten, durch welches die Insiderinformation öffentlich bekannt wird. Es würde den Anwendungsbereich des Insiderverbots übermäßig einschränken, wenn alle Fälle, in denen nach der Tathandlung die Insiderinformation der Öffentlichkeit bekannt ist, von vornherein dem Anwendungsbereich entzogen wären. Gegen eine solche Tatbestandsbeschränkung spricht auch eine richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der Weitergabe an „einen anderen“, wovon eben gerade auch die Weitergabe an eine unbestimmte Anzahl Dritter erfasst sein soll.607 Somit entfällt der Tatbestand also nicht schon deshalb, weil die Insiderinformation durch ihre Veröffentlichung öffentlich bekannt ist. Dies bedeutet, dass gerade diese Tatbestandsalternative für Journalisten von großer praktischer Bedeutung sein kann, schließlich ist der Tatbestand immer dann betroffen, wenn Journalisten bei ihren Recherchen Kenntnis von einer Insiderinformation erlangen und diese veröffentlichen wollen. Zentrales Merkmal des Weitergabeverbots ist die Unbefugtheit der Weitergabe.608 Wann eine Weitergabe unbefugt ist, ist zunächst einmal unabhängig davon, ob der Journalist auf rechtmäßige oder rechtswidrige Weise Kenntnis von der Insiderinformation erlangt hat.609 Es müssen dann verschiedene Konstellationen unterschieden werden, wobei es immer um die Konstellation geht, dass der Journalist die Insiderinformation in einem Artikel veröffentlicht.610 Zunächst ist der Fall denkbar, dass der Journalist Kenntnis einer Insiderinformation erhält, für welche der Emittent gem. § 15 Abs. 1 WpHG ad-hoc-publizitäts-

fentlichung in der Presse oder in den Medien eine Information öffentlich bekannt werden und daher keine Insiderinformation mehr sein. (Anders dagegen wohl Büche, Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität als Baustein eines intergrierten Finanzmarkts, S. 190; Sethe, ZBB 2006, 243, 252 f.) Alles was danach mit der Information geschieht, ist dann nicht mehr vom Insiderverbot erfasst. Dies bedeutet aber nicht, dass die Veröffentlichung als solche ebenfalls zulässig war. Vielmehr kann ein Verstoß gegen das ordnungsgemäße Publikationsverfahren eine Ordnungswidrigkeit gem. § 39 Abs. 2 Nr. 5 WpHG darstellen, außerdem macht sich der Emittent gegebenenfalls gem. § 15 Abs. 6 WpHG i.V. m. § 37b, c WpHG schadensersatzpflichtig. Siehe dazu auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1109 f., 1112. 607 Art. 3 lit. a RiL 2003/6/EG spricht von Weitergabe an Dritte und erfasst damit auch unbestimmten Adressatenkreis, vgl. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 67. 608 Siehe zu diesem Merkmal Sethe, ZBB 2006, 243, 249 f. 609 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 48: Dies ist Ausfluss des Marktbezugs des Insiderrechts. Eine Rolle kann die Art und Weise der Erlangung aber bei der Einordnung als Primär- oder Sekundärinsider spielen, dazu unter unter e) cc). Zur hiermit korrespondierenden Frage, ob aus Sicht der Emittenten eine Weitergabe an Journalisten zulässig ist, wird auf die ausführliche und differenzierende Darstellung bei Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1112 f. verwiesen. 610 Daneben kann das Weitergabeverbot auch dann Bedeutung erlangen, wenn es um die Weitergabe innerhalb der Redaktion, also z. B. bei einer Redaktionskonferenz, geht. Siehe dazu die differenzierende Darstellung bei Schröder, NJW 2009, 465, 467.

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pflichtig ist, eine Veröffentlichung aber nicht erfolgt ist [aa)]. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Emittent deshalb nicht veröffentlichungspflichtig ist, weil ihn die Insiderinformation nicht unmittelbar betrifft und die Insiderinformation deswegen nicht veröffentlicht wurde [bb)].611 Schließlich ist der Fall denkbar, dass der Emittent die Insiderinformation wegen § 15 Abs. 3 WpHG nicht veröffentlichen muss [cc)].612 aa) Emittent unterlässt es zu veröffentlichen, obwohl er müsste Die erste Fallgruppe umfasst die Fälle, in denen der Emittent die Veröffentlichung unterlässt, obwohl er hierzu gem. § 15 Abs. 1 WpHG verpflichtet wäre. Erlangt nun der Journalist Kenntnis von dieser Insiderinformation, ist fraglich, ob eine Veröffentlichung seinerseits eine unbefugte Weitergabe darstellt. Bisher finden sich in der Literatur zumeist Darstellungen zum alten Recht.613 Zu diesen wurde von der wohl herrschenden Meinung vertreten, dass, sobald eine Tatsache ad-hoc-publizitätspflichtig ist, der Journalist nicht mehr zur Veröffentlichung befugt sei.614 Bestand dagegen keine Ad-hoc-Publizitätspflicht, sollte der Journalist zur Veröffentlichung befugt sein. Assmann615 wendet sich in seiner Kommentierung zum neuen Recht von dieser Ansicht ab und vertritt nun, dass eine Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Journalisten generell gegen das Weitergabeverbot verstoße. Er differenziert dabei nicht zwischen den verschiedenen Fällen, wieso es trotz Vorliegens einer Insiderinformation nicht zur Veröffentlichung im Rahmen des Verfahrens der Ad-hoc-Publizität gekommen ist. Als Argumente gegen eine Befugnis der Journalisten zur Veröffentlichung führt er an, dass „allein das gesetzliche Veröffentlichungsverfahren die Wahrung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer bei der Publikation von Insiderinformationen zu gewährleisten vermag.“ Bei dieser pauschalen Argumentation übersieht er jedoch, dass in Konstellationen wie dieser, wenn also der Emittent seiner gesetzlichen Veröffentlichungspflicht nicht nachkommt, die Alternative zu einer 611 Ähnlich verhält es sich, wenn eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität von vornherein nicht besteht, z. B. weil der Emittent des Finanzinstruments seinen Sitz nicht im Inland hat. Stellvertretend für alle diese Fälle steht die Fallgruppe, dass mangels unmittelbaren Emittentenbezugs keine Veröffentlichungspflicht besteht. 612 Die Unterscheidung zwischen lit. bb und lit. cc erklärt sich durch die unterschiedliche Begründung der fehlenden Pflicht zur Ad-hoc-Publizität in diesen Fällen. Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109 unterscheiden hingegen nicht zwischen diesen unterschiedlichen Fällen, sondern lediglich danach, ob eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität besteht oder nicht. 613 Eine Ausnahme bildet Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109. 614 Z. B. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 14 Rn. 59. Siehe zur alten Rechtslage bereits oben unter 1. a). 615 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 102.

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Nichtveröffentlichung durch den Journalisten nicht die ordnungsgemäße Veröffentlichung im Rahmen des Ad-hoc-Publizitätsverfahren ist, sondern eine Veröffentlichung ganz ausbleibt, das gesetzliche Verfahren also versagt. Des Weiteren führt Assmann an, dass es mittlerweile zu einer weitestgehenden Angleichung von Ad-hoc-Publizität und Insiderrecht gekommen sei und daher Lücken in Bezug auf die Veröffentlichung geschlossen worden seien. Doch auch dieses Argument greift im vorliegenden Fall nicht. Selbst die Ausweitung der ad-hoc-publizitätspflichtigen Informationen führt zu keiner besseren Informiertheit des Marktes, wenn der Emittent dieser Pflicht nicht nachkommt. Zweifelsohne ist es wünschenswert, dass das Unternehmen die von ihm zu veröffentlichenden Insiderinformationen auch tatsächlich im Wege des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens veröffentlicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage nach einem Veröffentlichungsrecht der Journalisten dann aber nicht, da durch die ordnungsgemäße Veröffentlichung die Insiderinformation keine mehr ist, also gar kein Verstoß gegen das Weitergabeverbot gegeben sein kann. In den Fällen, in denen der Emittent seiner Ad-hoc-Publizitätspflicht jedoch nicht nachkommt, greift dieses Argument des Gleichlaufs von Insiderrecht und Adhoc-Publizität nicht. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber grundsätzlich dafür entschieden, dass die besagte Information veröffentlicht werden soll. Dann ist es nur konsequent, wenn man zumindest den Journalisten das grundsätzliche Recht zuspricht, die besagte Information zu veröffentlichen. Auch die weiteren Argumente Assmanns gegen eine Veröffentlichungspflicht überzeugen für Fälle dieser Konstellation nicht. Er führt aus, dass nur so das Recht des Emittenten gewahrt werden könne, von einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG abzusehen. Hier geht es ja aber gerade nicht um einen Fall, in dem eine Geheimhaltung der Insiderinformation erlaubt ist, weil § 15 Abs. 3 WpHG einschlägig ist. Zwar ist es mittlerweile so, dass die Unternehmen selbst zu beurteilen haben, ob ein Fall des § 15 Abs. 3 WpHG vorliegt und daher in jedem Fall eine gewisse Unsicherheit besteht, ob nun die Ausnahme greift oder nicht. Dies kann aber nicht einseitig zugunsten der Emittenten entschieden werden. Denn im selben Maße, wie die Emittenten ein Interesse daran haben, Insiderinformationen über § 15 Abs. 3 WpHG geheim zu halten, besteht das grundsätzliche Interesse aller anderen Marktteilnehmer, dass diese Informationen bekannt gemacht werden. Schließlich führt Assmann noch an, dass man den Journalisten vor einer eventuellen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB schützen müsse, da – insoweit ist Assmann zuzustimmen – eine insiderrechtliche Zulässigkeit nichts über eine etwaige Schadensersatzpflicht des Journalisten gegenüber dem Emittenten im Falle einer unberechtigten Veröffentlichung aussage.616 Doch auch dies über616 Es sei denn, man würde eine insiderrechtliche Zulässigkeit als Rechtfertigungsgrund anerkennen.

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zeugt nicht, eine Veröffentlichung als unbefugt zu qualifizieren. Zum einen erscheint es zumindest zweifelhaft, ob es tatsächlich rechtswidrig sein kann, eine Insiderinformation, die ad-hoc-publizitätspflichtig ist, zu veröffentlichen,617 zum anderen, und das ist meines Erachtens das Entscheidende, muss ein insiderrechtliches Verbot aus Gründen des Insiderrechts gerechtfertigt sein. Zu diesen insiderrechtlichen Gründen zählen vordringlich die Gewährung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer und die Verhinderung des Erzielens von Sondervorteilen.618 Dagegen ist das Insiderrecht nicht dazu da, Personen vor einer zivilrechtlichen Haftung zu schützen, schon gar nicht, wenn ein Verstoß gegen das Insiderverbot strafrechtliche Folgen haben kann. Cloppenburg und Kruse619 führen in diesem Zusammenhang aus, dass der Schutzzweck gar in sein Gegenteil verkehrt würde: „aus dem Schutz der Chancengleichheit der Marktteilnehmer wird der Schutz des Emittenten vor Schäden“. Es sprechen also die besseren Argumente dafür, den Journalisten in den Fällen, in denen der Emittent seiner Veröffentlichungspflicht nicht nachgekommen ist, als zur Veröffentlichung befugt anzusehen.620 Denn schließlich hat sich der Gesetzgeber in Konstellationen, in denen eine Veröffentlichungpflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG besteht, dafür entschieden, dass die Information veröffentlicht werden soll. Dies nicht zuletzt deshalb, da jede Information, die nicht öffentlich bekannt ist, das Risiko von Insidergeschäften derjenigen birgt, die Kenntnis von der Insiderinformation haben. Gerade wenn der Emittent diesen gesetzlichen Veröffentlichungspflichten nicht nachkommt, kann der Journalist sein Wächteramt hervorragend ausüben. Fraglich kann daher nur noch sein, ob die Veröffentlichung durch den Journalisten bestimmte Anforderungen erfüllen muss, insbesondere, ob er Bereichsöffentlichkeit621 schaffen muss, sodass der Lokalredakteur möglicherweise verpflichtet sein könnte, die Insidertatsache vor der Veröffentlichung an die ent617 Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114 weisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass wahre Tatsachen vom Unternehmen wohl in der Regel hinzunehmen sind. Der Verweis darauf, der Schutz des Eigentums umfasse nur „Sachen“, erscheint hingegen fraglich, da wohl auch sog. geistiges Eigentum vom Schutz des Eigentumsbegriffs des BGB erfasst ist. Siehe zu einer etwaigen zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht unten in Kapitel 6 B. II. 5. 618 Ebenso Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114. 619 Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114. 620 Zu diesem Ergebnis kommt auch Schröder, NJW 2009, 465, 467. Vgl. auch die Beurteilung durch den Deutschen Presserat in seinen Journalistischen Verhaltensgrundsätzen (zu diesen Fn. 733), S. 3 f., wo er feststellt, dass Insiderinformationen in jedem Fall journalistisch verwertet werden dürfen und nur ein privater Gebrauch durch das WpHG verboten sei. 621 Zum Begriff der Bereichsöffentlichkeit siehe oben Fn. 597. Im Zusammenhang mit der Weitergabe von Insiderinformationen durch die Medien wird in der Lit. vertreten, dass Bereichsöffentlichkeit ein Minus zur Massenpublizität sei, vgl. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rn. 53; Schröder, NJW 2009, 465, 466.

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sprechenden Nachrichtenagenturen weiterzuleiten. 622 Cloppenburg und Kruse verneinen dies und gehen auch dann von der Zulässigkeit einer Veröffentlichung aus, wenn keine Bereichsöffentlichkeit hergestellt wird.623 Sie begründen dies damit, dass einem Lokaljournalisten andernfalls die generelle Möglichkeit zur Veröffentlichung genommen werde. Sie übernehmen die Wertung von § 20a Abs. 6 WpHG und den darin enthaltenen Verweis auf die berufsständischen Regeln für das Insiderrecht übernehmen und betonen, dass das berufsständische Recht im Bereich der Finanzmarktberichterstattung kein Veröffentlichungsverbot kenne. Daraus ziehen sie den Schluss, dass auch Lokalredakteure zur Veröffentlichung berechtigt sein müssten. Meines Erachtens ist dieser Schluss nicht zwingend, da man zwar die Berechtigung des Lokaljournalisten zur Veröffentlichung bejahen kann, ihn aber gleichzeitig dazu verpflichten kann, Bereichsöffentlichkeit herzustellen, beispielsweise durch die Weitergabe der Information an eine Nachrichtenagentur.624 Ob an eine Veröffentlichung bestimmte qualitative Anforderungen zu stellen sind, muss vielmehr anhand der betroffenen Interessen bestimmt werden. Für einen funktionierenden Kapitalmarkt wäre es im Hinblick auf die informationelle Chancengleichheit und die Wahrheit der Preisbildung sicherlich wünschenswert, wenn die Zeitungen, die selbst nicht in der Lage sind, Bereichsöffentlichkeit herzustellen, nicht exklusiv berichten dürften. Fraglich ist daher, ob auf Seiten der Journalisten schützenswerte Belange bestehen, exklusiv über ein Thema berichten zu dürfen. Vom Schutz der Pressefreiheit ist ein solches Recht zu exklusiver Berichterstattung nicht erfasst, sodass allenfalls die Berufsfreiheit tangiert sein könnte. Angesichts der technischen Möglichkeiten, die eine Übermittlung an eine Nachrichtenagentur völlig problemlos und unaufwendig zulassen, kann es dem Journalisten jedoch zugemutet werden, dafür zu sorgen, dass durch die Veröffentlichung Bereichsöffentlichkeit geschaffen wird, indem er

622 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass durch eine Veröffentlichung in einer Lokalzeitung keine Bereichsöffentlichkeit geschaffen wird (Pawlik, in: KK-WpHG, § 13 Rn. 32), was man insbes. bei Vorhandensein eines entsprechenden Onlineangebots auch anders sehen kann. Vgl. hierzu auch Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 Rn. 38. 623 Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114 f. Auch Schröder, NJW 2009, 465, 467 geht hiervon aus. Er begründet dies damit, dass auch kleinen Verlagen eine Veröffentlichung möglich sein müsse und die Einbußen auf Seiten des Insiderrechts vergleichsweise gering seien, da eine kursrelevante Information durch moderne Medien und Nachrichtenagenturen ohnehin alsbald verbreitet werde. Auf eine etwaige Pflicht der Journalisten zur gleichzeitigen Weitergabe an eine Nachrichtenagentur geht Schröder hingegen nicht ein. 624 Auf die ihrer Ansicht nach vorzugswürdige Verbreitung durch eine Nachrichtenagentur geht auch das damalige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel in seinem Jahresbericht von 1996, S. 18 (abrufbar unter www.bafin.de, besucht am 10.7. 2009) ein. Unklar bleibt, ob für die Herstellung von Bereichsöffentlichkeit die Veröffentlichung auf der Internetseite einer Lokalzeitung ausreichen würde.

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etwa bei einer entsprechend geringen Verbreitung seines Presseerzeugnisses die Insiderinformation auch an eine Presseagentur weitergibt.625 Für den Fall also, dass der Emittent seiner bestehenden Veröffentlichungspflicht nicht nachkommt, darf der Journalist die Insiderinformation veröffentlichen, wenn er durch oder zeitgleich mit seiner Veröffentlichung Bereichsöffentlichkeit schafft, er also dafür sorgt, dass durch oder zeitgleich mit der Veröffentlichung die Insiderinformation öffentlich bekannt wird. Dies gilt für alle Formen von Beiträgen gleichermaßen. bb) Emittent muss nicht veröffentlichen, weil ihn die Insiderinformation nicht unmittelbar betrifft, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG In diesen Fällen geht es um die Veröffentlichung von Insiderinformationen, für die keine Veröffentlichungspflicht des Emittenten besteht, weil er nicht unmittelbar von ihr betroffen ist.626 Im Gegensatz zur ersten Fallgruppe hat sich hier der Gesetzgeber gegen eine Veröffentlichungspflicht entschieden, sodass man in Erwägung ziehen könnte, auch den Journalisten als nicht zur Veröffentlichung berechtigt anzusehen. Dies würde jedoch nicht berücksichtigen, aus welchem Grund in diesen Fällen von einer Veröffentlichungspflicht abgesehen wird. Aus Sicht des Marktes wäre es wünschenswert, dass auch solche Insiderinformationen so schnell wie möglich öffentlich bekannt werden. Dies ergibt sich zwingend aus dem Vorliegen einer Insiderinformation. Dass dennoch keine Veröffentlichungspflicht für den Emittenten besteht, liegt daran, dass man dem Emittenten diese Veröffentlichungspflicht nicht aufbürden will, weil es sich eben um eine Insiderinformation handelt, die ihn nicht unmittelbar betrifft, nicht jedoch, weil man den Emittenten vor dem Bekanntwerden der Information schützen will. Somit ist die Veröffentlichung einer Insiderinformation, die der Emittent nicht veröffentlichen muss, weil sie ihn nicht unmittelbar betrifft, durch einen Journalisten im Anschluss an das oben Gesagte erst recht nicht als unbefugte Weitergabe zu qualifizieren, solange durch die Veröffentlichung Bereichsöffentlichkeit geschaffen wird.627 625 Möglich erscheint es auch, dass der Journalist ein reguläres Ad-hoc-Publizitätsverfahren in Gang setzt, wobei dieses sicherlich mit einem größeren Aufwand verbunden sein dürfte als die Weiterleitung an eine Nachrichtenagentur. 626 Aus § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG ergibt sich, dass der Emittent nur „Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen“, unverzüglich veröffentlichen muss. Welche Insiderinformationen hierunter fallen, wird in § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG näher ausgeführt. 627 In diese Richtung auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114 f., die so jedoch auch für die Fälle des § 15 Abs. 3 WpHG argumentieren. Diesbezüglich ist aber der Grund, weshalb keine Pflicht zur Veröffentlichung besteht, ein etwas anderer; dazu sogleich unter cc).

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cc) Emittent muss wegen § 15 Abs. 3 WpHG nicht veröffentlichen Die letzte Fallgruppe erfasst Insiderinformationen, die wegen des Schutzes betrieblicher Geheimnisse des Emittenten nach § 15 Abs. 3 WpHG nicht der Ad-hoc-Publizität unterliegen. Hier hat sich der Gesetzgeber grundsätzlich gegen das Informationsinteresse des Marktes und für die Geheimhaltungsinteressen des Emittenten entschieden. Man könnte daher in diesen Fällen annehmen, dass auch der Journalist nicht zur Weitergabe dieser Insiderinformationen befugt sei. Dies würde jedoch übersehen, dass der Gesetzgeber diese in § 15 Abs. 3 WpHG enthaltene Abwägung zwischen den Interessen des Marktes und denen des Emittenten ohne Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit des Journalisten vorgenommen hat. Die Meinungs- und Pressefreiheit streitet auf der Seite des Informationsinteresses des Marktes für ein Recht zur Veröffentlichung. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass seit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes der Emittent selbst zu beurteilen hat, wann eine Insiderinformation unter die Ausnahme des § 15 Abs. 3 WpHG fällt.628 Dies ist zum einen schon für den Emittenten selbst mit einer gewissen Unsicherheit belastet, für den Journalisten als Außenstehenden dürfte es aber in Praxis sehr schwer sein zu wissen, ob in Bezug auf eine bestimmte Insiderinformation die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht eingehalten wurde oder ob sie wegen § 15 Abs. 3 WpHG gar nicht bestand. Würde man in den Fällen des § 15 Abs. 3 WpHG eine Weitergabe als unbefugt qualifizieren, müsste der Journalist das Risiko einer Fehlqualifikation allein tragen. Schröder nennt schließlich als weiteres überzeugendes Argument für ein Recht zur Veröffentlichung, dass § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG nur so lange greife, wie der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten könne. Sobald ein Journalist die Insiderinformation kenne, sei diese nicht mehr gewährleistet, vielmehr drohe die Weitergabe an weitere Personen. Daher diene in einem solchen Fall eine Veröffentlichung durch einen Journalisten dem Insiderrecht sogar.629 Das alles spricht dafür, den Journalist auch in diesen Fällen gemessen an den Maßstäben des Insiderrechts als zur Weitergabe befugt anzusehen, da andernfalls außerdem die Gefahr bestünde, dass der Journalist aus Angst vor den rechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot ganz von der Berichterstattung mit Insiderinformationen absehen könnte, was es in jedem Fall zu vermeiden gilt.630 Auch in dieser Fallkonstellation ist der Journalist also nach wertpapier628 Siehe hierzu auch Möllers, WM 2005, 1393, 1395 f. mit Hinweis darauf, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handle, sondern insbes. im Rahmen einer richtlinienkonformen Anwendung des deutschen Rechts eine Vielzahl von Fällen unter § 15 Abs. 3 WpHG fielen. 629 Schröder, NJW 2009, 465, 467. 630 Auch Schröder, NJW 2009, 465, 467 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine aus § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG resultierende Rechtsunsicherheit nicht einseitig zulasten des Muts zur journalistischen Recherche gehen dürfe. Ob der Journalist

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handelsrechtlichen Regeln zur Weitergabe der entsprechenden Insiderinformationen berechtigt unter der Voraussetzung, dass er Bereichsöffentlichkeit schafft. d) Empfehlungs- und Verleitungsverbot, § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG Schließlich gibt es gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG noch das Verbot, einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten. Hier geht es also um den Fall, dass der Journalist im Rahmen seiner Recherchen Kenntnis von Insiderinformationen erhält, er aber nicht die Insiderinformation als solche veröffentlicht,631 sondern ihre Kenntnis nur in seine Berichterstattung einfließen lässt. Der Tatbestand erfordert, dass der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren nahegelegt wird und diese Empfehlungen nur deshalb abgegeben werden, weil man Kenntnis von der Insiderinformation hat.632 Dabei ist es nicht erforderlich, dass es tatsächlich zu einem Erwerb oder einer Veräußerung auf der Seite des Empfehlungsempfängers kommt.633 Aufgrund des klaren Wortlauts schon tatbestandlich nicht erfasst ist hingegen der Fall, in dem empfohlen wird, vom Erwerb oder der Veräußerung abzusehen.634 Auch kann in einem Abraten von einem Verkauf wohl nur unter Hinzutreten weiterer Umstände eine Aufforderung zum Kaufen eines bestimmten Wertpapiers gesehen werden.635 Dieser Fall kann im Einzelfall die zweite Tatbestandsvariante des Verleitens erfüllen, welche gleichzeitig den Oberbegriff zum Verleiten darstellt636 und alle Fälle erfasst, in denen der Zweck einer Handlung darin besteht, den Willen eines anderen im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren zu beeinflussen.637 Das schlichte Abraten wird aber auch von der zweiten Tatbestandsvariante nicht erfasst. Ein möglicher Beispielsfall der dritten Tatbestandsvariante ist, dass der Journalist erfährt, ein Unternehmen U, das gerade in einer schweren Krise steckt und dessen Aktienkurs daher am Sinken ist, habe ein neues Patent angemeldet, das dem Unternehmen aus der Krise helfen werde. Der Journalist schreibt aber hingegen möglicherweise dem Emittenten gegenüber zum Ersatz des durch die Berichterstattung entstandenen Schadens verantwortlich ist, ist eine hiervon grundsätzlich unabhängige Frage, siehe dazu Kapitel 6 B. I. 631 Wenn dies der Fall ist, ist schon § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG einschlägig. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 120. 632 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 120. 633 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 120. 634 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 122. 635 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 123. 636 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 123, 126. 637 Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rn. 126.

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nicht unmittelbar über das neue Patent, sondern empfiehlt vielmehr, jetzt zum niedrigen Preis Aktien des Unternehmens U zu kaufen, ohne das neue Patent zu erwähnen. Dieser Fall würde dem Wortlaut nach vom Verbot der Nr. 3 erfasst sein, da weder eine Sondervorschrift für Journalisten vorgesehen ist, noch wie bei der Tatbestandsalternative der Nr. 2 ein unbestimmter Rechtsbegriff gegeben ist („unbefugt“), der einschränkend ausgelegt werden kann. Ein solches Verständnis wäre jedoch widersprüchlich: Ein Vergleich mit der Tatbestandsalternative der Nr. 2 macht deutlich, dass bei Nr. 3 keine grundsätzlich andere Beurteilung möglich sein kann, da die Pressefreiheit des Journalisten in gleicher Weise betroffen ist und auch aus Sicht des Marktes keine weitergehenden Interessen zu berücksichtigen sind. Wenn der Journalist eine bestimmte Insiderinformation weitergeben darf, dann muss es ihm auch möglich sein, diese indirekt zu veröffentlichen, indem er Empfehlungen abgibt, die auf seiner Kenntnis der Insiderinformation beruhen. Daher muss der Tatbestand insoweit telelogisch reduziert werden, als entsprechendes journalistisches Handeln nicht darunter fällt. Voraussetzung ist aber wiederum, dass Bereichsöffentlichkeit hergestellt wird. Wenn man den eben genannten Beispielsfall hingegen abwandelt und der Journalist beispielsweise berichtet, man solle jetzt von Panikverkäufen absehen, ist dies eindeutig nicht vom Tatbestand erfasst, der eben gerade nicht den Rat umfasst, vom Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers abzusehen.

e) Rechtsfolge aa) Allgemeines In der Vielzahl der Fälle stellt die journalistische Berichterstattung über oder mit Insiderinformationen somit keinen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot dar. Denkbar sind allenfalls Fälle, in denen durch die Veröffentlichung keine Bereichsöffentlichkeit geschaffen wird und so ein Vorfeldtatbestand erfüllt wird. Daher soll zumindest kurz auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 WpHG eingegangen werden. Wie auch bei den anderen Tatbeständen, sind bei einem Verstoß neben aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und möglicherweise auch Schadensersatzansprüchen638 sowohl strafrechtliche als auch ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen vorgesehen.639 Diese finden sich in den §§ 38f. WpHG. Entscheidend dafür, welche Rechtsfolge eingreift, ist, ob es sich bei dem Täter um einen Primär- oder Sekundärinsider handelt.640 Damit findet sich die im alten Recht auf Tatbestandsseite relevante Unterscheidung im neuen Recht auf Rechtsfolgen638 639 640

Siehe zu diesen unter Kapitel 6. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 25. Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 25.

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seite wieder.641 Von besonderem Interesse für die Arbeit von Journalisten ist in diesem Zusammenhang, dass bei einem Verstoß gegen einen der beiden Vorfeldtatbestände nur Primärinsider strafrechtlich belangt werden können, vgl. § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, während Sekundärinsidern lediglich ein Bußgeld droht. Entscheidend ist daher, ob Journalisten, wenn sie tatbestandlich einen der beiden Vorfeldtatbestände erfüllen, als Primärinsider anzusehen sind. Wer Primärinsider ist, ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a–d WpHG. bb) Journalisten als Primärinsider gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG Ein Journalist könnte gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG als Primärinsider zu qualifizieren sein, wenn er „auf Grund seines Berufes, seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß“ einen der beiden Vorfeldtatbestände vorsätzlich verwirklicht. Die zum alten Recht wohl herrschende Meinung bejahte dies mit der Begründung, dass Journalisten die Insiderinformationen durch Recherche und damit im Rahmen ihres Berufes erlangen würden. Daran hat sich zwar nichts geändert, dennoch sollte man dieses Verständnis im neuen Recht nicht übernehmen, ohne es zu hinterfragen.642 Im alten Recht waren die Vorfeldtatbestände von vornherein nur auf Primärinsider anwendbar, eine Einstufung des Journalisten als Sekundärinsider hätte also nicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit anstelle einer Straftat zu Folge gehabt, sondern das Handeln des Journalisten wäre sanktionslos geblieben. Da gleichzeitig die Veröffentlichung einer unter die Ad-hocPublizitätspflicht fallenden Insidertatsache durch einen Journalisten als ein Verstoß gegen das Weitergabeverbot qualifiziert wurde, der nicht sanktionslos bleiben sollte, war es insofern konsequent, Journalisten als Primärinsider einzustufen. Fraglich ist, ob dieses Verständnis angesichts der Verschärfung der Rechtsfolgenseite aufrecht erhalten werden kann. Entscheidendes Merkmal der gesetzlichen Definition ist, dass die Informationserlangung „bestimmungsgemäß“ erfolgen muss, d.h., dass eine zufällige oder bloß gelegentliche Kenntniserlangung nicht ausreichend ist,643 sondern der 641 So stimmt § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Wortlaut mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 a. F. überein, dazu Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 38 Rn. 2; Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 25. Zwar benutzt das Gesetz die Begriffe Primär- und Sekundärinsider nicht ausdrücklich, trotzdem hatte sich diese Unterscheidung und Bezeichnung zum alten Recht durchgesetzt und ist nun von Bedeutung, wenn es darum geht, welche Sanktion ein Verstoß mit sich bringt. 642 So aber Schröder, NJW 2009, 465, 466; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rn. 51. 643 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 38 Rn. 8; Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 71.

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Beruf, die Tätigkeit oder die Aufgabe bestimmungsgemäß gerade vorsehen muss, Insiderinformationen zu erlangen. Dennoch bedeutet dies nicht, dass unternehmensexterne Personen hierdurch von vornherein aus dem Anwendungsbereich ausscheiden,644 vielmehr können auch sie bestimmungsgemäß Kenntnis erlangen, beispielsweise wenn von einem Wirtschaftsprüfer Daten des Emittenten weitergegeben werden. Man könnte nun auch die Informationserlangung durch herkömmliche Journalisten als bestimmungsgemäße ansehen, da es gerade Teil der Tätigkeit eines Journalisten ist, neue Informationen, also auch Insiderinformationen, zu erlangen. Doch verkennt eine solche Interpretation meines Erachtens, dass Journalisten eben nicht auf Seiten des Emittenten stehen und gerade nicht regelmäßig mit Insiderinformationen in Berührung kommen und so ein erhöhtes Konfliktpotential besteht. Vielmehr werden sie die Insiderinformationen in aller Regel ohne Kenntnis des Emittenten erlangen. „Bestimmungsgemäß“ ist die Erlangung aber nur dann, wenn dies rechtmäßigerweise, also auch mit dem Willen der Emittenten geschieht. Anderenfalls droht auch ein Wertungswiderspruch mit § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG, der gerade nicht alle Fälle der widerrechtlichen Erlangung, sondern nur die Fälle erfassen will, in denen dadurch eine Straftat begangen wird. Auch erscheint eine so extensive Auslegung des Begriffs der bestimmungsgemäßen Erlangung nicht mehr erforderlich, da ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen dennoch möglich sind. Schließlich muss außerdem berücksichtigt werden, dass sogar der Journalist, der widerrechtlich an eine Information gelangt, sich bei ihrer Veröffentlichung auf die Pressefreiheit berufen kann.645 Dass für den Fall der Veröffentlichung einer Insiderinformation Bereichsöffentlichkeit gefordert wird, bedeutet schließlich nicht, dass eine Veröffentlichung, die dies nicht schafft, nicht mehr dem Schutz der Pressefreiheit unterfiele. Vielmehr erscheint es geboten, gerade in diesen Fällen, in denen auf Tatbestandsebene der Schutz der Pressefreiheit gegenüber den Interessen des Kapitalmarktes zurücktritt, zumindest auf Rechtsfolgenseite die Pressefreiheit insoweit zu wahren, als der Journalist eben nicht als Primärinsider qualifiziert wird. Daher ist die Erlangung von Insiderinformationen durch einen Journalisten nicht bestimmungsgemäß im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG und kommt es auf Grundlage dieser Norm nicht zu einer Einordnung des Journalisten als Primärinsider.646 644 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 138; es wird keine vertragliche oder sonstige Nähebeziehung zwischen dem Täter und dem Emittenten verlangt, vgl. statt aller Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 67. 645 Vgl. BVerfGE 66, 116, 137 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 62. 646 Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 72 macht eine Einschränkung dergestalt, dass der Journalist dann Primärinsider sei, wenn die Mitteilung an den Journalisten gerade zwecks Veröffentlichung erfolge, denn dann sei die Erlangung nicht widerrechtlich. Dabei verkennt er jedoch, dass die Erlangung in diesen Fällen sehr wohl widerrechtlich ist, da der Emittent nicht über den Journalisten Insiderinformationen veröffentlichen darf. Dass der Journalist, wie oben dargestellt, seinerseits zur Veröffent-

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Anders verhält es sich hingegen bei Gastbeiträgen von Personen, die im Rahmen ihrer regulären beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Insiderinformationen erlangt haben. Bei ihnen muss auf diese reguläre berufliche Tätigkeit abgestellt werden; wenn sie bei dieser Tätigkeit bestimmungsgemäß Kenntnis von Insiderinformationen erlangt haben, dann sind sie Primärinsider. cc) Journalisten als Primärinsider gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG Des Weiteren könnten Journalisten unter lit. d fallen. Danach ist Primärinsider, wer „aufgrund der Vorbereitung oder der Begehung“ einer Straftat handelt.647 In Bezug auf Journalisten könnte dies in zweierlei Konstellationen von Bedeutung sein. Zum einen kann der Journalist selbst eine Straftat begehen, um in Kenntnis der Insiderinformation zu gelangen. Zum anderen kann ihm die Insiderinformation von jemandem zugespielt werden, der dabei eine Straftat begeht. Der erste Fall ist relativ klar und vom Wortlaut der Vorschrift eindeutig erfasst. Auch führt die Pressefreiheit des Journalisten zu keiner Rechtfertigung eines solchen Verhaltens, wenngleich die Veröffentlichung rechtwidrig erlangter Informationen vom Schutz der Pressefreiheit erfasst ist.648 Der zweite Fall, der in der Praxis weit häufiger vorkommen dürfte, ist nicht so eindeutig zu beurteilen. Entscheidend ist in dieser Konstellation, ob die Straftat auch durch einen Dritten begangen werden kann. Vogel649 bejaht dies unter Verweis auf den Wortlaut der Norm. Altenhain650 hingegen verlangt, dass es die Straftat des Primärinsiders selbst sein müsse. Für die Ansicht Altenhains spricht zum einen der Wortlaut der Marktmissbrauchsrichtlinie, die in Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. d von Personen spricht, „die aufgrund ihrer kriminellen Aktivitäten über diese Information verfügen“. Daneben spricht auch ein systematisches Argument für diese einschränkende Auslegung: Würde die Tat eines anderen ausreichen, dann würde jeder Adressat einer unbefugten Mitteilung eines Primärinsiders (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) mit Kenntniserlangung selbst zum Primärinsider. Dies hätte jedoch eine so sicher nicht gewollte Aufgabe der gesetzlichen Differenzierung in § 38 Abs. 1 Nr. 2 und § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 lichung befugt ist, ist hierfür unerheblich und entlastet den Emittenten gerade nicht, vgl. Pawlik, in: KK-WpHG, § 14 Rn. 55: Sogar die Weitergabe von Insiderinformationen an Journalisten im Rahmen von Pressemitteilungen fällt unter die unbefugte Weitergabe im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 647 Diese Vorschrift passt eigentlich nicht so richtig in das System des Insiderrechts, s. dazu Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 38 Rn. 9. 648 Vgl. BVerfGE 66, 116, 137 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 62. 649 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a, § 38 Rn. 9 f. 650 Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 75.

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WpHG zur Folge.651 Somit ist der Journalist nur dann Primärinsider im Sinne von lit. d, wenn er selbst eine Straftat begangen hat, um an die Insiderinformation zu gelangen.652 dd) Zwischenergebnis Journalisten im herkömmlichen Sinn sind also keine Primärinsider. Ihnen droht bei einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG gem. § 39 Abs. 4 WpHG ein Bußgeld in Höhe von bis zu 200.000 Euro. Dagegen stellt ein vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG eine Straftat dar, der gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann. Ist der Journalist im Einzelfall als Primärinsider zu qualifizieren, also weil er beispielsweise zur Erlangung der Informationen eine Straftat begangen hat oder Gastautor ist, dann stellt der vorsätzliche Verstoß gegen das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot eine Straftat dar, der leichtfertige Verstoß bleibt dagegen eine Ordnungswidrigkeit.653 3. Bewertung Da es gerade zu den Aufgaben eines funktionierenden Wirtschaftsjournalismus zählt, Informationen über Emittenten zu veröffentlichen, die noch nicht öffentlich bekannt und gleichzeitig dennoch von einiger Bedeutung für die Bewertung der Emittenten sind, ist es wichtig, dass das Insiderhandelsverbot die Interessen der Journalisten ausreichend berücksichtigt. Es darf also nicht so ausgestaltet sein, dass den Journalisten kein Raum mehr bleibt, die Wirtschaftsfunktion der Presse zu erfüllen.654 Besondere Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang die sog. Vorfeldtatbestände. Versteht man diese auf die soeben dargestellte Weise, nach der Journalisten eine Veröffentlichung von Insiderinformationen unter der Voraussetzung möglich ist, dass Bereichsöffentlichkeit geschaffen wird, dann kann der Wirtschaftsjournalismus seine Wirtschaftsfunktion voll erfüllen. Gleichzeitig können die Interessen des Kapitalmarktes und auch die der Emittenten – deren Interesse an einer Nichtveröffentlichung durch Journalisten ohnehin nur in den Fällen des § 15 Abs. 3 WpHG schützenswert ist – 651

Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 75. Einschränkend wird z. T. verlangt, dass die Straftat bestimmungsgemäß dazu begangen wurde, um an Insiderinformationen zu gelangen, vgl. Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 38 Rn. 10. 653 Ausführlich zu den verschiedenen Konstellationen und Konsequenzen Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 25 ff. 654 Siehe zur Wirtschaftsfunktion der Presse oben Fn. 192 und unten Fn. 969. 652

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ausreichend berücksichtigt werden. Verstößt ein Journalist dennoch im Einzelfall gegen § 14 Abs. 1 WpHG, dann ist er grundsätzlich Sekundärinsider und nur in besonderen Konstellationen Primärinsider. Auch dies ist überzeugend, da im Gegensatz zur alten Rechtslage beim Verstoß eines Sekundärinsiders gegen einen der Vorfeldtatbestände keine Sanktionslosigkeit mehr droht. IV. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich bezüglich derjenigen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, die für Wirtschaftsjournalismus relevante Regelungen enthalten, feststellen, dass die grundsätzliche Verantwortlichkeit für journalistisches Handeln durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz ausgedehnt wurde. Einzig im Bereich des Insiderhandelsverbotes, welches insgesamt ebenfalls erweitert wurde, kommt es zu einer Reduzierung der Anforderungen an Journalisten, die meines Erachtens überzeugend und aus Gründen eines effektiven Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit auch sachlich gerechtfertigt ist: im Gegensatz zu § 20a WpHG und § 34b WpHG geht es in diesem Bereich um Fälle, in denen der Markt mit zutreffenden Informationen versorgt wird, die Interessen der Journalisten und die des Marktes an einer Veröffentlichung also gleichlaufend sind. Dagegen erfassen § 20a WpHG und § 34b WpHG ein anderes Verhalten, nämlich den Sachverhalt, bei dem durch eine subjektiv beeinflusste oder gar fehlerhafte Berichterstattung ein Handeln der Anleger hervorgerufen wird, das den Erfordernissen eines funktionierenden Kapitalmarkts gerade entgegenläuft. Da Journalisten als Informationsintermediäre – wie im ersten Teil der Arbeit deutlich wurde – einen großen Einfluss auf den Kapitalmarkt haben, erscheint es dringend erforderlich, Qualitätsstandards für den Inhalt ihrer Äußerungen festzulegen. Wichtig ist insoweit, dass hierbei die Besonderheiten der Presse ausreichend berücksichtigt werden, was aber bei der derzeitigen Rechtslage ohne weiteres möglich ist. Unerlässlich ist, dass Journalisten in den Fällen, in denen sie von der Einhaltung einer bestimmten Vorgabe im Einzelfall absehen dürfen, deutlich auf dieses Abweichen hinweisen, also beispielsweise klar zum Ausdruck bringen, wenn Unsicherheiten bezüglich des Wahrheitsgehalts einer Informationen bestehen. Durch Hinweise dieser Art bleibt die Veröffentlichung als solche möglich und es kommt zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Journalisten und den Erfordernissen eines funktionierenden Kapitalmarkts.

B. Landespressegesetze Rechtliche Rahmenbedingungen für die Finanzmarktberichterstattung können sich auch aus den jeweiligen Landespressegesetzen655 ergeben. Diese konkretisieren die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit und gestalten ver-

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schiedene Rechte und Pflichten der Presse aus.656 Für die vorliegende Fragestellung lassen sich zwei Bereiche unterscheiden: Zum einen ergeben sich aus dem Landespressegesetz originäre Pflichten für die Journalisten, zum anderen kommt es zu einer Modifikation der Anforderungen anderer Gesetze, vorliegend insbesondere des Wertpapierhandelsgesetzes.657 I. Unmittelbare Anforderungen nach dem Landespressegesetz Das Landespressegesetz legt verschiedene Pflichten fest, die sowohl den Inhalt des Presseerzeugnisses als auch die interne Organisation der Redaktionen betreffen. Diese Pflichten gelten für alle Formen der Berichterstattung, besondere Vorschriften für die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung finden sich nicht. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Anforderungen steht die Normierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Presse gem. § 6 Abs. 1 LPG, der wie folgt lautet: „Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen.“ Da an einen Verstoß als solchen weder öffentlich-rechtliche noch zivilrechtliche Sanktionen geknüpft sind, es sich also vielmehr um eine sog. „sanktionslose Norm“658 handelt, erlangt § 6 Abs. 1 LPG keine eigenständige Bedeutung für die inhaltliche Reglementierung von Wirtschaftsjournalismus. Auch aus den anderen Pflichten des Landespressegesetzes ergeben sich keine Besonderheiten. Somit bleibt festzuhalten, dass die Landespressegesetze keine unmittelbare Bedeutung erlangen, wenn es darum geht, Marktmissbrauch durch die Presse zu verhindern. II. Modifikation anderer Normen durch das Landespressegesetz Wenngleich das Landespressegesetz keine eigenständigen Verhaltensvorschriften enthält, so kann es doch mittelbare Bedeutung erlangen, indem es die oben aufgeführten Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände des Wertpapierhandelsgesetzes modifiziert. Dies ist dann der Fall, wenn es sich bei den jeweiligen Tatbeständen um sog. Presseinhaltsdelikte handelt, welche geschaffen wur-

655 Im Saarland ist das Presserecht in einem allgemeinen Mediengesetz mitgeregelt, siehe saarländisches Mediengesetz v. 27.2.2002 (zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20.8.2008 [ABl. S. 1362]). Die folgende Darstellung orientiert sich am Landespressegesetz des Landes Baden-Württemberg. Eine synoptische Übersicht über die jeweils entsprechenden Vorschriften in den anderen Bundesländern findet sich bei Löffler, in: Löffler, S. XXVI f. 656 Beater, Medienrecht, Rn. 158. 657 Siehe zu den Vorgaben des WpHG oben unter A. 658 Steffen, in: Löffler, § 6 Rn. 11; ihm folgend Beater, Medienrecht, Rn. 1165.

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den, um den Besonderheiten der Presse Rechnung zu tragen, insbesondere, um ihrer großen meinungsbeeinflussenden Wirkung gerecht zu werden.659 1. Vorliegen eines Presseinhaltsdelikts Noch heute ist die Definition des Reichsgerichts maßgeblich,660 nach welcher eine Druckschrift „strafbaren Inhalts“, also ein sog. Presseinhaltsdelikt, schon dann vorliegt, „wenn die Druckschrift die in dem jeweils maßgebenden Tatbestand erforderte Erklärung enthält und außerhalb ihrer diejenigen Umstände gegeben sind, von denen die Strafbarkeit der Erklärung nach dem in Betracht kommenden Tatbestand sonst noch abhängt“.661 Für den Fall des Kapitalanlagebetruges hat der BGH bereits im Jahre 1995 entschieden, dass dieser als Presseinhaltsdelikt begangen werden könne,662 beispielsweise durch einen gedruckten Prospekt mit fehlerhaften Angaben. In einem Beschluss aus dem Jahre 2003 knüpfte das LG Augsburg hieran an und ging davon aus, dass auch der Kursbetrug, also der Vorgänger der heutigen Marktmanipulation, ein Pressinhaltsdelikt darstellen könne.663 Ohne Probleme übertragbar ist diese Ansicht auf das heutige Manipulationsverbot nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG, wenn ein Artikel einen unrichtigen oder irreführenden Inhalt hat. Denn dann wird der Straftatbestand gerade durch den Inhalt des Artikels verwirklicht, der den strafrechtlich relevanten Inhalt enthält. Doch auch das Scalping gem. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG mittels eines Presseberichts stellt ein Presseinhaltsdelikt dar. Bei diesem ist ebenfalls der grundsätzliche Anknüpfungspunkt die Äußerung als solche, auch wenn hinzukommt, dass über die wahre Motivation der Äußerung getäuscht wird. Somit können die oben dargestellten Manipulationsstraftatbestände den Presseinhaltsdelikten zugeordnet werden.664 Gleiches gilt für die Vorfeldtatbestände im Bereich des Insiderrechts. Hier ist es gerade der Presseinhalt, d.h. die meinungsbeeinflussende Erklärung als solche, die die Straftatbestände des § 14 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 WpHG665 erfül-

659 Grund hierfür ist, dass das geschriebene Wort „schwarz auf weiß“ festliegt. Dabei gilt es einen Missbrauch dieser geistigen Wirkung zu unterbinden; gleichzeitig aber muss es der Presse möglich sein, ihren Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten zu können, siehe Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 29 f. 660 So Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 26. 661 RGSt 66, 145, 147; sog. weiter Begriff, vgl. hierzu und zu Nachweisen für die anderen Ansichten Groß, Presserecht, Rn. 653. 662 BGHSt 40, 385, 387; auch die Literatur folgt diesem Verständnis, vgl. Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 59. 663 LG Augsburg, Beschluss v. 11.9.2003, wistra 2004, 75. Insoweit findet dieser Beschluss Zustimmung, Pananis/Frings, wistra 2004, 138, 238. 664 So auch Altenhain, in: KK-WpHG, § 38 Rn. 140.

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len kann. Mithin ist auch die Begehung der Vorfeldtatbestände zum Insiderhandelsverbot mittels eines Presseartikels ein Presseinhaltsdelikt.666 Dagegen stellt ein Verstoß gegen § 34b WpHG nie eine Straftat dar und ist damit grundsätzlich nicht als Presseinhaltsdelikt anzusehen.667 Liegt ein Presseinhaltsdelikt vor, ergibt sich aus § 20 Abs. 1 LPG zunächst einmal die Anwendbarkeit der allgemeinen Strafgesetze.668 Darüber hinaus finden sich aber insbesondere in den Landespressegesetzen selbst Sonderregeln. So enthält § 20 Abs. 2 LPG eine Haftungserweiterung auf den sog. verantwortlichen Redakteur (dazu unter 2.).669 Von großer Bedeutung sind außerdem die besonderen Verjährungsvorschriften des § 24 LPG (dazu unter 3.). Eine weitere Besonderheit sind die Privilegierungen bei der Bestimmung des Gerichtsstandes, § 7 Abs. 2 S. 1 StPO.670 2. Erweiterte Verantwortlichkeit Weil wegen der Anonymität der Presse und des Zusammenwirkens vieler verschiedener Akteure der Täter eines Presseinhaltsdelikts häufig nicht ermittelt werden kann,671 wurde die Person des verantwortlichen Redakteurs als juristische Kategorie für den Bereich des Pressestrafrechts geschaffen.672 Die zentrale Regelung findet sich in § 20 Abs. 2 Nr. 1 LPG. Diese Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn mittels eines Druckwerks eine rechtswidrige Tat begangen wurde, die einen Straftatbestand verwirklicht, der verantwortliche Redakteur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, falls er vorsätzlich oder fahrlässig seine Verpflichtung verletzt hat, das Druckwerk von strafbarem Inhalt freizuhalten. Der verantwortliche Redakteur wird also nicht für den strafrechtlichen Erfolg der eigentlichen Straftat, sondern für den Verstoß gegen die Pflicht, das Druckwerk frei von strafrechtlich relevantem Inhalt zu halten,

665 Wenngleich in aller Regel ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG nur eine Ordnungswidrigkeit darstellen wird, siehe oben unter A. III. 2. e). 666 Zur Einordnung der Vorfeldtatbestände des Insiderhandelsverbots als Presseinhaltsdelikte findet sich, soweit ersichtlich, weder Rechtsprechung noch Literatur. 667 Zur möglichen Einordnung auch von Ordnungswidrigkeiten als Presseinhaltsdelikte siehe unter 4. 668 Zur Daseinsberechtigung dieser Vorschrift, die sich aus der Kompetenz der Länder zur Pressegesetzgebung ergebe, Groß, NStZ 1994, 312 und Groß, Presserecht, Rn. 644 f.; ihm nun folgend Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 61. 669 Dazu, dass sich das Sonderdelikt des § 20 Abs. 2 LPG auf Presseinhaltsdelikte bezieht, Kühl, in: Löffler, Vor §§ 20 ff. Rn. 7. 670 Hierzu Kühl, in: Löffler, Vor §§ 20 ff. LPG Rn. 14 ff. 671 Ein anschauliches Beispiel hierzu findet sich bei Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 62 ff. 672 BGH NJW 1990, 2828, 2830; Liesching, in: HH-Ko/MedienR, § 90 Rn. 2; Beater, Medienrecht, Rn. 188.

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zur Verantwortung gezogen,673 und dies auch nur dann, wenn er nicht bereits nach den allgemeinen Vorschriften als Täter oder Teilnehmer des Presseinhaltsdelikts anzusehen ist.674 Verantwortlicher Redakteur ist dabei, wer „im Auftrag des Verlegers das Druckwerk auf strafrechtlich relevante Äußerungen zu prüfen hat und kraft seines Einspruchs Veröffentlichungen verhindern kann“.675 Seine Verantwortlichkeit erstreckt sich auf den gesamten Inhalt des Druckerzeugnisses676 und entfällt auch nicht durch die unmittelbare strafrechtliche Verantwortlichkeit anderer Personen, also beispielsweise des Verfassers eines Artikels oder eines Leserbriefs.677 Kommt es also zu einem Verstoß gegen eine der eben genannten Strafvorschriften des WpHG und ist der verantwortliche Redakteur nicht bereits nach den allgemeinen Grundsätzen, also den §§ 25 ff. StGB, Täter oder Teilnehmer, ergibt sich seine Strafbarkeit aus § 20 Abs. 2 Nr. 1 LPG. Derjenige, der als verantwortlicher Redakteur anzusehen ist, haftet also auch bei Verstößen gegen entsprechende Strafvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes. 3. Besondere Verjährung Weitere Folge der Einordnung eines Deliktes als Presseinhaltsdelikt ist die Anwendbarkeit der verkürzten presserechtlichen Verjährung gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LPG.678 Verbrechen verjähren danach in einem Jahr, Vergehen in sechs Monaten. Zu diesem Privileg der verkürzten Verjährung tritt ein vorgezogener Beginn der Verjährung, § 24 Abs. 3 LPG, nach welcher die Verjährung bereits mit der Veröffentlichung oder Verbreitung des Druckwerks beginnt.679

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Dazu bereits RGSt 38, 379, 380 und RGSt 59, 181, 182. Zu den Fragen bezüglich der Anwendung der allgemeinen Strafgesetze, die sich bei ihrer Anwendung auf die Presse ergeben können, siehe Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 61 ff. 675 BGHSt 36, 363, 366, siehe auch BGHSt 43, 41, 49 f. Zur Person des verantwortlichen Redakteurs, der nur im Bereich der strafrechtlichen Haftung eine Rolle spielt, und zu den mit ihr verbundenen Problemen sei auf die ausführliche Darstellung bei Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 123 ff. verwiesen. Zu Einzelfragen der strafrechtlichen Redakteurshaftung siehe außerdem BGH NJW 1980, 67. 676 Beater, Medienrecht, Rn. 1759; Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 123. 677 Groß, Presserecht, Rn. 658; Beater, Medienrecht, Rn. 1759. 678 Eine aktuelle Übersicht über die Gründe für und gegen eine verkürzte Verjährung findet sich bei Wüstenberg, AfP 2007, 423, 424 f., der sich im Ergebnis gegen eine Fristverkürzung ausspricht, die ein unnötiges Privileg der Presse darstelle. Der BGH führt als Grund für die Privilegierung an, dass eine ungestörte Ausübung der Pressefreiheit eine alsbalde Klärung erfordere, BGH NJW 1978, 1985. 679 Auch hierzu stellt Wüstenberg, AfP 2007, 423, 425 f. die Gründe für und wider eine solche Vorverlagerung dar. Im Ergebnis hält er die Vorverlagerung für verfassungsrechtlich erforderlich, da eine Rückversetzung auf den Zeitpunkt gem. § 78a StGB die Pressefreiheit verletzen würde. Der BGH stellt diesbezüglich darauf ab, dass 674

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Manche Straftatbestände sind von dieser Privilegierung jedoch ausgenommen, weil sich eine entsprechende Regelung im jeweiligen LPG findet.680 Denkbar ist auch, dass sich in der Strafvorschrift selbst ein Ausschluss der besonderen Verjährung findet.681 Dies wurde im Rahmen der Beratungen zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz für das Verbot der Marktmanipulation in Betracht gezogen. Der Bundesrat legte in seiner Stellungsnahme einen entsprechenden Abs. 4 vor682 und regte gleichzeitig an, den Manipulationstatbestand entgegen dem Regierungsvorschlag in das Börsengesetz zu integrieren. Dem stimmte die Bundesregierung nicht zu, sie behielt sich aber ausdrücklich vor, eine derartige Sonderbestimmung für die Verjährung zu prüfen.683 Dazu kam es jedoch nicht, vielmehr wurde es versäumt, eine Sondervorschrift zu schaffen,684 sodass man die presserechtliche Verjährungsprivilegierung auch auf das Verbot der Marktmanipulation anwenden muss. Gleiches gilt für die Vorfeldtatbestände des Insiderhandelsverbots, da auch für sie keine Sonderbestimmungen vorgesehen sind, die die Anwendung der Privilegierung ausschließen. 4. Erstreckung auch auf Ordnungswidrigkeiten Häufig jedoch wird ein entsprechender Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz keinen Straftatbestand erfüllen, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Von Bedeutung ist daher, ob auch Ordnungswidrigkeiten als Presseinhaltsdelikte angesehen werden können und es so auch bei ihnen zu den oben aufgeführten Modifikationen kommt. In Rechtsprechung und Literatur wird diese Frage vor allem im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der nach § 24 LPG verkürzten Verjährung diskutiert, welche allgemein bejaht wird.685 Ob man hieraus aber auf die generelle Möglichkeit schließen kann, Ordnungswidrigkeiten ebenfalls als Presseinhaltsdelikte zu qualifizieren, erscheint fraglich. Im Zusammenhang mit den VerjähPresseinhaltsdelikte bereits mit der Verbreitung offen zu Tage treten würden, BGH NJW 1978, 1985. 680 So enthält das LPG Baden-Württembergs einen großen Katalog an Ausnahmen in § 18 Abs. 1 LPG, auf den § 24 Abs. 1 S. 2 LPG Bezug nimmt und diesen außerdem ergänzt. 681 Ein Beispiel – jedoch aus dem Bereich der Ordnungswidrigkeiten – ist § 81 Abs. 8 GWB. 682 „(4) In den Fällen des Absatzes 3 (Verbot der Kurs- und Marktmanipulation, Anm. der Verfasserin) richtet sich die Verjährung der Strafverfolgung nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches auch dann, wenn die Tat durch die Verbreitung von Druckschriften begangen wird“, Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates v. 11.12.2001, BR-Drs. 936/1/01, S. 38. 683 BT-Drs. 14/8017, S. 180. 684 Hierzu Pananis/Frings, wistra 2004, 138, 239. 685 Die zentrale Entscheidung des BGH findet sich in NJW 1978, 1985; siehe außerdem Kühl, in: Löffler, § 24 Rn. 34 m.w.Nw.

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rungsregelungen sind zwei Besonderheiten zu berücksichtigen: Zum einen enthält § 24 Abs. 2 LPG auch eine Sonderregel zumindest für die in § 22 LPG genannten Ordnungswidrigkeiten, zum anderen kommt es in diesen Fällen zu einer Besserstellung der betroffenen Person, sodass kein Konflikt mit dem auch für Ordnungswidrigkeiten geltenden Analogieverbot, § 4 OWiG, droht. Missverständlich ist insoweit die Darstellung Kühls, der im Zusammenhang mit der Qualifizierung eines Tatbestandes als Presseinhaltsdelikt darauf abstellt, dass allein die „geistige publizistische Wirkungskraft des Inhalts“ entscheidend sei und dass es nicht erforderlich sei, dass der „strafbare Inhalt der Druckschrift“ kriminelles Unrecht enthalte.686 Daher könnten auch Ordnungswidrigkeiten nach dem Landespressegesetz und nach anderen Gesetzen687 als Presseinhaltsdelikte begangen werden.688 Gleichzeitig schreibt Kühl in den Vorbemerkungen seiner Kommentierung, dass sich das Sonderdelikt des § 20 Abs. 2 LPG auf Presseinhaltsdelikte beziehe.689 Daraus könnte man nun schließen, dass Kühl eine generelle Einstufung von Ordnungswidrigkeiten als Presseinhaltsdelikte bejaht und gleichzeitig eben auch entsprechende Haftungsverschärfungen wie die des § 20 Abs. 2 LPG anwenden will. Im Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 LPG schreibt Kühl dann aber ausdrücklich, dass das Gesetz in dieser Vorschrift von einer rechtswidrigen Tat spreche, „die einen Straftatbestand verwirklicht“.690 Hieraus schließt er, dass eine Ordnungswidrigkeit, welche im Gegensatz zur Straftat bloßes Verwaltungsunrecht darstelle, keine Bestrafung des verantwortlichen Redakteurs zur Folge haben könne.691 Im Ergebnis lehnt er eine verschärfte Verantwortlichkeit somit ab. Zu diesem Ergebnis kommt auch der BGH, der davon ausgeht, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 20 Abs. 2 LPG die begriffliche Trennung der Ordnungswidrigkeiten von Straftaten vollzogen gewesen sei und daher die Formulierung „Druckwerke strafbaren Inhalts“ nicht der mangelhafte Ausdruck eines weitergehenden, Kriminalunrecht und Ordnungsrecht umfassenden Regelungswillens sei.692 Auch meines Erachtens kann § 20 Abs. 2 LPG angesichts des eindeutigen Wortlauts und wegen des Analogieverbots693 nicht auf Ordnungs686

Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 35. Er nennt dabei solche des GWB, Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 35. 688 So Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 35. 689 Kühl, in: Löffler, Vorbem. zu §§ 20 ff. Rn. 8. 690 Kühl, in: Löffler, § 20 Rn. 149. 691 Widersprüchlich erscheint insoweit seine Formulierung in Rn. 152, wo er davon spricht, dass das Sonderdelikt des § 20 Abs. 2 LPG stets ein Vergehen sei, selbst dann, wenn die zugrunde liegende Tat lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstelle. 692 BGH NJW 1978, 1985. 693 Auch der BGH stellt in einem etwas anderen Zusammenhang, aber mit dem gleichen Ergebnis, darauf ab, dass eine Analogie nur dann zulässig sei, wenn sie weder „sanktionsbegründend“ noch „sanktionsschärfend“ sei, vgl. BGH NJW 1978, 1985. 687

Kap. 5: Selbstregulierung

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widrigkeiten angewandt werden. Eine pauschale Einordnung von Ordnungswidrigkeiten als Presseinhaltsdelikte scheidet daher aus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht einzelne Bestimmungen, die zu einer Privilegierung von Presseinhaltsdelikten führen, auch auf Ordnungswidrigkeiten anwendbar sind. Daher ist der herrschenden Meinung zuzustimmen, die das Verjährungsprivileg auf Ordnungswidrigkeiten erstreckt, und zwar deshalb, weil andernfalls ein Wertungswiderspruch droht, wenn man nämlich die besondere presserechtliche Verjährung einerseits mit der „Natur der Pressedelikte“ begründet und andererseits diese dann nur auf Straftaten anwendet, die doch den größeren Unrechtsgehalt haben.694 Auch Ordnungswidrigkeiten des Wertpapierhandelsgesetzes unterliegen daher der verkürzten Verjährung des § 24 Abs. 1 LPG, also der sechsmonatigen Verjährung von Vergehen.695 Eine erweiterte Verantwortlichkeit des verantwortlichen Redakteurs auch für Ordnungswidrigkeiten scheidet hingegen aus den oben dargestellten Erwägungen aus. III. Bewertung Das Landespressegesetz spielt bei der inhaltlichen Regulierung des Wirtschaftsjournalismus nur eine untergeordnete Rolle. Bedeutung erlangen vor allem die Bestimmungen zu den Presseinhaltsdelikten, die bei Straftaten und Ordnungwidrigkeiten zu einer verkürzten Verjährung und bei Straftaten zusätzlich zu einer Haftungserweiterung auf den verantwortlichen Redakteur führen. Da es sich bei dem Sorgfaltsgebot des § 6 Abs. 1 LPG um eine sanktionslose Norm handelt und auch sonst keine Anforderungen an die Tätigkeit von Wirtschaftsjournalisten gestellt werden, kann das Landespressegesetz zu einem Wirtschaftsjournalismus, der die im ersten Teil dieser Arbeit aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, nur in einem sehr geringen Maße beitragen. Kapitel 5

Selbstregulierung A. Theoretische Einordnung der Selbstregulierung Neben und anstelle der oben dargestellten gesetzlichen Regelungen tritt die Selbstkontrolle der Presse, welche seit jeher eine nicht zu unterschätzende Be694

Vgl. BGH NJW 1978, 1985. Wegen der größeren Nähe zu Vergehen soll laut BGH deren Verjährung und nicht die der Verbrechen analoge Anwendung finden, wenn das Landesrecht (wie z. B. in Baden-Württemberg der Fall) eine unterschiedliche Verjährungsdauer vorsehe. Man könnte auch in Erwägung ziehen, die noch kürzere Verjährungsfrist des § 24 Abs. 2 LPG analog anzuwenden. 695

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

deutung im Bereich der inhaltlichen Kontrolle der Presse hat. Denn die „Lehren der Geschichte“696 und die große Bedeutung, die den Medien in einer pluralistischen Gesellschaft zukommt, haben das Bewusstsein geschärft, in Bezug auf die Kontrolle der Presse Zurückhaltung walten zu lassen und Maßnahmen auf gleichgeordneter Ebene anzustreben.697 Gleichzeitig entspricht dies dem – zumindest bis vor kurzem – heutigen Zeitgeist mit seiner Tendenz weg vom regelnden Staat und hin zur privaten Verantwortung.698 Insoweit bildet Selbstregulierung auch immer einen Gegensatz zu staatlich imperativem Handeln.699 Innerhalb der Selbstregulierung lässt sich die autonome Selbstregulierung von der heteronomen unterscheiden.700 Für autonome Selbstregulierung ist charakteristisch, dass sich Private selbst ihre inhaltlichen Maßstäbe setzen und insoweit kein staatlicher Handlungszwang besteht. Ein Beispiel hierfür ist die Vertragsfreiheit. Die Konstellation, die jedoch normalerweise mit dem Begriff der Selbstregulierung verbunden wird, ist die der heteronomen Selbstregulierung: Hier kommt der Anstoß zur Selbstregulierung von außen und die Regulierung selbst versteht sich als Alternative zu aktivem staatlichen Handeln, welches sich häufig schon ankündigt.701 In diesen Fällen wird eine freiwillige Initiative zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben angestrebt.

696 Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 37; ebenso Stürner, Gutachten A, A 19: „Der Geschichte deutscher Rechts- und Pressekultur in besonderer Weise adäquat“ seien als schonendstes Mittel der Balance zwischen Pressefreiheit und Individualitätsschutz das Zivilrecht und die freiwillige Selbstkontrolle. 697 Stürner, Gutachten A, A 19, A 37. 698 Siehe hierzu bspw. Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 3 ff.; Stürner, in: FS Canaris, S. 1489, 1490; Stürner, F.A.Z. v. 9.10.2008, S. 6, der dieser Entwicklung kritisch gegenübersteht. Seit der Finanzkrise des Jahres 2008 kann man – zumindest was den Bereich der Finanzmarktregulierung anbelangt – ein Umdenken feststellen. Eine stärkere staatliche Kontrolle des Finanzmarktes wird mittlerweile als absolut notwendig erachtet, siehe z. B. Schmidt, Die Zeit v. 15.01.2009, S. 19. Von einer stärkeren staatlichen Kontrolle der Wirtschafts- und Finanzmarktpresse ist in dieser Diskussion aber noch nicht die Rede. 699 Calliess, AfP 2002, 465, 466. Dennoch ist dieser Begriff der Selbstregulierung oder auch Selbstkontrolle, der, wie Calliess zutreffend beschreibt, „seit geraumer Zeit mit einer solchen Selbstverständlichkeit durch die rechtswissenschaftliche Diskussion kreist, dass man meinen sollte, sein Inhalt sei geklärt“ (S. 466), von einer solchen weit entfernt. Doch ist eine Klärung dessen auch nicht Ziel dieser Arbeit. 700 Calliess, AfP 2002, 465, 466; einen Überblick über weitere mögliche Erscheinungen und Kategorisierungen der Selbstregulierung findet sich bei Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 59 ff. 701 Grewlich, DÖV 1998, 54, 55 f. Calliess, AfP 2002, 465, 466 bemerkt, dass es sogar häufig so sei, dass der Gesetzgeber mit einer gesetzlichen Regelung drohe, womöglich sogar schon einen entsprechenden Referentenentwurf in der Tasche habe und auf diese Art und Weise private Maßnahmen anrege. Dies ist auch hier zutreffend: So wurde der DAI-Kodex (zu diesem unter I.) auf Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ausgearbeitet und auch der Presserat hat seinen Kodex erst

Kap. 5: Selbstregulierung

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Generell lässt sich sagen, dass auch im Bereich der Regulierung des Wirtschaftsjournalismus beide Formen der Selbstregulierung vorkommen können. Nichtsdestoweniger liegt der Schwerpunkt im Bereich der heteronomen Selbstregulierung, nicht zuletzt forciert durch die Vorgaben und Neuerungen der Marktmissbrauchsrichtlinie und des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes.

B. Ansätze zur Selbstregulierung im Bereich des Wirtschaftsjournalismus Noch vor zehn Jahren gab es keinerlei spezielle Selbstregulierung im Bereich des Wirtschaftsjournalismus, also weder Formen der autonomen noch der heteronomen Regulierung.702 Zwar existierte schon damals der Pressekodex des Deutschen Presserates703, dieser enthielt jedoch ebenfalls keine besonderen Vorschriften für Wirtschaftsjournalismus und auch bei der Auslegung und Anwendung der bestehenden Regelungen war man sich der besonderen Rolle in diesem Bereich der Kapitalmarktkommunikation nicht bewusst. Nicht zuletzt als Reaktion auf die Ereignisse am Neuen Markt und Fälle wir den des Egbert Prior704 entstand jedoch ein neues Problembewusstsein. Durch die europäischen Vorgaben stand dabei die heteronome Selbstregulierung stets im Mittelpunkt, während die autonome Selbstregulierung nie wirklich Bedeutung erlangt hat. Daher kann sich die folgende Darstellung auf erstere beschränken. Dabei wird zunächst auf den DAI-Kodex (unter I.), dann auf die Selbstkontrolle des Deutschen Presserates (unter II.) und schließlich auf die unternehmensinterne Selbstkontrolle (unter III.) eingegangen. I. Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation des DAI Ein erster Versuch der spezifischen Selbstregulierung von Wirtschaftsjournalismus wurde im Jahre 2001 unternommen. Der Anstoß kam damals von Margarethe Wolf, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, die beim Deutschen Aktieninstitut (DAI) unter der Leitung von Rüdiger von Rosen und beim Börsenexperten Wolfgang Gerke ein Gutachten in Auftrag gegeben hat,705 dessen Ziel die Entwicklung eines „Kodex für anlegerergänzt, als eine unmittelbare staatliche Kontrolle (durch eine Anwendung von § 34b WpHG durch die BaFin) unabwendbar war. 702 Dies entsprach der Lage im Bereich der zwingenden gesetzlichen Vorschriften, die ebenfalls keine ausdrückliche Regelung für Finanzjournalismus enthielten, siehe oben in Kapitel 4 A. I. 1. a), Kapitel 4 A. II. 1. a) und Kapitel 4 A. III. 1. a). 703 Zu diesem mehr unten unter II. 704 Zu diesem Fn. 87. 705 Die Welt v. 18.10.2001, abrufbar unter http://www.welt.de/print-welt/article 482037/Paragraf_soll_Anleger_besser_schuetzen.html (besucht am 10.7.2009).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

gerechte Kapitalmarktkommunikation“ war: Angestrebt wurde die Schaffung eines freiwilligen Regelwerks für die Gesamtheit der Informationsintermediäre am Kapitalmarkt, zu denen auch Finanzjournalisten zählen.706 Geltung sollte dieser Kodex durch die Abgabe von Selbstverpflichtungserklärungen erlangen. Durch die Freiwilligkeit erhoffte man sich eine größere Flexibilität und auch Akzeptanz der Regelungen und gleichzeitig auf Seiten der Informationsintermediäre eine geringere Eingriffsintensität. Der Entwurf des Kodex wurde im Mai 2001 vorgelegt. Auf 108 Seiten enthält er eine umfassende Darstellung der Problematik der Kapitalmarktkommunikation: Nach einer Einführung werden bereits bestehende gesetzliche Regelungen zusammengestellt, die zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht sehr dicht waren, und mit den damals geltenden Regelungen in Großbritannien und den USA verglichen. Sodann werden mögliche Regelungs- und Sanktionsmuster einer anlegergerechten Kapitalmarktkommunikation aufgezeigt und es wird das Konfliktpotential sowohl in Bezug auf Analysten als auch in Bezug auf Journalisten diskutiert. Zuletzt wird ein eigener „Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation“ formuliert. Dieser setzt sich aus acht Paragraphen zusammen. Im Mittelpunkt stehen Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten, wie sie beispielsweise durch eine entsprechende Nebentätigkeit oder den Besitz von Wertpapieren entstehen. Analysen, aber auch jegliche sonstige Art von Berichten und Artikeln,707 sollen mit einem „Höchstmaß an Sorgfalt“ erstellt werden. Diese recht unpräzise Vorgabe wird durch Beispiele konkretisiert: So sollen Quellen angegeben werden und Meinungsäußerungen nachvollziehbar sein, außerdem sollen die eigene Unabhängigkeit sichergestellt und Presseberichte nicht als einzige Informationsquelle verwandt werden. Auch sollen keine garantieähnlichen Voraussagen für Kursverläufe abgegeben werden und es soll eine ehrliche Darstellung des Erfolgs eigener Analysen erfolgen. Daneben enthält der Kodex einen eigenen Abschnitt zum Umgang mit Insiderinformationen. Erlangt ein Informationsintermediär Kenntnis von Insiderinformationen, so darf er diese nicht verwenden, sondern muss das entsprechende Unternehmen zur unverzüglichen Veröffentlichung auffordern.708

706 Neben den Finanzjournalisten waren die Finanzanalysten zentraler Adressat dieses Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation; nach dem Verständnis des Kodex besteht folglich ein Alternativverhältnis zwischen diesen beiden Personengruppen. 707 Insoweit geht der Kodex also ganz deutlich über die gesetzlichen Anforderungen der jetzigen Regelung des § 34b WpHG hinaus, der sich auf Finanzanalysen bzw. teilweise sogar auf solche Analysen beschränkt, die direkte Anlageempfehlungen enthalten, siehe oben in Kapitel 4 A. II. 2. 708 Hier trifft der Kodex ganz offensichtlich eine andere Regelung als sie das WpHG und auch der Pressekodex vorsehen, die davon ausgehen, dass der Journalist, bei Schaffung von Bereichsöffentlichkeit, zur Veröffentlichung befugt ist (dazu oben in Kapitel 4 A. III. 2. und unten unter II. 2.).

Kap. 5: Selbstregulierung

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Der Kodex richtet sich gem. § l an einzelne Analysten, Journalisten und alle anderen Personen, die in der Öffentlichkeit als Informationsintermediäre auftreten (Abs. 1), an die dahinter stehenden Unternehmen, also Finanzdienstleistungsunternehmen, Redaktionen, Verlage etc. (Abs. 2), die entsprechenden Berufsverbände (Abs. 3) und an Anbieter oder Organisatoren von Internetdiskussionsforen u. ä. Diese können sich jeweils zur Einhaltung des Kodex verpflichten. Die Durchsetzung des Kodex sollte zum einen unternehmensintern erfolgen, indem er Bestandteil des jeweiligen Arbeits- oder Dienstvertrages wird,709 zum anderen sollte ein Beirat für Kapitalmarktkommunikation beim damaligen Bundesamt für den Wertpapierhandel eingerichtet werden.710 Dieser wird in § 8 des Kodex mit einem reichhaltigen Instrumentarium an Sanktionen von der schriftlichen Verwarnung über Bußgelder bis hin zu Verbandsausschlüssen ausgestattet. Nach der Veröffentlichung des Kodex-Entwurfs kam es unter Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu Stellungnahmen und Gesprächen. Dabei regte sich von verschiedenen Seiten Widerstand. Auch der Deutsche Presserat lehnte den Kodex ausdrücklich ab. Da eine breite Zustimmung jedoch Grundvoraussetzung für einen Erfolg gewesen wäre, erhielt stattdessen das Bundesfinanzministerium den Auftrag, wesentliche Bestimmungen des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation in das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz zu übernehmen,711 da aufgrund europäischer Vorgaben Handlungszwang bestand. Somit finden sich sowohl im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz als auch im dem diesem folgenden Anlegerschutzverbesserungsgesetz neuartige Regelungen zumVerhalten von Informationsintermediären, die jedoch im Hinblick auf Journalisten weit hinter den Anforderungen des DAI-Kodex zurückbleiben.712 Eine eigenständige und effektive heteronome Selbstregulierung im Bereich des Finanzjournalismus, die entsprechende gesetzliche Vorschriften überflüssig machen würde, war also gescheitert. Vielmehr 709

§ 2 Abs. 4 Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation. § 7 Abs. 1 Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation. Diesem sollen angehören: der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (bzw. ein Vertreter), maximal drei Vertreter der Berufsverbände der Analysten, ein Vertreter des Deutschen Presserates, ein Vertreter der Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute, die den Kodex für ihre Mitarbeiter verbindlich erklärt haben, ein Vertreter der Verlage oder Sendeanstalten, die den Kodex für ihre Mitarbeiter für verbindlich erklärt haben, ein Vertreter eines Anlegerschutzverbandes, ein Vertreter der börsennotierten Emittenten sowie ein wissenschaftlich ausgewiesener Kapitalmarktexperte. 711 Siehe http:/ /www.boersen-zeitung.com/online/redaktion/aktuell/vollansicht_st. php?artikelID=203 (besucht am 10.3.2008). Im Folgenden war daher die Börsensachverständigenkommission für die Umsetzung der Regelungen zuständig, siehe auch WELT ONLINE v. 18. 10.2001; abrufbar unter http://www.welt.de/print-welt/article 482037/Paragraf_soll_Anleger_besser_schuetzen.html (besucht am 10.7.2009). 712 Siehe zu diesen Regelungen oben Kapitel 4 A. I. 2., Kapitel 4 A. II. 2. und Kapitel 4 A. III. 2. 710

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

kam es zu den im ersten Kapitel geschilderten gesetzlichen Vorschriften, die – wohl gerade bedingt durch die Art und Weise, in der eine reine Selbstregulierung in diesem Bereich scheiterte – auch für die heutige Ausgestaltung der Selbstregulierung eine zentrale Rolle spielen. II. Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat Zentrales Gremium der Presseselbstkontrolle in Deutschland ist der Deutsche Presserat.713 Als freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien beschäftigt sich der Deutsche Presserat grundsätzlich mit zwei großen Zielen: der Lobbyarbeit für die Pressefreiheit in Deutschland und dem Bearbeiten von Beschwerden aus der Leserschaft.714 1. Organisation und Arbeit des Deutschen Presserates Der Deutsche Presserat ist ein Gremium des „Trägervereins des Deutschen Presserats e. V.“715. Die vier Verleger- und Journalistenorganisationen – Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di – sind Mitglieder dieses Trägervereins. Zentrales Regelwerk ist der Pressekodex, der durch Richtlinien konkretisiert und ergänzt wird.716 Hinzu treten außerdem die Präambel des Pressekodex und die vom Presserat erlassenen Empfehlungen und Resolutionen.717 Das Verfahren vor dem Presserat regelt eine eigene Beschwerdeordnung. Diese sieht in § 12 Abs. 3 als mögliche Sanktionen den Hinweis, die Missbilligung und die Rüge vor. Dabei ist die Rüge die schärfste Sanktion. Sie lässt sich ihrerseits in öffentliche und nicht öffentliche Rügen unterteilen. Öffentliche Rügen bilden dabei den Regelfall, sie sind in dem betroffenen Publikationsorgan bekanntzumachen.718 Diese Sanktionen richten sich normalerweise gegen den Verlag als sol713 Siehe zum Ganzen auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999/I, S. 105, 107; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 41 ff.; Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, S. 154 ff. 714 § 9 der Satzung des Trägervereins des Deutschen Presserates e. V. (abrufbar unter www.presserat.info, besucht am 10.7.2009), dazu Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 44 f. 715 § 7 der Satzung des Trägervereins des Deutschen Presserates e. V. (Fn. 714). 716 Abrufbar unter www.presserat.info (besucht am 10.7.2009). 717 Ebenfalls abrufbar unter www.presserat.info (besucht am 10.7.2009). Teilweise wird auch die Gesamtheit dieser Regelwerke als Pressekodex bezeichnet, vgl. Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, S. 271. 718 Ausführlich zum Sanktionensystem des Deutschen Presserates Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, S. 184 ff.

Kap. 5: Selbstregulierung

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chen und nicht gegen die einzelnen Journalisten, denen es gerade beim Abdruck von Rügen an der rechtlichen Möglichkeit fehlt, der Sanktion nachzukommen. Das Recht zur Beschwerde steht jedermann und auch dem Presserat zu, wobei dieser von seinem Recht bisher, soweit ersichtlich, noch nicht Gebrauch gemacht hat.719 Insbesondere nicht vorgesehen ist die Möglichkeit der Auferlegung von Bußgeldern.720 Grundsätzlich haben der Pressekodex bzw. die bei einem Verstoß gegen ihn ergehenden Sanktionen keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit.721 Es handelt sich also nicht um Standesrecht, sondern vielmehr um Berufsethik.722 Weder der Presserat noch sonstige Personen können aus dem Pressekodex selbst auf seine Einhaltung vor einem Gericht klagen. Auch aus den verbandsrechtlichen Beziehungen ergibt sich keine Verbindlichkeit, da Träger des Presserates ein privater Verein ist, der nur seine Mitglieder unmittelbar verpflichten kann. Dies sind aber nur die vier genannten Verleger- bzw. Journalistenorganisationen.723 719 Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 45. Als Grund für diese Zurückhaltung führt Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, S. 178 an, dass der Presserat dann, um den Vorwurf der Willkür zu vermeiden, systematisch und flächendeckend gegen Verstöße gegen den Pressekodex vorgehen müsste. Dies würde aber zum einen die finanziellen Möglichkeiten des Presserates übersteigen (dazu auch Schweizer, in: FS Herrmann, S. 121, 146) und zum anderen würde dies den Presserat in die Nähe einer „Überwachungsbehörde“ rücken (Interview mit Manfred Protze am 10.12.1999, damals Vorsitzender des Beschwerdeausschusses, abgedruckt in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 68). Kritisch zu dieser Selbstbeschränkung des Presserates Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, S. 219. 720 Dazu, wie der Presserat systemkonform weiterentwickelt werden könnte, siehe Stürner, Bitburger Gespräche 1999/I, S. 105, 107 f., der sich ausdrücklich gegen einen Abdruckzwang ausspricht, es aber begrüßen würde, wenn man den Betroffenen einen Anspruch auf Abdruck einer Rüge einräumte. Stürner regt außerdem an, über eine Fremdbeteiligung im Beschwerdeausschuss nachzudenken. 721 Rechtliche Verbindlichkeit meint dabei, dass als letzte Möglichkeit eine hoheitliche Durchsetzung möglich ist. 722 Stürner, Bitburger Gespräche 1999/I, S. 105, 109. Grund hierfür ist, dass Standesrecht immer hoheitlich durchsetzbar ist und sich dann an die Rüge als mildeste Sanktion noch Bußgelder und Ausschluss von der Berufsausübung anschließen würden. Auch der Presserat selbst folgt dieser Sichtweise, indem er in der Präambel seine Vorgaben als „Berufsethik“ bezeichnet. 723 Auch aus der internen verbandsrechtlichen Organisation ergibt sich nichts anderes. Weder die Satzung des DZV noch des VDZ enthält eine Regelung, nach welcher dem Presserat unmittelbare Sanktionsbefugnisse gegen die einzelnen Verlage zukämen (hierzu Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 150). Beim DJV nehmen einige Satzungen zwar auf den Pressekodex Bezug und sehen bei einem Verstoß Sanktionen vor, doch sind auch hier keine unmittelbaren Befugnisse des Presserats vorgesehen (hierzu Dietrich, Der Deutsche Presserat, S. 34 ff., 45). Schließlich sind auch die Mitglieder der dju-Fachgruppe Journalismus in ver.di nicht unmittelbaren Sanktionen des Presserates ausgesetzt (hierzu ebenfalls Dietrich, Der Deutsche Presserat, S. 40 ff., 45).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

Schließlich ergibt sich eine rechtliche Verbindlichkeit auch nicht aus den Selbstverpflichtungserklärungen724, die die Verlage seit jeher gegenüber dem Presserat abgeben und die im Rahmen der Neuerungen im Bereich des Redaktionsdatenschutzes nochmals aktualisiert wurden und an Bedeutung gewonnen haben.725 In diesen Selbstverpflichtungserklärungen verpflichten sich die Verlage,726 den Pressekodex insgesamt zu wahren und gegen sie ergangene Rügen abzudrucken. Teilweise wird vertreten, dass es sich bei diesen Selbstverpflichtungserklärungen um vertragliche Verpflichtungen gem. § 241 Abs. 1 BGB handle, sodass zumindest der Presserat selbst einen zwangsweise durchsetzbaren Anspruch auf Rügeabdruck habe.727 Entscheidend für die Frage der rechtlichen Verbindlichkeit ist jedoch die Sicht des Erklärungsempfängers728, also die des Presserates. Der Presserat würde nach eigenen Angaben jedoch nicht auf der klageweisen Durchsetzung einer solchen Selbstverpflichtungserklärung bestehen.729 Somit erlangt der Pressekodex auch nicht durch die Selbstverpflichtungserklärungen der Verlage rechtliche Verbindlichkeit.730

724 Diese Selbstverpflichtungserklärung ist im Internet unter http://www.redaktions datenschutz.de (besucht am 10.7.2009) abrufbar. Eine Liste der Verlage, die bisher eine solche Selbstverpflichtungserklärung abgegeben haben, findet sich im sog. Dritten Bericht zum Redaktionsdatenschutz (Berichtszeitraum Januar 2006 bis Dezember 2007), S. 61 ff., abrufbar unter http://www.presserat.de/fileadmin/download/RDS_ Brosch08_Web.pdf (besucht am 10.7.2009). 725 Nach Auskunft des Presserates wurden im Zusammenhang mit der Neuregelung des Redaktionsdatenschutzes nochmals alle Verlage angeschrieben und zur Abgabe einer solchen, entsprechend aktualisierten, Selbstverpflichtungserklärung aufgefordert. Erstaunlicherweise ist es im Rahmen der Neuerungen im Bereich des Finanzjournalismus nicht zu einer entsprechenden Aktion gekommen. Zwar umfasst diese Selbstverpflichtungserklärung auch den Pressekodex als solchen und damit auch die Regelungen zum Wirtschaftsjournalismus, dennoch bezieht sie sich äußerlich zunächst einmal auf den Redaktionsdatenschutz. 726 Auffällig ist, dass der Vordruck der Selbstverpflichtungserklärung so formuliert ist, dass sie nur von den Verlagen, nicht jedoch von einzelnen Journalisten abgegeben wird. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die Selbstverpflichtungserklärung in der derzeitigen Praxis des Presserates vor allem im Zusammenhang mit dem Redaktionsdatenschutz von Bedeutung ist. Dagegen haben die Selbstverpflichtungserklärungen als Surrogat für eine Anzeige bei der BaFin nach § 34c WpHG noch keine eigenständige Bedeutung erlangt, siehe hierzu auch Fn. 725. 727 Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle, S. 188 ff., die dies als „Paradigmenwechsel“ bezeichnet; Dietrich, Der Deutsche Presserat, S. 59 ff.; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 150 geht von zumindest theoretischer Durchsetzbarkeit aus. 728 BGHZ 36, 30, 33; BGHZ 47, 75, 78; Busche, in: MünchKommBGB, § 133, Rn. 12. 729 So eine Vertreterin des Presserates gegenüber der Verfasserin; siehe zur rechtlichen Unverbindlichkeit trotz Abgabe der Selbstverpflichtungserklärungen auch Kloepfer, in: Deutscher Presserat (Hrsg.), Bericht zum Redaktionsdatenschutz 2006, S. 26, 27 These Nr. 3. 730 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Kloepfer, AfP 2005, 118, 119.

Kap. 5: Selbstregulierung

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Der Pressekodex lebt vielmehr davon, dass sich die in der Presse Tätigen an ihn halten, ohne dass dies mittels rechtlichen Zwangs ihnen gegenüber durchgesetzt werden könnte. Es handelt sich also derzeit um eine rein moralische Verpflichtung, ein Verstoß hat allenfalls rein gesellschaftliche Konsequenzen.731 2. Anforderungen des Presserates an den Wirtschaftsjournalismus Als Reaktion auf die oben dargestellten Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz und insbesondere im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des § 34b WpHG hat der Deutsche Presserat im März 2006 Ziffer 7 des Pressekodex, welche das Trennungsgebot von Redaktion und Werbung beinhaltet, durch Richtlinie 7.4732 ergänzt. Nähere Erläuterungen zu der neuen Richtlinie und allgemein zu den Verhaltensvorschriften für Wirtschaftsjournalismus geben detailliert die „Journalistische(n) Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserates zur Wirtschaftsund Finanzmarktberichterstattung“ 733. Diese bilden auch den Ausgangspunkt der folgenden Darstellung, da in ihnen nach dem Verständnis des Presserates die Vorschriften enthalten sind, die im Zusammenhang mit Wirtschaftsjournalismus zu beachten sind.

731 Kloepfer, AfP 2005, 118, 119 nennt als Beispiel im Zusammenhang mit dem Redaktionsdatenschutz den Ansehensverlust unter Journalistenkollegen. Die Besonderheit beim Redaktionsdatenschutz ist jedoch, dass dort bei Nichteinhaltung der Selbstverpflichtungserklärung die staatliche Datenschutzkontrolle Anwendung findet und es insoweit rechtliche Relevanz erlangt, wenn ein Verlag dieser Selbstverpflichtungserklärung nicht nachkommt, Rosenhayn, in: Deutscher Presserat (Hrsg.), Bericht zum Redaktionsdatenschutz 2004, S. 55, 60 ff. 732 „Journalisten und Verleger, die Informationen im Rahmen ihrer Berufsausübung recherchieren oder erhalten, nutzen diese Informationen vor ihrer Veröffentlichung ausschließlich für publizistische Zwecke und nicht zum eigenen persönlichen Vorteil oder zum persönlichen Vorteil anderer. Journalisten und Verleger dürfen keine Berichte über Wertpapiere und/oder deren Emittenten in der Absicht veröffentlichen, durch die Kursentwicklung des entsprechenden Wertpapieres sich, ihre Familienmitglieder oder andere nahestehende Personen zu bereichern. Sie sollen weder direkt noch durch Bevollmächtigte Wertpapiere kaufen bzw. verkaufen, über die sie zumindest in den vorigen zwei Wochen etwas veröffentlicht haben oder in den nächsten zwei Wochen eine Veröffentlichung planen. Um die Einhaltung dieser Regelungen sicherzustellen, treffen Journalisten und Verleger die erforderlichen Maßnahmen. Interessenkonflikte bei der Erstellung oder Weitergabe von Finanzanalysen sind in geeigneter Weise offenzulegen.“ 733 Im Folgenden bezeichnet als „Journalistische Verhaltensgrundsätze“. Sie gehen zurück auf die sog. „Journalistische(n) Verhaltensgrundsätze des Deutschen Presserates zu Insider- und anderen Informationen mit potentiellen Auswirkungen auf Wertpapierkurse“, die erstmalig im Mai 2000 als Reaktion auf die damalige Diskussion über den Umgang von Journalisten mit Insiderinformationen erlassen wurden. Bei diesen stand dementsprechend der Umgang mit Insiderinformationen im Vordergrund.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

a) Erster Teil der Journalistischen Verhaltensgrundsätze Der erste Teil der Journalistischen Verhaltensgrundsätze setzt sich aus „I. Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz“ und „II. Gesetzliche Regelungen“ zusammen. Er beinhaltet weder Teile des Kodex noch seiner Richtlinien, also gerade keine eigenen Vorgaben des Presserates. Dennoch sollen diese Gesetzesvorschriften durch die Aufnahme in die Journalistischen Verhaltensgrundsätze nicht Teil des Pressekodex in dem Sinne werden, dass der Presserat auch auf die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelungen achtet. Hintergrund der Aufnahme ist vielmehr, dass mit den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen ein Regelwerk geschaffen werden sollte, welches alle Anforderungen zusammenfasst, die Wirtschaftsjournalisten bei ihrer Tätigkeit beachten müssen, und diese erläutert. Hierzu gehört auch zwingendes Gesetzesrecht, das nicht durch entsprechende Regelungen der Selbstkontrolle ersetzt werden kann.734 Rechtliche Verbindlichkeit haben diese Erläuterungen der gesetzlichen Verhaltensvorschriften durch den Presserat jedoch nicht. Zunächst bekennt sich der Presserat zur Pressefreiheit, sodann folgen Ausführungen zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes. In Bezug auf Insiderregelungen werden ergänzende Erläuterungen zu § 14 WpHG gegeben, wobei das Ergebnis auch hier ist, dass Journalisten Insiderinformationen in keiner Weise für eigene Wertpapiergeschäfte nutzen dürfen und eine Weitergabe bzw. die Abgabe von Empfehlungen in Kenntnis einer Insiderinformation nur dann zulässig ist, wenn dies im Rahmen der journalistischen Tätigkeit geschieht. Insoweit deckt sich das Verständnis des Presserats vom Umgang mit Insiderinformationen mit der gesetzlichen Regelung, mit der Einschränkung, dass die Frage unbeantwortet bleibt, ob Bereichsöffentlichkeit geschaffen werden muss. Die Erläuterungen, die in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen zum gesetzlichen Manipulationsverbot nach § 20a WpHG gegeben werden, legen den Tatbestand signifikant enger aus als vom Gesetzgeber vorgesehen: nur bei direkter persönlicher Gewinnabsicht soll der Journalist dem allgemeinen Bewertungsmaßstab des § 20a Abs. 1 WpHG unterliegen, während § 20a Abs. 6 WpHG vom direkten oder indirekten Ziehen von Nutzen oder Schöpfen von Gewinnen spricht. Schließlich wird das Scalping erläutert und darauf hingewiesen, dass auch bei diesem keine Privilegierung nach § 20a Abs. 6 WpHG erfolge. Dies entspricht insoweit den gesetzlichen Vorgaben.

734 Dies betont auch Peter Ehrlich, der als Chefkorrespondent der Financial Times Deutschland an dem Verhaltenskodex mitgearbeitet hat und damit den „Journalisten und Redaktionen Orientierung“ geben möchte, die sich „nur selten mit marktrelevanten Themen befassen“, Pressemitteilung des Deutschen Presserates v. 24.3.2006, abrufbar unter www.presserat.ino (besucht am 10.7.2009).

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b) Zweiter Teil der Journalistischen Verhaltensgrundsätze Im zweiten Teil der Journalistischen Grundsätze gibt der Presserat diejenigen Bestimmungen des Pressekodex und der Richtlinien wieder, die nach seiner Auffassung von besonderer Bedeutung und praktischer Relevanz für die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung sind.735 Gleichzeitig werden diese Grundsätze erläutert und anhand von Beispielen konkretisiert. Es findet dabei eine Unterteilung in folgende vier Bereiche statt: Wirtschaftliche Interessen [aa)],736 Sorgfaltspflichten [bb)],737 Vereinbarte Vertraulichkeit738 [cc)] und Unabhängigkeit der Presse739 [dd)]. aa) Wirtschaftliche Interessen Die zentralen Regelungen zum Umgang mit wirtschaftlichen Interessen finden sich in Ziffer 7 und Richtlinie 7.4.740 Danach darf die Berichterstattung „nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden“. Außerdem hat eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken zu erfolgen. Diese Gebote werden dergestalt konkretisiert, dass Journalisten im Rahmen ihrer Berufsausübung erlangte Informationen nicht zum „eigenen persönlichen oder zum persönlichen Vorteil anderer“ ausnutzen dürfen. Des Weiteren dürfen keine Berichte über Wertpapiere oder Emittenten in der Absicht einer Bereicherung des Journalisten selbst oder eines seiner Familienmitglieder veröffentlicht werden. Zusätzlich wird eine zweiwöchige Sperrfrist vor und nach einer entsprechenden Berichterstattung festgelegt. Diese wird weiter hinten wie folgt erläutert: Innerhalb dieser zwei Wochen vor und nach der Veröffentlichung ist ein Handel mit den beschriebenen Wertpapieren generell unzulässig, unabhängig davon, ob der Journalist in Bereicherungsabsicht handelt oder nicht. Über diese zwei Wochen hinaus ist ein solcher Handel untersagt, wenn er in persönlicher Bereicherungsabsicht erfolgt. Schließlich werden Journalisten und Verleger aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte bei der Erstellung oder Weitergabe von Finanzanalysen offenzulegen.

735 „Der Pressekodex legt – soweit er speziell Insiderinformationen und Finanzmarktberichterstattung betrifft – insbes. fest:“, S. 5 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 736 S. 5–9 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 737 S. 10 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 738 S. 10 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 739 S. 11 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 740 Der Abschnitt über die wirtschaftlichen Interessen stellt auch seinem Umfang nach den Schwerpunkt der Journalistischen Verhaltensgrundsätze dar.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

Im Anschluss hieran geben die Journalistischen Verhaltensgrundsätze Handlungsanleitungen für die Umsetzung der Organisations- und Offenlegungspflichten, wobei der Schwerpunkt auf den Offenlegungspflichten liegt. Dabei wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass innerhalb der Verlage entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssten. Als Beispiel für die Offenlegung von Interessenkonflikten wird vorgeschlagen, ein unternehmensinternes Register anzulegen, in welchem der einzelne Journalist seinen Aktienbesitz offenlegen müsse. Die Vorgesetzten hingegen sollen ihren Aktienbesitz beispielsweise einem Notar gegenüber offen legen. Eine Sicherstellung der Einhaltung dieser Regeln kann dadurch erfolgen, dass diese Pflichten in den jeweiligen Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Solche unternehmensinternen Maßnahmen begrüßt der Presserat ausdrücklich. Eine mögliche Organisationsmaßnahme zur Vermeidung interner Interessenkonflikte kann die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen sein, also dass nicht alle Informationen allen Redaktionsmitgliedern zugänglich sind.741 Diese Ausführungen zeigen, dass zwischen einer Kontrolle durch den Presserat und einer unternehmensinternen Kontrolle kein Konkurrenzverhältnis besteht, sondern dass sich die verschiedenen Maßnahmen ergänzen sollen. Außerdem ist bereits an dieser Stelle – ohne dass hier ein ausführlicher Vergleich mit § 34b WpHG erfolgen soll – festzustellen, dass sich der Presserat bei der Formulierung seiner eigenen Maßstäbe stark von den gesetzlichen Vorgaben hat beeinflussen lassen, was beispielsweise durch die Fixierung auf den Begriff der Finanzanalyse deutlich wird. bb) Sorgfaltspflichten In Bezug auf die Sorgfaltspflichten bestimmt der Pressekodex in Ziffer 2, dass „zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild (. . .) mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen“ sind, der Sinn weder entstellt noch verfälscht werden dürfe und unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen als solche erkennbar gemacht werden müssten. In den Erläuterungen hierzu wird betont, dass dies insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen von Bedeutung sei. Fast wortgleich mit § 34b Abs. 1 WpHG wird festgestellt, dass die „erforderliche Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gewährleistet werden“. Was genau damit gemeint ist, wird nicht weiter erläutert.

741

S. 8 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733).

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cc) Vereinbarte Vertraulichkeit Ziffer 5 des Pressekodex bestimmt, dass vereinbarte Vertraulichkeit grundsätzlich zu wahren ist. Richtlinie 5.1 macht hiervon eine Ausnahme für den Fall, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit höher sei als die für die Geheimhaltung sprechenden Gründe. Bezogen auf Insiderinformationen bedeutet dies – insoweit entspricht es der Auslegung des gesetzlichen Insiderhandelsverbots nach § 14 WpHG – ,dass die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt sein kann. dd) Unabhängigkeit der Presse Zuletzt wird in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen auf Ziffer 15 des Pressekodex verwiesen, der jegliche Vorteilsannahme als mit der Unabhängigkeit der Presse unvereinbar einstuft: „Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.“ Zur Klarstellung wird betont, dass dieser Grundsatz für die Wirtschaftsund Finanzmarktberichterstattung genauso gelte wie in allen anderen Bereichen des Journalismus. c) Weitere Vorgaben des Pressekodex und seiner Richtlinien Neben den in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen aufgeführten Regeln enthalten auch andere Bestimmungen des Pressekodex wichtige Vorgaben für den Wirtschaftsjournalismus. aa) Trennung von Tätigkeiten Von besonderem Interesse und überraschenderweise nicht in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen enthalten ist die Regelung der Ziffer 6 des Pressekodex, welche die Trennung von Tätigkeiten wie folgt festlegt: „Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen“. Richtlinie 6.1 konkretisiert dies dahingehend, dass Journalisten und Verleger, die neben ihrer publizistischen Tätigkeit noch eine andere Tätigkeit ausüben – als Beispiel wird die Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen genannt – auf eine strikte Trennung dieser Funktionen achten müssen. Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Somit wird erstmalig eine ausdrückliche Regelung für den Umgang mit Interessenkonflikten auch bei Gastbeiträgen getroffen. Zwar wird sich der Gastautor selbst nicht an den Pressekodex gebunden fühlen, zumal ihn die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten nicht unmittelbar betreffen, der Verleger aber, der für sämtliche Veröffentlichungen einzustehen hat, wird jedoch daran interessiert sein, dass auch Gastautoren die Verpflichtungen ein-

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halten, da die Verleger anderenfalls Adressaten einer der Sanktionen des Presserates sind. bb) Trennung von Werbung und Redaktion Zu nennen ist außerdem das Gebot der Trennung von Werbung und Redaktion der Ziffer 7 des Pressekodex, welches sicherstellen will, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter bzw. der Journalisten beeinflusst werden. Neben der bereits oben dargestellten Richtlinie 7.4 sind auch die anderen Konkretisierungen dieses Gebots von Bedeutung. Richtlinie 7.1 bestimmt, dass bezahlte Veröffentlichungen von redaktionellen Veröffentlichungen getrennt werden müssen, Richtlinie 7.2 statuiert das Verbot der Schleichwerbung. Schließlich legt Richtlinie 7.3 fest, dass Sonderveröffentlichungen wie redaktionelle Beiträge zu behandeln sind. Dies bedeutet, dass beispielsweise die in der F.A.Z. regelmäßig erscheinende Beilage „Derivate“742 in gleicher Weise die Anforderungen des Pressekodex erfüllen muss wie der täglich erscheinende Finanzmarktteil. 3. Vergleich mit den Vorgaben von § 34b Abs. 4 WpHG und Bewertung Von besonderem Interesse ist nun, ob diese Form der Presseselbstkontrolle die Anforderungen des § 34b Abs. 4 WpHG erfüllt. Dabei bietet es sich wiederum an, zwischen der inhaltlichen Ausgestaltung und der praktischen Umsetzung der Kontrolle zu unterscheiden. a) Inhaltliche Ausgestaltung Vergleicht man die Ziffern des Pressekodex und seine Richtlinien sowie die Journalistischen Verhaltensgrundsätze mit den Vorgaben von § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG und der Finanzanalyseverordnung, dann fällt auf, dass die Regelungen in ihrem Ausgangspunkt übereinstimmen: So finden sich in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen Offenlegungs- und Organisationspflichten, von denen letztere über die gesetzlichen Vorschriften sogar hinausgehen.743 Und auch bezüglich der Sorgfaltspflichten bestimmen sie, dass Finanzanalysen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erstellen sind.744 Bei der Konkretisierung der Sorgfaltspflichten bleiben die Journalistischen Verhaltensgrundsätze dann aber hinter der Ausgestaltung durch die Fi742

Siehe hierzu den Nachweis in Fn. 228. Vor allem die Handelsverbote sind deutlich strenger, Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 228. 744 S. 10 Journalistische Verhaltensgrundsätze (Fn. 733). 743

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nanzanalyseverordnung weit zurück, sie legen ihren Schwerpunkt auf die Formulierung von Regeln zum Umgang mit wirtschaftlichen Interessen und Interessenkonflikten. So fehlt beispielsweise ein Gebot zur Trennung von Tatsachen und Werturteilen genauso wie ein Gebot der Nachvollziehbarkeit oder zur Offenlegung der Identität.745 Festzuhalten ist aber auch, dass die in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen formulierten Pflichten nicht im Widerspruch zu den Pflichten von § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG und der Finanzanalyseverordnung stehen. Auch geht der Presserat davon aus, dass die gesetzlichen Pflichten, die nicht ausdrücklich im Pressekodex oder den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen enthalten sind, dennoch von den Journalisten eingehalten werden müssen, man die entsprechenden Pflichten aus § 34b Abs. 1, 2 und 5 WpHG und der Finanzanalyseverordnung also in die allgemein gehaltenen Ziffern des Pressekodex hineinlesen könne bzw. müsse.746 Wenn man nun den oben dargestellten Maßstab anlegt,747 dann bedeutet dies, dass die Selbstregulierung durch den Deutschen Presserat vergleichbar ist im Sinne von § 34b Abs. 4 WpHG, solange die schriftlich fixierten Regelungen entsprechend der Konkretisierungen der FinAnV auslegt werden.748 Dass die Pflichten nicht schriftlich fixiert sind, ist so lange unschädlich, wie sich die Journalisten dennoch an diese – ihnen möglicherweise gar nicht bekannten – Pflichten halten werden, z. B., weil es sich um Regeln handelt, die sich aus der Natur der Sache ergeben. Dies ist dann aber Teil der noch zu untersuchenden Frage nach der effektiven Durchsetzbarkeit der oben dargestellten Pflichten. Auffällig ist, dass die Ziffern des Pressekodex für alle Formen von Veröffentlichungen gelten. Richtlinie 7.4 dagegen ist im Hinblick auf die Offenlegung von Interessenkonflikten auf Finanzanalysen beschränkt, wobei in den Erläuterungen hierzu wieder von „insbesondere bei Finanzanalysen“ die Rede ist. Meines Erachtens hat sich der Presserat hier zu sehr an den Vorgaben des § 34b WpHG orientiert, der nur für Finanzanalysen gilt. Es sind keine Gründe ersicht745 Teilweise kann hier auf die Impressumspflichten (z. B. § 8 LPG in Baden-Württemberg) der jeweiligen Landespresse- und Landesmediengesetze zurückgegriffen werden, welche jedoch regelmäßig hinter den Vorgaben der Finanzanalyseverordnung zurückbleiben. 746 So eine Vertreterin des Presserates gegenüber der Verfasserin. 747 Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 228 geht dagegen davon aus, dass der Pressekodex derzeit die Anforderungen des § 34b WpHG nicht erfüllt. Dabei stellt er vor allem auf die einzelnen Konkretisierungen durch die FinAnV ab, für die der Pressekodex keine Entsprechungen enthält. Die Darstellungen von Spindler (NZG 2004, 1138) und Kämmerer/Veil (BKR 2005, 379) sind dagegen aus einer Zeit, als der Pressekodex noch nicht überarbeitet war, sodass ihre Ausführungen hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Regelungen keinen Bestand mehr haben. 748 Angesichts dessen, dass die Journalistischen Verhaltensgrundsätze aber auch dazu dienen sollen, den Journalisten einen Leitfaden an die Hand zu geben, welche Pflichten bei der Erstellung und Weitergabe einer Finanzanalyse zu beachten sind, bestehen in jedem Fall Verbesserungsmöglichkeiten.

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lich, warum nicht alle redaktionellen Veröffentlichungen im Bereich des Wirtschaftsjournalismus den speziellen Anforderungen der Journalistischen Verhaltensgrundsätze entsprechen sollten, wie dies beispielsweise beim DAI-Kodex749 vorgesehen war. Dies sollte der Pressekodex dann aber auch deutlich formulieren und sich nicht in den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen auf Finanzanalysen beschränken. Es ist somit festzuhalten, dass es der Presserat bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Journalistischen Verhaltensgrundsätze in weiten Teilen versäumt hat, eigene Maßstäbe zu setzen. Vielmehr hat er sich sehr eng an den Vorgaben des § 34b WpHG und dessen Konkretisierung in der FinAnV orientiert, ist aber dann in der Präzisierung und den Anforderungen hinter diesen Vorschriften zurückgeblieben. Positiv hervorzuheben ist der ausdrückliche Hinweis auf die Notwendigkeit entsprechender unternehmensinterner Regelungen, da nur so die einzelnen Journalisten rechtlich verbindlich verpflichtet werden können. b) Praktische Umsetzung Es muss nun geprüft werden, inwieweit wirksame Kontrollmechanismen bestehen, die sicherstellen, dass die soeben formulierten Pflichten – einschließlich der ungeschriebenen Regeln – eingehalten und auch insoweit die Anforderungen von § 34b Abs. 4 WpHG erfüllt werden. Bisher ist kein Verfahren vor dem Presserat bekannt, das wegen eines Verstoßes gegen die neue Richtlinie 7.4 oder die Journalistischen Verhaltensgrundsätze durchgeführt worden wäre. Dies könnte bedeuteten, dass sich die Journalisten an alle Pflichten – und zwar auch an die nicht schriftlich fixierten – halten und somit neben vergleichbaren Regeln im Sinne des § 34b WpHG auch wirksame Kontrollmaßnahmen bestehen, die Selbstregulierung durch den Deutschen Presserat also die Vorgaben von § 34b Abs. 4 WpHG erfüllt. Doch geht von solch einer Deutung der Zahlen nicht einmal der Presserat selbst aus. Vielmehr ist dort zu hören, dass man mit der aktiven Umsetzung der Journalistischen Verhaltensgrundsätze noch nicht begonnen habe – und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem das Anlegerschutzverbesserungsgesetz seit mehr als vier Jahren inkraftgetreten ist. So bleibt die Selbstkontrolle im Bereich des Wirtschaftsjournalismus weit hinter den Aktivitäten im Bereich des Redaktionsdatenschutzes750 zurück und dies, obwohl beiden eine ähnliche Regelungsstruktur zugrunde liegt. Als Grund hierfür nennt der Presserat zum einen, dass ihm im Bereich des Redaktionsdatenschutzes konkretere Vorgaben gemacht worden

749

Zu diesem oben unter I. Siehe zur Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz oben in Kapitel 4 A. II. 2. h) bb) und Fn. 543. 750

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seien, als Beispiel wird die Aufforderung zur Gründung eines speziellen Beschwerdeausschusses genannt.751 Zum anderen spielt nach Ansicht des Presserates im Bereich des Finanzjournalismus der Internetjournalismus eine große Rolle. Daher war nach Auffassung des Presserates zunächst einmal eine Zuständigkeit für die Kontrolle von Onlinejournalismus zu begründen,752 bevor man im Bereich des Wirtschaftsjournalismus richtig aktiv werden konnte. Nach einigen Verzögerungen hat der Presserat eine solche Ausweitung seiner Zuständigkeit auf Onlinejournalismus im November 2008 beschlossen.753 Bemühungen zur effektiven Kontrolle des Wirtschaftsjournalismus, die mit den Aktivitäten im Bereich des Redaktionsdatenschutzes vergleichbar wären, sind bisher aber dennoch nicht zu beobachten, sodass abzuwarten bleibt, ob und wie der Presserat die von § 34b Abs. 4 WpHG geforderte aktive Überwachungsfunktion einnehmen wird. Gleichwohl muss man die fehlenden Fälle durchgeführter Kontrollverfahren in der Praxis auch nicht in dem Sinne verstehen, dass der Pressekodex und seine Konkretisierungen völlig wirkungslos wären. Jedoch führt die derzeitige Praxis des Presserates dazu, dass eine vergleichbare Regelung im Sinne von § 34b Abs. 4 WpHG nicht vorliegt. Dies liegt offensichtlich daran, dass der Presserat die Durchsetzung seiner Journalistischen Verhaltensgrundsätze nicht konsequent betreibt. Dass dies von der BaFin hingenommen wird, erstaunt doch, schließlich besteht hinsichtlich der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie ein Umsetzungszwang.754 Auch wenn es derzeit an einer aktiven Umsetzung der Journalistischen Verhaltensgrundsätze fehlt, soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, eine Bewertung des derzeitigen Modells vorzunehmen. Mangels tatsächlich durchgeführter Verfahren kann eine solche Bewertung von vornherein nur theoretischer Natur sein. Die zum Teil geäußerte generelle Kritik an der Arbeit des

751 Diese Vorgaben finden sich in der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, BR-Drs. 461/00, S. 117 (Begründung zu § 41 BDSG). Dort ist unter anderem von der Schaffung eines eigenen Beschwerdeverfahrens die Rede, das Betroffenen die Möglichkeit einer presseinternen Überprüfung beim Umgang mit personenbezogenen Daten ermöglicht. Dagegen finden sich in der Begründung zum AnSVG keine entsprechenden Vorgaben für eine verfahrensmäßige Ausgestaltung eines Kontrollverfahrens für Wirtschaftsjournalismus beim Presserat. 752 So eine Vertreterin des Presserates in einem Telefonat mit der Verfasserin. 753 Siehe die Pressemitteilung des Presserates v. 4.12.2008, abrufbar unter www. presserat.info (besucht am 10.7.2009): Ab dem 1.1.2009 sind auch Beschwerden gegen Online-Beiträge möglich. 754 In der Praxis besteht nach Angaben von Presserat und BaFin (so zumindest jeweils ein Vertreter in einer E-Mail gegenüber der Verfasserin) ein Kooperationsverhältnis zwischen beiden Institutionen. Dies bedeutet, dass die BaFin bisher im Bereich der pressespezifischen Kontrolle nicht aktiv wird.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

Presserates soll dabei außen vor bleiben,755 im Blickpunkt stehen vielmehr die Besonderheiten im Bereich der Kontrolle von Wirtschaftsjournalismus. Soweit die verfahrensmäßige Ausgestaltung betroffen ist, sollte man, wie im Bereich des Redaktionsdatenschutzes üblich, die explizite Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung anstelle einer Anzeige nach § 34c WpHG verlangen und diese veröffentlichen, nicht zuletzt damit für die BaFin und alle anderen Interessierten ersichtlich ist, wer sich dem Pressekodex unterwirft. Zwar reicht dafür die Selbstverpflichtungserklärung – zumindest soweit es um die Verlage geht – in ihrer derzeitigen Form grundsätzlich aus, jedoch wird diese aufgrund der Passivität des Presserates im Bereich des Wirtschaftsjournalismus eher mit dem Redaktionsdatenschutz als mit dem Wirtschaftsjournalismus in Verbindung gebracht. Auch sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, den einzelnen Journalisten einzubinden, sei es, dass auch dieser eine Selbstverpflichtungserklärung zur Einhaltung insbesondere der Journalistischen Verhaltensgrundsätze gegenüber dem Presserat abgeben kann, sei es, dass der Presserat entsprechende unternehmensinterne Anzeigepflichten vorgibt. Eine weitere Schwäche der derzeitigen Ausgestaltung des Verfahrens vor dem Presserat für den Bereich des Finanzjournalismus besteht darin, dass der Presserat nicht von sich aus tätig wird, obwohl ihm dies nach der Beschwerdeordnung möglich wäre. Zwar sprechen gute Gründe für eine Zurückhaltung des Presserates,756 dennoch sollte diese Zurückhaltung überdacht werden. Denn im Gegensatz zu Persönlichkeits- und Datenschutzverletzungen kommt es im Bereich des Wirtschaftsjournalismus, gerade wenn es um die Finanzmarktberichterstattung geht, in aller Regel nicht zur Verletzung von Individualrechtsgütern,757 sodass es an einem unmittelbar Betroffenen fehlt, der an der Verfolgung eines Verstoßes ein Interesse haben könnte. Auch sind Verstöße gegen die Journalistischen Verhaltensgrundsätze nicht offensichtlich – etwa weil sie anstößig wären – und erregen daher kaum das Aufsehen des Durchschnittslesers, weshalb auch von diesen keine Beschwerden zu erwarten sind. Somit steht im Bereich des Wirtschaftsjournalismus das Beschwerderecht zwar jedermann zu, es fehlt aber an Beschwerdeführern, die ein Interesse daran haben könnten, es auszuüben. Daher sollte der Presserat überdenken, ob für den Bereich des Finanzjournalismus 755 Zu dieser Stürner, Gutachten A, A 34, der als Hauptkritikpunkte das Fehlen fachfremder Persönlichkeiten als Repräsentanten der Leser in den Gremien, die Unmöglichkeit der verfahrensförmigen Wahrheitserforschung und die fehlende Vollstreckbarkeit der Veröffentlichung von Rügen nennt. Gleichzeit stellt Stürner aber fest, dass die Grundidee des deutschen Selbstregulierungsmodells überwiegend positiv beurteilt werde; siehe hierzu auch Löffler, NJW 1981, 908, 908 f. 756 Zu diesen oben Fn. 719. 757 Eine Ausnahme bildet das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Emittenten. Zu diesem unten in Kapitel 6 B. I. 5.

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nicht auch ein spezieller Ausschuss eingerichtet werden sollte, der sinnvollerweise mit Personen besetzt sein müsste, die über ein besonderes Fachwissen im Bereich des Finanzmarktes verfügen und daher in der Lage sind, entsprechende Verstöße zu erkennen und gegen diese aktiv vorgehen.758 Aufgrund der dargestellten Schwächen ist die derzeitige praktische Umsetzung nicht so, dass die Selbstregulierung durch den Presserat vergleichbar im Sinne von § 34b Abs. 4 WpHG wäre. Zwar ist die Formulierung der Journalistischen Verhaltensgrundsätze ein erster Schritt in die richtige Richtung. Was aber jetzt folgen muss, ist eine aktive Umsetzung, die sich an den oben dargestellten Verbesserungsvorschlägen und insbesondere an dem Modell der Freiwilligen Selbstkontrolle für Redaktionsdatenschutz orientieren sollte. III. Unternehmensinterne Kontrolle Den zweiten großen Bereich der Selbstkontrolle im Bereich des Finanzmarktjournalismus bildet die unternehmensinterne Selbstkontrolle. Im Zusammenhang mit dieser sind ganz unterschiedliche Ausgestaltungen denkbar – unterschiedlich sowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auch hinsichtlich ihrer rechtlichen Umsetzung. Im Mittelpunkt stehen zumeist sog. Verhaltenskodizes, auch Ethikrichtlinien genannt. Auffällig ist, dass sich diese verlagsinternen Regelwerke in aller Regel nicht als Konkurrenz zum Pressekodex sehen, sondern vielmehr neben diesem bestehen und auch die erforderliche Kontrolle nach § 34b WpHG nur im Zusammenspiel mit dem Pressekodex ersetzt werden soll.759 Sinn der Einführung eigener unternehmensinterner Pflichten ist neben einer positiven Außendarstellung,760 dass den Redakteuren aufgezeigt wird, welche Regeln von ihnen einzuhalten sind. Da im Außenverhältnis das Presseunternehmen selbst für die

758 Auf diese Problematik der fehlenden Beschwerden aus der Leserschaft hingewiesen, hat eine Vertreterin des Presserates der Verfasserin erwidert, dass die BaFin eine solche Beschwerde einreichen könne. Dies ist meines Erachtens jedoch widersprüchlich, war es doch der Presserat, der den Einfluss der BaFin im Bereich des Finanzjournalismus so gering wie möglich halten wollte. Außerdem ist es derzeit so, dass aufgrund des Kooperationsverhältnisses von BaFin und Presserat die BaFin im Hinblick auf Wirtschaftsjournalismus gerade nicht aktiv wird, sodass schon aus diesem Grund keine Beschwerden der BaFin zu erwarten sind. 759 So ist meines Wissens kein Fall bekannt, in dem ein Verlag ohne eine Zusammenarbeit mit dem Presserat und ohne Beachtung des Pressekodex versucht, eine vergleichbare Selbstkontrolle im Sinne von § 34b WpHG zu schaffen. 760 Vgl. Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 698, die weitere Gründe für die Einführung von Verhaltenskodizes nennen. Nach Junker, BB 2005, 602 solle bereits durch die Verwendung der „hochtrabenden Titel („Code of Ethical Conduct“, „Charte d’Ethique“) signalisiert werden, dass das Verhalten der Konzernmitarbeiter über jeden Zweifel erhaben“ sei.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

Einhaltung der diversen Pflichten verantwortlich ist,761 haben die Presseunternehmen ein starkes wirtschaftliches Interesse daran, ihre Mitarbeiter auf die bestehenden Pflichten hinzuweisen und sie dann auch rechtsverbindlich zu deren Einhaltung zu verpflichten. 1. Inhalt der unternehmensinternen Verhaltenskodizes Bei der inhaltlichen Ausgestaltung unternehmensinterner Kodizes sind vielfältige Regelungen denkbar. Dies folgt daraus, dass der Gestaltungsspielraum angesichts fehlender Getung Geltung der Pressefreiheit im Arbeitsverhältnis größer ist als der Spielraum, der dem Staat zusteht.762 Auch sollen die Kodizes zumeist nicht allein für eine Ersetzung der Vorgaben des § 34b Abs. 4 WpHG sorgen, sondern neben die entsprechenden Regelungen des Pressekodex treten, sodass sich die Verlage bei der Formulierung ihrer Kodizes relativ frei fühlen. Es fällt auf, dass bei den unternehmensinternen Kodizes regelmäßig zuerst einmal die gesetzlichen Regelungen wiederholt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Erläuterung des Insiderrechts nach dem Wertpapierhandelsgesetz, welche regelmäßig in den entsprechenden Kodizes enthalten ist.763 Grund für die ausführliche Darstellung des Gesetzeswortlauts ist, dass den Journalisten, die die Artikel tatsächlich verfassen, die einschlägigen gesetzlichen Regeln schlicht unbekannt sein dürften und eine fehlende Einhaltung der gesetzlichen Regeln möglicherweise auf die fehlende Kenntnis zurückzuführen sein könnte. Hauptbestandteil eines unternehmensinternen Kodex ist zumeist die Formulierung eigener Pflichten und Verbote, die im Einzelnen in ihrer Ausgestaltung von der Festlegung ganz konkreter Handlungsanweisungen bis hin zu rein programmatischen Aussagen reichen. Häufig anzutreffen sind Regelungen, die sich mit der Verhinderung von und dem Verhalten bei Interessenkonflikten befassen, welche durch ein Verbot flankiert werden, aus der Tätigkeit einen persönlichen Vorteil zu ziehen.764 Hinsichtlich des Inhalts der Klauseln dürfte eine Untertei761 So richten sich die Sanktionen des Presserates in aller Regel gegen die Verlage und nicht gegen die einzelnen Verfasser der Artikel (dazu oben unter II. 1.). Auch geschädigte Dritte werden sich zunächst einmal an den Verlag halten und nicht gegen die einzelnen Journalisten direkt vorgehen (hierzu unten in Kapitel 6 B. III. 2). 762 Die damit angesprochene Problematik wird auch als „innere Pressefreiheit“ bezeichnet. Sie ist letzlich ein Fall der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und besagt, dass sich Redakteure und Journalisten dem Verleger gegenüber nicht auf ihre Pressefreiheit berufen können (so die h. M., siehe statt vieler Bethge, in: Sachs, Art. 5 GG Rn. 81). Anders verhält es sich dagegen auf europäischer Ebene, da Art. 10 Abs. 1 EMRK zumindest eine gewisse innere Pressefreiheit anerkennt, indem dem Arbeitnehmer das Recht zuerkannt wird, sich gegenüber seinem Arbeitgeber auf das Recht auf freie Meinungsäußerung zu berufen (EGMR, Urteil v. 29.2.2000, Rs. 39293/98, Fuentes Bobo/Spanien), dazu Dörr/Zorn, NJW 2001, 2837, 2846. 763 Beispiel Handelsblatt-Verhaltenskodex (Fn. 809) S. 2.

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lung in folgende drei Kategorien sinnvoll sein: Klauseln, die das dienstliche Verhalten765 regeln, Klauseln, die sich mit außerdienstlichem Verhalten766 befassen und schließlich Klauseln, die die Anzeigepflicht von Verstößen gegen die Klauseln767 zum Gegenstand haben.768 Angesichts der Fülle der möglichen Klauseln ist es an dieser Stelle nicht möglich, vertiefter auf die konkreten Inhalte einzugehen, zumal viele dieser Kodizes nicht öffentlich zugänglich gemacht werden.769 2. Rechtliche Verbindlichkeit Rechtliche Verbindlichkeit der unternehmensinternen Kodizes ist auf unterschiedliche Art und Weise zu erreichen. Ausgangspunkt ist die vertragliche Vereinbarung, die zwischen dem Presseunternehmen und dem jeweiligen Autor geschlossen werden und zu deren Bestandteil ein Verhaltenskodex gemacht werden kann. Besonderheiten ergeben sich dann, wenn ein Beitrag dem Verlag unaufgefordert zugeschickt wird, wie dies vor allem bei Leserbriefen der Fall ist. Hier haben die Verlage keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung. Es kann jedoch der Redakteur, der über den Abdruck des Beitrags entscheidet, prüfen, ob der in dem Verhaltenskodex formulierte Standard eingehalten wurde. Da es sich bei Leserbriefen außerdem ganz offensichtlich um rein subjektive Stellungnahmen handelt, was bei entsprechender Kennzeichnung auch für die Leser erkennbar ist, ist das Konfliktpotential bei dieser Beitragsform ohnehin von vornherein begrenzt. Bei Journalisten, die in einem regulären Arbeitsverhältnis stehen, kann rechtliche Verbindlichkeit der unternehmensinternen Kodizes auf drei Arten erlangt werden: durch (einseitige) Ausübung des Direktions- bzw. Weisungsrechts, 764

Vgl. hierzu Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 700. Z. B. das Verbot, Geschenke von Dritten anzunehmen, vgl. Kock, MDR 2006, 673, 674. 766 Z. B. Beschränkungen des privaten Wertpapierbesitzes, vgl. Kock, MDR 2006, 673, 674. 767 Dabei handelt es sich um das sog. Whistleblowing, vgl. zu diesem Wisskirchen/ Jordan/Bissels, Der Betrieb 2005, 2190, 2192; Müller, NZA 2002, 424, 426. 768 Diese Unterteilung findet sich bei Kock, MDR 2006, 673, 673 f. Von Bedeutung ist diese Unterteilung insbes. für die Frage, wie diese Klauseln für den jeweiligen Redakteur rechtliche Verbindlichkeit erlangen können. Bei Borgmann, NZA 2003, 352, 352 f. findet sich eine andere Unterscheidung. Er differenziert etwas detaillierter in Regelungen mit ausschließlichem Tätigkeitsbezug, Regelungen mit Bezug auf die Tätigkeit und das sonstige Verhalten und Regelungen zum außerdienstlichen und privaten Verhalten. 769 Im Anschluss an die allgemeinen Ausführungen zum Inhalt und zur rechtlichen Einbeziehung werden unten unter 3. zwei Beispiele für solch unternehmensinterne Kodizes gegeben. 765

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durch individualvertragliche und durch kollektivrechtliche770 Vereinbarung. Welche dieser Formen gewählt werden kann, ist untrennbar mit dem Inhalt der jeweiligen Vereinbarung verbunden.771 a) Direktionsrecht Die aus Sicht des Verlages einfachste Möglichkeit, von seinen Mitarbeitern die Einhaltung bestimmter Vorgaben zu verlangen, ist die Ausübung des Direktionsrechts772, welches jedoch engen inhaltlichen Grenzen unterliegt. Das Direktionsrecht ergibt sich aus § 106 GewO und gilt im Arbeitsrecht allgemein. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleitung nach billigem Ermessen bestimmen (§ 106 S. 1 GewO). Außerdem erstreckt sich das Weisungsrecht auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb (§ 106 S. 2 GewO).773 aa) Regelmäßig nur im dienstlichen Bereich Relativ unproblematisch ist die Ausübung des Direktionsrechts bei Regelungen, die rein innerdienstlich sind.774 Hingegen kann das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers in aller Regel nicht mit Hilfe des Direktionsrechts bestimmt werden.775 Etwas anderes gilt für das außerdienstliche Verhalten dann, wenn ein hinreichender Bezug zur geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers besteht.776 Dann kann über eine entsprechende Pflicht zur Rücksichtnahme als arbeitsvertragliche Nebenpflicht das Weisungsrecht auch den außerbetrieblichen Bereich erfassen. Eine solche vertragliche Nebenpflicht kann das Interesse des Presseunternehmens an einer unabhängigen und von persönlichen Interessen der Journalisten freien Berichterstattung sein. Dadurch kann sich das Weisungsrecht beispielsweise auch auf Bereiche wie die private Vermögensbildung von Journalisten und etwaige nebenberufliche Tätigkeiten dieser Personen erstrecken.777

770 Neben dem praktisch nicht relevanten (Haus-)Tarifvertrag ist hiervon die Betriebsvereinbarung erfasst. Diese ist im Gesetz nicht definiert (Richardi, in: Richardi, § 77 Rn. 22), die Existenz dieses Rechtsinstituts wird jedoch insbes. in den §§ 87, 88 BetrVG vorausgesetzt. 771 Zu den möglichen Inhalten siehe oben unter 1. und die Nachweise in Fn. 768. 772 Siehe zur Einführung von Ethikrichtlinien über das Direktionsrecht Schuster/ Darsow, NZA 2005, 273. 773 Vgl. zum Inhalt des Direktionsrechts auch BAG NZA 2001, 111, 112 m.w.Nw. und Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 1016. 774 Borgmann, NZA 2003, 352, 353 für rein betrieblich wirkende Ethikrichtlinien. 775 Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 706 m.w.Nw. 776 Vgl. Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 706 m.w.Nw. 777 BAG NZA 2003, 166, 168.

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bb) Grenze: billiges Ermessen Doch besteht das Weisungsrecht nicht grenzenlos, vielmehr ist es nach billigem Ermessen auszuüben, vgl. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB.778 Hierbei erfolgt eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit einer gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen wird und vor allem, ob durch die Ausübung des Weisungsrechts ein grundrechtlich geschützter Bereich des Arbeitnehmers betroffen ist. Ist letzteres der Fall, besteht das Direktionsrecht nur in engen Grenzen. Dementsprechend führt das BAG in einem obiter dictum779 zu den Ethikrichtlinien der Handelsblatt-Verlagsgruppe, die den Besitz von Wertpapieren und die Ausübung von Nebentätigkeiten, welche die Unabhängigkeit der Berichterstattung beeinträchtigen, aus: „Die umstrittenen Regelungen beschränken die allgemeine Handlungsfreiheit und die Berufsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer. Solche Beschränkungen sind ohne eine darauf gerichtete Vereinbarung dem Weisungsrecht entzogen.“780 Zwar folgt hieraus nicht, dass sämtliche Klauseln in Verhaltenskodizes dem Weisungsrecht entzogen sind,781 gleichwohl wird deutlich, dass dem Weisungsrecht nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen kann, insbesondere wenn ein Bereich betroffen ist, der Außerdienstliches berührt. Ein weiterer Nachteil des Direktionsrechts ist schließlich, dass bei seiner Ausgestaltung immer auf das einzelne Arbeitsverhältnis abgestellt werden muss. Einheitliche Weisungen sind folglich immer nur für diejenigen Journalisten möglich, die mit den gleichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten betraut sind. cc) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Bei der Ausübung des Weisungsrechts sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu berücksichtigen,782 wobei im Bereich von Verhaltensrichtlinien

778 Weitere Grenzen des Direktionsrechts sind Arbeitsschutzbedingungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, vgl. Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 1017. 779 Obiter dictum deshalb, weil Gegenstand der Entscheidung eigentlich nur war, inwieweit der Betriebsrat bei der vertraglichen Einbeziehung einer Ethikrichtlinie zu beteiligen ist. Es wurde im konkreten Fall also gar nicht versucht, die Ethikrichtlinie über das Direktionsrecht in den Arbeitsvertrag einzubeziehen. Siehe zu diesem Aspekt der Entscheidung Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 708. 780 BAG NZA 2003, 167 f. 781 Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 708. 782 Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 1020; siehe auch BAG NZA 2000, 1357 f. für eine Mitbestimmung nach § 99 BetrVG. Dennoch spielt das Mitbestimmungsrecht gerade im Zusammenhang mit Weisungen eine eher untergeordnete Rolle, da Weisungen vor allem im Zusammenhang mit der Konkretisierung des Arbeitsverhaltens als solchem ergehen und insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, vgl. auch Fn. 784 und BAG NZA 1999, 1288, 1289.

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insbesondere die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG in Betracht kommen. Von besonderer Relevanz ist grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG für Regelungen über die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb.783 Im Gegensatz dazu sind Regelungen, die die betriebliche Arbeit784 und das außerbetriebliche Verhalten785 betreffen, mitbestimmungsfrei.786 Im Falle einer Ethikrichtlinie eines Presseunternehmens ist die betriebliche Mitbestimmung jedoch wegen der Sondervorschrift des § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG von nur geringer Relevanz, da diese die Mitbestimmung des Betriebsrates ausschließt, wenn sie „die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Freiheitsrecht verletzt“.787 Gleichwohl führt dies nicht zu einem generellen Ausschluss der betrieblichen Mitbestimmung. Insbesondere bei der Frage, auf welche Art und Weise eine Ethikrichtlinie umgesetzt wird, kann es sich um betriebliche Verhaltensregeln handeln, die nicht von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG erfasst sind, welcher grundsätzlich eng auszulegen ist.788 So hat das BAG in seinem Handelsblatt-Beschluss bestätigt, dass die 783 Es geht dabei um die „Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb“, BAGE 35, 150, 154; BAG NZA 1999, 1288, 1289; Richardi, in: Richardi, § 87 Rn. 175 f. m.w.Nw. 784 Dies sind die Regeln, mit denen der Arbeitgeber die Arbeitspflichten der Arbeitnehmer koordiniert, vgl. BAGE 35, 150, 155; Richardi, in: Richardi, § 87 Rn. 178; Kock, MDR 2006, 673, 675. 785 BAGE 90, 316, 324; BAG NZA 2003, 166, 168 m.w.Nw.; Richardi, in: Richardi, § 87 Rn. 182. 786 Die mittlerweile wohl h. M. geht davon aus, dass eine Ethikrichtlinie in einen mitbestimmungspflichtigen und einen mitbestimmungsfreien Teil unterteilt werden könne, siehe LAG Hessen, AuR 2007, 394; LAG Düsseldorf, NZA 06, 63; Schuster/ Darsow, NZA 2005, 273, 274; Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 713 f. 787 BAG NZA 2003, 166, 168: Entscheidend ist, dass die Wirtschaftszeitung ein berechtigtes Interesse daran hat, als frei und unabhängig zu gelten und daher legitimerweise entsprechende Regelungen im Hinblick auf ihre Angestellten treffen darf. „Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Ob oder beim Wie einer Regelung, die eine unabhängige und von Eigeninteressen der Redakteure freie Berichterstattung sicherstellen soll, würde in erheblicher Weise in die der Arbeitgeberin vorbehaltene Bestimmung und Verwirklichung der Tendenz eingreifen. Gleiches gilt für die Regelung eines Erlaubnisvorbehalts für Nebentätigkeiten.“ 788 So z. B. das BAG in seiner Entscheidung zum Verhaltenskodex der Handelsblatt Verlagsgruppe (BAG NZG 2003, 166, 170 f.): Die Frage, ob privater Wertpapierbesitz zur Wahrung der Unabhängigkeit der Zeitung offengelegt werden müsse, unterliege wegen § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG nicht der Mitbestimmungspflicht. Anders hingegen das „Wie“ der Umsetzung. In dem vom BAG entschiedenen Fall wurde ein Formular zur Mitteilung privaten Wertpapierbesitzes eingeführt, obwohl ein solches nicht zwingend erforderlich war, da ein privater Wertpapierbesitz auch auf andere Weise gemeldet werden kann. Bei der Verwendung eines solchen Formblatts handele es sich um eine betriebliche Verhaltensregel. § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG griffe in einem solchen Falle nicht, da eine Beschränkung des Mitbestimmungsrechts nur ausnahms-

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Einführung eines Formblattes eine Regelung der betrieblichen Ordnung darstellt, die nicht dem Tendenzschutz unterliegt und daher mitbestimmungspflichtig ist. b) Individualvertragliche Vereinbarung Eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung eines Verhaltenskodex ist die individualvertragliche Vereinbarung. Dabei kann zwischen einer ausdrücklichen und einer konkludenten Einbeziehung in das Arbeitsverhältnis unterschieden werden. Für beide gilt, dass die Mitbestimmungsrechte im gleichen Umfang wie beim Direktionsrecht bestehen.789 aa) Ausdrückliche Vereinbarung Bei der ausdrücklichen Einbeziehung ist zwischen Neueinstellungen und bestehenden Arbeitsverträgen zu unterscheiden. Wird ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen, dann kann eine Ethikrichtlinie ohne Weiteres zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemacht werden.790 Dabei bietet es sich an, nicht die zum Einstellungszeitpunkt gültige Ethikrichtlinie ihrem Wortlaut nach in den Arbeitsvertrag zu schreiben, sondern in diesen eine dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Form der Ethikrichtlinien aufzunehmen. Inhaltliche Grenze bilden dabei die §§ 305 ff. BGB.791 Wenn die Ethikrichtlinie Teil eines bereits bestehenden Arbeitsvertrages werden soll, dann bedarf es entweder einer Änderungsvereinbarung oder einer Änderungskündigung.792 Dabei darf ein Schweigen des Arbeitnehmers nicht als Zustimmung gewertet werden.793 Bei einer Änderungskündigung ist zusätzlich zu beachten, dass im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gem. § 1 Abs. 2 KSchG dringende betriebliche Erfordernisse gegeben sein müssen. Dies wird man im Ergebnis bei Einführung einer Ethikrichtlinie für die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung wohl

weise in Betracht komme und bei der Einführung eines Formblattes nicht der geschützte geistig ideelle Bereich betroffen sei, sondern vielmehr ein betrieblicher Arbeitsablauf, also kein „tendenzbezogenes Aufgabengebiet“. 789 Dazu oben unter a) cc). 790 Dies ergibt sich aus der noch weitgehend bestehenden Abschlussfreiheit beim Zustandekommen von Arbeitsverträgen, welche Ausfluss der Privatautonomie ist, vgl. Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 590, 593; siehe auch Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 709 f.; Borgmann, NZA 2003, 352, 354. 791 Wisskirchen/Jordan/Bissels, Der Betrieb 2005, 2190; Kock, MDR 2006, 673, 674; Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 709 f. 792 Triskatis, Ethikrichtlinien im Arbeitsrecht, S. 84 ff. 793 Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, statt aller Leipold, BGB I Einführung und Allgemeiner Teil, § 14 Rn. 26. Für die Geltung diese Grundsatzes im Arbeitsrecht Preis, in: ErfK, § 611 Rn. 375 m.w.Nw.

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bejahen können. Außerdem sind auch hier die Grenzen der §§ 305 ff. BGB zu beachten.794 bb) Konkludente Einbeziehung In einem gewissen Umfang ist auch eine konkludente Einbeziehung von Ethikrichtlinien möglich, und zwar im Rahmen der Konkretisierung der Arbeitspflicht des einzelnen Journalisten. Grundsätzlich muss der Journalist zwar so tätig werden, wie es ihm nach seinen Fähigkeiten bei angemessener Anstrengung möglich ist. Gleichwohl ist bei der Konkretisierung seiner Arbeitspflicht ein objektiver Maßstab anzulegen; konkludenter Bestandteil des Arbeitsvertrags des Journalisten ist folglich, dass er seine Tätigkeit unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auszuüben hat, wobei dieser Sorgfaltsmaßstab sich seinerseits anhand der branchenüblichen Gepflogenheiten konkretisieren lässt.795 Die branchenüblichen Gepflogenheiten können sich ihrerseits aus einer Ethikrichtlinie ebenso wie aus dem Pressekodex ergeben, wobei immer eine Einzellfallprüfung erforderlich ist, ob die jeweilige Regelung tatsächlich als allgemeiner Sorgfaltsmaßstab anerkannt ist.796 Dabei ist der Übergang zwischen konkludenter Vereinbarung und Weisung fließend. c) Betriebsvereinbarung Schließlich kann eine Ethikrichtline auch noch in Form einer Betriebsvereinbarung eingeführt werden.797 Gem. § 77 Abs. 4 BetrVG gilt der Inhalt einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich unmittelbar und zwingend für alle Arbeitnehmer eines Betriebs. Hieraus ergibt sich sogleich eine erste Schwäche: Es werden nur Arbeitnehmer (vgl. § 5 Abs. 1 BetrVG) erfasst.798 Es lassen sich zwei Formen der Betriebsvereinbarungen unterscheiden: Betriebsvereinbarungen über Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht besitzt, § 87 BetrVG, und „freiwillige“ Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG. Bei ersteren können sowohl der Betriebsrat als auch der Arbeitgeber den Abschluss einer Betriebsvereinbarung verlan794

Kock, MDR 2006, 673, 674; siehe außerdem die Nachweise oben in Fn. 791. Siehe zu diesem Bereich die ausführliche Darstellung bei Dietrich, Der Deutsche Presserat, S. 84 ff. 796 Ein Beispielsfall hierfür ist die Nennung falscher Informationen, welche z. B. auf unzulänglicher Recherche beruhen kann. Dieser Fall ist in Ziffer 2 des Pressekodex enthalten. 797 Triskatis, Ethikrichtlinien im Arbeitsrecht, S. 97 ff. 798 Wenn also eine einheitliche Regelung für alle Mitarbeiter angestrebt wird, dann müssen mit den Personen nach § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG entsprechende Regelungen individualvertraglich vereinbart werden. 795

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gen.799 Da aber der Bereich der betrieblichen Mitbestimmung in einem Presseunternehmen sehr gering ist, wird der häufiger anzutreffende Fall der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein.800 Dabei ist zu beachten, dass eine Betriebsvereinbarung den Inhalt eines bestehenden Arbeitsvertrages nicht abändern kann, es sein denn, die Regelung ist für den Arbeitnehmer günstiger.801 Da aber die Regelungen, die über eine Ethikrichtlinie eingeführt werden, in aller Regel für die Arbeitnehmer belastend und deshalb nachteilig sein werden, können bereits bestehende Arbeitsverträge nicht abgeändert werden. Im Hinblick auf Neueinstellungen ist der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung hingegen eine gute Möglichkeit, verbindliche Verhaltensregeln aufzustellen. d) Rechtsfolgen bei einem Verstoß Wenn die Ethikrichtlinie auf eine der oben dargestellten Arten Teil des Arbeitsverhältnisses wurde, gehört ihr Inhalt zu den arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein Verstoß kann eine Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung zur Folge haben.802 Normalerweise muss dabei einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung vorausgehen.803 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang aber auch eine in der Ethikrichtlinie selbst enthaltene sog. „vorweggenommene Abmahnung“ als zulässig erachtet, die dann eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung ermöglicht.804 Denkbar sind außerdem 799 Richardi, in: Richardi § 87 Rn. 79. Voraussetzung ist, dass sich die Mitbestimmug auf eine Regelung bezieht. 800 Dabei ist eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich in allen Bereichen möglich, zu berücksichtigen ist jedoch der Vorrang des Tarifvertrages vor einer Betriebsvereinbarung (ganz h. M., statt vieler Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 374 m.w.Nw.). 801 Sog. Günstigkeitsprinzip, BAG NZA 1987, 168, 169; BAG NZA 1990, 351; BAG NZA 2008, 542, 544; Weidenkaff, in: Palandt, Einf vor § 611 Rn. 73. Dabei ist umstritten, ob Maßstab für die Günstigkeit individuelle oder kollektive (so das BAG NZA 1987, 168) Günstigkeit ist. Ist die Regelung der Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger als die seines Arbeitsvertrages, wird die individualrechtliche Regelung lediglich für die Dauer der Gültigkeit der Betriebsvereinbarung verdrängt; Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 376. 802 Schuster/Darsow, NZA 2005, 273, 277: Gerade durch die Einführung einer Ethikrichtlinie mache der Arbeitgeber deutlich, dass er die in ihr geregelten Verhaltensweisen als besonders wichtig einstuft, sodass er einem Verstoß „kündigungsrelevaten Stellenwert beimisst“; siehe auch Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 719. 803 Preis, in: ErfK § 611 BGB Rn. 706. 804 So z. B. Schuster/Darsow, NZA 2005, 273, 277 mit Verweis auf ein obiter dictum des BAG in NZA 2001, 893, 898. Dagegen bezweifeln Eisenbeis/Nießen, in: FS Leinemann, S. 697, 719 f., dass in diesem obiter dictum eine echte Anerkennung gesehen werden könne. Sie lehnen die Zulässigkeit einer vorweggenommenen Abmahnung mit der Begründung ab, dass die Abmahnung als „gelbe Karte“ grundsätzlich erforderlich sei.

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in begrenztem Umfang Schadensersatzansprüche.805 Nicht möglich ist dagegen eine Entgeltkürzung.806 Wurde die Ethikrichtlinie als Betriebsvereinbarung eingeführt, sind außerdem Betriebsbußen möglich.807 3. Beispiele Die Darstellung der überhaupt möglichen Inhalte solcher Verhaltensrichtlinien würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Da außerdem bemerkenswerterweise nur einige wenige der im Bereich der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung existierenden Verhaltensrichtlinien öffentlich zugänglich sind, lassen sich nur schwer verallgemeinernde Aussagen treffen. An dieser Stelle sollen daher zwei Kodizes als Beispiele unternehmensinterner Regulierung vorgestellt werden, die ihrerseits auch einige Unterschiede aufweisen.808 a) Regelung zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit in der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH809 Die Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH hat bereits im Jahre 2000 einen eigenen Verhaltenskodex zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit formuliert. Zentrales Anliegen des Handelsblatt-Verhaltenskodex ist die Sicherung von Objektivität, Wahrhaftigkeit und Fairness sowie das Vertrauen der Leser und der Öffentlichkeit in die Wahrung von Unabhängigkeit und Integrität810. Voraussetzung hierfür sei eine korrekte und ausgewogene Darstellung von Tatsachen, unabhängige Beurteilung von Fakten und keine Fremdbeeinflussung der Meinungen der Redakteure sowie kein Handeln aufgrund verdeckter Absichten und Gefälligkeiten. Der Handelsblatt-Verhaltenskodex selbst setzt sich aus acht Ziffern zusammen, daraus ergibt sich eine Gesamtlänge von dreieinhalb DIN-A4 Seiten. Er 805

Vgl. Preis, in: ErfK § 611 BGB Rn. 700 ff. Vgl. Dietrich, Der Deutsche Presserat, S. 89 ff.; Weidenkaff, in: Palandt § 611 Rn. 54. 807 Triskatis, Ethikrichtlinien im Arbeitsrecht, S. 232 ff. 808 Roth/Wittrock, Journalist 2008, 66, 69 nennen weitere Redaktionen von Zeitungen, die eigene „unterschiedlich strikte Verhaltensvorschriften für Journalisten“ entwickelt haben, so z. B. Börse Online und Capital. 809 Kurz: Handelsblatt-Verhaltenskodex. Er ist in seiner aktuellen Version nicht öffentlich zugänglich. Er wurde der Verfasserin von der Handelsblattverlagsgruppe freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Eine ältere Fassung findet sich im sog. Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, der unter www.dai.de abrufbar ist (besucht am 10.7.2009). Die einzige, wohl im Hinblick auf die Entscheidung des BAG (BAG NZA 2003, 166) ergangene Änderung ist der Zusatz in Nr. 8 auf S. 4, dass Meldungen grundsätzlich auch formfrei möglich sind. Passagen der Ethikrichtlinien sind außerdem in NZA 2003, 166 abgedruckt. 810 Handelsblatt-Verhaltenskodex, S. 1. 806

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gilt gem. Ziffer 1 für alle Redakteure, die an der Erstellung redaktioneller Artikel beteiligt sind.811 Ziffer 2 bestimmt, dass Informationen, die im Rahmen von Recherchen erlangt werden, vor ihrer Veröffentlichung niemand anderem zugänglich gemacht werden dürfen und sämtliche Informationen und Unterlagen im Eigentum des Verlages stehen. Ziffer 3, die insgesamt längste Vorschrift, beschäftigt sich mit dem Wertpapierhandel. Dabei werden zunächst die gesetzlichen Insiderverbote erläutert. Im Anschluss an die Ausführungen zum Insiderrecht stellt der Handelsblatt-Verhaltenskodex umfangreiche Regeln auf, die im Bereich des eigenen Wertpapierhandels der Redakteure zu beachten sind. Dabei wird zwischen Redakteuren unterschieden, die kontinuierlich über bestimmte Branchen berichten und solchen, die nur gelegentlich über bestimmte Unternehmen berichten. Bei der ersten Gruppe besteht ein generelles Verbot für den Redakteur und seine Familienangehörigen, mit Wertpapieren dieser Branche zu handeln. Wenn sie bereits im Besitz entsprechender Wertpapiere sind, muss dies den Ressortleitern und der Chefredaktion gemeldet werden und die Wertpapiere sind binnen Jahresfrist zu verkaufen. Diese Meldung über den Wertpapierbesitz kann mittels eines bereitgestellten Formblatts oder gem. Ziffer 8 des Handelsblatt-Verhaltenskodex formfrei erfolgen.812 Auffällig ist der Zusatz auf dem Formblatt, dass weder Stückzahl noch Wert der Aktien genannt werden sollen. Die Ressortleiter, Chefredakteure und leitenden Angestellten hingegen müssen ihren gesamten Aktienbesitz einem vom Verlag benannten und zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten, einem Notar, mitteilen, welcher im Verdachtsfall gegenüber dem Verlag auskunftspflichtig ist. Schließlich müssen sich Redakteure unverzüglich mit der Chefredaktion in Verbindung setzen, wenn sie Zweifel an ihrer eigenen Objektivität bekommen.813 Des Weiteren enthält der Handelsblatt-Verhaltenskodex in Ziffer 4 ein Verbot der Vorteilsannahme und in Ziffer 5 das Gebot, sich nicht auf Kosten von Unternehmen einladen zu lassen. Schließlich bestimmt Ziffer 6, dass bei Auslegungsfragen hinsichtlich der Standesregeln im Zweifelsfall die Chefredaktion entscheidet. Als letzte wichtige Regelung enthält Ziffer 7 einen Genehmigungsvorbehalt für Nebentätigkeiten.

811 Nach Aussage des Handelsblattes gegenüber der Verfasserin gilt dieser Kodex auch für Gastautoren und freie Journalisten, wobei zugegeben wird, dass eine Einhaltung bei dieser Personengruppe schwierig zu kontrollieren sei. 812 Mit diesem Zusatz wird wohl auf den Beschluss des BAG (NZA 2003, 166) reagiert, welches das bis dahin verwendete Formblatt als gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig angesehen hat. 813 In seinem Beschluss (BAG NZA 2003, 166, 170) hat sich das BAG auch dazu geäußert, inwieweit in diesen unterschiedlichen Regelungen ein Gleichheitsverstoß liegen könne, einen solchen im Ergebnis aber richtigerweise verneint.

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Rechtliche Verbindlichkeit erlangt der Handelsblatt-Verhaltenskodex, indem er zum Bestandteil des Arbeitsvertrages der Redakteure gemacht wird.814 Hierzu bestimmt Ziffer 8, dass die Überwachung der Einhaltung der genannten Regeln dem Verlag obliegt.815 Weiter stellt die Einhaltung dieser Vereinbarung eine arbeitsrechtliche Pflicht dar, ein Verstoß dagegen kann zur Verwarnung, Abmahnung und sogar Kündigung führen. Positiv hervorzuheben ist, dass das Handelsblatt seinen Mitarbeitern einen umfassenden Leitfaden an die Hand gibt, der ihnen erläutert, welches Verhalten von ihnen insbesondere nach dem Wertpapierhandelsgesetz erwartet wird. Im Zusammenhang mit dem Insiderhandelsverbot bestehen jedoch die genannten Schwächen. Darüber hinaus erscheint es sehr sinnvoll, den Wertpapierbesitz der einzelnen Redakteure und auch der Vorgesetzten zu kontrollieren, um so den größten Anreiz für eine beeinflusste Berichterstattung auszuschalten. Auch die Kontrolle etwaiger Nebentätigkeiten ist ein guter Weg in Richtung einer objektiven Berichterstattung. Zu bemängeln ist, dass nicht auf die aktuelle Fassung des Wertpapierhandelsgesetzes Bezug genommen wird. Zwar trifft die Auslegung des Wertpapierhandelsgesetzes im Ergebnis zu, dennoch lässt die Bezugnahme auf eine veraltete Fassung Zweifel an der praktischen Relevanz des Handelsblatt-Verhaltenskodex aufkommen. Auch werden Journalisten als Primärinsider eingestuft, wobei fraglich ist, ob diese Einordnung auch unter dem neuen Recht aufrechterhalten würde, wenn man bedenkt, dass die Insiderregeln sich nun auch an Sekundärinsider richten. Ferner begnügt sich Ziffer 3 des Kodex mit der Wiederholung des Gesetzestextes, ohne dass erläutert würde, was genau dies für den einzelnen Redakteur bedeutet. Insbesondere wird die Frage weder gestellt noch beantwortet, ob er Insiderinformationen für seine publizistische Tätigkeit verwenden darf. Das Ziel des Handelsblatt-Verhaltenskodex, nämlich den Journalisten die von ihnen einzuhaltenden Vorschriften zu erläutern, wird mit der bloßen Übernahme der gesetzlichen Regelungen nicht erreicht. b) FAZ.net Redaktioneller Kodex Auch das Internetangebot816 der Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ.net,817 hat sich selbst einen redaktionellen Kodex gegeben, den es mit „Leitlinien der Berichterstattung“ überschreibt. Die aktuellen Leitlinien der Berichterstattung 814 Dies steht so zwar nicht ausdrücklich im Kodex selbst, wurde der Verfasserin aber vom Handelsblatt so mitgeteilt. Siehe zur Einbeziehung einer Ethikrichtlinie in einen Arbeitsvertrag oben unter 2. b) aa). 815 Dabei hat ein Mitarbeiter des Handelsblatts der Verfasserin gegenüber eingeräumt, dass eine Kontrolle bei freien Mitarbeitern und Gastautoren schwierig sei. Im Falle des Bekanntwerdens eines Verstoßes werde die Zusammenarbeit aber sofort beendet.

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sind auf dem Stand vom 25. März 2003.818 Dies ist jedoch im Gegensatz zum Verhaltenskodex der Handelsblatt-Verlagsgruppe von geringerer praktischer Relevanz, da die FAZ.net-Leitlinien der Berichterstattung keinen Bezug auf aktuelle gesetzliche Regelungen nehmen. Die FAZ.net-Leitlinien der Berichterstattung bestehen aus zehn Absätzen und haben insgesamt eine Länge von zwei DIN-A4 Seiten. Der erste und zweite Absatz könnte auch eine Präambel sein, es kommt hier zu einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Im zweiten Absatz folgt ein Bekenntnis zur journalistischen Unabhängigkeit, welche unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung des Ziels eines möglichst hohen Lesernutzens sei. Im dritten Absatz wird eine Sorgfaltspflicht für die Kennzeichnung von PRMaterial eingeführt, was angesichts des wachsenden Einflusses von PR auf Journalismus sinnvoll erscheint.819 Ergänzung hierzu ist die Regelung des neunten Absatzes („Beratungshaftung“). Dieser legt fest, dass die Redaktion im Finanzbereich mit der Rating-Agentur Standard & Poor’s Investor Services zusammenarbeitet, entsprechende Anlageempfehlungen dementsprechend gekennzeichnet, aber nicht nochmals überprüft werden. Außerdem wird klargestellt, dass diese Anlageempfehlungen nicht die Pflicht des Anlegers ersetzen können, sich selbst zu informieren. Es soll wohl dadurch von vornherein eine mögliche Haftung wegen fehlerhafter Informationen vermieden werden. Im vierten Absatz wird betont, dass die von der Redaktion erarbeiteten Inhalte als effiziente Informationsquelle für die Zielgruppe der an einer verlässlichen Berichterstattung zur aktuellen Nachrichtenlage interessierten Nutzer dienen soll. Von Interesse ist schließlich noch der achte Absatz („Best Practice“), in welchem festgelegt wird, dass journalistische Qualität und Glaubwürdigkeit des Gesamtangebots oberste Priorität haben. Schließlich verpflichtet sich die FAZ.net-Redaktion zur Offenlegung ihrer Kooperationspartner. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Berichterstattung unbeeinflusst von den Interessen jedweden Partners erfolgt. Insgesamt sind die FAZ.net-Leitlinien der Berichterstattung sehr programmatisch gehalten. Insbesondere enthalten sie keinerlei konkrete Handlungsanweisungen an die Redakteure. In weiten Teilen scheinen sie sogar eher an den Leser als an den Redakteur gerichtet zu sein. Zwar werden einige Punkte bezüglich der Unabhängigkeit und Sorgfalt klargestellt, doch gehen diese kaum 816 Dagegen existiert für die gedruckte Ausgabe kein schriftlich fixierter Kodex, sondern die entsprechenden Regeln würden „mündlich tradiert“; so ein Mitarbeiter der F.A.Z. in einer E-Mail an die Verfasserin. 817 Genaugenommen handelt es sich dabei um die F.A.Z. Electronic Media GmbH. 818 Abrufbar unter www.faz.net. 819 Siehe hierzu oben in Fn. 71.

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über das Maß hinaus, das nicht ohnehin an journalistischer Sorgfalt erwartet wird, wie sie bereits in den jeweiligen Landespresse- und Landesmediengesetzen formuliert ist. Auch sind weder ein Verfahren zur Durchsetzung noch mögliche Sanktionen bei einer Nichteinhaltung von Pflichen festgelegt. Ob sich durch einen solchen Verhaltenskodex tatsächlich journalistisches Fehlverhalten verhindern lässt, erscheint fraglich. 4. Bewertung Gerade durch die große inhaltliche Gestaltungsfreiheit und die Möglichkeit, sie rechtlich verbindlich zu vereinbaren, stellen unternehmensinterne Kodizes ein gutes Mittel zur Regulierung von Wirtschaftsjournalismus dar. Positiv hervorzuheben ist weiter, dass der einzelne Journalist, welcher ja letztendlich den Artikel verfasst, ohne Probleme Kenntnis von den von ihm einzuhaltenden Pflichten erlangt und außerdem selbst unmittelbar verpflichtet wird. Somit stellen verlangsinterne Verhaltenskodizes ein taugliches Instrument dar, von Journalisten ein marktkonformes Verhaltens zu erreichen, ohne dass ihre Pressefreiheit verletzt würde. Kapitel 6

Regulierung durch Haftung Das sechste und letzte Kapitel befasst sich mit Haftungsansprüchen im weitesten Sinne, also mit Konstellationen, in denen Journalisten individuellen Ansprüchen anderer Marktteilnehmer ausgesetzt sind, die auf diese Weise marktkonformes Verhalten erreichen wollen. So können Journalisten beispielsweise dazu verpflichtet werden, bestimmte Beiträge in Zukunft zu unterlassen oder für aus der Berichterstattung entstandene Schäden Schadensersatz zu leisten. Mögliche Ansprüche sind dabei zunächst der speziell presserechtliche Anspruch auf Gegendarstellung, des Weiteren deliktsrechtliche Ansprüche nach dem BGB und dem UWG sowie Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Dagegen ergeben sich aus dem Kapitalmarktrecht selbst keine ausdrücklichen haftungsrechtlichen Konsequenzen, die auf Journalisten Anwendung finden können.820 Gemeinsam ist diesen Ansprüchen, dass sie alle die Beeinträchtigung eines individuellen Rechts bzw. die Beeinträchtigung zumindest der Vermögensinte820 Die §§ 37b, c WpHG, die eine Schadensersatzpflicht bei fehlerhaften Informationen enthalten, sind auf journalistisches Handeln nicht anwendbar. Auch aus dem – gescheiterten – Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (siehe zu diesem die Nachweise in Fn. 163) hätte sich keine solche Haftung ergeben. Ein Überblick über die verschiedenen Anspruchsgrundlagen des Kapitalmarktdeliksrechts findet sich bei Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 9 ff.

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ressen einer – natürlichen oder juristischen – Person verlangen. Ein Aktivwerden eines Einzelnen oder auch eines Verbandes rein im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes ist nicht vorgesehen. Gleichzeitig steht es darüber hinaus im Belieben des jeweiligen Anspruchsinhabers, ob er den ihm zustehenden Anspruch auch tatsächlich geltend machen will, sodass diese Form der expost-Kontrolle von vornherein weniger wirksam erscheint als eine ex-ante-Kontrolle, wie sie im Wege der Selbstkontrolle oder auch durch die Kontrolle der BaFin gewährleistet wird.

A. Gegendarstellungsanspruch Der Gegendarstellungsanspruch stellt einen genuin presserechtlichen Anspruch dar.821 Er ist in den jeweiligen Landespresse- bzw. Landesmediengesetzen geregelt822 und gibt dem von einer Berichterstattung Betroffenen823 das Recht, dem Leser seine Sicht des Sachverhalts mitzuteilen.824 Er sichert also primär das Persönlichkeitsrecht.825 Gleichzeitig dient der Gegendarstellungsanspruch aber auch „dem öffentlichen Interesse an einem freien Diskurs in einer freien Presse“826. Von besonderer praktischer Bedeutung ist seine Beschränkung auf Tatsachenäußerungen.827 Wichtig ist dabei, dass vom Betroffenen kein Nachweis der Unwahrheit dieser Tatsachenäußerung erbracht werden muss.828 821 Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 134; a. A. Sedelmeier, in: Löffler, 11, Rn. 44 (zivilrechtlicher Anspruch). 822 Vgl. z. B. § 11 LPG BW, eine Übersicht für alle Bundesländer findet sich bei Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 134 f. 823 Vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 LPG BW. 824 Es soll so der Grundsatz audiatur et altera pars verwirklicht werden, vgl. Bruns, JZ 2005, 428, 429. 825 BVerfG NJW 1998, 1381, 1383; BVerfG NJW 2002, 356, 357; Sedelmeier, in: Löffler, § 11 Rn. 22 ff.; vgl. auch Stürner, in: FS Boujong, S. 847, 850. Es ist anerkannt, dass auch juristische Personen Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein können (BGH NJW 1986, 2951); es ergeben sich jedoch andere Maßstäbe, da sich der am Wirtschaftsleben Beteiligte aus freien Stücken heraus am Markt bewegt: Die Toleranzgrenze liegt dergestalt höher, dass konkrete wirtschaftliche Nachteile gegeben sein müssen, a. a. O. S. 2952. Siehe zum Persönlichkeitsrecht juristischer Personen auch unten unter B. I. 5. a). 826 Stürner, in: FS Boujong, S. 847, 855. Einer Fehlinformation der Allgemeinheit wird insoweit entgegengetreten, dass ein als eindeutig geschilderter Sachverhalt möglicherweise eben doch nicht so eindeutig ist, vgl. Kübler, AfP 1995, 629, 631. 827 Dazu Fechner, Medienrecht, S. 102 f. Zum Teil wird in der Literatur eine Ausdehnung des Gegendarstellungsanspruchs auf Meinungen bejaht, vgl. Stürner, Gutachten A, A 91 ff. und Stürner, JZ 1994, 865, insbes. S. 875 ff.; Scheele; NJW 1992, 957; Koch, Rechtsschutz durch Gegendarstellung in Frankreich und Deutschland, S. 94 ff.; gegen eine solche Erweiterung: Schmidt/Seitz, NJW 1991, 1009, 1010; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 25. Kapitel Rn. 9. 828 Es besteht also gerade kein „journalistisches Wahrheitsmonopol“, vgl. hierzu Stürner, in: FS Boujong, S. 847, 854.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

Der Anspruch auf Gegendarstellung scheidet vielmehr erst dann aus, wenn die Pressebehauptung offensichtlich wahr ist.829 Weitere Anspruchsvoraussetzungen finden sich in den jeweiligen Normen der Landespresse- bzw. Landesmediengesetze,830 wobei sich für die Anwendung dieser Voraussetzungen gerade auf die Finanzmarktberichterstattung keine Besonderheiten ergeben. Der Gegendarstellungsanspruch kommt also nur hinsichtlich des Emittenten in Betracht und zwar in den Fällen, in denen er durch Tatsachenäußerungen einer Berichterstattung unmittelbar betroffen ist und er dies nicht hinnehmen mag. Dem Emittenten wird ein rasch durchsetzbarer Anspruch auf Schilderung seiner Sicht der Dinge gegeben.831 In seinem engen Anwendungsbereich stellt der Gegendarstellungsanspruch also ein durchaus adäquates Mittel dar, einer unzutreffenden Berichterstattung innerhalb kurzer Zeit entgegenzuwirken und so möglicherweise auch zur Korrektur eines fehlerhaften Aktienkurses beizutragen. Dem Kapitalmarkt, welchem vor allem an zutreffenden und umfassenden Informationen gelegen ist, ist der Gegendarstellungsanspruch daher dienlicher als ein etwaiger Schadensersatzanspruch, dessen Geltendmachung sich über einen langen Zeitraum hinziehen und dessen Durchsetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen kann, es also gerade nicht zu einer öffentlichen Korrektur der fehlerhaften Tatsachen kommt. Nichtsdestoweniger hat der Gegendarstellungsanspruch im Bereich der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung bisher keine praktische Bedeutung erlangt.

B. Allgemeine deliktsrechtliche Ansprüche Im Mittelpunkt einer Regulierung durch Haftung stehen die deliktsrechtlichen Haftungsansprüche des BGB. Bei der Frage, ob und inwieweit etwaige Schäden der Emittenten und Anleger ersatzfähig sein sollen, ist zu beachten, dass nach dem System des deutschen Deliktsrechts reine Vermögensschäden – und Schäden im Bereich des Wertpapierhandels sind sehr häufig solche – aus guten Gründen grundsätzlich nicht ersatzfähig sind.832 Dieses System durchbricht das BGB zwar selbst an zwei Stellen: Zum einen bei einem Gesetzesverstoß, § 823 Abs. 2 BGB, welcher durch § 824 BGB ergänzt wird, zum anderen im Rahmen von § 826 Abs. 1 BGB, also einem vorsätzlichen Sittenverstoß.833 Dennoch 829

BGH NJW 1964, 1132, 1134; Beater, Medienrecht, Rn. 1739. Siehe zum Ganzen z. B. die ausführliche Darstellung bei Beater, Medienrecht, Rn. 1810 ff. 831 Gem. § 11 Abs. 3 S. 1 LPG ist die Gegendarstellung in der nächsten Ausgabe abzudrucken. 832 Statt vieler Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 176 m.w.Nw.; § 826 Rn. 10 ff. Als Gründe für die grundsätzliche Begrenzung führt er an: die Kanalisierung der Schadensabwicklung, Vermögensschäden seien häufig keine Ressourceschäden, Schutz des Vertragsrechts und Ausschluss der Haftung für diffuse Schadensbilder. 830

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muss man diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bedenken, wenn es um die Frage der Anwendbarkeit der einzelnen Haftungstatbestände geht. Es bietet sich an, bei der Untersuchung der unterschiedlichen Anspruchgrundlagen zwischen den Ansprüchen der Emittenten und den Ansprüchen der Anleger zu unterscheiden. So können jeweils unterschiedliche Rechtsgüter betroffen sein – beim Emittenten beispielsweise das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, während solche Rechte beim Anleger auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind – und auch bei der Beantwortung der Frage nach der Schutzgesetzeigenschaft einer Norm kommt es darauf an, ob gerade die Person des Geschädigten vom Schutz dieser Norm erfasst ist.834 Da bisher keine Fälle bekannt sind, in denen solche Schadensersatzansprüche gegenüber der Wirtschafts- und Finanzmarktpresse tatsächlich geltend gemacht wurden und daher auch keine entsprechende Rechtsprechung existiert, wird im Folgenden der Versuch unternommen, die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen entwickelten Grundsätze auf die in dieser Darstellung relevanten Fallkonstellationen zu übertragen. Dabei sind vor allem die sog. WarentestRechtsprechung835 und die Rechtsprechung zur Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen836 zu berücksichtigen. I. Emittent 1. Formen der Beeinträchtigung beim Emittenten Da sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens für alle Ansprüche aus den §§ 249 ff. BGB ergibt, erfolgt zunächst eine kurze Darstellung der wichtigsten auf Seiten des Emittenten möglichen Schäden. Unproblematisch ist eine Schädigung bei der Erstemission von Wertpapieren, insbesondere also, wenn es um die Beschaffung neuen Eigen- oder Fremdkapitals geht. Die Ausgabe von Wertpapieren zu einem niedrigeren Preis als dem 833 Ausführlich hierzu Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 176 ff.; Vor § 823 Rn. 13 ff. 834 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 77 II 2 a). 835 Zentral ist die sog. Warentest II-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1975 (BGHZ 65, 325), welche die Grundlage für die deliktsrechtliche Behandlung vergleichender Warentests geschaffen hat. Zu nennen sind außerdem BGH VersR 1966, 341; BGH VersR 1966, 1189; BGH NJW 1987, 2222; BGH NJW 1989, 1923 und BGH NJW 1997, 2593. 836 Von besonderem Interesse sind die Ausführungen zu einer etwaigen Haftung aus § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen. Zu nennen sind die Entscheidungen Infomatec I–III (BGHZ 160, 134; BGHZ 160, 149; BGH NJW 2004, 2668), EMTV (BGH NJW 2005, 2450) und Comroad I–VIII (BGH NZG 2007, 269; BGH NZG 2007, 345; BGH NZG 2007, 346; BGH NJW 2008, 76; BGH NZG 2007, 711; BGH NZG 2008, 382; BGH 2008, 385; BGH NZG 2008, 386).

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wahren Wert stellt einen Vermögensschaden des Emittenten dar.837 Doch auch ein niedrigerer Wertpapierkurs, also eine Beeinträchtigung des Handels auf dem Sekundärmarkt, kann die Emittenten von Wertpapieren unmittelbar schädigen: Zum einen könnte ein Schaden der Gesellschaft bereits darin gesehen werden, dass ihre Wertpapiere weniger wert sind, was jedoch nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Darüber hinaus aber wird der Kurs von Wertpapieren häufig für die Beurteilung des Emittenten als Wirtschaftssubjekt herangezogen. Zu nennen ist beispielsweise die Bewertung seiner Kreditwürdigkeit – unmittelbar oder im Rahmen eines Ratings. Entspricht der Kurs eines Wertpapiers nicht seinem tatsächlichen Wert, sondern liegt er darunter, kann dies einen Vermögensschaden beispielsweise in Form erhöhter Kapitalaufbringungskosten zur Folge haben.838 Zwar wird die Berechnung des konkreten Schadens im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten, doch führt dies nicht von vornherein zur Verneinung etwaiger Schadensersatzansprüche. Vielmehr kommt es – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen – zu einer richterlichen Schadensschätzung gem. § 287 ZPO.839 2. Anspruch aus § 824 BGB Am nahe liegendsten ist zunächst ein Anspruch aus § 824 Abs. 1 BGB, der demjenigen, der durch die Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen, durch die die wirtschaftliche Wertschätzung seines Unternehmens unmittelbar beeinträchtigt wird, einen Anspruch auf Ersatz des hieraus entstandenen Schadens gibt.840 Durch seine Begrenzung auf unwahre Tatsachen ist der Tatbestand von vornherein stark eingeschränkt. Entscheidend ist also, ob eine bestimmte Äußerung einem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Wie bei allen Äußerungsdelikten hat jedoch auch bei § 824 BGB, wie sich aus seinem Abs. 2 ergibt, eine 837 Bei der Ausgabe neuer Aktien durch eine Aktiengesellschaft ist zu berücksichtigen, dass eine zu geringe Preisfestsetzung im Ausgangspunkt nicht zwingend einen Schaden der Gesellschaft darstellt, da durch die Ausgabe neuer Aktien nicht Teile des Gesellschaftsvermögens verkauft, sondern neue Beteiligungen geschaffen werden. Unmittelbare Folge einer zu niedrigen Preisfestsetzung ist eine Entwertung der alten Aktien, welche jedoch regelmäßig durch die Gewährung von Bezugsrechten ausgeglichen wird. Die geringere Vermögenszufuhr in das Gesellschaftsvermögen ist dagegen nur ein Reflex des Wertverlusts der Beteiligungen. Dies alles gilt jedoch nur, wenn eine solche Ausgabe im Willen und Interesse der Gesellschaft erfolgt. Wenn dagegen von außen auf die Kursbildung eingewirkt wird, kann man einen Vermögensschaden der Gesellschaft bejahen, da ihr weniger Kapital zufließt als ihr eigentlich zufließen müsste, vgl. Hirte, in: Hopt/Wiedemann, § 203, Rn. 142 ff. 838 Zur Beeinträchtigung der Finanzierungsmöglichkeiten bei einem Fehlrating und der damit verbundenen Beeinträchtigung des Recht am Unternehmen siehe z. B. Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852 m.w.Nw. 839 BGH NJW 2005, 2450, 2453 f.; Wagner, ZGR 2008, 495, 532; kritisch Baums, ZHR 167 (2003), 139, 189 f. 840 Dazu Wagner, in: MünchKommBGB, § 824 Rn. 5, 9 ff.

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Gesamtabwägung aller betroffenen Interessen zu erfolgen.841 Dabei kann den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprochen werden. Es verlangt, dass der Bericht unwahrer Tatsachen durch die Presse nicht generell rechtswidrig sei; die Pflicht der Presse, die Wahrheit zu prüfen, dürfe nicht dazu führen, dass wegen der Auferlegung eines zu großen Haftungsrisikos von einer Berichterstattung abgesehen werde.842 Den wirtschaftlichen Interessen des Emittenten steht so das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der fraglichen Äußerung gegenüber. Von Bedeutung ist dabei insbesondere, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich die Tatsache als unwahr erweist, und wie groß die Nachteile für den Betroffenen sind, wenn sich die Tatsache als unwahr herausstellt. Ein Anspruch aus § 824 BGB ist damit grundsätzlich denkbar, er hat aber aus den eben aufgezeigten Gründen einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich. 3. Anspruch aus § 826 BGB Eine weitere mögliche Anspruchsgrundlage des Emittenten, um gegen ihn schädigende Äußerungen vorzugehen, ist § 826 BGB, der sowohl auf Tatsachen- als auch auf Meinungsäußerungen Anwendung findet und wie § 824 BGB nicht die Verletzung eines geschützten Rechtsguts verlangt, sondern zum Ersatz primärer Vermögensschäden führt. Voraussetzung ist eine vorsätzliche, sittenwidrige843 Schädigung, wobei sich der Vorsatz des Schädigers auch auf den Schaden erstrecken muss.844 Im Zusammenhang mit fehlerhaften Ad-hocMitteilungen hat dies der BGH dahingehend konkretisiert, dass dafür die Kenntnis und billigende Inkaufnahme der allgemeinen Richtung, in der sich ein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens ausreichen würden.845 Diese Grundsätze

841

Beater, in: Soergel, § 824 Rn. 53 ff. m.w.Nw. Vgl. BVerfGE 12, 113, 130; BVerfGE 54, 208, 219 f.; siehe auch BGH NJW 1977, 1288, 1289 und zum Ganzen Stürner, in: FS Lukes, S. 237, 245 ff. 843 Die Rspr. stellt dabei seit RGZ 48, 114, 124 auf einen „Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ ab, aus jüngerer Zeit im Zusammenhang mit fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen etwa BGH NJW 2004, 2971; BGH NJW 2004, 2664; BGH NJW 2004, 2668. Da eine solche Feststellung in einer pluralistischen Gesellschaft schwer zu treffen sei, werden in der Lehre verschiedenste andere Ansätze vertreten, um zu einem Sittenwidrigkeitsurteil zu kommen; siehe hierfür die Nachweise bei Hönn, in: Soergel, § 826, Rn. 16 ff. und Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 9. Wagner selbst plädiert für eine funktionale Interpretation der Sittenwidrigkeit, die darauf abstellt, wann und mit welchem Grund reine Vermögensschäden selektiv in den Schutzbereich des Deliktsrechts einbezogen werden sollten. 844 BGHZ 108, 134, 143 f.; BGH NJW 1991, 634, 636; vgl. auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 78 III. 845 BGH NJW 2004, 2971, 2973. 842

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

kann man meines Erachtens auch auf die Fälle übertragen, in denen nicht Adhoc-Mitteilungen, sondern sonstige Informationen veröffentlicht werden. In seiner Warentest-Rechtsprechung hat sich der BGH festgelegt, dass bei bewussten Fehlurteilen und insbesondere bei bewusst unrichtigen Angaben in aller Regel die Voraussetzungen von § 826 BGB erfüllt sein dürften.846 Insbesondere die Fälle des Scalpings, d.h. Fälle, in denen bestimmte Angaben nur gemacht werden, um von einer bestimmten Kursentwicklung zu profitieren, stellen danach vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen dar, welche zum Ersatz des hierdurch entstandenden Schadens verpflichten. An dieser Schadensersatzpflicht ändert auch der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit nichts; denn Meldungen, die in persönlicher Bereicherungsabsicht erfolgen und zwangsläufig mit der Schädigung anderer verbunden sind, dienen nicht dem öffentlichen Informationsinteresse und sind daher nicht schützenswert. Da der Nachweis eines solchen Vorsatzes den Geschädigten häufig nicht gelingen wird, hat der BGH im Zusammenhang mit der Haftung für Fehlinformationen eine weitere Fallgruppe entwickelt, nämlich die der leichtfertigen Fehlinformation..847 Doch ist fraglich, ob man diese Fallgruppe auch auf mögliche Schadensersatzansprüche eines Emittenten übertragen kann; denn schließlich wurde sie von der Rechtsprechung für solche Fälle entwickelt, in denen dem Auskunftsgeber aufgrund seiner Position ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird. Eine solche besondere Schutzwürdigkeit ist aber in den Fällen der Schädigung der Emittenten nicht gegeben, da diese gerade nicht die unmittelbaren Adressaten der Äußerungen sind und somit auch kein besonderes Vertrauen in die Richtigkeit dieser Äußerungen entwickeln. Die Fallgruppe der leichtfertigen Fehlinformation kann mithin für Ansprüche der Emittenten nicht herangezogen werden. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist somit grundsätzlich möglich, seine Voraussetzungen werden aber nur sehr schwer nachweisbar sein, obwohl seine tatbestandlichen Anforderungen von der Rechtsprechung bereits abgesenkt wurden. 4. Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V. m. kapitalmarktrechtlichen Normen In Betracht kommt auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB. In der Literatur umstritten und von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden ist die Frage, inwieweit Normen des Wertpapierhandelsgesetzes Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sein können. Für Finanzmarkt846

Vgl. BGH NJW 1976, 620, 622. Wichtig ist, dass es hier bei der Leichtfertigkeit noch um das objektive Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit geht, Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1653; BGH NJW 1991, 32, 33; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 78 II 2. d). 847

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journalisten sind dabei das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG)848, das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 14 WpHG)849 und die Verhaltensvorschriften bei der Erstellung von Finanzanalysen (§ 34b WpHG)850 von Bedeutung. Doch selbst wenn man diesen Normen grundsätzlich die Eigenschaft eines Schutzgesetzes zuspricht, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sich auch alle durch die Verletzung der Norm Geschädigten hierauf berufen können. Es bedarf vielmehr immer der Prüfung, ob die Norm gerade den Schutz der geschädigten Person bezweckt.851 Da es sich bei den genannten Normen aber durchweg um Vorschriften handelt, die nicht den Individualschutz der Emittenten, sondern allenfalls den Schutz der Anleger bezwecken, bedürfen sie im Zusammenhang mit Ansprüchen der Emittenten keiner weiteren Erörterung. 5. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB Schließlich kommt ein Anspruch des Emittenten aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Voraussetzung hierfür ist die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts.852 Nicht zuletzt wegen der strengen Voraussetzungen des § 826 BGB und wegen des Bedürfnisses für einen wirkungsvollen Unternehmensschutz wurde der Anwendungsbereich § 823 Abs. 1 BGB im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erweitert.853 a) Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Bei einer fehlerhaften Berichterstattung kommen zum einen die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten und zum anderen die Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Bei der Abgrenzung beider Rechte lässt die Rechtsprechung eine klare Linie vermissen, und auch in der Literatur werden verschiedene Ansätze vertreten. So hat der VI. Senat des BGH im Jahr 1994 in einer in der Literatur stark kritisierten Entscheidung angenommen, dass die ungeschwärzte Verwendung eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses in einer Seminarveranstaltung trotz der Veröffentlichungspflicht der §§ 325 ff. HGB die Geheim-

848

Siehe zu diesem oben in Kapitel 4 A. I. 2. Siehe zu diesem oben in Kapitel 4 A. II. 2. 850 Siehe zu diesem oben in Kapitel 4 A. III. 2. 851 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 77 II 2 a). 852 Hierzu statt vieler Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 66 ff. 853 Grundlegend sind die Entscheidungen RGZ 58, 24 und BGHZ 3, 270; zum Ganzen Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 81 I und v. Köller, Meinungsfreiheit und unternehmensschädigende Äußerung, S. 39 ff. 849

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

sphäre einer GmbH und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze.854 Der XI. Senat des BGH meinte im Jahr 2006 in einem obiter dictum anlässlich seiner Entscheidung zu den Äußerungen Breuers,855 dass diese Entscheidung des VI. Senats „nicht zweifelsfrei“856 sei. Dennoch hält der XI. Senat an seiner grundsätzlichen Auffassung fest, dass durch Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Unternehmens verletzt werden könne. Dabei umfasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht den sozialen Geltungsanspruch eines Wirtschaftsunternehmens,857 also einen sehr begrenzten Bereich. Auch eine Definition des Schutzumfangs des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fällt um seiner Ausgestaltung als Auffangtatbestand willen naturgemäß sehr schwer. Der BGH beschreibt seine Funktion einmal als Schutz gegen solche Störungen, die verhindern, dass ein Unternehmen zur vollen, in der Gesamtheit seiner Bestandteile und Betriebsmittel begründeten Entfaltung kommt.858 Somit ist der Anwendungsbereich in jedem Fall deutlich weiter als beim Persönlichkeitsrecht eines Unternehmens. Da es sich aber in beiden Fällen um offene Tatbestände handelt, bei denen immer eine umfassende Güter- und Interessenabwägung erfolgen muss, kann es im Ergebnis vielfach offen bleiben, unter welchen Tatbestand man die jeweils in Frage stehende Äußerung im Einzelfall einordnet. Soehring geht in seinem Lehrbuch zum Medienrecht sogar noch einen Schritt weiter, indem er feststellt, dass sich im Bereich des Äußerungsrechts „die Schutzfunktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am Unternehmen nahtlos“ deckten.859 Die vorliegende Darstellung wird sich daher im Folgenden auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beschränken.

854

BGH NJW 1994, 1281, 1282. Siehe dazu oben in Kapitel 2 A. I. 1. und BGHZ 166, 84. 856 BGHZ 166, 84, 112. 857 BGHZ 166, 84, 113. Das BVerfG ließ in seinem Kammerbeschluss (BVerfG NJW 1994, 1784; es ging dabei um die Entscheidung BGH NJW 1994, 1281) offen, ob das aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sei und stützte das Persönlichkeitsrecht juristischer Personen vielmehr auf die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit umfasse. Entscheidend solle sein, ob der soziale Geltungsanspruch des am Wirtschaftsleben Beteiligten betroffen sei. 858 BGHZ 29, 65, 70. 859 Soehring, Presserecht, Rn. 12.55. 855

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b) Voraussetzungen der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch sind ein betriebsbezogener Eingriff und die positive Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerung, welche im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung erfolgt.860 aa) Betriebsbezogenheit des Eingriffs Betriebsbezogenheit bedeutet, dass auch im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht jeder primäre Vermögensschaden ersatzfähig wird, sondern nur derjenige, der das Unternehmen in seiner Integrität beeinträchtigt, wobei diese weit zu verstehen ist.861 Daraus folgt, dass sich bei allgemeiner Berichterstattung zu bestimmten Finanzprodukten oder Wertpapieren, bei der keine Bezugnahme auf ein bestimmtes Wertpapier und damit auf einen bestimmten Emittenten erfolgt, kein Anspruch auf Ersatz hieraus möglicherweise resultierender Schäden gegeben ist. Dass aber im Falle negativer oder fehlerhafter Berichterstattung grundsätzlich ein betriebsbezogener Eingriff gegeben sein kann, wird weder von der Rechtsprechung862 noch von der Literatur863 in Frage gestellt und wohl immer dann zu bejahen sein, wenn sich eine Äußerung unmittelbar gegen einen bestimmten Emittenten richtet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn konkrete Investitionshinweise gegeben werden. bb) Umfassende Güter- und Interessenabwägung Es ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zwischen den unternehmerischen Interessen des Emittenten und der Meinungs- und Pressefreiheit 860 Ein Überblick zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb findet sich bei Schmidt, JuS 1993, 985. 861 BGHZ 29, 65, 74; BGHZ 55, 153, 16; BGHZ 86, 152, 156; BGHZ 90, 113, 123; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 28 IV Rn. 16; Schmidt, JuS 1993, 985, 988. Dabei muss der Eingriff, nicht die Zufügung des Schadens unmittelbar sein, Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 81 I. 2. a). 862 So problematisiert die Rspr. in den Fällen vergleichender Warentests nicht, ob hier überhaupt ein betriebsbezogener Eingriff vorliegt, sondern nur, ob eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben ist, was im Wege einer unfassenden Güter- und Interessenabwägung ermittelt wird. Auch beim Urteil einer Rating-Agentur ist die Betriebsbezogenheit des Eingriffs ohne Weiteres zu bejahen. 863 Ohne Zweifel auch Schmidt, JuS 1993, 985, 991 f.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, S. 548 ff. Canaris lehnt jedoch im Ergebnis eine Anwendung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ab, weil im Bereich des Äußerungsrechts über § 824 BGB und § 826 BGB ausreichender Schutz gewährleistet sei.

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des Journalisten sowie dem Interesse des Marktes an umfassender und zutreffender Information vorzunehmen. Hierbei muss wiederum zwischen Tatsachen und Meinungen unterschieden werden. Für Tatsachen gilt, wie schon im Rahmen von § 824 BGB deutlich wurde, dass grundsätzlich nur wahre Tatsachen einem öffentlichen Informationsinteresse dienen und deren Veröffentlichung vom Emittenten grundsätzlich hingenommen werden muss.864 In wichtigen Fällen kann jedoch auch bei Äußerung unwahrer Tatsachen eine Schadensersatzpflicht des Journalisten ausgeschlossen sein, nämlich dann, wenn er bei der Veröffentlichung seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.865 Der Schutz, den die Rechtsprechung gegenüber Werturteilen gewährt, hat sich im Laufe der Jahre grundlegend gewandelt. Ursprünglich erstreckte der BGH in seiner Constanze I-Entscheidung866 den Schutz der Meinungsfreiheit zwar auch auf kritische Werturteile, schränkte diesen Schutz aber dadurch ein, dass er bei einer abwertenden Äußerung die Rechtswidrigkeit indiziert sah und einen besonderen Rechtsfertigungsgrund verlangte.867 Dabei war Voraussetzung, dass die Äußerung nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Erreichung eines sachlich gebilligten Zwecks objektiv erforderlich war. Diese Rechtsprechung, die nach Auffassung von Larenz/Canaris der „richterlichen Meinungszensur Tür und Tor geöffnet“868 habe, wurde in der Höllenfeuer-Entscheidung aufgegeben.869 Anstelle der Grenze des mildesten Mittels trat das Verbot der Schmähkritik.870 Folge dessen ist, dass der Schutz gegenüber unternehmensschädigenden Meinungsäußerungen erheblich eingeschränkt wurde und insbesondere kaum mehr ein Unterschied zu § 826 BGB in seinem heutigen Verständnis besteht. 864 Dabei ist der Schutz einer juristischen Person nicht so weitgehend wie der einer natürlichen Person, was damit begründet wird, dass es einer juristischen Person immanent sei, dass sie in der Öffentlichkeit aktiv werde, vgl. BGH NJW 1986, 2951, 2952. 865 Beater, Medienrecht, Rn. 1872. 866 BGHZ 3, 270. 867 BGHZ 3, 270, 281 f. 868 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 81 III. 2. a). 869 BGHZ 45, 296. Grund dieser Richtungsänderung war nicht zuletzt die Rspr. des BVerfG zum Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG, insbes. die sog. Lüth-Entscheidung (BVerfGE 7, 198). 870 BGHZ 45, 296, 310. Ein Rest dieser „Constanze-Doktrin“ (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 81 III. 2. a) ist indes noch vorhanden, wenn der BGH in seiner Marlboro-Entscheidung (BGHZ 91, 117, 122) darauf abstellt, der Kritiker müsse „seine Äußerungen auch in der Form noch in einem vertretbaren Verhältnis zu seinem sachlichem Anliegen und zu den belastenden Auswirkungen (für den Kritisierten) halten“. Eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hingegen mit Larenz/ Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 81 III. 2. a) abzulehnen, da sie der Grundentscheidung des Gesetzgebers in Art. 5 Abs. 1 GG und gegen einen vollen deliktsrechtlichen Schutz des Vermögens widerspricht.

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Etwas anderes könnte sich aber dann ergeben, wenn die vom BGH in seiner Warentest-Rechtssprechung entwickelten Grundsätze871 auch auf allgemeine Berichterstattung im Bereich des Wirtschaftsjournalismus Anwendung fänden. Diese Warentest-Rechtsprechung besagt zunächst einmal, dass ein vergleichender Warentest zwar in aller Regel im Ganzen als Werturteil zu qualifizieren sei872 und damit dem vollen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfalle, er aber dennoch neutral873, objektiv und sachkundig durchgeführt und veröffentlicht werden müsse.874 Grund hierfür sei, dass Warentests aufgrund ihrer Gesamtanlage größeres Vertrauen entgegengebracht werde als herkömmlichen Werturteilen. Auch bestehe ein besonderes Informationsinteresse der Konsumenten, die alleine nicht in der Lage seien, einen solchen Vergleich selbst vorzunehmen. Diese Rechtsprechung hat der BGH in Ansätzen auch auf Gastronomiekritiken übertragen.875 Die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Pflichten ist bei ihnen aber insgesamt deutlich weniger streng, da sich die Gastronomiekritik einer objektiven Beurteilung viel stärker entzieht als ein Warentest. Gleichzeitig ist es den Konsumenten leichter möglich, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Diese Rechtsprechung wurde im Grundsatz auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, welches betont, dass für die Anwendung der strengen Warentest-Grundsätze entscheidend sei, ob das streitige Werturteil einen Anspruch auf Sachlichkeit und Neutralität erhebe.876 Somit überrascht es nicht, dass das Kammergericht im Jahr 2006 die strengen Warentestgrundsätze auch auf Ratings von Ratingagenturen übertragen hat.877 Danach muss die Analyse einer beworbenen Kapitalanlage neutral, sachkundig und im Bemühen um objektive Richtigkeit erfolgen. Fraglich ist nun, was aus dieser Rechtsprechung für die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung gefolgert werden kann, ob also diese Grundsätze auch auf Beiträge über Finanzmarktprodukte übertragbar sind. Wie aus den erwähnten Urteilen deutlich wird, ist es für die Anwendung der modifizierten Grundsätze nicht zwingend erforderlich, dass ein direkter Vergleich zwischen verschiedenen Finanzinstrumenten oder Finanzprodukten erfolgt. Entscheiden871 Zentral ist die sog. Warentest II-Entscheidung, BGHZ 65, 325. Sie führt zu einer eigenständigen Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zurück; siehe zur Warentest-Rspr. des BGH auch die Nachweise in Fn. 835. 872 BGHZ 65, 325, 329; BGH NJW 1989, 1923; kritisch hierzu Ahrens, in: FS Ullmann, S. 565, 572. 873 Mit diesem Merkmal erfolgt insbes. eine Abgrenzung zum Wettbewerbsrecht, vgl. Ahrens, in: FS Ullmann, S. 565, 573 f. 874 BGHZ 65, 325, 334. 875 BGH NJW 1987, 1082, 1083; ihm folgend OLG München NJW 1994, 1964. 876 BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712. 877 KG WM 2006, S. 1432 f. Siehe außerdem OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2002, 1697, 1698, wonach die vom BGH zu vergleichenden Warentests entwickelten Grundsätze auch auf vergleichende Tests von Finanzdienstleistungen anzuwenden sind.

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des Merkmal ist vielmehr, ob aus Sicht des Durchschnittslesers der Anschein einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den entsprechenden Produkten erweckt wird, die einen Anspruch auf Neutralität, Objektivität und Sachlichkeit erhebt. Ist dies der Fall, dann gilt für die Zulässigkeit einer entsprechenden Meinungsäußerung nicht die weite Grenze der Schmähkritik, sondern die Berichterstattung muss den durch sie geweckten Ansprüchen gerecht werden. Damit ist noch nicht geklärt, ob dann tatsächlich die sehr strengen Voraussetzungen eines vergleichenden Warentests oder doch eher die gelockerten Anforderungen einer Gastronomie- oder Theaterkritik erfüllt werden müssen. Für eine Lockerung spricht, dass sich auch die Beurteilung von Finanzmarktprodukten häufig den Regeln exakter Bewertung entzieht. Andererseits entspricht das Informationsinteresse der Konsumenten wohl eher dem eines Warentests als dem einer Gastronomiekritik. Somit wird man die Anforderungen an Finanzmarktberichterstattung zwischen den klassischen Waren- und Leistungstests auf der einen und den Gastronomie- und Theaterkritiken auf der anderen Seite ansiedeln und gleichzeitig immer die genauen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Hierbei ist dann zu beachten, dass für die Anwendung strengerer Maßstäbe als bei der Schmähkritik zwar kein direkter Vergleich gefordert ist, die Anforderungen der Rechtsprechung aber umso strenger sind, je mehr Vergleichscharakter eine bestimmte Äußerung hat. Daneben ist von zentraler Bedeutung, und das gilt gleichermaßen für Warentest und Gastronomiekritik, dass nicht so sehr das Ergebnis des Tests oder der Kritik als solches, sondern die Art und Weise, wie dieses Ergebnis erreicht wird und wie der Bericht aufgemacht ist, die strengen Anforderungen an Neutralität, Objektivität und Sachlichkeit erfüllen muss. Fraglich ist schließlich noch, ob die Zulässigkeit eines solchen Werturteils dann anders zu beurteilen ist, wenn eine Äußerung durch eigene Interessen oder kommerzielle Interessen Dritter beeinflusst ist. Zum Teil wird vertreten, dass eine durch kommerzielle Interessen beeinflusste Berichterstattung generell nicht von öffentlichem Interesse gedeckt werde und daher der Schutz der Pressefreiheit in solchen Fällen von vornherein zu versagen sei, sodass dem Emittenten bereits auch dann ein Anspruch zustehe, wenn es sich nicht um Schmähkritik handle.878 Meines Erachtens können diese Fälle aber befriedigend über § 826 BGB gelöst werden, eine weitere Ausdehnung des Unternehmensschutzes über § 823 Abs. 1 BGB scheint nicht erforderlich.

878

Wagner, WM 2003, 1158, 1161.

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II. Anleger 1. Formen der Beeinträchtigung beim Anleger Auch für die Anleger sind unterschiedliche Formen einer Schädigung denkbar. Möglich könnte sein, dass ein Schaden des Emittenten unmittelbar, also unabhängig von einer etwaigen Kursentwicklung, auch einen Schaden des Anlegers darstellt, indem sich beispielsweise der innere Wert einer Aktie dadurch verschlechtert, dass der Aktiengesellschaft Schaden zugefügt wird. Doch stellt in derartigen Fällen die Wertminderung der Aktie nur einen Reflex des Schadens der Aktiengesellschaft dar, für welchen der Aktionär nicht Ersatzleistung in sein eigenes Vermögen verlangen kann. Wenn sich dagegen nicht nur der innere Wert einer Aktie verändert, sondern auch ihr Kurs, stellt dies einen eigenen Schaden des Anlegers dar. Lag beispielsweise der Kurs eines Wertpapiers bei 100 Euro und ist er infolge der fehlerhaften Äußerung auf 97 Euro gesunken, dann ist pro Aktie ein Vermögensschaden in Höhe von 3 Euro entstanden.879 Diese Schadensberechnung, bei der der Schaden also der Betrag ist, um den das Wertpapier aufgrund der Falschinformation zu teuer oder zu billig bewertet ist, wird als Differenzmethode bezeichnet; sie ergibt sich aus § 251 Abs. 2 S. 1 BGB.880 Aus ihr ergibt sich der sog. Kursdifferenzschaden.881 Hinsichtlich der Kausalität ist in diesen Fällen nur zu fordern, dass die Kursdifferenz gerade durch die in Frage stehende Berichterstattung verursacht wurde.882 Dagegen hat der BGH883 nun im Zusam879 In Zweifelsfällen über die genaue Schadenshöhe erfolgt die Ermittlung der Schadenshöhe durch richterliche Schätzung gem. § 287 ZPO, siehe hierzu die Nachweise in Fn. 839. 880 Vgl. Wagner, ZGR 2008, 495, 514 ff., 520 ff., der darauf hinweist, dass unter Zugrundelegung der Rspr. des BGH zu Kfz-Schäden auch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Grundlage dieser Schadensberechnung sein könne. 881 BGHZ 160, 149, 153 und Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 341 ff. m.w.Nw. 882 Wagner, ZGR 2008, 495, 528 f.; Möllers, NZG 2008, 413, 415; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 520. Dabei bereitet die Unterscheidung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität Schwierigkeiten, da kein der Rechtsgutsverletzung entsprechendes Bindeglied gegeben ist (vgl. Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1636). Doch ist diese Unterscheidung von Bedeutung, da für haftungsbegründende Kausalität der Anspruchsteller grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast trägt und somit § 286 ZPO Anwendung findet, während die haftungsausfüllende Kausalität der richterlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO unterfällt, BGHZ 4, 192, 196; BGH NJW 1993, 3073; Leipold, in: Stein/Jonas, § 287, Rn. 13 f.; Prütting, in: MünchKommZPO, § 287, Rn. 10 ff. Im Falle des Kursdifferenzschadens zählt zur haftungsbegründenden Kausalität, dass es aufgrund der fehlerhaften Informationen zu der entsprechenden Preisentwicklung kam. Die genaue Schadenshöhe ist dagegen Teil der haftungsausfüllenden Kausalität, vgl. zu dieser Unterscheidung Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 Rn. 356 zur entsprechenden Problematik bei §§ 37b, c WpHG. 883 Weder in seinen Infomatec-Entscheidungen noch in der EM.TV-Entscheidung hatte sich der BGH zu der Frage, welche Anforderungen an die Kausalität im Zusam-

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menhang mit fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen entschieden, dass auch für den Ersatz des Kursdifferenzschadens konkrete Kausalität der fehlerhaften Information für die Kaufentscheidung zu verlangen sei. Diese Forderung des BGH, welche der bis dato herrschenden Literaturansicht884 widerspricht und welche lapidar damit begründet wird, dass eine uferlose Haftungsausweitung vermieden werden müsse, ist abzulehnen. Denn beim Kursdifferenzschaden geht es nur darum, dass die Information ursächlich für eine bestimmte Preisentwicklung war. Diese Preisentwicklung ist aber unabhängig von der Kenntnis des Geschädigten und dem Einfluss der Information auf seinen Kaufentschluss. Möllers und Leisch formulieren zutreffend, dass die Forderung eines solchen, vom BGH vertretenen Ursachenzusammenhangs „zur Auflösung der rechtslogischen Verknüpfung von Ursachenbeweis und Rechtsfolge führen“885 würde.886 Es ist jedoch auch eine andere Berechnung des Schadens denkbar, welche anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden soll: Es erscheint ein Presseartikel mit sehr positiven, aber nicht zutreffenden Informationen über eine bestimmte Anlage oder einen bestimmten Emittenten. Der Kurs der Aktie schnellt daraufhin von 100 auf 110 Euro. Da die Meldung aber nicht zutrifft, liegt der eigentliche Wert der Aktie weiterhin bei 100 Euro. In der Folgezeit sinkt die Aktie aus verschiedenen Gründen, die mit dieser Berichterstattung nichts zu tun haben, auf 80 Euro. Nach der oben vorgestellten Differenzmethode hätte der Anleger einen Schaden in Höhe von 10 Euro, also den Betrag, um den er die Aktie zu teuer gekauft hat. Hinsichtlich der Kausalität müsste er, wie oben dargestellt, nur nachweisen, dass die Berichterstattung von Einfluss auf den Aktienkurs war, ein Handeln des Anlegers in Kenntnis der fehlerhaften Berichterstattung wäre nicht erforderlich. Doch könnte sich, ausgehend vom Grundsatz der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB und im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH in seinen Entscheidungen zur fehlerhaften Kapitalmarktinformation,887 auch eine andere Möglichkeit der Schadensberechnung ergeben. Wenn man den Anleger tatsächlich so stellen würde, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, dann hätte dies einen Anspruch auf Zahlung des für die Aktie gezahlten Kaufpreises

menhang mit dem Ersatz des Kursdifferenzschadens gestellt werden, eindeutig geäußert. In seiner Comroad II-Entscheidung (NZG 2007, 346, 347) hat sich der BGH nun entgegen der h. L. für das Erfordernis konkreter Kausalität ausgesprochen, der Anleger musste also gerade aufgrund und in Kenntnis dieser bestimmten Information gehandelt haben. 884 Siehe die Nachweise in Fn. 882 sowie die bei Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 357. 885 Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 357. 886 Siehe zur Kritik an dieser Entscheidung des BGH auch Möllers, NZG 2008, 413. 887 Siehe die Nachweise in Fn. 836.

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gegen Herausgabe der Aktien an den Schädiger zur Folge.888 Der Anleger könnte also vom Schädiger die Zahlung der 110 Euro verlangen und müsste diesem im Gegenzug die Aktie übertragen. Da die Aktie nun nur noch 80 Euro wert ist, erhält der Anleger de facto einen Schadensersatz in Höhe von 30 Euro. Diese Form des Schadens wird auch als Vertragsabschlussschaden bezeichnet.889 Eine Schadensabwicklung in dieser Weise erscheint im ersten Moment befremdlich, da es ja nicht der Schädiger, also der Journalist, war, von dem der Anleger die Aktien erworben hat. Doch verlangt der Grundsatz der Totalreparation nur, dass beim Geschädigten der Zustand hergestellt werden muss, der ohne schädigendes Ereignis bestünde.890 Gegen eine solche Form des Schadensersatzes wird zum Teil eingewandt, dass dadurch das allgemeine Marktrisiko auf den Schädiger übertragen werde,891 indem dieser im Beispielsfall auch den realen Verlust von 20 Euro zu tragen habe. Doch entspricht es der allgemeinen Rechtsprechung im Bereich der Verletzung vertraglicher oder außervertraglicher Informationspflichten, dass die zufällige Verschlechterung des zurückzugewährenden Gegenstandes im Risikobereich des Schädigers liegt.892 Auch könnte man aus Gründen der Meinungs- und Pressefreiheit eine solche Verpflichtung des Journalisten zum Erwerb von Wertpapieren ablehnen. Meines Erachtens müssen grundrechtliche Erwägungen aber auf Tatbestandsebene erfolgen, also im Rahmen der einzelnen Haftungstatbestände. Wenn hier ein Schadensersatzanspruch als grundsätzlich gegeben anerkannt wird, dann muss auf Rechtsfolgenseite die Meinungs- und Pressefreiheit nicht nochmals berücksichtigt werden und gilt auch für Journalisten der Grundsatz der Totalreparation. Voraussetzung für den Ersatz dieses Vertragsabschlussschadens ist aber wie bei jedem anderen Schadensersatzanspruch auch, dass das schädigende Verhalten kausal für die Verursachung des Schadens war. Da hier der Schaden im Vertragsschluss als solchem 888 Vgl. BGHZ 160, 149, 153; BGH NJW 2005, 2451, 2452; dazu Wagner, ZGR 2008, 495, 507 ff. 889 Siehe zu diesem (im Zusammenhang mit einem Schadensersatzanspruch aus §§ 37b, c WpHG) die ausführliche Darstellung Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 302 ff. m.w.Nw. 890 Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 305. 891 Sethe, in: Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, c Rn. 78, 127 („Versicherung gegen schlechte Kursentwicklungen“). 892 Vgl. BGHZ 57, 137, 142 ff.; Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 269. Hiervon zu trennen ist die Frage, inwieweit ein hypothetischer Kausalverlauf zu berücksichtigen ist. Gerade im Bereich des Wertpapierhandels dürfte der Anleger in Kenntnis der Täuschung nicht überhaupt nicht, sondern nur anders investiert haben. Dies führt zu der von der Kausalität zu trennenden Frage der objektiven Zurechnung, also der Frage in wieweit der bei einer alternativen Investition hypothetisch ebenfalls eingetretene Vermögensschaden schadensmindernd zu berücksichtigen ist. Dabei handelt es sich um eine Wertungsfrage. Im Ergebnis wird man aber den hypothetisch erlittenen Verlust auf Seiten des Anlegers berücksichtigen müssen. Eine ausführliche und überzeugende Darstellung des Streitstandes m.w.Nw. findet sich bei Möllers/ Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 280 ff.

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zu sehen ist, muss dann auch die Berichterstattung ursächlich für das relevante Wertpapiergeschäft geworden sein.893 Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass der Anleger nur dann die 110 Euro gegen Übertragung der Aktien verlangen kann, wenn die Berichterstattung als solche kausal für seine Anlageentscheidung war. Kannte der Anleger die den Schaden verursachende Berichterstattung dagegen nicht, kann er vom Schädiger auch nur Ersatz des Kursdifferenzschadens verlangen. In seiner EM.TV-Entscheidung hat der BGH im Zusammenhang mit fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen diesen beiden Formen der Schadensberechnung anerkannt.894 Ein solches Wahlrecht kann auch bei fehlerhafter Wirtschaftsberichterstattung zuerkannt werden. Schließlich kann ein Schaden des Anlegers darin liegen, dass er aufgrund einer bestimmten Berichterstattung von einem Wertpapiergeschäft abgesehen hat. Doch dürfte sich in diesen Fällen der Kausalitätsnachweis nur schwer erbringen lassen, da sich das Verhalten des Anlegers regelmäßig nicht nach außen manifestiert haben wird. Im Folgenden werden nun die einzelnen Haftungstatbestände dargestellt, aufgrund derer sich ein Anspruch auf Ersatz des eben dargestellten Kursdifferenzbzw. Vertragsabschlussschadens ergeben könnte. 2. Anspruch aus § 824 BGB Im Gegensatz zu den Emittenten kann sich für die Anleger kein Schadensersatzanspruch aus § 824 BGB ergeben, da ein hieraus resultierender Schaden des Emittenten keinen ersatzfähigen Schaden des Anlegers darstellt. 3. Anspruch aus § 826 BGB In Betracht kommt ein Anspruch der Anleger aus § 826 BGB. Hierbei gilt zunächst dasselbe wie für einen Anspruch der geschädigten Emittenten. Im Gegensatz zu Ansprüchen der Emittenten kommt aber hinsichtlich der Anleger die Anwendung der Fallgruppe der Haftung für leichtfertige Fehlinformationen grundsätzlich in Betracht. Sie wird beispielsweise bei Sachverständigen oder Testprüfern regelmäßig angenommen.895 Ob man dies allerdings auf Finanz893 Diese Kausalität muss von Geschädigten dargelegt und bewiesen werden. Ihm kommen dabei grundsätzlich keine Beweiserleichterungen zugute, allenfalls im Einzelfall kann sich aus dem Bestehen einer sog. Anlagestimmung ein Anscheinsbeweis für die Kausalität ergeben, vgl. BGH NJW 2004, 2664, 2666; BGH NZG 2007, 269. 894 BGH NJW 2005, 2450, 2451; siehe zu diesem Wahlrecht die Anmerkung Hutter/ Stürwald, NJW 2005, 2428, 2430. 895 BGH NJW 1991, 3282, 3283; Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 58.

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journalisten übertragen kann, erscheint zweifelhaft. Denn die Tätigkeit eines Finanzjournalisten kann grundsätzlich von jedermann ausgeübt werden, ohne dass eine besondere Sachkenntnis erforderlich wäre. Auch haben Journalisten keine besondere Sachnähe, aus der sich eine besondere Verantwortlichkeit ergeben könnte. Etwas anderes gilt jedoch für Gastbeiträge. Bei diesen kann man eine besondere Sachnähe annehmen und infolgedessen eine Haftung für leichtfertige Fehlinformationen bejahen. Schließlich fallen unter diese Fallgruppe auch die Konstellationen, in denen der Auskunftsempfänger in gesteigertem Maße und für den sich Äußernden erkennbar auf die Richtigkeit der Aussagen vertraut und der sich Äußernde eigensüchtige Interessen verfolgt.896 Hieraus folgt, dass ein Schadensersatzanspruch der Anleger dann gegeben ist, wenn ihnen entweder der Nachweis gelingt, dass der Verfasser die Fehlerhaftigkeit der Meldungen inklusive der hieraus resultierenden Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen hat oder aber, wenn der Journalist leichtfertig gehandelt und dabei gleichzeitig eigensüchtige Interessen verfolgt hat. 4. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB Dagegen scheidet ein Anspruch der Anleger aus § 823 Abs. 1 BGB aus. Es fehlt an einer Rechtsgutverletzung. So wird beispielsweise durch eine fehlerhafte Berichterstattung nicht in den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft eingegriffen, vielmehr handelt es sich bei den Schäden der Aktionäre um reine Vermögensschäden. Auch kommt, und dies wurde zuletzt vom BGH im Fall Breuer bestätigt, den Anteilseignern kein Deliktsschutz unter Berufung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zugute.897 5. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB a) Allgemeines Bei der Untersuchung der einzelnen deliktsrechtlichen Ansprüche der Anleger wird die Grundsatzentscheidung des deutschen Deliktsrechts deutlich, wonach reine Vermögensschäden nur unter besonderen Umständen und nicht generell ersatzfähig sein sollen. Gerade im direkten Vergleich zu den Emittenten, die sich auf ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen können, zeigt sich, dass die Anleger aus haftungsrechtlicher Sicht deutlich schlechter dastehen. Fraglich ist, ob man tatsächlich solch eine Ungleichbehandlung will oder ob es im Rahmen eines einheitlichen Kapitalmarktrechts nicht 896 897

BGH NJW 1992, 3167, 3174. BGHZ 166, 84, 106 ff. m.w.Nw.

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wünschenswert wäre, nicht nur den Emittenten, sondern auch den Anlegern ihre reinen Vermögensschäden – denn nichts anderes sind die Schäden am Gewerbebetrieb – zu ersetzen. Eine Möglichkeit bietet der letzte noch zu prüfende deliktsrechtliche Haftungstatbestand mit eigenständiger Bedeutung: § 823 Abs. 2 BGB, der zusammen mit anlegerschützenden Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes den Anlegern einen Anspruch auf Ersatz ihrer Vermögensschäden geben könnte. Im Zusammenhang mit fehlerhafter Finanzmarktberichterstattung kommen dabei, wie bereits im Zusammenhang mit den Schadensersatzansprüchen der Emittenten erwähnt, § 20a WpHG, § 34b WpHG und § 14 WpHG in Betracht. Bereits zu den Vorgängernormen war die Frage nach der Schutzgesetzeigenschaft dieser Normen in Literatur und Rechtsprechung heftig umstritten. In einem Beschluss aus dem Jahre 2002 hat sich eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts dann gegen die Schutzgesetzeigenschaft des damaligen Kursbetrugs, dem Vorgänger des Verbots der Marktmanipulation, ausgesprochen.898 Doch ist es durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz zu einschneidenden Änderungen gekommen, sodass sich zum neuen Recht mittlerweile die Stimmen mehren, die eine Schutzgesetzeigenschaft zumindest des Manipulationsverbotes bejahen.899 Ohne dass an dieser Stelle der derzeitige Streitstand in seinem vollen Umfang wiedergegeben oder gar entscheiden werden könnte, sollen die wichtigsten Aspekte im Folgenden kurz dargestellt werden. b) Individualschützender Charakter der Normen Ausgangspunkt der Frage nach der Schutzgesetzeigenschaft eines Gesetzes ist immer der Wille des Gesetzgebers, also ob dieser mit der jeweiligen Norm zumindest auch einen Individualschutz gewollt hat.900 In den Materialien zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz finden sich keine eindeutigen Hinweise. Doch zeigt bereits die Bezeichnung des Gesetzes als Anlegerschutzverbesserungsgesetz, dass Anlegerschutz nicht ein bloßer Reflex der Normen sein kann. In der Begründung zum Regierungsentwurf ist ausgeführt, dass für das Erreichen des Ziels des Gesetzes, nämlich einer Stärkung des Kapitalmarktes, das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte eine entscheidende Rolle spiele.901 Ein solches Vertrauen solle, wo nötig, durch die Übernahme persönlicher Verantwortung und eine angemessene Erweiterung der Haftung für geschädigte Anleger 898

BVerfG NJW 2003, 501, 502 f. Eine ausführliche Darstellung mit Nachweisen für beide Ansichten findet sich bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 425 ff. 900 BGHZ 125, 366, 374; BGHZ 122, 1, 4; BGHZ 106, 204, 206; BGHZ 105, 121, 124; BGHZ 103, 197, 199; Knöpfle, NJW 1967, 697, 698 f.; Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 340. 901 Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 15/3174, S. 26. 899

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erreicht werden.902 Auch der Finanzausschuss erwähnt in seiner Beschlussempfehlung ausdrücklich den Anlegerschutz.903 Dass die genannten Vorschriften dem Schutz der Anleger dienen, ist damit offensichtlich. Doch muss dieser Anlegerschutz auch ein individueller Schutz sein. Dies wird von der Literatur für § 34b WpHG verneint: Da § 34b WpHG nur auf Finanzanalysen Anwendung finde und Voraussetzung einer Finanzanalyse sei, dass diese sich an einen unbestimmten Personenkreis richte, könne mit § 34b WpHG kein Individualschutz bezweckt sein.904 Auch beim Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen wird ein solcher Individualschutz abgelehnt.905 Meines Erachtens ist es jedoch schwierig, zwischen einem Anlegerschutz als solchem und einem individuellen Anlegerschutz zu unterscheiden. Schließlich sind die Interessen der Anleger nichts anderes als die Summe der individuellen Interessen der einzelnen Anleger und auch die Schäden treten unmittelbar bei den einzelnen Anlegern ein. Dagegen finden sich hinsichtlich des Manipulationsverbots einige Stimmen, die den Zweck individuellen Anlegerschutzes der Vorschrift bejahen.906 c) Einfügung eines Schadensersatzanspruchs in das haftungsrechtliche Gesamtsystem Doch führt die Bejahung eines individuellen Schutzzwecks nicht unmittelbar zur Einordnung als Schutzgesetz, vielmehr bedarf es eines zweiten Schrittes der 902

Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drs. 15/3174, S. 26. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 15/3493, S. 1. 904 Steuer/Rossbach, in: GS Bosch, S. 213, 224; Koller, in: Assmann/Uwe H. Schneider, § 34b Rn. 129; Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 285; Schilder, Die Verhaltenspflichten von Finanzanalysten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, S. 218. Zu § 34b WpHG a. F. bestand bei nach Frage nach dem Drittschutz keine Einigkeit, siehe zum damaligen Streitstand die Nachweise bei Schilder, Die Verhaltenspflichten von Finanzanalysten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, S. 218 in Fn. 1225 und Möllers, in: KK-WpHG, § 34b Rn. 285 in Fn. 687. 905 Pawlik, in: KK-WpHG, § 14 Rn. 7; Caspari, ZGR 1994, 530, 243; Happ, JZ 1994, 240, 533; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 108; differenzierend, bei der Weitergabe durch Journalisten einen Individualschutz verneinend Ekkenga, ZIP 2004, 781, 790; kritisch zu dieser Differenzierung Ekkengas Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 51. A. A. wohl Assmann, in: Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 Rn. 49; § 14 Rn. 7, 208 ff., der diesen Streit aufgrund der praktischen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung als „weitgehend theoretischer Natur“ bezeichnet, § 14 Rn. 209. 906 Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 425 ff.; Ekkenga, ZIP 2004, 781, 785; zum alten Recht war es heftig umstritten, ob § 20a WpHG individualschützend und damit ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei; siehe zum damaligen Streitstand die Nachweise bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 426 in Fn. 561, der zutreffenderweise darauf hinweist, dass man die alte Diskussion, insbes. die zu § 88 BörsG ergangene Rspr. (eine Kammer des BVerfG hatte eine Schutzgesetzeigenschaft abgelehnt, NJW 2003, 501, 502 f.) nicht ohne Weiteres auf die neue Regelung übertragen könne. 903

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Prüfung, ob die Ausgestaltung als individueller Schadensersatzanspruch im jeweiligen Zusammenhang sinnvoll erscheint und ob sich ein solcher Anspruch in das haftungsrechtliche Gesamtsystem einfügt.907 Hierbei muss als Ausgangspunkt berücksichtigt werden, dass sich der Gesetzgeber gegen eine allgemeine Haftung für primäre Vermögensschäden entschieden hat.908 Würde man jede Regelung, der Individualschutz zukommt, auch als Schutzgesetz qualifizieren, würde das bestehende System aus den Angeln gehoben.909 Ein Grund, der für die Ausweitung des deliktischen Vermögensschutzes spricht, ist die Tatsache, dass beim Handel am Kapitalmarkt die einzelnen Kunden gar nicht miteinander in Kontakt kommen, die Stärkung vertraglicher Ansprüche zu Lasten deliktischer also ins Leere zu gehen droht.910 Auch widerspricht die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs der Anleger im Bereich der Marktmanipulation nicht den Zielen des Kapitalmarktes, wie dies beispielsweise bei der Abschöpfung von Gewinnen aus Insidergeschäften der Fall wäre, sondern es besteht ein Gleichlauf der Interessen.911 Des Weiteren könnte man gegen eine Einordnung als Schutzgesetz vorbringen, dass dadurch das Haftungssystem insoweit gesprengt würde, als ein weiterer Anspruch für Ersatz auch nur fahrlässig verursachter Vermögensschäden geschaffen würde. Schließlich enthalten die genannten Verbotsnormen allesamt keine subjektiven Merkmale, sodass grundsätzlich § 823 Abs. 2 S. 2 BGB Anwendung finden müsste, der in diesen Fällen eine Beschränkung der deliktischen Haftung auf Vorsatz und Fahrlässigkeit anordnet. Doch kann man diesem Einwand dadurch begegnen, dass man nicht die Verhaltensnormen allein, sondern in Kombination mit den §§ 38, 39 WpHG als Schutzgesetz anerkennt. Insoweit ist für die genannten Normen zumindest ein leichtfertiger Verstoß erforderlich. Dies alles spricht dafür, dass ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 20a WpHG und §§ 38, 39 WpHG im Gesamtzusammenhang sinnvoll erscheint und sich in das haftungsrechtliche Gesamtsystem durchaus einfügen würde.912 In gleicher Weise würden sich auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, 34b WpHG dem haftungsrechtlichen Gesamtsystem einpassen, wenn man den individualschützenden Charakter dieser Normen bejahte. Fraglich ist nun noch, wie man die Meinungs- und Pressefreiheit ausreichend berücksichtigt, wenn man einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB 907

BGHZ 125, 366, 374; BGHZ 66, 388, 390. Dazu oben unter B. und Fn. 832. 909 Vgl. Canaris, in: FS Larenz (1983), S. 27, 47 ff. 910 Vgl. Sauer, Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes, S. 20 f. 911 Siehe zu diesem Gesichtspunkt ausführlich Ekkenga, ZIP 2004, 781, 784 ff. 912 Bei Erörterung des haftungsrechtlichen Gesamtsystems ebenfalls auf die §§ 38, 39 WpHG verweisend Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, §§ 37b, c Rn. 459; zu diesem Ergebnis für § 20a WpHG kommen auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 432. 908

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in Verbindung mit den §§ 14, 20a und 34b WpHG grundsätzlich anerkennt. Meines Erachtens hat dies schon bei der Prüfung der jeweiligen Tatbestände im WpHG zu erfolgen. Wenn deren Voraussetzungen – unter angemessener Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben – tatbestandsmäßig erfüllt sind, und somit der Journalist ordnungswidrigkeitsrechtlich bzw. strafrechtlich belangt werden kann, dann gilt für die Beurteilung der deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit nichts anderes. Eines Rückgriffs auf die modifizierten Grundsätze der Warentest-Rechtsprechung bedarf es daher in diesem Zusammenhang nicht. III. Passivlegitimation 1. Passivlegitimation des Verfassers Bisher war nur von der Presse bzw. dem Journalisten die Rede, wenn es darum ging, wer Verpflichteter eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist. Im Folgenden soll nun darauf eingegangen werden, wer genau als Anspruchsverpflichteter eines etwaigen Schadensersatzanspruchs in Frage kommt. Ausgangspunkt ist, dass für eine Äußerung derjenige einzustehen hat, der sie tut. Anspruchsverpflichteter ist also zunächst einmal derjenige, von dem die schadensverursachende Aussage stammt. Gerade im Bereich der Finanzmarktberichterstattung mit enormen Schadenshöhen besteht aber auch ein Interesse daran, neben dem unmittelbaren Verfasser, dessen Vermögen solche Schadensersatzansprüche in aller Regel übersteigen wird,913 weitere Anspruchsverpflichtete auszumachen. Mangels spezieller presserechtlicher Haftungsvorschriften bestimmt sich die Verantwortlichkeit weiterer Personen nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen,914 wobei bei der Frage nach der Haftungserstreckung immer Art. 5 Abs. 1 GG ausreichend berücksichtigt werden muss. In Betracht kommt eine Haftungserstreckung auf den Verleger bzw. Unternehmensinhaber des Presseerzeugnisses. Daneben ist auch eine Haftung weiterer Mitarbeiter denkbar.915

913 Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 29. Auch eine Versicherung solcher Schäden wird wohl nicht möglich sein. 914 Vgl. BGHZ 3, 270, 275; BGH NJW 1952, 660, 661; Beater, Medienrecht, Rn. 1896. 915 Kommt es im Einzelfall zu einer Haftung mehrerer Personen gegenüber dem Geschädigten, so haften diese gem. §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner, wobei einem angestellten Redakteur oder freien Mitarbeiter ein Freistellungsanspruch (zu diesem auch unter 2. lit. b) gegenüber dem Verleger zustehen kann. Hierzu Soehring, Presserecht, Rn. 28.6; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 19.

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2. Passivlegitimation des Verlegers Von besonderem Interesse ist eine Haftungserstreckung auf den Verleger, da dieser in aller Regel der kapitalkräftigste unter den Pressebeteiligten ist.916 Außerdem erscheint es nahe liegend, dass „der wirtschaftliche Träger einer Publikation auch das damit verbundene Haftungsrisiko tragen soll“.917 a) Haftung aus § 831 BGB Möglich ist ein Anspruch gem. § 831 Abs. 1 BGB, welcher von der Rechtsprechung auch auf die Haftung für Beiträge freier Mitarbeiter angewandt wird.918 Häufig wird dem Verleger jedoch der Exkulpationsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB unter Berufung auf eine sorgfältige Auswahl und Überwachung des Autors gelingen, sodass eine Haftung des Verlegers entfällt.919 b) Haftung über die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich Eine – zumindest indirekte – Erstreckung der Haftung auf den Verleger kann sich aus dem sog. innerbetrieblichen Schadensausgleich ergeben.920 Dieser besagt, dass der Arbeitnehmer im Innenverhältnis zum Arbeitgeber einen von ihm verursachten Schaden nicht zu tragen hat bzw. eine Haftungsbeschränkung erfolgt. Damit steht dem Arbeitnehmer ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu.921 Dieser Anspruch ist auch abtretbar, sodass er vom Arbeitnehmer auf den Geschädigten übertragen werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verfasser des Artikels als Arbeitnehmer oder insoweit gleichgestellte Person zu qualifizieren ist. Dies bestimmt sich nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen und wird daher sowohl für fest angestellte Journalisten als auch freie Mitarbeiter922 zu bejahen sein, für alle anderen Autoren hingegen nicht. Insgesamt kommt dem innerbetrieblichen Schadensausgleich in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle zu, zumal aus ihm kein unmit916 BGH NJW 1957, 1149; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 23. 917 Soehring, Presserecht, Rn. 28.2. 918 OLG München NJW-RR 1990, 1433, 1434; vgl. auch Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 27. Es handelt sich dabei um die sog. Geschäftsherrenhaftung. 919 Soehring, Presserecht, Rn. 28.2. 920 Siehe zum innerbetrieblichen Schadensausgleich statt vieler Müller-Glöge, in: MünchKommBGB, § 611 Rn. 899 ff. und Rn. 907 ff. m.w.Nw. zu Rspr. und Lit. 921 Müller-Glöge, in: MünchKommBGB § 611 Rn. 907 ff. 922 Zumindest Soehring, Presserecht, Rn. 28.6 geht davon aus, dass auch freien Mitarbeitern der innerbetriebliche Schadensausgleich zugute komme.

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telbarer Anspruch des Geschädigten gegen den Verleger erwächst, sondern nur ein Freistellungsanspruch des Schädigers gegenüber dem Verleger begründet wird. c) Haftung des Geschäftsinhabers für betriebliche Organisationsmängel – Fiktionshaftung Um dennoch regelmäßig zu einer Haftung des Verlegers zu kommen, hat sich eine Rechtsprechung entwickelt, die eine Haftung des Geschäftsinhabers für betriebliche Organisationsmängel statuiert.923 Diese Rechtsprechung besagt, dass in kritischen Fällen, also wenn durch eine bestimmte Berichterstattung ein Schaden Dritter droht, der Verleger dazu verpflichtet ist, den fraglichen Bericht zu überprüfen.924 Ist er hierzu selbst nicht in der Lage, muss er dafür sorgen, dass ein organschaftlicher Vertreter diese Kontrolle übernimmt, dessen Verschulden dem Verleger dann gem. § 31 BGB zugerechnet wird, ohne dass, wie im Rahmen des § 831 BGB, eine Exkulpationsmöglichkeit besteht.925 Unterbleibt diese von der Rechtsprechung geforderte Bestellung eines organschaftlichen Vertreters und wird stattdessen irgendein Mitarbeiter oder eine sonstige externe Person926 mit der Kontrolle beauftragt, dann wird die Organstellung des Beauftragten fingiert.927 Der Verleger muss also für das Verschulden des von ihm mit der Kontrolle Beauftragten ohne Entlastungsmöglichkeit einstehen. Einzige Voraussetzung, die die Rechtsprechung hierbei macht, ist, dass der Verleger seinerseits schuldhaft gehandelt haben müsste, hätte er die Überprüfung selbst vorgenommen.928 Wenn also der Verleger bei einer von ihm vorgenommenen Kontrolle des Artikels unter Berücksichtigung der journalistischen Sorgfalt, d.h. rechtmäßigerweise, für eine Veröffentlichung gestimmt hätte, dann fehlt es an der erforderlichen Kausalität. Der Verleger haftet somit dafür, dass eine sorgfältige Überprüfung aller Beiträge sichergestellt ist, nicht aber für den Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Erfolges.929 Dennoch schließen Soehring und ihm folgend Beater in ihren Darstellungen zum Medienrecht aus dieser Rechtsprechung, dass Verlage für die zivilrechtlichen Folgen von Presseberichterstattung stets einzustehen hätten.930 923 BGH NJW 1952, 660, 661; BGH NJW 1954, 1682, 1684. Siehe zum Ganzen auch die Darstellung bei Soehring, Presserecht, Rn. 28.1 ff. 924 BGH NJW 1952, 660, 661; BGH NJW 1954, 1682, 1684. 925 Vgl. BGH NJW 1963, 484, 485; BGH NJW 1980, 2810, 2811. 926 Zur Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Überprüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit BGH NJW 1980, 2810, 2811. 927 Es handelt sich um die sog. Fiktionshaftung, vgl. Steffen, in: Löffler, § 6, Rn. 223. 928 OLG München NJW-RR 1990, 1433 1434; Soehring, Presserecht, Rn. 28.4. 929 Soehring, Presserecht, Rn. 28.4. 930 Soehring, Presserecht, Rn. 28.1; Beater, Medienrecht, Rn. 1903.

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3. Passivlegitimation sonstiger Mitarbeiter Daneben können auch andere Mitarbeiter für einen Beitrag haften, wenn sie aufgrund ihrer Beteiligung eine individuelle Verantwortung für die Schädigung tragen, was ebenfalls nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Insbesondere die Einordnung als verantwortlicher Redakteur ist nur für die strafrechtliche Beurteilung von Bedeutung.931 Auch dem Chefredakteur oder Herausgeber kommt keine haftungsrechtliche Sonderstellung zu, eine solche ist angesichts der Ausdehnung der Verantwortlichkeit des Verlegers aber auch weder notwendig noch gerechtfertigt.932 4. Hiervon erfasste Beiträge Diese eben geschilderte Haftung vor allem des Verlegers gilt in ihrem Ausgangspunkt für den gesamten Inhalt der Druckschrift,933 also auch für den Anzeigenteil,934 Leserbriefe935 und Gastbeiträge936. Es kommt somit zu einer Einstandspflicht sowohl für das Behaupten eigener als auch für die Weitergabe fremder Äußerungen,937 wobei die oben dargestellten Sorgfaltsmaßstäbe gelten. Diese Anforderungen werden jedoch dann gelockert, wenn es sich um Äußerungen handelt, die erkennbar von Dritten stammen.938 Eine solche Haftungserleichterung für die Presse setzt voraus, dass für den Leser erkennbar ist, die Presse mache sich eine bestimmte Äußerung nicht zu Eigen, wobei sich die konkreten Anforderungen an die Distanzierung aus dem jeweiligen Einzelfall ergeben.939 Vor allem in Fällen, in denen im Einzelfall schwere Beeinträchti931 BGH NJW 1966, 1857; Lang, Die Haftung für Fehler in Druckwerken, S. 116. Insbes. sind die entsprechenden Normen auch nicht Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, sodass hierüber eine Haftung begründet werden könnte. Zur Rolle des verantwortlichen Redakteurs im Rahmen zivilrechtlicher Haftung siehe auch Soehring, Presserecht, Rn. 28.11 ff. Siehe zur Person des Verantwortlichen Redakteurs, insbes. zu seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, außerdem die Darstellung oben in Kapitel 4 B. II. 2. 932 Soehring, Presserecht, Rn. 28.9. Auch besteht für diese Funktionen keine einheitliche Definition, sondern variiert der Aufgabenbereich in den einzelnen Presseunternehmen. Außerdem wird die Benennung dieser Personen in den einzelnen Landespresse- bzw. Landesmediengesetzen nicht gefordert. Siehe zu der Haftung für andere Mitarbeiter Soehring, Presserecht, Rn. 28.7 ff. m.w.Nw. 933 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 14. 934 Soehring, Presserecht, Rn. 16.33 ff. 935 Soehring, Presserecht, Rn. 16.19. 936 Zum Gastbeitrag siehe oben in Kapitel 3 B. IV. 2. 937 Beater, Medienrecht, Rn. 1882. Siehe zu den Unterschieden, die sich aus der Differenzierung zwischen Behaupten und Verbreiten ergeben Beater, Medienrecht, Rn. 1866 ff. 938 BGHZ 59, 76, 80. 939 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 16.

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gungen der Rechte Dritter drohen oder deutliche Zweifel an der tatsächlichen Richtigkeit und rechtlichen Unbedenklichkeit aufkommen, besteht die oben geschilderte Prüfungspflicht der Presse fort und damit auch der oben beschriebenen Verantwortlichen.940 Für die unterschiedlichen Beitragsformen ergibt sich daraus Folgendes: Es besteht Einvernehmen, dass es die praktischen Möglichkeiten der Presse überfordern würde, jede Werbeanzeige auf deren inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen,941 zumal Werbeanzeigen für die Presse von enormer finanzieller Bedeutung sind.942 Auch für Leserbriefe scheidet eine Haftung der Presse aus, wenn diese, wie regelmäßig der Fall, unter deutlichem Hinweis auf die inhaltliche Distanzierung und mit räumlicher Trennung vom restlichen redaktionellen Teil abgedruckt werden.943 Von besonderem Interesse für den Bereich der Finanzmarktberichterstattung ist nun, was sich hieraus für Gastbeiträge944 ergibt, welche ebenfalls Äußerungen Dritter darstellen, die gerade nicht den Redaktionen angehören. Auf den ersten Blick erscheint es nahe liegend, Gastbeiträge in gleicher Weise wie Werbeanzeigen oder Leserbriefe einer Haftungserleichterung zu unterwerfen. Doch wäre hierfür eine ausreichende Distanzierung der Presse vom Inhalt des Gastbeitrages Voraussetzung. Eine solche Distanzierung fehlt jedoch in aller Regel. Zwar ist es üblich, dass der Name des Verfassers und auch sein Beruf oder sein Arbeitgeber am Ende eines solchen Beitrags abgedruckt werden, doch erfüllt dies meines Erachtens nicht die Anforderungen, die an eine deutliche Distanzierung zu stellen sind. Vielmehr sind solche Beiträge so in den redaktionellen Teil eingegliedert, dass nur dem sehr aufmerksamen Leser überhaupt auffällt, dass es sich nicht um einen herkömmlichen redaktionellen Beitrag handelt. Um von einer Distanzierung ausgehen zu können, müssten die Gastbeiträge ähnlich den Leserbriefen räumlich vom restlichen redaktionellen Teil getrennt werden und deutlich, also bereits zu Beginn des Artikels, als solche gekennzeichnet werden. Somit bestehen für Gastbeiträge in solchen Fällen keine Haftungserleichterungen, wie dies für Anzeigen oder Leserbriefe üblich ist. Insbesondere der Verleger haftet also regelmäßig vollumfänglich auch für den Inhalt eines Gastbeitrages. 940

BGHZ 59, 76, 80 ff.; Gaertner, AfP 1990, 269, 274. Die Prüfungspflicht besteht vielmehr nur dann, wenn das Inserat nach seiner Aufmachung und seinem Inhalt ungewöhnlich und damit besonders auffällig ist, vgl. BGHZ 59, 76, 80; BGH NJW 1972, 2302, 2303; BGH NJW 1999, 1960, 1961; Hecker, AfP 1993, 717. 942 Zur Privilegierung der Presse gem. § 9 S. 2 UWG (Haftungsbeschränkung auf Vorsatz bei fremdem Presseinhalt) und zu dessen analoger Anwendung auf deliktsrechtliche Ansprüche des BGB siehe Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 9 Rn. 2. 943 BGH NJW 1986, 2503; 2504; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 41. Kapitel Rn. 17. 944 Zum Begriff des Gastbeitrages siehe oben in Kapitel 3 B. IV. 2. 941

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IV. Bewertung Somit stehen sowohl den durch eine Berichterstattung geschädigten Emittenten als auch den Anlegern grundsätzlich Schadensersatzansprüche nach dem allgemeinen Deliktsrecht des BGB zu. Dass bisher kein Fall bekannt ist, in dem ein solcher Schadensersatzanspruch gegenüber der Presse geltend gemacht wurde, hängt sicherlich mit den Problemen zusammen, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte sowohl den Schaden als auch die Kausalität beweisen muss, ohne dass ihm hierbei Beweiserleichterungen zugute kommen.945 Auch handelt es sich gerade bei den Anlegern häufig um Schäden, die nicht so groß sind, als dass sich eine Geltendmachung für den Einzelnen lohnen würden. Hier stellt sich die Frage, ob entsprechende Gruppenklagen Sinn machen würden. Des Weiteren ist ein Fehlverhalten der Presse oft nicht so offensichtlich und es ist eine besondere Sachkunde erforderlich, um schädigendes Verhalten als solches zu erkennen. Aufgrund dieser Schwächen ist „Private Law Enforcement“ in diesem Bereich immer nur „die allerletzte und glanzlose Notlösung“.946 Insgesamt erscheint die Bedeutung zivilrechtlicher Ansprüche in diesem Bereich eher gering. Viel wichtiger ist meines Erachtens die Überwachung der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes durch die BaFin, welcher hierfür ganz andere Mittel und ein ganz anderes Fachwissen zur Verfügung stehen als dem Einzelnen bei der Geltendmachung seiner individuellen Ansprüche. Von Bedeutung ist, dass der Presserat endlich der ihm übertragenen Verantwortung gerecht wird und beispielsweise wie im Bereich des Redaktionsdatenschutzes auch präventiv tätig wird.

C. Ansprüche nach dem UWG Neben dem allgemeinen Deliktsrecht des BGB stellt sich die Frage, inwieweit das Recht des unlauteren Wettbewerbs947 als „Sonderdeliktsrecht“948 einschlägig ist.949 Dies ist insofern von Bedeutung, als das Wettbewerbsrecht zum einen 945 Diese Problematik sieht auch Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 283 ff., 286, der darauf hinweist, dass daher eine pauschalierende Kompensation notwendig sei, zu der bei Emittentenhaftung auch das KapMuG wenig beitrage. 946 Vgl. Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 286. 947 Diese ist im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, i. d. F. v. 3.7.2004, BGBl I 1414, zuletzt geändert durch Gesetz v. 21.12.2006, BGBl I 3367) geregelt und wird im Folgenden als Wettbewerbsrecht bezeichnet. 948 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl. Rn. 7.2. 949 Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Wettbewerbsrecht im Falle seiner Anwendbarkeit die bürgerlichrechtlichen Deliktsansprüche verdrängen würde. Vielmehr ist für jeden einzelnen Anspruch zu prüfen, ob die Ansprüche sich gegenseitig ausschließen oder nebeneinander vorliegen können. Vgl. hierzu Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl. Rn. 7.3 ff.

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deutlich äußerungsfeindlicher ist als das allgemeine Deliktsrecht des BGB950 und sich zum anderen aus dem Wettbewerbsrecht andere, weiter reichende Rechtsfolgen ergeben.951 I. Der Anwendungsbereich des UWG Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts ist das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung. Diese Voraussetzung dient dazu, das Wettbewerbsrecht vom allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen.952 Sie ist in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG legaldefiniert ist als „jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“. Die in Frage stehende Handlung muss also zum Ziel haben, die wettbewerbliche Stellung eines eigenen oder fremden Unternehmens zu fördern.953 Dies setzt als subjektives Tatbestandsmerkmal die Absicht einer solchen Förderung voraus.954 Wann Wettbewerbsförderungsabsicht gegeben ist, ist im Rahmen einer Wertung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.955 Gleichwohl haben sich im Laufe der Jahre bestimmte, ihrerseits widerlegliche Vermutungen etabliert, die unter anderem danach differenzieren, ob man zugunsten des eigenen oder eines dritten Unternehmens handelt.956

950 Ahrens, in: FS Ullmann, S. 565, 568. So ist z. B. vergleichende Werbung im Anwendungsbereich des UWG nur unter den – im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht – strengeren Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 UWG zulässig. 951 Von Bedeutung ist hierbei insbes., dass auch reine Vermögensschäden ersatzfähig sind. 952 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 2, Rn. 3; Sieber, Die lauterkeitsrechtlichen Grenzen des Wirtschaftsjournalismus, Rn. 244; Beater, Medienrecht, Rn. 736. 953 Fezer, in: Fezer, § 2 Rn. 31; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 2 Rn. 25. 954 Sog. Wettbewerbs(förderungs)absicht, siehe zu dieser z. B. BGH GRUR 2008, 810, 813; BGH GRUR 2007, 987, 988; KG GRUR-RR 2005, 162, 165 f.; Veil, in: MünchKommUWG, § 2, Rn. 28, 36, 64 f.; Beater, Medienrecht, Rn. 736. Seit der Reform des UWG im Jahre 2004 und dem Inkrafttreten der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Jahre 2007 wird z. T. vertreten, dass dieses Ziel der Förderung des Absatzes oder des Bezugs rein objektiv zu verstehen sei und ein ausschließlich objektives Tatbestandsmerkmal darstelle, vgl. Fezer, in: Fezer, § 2 Rn. 31 f.; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2005, 629, 630; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 2 Rn. 25 f., der jedoch darauf hinweist, dass eine Auslegung, die eine Wettbewerbsabsicht fordere, dennoch möglich sei. 955 BGH GRUR 1995, 270, 272 f.; BGH GRUR 1998, 947, 948. 956 Vgl. Veil, in: MünchKommUWG, § 2 Rn. 66 ff. Generell nicht erfasst ist der Fall, dass man nicht ein Unternehmen fördern will, sondern einem anderen schaden will, BGH GRUR 1986, 898, 899.

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II. Förderung des eigenen Unternehmens Zunächst sollen die Fälle dargestellt werden, in denen das Presseunternehmen durch eine bestimmte Berichterstattung das eigene Presseunternehmen fördern will. Hierbei ist vor allem der Fall von Bedeutung, dass mit Blick auf aktuelle oder zukünftige Anzeigenkunden eine wohlwollende Berichterstattung bezüglich dieser Kunden erfolgt oder gar Vertreter dieser Unternehmen selbst zu Wort kommen. Grundsätzlich wird, wenn es um die Förderung des eigenen Unternehmens geht, die Wettbewerbsabsicht vermutet.957 Für die Presse gilt diese Vermutung jedoch wegen des besonderen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 GG nur eingeschränkt:958 Für redaktionelle Beiträge, und zu diesen zählen in diesem Zusammenhang auch Gastbeiträge, muss eine Wettbewerbsabsicht immer positiv nachgewiesen werden. Dies erfolgt im Rahmen einer wertenden Prüfung, in der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis muss die Wettbewerbsabsicht eine tragende Rolle spielen und darf nicht nur notwendige Begleiterscheinung sein.959 Allein daraus, dass über ein bestimmtes Unternehmen positiv berichtet wird und dieses Unternehmen gleichzeitig Anzeigen in dem fraglichen Medium schaltet, lässt sich daher noch nicht auf solch eine Absicht schließen. Vielmehr ist die Presse zu einem großen Teil anzeigenfinanziert und daher darauf angewiesen, Anzeigenaufträge von Unternehmen zu erhalten, über die berichtet wird.960 Für die Annahme der Wettbewerbsabsicht bedarf es daher des positiven Nachweises, dass eine bestimmte Berichterstattung gerade im Hinblick auf einen bestimmten Anzeigenkunden erfolgt ist. Gelingt der Nachweis, ist der Anwendungsbereich des Wettbewerbrechts eröffnet. III. Förderung eines fremden Unternehmens Grundsätzlich erfasst das Wettbewerbsrecht auch die Förderung fremden Wettbewerbs: Wer sich in den Wettbewerb anderer einmischt, soll im Ausgangspunkt nicht anders behandelt werden, als wäre er selbst Wettbewerber.961 Jedoch werden hierbei an die Feststellung der Wettbewerbsabsicht höhere Anforderungen gestellt.962 Bei redaktionellen Beiträgen ist es wieder aus Gründen der 957 D.h., wenn der Handelnde ein Unternehmer ist, dessen Handeln objektiv geeignet ist, den Wettbewerb des eigenen Unternehmens zu fördern, dann gibt es eine (widerlegliche) Vermutung, dass er auch subjektiv mit Wettbewerbsförderungsabsicht gehandelt hat, st. Rspr. zu § 1 UWG a. F., siehe nur BGH GRUR 1957, 93, 94. 958 Engels, AfP 2004, 316, 319; BGH GRUR 1995, 270, 272; BGH, GRUR 2002, 987, 993; BGH GRUR 2006, 875, 876. 959 BGH GRUR 1995, 270, 272; BGH GRUR 1997, 912, 913; Veil, in: MünchKommUWG, § 2 Rn. 66. 960 BGH GRUR 2006, 875, 877; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 277. 961 Engels, AfP 2004, 316, 319. 962 Veil, in: MünchKommUWG, § 2 Rn. 77.

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Presse- und Meinungsfreiheit so, dass keine Wettbewerbsabsicht des Presseunternehmens vermutet werden darf, vielmehr müssen auch hier, wie im Falle der Förderung eigenen Wettbewerbs, zusätzliche Umstände hinzutreten, die eine mehr als nur untergeordnete Rolle spielen, um eine solche Absicht bejahen zu können.963 Erfüllt sind die Voraussetzungen beispielsweise dann, wenn eine bestimmte Äußerung in hohem Maße anpreisenden Charakter hat,964 sodass man in den Fällen des Scalpings965 wohl von einem Handeln in Wettbewerbsabsicht ausgehen muss, was eine Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts zur Folge hat. In Fällen, in denen aber lediglich die Kritik eines Unternehmens, das kein Mitbewerber des fraglichen Presseunternehmens ist, in Frage steht, wird wohl kaum eine Wettbewerbsförderungsabsicht gegeben sein.966 In Bezug auf das Anzeigengeschäft selbst gilt dagegen die Vermutung, dass das Presseunternehmen nicht nur den eigenen Wettbewerb, sondern auch den Wettbewerb desjenigen fördert, der die Anzeige geschaltet hat.967 IV. Bewertung Es kann also festgehalten werden, dass bei Äußerungen in der Presse, die über öffentliche Vorgänge von allgemeiner Bedeutung berichten und so zur Bildung einer öffentlichen Meinung beitragen, eine Wettbewerbsabsicht nicht vermutet wird, sondern im Einzelfall konkret festzustellen ist.968 Gleichzeitig werden an eine solche Feststellung hohe Anforderungen gestellt. Somit wird die allgemeine Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung nicht dem Wettbewerbsrecht, sondern vielmehr dem allgemeinen Deliktsrecht unterstellt. Der Presse wird so die nötige Freiheit zur Wahrnehmung ihrer Wirtschaftsfunktion gewährt.969 Würde man das Wettbewerbsrecht anwenden, könnte die Presse ihre „öffentliche Aufgabe“ im Bereich der Wirtschaft nur noch beschränkt wahrneh-

963

Die objektive Eignung ist also gerade nicht ausreichend, BGH GRUR 2006, 875,

876. 964

BGH GRUR 1997, 912, 913. Zum Scalping siehe oben in Kapitel 4 A. I. 2. b). 966 Dies sogar dann, wenn die Kritik den Rahmen des Erforderlichen deutlich überschreitet, Veil, in: MünchKommUWG, § 2, Rn. 83. 967 Veil, in: MünchKommUWG, § 2, Rn. 85 ff. Doch auch hier gelten gewisse Einschränkungen, da auch das Anzeigengeschäft grundsätzlich vom Schutz der Pressefreiheit erfasst ist. 968 Vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 742. 969 Sie besagt, dass sich das öffentliche Informationsinteresse nicht nur auf Vorgänge politischer Art beschränkt, sondern dass die Presse für den Einzelnen auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten eine zentrale Informationsquelle ist und diese gleichzeitig für die Volkswirtschaft als solche von großem Interesse ist, vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 741, 37. 965

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men, was mit der Pressefreiheit nicht vereinbar wäre.970 Solange nur die Absicht, die Öffentlichkeit zu informieren, im Vordergrund steht, können daneben auch wettbewerbliche Motive verfolgt werden, ohne dass dies unmittelbar die Anwendung des Wettbewerbsrechts zur Folge hat. Somit kann das deutsche Recht des unlauteren Wettbewerbs als „medienfreundlich“ 971 bezeichnet werden. Eine Darstellung der besonderen wettbewerbsrechtlichen Rechtsfolgen ist daher an dieser Stelle nicht erforderlich.972

D. Quasinegatorische Ansprüche Eine weitere Säule der zivilrechtlichen Haftung im weitesten Sinne bilden die quasinegatorischen Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung. Der entscheidende Unterschied zu den Schadensersatzansprüchen ist, dass sie im Tatbestand kein Verschulden erfordern. Die Ansprüche auf Unterlassung und Berichtigung können, da es sich um unterschiedliche Anspruchsformen handelt, nebeneinander bestehen. Während der Anspruch auf Unterlassen auf ein Untätigbleiben in der Zukunft gerichtet ist, erfordern die Beseitigungsansprüche ein aktives Tun.973 I. Unterlassungsanspruch 1. Allgemeines zum Unterlassungsanspruch Der Unterlassungsanspruch dient der vorbeugenden Abwehr rechtswidriger Angriffe und kann in zweierlei Formen bestehen: zum einen als Verletzungsunterlassungsanspruch, wenn es schon einmal zu einer Verletzung gekommen ist, und zum anderen als vorbeugender Unterlassungsanspruch, wenn erstmalig Verletzungen drohen.974 Er ist sowohl gegenüber der Äußerung von Tatsachen als

970 So hat der EGMR in der Anwendung des schweizerischen Wettbewerbrechts auf Wirtschaftsjournalismus eine Verletzung von Art. 10 EMRK gesehen, da das Recht, sich öffentlich zu äußern, wesentlich eingeschränkt würde, EGMR GRUR Int. 1999, 156, 160. 971 Sieber, Die lauterkeitsrechtlichen Grenzen des Wirtschaftsjournalismus, Rn. 258. 972 Siehe hierzu bspw. die Darstellung bei Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, §§ 8–11. Ausdrücklich erwähnenswert erscheint an dieser Stelle die Haftungserleichterung des § 9 S. 2 UWG, die jedoch eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz nur für fremde Beiträge vorsieht und daher in dem Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Arbeit von untergeordneter Bedeutung ist, hierzu Köhler, in: Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, § 9 Rn. 2.1 ff. 973 Vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 1934. 974 Beater, Medienrecht, Rn. 1914. Ausführlich zum Unterlassungsanspruch Damm/ Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, Rn. 796 ff. m.w.Nw.

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auch gegenüber der Äußerung von Meinungen möglich975 und er kommt auch in Betracht, wenn die Unwahrheit einer Äußerung nicht erwiesen ist. Als Rechtsgrundlage dient eine Analogie zu den §§ 12 S. 2, 862 Abs. 1 S. 2 und 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zusammen mit der jeweiligen Schutznorm.976 Zentraler Prüfungspunkt ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse, welches auch die Interessen des Marktes erfasst, und den Schutzinteressen des Betroffenen.977 Erforderlich ist darüber hinaus eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit wird die Wiederholungsgefahr im Bereich der Presseberichterstattung dann nicht vermutet, wenn bei vorausgehenden Recherchen die journalistische Sorgfalt eingehalten wurde, vielmehr muss diese dann konkret nachgewiesen werden.978 Es besteht also ein enger inhaltlicher Zusammenhang mit den deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen. Wäre ein Schadensersatzanspruch gegeben oder würde ein solcher lediglich mangels Verschulden ausscheiden, dann besteht beim Vorliegen der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr ein Unterlassungsanspruch. Im Gegensatz zur deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit ist Anspruchverpflichteter jedoch jeder, der Störer ist.979 Dabei ist eine Mitbeteiligung an der Hervorrufung der Störung ausreichend.980 Wenn mehrere Personen beteiligt sind, richtet sich der Anspruch gegen jede einzelne, also in aller Regel sowohl gegen den einzelnen Journalisten als auch gegen den ihm unmittelbar vorgesetzten Redakteur und den Verleger. Erst bei der Vollstreckung wirken sich unterschiedliche Pflichtenzuständigkeiten aus.981

975 BGH GRUR 1975, 89, 90 f.; BVerfGE 24, 278, 282 hatten bspw. Unterlassungsbegehren gegenüber Meinungsäußerungen zum Gegenstand; vgl. auch Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, S. 38. 976 St. Rspr. seit RGZ 60, 6, 7; siehe auch Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kapitel 4, Rn. 12.1; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 130. Teilweise wird auch nur § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB genannt, siehe z. B. BGH NJW 1994, 124, 125. 977 Soweit die Presse also im öffentlichen Informationsinteresse handelt und die Richtigkeit der verbreiteten Tatsachen darlegen kann, besteht für den Unterlassungsanspruch kaum Raum, vgl. Stürner, in: FS Boujong, S. 847, 849. In den USA ist gerade auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken kein vorbeugender Unterlassungsanspruch anerkannt, vgl. Stadler, JZ 1989, 1084, 1085. 978 BGH NJW 1987, 2225; Stürner, in: FS Boujong, S. 847, 849 m.w. Nw.; Bruns, JZ 2005, 428, 429. 979 Vgl. 1004 Abs. 1 BGB. Dabei kann zwischen Handlungs- und Zustandsstörern unterschieden werden. Beater, Medienrecht, Rn. 1927. 980 Steffen, in: Löffler, § 6 Rn. 220. 981 Steffen, in: Löffler, § 6 Rn. 220, 276 ff.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsjournalismus

2. Bedeutung für den Wirtschaftsjournalismus Für den Wirtschaftsjournalismus ergeben sich bei der Anwendung des Unterlassungsanspruchs keine Besonderheiten.982 Grundsätzlich ist sowohl auf Seiten der Anleger als auch auf Seiten der Emittenten ein solcher Anspruch denkbar, wobei er in der Praxis – wenn überhaupt – nur für die Emittenten von Wertpapieren von Bedeutung sein dürfte, da an den Nachweis der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen gestellt werden. Gerade wenn die Anleger oder Emittenten keine Kenntnis der bevorstehenden Berichterstattung haben, werden Unterlassungsansprüche in aller Regel am Nachweis der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr scheitern. II. Beseitigungsansprüche 1. Allgemeines zu den Beseitigungsansprüchen Unter dem Oberbegriff der Beseitigungsansprüche983 lassen sich eine ganze Reihe von Ansprüchen zusammenfassen, die alle auf die Beseitigung eines fortdauernden rechtswidrigen Zustandes gerichtet sind,984 sich aber im Einzelnen sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen unterscheiden.985 Rechtsdogmatisch handelt es sich um einen Folgenbeseitigungsanspruch,986 der sich aus einer analogen Anwendung des § 1004 BGB in Verbindung mit §§ 823 ff. BGB ergibt.987 Anders als bei einem Schadensersatzanspruch, der auf Naturalrestitution gerichtet ist,988 erfasst der Beseitigungsanspruch nur die unmittelbare Störungs982 Zumindest ergeben sich keine Besonderheiten, die nicht kongruent mit den Besonderheiten im Bereich des Deliktsrechts sind. Insoweit kann also auf die dortige Darstellung (oben unter B.) verwiesen werden. 983 Terminologie und Systematisierung der im Folgenden dargestellten Ansprüche folgen Beater, Medienrecht, Rn. 1931 ff.; ebenfalls von Beseitigungsansprüchen spricht Sprau, in: Palandt, Einf. vor § 823, Rn. 28. Eine Übersicht über die in diesem Zusammenhang verwandte Terminologie findet sich bei Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 673. 984 Beater, Medienrecht, Rn. 1932. 985 Ausführlich zu den verschiedenen Beseitigungsansprüchen Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, Rn. 841 ff. m.w.Nw. 986 BVerfG NJW 1998, 1381, 1384; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 44. Kapitel Rn. 16; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 673. 987 BVerfG NJW 1998, 1381, 1383; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 132; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 44. Kapitel Rn. 16. 988 Der Anspruchsinhalt ergibt sich bei einem Schadensersatzanspruch aus den §§ 249 ff. BGB. Zu beachten ist aber, dass es möglich ist, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs Beseitigung zu verlangen, vgl. Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 132 Fn. 436.

Kap. 6: Regulierung durch Haftung

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quelle, nicht aber alle sonstigen Verletzungsfolgen. Möglich sind beispielsweise ein Anspruch auf Abdruck eines Widerrufs,989 einer Berichtigung,990 einer Klarstellung oder Distanzierung.991 Wichtigste Einschränkung der Beseitigungsansprüche ist, dass sie grundsätzlich nur gegenüber Tatsachenäußerungen geltend gemacht werden können.992 Der genaue Inhalt des Anspruchs hängt dann wiederum von einer Interessenabwägung ab: Es wird die Maßnahme geschuldet, die geeignet und erforderlich ist, den Störungszustand zu beseitigen oder abzumildern und die dem Anspruchsgegner unter Berücksichtigung der jeweiligen Belange zugemutet werden kann. Auch hier gilt wieder, dass die Störung umso eher hingenommen werden muss, je stärker das öffentliche Informationsinteresse zu berücksichtigen ist. Anspruchsverpflichtet ist wie auch beim Unterlassungsanspruch der Störer.993 2. Bedeutung für den Wirtschaftsjournalismus In ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsjournalismus ähneln die Beseitigungsansprüche dem Unterlassungsanspruch. Auch bei ihnen ergeben sich keine Besonderheiten, die nicht bereits von der Darstellung zum Deliktsrecht erfasst sind. Noch stärker als im Rahmen der Unterlassungsansprüche kommen etwaige Ansprüche auf Seiten der Emittenten in Betracht, nämlich dann, wenn und solange diese durch eine bestimmte Berichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht oder ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sind. Insgesamt ist die praktische Relevanz der Beseitigungsansprüche im Bereich des kapitalmarktbezogenen Wirtschaftsjournalismus aber eher gering.

989 Der Anspruch auf Widerruf ist die „stärkste Form einer Beseitigung“ (Beater, Medienrecht, Rn. 1944), er lässt sich unterteilen in den uneingeschränkten Widerruf (Beater, Medienrecht, Rn. 1948 f., hier muss die Behauptung als Eingeständnis der Unwahrheit zurückgenommen werden) und den eingeschränkten Widerruf (Beater, Medienrecht, Rn. 1950 ff., hier muss nur von der ursprünglichen Behauptung abgerückt werden). 990 Siehe zu diesem und den folgenden Ansprüchen Beater, Medienrecht, Rn. 1956 ff. 991 Dabei können zahlreiche Beseitigungsansprüche unterschieden werden, bei Gamer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kapitel 13, Rn. 62 ff. finden sich z. B. 13 verschiedene. 992 Dies folgt aus dem umfassenden Schutz der Meinungsfreiheit, der keinen Zwang zur Berichtigung einer Meinung zulässt, vgl. BGHZ 10, 104, 105 f.; BGH NJW 1978, 751, 752, BGHZ 128, 1, 6 ff.; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, S. 133. Ausnahmsweise sind jedoch auch Beseitigungsansprüche gegenüber Meinungen denkbar, etwa wenn der BGH (BGHZ 99, 133, 137 ff.) im Zusammenhang mit rufschädigenden Meinungsäußerungen einen Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zulässt, hierzu Beater, Medienrecht, Rn. 1965. 993 Beater, Medienrecht, Rn. 1943.

Schluss Ein funktionierender Kapitalmarkt ist für eine moderne Volkswirtschaft existenziell, was sich nicht zuletzt in der seit Frühsommer 2008 andauernden Finanzkrise deutlich zeigt. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang fundierte Informationen für alle Marktteilnehmer. Wichtigste Quelle von Informationen und Meinungen zum Marktgeschehen ist die Presse. Ihre vielfältigen Wirkungen und ihr großer Einfluss waren Gegenstand des ersten Teils der Arbeit. Einmal mehr wurde deutlich, wie wichtig sorgfältig arbeitende Journalisten sind. Da wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Schutzes der Meinungsund Pressefreiheit eine umfassende staatliche Qualitätskontrolle der Journalisten selbst nicht möglich und eine solche auch aus guten Gründen abzulehnen ist, muss eine Qualitätssicherung auf andere Weise erreicht werden. Denn – um nochmals auf die zutreffende Forderung Helmut Schmidts zurückzukommen – „ein kritischer und gut verständlicher Wirtschaftsjournalismus bleibt eine dringende Notwendigkeit“. Der zweite Teil der Arbeit hat eine eindrucksvolle Fülle an Normen und Normkomplexen aufgezeigt, die dazu beitragen können, eine Berichterstattung zu verhindern, von der Gefahren für einen funktionierenden Kapitalmarkt ausgehen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein einheitliches Regelwerk, welches jedem Journalisten auf einen Blick alle von ihm einzuhaltenden Vorschriften klar erkennbar macht. Vielmehr finden sich Vorgaben an vielen verschiedenen Stellen, wobei das Zusammenspiel von zwingendem Recht und Selbstkontrolle nicht zur Übersichtlichkeit beiträgt. Betrachtet man die in den Kapiteln 4, 5 und 6 untersuchten Regelungen genauer, lassen sich zwei unterschiedliche Schwerpunkte der jeweiligen Wirkungsweise ausmachen. Zum einen existieren Vorschriften, bei denen die – zumeist staatliche – Sanktionierung eines Fehlverhaltens im Vordergrund steht; zum anderen gibt es Regelwerke, bei denen den Journalisten ein Leitfaden für ihre praktische Arbeit gegeben werden soll. Zu den Regelungen des ersten Typs gehören insbesondere das Verbot der Marktmanipulation, § 20a WpHG, die Vorfeldtatbestände des Insiderhandelsverbotes, § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG, und die Haftungstatbestände im weitesten Sinne. Die Tatbestände dieser Normen sind in ihrem Anwendungsbereich sehr eng gefasst und verlangen in aller Regel vorsätzliches oder zumindest leichtfertiges Verhalten, so dass vor allem krasse Missbrauchsfälle erfasst werden. Infolgedessen ist die praktische Bedeutung dieser Regelungen für die tägliche Arbeit der Wirtschaftsjournalisten eher gering. Insbesondere dienen sie nur begrenzt dem Ziel, einen kritischen und gut

Schluss

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verständlichen Wirtschaftsjournalismus sicherzustellen. Die staatlichen Normen dienen eher der Verhinderung bzw. Sanktionierung des Fehlverhaltens einzelner schwarzer Schafe. Doch erscheinen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen zwingende staatliche Normen auch nicht das passende Instrument zur Qualitätssicherung von Wirtschaftsjournalismus zu sein. Insoweit sind in diesem Bereich auch keine grundlegenden gesetzlichen Änderungen angezeigt. Allenfalls auf der Ebene der Durchsetzung der bestehenden Vorschriften lässt sich hier etwas verbessern, beispielsweise durch speziell geschultes Personal bei der BaFin oder kollektive Rechtsschutzinstrumente bei der Geltendmachung individueller Haftungsansprüche. Größeres Potential zur Verbesserung des Wirtschaftsjournalismus haben indes wohl Regelungen des zweiten Typs, also die Regelungen, bei welchen im Vordergrund steht, den Journalisten einen Leitfaden für ihre praktische Arbeit an die Hand zu geben. Es geht in diesem Bereich nicht lediglich darum, bestimmte Verstöße zu sanktionieren, sondern es soll schon früher angesetzt werden, indem man Journalisten Regeln für ihr Arbeiten setzt. Aufgrund der höheren Eingriffsintensität entspricht es daher den verfassungsrechtlichen Vorgaben am Besten, wenn diese Regelungen im Bereich der Selbstregulierung verankert sind. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang der Pressekodex mit seinen Richtlinien und den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen sowie die unternehmensinterne Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes. In besonders sensiblen Bereichen erscheint es aber durchaus von Verfassungs wegen zulässig, dass auch der Gesetzgeber direkt das Verhalten der Journalisten reguliert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die entsprechenden Vorschriften durch eine ausreichende Selbstregulierung ersetzt werden können, wie dies § 34b WpHG und die Finanzanalyseverordnung vorsehen. Letztlich muss es das Ziel eines jeden solchen Leitfadens sein, durch Hinweise und gute Ausbildung einen kritischen und gut verständlichen Wirtschaftsjournalismus zu erreichen. Dazu gehört auch – und insoweit kommt es zu einer Verknüpfung mit dem ersten Bereich – dass diese Leitfäden darauf hinweisen, welche zwingenden gesetzlichen Vorgaben von den Wirtschaftsjournalisten bei ihrer Arbeit zu beachten sind. Der Pressekodex in seiner heutigen Ausgestaltung und die ersten Ansätze einer unternehmensinternen Selbstkontrolle stellen dabei nur den Anfang dar. Will man die Qualität des Wirtschatsjournalismus nachhaltig verbessern, ist es notwendig, die Möglichkeiten einer derartigen mehr handwerklich-technischen Regulierung auch zu nutzen. Viele Ansatzpunkte für eine Verbesserung sind denkbar, einige wurden im Rahmen dieser Untersuchung aufgezeigt. Genannt sei nochmals die Forderung nach einer effektiveren Arbeit des Presserates auf dem Gebiet der Finanzmarktberichterstattung, welche sich inhaltlich von den Vorgaben des § 34b WpHG emanzipieren und in Zukunft jegliche Form der Berichterstattung erfassen sollte. Bei der praktischen Umsetzung erscheint eine Orientierung am Erfolgsmodell der „Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktions-

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Schluss

datenschutz“ sinnvoll. Geeignete Maßnahmen sind beispielsweise eine gezielte Sensibilisierung der Journalisten für ihre Rolle als Informationsintermedäre und die Schärfung des Problembewusstseins im Umgang mit eigenen und fremden Beiträgen. Ergänzt werden müssen diesen Aktivitäten durch eine unternehmensinterne Selbstkontrolle, die selbstverständlich nicht nur in einzelnen Verlagen stattfinden darf, sondern vielmehr flächendeckend für einen Mindeststandard in allen Verlagen sorgen sollte. Nur so können die einzelnen Journalisten tatsächlich und darüber hinaus rechtlich verbindlich erreicht werden. Die Ausgestaltung derartiger Regelwerke könnte sich dabei an dem Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation orientieren, der sich seinerzeit – bedauerlicherweise – nicht durchsetzen konnte, in welchem aber die wichtigsten Regelungsbereiche und Durchsetzungsmechanismen angesprochen sind. Die Printmedien müssen den großen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, den ihnen die Verfassung zur verantwortlichen Regulierung ihrer journalistischen Tätigkeit zugesteht, endlich effektiv nutzen. Dann – und nur dann – kann das Ziel eines „kritischen und gut verständlichen Wirtschaftsjournalismus“ erreicht werden.

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Sachregister 3sat-Börse 38 f. Abmahnung 205, 208 Ad-hoc-Publizität 154, 157 f., 160 ff. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 211, 217 f. Anlegerschutzverbesserungsgesetz 84, 125, 141, 157, 168, 187, 228 Artifical Prices 25, 28 Behavioral Finance siehe Verhaltensökonomie Berufsständische Regeln – enges Verständnis 101 – weites Verständnis 101 Beseitigungsanspruch 242 Betriebsvereinbarung 204 ff. Breuer-Interview 30 ff., 68, 218, 227 Calwer Institut für Verbraucherjournalismus 20 f., 55 f. Comroad I–VIII-Entscheidungen 213 Determinierungshypothese 34 Deutscher Presserat – Anlegerschutzverbesserungsgesetz 91, 94, 102, 144, 149 f., 152 – Journalistische Verhaltensgrundsätze 188 ff. – Kodex 184 ff. – Organisation 184 f. Direktionsrecht 200 ff. Dispositionseffekt 52 f. Effizienzparadoxon 49 Eingerichteter- und ausgeübter Gewerbebetrieb 217 ff., 243

EM-TV-Entscheidung 213 Erste Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie 83, 154 f. Ethikrichtlinie siehe Verhaltenskodex Europäische Grundrechtscharta 71 Europäische Menschenrechtskonvention 71 f., 240 Europäisches Parlament 80 f. FAZ.net Redaktioneller Kodex 204 ff. Fiktionshaftung 233 Finanzanalyse 125 ff. Finanzanalyseverordnung 112 Freiwillige Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz 143 f., 186, 194 f. Gastbeitrag 67 f., 235 Gegendarstellungsanspruch 211 f. Handelsblatt-Verhaltenskodex 206 ff. Herdenverhalten 54, 106 Infomatec I–III-Entscheidungen 213, 223 f. Information – harte 45, 58 – weiche 45, 58 f. Informationsinteresse, öffentliches 64, 66 ff., 114, 191, 215, 239, 237 Innerbetrieblicher Schadensausgleich 232 f. Insider – Primärinsider 153 f., 167 ff., 208 – Sekundärinsider 154, 167 f., 172 Insiderhandelsverbot – allgemein 153 ff., 155 ff., 207 f., 225 f.

262

Sachregister

– Empfehlungs- und Verleitungsverbot 166 f. – Erwerbs- und Veräußerungsverbot 158 – Weitergabeverbot 158 ff. Insiderinformation 49, 155 ff., 187 f., 191, 208, 217, 229

Naturalrestitution 224 f.

Journalist – Begriff 92 ff., 122 f., 144 f. – Journalistenprivileg 91 ff., 122 f., 124, 143

Preis eines Wertpapiers – falscher 27, 29 – richtiger 25 Pressefreiheit – europäische Ebene 71 f. – nationale Ebene 62, 65 f. Presseinhaltsdelikt 174 f. Presseselbstkontrolle 102, 184, 192 ff. Prior, Egbert 21, 38 ff.

Kapitalallokationsfunktion 25 f. Kapitalaufbringungsfunktion 26 f. Kapitalbewertungsfunktion 27 Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation 177 ff. Kündigung 203, 205 f. Kursbetrug 78 Kursdifferenzschaden 223 f., 226 Lamfalussy-Verfahren 118 f. Landespressegesetz 75, 172 ff. Leserbrief 68 f., 96, 104 f., 120, 129, 199, 234 f. Markets in Financial Instruments Directive 76 Marktbeeinflussung 29, 30 ff. Marktbeeinträchtigung 29, 43 f., 44 ff. Marktmanipulation 77 ff., 84 ff., 228 ff. Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung 60 Marktmissbrauchsrichtlinie 79 ff., 117 ff., 154 f., 195 Media-Tenor 31 Medien – Demokratiefunktion 61 f. – Wirtschaftsfunktion 62 Medienwissenschaften 55 f. Meinungsfreiheit – europäische Ebene 71 f. – nationale Ebene 61 f., 63 f. Mitbestimmungsrecht 201 ff.

Ökonomische Theorie 44 ff. Opel, Sascha 21, 81 f., 79 Ordnungswidrigkeit 89 f., 140 ff., 159, 167 ff., 171, 173, 177 ff.

Rational Choice 46 Redaktionelle Veröffentlichungen 67 Scalping 105 ff., 154, 174, 184, 216, 239 Schuster, Thomas 36 ff., 56 Schutzgesetzeigenschaft 213, 228 Selbstregulierung 146 ff., 179 ff. Sittenwidrigkeit 215 f. Sonderveröffentlichung 69, 129 Täubert, Anne 34 ff. Theorie des effizienten Kapitalmarktes (ECMH) – allgemein 44 ff., 55 – mittelstrenge Form 47 f. – schwache Form 47 – strenge Form 48 Unterlassungsanspruch 240 ff. UWG 236 ff. Verfügbarkeitsheuristik 51 f., 55 Verhaltenskodex, unternehmensintern 197 ff., 206 ff. Verhaltensökonomie 50 ff. Vertragsabschlussschaden 225 f.

Sachregister Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 57, 78, 115, 183 Vorfeldtatbestand 155

Werbeanzeige 69, 98, 129, 235 Wettbewerbsförderungsabsicht 238 f. Wettbewerbshandlung 237

Warentest-Rechtsprechung 73, 216, 221, 231

Zweite Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie 118 f.

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