Vom Wohl und Wehe der Staatsverschuldung: Erscheinungsformen und Sichtweisen von der Antike bis zur Gegenwart 3402129531, 9783402129531

Book by Georg Eckert, Thorsten Beigel

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German Pages [347] Year 2012

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Table of contents :
Title
Inhalt
Thorsten Beigel / Georg Eckert: Zum Wandel der Staatsverschuldung - eine Einführung
Thorsten Beigel: Die Kosten der Demokratie. Finanzwesen und -nöte im klassischen Athen
Armin Eich: Die verborgenen Schulden des Römischen Imperiums
Jochen Johrendt: Staat ohne Geld? Der finanzielle Handlungsrahmen früh- und hochmittelalterlicher Kaiser
Arne Karsten: Immobilienblasen am Petersplatz. Staatsverschuldung und Statusbehauptung im päpstlichen Rom des 17. Jahrhunderts
Moritz Isenmann: Wachstum durch Schulden? Staatsverschuldung und die Diskussion über den öffentlichen Kredit im Frankreich des Ancien Régime
Georg Eckert: Staatsverschuldung als Verfassungsgarantie: England nach der Glorious Revolution 1688/1689
Georg Eckert: Die Öffentlichkeit des Kredits: Zum Wandel der Staatsverschuldung im Zeitalter der Revolution
Michalis Psalidopoulos / Korinna Schönhärl: Die griechische Staatsverschuldung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Alexander Will: Tyrannen, Verschwender und Spekulanten: Verschuldung und Bankrott des Osmanischen Reiches n der öffentlichen Meinung (1856-1882)
Michael Hochgeschwender: Zwischen Wohlfahrtsstaat und nationaler Sicherheit: Die Geschichte der Staatsschulden in den USA
Albert Fischer: Staatsverschuldung in der Weimarer Republik
Georg Eckert: Vom Ticken der Schuldenuhr: Zwischenbetrachtung zum Paradigmenwechsel der Staatsverschuldung in den 1960er Jahren
Franz Knipping / Lars Detert: Geschichtliche Betrachtungen zur europäischen Krise
Paul J. J. Welfens: Die Staatsschuldenkrise in der EU und der Euro-Zone
Anmerkungen
Autorenverzeichnis
Personenregister
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Vom Wohl und Wehe der Staatsverschuldung: Erscheinungsformen und Sichtweisen von der Antike bis zur Gegenwart
 3402129531, 9783402129531

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ISBN 978-3-402-12953-1

• VOM WOHL UND WEHE DER STAATSVERSCHULDUNG BEIGEL | ECKERT (HRSG.)

Die Staatsverschuldung hat den modernen Staat überhaupt erst geschaffen. Auf diesen fundamentalen Sachverhalt macht dieser Sammelband im historischen Vergleich aufmerksam. Seine Beiträge widmen sich den wechselnden Erscheinungsformen der Staatsverschuldung von der Antike bis zur Krise des Euro – und zugleich den gewandelten Sichtweisen: Sie handeln vom Wohl und Wehe der Staatsverschuldung, die mit ökonomischen, politischen und moralischen Argumenten bald als Fortschrittsmotor gefeiert, bald als Ausdruck von Verschwendungssucht verdammt wurde. Erst der Blick auf die Geschichte der Staatsverschuldung macht wesentliche gesellschaftliche und politische Entwicklungen verständlich.

THORSTEN BEIGEL | GEORG ECKERT (HRSG.)

VOM WOHL UND WEHE DER

STAATSVERSCHULDUNG ERSCHEINUNGSFORMEN UND SICHTWEISEN VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART

Thorsten Beigel | Georg Eckert (Hrsg.)

Vom wohl und wehe der staatsverschuldung

Erscheinungsformen und Sichtweisen von der Antike bis zur Gegenwart

Einbandmotiv Honoré daumier: Gargantua. lithographie, 1831 Bibliothèque nationale de France, Estampes et Photographie, Rés. Dc-180b (1))-Fol. Entwurf nach einer Idee von Frau Linda Niemann (Braunschweig)

© 2012 aschendorff Verlag GmbH & co. KG, münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG, werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: aschendorff druckzentrum GmbH & co. KG, 2012 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISBN 978-3-402-12953-1

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Inhalt

Thorsten Beigel / Georg Eckert Zum Wandel der Staatsverschuldung: Eine Einführung

1

Thorsten Beigel Die Kosten der Demokratie: Finanzwesen und -nöte im klassischen Athen

29

Armin Eich Die verborgenen Schulden des Römischen Imperiums

49

Jochen Johrendt Staat ohne Geld? Der nanzielle Handlungsrahmen frühund hochmittelalterlicher Kaiser

65

Arne Karsten Immobilienblasen am Petersplatz: Staatsverschuldung und Statusbehauptung im päpstlichen Rom des 17. Jahrhunderts

85

Moritz Isenmann Wachstum durch Schulden? Staatsverschuldung und die Diskussion über den öffentlichen Kredit im Frankreich des Ancien Régime

97

Georg Eckert Staatsverschuldung als Verfassungsgarantie: England nach der Glorious Revolution 1688/1689

113

Georg Eckert Die Öffentlichkeit des Kredits: Zum Wandel der Staatsverschuldung im Zeitalter der Revolution

131

Michalis Psalidopoulos / Korinna Schönhärl Die griechische Staatsverschuldung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

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Alexander Will Tyrannen, Verschwender und Spekulanten: Verschuldung und Bankrott des Osmanischen Reiches in der ¨ ffentlichen Meinung (1856-1882) o

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Michael Hochgeschwender Zwischen Wohlfahrtsstaat und nationaler Sicherheit: Die Geschichte der Staatsschulden in den USA

183

Albert Fischer Staatsverschuldung in der Weimarer Republik

199

Georg Eckert Vom Ticken der Schuldenuhr: Zwischenbetrachtung zum Paradigmenwechsel der Staatsverschuldung in den 1960er Jahren

223

Franz Knipping / Lars Detert Geschichtliche Betrachtungen zur europäischen Krise

233

Paul J. J. Welfens Die Staatsschuldenkrise in der EU und der Euro-Zone

249

Anmerkungen

273

Autorenverzeichnis

333

Personenregister

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Thorsten Beigel / Georg Eckert Zum Wandel der Staatsverschuldung: Eine Einführung Der Glaube, die Staatsverschuldung sei erst in den letzten Jahren zu einem seither freilich omnipräsenten politischen Thema geworden, täuscht. Gewiß, die Schuldenuhr tickt nicht nur schneller, sondern vor allem lauter, seit die im Jahre 2006 geplatzte US-amerikanische Immobilienblase („subprime-Krise“) am 09. August 2007 mit dem rapiden Anstieg der Zinsen für Interbankkredite zu einer veritablen Erschütterung des globalen Bankensystems geführt hat. Vorläug den höchsten Ausschlag auf der ökonomischen Alarm-Skala verursachte einstweilen am 15. September 2008 die Insolvenz von Lehman Brothers, groß genug, um mit gravierenden Wirkungen zu fallieren, aber scheinbar klein genug, um mit internationalem Krisenmanagement bewältigt zu werden. Der Schein trog indes: Nicht allein die berüchtigten „Default Credit Swaps“, sondert auch scheinbar sichere Staatsanleihen haben sich seit Oktober 2009 als spekulative, ungedeckte Anlageformen erwiesen, wie die erzwungene Umschuldung griechischer Papiere am Anfang des Jahres 2012 belegt. Das Epizentrum des ökonomischen Bebens hat sich nunmehr verlagert. Denn kaum schien die weltweite Finanzmarktkrise halbwegs bewältigt, rückte die europäische Staatsschuldenkrise in mitunter geradezu apokalyptischer Gestalt in den Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit – eine unerhörte Novität, so könnte man meinen. Doch dieser Eindruck aus einer mitunter hektischen Berichterstattung führt in die Irre: Staatsverschuldung ist ein politisches Dauerthema, seit jeher. Sie ist sogar älter als der Staat selbst, mit dessen Ausbildung sie wiederum in einem engen Zusammenhang steht, gleichsam als Faktor der Staatlichkeit. Zugleich stellt ihre konkrete Ausgestaltung, vom einfachen Herrscherkredit bis zum komplexen Eurobond, einen trefichen Indikator der Staatlichkeit dar – zwischen Schulden, Steuern und (Finanz-)Verwaltung besteht ein elementarer Zusammenhang. Die konkreten Erscheinungsformen der Staatsverschuldung, ihre technischen Mittel, unterscheiden sich im Verlauf der Geschichte ebenso signikant wie die an je spezische Interessen gebundenen Zwecke, mit denen sie jeweils begründet wird – und die Mittel wiederum verändern das Denken: So setzt das an eine immer größere Kreditaufnahme auf

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dem nationalen wie auf dem internationalen Kapitalmarkt gewohnte, gegenwärtige deutsche Rechtssystem „die unbegrenzte Zahlungsfähigkeit der öffentlichen Hand voraus“,1 obschon die Geschichte zahlreiche Beispiele für Staatsbankrotte kennt – Ausfälle in der Rückzahlung von Krediten, die zu ganz unterschiedlichen Zwecken aufgenommen worden sind: Galt Staatsverschuldung über Jahrhunderte hinweg prinzipiell als legitimer Notbehelf in außergewöhnlichen, meist militärischen Drucksituationen, ist sie im 20. Jahrhundert zunehmend mit sozialen und konsumtiven Zielen gerechtfertigt worden, auch im Zusammenhang mit einem endgültigen Wandel zur Regierungsform der Demokratie. Vom Übel wurde die Staatsverschuldung dabei zum notwendigen Übel, vom notwendigen Übel zur bloßen Notwendigkeit ohne moralischen Eigen(un)wert. Die ökonomischen Sichtweisen auf die Staatsverschuldung haben sich in solchen Prozessen ebenso gewandelt wie die moralischen: Eine zunehmend Entpersonalisierung, die Auösung der persönlichen, unmittelbaren Verbindung zwischen Schuldner und Gläubiger, erweist sich als vielleicht wesentliche Entwicklung. Diese Entpersonalisierung ist auch in der europäischen Staatsschuldenkrise der Gegenwart offenkundig: Die Billionensummen, über die seit 2009 in schöner Regelmäßigkeit verhandelt wird, entziehen sich nämlich der Faßbarkeit durch das Individuum. Die von der Eigendynamik der anonymen Märkte zusätzlich angetriebene Krise zeigt zudem das Janusgesicht der Staatsverschuldung, die sich mitunter als politischer Integrationsfaktor, mitunter als politischer Desintegrationsfaktor präsentiert. Unabhängig davon, ob und wie sie gelöst werden wird, hat die aktuelle Staatsschuldenkrise Europa schon jetzt verändert: Jene europäische Öffentlichkeit, die zur Vertiefung der politischen Union stets eingefordert wurde, ist zumindest in den Wirtschaftsteilen der nationalen Zeitungen mittlerweile hergestellt. Kaum ein Tag vergeht, an dem in der Presse nicht europaweit und umfassend über die Staatshaushalte der Länder in der Euro-Zone berichtet würde, vom Stakkato der Newsticker allenthalben ganz abgesehen. Nicht das Wohl, sondern vorwiegend das Wehe der Staatsverschuldung wird nunmehr intensiv diskutiert und zu pointierten Schlußfolgerungen genutzt: „statt MaxGDP muß es MinDebt heißen“,2 statt Maximierung des Bruttosozialprodukts also Minimierung der Schulden, fordert ein Autor, während ein anderer den „Skandal“ thematisiert, daß „(Mehrheits)demokratien nicht mit Geld umgehen können“.3 Grundsätzliche Diskussionen über die Staatsverschuldung als „Verführungsinstrument“4 heben an, zumal unter Politikwissenschaftlern, die sich der spezischen Schuldenkultur der Demokratie(n) mittlerweile intensiv annehmen.5

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Nüchterne nanzwissenschaftliche Betrachtungen wie diejenige, daß Staatsverschuldung „ein Übel, aber ein notwendiges“ sei,6 haben es gegenüber Katastrophenmeldungen notorisch schwer – notwendigerweise, weil die Staatsverschuldung eben kein ökonomisches, sondern ein fundamental politisches und politisch fundamentales Problem darstellt. Gerade darauf möchte der vorliegende Sammelband sein Augenmerk lenken und den allgegenwärtigen Diskussionen über die Staatsverschuldung eine historische Tiefenschärfe verleihen. Er strebt nicht an, eine „schwebende Frage der heutigen Politik zu behandeln oder uns zu einer speciellen politischen Partei zu bekennen“,7 wie es Heinrich von Sybel programmatisch in der ersten Ausgabe der Historischen Zeitschrift aus dem Jahre 1859 formuliert hat. Aber dieses Buch möchte helfen, im historischen Vergleich auf jene Angelpunkte aufmerksam zu machen, um die sich die Staatsverschuldung von der Antike bis in die Gegenwart dreht: Die einzelnen Beiträge zeigen an wesentlichen Exempeln auf, welche wichtigen Finanzierungstechniken Gemeinwesen bis in die Gegenwart hinein entwickelt haben. Sie machen deutlich, in welchen politischen Zusammenhängen der öffentliche Kredit jeweils gestanden hat. Sie lenken den Blick auf die konkreten Interessen, die sich jeweils auf einen Ausbau der Staatsverschuldung oder aber auf deren Senkung richteten – unweigerlich verbunden mit einer Zuweisung von Chancen und Risiken, mit der Herstellung von Gleichheit oder Ungleichheit, mit der Verteilung von Macht und Prestige. Sie wenden sich schließlich den verschiedenen Arten und Weisen zu, mit denen bestimmte Gruppen die Staatsverschuldung jeweils legitimiert oder eben auch delegitimiert haben. Gerade letzteres verdient Aufmerksamkeit, weil die Geschichte der Staatsverschuldung allzu oft als ökonomische Siegergeschichtsschreibung betrieben wird. Der besondere Erfolg der englischen beziehungsweise britischen Staatsverschuldung im 18. Jahrhundert beispielsweise verdrängte bald die kritischen Stimmen der Zeitgenossen: Zahlreiche Beobachter waren fortwährend davon überzeugt, daß das System bald kollabieren müsse,8 in Inland wie im Ausland. Daß dieser Fall nicht eintrat, zeigt aber wiederum nicht post hoc, ergo propter hoc die prinzipielle Überlegenheit der Staatsverschuldung an, sondern lenkt den Blick vielmehr auf die besonderen Umstände: Die Staatsschuld wurde in diesem Falle vor allem deshalb pünktlich bedient, weil ihre Gläubiger im Parlament selbst vertreten waren.9 Auf solche politischen und gesellschaftlichen Mechanismen hinter ökonomischen Entwicklungen wieder aufmerksam gemacht zu haben, ist ein bleibendes Verdienst der Neuen Institutionenökonomik.10

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Aus einzelnen Geschichten der Staatsverschuldung bestimmter Staaten lassen sich daher keine unmittelbaren Handlungsanweisungen für die Gegenwart gewinnen. Für Unterschiede blinde Analogien sind nicht minder problematisch als die Verweigerung, augenfällige Parallelen wahrzunehmen, allen vergleichenden Studien über strukturelle Probleme der Staatsverschuldung zum Trotze. So verhängnisvoll sich auch die exkulpierende Rede: „This time is different“ erweist, die gerne beschwichtigend vor einer Krise geführt wird,11 so verhängnisvoll wäre es eben auch, in der Vergangenheit allgemeingültige Patentrezepte für den besten und schnellsten Ausweg aus der Verschuldungskrise des frühen 21. Jahrhunderts suchen zu wollen. Mehr noch, wenn sich aus der Vergangenheit irgend etwas lernen läßt, dann vor allem, daß simple Patentrezepte meist nicht funktionieren und die Probleme, zu deren Lösung sie gedacht sind, oftmals noch steigern: Die geplatzte „South Sea Bubble“ (1720) oder John Laws gleichermaßen gescheiterte „MississippiKompanie“ (ebenso 1720) gehören zu den bekanntesten der mahnenden Exempel. Gleichwohl bietet gerade die Einzigartigkeit jeder Staatsschuldenkrise einen Erkenntnismehrwert: Sie lehrt einerseits, wie wichtig spezische Details sind. Andererseits läßt sie erkennen, daß die heutigen Referenzmuster der Staatsverschuldung keineswegs die einzigen sind, in die sich die öffentlichen Schulden einbinden lassen. Schließlich erweist sich die Staatsverschuldung als Knotenpunkt, an dem sich wirtschaftliche Praktiken, soziale Konikte, politische Willensbildung, ökonomische Wissensmehrung und moralische Werte sowie kulturelle Mentalitäten treffen. Vor allem ganzen Denkmustern über die Staatsverschuldung, dem imaginierten Wohl und Wehe der Staatsverschuldung beinahe noch mehr als dem realen, wenden sich die einzelnen Beiträge des Sammelbandes zu. Seine Perspektive möchte diese Einleitung deutlich machen und so begründen, warum die Staatsverschuldung in gewisser Weise älter als der Staat genannt werden kann, den man im engeren Sinne vor dem 17. Jahrhundert vergeblich sucht, zumal als Schuldennehmer. Sie soll den Zusammenhang von Staatsverschuldung, Staatsbildung und Besteuerung umreißen, den das Titelbild dieses Bandes veranschaulicht, Honoré Daumiers „Steuerfressender König“ (1831),12 ehe wesentliche Erscheinungsformen beziehungsweise Techniken und chronische Erscheinungsorte der Staatsverschuldung benannt werden. Ein umfassender historischer Wandel zeigt sich besonders in den Sichtweisen und Arten, Staatsverschuldung zu (de)legitimieren – er besteht, wie ein kurzer Ausblick skizzieren soll, vor allem in einer umfassenden Entpersonalisierung des Kredits.

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1. S   S Staatsverschuldung ist also beileibe kein Binnenproblem der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften, als das sie erst „eine nach allen Regeln der Ingenieurskunst zu betreibende Globalsteuerung“13 seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat erscheinen lassen. Wie jedes ökonomische Geschehen steht sie im Zusammenhang der jeweils eingeführten Semantiken, der jeweils tätigen Institutionen und der jeweils üblichen Praktiken.14 Welche besonderen, politischen Funktionen Kredite erfüllen können, überliefert schon der antike Biograph Plutarch in seiner Lebensbeschreibung des Diadochenherrschers und Generals Eumenes von Kardia. Eumenes habe sich bei diversen Satrapen verschuldet und aus der hohen Verschuldung bei verschiedenen Rivalen zugleich eine Lebensversicherung zu formen verstanden: Während andere Menschen Geld für ihre Sicherheit ausgäben, habe für Eumenes gegolten, daß er „sich dadurch Sicherheit schuf, daß er welches bekam“.15 Eumenes war „too big to fail“, gleich schuldengeplagten Banken und Staaten der Gegenwart, deren Rettung durch Dritte als unabdingbar notwendig, als alternativlos galt – zumindest zeigten sich die Zeitgenossen davon überzeugt. Den Gläubiger in einer Art Geiselhaft zu nehmen, ist ein wesentlicher externer Effekt der Verschuldung. Gerade im Falle der Staatsverschuldung potenzieren sich die politischen Nebenabsichten und Nebenwirkungen, die oftmals noch wichtiger und in gewissem Sinne auch ursprünglicher sind als die vermeintlich rein ökonomischen Motive und Resultate im engeren Sinn. An der Staatsverschuldung lassen sich daher umfassende Prozesse ablesen: „Schuld, Steuer und Staat haben dieselben Wurzeln“.16 Als Staatsverschuldung soll im Folgenden in einer heuristisch fruchtbaren Denition jede Schuld bezeichnet werden, die zu öffentlichen statt zu individuellen Zwecken aufgenommen wird und letztlich aus öffentlichen Mitteln statt unmittelbar aus privatem Vermögen renanziert werden muß. Auf moderne Staatsanleihen trifft diese Denition letztlich ebenso zu wie auf Kredite, die große Handelshäuser wie die Fugger frühneuzeitlichen Herrschern zur Verfügung stellten, oder selbst auf jene privaten Aufwendungen, die römische Aristokraten im cursus honorum erbrachten, um sie durch ein lukratives Mandat als Statthalter zu renanzieren.17 Letztlich handelte es sich dabei nämlich um eine verkappte Form der Staatsverschuldung, und zwar in dem Sinne, daß genuin öffentliche Aufgaben wie die Finanzierung von Spielen für die stadtrömische Bürgerschaft zunächst aus privatem Vermögen der Amtsträger bestritten wurden – die Renanzierung der oftmals aufgenommenen, erheblichen Schulden, wie sie aus einer bisweilen ausbeuterischen Besteuerung der Provinzen des Imperiums zu leisten war, duldete das rö-

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mische Gemeinwesen meist stillschweigend und vermied es jedenfalls, staatliche Schulden aufnehmen zu müssen. Staatverschuldung gab es mithin, bevor der Staat sich verschuldete. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich, daß eine funktionale Betrachtung der Staatsverschuldung neue Analyseperspektiven eröffnet: Die Reduktion der öffentlichen Schuld auf moderne Erscheinungsformen wie Anleihen verstellt den Blick auf solcherart verdeckte Formen der Staatsverschuldung – und damit darauf, daß die Staatsverschuldung wesentlich älter ist als der moderne (Schulden-)Staat, der erst seit dem 17. Jahrhundert selbst Schulden aufzunehmen sowie zu verwalten begonnen hat. Vielleicht ist die Staatsverschuldung sogar gleich alt wie die Zivilisation selbst.18 So große Unterschiede die jeweiligen Techniken der Staatsverschuldung, die verdeckten wie die offenkundigen, auch mit sich brachten, eine Gemeinsamkeit verbindet sie nämlich: Die Erstattung der Schulden mußte letztlich öffentliche Ressourcen angreifen, deren Nutzung freilich der Aushandlung bedurfte. Insofern lohnt die These, daß die Staatsverschuldung älter als der Staat selbst ist, weitere Untersuchung.

2. S  S Worin das Wesen der Staatsverschuldung bestehe, brachte David Ricardo zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf eine grifge Formel: Staatsschulden seien lediglich vorweggenommene Steuern, weil die Aufnahme eines Kredits eine kurzfristige Erhöhung von Steuern vermeide, die langfristig eben doch erhoben werden müßten. Eines hielt der britische Ökonom, der eine einmalige steuerliche Belastung ihrer geringeren wirtschaftlichen Folgeschäden wegen selbst und gerade in Kriegszeiten einer mittelfristigen Erhöhung der Besteuerung vorzog,19 für selbstverständlich: Daß es einen Staat gebe, der zusätzliche, ja der überhaupt Steuern eintreiben könne – diese Vorstellung freilich war erst Ergebnis eines langen historischen Prozesses. So waren zum Beispiel in Frankreich vor der Revolution von 1789 Privatunternehmer als Steuerpächter mit dem Einzug von Steuern betraut. Spätestens hier heben erhebliche denitorische Probleme des Staates an. Mag man auch mit guten Gründen annehmen, daß Schulden als solche sich seit Beginn der Menschheitsgeschichte nachweisen lassen,20 so läßt sich das für den Staat kaum behaupten, der im engeren Sinne eine hochgradig verdichtete gesellschaftliche Organisationsform darstellt und insofern eine moderne Wesenheit bildet. Joseph Schumpeter, wie seine Kollegen aus der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein ausgesprochen historischer Denker,

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hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die enge Wechselwirkung von Staatsbildung, Schuldendienst und Steuerwesen hingewiesen: „Die Steuer hat den Staat nicht nur mitgeschaffen. Sie hat ihn auch mitgeformt“.21 Dieser Hinweis verdient umso mehr Aufmerksamkeit, als noch im 19. Jahrhundert die Auffassung existierte, ein Herrscher bedürfe keiner Steuern, sondern habe sich zunächst einmal aus den Erträgen seiner persönlichen Besitzungen, also vorwiegend aus der Nutznießung seiner eigenen Ländereien, und aus gewissen Regalien, zum Beispiel Zölle, zu nanzieren.22 Ein Spezikum des modernen Staatskredits läßt sich gegen solche Tradition via negationis immerhin prolieren: Der vormoderne Staatskredit nämlich erscheint vor allem als ein „im Grunde ungehöriges Deckungsmittel; er ist nur toleriert als Not- und Verlegenheitsausweg“.23 Weder das Altgriechische noch das klassische Latein kannten denn auch einen Begriff, der ausdrückt, was wenigstens alle heutigen europäischen Sprachen als Staatsverschuldung, public debt, debt publique, debito pubblico oder deuda pública kennen, unbeschadet der gemeinsamen Wurzel im lateinischen „debitum“, dem Geschuldeten. Das „debitum publicum“ meinte im Corpus Iuris Civilis (Digesten 28.5.23.3) nicht etwa die Staatsverschuldung, sondern die dem Staat geschuldeten Gelder, das heißt Steuern et cetera. Zudem signalisiert auch in den modernen Sprachen ein Begriffswandel, daß sich Theorie und Praxis der Staatsverschuldung in der Neuzeit grundlegend verändert haben. Ersetzte die „Staatsverschuldung“ im Deutschen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts den traditionellen „Öffentlichen Kredit“, so vollzog sich im Englischen eine ähnliche Entwicklung, als „public credit“ immer mehr zu „public debt“ wurde. Eine umfassende Begriffsgeschichte der Staatsverschuldung steht noch immer aus, die insbesondere den semantischen Zusammenhang eines zutiefst theologischen, moralischen Konzepts („Schuld“) mit wirtschaftlichem Alltagshandeln zu erklären hätte. Die semantischen Schwierigkeiten werden dadurch nicht geringer, daß allen generellen Entwicklungen zum Trotze namentlich die Entstehung der europäischen Fiskalstaaten sehr unterschiedlich, vor allem in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten verlief. Als in Westeuropa im 18. Jahrhundert sowohl das Ausmaß der Staatsverschuldung als auch das Ausmaß ihrer Bedienung längst einen erheblichen Umfang angenommen hatte, war die Lage in Osteuropa eine ganz andere.24 Ohnehin lassen sich für den zeitversetzten Umbruch zur modernen Staatsverschuldung höchst verschiedene Kategorien bilden: Während sich ein Übergang von kurzfristigen Liquiditäts-Krediten zu langfristigen Schulden bereits im 17. Jahrhundert angedeutet hat, ist eine eigenständige staatliche Schuldenverwaltung erst am Beginn des 19. Jahrhunderts faßbar, wohingegen eine Verwendung der aufgenommenen Gelder für vorwie-

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gend soziale und ökonomische Zwecke erst vom Anfang des 20. Jahrhunderts datiert.25 Keineswegs zufällig ist eine umfassende wissenschaftliche Theoriebildung zum Kreditwesen und zur Staatsverschuldung erst im frühen 19. Jahrhundert nachzuweisen, ausgehend von den pionierhaften Studien Adam Smiths und David Ricardos, fortgesetzt etwa in der romantischen Staatslehre Adam Müllers,26 vermehrt ausgeformt in den folgenden Jahrzehnten, etwa bei Lorenz von Stein, der sich über eine militärische Engführung der entsprechenden Literatur in Großbritannien beklagte: „sie versteht das Staatsschuldenwesen überhaupt nicht, und wird es erst verstehen lernen, wenn sie die Verwaltung selbständig behandeln lernt“.27 Ohnehin wird der Vergleich schon zwischen den einzelnen europäischen Territorien dadurch erschwert, daß für das vorstatistische Zeitalter nur wenige Daten gesichert zu erheben sind: Ein Bruttosozialprodukt, an dem beispielsweise die jeweiligen Verschuldungsquoten gemessen werden könnten, läßt sich nur spekulativ ermitteln, ganz abgesehen davon, daß selbst verläßliche Zahlen zum Staatshaushalt nur selten verfügbar sind – so wurde beispielsweise in Frankreich der Staatshaushalt erst im Jahre 1781 durch Jacques Necker öffentlich bekannt gemacht. Die Publizität der Etats selbst, auch deren spezische Darstellungsweise, bildet bereits ein wichtiges Ergebnis eines fundamentalen Wandels; der Öffentlichkeit kam im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert eine ökonomische und politische Schlüsselfunktion zu. Auch der zeitgenössische Terminus der „öffentlichen Schuld“ macht die Analyse freilich nicht wesentlich präziser: Sie hat zur Voraussetzung, daß die gemeinte oder gar konstruierte „Öffentlichkeit“ des jeweiligen Landes zur jeweiligen Zeit sehr gründlich untersucht wird. Nicht nur der „Staat“, sondern auch der Begriff der Verschuldung erweist sich dabei keineswegs als unproblematisch: Was auch in der gegenwärtigen Forschungsliteratur den gleichen Titel trägt, ist noch lange nicht dasselbe – aus der Binse, daß Schulden schlichtweg geliehenes Geld von anderen darstellen, ist wenig Weisheit zu gewinnen. Zwischen einem Kredit der Fugger an die Habsburger und einem Bundesschatzbrief existieren erhebliche Unterschiede, rechtliche, wirtschaftliche, politische. Deshalb bedarf es der Rechtfertigung, einen Sammelband zur Geschichte der Staatsverschuldung von der Antike bis in die Gegenwart zu gestalten, Mahnungen wie derjenigen Jacob Burckhardts eingedenk: „Ohnehin sollten wir gegen das Mittelalter schon deshalb den Mund halten, weil jene Zeiten ihren Nachkommen keine Staatsschulden hinterlassen haben“.28 Just daraus lassen sich jedoch ganz entscheidende Argumente für eine epochenübergreifende Betrachtung der Staatsverschuldung gewin-

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nen: Daß manche Epochen gerade keine großen Schulden aufgenommen haben, ist mit den jeweils üblichen Finanztechniken allein nur unzureichend zu erklären. Auch diese stehen immer in einem größeren Kontext, dessen Studium wiederum spezische Rückschlüsse auf umfassende politische, sozio-ökonomische und kulturelle Entwicklungen ermöglicht. Neben den Gemeinsamkeiten erweisen sich vorzüglich die Unterschiede als aufschlußreich, die bei einer synoptischen Betrachtung auffallen. Sie liegen nicht in vermeintlich unabänderlichen Notwendigkeiten der Kreditaufnahme, sondern im Wechsel von ökonomischen Dogmen, politischen Begründungen und moralischen Überzeugungen, die eine Staatsverschuldung verhindern oder fördern – anders und zugespitzt gesagt: vor allem in den Interessen und in der Art und Weise, wie eben diese jeweils wirkungsmächtig formuliert werden.

3. V P  B: E  S Eine klassische Form, vielleicht gar die Urform der Staatsverschuldung bestand im Darlehen, das ein Herrscher in Analogie zu privater Verschuldung bei einzelnen Personen oder Gruppen aufnahm – „als persönlicher Credit des Landesherrn“.29 Daß statt der Person des Monarchen der Staat selbst zum Gläubiger wurde, darin hat Lorenz von Stein den entscheidenden Übergang von der vormodernen zur modernen Staatsverschuldung erblickt: Nicht länger der Landesherr „persönlich, sondern das ganze Reich mit all seinen Steuern“30 haftete seit dem 18. Jahrhundert zunehmend für die aufgenommenen Kredite. Der Kameralist Johann Heinrich Gottlob von Justi unterschied deshalb seinerzeit bereits zwischen dem „Credit des Regenten“ und dem „öffentlichen Credit des Landes“, der Schulden im Ausland oder den „Credit der Landstände“ oder den „Credit einer großen allgemeinen Handlungsgesellschaft“ meine, sowie privaten Krediten.31 Tatsächlich läßt sich die vormoderne Staatsverschuldung in monarchischen Systemen als gleichsam private Kreditaufnahme des Herrschers verstehen, die erst dann strukturell beendet war, als die persönlichen Ausgaben des Monarchen in einer Zivilliste von den übrigen Etatposten abgegrenzt wurden. Eine Rückzahlung war unter diesen Umständen nicht zu erzwingen, und zwar je weniger, desto mächtiger der Herrscher war – das erfuhren zum Beispiel die Ritter der Templerordens schmerzhaft,32 dessen Auösung der hoch verschuldete König Philipp IV. am Beginn des 14. Jahrhunderts bewirkte. Schuldtitel waren letztlich immer nur so gut, wie die Heere stark waren: Zahlreiche minder

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mächtige Geschlechter hingegen mußten bei Überschuldung schlimmstenfalls ihre Herrschaften veräußern, so etwa die im Gefolge der Staufer zu regionaler Bedeutung gelangten Helfensteiner, die ihr schwäbisches Kernterritorium im 14. Jahrhundert aus Geldnot an ihren Gläubiger, die Freie Reichsstadt Ulm, zunächst verpfändeten und dann wegen Zahlungsunfähigkeit abtraten.33 Auch der wiederholte spanische Staatsbankrott des 16. und 17. Jahrhunderts resultierte aus dem souveränen Entschluß der Könige, die Kreditzahlungen einseitig auszusetzen. Chancen und Risiken des Herrscherkredits hat vielleicht niemand so intensiv erfahren wie die Fugger, die ihre enorme Finanzkraft am Beginn der Neuzeit in den Dienst der Habsburger stellten – so lange erfolgreich, als ihre Geldzahlungen durch Schürfrechte und andere Regalien abgesichert waren, aber eben doch machtlos, als Philipp II. seine Rückzahlungen wiederholt einstellte und unverdrossen neue Kredite anforderte.34 Bis in die Gegenwart bleibt die Staatsverschuldung auch immer eine Machtfrage. Sie stellt sich vor allem bei der Insolvenz von Staaten, die insbesondere im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert regelmäßig einer auswärtigen Zwangsverwaltung unterstellt wurden;35 erst nach den Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) eine dauerhafte Institution gegründet, die bei staatlichen Zahlungsschwierigkeiten unterstützend eingreifen kann. Eminente Monarchen selbst vertrauten auch in der Neuzeit keineswegs auf Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit unter ihresgleichen, wie das Beispiel des geschäftstüchtigen Franz I. Stephan von Lothringen zeigt, der seine eigenen Güter mit beträchtlichem kommerziellen Erfolg verwalten ließ. Der spätere Kaiser gewährte dem Staat seiner Gemahlin Maria Theresia eben keinen Kredit. Statt sich mit einem schieren Rückzahlungsversprechen zu begnügen, ging er vielmehr im Jahre 1744 ein Tauschgeschäft ein: Für die Zahlung von einer Million Gulden an die Staatskasse erhielt er die lebenslängliche Nutznießung sämtlicher böhmischen Kameralgüter übertragen.36 Sogar Variationen sind denkbar, in denen der Landesherr zum Gläubiger statt zum Schuldner wurde: Als Carl Theodor von Dalberg nach dem Reichsdeputationshauptschluß die ehemals Freie Reichsstadt Regensburg für sein neu geschaffenes Kurfürstentum erhielt, setzte er persönliche Gelder zum Ausgleich des Etats ein, noch 1810 besaß er Forderungen in Höhe von 144.000 Gulden an die Regensburger Stadtkasse.37 Auch Zwangsanleihen waren ein traditionelles, aber heikles Mittel der Schuldenaufnahme von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. In der aktuellen Schuldenkrise vereinzelt gefordert, gab es in der jüngeren deutschen Geschichte in den Jahren 1952 („Investitionshilfeabgabe“)

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und 1970/1971 („Konjunkturzuschlag“) zwei Beispiele für Zwangsanleihen, im Dritten Reich ohnehin: Um die hohen Kosten der Aufrüstung nanzieren zu können, wurde etwa das Kapital der Versicherungskonzerne abgeschöpft.38 Noch die Gegenwart kennt Zwangsanleihen, etwa dadurch, daß für Pensionsfonds in den USA de iure bestimmte Anlagemodalitäten vorgegeben sind, die de facto nur von Staatsanleihen erfüllt werden.39 Der Staat besitzt und nutzt also immer wieder die Möglichkeit, qua Gesetz die Finanziers seiner Schulden selbst zu kreieren. Welche systemstabilisierende Logik dahinter steht, hat Lorenz von Stein prägnant ausgedrückt: Es sei zum Beispiel durchaus hilfreich, wenn Sparkassenkunden „durch die Nöthigung, ihre Ersparnisse als Staatspapiere zu besitzen, an die bestehende Ordnung mit neuem Interesse geknüpft werden“.40 Vielleicht besitzen die gegenwärtig so intensiv diskutierten Eurobonds auch eine derartige Wirkung – oder sollen sie zumindest besitzen? Bereits im antiken Athen üblich, wie der Beitrag von Thorsten Beigel zeigt, waren Zwangsanleihen etwa auch in den italienischen Stadtstaaten des ausgehenden Mittelalters weit verbreitet. Die Neuerung der sogenannten Monti bestand jedoch nicht in ihrem Zwangscharakter, sondern im Übergang zu langfristiger Finanzierung und freier Handelbarkeit, die in Florenz bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts eintrat.41 Freilich setzte diese Technik erhebliches Kapital, mithin eine orierende Wirtschaft voraus;42 ohne große, üssige Vermögen in einer avancierten Handelsgesellschaft auch keine umfangreiche Staatsverschuldung, wie Adam Smith festgehalten hat.43 Nicht von ungefähr vollzog sich beispielsweise der Aufstieg der Medici im Windschatten der immer weiter ansteigenden Florentiner Staatsverschuldung,44 ebenso der Aufstieg mancher italienischer Dynastien zu Papstwürden, wie in Arne Karstens Beitrag deutlich wird. Freilich wurden Zwangsanleihen nur akzeptiert, wenn sich einerseits die Geldgeber in den Staatszielen wiederfanden: Der englische König Karl I. verlor Krone und Kopf in den 1640er Jahren nicht zuletzt deshalb, weil seine Politik der forced loans auf massiven Widerstand gestoßen war. Andererseits mußte die Rückzahlung gesichert – in der Frühen Neuzeit zunehmend: fundiert sein, meist in einfach zu erhebenden Verbrauchssteuern. Der vielleicht entscheidende Übergang zur Fundierung der Staatsverschuldung bestand darin, daß die Zahlung der Zinsen direkt an die Erträge aus festgelegten Quellen wie zum Beispiel aus dem Bergbau oder aus bestimmten Steuern gebunden wurde.45 Umgekehrt verdankte sich die besondere Fähigkeit der niederländischen Provinz Holland, bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts umfangreiche Staatsschulden aufnehmen zu können, dem Verzicht auf Zwangsanleihen: Investoren reagierten darauf positiv.46

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An den Namen, die zahlreiche Monti und Anleihen erhielten, lassen sich oftmals ihre Deckungsquellen, bisweilen auch der Anleihezweck ablesen47 – ganz anders, als es die gesamtstaatlichen Haushalte der Gegenwart praktizieren. Großbritannien brach wohl als erstes Land mit dem „Grundsatze der Fondsseparation“, indem der Exchequer als einzige, einheitliche Kasse eingerichtet wurde.48 Unterdessen verpfändeten Fürsten seit dem 16. Jahrhundert sichere Einnahmenquellen wie Bergwerke, Steuern und Zölle, um Schulden zu günstigen Zinssätzen aufnehmen zu können: Die Fundierung war nichts anderes als eine Kreditausfallversicherung. So gelang es beispielsweise dem Papsttum im 16. Jahrhundert, statt einer hochverzinslichen, schwebenden eine konsolidierte Staatsschuld zu errichten.49 In diesen Mechanismus waren bisweilen auch die Steuerbewilligungen der Stände als Garantien eingebunden – sie erklären etwa die hohe Zahlungsfähigkeit der habsburgischen Kaiser, die im Gegensatz zu ihren spanischen Vettern keinen Bankrott verkünden mußten.50 Zur spezischen Form der Staatsverschuldung wurde in der Frühen Neuzeit der Ämterkauf,51 durch den unter anderem der in der Moderne regelrecht geächtete und schon in der Antike ebenso bekannte wie keineswegs nur im Neuen Testament verrufene Typus des Steuerunternehmers getragen wurde.52 Ihn vertraten etwa die französischen Steuerpächter, aber auch schillernde Figuren wie Albrecht von Wallenstein in gewisser, einzigartiger Weise. Er bediente im Dreißigjährigen Krieg sein Generalat auf eigene Kosten, deren Gegenleistung in der Investitur etwa mit dem Fürstentum Mecklenburg bestand: De facto erwarb der Generalissimus das Land mit seinen Kriegsaufwendungen53 und ersparte dem Kaiser auf diese Weise Ausgaben, Steuern – und namentlich Schulden. Erst im 19. Jahrhundert löste sich die in bestimmten Erträgen fundierte Schuld weitgehend auf und wurde mithin eine allgemeine, die Ausgaben waren kaum mehr an spezische Einnahmen gebunden,54 obschon beispielsweise in den Schuldenabkommen der Weimarer Zeit die Einnahmen der protablen Reichsbahn dezidiert dem Schuldendienst gewidmet wurden. Auch diese Technik reicht bis in die Gegenwart: Der Erblastentilgungsfonds, in den vor allem die Schulden aus der Bewältigung der Deutschen Einheit (Staats- und Auslandsschulden der DDR, Kreditkosten der Treuhandanstalt, Investitionen, dabei wurden 48,6 von 58,8 Mrd. Euro am Kapitalmarkt aufgenommen)55 übertragen wurden, ist immerhin insofern fundiert, als Überschüsse aus der Bundesbank eingezahlt werden müssen, sofern sie 3,5 Mrd. Euro übersteigen – doch prinzipiell beruht die moderne Staatsverschuldung wesentlich auf dem bloßen Versprechen einer Rückzahlung, weil sie eben

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nicht in bestimmten Einnahmen, sondern lediglich in einer allgemeinen Einnahmeerwartung fundiert ist. Als der Ökonom Alfred Manes nach dem Ersten Weltkrieg festhielt: „Nicht viel mehr als den Namen“ hätten Staatskredit und Privatkredit gemeinsam,56 nahm er nicht nur die jüngste Vergangenheit in den Blick. Vielmehr wies er darauf hin, daß die Entstehung von Staatsanleihen seit dem Spätmittelalter einen entscheidenden Wandel bedeutete. An die Stelle von mit Zins und Tilgung zu bedienenden direkten Krediten traten reine Zinsanleihen,57 die keine Tilgung mehr vorsahen. Das galt insbesondere für Staatsanleihen, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein oft an die Person und mithin an die Lebenszeit ihrer Inhaber gebunden waren. Welche Verschiebungen sich hier in der Moderne ergeben haben, läßt sich am Begriff der Renten zeigen – was heute einen staatsbürgerlichen Anspruch aus Einzahlungen in die Rentenkasse darstellt, war in der Frühen Neuzeit oftmals ein persönlicher Zinsertrag aus Investitionen in die Staatsschuld: Die Kredite wurden nicht oder nur mit Zustimmung der Gläubiger getilgt, sondern als lebenslange Zinsansprüche behandelt, als Leibrenten, die an die Person des Kreditgebers – eines Individuum oder einer Gruppen von Individuen, wie etwa in den Tontines, die solange ausbezahlt wurden, als der letzte Kreditgeber noch am Leben war – gebunden waren und mit dessen Tode erloschen. Reste dieser Form nden sich bis in die Gegenwart, etwa in jenen portugiesischen Staatsanleihen aus den 1940er Jahren, die sich unter anderem in der Bilanz der Europäischen Zentralbank nden. Ihre Laufzeit ist letztlich eine unendliche, reicht sie doch bis in die gefühlte Ewigkeit des Jahres 9999.58 Staatsanleihen bildeten als Kapitalanlage mithin eine Form der Altersvorsorge, die nur indirekt vom Staat geleistet wurde. Sie wurden bei regelmäßigen Zahlungen auch deshalb akzeptiert, weil ihre Alternative in einer Erhöhung der Steuern hätte bestehen müssen: Um politisch koniktträchtigen, höheren Steuersätzen zu entgehen, erweiterte man im Florenz der Renaissance das Kapital der Staatsschuld schlichtweg immer mehr.59 Die erhebliche Erweiterung der Staatsverschuldung seit dem späten Mittelalter steht in einem engen Zusammenhang mit der allgemeinen Finanzgeschichte und der „Finanziellen Revolution“ die wohl im späten 16. Jahrhundert in den Vereinigten Niederlanden begonnen hat, mit Amsterdam als Zentrum eines umfassenden Zahlungs- und vor allem Informationsnetzwerkes;60 zumindest verstanden es die Vereinigten Niederlande dank ihrer gut funktionierenden Börsen bereits lange vor England, ihre Schulden zu fundieren und auf eine breite Gläubiger-Basis im eigenen Land zu stellen.61 Der Aufstieg des Geldes ist maßgeblich mit der Entstehung von Staatsanleihen verbunden gewesen.62 Nicht zu-

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fällig wurden die ersten großen Schuldenberge, die sogenannten Monti, in den kommerziell erfolgreichen oberitalienischen Stadtstaaten aufgeschüttet, in denen sich früh ein leistungsfähiges und bargeldloses Zahlungssystem entwickelt hatte. Mithin zeigt der Wandel der Formen, in denen Staatsverschuldung auftritt, zuverlässig auch ökonomische und soziale Machtverlagerungen an. Die besondere Finanzkraft der Städte im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zeigt sich etwa darin, daß sich zahlreiche Herrscher wie etwa die französischen Könige ihre Kredite von den Kommunen beschaffen ließen.63 In großen, kapitalkräftigen Städten entstanden zudem immer mehr Börsen, an denen auch Staatsanleihen zur Handelbarkeit gelangten. So wurde die Staatsverschuldung von persönlichen Kontakten zwischen dem Herrscher und seinen Kreditgebern entbunden, wie etwa in Baden und Bayern nach 1800 zu belegen.64 Immer besser organisierte Privatbankiers, etwa die Rothschilds, formten kapitalstarke Absatzorganisationen, die Landesgrenzen überschritten.65 Was in Italien bereits im ausgehenden Mittelalter, in den Niederlanden im späten 16. Jahrhundert, in England nach der Glorious Revolution von 1688/89 eingesetzt hatte, nämlich eine rege Tätigkeit von Banken, Börsen und Spekulanten, etablierte sich in der Sattelzeit auch auf dem Kontinent.66 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war zum Beispiel die Frankfurter Börse ein weithin bekannter Ort des Handels mit Staatsanleihen geworden; den regen Umsatz betrieben Privatbankhäuser und emittierten die entsprechenden Papiere in kleinen, anonymen, eben nicht mehr an bestimmte Personen gebundenen Inhaberschuldverschreibungen.67 Die während der Großen Koalition der 1960er Jahre eingeführten Bundesschatzbriefe, die nach 2012 nicht mehr direkt, das heißt ohne zusätzliche Transaktionskosten an Privatanleger ausgegeben werden sollen, variierten dieses Prinzip schließlich insofern, als sie die bisher als Zwischenhändler benötigten Banken umgingen.68 Eine entscheidende Neuerung des modernen Staatskredits liegt in seinen Kapitalquellen: Aufgebracht wird er nicht mehr von einzelnen Personen oder großen Bankhäusern, sondern „von einer großen und anonymen Masse nur Rentenanlagen suchender Investors“, wie Julius Landmann bereits in den 1920er Jahren festgehalten und zugleich darauf verwiesen hat, daß in diesen Krediten nunmehr „wirtschaftliche Fähigkeit zur Leistung und politischer Wille zur Erhebung von Steuern“ verbürgt seien.69 Neben einer zunehmenden Verrechtlichung, einer Tendenz zur Vereinheitlichung der Staatsschuld im jeweiligen Territorium und der Fundierung der Staatsanleihen konstituierte namentlich ihre Kommerzialisierung einen wesentlichen Wandel in der Moderne.70

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Schon im 17. Jahrhundert bildete sich dabei ein internationaler Markt heraus, der zuverlässige Schuldner mit niedrigen Zinssätzen prämierte und unzuverlässigen Rückzahlern entsprechende Aufschläge abverlangte; so gelang es Großbritannien im 18. Jahrhundert, eine erheblich größere absolute und relative Schuldenlast zu tragen als Frankreich und gleichzeitig günstigere Konditionen zu erhalten, während etwa der hoch verschuldete bayerische Kurfürst Max Emanuel (gest. 1726) am Ende seiner Regierungszeit horrende Zinssätze von fünfzehn Prozent zu akzeptieren hatte.71 Der Kameralist Justi insistierte nicht von ungefähr auf „Treue, Glauben und Ehrlichkeit“, die ein Herrscher bei der Behandlung der Staatsverschuldung beweisen müsse.72 Weil die Kredite sich nicht an nationale Grenzen – beispielsweise nanzierten niederländische, französische und spanische Gläubiger den Unabhängigkeitskrieg der USA – hielten, wurden auch immer wieder internationale Regelungen nötig, wenn einzelne Staaten überschuldet waren. So kam es nach dem Dreißigjährigen Krieg innerhalb des Alten Reiches zu einem Moratorium sowie zu einem Teilerlaß.73 Die Staatsverschuldung wurde im 19. Jahrhundert sogar zu einem Schrittmacher der nationalen Staats- und zugleich der internationalen Normenbildung im Völkerrecht: Ägypten, Griechenland und das Osmanische Reich wurden zeitweilig von internationalen Kommissionen verwaltet,74 wie im vorliegenden Band die Beiträge von Alexander Will sowie von Korinna Schönhärl und Michalis Psalidopoulos demonstrieren. Schon damals galt, daß der auswärtige Kreditgeber eben „kein Wohltäter“ ist, „der sich in die Welt der Realpolitik verirrt hat“.75

4. E  S Der Krieg ist der Vater der Staatsverschuldung: Hier liegt ihr ursprünglicher Ort. Was bereits für die antike griechische Demokratie und das Imperium Romanum gilt, läßt sich bis hin in die Moderne beobachten. Rüstungen im Krieg oder vor einem kommenden Krieg trieben die staatlichen Ausgaben oftmals in kurzfristige Höhen, die aus den regulären Einnahmen nicht bestritten werden konnten, ganz zu schweigen von den Kriegsfolgekosten. Als außerordentliche Ereignisse waren Kriege einerseits Momente, in denen Herrscher beziehungsweise Regierungen erfolgreich zusätzliche Steuern einfordern konnten, die sich oftmals perpetuierten. Andererseits lag es in der wenig efzienten Natur vor allem des kaum ausgebauten vormodernen Staates, daß großer und akuter Geldbedarf über langwierige Steuererhebungsverfahren nicht zu decken war: Potente Kreditgeber im Inland oder im Ausland stellten oft-

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mals die einzige Möglichkeit dar, die benötigten Summen rasch zu erhalten. Schulden galten dabei primär als Notstandsmaßnahmen. Daß der Staatskredit „ein regelmäßiger, organischer Theil der Staatswirthschaft“ sei,76 wie es Lorenz von Stein in der Mitte des 19. Jahrhunderts lehrte, stellte noch für seine Zeitgenossen eine umstrittene These dar. Die enorme Zunahme der Staatsverschuldung in der Neuzeit war deshalb zu weiten Teilen ein Resultat der Militärischen Revolution:77 Technische Innovationen verteuerten die Kriegsführung erheblich, die zugleich immer mehr Soldaten involvierte. Einen besonderen Faktor bildete hier der Bau und Einsatz immer größerer, immer aufwendigerer und deswegen immer kostspieligerer Geschütze und zumal Kriegsotten. Weil weiträumige und lange Kriege ein besonderes Maß an Koordination erforderten, das im Zeitalter kurzer Feldzüge nicht nötig gewesen war, entstand in der Frühen Neuzeit der „Militärstaat“, dessen Zwilling der „Fiskalstaat“ darstellte. Zur gleichzeitigen Finanzierung der enormen Kriegskosten reichten die ausgeschriebenen Steuern zwar in aller Regel nicht aus, doch ermöglichten sie eine mittelfristige Bedienung der aufgenommenen Schulden: Für Zins und Tilgung der Kredite wurden meist spezische Steuern erhoben, gleichsam als Pfand. Der Krieg war ein Schuldentreiber, die Schulden aber waren auch ein Kriegstreiber – ein klassisches Muster: Wie das Imperium Romanum seine Schulden auf seine eroberten Provinzen auslagerte, macht der Beitrag von Armin Eich deutlich. Auch die Expansion des revolutionären Frankreich sollte die entstandenen Dezite mit Geld aus dem Ausland decken; aus den Eroberungsabsichten des Dritten Reiches wiederum resultierten Aufrüstungskosten, von den Aufrüstungskosten ihrerseits wurden schnelle Eroberungen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs nachgerade erzwungen.78 Die vor allem seit dem 17. Jahrhundert immer weiter ansteigenden Kriegskosten zogen nicht nur eine Ausweitung des Staates und der Besteuerung zum „Fiscal-Military State“79 nach sich, dessen Ausbau seinerseits zu neuen Kriegen Anlaß gab, sondern waren auch mit der Weiterentwicklung der Geldwirtschaft verbunden.80 Der Geldbedarf überstieg bald die Edelmetallressourcen, so daß andere Geldmittel gefunden werden mußten: Letztlich resultierte der Übergang zur Papiergeldwährung wesentlich aus staatlicher Verschuldung. So waren die ersten Geldnoten, die von der 1694 gegründeten Bank of England herausgegeben wurden, nichts anderes als Anteilsscheine an der englischen Staatsverschuldung. Auch John Laws Versuch, die nach dem Tode des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. zerrütteten Staatsnanzen zu sanieren, vollzog sich nach einem solchen Prinzip – nicht anders die Assignaten der Revolutionszeit: Um die massiven Steuerausfälle zu kompensieren und jene

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immensen Kredite zu bedienen, die vor allem im Siebenjährigen Krieg und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aufgelaufen waren, führte die französische Nationalversammlung die Assignaten als verzinsliche Schuldscheine ein, deren Wert von den säkularisierten Kirchengütern gedeckt war. Tatsächlich hat sich mit dem Papiergeld auch die Staatsverschuldung erst im späten 20. Jahrhundert endgültig von einer Edelmetallbindung entkoppelt, seit US-Präsident Richard Nixon im Jahre 1971 die Golddeckung des US-Dollar und mithin das Abkommen von Bretton Woods aufgekündigt hat. An die Stelle der Münzverschlechterung, mit der Herrscher seit der Antike ihre Schulden verminderten, trat spätestens jetzt die Änderung von Wechselkursen, die Auslandsschulden verringern oder erhöhen kann. Seit jeher eine probate Technik, um die Staatsverschuldung nach außen wie nach innen und auf Kosten bestimmter Gruppen zu vermindern, war die Ination – Albert Fischers Beitrag über die Weimarer Republik verdeutlicht es, die gegenwärtigen Debatten über eine Inationsgefahr durch die Stützungsmaßnahmen zugunsten des Euro nicht minder. Neben der Kriegsführung waren auch die Staatsbildung, die aus den besonderen Strukturen einer Wahlmonarchie wie insbesondere des Papsttums, des Alten Reiches oder seiner zahlreichen geistlichen Fürstentümer resultierenden Belastungen umso mehr, und die Hofhaltung bedeutende Faktoren der Staatsverschuldung.81 Zumal die staatsbildende Kraft der Staatsverschuldung gilt es hier zu betrachten, weil jeder Kredit des Herrschers einen Eingriff in skalische Mitbestimmungsrechte der Stände bedeutete. Als Teil des Budgets zählte die Staatsverschuldung zum Königsrecht, das vor allem im 19. Jahrhundert zunehmend auf nationale Parlamente überging – früher schon in England: Die erhebliche Staatsverschuldung nach der Glorious Revolution garantierte letztlich die politischen Rechte des Parlaments, wie Georg Eckerts Beitrag herausarbeitet. Kredite, ebenso wie Steuerausschreibungen, bedurften schließlich seit jeher meist der Zustimmung der Stände, die Fürsten tunlichst zu umgehen trachteten: So versuchte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im späten 17. Jahrhundert, durch ein neues Kriegszahlamt das Mitspracherecht der Stände auszuhebeln.82 Das war zugleich der politische Ort, an dem Hoffaktoren reüssieren konnten: Am bekanntesten ist wohl die Geschichte des Joseph Süß Oppenheimer, der dem württembergischen Herzog Karl Alexander als Finanzier diente und einen auch nanziell schlagkräftigen Staat an den Landständen vorbei schaffen half – so effektiv, daß er nach dem Tod des Herzogs in einem Schauprozeß zum Tode verurteilt und im Jahre 1738 am Galgen gehenkt wurde.83

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Mit der Herausbildung einer umfassenden staatlichen Bürokratie war die Ausweitung der Staatsverschuldung jedenfalls untrennbar verbunden: Als Zarin Katharina die Große seit den 1760er Jahren die russischen Staatsnanzen zu sanieren bemüht war, widmete sie sich vor allem einer Verwaltungsreform.84 Jeder Quasi-Bankrott, wie er etwa den Habsburgern nach den Zusammenbruch des Bankhauses Oppenheimer im Jahre 1703 drohte, stellte in dieser Hinsicht eine Modernisierungschance dar.85 So erzwang der massive Erneuerungsdruck, unter dem die preußische Monarchie nach der Niederlage gegen das napoleonische Frankreich im Jahre 1806 stand, auch eine Steuerreform, die umgekehrt nur gegen politische Partizipation durchzusetzen war – aus der Staatsschuldenkrise entwickelte sich eine Gesellschaftsreform:86 Nach dem preußischen Staatsschuldengesetz von 1820 mußten die landständischen Repräsentanten jeglicher neuerlicher Kreditaufnahme zustimmen.87 Einheitliche, in klar abgegrenzten Kategorien miteinander vergleichbare Budgets der einzelnen Länder wurden in Deutschland allerdings erst während der Weimarer Republik erstellt,88 nachdem öffentliche, einzelstaatliche Budgets im 19. Jahrhundert sukzessive eingeführt worden waren. Ohnehin gehört es zum Staatsbildungsprozeß, daß sich die Herrscher und Regierungen im 17. Jahrhundert einen statistisch faßbaren Gesamteindruck auch über ihre Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen suchten, die bislang meist in separaten Kassen verwaltet worden waren. Johann August Schlettwein fordert in diesem Sinne im späten 18. Jahrhundert „erst den AusgabsPlan in der Haushaltung zu entwerfen“ und anschließend ,,sich nach den Einnahmen umzusehen, die man zu Realisierung des AusgabsPlan nötig ndet“.89 In dieser Hinsicht eignet sich die Qualität der Staatsverschuldung geradezu als Indikator moderner Staatlichkeit. Untersucht man im Sinne der Neuen Institutionenökonomie die Kreditaufnahme und die Zinssätze über die Jahrhunderte hinweg, läßt sich ein skalischer Nachweis für die politische Fragmentierung und politische Unzuverlässigkeit des Ancien Régime führen: So kann die Aufnahmefähigkeit von Krediten gleichsam als „EKG“ dienen, das die skalische Gesundheit des Staates anzeigt.90 Anders gewendet: Zentralisierte und in ihren Befugnissen begrenzte, eben moderne Regierungen hatten geringere Budgetdezite, aber wohl kaum aus vermehrter „nanzieller Klugheit“,91 sondern vielmehr aufgrund einer anderen Art und Weise, Interessen auszuhandeln, die hinter jeder Form der Staatsverschuldung stehen. Durch formalisierte und weitgehende Beteiligungsverfahren wurde die Staatsschuld zu einer kalkulierbaren Investition. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie erst in die Dauerhaftigkeit überführt werden.

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Lorenz von Stein betrachtete es als „das Wesen der eigentlichen Staatsschuld, daß die Rückzahlung des Darlehns ein principiell ausgeschlossenes Moment ist und nur ausnahmsweise eintritt“.92 Zumindest die Geschichte der westlichen Staaten bestätigt diese These, weil immer mehr Kredite nur noch dazu dienen, die Kosten älterer Kredite zu bedienen. Stein unterschied denn auch die „wahre Tilgung“ durch Überschuß der Einnahmen über Zinsen von einer „scheinbaren“, wenn eben dieser lediglich durch neue Schulden generiert werde.93 Dabei wurden die Schulden nicht nur von der Person des schuldigen Monarchen auf den Staat umgelenkt, sondern auch von der Person des Gläubigers selbst auf ein verbrieftes Recht, das seine Erben übernehmen konnten.

5. S  L  S Mit der Praxis der Staatsverschuldung, deren technischer Wandel und Auftreten soeben skizziert worden sind, hat sich auch das geändert, was man in weitem Sinne als ihre Theorie auffassen kann: ökonomische Dogmen und moralisch-politische Überzeugungen, nicht zuletzt unterschiedliche epistemologische Auffassungen darüber, wovon überhaupt sicheres Wissen zu erlangen sei. Nahm John Maynard Keynes etwa an, eine sorgfältig geplante, kreditnanzierte Nachfrageerhöhung durch den Staat vermöge den Markt günstig zu beeinussen und Wirtschaftskrisen zu überwinden,94 so bezweifelte hingegen beispielsweise sein Antipode Friedrich August von Hayek, daß hinreichendes Wissen für sinnvolle Eingriffe des Staates in den Markt gewonnen werden könne.95 Die Geschichte der Staatsverschuldung umfaßt daher die ökonomische Dogmengeschichte ebenso wie die innerdisziplinäre und die allgemeine Wissenschafts-, Geistes- und Kulturgeschichte. Besonders die Vorstellung des mittlerweile auch in den Wirtschaftswissenschaften selbst relativierten96 beziehungsweise historisierten Homo Oeconomicus gilt es in einen kulturellen Zusammenhang zu stellen.97 Jede Debatte über die Staatsverschuldung appelliert auch an ein bestimmtes Bild des Menschen, wie er sei und wie er sein solle. Die Staatsverschuldung erweist sich als treficher Indikator nicht nur für die Staatlichkeit eines Gemeinwesens, sondern eben auch für die Mentalität(en) seiner Glieder. Joseph Schumpeter hat deshalb für eine intensive Erforschung der Finanzgeschichte geworben. „Welches Geistes Kind ein Volk ist, auf welcher Kulturstufe es steht, wie seine soziale Struktur aussieht, was seine Politik für Unternehmungen vorbereiten mag“, zeige sie besonders deutlich. Man könne das alles „phrasenbefreit“ ermessen und dabei den „Donner der Weltgeschichte“ hören.98 Indem die Staats-

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verschuldung in je spezischen Formen erscheint, indem sie von spezischen Institutionen betrieben und mit einer spezischen moralischen und politischen Bedeutungszuweisung versehen wird, lassen sich in Ergänzung zu ganzen Wirtschaftsstilen99 gleichsam auch eigene Schuldenstile ausndig machen. Letztlich wird es einer Art Ideen- und Kulturgeschichte der Staatsverschuldung bedürfen, in der sich das Vertrauen als Schlüsselkategorie erweisen könnte, ähnlich wie beim verwandten Thema der Währungskulturen.100 Der Staatsverschuldung wohnt seit jeher eine moralische Dimension inne: „Letztlich geht es bei der gesamten Ökonomie um das Gute und das Böse oder Schlechte“.101 Das zeigt sich bereits am Umgang mit Verschuldung per se: Trotz des kirchlichen Zinsverbotes, das aber durch die Einführung etwa von „Verzugsentschädigungen“ bereits im 14. Jahrhundert weithin umgangen wurde,102 waren Schulden im Mittelalter weit verbreitet – als Ausdruck struktureller Abhängigkeitsverhältnisse.103 Schuld bildete nicht nur eine moralische, sondern eo ipso auch eine juristische Kategorie, die allerdings in England bereits im 17. Jahrhundert ausdifferenziert und in wertungsfreie Vertragsbeziehungen überführt wurde.104 Der moralischen Säkularisierung der Staatsverschuldung entsprach langfristig auch ihre Politisierung. Karl Marx hat es pointiert ausgedrückt: „Und mit dem Entstehen der Staatsverschuldung tritt an die Stelle der Sünde gegen den heiligen Geist, für die keine Verzeihung ist, der Treubruch an der Staatsschuld“.105 Insofern ist die Entwicklung der Staatsverschuldung eng mit der Entstehung des auf seinen Eigennutz bedachten Homo oeconomicus als Rollenvorbild verbunden gewesen: Die strikte Orientierung an der Materie erlaubte erst ein ökonomisches Kalkulieren, dessen Basis das vernünftige Eigeninteresse darstellte.106 Das Aufnehmen von Schulden einerseits, aber auch das von Gewinnstreben geleitete Gewähren von Krediten andererseits bedurfte der moralischen Legitimierung: Just die „Interessen“ (im Englischen und Französischen bezeichnenderweise synonym mit „Zinsen“) galten seit dem späten 17. Jahrhundert immer mehr als tragfähige Basis von Gesellschaft und Staat.107 Im Mittelalter hatte es kein Privileg, sondern eine massive Form der Diskriminierung dargestellt, daß Kredittätigkeit und (Wucher-)Zinsnahme vor allem auf eine Gruppe außerhalb der christlichen Gesellschaft gelenkt, gleichsam moralisch abgewälzt wurden: auf die Juden – für gute, vollkommene Christen schickte sich ohnehin kein übermäßiger kommerzieller Erfolg, zuallerletzt im Metier des Bankiers, wie etwa Thomas von Aquin ausführlich darlegte, dem Zinsnahme als „an und für sich ungerecht“ („secundum se injustum“) galt.108

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Umgekehrt erhellt dieser signikante Wandel im Menschenbild und Wertesystem der Frühaufklärung auch, warum die Staatsverschuldung so lange kein Thema dargestellt hatte, dem sich wichtige Denker gewidmet hätten. So befaßte sich schon Xenophon in seiner Schrift „Poroi“ („Über die Staatseinkünfte“), die der Finanznot seiner Heimatstadt Athen galt, gerade nicht mit der Minderung der Schulden, sondern mit der Steigerung der Einnahmen. Eine spezische Idee der Staatsverschuldung läßt sich in der Vormoderne kaum nachweisen – nicht nur, weil sie nicht in diesem Umfang benötigt wurde, sondern auch, weil sie als unwürdig galt, wie insbesondere der Beitrag von Jochen Johrendt über die schwierige Beziehung mittelalterlicher Kaiser zu Geld und Kredit zeigt: Nicht Gold oder Silber, sondern Treue band Lehnsherr und Vasall aneinander. Aus einem ähnlichen Grund zog auch die beträchtliche Kreditaufnahme humanistischer Fürsten wie etwa Kaiser Maximilans I. just keine umfassende, gelehrte Theorieentwicklung nach sich. Gerade in den ressourcenarmen lutherischen Kleinstaaten des Alten Reichs dominierte bis weit ins 17. Jahrhundert hinein das Vorbild des sparsamen Hausvaters,109 der sich in der Variante der von Bundeskanzlerin Angela Merkel bisweilen beschworenen „schwäbischen Hausfrau“ bis in den politischen Sprachgebrauch der Gegenwart erhalten hat, während in Süd- und Westeuropa schon eine umfangreiche Lehre über staatskluge Verschuldung entwickelt wurde. Als Johannes Coler, ein typischer Autor der Hausväterliteratur, im Jahre 1632 sein Handbuch über die beste Bewirtschaftung des Haushalt vorlegte, sah er sich noch zu einer Rechtfertigung dessen genötigt, „daß ich mich unterstehe, von solchen schlechten Dingen zu schreiben, welche die Leute allezeit in henden haben“.110 So erweist sich die vermehrte Thematisierung und sodann vor allem die Verwissenschaftlichung der Staatsverschuldung als ein besonderes Phänomen der Neuzeit, das in den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts wohl seinen vorläugen Höhepunkt erreicht haben dürfte und sich in der Berufung von Ökonomen in herausgehobene politische Funktionen (etwa Wirtschaftsminister Karl Schiller zur Zeit der ersten Großen Koalition) ausdrückte,111 aber noch immer geraume politische Wirkungsmächtigkeit besitzt: Nicht von ungefähr erblickte der Präsident des Deutschen Bundestages im Sommer 2012 den „Höhepunkt eines besorgniserregenden Reputationsverlustes der Parlaments“,112 als der italienische Ministerpräsident Mario Monti als Chef einer Regierung aus Wirtschaftsexperten den Einuß der nationalen Legislaturen als Gefahr für die Rettung des Euro bezeichnet hatte. Unter solchen Prämissen ist auch zu erklären, weshalb eine massive Verschuldung ganz und gar nicht als Ausweis bloßer skalischer Unwis-

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senheit oder schierer Irrationalität, sondern vielmehr als aktive politische Ignoranz, als rationale und konsequente Umsetzung anderer politischer sowie moralischer Prämissen als derjenigen eines ausgeglichenen Staatshaushaltes zu deuten ist. In einem Brief an Kaiser Traian begründete einst der jüngere Plinius die Notwendigkeit eines neuen Bades für die kleinasiatische Stadt Prusa damit, daß „der Glanz Deines Zeitalters“ eine solche Maßnahme erfordere.113 Daß ferner der ohnehin schon hoch verschuldete bayerische Herzog Karl Albrecht in der Mitte des 18. Jahrhunderts scheinbar hemmungslos weitere Kredite aufnahm, bezog seine Rechtfertigung ebensowenig aus einem ökonomischen Kalkül, sondern aus der politischen Strategie, durch unvermeidlich kostspielige Repräsentation die Ansprüche der Wittelsbacher auf den schließlich errungenen Kaiserthron zu legitimieren,114 dessen Prestige jeden Kredit rechtfertigte. Eine derart absichtsvolle Ignoranz gegenüber skalischen Bedenken pegte beispielsweise der bayerische König Ludwig II. in den 1880er Jahren,115 daß er schließlich für unzurechnungsfähig erklärt wurde: Seine enorme Verschuldung aufgrund der ambitionierten Schloßbauten drohte eine Belastung des Landeshaushaltes zu werden. Unterdessen hatte der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck im Verfassungskonikt der 1860er Jahre mit einer „Lückentheorie“ den unbedingten Zugriff des Parlaments auf das Staatsbudget zu verhindern gewußt – auch hier stand die Staatsverschuldung im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen, eben weil mit ihr in besonderem Maße gesellschaftliche Lasten und spezische Interessen verhandelt werden. Eine Verschuldungspolitik erregte am Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend das Mißfallen des Bürgertums, das seine Ideale und zugleich seinen monetären Besitz bedroht sah – letztlich inkompatible skalische und politische Logiken zeigt ein Gedicht des liberalen Althistorikers Theodor Mommsen über seinen Kaiser auf: „Wir Wilhelm der Zweite / Sind ziemlich pleite / Haben viele Millionen verzettelt / Es thut Noth daß für uns man bettelt. / Uns stört kein Hohn“.116 Hier wurde Verschuldung zum Indikator politischer Rückständigkeit statt zum Ausweis der Modernität. Immer weiter verschob sich die Bewertungsebene der Staatsverschuldung in einen ökonomischen Bereich und unterlag immer mehr Zwecken jenseits der Kriegsführung. Alfred Manes mahnte nach dem Ersten Weltkrieg, ob der Bankrotterklärung Rußlands aus dem Jahre 1918 dürfe man die „die Lichtseiten des gesunden Staatskredits“ dennoch nicht vergessen, weil „ohne Staatskredit viele hervorragende Friedenswerke nicht hätten geschaffen“ werden können.117 Gerade in und nach dem Ersten Weltkrieg, in dessen Verlauf sämtliche Parteien

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kolossale Schulden aufgenommen hatten, stellte sich die Frage nach der Verwendung der Staatskredite in besonderer Dringlichkeit. Hatten sozialistische Politiker wie Rosa Luxemburg bereits an der Jahrhundertwende den Zusammenhang von Staatsverschuldung und „Militarismus“ beklagt,118 so verwahrte sich der österreichische Finanzsoziologe Rudolf Goldscheid im Jahre 1917 nunmehr gegen das, was aus „unserer rein geldwirtschaftlichen Auffassung der Verschuldung“119 resultiere: eine bloß skalische Bewertung der Staatsverschuldung, die er wirtschaftlichen Erwägungen unterordnen wollte. Seiner Ansicht nach hatte der Staat weitere Kredite aufzunehmen, um selbst als Wirtschaftsakteur tätig zu werden – nicht mehr als oberster Kassenwart sollte der Finanzminister fungieren, sondern als „Wirtschaftlichkeitsminister“.120 Daß die Staatsverschuldung Wohlstand und Zivilisation generell zu fördern vermöge, hatte sich im 19. Jahrhundert als Überzeugung weithin verfestigt. Für Lorenz von Stein war die Staatsverschuldung ganz selbstverständlich geworden, ihre Kritik ein obsoletes Problem: „ein Staat ohne Staatsschuld thut entweder zu wenig für seine Zukunft, oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart. Sie kann zu hoch, sie kann schlecht verwaltet, sie kann falsch verwendet werden, aber vorhanden ist sie immer; es hat nie einen civilisirten Staat ohne Staatsschuld gegeben, und wird, ja es soll nie einen solchen geben.“ Stein fuhr fort: „Der Haß gegen die Staatsschuld ist eine historische Erscheinung und hat nie seinen Grund in der Staatsschuld selbst, sondern stets in ihrer Verwendung gehabt“.121 Die vermehrte Staatstätigkeit im 19. Jahrhundert, in der vor allem die von der Forschung bislang vernachlässigten Kommunen eine wichtige Funktion einzunehmen begonnen haben, erkannten die Zeitgenossen. Adolph Wagner konstatierte damals für alle „Culturvölker“ ein „‘Gesetz der wachsenden Ausdehnung der Staatsthätigkeit’“.122 In solcher Perspektive geriet eine hohe Staatsverschuldung geradezu zum Fortschrittsindikator. Die ausgedehnte Staatstätigkeit war freilich stets an politische Interessen gebunden: So appellierten im 20. Jahrhundert maßgeblich die Nutznießer eines Wohlfahrtsstaates an den Keynesianismus, an den Monetarismus just diejenigen, die davon kaum protierten.123 Deshalb bedarf es künftig im Übrigen einer systematischen Erforschung, welche Gruppen besonders viele Schuldner des Staates gestellt haben, um die Verbindung von politischer Rhetorik und materiellen Interessen nachvollziehen zu können. Nur so kann eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Cui Bono der Staatsverschuldung gegeben werden. Anders formuliert: „Die Staatsschulden sind stets nur die Wirkung der Politik“.124

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Nicht nur die Verwendung für bestimmte politische Zwecke machte sie zu einem Instrument der Auseinandersetzung, sondern auch ihre Finanzierung: Zusätzliche, zinsgünstige Kredite privater Investoren und zusätzliche Steuerbewilligungen erhielten vor allem Fürsten, die im Gegenzug politische Mitbestimmungsrechte gewährten. Anteile an der Staatsschuld wurden gleichsam zu politischen Optionsscheinen – der Kauf von Staatsanleihen konnte so als gemeinwohltauglicher Akt dargestellt und als politische Waffe eingesetzt werden. Wie der Beitrag von Georg Eckert über den Wandel der Staatsverschuldung in der Sattelzeit ausführt, wurde sie zu einem doppelten Patriotismus-Test: Als „Public Credit“, das heißt als „Öffentlicher Kredit“ beziehungsweise – die Etymologie erweist sich hier als aufschlußreich – als „Öffentliches Vertrauen“ erforderte und disziplinierte die Staatsverschuldung die Bürger gleichzeitig. Zumal eine Stückelung der Staatsanleihen in kleine Beträge, von geringen Einlagen in die neu gegründete Bank of England bis hin zu den Bundesschatzbriefen seit den späten 1960er Jahren, stellte implizit oder explizit die Frage, wer den Staat eigentlich trage – und änderte bereits die Antwort. Ökonomische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Verteilungskonikte wurden seit jeher auch im Medium der Staatsverschuldung behandelt, bis hin zu Feuilleton und Literatur. So reimte Robert Musil zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Der Bürger endlich blickt still in die Weite / Und spart Steuergelder für die kommende Pleite“.125 Gerade im 18. Jahrhundert wurden die politischen Folgewirkungen der jeweiligen Modi, die Staatsverschuldung zu bewältigen, intensiv diskutiert. David Hume betrachtete sie nicht als rein ökonomisches Phänomen, sondern letztlich als aggressive politische Herausforderung des Gesellschaftssystems und fürchtete um die Vormacht der britischen Landbesitzer.126 Weiter noch ging Montesquieu in seiner Analyse des Law’schen Systems, mit dem sich der Beitrag von Moritz Isenmann in diesem Band intensiv auseinandersetzt: Der Baron warf John Law vor, „durch eine gleiche Ignoranz der republikanischen und monarchischen Verfassung“ zu einem „der größten Förderer des Despotismus, den man jemals in Europa gesehen hat“, geworden zu sein.127 Die parlamentarische Verfügungsgewalt über die Finanzen, die in England nach der Glorious Revolution als demokratische Errungenschaft gefeiert worden war, konnte freilich auch zum Problem werden – so empfand es Reichskanzler Heinrich Brüning, der in der Weltwirtschaftskrise in der schuldengeplagten Weimarer Republik zu dem Schluß kam, daß der „ungehemmten Verschwendungswirtschaft des parlamentarischen Systems“ dringend Einhalt zu gebieten sei.128 In verschiedenen politischen Systemen gelten unterschiedliche Strukturbedingungen. Tatsächlich trifft für moderne, repräsentative

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Demokratien insbesondere zu: „Der Konkurrenzkampf um Zustimmung treibt den Prozeß des stetigen Wachstums der Staatsaufgaben voran“.129 Gerade in den westlichen Demokratien des 20. Jahrhunderts wurde die Staatsverschuldung zu einem Mittel der Konjunktur- und Sozialpolitik – der Zweck weiterer Schulden, die sich ökonomisch durch erhöhtes Wirtschaftswachstum renanzieren würden, wurde immer mehr auf der Nachfrageseite und mithin im Konsum erblickt, vor allem unter dem Einuß der Lehren John Maynard Keynes’. Ein herausragendes Beispiel für diese Neuorientierung stellt etwa die Einführung der Dynamischen Rente in Deutschland bei gleichzeitiger Auösung der thesaurierten Rücklagen des „Juliusturms“ im Jahre 1957, ein herausragendes Beispiel für eine politische Argumentation, die letztlich just nicht von ökonomischen Erwägungen dominiert wurde.130 Der Durchbruch zum kostspieligen Wohlfahrtsstaat erfolgte nach 1945, als die einschlägigen Ausgaben diejenigen der 1930er Jahre um mehr als das zehnfache übertrafen131 – welche skalischen Auswirkungen dieser Wandel in der Zwecksetzung hatte, demonstriert nicht zuletzt der Beitrag von Michael Hochgeschwender über die Entwicklung der USamerikanischen Staatsverschuldung. Erst in den 1970er Jahren hat sich der enge Zusammenhang von Krieg und Staatsverschuldung in den westlichen Staaten weitgehend aufgelöst:132 Die enorme Zunahme der Schulden war einer Neuorientierung der Fiskalpolitik zu verdanken, die sich dem Ausgleich konjunktureller Schwankungen und der Förderung des Konsums in der Bevölkerung verschrieb. Solche Entwicklungen verweisen nicht nur auf das stete Generationenproblem, indem mit Staatsverschuldung „Ressourcen zu Lasten jüngerer und noch nicht geborener Haushalte umverteilt werden“.133 Die mittlerweile in zahlreichen Staaten und Bundesländern eingeführten Schuldenbremsen entspringen aus der Interaktion ökonomischer, moralischer und politischer Erwägungen: des ökonomischen Dogmas, Investitionen dürften durchaus auf Kreditbasis getätigt werden, der moralischen Forderung der Nachhaltigkeit, die gerade in Zeiten knapper Ressourcen öffentliche Wirksamkeit entfalten kann, und schließlich der dadurch eingehegten politischen Versuchung, zur Sicherung der eigenen Machtposition – zur Wahl, zur Wiederwahl oder zur Koalitionsbildung134 – hohe Ausgaben zu tätigen und gleichzeitig spürbare Belastungen zu vermeiden. Die seit dem Jahre 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zeigt zugleich auf, wie die Veränderung ökonomischer Prämissen die Geschichte der Staatsverschuldung beeinußt hat: Erst einer Gesellschaft, die auf unablässiges Wachstum vertraute und eben solches erlebte, war ein Ausbau der Staatsverschuldung plausibel zu vermitteln. Daß der „Geltungsanspruch einer antizyklischen Politik, die primär

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auf das schuldenpolitische Instrumentarium setzt“, schon in den 1990er Jahren massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat,135 ist auch mit einer intensiven Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen des Wachstums zu erklären, die schon in den 1970er Jahren eingesetzt hat. Auf der Vorstellung ewigen Wachstums beruhte nämlich die Erwartung, Staatsschuld könne ohne Sühne bleiben – sie erst macht eine Verlagerung von Kosten auf die Zukunft legitim, produziert freilich beschwerliche Spätfolgen, die aus einer Nutznießung bereits in der Gegenwart entstehen.136 Vielleicht verdeutlicht nichts diesen Wandel prägnanter als die Abkehr vom gewissermaßen vulgärkeynesianischen Diktum: „Die Schulden von heute sind die Einnahmen von morgen“ und die damit einhergehende Rückkehr zum neo-ricardianischen Satz: „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen“. Die Geschichte der Europäischen Währungsunion, die Franz Knipping in seinem Artikel nachvollzieht, zeigt es mit aller Klarheit. Ihre Konsequenzen in der Gegenwart verdeutlicht der Beitrag von Paul J. J. Welfens am Ende dieses Sammelbandes, der aus ökonomischer Perspektive auf Problemquellen und Lösungsmöglichkeiten für die aktuelle Staatsschuldenkrise blickt.

6. D G  S  Pß  E Ohnehin beruhten Theorie wie Praxis der modernen Staatsverschuldung auf der Voraussetzung, daß sich in der Neuzeit eine politische und ebenso eine wirtschaftliche137 Eigenlogik entwickelt hatte, wie die Beiträge dieses Sammelbandes auch erweisen: Vor allem im 17. Jahrhundert läßt sich beobachten, wie mit einem prinzipiellen Übergang zur Zweckmäßigkeit138 auch die Bewertung der Staatsverschuldung immer technischer und mathematischer betrieben wurde, bis hin zu einem formalisierten Zeichensystem purer Rationalität, das Otto Neurath im Wiener Kreis erarbeitete.139 Die Staatsverschuldung unterlag einer umfassenden Technizierung, vor allem in den 1960er Jahren, wie der Essay von Georg Eckert zeigt: Der Staatsverschuldung den „Geruch der Leichtfertigkeit“ zu nehmen,140 wie es sich ein herausgehobener Beamter des deutschen Wirtschaftsministeriums im Mai 1968 vorgenommen hatte, bedeutete seinerzeit, von einer moralisch-politischen auf eine letztlich ökonometrische Argumentation zu wechseln. Die ethische Neutralisierung der Verschuldung erstreckt sich bis auf die öffentliche Haushaltsführung: So eröffnet die Einführung der kaufmännischen Rechnungsführung (Doppik) neuerdings die Möglichkeit einer Bilanzierung, in der Schulden nicht mehr allein die Ausgabensei-

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te des Haushaltes belasten, sondern als Passiva in eine Gesamtbilanz eingehen, denen Aktiva gegenübergestellt werden können: Auch schuldenbasierte Investitionen stellen dann ein Guthaben dar, anders als in der klassischen Kameralistik. Solche Änderungen spiegeln nicht nur einen Mentalitätswandel wider, sondern verändern die Argumentationsbasis. Insgesamt läßt sich beobachten, daß Debatten über die Staatsverschuldung und über ihr angemessenes Ausmaß immer mehr zu einem Expertenforum geworden sind, das in der Entstehung der modernen Statistik seit dem späten 17. Jahrhundert eröffnet worden war. Aus dem Scheitern des antizyklischen Konjunkturpolitik der sozialliberalen Koalition im Herbst des Jahres 1982, in der „auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts die Vorstellungen der SPD und auf der Einnahmenseite die Vorstellung der FDP“ dominiert habe,141 entwickelte ein kundiger Beamter des Finanzministeriums die Idee, künftig tue man besser an einer „an den Sachaufgaben“ orientierten Ausgabenpolitik.142 Der gestiegenen Komplexität entspricht im Übrigen auch eine kulturelle Verarbeitung, die den Schuldner zum Heros, den Schuldenkenner gar zum Bravado werden läßt – aus der Gefahr des Schuldgefängnisses ist im 19. und zumal im 20. Jahrhundert die banale Selbstverständlichkeit der Verschuldung geworden:143 Des Polonius Mahnung an seinen Sohn Laërtes in William Shakespeares „Hamlet“: „Neither a borrower nor a lender be“,144 hat sich erübrigt, sei es in Charles Baudelaires Erzählung vom verschuldeten Genie, das seine Schulden rafniert bedient,145 sei es in Kurt Tucholskys pointierter Schilderung der Nationalökonomie als „Metaphysik des Pokerspielers“.146 Just solche Narrative gewannen an Prol und Popularität, weil ihre Protagonisten sich umso stärker von einer entstehenden Massengesellschaft abhoben. Nicht umsonst hat Julius Landmann, der als Ökonom aus dem Kreise des Dichters Stefan George besonders auf einer Integration wirtschaftlicher Prozesse in gesellschaftliches Leben insistierte,147 für die moderne Staatsverschuldung eine zentrale Entwicklung ausgemacht: „Mit dem dauernden Anwachsen der Staats-, Provinzial- und Kommunalschulden wurde das kennzeichnende Merkmal des Jahrhunderts, die Massenhaftigkeit, auch für die Gestaltung des öff. Kredits maßgebend“.148 Nicht nur eine allgemeine Säkularisierung und Rationalisierung läßt sich an der Geschichte der Staatsverschuldung demonstrieren, sondern auch eine Individualisierung und Entpersonalisierung: Sie war und ist mit der Langfristigkeit und der Handelbarkeit der Schuldtitel eng verwoben. Die Staatsverschuldung löste sich zuerst von der Person des Schuldners, an dessen Stellen der Staat trat – und sie löste sich sodann von der Person des Gläubigers, an dessen Stelle ein anonymes Kollektiv trat. Die Entpersonalisierung der Staatsverschuldung verband

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sich mit der grundlegenden Entpersonalisierung des Wirtschaftsgeschehens, das „frühere enge Zusammengehören des personalen und des localen Elementes“ in der Geldwirtschaft hat sich in der Neuzeit beschleunigt aufgelöst.149 Diese Entwicklung resultierte wesentlich aus der Einführung des Buchgeldes, die mit der Staatsverschuldung so eng verbunden war, sowie aus der Handelbarkeit von Schuldverschreibungen an den internationalen Börsen. Ökonomische und politische Machtverlagerungen waren damit verbunden – zugunsten der Eigentümer großen, üssigen Kapitals. Georg Simmel hat den Kredit einmal als „Steigerung“ des Geldwesens bezeichnet,150 weil er Distanz zum materiellen Geld schaffe. Zudem erzeuge Geld, so meinte Simmel, „auf der einen Seite eines früher unbekanntes Unpersönlichkeit alles ökonomischen Thuns, andererseits eine ebenso gesteigerte Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Person“.151 Die Geschichte der Staatsverschuldung bestätigt diese Annahme – und erweist sich auch in diesem Falle als Knotenpunkt wesentlicher politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher, dogmengeschichtlicher, allgemein-philosophischer und kultureller Entwicklungsstränge.

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Thorsten Beigel Die Kosten der Demokratie: Finanzwesen und -nöte im klassischen Athen „Ich vertrete immer schon die Auffassung, daß die Verhältnisse in den Staaten so sind wie die Qualität ihrer Führer.“ Xenophon: Poroi 1.1

Was wie eine Variation des vielzitierten Bonmots klingt: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“,1 steht bereits am Beginn einer kleinen Schrift mit dem Titel „Über die Staatseinkünfte“, die vor fast 2400 Jahren von dem Athener Xenophon verfasst wurde. Der Sokrates-Schüler, Schriftsteller und Söldnerführer, von dem auch eines der ältesten Werke zur „Ökonomie“ – freilich noch im alten Sinne der Hauswirtschaft verstanden – stammt, setzt sich darin mit einem Grundproblem aller entwickelten Gemeinschaften auseinander, den Einkünften oder vielmehr: mit deren Steigerung zur Begleichung öffentlicher Kosten.2 Denn in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. plagten Athen wieder einmal akute Geldsorgen. Gerade hatte es den Abfall wichtiger Bundesgenossen und damit auch nanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Woher sollten künftig die Mittel für die nötigen und erst recht für die wünschenswerten Ausgaben kommen? Xenophons Antwort nimmt sich heute vor dem Hintergrund von Schuldenbremsen, Haushaltsdeziten und Rettungsschirmen verblüffend einfach aus: Man erhöhe die Einkünfte des Staates. Joseph Schumpeters Feststellung, daß sich in der Finanzgeschichte offenbare, „welches Geistes Kind ein Volk“ sei,3 gilt gewiß und gerade auch für die athenische Demokratie.4 Ihre politischen und gesellschaftlichen Eigenarten haben, ebenso wie die ökonomischen und historischen Rahmenbedingungen des fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr., ihren Niederschlag in der Art und Weise gefunden, wie sich der athenische Staat nanzierte und wie er seine Ressourcen organisierte. Die folgenden Ausführungen versuchen, die grundlegenden Entwicklungen und Charakteristika des athenischen Finanzwesens vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Ereignisse einerseits sowie des demokratischen Selbstverständnisses andererseits darzulegen und einzuordnen.5

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1. D D   F   A   J . C. Die Herausbildung der athenischen Demokratie im fünften Jahrhundert v. Chr. stellt ohne Zweifel eine der bemerkenswertesten und wirkmächtigsten Entwicklungen der europäischen Geschichte dar.6 Ein verschlungener Weg hatte die ursprünglich aristokratisch dominierte polis von den anfänglichen Reformen des Kleisthenes über die Radikalisierung unter Ephialtes hin zum ausgeformten demokratischen System unter Perikles und den Anpassungen im vierten Jahrhundert v. Chr. geführt. Dieser Wandel erforderte und bedingte nicht nur einen bis dato unbekannten Politisierungsgrad der Bürgerschaft sowie eine Umwälzung der politischen Strukturen. Auch und gerade das Feld der Staatsnanzen blieb davon nicht unberührt.7 Bis zum Ende der archaischen Zeit um 500 v. Chr. hatte vornehmlich der Adel als politisch führende Schicht die Verantwortung für die Finanzen getragen – sowohl für deren Bereitstellung wie auch für deren Verwaltung.8 Da die politischen Ämter in jener Zeit unbesoldet waren, bestritten ihre aristokratischen Inhaber die Lasten für sämtliche Auslagen und Aufwendungen aus dem Privatvermögen. Auch das notwendige Hilfspersonal stammte in der Regel aus ihren Haushalten. Außerordentliche Ausgaben, etwa für Infrastruktur oder Kriegsschiffe, wurden in Form von sogenannten Liturgien (leitourgiai) als Dienstleistungen und Sondersteuern ebenfalls anteilig von den Adeligen getragen. Dies entsprach dem Selbstverständnis nicht nur der athenischen, sondern der griechischen Aristokratie allgemein, demzufolge der Adel seine Ressourcen der polis zur Verfügung stellte und im Gegenzug neben politischer Macht auch soziales Prestige behauptete. Das Fehlen einer zentralen Kasse für den Staatshaushalt – überhaupt das Fehlen eines Staatshaushaltes im eigentlichen Sinne – machte eine zentrale Finanzbehörde mithin entbehrlich. Die adligen Amtsträger führten die jeweiligen Kassen durch ihr eigenes Hilfspersonal mehr oder weniger so, wie sie auch ihren eigenen Haushalt (oikos) betrieben. Eine wichtige Rolle spielten daneben lediglich noch die Tempel. Diese besaßen durch Abgaben, Spenden und sonstige Einkünfte, etwa durch Strafen, Pachteinnahmen aus Tempelbesitz sowie die zehnprozentigen Anteile aus der Kriegsbeute, ein teils erhebliches Vermögen in Form von Geld, Wertgegenständen und Land. Durch ihren Besitz und die für seine Verwaltung notwendigen Ämter konnten griechische Tempel somit auch als Banken für Privatpersonen wie für das Gemeinwesen fungieren. Überschüsse der Stadt konnten hier verwahrt und bei Bedarf abgezogen werden. Ferner bestand bei akuter Finanznot für die Stadt die Möglichkeit, Anleihen bei den Tempeln aufzunehmen, wobei der

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Zinssatz mitunter eher symbolischer Natur war – was dennoch nicht immer seine pünktliche Zahlung geschweige denn die Tilgung des Kredits garantierte.9 Somit hatten die Tempel faktisch die Funktion einer Staatsbank für Depositgelder wie für Staatsanleihen übernommen.10 Es verwundert daher auch kaum, wenn die ältesten Kassenbeamten als die sogenannten „Schatzmeister der Göttin [sc. Athena]“ und die „Schatzmeister der übrigen Götter“ rmierten.11 Der ab circa 508 v. Chr. mit den Reformen des Kleisthenes einsetzende Wandel vom aristokratisch dominierten Gemeinwesen hin zur demokratisch verfassten polis hatte gravierende Auswirkungen auf die innere Organisation Athens, so auch auf die Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Durch den Wegfall der adligen Vorherrschaft mußten die Funktionen, die bislang ausschließlich Aristokraten ausgeübt hatten, neu auf die Gesamtheit der Bürgerschaft verteilt werden.12 Die nanzpolitische Entscheidungsbefugnis und die Kontrolle über die Gelder oblagen nun der Volksversammlung (ekklesia) und dem Rat der Fünfhundert. Vor allem aber änderte sich – ebenfalls bedingt durch den sich etwa zeitgleich vollziehenden Aufstieg zur griechischen Großmacht neben Sparta – die Einnahmen– und Ausgabenstruktur, ja der nanzielle Handlungsrahmen Athens überhaupt.13 Besonders deutlich wird dieser Wandel am Beispiel des größten Ausgabenpostens der polis, den Aufwendungen für das Militär.14 War der Aufbau einer großen, kampfstarken Kriegsotte für die Perserkriege in der Mitte der 480er Jahre v. Chr. nach dem Vorschlag des Themistokles noch mit den Einkünften aus den neuentdeckten Silberminen im Laureion-Gebirge nanziert worden,15 verschlangen in der Folge Instandhaltung und fällige Neubauten ebenso wie die weiterhin nötige Infrastruktur beträchtliche Summen.16 Hinzu kamen die Kosten für Verpegung und Besoldung der Mannschaft, insbesondere der Ruderer. Da sich letztere vornehmlich aus der Gruppe der Theten rekrutierten, also der ärmsten Bevölkerungsschicht, konnte das bis dato für das Hoplitenheer geltende Prinzip der Selbstausrüstung und -verpegung nicht mehr angewandt werden. Die Kosten für den Bau einer Triere lassen sich nicht mehr sicher ermitteln,17 doch dürfte ein Talent (6.000 Drachmen) eine realistische Größenordnung darstellen.18 Ihre Ausrüstung und Instandhaltung ist mit einem weiteren Talent per anno zu veranschlagen. Hinzu kamen im Einsatzfall für die knapp 200 Mann Besatzung noch Sold und Verpegung in Höhe von mindestens 100 Drachmen pro Tag hinzu.19 Band also allein die Flotte schon in Friedenszeiten beträchtliche Mittel, so explodierten die Kosten im – durchaus nicht seltenen – Kriegsfall, umso mehr, als seit der Mitte des fünften Jahrhunderts auch Hopliten und Reiter einen Sold erhielten. Somit erforderten schon vergleichswei-

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se überschaubare Einsätze erhebliche Summen.20 Großangelegte Operationen schlugen leicht mit mehr als 1.000 Talenten zu Buche und konnten nur über Rücklagen oder über Kredite nanziert werden.21 Ein zweiter beträchtlicher Ausgabenposten war unmittelbar dem demokratischen Anspruch geschuldet, allen Bürgern ungeachetet ihres Vermögens die aktive Teilhabe am politischen Geschehen zu ermöglichen.22 Daher erhielten ab der Mitte des fünften Jahrhunderts, spätestens unter Perikles, zunächst Amtsträger und Ratsmitglieder für ihre Tätigkeit feste Diäten, später auch die 6.000 Geschworenenrichter (Heliasten), die jährlich für die Gerichtshöfe ausgelost wurden. Obwohl der Richtersold mit zwei beziehungsweise seit 425 v. Chr. mit drei Obolen lediglich das Existenzminimum abdeckte, mithin einer bloßen Aufwandsentschädigung vergleichbar war, und selbstverständlich nur für die tatsächlichen Sitzungstage gezahlt wurde, verursachte er wohl – zusammen mit dem etwas höheren Satz für Ratsmitglieder und Beamte – Kosten in einer Größenordnung von schätzungsweise 100 Talenten pro Jahr.23 Nach der Niederlage im Peloponnesischen Krieg wurde auch der Besuch der Volksversammlung mit zwei, bald darauf mit drei Obolen entlohnt; die daraus entstandenen Zahlungsverpichtungen lassen sich auf 40 Talente schätzen.24 Im vierten Jahrhundert v. Chr. gewannen schließlich die sogenannten Schaugelder (theorika) an Bedeutung, die zwei Obolen pro Tag betrugen und den ärmeren Bürgern den Besuch der großen, städtischen Festveranstaltungen ermöglichen sollten. Es verwundert daher kaum, daß sich die oligarchische Demokratiekritik vor allem am System der Diäten niederschlug.25 So wurde denn gerade der Heliastensold für die Geschworenenrichter, der das demokratische System in besonderer Weise versinnbildlichte,26 durch den kurzlebigen oligarchischen Umsturz des Jahres 411/410 v. Chr. beseitigt. Weitere bedeutende Posten der ordentlichen Staatsausgaben stellten die öffentlichen Arbeiten dar, insbesondere jene zur Schaffung oder Instandhaltung von Infrastruktur, wie etwa von Straßen, Wasserleitungen, Befestigungen, aber auch von Tempeln und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Desweiteren elen regelmäßig nicht unerhebliche Ausgaben für die zahlreichen religiösen Feste sowie den Betrieb der Sportstätten (Gymnasien) an. Alle anderen Ausgabenarten elen gegenüber diesen vier Etatposten deutlich weniger ins Gewicht. Zu den ordentlichen Einnahmen des athenischen Staates zählten hingegen zunächst Steuern sowie Einkünfte aus Zöllen, Verpachtungen und Straf- beziehungsweise Gerichtsgebühren.27 Auf eine regelmäßige direkte Besteuerung von Bürgern hat die athenische Demokratie indes bis ins die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. verzichtet, war eine solche Kopfsteuer doch mit der verhassten Tyrannis konnotiert. Jedoch hat-

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ten die Metöken, also die in Athen ansässigen Fremden, eine solche Steuer zu entrichten, das sogenannte metoikion, die einen jährlichen Ertrag von circa zwanzig Talenten einbrachte.28 Hinzu kamen noch verschiedene indirekte Steuern, die alle Einwohner der Stadt trafen. Durch seinen Aufstieg zu einer orierenden Handelsmetropole – begünstigt auch durch den Delisch-Attischen Seebund – konnte Athen zudem aus den Zöllen auf Waren, die im Handelshafen umgeschlagen wurden, erhebliche Einkünfte erzielen, ebenso durch die Verpachtungen der Silberminen im Laureion-Gebirge. Angesichts der oben skizzierten Ausgabenstruktur wäre es der Stadt jedoch unmöglich gewesen, ihren Haushalt allein auf dieser vergleichsweise schmalen Basis von Einkünften aufzubauen. Einen bedeutenden Teil ihrer Einnahmen generierte die Demokratie ausgerechnet mittels einer Einrichtung, die letztlich auf eine zutiefst aristokratische Grundhaltung zurückzuführen ist: die Liturgie (leitourgia). Ihr Wesen bestand darin, daß reiche Bürger kostspielige Aufgaben für die Gemeinschaft übernahmen und im Gegenzug ihr Sozialprestige und Ansehen in der Gemeinschaft bestätigt oder auch erhöht sahen.29 Ursprünglich eine freiwillige Leistung, nahm die Liturgie freilich schon im fünften Jahrhundert v. Chr. den Charakter einer Sondersteuer für die kleine Schicht der reichsten Athener an. Zu den wichtigsten staatlichen Aufgaben, die mittels Liturgien nanziert wurden, zählten beispielsweise die Ausrüstung eines Kriegsschiffes (Trierarchie), die mit Kosten von etwa einem Talent verbunden war, und die Ausstattung und Einübung von Chören für die Theaterwettbewerbe (Choregie). Zudem wurde in Notfällen die sogenannte eisphora, eine außerordentliche Vermögenssteuer für reiche Bürger wie für Metöken, erhoben.30 In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wandelte sich die eisphora sogar zu einer regelmäßig zu erbringenden Steuer. Somit nanzierte die Demokratie einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte durch die Beiträge einer verhältnismäßig kleinen Schicht reicher Bürger wie auch Metöken.31 Insgesamt nahm Athen in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. über die gerade beschriebenen Wege schätzungsweise 400 Talente per anno ein.32 Das Gros seines Gesamthaushaltes – circa 600 Talente – oß jedoch aus einer anderen Quelle, den Matrikelbeiträgen (phoroi) des Delisch-Attischen Seebundes, dessen Hegemon Athen war.33 Im Jahre 478/477 v. Chr. als Bündnis gegen das Perserreich gegründet, basierte er auf bilateralen Verträgen der jeweiligen Bundesgenossen mit Athen. Alle Bündnispartner hatten als Beitrag, gestaffelt nach ökonomischer Leistungsfähigkeit, entweder ein Flottenkontingent oder aber einen festgesetzten Geldbetrag beizusteuern. Da neben Athen nur noch wenige andere poleis willens oder in der Lage waren, Kriegsschiffe

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auszurüsten und zu bemannen, gingen in die zentrale Bundeskasse beträchtliche Summen ein. Verwaltet wurde diese Kasse von einem Schatzmeisterkollegium, den hellenotamiai. Zunächst auf der Insel Delos – Ort der Bundesversammlung und Heimat eines berühmten, auch in Geldgeschäften versierten Apollo-Heiligtums – angesiedelt, wurde die Kasse 454 v. Chr. nach Athen transferiert und somit de facto Teil des athenischen Staatsschatzes. Da bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges die tatsächlich notwendigen Ausgaben für militärische Aktionen unter der Summe der phoroi lagen, hatte sich bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges im Jahre 431 v. Chr. eine beträchtliche Finanzreserve auf der Akropolis gebildet. Zu einer einheitlichen Finanzverwaltung geschweige denn zu einer zentralen Budgetplanung hat die athenische Demokratie des fünften Jahrhunderts indes nicht gefunden. Vermutlich hätte das Amt eines Schatzmeisters oder gar „Finanzministers“ besonders dem Gedanken widersprochen, daß die Volksversammlung der unumschränkte Souverän sei.34 Vielmehr etablierte sich ein System verschiedener Kassen und Beamtenkollegien, das die Einnahme- und Ausgabeposten nach Maßgabe der Beschlüsse der Volksversammlung und unter der Aufsicht des Rates verwaltete:35 So waren die Poleten für die Eintreibung von Zöllen und Steuern zuständig, die Praktores zogen Strafgelder ein. Zusammen mit den phoroi gingen diese Gelder beim Kollegium der Apodekten ein, die sie wiederum an die Vorsteher der vier großen Kassen – die sogenannten Kolakreten, die hellenotamiai sowie die „Schatzmeister der Göttin (Athena)“ beziehungsweise die „Schatzmeister der anderen Götter“ – weiterleiteten. Von dort gingen die Gelder an die ausgebenden Behörden. Die geringere Efzienz dieses Systems nahm man in Kauf, um die gegenseitige Kontrolle zu erhalten und Machtmißbrauch zu vermeiden.

2. K  V  S Beim Ausbruch des Peloponnesischen Krieges im Jahre 431 v. Chr., so berichtet der Historiker Thukydides, habe Perikles seinen Mitbürgern noch einmal Mut für den bevorstehenden Waffengang gegen Sparta zugesprochen. Unter den Argumenten, die Thukydides in seinem Werk referiert, stehen noch vor dem Verweis auf die militärische Stärke Athens just die nanziellen Ressourcen der polis an erster Stelle:36 Jährlich kämen circa 600 Talente an Matrikelbeiträgen der Bundesgenossen in die Kasse der hellenotamiai, 6.000 Talente in Silbermünzen seien im Staatsschatz thesauriert worden, außerdem befänden sich allein im Parthenon-Tempel noch kostbare Weihgeschenke und sonstige Gegen-

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stände im Wert von mindestens 500 Talenten. Auch die übrigen Tempel verfügten über beträchtliche Mittel, und als eiserne Reserve könne man ohnehin immer noch auf den Goldbeschlag der Athena-Statue im Parthenon zurückgreifen, der aus 40 Talenten Goldes bestehe. Überhaupt würden militärische Siege, so läßt Thukydides den Staatsmann resümieren, zumeist durch kluge Einsicht und reichliche Geldmittel errungen. Die Passage ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich. Auch wenn Zahlenangaben antiker Historiker notorisch unzuverlässig und problembehaftet sind, so dürften die Angaben von Thukydides die nanzielle Situation des athenischen Staatshaushaltes doch zumindest grosso modo authentisch widerspiegeln.37 Das perikleische Athen war ob seiner politischen Macht als Hegemon des Delisch-Attischen Seebundes und seiner wirtschaftlichen Prosperität als Handelszentrum beim Ausbruch der Auseinandersetzung mit Sparta auf einem durchaus komfortablen nanziellen Polster gebettet. Begünstigend kam noch hinzu, daß in den Jahren vor 431 v. Chr. vergleichsweise wenige kostspielige militärische Operationen durchgeführt worden waren. Ohne die Aufwendungen für die Propyläen als architektonisches Denkmal athenischer Macht und die Kosten der Intervention in Poteidaia im Vorfeld des Krieges hätte der gesamte Staatsschatz laut Thukydides sogar fast 10.000 Talente betragen.38 Daß hinreichende Geldmittel eine elementare Voraussetzung für erfolgreiche Kriegsführung darstellten, war den Zeitgenossen von Thukydides und Perikles natürlich geläug. Kaum zufällig legte der Historiker dem Staatsmann auch in einer anderen Rede an seine Mitbürger einen Verweis auf die nanzielle Diskrepanz zu Sparta in den Mund.39 Weder Bürger noch Staat besäßen dort nennenswerte Geldmittel – ein Verweis auf das spartanische Eisengeld, mit dem sich Sparta absichtlich vom Zahlungsverkehr mit auswärtigen Staaten abschloß; folglich seien die Spartaner auch zu keinen längeren Kriegen fähig. Ihr Pendant ndet diese Einschätzung in der Warnung des spartanischen Königs Archidamos II. vor einer übereilten Kriegserklärung an Athen, da man mangels Staatsschatz und privater Ressourcen dem reichen Widersacher nicht standhalten könne.40 Ein Niederschlag der hier thematisierten spartanischen „Armut“ ndet sich in der Nachricht, die Lakedaimonier hätten sich einen kollektiven Fasttag auferlegt, um mit den eingesparten Aufwendungen den Samiern Hilfsgelder zukommen lassen zu können.41 Auch wenn bei den genannten Passagen rhetorische Übertreibung und anekdotische Verzerrung in Rechnung zu stellen sind, so zeigt doch schon der Vergleich mit den 1.200 (beziehungsweise nach einer anderen Quelle 1.400) Talenten, die Athen und sein Seebund für die zehnmonatige Belagerung von Samos im Jahre 440/439 v. Chr. aufbringen

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mußten, in welchen nanziellen Dimensionen sich antike Kriegsführung bewegen konnte. Athen war im Jahre 431 v. Chr. einerseits sicherlich gut für einen Krieg gerüstet, andererseits waren selbst die von Perikles angeführten Ressourcen angesichts der enormen Kosten, die allein eine einzige Kampagne mit sich bringen konnte, kein allzu komfortables Polster.42 Schließlich zeigt die von Thukydides überlieferte Auflistung des athenischen Staatsschatzes, daß die Vermögenswerte der Tempel ganz selbstverständlich in die Kalkulation einbezogen wurden. Angesichts der auch in anderen poleis gängigen Praxis, mehr oder weniger hohe Anleihen zu überaus günstigen Zinssätzen bei den eigenen Tempeln aufzunehmen, sowie eingedenk der Tatsache, daß die Bürgerschaft in faktischer Personalunion von Gläubiger und Schuldner über Zins und Tilgung zu entscheiden hatte, hatte dies zwar auch eine gewisse Berechtigung. Im strengen Sinne betrachtet kalkulierten die Athener jedoch bereits eine Staatsschuld in ihren Planungen mit ein, da sie de facto zumindest teilweise mit Ressourcen rechneten, die ihnen de iure nicht gehörten. Der Verlauf des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) brachte Athen denn auch an die Grenze seiner nanziellen Leistungsfähigkeit und darüber hinaus: Bezieht man die Tempelkredite in die Rechnung ein, muß wohl ein Staatsbankrott attestiert werden.43 Bereits am Ende der ersten Phase des Krieges, des sogenannten Archidamischen Krieges (431-421 v. Chr.), gingen die von Perikles so stolz präsentierten Reserven in dramatischer Eile zur Neige.44 Allein die im Jahre 432 v. Chr. begonnene Belagerung Poteidaias hatte bis zum Winter 430/429 v. Chr. nach Thukydides 2.000 Talente verbraucht.45 Bereits der Sold der zumindest zeitweilig hier eingesetzten 3.000 Hopliten betrug insgesamt ein Talent pro Tag.46 Insbesondere aber die aufwendigen Flottenoperationen und -patrouillen müssen enorme Summen verschlungen haben – laut Thukydides waren im Sommer des Jahres 428 v. Chr. schließlich 250 Schiffe im Einsatz.47 Gar nicht zu quantizieren, aber nicht zu vernachlässigen sind die kriegsbedingte Mindereinnahmen bei den ordentlichen Staatseinkünften wie Steuern, Zöllen et cetera. Gleichzeitig mußten reguläre Ausgabenposten wie die Besoldung von Richtern (deren Entlohnung auf Antrag des Demagogen Kleon 425 v. Chr. um fünfzig Prozent auf drei Obolen angehoben wurde) und Beamten weiterhin bedient werden. Von der nanziellen Anspannung Athens in jener ersten Kriegsphase zeugen auch einige uns überlieferte Maßnahmen zur Steigerung der Einkünfte. So wurden regelmäßig hohe Anleihen bei den „Tempelkasse der Athena und der anderen Götter“ aufgenommen – im Schnitt jährlich 600 bis 1.400 Talente.48 Schon im Jahre 428/427 v. Chr. war überdies eine eisphora vonnöten, nach Thukydides der erste Fall einer solchen Son-

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derabgabe in der athenischen Geschichte. Zugleich erhoben die Athener eine Sonderabgabe von den Mitgliedern des Delisch-Attischen Seebundes:49 „Da die Athener Geld für die Belagerung [sc. der Stadt Mytilene] benötigten, legten sie sich damals zum ersten Mal selbst eine Steuer auf in der Höhe von 200 Talenten, auch entsandten sie zwecks Eintreibung von Geld zu den Verbündeten zwölf Schiffe.“ Der Effekt war indes nicht nachhaltig. Bereits im Jahre 425 v. Chr. erhöhte Athen die Matrikelbeiträge für seine Bundesgenossen um das Doppelte oder sogar das Dreifache auf insgesamt mindestens 960 beziehungsweise 1.460 Talente jährlich.50 Angesichts dieser Zahlen mag der vorübergehende Friedensschluß im Jahre 421 v. Chr., der sogenannte Nikias-Frieden, nicht nur dem militärischen Patt sowie dem Tod der beiden „Falken“ auf spartanischer und athenischer Seite, Brasidas und Kleon, geschuldet gewesen sein. Vermutlich dürfte auch die nanzielle Belastung, zumindest auf athenischer Seite, die Bereitschaft zu einer Verschnaufpause befördert haben.51 Schon wenige Jahre später wagten die Athener mit der Sizilischen Expedition (415-413 v. Chr.) ein ebenso ambitioniertes wie riskantes Unternehmen. Nach Thukydides waren neben politischen und strategischen Überlegungen nicht zuletzt auch die Aussicht auf reiche Beute wichtige Beweggründe für das Votum der Volksversammlung gewesen.52 Die Expedition geriet aber nicht nur zu einem militärischen Desaster, weil das Expeditionsheer des Seebundes mit 4.000 Hopliten und 100 Schiffen allein aus Athen53 in Gefangenschaft geriet oder vernichtet wurde, sondern brachte zudem statt der erhofften Beute lediglich Kosten von schätzungsweise 3.000 Talenten ein.54 Thukydides schildert die Reaktion auf die Kunde von der Katastrophe in düsteren Worten:55 „Da sie außerdem in den Werften nicht genug Schiffe sahen, kein Geld in der Staatskasse und keine Mannschaften für die Schiffe, gaben sie alle Hoffnung auf.“ Der Schock über die Niederlage währte gleichwohl nicht allzu lange. Alsbald spannte man wieder alle Kräfte an, mobilisierte neue Ressourcen und beschnitt sogar die Befugnisse der Volksversammlung durch die Einsetzung eines vorberatenden Gremiums, der sogenannten Probouleuten.56 Die zwischenzeitlich wiederaufgeammten Kriegshandlungen mit Sparta nach dem Bruch des Nikias-Friedens im sogenannten Dekeleischen Krieg (414-404 v. Chr.) verschärften die Kassenlage jedoch weiter. Statt Attika mit jährlichen Einfällen heimzusuchen, besetzten und befestigten die Spartaner im Jahr 413 v. Chr. die Siedlung Dekeleia im Norden der Halbinsel – ein Plan, der pikanterweise auf den athenischen Exulanten Alkibiades zurückging und insbesondere auf die wirtschaftli-

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che Schädigung Athens abzielte, wie Thukydides berichtet:57 „Alles, womit das Land ausgestattet ist, wird euch [sc. den Spartanern] zum Großteil zukommen, sei es durch Raub, sei es von selbst. Die Einkünfte der Silberbergwerke im Laureion und die Nutznießung aus dem Land und dem Gerichtswesen werden sie sofort verlieren, vor allem aber werden die Abgaben der Bundesgenossen in geringerem Maße hereinkommen; denn wenn diese merken, dass von eurer Seite endlich der Krieg mit Nachdruck betrieben wird, so werden sie in ihrer Picht nachlässiger sein.“ Die solcherart militärisch wie ökonomisch in Bedrängnis geratene Demokratie wurde von einem – allerdings kurzlebigen – oligarchischen Regime der „Vierhundert“ beziehungsweise der „Fünftausend“ abgelöst (411/410 v. Chr.). Zu seinen Maßnahmen gehörten neben einer Verfassungsänderung, die das politische Mitwirkungsrecht auf die fünftausend reichsten Bürger beschränkte und die Besoldung der Ämter abschaffte, offenkundig auch skalische Reformen,58 die zumindest vorübergehend eine gewisse Entspannung der Finanzlage brachten:59 Eine Inschrift aus dem Jahre 410/409 v. Chr. verzeichnet einen Volksbeschluß zur Tilgung von Tempelanleihen.60 Das oligarchische Intermezzo wurde durch den Widerstand der überwiegend aus der untersten Zensusklasse der Theten bemannten Flotte beendet, die sowohl politisch als auch ökonomisch die Verlierer des Regimes gewesen waren. An der prekären Finanzlage änderte dies indes nichts – im Gegenteil: Bereits im Jahre 409/408 v. Chr. mußte Athen wieder Tempelanleihen aufnehmen,61 und im Jahre 407/406 v. Chr. wurde der Gold- und Silberschmuck aus dem Parthenon sowie aus dem Athena-Nike-Tempel eingeschmolzen und ausgemünzt.62 Als kriegsentscheidend sollte sich jedoch letztlich das persische Gold erweisen, um das Athen wie auch Sparta – zu Beginn des fünften Jahrhunderts v. Chr. noch Vorkämpfer gegen die Perser – angesichts ihrer knappen Ressourcen nunmehr zu konkurrieren begannen. Sparta, Siegerin in diesem Wettstreit, gewann bekanntermaßen auch den Peloponnesischen Krieg. Geld, genauer: eine Anleihe, spielte auch im Nachgang des Krieges eine Rolle. Im Jahre 404 v. Chr. gelangte nach der Kapitulation in Athen das oligarchische Regime der „Dreißig“ an die Macht, das sich alsbald von der demokratischen Opposition in einen Bürgerkrieg verwickelt sah. Zur Anwerbung von Söldnern ersuchten die „Dreißig“ in Sparta um Geld und erhielten eine Anleihe von einhundert Talenten.63 Diese konnten zwar die oligarchische Niederlage und die Restitution der Demokratie im Jahre 403 v. Chr. nicht verhindern, bemerkenswerterweise stand jedoch die Gesamtbürgerschaft über eine Vermögensabgabe für deren Rückzahlung ein. Die Demokratie tilgte also die Schulden der Oligarchie.64

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3. Z B  R: D  S  4. J . C. Athen sollte sich erstaunlich schnell von der schlimmsten Niederlage seiner Geschichte erholen – auch der Unfähigkeit Spartas geschuldet, seine Hegemonialstellung in Griechenland zu behaupten. Markantes Zeichen wiedergewonnener äußerer Stärke war die Gründung des Zweiten Attischen Seebundes im Jahre 378/377 v. Chr., der mit strukturellen Änderungen an die Stelle des 404 v. Chr. aufgelösten Delisch-Attischen Seebundes trat. Die Matrikelbeiträge dieses Bündnisses, die nun nicht mehr phoroi („Abgaben“) sondern syntaxeis („Beiträge“) hießen, erreichten zwar nicht den Umfang der Vorgängerinstitution, bildeten aber gleichwohl einen wichtigen Posten im athenischen Staatshaushalt. Auch hinsichtlich ihrer inneren Struktur unterschied sich die im Jahre 403 v. Chr. wiederhergestellte Demokratie deutlich von der radikalen Demokratie des fünften Jahrhunderts, die durch den verlorenen Krieg in nanzieller und politischer Hinsicht einigen Kredit eingebüßt hatte. Unter dem vieldeutigen Schlagwort der patrios politeia 65 etablierte sich ein System, das einerseits die grundlegenden Errungenschaften der perikleischen Zeit beizubehalten, andererseits den – vermeintlichen oder tatsächlichen – Deziten einer allzu schrankenlos praktizierten Volkssouveränität durch verschiedene Sicherungsmaßnahmen zu begegnen suchte. Auch und gerade in der Organisation der Staatsnanzen haben sich diese beiden Bestrebungen niedergeschlagen.66 So hielten die Athener am demokratischen Kerngedanken fest, allen Bürgern ohne Ansehen ihres Vermögens die Teilhabe am Gemeinwesen zu ermöglichen. Durch die Einführung und die Erhöhung der Diäten für die Volksversammlung sowie durch die Schaugelder (theorika) für den Besuch der großen städtischen Feste steigerte sich der hierfür betriebene nanzielle Aufwand sogar nochmals beträchtlich.67 Allerdings büßte die Volksversammlung dafür zugunsten einer zentralen Finanzplanung und -verwaltung einige ihrer vormals fast unbeschränkten Kompetenzen ein. Einmal mehr zeigt sich hier, wie öffentliche Finanzen und Staatsverschuldung stets einen präzisen Indikator politischer Machtverlagerungen darstellen: Der Geist des Staates hatte sich verändert. Die ordentlichen Einnahmen aus metoikion, Zöllen, Verpachtungen et cetera wurden zwar weiterhin über die Poleten und Praktoren den Apodekten zugeführt, dann jedoch nicht mehr wie früher über die Kolakreten und unter Mitwirkung der Volksversammlung an die jeweiligen Behörden ausgegeben, sondern vielmehr direkt nach einem festen Verteilungsschlüssel (merismos) ausgezahlt, der nach Maßgabe von Apodekten und Rat beschlossen wurde. Bei diesen Zuweisungen orientierte

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man sich an Erfahrungswerten der von den einzelnen Stellen benötigten Summen. Der Vorteil dieses Systems, das gewisse Züge moderner Etatisierung aufweist, lag an seiner größeren Übersichtlichkeit und besseren Planbarkeit. Gerade bei Routineangelegenheiten konnte es für eine Entlastung des politischen Betriebs sorgen.68 Dennoch stellte es im Kontrast zum Procedere des fünften Jahrhunderts v. Chr. eine Aufwertung der Rolle des Rates und der involvierten Behörden dar, wohingegen der Einuß der ekklesia auf die konkrete Ausgestaltung des Budgets zurückging. Entsprechend geringer fällt denn auch die Anzahl überlieferter Dekrete über Finanzfragen aus. Gewissermaßen als Ausgleich verfügte die Volksversammlung jedoch nun auch über eine eigene Kasse mit einem Budget von zehn Talenten, über das sie freie Verfügungsgewalt hatte.69 Obwohl die syntaxeis in ihrem Umfang nicht an die phoroi des DelischAttischen Seebundes heranreichten, brachten der Austritt wichtiger Bundesgenossen aus dem Zweiten Attischen Seebund im Jahre 357 v. Chr. und das Scheitern ihrer gewaltsamen Rückführung im sogenannten Bundesgenossenkrieg (357-355 v. Chr.) Athen an den Rande eines Staatsbankrotts. Nach Demosthenes waren die Einnahmen nach dem Krieg auf 130 Talente gesunken – das entsprach etwa den Ausgaben allein für die grundlegenden Institutionen der Demokratie, das heißt für Volksversammlung, Rat und Geschworenengerichte.70 Zwischenzeitlich mußten offenkundig sogar Prozesse ausfallen, da die Geschworenenrichter nicht mehr besoldet werden konnten.71 Es ist daher kein Zufall, daß sich gleich mehrere Werke aus den 350er Jahren v. Chr. dem Thema der Staatsnanzen widmeten. Während der Redner Isokrates zu einem Verzicht auf imperiales Hegemoniestreben aufforderte und eine Verfassungsänderung anmahnte, die sich an der alten, „solonischen“ Verfassung orientieren sollte,72 diskutierte Xenophon in seiner eingangs zitierten Schrift über die Staatseinkünfte („Poroi“) die Möglichkeiten, die Einnahmen aus Zöllen, Verpachtungen und dergleichen zu steigern. Entscheidenden Anteil an der Überwindung der Krise hatten indes nicht die Philosophen und Theoretiker, sondern Politiker und Praktiker wie der Finanzexperte Eubulos, der in den Jahren von 355 bis 342 v. Chr. zu den einußreichsten Gestalten der athenischen Politik gehörte.73 Als langjähriger Vorsteher der Theorikon-Kasse, also jener Kasse, die die Schaugelder (theorika) verwaltete, gelang ihm eine weitgehende Konsolidierung der Staatsnanzen. Sie ging mit einer bis dato unbekannten Zentralisierung der Finanzverwaltung einher, die eigentlich im Widerspruch zur reinen Lehre der Demokratie stand.74 So kritisierte der Redner Aischines, daß die Vorsteher der zentralen Kassen durch die

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Vielzahl ihrer akkumulierten Zuständigkeiten fast die gesamte Administration der Stadt kontrollierten.75 Eubulos hatte indes Erfolg: Die städtischen Einnahmen stiegen unter seiner Ägide von 130 Talenten auf 400 Talente jährlich, also etwa auf den Stand in perikleischer Zeit.76 Neben den aus dem merismos zugeteilten Summen zur Finanzierung der Schaugelder ossen auch die Überschüsse anderer Kassen in das theorikon, das somit neben der Kriegskasse (ta stratiotika) zur zentralen Kasse Athens aufstieg. Um die Gelder gegen Begehrlichkeiten anderer – etwa zur Verwendung ambitionierter militärischer Unternehmungen – abzusichern, brachte er einen Beschluß durch, der schon das Einbringen entsprechender Anträge unter Strafe stellte.77 Seine vorsichtige, auf Konsolidierung ausgerichtete Politik brachte Eubulos einerseits zwar in Konikt mit jenen, die ein energisches Vorgehen gegen das aufstrebende makedonische Königreich unter seinem ambitionierten König Philipp II. forderten. Namentlich der Redner Demosthenes prolierte sich in jener Zeit als wortgewaltiger Vertreter der „Falken“. Andererseits konnte sich die „Taube“ Eubulos eines breiten Rückhaltes verschiedener Bevölkerungsschichten erfreuen. Während die Ärmeren, die aus Schaugeldern, Diäten und Richtersold einen substantiellen Teil ihres Einkommens beziehen konnten, an einer gut gefüllten theorikon-Kasse interessiert waren, protierte zugleich auch die kleine Gruppe der Reichen von der gemäßigten Ausgabenpolitik, stellten die ordentlichen und außerordentlichen Vermögensabgaben doch eine zunehmend spürbare Belastung dar. So verlor die eisphora im Jahre 347/346 v. Chr. ihren Charakter als außerordentliche Kriegssteuer und wurde seither als regelmäßige Steuer von den circa 1.200 reichsten Bürgern und Metöken jährlich nach einem von der Volksversammlung beschlossenen Satz erhoben. Dabei war im Rahmen einer Vorveranlagung (proeisphora) zunächst der fällige Gesamtbetrag von den 300 reichsten Bürger zu entrichten, die danach den Restbetrag von den übrigen Steuerpichtigen eintreiben mußten.78 Die proeisphora kann somit als eine Art kurfristige, unverzinste Zwangsanleihe des Staates betrachtet werden; das Risiko des Zahlungsausfalles wurde dabei auf die kleine Gruppe der Vorauszahler abgewälzt. Der „schlanke“ Staat lagerte seine Aufgaben gleichsam aus und verminderte so seine Organisationskosten – Staatsschulden trug nicht der Staat selbst. Neben der eisphora hatten die Reichen auch noch die verschiedenen Liturgien zu leisten.79 Zwar brachten die Liturgien eine immaterielle Rendite in Form von Anerkennung und Prestige ein – nicht zufällig stand am Beginn der politischen Karriere des Demosthenes eine erfolgreiche choregie – doch lassen einige Zeugnisse erahnen, daß das System mitunter erhebliche Belastungen mit sich brachte.80 So waren schon En-

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de des fünften Jahrhunderts v. Chr. geteilte Trierarchien, sogenannte Syntrierarchien, eingeführt worden.81 Das Beispiel des Trierarchen Apollodoros zeugt gleichwohl von den Schwierigkeiten und Risiken einer solchen Liturgie. Da sein Nachfolger nicht zur Ablösung erschien und der zuständige Stratege keine regelmäßigen Soldzahlungen an die Mannschaft leisten konnte, war Apollodoros gezwungen, seine Liturgie fast ein halbes Jahr länger als geplant zu leisten und überdies den Sold für die Mannschaft aus eigenen Mitteln zu bestreiten.82 Da ferner unter den 1.200 Liturgiepichtigen eine Reihe von Personen waren, die aufgrund persönlicher Umstände nicht zu einer Übernahme herangezogen werden konnten (Witwen et cetera), schlug etwa Demosthenes vor, den Kreis auf 2.000 Liturgiepichtige zu erweitern, um so die nötige Zahl von 1.200 sicher zu erreichen.83 Dennoch rüttelte man nicht am System der Liturgien – man hätte es auch nicht gekonnt, ohne die Finanzen des Staates augenblicklich zu ruinieren. Auch das damit verbundene Prestige war durchaus noch in den schwierigen Phasen der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts ein wirksamer Anreiz, wie die Rede des Demosthenes „Über den trierarchischen Kranz“ zeigt, mit der der Redner um den Ehrenkranz kämpfte, der denjenigen Trierarchen zuerkannt wurde, deren Schiffe als erste seeklar waren. Der Wettstreit um Ehre und das materielle Engagement für die polis – zwei zutiefst aristokratische Prinzipien – waren für das Funktionieren der athenischen Demokratie aber unabdingbar geworden. Dem erstarkten makedonischen Königreich Philipps II. und seines Sohnes Alexanders III., der später als „der Große“ in die Geschichte eingehen sollte, hatte die klassische athenische Demokratie jedoch nicht genügend Ressourcen entgegenzusetzen. Nach der entscheidenden Niederlage in der Schlacht von Chaironeia im Jahre 338 v. Chr. gelang es Lykurg zwar, einen Kollaps des Staates zu verhindern – nicht zufällig abermals ein Finanzmagistrat, der zwölf Jahre lang die neue Zentralkasse leitete.84 Doch änderte dies eben nichts an den gewandelten politischen, militärischen und eben auch nanziellen Rahmenbedingungen, die das goldene Zeitalter der poleis beendeten.

4. Ö K    W Obwohl sich die athenische Demokratie aufgrund der vergleichsweise guten Quellenlage für eine Untersuchung der Staatsnanzen besonders eignet, darf ihre Sonderstellung im Rahmen der griechischen Staatenwelt nicht übersehen werden. Aufgrund ihrer Größe sowie ihrer politischen, militärischen und eben nicht zuletzt auch ökonomischen Macht

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befand sich diese spezielle polis in einer besonders komfortablen Lage. Gleichwohl können doch einige der oben skizzierten Eigenheiten und Entwicklungen mutatis mutandis auf andere poleis übertragen werden – und geben somit Aufschluß über die Spezika des öffentlichen Kredits in der griechischen Welt.85 Zunächst ist festzuhalten, daß der öffentliche Kredit in seiner reinen Form als Staatsanleihe eine Ausnahmeerscheinung, zudem eine vergleichsweise späte, darstellte. Hauptgrund hierfür dürften weniger nanztechnische Limitierungen gewesen sein, weil für den privaten Bereich durchaus ein für antike Verhältnisse respektables Kreditwesen existierte, als vielmehr die mangelnde Sicherheit – oder anders gewendet: das erhebliche Risiko des Gläubigers, das sich wiederum in hohen Zinssätzen für die Schuldner niederschlug. Daher suchten die Staaten zunächst eigene Geldquellen zu generieren beziehungsweise deren Fluß zu erhöhen. Neben Zöllen, Steuern und Strafzahlungen spielten die Verpachtung von städtischem Besitz und von Monopolen sowie die Ausbeutung von Bodenschätzen und sonstigen natürlichen Ressourcen eine wichtige Rolle. Ein typischen Beispiel für diese Mentalität stellt die schon erwähnte Schrift Xenophons dar. Besonders kostspielige Aufgaben wurden von wohlhabenden Bürgern oder auch von Fremden übernommen, deren Einsatz durch soziales Prestige und Dankbarkeit der Gemeinschaft vergolten wurde. Dieser sogenannte Euergetismus (wörtlich: Wohltätertum) gehört zu den fundamentalen Prinzipien antiker Gesellschaften. Die Verbindung von öffentlicher Schuld und Euergetismus wird auch ex negativo bestätigt: Als die polis Oreos dem Redner Demosthenes den vereinbarten Lohn von einem Talent nicht zahlen konnte, bot sie ihm statt dessen die Errichtung einer bronzenen Ehrenstatue in Oreos an, die Demosthenes als Wohltäter feiern sollte – der berühmte Redner bestand jedoch auf der Begleichung seiner Forderung mit dem Hinweis, er bedürfe einer solchen Statue nicht.86 Vermutlich war ihm die Ehrung in einer solch unbedeutenden polis weniger wert als der doch erkleckliche Geldbetrag. Den Bürgern von Oreos blieb schließlich nichts anderes übrig, als die Schuld in ein Darlehen umzuwandeln, das mit zwölf Prozent jährlich verzinst wurde. Auch in Notsituationen suchte man sich eher mit eigenen Mitteln zu behelfen, sei es durch die Veräußerung von Staatsvermögen (mitunter verbunden durch die Option eines Rückkaufs), sei es durch die mehr oder weniger freiwillige Heranziehung vermögender Bürger. Einen interessanten, wenn auch aus heutiger Sicht bisweilen skurril anmutenden Einblick in solche Notfälle – zumeist militärisch, bisweilen auch durch Versorgungsschwierigkeiten bedingt – bietet eine Sammlung von

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Beispielen im zweiten Buch der (pseudo-)aristotelischen „Oikonomika“. So verzichteten beispielsweise die Einwohner der Stadt Mende auf eine regelmäßige Besteuerung von Land- und Hausbesitz, dessen Eigentümer gleichwohl einer exakten Registrierung unterlagen. Im Falle akuten Geldbedarfs konnte so die Bürgerschaft eine außerordentliche Grundbesitzsteuer beschließen, deren Umfang und Ertrag sich recht genau abschätzen ließ.87 Während dieses Vorgehen noch demokratisch legitimiert war, zeigen andere Beispiele, daß akute Schuldenkrisen durchaus auch mehr oder weniger gewaltsam bewältigt werden konnten:88 „In einem Bürgerkrieg in Kyzikos hatte das Volk [die demokratische Partei] die Oberhand gewonnen und die Reichen [die Oligarchen] waren gefangen genommen worden. Als man den Soldaten [Söldnern] Geld schuldete, beschlossen sie in der Volksversammlung, die Gefangenen nicht umzubringen, sondern sie sich freikaufen zu lassen und in die Verbannung zu schicken.“ In einem weiteren Sinne sind Anleihen – und damit auch Staatsverschuldung – aber durchaus schon in klassischer Zeit zu nden, wenn auch oftmals in verdeckter Form. So können zwischenstaatliche Hilfsleistungen und Subsidienzahlungen durchaus dann als kollektive Verschuldung verstanden werden, wenn im Gegenzug eine Gegenleistung politischer, militärischer oder sonstiger Art vereinbart oder erwartet wurde. Das persische Gold, das den Peloponnesischen Krieg zugunsten Spartas entschied, war durch weitreichende Zugeständnisse an den Großkönig erkauft: Zugeständnisse, die freilich nicht allein von Sparta, sondern auch von anderen griechischen Staaten zu leisten waren, doch waren derartige Externalisierungen von Schulden durchaus üblich. Auch die mehr oder weniger erzwungenen phoroi, mit denen Athen auf Kosten seiner Bündner den Peloponnesischen Krieg zu einem großen Teil nanzierte, fallen in diese Kategorie. Eine anderer Art der Staatsverschuldung erfolgte in Zwangsanleihen. Die athenische proeisphora hatte einen solchen Effekt, bildete sich doch ein kurzfristige, unverzinsliche Zwangsanleihe für die Reichsten. Ausgeprägt ndet sich dieses Instrument in der bereits angeführten Beispielsammlung der „Oikonomika“, so zum Beispiel im Falle der polis Mende:89 „Als sie Krieg gegen die Olynthier führten, und es ihnen an Geld fehlte, sie aber (viele) Sklaven hatten, da faßten sie in der Volksversammlung den Beschluß, jeder Bürger solle nur eine Sklavin und einen Sklaven behalten, die übrigen aber an die Stadt abliefern, wie wenn Privatleute auf Zinsen Geld ausleihen.“ Einen nanztechnisch deutlich anspruchsvolleren Weg wählte hingegen die kleinasiatische Stadt Klazomenai: Um ihre Schulden in Höhe von zwanzig Talenten für ein Söldnerheer abzutragen, prägte die polis Eisengeld im gleichen Nennwert aus,

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das sie bei den reichsten Bürger gegen Silbergeld eintauschte und damit die Soldaten bezahlte. Danach tauschte sie sukzessive das Eisengeld wieder gegen reguläres Silbergeld zurück.90 Tempel-Anleihen waren, wie schon gesehen, ein gängiges Finanzierungsinstrument. Auch wenn sie wie im Falle Athens ohne weiteres zum Staatsschatz gezählt werden konnten, ihr Zinssatz teils nur ein Zehntel des Marktzinses beitrug sowie Schuldner und Gläubiger de facto identisch waren, so zeigen doch beispielsweise die Bemühungen der Athener, die Gelder nach Möglichkeit zu tilgen, daß zumindest am Grundgedanken einer Anleihe festgehalten wurde. Neben den Anleihen bei Tempeln der eigenen Stadt bestand ferner auch die Möglichkeit, bei auswärtigen Tempeln Gelder aufzunehmen. Die Finanzkraft der großen, überregional bedeutenden Heiligtümer war dabei beträchtlich: Als sich die Phoker im sogenannten 3. Heiligen Krieg (356-346 v. Chr.) des Tempelschatzes von Delphi zur Finanzierung des Krieges bemächtigten, elen ihnen über 10.000 Talente in die Hände.91 Schon Perikles rechnete bei Ausbruch des Peloponnesischen Krieges daher damit, daß Sparta und seine Bundesgenossen bei dem Heiligtum von Delphi Kredite aufnehmen könnten.92 Das Apollon-Heiligtum auf Delos verlieh Gelder nicht nur an Privatleute, sondern eben auch an auswärtige Staaten.93 Aufgrund des hohen Ausfallrisikos für die Gläubiger – sofern keine politisch-militärische Macht hinter dem Tempel stand, hatte er wenig Mittel zur Verfügung, um die Summen zwangsweise einzutreiben – verlangten sie in der Regel allerdings hohe Zinsen und Sicherheitsleistungen, was die Attraktivität der Kredite für Staaten minderte. Schließlich existierten durchaus auch Kreditformen, die modernen Staatsanleihen recht ähnlich waren. Gläubiger konnten dabei sowohl andere Staaten oder auch reiche Privatleute sein. Das Darlehen, das die „Dreißig“ im Jahre 404/403 v. Chr. von den Spartanern erhielten, ist wohl der früheste uns bekannte Fall. Eine fragmentarisch erhaltene Inschrift aus dem Jahre 340/339 v. Chr. beinhaltet weiterhin einen Beschluß der Athener, der die Rückzahlung eines Darlehens an die Insel Tenedos für das folgende Jahr sicherstellen soll.94 Offenbar hatte Athen, das zu dem Zeitpunkt einmal mehr in eine militärische Auseinandersetzung mit Philipp II. verwickelt war, also eine nicht unbeträchtliche Summe Geldes von Tenedos erhalten. Die Masse der Belege stammt jedoch erst aus dem zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr., aber selbst in dieser Zeit blieben Staatsanleihen eine eher randständige Form des öffentlichen Kredits. Die wesentliche Ursache hierfür war offenkundig die hohe Unsicherheit, weil die Gläubiger nicht über hinreichende Zwangsmittel verfügten.95 Überdies hatten solche Anleihen eine kurze kurze Laufzeit, oftmals nur ein Jahr. Schließlich waren – bei Zinssätzen von typischer-

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weise zwölf Prozent per anno – die Kosten im Vergleich zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten vergleichsweise hoch.96 Als Sicherheit stellten die Staaten oftmals sogar Bürgen, die mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Gemeinschaft hafteten.97 „Kredit“ im doppelten Wortsinne genoß also der Privatmann in höherem Maße als der Staat. So füllte Lykurg, vermutlich im Jahre 338/337 v. Chr., den Staatsschatz um 250 (nach einer anderen Version gar um 650) Talente auf, indem er sich von seinen Mitbürgern ein persönliches Darlehen geben ließ.98 Diese vertrauten dem konkreten Beamten offenkundig mehr als dem abstrakten Staat. Entsprechend betonte auch Demosthenes, daß neben dem Reichtum die Vertrauenswürdigkeit zu den wichtigsten Gütern eines Staates gehöre.99 Im Gegensatz zum zunehmend entpersonalisierten öffentlichen Kredit moderner Staaten waren Staatsschulden in der Antike in hohem Maße personengebunden, das heißt personal. Dies mag auch ein Grund dafür sein, daß eine strukturelle, fortdauernde Staatsverschuldung, wie sie die Neuzeit kennt, nicht bestand. Sie ist vielmehr erst mit und durch den modernen Staat geboren worden.

5. R „Ungeachtet aller Einkünfte und Hülfsquellen gerieth Athen wie andere Hellenische Staaten oft wegen kleiner Bedürfnisse in die drückendste Verlegenheit, weil man übel berechnete, und das Vorhandene selten zu Rathe gehalten wurde“, so urteilte August Boeckh am Beginn des 19. Jahrhunderts wenig schmeichelhaft in seinem Werk über „Die Staatshaushaltung der Athener“.100 Angesichts der hier angeführten Beispiele nanzieller Kalamitäten mag man zunächst versucht sein, dieser Einschätzung zuzustimmen. Dies hieße jedoch, grundlegende Aspekte und Eigenarten antiken Finanzwesens im allgemeinen und der athenischen Demokratie im besonderen außer acht zu lassen. Die Abneigung gegen eine zentralisierte Finanzverwaltung, die hohen Ausgaben für die Diäten und das aus unserer heutigen Sicht ungewöhnlich anmutende System der Liturgien sind keineswegs Zeichen mangelnder Rationalität oder fehlenden Organisationsvermögens. Sie waren vielmehr direkter Ausdruck demokratischer Prinzipien – allen voran: Souveränität der Volksversammlung, Möglichkeit der Partizipation für alle Bürger – und somit konstitutiv für das Selbstverständnis des Gemeinwesens. So hat der Redner Demades etwa den Heliastensold einmal sehr treffend als „Kitt der Demokratie“ bezeichnet.101 Auch die Liturgien gehörten, allen Klagen zum Trotz, zum unantastbaren Kernbestand des athe-

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nischen Gemeinwesens – nicht nur die für die äußere Sicherheit elementare Trierarchie, sondern auch und gerade die für das soziale Leben relevanten Choregien und Gymnasiarchien. Sarkastisch bemerkte Demosthenes in seiner ersten Rede gegen Philipp II. hierzu, daß man sich um die militärischen Erfolg gegen Makedonien keine Sorgen machen müßte, betriebe man die Rüstungen nur mit dem gleichen Aufwand und Eifer wie die Durchführung der jährlichen Theaterfeste.102 Gleichwohl zeugen gerade die Reformen des vierten Jahrhunderts v. Chr. von der Fähigkeit und vom Willen der Bürgerschaft, Veränderungen vorzunehmen, selbst wenn diese, wie etwa die Zentralisierung der Finanzverwaltung, im Widerspruch zur reinen demokratischen Lehre standen. Schließlich hingen Schuldenkrisen, auch dies zeigen die vorgebrachten Beispiele, zumeist mit externen Faktoren – Expansionsbestrebugen anderer Staaten, außenpolitische Veränderungen et cetera – zusammen, die nur bedingt von einer einzelnen polis abgeschätzt und beeinußt werden konnten. Zudem führte die inhärente Konkurrenz um Vorherrschaft oder auch nur Selbstständigkeit innerhalb der zersplitterten griechischen Staatenwelt der klassischen Zeit zu einem permanenten Druck auf die einzelnen Städte, ihr militärisches Potential auf einem möglichst hohen Niveau zu halten: „Im Gegeneinander der Poleis konnte dauerhaft erfolgreich nur sein, wer eine hohe Sollstärke seiner Truppen und vor allem seiner Flotte durch die Verfügung über entsprechende Geldzufuhr langfristig sicherstellen konnte“.103 Es darf jedoch auch nicht vergessen werden, daß die Kosten der athenischen Demokratie zu einem großen Teil externalisiert wurden.104 Im Inneren entschied die Mehrheit der Ärmeren über die nanziellen Leistungen, die eine reiche Minderheit nolens volens leisten mußte, und nach Außen hin luden die Athener einen Großteil des Finanzbedarfs auf den Schultern ihrer Bundesgenossen ab. Die phoroi des ersten Delisch-Attischen Seebundes beziehungsweise die syntaxeis des Zweiten Attischen Seebundes waren für das Funktionieren der Demokratie fast unentbehrlich. Dies erklärt auch das harte Eingreifen Athen im Falle eines Austrittsversuches aus den Seebünden. So demokratisch Athen im Innern organisiert war, so tyrannisch konnte es auch nach außen hin auftreten – eine Erkenntnis, die schon der Historiker Thukydides in einer Rede an die Volksversammlung den Politiker Perikles aussprechen läßt:105 „Denn eine Art Tyrannis ist ja bereits die Herrschaft, die ihr ausübt; sie zu ergreifen mag ungerecht erscheinen, sie loszulassen (ist) aber lebensgefährlich.“ Die aus heutiger Sicht vielleicht etwas kurzsichtig erscheinende Finanzplanung griechischer poleis war schließlich auch den im Vergleich zu modernen Staaten begrenzten Finanzierungsinstrumenten geschul-

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det. Vor allem aber spiegelt sie die ausgabenorientierte Wirtschaftsweise wider, die (nicht nur) für vormoderne Staaten charakteristisch war.106 Demosthenes brachte die hieraus resultierende Haltung auf den Punkt: „Geld ist dann da, wenn es wirklich gebraucht wird, früher nicht“.107 Manch ein Finanzminister wäre heute wohl froh, könnte er gleiches von seinem Haushalt behaupten.

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In einem Buch über die Geschichte der Staatsverschuldung hat das Imperium Romanum1 auf den ersten Blick nicht viel verloren, denn römische Regierungen nahmen nur in seltenen Ausnahmefällen Kredite auf und standen in diesen wenigen Fällen für ihre Verbindlichkeiten pünktlich ein.2 Der moderne Betrachter, der in seiner gegenwärtigen Welt auf Schritt und Tritt mit dem Krisenphänomen der staatlichen Überschuldung konfrontiert wird, könnte demnach versucht sein, in dem römischen Imperium ein positives historisches Vorbild zu erkennen, das sich hell vor der dunklen Kulisse der modernen Schuldenstaaten abhebt. Ein zweiter, genauerer Blick auf die skalischen Verhältnisse des römischen Reiches wird jedoch zeigen, daß wir es keineswegs mit einem historischen Musterfall soliden Wirtschaftens zu tun haben. In der zweiten Hälfte des vorchristlichen Jahrtausends war der römische Staat eine aristokratisch geprägte Republik, die den sozioökonomischen Mittelschichten weitgehende politische Mitwirkungsrechte (Wahlen, Abstimmungen über Gesetze, Verträge, Krieg und Frieden) eingeräumt hatte. Nach dem langen Bürgerkrieg von 49 bis 29 v. Chr. trat an die Stelle der Republik eine Monarchie (Kaiserzeit, von 27 v. Chr. bis zum Ende des Imperiums im 5./6. Jahrhundert n. Chr.), die allerdings die alten republikanischen Institutionen formal bestehen ließ und sich damit begnügte, diese zu kontrollieren und in ihrem Sinne zu manipulieren. Die Herrschaft über Italien erkämpfte sich Rom etwa in der Zeit von 400 bis 200 v. Chr., die rund um das Mittelmeer gelegenen Staaten eroberte die Republik in den folgenden 150 Jahren bis zum Beginn des Bürgerkriegs von 49 v. Chr.; in der Kaiserzeit wurden die Eroberungen zunächst noch ausgebaut und konsolidiert. Seit dem dritten Jahrhundert n. Chr. wurden keine neuen Territorien mehr erobert.

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1. D S   R R In der republikanischen Epoche zahlten die römischen Bürger keine regelmäßigen direkten Steuern.3 Geldmittel für politische Zwecke wurden nur dann erhoben, wenn für eine solche Abgabe ein öffentlich anerkannter Bedarf bestand, und zwar in Gestalt einer proportional an den individuellen Vermögensverhältnissen ausgerichteten Umlage. Ob eine solche Notwendigkeit vorlag, wurde von einer Bürgerversammlung mittels Abstimmung festgestellt, wobei die Stimmen nach Vermögenslage und damit auch nanzieller Belastung der Stimmberechtigten unterschiedlich gewichtet waren. Diese Abgabe, die sich die Bürgerschaft für konkrete, genau benannte Zwecke selbst auferlegte, hieß tributum, benannt nach den Abteilungen der Bürgerschaft, auf die eben diese Abgaben umgelegt wurden, den sogenannten tribus.4 Angesichts der aggressiven, auf Eroberungen orientierten Grundstimmung in der römischen Bürgerschaft ist es nicht überraschend, daß die Volksversammlungen vor allem eine Begründung für die Erhebung von tributa immer wieder akzeptierten, nämlich die Ausstattung von Expeditionsheeren. Eine Stelle im Werk des Historikers Titus Livius5 gibt einen wichtigen Hinweis, warum die römischen Bürger so häug bereit waren, über sich selbst eine Vermögensabgabe für die Finanzierung von Kriegen zu verhängen: Livius berichtet, daß im Jahre 187 v. Chr. ein siegreicher römischer Feldkommandeur bedeutende Geldsummen und weitere Beute von einem Kriegszug nach Rom gebracht hatte. Der Senat habe veranlaßt, daß aus der im Triumphzug vorgeführten Beute der durch die Umlagepichtigen vorgeschossene Wehrsold ausgezahlt werde, soweit er noch nicht erstattet worden war. Die technischen Einzelheiten des von Livius nur gestreiften Vorgangs sind nicht mehr ganz klar, aber es ist plausibel vermutet worden, daß der Historiker hier auf eine anteilige Auszahlung aus dem Kriegsgewinn anspielt, das heißt daß für jedes Tausendstel Vermögensanteil, das ein Bürger als tributum in den betreffenden Feldzug investiert hatte, das 25,5-fache als Rendite ausgeschüttet wurde.6 Aus der Liviusstelle wird deutlich, daß die Steuerbürger sich als Gläubiger „ihres“ Staates betrachteten, von dem sie das ihm vorgeschossene Geld zurückerwarteten – und zwar möglichst mit Gewinn. So wurde der römische Staat immer wieder (das heißt wenn tributa erhoben wurden) Schuldner seiner Bürger, ist aber aufgrund der kontinuierlichen militärischen Erfolge seit Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. dabei nicht in nanzielle Verlegenheit geraten. Seit 167 v. Chr. wurden keine tributa mehr erhoben (nur während des Bürgerkriegs, seit 43 v. Chr., wurde kurzfristig noch einmal auf diese alte Institution zurückgegriffen). Der Staatsschatz erwies sich in der Regel als ausreichend gefüllt, um die Investitionen in die diversen Kriege

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zu tragen, die meist mit einem starken Rückuß nanzieller Mittel aus Plünderungen und den Besiegten auferlegten Steuern endeten. Mit einem Volksbeschluß im Jahre 60 v. Chr. wurden gegen den Einspruch des Senats schließlich sämtliche Zollstationen in Italien und seinen Häfen geschlossen.7 Italien, wo die massiven imperialen Gewinne akkumuliert wurden, war damit zum reinen Kostgänger des Imperiums geworden. Umgeben war dieses Kernland von einer Anzahl von steuerpichtigen Territorien, den sogenannten Provinzen, die nach Vorgabe der in Rom getroffenen Regelungen in unterschiedlicher Zusammensetzung direkte und indirekte Abgaben (stipendia beziehungsweise vectigalia) an die zentrale römische Staatskasse, das aerarium Saturnii, zu zahlen hatten. Da das Imperium keine nennenswerten laufenden Ausgaben tätigte, konnten diese Gewinne in immer neue Kriege investiert werden. Es ist unter diesen Umständen nicht erstaunlich, daß Italien als das Zentrum dieses Systems, in das die Reichtümer der Provinzen (aus Steuern) und der jeweils attackierten Peripheriezonen (aus Plünderungen) abossen, von öffentlichen Schulden frei war. Wenn man hingegen das Imperium als Ganzes, also Italien, die Provinzen und die unmittelbar angrenzende Peripherie ins Auge faßt, stellt sich die Lage ganz anders dar: Die Gemeindestaaten in den Provinzen und ihre Bürger waren aufgrund des permanenten Steuerdrucks oft bis zur Verzweiung verschuldet.8 Hätte man die in den Provinzen aufgehäuften Verbindlichkeiten als Schulden des Imperiums angesehen (was die Römer aus ideologischen Gründen nicht taten), hätte sich vermutlich auch nach Verrechnung mit den Überschüssen des Zentrums ergeben, daß das Imperium als Gesamtheit erhebliche Schulden hatte. Der abgeschöpfte Reichtum wurde im Zentrum darüber hinaus im Großen und Ganzen unproduktiv konsumiert, so daß das System – sollte das Zentrum schuldenfrei bleiben – darauf angelegt war, zu expandieren und den Beutezuuß langfristig zu verstetigen. Das Wachstum eines solchen, auf territoriale Expansion gegründeten Systems ist notwendigerweise endlich. Die Eintreibung der regelmäßigen Staatsabgaben (stipendia und vectigalia) in den Provinzen war in der republikanischen Epoche in der Regel privatisiert, das heißt die römische Regierung trat ihr Recht der Geldund Sachmittelabschöpfung an private Firmen ab, die die Kaufsumme für diese Rechtsabtretung entweder in einer Einmalzahlung vorschossen oder in Raten – gegen Hinterlegung einer Sicherheit – abtrugen. Die Leitung der Staatskasse konnte daher auf ein minimales Personal beschränkt werden, während die personal- und aktenintensive Arbeit der Eintreibung den privaten Steuerpächtern (publicani) oblag. Die Kassenführung des stadtrömischen Ärariums war notorisch schlampig und unzuverlässig; die Rechnungen wurden weder öffentlich zugänglich ge-

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macht noch wirksam überprüft. In der späten Republik behandelten daher viele senatorische Familien das aerarium wie eine Privatbank, aus der bei Bedarf informelle Kredite gezogen wurden, die vielleicht manchmal zurückgezahlt wurden.9 Insgesamt hat diese Selbstbedienungsmentalität die öffentlichen Kassen aber nicht in die roten Zahlen gebracht, dafür waren sie zu gut gespeist. Die privaten Steuerpachtgesellschaften legten übrigens Anteilsscheine (partes) auf, die nach Art neuzeitlicher Aktien funktionierten und ihrerseits zur maßlosen Bereicherung der italischen Eliten beitrugen.10

2. D F  K Der Bürgerkrieg von 49 bis 29 v. Chr. setzte in mehrfacher Hinsicht eine epochale Zäsur in der römischen Geschichte. Er war im Grunde ein Luxusphänomen: Einige der großen Familien Italiens waren im Laufe der römischen Expansion so einußreich und vermögend geworden, daß sie mittels ihrer jeweiligen Klientel den Angriff auf das alte republikanische System wagen konnten. Jeder der an dem im Jahre 49 v. Chr. entfesselten Bürgerkrieg beteiligten Hauptkonkurrenten strebte eine diktatorische Machtfülle für seine Person an. Der Krieg richtete sich daher nicht nur gegen die alte Adelsrepublik, sondern wurde auch von den Putschisten untereinander geführt. Während des Krieges, der innerhalb des gesamten Imperiums ausgetragen wurde, griffen die verschiedenen Kriegsherren massiv und ohne Rücksicht auf Gesetze auf die Ressourcen der unterworfenen Bevölkerung zurück. Unter diesen Bedingungen stieß selbst das Weltreich bald an seine nanziellen Grenzen. In Italien wurde 43 v. Chr. auf Senatsanordnung die Erhebung von tributa wieder eingeführt, aber die Einnahmen reichten kaum zur kurzfristigen Finanzierung auch nur zweier Legionen aus.11 Das Mißverhältnis zum Finanzbedarf der Bürgerkriegsparteien wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß allein vor der Schlacht von Philippi, die M. Antonius und Octavian 42 v. Chr. gegen die Caesarmörder schlugen, ganze 61 Legionen unter Waffen standen.12 Unter den Bedingungen der durch den Krieg diktierten Finanznot hatte Gaius Iulius Caesar bereits 47 v. Chr. die wegweisende Anordnung getroffen, daß in den Regionalstaaten der Provinz Asia (dem ehemaligen Königreich Pergamon) die direkten Steuern zukünftig nicht mehr von privaten Pächtern, sondern in unmittelbarer Verantwortung der gewählten Räte dieser Gemeindestaaten eingetrieben und an ihn abgeliefert werden sollten.13 Dabei senkte er die Steuern in dieser Provinz (und wahrscheinlich bald in weiteren) trotz seines akuten Finanzbedarfs

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um ein Drittel, offenbar in der festen Annahme, daß durch Ausschaltung der privaten Steuereinnehmer die Nettoeinnahmen der Staatskassen entsprechend wüchsen. Dieses Prinzip, die direkten Steuern in den Provinzen durch lokale politische Verantwortungsträger und nicht privatwirtschaftlich einziehen zu lassen, ist in der gesamten Kaiserzeit beibehalten worden. Nur die indirekten Steuern (vectigalia) wurden noch lange Zeit überwiegend von Steuerpächtern eingezogen.14 Der Bürgerkrieg endete mit dem totalen Sieg Octavians, des Adoptivsohns Caesars, und damit des Familienoberhaupts der Iulier, einer der ältesten Adelsfamilien Roms. Den 27 v. Chr. durch Senatsbeschluß verliehenen exklusiven Ehrenbeinamen des Siegers, Augustus (etwa: „der Erhabene“), führten bis zum Ende des römischen Reiches alle Nachfolger dieses Mannes in dessen faktisch diktatorischer Position. Als politisch und skalisch wichtigste Konsequenz aus dem Sieg der iulischen Familie wurde die im Bürgerkrieg usurpierte militärische Befehlsgewalt des Augustus nun durch Gesetzesbeschluß legalisiert. Formal war die römische Armee bis in die Bürgerkriegsjahre eine Milizarmee gewesen, in die Wehrpichtige jeweils nur für die Dauer bestimmter Feldzüge rekrutiert und dann entlassen wurden. Das änderte sich unter Augustus grundlegend: Der Usurpator behielt zum Zweck der eigenen Machtsicherung im Mittel 28 Legionen, also etwa 140.000 Bürgersoldaten, und Tacitus zufolge15 etwa noch einmal so viele Hilfstruppen (Soldaten ohne römisches Bürgerrecht) dauerhaft unter Waffen. Damit war endgültig der Schritt zu einer besoldeten Berufsarmee getan. Im Jahre 13 v. Chr. wurden die Vertragsbedingungen, unter denen Rekruten in die Armee eintraten – offenbar nachdem einschlägige Forderungen aus Militärkreisen laut geworden waren – durch Augustus verbindlich festgeschrieben. Für Legionäre wurden beispielsweise zunächst sechzehn Dienstjahre und vier Jahre Bereitschaftsdienst in Lagernähe bei einem Jahressold von 900 Sesterzen angesetzt; nach ehrenhaftem Ausscheiden aus der Armee hatte ein Soldat Anspruch auf ein Entlassungsgeld, seit 5 n. Chr. in Höhe von mindestens 12.000 Sesterzen oder auch mehr, wenn er im Lauf seiner Dienstzeit befördert worden war.16 Mit der Aufstellung eines Berufsheers war die Zeit des approximativen Bilanzierens vorbei. Es gab nun eine Reihe verbindlicher Zahltage, an denen präzise bekannte Münzmengen bereitliegen mußten. Dazu zählten etwa die drei Auszahlungstermine, an denen jeweils ein Drittel des Jahressoldes fällig war. Dieser Termindruck zwang Augustus und seine Nachfolger zum Budgetieren, das heißt die Kaiser brauchten ein verläßliches Abbild der staatlichen Kassenlage zu jedem gegebenen Zeitpunkt. Unter diesen Bedingungen wäre auch zu erwarten gewesen, daß Augustus eine stringente, hierarchisch strukturierte Organisation der

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diversen Reichskassen herbeigeführt hätte. Kurioserweise geschah das aber zunächst einmal nicht. In einer symbolisch bedeutsam gemeinten, aber kurzsichtigen Geste hatte Augustus 27 v. Chr. formal auf die unmittelbare Kontrolle der zentralen Staatskasse, des aerarium Saturni, verzichtet. Im Grunde war dieser ostentative Verzicht eher theoretischer Natur, denn die faktische politische Macht war so ungleich verteilt, daß niemand die Imperatoren hindern konnte, auf die Gelder der Staatskasse zuzugreifen, wenn sie das wollten. Dennoch erinnerten diese kaiserlichen Zugriffe auf die formal unabhängige Staatskasse permanent daran, daß die konstitutionelle Stellung der alten Institutionen hochgradig prekär war. Abgesehen davon sorgte diese Unabhängigkeit der Zentralkasse für bilanztechnische Komplikationen, die noch dadurch vergrößert wurden, daß bereits Augustus bedeutende Einnahmequellen – zum Beispiel ausgedehnte Ländereien in den Provinzen – als persönliche Bürgerkriegsbeute für sich reservierte hatte. Dieses Sondergut wurde patrimonium principis genannt, die zentrale römische Verrechnungsstelle hieß scus („Geldkorb“), eigentlich die geläuge Bezeichnung für eine private Geldtruhe, aber auch der technische Begriff für die Provinzkassen, in die die Steuern und Abgaben der Provinzialen ossen. Die Mehrdeutigkeit des Wortes macht es mitunter schwer zu entscheiden, was genau gemeint ist, wenn in einem antiken Dokument von scus gesprochen wird. Bei dem „kaiserlichen“ scus (scus Caesaris) handelte es sich jedenfalls um die zentrale Erfassungsstelle großer Latifundienkomplexe in Italien und den Provinzen, ferner von Bergwerken und anderen Abbaustätten (zum Beispiel Salzstollen) oder auch Fischgründen und anderem. Juristisch galt dieser Besitzkomplex als Privatbesitz des regierenden Kaisers oder, wie der Jurist Ulpian es zu Beginn des dritten Jahrhunderts formulieren sollte, als „Quasi-Privatbesitz“ des Herrschers („res enim scales quasi propriae et privatae principis“).17 Daß es sich nicht im geläugen Sinn um „Privatbesitz“ handelte, ist schon daran erkennbar, daß dieses kaiserliche Sondervermögen bei einem Dynastiewechsel nicht an die gesetzlichen Erben des verstorbenen Kaisers el, sondern an den jeweiligen politischen Nachfolger, der also qua Amt über das patrimonium principis verfügte. Dieses speiste sich zum Teil – jedenfalls in der Hohen Kaiserzeit (2. und 3. Jh. n. Chr.) – aus öffentlichen Gefällen wie etwa Strafzahlungen oder konszierten Vermögen.18 In dem von ihm selbst verfaßten Tatenbericht, den sogenannten „Res Gestae“, hat Augustus seine „privaten“ Hilfszahlungen, also Überweisungen aus dem scus an das aerarium, gewissenhaft aufgelistet.19 Diese Überweisungen haben als historisches Vorbild gewirkt, das spätere Kaiser, etwa der sich an Augustus orientierende Nero, kopiert haben.20 Von dieser

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Warte aus erscheint das aerarium, also die zentrale römische Staatskasse, periodisch als Schuldner der Kaiser, die nach außen hin großzügig, ohne auf Rückzahlung oder gar Zinsen zu bestehen, das Staatsbudget wieder ins Gleichgewicht brachten. Es ist allerdings unschwer zu erkennen, daß diese Überweisungen der Kaiser einen eher ideologischen als skalisch notwendigen Charakter trugen. Der scus Caesaris war allenfalls formaljuristisch kaiserliches „Privatvermögen“, faktisch jedoch durch die Diktatur enteignetes öffentliches Gut. Wenn die Kaiser die Überweisungen an das aerarium als private Hilfsmaßnahmen für den römischen Staat zelebrierten, so war dies im wesentlichen als Demütigung der alten Eliten gemeint. Unter den verschiedenen vom Kaiser kontrollierten Kassen erfolgten regelmäßig Ausgleichszahlungen, ohne daß dies aufwendig publik gemacht worden wäre.21 Wenn sich das bei Überweisungen an das aerarium anders verhielt, hatte das also vordringlich politischideologische Gründe. Der Umstand, daß diese Zahlungen erfolgten, verweist aber als solcher noch nicht auf ernsthafte Einnahmeprobleme des römischen Staates.

3. D H  K Daß allerdings die Einrichtung eines stehenden Heeres mittelfristig schwere Budgetprobleme erzeugte, geht aus anderen Indizien klar hervor. Bereits im Jahre 5 n. Chr. mußte Augustus die 13 v. Chr. garantierten militärischen Dienstbedingungen einseitig ändern, indem er die reguläre Dienstpicht auf zwanzig Jahre zuzüglich fünf Jahre Bereitschaftsdienst verlängerte. Schwerwiegender noch: um die Entlassungsprämien für Legionäre pünktlich auszahlen zu können, mußten neue Steuern aufgelegt werden: eine fünfprozentige Steuer auf Erbschaften, die römischen Bürgern zuelen (und ergänzend, vielleicht später, eine einprozentige Mehrwertsteuer).22 Diese Maßnahmen legten die Axt an Privilegien von politisch wichtigen Gruppen. Die Tatsache, daß Augustus die damit einhergehende Unzufriedenheit riskierte, ist Beleg genug dafür, daß sein Heeresbudget nicht wirklich ausbalanciert war. Nach seinem Tod im Jahre 14 n. Chr. entlud sich die Unzufriedenheit in einer der größten Heeresmeutereien der römischen Geschichte (am Rhein und an der Donau), die nur mit erheblichen Zugeständnissen beendet werden konnte, darunter die Rückkehr zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen wie etwa der sechzehnjährigen Dienstzeit für Legionäre. Doch schon im Jahr 15 n. Chr., nicht einmal ein Jahr später, nahm Tiberius, der Nachfolger des Augustus, diese Zugeständnisse wieder zurück und ließ durch öffentliche Aushänge ver-

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künden, daß der Staat die Last der verkürzten Dienstzeiten nicht tragen könne.23 Tiberius konnte die Sachlage beurteilen, denn ihm lag über diese „Last“ ein ausführliches Zahlenwerk vor, das uns heute nicht mehr zur Verfügung steht. Rechtlich war der „Kaiser“ im Grunde nur für die Bilanzen des scus Caesaris und der Kassen seiner Provinzen zuständig. Tatsächlich hatte sich aber bereits Augustus einen privilegierten Einblick in das komplizierte Kassensystem des gesamten Imperiums gesichert, der ihm einen konkurrenzlosen Informationsvorsprung vor allen anderen Funktionsträgern des Imperiums verschaffte. Die Zusammenführung dieser Zahlen zu einem Rechenwerk (rationes imperii) geschah erst im Haus des Imperators, vor allem durch unfreie und freigelassene Mitarbeiter, seit dem späten ersten Jahrhundert auch durch ritterliche Angestellte. Der Kaiserbiograph Sueton24 brachte den Inhalt eines solchen Rechenwerks einmal auf die knappe Formel: Es erfaßte „die Höhe der Geldbeträge im aerarium, in den Provinzialkassen und die Rückstände der indirekten Abgaben“ („quantum pecuniae in aerario et scis et vectigaliorum residuis“). Der scus Caesaris fehlt in dieser Aufstellung Suetons (vermutlich, weil Augustus keine vollständige Bilanz seines Patrimoniums publizierte), enthalten sind die eigentliche Staatskasse und die ihr zugeordneten Provinzialkassen (sci) sowie die sogenannten residua vectigaliorum, höchstwahrscheinlich die noch ausstehenden Ratenzahlungen der Steuerpächter, die ja in der Kaiserzeit nur noch indirekte Steuern einhoben. Die Kaiser verfügten demnach offensichtlich über eine zusammenfassende Darstellung der noch ausstehenden Zahlungen von Tausenden der über das Reich verstreuten „Stationen“, bei denen beispielsweise die Untertanen zu verzollende Waren melden mußten oder die Einnahmen aus indirekten Steuern gesammelt wurden.25 Diese Stationen wurden weiterhin, wie in den einstigen Zeiten der Republik, privatwirtschaftlich betrieben. Das erleichterte der kaiserlichen Regierung, ausstehende Zahlungen dieser Vertragspartner als Aktiva in die eigenen Bilanzen zu nehmen. So agierte im Grunde jede wirtschaftlich tätige Privatperson: Zu erwartende Zahlungseingänge galten als aktive Vermögensbestandteile. Doch eigentlich waren die noch nicht eingegangenen Zahlungen der „Stationen“ offene Steuerschulden. Das machte sich sofort bemerkbar, wenn die kaiserliche Regierung – was möglicherweise im Laufe der Jahrhunderte immer häuger geschah – zur Eintreibung von indirekten Abgaben durch staatlich besoldetes Personal überging. Insofern war die Aufnahme der „ausstehenden vectigalia“ in die rationes imperii eine Art Bilanzierungstrick. Diskussionen über das Rechenwerk waren ohnehin nicht erwünscht; eine Publikation der rationes erfolgte nur in der

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Anfangsphase der Kaiserzeit, seit der Mitte des ersten Jahrhunderts geschah dies nur noch in Ausnahmefällen, wenn die Kassenlage einmal als uneingeschränkt positiv gelten konnte.

4. R  K    V Trotz der meist angespannten Budgetsituation nahmen die Kaiser, wie bereits oben erwähnt, aus grundsätzlichen Erwägungen gewöhnlich keine Kredite auf. Einige wenige Ausnahmen gibt es: Unter Vespasian (6979 n. Chr.) wurde beispielsweise der hochrangige Senator und ehemalige Konsul Pompeius Silvanus damit beauftragt, 60 Mio. Sesterzen als Kredit von Privatleuten für den Kaiser einzuwerben, doch stellte er bald seine Arbeit ein.26 Offenkundig war es mit der triumphalistischen Darstellung der Kaiser in der öffentlichen Repräsentation unvereinbar, Schulden bei Privatleuten aufzunehmen. Doch andererseits gab es aus der von Augustus aufgestellten Zwickmühle kein dauerhaftes Entrinnen: Ein Militärapparat einer bestimmten und stetig wachsenden Größenordnung war nach Auffassung der Kaiser unabdingbar notwendig – damit lag der größte Budgetposten rigide fest. Die in der Regel in Prozentsätzen auf bestimmte Größen (Landbesitz, Warentransaktionen, Erbschaften et cetera) erhobenen Steuern und Abgaben uktuierten, so daß die Einnahmen in unregelmäßigen Abständen den Ausgabeverpichtungen der Herrscher nicht genügten. Ein neuzeitlicher Staat hätte in solchen Fällen die Finanzierungslücke in der Regel durch eine Kreditaufnahme geschlossen beziehungsweise sich dann bemüht, die Ausgaben mittelfristig zu senken. Ansatzweise haben römische Kaiser diesen zweiten Weg zu gehen versucht, indem sie die Entlassung von Soldaten nach Erreichung der Altersgrenze systematisch hinauszögerten. Damit konnte die Zahl der ausgeschütteten Entlassungsprämien im laufenden Jahr gesenkt werden. Das Mittel war jedoch politisch gefährlich – die Meutereien des Jahres 14 n. Chr. hatten sich vor allem an der Frage der verzögerten Entlassungen entzündet – und verschob die Zahlungsprobleme nur in verschärfter Form auf die Folgejahre. Größere Bauprojekte konnten natürlich immer unterbrochen oder aufgegeben werden, aber sie stellten ohnehin im Vergleich zu dem Militärbudget eine viel kleinere Belastung dar. Da also bei der Ausgabenseite keine nennenswerten Entlastungen zu erwarten waren und eine Schuldenaufnahme des Staates nach Möglichkeit vermieden wurden, verelen die Kaiser auf andere Auswege. Ein Verfahren ist schon oben im Zusammenhang mit den Steuerpachtrmen angesprochen worden: Die ausstehenden Zahlungen der

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Publikanen galten als Aktiva des Staates. Ebenso hielten es die Kaiser bei allen ihren Bürgern und Untertanen: Für jedes Steuersubjekt existierte eine penible Steuerbiographie, die etwaige Zahlungsausstände über Jahrzehnte hinweg festhielt. Auf diese Weise schrieb der Staat seine strukturellen Mindereinnahmen den Untertanen in individuelle Schuldbücher. Einige Kaiser, darunter Hadrian und Antoninus Pius, haben sich entschlossen, diese alten Steuerschulden zu bestimmten Stichdaten zu löschen,27 vermutlich weniger aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil die Jahrzehnte alten offenen Rechnungen die Zahlungsfähigkeit der Untertanen zu ersticken drohten und immer mehr Menschen in die Steuerucht trieben. Da die Steuerpicht kollektiv war, also zum Beispiel die ausharrenden Staatsräte der Gemeindestaaten für die Steuerschulden geohener Ratsmitglieder hafteten, entwickelte der wachsende Druck eine sich verstärkende negative Dynamik: Je mehr Steuerzahler ohen, desto größere Summen wurden auf die verbleibenden Individuen umgelegt. Ein Grund, warum die Reichsregierung trotz mangelnder Einnahmen theoretisch schwarze Zahlen schrieb, war demnach, daß sie Mindereinnahmen einfach auf ihre Untertanen übertragen konnte. Im Ansatz ist eine solche Möglichkeit auch in der Gegenwart vorhanden, wenn etwa in Modellrechnungen die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in eine Pro-Kopf-Verschuldung der Bürger umgerechnet wird. Damit ist bereits angedeutet, daß es im Grunde nicht ausschlaggebend ist, wo die öffentliche Verschuldung bilanziert wird: Abgetragen werden muß die Schuld in jedem Fall durch die Steuerzahler, so daß die römischkaiserzeitliche Technik, die öffentlichen Mindereinnahmen – Ausdruck überzogener Erwartungen des Staates an seine Steuerzahler – direkt bei den Steuersubjekten zu verbuchen, eine gewisse Aufrichtigkeit für sich gelten machen kann, auch wenn sie bilanztechnisch natürlich sehr aufwendig ist. Eine strukturell noch wichtigere Methode, die faktischen öffentlichen Dezite nicht unmittelbar als solche in Erscheinung treten zu lassen, ist bisher noch nicht angesprochen worden: die Manipulation der im Namen des Kaisers ausgegebenen Münzen.28 Die Kaiser emittierten Geld nur dann, wenn Ausgaben notwendig waren, also vor allem, um ihre Soldaten und Funktionäre zu bezahlen, um bei bestimmten ofziellen Gelegenheiten in patriarchalischer Manier Geldgeschenke zu verteilen und um die für den Machterhalt unerläßliche Infrastruktur wie Überlandstraßen und Wasserleitungen zu unterhalten. Ihren für die Marktteilnehmer erkennbaren Warenwert erhielten die Münzen dadurch, daß aus einem römischen Pfund Metall (um 327 Gramm) eine bestimmte Anzahl Münzen geschlagen wurde. Wenn ein Kaiser pro Pfund mehr

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Münzen (also zum Beispiel 100 statt zuvor 75) mit identischen Wertanzeigern schlagen ließ, dann natürlich deswegen, weil ihm nicht genügend Edelmetall zur Aufrechterhaltung der bekannten und eingeführten Relationen zur Verfügung stand. Zusätzlich konnte das Metall verfälscht werden, also etwa Silber mit Kupfer und Blei versetzt werden. Zunächst scheint dies nun lediglich eine Metallmanipulation und keine verborgene Staatsverschuldung gewesen zu sein. Die Kaiser garantierten sogar, daß die verkleinerten und verschlechterten Münzen von Staatswegen denselben Wert hatten wie ihre jeweiligen schwereren und reineren Vorgängerexemplare.29 Das beinhaltete auch, daß die Regierung die von ihr emittierten Münzen zu ihrem Nennwert akzeptierte, wenn Bürger und Untertanen ihre Steuerschulden mit diesen beglichen. Doch bei den alltäglichen Marktprozessen funktionierte diese Garantie nicht. Die kontinuierliche Verschlechterung des Geldes trieb auf die Dauer die Preise in die Höhe. Dabei verfügten antike Märkte nicht annähernd über so empndliche Sensorien wie der moderne Kapitalismus. Die Münzverschlechterung erfolgte immer nur graduell und punktuell. Wenn beispielsweise die syrischen Legionen eine Soldtranche in leicht verunreinigtem Geld erhielten, dürfte das in Spanien zunächst niemandem aufgefallen sein. Außerdem waren die Untertanen bei empndlichen Strafen verpichtet, das kaiserliche Geld zu seinem Nennwert zu akzeptieren. Das Mißtrauen gegen das Regierungsgeld baute sich daher nur allmählich auf und konnte sich auch nicht spontan äußern. Die schlechteren Münzen verdrängten die besseren nur langsam und unvollständig aus dem Marktgeschehen, doch irgendwann erfolgten deutliche Preisschübe. So äußert sich die völlige Überdehnung der Reichsnanzen durch die Kriege Marc Aurels (161-180 n. Chr.) erst unter dessen Nachfolger Commodus (180-192 n. Chr.), der diese Kriege erfolgreich abbrach, in einem deutlichen Preisauftrieb.30 Der Prozeß der schubweisen Preisanpassungen wurde von Seiten der Kaiser durch gelegentliche starke Solderhöhungen noch verstärkt. Domitian (81-96 n. Chr.) erhöhte zum Beispiel den Basiswehrsold von 900 Sesterzen auf 1.200 Sesterzen per anno, also um ein Drittel, Septimius Severus (193-211 n. Chr.) und Caracalla (211-217 n. Chr.) in zwei Etappen um möglicherweise insgesamt 150 Prozent;31 weitere Erhöhungen folgten. Die zahlreichen unregelmäßigen Sonderausschüttungen an die Truppe sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Die kontinuierliche betriebene Metallverschlechterung verringerte den effektiven Wert der Privatvermögen und stellte damit eine weitere Form dar, langfristig die Verbindlichkeiten der Herrscher auf die Untertanen abzuwälzen. Wenn ein Herrscher beispielsweise seinen Soldaten und Funktionären Münzen im Gegenwert von 100.000 Pfund Silber schuldete, tatsächlich aber

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nur 50.000 Pfund bezahlte, diese aber als 100.000 Pfund deklarierte, dann zahlten seine Untertanen im Lauf der Zeit die Differenz durch die Entwertung ihrer Geldvermögen. Auch hier trat also die faktische Kreditaufnahme als solche nicht offen in Erscheinung, war aber für die Beteiligten eine ökonomische, wenn auch zeitverzögert eintretende Realität. In der Spätantike erreichte die strukturelle Ination Ausmaße, die an die Hyperinationen des 20. Jahrhunderts erinnern.32 Ein Pfund Gold kostete beispielsweise unter Augustus ca. 1.000 Denare, im Jahre 324 aber bereits 300.000 Denare; für ein unbekanntes Jahr nach 324 n. Chr. ist eine Soldauszahlung von 36.000 Denaren (= 144.000 Sesterzen) für einen einzigen Ofzier überliefert)33 . Die literarischen Quellen berichten nur selten von dieser Ination, weil die Kaiser seit Konstantin die Funktionseliten des Reiches in gutem Gold auszahlten, während der massive Wertverfall des „Kleingeldes“ die Masse der Bevölkerung traf, deren Nöte nur selten von Schriftstellern artikuliert wurden. Doch den Berg verdeckter Schulden, den das Imperium vor sich her schob, mußte es nicht mehr abtragen (hätte das auch niemals vermocht). Seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurde es von germanischen, persischen und anderen Angreifern in Einzelteile zerlegt, so daß die Schulden aus kaiserlichen Tagen vergessen wurden.

5. D B  E  A     Aß   Konnte die im vorhergehenden Abschnitt skizzierte Entwicklung abgesehen werden, als Augustus den Übergang zu einem professionellen Heer vollzog? Augustus hätte das vermutlich geleugnet und auf die Zahlen der rationes imperii verwiesen. Wie bereits gesagt, sind diese Zahlen für uns verloren, nur noch einige Indizien können vielleicht die Entwicklungsgeschichte der römischen „Staatsschulden“ erklären. Der Basissold eines Legionärs ist bekannt, auch die Verdienste einiger höherer Dienstgrade und die Höhe der Entlassungsprämien. Die Gesamtstärke des Heeres und der Flotten unter Augustus kann nur geschätzt werden, weil für seine Regierungszeit die Zahl der Hilfstruppenverbände, in denen die Nichtbürger dienten, nicht sicher belegt ist. Für das zweite Jahrhundert ist eine Gesamtstärke von etwas über 400.000 Mann nachweisbar,34 unter Augustus waren es vielleicht insgesamt 100.000 Mann weniger. Bei allen Unsicherheiten im einzelnen lassen sich auf dieser Basis die Gesamtkosten für das stehende Heer abschätzen. Für Augustus lie-

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gen die in der Forschung genannten Schätzungen zwischen 350 und 500 Mio. Sesterzen pro Jahr.35 Die Einnahmen des Imperiums zu berechnen, ist aufgrund der Vielfältigkeit der Einkünfte (zum Beispiel direkte Abgaben, Zölle, Minen und Bergbau, Kriegsbeute), für die nur ganz vereinzelt Zahlen überliefert sind, kaum möglich. Plutarch beziffert den römischen Staatshaushalt für das Jahr 61 v. Chr. auf 340 Mio. Sesterzen,36 bis zum Tod von Augustus (14 n. Chr.) dürften nach gängigen Schätzungen noch etwas über 100 Mio. Sesterzen pro Jahr dazu gekommen sein.37 Damit entsprachen die Einnahmen in augusteischer Zeit ungefähr den laufenden Personalkosten des Berufsheeres. Natürlich stellte dieser Posten nicht die ganze Belastung der zentralen Kassen dar; so sind die Ausrüstung des Heeres und die Masse der Transport- und Schlachttiere in den oben genannten Zahlen nicht berücksichtigt. Dennoch kann von einem katastrophalen Mißverhältnis von Einahme- und Ausgabenseite eigentlich nicht die Rede sein, zumal die individuellen Ausrüstungskosten in einer Größenordnung von bis zu 75 Prozent des Soldes – und in Einzelfällen auch mehr38 – pro Jahr und Kopf abgezogen wurden. Ist die oben formulierte These von den verdeckten Schulden des Imperiums möglicherweise nicht aufrechtzuerhalten? Wahrscheinlich doch. Der Schlüssel hierzu liegt wohl einfach darin, daß das kaiserzeitliche Heer als Friedensheer eine tolerable skalische Belastung darstellte. In ihren Garnisonsstandorten konnten die Soldaten über eingespielte Versorgungswege beliefert werden und ihre Nutzterritorien produktiv (Weide- und Holzwirtschaft, Nutzpanzenanbau, Ziegeleien und anderes mehr) verwenden. Bei längeren Kriegen, wenn die Soldaten auf dem Marsch versorgt und die notwendigen Güter durch Zwangsaufkäufe requiriert wurden, entelen diese für das Zentralbudget erleichternden Faktoren weitgehend.39 Der Zusammenhang wird bereits deutlich, wenn man den Blick auf die erste einschlägige Krise seit Augustus richtet, die sich in der Spätphase der Herrschaft Neros (54-68 n. Chr.) abspielte. Bis etwa zum Jahre 64 waren die von diesem Kaiser angeordneten militärischen Maßnahmen zwar nicht gerade zurückhaltend gewesen, hatten sich für römische Verhältnisse aber im üblichen Rahmen bewegt. Seit Mitte der 60er Jahre plante der immer noch jugendliche Herrscher jedoch Feldzüge im gigantomanen Maßstab, etwa Eroberungsunternehmen im Kaukasus und im Königreich Axum (im heutigen Nordäthiopien). Diese Züge erforderten logistische Vorbereitungen und Truppenverlegungen großen Stils; zusätzlich wurde eine komplette neue Legion aufgestellt. Schon ab 64 n. Chr. sind daher, wenig überraschend, die ersten Münzverschlechterungen (Gewichtsreduzierung und Verschlechterung des Feingehalts)

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in dem seit Augustus stabilen Münzsystem bei gleichzeitig starker Erhöhung des Geldvolumens zu beobachten.40 Mit dem jüdischen Aufstand von 66 n. Chr. war das imperiale Fiskalsystem endgültig überfordert. Es wurde nun eine systematisch verschärfte Auspressung der Steuerzahler ins Werk gesetzt, etwa indem die Steuerfunktionäre vermehrt auf privatwirtschaftlich arbeitende Denunzianten von Steuerschuldnern zurückgriffen. Als Steuerschuldner galten dabei auch solche Personen, die privat Geld an Dritte geliehen hatten, die ihrerseits gegenüber dem Staat in Zahlungsrückstand waren.41 Nach dem Sturz Neros wurden die unsinnigen Feldzugsvorbereitungen und die ankierenden skalischen Maßnahmen umgehend abgebrochen, der anschließende Bürgerkrieg der Jahre 68/69 n. Chr. zwischen den Thronprätendenten verhinderte aber eine wirtschaftliche Gesundung: Unter Vespasian wurde der Silbergehalt der Denare noch einmal reduziert. Erst Domitian (81-96 n. Chr.) kehrte vorübergehend, im Jahre 82 n. Chr., zu den augusteischen Münzgewichten wieder zurück und erhöhte den Sold um ein Drittel (83/84 n. Chr.).42 Bereits wenige Jahre später mußte der Imperator jedoch kleinlaut wieder zu den neronischen Münzstandards von 64 n. Chr. ausprägen, auch angesichts der mit ehrgeizigen Zielsetzungen geführten Kriege an der Donau. Zwar hatte er sich durch die Solderhöhungen und andere Privilegien über seinen Tod hinaus große Popularität bei den Soldaten erkauft, doch wurde diese Popularität mit dem Haß anderer Milieus, speziell der Regierungseliten, vergolten, denen Domitian (gerade auch in nanzieller Hinsicht) ein strenger Zuchtmeister war. Wahrscheinlich hat es dem Imperium mehr geschadet als genutzt, daß der übernächste Kaiser, Traian (98-117 n. Chr.), anknüpfend an Domitians aggressive Expansionspolitik, den alle bisher bekannten Dimensionen sprengenden dakischen Königsschatz erbeutete.43 Diese Beute – Träger eines Einmaleffekts – täuschte über das strukturelle Dezit des römischen Reiches hinweg. Noch dazu wurden die Überschüsse in alter Tradition (siehe oben zur Republik) zur Finanzierung eines ambitionierten Eroberungskriegs gegen das parthische Königreich eingesetzt, der in einem Fiasko endete.44 Diese Niederlage leitete eine fast ein halbes Jahrhundert währende Epoche ein, in denen das Imperium – durch die Katastrophe über seine militärischen und nanziellen Möglichkeiten belehrt, jedoch keineswegs zu philanthropischen Ansichten bekehrt – relativ verläßlich und friedlich mit seinen Nachbarn koexistierte. Diese Jahre von 117 bis etwa 160 n. Chr. waren eine Phase intensiver Bautätigkeit: In Rom entstanden in dieser Zeit neben vielen weiteren Prachtbauten das hadrianische Pantheon und das Mausoleum Hadriani, die später sogenannte Engelsburg. Auch in den Provinzen ist wohl nie so prächtig

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gebaut worden wie in dem halben Jahrhundert nach dem Tod Traians. So wurden die in dem furchtbaren Erdbeben von 115 n. Chr. zerstörten nahöstlichen Städte wie Apamea und Baalbek in dieser Epoche in imponierender Gestalt wieder aufgebaut. Auch der aufwendige Ausbau des Limes fällt wesentlich in diese Zeit. Trotz dieser kostspieligen Bauund Befestigungspolitik konnten die Reichskassen beim Tod des Antoninus Pius (138-161 n. Chr.) als Ergebnis der langen Friedenspolitik einen Überschuß von 2,7 Mrd. Sesterzen (etwa fünf Jahresetats) verzeichnen.45 Der Philosophenkaiser Marc Aurel beendete diese Epoche der erzwungenen Einsicht.46 Der wieder beginnende Zyklus von Aggression und Unternanzierung setzte abermals die Dynamik der Geldentwertung und Verschuldung (übergewälzt auf die Steuerzahler) in Gang. In der Folge geriet diese Dynamik außer Kontrolle: Seit dem zweiten Drittel des dritten Jahrhunderts wurde das Imperium immer häuger vom Angreifer zum Angegriffenen. Jeder einzelne Gegner wäre dabei militärisch zu beherrschen gewesen, doch da die Angriffe zunehmend an weit voneinander entfernten Grenzabschnitten erfolgten, wurden große Truppenbewegungen in immer schnellerer Folge nötig. In ihrer kontinuierlichen Wucht waren diese Belastungen für das römische Reich untragbar: Es ist nicht nur an äußeren Gegnern, sondern auch an seinen verborgenen Schulden zugrunde gegangen.

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Jochen Johrendt Staat ohne Geld? Der nanzielle Handlungsrahmen früh- und hochmittelalterlicher Kaiser „Geld schafft Verbindungen, Geld weiß Rat. Geld macht Rauhes eben, Geld legt Streitigkeiten bei, Geld ist bei den Prälaten Soviel wie Recht. Dem Geld gebt ihr Gehör, ihr Richter!“1

Die Verse aus dem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Umkreis des Dichters Walter von Châtillon (gestorben um 1190) entstandenen Gedicht suggerieren, daß sich in dieser Epoche alles um das Geld dreht. Doch es stellt keinen Lobpreis auf das Geld als soziale und rechtliche Schranken überwindendes Moment dar, sondern ist vielmehr eine Verdammung des Geldes, das in den Augen des Verseschreibers die Grundordnungen der Gesellschaft aus den Angeln hebt. Geld vermag nach den Worten des Dichters (fast) alles und damit auch (fast) die gesamte Ordnung zu zerstören.2 Es ist überall präsent und kaum zu hemmen. Die Entrüstung klingt modern und unterstellt ein weitreichendes Kontinuum von der Antike bis heute, in dem Geld stets den entscheidenden Faktor zu bilden scheint: Geld regiert die Welt. Vor diesem Hintergrund wirkte der Titel dieses Beitrags – Staat ohne Geld – zunächst überraschend. Gerade das tatsächliche Wirken des Geldes wird schließlich in den eingangs zitierten Gedichtversen angeprangert. Doch es ist kein Zufall, daß derartige Gedichte für das 10. und 11. Jahrhundert nicht zu fassen sind, und das dürfte kein Problem der Quellenüberlieferung sein.3 Staat ohne Geld – diese Thematik scheint nun auf den ersten Blick kaum in ein Buch über Wohl und Wehe der Staatsverschuldung zu passen: ohne Geld schließlich keine Verschuldung. Und mit Blick auf lange Traditionslinien der deutschsprachigen Mittelalterforschung, die zu allem Überuß auch in weiten Teilen noch sorgsam darauf bedacht war, den Begriff „Staat“ für das Früh- und Hochmittelalter zu vermeiden,4

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wird man dann auch noch sagen müssen: Ohne Geld und vor allem ohne Staat keine Staatsverschuldung. Repräsentiert der Beitrag damit gleich eine doppelte Paradoxie? Staat ist eben nicht gleich Staat. Diese scheinbar banale Erkenntnis muß jedoch gerade mit dem Blick auf das Mittelalter deutlich betont werden. Die ältere Forschung hat vor allem die Differenzen zum modernen Staatsbegriff hervorgehoben und lieber vom „Personenverbandsstaat“ gesprochen. Die neuere deutschsprachige Forschung zum Früh- und Hochmittelalter freundet sich jedoch zunehmend mit dem Begriff des Staates an, der dann spezisch mittelalterlich aufgeladen ist. Bereits im 9. Jahrhundert lassen sich zeitgenössische Vorstellungen fassen, die zwischen König und Staat unterscheiden: König und Staat waren nicht dasselbe.5 Im 11. Jahrhundert gipfelte diese Differenzierung zwischen einem transpersonalen Staat und der Person des Königs in einem Diktum Kaiser Konrads II. (gestorben 1039). Nachdem die Paveser die Kaiserpfalz in Pavia zerstört und dabei das Argument gebraucht hatten, nach dem Tode des Kaisers (Heinrich II., gestorben 1024) seien die Eigentumsrechte an der Pfalz erloschen, ließ Konrad ihnen erklären: „Ist der König tot, so bleibt doch das Reich bestehen, ebenso wie ein Schiff bleibt, dessen Steuermann gefallen ist. Es handelt sich um staatliche (publicae), nicht um private (privatae) Bauten“.6 Eine derartige Differenzierung ist in historiographischen Quellen der hier behandelten Epochen ungewöhnlich. Denn gerade die mittelalterliche Geschichtsschreibung setzte oftmals den König und den Staat in eins. Für sie repräsentierte der König das Reich nicht nur, sondern durch ihn handelte das Reich, in ihm nahm es auch in der Historiographie seine konkrete Gestalt an. Die Quellen berichten nicht über den Staat, sondern über den jeweiligen König und Kaiser. Serielle Quellen wie Einnahmebücher, Steuerlisten, Ausgabenaufstellungen, Besitzverzeichnisse oder Kostenaufstellungen, die uns etwas über die Staatsorganisation in skalischer Hinsicht oder gar den Staatshaushalt verraten, fehlen. Daher kann der vorliegende Beitrag den nanziellen Handlungsrahmen des früh- und hochmittelalterlichen Staates gar nicht rekonstruieren, sondern allein den Handlungsrahmen der früh- und hochmittelalterlichen Könige und Kaiser. Doch selbst das muß auf Umwegen geschehen, denn die Quellen des Früh- und Hochmittelalters thematisieren Geld als Begrenzung königlicher Handlungsmöglichkeiten nicht. Zwar berichtet die nordalpine Geschichtsschreibung des Früh- und Hochmittelalters über den König und Kaiser, der den festen Bezugspunkt überregionaler Historiographie darstellt.7 Man erfährt detailliert, wohin sich der König wandte, wo er das Weihnachtsfest feierte, wohin er zu Ostern zog. Man erfährt, ob der König erkrankte, wann er heiratete,

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wo er eine neue Kirche errichten ließ. Man erfährt, daß er Arme speisen ließ, Gäste mit reichen Geschenken ausstattete, von unterworfenen Völkern Tribute entgegennahm, und man erfährt ebenso von den kriegerischen Taten des Königs, gegen wen er Krieg führte, ob er dabei einen Sieg davontrug, wie hoch die Zahl seiner Feinde war, die er dabei überwand, und ähnliches mehr. All dies hatte einen Preis. Doch über diesen Preis erfahren wir nichts – sofern er in klingender Münze zu begleichen war. Wer die blumenreiche Schilderung eines kaiserlichen Bankrotts lesen möchte, wird ebenso von den Quellen wie von diesem Beitrag enttäuscht werden. Doch wer sich dem Verhältnis von Staat und ökonomischen Ressourcen bis hin zu deren Überbeanspruchung quer durch die Jahrhunderte nähern möchte, wird just um eine Skizze der früh- und hochmittelalterlichen Verhältnisse nicht umhinkommen. Gerade diese Epoche war für die Ausbildung von Grundmustern im Verhältnis von Königtum und Geld für die gesamte weitere Vormoderne und darüber hinaus entscheidend. Sie prägte die Beziehungen des Kaisers zum Thema Geld, weniger realiter als idealiter – das heißt, wie dieses Verhältnis nach außen dargestellt und in dieser Weise auch in der Historiographie präsentiert wurde. Die Quellen beschreiben uns zu weiten Teilen, was man von einem Herrscher im Umgang mit der Thematik Geld erwartete, wie sich der rechte Herrscher dazu verhalten sollte, weniger indes, wie er es tagtäglich tat. Das Bild des Königs wurde freilich umgezeichnet; neue Ideen, zumal solche aus der Christianisierung Europas prägten nun seine Züge. Dennoch spielt für die Frage nach dem Zusammenhang von König beziehungsweise Kaiser und Geld selbstverständlich auch der generelle, reale skalische Rahmen, in dem der König sich bewegte, eine wichtige Rolle. Grob gesprochen, erlebte das Früh- und Hochmittelalter eine Entwicklung hin zur Naturalwirtschaft und wieder zurück zur Geldwirtschaft. Das spätantike Wirtschaftssystem war geldwirtschaftlich orientiert gewesen. Das gilt auch noch für Teile der Merowingerzeit und kam nicht zuletzt in der großen Bedeutung des Königsschatzes zum Ausdruck, aus dem der Herrscher zur Durchsetzung seines Willens Geschenke entnahm und die Beschenkten dadurch für sich zu gewinnen suchte.8 Gold und Silber der Schätze, Edelsteine, teure Stoffe und andere Kostbarkeiten dienten nicht nur der Repräsentation. Durch die Schenkung von Schatzteilen war es dem Herrscher auch möglich, Machthaber in seine Sphäre und damit auf seine Seite zu ziehen. Doch bereits die ausgehende Karolingerzeit, endgültig dann die Ottonenzeit drängte die Geldwirtschaft zugunsten der Naturalwirtschaft stark zurück.9 Erst mit der ausgehenden Salierzeit scheint die Geldwirtschaft auch im Reich nördlich der

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Alpen wieder eine stärkere Bedeutung gewonnen zu haben. Abzulesen ist das nicht zuletzt auch an der deutlichen Zunahme der Münzprägestätten, wobei das Münzrecht bis in die Zeit Kaiser Friedrichs II. (gestorben 1250) ein königliches Vorrecht blieb.10 In vier Schritten werden im Folgenden schlaglichtartig die Merowinger-, Karolinger-, Salier- und Stauferzeit an ausgewählten Beispielen behandelt, die allesamt der mittelalterlichen Geschichtsschreibung entstammen. Die Ottonenzeit soll aufgrund der mangelnden Belege für die Thematik in der Historiographie ausgeklammert werden.11 Insgesamt kann es, nicht zuletzt aufgrund der schlechten Quellenlage, nicht um die Rekonstruktion des Staatshaushaltes der früh- und hochmittelalterlichen Kaiser gehen. Das Ziel des Beitrags ist viel bescheidener. Es soll um die Frage gehen, ob die Grenzen königlichen und kaiserlichen Handelns durch einen nanziellen Rahmen überhaupt thematisiert werden oder noch pointierter: Wie wird der König in seinem Umgang mit Geld dargestellt und welche generellen Rückschlüsse können wir daraus auf die behandelte Thematik ziehen?

1. M – G  T Zunächst gilt es, die skalischen Rahmenbedingungen der Merowingerzeit zu skizzieren:12 Die Ausgaben der merowingischen Könige wurden aus dem scus bezahlt.13 Dieser bestand nicht nur aus dem Königsschatz, der durch Kriegsbeute und Einnahmen vermehrt wurde, sondern vor allem aus dem Königsgut, das im hochmittelalterlichen Reich stets als Reichsgut bezeichnet wird. Das Hochmittelalter differenzierte dann zwischen Reichsgut und Eigengut der Könige, letzteres meinte den Privatbesitz des Königs und seiner Familie. Anders als das Hochmittelalter kannte die Merowingerzeit noch den Steuereintreiber als einen Beamten des Königs, den telonarius. Die Merowingerzeit hinterließ sogar noch Steuerlisten, an denen sich der Steuereintreiber orientieren konnte. Die in den Steuerlisten vermerkten Einnahmen hatte der Steuereintreiber dem König zu garantieren. Diese kurzen Bemerkungen machen deutlich, daß die merowingische Wirtschaft durchaus keine reine Naturalwirtschaft war.14 Wie stellte die Historiographie nun den handelnden König innerhalb des so skizzierten Rahmens dar? Wozu setzte der König in der Überlieferung sein Geld ein? Wo bemühte er sich selbst um Geld? Das soll am Beispiel des wohl bekanntesten Historiographen der Merowingerzeit, des 594 verstorbenen Bischofs Gregor von Tours und seinem Werk „Zehn Bücher Geschichte“ veranschaulicht werden.15 Gregor beschrieb aus sei-

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ner Perspektive die Handlungen des Königs, skizzierte dessen Handlungsrahmen, auch den nanziellen. Dabei kommt es für die hier verfolgte Fragestellung nicht so sehr darauf an, ob die Darstellung Gregors der kaum rekonstruierbaren Wirklichkeit entspricht. Entscheidend ist vielmehr die Vorstellung vom nanziellen Handlungsrahmen, die Gregor seinen Lesern darbot. Anders als in den heutigen Schlagzeilen der Zeitung hat die Thematik des Geldes für Gregor eine eher geringe Bedeutung. Seine Darstellung der einzelnen Merowingerkönige beginnt nicht mit einer Ausbreitung seiner nanzpolitischen Fähigkeiten, sondern eher im Sinne einer Familiengeschichte, bei der es meist recht rasch um das Grundlegende geht. So führt er im 28. Kapitel seines zweiten Buches über König Gundevech (gestorben 469/470) aus: „Es lebte damals Gundevech, der Burgunderkönig, aus dem Geschlecht Königs Athanarich des Verfolgers [. . . ]. Gundevech hatte vier Söhne: Gundobald, Godegisil, Chilperich und Godomar. Gundobald tötete seine Bruder Chilperich mit dem Schwert und ließ seine Gemahlin mit einem Stein um den Hals ins Wasser werfen. Ihre beiden Töchter aber verbannte er vom Hofe [. . . ]“.16 In diesem Familiengemälde, das sich in ähnlicher Form auch für die Merowingerkönige nden läßt, geht es weniger um nanzielle Zugeständnisse oder Gewinne, sondern schlicht um die nackte Haut. Das ist für Gregor und seine Darstellungsweise geradezu typisch. Daß der König – sofern er sich nicht um seine Verwandtschaft kümmerte – auch Geld mit vollen Händen ausgeben mußte, verdeutlicht Gregors Schilderung der Erhebung des Merowingerkönigs Childerich zum Konsul durch Kaiser Anastasius. Nach der Darstellung der Krönung berichtet Gregor weiter: „Dann bestieg er ein Pferd und streute unter das anwesende Volk mit eigener Hand Gold und Silber auf dem ganzen Weg von der Pforte der Vorhalle bis zu der Bischofskirche der Stadt mit der größten Freigebigkeit aus“.17 Geld wird bei Gregor immer wieder als legitimes Herrschaftsmittel dargestellt. So ist es keineswegs negativ gemeint, wenn er beschreibt, daß Aëtius in der Mitte des 5. Jahrhunderts die Hunnen mit einer „ungeheuren Summe Goldes“ als Truppen angeworben haben soll.18 Der König kann in solchen Erzählungen Gold einsetzen, um Personen auf seine Seite zu ziehen, sie zum Parteiwechsel gleichsam bestechen,19 oder auch, um sie auf seiner Seite zu halten.20 Immer wieder betont Gregor auch die Bedeutung der angemessenen Ausstattung einer königlichen Braut.21 Doch Geschenke waren in jener Zeit nicht nur zur Erzeugung von Loyalitäten notwendig, sondern ebenso zur Herrschaftsrepräsentation oder zur Verehrung derjenigen Heiligen, die man als Fürsprecher zu gewinnen suchte.22

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Doch woher kam dieses Geld, das der König verteilte, Gregor zufolge? Und kümmerte sich der König auch persönlich um Geldangelegenheiten? Einen mehr oder minder großen Anteil an den Geldmitteln, die dem König zur Verfügung standen, mochte das Erbe ausgemacht haben. Gregor berichtet immer wieder, daß der König sich bei seinem Herrschaftsantritt auch explizit des königlichen Schatzes bemächtigt habe.23 Das gilt selbstredend auch für die Schätze eroberter Königreiche.24 Doch der König bemüht sich bei Gregor immer wieder auch persönlich um eine quantitative und qualitative Verbreiterung seiner Einnahmen, bisweilen mit erheblichen Folgen für die Bevölkerung. Über König Chilperich I. (gestorben 584) berichtet er, dieser habe neue sowie derart harte Grund- und Kopfsteuern eingefordert, daß etliche die Städte des Königs und ihre Güter verlassen hätten und in andere Reiche gezogen seien. Die Abgabenforderung war anscheinend so unerbittlich, daß Gregor kommentiert: „das alles war gar nicht aufzubringen“.25 Auch Abgabenforderungen König Chlothars I. (gestorben 561) an die Kirche zugunsten des königlichen scus thematisiert Gregor.26 Tribute werden den merowingischen Königen nicht nur angeboten. Sie fordern sie auch von sich aus ein.27 Immer wieder erwähnt Gregor den Einzug von Gütern und Besitzungen an den königlichen scus.28 Und nicht zuletzt den kirchenrechtlich eigentlich verbotenen Kauf von Bistümern schildert der Bischof von Tours.29 Wie frei der König mit Geld umgehen kann, so daß er in den Augen Gregors von Tours offensichtlich sogar wie ein Geldhändler Geld verleihen kann, wird an einer Episode über das Bistum Verdun deutlich: Bischof Desideratus von Verdun sah die wirtschaftliche Situation seiner Bischofsstadt mit Sorge. Um der Stadt wieder auf die Beine zu helfen, erbat er vom König einen Kredit und sagte dabei zu, diesen mit den entsprechenden Zinsen wieder zurückzuzahlen. Der König ging auf dieses Verlangen ein und lieh Desideratus 7.000 Goldgulden. Als der Bischof die Summe schließlich zurückerstatten wollte, erwies sich der König als ein guter König, indem er auf das Ansinnen des Bischofs antwortete: „Ich bedarf des Geldes nicht; es genügt mir, wenn dank deiner Verteilung die Armen, die von Not bedrängt waren, durch deine Fürbitte und meine Freigebigkeit Erleichterung gefunden haben“.30 Der König nimmt das Geld nicht an und demonstriert damit, daß er seine Fürsorgepicht wahrnimmt. Und dennoch: Zunächst hatte er sich auf den Kredit eingelassen, der König war zunächst als Kreditgeber aufgetreten. Das Verleihen von Geld ist dem König in der Darstellung bei Gregor somit ohne weiteres möglich. Es hat also per se für den Bischof von Tours keine negative Konnotation. Allein der falsche Einsatz des Geldes wird von ihm gegeißelt. Dazu rechnet Gregor auch das geizige Horten

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von Geldmengen, wie er es Justinus II. vorwirft, dem Nachfolger Kaiser Justinians.31 Zwar gehört der Geiz im weiteren Mittelalter nicht zu den häugen Vorwürfen gegenüber einem ungerechten König,32 doch Geld im Übermaß zu haben, ist für Gregor offenbar keine Qualikation, die ein König besitzen muß. Damit steht Gregor nicht alleine, denn es gibt im gesamten Mittelalter keinen römisch-deutschen König und Kaiser, der als „der Reiche“ bezeichnet wurde, anders als dies etwa bei Herzögen der Fall war, wie beispielsweise bei dem 1503 verstorbenen Herzog von Bayern-Landshut, Georg dem Reichen.33 Für die Könige und Kaiser sucht man eine derartige Titulatur vergebens. Das erstaunt umso mehr, als im gesamten Mittelalter ein bestimmter König als Vorbild galt, der auch von Teilen der mittelalterlichen Historiographie als „äußerst weise und sehr reich“ bezeichnet wurde,34 der sogar bildlich auf der Wiener Reichskrone dargestellt war: Salomon. Auch das Mittelalter kannte die Vorstellung von einem „ungeheuren Reichtum“ Salomons,35 der teilweise auf den Ausführungen im ersten Buch der Könige beruht. Dort heißt es: „So war König Salomo größer an Reichtum und Weisheit als alle Könige auf Erden […]. Und der König brachte es dahin, daß es in Jerusalem so viel Silber gab wie Steine“.36 Damit verfügte das Mittelalter sogar über einen historischen Ideal-König, von dem die Bibel berichtet, daß er unermeßlich reich gewesen sei. Doch wurde dieser Reichtum Salomons wirklich wahrgenommen? Gehörte der Reichtum Salomons – und damit eine positive Konnotation von Reichtum – zum früh- und hochmittelalterlichen Bild Salomons? Einzelne Autoren kennzeichnen Salomon in der Tat auch als sehr reich, doch das ist erstaunlicherweise die Ausnahme. Der Reichtum des Tempelerbauers wurde von der christlichen Tradition rasch verdrängt. Er konnte die Kirchenväter offenbar zu keiner weitreichenden Interpretation anregen. Vor dem 12. Jahrhundert kommentierte unter den namentlich bekannten mittelalterlichen Autoren allein der 856 verstorbene Mainzer Erzbischof Hrabanus Maurus 3. Kg. und die darin enthaltene Stelle über den sagenhaften Reichtum Salomons.37 Dabei zitiert Hrabanus zwar 3. Kg. 10, 23, doch bezieht er sich anschließend allein auf die Weisheit Salomons, die er auch als den einzigen Grund für die Reise der Königin von Saba zu Salomon angibt.38 Auch deren überbordende Schenkungen an Salomon werden kaum thematisiert. Die Reichtümer Salomons scheinen bei mittelalterlichen Autoren auch bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts kein großes Interesse gefunden zu haben. Erst der 1129 gestorbene Rupert von Deutz kommentierte den überbordenden Reichtum Salomons und versuchte, ihn in eschatologischer Perspektive zu erklären.39 Doch ansonsten fand der salomonische Reichtum

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– im Gegensatz zur salomonischen Weisheit – bei den früh- und hochmittelalterlichen Kommentatoren wenig Interesse. Auch der schon behandelte Gregor von Tours ging auf den Reichtum Salomons nicht weiter ein. In seiner Darstellung der Weltgeschichte, die mit Adam und Eva beginnt, kommt er zwar auch auf Salomon zu sprechen, doch führt er explizit aus, dieser habe „seinen Blick nicht auf irdische Schätze“ gerichtet.40 Reichtum war in dieser Perspektive nichts, worum sich ein Herrscher bemühen sollte.

2. K – F  V K L  F Auch die Karolingerzeit blieb bei der eben beschriebenen Perspektive auf das Geld, daß man sich nicht aktiv um Reichtum bemühen solle. Was man als Herrscher zu tun und zu lassen habe, konnte ein regierender Fürst den so genannten Fürstenspiegeln entnehmen, die dem Empfänger die Grundprinzipien guter Herrschaft, ein ganzes Herrschaftsideal nahe bringen wollten.41 Das gilt auch für den nach 855 abgefaßten „Liber de rectoribus Christianis“ aus der Feder des Sedulius Scottus, der sein Werk Lothar II. (gestorben 869) widmete.42 Dort führt Sedulius Scottus aus, daß göttliche Gerechtigkeit „den gerechten und heiligen Staatslenkern in dieser Welt vielfache Genugtuung, Überuß an Reichtum, Ruhm des Kriegstriumphes, ungestörte Ruhe des Friedens, prächtig geartete Nachkommenschaft, viele glückliche Jahre und in der Zukunft das ewige Reich im Himmel“ schenke.43 Mit anderen Worten: Neben Frieden, Ruhm und prächtiger Nachkommenschaft wird auch der Überuß an Reichtum als ein Geschenk Gottes an einen gerechten Staatslenker dargestellt. Der Herrscher soll sich nicht selbst um Reichtum bemühen, wofür Sedulius Scottus Salomon als Vorbild anführt. Dieser „bat nicht um Gold, um Silber, um andere irdische Schätze, sondern die Kleinodien der Weisheit erbat er vom Herrn“.44 Damit bezieht er sich auf 1. Kg. 3, 1-14. Dort wird geschildert, wie Salomon von Gott die Möglichkeit erhält, sich zu wünschen, was er wolle. Doch Salomon wählt nicht Macht, Gold und Reichtum oder langes Leben, sondern Weisheit, worauf Gott ihm Weisheit und Reichtum verleiht. Der Reichtum Salomons war folglich nichts, worum sich dieser König aktiv bemüht hatte, sondern ein Geschenk Gottes – und dies sollte dem Herrscher als Vorbild dienen. Gleichwohl war der Reichtum auch Ausdruck dessen, daß Gott Salomon erwählt hatte. Hinweise auf den Umgang mit Geld und Vermögen für den Herrscher nden sich im gesamten weiteren Fürstenspiegel nicht mehr – nur

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zum Thema Frauen und Geld gibt Sedulius Scottus noch Hinweise, die auch den Herrscher direkt betreffen: „Eine schlecht geartete Frau bedeutet Ruin des Hauses, Verschleuderung des Reichtums, Sättigung der Taugenichtse, Verweilort aller Schlechtigkeit und Laster“.45 Doch auch die Mehrung des Reichtums ist bei Sedulius weiblich: „Eine keusche und kluge Frau [. . . ] hält den Besitz, der ihrem Mann gehört, ehrenhaft zusammen. [. . . ] Sie wird zur Mehrung des Besitzes, zum Schutz des Hauses, zum Ergötzen ihres Mannes, zur Zierde der ganzen Familie, zur Verknüpfung aller Tugenden“.46 Besitz und Geld sind nach Sedulius der weiblichen Sphäre zugeordnet – und bei der Reihenfolge der von ihm aufgezählten weiblichen Eigenschaften steht nicht die Tugend an erster Stelle, sondern die Mehrung des Besitzes.47 Kurzum, Geld spielt in diesem Fürstenspiegel keine Rolle – und damit steht Sedulius nicht allein. Geld wird lediglich in Zusammenhang mit Almosengeben thematisiert. Zwar wird Salomon erwähnt, doch vor allem dessen Weisheit betont, die der König anstreben soll, Reichtum wird als Folge wahrer Gottesfurcht dargestellt – auch dies ist ein allgemeiner Zug der Spiegelliteratur dieser Zeit. Wirtschaften gehört zumindest bei Sedulius in die weibliche Sphäre. Das sah auch Hinkmar von Reims so, der die Kammer am königlichen Hof in seiner Schrift „De ordine palatii“ der Aufsicht der Königin unterstellte.48 Das Ideal des karolingischen Königs – und das ist es, was die Fürstenspiegel zeichnen – hat mit Geld nichts zu tun. Doch wie sieht das Bild in der hofnahen Historiographie aus? Entspricht es den Idealen der Fürstenspiegel? Das Beispiel der Viten Ludwigs des Frommen bietet sich dazu an, da hier mehrere Viten ein und desselben Herrschers vorliegen.49 Zunächst werde ich die bald nach dem Tod Ludwigs des Frommen im Jahre 840 entstandene „Vita Hludowici imperatoris“ des Astronomus behandeln und dann die noch zu Lebzeiten des Kaisers entstandenen „Gesta Hludowici imperatoris“ aus der Feder Thegans. Der Astronomus thematisiert Geld in Form von klingender Münze nicht. Häug werden hingegen Geschenke genannt, die der Kaiser vergibt oder die er erhält, als Zeichen seiner herausgehobenen Stellung. Diese Geschenke bedurften einer materiellen Grundlage, doch diese wird kaum thematisiert. Eine Ausnahme bildet hier lediglich eine kurze Episode aus der Zeit Ludwigs als Unterkönig in Aquitanien. Im sechsten Kapitel führt der Astronomus dort aus: „Als er [Ludwig] zu Beginn des Frühlings vom Vater entlassen wurde, fragte ihn dieser, wieso er sich, da er doch König sei, in so engen Vermögensverhältnissen befände, daß er [dem Vater], außer auf Befehl, kein Geschenk machen könne, und erfuhr von ihm: Weil die Großen alle nur an ihre Privatinteressen dächten, das staatliche Interesse jedoch vernachlässigten, sei er

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– während das Königsgut zum Privateigentum gemacht werde – in Umkehrung der Verhältnisse nur dem Namen nach Herr, in Wirklichkeit aber fast ohne Mittel“.50 Es ist die einzige Stelle der gesamten Vita, in der ein Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums und einer adäquaten Repräsentation des Königs hergestellt wird. Doch als Kaiser wird Ludwig in seiner Vita nicht mehr mit den wirtschaftlichen Belangen seines Königreichs in Verbindung gebracht, Tributzahlungen werden allgemein an die Staatskasse (arca publica) gezahlt,51 als Folge der Taten Ludwigs. Dieser selbst kommt mit dem Geld nicht direkt in Berührung. Zwar verwendet der Astronomus durchaus Bilder der Vermögensverwaltung und -mehrung, wie sie in Matthäus 25, 14-30 vorgeprägt sind. Dort geht ein Mann auf Reisen und teilt sein Vermögen unter seinen drei Dienern auf, indem er sie beauftragt, es zu bewahren und zu mehren. Doch überträgt der Astronomus das Bild vom Pfund, das hier dem Diener anvertraut wird, auf die geistigen Fähigkeiten Ludwigs des Frommen.52 Kurzum: Geld und König wollen beim Astronomus so recht nicht zusammenpassen – daß genügend Geld vorhanden ist, wird schlichtweg vorausgesetzt. Bei Thegan kommt Ludwig hingegen an einigen Stellen mit Geld in Berührung, doch nicht beim Empfang von Geldern, sondern allein bei deren Verteilung. Das gilt einmal für die Almosen, die der Kaiser an etlichen Stellen der Gesta vergibt, ohne daß Münzen konkret genannt werden. Ludwig spendet reichlich, auch als Bußleistung, etwa nach dem Tod Bernhards von Italien, der den Folgen seiner Blendung auf kaiserlichen Befehl erlegen war. Auch direkt nach seinem Herrschaftsantritt verteilt Ludwig bei Thegan Vermögenswerte: „Er ließ sich in der genannten Pfalz nieder und befahl nachdrücklich, ihm umgehend alle Schätze des Vaters an Gold, Silber, wertvollen Edelsteinen und allem Hausrat vorzuzeigen. Er gab seinen Schwestern den ihnen rechtmäßig zustehenden Anteil, und den Rest verwendete er für das Seelenheil seines Vaters: Den größten Teil des Schatzes schickte er nach Rom, zur Zeit des seligen Papstes Leo, und alles, was darüber hinaus geblieben war, verteilte er an die Priester und Armen, die Fremden, Witwen und Waisen. Er behielt nichts als einen silbernen Tisch, der dreiteilig in der Art von drei miteinander verbundenen Schilden ist; diesen behielt er aus Liebe zum Vater für sich, löste ihn gleichwohl aus mit einem anderen Wertgegenstand, den er für das Seelenheil des Vaters hingab“.53 Die Verteilung des königlichen Schatzes wird bei Thegan als die Erfüllung des väterlichen Testamentes dargestellt. Doch Ludwig erweist sich durch die Testamentsvollstreckung nicht nur als getreuer Sohn, sondern dürfte durch die Verteilung der Mittel auch Loyalitäten geschaffen

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haben, die ihm den Amtsantritt erleichterten. Geld als Mittel der Politik scheint hier – wenn auch nur schwach – durch die Folie der Erzählung durch. Daß es jedoch ein unheilbringendes Werkzeug sein kann, thematisiert Thegan an anderer Stelle, als er die Rolle Ebbos von Reims beim Sturz Ludwigs des Frommen schildert. Thegan beschreibt Ebbo, gelinde gesagt, nicht unbedingt als der Tugend höchste Entwicklungsstufe, schreibt ihm Falschheit, Habgier, Verlogenheit, Ruchlosigkeit und ähnliches zu.54 Seine Tiraden gegen Ebbo gipfeln schließlich in der Anschuldigung: „Dieser verriet um Gold sein Land [. . . ] und für Geld erließ er und tilgte Gesetze“.55 Auf der Suche nach Geld wird man hier endlich fündig, auch wenn Thegan selbst verrät, daß es sich dabei um ein Zitat aus dem 6. Buch der Vergil’schen „Aeneis“ handelt.56 Thegan hat insgesamt wenig zum Thema Königtum und Geld in der Historiographie beizutragen – immerhin können wir bei ihm jedoch Geld als den Gipfel des Bösen fassen, mit dem Menschen zu verderblichem Tun gebracht werden. In den karolingerzeitlichen Beispielen kam Geld somit weder in den Fürstenspiegeln noch in der hofnahen Historiographie eine größere Bedeutung zu, außer in Zusammenhang mit Almosen und Tributen. Das gilt in groben Zügen für die gesamte zeitgenössische Geschichtsschreibung. Zwar vergleicht Regino von Prüm in seiner 908 abgeschlossenen Chronik Karl III. mit Karl dem Großen und führt dabei aus, daß Karl III. allen Königen nach dem ersten abendländischen Kaiser an Majestät, Macht und Besitz (divitiae) voranstehe.57 Doch bleiben solche Ausführungen eher die Ausnahme. Der Zukunft gehört zumindest im römisch-deutschen Reich eher die Charakterisierung Ludwigs des Deutschen durch Notker Balbulus in seinen 887 abgebrochenen „Taten Karls des Großen“. Notker führt aus, daß Ludwig Waffen mehr als Gastmähler, Eisen mehr als Gold geliebt habe.58 Auffällig ist trotz des Beispiels aus der Feder Reginos, daß der König – der bei Gregor von Tours durchaus immer wieder auch selbst Geld in die Hand genommen, der Geld auch als politisches Mittel eingesetzt hatte – nun nicht mehr persönlich mit Geld in Berührung kam. Entspricht dies der Realität, oder hat sich aber vor allem das Bild vom König so geändert, daß der König in der Darstellung der Historiographie mit Geld nicht mehr in Berührung kommen durfte? War es schlicht nicht mehr sagbar, daß sich der König persönlich um Geldangelegenheiten kümmerte? Lag es etwa an einer negativen Konnotation von Geld und einer zunehmenden Verchristlichung der Königsvorstellungen? Konnte der vicarius Christi – der Stellvertreter Christi, wie sich die Könige und Kaiser des römisch-deutschen Reiches bezeichneten59 – Geld nicht mehr aktiv in die Hand nehmen, da es nicht den Vorstellungen von einem guten, von einem gut christlichen König entsprach?

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3. S – W „T K K II.“ Verfolgen wir die Entwicklung des Themengebietes Geld und König in der Historiographie weiter, um diesen Fragen nachzugehen. Wie sieht es etwa in der frühen Salierzeit aus? Dazu eignen sich besonders die 1047 abgeschlossenen „Gesta Chuonradi“ aus der Feder Wipos, der als Mitglied der königlichen Hofkapelle herrscherliches Handeln hautnah miterlebt hatte.60 Zugleich war er an der Erziehung Heinrichs III. (gestorben 1056) beteiligt und damit nicht nur ein Betrachter, sondern auch in die Praxis der Königsherrschaft involviert. Die „Gesta Chuonradi“ widmete er Heinrich III. mit folgendem Hinweis: „Dir bringe ich die Taten des Vaters dar: beim Planen deiner so herrlichen Unternehmungen sollst du zuvor stets wie in einem Spiegel deines Vaters Tugenden betrachten“.61 Die Darstellung der Taten Konrads II. (gestorben 1039) sollte dem Thronfolger für seine eigene Regierung als Wegweiser dienen. Sie entspricht damit funktional in Teilen den Fürstenspiegeln. Kommt in diesem Wegweiser nun Geld vor – und wenn ja, kommt es mit dem König in Verbindung? Geld wird bei Wipo ebenso wie in den 200 Jahre zuvor entstandenen Ludwigsviten so gut wie gar nicht thematisiert. Die wenigen Ausnahmen sind rasch genannt: So forderte Konrad II. von den Liutizen Tribute ein.62 Das eingetriebene debitum scale ist jedoch kaum als ein fester Posten des Staatshaushalts oder als Zeichen königlicher Finanzkraft aufzufassen. Bei Wipo erscheint es denn auch vor allem als ein Zeichen königlicher Stärke, die grundsätzlich auch über die Grenzen des Reiches hinaus reichte. Ein einziges Mal setzt Konrad bei Wipo Geld ein: Als einer seiner Ritter bei seinem Italienzug 1026 am Bein verletzt worden ist, versucht der König, den erlittenen Verlust durch Geld zu kompensieren: „Der König ließ seine Lederstiefel bringen, beide mit Münzen füllen und auf das Lager neben den verletzten Ritter stellen“.63 Ansonsten ist die Wertung des Geldes in Zusammenhang mit dem König durchgehend negativ. So wird die Vergabe des Bistums Basel an Ulrich gegen Geld von Wipo als simonistische Häresie gebrandmarkt. Zum weiteren Verhalten des Königs führt er aus: „doch verpichtete sich der König später reumütig durch ein Gelübde, fernerhin für kein Bistum und keine Abtei mehr Geld anzunehmen, und er ist diesem Gelübde auch leidlich treu geblieben“.64 Um auch keinen Zweifel am richtigen Verhalten eines Königs aufkommen zu lassen, fügt Wipo ferner hinzu, daß Heinrich III. niemals auch nur den kleinsten Betrag für ein geistliches Amt angenommen habe, wodurch er Konrads Verhalten diskreditiert. Kommt der König bei Wipo selbst zu Wort, lassen seine Äußerungen nichts an Deutlichkeit vermissen. Wipo legt Konrad II. vor dessen Erhe-

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bung bei der Wahl in Kamba eine Rede in den Mund, die erwartungsgemäß auf die Qualikation eines Königs zu sprechen kommt: „Und wir dürfen nämlich nicht glauben, daß wir unsere Verwandten an Adel oder Reichtum übertreffen“.65 Geld ist damit nach Wipo nichts, was für das Königtum qualiziert.66 Entscheidend seien vielmehr die Taten und Tugenden der Kandidaten. Der aktive Einsatz von Geld kommt einem idealen König nach Wipo nicht zu. Als Konrad II. sein gefangengenommener Gegner Mieszko II. von Polen gegen ein Lösegeld angeboten wird, entrüstet sich der Salier ostentativ über die Offerte: „Ein so schändliches Abkommen lehnte der Kaiser aber mit der Erklärung ab, er wolle seinen Feind nicht einem Feind abkaufen“.67 Mit dem polnischen Herrscher hatte Konrad eine erbitterte Auseinandersetzung geführt. Diesen Konikt dadurch zu beenden, daß er mit Hilfe von Geldeinsatz seines Gegners habhaft wurde, lehnte der Salier jedoch ab, da ein derartiges Vorgehen schändlich (sceleratum) sei. Geld wird von Wipo als etwas Schlechtes dargestellt, mit dem Häresien begangen werden oder schändliche Verbrechen. Es qualiziert nicht zum Königtum. Sein Einsatz ist nach Wipo kein legitimes Herrschaftsmittel – außer zur Linderung von Schaden, wie das Beispiel des verwundeten Ritters zeigt. Werfen wir kurz einen vergleichenden Blick auf weitere nordalpine Quellen des 11. Jahrhunderts: Auch in den etwa zeitgleich zu Wipos Gesta entstandenen Annalen des Reichenauer Mönches Hermann (gestorben 1054) wird Geld so gut wie nicht thematisiert, lediglich zwei Tributforderungen werden erwähnt, Königtum und Geld weisen keine Berührungspunkte auf. Auffällig ist bei Hermann jedoch, daß er im Eintrag zum Jahr 1046 den damals verstorbenen Markgrafen Ekkehard II. von Meißen als ditissimus kennzeichnet, das heißt als „sehr reich“.68 Geld und Reichtum waren für Hermann also eine Kategorie, die er gezielt wahrnahm und die er auch zur positiven Kennzeichnung von Personen einsetzte. Und damit stand Hermann von Reichenau nicht alleine. Es lassen sich etliche weitere Beispiele anführen, in denen Adelige, Grafen oder Markgrafen auch bereits im 11. Jahrhundert als ditissimus charakterisiert wurden. Ihre Charakterisierung als „sehr reich“ war insofern möglich, als Geld in diesem Zusammenhang offenbar nicht negativ konnotiert war, sondern im Gegenteil die so gekennzeichneten Personen als vorzüglich zu charakterisieren vermochte. Für die römisch-deutschen Könige kam eine derartige Kennzeichnung jedoch nicht in Frage, wenn ihre positiven Eigenschaften hervorgehoben werden sollten. Derartige Epitheta waren in den Augen der hofnahen Historiographen des 11. und 12. Jahrhunderts für den römisch-deutschen König offenbar ungeeignet. Wipo bringt mit der Rede Konrads II. in Kam-

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ba einen über seine eigene Zeit hinaus wirkmächtige Vorstellung vom römisch-deutschen Königtum zum Ausdruck: Adel und Reichtum gehören nicht zu denjenigen Elementen, durch die sich der König von anderen Adeligen unterscheidet. Beides hat er nach Wipo mit den anderen Adeligen gemein. Und genau diese beiden Elemente hebt auch die Historiographie seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zur Auszeichnung einzelner Protagonisten häuger hervor.69 So führt beispielsweise die in just jener Zeit entstandene Vita des Bischofs Gebhard II. von Konstanz (gestorben 995) aus, daß er von äußerst adeligen und reichen Eltern abstammte.70 Die Erwähnung des Reichtums dient in der Vita des seit 1134 als heilig geltenden Gebhard dazu, ihn im positiven Sinne hervorzuheben. Geld und Reichtum sind hier folglich sehr positiv konnotiert. Doch derartige Wertungen lassen sich für das römisch-deutsche Königtum in der hofnahen Historiographie nicht nden. Man möchte geradezu sagen, sie unterscheiden den König von seinen ehemaligen Standesgenossen. Daß es in der hoffernen Historiographie auch andere Vorstellungen gegeben hatte, zeigt ein Wahlbericht zur Wahl Lothars III. im Jahre 1125 in Mainz. Der allein in einer Handschrift überlieferte Text, dessen Autor wir nicht mit Sicherheit kennen, beschreibt auch die Kriterien, die zur Auswahl der drei Thronkandidaten für die Wahlversammlung in Mainz geführt habe: Unter allen anderen seien sie „an Reichtum wie an Tugend des Geistes herausragend“ gewesen.71 Wipo hatte noch deutlich gemacht, daß Reichtum nicht zum königlichen Amt qualiziere, sondern daß es Taten und Tugenden seien. Hatte sich die Situation siebzig Jahre später so grundlegend verändert? Doch vielleicht ist der Text nicht im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts, sondern erst um 1160 entstanden,72 mithin nicht unmittelbar nach der Wahl Lothars III. – dann wäre er Zeugnis für ein gewandeltes Verständnis der königlichen Eigenschaften in der Barbarossazeit. Unabhängig vom konkreten Entstehungszeitpunkt ist für die Bewertung entscheidend, daß es sich um eine Quelle handelt, die nicht aus dem näheren Umfelds des Kaisers stammte und daher auch andere Tugenden des zukünftigen Kaisers einforderte.

4. S – O  F   „G F“ Folgt man der hofnahen Historiographie, so setzte sich zunächst die Perspektive Wipos durch, bis zu Otto von Freising (gestorben 1158) und den bis zu seinem Todesjahr geführten „Taten Kaiser Friedrichs I.“. Ottos Werk gilt der mediävistischen Forschung als zentrale Quelle zur Geschichte des ersten Stauferkaisers. Zudem kannte und benutzte er Wipos

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„Gesta Chuonradi“. Ebenso wie Wipos „Gesta“ sind auch Ottos „Gesta“ dem regierenden Kaiser gewidmet, stellen herrscherliches Handeln in den Vordergrund und haben den Herrscher selbst als Adressat des Werkes.73 Geld wird bei Otto wesentlich häuger erwähnt als bei Wipo. Geld kam also in der Welt des 12. Jahrhunderts eine andere Bedeutung zu als noch im 11. Jahrhundert. Bereits der dem Werk vorangestellte Brief Friedrich Barbarossas (gestorben 1190), in dem der Kaiser seine Taten selbst zusammenfaßt, erwähnt Geld. Der Staufer berichtet, daß die Byzantiner ihm „eine unermeßliche Summe Geldes“ angeboten hätten, um den sizilischen König Wilhelm zu bekriegen.74 Damit ist die Rolle des Geldes als Herrschaftsmittel durch ein königliches Dokument thematisiert. In Ottos Darstellung dient Geld den Byzantinern dazu, Parteiwechsel herbeizuführen, als sie etliche Fürsten Unteritaliens gegen den sizilischen König auf ihre Seite ziehen.75 Und so ließ Otto auch den ungarischen König bei Auseinandersetzungen mit Heinrich V. (gestorben 1125) vorgehen.76 In beiden Fällen handelte es sich um Feinde des römisch-deutschen Königs. Otto thematisiert zwar den Einsatz von Geldmitteln zur Herrschaftsausübung, doch nur am Beispiel anderer Herrscher, nicht des römisch-deutschen Königs. Auf dieser Linie liegt es auch, wenn Friedrich Barbarossa in der Darstellung Ottos auf einen Versuch der Mailänder, die Huld des Königs durch Geldversprechen wieder zu erlangen, mit Zorn reagiert: „Eine [. . . ] Ursache dieser Erbitterung [des Königs] war, daß [. . . ] sie [. . . ] sogar versuchten, seinen Edelmut und seine bisherige Unbestechlichkeit durch Geld wankend zu machen und zu verführen, ihre Ungerechtigkeit gutzuheißen“.77 Geld und der gerechte König gehören nach dieser Darstellung nicht zusammen. In dieser Logik erklärt es sich von selbst, daß Barbarossa auf das Angebot der Mailänder nicht eingeht. Otto ist klar, daß Geld eine entscheidende Rolle in der königlichen Herrschaft des 12. Jahrhunderts spielt. Dies stellt er auch dar, und darin unterscheidet er sich deutlich von Wipo. So erklärt Otto zu den Italienzügen „[. . . ] daß die Könige, wenn sie beschlossen haben, nach Italien zu ziehen, einige erfahrene Männer aus ihrer Umgebung vorausschicken, die durch die großen und kleinen Städte reisen und das, was dem königlichen Fiskus (scus) zusteht, von den Einwohnern Fodrum (fodrum) genannt, eintreiben sollen.“ Und er berichtet auch, daß die Spoletaner ihren Zahlungen nicht nachgekommen wären und ihre Stadt deswegen angegriffen und zerstört worden sei. Geld wird daher nicht ausgeblendet, seine politische Dimension vielmehr explizit thematisiert. Doch so oft der Kaiser bei Otto mit dem Schwert in der Hand in den Krieg zieht, nie wird der König bei ihm di-

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rekt mit der Eintreibung von Geldern in Zusammenhang gebracht – bis auf drei Ausnahmen: Konrad III. (gestorben 1152) versuchte auf dem Kreuzzug, durch die Bereitstellung von Geldmitteln sein Heer zu vergrößern.78 Friedrich Barbarossa verhängte gegen die ehemaligen Feinde Konrads III. eine Geldstrafe79 und sammelte eine Kollekte ein, mit deren Hilfe die von seinem Heer angerichteten Schäden in der Nähe des Gardasees gemildert werden sollten, „obwohl die Notlage eine Entschuldigung zu bieten schien“.80 Wird man die Geldstrafe als eine Handlung des Königs als Richter werten müssen, so handelt es sich bei den beiden anderen Schilderungen um ganz spezische Situationen. Von anderweitigen Ausgaben des Königs erfahren wir nichts. Das erstaunt umso mehr, als Abgaben bei Otto immer wieder erwähnt werden. Er führt sogar aus, daß es am Hof ein Gesetz gebe, „daß jeder aus dem Stande der Fürsten, der sich den Zorn seines Kaisers zuzieht und eine Buße zahlen muß, hundert Pfund verwirkt hat, die übrigen Männer geringeren Standes, Edle, Freie und Ministerialen, zehn“.81 Derartige Details hält Otto für mitteilenswert, doch über die Ausgaben des Kaisers erfahren wir – abgesehen von Geschenken – so gut wie nichts. An herausragenden Stellen, an denen der Kaiser auch selbst zu Wort kommt, schildert Otto hingegen die Weigerungen Barbarossas, Geld zu zahlen. Als die Veroneser vom Kaiser für den Durchzug durch die Veroneser Klausen einen Tribut fordern, läßt Otto den Staufer sagen: „Hart ist diese Bedingung, hart ist es für einen Kaiser, einem Räuber Tribut zu zahlen“.82 Noch deutlicher ist Barbarossas Antwort auf das Angebot der Römer, ihm gegen eine Geldzahlung die Kaiserkrone zu verschaffen: „Du behauptest, daß ich dir für meine Person einen Eid hinsichtlich einer gewissen Geldsumme leisten muß. Von deinem Fürsten, Rom, forderst du, was eher ein Marketender von einem Krämer fordern sollte“.83 Die Aussage ist klar: Der König läßt weder mit sich schachern noch bezahlt er etwas in dem Sinne, daß er für eine denierte Leistung eine zuvor verabredete Summe übergibt. Mit einem derartigen Geldeinsatz hat ein römisch-deutscher König in den Augen Ottos von Freising nichts zu tun. Diese Auffassung sowie Ottos Gegenkonzept der Tat und Tugend werden am deutlichsten bei den blutigen Auseinandersetzungen in Rom, die auf die Kaiserkrönung Barbarossas folgten. Hier läßt der Freisinger den Kaiser in Bezug auf das Angebot, die Krone zu kaufen, nochmals zu Wort kommen: „Empfange jetzt, Rom, statt arabischen Goldes deutsches Eisen! Das ist das Geld, das dir dein Kaiser für deine Krone zahlt. So wird von den Franken die Kaiserkrone gekauft“.84 Diese markigen Worte stellen natürlich genauso wie die Antwort Barbarossas auf das römische Angebot eine literarische Konstruktion Ottos dar. Doch sie führen deutlich vor Augen, was Geld und der ideale Kö-

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nig in Ottos Augen gemeinsam haben: nichts. Obwohl Otto wesentlich ausführlicher als Wipo den Gegenstand Geld thematisiert und erstaunliche Details (wie die Abgabe von 100 Pfund, wenn ein Fürst den Zorn des Kaisers erregt habe, obwohl Geldzahlungen anderer Herrscher erwähnt werden, obwohl Otto von Freising sogar einen Brief Konrads III. in seine „Gesta“ einfügte, in welchem der König selbst den Raub von Geldeinnahmen, die dem Reich zustehen, als eine Schande des Reiches bezeichnet)85 aufbietet – trotz dieser im Vergleich zu Wipo gewandelten Darstellung des Geldes allgemein, welche die veränderte Bedeutung des Geldes für das Königtum widerspiegelt, ergibt sich hinsichtlich der Person des Königs und seines Umgangs mit Geld eine erstaunliche Konstante. Bei beiden Autoren gibt der Herrscher nie persönlich Geld aus, außer um Situationen – für die er nicht einmal unmittelbar verantwortlich ist – zu mildern. Geld ist kein Herrschaftsmittel. Wie bei Wipo, so sind es auch bei Otto von Freising Taten und Tugenden, die den König auszeichnen, und wie bei Wipo wird die ablehnende Haltung des Königs zum aktiven Geldeinsatz vor allem in direkten Äußerungen des Herrschers deutlich. Es ist kein Zufall, daß Wipo und Otto den Herrscher hier selbst zu Wort kommen lassen und damit ihren Ausführungen das volle Gewicht authentischer kaiserlicher Autorität verleihen wollen. Otto hält das bei Wipo faßbare Konzept aufrecht, umgibt die Person des Kaisers gleichsam mit einer Schutzzone, so daß ein direktes Zusammenwirken von König und Geld nicht thematisiert wird. Vor allem wird Geld nie als Mittel der Politik dargestellt. Oder sollte man sagen, einer guten Politik? Beide Autoren, Wipo und Otto, waren hofnahe Historiographen. Sie zeichneten weiter an dem Bild, das in der Karolingerzeit entstanden war: Der König handelt, beschützt, verteidigt, behütet die Kirche und wahrt den Frieden.86 Der Einsatz von Geldmitteln ist offenbar keine Darstellungsoption. Es ist der hofnahen Historiographie aufgrund des von ihr immer wieder aufs Neue produzierten Herrschaftsideals, das eine lange Traditionslinie bewahrt, nicht möglich, den König wie einen Kaufmann mit Geld handelnd darzustellen – wie es Gregor von Tours noch konnte. Die Mehrung des Staatshaushaltes, des königlichen Haushaltes, war kein Teil der Herrschertugenden. Und auch der Einsatz von Geld war schlichtweg nicht darstellbar. Außerhalb der hofnahen Historiographie war dies im 12. Jahrhundert durchaus möglich, wie der Bericht zur Wahl Lothars III. zeigt. Doch auch der Einsatz von Geldmitteln durch den König, der Kauf von Objekten, kann hier positiv dargestellt werden. So bezeichnet etwa die um 1170 entstandene „Historia Welforum“ Barbarossa als „weisen und vorausschauenden Mann“,87 da er seinem Onkel, Welf VI. (gestorben

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1191), Besitzungen durch erhebliche Geldsummen abkaufte. Derartige königliche Verhaltensweisen blieben in der hofnahen Historiographie unsagbar – oder vielleicht sollte man besser sagen, in der nordalpinen hofnahen Historiographie. Daß die Verhältnisse in Italien in der Mitte des 12. Jahrhunderts schon ganz anders lagen, verdeutlicht der Vergleich königlichen Verhaltens in nordalpiner und südalpiner Darstellung. Die Veroneser hatten die Klausen gesperrt und Barbarossa am Durchzug durch die Alpen gehindert. Friedrich I. brach den Widerstand jedoch und bestrafte die Veroneser für ihr Verhalten. Nach Rahewin, der die „Gesta Friderici“ fortsetzt, habe Barbarossa fünfhundert Veroneser aufhängen lassen, und „jenen Unglücklichen nützte es nichts, daß sie viel Geld versprachen, wenn sie am Leben gelassen würden“.88 Hier nimmt der Kaiser das Geld nicht an, sondern erscheint in der Rolle des strengen Richters, der das Majestätsverbrechen der Veroneser ahndet. Der aus Lodi stammende Chronist und Laie Otto Morena, der bei der Darstellung der Ereignisse durchaus auf der Seite Barbarossas stand, stellt die Ereignisse hingegen etwas anders dar. Die Zahl der Bestraften ist zwar in etwa gleich, wobei bei Otto Morena zweihundert Verurteilen die Nasen abgeschnitten, zweihundert an Bäumen aufgehängt und nochmals zweihundert in schwere Ketten gelegt werden. Doch anders als bei Rahewin heißt es dann: „Doch diejenigen unter den Gefangenen, die dem Kaiser selbst ein stattliches Lösegeld zahlten, entließ er aus dem Kerker“.89

5. R Über Staatsverschuldung im eigentlichen Sinne berichten die behandelten Quellen im Grunde nichts. Sie bemühen sich nicht darum, das königliche und kaiserliche Handeln in einen nanziellen Handlungsrahmen einzupassen. Das hängt zum einen mit der im Vergleich zum Spätmittelalter oder anderen Königreichen Europas real geringeren Bedeutung des Geldes für die Herrschaft des römisch-deutschen Königs zusammen,90 doch zum anderen auch mit einer Vorstellung vom Königtum, in der Geld, seine Beschaffung oder sein gezielter Einsatz im Sinne einer Bezahlung so gut wie keine Rolle spielen. Gregor von Tours zeigt noch ein offenes Verhältnis zum Thema Geld. Er läßt die von ihm beschriebenen Könige Geld in die Hand nehmen, es als politisches Mittel einsetzen – sie können sogar als Kreditgeber in Erscheinung treten. Die Historiographie beschreibt oft genug vor allem, wie es gewesen sein sollte, weniger, wie es war. Und im Falle der Merowingerkönige und ihrer Darstellung aus der Perspektive des Bischofs

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von Tours wird man zwar noch sagen können, daß sie sich durchaus nanziell engagieren sollten und daß es kein Problem schuf, dies auch darzustellen. In der Karolingerzeit aber sieht das schon anders aus. Geld wird generell so gut wie nicht erwähnt, der König kommt damit nicht mehr in Kontakt. Das Bild vom König hat sich von den Merowingern zu den Karolingern in Hinblick auf das Thema Geld deutlich gewandelt. Das dürfte seine Ursachen nicht allein in der stärkeren gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung auf die Naturalwirtschaft haben, sondern in Hinblick auf die Historiographie vor allem auf gewandelte Vorstellungen vom König zurückgehen. Die zunehmend christliche Aufladung des königlichen Amtes machte es den zeitgenössischen Verfassern offenbar schwer, den König in Situationen zu beschreiben, die diesem Ideal nicht entsprachen. Daß die königsnahe Historiographie bereits in der Karolingerzeit in Hinblick auf das Geld eine Tabuzone um den König aufbaute, macht deutlich, daß die Wurzeln für eine negative Wertung des Geldes nicht erst im Investiturstreit und in den Auseinandersetzungen um den Ämterkauf zu suchen sind. Wipo bleibt bei der in der Karolingerzeit zu fassenden Idee, daß der König mit Geld nicht in Verbindung gebracht werden sollte. Der König kaufte nichts, der König bezahlte nichts – der ideale König schenkte. Dieser Linie bleibt auch Otto von Freising treu, doch wirkt er dabei schon antiquiert, wenn man die Äußerungen anderer Historiographen seiner Zeit betrachtet. Otto hält in seiner Darstellung die Idee eines Königs als Wahrer des Reiches durch Taten und Tugenden aufrecht – daher spielen die nanziellen Grundlagen der stauschen Herrschaft bei ihm auch so gut wie keine Rolle. Und erst jetzt, in der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde es möglich, daß auch prokaiserliche (oberitalienische) Quellen beschreiben, daß der Kaiser Geld nahm, sich bezahlen ließ. Doch dabei ist ohne Frage die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Quellen aufgrund ihres lokalen Erfahrungsraumes entscheidend. Der oberitalienische Erwartungshorizont, der durch den alltäglichen Umgang mit Geld und einer zunehmend auch kaufmännisch geprägten Geldwirtschaft entstand, machte in der Darstellung des oberitalienischen Laien Otto Morena vieles über Geld auch in Zusammenhang mit dem König sagbar, was offenbar den nordalpinen – zumeist von Klerikern verfaßten Quellen – nicht möglich war. Das ist nicht erst eine Entwicklung des 12. Jahrhunderts, sondern etwa auch am Beispiel der Papsterhebung in der Mitte des 11. Jahrhunderts bereits deutlich zu erkennen: Während die nordalpinen Quellen kaum etwas über Geldnöte oder gar die Verteilung von Geldern unter den Römern zu Erzeugung von Loyalitäten berichten, wird dieser Umstand in den „Annales Romani“ als ein ganz normales Vorgehen geschil-

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dert. Auch das wird man in Hinblick auf die Aussagekraft der nordalpinen Quellen berücksichtigen müssen. Daß das Thema Königtum und Geld Einblicke weit über wirtschaftsgeschichtliche Aspekte hinaus ermöglicht, erhellt schon aus diesen ersten Forschungen. Doch die Zeiten änderten sich auch nördlich der Alpen, und so war es Heinrich VI. möglich, für den gefangengenommenen englischen König Richard Löwenherz die enorme Summe von 100.000 Silbermark – die gewaltige Menge von über elf Tonnen Silber – als Lösegeld zu fordern, ohne daß die Historiographie im Reich deutlich zu verstehen gegeben hätte, daß diese Form der Geldbeschaffung den Idealen eines Königs nicht entsprach.91

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Arne Karsten Immobilienblasen am Petersplatz: Staatsverschuldung und Statusbehauptung im päpstlichen Rom des 17. Jahrhunderts „Niemand sollte gezwungen sein, in feuchten und stinkenden Unterkünften zu schlafen, in unschicklicher Gesellschaft, auf den Schlachtbänken der Fleischer oder dem blanken Fußboden einer Kirche oder eines Geschäfts. Und kein Ehrenmann, erst recht kein bei Hofe eingeführter, sollte sich in einer feuchten Kammer im Erdgeschoß wiedernden, zur Straße hin, oder in einem absurden Loch, unter den nackten Dachsparren, voller Risse und bevölkert von Spinnen, Mäusen, Skorpionen und Eidechsen“.1 Aus der Denkschrift, mit der sich Lorenzo Pizzati an Papst Alexander VII. Chigi (1655-1667) wandte, sprach Ernst und Wut und wohl auch persönliche Verzweiflung. Hätte Pizzati diese Denkschrift nicht verfaßt, wir wüßten vermutlich nichts über ihn. Aus durchaus achtbarer Familie stammend, hatte er es der Empfehlung seines Onkels und dessen Verbindungen zur Kurie zu verdanken gehabt, gleich zu Beginn der Herrschaft Alexanders VII. ein kleines Amt im Umfeld des päpstlichen Hofes zu erhalten. Doch nach vier Jahren verlor er es aus unbekannten Gründen wieder. Jedenfalls überschüttete er die päpstlichen Amtsstuben daraufhin mit Bewerbungen auf Posten aller Art. So vielfältig die Aufgaben waren, denen er sich gewachsen fühlte, so gering war offenbar das Vertrauen anderer in seine Fähigkeiten. Denn es hagelte Absagen. Und so ging der zunehmend frustrierte Pizzati daran, sich grundlegend über das Alltagsleben im barocken Rom zu äußern – in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Latein zwar, aber dafür in umfassender Form und vor allem: aus echter, leidvoller, persönlicher Erfahrung heraus.

1. D  B-B   Q  P Es ist das Rom auf dem Höhepunkt der barocken Prachtentfaltung, in dem und über das Pizzati schreibt, die Ewige Stadt zur Zeit Gianlorenzo Berninis und Francesco Borrominis, als ihr künstlerischer Glanz in

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alle Welt ausstrahlte; das Rom des prunkvollen päpstlichen Hofes, geistliches und weltliches Zentrum zugleich und deswegen von ungebrochener Anziehungskraft auf das gesamte katholische Europa, und auf den protestantischen Norden, den Glaubenskriegen zum Trotz, nicht viel weniger;2 das Rom der spektakulären Feste, deren Prozessionen und Feuerwerksinszenierungen, auf Kupferstichen festgehalten, weit über die Grenzen Italiens hinaus bestaunt wurden.3 Es ist zugleich das Rom der kleinen Leute, der Scharen von Tagelöhnern und Bettlern, die mühsam am Rande des Existenzminimums ihr prekäres Dasein fristeten,4 sowie jener kleinen, immer vom Abstieg ins Elend bedrohten Mittelschicht, von deren Sorgen und Nöten Lorenzo Pizzati aus eigener, bitterer Erfahrung wußte und sprach. Und es ist nicht zuletzt das Rom der großen Finanzgeschäfte, der reichen und überreichen Rendite, dank derer einer Vielzahl ambitionierter Bankiersfamilien innerhalb von ein oder zwei Generationen der Aufstieg in die kleine, adelige, grundbesitzende Oberschicht der Ewigen Stadt gelang;5 in mancherlei Hinsicht auf Kosten eines Staates, jenes Kirchenstaats, der in den Jahren der Herrschaft Alexanders VII. vor dem Ruin stand. Der Weg dorthin war lang gewesen, aber kontinuierlich beschritten worden. Vor allem: er hatte einen für ganz Europa vorbildlichen Verlauf genommen. Die Schrittmacherfunktion, die das Papsttum bei der Entwicklung des modernen Staates in vielen Bereichen ausübte, wie ungewollt auch immer,6 ist auch in manchen Bereichen der Staatsverschuldung klar nachzuweisen.7 Bereits im späten Mittelalter hatte nämlich die kuriale Herrschaftsorganisation auf der skalischen Ausnutzung des kirchlichen Benezienwesens in ganz Europa beruht. Denn geistliche Ämter wurden durch Einkünfte aus Grundbesitz nanziert. Die Verfügung über diese Einkünfte, die sogenannten Pfründen, bedurfte in zahlreichen Fällen der Billigung der Kurie, und zwar der entgeltpichtigen. Mit den dadurch erschlossenen Ressourcen gelang den Päpsten der Ausbau ihrer Herrschaftsorganisation in Gestalt einer weiträumig agierenden Diplomatie und einer vergleichsweise efzienten Bürokratie: Die Einkünfte aus kirchlichem Besitz in ganz Europa wurden in zunehmendem Maße zur Ausstattung päpstlicher Amtsträger eingesetzt. Die nanzielle Belastung geistlicher Ämter zugunsten des päpstlichen Hofes in Avignon und dann, nach dem Ende des großen abendländischen Schismas ab 1420, wieder in Rom, trug den Päpsten allerdings nicht nur reiche Einkünfte, sondern womöglich noch reichere Kritik ein. Und die Einkünfte waren schon lange vor Beginn der Reformation stark zurückgegangen, weil die weltlichen Herrscher Europas sich in zunehmendem Maße den Zugriff auf die Vergabe der geistlichen Pfründen zu verschaffen verstanden, die also nicht mehr den Päpsten zugute kam.8

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Umso wichtiger wurden für die Finanzierung des päpstlichen Hofes und der päpstlichen Politik die Einnahmen aus dem weltlichen Herrschaftsbereich der Pontices, dem Kirchenstaat. Allerdings gilt hier wie überall im frühneuzeitlichen Europa, daß die Steuerquote im Vergleich zu späteren Zeiten außerordentlich gering war. Die Zugriffsmöglichkeiten der Obrigkeit auf die Finanzen ihrer Untertanen stießen auf enge Grenzen, zum einen aus praktisch-organisatorischen Gründen eines schwachen Staatsapparates, zum anderen, weil das Anziehen der Steuerschraube schnell den Widerstand der Betroffenen hervorrief, und zwar um so leichter, je weiter die Autonomie der betroffenen Kommune reichte. Bologna etwa, die nach Rom größte und bedeutendste Stadt des Kirchenstaats, hatte nach der Eingliederung in den weltlichen Herrschaftsbereich der Päpste im Jahre 1506 eine nahezu vollständige nanzielle Unabhängigkeit zu wahren gewußt. Die reichen und selbstbewußten Bologneser Aristokraten behielten nicht nur die Steuererhebung, sondern auch die Verwendung der Steuern weitestgehend in der eigenen Hand. Sie zahlten die Kosten für die Verwaltungstätigkeit des päpstlichen Legaten (nicht etwa die Besoldung des Legaten selbst) und führten an die Finanzverwaltung in Rom, die Camera Apostolica, einen Teil der Weinausschanksteuer ab; ansonsten besaß man vollständige Finanzautonomie.9 Zwar bemühte sich die päpstliche Finanzverwaltung immer wieder erfolgreich, Sonderabgaben für spezische Aufgaben an die Kommunen zu delegieren, doch die Einnahmequellen aus der Besteuerung der Untertanen ossen nur spärlich. Diese Grenzen wurden um so schmerzhafter empfunden, als die Ausgaben der Päpste wuchsen. Kostspielig war erstens die Ausübung ihrer Rolle als Oberhaupt der katholischen Christenheit. In dieser Eigenschaft sahen sie sich dem permanenten Druck der altgläubigen Fürsten Europas ausgesetzt, sie im Kampf gegen alle Arten von Ungläubigen zu unterstützen. Ob der spanische König bei seinen Bemühungen, die widerborstigen Niederländer zur konfessionellen Raison zu bringen, oder die französischen Herrscher in den Auseinandersetzungen mit den Hugenotten oder die Kaiser im Türkenkrieg: Wer immer sich zum Glaubenskämpfer stilisieren konnte unter Europas Fürsten, er bat in Rom um nanzielle Unterstützung – und bekam sie auch oftmals. Nicht minder kostspielig el zweitens die Erfüllung jener Aufgaben aus, die dem Papst als weltlichem Souverän des Kirchenstaats oblagen. Hier ging es im 16. und 17. Jahrhundert zum einen um den Ausbau der Landesherrschaft, um den Rückkauf von Gütern und Rechten, die in nanziellen Notlagen der Vergangenheit verpfändet worden waren; zum anderen resultierten unvorhersehbare und in jedem Fall erhebliche Ko-

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sten immer wieder aus Kriegen und Kriegsvorbereitungen zur Verteidigung oder auch Vergrößerung des Kirchenstaats.10 Eine dritte Dauerbelastung der römischen Finanzen stellte die Notwendigkeit dar, die päpstlichen Verwandten angemessen zu versorgen. Der Nepotismus, also die Förderung von Verwandten, als integrales Element päpstlicher Herrschaftsorganisation stand lange Zeit unter dem anachronistischen Verdikt moralischer Mißbilligung und ist erst in jüngerer Zeit durch die Forschungen Wolfgang Reinhards und seiner Schüler als das gedeutet worden, was er unter den Bedingungen dieser Epoche zunächst und wesentlich war: kein Abgrund von Korruption, sondern ein durchaus rationales Mittel zur Gewinnung loyaler Mitarbeiter.11 Nichtsdestotrotz war dieses Mittel äußerst teuer,12 vor allem, weil die Verfassung des Papsttums als einer kirchlichen Wahlmonarchie die Ausbildung dynastischer Kontinuität verhinderte. So mußte mit jedem neuen Papst eine neue Herrscherfamilie politisch etabliert und wirtschaftlich alimentiert werden. Ihr so überraschend durch die Wahl des päpstlichen Verwandten gewonnener neuer Status ermangelte der Tradition, aus der die europäischen Dynastien der Erbmonarchen ihr Prestige und damit ihre Legitimation ableiteten. Und weil dieses fatale Legitimations-Dezit einer möglichst suggestiven künstlerischen Verklärung bedurfte,13 stellten die nanziellen Folgen des Nepotismus eine extreme Sonderbelastung der päpstlichen Kassen dar. Kunstsammlungen und Konzerte, Paläste und Kirchen, Opern und Oratorien, Bibliotheken und Villen, die zum höheren Ruhme und dauerhaften Erfolg der Papstverwandten des 16. und 17. Jahrhunderts entstanden (und zwar, angesichts des immer drohenden Todes des päpstlichen Förderers: in rasender Eile entstanden), trugen nachhaltig zum Ruin der Papstnanzen bei.14 Freilich nicht nur sie. Denn hinzu kam, als vierte Quelle wirtschaftlicher Belastungen, das im europäischen Vergleich komfortable System der Unterschichten-Versorgung, das sich im Laufe der Zeit am Tiber entwickelt hatte. Auch hier spiegelt die Entwicklung in der Ewigen Stadt Probleme und Versuche zu deren Lösung wider, die sich ebenso im übrigen Europa nden, auch hier jedoch präsentiert Rom diese Lösungsversuche in besonders exemplarischer, geradezu idealtypischer Weise. Denn gerade weil die Herrschaft der Päpste und ihrer Familien kurzfristig war, bedurften sie stets in besonderem Maße einer einigermaßen zufriedenen und dadurch ruhig gestellten Unterschicht. Die aber ließ sich nur dann gewinnen, wenn es gelang, in der strukturellen Mangelgesellschaft der Frühen Neuzeit zumindest das schiere Existenzminimum dieser Unterschicht zu sichern.

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Zu diesem Zweck entstand im 16. Jahrhundert am Tiber eine eigene Behörde, die sogenannte Annona, deren Aufgabe darin bestand, die Getreideversorgung auf einem vernünftigen, das heißt eben: für die Unterschichten erschwinglichen Preisniveau zu sichern,15 das nicht dem extrem volatilen Verhältnis von Angebot und Nachfrage ausgeliefert war, sondern auf einer moralischen Basis ermittelt wurde: Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war in Europa die Vorstellung eines „gerechten“ Preises weit verbreitet,16 an dessen Stabilisierung die herrscherliche Fürsorge deutlich wurde. Nach Möglichkeit sollte die päpstliche Annona kostendeckend wirtschaften, also in guten Erntejahren hinreichende Überschüsse erwirtschaften, um bei Mißernten den Getreidepreis subventionieren zu können, doch stieß dieses System an enge Grenzen. Auch die Annona war à la longue ein erhebliches Zuschußgeschäft. Vor allem aber trug sie nicht unbedingt zur Ausprägung eines kompetitiven Wirtschaftsklimas am Tiber bei, um es vorsichtig zu formulieren.17 Es wird auf diesen Aspekt noch näher einzugehen sein.

2. D S  T Angesichts der kontinuierlich wachsenden Ausgaben bei nicht beliebig steigerbaren Steuereinnahmen suchten die Päpste und ihre Bankiers den „klassischen“ Ausweg der Verschuldung. Ursprünglich, erstmals nachweisbar im Pontikat Bonifaz’ IX. Tomacelli (1389-1404)18 erfolgte die Füllung der Kassen über den Ämterkauf. Das meinte wohlgemerkt den Erwerb weltlicher Posten, nicht den Kauf geistlicher Ämter, der zwar in indirekter Form durchaus vorkam, aber als Simonie zu den Todsünden zählte und folglich aggressiv kritisiert wurde. Auch am Handel mit weltlichen Ämtern wurde zwar Kritik geübt,19 dennoch entwickelte er sich zur gängigen Praxis,20 im übrigen keineswegs nur im Kirchenstaat. Schon bald kam es hier zum Verkauf ganzer Kollegien, so unter Pius II. Piccolomini (1458-1464), der im Jahre 1463 die siebzig Stellen der päpstlichen Abbreviatori zum Preis von 30.000 Dukaten veräußerte. Innozenz VIII. Cibo (1484-1492) richtete dann 1486 bereits eigens ein ganzes Kollegium ein, nämlich dasjenige der 24 Secretari apostolici, um die im Krieg mit dem Königreich Neapel aufgelaufenen Schulden zu konsolidieren.21 Von da war es nur noch ein Schritt zur Schaffung von Ämtern, denen keine tatsächlichen Aufgaben mehr oblagen, sondern die realiter als Leibrenten fungierten. „Hier dienen der Beamtentitel und gewisse Ehrenrechte nur als Attrappe, die eventuell den Kredit noch mit dem psychologischen Faktor des Ehrgeizes mobilisieren will“;22 ein Schritt,

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der erstmals im Jahre 1509 vollzogen wurde, als Julius II. della Rovere (1505-1513) für den Verkauf der 141 Stellen von Presidentes annonae insgesamt 91.000 Dukaten erlöste. Generell mußte natürlich die Rentabilität dieser Ämter gesichert werden. Das geschah teilweise durch den Ertrag von Amtsgefällen und Gebühren, erfolgte im Falle reiner Titelämtern aber durch die Zuweisung bestimmter ordentlicher Einnahmen. So wurde den Presidentes annonae die Verzinsung ihrer Investition durch die Zuweisung von 10.000 Scudi per anno aus den Einkünften der römischen Salzmonopolverwaltung garantiert (die zwischen 1566 und 1684 geprägten Silberscudi wiesen einen Gehalt von 29,32 Gramm Feinsilber auf).23 Unter Leo X. de’Medici (1513-1521) folgte schließlich 1520 die erstmalige Einrichtung eines Ritterkollegs, der Cavalieri di S. Pietro. All diese Kaufämter waren an die Person des Käufers gebunden und elen als Leibrenten nach dessen Tod an die Camera Apostolica zurück, weshalb sie durchgängig eine hohe Rendite von zehn bis zwölf Prozent abwarfen.24 Die Nachteile dieses Systems lagen auf der Hand: Die Bedienung der hohen Zinsen stellte ein wachsendes Problem der päpstlichen Kammer dar, zudem schränkte der vergleichsweise hohe Kaufpreis den Kreis der solventen Interessenten ein. Dennoch stiegen Zahl und Wert der Kaufämter das gesamte 16. Jahrhundert hindurch. Gab es unter Leo X. im Jahre 1520 noch 2.232 Ämter mit einem Gesamtwert von knapp 2,5 Mio. Dukaten (venezianische Dukaten, zwischen 1284 und 1757 geprägt, wiesen einen Gehalt von 3,44 Gramm Feingold auf), so waren es beim Tode Pius’ IV. de’Medici im Jahre 1565 bereits 3.635 Ämter mit einem Nominalwert von rund 3,3 Mio. Goldscudi (zwischen 1596 und 1715 geprägt mit einem Gehalt von 3,077 Gramm Feingold). Gegen Ende der Herrschaft Sixtus’ V. Peretti (1585-1590), bei auf 3.472 Ämter leicht gesunkener Zahl, belief sich der Ertrag, den die Päpste aus dem Verkauf bezogen, auf mehr als 4 Mio. Scudi.25 Auf die Dauer jedoch erlangte ein anderes Kreditinstrument weit größere Bedeutung für die Finanzierung des päpstlichen Haushalts, nämlich tatsächliche Staatsanleihen, die auf die Fiktion der personalen Bindung des Kredits an ein Amt und seinen Inhaber vollständig verzichteten und als Monti (Berge) in die Wirtschaftsgeschichte eingehen sollten.26 Erstmals 1526 als Monte della Fede („Berg des Glaubens“) unter Clemens VII. de’Medici (1523-1534) eingerichtet, funktionierten die Monti nach einem einfachen Prinzip: Die Kreditsumme, im Falle des Monte della Fede 200.000 Dukaten, wurde in Anteile zu je 100 Dukaten gestückelt. Als Ewigrenten waren sie nach dem Tod des Inhabers vererbbar und konnten von der Camera Apostolica nur mit Zustimmung des Gläubigers

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getilgt werden. Der Zinsdienst wurde durch reguläre Einnahmen garantiert, etwa für den Monte della Fede aus päpstlichen Zolleinnahmen.27 Charakteristisch für die in der Lebenswelt der Frühen Neuzeit nach wie vor vorhandene Wahrnehmung von Geld als Mittel, nicht als Zweck, ist die Kopplung der Einrichtung einzelner Monti an konkrete politische Aufgaben: Die zweifelhafte Abstraktionsleistung zur Staatsverschuldung an sich kann als Charakteristikum der Moderne gelten, deren virtuelle nanzielle Transaktionen das „frühere enge Zusammengehören des personalen und des localen Elementes“ in der Geldwirtschaft Georg Simmel zufolge aufgelöst haben.28 So diente der erste Monte 1526 zur Finanzierung der Verpichtungen, die Clemens VII. zur Unterstützung Kaiser Karls V. im Kampf gegen die Osmanen eingegangen war,29 daher sein Name „Berg des Glaubens“. In den folgenden Jahrzehnten entstanden Monti zur Finanzierung von Annona und Kanzlei, für Maßnahmen zur Tiberregulierung und zum Galeerenbau; oder aber auch, um etwa die diplomatischen und militärischen Kosten zu bestreiten, welche die Wiedergewinnung Ferraras für den Kirchenstaat verursachte,30 um nur einige Beispiele zu nennen. Je nachdem, ob die Anteile an den Monti, luoghi genannt, nach dem Tod des Inhabers an die päpstliche Kammer zurückelen (vacabile) oder aber vererbbar waren (non vacabile) differierte die Verzinsung. Bei den risikoreicheren luoghi vacabili lag sie in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts bei rund zehn Prozent, bei den als Ewigrenten konzipierten luoghi non vacabili zwischen fünf und sechs Prozent.31 Doch wie immer es um die Verzinsung der einzelnen Monti bestellt war, die sich im übrigen nicht nur in dieser Hinsicht von einander unterschieden, sondern ebenso durch ihre Statuten, die Rechte der Anteilseigner, die Organisation ihrer Verwaltung und die Quellen, aus denen der Zinsdienst garantiert wurde – eines hatten sie gemeinsam: Sie wuchsen, erst langsam, dann immer schneller. Noch zu Beginn der Herrschaft Sixtus’ V. hielten sich im Jahre 1585 die über Kaufämter nanzierten Schulden der Camera Apostolica und diejenigen der Staatsanleihen mit jeweils rund 4 Mio. Scudi ungefähr die Waage.32 Aber allein während der fünfjährigen Herrschaft dieses Papstes wuchsen neue Monti aus Schulden in Höhe von 2,5 Mio. Scudi. Fünfzehn Jahre später, beim Tod Clemens‘ VIII. Aldobrandini (1592-1605), belief sich das über Monti geborgte Kapital bereits auf 9 Mio., um während der Herrschaft Urbans VIII. Barberini (1623-1644) auf etwa 25 Mio. zu steigen. Unter Alexander VII. Chigi (1655-1667) erreichten die römischen Staatsschulden dann gar den zwischenzeitlichen Spitzenwert von knapp 40 Mio. Scudi, davon (im Jahre 1667) rund 33.800.000 Verschreibungen in Monti und etwa 2.700.000 Scudi Ämterkapital. In

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welche Zwangslage die päpstlichen Finanzen dadurch geraten waren, wird ersichtlich, wenn man die jährlichen Gesamteinnahmen des Kirchenstaats dagegen hält: Sie lagen nämlich gerade einmal bei rund 2,7 Mio. Scudi. Von diesen Einnahmen verschlang der Zinsdienst mit 1,5 Mio. Scudi weit mehr als die Hälfte.

3. P S,  K Die aus der wachsenden Verschuldung resultierenden Gefahren wurden an der Kurie durchaus gesehen und nicht nur offen ausgesprochen, sondern auch öffentlich diskutiert, etwa von dem einußreichen Juristen und Kardinal Giovanni Battista de Luca (1614-1683), der vor der durch die Verschuldung verursachten wachsenden Steuerlast und der daraus folgenden Verarmung der Bevölkerung des Kirchenstaats warnte.33 Ohne Zweifel stellte die hohe Schuldenbelastung der päpstlichen Kammer eine der Ursachen für die Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung des Kirchenstaats im 17. und dann vor allem im 18. Jahrhundert dar. Doch ist in diesem Zusammenhang an die zutreffende Beobachtung Enrico Stumpos zu erinnern, daß die relative Verschuldung Frankreichs oder Englands in derselben Epoche weitaus höher lag.34 Die wirtschaftlichen Schäden – wenn man denn ausbleibendes Wachstum als „Schaden“ denieren will – resultierten weniger aus der Verschuldung an sich als vielmehr aus der Art und Weise, wie das erborgte Kapital investiert wurde. Denn das viele Geld, das den Päpsten nach wie vor aufgrund ihres Rufs als Schuldner von eiserner Zuverlässigkeit an den Geldmärkten Europas zur Verfügung stand,35 wurde weiterhin gemäß politischen sowie gesellschaftlichen und nicht etwa nach wirtschaftlichen Prioritäten ausgegeben. Alexander VII. Chigi etwa erkannte angesichts des schrumpfenden Spielraums der Papstnanz durchaus Handlungsbedarf, auch wenn er persönlich für nanzielle Fragen kaum Interesse aufbrachte. Der Papst sei weiß Gott kein Ökonom, berichtete der toskanische Gesandte an der Kurie 1655 nach Florenz, und deswegen sei er eigentlich seit jeher daran gewöhnt, in Finanzfragen seinen Mitarbeitern zu vertrauen.36 Dennoch kam es in den Jahren des Chigi-Pontikats erstmals zu einer strukturellen Reform des päpstlichen Anleihewesens, in deren Verlauf verschiedene monti vacabili und monti non vacabili unter einer einzigen Bezeichnung vereinheitlicht wurden, und zwar bei Senkung des Zinsfußes auf vier Prozent.37 Dennoch ist es kaum diese durchaus richtungsweisende Reformmaßnahme, die den Namen dieses Papstes in der

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Nachwelt lebendig gehalten hat. Den durch diese Reformen zurückgewonnenen nanziellen Handlungsspielraum nutzte Alexander VII. nämlich nicht zur Einrichtung von Manufakturen oder zur Förderung von Handelskompanien, sondern prompt zur Förderung seiner Familie und zur Einrichtung neuer Baustellen. Die größte davon entstand, schon kurze Zeit nach seinem Regierungsantritt, vor der Peterskirche.38 Dort befand sich nach dem Abschluß der Fassade unter Paul V. Borghese (1605-1621) im Jahre 1612 ein wenig repräsentativer Stadtraum, nicht eigentlich als Platz zu bezeichnen, sondern eher eine unbebaute Fläche, die den architekturbegeisterten Pontifex als Ästheten wie als Politiker zutiefst verstimmen mußte.39 Und so beauftragte Alexander VII. seinen Lieblingsarchitekten Gianlorenzo Bernini mit Entwürfen für eine Gestaltung des Petersplatzes, die der Würde des Ortes angemessen wäre. Bernini brauchte nicht lange, um das Gewünschte zu liefern, zur Begeisterung des Papstes – und zum Entsetzen einiger Mitglieder der Kardinalskongregation, der die Leitung der Bauhütte von St. Peter oblag. Berninis Planungen sahen von Anfang an ein riesiges, von Kolonnaden eingefaßtes Oval vor, für dessen Errichtung zunächst eine Vielzahl von Häusern aufgekauft und abgerissen werden mußte, um dann für gewaltige Kosten (sie sollten sich am Ende auf über 1 Mio. Scudi belaufen) einen rein dekorativen Platz ohne jeden praktischen Nutzen zu errichten. Die Kritiker in der St. Peter-Kongregation erinnerten nachdrücklich an die leeren Kassen. Sie erinnerten auch an die Probleme der Umsetzung von Berninis megalomanen Ideen. Und sie erinnerten nicht zuletzt an die leicht voraussehbaren Kommentare, die eine solche Investition in demonstrative Herrschaftsarchitektur auf Seiten der Protestanten hervorrufen werde.40 Doch hat es die Vernunft immer schwer, wenn sie es mit emotionalen Beweggründen zu tun bekommt. Die Anhänger der Petersplatzgestaltung, allen voran Bernini selbst, führten ihre Gegenargumente ins Feld: Gerade angesichts der Wirtschaftskrise sei eine ArbeitsbeschaffungsMaßnahme – sie drückten das anders aus, meinten aber in der Sache genau so etwas – von derartigem Ausmaße genau das Richtige. Die notleidenden römischen Steinmetze und Bauarbeiter könne man auf diese Weise über Jahre hinweg in Lohn und Brot bringen, erfreuliche, wirtschaftsbelebende Nebeneffekte langfristiger Art seien darüber hinaus unbedingt zu erwarten. Wie so oft, sollte sich die Hoffnung auf die positiven Auswirkungen staatsdirigistischer Maßnahmen für die Wirtschaft auch in diesem Falle als Illusion erweisen. Doch stellte die zweckrationale Argumentation ohnehin nur eine Verbrämung tieferliegender Motive dar, die den Papst bewegten. Zutiefst durchdrungen von der Würde seines Amtes, hatte

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Alexander VII. in langen Jahren diplomatischer Tätigkeit vor Beginn seines Pontikats den Bedeutungs- und Prestigeverlust am eigenen Leib erfahren müssen, dem das Papsttum im Konzert der europäischen Mächte seit längerer Zeit unterworfen war.41 Umso grandioser gedachte er diesem schleichenden Verfall durch eine spektakuläre Selbstdarstellung im Medium der bildenden Künste zu begegnen. Was konnte dazu geeigneter sein, als die Fertigstellung des Gesamtkomplexes von St. Peter? Es ist dabei zu bedenken, daß der Bau des Petersplatzes nur eine von zahllosen Baumaßnahmen war, die der Papst in Angriff nahm, teils zu Lasten der päpstlichen Kassen, teils, indem er mehr oder minder nachdrücklich Institutionen aller Art ebenso wie Privatleute ermunterte, zur Verschönerung des Stadtbildes beizutragen.42 Die römische Wirtschaft wurde jedoch durch die gewaltigen Investitionen im Bausektor nicht produktiver, und die ebenfalls erheblichen Summen, die sich die Päpste die paternalistische Fürsorge für die lokalen Unterschichten kosten ließen, trugen gleichfalls nicht dazu bei, das Wirtschaftsklima am Tiber zu beleben. Hellsichtige Kritiker haben das auch klar gesehen, so etwa Kardinal Giulio Sacchetti (1586-1662), der aus einer erfolgreichen Florentiner Bankiersfamilie stammte, die ihr Glück im Dienste der Papstnanz gemacht hatte,43 und der ein waches Sensorium für wirtschaftliche Zusammenhänge besaß. Die Denkschrift, die er Alexander bald nach dessen Regierungsantritt vorlegte, trägt keinen Titel, hätte aber zum Beispiel: „Der Kirchenstaat schafft sich ab“ heißen können.44 Sacchetti analysierte darin messerscharf die langfristig ruinösen Folgen, die aus dem über die Jahrzehnte hinweg immer feinmaschigeren Netz resultierten, mit dessen Hilfe die Annona-Behörde den Getreidepreis regulierte.45 Fatal wirkten nach Sacchettis Erkenntnis dabei nicht einmal so sehr die direkten Ausgaben, um den Getreidepreis in schlechten Erntejahren künstlich niedrig zu halten; als viel schädlicher erwiesen sich vielmehr einerseits die durch Annona-Interventionen, vor allem ein striktes Getreideausfuhrverbot, zu niedrigen Renditen aus der Landwirtschaft,46 andererseits die aus der Dauersubventionierung entstandene Versorgungsmentalität der römischen Unterschicht. Denn jahrzehntelang habe eine ruinöse Subventionierung des Brotpreises am Tiber zu nichts anderem geführt, als einem ökonomisch unproduktiven, ja unnützen Bevölkerungs-Substrat zu einem Leben in sorglosem Müßiggang zu verhelfen.47 Gelinge es nunmehr, die Annona-Reglementierungen abzuschaffen, so sei ein entscheidender Schritt zur Gesundung der Papstnanzen getan. Denn ein freier Getreidehandel erbringe höhere Getreidepreise, dadurch stiegen die Grundrenditen, der Getreideanbau werde endlich wieder wirtschaftlich interessant, was wiederum zu größeren

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Anbauächen und landwirtschaftlichen Modernisierungsmaßnahmen, kurz: zu wachsendem Wohlstand führe. In seinen Überlegungen nahm Sacchetti die dann im 18. Jahrhundert von aufgeklärten Agrarreformern immer wieder aufs Neue entwickelte Argumentationskette vorweg, bemerkenswerterweise, ohne sich und dem Papst die kurzfristig bedrohlichen Folgen der von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen zu verhehlen – bemerkenswerterweise auch: ohne jeden Erfolg. Seine Forderungen ruinierten zwar sein Ansehen bei der römischen Bevölkerung nachhaltig,48 umgesetzt wurde jedoch keine einzige von ihnen. Dafür lassen sich vor allem zwei Gründe ausmachen. Zum einen hinderten die gesellschaftlichen Ambitionen der Päpste, ihre Familie dauerhaft in den Kreisen des römischen Hochadels zu etablieren, sie an allzu unpopulären Maßnahmen. Die in der Regel wenigen Jahre, die ihnen nach der Wahl auf den Stuhl Petri für dieses Vorhaben zu Verfügung standen, wollten effektiv genutzt sein. Und dazu gehörte es, Reformen, die ihren Nutzen, wenn überhaupt, erst langfristig erweisen würden, die jedoch kurzfristig das Ansehen des Papstes und seiner Angehörigen schwer beschädigten, tunlichst zu vermeiden. Hier mag man eine Parallele zu jenem Druck wiedererkennen, unter dem heutige Politiker stehen, wenn sie versuchen, strukturelle Sparmaßnahmen durchzusetzen. Doch wichtiger noch für den Verzicht der Päpste auf einschneidende wirtschaftliche Reformen dürfte das Selbstverständnis und das Weltbild der Päpste gewesen sein, in dem wirtschaftliche Modernisierungsmaßnahmen immer im Kontext ihrer „Sozialverträglichkeit“ zu sehen waren49 und keinen Wert an sich darstellen konnten. Den weltlichen Regulierungsmaßnahmen des Staates kam aus der Perspektive der Theologen nicht mehr als eine dienende Funktion zu, da das Ziel allen Handelns im Heil der Seelen, nicht in wirtschaftlichem Wachstum um seiner selbst willen lag.50 Es ist im Zusammenhang mit der römischen Staatsverschuldung auf „das totale Fehlen einer Staatsraison in der temporalen Politik der Päpste“ des späten 17. und 18. Jahrhunderts verwiesen worden.51 Daran ist nichts Verwunderliches, wenn man bedenkt, daß ihrer Handlungslogik eben nicht das Streben nach politischem „Fortschritt“ im Gewande einer wachsenden Staatsmacht und staatlich stimulierten Wirtschaftswachstums zugrunde lag, sondern ein paternalistisches Fürsorge-Ideal, das paradoxerweise langfristig zu jener wirtschaftlichen Rückständigkeit führte, die dann im 18. Jahrhundert von Vertretern der Aufklärung immer wieder als politisches Argument gegen das Papsttum angeführt wurde.52

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4. D W  V Die Denkschrift des frustrierten Lorenzo Pizzati hätte ihnen dabei gut ins Konzept gepaßt, jedenfalls, was die Beschreibung der Wohnprobleme im barocken Rom betrifft. Was Pizzati nicht sehen konnte, war, daß er, wie viele andere Römer seiner Zeit, das Opfer einer immer wieder zu beobachtenden wirtschaftlichen Entwicklung war. Durch die politisch gewollte Subventionierung einzelner wirtschaftlicher Sektoren (im Falle Roms: der Brotversorgung) sinken die Renditen, was Investitionen in eben diesem Bereich (hier: der Landwirtschaft) uninteressant macht. Da aber Kapitalinhaber nach einer möglichst lukrativen Rendite streben, investieren sie in Bereichen, die keiner Regulierung unterliegen, wie etwa dem Immobilienmarkt, woraufhin die Preise steigen, was just diese Investitionen noch interessanter macht und zu weiteren Preissteigerungen führt. Die Lösung der aus dieser Dynamik resultierenden Probleme sah Pizzati freilich nicht in der „Deregulierung“ der landwirtschaftlichen Produktion am Tiber. Sein Forderung war simpel und hätte, in die Tat umgesetzt, die Immobilienblase am Petersplatz zweifellos zum Platzen gebracht: „Das, was wir am dringendsten brauchen, inmitten all dieser Kirchen, Klöster, Kollegien, Hospitäler, Bruderschaften und Paläste [. . . ,] sind mehr bescheidene Unterkünfte, die zu einem maßvollen Preis vermietet werden“.53 Die aber ließen sich nach Pizzatis Einschätzung am leichtesten beschaffen, wenn der Papst endlich die reichen Hauseigentümer dazu anhalte, halbfertige Gebäude zu Ende zu bauen, und darüber hinaus einfach die von ihm selbst nicht bewohnten päpstlichen Immobilien, wie etwa den Lateran-Palast oder die nicht genutzten Teile von Quirinalspalast und Vatikan, den Wohnungssuchenden zur Verfügung stelle. Was Alexander VII. zu diesem Vorschlag gesagt hat, wissen wir leider nicht.

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Moritz Isenmann Wachstum durch Schulden? Staatsverschuldung und die Diskussion über den öffentlichen Kredit im Frankreich des Ancien Régime Können Staatsschulden etwas anderes sein als nur Schulden? Oder anders ausgedrückt: Kann die Staatsverschuldung unter gewissen Umständen positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes haben, die den Nachteil überwiegen, daß der Staat einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen für die Zahlung von Zinsen verwenden muß? Über diese Frage streiten seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 die Vertreter einer Politik der Entschuldung durch Einschnitte in die staatlichen Ausgaben und die Befürworter einer weniger restriktiven Finanzpolitik, die das Wirtschaftswachstum fördern soll. Die Idee, daß die Staatsverschuldung nicht grundsätzlich etwas Verwerfliches sein muß, sondern dabei helfen kann, die wirtschaftliche Produktivität zu steigern, ist aber keineswegs neu. Wie am Beispiel Frankreichs gezeigt werden soll, kam sie erstmals schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf. Bevor die lebhafte Debatte aufgerollt werden kann, die sich bald darauf um sie entwickelte, muß jedoch zunächst einmal die institutionelle und nanzielle Situation betrachtet werden, in der sie entstand.

1. F   S   T L XIV. Wie die anderen europäischen Monarchien war auch die französische mit einer Verspätung von ungefähr dreihundert Jahren auf die italienischen Stadtstaaten zur Einrichtung einer öffentlichen Schuld gelangt. Zwar reicht der französische Schuldenstaat in einem gewissen Sinne ebenfalls bis ins 13. Jahrhundert zurück, und Jacques Le Goff hat Ludwig IX. (1214-1270) als ersten „Schuldenkönig“ identiziert, mit dem der Rückgriff auf Anleihen für die französische Monarchie unumgänglich geworden sei.1 Doch handelte es sich noch bis ans Ende des Mittelal-

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ters stets um hoch verzinste und kurzfristige Kredite, die sich der französische König von nanzkräftigen Ratgebern und Finanziers persönlich gewähren ließ.2 Eine langfristige und öffentliche, das heißt „staatlich“ in ihrem Fortbestand garantierte Verschuldung wurde hingegen erst 1522 mit den Rentes sur l’Hôtel de Ville de Paris ins Leben gerufen. Begünstigt wurde die Einrichtung dieses Rentenkredits vor allem durch zwei Umstände: Einerseits war im Laufe des 15. Jahrhunderts der seit dem Entstehen der Renten im 13. Jahrhundert andauernde Streit entschieden worden, ob der Rentenkredit unter das Wucherverbot el. Im Mittelalter wurde bekanntlich jedes Leihen gegen Zins als Wucher angesehen, eine schwere Sünde, die mit der Exkommunizierung und der Verweigerung eines christlichen Begräbnisses bestraft wurde. Auf dem Konstanzer Konzil hatte Papst Martin V. schließlich im Jahre 1416 erklärt, daß es sich bei den Renten nicht um Darlehen handle, da der Gläubiger das Kapital nicht zurückfordern konnte, solange der Schuldner seine Obligationen in Form des Zinsdienstes erfüllte. Diese Entscheidung, die im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrmals bestätigt wurde, entledigte die christlichen Könige ihrer moralischen Skrupel.3 Andererseits rief der ruinöse Dauerkonikt der französischen Herrscher mit den Habsburgern um die Vormachtstellung in Europa – der mit dem Zug Karls VIII. nach Italien 1494 begann und erst 1559 im Frieden von Cateau-Cambrésis aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der beiden Monarchen vorläug wieder eingestellt wurde – einen enormen Finanzbedarf hervor, der nicht mit anderen Mitteln bedient werden konnte. Aufgrund ihrer Machtfülle und der daraus resultierenden Gefahr für die Anleger, daß der König jederzeit die Zinszahlungen einstellen konnte, besaß die Monarchie ein Vertrauensproblem, das sich nie vollständig lösen ließ. Daher bediente sie sich der Vermittlung durch die Stadt Paris, um die Anleihen aufzunehmen. Die Städte verfügten schon seit längerer Zeit über ein gut funktionierendes Rentensystem, das den Anlegern Vertrauen einößte.4 Zudem gingen die Investoren davon aus, daß die Pariser Stadtverwaltung im Falle einer Einstellung der Zahlungen einußreich genug sein würde, um ihre Interessen gegenüber dem König durchzusetzen.5 Dieses Vertrauen machte sich die Monarchie für die Auflage der Anleihen zunutze und trat bestimmte Steuereinnahmen an die Stadt Paris ab, von denen letztere wiederum den Anlegern die Zinsen ausbezahlen sollte. Die Rentes sur l’Hôtel de Ville de Paris sollten bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts den größten Anteil an der französischen Staatsschuld ausmachen.6 Doch gab es neben ihnen auch noch weitere Formen der Staatsverschuldung mit ebenfalls erheblichem Gewicht. Hierzu gehört die Ämterkäuflichkeit,7 die ein Jahr nach den Renten auf das Hôtel de

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Ville und aus demselben Grund wie diese eingeführt wurde. Schon im Mittelalter hatten die französischen Könige öffentliche Ämter als Teil ihres Privatbesitzes (Patrimonium) betrachtet, die sie dementsprechend als Geschenke vergeben oder auch verkaufen konnten. Franz I. generalisierte diese Vorgehensweise im Jahre 1523 jedoch, indem er beinahe alle öffentlichen Ämter zum Kauf anbot. Zudem richtete er eine Zentralkasse für die Verwaltung der aus dem Verkauf erwachsenden Einkünfte ein. Im Laufe der Zeit schufen die Könige immer neue und teilweise vollkommen überüssige Ämter, deren Käufer im Gegenzug für die bezahlte Summe das Amt sowie das Versprechen erhielten, für ihre Dienste eine jährliche Rendite zu beziehen. Gegen die Bezahlung eines droit annuel, das sich auf ein Sechzigstel des Kaufpreises belief, konnten die Ämter seit 1604 auch vererbt werden. Genau besehen handelte es sich bei der Ämterkäuflichkeit um eine besondere Form des Rentenkredits, da der Kauf eines Amts auch als eine dem König gewährte Anleihe und die Rendite als jährliche Zinszahlung betrachten werden kann. Zusätzlich zu den Renten und Kaufämtern, die eine „konsolidierte“ Staatsschuld darstellten, da für die Zahlung der Zinsen bestimmte staatliche Einnahmen verpfändet waren, besaß die französische Monarchie auch eine beträchtliche „schwebende“ Schuld.8 Diese war eng mit dem weit verbreiteten System der Verpachtung von Einkünften verbunden, und zwar insbesondere von Steuern: Die Steuereinnahmen eines bestimmten Zeitraums wurden öffentlich zu einem Mindestpreis ausgeschrieben und an das meistbietende Konsortium von Finanziers verpachtet, das sie dann eintrieb. Die Finanziers erzielten dabei – gewissermaßen als Zins für die vorgestreckte Summe – einen Gewinn, wenn die Steuereinkünfte die Pachtsumme übertrafen. Da der Finanzbedarf der Krone in Kriegszeiten die Summen der Pacht bei weitem überstieg, griffen die Könige auf die Finanziers9 auch für weitere Kredite zurück, die ihnen letztere gegen die Konzession zukünftiger Steuereinnahmen gewährten. Trotz des Vorteils, daß sich die Krone nicht selbst um die Eintreibung der Steuern kümmern mußte und sofort über die Summen verfügen konnte, war dieses System für sie letztlich von großem Nachteil. Denn die Steuereinnahmen verringerten sich dadurch, daß sie nicht direkt an die Krone ossen, sondern durch die Hände der Finanziers gingen – ein Umstand, der die Abhängigkeit der Monarchie von Anleihen zusätzlich erhöhte.

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2. E „ß“ M  F Wenn auch nicht die einzige, so war der Krieg doch die hauptsächliche Ursache für den ständig ansteigenden Finanzbedarf der Regierungen. Krieg wurde im 17. Jahrhundert nicht nur immer öfter und länger geführt, weshalb manche Historiker für diese Zeit auch von „Friedlosigkeit“ und „Bellizität“ sprechen;10 er wurde aufgrund der wachsenden Anzahl eingesetzter Soldaten und der immer aufwendigeren Waffen wie Musketen und Kanonen auch immer teurer. Unter den Ausgaben des französischen Königs betrugen die kriegsbedingten im Jahre 1675 über 81 Mio. Livre tournois (lt.), eine Summe, die selbst die kostspielige Hofhaltung mit etwa 13 Mio. Livre tournois weit in den Schatten stellte.11 Dabei trieb der Krieg die Staatsverschuldung nicht allein durch die geliehenen Summen an sich in die Höhe. Er verminderte zugleich auch die Steuereinnahmen, da die wirtschaftlichen Aktivitäten teilweise zum Erliegen kamen. Die Entwicklung der Staatsverschuldung im Laufe der Frühen Neuzeit ist zudem nicht ohne die tiefe Abneigung der Zeitgenossen gegenüber dem anderen Mittel der Finanzierung staatlicher Ausgaben schlechthin zu verstehen: der Steuer. Im 16. und 17. Jahrhundert herrschte nämlich weiterhin die mittelalterliche Vorstellung vor, daß der König von der Bewirtschaftung seiner Domäne, das heißt von seinem Eigengut leben und die Untertanen nicht mit der Erhebung neuer Steuern belasten sollte, für die er außerdem die Zustimmung der Stände benötigte.12 Nur wenn in einer akuten Notlage der Bestand des Gemeinwesens auf dem Spiel stehe und alle anderen Mittel erschöpft seien, könne auf außerordentliche Abgaben zurückgegriffen werden, schrieb beispielsweise der Staatstheoretiker Jean Bodin im letzten seiner „Six livres de la République“ (1576). Damit sich jedoch die im Krieg als Notstandsmaßnahmen erlassenen außerordentlichen Abgaben nach Beendigung des Kriegs nicht stillschweigend in eine ordentliche Abgabe verwandelten, sei es besser, Anleihen aufzunehmen, statt Steuern zu erlassen.13 Damit maß der berühmte Jurist der Staatsverschuldung in gewissem Sinne eine die königlichen Ausgaben disziplinierende Funktion zu. Doch galt auch für die Emittierung von Anleihen, daß sie nicht zu einem generellen Mittel der Finanzierung staatlicher Ausgaben werden durfte. Während des gesamten 17. Jahrhunderts wurde die Staatsverschuldung in der französischen Finanzverwaltung grundsätzlich als ein Übel angesehen:14 War die Ausgabe von Anleihen im kriegsbedingten Notfall gerechtfertigt, mußte die Schuld in Friedenszeiten durch die Amortisierung der Renten und eine Rückzahlung des Ämterkapitals zumindest teilweise wieder getilgt werden. Sonst bestand das Risiko, den Staat

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nachhaltig zu schwächen und ihn seiner zukünftigen Handlungsfähigkeit in einem eventuellen neuen Kriegsfall zu berauben, da seine Ressourcen dann schon für die Zinsdienste in Anspruch genommen waren. Nur wenn es gelang, die Schuld in Friedenszeiten abzubauen, würde es darüber hinaus auch möglich sein, Vertrauen in das System herzustellen und im Notfall wieder neue Anleihen aufzunehmen. Dieser Vorstellung entsprach beispielsweise die Politik von JeanBaptiste Colbert, dem Finanzminister Ludwigs XIV., der den hohen Schuldenberg in den frühen 1660er Jahren durch eine erzwungene Senkung des Zinssatzes der Renten abbaute, die einem Teilbankrott gleichkam.15 Doch schon zur Finanzierung des französisch-niederländischen Krieges (1672-1678) mußten wieder neue Anleihen aufgelegt und der Rentenkredit zudem stärker für ausländische Investoren geöffnet werden.16 Der Krieg der Augsburger Liga und der Spanische Erbfolgekrieg, die Frankreich von 1688 bis 1714 beinahe ununterbrochen in militärische Auseinandersetzungen mit den anderen europäischen Mächten verwickelten, ließen die Schulden auf ein bis dahin ungekanntes Maß ansteigen. Als Ludwig XIV. im Jahre 1715 verstarb, war Frankreich mit über 2 Mrd. Livre tournois verschuldet und mußte jährliche Zinsdienste von 90 Mio. Livre tournois leisten.17 Das exakte Niveau dieser Staatsverschuldung zu errechnen, indem man sie wie heutzutage in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt setzt, ist nicht möglich, da keine statistischen Erhebungen über die Wirtschaftsleistung des frühneuzeitlichen Frankreich vorhanden sind. Legt man als Grundlage die Schätzungen von Zeitgenossen wie dem Festungsbauer Vauban und dem Frühliberalen Pierre de Boisguilbert zugrunde, so kommt man für den Beginn des 18. Jahrhunderts auf ein Nationalprodukt von zwischen 1,2 und 2,4 Mrd. Livre tournois und auf eine Staatsverschuldung zwischen 83 Prozent und 167 Prozent. Wie verzweifelt die nanzielle Lage tatsächlich war, kann aber auch gut daran ermessen werden, daß der Sonnenkönig in den Jahren vor seinem Tod große Probleme hatte, überhaupt noch Käufer für Anleihen zu nden, da die Anleger die Zahlungsunfähigkeit der Monarchie und den Verlust ihres Kapitals fürchteten. Zudem waren im Jahre 1715 die Steuereinkünfte durch Anleihen schon für die kommenden drei Jahre an die Finanziers vergeben. Selbst die teilweise Einstellung der Zahlungen – so wurde beispielsweise die schwebende Schuld von 600 Mio. Livres tournois kurzerhand auf 250 Mio. Livre tournois zusammengestrichen und in neue Staatspapiere (billets d’état) umgewandelt – konnten die nanzielle Situation der Monarchie nicht wesentlich verbessern. In diesem Kontext heilloser Verschuldung, der bei weitem nicht nur auf Frankreich zutraf, entstand eine neue Idee, die den Weg zu einer

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grundsätzlich anderen Betrachtung der Staatsverschuldung wies: Nicht die Verschuldung an sich war nach Meinung mancher das Problem, sondern der Umgang mit ihr. Setzte man sie hingegen richtig ein, war sie nicht nur unschädlich, sondern konnte sogar wirtschaftliches Wachstum anregen.

3. W  S  G : D „S“  J L, 1716-1720 Um diese Idee zu verstehen, muß man sich zunächst eine grundlegende Tatsache der frühneuzeitlichen Geldwirtschaft vergegenwärtigen: Nur Edelmetallgeld wurde als „wirkliches“ Geld angesehen. Und als solches war Geld ein knappes Gut, vor allem in Frankreich. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts rissen die Klagen von Händlern und Administratoren über den Geldmangel im Land nicht ab.18 Zwar existierten durchaus schon Finanzinstrumente wie die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts übertragbaren („indossierbaren“) Wechselbriefe oder Banknoten, die es ermöglichten, die dünne Gelddecke durch die Vergabe von Krediten zu strecken.19 Doch hing auch das Vertrauen in dieses Kreditgeld stets von einer ausreichenden Deckung mit Edelmetallgeld ab. Daher waren Banknoten auch noch kein Papiergeld im heutigen Sinne, sondern lediglich das Versprechen, daß sich der Inhaber den ausgewiesenen Betrag in klingender Münze auszahlen lassen konnte, sobald er dies wünschte. Ging die Bank in der Notenvergabe zu weit und es kam aufgrund einer Vertrauenskrise zu einem „Run“, bei dem viele Personen gleichzeitig ihre Einlagen in Münzgeld zurückforderten, machte sie unweigerlich bankrott. Die starke Edelmetallbindung der Zahlungsmittel und die dadurch verursachte eingeschränkte Verfügbarkeit von Geld brachten es mit sich, daß der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes enge Grenzen gesetzt waren. Dies erkannte nicht zuletzt der Schotte John Law, der zu den schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zeit gezählt werden kann.20 Law hatte zunächst in London das Leben eines Dandy geführt, bis er 1694 einen Rivalen im Duell tötete und dafür zum Tode verurteilt wurde. Nachdem ihm wenige Tage vor seiner Hinrichtung unter Beihilfe hoher Regierungsmitglieder die Flucht aus dem Gefängnis gelang, verdingte er sich zunächst mit großem Erfolg als Glücksspieler, bevor er sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts schließlich wirtschaftlichen Problemen zuwandte, und vor allem der Frage nach der Wirkung von Geld auf die wirtschaftlichen Aktivitäten.

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In seinen „Betrachtungen über das Geld und den Handel“ von 1705 stellte Law einen direkten Zusammenhang zwischen zirkulierender Geldmenge und wirtschaftlichem Wachstum21 her: „Der Handel im Inneren des Landes hängt vom Geld ab. Mehr Geld gibt einer größeren Anzahl von Menschen Beschäftigung als weniger Geld. Eine begrenzte Geldmenge vermag lediglich eine dementsprechende Anzahl von Menschen zu beschäftigen“. Law argumentierte sodann: „Gute Gesetze können den Geldumlauf allerdings auf den höchstmöglichen Stand bringen und das Geld dazu zwingen, Funktionen auszuüben, die dem Land am meisten nutzen. Mehr vermögen die Gesetze jedoch nicht zu erreichen, ebenso wenig wie man ohne einen größeren Geldumlauf eine größere Anzahl von Menschen beschäftigen kann, um damit die Löhne dieser größeren Anzahl zu bezahlen“.22 Einer erhöhten Geldmenge schrieb Law auch positive Auswirkungen auf den Außenhandel eines Landes zu. Denn sie bewirke nicht nur eine Steigerung der Produktion und schaffe damit einen exportfähigen Warenüberschuß. Da sich bei einer größeren Geldmenge der Kreditzins verringere, gingen zudem die Kosten für Investitionen zurück und man könne günstiger Handel treiben als die Kaufleute anderer Länder.23 Eine positive Handelsbilanz würde wiederum zu einem erneuten Geldzuuß führen. Darüber hinaus entwickelte Law die folgenreiche Idee, das Problem einer inadäquaten Geldversorgung mit Papiergeld zu lösen, wobei er zunächst aber eine Deckung durch Ländereien vorsah, also noch kein reines Papiergeld im Sinn hatte. Seine Pläne für eine Hypothekenbank fanden im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts aber weder in Schottland oder England noch in Frankreich und Savoyen Anklang, deren Herrscher er aufsuchte, um für seine Ideen zu werben. Ende des Jahres 1713 begab sich Law abermals nach Paris, wo er nach dem Tod Ludwigs XIV. angesichts der desaströsen nanziellen Lage beim herrschenden Regenten, Philippe d’Orléans, nun sogar mit einem weitaus größeren Projekt auf offene Ohren stieß. Laws Grundidee, die er zwischen 1716 und 1720 schrittweise in die Tat umsetzte, war ebenso simpel wie revolutionär. Sie bestand darin, die Staatsschulden in Geld zu verwandeln, um damit nicht nur das Schuldenproblem zu lösen, sondern gleichzeitig der französischen Wirtschaft die für ihr Wachstum dringend benötigten Zahlungsmittel zuzuführen. Doch wie ließ sich das bewerkstelligen? Zunächst einmal mußte die Liquidität der Schuldtitel erhöht werden. Renten und Kaufämter waren zwar durchaus schon veräußer- und handelbar gewesen, doch war ihr Handel mit hohen Transaktionskosten verbunden, weshalb sie von den Anlegern vor allem als vergleichsweise sichere Anlage geschätzt wurden.24 Diesen trägen Charakter sollten die Schuldtitel ablegen, indem

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man sie in leicht handelbare Aktien umwandelte. Dafür gründete Law zunächst eine Bank, die Banque Générale (später Banque Royale), deren Aktien gegen alte Schuldscheine erworben werden konnten. Doch der ndige Schotte ging noch weiter: Wenn es zudem gelang, diese Aktien mit einer gewinnbringenden Unternehmung zu verknüpfen, so Laws Überlegung, dann würde die Staatsschuld nicht nur den Besitzer wechseln, sondern sich trotz Zins- und Tilgungskosten langfristig durch die Handelsgewinne amortisieren. Daher gründete er zudem eine Handelskompanie, die Compagnie de l’Occident, die das Monopol für den Handel mit der riesigen und vielversprechenden französischen Kolonie Louisiana erhielt. Im Laufe der Zeit schluckte die Compagnie de l’Occident nicht nur alle anderen staatlichen Handelskompanien, sondern auch die Banque Royale und wurde dadurch zur gigantischen „Mississippi-Kompanie“. Die Mississippi-Kompanie übernahm 1719 die gesamte verbliebene Staatsschuld und verwandelte sie in Aktien. Zuletzt sorgte Law noch dafür, daß die Pacht der Steuern den Finanziers aus der Hand genommen und ebenfalls der Mississippi-Kompanie übertragen wurde, wodurch eine erhebliche Rationalisierung bei der Eintreibung der Staatseinkünfte erzielt werden konnte. Durch die Umformung von Renten, Kaufämtern und anderen Schuldtiteln in Aktien der Mississippi-Kompanie schlug Law, wie erhofft, zwei Fliegen mit einer Klappe: Er löste nicht nur das gravierende Schuldenproblem der französischen Monarchie. In Aktien umgewandelt, regten die französischen Staatsschulden auch tatsächlich das wirtschaftliche Wachstum an. So schrieb Laws enger Mitarbeiter Nicolas Dutot später: „Die festen Renten ließen den Grundbesitz ungenutzt und hielten die Menschen in Faulheit und Trägheit. Es war also zum Wohle des Staates und des Volkes, daß der Geldzins gesenkt und die Renten in Staatspapiere konvertiert wurden“. Landwirtschaft, Gewerbe und Handel hätten von dem neuen, dynamischen Kapitalverkehr protiert. „Die Aktien der Indienkompanie“, erklärte Dutot, „laufen so leicht um wie Geld, sie können allen alltäglichen Bedürfnissen dienen und wurden auch dazu gemacht, um den Platz der Renten einzunehmen, die für den Handel von keinem Nutzen waren, da sie sich nicht leicht in Geld umwandeln ließen“.25 Laws System, an sich von bestechender Logik, besaß jedoch einen kapitalen Fehler: Es gab weder Gold noch andere Reichtümer in Louisiana, und die Aktien waren kolossal überbewertet. Als sich erste Zweifel unter den Anlegern breit machten, ließ Law durch die Banque Royale immer mehr und zuletzt vollkommen ungedecktes Papiergeld drucken, um durch billige Kredite den Kauf der Aktien weiter anzuregen und den

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Kurs zu stützen. 1720 erreichte die in Form von Aktien und Banknoten zirkulierende Geldmenge schließlich 5 Mrd. Livre tournois, was selbst für die Vorstellungen John Laws, der von einem Fassungsvermögen der französischen Wirtschaft von 3 Mrd. Livre tournois ausging, bei weitem zu viel war. Zwar war die Wirtschaft aufgrund der vermehrten Zahlungsmittel durchaus gewachsen, doch mit einem derart rasanten Wachstum der Finanzwirtschaft konnte die Realökonomie nicht Schritt halten. Dies realisierte schließlich auch Law. Als er jedoch versuchte, durch eine Reduzierung des Werts von Aktien und Banknoten 2 Mrd. Livre tournois in Papiergeld wieder aus dem Verkehr zu ziehen, ging das Vertrauen in sein „System“ endgültig verloren. Die „Mississippi-Blase“ platzte – und ihr Urheber oh nach Venedig, wo er 1729 verarmt starb.

4. W  Gß? D D   A  S  18. J Frankreich kehrte 1721 zur alten Form der Staatsverschuldung zurück, und der desaströse Ausgang von Laws Experiment diskreditierte auf absehbare Zeit Projekte einer Monetarisierung der Staatsschuld. Dennoch rissen die theoretischen Überlegungen über den potentiellen wirtschaftlichen Nutzen der Staatsverschuldung nicht ab. In der Folgezeit entwickelte sich eine intensive Diskussion zwischen den Anhängern zweier Strömungen: Die einen kritisierten zwar die extremen Auswüchse von Laws System, verteidigten aber entschieden die These von der wirtschaftlichen Produktivität der Staatsverschuldung. Die anderen zeichneten hingegen ein düsteres Bild von den langfristigen wirtschaftlichen Folgen, die von einer mit der Verschuldung einhergehenden Umverteilung von Reichtum verursacht wurden, und bestritten darüber hinaus auch die positive Wirkung einer erhöhten Geldmenge auf die wirtschaftlichen Aktivitäten.26 Zu den Anhängern der ersten Strömung gehörte Jean-François Melon, der erster Sekretär in der Banque Royale gewesen war. Seiner Meinung nach hatte die Bank zu Beginn ein rechtes Maß gehalten und dem darbenden französischen Staat durch eine Erhöhung der Zahlungsmittel „sein Leben wiedergegeben“.27 Melon bestand darauf, daß ein Land eine seiner Produktion angemessene Menge von Geld und Krediten benötige. Wenn dies der Fall sei, bleibe es immer „reich und mächtig“.28 Dabei schätzte er den Kredit sogar als „tausendmal“ wichtiger ein als Geld in Form von Gold und Silber, da er viel besser geeignet sei, Investitionen anzuregen. Die Staatsverschuldung befand Melon für prinzipiell unschädlich, da es sich um „Schulden von der rechten Hand an

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die linke“ handle, durch die der Staatskörper nicht geschwächt werde.29 Gleichzeitig betonte Melon aber auch, daß damit keine unbegrenzte Staatsverschuldung gemeint sein könne. Zu der entscheidenden Frage, wie das richtige Verhältnis der Verschuldung zum Inlandsprodukt zu bestimmen war, äußerte er sich jedoch nicht. Prominente Unterstützung erhielt Melon von Voltaire, der 1738 ebenfalls schrieb, daß ein Staat, der nur bei sich selbst (also bei seinen Einwohnern) verschuldet sei, gar nicht verarmen könne, und die Schulden zudem einen Anreiz für das Gewerbe darstellten.30 Völlig anderer Meinung war hingegen Charles Secondat, Baron von Montesquieu, der im „Esprit des lois“ von 1748 die These vom wirtschaftlichen Nutzen der Staatsschuld als grundsätzlich falsch verwarf: „Einige Leute haben geglaubt, es sei gut, wenn der Staat bei sich selbst Schulden habe, weil das durch Vermehrung des Geldumlaufs den Reichtum vervielfältige. Ich glaube, daß man ein umlaufendes Papier, das Geld darstellt oder das den Gewinn bezeichnet, den eine Gesellschaft beim Handel gemacht hat oder machen wird, verwechselt hat mit einem Papier, das eine Schuld ausweist.“ Zwischen den Wirkungen beider Papiere unterschied Montesquieu strikt: „Die beiden ersten sind für den Staat sehr vorteilhaft, das letzte dagegen kann es nicht sein und alles, was man von ihm erwarten kann, ist, daß es für die einzelnen eine gute Sicherheit an der Staatsschuld bedeutet, das heißt deren Bezahlung gewährleistet“.31 Montesquieu zufolge bewirkte die Staatsverschuldung eine Umverteilung von Reichtum, die der Wirtschaft eines Landes wichtiges Kapital für produktive Investitionen entzog. Nicht nur führten ausländische Investitionen in die Staatsschuld dazu, daß beträchtliche Summen in Form von Zinszahlungen aus dem Land össen. Zur Zahlung der Zinsen müßten darüber hinaus zusätzliche Steuern erhoben werden, die wiederum den Arbeitslohn teurer machten und damit dem Gewerbe schadeten. Die einzigen Proteure der Staatsverschuldung waren für ihn die Rentiers, die Montesquieu für eine durch und durch unproduktive Klasse hielt. Durch die Umleitung von Steuern in deren Hände entziehe man die Staatseinkünfte den „unternehmenden und eißigen Leuten“ und führe sie den müßigen zu: „das heißt man erleichtert denen die Arbeit, die nicht arbeiten, und erschwert sie für die, die arbeiten“.32 Damit nahm Montesquieu wichtige Argumente vorweg, die auch David Hume – der vielleicht entschiedenste Gegner der Staatsverschuldung im 18. Jahrhundert – vier Jahre später in seinem berühmten Essay „Of Public Credit“ vorbringen sollte. Hume sah ebenfalls in den ausländischen Investitionen in die Staatsschuld ein erhebliches Problem, da durch sie Geld aus dem Land abgezogen werde. Darüber hinaus verursache die Staatsverschuldung eine doppelte Umverteilung von Reich-

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tum. Einerseits werde Kapital von den Provinzen in die Hauptstadt verlagert. Zudem gelange, wie auch Montesquieu gewarnt hatte, der größere Teil des öffentlichen Kredits in die Hände von „müßigen Leuten“, die von diesen Einkünften lebten, und ermutige die Menschen so zu einem „nutzlosen Leben“.33 Auf dieser Grundlage wies Hume auch Melons Vorstellung von der Neutralität der Staatsverschuldung zurück: „Man hat uns gesagt, daß die Öffentlichkeit durch sie nicht geschwächt wird, da wir sie uns zum großen Teil gegenseitig schulden, und sie so viel Eigentum dem einen bringt, wie sie dem anderen wegnimmt. [. . . ] Solch ungenaue Überlegungen und trügerischen Vergleiche werden immer durchgehen, wo wir nicht auf der Grundlage von Prinzipien urteilen.“ In jeder Gemeinschaft müsse eine bestimmte Proportion zwischen ihrem eißigen und ihrem müßigen Teil herrschen. Mit einem Anschwellen der Staatsverschuldung müßten aber immer neue Steuern zu ihrer Deckung eingeführt werden, die einzig und allein den Rentiers zugute kämen. Dabei hielt Hume die daraus erwachsenden wirtschaftlichen Nachteile im Vergleich zu den politischen sogar für relativ geringfügig und malte das Bild einer düsteren Zukunft, in der sich die Rentiers in die großen Städte zurückziehen würden, um dort in faulem und geistlosem Luxus zu leben, während der Rest des Landes in einem Abgrund von Armut, Tyrannei und Korruption versinken werde. Zu dieser Kritik an der Staatsverschuldung als einer unproduktiven Umverteilung von Reichtum kam eine weitere hinzu, die auf der Quantitätstheorie des Geldes beruhte. Sie griff die These von der wirtschaftlichen Produktivität der Staatsverschuldung in ihrem Kern an, indem sie die inationäre Wirkung einer erhöhten Geldmenge betonte. Ein wichtiger französischer Vertreter dieser Theorie war der Ökonom François Véron de Forbonnais. Im Gegensatz zu Law und Melon ging Forbonnais in seinem Hauptwerk, den „Élements du Commerce“ von 1754,34 davon aus, daß die absolute Menge von Geld in einem Land vollkommen unwichtig sei, da sich seiner Meinung nach die vorhandenen Güter automatisch auf ein bestimmtes Preisniveau begäben. Von Bedeutung seien lediglich eine Verringerung oder Zunahme der Geldmenge: Eine Verringerung sei insofern fatal, als sie auch zu einer Abnahme der wirtschaftlichen Aktivität führe. Doch auch eine Zunahme hatte für Forbonnais auf lange Sicht dieselben negativen Auswirkungen. Denn mit einer Vermehrung der Geldzeichen steige notwendigerweise auch der Preis der Waren in einem Land, was zur Folge habe, daß sie gegenüber den billigeren Waren anderer Länder nicht mehr konkurrenzfähig seien. Folglich ieße das Geld durch Importe wieder ins Ausland ab, und die Wirtschaft trete ebenfalls in eine Rezession ein.

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Übernommen hatte Forbonnais diesen Gedanken wahrscheinlich von Richard Cantillon, einem 1706 in Frankreich naturalisierten Iren, der in Paris als Bankier tätig war. Cantillon hatte kräftig mit MississippiAktien spekuliert und in weiser Voraussicht des Zusammenbruchs von Laws System schon 1719 seine Gewinne in Sicherheit gebracht, was ihm die Feindschaft Laws und seine vorübergehende Ausweisung aus Frankreich eintrug.35 Cantillons „Essay général sur le commerce“ wurde zwar erst im Jahre 1755 veröffentlicht, zirkulierte jedoch bereits nach seinem Tod 1734 in Manuskriptform. Ihre größte Verbreitung erfuhr diese neue Sichtweise der Wirkung von Geld jedoch nicht durch das Werk von Cantillon oder Forbonnais, sondern durch David Humes Essay „Of the Balance of Trade“ von 1752, der zwei Jahre später – also im selben Jahr wie Forbonnais’ „Élements“ – auch in Frankreich übersetzt erschien und dort schnell große Beachtung fand. Darin verglich Hume das Geld mit Wasser, das sich automatisch auf ein bestimmtes Niveau begebe. Ebenso werde das Geld ganz von selbst immer „ungefähr im richtigen Verhältnis zu den Fertigkeiten und zum gewerblichen Fleiß (industry) einer jeden Nation“ gehalten.36 Diese Vorstellung einer automatischen Regulierung der internationalen Geldströme, die in der klassischen Außenhandelstheorie einen zentralen Platz einnehmen sollte, hatte zunächst einmal Folgen für den Außenhandel. So zog Forbonnais aus ihr den pessimistischen Schluß, daß der Außenhandel, dessen Ziel es ja sei, mehr Geld ins Land zu holen, unentwegt an seiner eigenen Zerstörung arbeite.37 Hume leitete aus ihr hingegen die optimistische Folgerung ab, daß die Theorie der Handelsbilanz als solche falsch und daher vor allem auch die Handelsrivalität unter den europäischen Nationen vollkommen unnötig sei. Beide Autoren nutzten dieselbe Theorie aber gleichermaßen, um das Argument von der wirtschaftlichen Produktivität der Staatsverschuldung zu widerlegen. So schrieb Forbonnais: „Wenn diese Schuldtitel zu Geld werden, dann fügt man einem notwendigen Mißbrauch einen willentlichen hinzu. Die Vermehrung dieser Geldzeichen wird nämlich denselben Effekt haben wie eine [tatsächliche] Zunahme seiner Menge: Die Waren werden durch eine größere Menge von Metallen dargestellt, was ihren Verkauf ins Ausland vermindern wird“.38 Für Hume bestand sogar ein direkter Zusammenhang zwischen der seiner Ansicht nach großen Menge von Edelmetallgeld in Frankreich und der Tatsache, daß es dort eben keine Banken gebe, die mit ihrem zu Papiergeld umfunktionierten Kredit das Edelmetallgeld aus dem Lande trieben.39 Eine entscheidende Frage blieb aber ungeklärt. Forbonnais und Hume zogen nämlich nicht die produktive Wirkung von Geld an sich in Zweifel, sondern nur die Möglichkeit, die Geldmenge über ein gewis-

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ses Maß hinaus zu steigern, ohne einen gegenteiligen Effekt hervorzurufen. Doch wann war der Moment gekommen, in dem eine Vermehrung der Geldmenge ihre positive Wirkung verlor? Und ab welchem Volumen brachte die Staatsverschuldung negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung mit sich? Genauso wie Melon das richtige Verhältnis zwischen Kredit und Produktion nicht benannt hatte, äußerten sich weder Hume noch Forbonnais eingehender zu dieser zentralen Frage. In diese Argumentationslücke stieß in den Jahren von 1752 bis 1755 der Autor eines neuen Bankprojekts vor.40 Der anonyme Verfasser führte Humes Ansichten darauf zurück, daß dieser als Tory aus rein politischen Gründen gegen die von den regierenden Whigs betriebene Staatsverschuldung Position beziehe. Humes Argument eines selbstregulierenden Geldniveaus stelle einen Sophismus dar, der dazu angetan sei, „das Geld ohne Unterlaß von einem Staat zum anderen ießen zu lassen und die Nationen einem ständigen Wechsel von Armut und Überuß auszusetzen“.41 Das Problem der Ination hielt der Autor für geringfügig, da aufgrund der Zunahme der Warenmenge durch die erhöhte Produktion schließlich auch die Preissteigerung abgefedert werde. Vor allem aber kritisierte er Hume dafür, daß dieser nicht erklärt hatte, was er für eine richtige Proportion zwischen den zirkulierenden Geldzeichen und der Produktion eines Landes hielt. Seine eigene Theorie bestand darin, daß jeder Wareneinheit eine Geldeinheit entsprechen müsse. Für Frankreich, das über ein jährliches Produkt von 4 Mrd. Livre tournois, gleichzeitig aber nur über 1,5 Mrd. Geldeinheiten verfüge, bedeute dies, daß die fehlenden 2,5 Mrd. Livre tournois in Form von Krediten bereitgestellt werden müßten, damit die Produktionskapazitäten angemessenen ausgeschöpft werden könnten. Das Projekt sah daher vor, die nach dem Zusammenbruch der Banque Royale wiederhergestellten, alten Staatsschulden erneut durch andere Staatspapiere abzulösen und in eine Banque Générale zu überführen, die nach dem Vorbild der Bank of England von einem Konsortium privater Bankiers geleitet werden sollte. Zugleich betonte sein Urheber mit großem Nachdruck die positiven Auswirkungen der Staatsschuld auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ausgehend von Laws Feststellung, daß nur mit mehr Geld auch mehr Menschen beschäftigt werden könnten, beschrieb er eine Aufwärtsspirale der wirtschaftlichen Entwicklung, die von einer solchen Vervielfältigung des Kredits ausgelöst werden sollte: Der Kredit erhöhe die Geldmenge und sorge zudem dafür, daß auch das Edelmetallgeld besser in den Handel eingeführt werde. Die derart vermehrte Menge zirkulierenden Geldes verringere den Kreditzins und rege Investitionen an, die der Bevölkerung mehr Beschäftigungsmöglichkeiten schüfen. Die daraus resultierende Vermehrung des Wohlstands

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wirke sich positiv auf die Bevölkerungsentwicklung aus, da die Menschen sich mit einem ausreichenden Einkommen besser ernähren könnten und ihre Kinder aufgrund der besseren Gesundheit auch größere Überlebenschancen hätten. Eine größere Bevölkerung vermehre wiederum den Konsum von Gütern, was seinerseits die weitere Produktion anrege. Die Vorteile, die der Staat durch dieses Wachstum erhalte, überwögen bei weitem die Nachteile durch seine Verschuldung und die Zinsdienste, die geleistet werden müßten. Die Schulden, sofern sie als Geldmittel zirkulierten, seien also tatsächlich ein Reichtum.42 Zum Referenzpunkt für die Anhänger einer maßvollen Staatsverschuldung sollte der „Traité de la circulation et du crédit“ von Isaac de Pinto werden, der 1771 in Amsterdam auf Französisch erschien und bald darauf auch ins Englische und Deutsche übersetzt wurde.43 Pinto, ein niederländischer Jude portugiesischer Abstammung, griff darin die Meinung von „großen Männern“ wie Montesquieu an, die sich zu dem Problem geäußert hätten, ohne jedoch die notwendige praktische Erfahrung zu besitzen. Ebenso wie der Verfasser des Bankprojekts hielt er den Nutzen des wirtschaftlichen Wachstums, der durch die erhöhte Geldzirkulation hervorgerufen werde, für weitaus größer als den Schaden, der sich aus einer erhöhten Steuerlast ergäbe. Dafür machte er sich vor allem Melons Argument zu eigen, daß es sich bei den Staatsschulden um Schulden „der rechten Hand an die linke“ handle, da schließlich die Steuern, die man der Bevölkerung abverlange, in Form der gezahlten Zinsen zu einem Großteil wieder an sie zurückössen.44 Das Ansteigen des Arbeitslohns, das Montesquieu und Hume auf die Erhöhung der Steuern zurückgeführt hatten, erklärte Pinto hingegen mit der seit dem 16. Jahrhundert erhöhten Silberzufuhr aus Südamerika, die zu einer Ination geführt habe. Dabei gestand er die Möglichkeit einer ungleichen Verteilung der Steuerlast – und damit auch eine von der Staatsverschuldung ausgehende Umverteilung von Reichtum – durchaus ein. Dies minderte in seinen Augen jedoch nicht den Vorteil für die Nation als ganze, umso mehr, als die Proteure einen Großteil ihres Gewinns in das Gewerbe investierten. Das Volumen der Staatsschuld sei viel zu groß, als daß nur eine kleine Klasse von Rentiers davon protieren würde; sie verteile sich vielmehr auf die gesamte Nation. Die These von der wirtschaftlichen Produktivität der Staatsverschuldung konnte sich nicht durchsetzen. Die klassische Theorie der Nationalökonomie würde der negativen Auffassung Montesquieus und Humes folgen, die in der Verschuldung die Gefahr einer immer höheren Steuerlast sahen, mit der man der Wirtschaft wichtiges Kapital für Investitionen entzog.45 David Ricardo erschien die Staatsschuld im Jahre 1820 schließlich als „eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Pei-

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nigung einer Nation erfunden worden ist“.46 Es wäre jedoch falsch, die Ideen von Law, Melon und Pinto einseitig aus der Perspektive zu beurteilen, die in der Folgezeit die Überhand gewann. Denn sie suchten eine Antwort auf ein im frühneuzeitlichen Kontext durchaus reales Problem: einen immer wieder auftretenden Mangel an Zahlungsmitteln, für den ihre intellektuellen Widersacher auch keine realistische Lösung anbieten konnten. Dieser Mangel an Zahlungsmitteln sollte im Laufe des 19. Jahrhunderts schließlich durch die zunehmende Verfügbarkeit von Geld, beispielsweise durch den Aufschwung von Aktienbanken, gemildert werden.47 Spätestens seit US-Präsident Richard Nixon im Jahre 1971 die Konvertibilität von Dollar-Banknoten in Gold endgültig abschaffte48 und damit das ungedeckte und beliebig reproduzierbare Papiergeld zur Realität werden ließ, gehören ihre Theorien einem anderen Zeitalter an. Eine Übertragung auf die heutige Situation verbietet sich darüber hinaus aufgrund der Bestimmung des geliehenen Kapitals. Weder handelte es sich um „decit spending“, wie es in den westlichen Ländern seit den 1960er Jahren unter dem Einuß der Theorien von John Maynard Keynes mit dem Ziel der Vollbeschäftigung durchgeführt wurde, noch war das Kapital für Sozialausgaben bestimmt wie in den 1970er und 1980er Jahren.49 Die hauptsächliche Bestimmung für die geliehenen Gelder blieb auch im 18. Jahrhundert weiterhin der Krieg. Mit der These, daß eine maßvolle Staatsverschuldung wirtschaftliches Wachstum anregen und dadurch Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen kann, haben ihre Vertreter dennoch eine Vorstellung hervorgebracht, die – wenn auch in veränderter Form – bis heute wirkmächtig geblieben ist.

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Georg Eckert Staatsverschuldung als Verfassungsgarantie: England nach der Glorious Revolution 1688/1689 Die Finanzielle Revolution1 der Neuzeit hat in England am Ende des 17. Jahrhunderts begonnen. Sie vollzog sich zeitgleich mit jener politischen Revolution, die sich bereits in den späten 1670er Jahren entwickelt hatte und im Dezember 1688 in der Flucht König Jakobs II. ihren vorläugen Höhepunkt fand. Am Ende der Glorious Revolution besaß England mit Wilhelm III. und Maria II. ein neues Königspaar und ein verändertes politisches System. Beide Revolutionen trafen sich gleichsam in der Staatsverschuldung, und zwar im ökonomischen und politischen Phänomen des Kredits. Wie ein aufmerksamer Zeitgenosse im Rückblick registrierte, war der Kredit nämlich „Herz und Seele allen Handelns und allen Austausches geworden, des privaten wie des öffentlichen“.2 In den massiven politischen Auseinandersetzungen des Jahres 1710 – die seit 1702 regierende Königin Anna I. hatte gerade ihre bisherigen Whig-Minister entlassen – machte just ein konservativer, den nun vorherrschenden Tories nahestehender Autor sein breites Lesepublikum so pointiert auf diesen fundamentalen Wandel aufmerksam. Freilich hätte diese wohl dem französischen Emigranten und britischen Journalisten Abel Boyer zu verdankende Formulierung gerade so gut aus dem gegnerischen politischen Lager stammen können. Gewiß unterschieden sich die Anhänger jener beiden Parteien, deren Ausdifferenzierung in eher liberale Whigs und tendentiell konservative Tories sich nach der Glorious Revolution beschleunigt hatte, in ihren Interessen und in ihren Idealen erheblich. Aber sie verband bei unterschiedlicher Bewertung gleichwohl die Anerkenntnis, daß der Kredit nunmehr Geist und Körper des Staates bestimme. Groß war zwar die Furcht, daß daraus gesellschaftliche Instabilität erwachsen müsse, bis hin zum neuerlichen Bürgerkrieg. Groß waren aber gerade nach der britischen Staatenunion von 1707 zwischen England und Schottland auch die Zukunftshoffnungen, wenn es irgend gelänge, die neuentdeckten politischen Naturgesetze des Kredits für das Gemeinwesen nutzbar zu machen. Nicht von ungefähr rmierte die Staatsverschuldung in jener Zeit als „Public Credit“, als „öffentlicher Kredit“, das heißt als „öffentliches

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Vertrauen“: Staatsverschuldung verhieß eine Verfassungsgarantie, war praktizierter Verfassungsschutz. Sie versprach, die politischen Errungenschaften der Glorious Revolution von 1688/1689 in ihrem Bestand zu garantieren. An den politischen Zins der Staatsverschuldung appellierten schließlich jene teils noch immer prominenten (wie etwa der Autor Daniel Defoe), teils seinerzeit wie heute anonymen Anhänger aller Parteien, auf deren um 1710 erschienene Schriften sich die vorliegende Darstellung konzentriert.

1. V H  S In einem besonders guten Ruf hatte die Staatsverschuldung im 17. Jahrhundert nicht gestanden, weder auf den britischen Inseln noch auf dem europäischen Kontinent. Das galt umso mehr, als Verschuldung als solche mit einem schlechtem Leumund behaftet war: Wer Schulden aufnahm, schien über seinen Verhältnissen zu leben. Gerade eine ständisch strukturierte Gesellschaft mußte solche Übertretungen sanktionieren und darauf beharren, daß niemand vom Pfad der Tugend – oder, wie es der bereits oben zitierte Autor formulierte, vom „Pfad der Genügsamkeit und der Sparsamkeit“3 – abweiche. Deshalb warnten zum Beispiel die einschlägigen Handbücher über eine gelungene Gestaltung des eigenen Hauses und Hofes, die sogenannte Hausväterliteratur, stets und prinzipiell vor Verschuldung. Einerseits galten Bedürfnisse, die nicht aus den eigenen Vorräten, auch den monetären, gedeckt werden konnten, generell als illegitim, eigennützige umso mehr;4 zur frühmodernen Wirtschaftsweise gehörte andererseits aber auch, daß elementare Konsumgegenstände wie namentlich Brot und Getreide nicht zu freien Marktpreisen gehandelt wurden, sondern zu „gerechten“, oft gesetzlich vorgeschriebenen Preisen, die zumindest das Überleben ermöglichten.5 Dafür sollte es keiner Schulden bedürfen – und umgekehrt wurde Schuldenmachen oft mit übler Verschwendungssucht, zugleich eine Todsünde, gleichgesetzt. Auch noch im Großbritannien des 18. Jahrhunderts behielt diese Wertung ihre moralische Gültigkeit,6 erst recht in einer politischen Anwendung: Auch von Monarchen wurde erwartet, daß sie sich aus ihren eigenen Besitzungen nanzierten. Doch standen sie stets im Verdacht, ein prunkvolles, verschwenderisches Hofleben zu führen und unnötige Kriege vom Zaune zu brechen – auf Kosten der gesamten Gesellschaft, die zu diesen Zwecken steuerlich ausgepreßt würde. Akut wurden solche Vorbehalte vor allem dann, wenn die aus guten Gründen mißtrauischen Stände an wichtigen politischen Entscheidungsprozessen nicht

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beteiligt waren, insbesondere an der Erhebung von Steuern, deren es zur Deckung der Ausgaben und Kredite bedurfte. Derartige Auseinandersetzungen waren in England in der Mitte des 17. Jahrhunderts eskaliert. Der am Ende des Bürgerkrieges abgesetzte und hingerichtete König Karl I. (reg. 1625-1649) hatte schon in den 1620er Jahren mit Zwangsanleihen, am Parlament vorbei aufgenommen,7 den Widerwillen seiner wohlhabenden Untertanen erregt und sich schließlich gar zum Versuch genötigt gesehen, zur Finanzierung seiner eigenen Armee gegen die Truppen des Parlaments die Juwelen seiner Gattin Henriette Maria in den Vereinigten Niederlanden zu verpfänden. Nach der Wiedereinführung der Monarchie im Jahre 1660 geriet auch sein Sohn Karl II. (reg. 1660-1685) bald in erhebliche Finanznöte; das Parlament untersagte ihm in den 1670er Jahren, den akuten Geldbedarf nach bewährter Praxis durch Zwangsanleihen bei den eigenen Bürgern zu decken;8 im sogenannten „Great Stop of the Exchequer“, veranlaßt durch die Kosten des neuerlichen Krieges Englands mit den Vereinigten Niederlanden, stellte Karl II. im Januar 1672 den Schuldendienst sogar kurzfristig ein und bediente Zinszahlungen nicht mehr, nachdem er bei den Londoner Bankiers keinen neuen Kredit erhalten hatte.9 Ohnehin war die Staatsverschuldung in der Zeit vor der Glorious Revolution letztlich eine persönliche Verschuldung des Königs selbst,10 ein Herrscherkredit. Gerade deshalb stand sie auch im Bürgerkrieg wie nach der Restauration in einem schlechten Ruf: Der Monarch konnte sich so Geld verschaffen, ohne das Parlament einzubinden, das jegliche Steuer hätte bewilligen müssen. Doch erregte es eben nicht nur das Mißtrauen des Parlaments, vor allem des steuerkräftigen Unterhauses, wenn ein König unsolide wirtschaftete – sondern umgekehrt erst recht, wenn er Haus und Hof in bester Ordnung hielt. Jakob II. (reg. 16851688) verdankte es einer efzienten Verwaltung und einer günstigen Konjunktur,11 daß sein Geldbedarf gar nicht aus außergewöhnlichen Steuern oder gar aus Krediten gedeckt zu werden brauchte. Aber just diese Efzienz wurde zum Argument für die Glorious Revolution, weil sie vor allem als weiterer Beweis absolutistischer Tendenzen des obendrein katholischen Königs erschien. Seine Toleranzerlasse, die vor allem die zahlreichen Dissenter des Landes außerhalb der anglikanischen Staatskirche begünstigten, brachten König Jakob II. zudem in den Verdacht, die britischen Inseln rekatholisieren zu wollen; daraus drohte nach der Geburt eines Thronfolgers im Juni 1688 mehr als nur eine Episode zu werden. Keine der wichtigen gesellschaftlichen und politischen Gruppen war mehr an einer Fortsetzung dieser ehrgeizigen, aber letztlich glücklosen Herrschaft interessiert. So kam es zur Glorious Revolution, in deren Zuge Jakob II.

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seinen Thron in England und auch in Schottland verlor. Auf den für „vakant“ erklärten Thron berief das sogenannte Convention Parliament, im Grunde ein irreguläres Not-Parlament, den auch weiterhin in Personalunion in den Niederlanden als Statthalter regierenden Wilhelm von Oranien (reg. 1689-1702), ein Neffe Jakobs II., sowie dessen Frau Maria (reg. 1689-1694), Jakobs II. eigene Tochter. Schon in diesem Wahl-Procedere wird deutlich, daß der Herrscherwechsel einen Wandel des politischen Systems mit sich brachte. Die Macht des Parlaments festigte ferner nicht nur die Bill of Rights von 1689, sondern auch die Triennial Bill von 1694, indem sie die Wahlperiode des Unterhauses auf drei Jahre verkürzte; bereits im Krönungszeremoniell bildete sich die enorme Aufwertung des House of Commons ab, das zum ersten Mal als herausgehobener Zuschauer auftrat;12 schließlich wurde die Meinungsfreiheit dadurch gestärkt, daß man den Licensing Act, also die Vorzensur, im Jahre 1695 nicht mehr verlängerte. Britische Besucher in Preußen zeigten sich noch im späten 18. Jahrhundert verwundert, wie direkt der Monarch im Gegensatz zum britischen dort seine Armee und seine Beamten kontrollierte, dachten bereits eher in nationalen als in dynastischen Kategorien.13 Denn auf der Insel übten allein schon die wohlhabenden Kreditgeber des Staates, die im House of Commons repräsentiert waren und dort in keineswegs uneigennütziger Manier für die exakte Rückzahlung der Staatsanleihen wirkten, seit 1689 einen erheblichen Einuß auf die Regierung aus.14 Die Schuld war fortan von der Person des Herrschers gelöst und galt als eine „rechtlich absolut verbindliche für den Staats als solchen“, wie es Lorenz von Stein im 19. Jahrhundert formuliert hat;15 ihre Entpersonalisierung öffnete zugleich neue Denkräume für die Einzigartigkeit der Staatsverschuldung, die immer weniger in Analogie zur privaten Verschuldung gedacht wurde.16 Die Mitwirkung des Parlaments in der Politik verlangten die Gläubiger selbst – aber auch das Königspaar, das auf die Unterstützung der beiden Häuser angewiesen war. Denn die Folgekosten des Herrscherwechsels und namentlich die Kosten der zahlreichen Kriege, die England in den 1690er Jahren führte, schufen das Problem der Staatsverschuldung erst. Neu war ihr Umfang: Schon 1695 waren bereits 8,4 Mio. Pfund erreicht,17 nachdem Jakob II. eine stehende Schuld von lediglich 2 Mio. Pfund hinterlassen hatte, die unter Georg III. im späten 18. Jahrhundert schwindelerregend schnell wuchs und gar auf über 800 Mio. Pfund anschwoll – zugleich nahm die Besteuerung der Bevölkerung kontinuierlich zu.18 Neu war ihre Beschaffenheit: Nach der Glorious Revolution wurde die Staatsschuld vom Parlament jeweils als Gesetz ausgefertigt, am Ende der Regierungszeit Königin Annas I. (1702-1714) wurden be-

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reits jährliche Budgets aufgestellt.19 Neu war vor allem ihre Akzeptanz: Obwohl die Belastung des Staatshaushaltes und der einzelnen Bürger erheblich anstieg, weil zur Gegennanzierung der diversen Kriege unter den Steuern vor allem die Akzise ausgedehnt wurde,20 glaubten die meisten Engländer, mit der Glorious Revolution ein gutes politisches Geschäft gemacht zu haben. Sie zeigten sich bereit, es auch künftig zu nanzieren, obschon die Ausgaben binnen weniger Jahre um das Dreifache anstiegen.21 So galten nach 1707 stets mehr als 30 Prozent der jährlichen Staatseinnahmen dem Schuldendienst, der nun statt in Kurzzeitverschreibungen in Langzeitanleihen geleistet wurde.22 Die Wende zur Langzeit-Verschuldung war genommen, die wesentlich die Staatsverschuldung der Moderne kennzeichnet.23 Doch waren diese politischen Folgekosten ganz und gar nicht unbeabsichtigt, wie eine Denkschrift über die beste Finanzierung der Staatsschuld es fünf Jahre nach der Glorious Revolution in Dankbarkeit über den „gegenwärtigen Genuß unserer Religion und Freiheit“ und mitten in der Debatte um die Gründung der Bank of England ausdrückte: Die Majestäten Wilhelm III. und Maria II. sollten „mit den Herzen und Geldbörsen Ihrer Untertanen“ ausgestattet werden.24

2. D  V  S Aus dem Bekenntnis zur Glorious Revolution war rasch eine Picht erwachsen, ihre Errungenschaften energisch zu verteidigen – nach innen wie nach außen, denn die Anerkennung Wilhelms von Oranien als englischer König, der in Personalunion weiterhin das Amt der Statthalters der Vereinigten Niederlande bekleidete, bedeutete auch ein verstärktes Engagement gegen die Expansionsbestrebungen Ludwigs XIV. auf dem europäischen Kontinent. Der französische König unterstützte seinerseits zudem die Thronansprüche des exulierten Jakobs II., von den Anhängern Wilhelms III. bald als „Pretender“ („Thronbewerber“, und zwar unrechtmäßiger, stets mit dem Beiklang des Heuchlers verwendet) denunziert, und seines Sohnes Jakob (III.) Stuart, die auf Kosten Ludwigs im Schloß von Saint-Germain-en-Laye nahe Paris residierten; unmittelbare Gefahr durch eine jakobitische Invasion auf die Insel drohte bis weit in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein immer wieder, freilich von beiden Seiten aus taktischen Gründen propagandistisch überhöht. Noch im Jahre 1710 unterstellte ein Pamphlet, daß eine Verminderung der Staatsverschuldung nur dem Pretender den Weg bereite und sich mithin sowohl wider die Errungenschaften der Revolution als auch wider das Vaterland richte.25

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In den 1690er Jahren waren solche Gefahren jedenfalls akut. England kämpfte zwischen 1689 und 1691 in Irland gegen die von Frankreich unterstützten Anhänger Jakobs II., England engagierte sich als Teil der Großen Allianz gemeinsam mit den Habsburgern, den Generalstaaten und Brandenburg-Preußen in einem langwierigen Konikt zu See und zu Lande. Wilhelm III. und England konnten sich erfolgreich behaupten: Am Ende des Neunjährigen Krieges (1688-1697), in gewisser Weise ein Kampf um die englische Erbfolge und nicht umsonst auch als „King William’s War“ bezeichnet, besiegelte der Frieden von Rijswijk das Scheitern der französischen Ambitionen. Der französische König mußte sich darin nicht zuletzt verpichten, künftig Wilhelm III. statt Jakobs II. als legitimen Herrscher Englands anzuerkennen. Der Sieg hatte aber einen hohen Preis. Ohne eine substantielle Staatsverschuldung wäre er unter Beibehaltung des jüngst errungenen Regierungssystems nicht zu erringen gewesen:26 Schon wegen seiner Länge, aber auch aufgrund kostspieliger Veränderungen – zumal bei der vermehrten Truppenstärke27 – in der Kriegsführung wurden enorme Summen fällig. Gleichwohl legte das englische Parlament großen Wert darauf, selbst für die Schulden des Neunjährigen Krieges einzustehen.28 Wohlbegründet war dieses auf den ersten Blick seltsame Verhalten indes durchaus. Schließlich hatte es das Parlament in der Glorious Revolution vermocht, den Monarchen nanziell von sich abhängig zu machen; es bewilligte im Jahre 1692 eine jährlich erneuerte Steuer auf Grundbesitz, sicherte die Staatsverschuldung mit einer erhöhten Akzise ab, in diesem Falle eine Verbrauchssteuer auf Bier und Spirituosen, brachte mit dem Lottery Act von 1694 erstmals eine langfristige Schuldverschreibung aus, allerdings noch mit einem hohen Zinssatz von vierzehn Prozent, und ließ im Jahre 1694 die Bank of England zu, die der Regierung wesentlich günstigere Konditionen von acht Prozent bot. Die Bank of England war keine Staatsbank im modernen Sinne, sondern zunächst einmal eine privilegierte, private Kreditanstalt für den Staat, die sukzessive zur öffentlichen Institution wurde.29 Sie erhielt das Recht, Notengeld im Umfang der übernommenen Staatsschuld im Umlauf zu setzen, und bewahrte dank ihres immensen Eigenkapitals den englischen Staat in den 1690er Jahren vor dem Bankrott. Ihre Gründung fügte sich in die traditionelle Politik, gegen Geldzahlungen spezische Monopole zu erteilen – wohlgemerkt mit zwei entscheidenden Unterschieden. Erstens verlieh nunmehr das Parlament dieses Monopol, nicht mehr der König. Zweitens bildete die Errichtung der Bank als solche schon ein Bekenntnis gegen eine mächtige Monarchie: Mit Blick auf das niederländische Vorbild gingen die Zeitgenossen davon aus, daß eine Bank nur in einer parlamentarischen Regie-

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rungsform errichtet werden könne.30 Die Bank of England stellte eine allgemein zugängliche Aktiengesellschaft dar, deren Anteilseigner gemäß ihren Einzahlungen in fünf Klassen mit unterschiedlichen Rechten unterteilt waren31 und ein breites soziales Spektrum umfaßten: Zu den Investoren zählten nicht nur erfolgreiche Geschäftsmänner und Parlamentsabgeordnete, sondern auch einfache Händler. Tatsächlich trugen kleine Investoren erheblich zur Finanzierung der enormen Schuldensummen bei, die schon in den 1690er Jahren aufgenommen wurden – und sie empfanden ihr Investment als patriotischen Akt,32 weil es die Errungenschaften der Glorious Revolution festigte. Zum Beispiel verstanden selbst die in London ansässigen, nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahre 1685 wegen ihrer fürderhin verbotenen Konfession aus Frankreich emigrierten Hugenotten ihre Investitionen in die Staatsverschuldung als klares politisches Bekenntnis.33 Kurzum: Die Staatsverschuldung sollte sich für den einzelnen Investor nanziell lohnen – und vor allem sollte sie sich politisch verzinsen. Sie war gleichsam ein Mittel des Verfassungsschutzes gerade gegen die Angriffe Ludwigs XIV.,34 das ökonomische, politische und soziale Bedeutung trug. Den Zeitgenossen war bewußt, wie einschneidend die Veränderungen waren – und auch, daß sie bestimmte Interessen mehr bediente als andere. Politische und ökonomische Zwecke waren miteinander vernetzt. So klagte ein wortmächtiger Autor, John Briscoe, im Jahre 1694 darüber, daß sich die Investoren in die Staatsschuld letztlich auf Kosten der eißigen Händler und der Landbesitzer bereicherten, weil Geld aus dem Umlauf genommen werde – und schlug alternativ vor, den Geldbedarf über neue Banknoten auf der Basis von Landbesitz zu erfüllen: Dann sinke der Zinssatz, vor allem werde das Projekt „ihre Majestäten und das Volk vereinen und sie untrennbar im gegenseitigen Interesse verbinden“.35 Dieses strategische Ziel verband Briscoe selbst mit seinen Gegnern. Auch in einer weiteren Schrift legte er großen Wert darauf, daß seine alternative Bewältigungsstrategie der Staatsverschuldung für alle vorteilhaft sei: Landbesitzer, die solche Kredite gewährten, sollten von der Landsteuer befreit sein, während Händler und Handwerker davon protierten, daß die Kaufkraft im Lande steige.36 Andere zeitgenössische Druckschriften nutzten ebenso eine dezidierte Gemeinwohlrhetorik, um darauf aufmerksam zu machen, daß die neu gegründete Bank of England lediglich „das Interesse einer einzelnen Gesellschaft oder einiger weniger Einzelpersonen“ bediene; ohnehin repräsentiere Geld „die Sünden des Krieges“. Zudem vermöge ein böswilliger König die Bank zu dem üblen Zwecke zu mißbrauchen, „die Gesetze des Königreiches umzuwerfen und auf den Freiheiten des Volkes herumzutrampeln“. Qua

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Monopol stelle die Bank „eine im Auge des Gesetzes überaus hassenswerte Sache“ dar, weil so der Handel behindert werde37 – diese letztere Klage wiederum entsprang ökonomischem Neid ebenso wie politischer Sorge: Schließlich hatte sich Jakob II. einst allzu eng mit der East Indian Company verbunden.38 Wenigstens zwei wichtige Entwicklungen verdeutlichen diese zeitgenössischen Einschätzungen. Ihre Kritik galt einerseits weniger der Staatsverschuldung als solcher, denn sie akzeptierten gleichsam die neue Geschäftsgrundlage der Glorious Revolution: Daß Parteihader vermieden werden müsse und daß der englische Staat und die englische Gesellschaft um beinahe jeden Preis zu verteidigen sei, blieb im Wesentlichen unbestritten – nicht hingegen, wer diesen Preis konkret zu entrichten habe und welche Mittel zur Finanzierung der ungewohnt hohen Kosten genutzt werden sollten. Andererseits war just dieses Problem mit den großen sozialen Verschiebungen verbunden, die sich im England des späten 17. Jahrhunderts ergeben hatten: Die Gesellschaft war im Fluß.39 Schließlich resultierte die Finanzielle Revolution nicht einfach aus der Glorious Revolution, sondern verdankte sich einer gemeinsamen sozioökonomischen Ursache: maßgeblich dem Aufstieg erfolgreicher Geschäftsleute, die ihr ökonomisches Kapital ausbauten und zugleich danach trachteten, es zu sozialer, moralischer und politischer Geltung zu bringen. England war städtischer, handelsorientierter, produktionsstärker und wohlhabender geworden.40 Der Nutzen des öffentlichen Kredits war an den Wert des nicht-öffentlichen, das heißt des Kredits unter Geschäftsleuten gebunden. Sie standen und elen gemeinsam, wie die Zeitgenossen einhellig urteilten – Absprachen unter Kaufmännern gleich, hänge auch die Staatsverschuldung wesentlich vom Vertrauen der Privatleute ab, daß der Partner die geliehenen Gelder zurückerstatte.41

3. E  K-G England war am Ende des 17. Jahrhunderts zu einer regelrechten KreditGesellschaft geworden: Die „große Maschine des Kredits“ habe alle öffentlichen und privaten Angelegenheiten umgeformt,42 resümierte Charles Davenant in seinen mit wissenschaftlichem Anspruch verfaßten Darlegungen über die nun von persönlichen Beziehungen gelösten,43 frei handelbar gewordenen Staatsnanzen aus dem Jahr 1698. Wiederholt ins Unterhaus gewählt, suchte Davenant hier nicht zuletzt seine eigenen Karriereambitionen auf wichtige Positionen in der Finanz- und Handelsverwaltung zu unterstützten und plädierte ganz im Sinne des

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Pionier-Ökonomen William Petty dafür, mehr „Politische Arithmetik“ zu betreiben. Darunter verstand er die „Kunst des Raisonnierens mit Zahlen über Dinge, die sich auf die Regierung beziehen“, in der Minister kundig sein müßten und zu der Einwohnerzahl und Handel ebenso wie Truppenstärke und Allianzen gehörten.44 Ökonomie wurde in dieser Zeit neu durchdacht – und neu bewertet. Daß sich prinzipiell neue Auffassungen von Geld und Kredit entwickeln konnten,45 war zudem eine Teilentwicklung der Wissenschaftlichen Revolution: Man begann, umfangreiche ökonomische Daten systematisch zu erheben, um die Bewegungsgesetze der Wirtschaft verstehen und politisch nutzbar machen zu können. Die enge Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft läßt sich etwa daran erkennen, daß die für ökonomische Kalkulationen so wichtige Wahrscheinlichkeitsrechnung im 17. Jahrhundert entscheidende Weiterentwicklungen erlebte.46 Die neuen Auffassungen von Geld und Kredit entstanden in der enormen Expansion des Handels im In- und Ausland, die ihrerseits ohne eine Expansion der Kreditbeziehungen zwischen den immer zahlreicheren Händlern kaum möglich gewesen wäre. Die steigenden Prote ermöglichten überhaupt erst jenen steigenden Geldverleih an Handelspartner – und eben auch an den Staat, wenn er denn hinreichende Rendite versprach. Die hohen, sicheren Zinsen der englischen Staatsschuld übertrafen bald die Chancen anderer Anlageformen und besaßen zugleich dank der gesetzlichen Garantie und der kalkulierbaren Steuereinnahmen das geringste Risiko für Investoren.47 Freilich hatten an der Staatsverschuldung nicht alle Engländer ein gleiches Interesse: Von ihrer Ausweitung protierten naturgemäß vor allem Händler und Gewerbetreibende (monied interest), die über viel üssiges Kapital verfügten – weniger hingegen diejenigen, deren ökonomische Macht sich eher auf dauerhaften Landbesitz und kaum auf üssiges Kapital (landed interest) stützte. Insofern deutet die rapide zunehmende Staatsverschuldung auf eine ökonomische, soziale und politische Machtverlagerung weg vom landed interest;48 auch die Glorious Revolution läßt sich zu gewissen Teilen als Auseinandersetzung zwischen diesen beiden großen Interessengruppen begreifen,49 deren Mitglieder politisch eher zu den Whigs (monied interest) beziehungsweise eher zu den Tories (landed interest) tendierten; sie begannen, sich als Parteien zu etablieren. Mit den Gewinnen, die zumal aus Einlagen an die Bank of England tatsächlich erzielt werden konnten, wuchs die Bereitschaft zu weiteren Einlagen. Zunächst befürworteten vor allem die Whigs eine weitere Verschuldung des Staates, zu dessen Gläubigern sie selbst in besonderem Maße rechneten;50 sie stellten deshalb auch beinahe sämtliche Direktoren der Bank of England vor 1715.51 Immer häuger und umfassender

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investierten aber bemerkenswerterweise bald ausgerechnet jene Tories, die der Bank of England skeptisch gegenübergestanden hatten, in just diese protable Anlagemöglichkeit;52 bereits die South Sea Company wurde von einer Tory-Mehrheit gegründet.53 Selbst als die Tories aus politischen Gründen gegen die Staatsverschuldung argumentierten, so beobachtete der Autor Daniel Defoe im Jahre 1710 doppeldeutig, schmerzte sie deren Niedergang noch: „sie nahmen einen tiefen Anteil an ihr“.54 Die Staatsverschuldung wurde lukrativ, lukrativer als Investitionen in Land oder Handel. Daraus erhellt auch der scheinbar paradoxe Sachverhalt, den Defoe zur selben Zeit notierte: „Je mehr wir in die Verschuldung gerannt sind, desto mehr haben wir unseren Kredit ausgedehnt“, und zwar zu immer geringeren Zinssätzen.55 Zugleich wurde der Geldverleih im ausgehenden 17. Jahrhundert zum Gegenstand einer intensiven Diskussion, die stark politisch aufgeladen war56 – und die in Wechselwirkung mit der moralischen Idealbildung einer sich neu formierenden Gesellschaft stand. Im Zentrum des „Public Credit“ stand nämlich, was seine Etymologie schon anzeigt: der Kredit, also das Vertrauen, dessen systematische Befestigung zum Zielpunkt der Diskussionen um die Staatsverschuldung wurde.57 Darin lag die große Herausforderung der Staatsverschuldung, weil der Kredit aufgrund seiner Bindung an die öffentliche Meinung bislang als chronisch instabil galt:58 „er hängt von der Meinung ab; er hängt von unseren Leidenschaften der Hoffnung und der Angst ab“ und sei nur stabil zu erhalten, wenn peinlich genau darauf geachtet werde, daß die Rückzahlungen vollständig und pünktlich erfolgten.59 Ein anderer Autor spitzte diese Gedankenführung noch zu: Gegenteiligenfalls drohten sogar Übel, die weit über einen einmaligen Geldverlust auf Seiten der Gläubiger hinausreichten. Wenn Kredite aus Privateigentum an den Staat nicht akkurat bedient würden, sei in letzter Konsequenz das Privateigentum selbst bedroht – hier müsse „die beste konstituierte Regierung auf Erden“ in England besonders achtsam sein, wenn selbst willkürliche Herrschaften wie die französische derzeit günstige Zinssätze reklamieren könnten.60 Solche Bedenken waren umso plausibler, als die Zinssätze in der Realität ganz erheblich vom Ergebnis der Parlamentswahlen beeinußt wurden.61 Die Zeitgenossen registrieren es aufmerksam. Die englische Kredit-Gesellschaft umfaßte freilich mehr als nur monetäre Beziehungen. Der Begriff des Vertrauens erlebte seine besondere Karriere nicht nur in einem engen ökonomischen Kontext. Schließlich sei Vertrauen „so notwendig, um ein Volk zu verbinden und zusammenzuhalten, wie Gehorsam, Liebe, Freundschaft und der Austausch über Sprache“.62 Gerade John Locke, einer unter mehreren spiritus rectores der Glorious Revolution, war an der Einführung des Vertrauens in

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die Philosophie maßgeblich beteiligt – als Kategorie des Wissens, aber auch als Kategorie der Gesellschaft und der Politik. Vertrauen zu haben, bedeutete ihm, ohne sicheres Wissen zu handeln und dabei von einem wohlinformierten Menschen abzuhängen; mithin war es an Individuen gebunden und harrte der Bestätigung durch die Wirklichkeit.63 Im Umkehrschluß konstituierte es eine gesellschaftliche Auszeichnung, Vertrauen zu bekommen – insbesondere, wenn damit politische Macht verbunden war: Nicht von ungefähr wurde der berühmte Gelehrte Isaac Newton in den 1690er Jahren zum Münzaufseher berufen, der gegen Manipulationen des vorgeschriebenen Metallgehalts einschreiten sollte.64 John Locke wies dem Vertrauen eine gesellschaftliche Schlüsselfunktion zu – so sehr, daß es zu einem zentralen Bezugspunkt seines in zahlreichen Auflagen erschienenen pädagogischen Traktates „A Plan of Education“ wurde. Für die politische Dimension der Locke’schen Erziehung ist schon charakteristisch genug, daß sie auf die freiwillige Kooperationsbereitschaft des Kindes und dessen Eigeninitiative setzte: So solle man etwa darauf warten, daß das Kind lesen lernen wolle, statt es dazu wider seinen Willen zu zwingen. Streit lohne sich nicht, stattdessen sollte der Erzieher geduldig darauf hinwirken, daß der Wille des Schülers „der Vernunft gegenüber demütig und gefügig“ („supple and suppliant“) werde. Man müsse dem Kind über alles andere lehren, „Credit and Commendation“, also „Vertrauen und Auszeichnung zu lieben; üblen und niedrigen Ruf zu verabscheuen“.65 Kredit wurde also nicht allein als ökonomisches, sondern vor allem als politisches und moralisches Bindemittel der englischen Gesellschaft eingesetzt: Nicht allein Wohlstand, sondern wesentlich die Stabilität des Staates und die Tugend seiner Bürger bildeten die Fixpunkte der intensiven Publizistik am Beginn des 18. Jahrhunderts.66 Die Gläubiger waren eben am Erhalt des Staates, von dessen Zinsdienst sie protierten, interessiert.67 Welch immense Bedeutung die Zeitgenossen der Funktion des Kredits beimaßen, zeigen nicht zuletzt die Metaphern, mit denen er oftmals beschrieben wurde: Zahlreiche Autoren schilderten den Kredituß als System, dessen Zirkulation für Staat und Gesellschaft so lebenswichtig sei wie der Blutkreislauf für den Menschen.68

4. V  K: D S  W 1710 Wieder war es ein großer militärischer Konikt, der die Staatsverschuldung im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts unaufhörlich in die Hö-

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he trieb: Der Krieg um die von Ludwig XIV. für seinen Enkel beanspruchte Erbfolge in Spanien wuchs sich zu einem unerhört teuren Weltkrieg aus. Als Bündnispartner der Niederlande, der Habsburger, des Königs in Preußen, Hannovers und auch des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in seiner Gesamtheit, Portugals sowie Savoyens war England im Jahre 1701 gegen das französisch-bayerische Bündnis eingetreten. Unter anderem errichtete England eine Seeblockade in der Nordsee, eroberte Gibraltar und stellte ein großes Truppenkontingent, das unter der Führung des Duke of Marlborough dem Gegner in der Schlacht von Höchstädt (beziehungsweise Blindheim respektive Blenheim, wie der Ort in Großbritannien bis heute genannt wird) eine schwere Niederlage zufügte; ungekannt hohe Subsidienzahlungen ossen an die Verbündeten.69 Indes wendete sich zwar nicht das englische Kriegsglück, aber das politische Klima im durch die Realunion mit Schottland im Jahre 1707 entstandenen Großbritannien. Schließlich war der langwierige Krieg zwar irgendwie ein patriotisches Unterfangen aller Briten. Aber während manche ihn der hohen Kosten wegen gerne rasch beendet hätten, zeigten sich andere hingegen eher an seiner Ausdehnung interessiert: Geschäftstüchtige Investoren wandten ihre Aufmerksamkeit vom andrischen Kriegsschauplatz ab und jenen ökonomischen Gelegenheiten zu, die das spanische Kolonialreich und vor allem die Südsee versprachen;70 nicht umsonst insistierten die Briten im Friedensvertrag von Utrecht (abgeschlossen im Jahre 1713) so sehr auf der Asiento-Klausel, die britischen Händlern über die South Sea Company ein Monopol für den einträglichen Sklavenhandel mit dem spanischen Amerika sicherte. Die Begrenzung der Staatsverschuldung wurde als unpatriotischer Akt diffamiert, der allein dem französischen Feind sowie den Stuarts in die Karten spiele – ihre Erhöhung hingegen würde sich nach Überzeugung der Whigs durch das erhöhte Handelsvolumen dank höherer Zölle und Steuern bald amortisieren. Diese Ziele repräsentierte jener Zirkel einußreicher Politiker um John Somers, Charles Montagu, Thomas Wharton und Edward Russell, den schon die Zeitgenossen als Whig-Junto bezeichneten. Sie sorgten für die parlamentarische Unterstützung der königlichen Kriegspolitik und brachten letztlich sogar die Minister in ihre Abhängigkeit. Freilich lagen die von ihnen repräsentierten Ziele ganz und gar nicht im Interesse der Tory-Opposition, die durch den Prozeß gegen den daraufhin suspendierten anglikanischen Prediger Henry Sacheverell im März des Jahres 1710 einen starken Auftrieb erlebte: Sacheverell hatte die Legitimität der Glorious Revolution bezweifelt und den Whigs vorgeworfen, ihre Politik schade der Anglikanischen Kirche – und mit dieser Kritik

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derart großen öffentlichen Widerhall gefunden, daß es nicht nur in der Londoner Bevölkerung sogar zu manchen Unruhen kam. Königin Anna I. nutzte die Gelegenheit zu einer innenpolitischen Frühlingsoffensive und betrieb einen Personaltausch, der vor allem ihre eigene Position stärken sollte. Mit Robert Harley berief sie im August 1710 einen Tory zum Chancellor of the Exchequer und mithin an die Spitze der neuen Regierung, die sogleich Friedensverhandlungen mit Frankreich anstrebte; die Tories erhielten bei den bald abgehaltenen Neuwahlen eine deutliche Mehrheit (329 Tories, 168 Whigs, 16 unklassizierte Abgeordnete nach der Wahl von 1710 statt 225 Tories, 268 Whigs und 20 unklassizierte Abgeordnete nach der Wahl von 1708).71 Im heftigen Wahlkampf aber zeigte sich, daß die Ära günstiger Staatskredite zu einem vorläugen Ende gekommen war: Die Zinssätze stiegen im Jahr 1710 abrupt an, mitten in einer politischen Krise.72 Während die Händler mehrheitlich eine Fortsetzung des Krieges und mithin eine weitere Staatsverschuldung forderten, die von neuen Handelsmärkten gegennanziert werde, konnten diejenigen, die von solchen Gewinnen nicht protierten, weiterem kostspieligem Engagement nichts abgewinnen – vorläug, denn die South Sea Company bot ab 1711 eine chancenreiche Investitionsmöglichkeit. Nun war den Investoren in die Staatsschuld ein gewisses Ausmaß an öffentlicher Unruhe durchaus willkommen, weil es die Zinssätze steigen ließ; Zins und Tilgung sollten allerdings nicht in Gefahr geraten.73 Die Londoner Mobs aber, die sich im Wahljahr 1710 formierten, und die massiven Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, die sich gleichzeitig in einer intensiven Publizistik niederschlugen, erschütterten das Vertrauen der Anleger erheblich. Die Abhängigkeit der Staatsverschuldung von der öffentlichen Meinung, die nach der Glorious Revolution immer wieder als ihr Vorzug präsentiert worden war, erwies sich jetzt in vieler Augen als zu hohes Risiko. Die unbeständige öffentliche Meinung schien nun eine permanente Gefahr für den Kredit darzustellen;74 die Debatten kreisten dabei um die Auswirkungen der überaus gespannten Ungewißheit über einen allenthalben diskutierten Ministerwechsel und sodann des Ministerwechsels selbst auf die öffentliche Meinung. Auf die Wiederherstellung des Vertrauens hoffte dabei ein „Honest Tory“ – und im Besonderen darauf, daß seine Partei eben Kredit gewänne und zeigen könne, daß noch ein „Sinn von Ehre und Aufrichtigkeit“ erhalten sei,75 den er der Whig-Junto absprach. Ihm antwortete ein Autor, der sich vorgeblich jenseits aller Parteien mit den hohen Schulden beschäftigte – wohl Simon Clement, der dem neu ernannten Tory-Minister Harley nahestand. Er wandte sich gegen die Fortschritte in der „neuen Wissenschaft des wilden Spekulierens“ („Stock-Jobbing“) und setzte sich mit dem Argument auseinander, ein neues Ministerium

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werde „den öffentlichen und den privaten Kredit“ zerstören. Diesen vielfach erhobenen Einwand der Whigs erachtete der Autor ganz im Sinne der Tories für abwegig. Denn wenn die monied men nicht mehr zahlten, sprängen andere Geldgeber ein, so wie hungrige Kinder die Butterbrote der satten aufäßen. Ironisch bekannte er sich zum „Whig-Prinzip“, Hof und Minister zu unterstützen, „wenn sie aufrichtig für das Gemeinwohl arbeiten, und sie ebenso leidenschaftlich abzuwehren, wenn sie anders handeln“.76 Natürlich erhofften sich die Tories fortan eine eigene Parlamentsmehrheit. Die immense Kriegsschuld verdankte sich schließlich auch einer weiteren Druckschrift zufolge allein der Whig-Junto; Landbesitzer hingegen seien „die geeignetsten Männer, um die Verwendung der öffentlichen Gelder zu untersuchen“. Der Autor dieser Zeilen zog eine Analogie zwischen dem privaten und dem „Öffentlichen oder Nationalen Kredit“. Er betrachtete ihn als „Meinung oder Vertrauen hinsichtlich des Staates oder der Regierung, gegründet auf die Erfahrung von dessen Fähigkeit, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit“, wie sie auch von jedem zuverlässigen Geschäftspartner zu gewärtigen seien. Die Staatsschuld nicht zu bedienen, komme deshalb dem Hochverrat gleich. Weil der Kredit nun einmal darauf beruhe, daß der Schuldner dem Gläubiger vertraue, nicht aus Vernunft, sondern aus schierer Meinung, setzte eine hinreichende Versorgung des Staates mit Geld schlichtweg voraus, daß vertrauenswürdige Parlamentsmitglieder gewählt würden und daß der Monarch „fähige, ehrliche und treue Beamte“ mit der Verwaltung der Staatsnanzen betraue. „Deshalb hängt der Öffentliche Kredit an erster Stelle vom Parlament ab, an zweiter Stelle von der Königin“ und von ihrer Personalpolitik: So wurde der Ministerwechsel gefordert.77 Schließlich drohte eine Politik, die von monied men zum Schaden des überschuldeten Staates betrieben werde, einem weiteren Autor zufolge den Krieg auf ebenso unnötige wie kostspielige Weise zu verlängern.78 Kaum waren die Tory-Minister ernannt, setzten sie eine große PRKampagne ins Werk. Robert Harley engagierte dafür eine regelrechte „Propagandatruppe“, zu der Schriftsteller vom Kaliber eines Abel Boyer, eines Jonathan Swift und vor allem eines Daniel Defoe zählten.79 Zumal Defoe hatte sich schon in der Debatte um die Staatenunion zwischen England und Schottland im Jahr 1707 als gewitzter Kampagnenschreiber und dezidiert moderner Autor bewiesen. Aus der Verbindung von Handel mit Frieden, Fleiß, Wohlstand, Freiheit und Bürgerlichkeit hatte er ein Zivilisierungsargument geformt,80 das auch seine mannigfachen Publikationen zur Staatsverschuldung einsetzten – insbesondere die Artikel in der zwischen 1704 und 1713 mehrmals wöchentlich erscheinenden „Review of the State of the British Nation“ und eigenständige Druck-

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schriften wie „An Essay upon Publick Credit“ und „An Essay upon Loans“ (beide 1710 erschienen); Rekurse auf die Vergangenheit hingegen unterließ Defoe weitgehend, gerade weil er auf eine neue Zukunft setzte.81 Defoe gehört zu den frühen Verfechtern des Paradigmenwechsels hin zur modernen Marktwirtschaft – und hielt unbeschränktes Wachstum für möglich,82 das in der Mangelgesellschaft der Frühen Neuzeit kaum eine plausible Option dargestellt hatte. Vom Wohl und Wehe von Schulden wußte er wiederum sogar aus eigener Anschauung zu erzählen. Defoe hatte in den 1690er Jahren seine umfangreichen, aber unprotablen Investitionen in den Handel auf Kredite hin getätigt, die er nicht hatte zurückzahlen können, und war weder ein erfolgreicher noch ein ehrbarer Kaufmann gewesen;83 nach einem privaten Bankrott hatte er sogar einige Tage im Gefängnis verbracht.84 Aus der Not, aus nanziellen Gründen als dienstfertiger Autor das Regierungsinteresse verteidigen zu müssen, machte er freilich die Tugend, seinen Auftrag dank brillanten Stils und gewitzter Gedankenführung überzuerfüllen. Auch Defoe befaßte sich prompt mit dem Einuß, den Ministerwechsel und Parlamentswahlen auf die Staatsverschuldung besäßen. Sein „Essay upon Publick Credit“ bezeichnete den Kredit als „Auswirkung einer Substanz, nicht als Substanz“, vielmehr als deren Effekt, durchaus der Newton’schen Physik und ihrem philosophischen Zweifel am SubstanzBegriff treu,85 als „Sonnenschein, nicht Sonne“, als „Öl des Rades“, als „Blut in den Venen“. Er nutzte ausnahmslos positiv besetzte Vergleiche, um die Funktion des Kredits überhaupt zu beschreiben. Dessen Wirkung führte er nicht bloß etwa auf verfügbares Kapital, sondern allein auf Redlichkeit zurück. Der Kredit sei schlicht „die Folge gerechten und ehrenvollen Umgangs“, des privaten wie des öffentlichen. Die Staatsverschuldung bildete für Defoe eine „öffentliche Sache“, von Aufrichtigkeit, Ehre und „der genauen Ausführung des Nationalen Engagements“ hervorgebracht. So erschien die Staatsverschuldung nicht als Auswirkung „dieses oder jenen Rads in der Regierung“, sondern als Teil ihrer gesamten Bewegung, die von Königin und Parlament angetrieben werde.86 Das Vertrauen stiege und die Zinssätze sänken, so setzte Defoe seine Argumentation fort, wenn die Königin nur die richtigen Männer mit der Verwaltung des Kredits und der Steuern betraute und das Parlament hinreichende Mittel zur Verfügung stellte: „Wo das geschieht, folgt der Kredit immer“. Denn der Kredit der Nation sei „auf die Ehre der Königin und des Parlaments“ gestellt – als nationale Ehre und eben nicht als persönliche Ehre der Minister, so daß ein Austausch der Minister gar keinen Einuß auf den Kredit haben könne.87 Um den Regierungswechsel zu verteidigen, löste Defoe den Kredit noch weiter von konkreten Personen ab und lenkte ihn auf die gesamte

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Nation um: Nicht ihren kontingenten Funktionsträgern, weder amtierenden Königen noch amtierenden Ministern noch amtierenden Parlamentsmitgliedern, schrieb er die Vertrauenswürdigkeit letztinstanzlich zu, sondern dem politischen System insgesamt, dessen Eigenlogik er lobte. Selbst sieben Jahre weiterer Kriegsführung, meinte Defoe, könne Großbritannien nötigenfalls stemmen.88 Dabei hatte er akzeptiert, daß die Investitionen in die Staatsverschuldung nicht aus gemeinnützigen, sondern höchst eigennützigen Erwägungen erfolgten: Wie er andernorts festhielt, hieße es lediglich „weise zu philosophieren über das, was sein könnte“, wenn man vorschütze, daß „Parteien die Menschheit ihrem eigenen Gewinn zuwider regierten“. Freilich insistierte er auch, daß es nicht der höchste Zinssatz als solcher, sondern vielmehr die genaueste Rückzahlung der Schulden sei, die den Kredit der Nation auch künftig zu garantieren vermöge.89 In seiner „Review“ erzählte Defoe noch literarischer von diesem Zusammenhang – und zwar in Gestalt der „Lady Credit“, der personizierten Staatsverschuldung in ihrer gesamten Wankelmütigkeit: Unvorhersehbar sei ihr Verhalten,90 ebenso unvorhersehbar wie die öffentliche Meinung, auf die sie reagiere. Darin lag die eigentliche Pointe des Vergleichs: Nicht Lady Credit als solche sei schwach, sondern zum Beispiel die Mobs während des Prozesses gegen Henry Sacheverell machten ihre Verfassung erst labil.91 Umso mehr, so schloß Defoe, müßten zur Retablierung von Lady Credit rasch „Partei-Frieden; Frieden zu Hause, Nachbarschaft, gegenseitiges Vertrauen“ einkehren, weil sich der Kredit nicht erzwingen lasse.92 Lady Credit mußte gleichsam eine Dame sein, um die kapriziöse Launenhaftigkeit und denkbar einfache Manipulierbarkeit der Staatsverschuldung widerzuspiegeln: Defoes Diagnose befand sich im Einklang mit zeitgenössischen medizinischen Überzeugungen, daß sich spezisch weibliche Hysterie einer besonderen Empndlichkeit verdanke.93 In ihrer Gesellschaft, so stellte Defoe seine Lady Credit vor, dulde sie nur „die Fleißigen, die Ehrlichen, die Arbeitsamen und solche, deren Begabung und deren Lebensneigung ihre gute Meinung aufrechtzuerhalten tendieren“.94 Ihre enge Bindung an die Kardinaltugenden unterstrich auch die gutbürgerliche Genealogie, aus der sie hergeleitet wurde: Ihre Eltern seien Klugheit und Aufrichtigkeit, ihre Base, der Ruf, sei aus der Liaison von Tugend und Weisheit hervorgegangen.95 Folgerichtig appellierte sie nicht an intrinsisch gute Menschen, sondern an kluges, aufgeklärtes Eigeninteresse: Wer sich mit Lady Credit einlassen wolle, müsse nun einmal allein die „Prinzipien der Ehre und der Gerechtigkeit achten“96 – und der politischen Vernunft. Denn „Whig und Tory, Arm und

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Reich, Regierung und Parlament, alle benden sich in der unbestreitbaren Notwendigkeit, den Kredit zu unterstützen“.97 Die Staatsverschuldung lag Defoe zufolge im Interesse aller, jenseits sämtlicher Parteiinteressen;98 Defoe konstruierte sie als Zwang zum politischen Kompromiß – sie wurde zum Instrument des Konsenses statt des Dissenses umgeformt. Mehr noch, indem die Gegner der Staatsverschuldung mitten in ihrem Feldzug gegen Handel, Gewerbeeiß und vor allem gegen die „generelle Verbesserung“ („general Improvement“), gar in einem Krieg „mit der Menschheit“ gestellt wurden,99 war die zivilisationsfördernde Wirkung der Staatsverschuldung bewiesen. Damit Lady Credit wieder in voller Schönheit und mit rosigen Wangen erschiene, müsse man „alle Sorten von Pöbel, Gewalt, Ruhestörung et cetera, bei jeder Gelegenheit und von welcher Partei auch veranlaßt“, verhindern.100 Lady Credit wurde also zur Regulierungsinstanz der britischen Verfassung bestellt: Sie erzwang mit sanfter nanzieller Gewalt politische Verständigung und sozialen Frieden, schlug gar einen regelrechten AllianzVertrag mit dem Parlament zur Stabilisierung des Staates vor101 – so kündete Defoe vom Wohl der Staatsverschuldung. Das Wehe nämlich, tyrannische Regierung, drohte nur in ihrer Abwesenheit.

5. D S  T   S Eine ähnliche Lektion wie Daniel Defoe erteilte der rastlose britische Publizist Joseph Addison den Lesern seines „Spectator“ im März des Jahres 1711. Auch er beschrieb die Staatsverschuldung als junge Dame, der er nach einem Besuch in der Bank of England in einem nächtlichen Traum begegnet sein wollte – in einem Traum, der bald zum Alp geriet. Denn die blühend schöne Jungfrau verdorrte binnen weniger Augenblicke zu einem Skelett, und das nicht nur einmal, sondern vielmehr unablässig, weil sie sich jedesmal ebenso rasch erholte, wie sie vergangen war. Warum, entdeckte der Träumer bald: Für ihren Verfall mußten die „widerlichsten Phantome“ überhaupt verantwortlich sein, nämlich die Paare aus Tyrannei und Anarchie, aus Bigotterie und Atheismus, schließlich aus dem „genius of a commonwealth“ und dem Stuart-Pretender James (III.), für ihr neuerliches Erblühen hingen die Paare aus Freiheit und Monarchie, aus Mäßigung und Religion, aus dem „genius of Great Britain“ samt dem künftigen britischen König Georg I., dem Kurfürsten von Hannover.102 Erfreut erwachte darob der Träumende. Daß eine blühende Staatsschuld mindestens so attraktiv sei wie eine bildschöne Jungfrau, wurde zu einem Gemeinplatz: Die wohlige Staatsverschuldung wurde als wesentlicher Indikator der politischen Ordnung begriffen, aber auch als

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ihr zentraler Faktor, weil sie die britische Verfassung und zumal ihr demokratisches Element im House of Commons garantiere. Gerade eine solche Überzeugung überstand auch die krisenhafte South Sea Bubble des Jahres 1720. Diese Spekulationsblase zerplatzte in einem spektakulären Kurssturz der frei gehandelten Anteilsscheine der South Sea Company, die zusätzlich zu ihren Handelsgeschäften die Staatsschulden der Bank of England übernommen hatte. In den 1710er Jahren hatte die Gesellschaft zwar ein attraktives Investment dargestellt,103 weil weitere Gewinne höchst wahrscheinlich waren – insofern taugt sie nicht zum Monument grenzenloser Gier,104 als das sie bis heute oft herbeizitiert wird; aber die Hoffnungen der Investoren endeten in einem Börsencrash und einer Wirtschaftskrise, von der hier nicht mehr erzählt werden kann. Jonathan Swift analysierte in einem populären Poem die bedrohliche Vertrauenskrise, die sich nicht allein der Unvernunft der Investoren und der windigen Aktivitäten der Chefs der Gesellschaft verdankten: „Aber falsch ist’s, muß ich wissen, / Denn ihren Mitteln waren die Chefs besser verbunden; / Wir sehen den Staatskredit zerrissen, / Jeder Schurke hat tausend Narren gefunden“.105 Ähnliche Zweifel an der Vernunftfähigkeit der öffentlichen Meinung hatten den Schotten John Law zu einem ganz anderen politischen Ziel verfolgt, das er freilich nicht minder spektakulär verfehlte. Dem französischen Regenten Philippe d‘Orléans hatte er als Generalkontrolleur der Finanzen eine Mississippi-Kompanie zur Renanzierung der enormen Staatsverschuldung angedient, die in der Regierungszeit Ludwigs XIV. aufgelaufen war. John Laws System setzte darauf, daß nur ein möglichst unumschränkter, mit Vernunft herrschender Monarch den Kredit am weitesten und mit den günstigsten Konditionen ausdehnen könne, weil er die Finanzpolitik am besten zu koordinieren vermöge.106 Es scheiterte freilich kurzfristig wie langfristig, denn die Zinssätze gaben dem britischen Modell im 18. Jahrhundert Recht: Sie lagen in Großbritannien trotz einer höheren absoluten Verschuldung niedriger als in Frankreich.107 Dem transparenteren und demokratischeren Regierungssystem vertrauten die Investoren offenkundig eher.

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Georg Eckert Die Öffentlichkeit des Kredits: Zum Wandel der Staatsverschuldung im Zeitalter der Revolution Ein Weltkrieg war es, der mitten im 18. Jahrhundert nicht nur die bisherigen Staatenallianzen erschütterte, sondern auch die beteiligten Staaten selbst: Im Siebenjährigen Krieg zwischen 1756 und 1763 behauptete sich eine neue, britisch-hannoverisch-preußische Koalition gegen eine scheinbar unüberwindliche Übermacht, zu der sich vor allem das Haus Habsburg, Frankreich, Spanien, Schweden und Rußland verbunden hatten, zahlreiche Indianerstämme auf dem amerikanischen Kriegsschauplatz nicht zu vergessen. Enorme Kosten resultierten aus der ungekannt intensiven Auseinandersetzung, zu deren Beilegung in den Friedensverträgen von Paris und Hubertusburg schließlich der territoriale Zustand vor Kriegsbeginn wiederhergestellt wurde. Vergebens war der Krieg also geführt worden, aber ganz und gar nicht umsonst: Zum Friedensschluß zwang vor allem die ökonomische Erschöpfung aller Beteiligten. Sie manifestierte sich in enormen Schuldenbergen, aufgehäuft von den kriegführenden Staaten. Die Notwendigkeit, sie wieder abtragen zu müssen, resultierte in einer skalischen sowie politischen Systemkrise, die ihre eigene Dynamik entwickelte und in Revolutionen beidseits des Atlantiks gipfelte: Die Bildung eines souveränen nordamerikanischen Staates und die Französische Revolution entsprangen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungsprozessen, die sich in der Staatsschuldenkrise des Siebenjährigen Krieges bemerkbar machten. Denn die gewaltigen Zins- und Tilgungslasten der Staaten erforderten eine höhere und eine andere Besteuerung. Eben diese ohne Zugeständnisse hinzunehmen, zeigten sich weder die Siedler in den britischen Kolonien in Nordamerika („no taxation without representation“) noch die französischen Eliten mit ihren Steuerprivilegien bereit, ebensowenig die britischen Mittelschichten, die nach den ungleich kostspieligeren Napoleonischen Kriegen auf einem Ausgleich zwischen vielfach erhöhter steuerlicher Belastung und bislang fehlender politischer Partizipation beharrten. Drei verschiedene politische Reaktionen auf die seit dem Siebenjährigen Krieg so rapide angestiegene Staatsverschuldung möchte der

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vorliegende Artikel schlaglichtartig ausleuchten:1 die unablässigen Versuche Jacques Neckers, dem schuldengeplagten Ancien Régime Frankreichs in den 1780er Jahren durch Publizität der Staatsnanzen zu günstigeren Krediten und politischen Veränderungen zu verhelfen, das ehrgeizige Vorhaben Alexander Hamiltons, aus der erheblichen Not der amerikanischen Staatsschuld im Rahmen der neuen Verfassung von 1787 die politische Tugend des Gemeinsinns zu machen, und schließlich die radikale Kritik William Cobbetts an der Art und Weise, wie die massive britische Staatsschuld am Beginn des 19. Jahrhunderts bedient wurde. So heterogen die jeweiligen Umstände und Forderungen auch waren: Die Staatsverschuldung wurde im „Zeitalter der Revolution“,2 das von der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776 bis zur europäischen Revolution von 1848 reicht, nicht nur zum Gegenstand politischer Reformforderungen, sondern auch zu ihrem Vehikel. Sie wurde zum öffentlichen Forum, auf dem jenseits der monetären die politische Kreditwürdigkeit eines Staates verhandelt wurde – niedrige Zinssätze entwickelten sich immer mehr zur Prämie für demokratische Verfassungsstrukturen, ihrerseits eng mit Öffentlichkeit verbunden.

1. W   G: J N   P   S Eine „große Explosion“ löste,3 wie ein aufmerksamer Zeitgenosse notierte, im Jahre 1781 der französische Finanzminister aus. Jacques Necker, einst ein erfolgreicher Genfer Bankier und seit 1776 in königlichen Diensten, publizierte mit dem im Auftrag Ludwigs XVI. erstellten „Compte Rendu“ einen echten Bestseller: Schon am ersten Tag wurden mehr als 3.000 Exemplare dieses Berichts über die nanzielle Lage Frankreichs verkauft, in den folgenden Wochen fanden jeweils mehr als 10.000 Exemplare interessierte Abnehmer.4 Mit diesem spektakulären Befreiungsschlag wehrte sich Necker gegen zahlreiche Kritiker5 und unterbreitete Vorschläge, wie der nanziellen Dauerkrise der französischen Monarchie im 18. Jahrhundert beizukommen sei. Seine Lösung lag weniger in den einzelnen Einnahme- oder Ausgabeposten des strapazierten Staatshaushaltes, die er gleichwohl der öffentlichen Bekanntheit und Kritik aussetzte. Dieser Effekt dürfte Necker hochwillkommen gewesen sein, doch widmete er sich vornehmlich den Prinzipien des Staatshaushaltes, die mit aufklärerischem, reformerischem Geist neu geordnet werden sollten. Der französische Etat befand sich bei der Veröffentlichung des „Compte Rendu“ keineswegs in einer so maroden Situation, daß die

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Revolution wenige Jahre später unausweichlich hätte folgen müssen. Gleichwohl war der königliche Haushalt durch die hohen Kosten des Siebenjährigen Krieges sowie des noch laufenden amerikanischen Unabhängigkeitskrieges arg strapaziert und zusätzlich von schweren Wirtschaftskrisen belastet: In den Jahren 1760 und 1761 hatte die Krone noch Kredite in Höhe von insgesamt 153,5 Mio. Livre aufgenommen, in den Jahren 1781 und 1782 waren es bereits 408,1 Mio. Livre.6 Die Schulden waren erheblich gestiegen, aber noch nicht desaströs – selbst im Jahre 1783 erschien die Situation noch hoffnungsvoll.7 Ohnehin stellte nicht die schiere Höhe der Staatsverschuldung das eigentliche Problem Frankreichs dar, sondern die große Schwierigkeit, weiterhin Gläubiger für neue Kredite zu nden.8 Gerade in Krisenzeiten wurde die Angst vor einem Zahlungsausfall zum Finanzierungshindernis, so daß der Monarch zum Beispiel bei den burgundischen Ständen Gelder leihen mußte.9 Dennoch gelang es bis zu den späten 1780er Jahren sogar, Kredite im Ausland aufzunehmen,10 allerdings zu vergleichsweise hohen Zinsen. Wegen wiederholter Zahlungseinstellungen der Krone, zuletzt im Jahre 1770, wurde eben stets eine besondere Risikoprämie fällig.11 Solche Teilbankrotte hatten nach dem Siebenjährigen Krieg zu zahlreichen Reformrufen und Partizipationsforderungen geführt,12 ein prinzipielles Mißtrauen gegenüber dem Kredit per se aber nicht befördert: Während der staatliche Kredit schwankte, blieben die Zinssätze bei Privatkrediten stabil.13 Nicht von ungefähr plädierte Neckers „Compte Rendu“ für eine grundlegende Reform der Verwaltung. Denn bis zur Revolution blieb die schwache Zentralgewalt des französischen Staates das Strukturproblem schlechthin, das gerade die Finanzen betraf;14 Steuern wurden zu großen Teilen nicht einmal vom Staat bewirtschaftet, sondern von Steuerpächtern eingezogen. Necker konnte zwar an Tendenzen anknüpfen, die Kontrolle zu intensivieren,15 doch blieb die Steuererhebung einerseits inefzient, andererseits lückenhaft. Nicht Überschuldung, sondern Unterbesteuerung erwies sich als Hauptproblem. So existierten umfangreiche Steuerbefreiungen nicht nur für Adel und Klerus sowie Beamte, sondern auch für bestimmte Unternehmer – und für die zahlreichen Steuerpächter selbst, für deren Abschaffung beispielsweise bereits die Physiokraten eingetreten waren.16 Doch die entschiedenen einschlägigen Maßnahmen Anne Robert Jacques Turgots, 1774 zum Generalkontrolleur der Finanzen berufen, waren auf Mißbilligung auch und gerade der Parlements gestoßen und hatten ihn sein Amt gekostet.17 Zwischen alle politischen Stühle, auf denen sich die verschiedenen Interessengruppen niedergelassen hatten, setzte sich nun Jacques Necker. Mit dessen Berufung gewann der König einen loyalen Finanz-

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minister, der sich mit der von der Académie française preisgekrönten „Eloge de Colbert“ (1773) bereits einen gelehrten Namen gemacht hatte.18 Necker suchte insbesondere die Finanzverwaltung zu verändern,19 stieß aber an ähnliche Grenzen wie der geschaßte Turgot: Jede einzelne Verordnung trug ihm neue Gegner ein, der Problemknoten verdichtete sich eher, als daß er sich gelockert hätte. Der „Compte Rendu“ sollte ihn durchschlagen, indem er sich der Publizität bediente: Necker legte Einnahmen und Ausgaben offen und wies einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben in Höhe von rund 10 Mio. Livre aus,20 nicht so sehr im Sinne eines modernen Budgets als vielmehr im Sinne eines nanziellen Status- und Rechenschaftsberichtes,21 zugleich einer europaweit registrierten Bilanz und Programm der königlichen Politik.22 Nur zum kleineren Teil bestand der „Compte Rendu“ daher aus einer Aufschlüsselung der einzelnen Posten. Ungleich mehr Raum war einer systematischen Aufstellung der aktuellen Finanzlage, einer Kritik der ebenso inefzienten wie ineffektiven Finanzverwaltung und einer Darstellung der beabsichtigten Reformen gewidmet. Der ausführliche Bericht sollte den Anlegern neues Vertrauen einößen und Überprüfungsmöglichkeiten schaffen,23 die bislang mangels Publizität gefehlt hatten. Auf der daraus resultierenden politischen Chance insistierte Necker: „Die Dunkelheit und die Finsternis begünstigen die Gleichgültigkeit (nonchalance); die Publizität hingegen kann nur dann zu Ehre und zu Belohnung gereichen, wenn man die Bedeutung seiner Pichten gespürt und sich um ihre Erfüllung bemüht hat“. Staatsbürgerliche Wirkungen erhoffte er sich: Das „öffentliche Vertrauen“ gelte es zu stärken, statt „aus dem Stand der Finanzen ein Rätsel“ zu machen.24 Tatsächlich hatten die diversen Reformer nach dem Siebenjährigen Krieg nur über eine eingeschränkte Kenntnis des Systems verfügt, das sie kritisierten.25 Necker schuf Aufklärung, in deren Zeichen zugleich die Gleichgültigkeit der Verwaltungseliten entlarvt werden sollte, und kennzeichnete Reformmöglichkeiten. Mit dem skalischen sollte auch ein politischer Kulturwandel einhergehen; nicht zufällig beteiligten sich auch spätere Träger der Revolution wie der Comte de Mirabeau engagiert an solchen Debatten. Mirabeau brandmarkte die überkommene Praxis der Staatsverschuldung als unerträgliche Form von Interessenpolitik, die nach der Devise: „Nach mir die Sintut“ verfahre,26 und wandte seinen Blick auf eine besonders wichtige Form der Staatsverschuldung: Renten auf Lebenszeit.27 Mit der neuen Publizität der Finanzen trachtete Necker zu beweisen, daß der König das Gemeinwohl und eine exakte Bedienung der Schulden anstrebe:28 Immerhin richteten die Investoren ihre Entscheidungen „nicht nach Neigung oder Dankbarkeit, sondern allein nach ih-

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rer Sicherheit und nach ihren Sitten“,29 so urteilte Necker. Sein „Compte Rendu“ sollte die bisherigen Lippenbekenntnisse über die Rückzahlung der Schulden endlich glaubwürdig machen, indem er eine Debatte um die einzelnen Etatposten sowie um die Finanzverwaltung und den Staat selbst ermöglichte. Der Finanzminister wies ausdrücklich auf den „imperfekten Zustand“30 der provinzialen Steuerverfassung hin und berührte auch andere politische Grundsatzfragen. Im Zentrum seiner Ausführungen standen nämlich die „Prinzipien einer weisen Verwaltung“.31 Ohne eine solche wiederum werde die Zirkulation der Kreditsummen vermindert, die „absolut von der Meinung abhängt“;32 daß weitere Reformen zur Stärkung des Kredits nötig seien, betonte Necker unablässig – und zwar unabhängig von jenem „persönlichen Interesse“, das er dabei auszuschalten trachtete.33 Solche Signale verstanden seine politischen Rivalen nur allzu gut. Statt auf das Vertrauen der Märkte in den Staat setzten Aristokraten und Finanziers vielmehr auf das Vertrauen, das der König ihnen persönlich gewährte; Adelige und Beamte konstituierten zugleich die Mehrheit der Gläubiger,34 die von hohen Zinssätzen protierten. So denunzierte der Außenminister, Comte de Vergennes, die Pläne seines Kollegen im Finanzamt als widerwärtigen Versuch eines andersgläubigen Ausländers, eben eines Genfer Protestanten, die Eigentumsordnung zu ändern, und beschuldigte Necker, eine regelrechte Fronde gegen die Verwaltung zu führen.35 So sehr andere Zeitgenossen auch lobten, daß Necker sich dem „tribunal du public“36 zu stellen bereit war: Unterstützung bei den aristokratischen Eliten war dadurch nicht zu gewinnen. Sie hatten nämlich sehr wohl registriert, daß Neckers Ideen auf den Wandel hin zu einer Repräsentativverfassung abzielten und folglich nicht in ihrem Interesse lagen.37 Was Neckers Anhänger als Verheißung empfanden, betrachteten jene zutreffend als eine Kampfansage: Ein Staat, dessen Ordnung und dessen Kredit dezidiert von „Wirtschaft und Öffentlichkeit“ gestützt würde, distanzierte sich von adeligen Idealen sowie Lebensstilen. Er vertraute die politisch-soziale Macht den Bürgern an, deren private Moral künftig öffentliche Geltung erhalten müsse, wie es Neckers Tochter ausdrückte, Madame de Staël:38 Bürgerliche Sparsamkeit sollte aristokratische Verschwendungskultur überwinden. Necker half es auch nicht, daß er die großen Aufwendungen für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg trotz des jüngsten Bankrottes allein über Kredite zu nanzieren und dabei die Verwaltung zu straffen vermocht hatte: Noch im Jahre 1781 wurde er aus seinem Amt entlassen. Sein adeliger Nachfolger Jean-François Joly de Fleury machte zahlreiche Reformen Neckers rückgängig und ließ sogar wieder Kaufämter einrichten.39 Des geschaßten Finanzministers Selbstbewußtsein war sol-

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chen Eliten ebenso suspekt wie sein stetes Lob Großbritanniens: Wer so ostentativ auf die öffentlichen Meinung setzte, schien den direkten Weg in Chaos und Anarchie bereiten zu wollen.40 Doch gleichzeitig war Necker schon bei seiner Entlassung zu einer Identikationsgur für diejenigen geworden, die auf eine politische und soziale Umgestaltung des Ancien Régime hingearbeitet hatten und deren Stunde im Jahre 1786 endlich schlug: Dringender Geldnöte wegen hatte Ludwig XVI. den letzten politischen Ausweg aus der Finanzmisere gewählt und eine Notabelnversammlung einberufen, die im April 1787 allerdings ohne wesentliche Beschlüsse auseinanderging. Immerhin blieb der Reformdruck so hoch, daß der König im September des folgenden Jahres Jacques Necker erneut zum Finanzminister berief. Necker hatte seinen Ruf als Reformer unterdessen publizistisch bekräftigen können, während sein Nachfolger immer höhere Dezite verantwortete. Denn im Jahre 1788 mußten bereits 61 Prozent der Steuereinnahmen in Höhe von 472,4 Mio. Livre, also 292,2 Mio. Livre, für den rapide angewachsenen Schuldendienst aufgewandt werden;41 im August dieses Jahres kam es zum neuerlichen Zahlungsausfall, zum weiteren Staatsbankrott. Insbesondere gegen den im Zuge der Notabelnversammlung entlassenen Generalkontrolleur der Finanzen, Vicomte de Calonne, hatte Necker seine Politik so vehement verteidigt, daß er Paris auf königliche Order hin zeitweilig verlassen mußte. Gefährlich waren Neckers Vorstellungen schließlich, die er so ostentativ als „Bürger“ („citoyen“) gegen einen rafnierten Minister,42 als tugendhafter Fachmann gegen einen lasterhaften Aristokraten richtete: Aufrichtigkeit und Genauigkeit in Fragen des Staatshaushaltes wurden hier zu politischen Kardinaltugenden stilisiert.43 Bei seinem neuerlichen Amtsantritt als Finanzminister legte Necker noch einmal nach: Seine erste Amtszeit habe bereits „Prinzipien der Moral und der Politik etabliert, unverzichtbar für das Wohl der Menschen und für die Wohlfahrt der Nationen“.44 Die Staatsverschuldung wurde so als Zwang zur institutionellen Reform inszeniert. Neckers Programm lief seit jeher auf nichts anderes als eine Veränderung der „Wissenschaft der Verwaltung“ hinaus, in der für adelige Posten- und Kostengänger kein Platz mehr wäre, qualizierte Amtsträger wie der Finanzminister aber Immediatzugang zum Monarchen genössen.45 Eben dieses Amt geriet dabei zur vielleicht wichtigsten Regierungsinstanz, weil es auf die „sozialen Tugenden und auf die öffentlichen Sitten“ wirke und politische Vernunft mit sich bringe.46 Daß hier ein neuer „öffentlicher Geist“ atmete, dessen Lebenskraft vor allem vom „öffentlichen Vertrauen“ getragen sein sollte,47 registrierten besonders diejenigen, die in Versailles zugegen waren: Just dort sollte sich Necker

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zufolge ein Finanzminister gerade nicht aufhalten, der vielmehr mit der öffentlichen Meinung in Kontakt treten müsse – sie nämlich vergebe in bislang unbekannter Manier, „wie vom Thron herab, Preise und Kronen, sie stellt Ansehen her und zerstört es“.48 Solche Angebote, politische Vernunft zu etablieren, ohne statt der Despotie des Adels oder des Monarchen künftig der Despotie des Volkes ausgeliefert zu sein,49 waren damals zahlreich. Daß im Ancien Régime der „moralische Charakter des Monarchen den größten Einuß auf den öffentlichen Kredit“ im Besonderen und auf die öffentlichen Meinung im Allgemeinen besaß, wie Necker festgestellt hatte,50 war für Maximilien Robespierre schließlich im Jahre 1792 Grund genug, seinerseits an die öffentliche Meinung zu appellieren und nunmehr den Kopf des Königs zu fordern. Das Gemeinwesen werde von einem abgesetzten Herrscher bereits durch dessen bloßes Weiterleben gestört: „Aber Ludwig muß sterben, weil das Vaterland leben muß“.51 Auch die Französische Revolution brachte allerdings keine wirkliche Lösung der Staatsschuldenkrise zustande, ganz im Gegenteil; die Assignaten – eine Papierwährung, die von den säkularisierten Kirchengütern gedeckt und anfänglich eine verzinsliche Anweisung bildete52 – sorgten nur für eine dilatorische Milderung, Dezite und Verschuldung erreichten schwindelerregende Höhen, weil rapide gesunkene Steuereinahmen (im Jahre 1790 erreichten sie gerade einmal 200 Mio. Livre) extrem vermehrten Ausgaben gegenüberstanden.53 Eine wirkliche Konsolidierung gelang erst in einem weiteren Bankrott, den im Jahre 1797 das Direktorium verkündete. Die bis dahin aufgelaufenen Schulden hätten das Budgetdezit der 1780er Jahre leicht ausgeglichen;54 sie wurden nun kurzerhand auf ein Drittel ihres Nennwertes zusammengestrichen, die anhaltenden Kriegskosten durch Kontributionen auf das Ausland abgewälzt und nur zu rund 60 Prozent aus französischen Steuermitteln nanziert.55 Zugleich unternahm Napoleon, was unter König Ludwig XVI. nicht akzeptiert worden war: Er baute den Staatsapparat massiv aus, so daß die vornehmliche genutzte indirekte Besteuerung große Erträge zeitigte.56 Schließlich begann die restaurierte Monarchie im Jahre 1814 mit Schulden in Höhe des Ancien Régime, konnte sie dank höherer Besteuerung hingegen bedienen,57 nicht zuletzt, weil sie besaß, was Necker angestrebt hatte: das Vertrauen der Kapitalmärkte, rückversichert in einer konstitutionellen Ordnung.

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2. D „P  F“: A H   S  USA Die Unabhängigkeitserklärung der USA stand am Ende einer langwierigen politischen Auseinandersetzung. Zunächst nur ihr Anlaß, bald aber ihr Grund war der massive Anstieg der Staatsverschuldung des Mutterlandes. Großbritannien hatte sich im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) einerseits durch hohe Subsidienzahlungen an Preußen auf dem europäischen Kontinent engagiert. Andererseits hatte sein militärisches Engagement im Krieg gegen die französischen Truppen und gegen die mit ihnen verbündeten Indianerstämme in Nordamerika, bis heute als „French and Indian War“ bekannt, erhebliche Kosten verursacht. König, Regierung und Parlament trachteten diese nach dem Friedenschluß von Paris im Jahre 1763 zu gewissen Teilen auf die britischen Siedler umzulegen.58 Aus dem Streit um das legitime Maß an Besteuerung erwuchs sowohl in den Kolonien selbst als auch in Großbritannien ein mit Verve geführter Streit um die politische Verfassung: „No taxation without representation“ wurde zum Leitspruch derjenigen Siedler, die Steuerzahlungen zu verweigern begannen und nach repressiven Gegenmaßnahmen eine politische Mehrheit für die am vierten Juli des Jahres 1776 ausgesprochene Unabhängigkeitserklärung zu organisieren vermochten. Zur „langen Kette von Mißbräuchen und Anmaßungen“,59 die der amerikanische Kontinentalkongreß dem britischen König Georg III. vorwarf, gehörte zumal die Erhebung von Steuern ohne Zustimmung der Siedler, die im britischen Unterhaus nicht direkt repräsentiert waren. Um solcher Despotie zu entgehen, erklärten sich die dreizehn bisherigen Kolonien für unabhängig – nach einer langen öffentlichen Debatte, in der sich unter anderem der erst im Jahre 1774 aus Großbritannien emigrierte Schriftsteller Thomas Paine engagiert hatte. Er nahm die staatliche Souveränitätserklärung vorweg, als er bereits im Januar 1776 seinen „Gesunden Menschenverstand“ („Common Sense“) publizierte und konstatierte: „Wir haben keine Schulden. Und was immer wir in dieser Beziehung aufnehmen, wird als ruhmvolles Mahnmal unserer Tugend dienen“. Jeder Preis der Unabhängigkeit werde billig sein, ganz im Gegensatz zu den Millionenausgaben, mit denen man nur einzelne Oppressionen ablösen könne, denn: „Eine nationale Schuld ist ein nationales Band“.60 Diesen Preis zu bezahlen, waren Patrioten bereit, aber auch zahlreiche Investoren, im Inland wie im Ausland: Französische, spanische und niederländische Kredite in Höhe von mehr als 10 Mio. Dollar mußten nach Kriegsende zurückgezahlt, idealiter zu günstigeren Konditionen umgeschuldet werden, wie es in den 1790er Jahren schließlich auch gelang. Das setzte freilich voraus, daß ein nun wiederkehrendes Pro-

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blem, dessen Lösung die Unabhängigkeitserklärung selbst hatte darstellen wollen, bewältigt würde: Der langwierige, kostspielige Unabhängigkeitskrieg mußte ausgerechnet von einer Bevölkerung nanziert werden, die jeglicher Besteuerung aus ökonomischen und politischen Motiven mißtraute – und in der manche die Abweisung staatlicher auch mit der Abweisung privater Schulden zu verbinden wußten;61 in der Wirtschaftskrise der 1780er Jahre entstanden sogar neuerliche Steuerrebellionen.62 Solche Probleme erlebte beispielsweise der spätere erste Finanzminister des USA, Alexander Hamilton, am eigenen Leibe, als er im Jahre 1782 im Staat New York die ausgeschriebenen Bundessteuern erheben sollte – mit nur bescheidenem Erfolg.63 Statt der britischen Staatsschuld galt es nun eine gesamtamerikanische zu begleichen. Einzelne Bundesstaaten hatten zudem umfangreiche Kredite aufgenommen, teils zu gemeinsamen, teils zu ganz eigenen militärischen Zwecken.64 Die hohen Ausgaben hielten gleichzeitig an: Manche Truppenteile standen im Frühjahr 1783 kurz vor der Meuterei, weil ihr Sold nicht ausgezahlt werden konnte. Dessen und der erheblichen nanziellen Nöte der Konföderation war sich George Washington bewußt, als er im Juni 1783 noch vor dem Abschluß des Friedensvertrages mit Großbritannien ankündigte, den Oberbefehl über die Revolutionsarmee bald niederlegen zu wollen. Sein Zirkularschreiben an die einzelnen Bundesstaaten verband diese Ankündigung mit der Mahnung, daß die Vereinigten Staaten nun vor einer politischen Bewährungsprobe stünden – die allein zu bestehen sei, wenn die Staatenunion intensiviert werde. Gerade die „Heilige Achtung vor der Öffentlichen Gerechtigkeit“, durch die sich die USA vor allen europäischen Staaten auszeichneten, verpichte sie zu einer akkuraten Bedienung der Schulden, der internationalen wie der nationalen: „Wer wird in diesem Zustand absoluter Freiheit und völliger Sicherheit schon die Abtretung von einem Teil seines Eigentums mißgönnen, um das gemeinsame Interesse der Gesellschaft zu unterstützen und den Schutz der Regierung zu versichern?“ fragte Washington. Vor allem hieße eine Verweigerung des Schuldendienstes, „den Soldat seines Soldes und den Öffentlichen Schuldner seines Anteils zu berauben“. Washington nutzte sein gesamtes Prestige als „Öffentlicher Diener“ („Public Servant“), um auf die getreuliche Abzahlung aller Schulden im Rahmen einer politischen Neuorganisation der Vereinigten Staaten hinzuwirken: Ihre „Ehrenschuld“ gerade gegenüber den Soldaten müsse getilgt werden.65 Washington prüfte die Bürger der neuen Nation auf Herz und Börse. Die Steuern, die zur Begleichung dieser monetären und politischen Schulden benötigt wurden, ließen sich allerdings unter den Bedingun-

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gen der erst im Jahre 1781 von allen dreizehn Kolonien ratizierten Articles of Confederation nicht einziehen. Dem Kongreß war die Erhebung von Bundessteuern strikt untersagt; die einzelnen Staaten bedienten, schwierig genug, vorrangig ihre eigenen Haushalte. Zahlungsunfähigkeit drohte allenthalben, die Finanzlage der Union gefährdete ihre politische Existenz:66 Am Ende jener Reformdebatte, die Washington befördert hatte, standen schließlich die Erarbeitung der bis heute gültigen US-Verfassung von 1787 und sodann ihre turbulente Ratikation in den einzelnen Bundesstaaten, in denen insbesondere das künftige Besteuerungsrecht des Kongresses intensiv debattiert wurde. Die Befürworter der Verfassung, besonders prominent die als Autoren des „Federalist“ weithin bekannten Alexander Hamilton, John Jay und James Madison, hielten es für unumgänglich.67 Aber nicht aus Steuereinnahmen im engeren Sinn, sondern in Gestalt von efzient zu erhebenden und weitaus weniger kontroversen Importzöllen bediente die erste Bundesregierung schließlich die Inlandsschulden in Höhe von rund 40 Mio. Dollar. Diese Lösung war so einfach wie das Problem verworren, denn der kurzfristige Geldbedarf der 1770er und 1780er Jahre hatten einen skalischen Wildwuchs begünstigt: Schulden waren über ein mittlerweile extrem abgewertetes Papiergeld, über Anleihepapiere und über Zahlungsversprechungen auf Armeelieferungen aufgenommen worden. Manche Bundesstaaten, die ihrerseits eigene Kredite im Umfang von mehr als 20 Mio. Dollar aufgenommen und – etwa im Falle Virginias – bereits zu tilgen begonnen hatten, waren durch den Ankauf entsprechender Papiere unterdessen zu Gläubigern des Gesamtstaates geworden;68 nicht umsonst blieb es dabei, daß die Bundesstaaten bis heute keine Haftung für die Schulden anderer Bundesstaaten tragen, auch nach den ersten von zahlreichen Staateninsolvenzen seit dem Jahre 1841.69 Zudem tobte jenseits der Bundesstaatengrenzen eine heftige Debatte, wem eine mögliche Annullierung oder aber akkurate Erfüllung von Zins und Tilgung nutze. Als Proteure gebrandmarkt wurden etwa jene Spekulanten, die mit den zu Tiefpreisen verkauften Papieren von Kriegsveteranen einen immensen Gewinn anstrebten.70 Gerade weil die Interessen der einzelnen Gruppen und der einzelnen Bundesstaaten sich so erheblich unterschieden, gerade weil die neue Verfassung im bikameralen Kongreß die Durchsetzung von Partikularinteressen erheblich erschwerte, brauchte es einen großen nanziellen, vor allem aber einen großen politischen Wurf. Er gelang schließlich Alexander Hamilton, einst rechte Hand des Oberbefehlshabers Washington, Miturheber der Verfassung und nunmehr Finanzminister unter dem ersten Präsidenten der USA – nach zähen Verhandlungen, in de-

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nen bei einem berühmten Dinner im Hause Thomas Jeffersons auch um den Sitz der Hauptstadt gefeilscht wurde, in denen die Interessen der verschiedenen Bundesstaaten ebenso wie diejenigen der Kongreßmitglieder selbst in Einklang gebracht werden mußten.71 Im Sommer 1790 billigte der Kongreß endlich das wenig später um eine Staatsbank72 ergänzte System Hamiltons, das eine pünktliche, komplette Rückzahlung der Auslandsschulden vorsah, darüber hinaus eine vollständige, aber freiwillige Umschuldung der Inlandskredite, in der nachmals erfüllten Hoffnung, die Inhaber der Papiere würden im Tausch für Zahlungssicherheit eine Zinsminderung akzeptieren; ihre Finanzierung sicherten Zölle, deren Überschüsse über die Zinsdienste in einen Tilgungsfond einzubringen waren.73 Dabei bezweckte – und erreichte – Hamilton die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit. Sie genoß Priorität vor der Rückzahlung der Schuld,74 zum Verdruß zum Beispiel Thomas Jeffersons, des dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Noch im Jahre 1816 hielt Jefferson an der Überzeugung fest, das Bankensystem sei gefährlicher als eine stehende Armee, die Staatsverschuldung selbst ein „Betrug an der Zukunft im großen Maßstab“.75 Hamilton verfolgte hingegen eine exible Politik, die der Regierung eine Schuldenreduktion nach Kassenlage erlaubte:76 Die Aussicht auf eine Rückzahlung stellte ein politisches Zugeständnis dar, dem Ziel untergeordnet, den Staatskredit überhaupt erst zu etablieren.77 Auch Hamilton, mit den Werken Jacques Neckers wohlvertraut, behandelte die Finanzen vor allem insofern, als sie die Organisation des Staatsganzen berührten:78 Die politische Verfügungsgewalt des Bundesstaates über Finanzen und Steuern genoß zwar Verfassungsrang, konnte aber nur behutsam eingesetzt werden. In seinem ersten Bericht an das Repräsentantenhaus bemühte der Finanzminister im Januar 1790 darum nicht nur jene ökonomische Gesetzmäßigkeit, daß jegliche Schuldenannullierung eine „extravagante Prämie“ auf Kredite entstehen lasse, sondern demonstrierte den besonderen Wert des „guten Glaubens“ für die Staatsverschuldung gleich auf einer moralischen Ebene: Die „unabänderlichen Prinzipien der moralischen Verpichtung“ erstreckten sich auf den Schuldendienst, mit dem man nichts anderes entrichte als „den Preis der Freiheit“.79 So verpichtete Alexander Hamilton seine Landsleute auf den patriotischen Gemeingeist, an den schon George Washington unablässig appelliert hatte. Letztlich sollte der „öffentliche Kredit“ nur nebenbei skalischen Zwecken dienen. Sein Ziel bildete letztlich ein politisches: Er sollte „die Union der Staaten fester zementieren“. Vor allem erklärte Hamilton nicht nur diejenigen Vorteile, die sich für die Inhaber von Schuldtiteln

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ergäben, sondern in ausführlicher Weise zumal jene, von denen alle Bürger nun protierten – Handel, Gewerbe, Landwirtschaft wüchsen an, die Zinssätze von Privatkrediten sänken.80 Hamilton bat die Abgeordneten um ihre Zustimmung zu seinem Plan, der als einziger sowohl einen Zahlungsausfall als auch eine höhere Besteuerung verhindern und mithin den öffentlichen Kredit stabilisieren könne: „Meinung ist seine Seele“. In der Bewältigung der Staatsverschuldung solle sich „der Geist der Mäßigung und der Gerechtigkeit“ verwirklichen, in der Staatsverschuldung selbst hätten sich „der Charakter, die Sicherheit und der Wohlstand der Nation“ zu beweisen. Für sein System beanspruchte Hamilton gar, es werde zu einem „nationalen Segen“, freilich nicht in dem Sinne, daß „öffentliche Schulden öffentliche Wohltaten sind“: „Unsterblich“ werde der öffentliche Kredit nämlich erst, wenn die Schaffung von Schulden mit den Mitteln zu ihrer Bedienung einhergehe.81 Unsterblich aber sollte vor allem das politische System der USA werden, wie es in der Verfassung von 1787 eben erst vorgezeichnet worden war. Zu diesem Zwecke hatte Hamilton die geeigneten skalischen Mittel gewählt, wie sich bald erwies. Der siebte Präsident der Vereinigten Staaten, Andrew Jackson, der die Ablösung aller Schulden zu seinem wichtigsten politischen Ziel gemacht hatte,82 konnte in seiner Botschaft zum „State of the Union“ im Dezember 1834 den Kongreß schließlich von der vollständigen Rückzahlung der ersten Staatsschuld in Kenntnis setzen – seiner Deutung nach in derjenigen „Epoche unserer Geschichte, die am meisten die Festigung jener Prinzipien in unserer Innenpolitik begünstigt, die am besten darauf rechnen kann, unserer Republik Stabilität zu verleihen und die Segnungen der Freiheit für unsere Bürger zu sichern“.83 Das politische Kalkül war aufgegangen, das skalische nebenbei auch.

3. S  „P   B“: W C   R   S  Gß Die militärische Macht Großbritanniens im 18. Jahrhundert verdankte sich der besonderen ökonomischen Stärke des Landes. Beide verbanden sich in jener von den Zeitgenossen im In- und Ausland, Necker eingeschlossen,84 staunend betrachteten Fähigkeit, immer noch weitere Schulden aufzunehmen, obendrein zu günstigen Zinssätzen. Letztlich hatte die überlegene nanzielle Potenz des britischen Staates den französischen Rivalen sowohl in Aachen (1748) als auch in Paris (1763) als auch in Versailles (1783) an den Verhandlungstisch gezwungen.85 Der vergebliche Versuch, den Schuldendienst nach dem Siebenjährigen

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Krieg mit allen verfügbaren Mitteln auch auf die Kolonien abzuwälzen, war allerdings nicht nur als solcher gescheitert, sondern hatte die britische Staatsverschuldung noch einmal in die Höhe getrieben: Der Österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) hatte sie bereits um 40 Mio. Pfund erhöht, der Siebenjährige Krieg (1756-1763) indes um weitere 73 Mio. Pfund, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1776-1784) schließlich gar um 112 Mio. Pfund.86 Sie lag in absoluten Zahlen wie in Relation zum geschätzten Bruttosozialprodukt erheblich über der französischen.87 Ob der vergleichsweise fortgeschrittenen Demokratisierung nun zum Trotze oder gerade ihretwegen: Die britische Regierung, vom Vertrauen des Parlaments abhängig, vermochte die Steuern dank eines straffen Verwaltungsapparates efzient und effektiv einzuziehen,88 anders als Frankreich. Zugleich lagen die Steuersätze bereits im Jahre 1788 deutlich höher: Im Verhältnis zum nachträglich näherungsweise ermittelten Bruttosozialprodukt betrug die Steuerlast in Großbritannien zwölf Prozent, in Frankreich lediglich sieben Prozent.89 Premierminister William Pitt führte – Eigentum müsse Eigentum selbst schützen, lautete sein weithin geteiltes Argument, dem sich auch Wohlhabende kaum verweigern konnten90 – im Jahre 1799 zudem die erste direkte Einkommensteuer ein und zog die Schraube mithin noch weiter an; nicht weniger als einundzwanzig neue Steuerarten sind zwischen 1793 und 1815 eingeführt worden,91 weil die Staatsausgaben von 26 Mio. Pfund im Jahre 1790 rapide anstiegen, bis sie im Jahre 1813 gar 174 Mio. Pfund erreichten.92 Pitt vermochte seine ursprüngliche Intention, mit dem 1792 etablierten Tilgungsfond des Sinking Fund eine völlige Rückzahlung der Staatsschuld zu unternehmen, zwar noch über den Beginn der Revolutionskriege zu retten, nahm aber bald so viele neue Kredite auf, daß die Staatsschuld weiter und rapide anstieg, statt zu sinken.93 Die britische Fähigkeit, immer noch weitere Kredite aufnehmen zu können, galt gerade in der Napoleonischen Zeit immer wieder als Beweis einer überlegenen politischen und gesellschaftlichen Ordnung;94 die Zinssätze der hohen Kredite an der Wende zum 19. Jahrhundert lagen der zuverlässigen Zinszahlungen des britischen Staates und der soliden Steuerbasis wegen sogar erheblich geringer als diejenigen für die vergleichsweise niedrigen Kreditsummen an der Wende zum 18. Jahrhundert.95 Grundsätzliche Einwände gegen die Staatsverschuldung fanden sich selten, grundsätzliche Einwände gegen Verschuldung ohnehin nicht: Gerade der private Kreditmarkt war im frühen 18. Jahrhundert massiv angewachsen.96

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Den zivilisationsfördernden Charakter von Schulden suchte die entstehende Nationalökonomie, die nicht umsonst vor allem in Großbritannien entstand, auch wissenschaftlich nachzuweisen. Adam Smith hatte in seiner epochalen „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ (1776) die Prosperität von Handel und Gewerbe an einen Staat gebunden, in dem sich die Bevölkerung ihres Eigentums sicher sein könne. Dazu zählte er auch die Gewißheit der staatlichen Rückzahlung von Krediten. Sie werde in einem solchen Ausmaße garantiert, daß die entsprechenden Papiere oft mit Gewinn verkauft werden könnten, „des allgemeinen Vertrauens in die Gerechtigkeit des Staates wegen“;97 die Bank of England sei dabei „eine große Maschine des Staates“ geworden.98 Der Geschichtsschreiber Thomas Babington Macaulay registrierte nach den Napoleonischen Kriegen denn auch mit Verblüffung, daß man jetzt ebenso einfach die Zinsen auf 800 Mio. Pfund erlegen könne wie seinerzeit die Ahnen auf nur 80 Mio. Pfund. Um eine Erklärung war Macaulay nicht verlegen: Die Gesellschaft stehe „in Schuld teilweise zu sich selbst“. Das Vertrauen der Geldgeber, das große Konikte entscheiden helfe, sei stärker als jeder Despot – eine Stärke, die naturgesetzartig „vor Barbarentum und Betrug, vor Tyrannei und Anarchie ieht, um Zivilisation und Tugend, Freiheit und Ordnung zu folgen“.99 Obschon die Staatsverschuldung bei vielen Zeitgenossen als politisches und moralisches Erfolgsmodell rmierte, stieß ihr vielgerühmter Nutzen zugleich auf schwerwiegende ökonomische Vorbehalte. David Ricardo, vermögender Bankier und Börsenhändler, Nationalökonom und ab 1819 auch Mitglied des britischen Unterhauses, plädierte grundsätzlich dafür, die Staatsschuld vollständig zurückzuzahlen und keine neue aufzunehmen.100 Den Mißbrauch des Pitt’schen Sinking Fund beklagte er und hielt dafür, daß sich die Anleihen tatsächlich bedienen ließen – und zwar ohne schädliche Rückwirkungen auf die Wirtschaft: Zur Kardinalfrage machte er, ob das Kapital bei einer Vertschuldung oder bei Besteuerung produktiver eingesetzt werde.101 Selbst in einem Krieg sei es günstiger, statt einer Staatsverschuldung eine hohe Besteuerung zu wählen, urteilte Ricardo. Die Schulden von heute hielt er lediglich für die Steuern von morgen, selbst für den Einzelnen sei eine einmalige hohe Belastung in Kriegszeiten günstiger, sie beeinträchtige die Wirtschaft weitaus weniger als eine dauerhafte Belastung in Friedenszeiten. Vor allem aber lade die Staatsverschuldung zu noch höheren Ausgaben ein. Statt für den Sinking Fund plädierte er deshalb für eine einmalige Sondersteuer auf Vermögen – das Kapital der Anleger stehe dann als Kredit für Gewerbetreibende und Landbesitzer bereit. So könne ohne schädliche Nebenwirkungen für die Wirtschaft „eine der schrecklich-

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sten Geißeln, die jeweils zur Plage einer Nation erfunden worden sind,“ beseitigt werden.102 Auch der rastlose Schriftsteller William Cobbett, der von einer späteren USA-Reise die Gebeine des von ihm verehrten Thomas Paine zurück nach Großbritannien bringen sollte, betrachtete die Staatsverschuldung als massive Plage, wenngleich aus teils ganz anderen Gründen. Er zählte zu den Protagonisten der intensiven, zumal in den 1810er Jahren bisweilen gar in gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalierenden Verfassungsdebatten, die Großbritannien zwischen der Französischen Revolution und der Parlamentsreform des Jahres 1832 erlebte. David Ricardos Korrespondenzpartner James Mill sah den radikalen Politiker und Agitator Cobbett schon einige Jahre zuvor „die Lehre bemühen, daß es nicht die Schuld der Nation ist, weil die nicht repräsentierte Nation sie gar nicht eingegangen ist; daß es die Schulden nur der Oligarchen sind, die das Parlament gebildet haben“.103 Cobbett konnte sich in seiner Argumentation auf sein Idol Thomas Paine berufen: Bereits im Jahre 1795 hatte jener den Zusammenbruch des Pitt’schen Sinking Fund prognostiziert, weil er der Staatsschuld immer weniger werde folgen können, gleich einem Mann mit Holzfuß, der einem Hasen hinterherhinke.104 Den geldgierigen „Stock-Jobbern“, die Paine als Nutznießer eines verderbten politischen Systems identiziert hatte, wandte sich auch Cobbett zu, der sich unablässig für radikale politische Reformen engagierte – zunächst vor allem für solche zugunsten der Landarbeiter,105 denen er sich im wöchentlich erscheinenden „Political Register“ und später in den populären „Rural Rides“ zuwandte. Im „Political Register“, dessen Artikel vielfach auch in anderen Publikationen wiederabgedruckt wurden, attackierte Cobbett eine ungerechte Besteuerungspolitik und wünschte, daß man einem Vagabunden wenigstens offen mitteilen möge, er solle die Hälfte seiner Einkünfte für die Staatsverschuldung abgeben.106 Der Staatsverschuldung schrieb er einen erheblichen Anteil am augenfälligen Niedergang des Landes zu, den er bei seinen Reisen durch England in den 1820er Jahren beobachtete: Auf das „höllische System der Besteuerung, der Schuldennanzierung und des Papiergeldes“ führte er die Verelendung der Landbevölkerung zurück.107 Cobbett nutzte Argumente, die er bereits in der Napoleonischen Zeit entwickelt hatte: Man müsse den „öffentlichen Kredit“ eher als „Banknoten-Kredit“ bezeichnen, der nunmehr die Staatsschuld präge und „mit dem Ruin und dem Elend von vielen Tausenden Witwen und Waisen sowie mit unermeßlichem Leid für die Nation insgesamt“ verbunden sei: Zum Beispiel habe der eißige, unbedarfte Bauer namens „Greenhorn“ sein „wirkliches, gutes Geld“ in Metallwährung in papierne Anleihen in-

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vestiert – aber diese Vorsorge für seine Kinder sei nun ohne eigenes Verschulden wertlos geworden.108 Prote machten Cobbett zufolge andere. Aus der Zunahme der Staatsschulden resultiere eine vermehrte Besteuerung, die folgende, üble Tendenzen beinhalte: „die Entstehung einer Klasse von Personen, die nicht arbeiten, zu bewirken; denen, die arbeiten, das Produkt dieser Arbeit wegzunehmen, und es denjenigen zu übergeben, die nicht arbeiten“.109 Cobbett nahm die Staatsverschuldung, gleich wie David Ricardo, als „Pfand auf die Besteuerung“ war;110 dieser Makel erschien umso erheblicher, als die „ewigwährende Schuld“ aus der Kriegsführung gegen das napoleonische Frankreich nur französischen Adeligen, Priestern und der restaurierten Dynastie der Bourbonen nutze.111 Das Zivilisationsargument, wie es etwa Adam Smith eingesetzt hatte, suchte Cobbett zu widerlegen: Vor der Einführung von Papiergeld und Staatsverschuldung sei das englische Volk „mutig und frei, glücklich zuhause und gefürchtet im Ausland“ gewesen.112 Aus der diagnostizierten Ausbeutung des Volkes durch nanzielle Eliten seither konnte nur die Folgerung erwachsen, die Herrschaft jener Eliten zu brechen – und zwar durch eine intensive Umgestaltung des Wahlrechts; eine Parlamentsreform wurde zum zentralen Anliegen der Radikalen, die ab dem Jahre 1807 eine immer größere Gruppe der Unterhausabgeordneten stellten.113 Cobbetts Kritik an der Staatsverschuldung war eine Variante jener auch von Thomas Paine in den Vereinigten Staaten betriebenen und in Großbritannien anhaltenden Debatte114 um die „virtuelle“ Repräsentation derjenigen, die über kein Wahlrecht verfügten, im britischen House of Commons. Denn wenn der Kredit „eine gänzlich von der Meinung abhängende Sache“ war,115 kam es darauf an, diese Meinung auch im Unterhaus geltend zu machen. Und damit sich die öffentliche Meinung überhaupt ändere, schrieb Cobbett so unermüdlich gegen das an, was er als Korruption gerade der Parlamentarier auffaßte116 – schon in einem Stil, der die Bedeutung des einfachen Arbeiters für die Nation hervorhob.117 Auch in ihrer Zurückweisung wurde die Staatsverschuldung so zum Argument für eine Demokratisierung des politischen Systems.

4. K  D: D S    M An der Wende zum 19. Jahrhundert erreichte die Staatsverschuldung allerorten nicht nur ein neues quantitatives Niveau, sondern machte auch einen qualitativen Sprung. Die massiven Kriegskosten des späten 18. Jahrhunderts waren nur durch eine wesentlich höhere Verschuldung

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und Besteuerung zu begleichen, die ihrerseits eine politische Integration erzwang: Ohne erweiterte Informations- und Mitbestimmungsrechte waren die französischen Stände nicht zu weiteren Geldzahlungen an die Krone bereit, ohne eine exakte Kontrolle über die Staatsnanzen wäre die neue Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht von den einzelnen Bundesstaaten ratiziert worden. Auch William Cobbett forderte für die britischen Mittel- und Unterschichten, die zu Unrecht die Staatsverschuldung zu nanzieren hätten, erweiterte politische Rechte ein. Gerade solche Verteilungsfragen gerieten in der Mitte des 19. Jahrhundert in den Fokus der politischen Debatte und führten zu fundamentaler Systemkritik. „Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist – ihre Staatsschuld“, urteilte Karl Marx pointiert. Deshalb werde ein Volk „um so reicher, je tiefer es sich verschuldet“; die „Überbesteuerung“ repräsentierte keinen „Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip, das der Enteignung „aller Bestandteile der kleinen Mittelklasse“ zum Nutzen der bürgerlichen Eliten diene.118 Dieser Gedanke war nun kein neuer. David Hume hatte ihn schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts zur These proliert, daß Staatsverschuldung und Nation nicht koexistieren könnten: Beende nicht der Staat die Staatsschuld, so beende die Staatsschuld den Staat – sie verderbe ihn, indem sie das nutzlose Leben untätiger Gläubiger begünstige und politische Lethargie auslöse, die nur in Tyrannei enden könne.119 Daß die Staatsverschuldung einen Kulturverlust bedeute, blieb zwar ein immer wieder gerne angeführtes Argument: So nahm sich beispielsweise der bereits bei deren Gründung an die Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin berufene Altertumsforscher August Boeckh (17851867) kritisch des „künstlichen Maschinenwerkes zur Herbeischaffung der Gelder“ in seiner Gegenwart an, um vor diesem zeitgenössischen Hintergrund die „edlern Triebfedern“ der griechischen Bürger in der Antike umso mehr zu idealisieren.120 Doch immer mehr schob sich die These vom Kulturgewinn durch die Staatsverschuldung in den Vordergrund, bis hin zu Lorenz von Steins (1815-1890) Diktum: „es hat nie einen civilisirten Staat ohne Staatsschuld gegeben, und wird, ja es soll nie einen solchen geben“.121 In der dritten Auage des liberalen RotteckWelcker’schen „Staatslexicons“ galt bereits der private Kredit aufgrund seiner Bindung an das Vertrauen als einzig „humanes und großartige Mittel, den Wohlstand zu befördern“122 – so schrieb hier Karl Mathy (1807-1868),123 einstiger Finanzbeamter, zeitweiliger Unterstaatssekretär des Finanzministeriums in der Paulskirche, ehemaliger Parlamenta-

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rier im Badischen Landtag, liberaler Journalist sowie Publizist und nicht zuletzt höchst erfolgreicher Bankier. Solche zivilisatorische Wirkung wies Mathy gar in gesteigerter Weise dem „öffentlichen Credit“ zu. Darunter verstand er „das öffentliche Vertrauen auf ihren [der Regierung] Willen und ihr Vermögen, die Verbindlichkeiten, welche sie übernimmt, zu erfüllen“.124 Die Börsenkurse der staatlichen Schuldtitel wurden gleichsam zum Fortschrittsindikator des jeweiligen Staates, weil Mathy die an Gesetze gebundene modernde Verschuldung von der älteren, willkürlichen, pfandbasierten abhob – „Sparsamkeit und Öffentlichkeit im Staatshaushalt“ seien die leicht überprüfbaren Voraussetzungen der modernen Staatsverschuldung, belohnt mit günstigen Zinssätzen. Mathy befand es im Geiste der liberalen Fortschrittseuphorie des 19. Jahrhunderts insbesondere im Kriegsfall für „im hohen Grade billig, daß die Zukunft einen Theil der Lasten trage, da sie auch die Vortheile der Erhaltung der Ehre und Macht des Vaterlands genießt“, hielt aber beispielsweise auch Kredite zur Finanzierung des Eisenbahnbaus für legitim und sinnvoll;125 die Staatsverschuldung wurde zu solchen Zwecken gleichsam zivilisiert, preußische Liberale hatten just den enormen Investitionsbedarf der Eisenbahn schon vor der Revolution des Jahres 1848 als Hebel zur Verfassungsreform zu nutzen versucht.126 Im Zentrum von Mathys Ausführungen stand gleichwohl die politische Kraft und Aussagekraft des „öffentlichen Credits“: Seiner könnten sich nämlich nur solche Staaten „rühmen, welche durch Sparsamkeit, Redlichkeit und Ordnung in ihrem Haushalte“ besonderes Vertrauen einößten – nicht hingegen solche, wo „Besorgnis vor den Folgen einer schlechten Wirthschaft und einer willkürlichen, der Öffentlichkeit entzogenen Verwaltung sich zeigt.“ Niedrige Zinsen wurden dabei zur Fortschritts- und Demokratisierungsprämie, höhere Zinsen zum Aufschlag für Rückständigkeit und Willkürherrschaft. Das berechtigte Vertrauen der Investoren könnten nur staatliche Gläubiger gewinnen, die sich der politischen Meinungs- und Willensbildung öffneten. „Die öffentliche Meinung ist der Regulator des öffentlichen Credits, er fügt sich keiner andern Macht“, resümierte Mathy kurzerhand.127 Die Schulden waren wahrlich öffentliche geworden – und dieses Argument verng in der Praxis: Im 19. Jahrhundert wurden die Budgets auch der deutschen Staaten sukzessive publik gemacht,128 so daß die beträchtliche Ausdehnung der Verschuldung im Rückblick des frühen 20. Jahrhunderts tatsächlich auf „Klarheit, Ordnung und Öffentlichkeit des Staatshaushalts“ zurückgeführt werden konnte.129

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Michalis Psalidopoulos / Korinna Schönhärl Die griechische Staatsverschuldung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Am 10. Dezember 1893 mußte der griechische Premierminister Charilaos Trikoupis vor dem Parlament verkünden, daß das Land bankrott war. Der Satz: „Leider sind wir bankrott“ ist als ein durch seinen Mund ausgesprochener Offenbarungseid in die populäre Erinnerung eingegangen, auch wenn er in den Quellen nicht belegt ist. Griechenland mußte in der Folge den Schuldendienst an das Ausland einstellen und sollte ihn erst fünf Jahre später wieder aufnehmen – unter der Kontrolle einer internationalen Kommission, die die pünktliche Eintreibung und Überweisung der Gelder an die Gläubiger überwachte. Wie war es so weit gekommen? Wie hatte eine Wirtschaftspolitik mit hochgesteckten Zielsetzungen und mit den besten Intentionen dazu führen können, daß der griechische Staat innerhalb von vierzehn Jahren, zwischen 1879 und 1893, eine im Vergleich zu seinen jährlichen Einnahmen enorme Menge von Schulden aufgehäuft hatte? Wie begründete die griechische Regierung den wachsenden Geldbedarf gegenüber den Gläubigern? Und warum waren diese über eine so lange Zeitspanne bereit, dem Land so leichtfertig, wie es im Nachhinein scheint, immer wieder Geld zu leihen? Dieser Artikel beleuchtet die Akkumulationsphase der griechischen Staatsschulden im 19. Jahrhundert aus einer nanz- und dogmenhistorischen Perspektive. Vor dem Hintergrund der griechischen Wirtschaftsgeschichte dieser Epoche soll zudem auf der Basis bisher wenig beachteter Quellen aus dem deutschen Auswärtigen Amt die komplizierte Beziehung zwischen Griechenland und seinen Gläubigern betrachtet werden.

1. D S   U   S Im Jahr 1829 war Griechenland nach einem blutigen Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich von den europäischen Großmächten als eigenständiger Nationalstaat anerkannt worden. Schon zu diesem

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Zeitpunkt hatte es im Ausland Schulden gemacht, um die Kriegsführung nanzieren zu können. In den Jahren 1824 und 1825 waren in London zwei Anleihen aufgenommen worden, deren Schuldendienst man aber schon 1827 wieder hatte einstellen müssen: Während des Krieges hatten andere Zwecke Priorität gehabt.1 Die Großmächte hatten nun zwar die griechische Unabhängigkeit zugestanden, aber keinesfalls wollten sie im Zeitalter der Restauration eine griechische Republik akzeptieren. Vielmehr sollte der künftige Monarch aus einem europäischen Königshaus „importiert“ werden. Dessen Auswahl erwies sich als schwierig, da die Großmächte die „Balance of Powers“ nicht ins Ungleichgewicht bringen wollten. Schließlich einigte man sich auf Otto von Wittelsbach, den zweitgeborenen Sohn des bayerischen Königs Ludwig I., der begeisterter Philhellene war (was seine klassizistischen Bauten am Münchner Königsplatz bis heute beweisen).2 Zu seinem Amtsantritt, das hatte der Vater für den noch unmündigen König ausgehandelt, erhielt er ein rückzahlungspichtiges Startguthaben von 60 Mio. Franc als Anleihe, die vom Bankhaus Rothschild in Paris emittiert wurde. Die Bürgschaft dieses Kredits übernahmen Großbritannien, Frankreich und Rußland als Garantiemächte des jungen Hellas.3 Die Auszahlung der Anleihe sollte in Raten erfolgen, verlief aber von Anfang an alles andere als reibungslos.4 Schon bald stellte sich nämlich heraus, daß diese Zahlungen für die Staatsgründung mitnichten ausreichten. Bereits 1836 geriet Griechenland mit den Tilgungszahlungen in Rückstand, weil es seinem König nicht gelungen war, eine effektive Staatsnanzierung in dem vom Krieg ausgelaugten Land einzuführen. Das aufgeklärte Reformprogramm nach kameralistischem, bayerischem Vorbild, das der aus München mitgebrachte Beamtenstab zu implementieren versuchte, ließ sich in Griechenland nicht umsetzen. Es paßte weder zu der von Clanbeziehungen geprägten patriarchalischen Gesellschaftsstruktur noch zum politischen Verständnis der Hellenen.5 So löste etwa die Aufhebung zahlreicher Klöster, wie sie sich in Bayern zwar gegen Widerstände, aber letztendlich erfolgreich hatte durchsetzen lassen, in Griechenland regelrechte Stürme der Empörung aus, zumal Otto trotz seiner katholischen Konfession zum Oberhaupt der Griechisch-orthodoxen Kirche ernannt worden war. Auch die Verteilung der Nationalgüter – große Ländereien, die aus dem Besitz des osmanischen Staates an den griechischen übergegangen waren – an die Bauern hatte man zwar versprochen, sie wurde jedoch nur in beschränktem Maß in die Tat umgesetzt. Drittens blieb das verhaßte Steuersystem der osmanischen Zeit trotz seiner Inefzienz im Großen und Ganzen intakt, was die Unzufriedenheit noch steigerte. Zeitgenossen wie der bayerische Philhellene Friedrich Thiersch, der

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Griechenland intensiv bereiste, benannten schon nach wenigen Jahren ganz klar diese Fehler der bayerischen Regentschaft, ohne daß das Ruder durch diese Kritik noch einmal hätte herumgerissen werden können.6 Im Jahr 1843 mußte Hellas den Schuldendienst schließlich völlig einstellen, mit einschneidenden Folgen: Das Land wurde auf den internationalen Finanzmärkten für weitere Darlehen gesperrt. Während die Großmächte zähneknirschend die Zinszahlungen für die von ihnen garantierten Schulden leisteten, konnten die Gläubiger der Anleihen aus den Jahren 1824 und 1825 nur ebenso hartnäckig wie wirkungslos weiterhin die Rückzahlungen ihrer Gelder verlangten. Die Griechen mußten ihre Finanzbedürfnisse jetzt ohne fremdes Geld decken; der Rahmen für Investitionen wurde rigoros einschränkt. Zum vorrangigen Mittel der Staatsnanzierung wurde angesichts der mageren Steuer- und Zolleinnahmen die Ausdehnung der Geldmenge über Kredite der griechischen Nationalbank an den Staat; die Geldmenge im Lande wurde dadurch inationär ausgedehnt. Die Konvertibilität der Drachme, das heißt die Verpichtung der Nationalbank, Drachmen auf Verlangen des Besitzers jederzeit in Gold umzuwechseln, konnte deshalb nicht länger garantiert werden. Aus diesem Grund war dann auch die Teilnahme Griechenlands an der 1867 vereinbarten lateinischen Münzunion zwischen Frankreich, der Schweiz, Italien und Belgien zunächst de facto nicht möglich. Anfang der 1870er Jahre begann der griechische Staat schließlich, Geld von Auslandsgriechen zu leihen. Die über ganz Europa verstreut lebenden Geschäftsleute und Händler der griechischen Diaspora brachten bis 1877 insgesamt 45 Mio. Drachmen für die Staatskasse auf.7 Die Zinsen, die der griechische Staat seinen eigenen Bürgern zahlen mußte, erreichten freilich eine problematische Höhe von acht bis neun Prozent. Als Charilaos Trikoupis im Jahr 1875 zum ersten Mal zum griechischen Ministerpräsidenten gewählt wurde (insgesamt übte er dieses Amt siebenmal aus), begann er eine entschlossene Modernisierungspolitik, um Griechenland wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten zu verschaffen. Doch gab es realistische Aussichten, dieses Ziel zu verwirklichen? Konnte Griechenland ein lohnendes und zuverlässiges Investitionsobjekt für den internationalen Finanzmarkt werden? Trotz der völligen Zerstörung, die die „Befreiungskriege“ hinterlassen hatten, hatte sich das Land mittlerweile gut entwickelt.8 Das Staatsgebiet war 1863 um die von England abgetretenen Ionischen Inseln gewachsen. Auch bei der Industrialisierung waren bescheidene Fortschritte gemacht worden: Hatte Griechenland im Jahr 1867 nur 22 Fabriken und Manufakturen mit einer Gesamtleistung von 300 Pferdestärken zu bieten gehabt, so waren es

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1880 immerhin schon 108 Betriebe mit immerhin 2.884 Pferdestärken9 – in Preußen hatte es bereits im Jahr 1840 allein im Bergbau 174 Dampfmaschinen mit 5.400 PS gegeben, bis 1849 hatte sich diese Anzahl auf 332 mit 13.200 PS erhöht.10 Dennoch blieb Hellas weitgehend ein agrarisch geprägtes Land. Im Jahr 1890 waren immer noch 68 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, nur sechs Prozent gehörten der Arbeiterschaft an;11 im Deutschen Reich arbeiteten 1875 bereits 50 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, 29 Prozent in Gewerbe und Industrie sowie 21 Prozent in Handel und Dienstleistungen.12 Umso bedeutender war es, daß im Jahr 1871 endlich die Verteilung der von den Osmanen übernommenen Nationalgüter an die ländliche Bevölkerung gelang; so entstanden überhaupt erst Privateigentumsverhältnisse in der griechischen Landwirtschaft.13 Nachteilig wirkten sich allerdings die Parzellierung des Bodens und die Schaffung einer breiten Schicht von Kleinbauern aus, die sich ab etwa 1880 auf den Export von Rosinen spezialisierten. Dieser orierte zwar wegen der Mehltauplage in Westeuropa zunächst stark und brachte große Gewinne, eine stärkere Diversizierung der Produktion unterblieb jedoch.14 Ohnehin stellte der Handel den traditionell wichtigsten Zweig der griechischen Wirtschaft dar. Nicht zuletzt dank der vielen Hellenen in der europäischen Diaspora blühten die Handelsbeziehungen Griechenlands mit der Levante in den Jahrzehnten nach dem Krimkrieg zusehends auf. Die Schiffahrt brachte Prote ins Land und trug zur wachsenden Kapitalakkumulation sowie Prosperität bei.15 Vor allem Syros, Piräus und Patras hatten sich als Handelszentren etablieren können. Neben dem Handel mit Agrarprodukten spielten auch die wenigen Bodenschätze des Landes wie der Schmirgel von Naxos oder der Marmor eine nicht unbedeutende Rolle für den Export. Demgegenüber stand allerdings ein wachsender Import, zum Beispiel an Getreide, der die Außenhandelsbilanz verschlechterte. Auch der Bankensektor gedieh: Hatte es bis zum Jahr 1873 nur zwei Banken gegeben, die Griechische Nationalbank und die Ionische Bank, so waren es 1883 bereits vier, die über eine deutlich gestiegene Menge an Eigenkapital verfügten.16 Wegen der wichtigen strategischen Lage in der Nachbarschaft des Osmanischen Reiches und der im Vergleich zu anderen Balkanländern positiven ökonomischen Entwicklung der letzten Dekaden weckte Griechenland bei den europäischen Investoren durchaus Hoffnungen auf eine schnell fortschreitende Industrialisierung – und namentlich auf die Prote, die sich daraus ergeben konnten. Im Vorfeld des Berliner Kongresses von 1878 artikulierte Griechenland den Wunsch, in den internationalen politischen und ökonomi-

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schen Beziehungen als vollwertiger Partner wahrgenommen zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, war die griechische Regierung zur Rückzahlung ihrer Schulden aus dem Unabhängigkeitskrieg und aus der Zeit des frühen Nationalstaates bereit. Die ausländischen Gläubiger waren sehr angetan von dieser Wendung, und so erreichte man eine Übereinkunft, die den Griechen im Gegenzug den Zugang zu den europäischen Finanzmärkten wieder öffnete.17 Gerade die bisher erzwungene Zurückhaltung in der Auslandsverschuldung machte Griechenland als Investitionsobjekt besonders interessant. Mit einem überschaubaren jährlichen Schuldendienst ans Ausland von circa 6,7 Prozent seines Jahresbudgets im Jahr 1878 schien es ein attraktiver Kandidat für Investitionen zu sein.18 Auf dem internationalen, stark expandierenden Kapitalmarkt hielt man mittlerweile intensiv nach Investitionsmöglichkeiten gerade in fremde Staatsanleihen Ausschau, deren Verzinsung zumeist weit über derjenigen im eigenen Land lag.19 Insbesondere in Frankreich mit seinen eher konservativ eingestellten Anlegern erfreute sich diese Anlageform seit den 1870er Jahren großer Beliebtheit, zumal ihr Zinsertrag nicht versteuert werden mußte und die Rück- und Zinszahlungen vom Schuldner in Gold zu leisten waren; das machte die Werte von gefährlichen Wechselkursschwankungen unabhängig. Zudem verpfändete der griechische Staat bestimmte Einnahmen als Garantie für den Schuldendienst, zum Beispiel die Zolleinnahmen mancher Häfen, so daß die Staatsanleihen als sehr sicher galten. Bei jeder neuen Anleihe machten die vermittelnden Banken und Mittelsmänner enorme kurzfristige Prote, was ihr Streben nach immer weiteren Anleihen erklärt.20 Auch der Wunsch der Großmächte nach wirtschaftlicher Expansion im Zeitalter des Imperialismus wirkte sich hier aus.21 Das griechische Bedürfnis nach frischem Geld el mit dem Interesse der westeuropäischen Investoren und ihrer Regierungen nach einer Ausdehnung der eigenen Marktmacht an der Peripherie des Kontinents zusammen. Deshalb war man offen für die hellenischen Wünsche, sich die unentbehrlich erscheinenden Kapitalien für den erhofften industriellen Take-off im Ausland zu leihen. So stellte der britische Generalkonsul in Patras im Jahr 1879 fest, daß die Gewährung neuer Auslandsanleihen an Griechenland für Großbritannien ebenso wichtig sei wie für die griechische Wirtschaft selbst, weil der Ausschluß griechischer Sicherheiten von den Börsen in Europa den protablen Einsatz fremden Kapitals in Minen, Eisenbahnen et cetera in diesem Land erheblich begrenze.22 Das Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung der alten Schulden wurde deshalb in England, Frankreich und im Deutschen Reich sehr gefördert und begrüßt.23

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Die politische Situation Griechenlands war durch die anhaltenden Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich gekennzeichnet. Hellas verfolgte seit den Unabhängigkeitskriegen seine „Große Idee“, die darauf abzielte, das eigene Territorium auf Kosten des „kranken Mannes am Bosporus“ zu erweitern: Ehrgeiziges Ziel war die Ausdehnung des griechischen Staatsgebietes auf all jene Gebiete, in denen Griechen lebten, insbesondere auf Kleinasien. Weder im Krimkrieg von 1854 bis 1856 noch beim Aufstand auf Kreta im Jahr 1866 hatte Griechenland diese Ambitionen jedoch verwirklichen können. Auch die europäischen Großmächte hatten die griechischen Wünsche nur dann unterstützt, wenn sie den eigenen machtpolitischen Interessen gedient hatten.24 Daß die Griechen 1862 den bayerischen König Otto I. vertrieben und durch einen dänischen Prinzen, Georg I., ersetzt hatten, veränderte an diesen schwierigen Rahmenbedingungen nichts Wesentliches. Stattdessen kletterten mit jeder krisenhaften Auseinandersetzung, auch wenn sie nicht zum offenen Krieg führte, die Militärausgaben in Höhen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes weit überstiegen. So trug beispielsweise der Kongreß von Berlin (1878) der osmanischen Pforte auf, eine Schlichtung ihrer Streitigkeiten mit Griechenland in bilateralen Verhandlungen zu versuchen. Das Scheitern dieser Bemühungen zwang die Kontrahenten jedoch zur Mobilisierung ihrer Truppen. Griechenland mußte dazu seine Militärausgaben versechsfachen, was der Regierung die Aufhebung des Zwangskurses unmöglich machte.25 Nicht nur in dieser Phase verschlangen die Kosten für die Armee einen ständig anwachsenden Teil des griechischen Budgets: von 1866 bis 1870 etwa 27,7 Prozent, später, in den Jahren von 1883 bis 1895, sogar 48,6 Prozent, während man für Bildungszwecke etwa 3 Prozent ausgab26 – im Vergleich dazu machte der Verteidigungsetat in Frankreich 38,7 Prozent im Jahr 1872, im Jahr 1913 dann 31 Prozent des Gesamtbudgets aus.27 In dieser Situation sah die Regierung unter Charilaos Trikoupis keinen anderen Ausweg, als sich an die europäischen Kapitalmärkte zu wenden. Nur mit ausreichenden Finanzmitteln in der Hinterhand glaubte man in der Lage zu sein, als gleichberechtigter Partner in den internationalen Beziehungen wahrgenommen zu werden und der Verwirklichung der „Großen Idee“ näherzukommen.

2. D Z  N 1879-1893 Nachdem sie die Neuzulassung an den europäischen Börsen erreicht hatte, begann die griechische Regierung, hohe Geldsummen im Aus-

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land aufzunehmen. In den genannten Jahren wurden folgende Anleihen im Ausland emittiert (alle Werte in Mio. Goldfranc); da der Ausgabekurs, wie bei Staatsanleihen damals üblich, stets weit unter 100 Prozent lag, meist zwischen 70 und 90 Prozent, erreichte die realisierte Summe, die die griechische Regierung erhielt, niemals den Nominalwert, der an die Gläubiger zurückgezahlt werden mußte. Bei zwei Anleihen fanden sich für einen Teil der Wertpapiere keine Käufer, so daß die geplante Summe nicht vollständig emittiert werden konnte: 28 Jahr 1879

Nominalwert

Realisierte Summe

Nominalzins

Garantien

60

44

6

Einnahmen aus der Stempelsteuer

120

89,5

5

Zölle von Athen, Piräus, Patras, Zante

1884

100 (geplant: 170)

69,8

4

Zölle von Volo, Arta, Tsagezi sowie Überschüsse der Zölle von Piräus, Athen, Catacolo, Cephalonia, Kalamai

1887

135

90

4

Monopole auf Salz, Petroleum, Zündhölzer, Spielkarten, Zigarettenpapier, Schmirgel von Naxos; zur Eintreibung wurde die Société de Régie de Monopoles de Grèce gegründet

1889

155

111,48

4

Keine

1890

60 (geplant: 89,9)

53

5

Eisenbahngewinne

1893

100

65

5

Keine

1880/81

Insgesamt betrug die Kreditsumme also 730 Mio. Franc. Subtrahiert man davon Provisionen, Vermittlungs- und Versicherungsgebühren, kam eine Nettosumme von 522,722 Mio. in Griechenland an. Ein Teil dieser Gelder mußte sofort für die Tilgung der alten Schulden eingesetzt werden, so daß nur 389 Mio. zur Verausgabung zur Verfügung standen. Der Schuldendienst kletterte derweil bis zum Jahr 1893 auf 33 Prozent des gesamten Staatsbudgets. In den Jahren von 1879-1893 zahlte Griechenland insgesamt 470,4 Mio. Franc an Zinsen ab, also fast so viel wie die neu geborgte Nettosumme, die Tilgungsraten noch gar nicht mit eingerechnet.29

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Diese hohe Verschuldung allein wäre allerdings noch kein erdrückendes Problem gewesen, wenn die Anleihen ein permanentes Wachstum hervorgebracht hätten. Damit hatten die internationalen Gläubiger ja kalkuliert. Mitentscheidend für ihre Investitionsbereitschaft war das beeindruckende Reformprogramm gewesen, das Trikoupis dem griechischen Staat verordnet hatte. Vor allem seine Persönlichkeit vermittelte den Gläubigern den Eindruck absoluter Verläßlichkeit: Trikoupis war von Anfang an als großer Modernisierer aufgetreten. Als Sohn eines Diplomaten hatte er Erfahrung mit der internationalen Politik; zudem hatte er lange in London und in Paris gelebt, wo er in den politischen Zirkeln bestens vernetzt war.30 Als Ministerpräsident verfolgte er das Ziel, die Steuereinnahmen so zu erhöhen, daß Griechenland seinen internationalen Verpichtungen nachkommen und gleichzeitig seine Infrastruktur weiter ausbauen konnte. So gestaltete er das Zoll- und das Steuersystem in den 1880er Jahren komplett um. Hatte die Regierung bisher vor allem auf indirekte Steuern gesetzt, so stellte Trikoupis jetzt auf direkte Besteuerung um, eine Maßnahme, die beispielsweise in der Landwirtschaft große Ungleichheiten schuf: Während die vermögenden Großgrundbesitzer Thessaliens davon eher protierten, traf sie die Besitzer von Vieh in der landwirtschaftlichen Produktion besonders hart. Die Steuereinnahmen jedenfalls stiegen durch diese Maßnahmen tatsächlich: Sie wuchsen von 23,2 Mio. Drachmen (eine Pro-Kopf-Besteuerung von 15,22 Prozent des Einkommens) im Jahr 1869 auf 86,2 Mio. Drachmen (also pro Kopf 37,63 Prozent) im Jahr 1893 an.31 Auch die Zollpolitik erfuhr eine Umgestaltung: Waren die Importzölle für Lebensmittel und insbesondere für Weizen noch in den 1860er Jahren relativ niedrig gewesen, so wurden sie in der Reform von 1884 verfünffacht – ein Prozeß, der sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen sollte. Ziel war es, die Getreideproduktion im eigenen Land zu fördern. Gleichzeitig wurden Importe von Industriegütern, die auch in Griechenland hergestellt werden konnten, mit hohen Zöllen belegt – diese protektionistische Politik sollte die eigene Produktion vor Konkurrenz aus dem Ausland schützen. Der stetig sinkende Wechselkurs der Drachme im Verhältnis zu den ausländischen Währungen ließ die Zölle de facto noch zusätzlich ansteigen.32 Die Bemühungen zeitigten jedoch nicht die gewünschten Erfolge: Der Weizenimport nahm trotz der Maßnahmen stetig weiter zu, die Industrialisierung kam trotz des Zollschutzes nur schleppend voran. Für die Staatskasse immerhin stellten die Zolleinnahmen eine wichtige Einnahmequelle dar.33 Vor dem Hintergrund dieses Reformprogramms ist es von besonderem Interesse, wie Charilaos Trikoupis die zusätzliche Aufnahme von

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ausländischem Kapital begründete. In seiner Argumentation lassen sich vier Hauptpunkte nachweisen: Erstens hatten die Großmächte auf dem Berliner Kongreß Griechenland eine Erweiterung des Staatsgebiets um Thessalien zugesprochen.34 Allerdings mußte Hellas dafür, wie zum Beispiel auch Bulgarien für ebensolche Landgewinne, einen entsprechenden Anteil an den türkischen Staatsschulden übernehmen, also die entsprechenden Landstriche den Türken sozusagen „abkaufen“.35 Diese Regelung war für die Gläubiger des Osmanischen Reiches von großer Bedeutung, denn das Imperium hatte 1875 den Staatsbankrott erklärt und stand dann ab 1881 unter Aufsicht einer internationalen Finanzkommission, die fortan die Rückzahlung der Gelder überwachte. Im Interesse der griechischen „Großen Idee“ mußten diese Summen irgendwie aufgebracht werden: Die Inanspruchnahme der internationalen Finanzmärkte als Geldquelle für die weitergereichten Schulden lag nahe.36 Zweitens wies Trikoupis das Geld schlicht und ergreifend als notwendig aus, um die gestiegenen Militärausgaben decken zu können.37 Mit den zusätzlichen nanziellen Mitteln aus der Steuer- und Zollreform, aber auch aus den ausländischen Anleihen wurde vor allem der Militärapparat modernisiert. Als Anhänger des Liberalismus wie Ioannis Soutsos und Aristidis Oikonomos darauf hinwiesen, daß eine gute Politik einen ausgeglichenen Staatshaushalt voraussetze, war die Reaktion von Trikoupis überaus pragmatisch: „Es ist besser, einen dezitären Haushalt im Jahre 1877 zu haben und dadurch ein gut präpariertes Militär im Jahr 1878, als einen ausgeglichenen Haushalt, aber ein schlecht vorbereitetes Militär“.38 Drittens argumentierte Trikoupis dezidiert aus der Sicht der ausländischen Gläubiger: Die Alternative zu neuen Schulden, so der Ministerpräsident, wäre eine erneute Einstellung des – anfangs noch sehr geringen – Schuldendienstes an das Ausland gewesen, die Griechenlands Kreditwürdigkeit nachhaltig geschädigt und dem Staat den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt auf lange Zeit verschlossen hätte.39 Da Trikoupis’ innenpolitischer Gegenspieler Theodoros Deliyannis diese Strategie verfolgte, war es für Trikoupis besonders leicht, sie vehement abzulehnen.40 Dieses Argument, die neuen Gelder für den alten Schuldendienst zu benötigen, wurde im Laufe der Jahre immer mehr ausgebaut: So begründete Trikoupis die weiteren Anleihen wie zum Beispiel diejenige über 135 Mio. Goldfranc aus dem Jahr 1887 damit, daß das neu aufgenommene Geld es ermögliche, die alten und mittlerweile fälligen Anleihen in neue zu besseren Konditionen zu verwandeln.41 Bei den neuen Anleihen konnte die zwangsweise Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds vermieden und die Höhe der Zinsen im Vergleich zu den alten

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Anleihen gedrückt werden. Das ermöglichte wesentliche Einsparungen im Staatshaushalt, wie sie die Regierung für unumgänglich hielt, um einen ausgeglichenen Haushalt für die Jahre von 1887 bis 1889 vorlegen zu können.42 Das gelang allem Anschein nach auch – sofern man den ofziellen Zahlen Glauben schenken mag und dieses Gleichgewicht nicht für ein konstruiertes hält. Nachdem die Schlußabrechnungen erst mit einem zeitlichen Abstand von fünf Jahren veröffentlicht wurden, bleiben die Zahlen zweifelhaft. Viertens betrachtete der Ministerpräsident ein Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt als Grundlage für die Aufhebung des Zwangskurses der griechischen Währung, der seit 1878 bestand. Von einer Wiederherstellung der Konvertibilität versprach man sich eine Stabilisierung der Wechselkurse, deren starke Fluktuation den Handel sehr beeinträchtigte.43 Aber auch der Staat war von den Wechselkursschwankungen betroffen, mußte er doch seinen Schuldendienst ans Ausland in Gold oder in Devisen leisten: Je schlechter der Wechselkurs, desto höher waren die Verluste beim Umtausch. Eine Aufhebung des Zwangskurses auf Grundlage des ausgeglichenen Staatshaushaltes würde, so Trikoupis, unmittelbar zu einer Stabilisierung der Wechselkurse mit allen damit verbundenen Vorteilen führen. Der Versuch jedoch, die Konvertibilität im Juni 1885 einzuführen, scheiterte nach nur sechs Monaten, so daß eine Rückkehr zum Zwangskurs unvermeidbar war. Das fünfte Argument schließlich war der weitere Ausbau der griechischen Infrastruktur, insbesondere der Landwirtschaft in Thessalien durch Trockenlegung von Sümpfen, die Errichtung von Staudämmen und die Begradigung von Flüssen sowie der Eisenbahnbau in ganz Griechenland: Für diese großen und vielversprechenden Entwicklungsvorhaben benötige man Kapital, das aus den laufenden Einnahmen, so Trikoupis, einfach nicht zu gewinnen sei. Wolle man Griechenland weiter entwickeln, so sei das nur durch geliehenes Kapital möglich, dessen Zinsen und Rückzahlung das Budget bei kluger Haushaltung aber leicht leisten könne. Das griechische Volk, so betonte der Ministerpräsident, sei mit den ihm durch diese Politik aufgebürdeten Opfern keinesfalls überlastet, sondern habe die moralische Größe, sie zu tragen, wie die Wahlen gezeigt hätten.44 De facto wurde von den ausländischen Anleihen allerdings nur eine einzige für solche produktiven Zwecke benutzt: diejenige von 1890 für den Ausbau des Eisenbahnnetzes. Trikoupis’ Argumente klangen im In- und Ausland überzeugend und vernünftig, auch wenn er keineswegs ein Fachmann in ökonomischen Fragen war. Nichtsdestoweniger war er fest von der Richtigkeit seiner Finanzpolitik überzeugt, auch wenn sein Vorgehen nicht der zeitgenössischen Geldtheorie und der Fiskalpraxis in Westeuropa entsprach. Er

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trug nicht zuletzt durch zahlreiche Gesetzesnovellen entscheidend zur Modernisierung des Landes bei, aber trotz oder vielleicht gerade wegen seiner hochgesteckten Ziele ging er dabei schneller voran, als es die Kapazitäten Griechenlands erlaubten. Wie beurteilten nun die Europäer die Argumente des griechischen Ministerpräsidenten und was dachten sie über seine Politik? Als Beispiel sollen im Folgenden die Berichte der Diplomaten des Deutschen Reiches herangezogen werden, die das Auswärtige Amt in Berlin detailliert über die griechische Finanzlage informierten. Mitte der 1870er Jahre hatte sich die Begeisterung für die griechischen Bauprojekte noch in Grenzen gehalten. So hatte der Gesandte Hirschfeld die Chancen einer Eisenbahnlinie von Athen bis zur türkischen Grenze, die einen Anschluß an das europäische Eisenbahnnetz bedeuten sollte, kritisch eingeschätzt: Eine solche Linie sei von eher untergeordneter Bedeutung für die internationalen Handelswege, so daß sich die hohen Erwartungen der Griechen wohl nicht erfüllen würden.45 Ende der 1880er Jahre, als der Eisenbahn-Boom Europa fest im Griff hatte, beurteilte man die Infrastrukturprojekte dagegen schon viel positiver: Gerade die Schienenwege würden das Land kulturell öffnen und materiell weiterbringen.46 Zu diesem Zeitpunkt sah die deutsche Botschaft in Athen die gesamte wirtschaftliche Lage des Landes durchweg optimistisch und warb immer wieder für die Beteiligung deutschen Kapitals in Hellas. Es entging den Deutschen nämlich nicht, daß bei den großen Infrastrukturprojekten nur selten deutsche Anbieter (insbesondere die Firma Krupp hatte sich für einige Eisenbahnprojekte beworben), sondern vielmehr meist Franzosen oder Belgier zum Zuge kamen – kein Wunder, da deren Banken auch das benötigte Kapital zur Verfügung stellten. Wollte man die Auftragslage für deutsche Firmen verbessern, so schlußfolgerten die Diplomaten, müsse man das deutsche Kapital zu Investitionen ermuntern, zumal sie das Risiko für überschaubar hielten: „Nicht minder, daß die Griechischen Staatspapiere eine ebenso sichere und vielleicht sicherere Geldanlage abgeben, als viele andere an der Berliner Börse gehandelte Werthe. Daß dies sich einmal ändern kann, ist zuzugeben, nicht aber, daß es sich ändern muß. Unternehmungen aber bei denen viel zu gewinnen ohne jedes Risiko, gibt es wohl heutzutage überhaupt kaum irgendwo“.47 Mitunter kamen Beteiligungen aber wohl auch gerade deshalb nicht zustande, weil die deutschen und österreichischen Finanziers zu hohe Sicherheiten forderten, die der griechische Staat nicht zu leisten bereit war,48 und weil sie den griechischen Forderungen nicht weit genug entgegenkamen – sehr zum Bedauern der deutschen Gesandtschaft. Je-

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der dennoch erteilte Auftrag an eine deutsche Firma wurde als Vertrauensvorschuß für deutsche Qualität gefeiert, zum Beispiel, als Harkort aus Duisburg trotz des im Vergleich zur belgischen Konkurrenz höheren Preises im Jahr 1889 Materialien für die Linie von Piräus zur türkischen Grenze im Wert von 80.000 Franc lieferte.49 „Noch weit größer aber könnte der Erfolg dieser Industrie hier sein, wenn dieselbe, wie dies auf belgischer Seite der Fall, an dem nationalen Kapital und dem nationalen Unternehmungsgeiste einen Rückhalt fände“, berichtete der Botschafter nach Berlin. Weil sein Bericht wohl „dazu beitragen könnte, die deutschen Kapitalisten-Ingenieure und Unternehmerkreise für diese gewinnbringenden Bauten in höherem Maße als bisher der Fall zu interessieren, möchte ich mir erlauben, dessen Vermarkthung in der Presse unmaßgeblich anheimzustellen“.50 Es verwundert nicht, daß bei all diesen positiven Berichten und Aufforderungen an das Auswärtige Amt dann gerade der Hausbankier des preußischen Außenministers und Reichskanzlers Otto von Bismarck, Gerson von Bleichröder, als erster deutscher Finanzier in Griechenland investierte:51 Er zählte zu den Emittenten der Anleihe von 1889. Der Zeitpunkt war günstig gewählt, denn die Heirat der preußischen Prinzessin Sophie mit dem griechischen Thronfolger Konstantin im Oktober 1889 trug das Ihre zur Begeisterung des deutschen Publikums für Griechenland bei. Aber nicht nur der Eisenbahnbau, sondern auch die Steuerpolitik des Ministerpräsidenten bekam von der Gesandtschaft zunächst gute Noten. So berichtet der Gesandte LeMaistre 1889 ans Auswärtige Amt: „Vergegenwärtigt man sich, daß im Jahre 1880 das griechische Budget nur 41.618.000 Drachmen in Einnahmen aufwies und daß es damals ganz unmöglich schien diese Einnahmen zu vermehren und daß heute Griechenland ein Budget von einigen 90.000.000 Drachmen hat, das sich balanciert, so wird man den nanziellen Talenten des griechischen Premierministers die Anerkennung nicht vorenthalten dürfen“.52 Auch die griechische Anleihepolitik fand Beifall: Insbesondere Trikoupis’ Versuche zur Konvertierung der Anleihen in günstigere Konditionen hielten die deutschen Diplomaten für einen geschickten und sinnvollen Schachzug, zumal sie dadurch die Aufhebung des Zwangskurses in greifbare Nähe rücken sahen.53 Im Zeitalter des Goldstandards war man davon überzeugt, daß die Wiedereinführung der Konvertibilität das Land ganz von selbst zu strengerer Finanzdisziplin zwingen würde, da eine negative Außenhandelsbilanz einen automatischen Abuß von Gold bedeuten würde. Immerhin wurde selbst in Zeiten günstiger Konjunktur auch die Meinung der griechischen Opposition, die Regierung

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überlaste das Land steuerlich und führe es so alsbald in den wirtschaftlichen Ruin, nach Berlin übermittelt. Je höher sich die hellenischen Schulden auftürmten, desto kritischer wurde die Haltung der deutschen Diplomaten. Innerhalb gerade einmal eines Jahres kippte die euphorische Stimmung komplett. So berichtete die deutsche Gesandtschaft bereits im Jahr 1890 konsterniert, Trikoupis hätte den größten Teil des zuletzt aufgenommenen Geldes für die Aufrüstung der Armee ausgegeben und nur ein kleinerer Teil sei, wie geplant, für den Bau der Piräus-Larissa-Bahn verwendet worden.54 Den Stimmen der Opposition in den Finanzdebatten des griechischen Parlaments wurde jetzt immer mehr Raum zugestanden, auch wenn man wenig Alternativen zu Trikoupis’ Politik zu erkennen glaubte. „Wie aus diesen Schwierigkeiten, welche, wenn sie lange dauern, unfehlbar zum Staatsbankrott führen müssen, einen Ausweg nden?“ Herr Trikoupis, so berichtete der Gesandte, kenne zwei Alternativen: „entweder einfach Einstellung der Zinszahlungen, also Bankerotterklärung; oder der Versuch die öffentliche Schuld mit Hülfe neuer Anlehen so zu zahlen, daß dieselbe durch Konvertierung der amortisierbaren Anlehen [sic] in feste Renten zwar anwachse, die jährlichen Zinszahlungen aber bei geringerem Zinsfuß kleiner werden und so allmählich das Budget immer mehr entlastet wird“.55 Man spürt die Erleichterung in den Berichten, daß Trikoupis sich – immer noch – für den zweiten Weg entschied. Auch den Glauben, die Infrastrukturprojekte zeitigten die erwünschten Erfolge, teilte man mittlerweile nicht mehr. Die neue Anleihe von 1890, bei Hambros in London und bei der Nationalbank für Deutschland in Berlin plaziert, ließ die griechischen öffentlichen Gesamtschulden auf 830 Mio. Franc anwachsen – und zugleich bezweifelte der Gesandte, daß die Gelder, wie vorgesehen, in den Bau der Piräus-LarissaBahn össen. Die Gelder würden „unzweifelhaft auch zur Deckung anderer nanzieller Bedürfnisse dienen müssen.“56 Die Begeisterung darüber, daß nun endlich auch deutsches Kapital sich an den Investitionen beteiligte, war dementsprechend gedämpft. Ebenso kommentierten die Gesandten die Tatsache, daß Trikoupis und die Opposition unter seinem politischen Widerpart Theodoros Deliyannis sich nach jedem der häugen Regierungswechsel gegenseitig die Schuld an der Schuldenmisere in die Schuhe schöben, immer kritischer. Nachdem Trikoupis sein Amt im Dezember 1890 hatte niederlegen müssen, berichtete man alarmiert, die neue Regierung verfolge zwar die gleiche Schuldenpolitik wie ihr Vorgänger, sei aber wesentlich planloser als Trikoupis. Zum ersten Mal ndet sich hier auch eine konkrete Prognose: Wenn Trikoupis wieder an die Macht käme, könne der Staatsbankrott vielleicht noch zwei oder zweieinhalb Jahre aufgeschoben wer-

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den, ansonsten sei damit schon in einem oder in anderthalb Jahren zu rechnen.57 Das Außenministerium leitete diese Berichte kommentarlos an das Präsidium des Reichsbankenkonsortiums weiter. Die Kritik erreichte nun auch die deutsche Presse. So monierte die Zeitung „Der Deutsche Ökonomist“ im März 1892, die Nationalbank für Deutschland hätte die Sicherheiten für die von ihr emittierte Anleihe viel gründlicher prüfen müssen, zumal das Londoner Bankhaus Hambros von seiner Option auf den zweiten Teil zurückgetreten sei. Der griechische Bankrott sei fast unausweichlich, was die Anleger aber hätten ahnen können: „Als eine preussische Prinzessin nach Griechenland heirathete, haben viele Capitalisten darauf hin griechische Papiere gekauft; wer sich bei Capitalanlage von solchen Motiven leiten lässt, darf sich über die Folgen nicht beklagen, wenngleich hierdurch der schwere Vorwurf nicht gemildert werden kann, welcher die Emittenten griechischer Papiere trifft“.58

3. D Z   I F Die deutsche Gesandtschaft lag mit ihrer Prognose sehr richtig: Im Dezember 1893 mußte Trikoupis den Bankrott verkünden. Auch eine letzte, vom Bankhaus Hambros in London im Mai 1893 emittierte Anleihe in Höhe von 100 Mio. Franc zu einem Zinsfuß von fünf Prozent hatte diese Entwicklung nicht mehr aufhalten können. Verschiedene Faktoren hatten dazu beigetragen: Griechenland hatte es auch in den blühenden 1880er Jahren nicht geschafft, seine Außenhandelsbilanz auszugleichen: Noch immer mußte man mehr Lebensmittel, Energieträger und Textilien importieren, als der Export an landwirtschaftlichen Produkten einbrachte. Zu Beginn der 1890er Jahre begann dann eine internationale Handels- und Wirtschaftskrise, die auch vor Hellas nicht haltmachte. Besonders hart traf es das Land, daß der Weltmarktpreis für Korinthen, die in diesem Zeitraum circa 40 Prozent des griechischen Gesamtexportes ausmachten, im Jahr 1893 auf ein Sechstel des Vorjahrespreises einbrach: In Frankreich hatte die Regierung prohibitive Zölle auf den Import von Rosinen erlassen, um die eigene, inzwischen nachgewachsene Produktion zu schützen. Hinzu kam die Konkurrenz von der kleinasiatischen Küste und aus Kalifornien.59 Alle internationalen Gläubiger verlangten vehement die Rückzahlung ihres Kapitals und zeigten sich schockiert über die griechische Weigerung. Allerdings hatten sie kaum Mittel, ihre Schuldner zur Raison zu bringen: Die Bankiers und Anleger waren das Risiko auf eigene Verantwortung eingegangen, also mußten sie nun auch die Verluste tragen

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– so zumindest lautete die unnachgiebige Haltung des britischen und französischen Außenministeriums. Die deutschen Diplomaten dagegen lehnten eine Unterstützung der Gläubigerinteressen lange nicht so rigoros ab, sondern machten den deutschen Anlegern immer wieder Hoffnung auf eine vollständige Rückzahlung, die man durch diplomatischen Druck erreichen zu können glaubte. Die deutschen Anleger verweigerten sich deshalb standhaft den Kompromißvorschlägen von Trikoupis, der 30 oder 35 Prozent des Kapitals zurückzahlen wollte.60 In der Tat bekam die deutsche Regierung dann bald ein Druckmittel in die Hand: Im Jahr 1897 brach ein weiterer bewaffneter Konikt zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich aus, der innerhalb weniger Wochen einen überwältigenden türkischen Sieg brachte. Die Osmanen besetzten Thessalien – und waren nur gegen hohe Kriegsentschädigungen bereit, es wieder zu räumen. Das bankrotte Griechenland hatte gar keine andere Möglichkeit, als dieses Geld unter Garantie der Großmächte auf den internationalen Finanzmärkten zu erbitten. Dafür mußte es sich die Friedensbedingungen diktieren lassen.61 So wurde eine internationale Finanzkommission in Athen installiert, die Zugriff auf Staatseinnahmen in genau festgelegtem Umfang hatte, zum Beispiel auf die Steuern auf Salz, Zigarettenpapier, Streichhölzer und Spielkarten sowie auf die Zolleinnahmen auf Tabak und die Einfuhrzölle in Piräus. Diese Kommission, die sich aus den Botschaftern der Großmächte zusammensetzte, sorgte ziemlich erfolgreich für die Rückzahlung der griechischen Schulden.62 Nach verschiedenen Unterbrechungen während des Balkankrieges, des Ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise war die Kommission noch im Jahr 1941, als deutsche Truppen in Griechenland einmarschierten, mit der Eintreibung der griechischen Staatsschulden beschäftigt.

4. D Vß  M Die europäischen Investoren waren der ökonomisch plausiblen Argumentation, mit der die griechischen Regierungen insbesondere unter Charilaos Trikoupis die hohe Auslandsverschuldung begründet hatte, gefolgt und hatten Griechenland bereitwillig die nanziellen Mittel zur Verwirklichung seiner politischen und ökonomischen Pläne bereitgestellt. Für ausländische Kapitalgeber wirkte Trikoupis’ Begründung durchaus überzeugend: Das Geld wurde nach der ofziellen Lesart zur Finanzierung der Gebietszugewinne vom Osmanischen Reich, zur Wiederherstellung der Konvertibilität der Währung, zur Konvertierung alter Schulden in günstigere Formen und zum Ausbau der Infrastruktur

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des Landes benötigt. Die ausländischen Beobachter, auch die Diplomaten vor Ort, ließen sich nur allzu gerne auf die Semantik von Fortschritt und Rationalität ein, die der Ministerpräsident in voller Überzeugung einsetzte. Die international erfahrenen Bankiers müssen sich des hohen Risikos ihrer Investitionen in griechische Staatsanleihen wohl bewußt gewesen sein – im Gegensatz vielleicht zu manchem Kleinanleger, der sich aus Unwissenheit in Hellas verspekulierte. Die hohen Gewinne bei der Emission der Wertpapiere spielten für die Bankiers sicher eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, diese Risiken einzugehen, ebenso wie die Hoffnung auf eine rasche und protable Industrialisierung des Landes an der europäischen Peripherie. Hinzu kam im deutschen Fall die beständige Werbung, möglicherweise sogar ein gewisser Druck von Seiten der Diplomatie, sich in Griechenland zu engagieren, um die Auftragslage für die deutsche Wirtschaft dort zu verbessern. Als sich nach dem Bankrott ein Verlust der investierten Gelder abzeichnete, waren das Entsetzen und die Empörung der Investoren trotzdem groß. Die Finanziers in Deutschland hatten schließlich Erfolg mit ihrem Versuch, die politischen Entscheidungsträger zur Intervention zu ihren Gunsten zu überreden. Die grundsätzliche Problematik der Anleihen auf griechischer Seite bestand darin, daß der größte Teil des Geldes de facto nicht für die so attraktiven Modernisierungszwecke verwendet wurde, sondern für unproduktive Rüstungsausgaben, zu denen sich die Hellenen durch den Traum von der „Großen Idee“ hinreißen ließen. In der Wirtschaftskrise zu Beginn der 1890er Jahre zeigte sich dann, daß Griechenland, dessen Außenhandelsbilanz negativ geblieben war, eine Verminderung seiner Einnahmen nicht verkraften konnte. Der immer wieder propagierte ausgeglichene griechische Staatshaushalt erwies sich als labiles Konstrukt ohne Widerstandskräfte. Das Land hatte in den nächsten Jahrzehnten einen hohen Preis für seine Fehlkalkulationen zu zahlen. Die ausländischen Gläubiger dagegen, die die Lage der Volkswirtschaft viel zu positiv eingeschätzt hatten, kamen ab 1898 wieder voll in den Genuß ihres Kapitals und ihrer Zinsen.

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Alexander Will Tyrannen, Verschwender und Spekulanten: Verschuldung und Bankrott des Osmanischen Reiches ¨ ffentlichen Meinung (1856-1882) in der o „Tatsächlich ist die Staatsverschuldung der Schalthebel aller Wunder unseres Zeitalters“.1 Diese Worte schrieb im Jahre 1862 der osmanische Großwesir Fuad Pascha2 seinem Herren, Sultan Abdulaziz II. An sie schloß sich eine umfangreiche Analyse der nanziellen Mißstände im Reich an, die dem neuen Sultan – Abdulaziz hatte erst im Sommer 1861 den Thron bestiegen – die ernste Lage seines Landes bewußt machen sollte. Fuad Pascha konstatierte nämlich ein jährliches Dezit von 1.574.536 Türkischen Pfund (Ltq.) bei Einnahmen von nur 11.164.552 Ltq.3 Die Verwaltung sei nicht in der Lage gewesen, alle nanziellen Verpichtungen des Reiches zu erfüllen, und man habe daher zukünftige Steuereinnahmen beleihen sowie Zuucht zur Ausgabe von wertlosem Papiergeld nehmen müssen.4 Zum gleichen Zeitpunkt bescheinigte die in London erscheinende Zeitung The Daily News in einer mehrteiligen Serie über „Turkish Finance“ dem Osmanischen Reich ernste nanzielle Probleme und konstatierte mit Blick auf die zurückliegenden Jahre, daß die Türkei „rasant auf den Bankrott zustürzte“.5

1. D  W   K Im Jahre 1862 entging das Osmanische Reich zwar noch einmal dem Staatsbankrott. Doch die Situation war bereits außer Kontrolle geraten, und so stellte die osmanische Regierung tatsächlich im Jahre 1876 den Schuldendienst ein. Angesichts dieser Entwicklungen läßt nun Fuad Paschas fast schon hymnisch-positive Bewertung staatlicher Verschuldung aufhorchen. Es ergeben sich daraus Fragen, die in der Forschung so noch kaum gestellt worden sind.6 Diese betreffen sowohl den Kreditnehmer, das Osmanische Reich, als auch die Kreditgeber – Banken, Finanziers und Anleger aus den europäischen Staaten, insbesondere aus Großbritannien. Zunächst liegt die Frage nahe, wie im Osmanischen Reich selbst die zunehmende Verschuldung des Staates gesehen und wie

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die galoppierende Verschuldung bewertet wurde, zudem, welche Lösungsansätze die Öffentlichkeit diskutierte. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei den Wahrnehmungen der osmanischen Schulden durch die Kreditgeber gelten. Wie sahen sie ein Land, das sich scheinbar hemmungslos verschuldete, alte Kredite mit neuen Schulden ablöste und sich Schritt für Schritt auf einen Staatsbankrott zu bewegte? Wie bewertete die im Folgenden durch die Presse verkörperte Öffentlichkeit das Handeln von Investoren, die trotz vieler Informationen über wirtschaftliche und skalische Mißstände der Pforte immer neue Anleihen abkauften? Wie wurde die Einigung zwischen dem Osmanischen Reich und seinen Gläubigern nach dem Staatsbankrott in der Öffentlichkeit der Geberländer betrachtet? Gab es in dieser Wahrnehmung und Bewertung Besonderheiten, die mit dem islamischen Charakter des osmanischen Staates zusammenhingen? Und welche moralischen Ansprüche stellte die Öffentlichkeit an Schuldner wie Gläubiger? Bei der Beantwortung dieser Fragen wird der Schwerpunkt auf dem Vereinigten Königreich liegen. Das hat seinen guten Grund: Britische Finanzhäuser waren bis weit in die 1860er Jahre hinein der größte Kreditgeber der Osmanen, und auch danach blieb der Finanzstandort London noch vor Paris der wichtigste Markt für türkische Staatsanleihen. Darüber hinaus hatte das Empire überragende politische Interessen im Osmanischen Reich. Frankreich dagegen war nach dem verlorenen Krieg von 1870/1871 vorerst als Spieler im Vorderen Orient ausgeschieden, Deutschland begann erst in den späten 1880er Jahren eine aktive Orientpolitik zu betreiben. In Großbritannien gab es außerdem eine freie, vielfältige und einußreiche Presse. Die folgende Darstellung wird sich also im Wesentlichen auf Artikel großer nationaler und regionaler Zeitungen Großbritanniens stützen.7 Zunächst sei jedoch der Weg des Osmanischen Reiches in den Staatsbankrott skizziert, läßt dieser doch an Dramatik nichts zu wünschen übrig. Auslandsanleihen waren im Osmanischen Reich bis zum Krimkrieg (1853-1856) unbekannt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es keine Staatsverschuldung gegeben hätte – ganz im Gegenteil. Der Staat nahm allerdings nicht, wie in Europa üblich, auf dem einheimischen Geldmarkt Kredite auf. Er verschaffte sich statt dessen mittels einer dem osmanischen Steuersystem eigentümlichen Methode Vorschüsse auf kommende Steuereinnahmen. Am Ende des 16. Jahrhunderts begann das klassische Lehnssystem auf dem Lande (timar -System),8 bei dem Soldaten als Gegenleistung für ihren Militärdienst die Einnahmen eines Landgutes erhielten, einem System der Steuerpacht zu weichen.9 Der Steuerpächter zahlte dabei dem Staat eine bestimmte Summe und erhielt im Ge-

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genzug dafür das Recht auf die Einnahmen aus einer Steuerquelle. Die wichtigsten Steuerquellen waren der Zehnt auf alle landwirtschaftlichen Produkte sowie die Viehsteuer. Die entsprechenden Verträge versteigerte der Staat. Im Jahre 1695 wurde das so genannte malikane-System eingeführt. Der Steuerpächter, nun oft eine Gruppe von Geschäftsleuten, erwarb damit das lebenslange Recht, eine Steuerquelle auszubeuten, und zahlte dafür zunächst eine größere Summe nach Vertragsabschluß und später jährlich erneut einen festgelegten Betrag.10 In der Forschung wird die Einführung des malikane-Systems als Beginn der langfristigen Verschuldung des osmanischen Staates betrachtet. Aus der reinen Steuerpacht, die bis 1918 existierte, entwickelte sich schließlich über das malikane-System eine weitere Form interner osmanischer Staatsverschuldung. Dazu wurden seit 1775 verschiedene Einnahmequellen in Anteile (esham) aufgeteilt. Diese Anteile wurden verkauft, der Erwerber erhielt im Gegenzug eine lebenslange jährliche Zahlung. Esham existierte bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts. Das System wurde schließlich von klassischen Staatsanleihen abgelöst.11 Die Steuerpacht war ein wesentlicher Grund des wirtschaftlichen Niedergangs des Osmanischen Reiches. Zunächst gerieten die Produzenten, also vor allem die Landwirte, unter immensen Druck. Die Steuerpächter verfolgten ja ausschließlich das Ziel, ihr eingesetztes Kapital zu vermehren. Besonders im Falle kurzfristiger Verträge griffen sie daher einerseits oftmals zu extralegalen Mitteln, um das einzutreiben, was ihnen zustand, bisweilen auch mehr. Andererseits war die Steuerlast der ländlichen Bevölkerung bereits von Hause aus so gewaltig, daß es vielen Bauern selbst bei bestem Willen nicht möglich war, die Forderungen zu erfüllen.12 Die Folge war der Niedergang ganzer agrarisch geprägter Landstriche durch Einschränkung der Produktion und Landucht.13 Noch im Jahr 1918 beklagte der Deutsche Franz Carl Endres in einer damals weit verbreiteten Landeskunde der Türkei diese Auswüchse des Steuerpacht-Systems, die allen Reformversuchen widerstanden hätten.14 Unter welch existenzbedrohendem Druck der anatolische Kleinbauer im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts stand, geht aus der Berechnung des britischen Konsuls in Smyrna hervor. W. Gifford Palgrave hatte bereits für das Jahr 1869 kalkuliert, daß einer gewöhnlichen Bauernfamilie an der anatolischen Küste in einem normalen Jahr nach Abzug aller lebensnotwendigen Ausgaben rund ein britisches Pfund an Überschuß verbleibe, die Steuersumme für ein Jahr aber etwa zwei britische Pfund betrage. Als Resultat sei eine Bauernfamilie dieser Region in der Regel mit der dreifachen Summe ihres Jahreseinkommens verschuldet.15

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Dem Staat gelang es trotz verschiedener Versuche, das System zu reformieren, nicht, seine Einnahmen substantiell zu erhöhen.16 Es handelte sich bei der Steuerpacht ja um verdeckte Staatsverschuldung. Am deutlichsten ist dies am Beispiel der esham zu erkennen. Die Verschuldung auf diese Weise erfolgte nun aber zu ganz außergewöhnlich hohen Kosten. Pamuk berechnete auf der Basis von Daten der eshamAuktionen, daß der Zins, zu dem der osmanische Staat bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts so Geld leihen konnte, gewöhnlich zwischen 12 und 15 Prozent lag. In Zeiten ökonomischer und politischer Instabilität mußte die Pforte gar bis zu 20 Prozent zahlen.17 Darüber hinaus war die Zentralregierung zur Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend nicht mehr in der Lage, die Steuerpächter in den Provinzen zu pünktlichen Zahlungen zu bewegen. Alle diese Mißstände waren in ganz Europa bekannt.18 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich die nanzielle Lage des osmanischen Staates bedenklich zugespitzt. Ursachen waren innere Unruhen wie etwa der Zweite Serbische Aufstand (1815-1817) und die Sezession ganzer Landesteile – Griechenland wurde im Jahre 1832 ein unabhängiges Königreich – sowie mehrere verlorene Kriege. Um dieser nanziellen Herausforderungen Herr zu werden, griff die osmanische Regierung zu einem ebenso naheliegenden wie verheerenden Werkzeug: zu galoppierender Ination. Im Jahre 1808 hatte die osmanische StandardSilbermünze (kurush) einen Silbergehalt von 5,9 Gramm. Dieser sank bis zum Jahre 1844 auf ein Gramm. Damit einher gingen ein dramatischer Verfall des Wechselkurses und ein ebenso scharfer Anstieg der Preise im Osmanischen Reich.19 Der Vorteil dieser Inationspolitik lag auf der Hand. Der Staat konnte aus weniger Silber mehr Münzen prägen, um damit seinen nanziellen Verpichtungen nachzukommen, darunter vor allem der Besoldung von Beamten und Ofzieren. Zudem wurden die alten Münzen mit einem hohen Silbergehalt aus dem Verkehr gezogen und in einem verschlechterten Münzfuß erneut ausgeprägt. Steuern und Abgaben begannen nun aber ebenfalls in verschlechterter Münze an den Staat zurückzuießen. Zudem stiegen in dem Moment, in dem die Münzverschlechterung bemerkt wurde, die Preise stark an. Es geschah, was der Engländer Thomas Gresham bereits im 16. Jahrhundert beobachtet hatte: Das schlechte neue Geld verdrängte das gute alte Geld. Während ersteres für Transaktionen verwendet wurde, horteten Spekulanten ältere Münzen als Wertaufbewahrungsmittel. Darüber hinaus verwandelte die Verschlechterung der osmanischen Münze das Währungssystem des Landes in ein Chaos. Münzen verschiedenen Silber- und Goldgehaltes, aber gleichen Nominalwertes waren nebeneinander im Umlauf, so daß aufwendige Umrechnungen notwendig wurden.20 Die Regierung hatte auch Papiergeld ausgegeben, das schon

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während des Krimkrieges nur noch mit Abschlägen von bis zu fünfzig Prozent akzeptiert wurde. Spätere Experimente mit Papiergeld endeten ähnlich verheerend.21 Diese Mißstände des Währungssystems bildeten ein ernstes Hindernis für den Handel, der sich ab den 1840er Jahren intensivierte.22 In britischen Zeitungen galten in den 1850er Jahren so auch das Chaos im Münzwesen und die galoppierende Ination als deutlichste Symptome der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Osmanischen Reiches.23 Zwei Jahreszahlen stehen nun für einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der osmanischen Finanz- und Wirtschaftspolitik – 1839 und 1853. Am 03. November 1839 unterzeichnete der neue Sultan Abdulmecid I. das Reform-Edikt von Gülhane. Es begann damit die so genannte Tanzimat24 -Zeit in der osmanischen Geschichte, in der oktroyierte Reformen das Reich nach europäischem Vorbild verändern sollten und das Land europäischem Einuß öffneten. In erster Linie betraf das Armee, Verwaltung und Justiz, jedoch stand auch die Industrialisierung des Landes nach britischem Vorbild auf der Agenda. Die entsprechenden Projekte – der Aufbau von Manufakturen, nanziert vom Staat – scheiterten allerdings allesamt innerhalb kürzester Zeit und vergrößerten die Staatsschuld des Reiches enorm.25 Gleichzeitig gelang es jedoch, das Währungssystem weitgehend zu reformieren und die Währung zu stabilisieren.26 Der Krimkrieg (18531856) aber überforderte die Staatsnanzen der Türkei endgültig. Zum ersten Mal in seiner Geschichte – ein bemerkenswerter Bruch mit einer jahrhundertealten Tradition – nahm das Osmanische Reich 1854 einen Kredit im Ausland auf. Ein weiterer folgte bereits 1855. Beide Anleihen hatten außerordentlich günstige Bedingungen: So lag der Nominalzins etwa bei nur sechs beziehungsweise vier Prozent. Im Vergleich zu den oben erwähnten Zinslasten der internen Schuld mußten diese Bedingungen der osmanischen Regierung als regelrecht paradiesisch erscheinen. In der Tat wirkten sie wie ein süßes Gift, das letztlich in die Abhängigkeit führte. Bis ins Jahr 1875, das Jahr des Staatsbankrottes, folgten in schneller Folge vierzehn weitere Anleihen mit einem Nominalkapital von über 274 Mio. Britischen Pfund, die in Paris und London auf dem Markt kamen.27 Mit jedem Kredit verschlechterten sich die Konditionen, mit jeder erfolgreich plazierten Anleihe geriet das Reich tiefer in den Schuldenstrudel. Zuletzt hatten sich Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 200 Mio. Britischen Pfund angesammelt.28 Der osmanische Staatsbankrott kam dann in zwei Stufen. Zunächst erklärte Groswesir Mahamud Nedim Pascha 1875, daß die Staatsanleihen für fünf Jahre nur noch zur

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Hälfte bedient würden. Im März 1876 mußte das Reich die meisten Zahlungen schließlich komplett einstellen.29 Nach langwierigen Verhandlungen übergab die osmanische Regierung im Dezember 1881 dann der europäisch kontrollierten Osmanischen Schuldenverwaltung (engl. OPDA, Ottoman Public Debt Administration, frz. Dette Publique) mehrere Steuerquellen, die etwa einem Fünftel der jährlichen Steuereinnahmen des Landes entsprachen. Die OPDA verwendete den Großteil der Einnahmen zur Liquidierung der Schulden. Im Gegenzug verzichteten die Gläubiger auf rund 47 Prozent ihrer Forderungen.30 Im internationalen Vergleich erreichte die Pforte damit ein außerordentlich gutes Abkommen: Zwischen 1871 und 1925 gab es nach Staatsbankrotten weltweit 23 ähnliche Vereinbarungen zwischen Staaten und privaten Gläubigern. Die durchschnittliche Minderung der dabei ausstehenden Forderungen betrug nur etwas mehr als 23 Prozent.31 Zudem oß aus den Einnahmen der OPDA sogar noch Kapital zurück an die Pforte.

2. O S: V  L  S  L  A Die Sicht der osmanischen Eliten auf die Verschuldung des Staates war geprägt durch den jahrhundertelang relativ stabilen Charakter eines bürokratischen und landwirtschaftlich geprägten Reiches.32 Die ökonomischen Institutionen sowie die Wirtschafts- und Finanzpolitik sind nach Pamuk zentralistisch im Interesse der Bürokratie – und man muß hier unbedingt ergänzen: auch des Militärs – geformt worden.33 Das Interesse dieser sowohl politisch wie auch zahlenmäßig starken Gruppen lag nun aber vor allem darin, die Alimentationsfähigkeit des Staates und des ihn verkörpernden Sultans zu erhalten. Der Staat war schließlich ihre Machtbasis gegenüber Bauern, Handwerkern und Kaufleuten; von jenem bezogen sie den Großteil ihrer Einkünfte. Umgekehrt mußte der Staat durch regelmäßige Besoldung dafür sorgen, daß diese Stützen der Macht – Bürokratie und Militär – loyal blieben. Versagte der Staat hier, waren Rebellionen und Revolutionen die Folge.34 Diese Zusammenhänge dürften den Reformern der Tanzimat-Ära sehr bewußt gewesen sein. Hier ist auch Fuad Paschas Analyse der nanziellen Mißstände des Reiches von 1862 einzuordnen. Für ihn ging es schlicht darum, das reibungslose Funktionieren der Staatsmaschine durch reichliche Schmierung mit Gold zu sichern. Das Osmanische Reich – der kranke Mann Europas? Das gab Fuad Pascha zu. Es gab seiner Meinung nach aber ein probates Mittel gegen die-

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se Krankheit: Geld, viel Geld.35 Da dieses Geld aber aus eigenen Quellen nicht zu holen war, liehen es die Politiker der Tanzimat-Zeit in großen Mengen auf den europäischen Finanzmärkten. Staatsverschuldung sahen diese Politiker also als Mittel, den Staat zu erhalten und dem Reich im Konzert der Mächte wieder Glanz zu verschaffen. Dabei war sich zumindest ein Mann wie Fuad Pascha bewußt, daß der Staat mit der Aufnahme von Krediten unbedingt zu erfüllende Verbindlichkeiten eingegangen war. Sein bereits erwähntes Wort vom Kredit als „Schalthebel aller Wunder unseres Zeitalter“36 erweiterte er nämlich in diesem Sinne: Kredit sei an Konditionen gebunden, erstens „die Verwendung des öffentlichen Geldes für Dinge, die dem Staate nützlich sind, und zweitens die getreuliche Erfüllung aller eingegangenen Verpichtungen“.37 In der Tat hielt sich das Osmanische Reich strikt an die zweite Bedingung – bis der Staatsbankrott 1875 unabwendbar wurde. Über die Verwendung der aufgenommenen Kredite gingen die Wahrnehmungen der osmanischen Empfänger und der europäischen Kreditgeber hingegen auseinander. Wie unten gezeigt werden wird, kritisierten die Europäer häug den in ihren Augen verschwenderischen Umgang mit Geld. Die Osmanen selbst argumentieren anders. In der Londoner Times vom 06. Juli 1875, also wenige Monate vor dem Staatsbankrott, erschien ein namentlich gekennzeichneter Leserbrief eines osmanischen Ofziers, der angesichts der schwindenden Kreditwürdigkeit seines Landes gegen solche Vorwürfe argumentierte.38 Zunächst bedauerte Oberst Ahmed Rahmi, daß sein Land überhaupt genötigt war, Auslandsanleihen aufzunehmen. Diese seien nie Bestandteile der klassischen osmanischen Politik gewesen, allerdings habe die schiere Not sein Land dazu gezwungen. Das auf diese Weise in die Kasse der Regierung geossene Kapital sei ausschließlich nutzbringend für das Land eingesetzt worden. Rahmi zählte dann neben der Sanierung des Münzwesens eine ganze Reihe solcher Verwendungszwecke auf, die man heute allerdings samt und sonders als konsumtiv bezeichnen würde: Das Osmanische Reich investierte vor allem in die Modernisierung der Armee, bis hin zum Kauf der neuesten Krupp-Kanonen.39 Ahmed Rahmi – als Oberst ein Angehöriger der militärischbürokratischen Elite – argumentierte also letztlich ganz im Sinne der oben skizzierten Charakteristik des osmanischen Staates: So lange Militär und Bürokratie funktionierten und gut ausgestattet wären, könnten die Erträge der Anleihen gar nicht falsch verwendet worden sein. Daß alle diese Errungenschaften keinerlei Ertrag, keinerlei wirtschaftlichen Nutzen abwarfen, kam ihm ob seiner Sozialisierung als Militär nicht in den Sinn. Man kann davon ausgehen, daß dies durchaus repräsentativ für die Sicht der Dinge unter den staatstragenden Eliten gewesen

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ist. Es sei auch darauf hingewiesen, daß es im Osmanischen Reich im Grunde keine systematische und wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nationalökonomie gab. Diese Themen wurden gelegentlich in Denkschriften an den Sultan behandelt, eine wie auch immer geartete wissenschaftliche Diskussion existierte indes nicht.40 Der Staatsbankrott von 1875/1876 und die Tätigkeit der OPDA seit 1881 scheinen allerdings vor allem unter den sich langsam europäisierenden intellektuellen Eliten zu einer Differenzierung der traditionellen Sicht geführt zu haben. Wenn also Franz Carl Endres in seinem Türkei-Handbuch den bedeutenden jungtürkischen Schriftsteller Jalal Nuri mit den Worten zitierte: „Werdet reich! Wenn ihr kein Kapital erzeugt, wird alle Mühe um die Stärkung der türkischen Finanzen erfolglos endigen. Dann werdet ihr keine Schulen gründen können und ihr werdet euch die Möglichkeit nehmen, das geistige Niveau des Volkes zu heben“,41 so bedeutete dies einen tiefgreifenden Wandel in der Wahrnehmung von Staatsschulden. Mit „Kapital erzeugen“ meinte Nuri, daß die eigenen Ressourcen des Osmanischen Reichs Quellen staatlicher Finanzierung sein müßten. Ahmed Rahmi lehnte Auslandsanleihen einzig aus Gründen der Tradition ab, Nuri hingegen hielt Eigeninitiative und die Aktivierung des heimischen Wirtschaftspotentials für den einzigen Ausweg aus dem osmanischen Desaster. Allerdings bestand der entscheidende Unterschied nicht in der Einschätzung der Sache, sondern vielmehr in der Wahl der Begründungsweise: Während der Oberst auf den Staat und seine Aktivitäten setzte, sah der Publizist den Gewerbeeiß des Einzelnen als Grundvoraussetzung wirtschaftlicher und nanzieller Prosperität des Einzelnen, der Gesellschaft und damit letztlich auch des Staates an. Bevor allerdings dieser selbst erkämpfte wirtschaftliche Aufstieg aus dem Sumpf der Verschuldung Wirklichkeit werden konnte, begannen die fremden Gläubiger mittels der OPDA, die osmanischen Schulden zu liquidieren. Die Schuldenlast als solche wurde dabei von den Osmanen selbst nicht als besonders drückend empfunden, obwohl 25 bis 30 Prozent der Staatsausgaben für den Schuldendienst aufgebracht werden mußten42 – der durch die Einigung mit den Gläubigern und die Tätigkeit der OPDA eingetretene Souveränitätsverlust hingegen schon. Die Einigung mit den Gläubigern hatte zunächst zur Folge, daß das Reich auf den Finanzmärkten nicht mehr als „bankrott“ galt, es also – wenn auch begrenzt – Möglichkeiten zur Kreditaufnahme gab.43 Darüber hinaus ossen gewisse Überschüsse aus den Einnahmen der OPDA zurück an den osmanischen Staat.44 Zudem blieb die Konstruktion der OPDA im vertrauten Rahmen osmanischer Finanztraditionen. Da ihr ja Steuerquellen zur Ausbeu-

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tung übergeben wurden, stellte die Organisation letztlich nichts anderes dar als eine bereits seit langem vertraute Steuerpächter-Gesellschaft mit mehreren Partnern. Der entscheidende Unterschied lag allein in der Tatsache, daß diese Partner nun Ausländer waren. Es dehnte sich der Aufgabenbereich der OPDA in den Jahren bis 1914 jedoch auch immer weiter aus. Die europäischen Mitglieder der OPDA agierten außerdem zunehmend nicht mehr allein im Interesse der Gläubiger, sondern begannen, politische Interessen ihrer Herkunftsländer zu vertreten.45 Diese Entwicklungen sowie bilaterale Verträge der Pforte mit europäischen Staaten machten es der osmanischen Regierung so gut wie unmöglich, ohne ausländische Zustimmung ihre Einnahmen zu erhöhen. Als Sultan Abdulhamid II. um die Jahrhundertwende versuchte, die Zolltarife zu verändern, bekam er den geballten Widerstand der Europäer zu spüren. Darüber beklagte er sich im Jahre 1901 massiv: „[Welch] entsetzliches Unrecht das ist! Die Europäer verweigern uns ein Recht, das sie sich untereinander wie selbstverständlich zugestehen.“ Er insistierte umso mehr: „Das ist unser gutes Recht. Niemand kann dagegen anreden. Trotzdem bestreiten die Botschafter es. Wir müssen vor Scham erröten, daß wir solchem Unrecht unterworfen worden sind“.46 Es waren schließlich auch die Erfahrungen solcher Demütigungen, die nach der Zerstörung des Osmanischen Reiches die Gründer der türkischen Republik dazu bewogen, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes unter weitgehendem Ausschluß ausländischen Einusses zu betreiben.47 Doch auch dieser Versuch autarken, schuldenfreien Wachstums scheiterte letztlich. Noch am Anfang der 1990er Jahre betrugen die Auslandsverbindlichkeiten der Türkei über 26 Mrd. US-Dollar, der Schuldendienst verschlang rund ein Drittel der Exporteinnahmen.48

3. E P: M  V So wie sich im Osmanischen Reich die Wahrnehmung staatlicher Verund Überschuldung veränderte, so geschah es auch in den Ländern der Gläubiger. Zunächst erschienen in einigen britischen Zeitungen Artikel mit durchaus positiver Haltung zu den osmanischen Anleihen. Das betraf erstaunlicherweise weniger rein nanzwirtschaftliche Belange, sondern bestand in einem Lob des zivilisatorischen Fortschritts, den die Integration des Osmanischen Reiches in die „europäische Familie“ durch internationale Anleihen mit sich bringen würde. So könne sich das Osmanische Reich weder von Europa und seinen zivilisatorischen Standards abkoppeln noch seine „massive nanzielle Verderbtheit“ weiterhin pegen.49

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Verschuldung eines rückständigen Staates – so mag man diese Haltung zusammenfassen – erschien geradezu als eine Voraussetzung für seine Modernisierung.50 In die gleiche Kerbe schlug noch zwei Jahre später die Times. Verschuldung würde das Osmanische Reich regelrecht dazu zwingen, seine Institutionen zu modernisieren.51 Die Times sah zu diesem Zeitpunkt für britische Finanziers im Osmanischen Reich ein protables Betätigungsfeld und beurteilte das politische Umfeld und die Aussicht auf Reformen durchaus positiv: Die Regierung benehme sich gut, die Bevölkerung sei überwiegend „eißig und gefügig“.52 Noch im Jahre 1862, anläßlich der Veröffentlichung des Berichtes Fuad Paschas an den Sultan, sah ein Autor dieses Blattes das Osmanische Reich auf einem guten Weg: Fuads Ansichten ergäben eine „sehr vernünftige Lehre“.53 Im April 1862 erschien gleich in mehreren britischen Zeitungen ein identischer Artikel, der anläßlich einer neuen osmanischen Anleihenemission noch einmal vehement die These vertrat, daß die Verschuldung des osmanischen Staates die Grundvoraussetzung für jegliche wirtschaftliche und politische Reform des Landes sei.54 Doch schon nach wenigen Jahren machte sich selbst unter den Anhängern der These von den durch Verschuldung erzwungenen Reformen Ernüchterung breit. Exemplarisch seien zwei Beispiele aus der eher osmanenfreundlichen Pall Mall Gazette angeführt. Noch immer vertraten die Autoren dieselbe Grundthese, nämlich den Nutzen der Staatsverschuldung für Reformen. In der Ausgabe vom 28. September 1865 allerdings konstatierte ein aus der Times übernommener Beitrag, daß es im Falle der Türkei wohl zu viel des Guten gewesen sei: Vor einem Jahrzehnt habe das Land noch keine Auslandsverschuldung aufgewiesen, „aber die Vertrautheit mit den Börsen Europas war für die Großwesire wie Feuerwasser für die Indianer“.55 Weitere zehn Jahre später, kurz vor dem Staatsbankrott, führten die Befürworter der osmanischen Staatsverschuldung dann nur noch Rückzugsgefechte. Die Realität hatte ihre Theorie von Reformen, die durch die Verschuldung erzwungen würden, ad absurdum geführt. In der Pall Mall Gazette vom 21. Juni 1875 konzedierte der Autor des Aufmachers zwar noch immer, daß ein derart rückständiges Land mit großem Entwicklungspotential prinzipiell gut beraten sei, in großem Umfang Kredite aufzunehmen. Das Osmanische Reich sei daran aber katastrophal gescheitert: Unverändert müsse das Land mit hohem Geldeinsatz seine wirtschaftlichen Möglichkeiten entwickeln. Weshalb aber solle man annehmen, so fragte der Artikel rhetorisch, daß die Pforte jetzt „weiser oder stärker ist, als sie es die lange Periode hindurch war, in der sie Jahr für Jahr ihre Geldverlegenheit vervielfacht hat?“56 Der Liverpool Mercury schließlich drehte den Spieß nach dem Bankrott der Pforte einfach

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um. Diese Pleite, hieß es dort am 11. Oktober 1875, sei ein Segen für das Land, denn sie verhindere, daß eine korrupte Regierung noch mehr Schulden anhäufe, und mache nun Reformen des Finanzwesens wirklich zu einer absoluten Notwendigkeit.57

4. „E ,     H“: B  M  B Während in der Presse des heutigen Deutschland sehr lange eine große Einmütigkeit über die Notwendigkeit neuer Kredite an quasi-bankrotte Staaten wie Griechenland herrschte und nur wenige Publikationen sich als Warner positionierten, verhielten sich die Dinge im Großbritannien des 19. Jahrhunderts umgekehrt. Die positive Sicht auf die osmanische Staatsverschuldung stellte nämlich eine absolute Minderheitenposition dar. Eine negative Einschätzung dominierte in der Presse, die sich im Wesentlichen auf vier Beobachtungen stützte: Im Osmanischen Reich herrsche erstens ein autokratisches System, dessen hervorstechendste Eigenschaft nanzielle Willkür sei. Zweitens sei die Verwaltung verrottet und betreibe Mißwirtschaft. Drittens würden die Kredite verschwendet. Die Schulden würden viertens nach einem Schneeballsystem bedient. Das Bild der verschiedenen osmanischen Sultane in der britischen Presse ist bestenfalls wenig schmeichelhaft zu nennen. Zum einen bezog sich das auf die persönlichen Eigenschaften der Monarchen, denen durch die Bank Dummheit, Grausamkeit und Verschwendungssucht nachgesagt wurden.58 Zum anderen konnten Journalisten, die sich in einer parlamentarischen Monarchie der Pressefreiheit erfreuten, im autokratischen Herrschaftssystem der Sultane nichts anderes als die Ursache der nanziellen Zerrüttung des Reiches erkennen. Das Freeman’s Journal bezeichnete so beispielsweise in einem aus dem Daily Telegraph im Dezember 1860 übernommenen Text den Sultan als unfähigen Tyrannen, der nichts weiter von Europa lernen könne als „die Kunst des Geldleihens“.59 Vielfach beklagt wurde die Zivilliste des Sultans, also der Umfang der Finanzmittel, der dem Haushalt des Monarchen zur Verfügung stand. Diese hatte einen Umfang zwischen viereinhalb und sieben Prozent der gesamten Staatsausgaben.60 Die nanzielle Willkür des Sultans machte die britische Öffentlichkeit mißtrauisch und provozierte die Frage, wie denn nun die auf den Finanzmärkten geliehenen Summen europäischen Geldes verwendet würden. Die Presse kritisierte über die gesamte Periode der galoppierenden osmanischen Verschuldung hinweg den verschwenderischen Umgang mit diesem Geld – und interpretierte diese Verschwendung letztlich als

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Hauptursache des Staatbankrotts von 1875/1876. Der laxe Umgang mit Geld wurde dabei allen osmanischen Regierungen angekreidet. Als typisch für Form und Inhalt dieser Kritik ist dabei ein Artikel aus der Pall Mall Gazette vom April 1873 zu betrachten. Er verwies darauf, daß die Sultane der „unüberlegten und kindischen Pracht orientalischer Potentanten gefrönt“ hätten. So sei Abdulmecids I. (gest. 1861) liebstes Spielzeug sein Harem gewesen, Palastbauten ohnehin, während der aktuelle Sultan Abdulaziz I. „männlichere“, das heißt militärische Spielzeuge nanziert habe. Das reiche von der Ausrüstung der Truppen bis hin zum Ersatz der im Schwarzen Meer versenkten, noch hölzernen Flotte durch teure Panzerschiffe der neuesten Bauart.61 Generell ließ die britische Presse das immer wieder von den Osmanen vorgebrachte Gegenargument nicht gelten, daß die Verschuldung des Reiches auf Kriege sowie interne Aufstände und die damit verbundenen Ausgaben zurückzuführen sei. In der Pall Mall Gazette vom 13. April 1874 war zu lesen, daß der Sultan seine „exzessiven Aufwendungen“ in Friedenszeiten getätigt habe. Der Autor fürchtete daher, „daß die Erklärung des Dezits allein in den kostspieligen Launen eines willkürlichen Monarchen zu nden ist sowie in der allgemeinen Vorherrschaft der Bestechlichkeit bei den Beamten aller Dienstränge“.62 Die korrupte, regelrecht verrottete Verwaltung des Osmanischen Reiches ist ein weiteres Bild, das die britische Presse im Zusammenhang mit der rapiden türkischen Verschuldung immer wieder zeichnete. Die Mißstände in der Verwaltung und die Unfähigkeit der Zentralmacht, diese zu mildern oder zu beseitigen, galten der öffentlichen Meinung als zentrale Ursache des Finanzdesasters. Bereits zu Zeiten der ersten osmanischen Anleihen warnten verschiedene Blätter, es sei von einer solchen Bürokratie nicht zu erwarten, daß sie die nutzbringende Verwendung der Kredite sicherstelle. Daher müßten die Geldgeber dies selbst tun.63 Stets kehrte in den verschiedenen Blättern die These wieder, daß die Verschuldung an sich nicht das zentrale Problem darstelle. Das Land habe große natürliche Ressourcen, die einfach nur entwickelt werden müßten. Dies verhinderten allerdings die korrupte Bürokratie und vor allem das verrottete Steuersystem.64 Das Bild der Öffentlichkeit von den nanziellen Zuständen im Osmanischen Reich dürfte aber noch viel verheerender gewesen sein, als es diese Zeitungsartikel nahe legen. Einen Hinweis darauf gibt ein Leserbrief aus der Daily News vom April 1862. Der mit „Godwin Smith“ unterzeichnende Autor sah in den reichen Ressourcen des Osmanischen Reiches keineswegs Chancen für eine zukünftige Entwicklung – vielmehr seien diese brachliegenden Reichtümer bloße Symptome ökonomischer Inkompetenz: „Wäre die Türkei ein armes Land, bliebe möglicherwei-

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se etwas Hoffnung für die Türken, weil der Fehler in diesem Falle nicht gänzlich der ihrige wäre“.65 Für Smith waren nicht nur die Verwaltung des Landes verkommen und die Beamten korrupt – er sprach dem Osmanischen Reich gar jegliche Staatlichkeit im europäischen Sinne ab: „Die Wurzel des Übels ist niederträchtige Wollust, die gänzlich die Existenz von solcher SelbstAufopferung, von solchem Gemeinsinn, von solchen Bestrebungen ausschließt, wie sie nötig sind, um eine Nation zu erneuern“. Dabei beließ es der Autor nicht, sondern urteilte pointiert: „Die Türkei ist keine Nation, sondern eine Horde – eine degenerierte, völlig verdorbene und schrumpfende Horde“ („a degenerated utterly corrupt, and dwindeling horde“).66 Im Gegensatz zu dieser vernichtenden Kritik gab es mitunter allerdings auch Variationen des Themas, die sogar so etwas wie Mitgefühl mit den Menschen transportierten, die gezwungen waren, unter diesen Verhältnissen zu leben. So schrieb der Northern Star im November 1880: „Der Sultan und sein Hofstaat leben in Luxus, das Volk in Armut, und die Beamten davon, was sie nur erhaschen können. Das einzige Gegenmittel, das die Türken suchen, ist eine Anleihe, und dieses Gegenmittel ist noch schlimmer als die Krankheit selbst. Tag für Tag wird das Land ärmer, und die enorme Schuld wächst an“.67 In der Zeit zwischen 1856 und 1876 galten die osmanischen Anleihen in der britischen Presse immer als hochspekulativ.68 Sie waren trotz der bekannten desolaten Verhältnisse im Land dennoch attraktiv für Investoren, gewährte die Pforte doch außergewöhnlich hohe Zinsen. Ebenfalls bekannt und viel diskutiert war darüber hinaus, daß Konstantinopel die Zinsen älterer Anleihen mit immer neuen Krediten bezahlte.69 Als die Pforte im Herbst 1873 eine neue Auslandsanleihe zu plazieren suchte, erschien ein äußerst hellsichtiger Artikel im Economist. Die Zeitschrift sagte den baldigen Bankrott des Osmanischen Reiches voraus und belegte diese Prognose mit Berechnungen, die auf umfangreichem Zahlenmaterial beruhten. Die Schlußfolgerung ließ wenig Gutes für die Pforte, aber auch für die Investoren erwarten: „Wenn die Gesetze der Arithmetik auch hier gelten, ist der Zusammenbruch eines Systems unaufhörlicher Kreditaufnahme zu hohen Zinsätzen, um alte Anleihen abzulösen, ebenso unvermeidlich wie die Tatsache, daß Wasser bergab ießt.“ Je länger sich die Katastrophe verzögere, desto heftiger werde der Bankrott und desto ausgedehnter der Ruin.70 In der Tat war es weniger als zwei Jahre später so weit. Sowohl die Osmanen als auch – und das wird häug übersehen – die Investoren zahlten einen hohen Preis, als das System der Zinszahlungen durch immer neue Kredite schließlich zusammenbrach.

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In den 1870er Jahren waren auch die Investoren in osmanische Anleihen in der Presse zunehmend in die Kritik geraten. Ihnen unterstellte man Gier. Sie seien schlicht von den hohen Zinsen der ansonsten unsicheren und spekulativen Papiere angelockt worden. In der Pall Mall Gazette wunderte sich am 05. April 1873 der Verfasser des Aufmachers, daß im Falle osmanischer Anleihen die Regeln, die jede Bank bei einem Kredit an einen Privatmann anwenden würde, keine Rolle spielten: Schließlich gäbe sich zum Beispiel ein Gläubiger, der einem Landbesitzer etwas liehe, „nicht im Traum mit dem bloßen Wissen zufrieden, daß das Grundstück des Schuldners ein gutes mit großen Entwicklungsmöglichkeiten sei“.71 Selbst der wirtschaftsfreundliche Economist schlug in diese Kerbe: Britische Geschäftsleute seien keine guten Finanzinvestoren, hieß es im Aufmacher-Text der Ausgabe vom 30. April 1870. Sie seien an höhere Gewinne als jene drei bis vier Prozent gewöhnt, die Staatsanleihen sicherer Herkunft erbrächten. Das verleite sie dazu, in Risikoanleihen wie eben die osmanischen zu investieren.72 Die Haltung der Investoren war in den Presse-Veröffentlichungen deutlich unterrepräsentiert. Das betraf insbesondere kleine Privatanleger. Einer von ihnen machte sich im Sommer 1878 in einem anonymen Leserbrief an das Freeman’s Journal Luft. Die Argumentation gleicht Schreiben, die während der griechischen Finanzkrise der Gegenwart veröffentlicht worden sind: Ein großer Teil der Investoren habe wenig über die Finanzmärkte gewußt, habe allerdings vernommen, daß die osmanische Regierung eine ehrliche sei, und darüber hinaus auf die Empfehlungen ihrer Börsenmakler gehört.73 Als der osmanische Crash schließlich zur Gewißheit geworden war, sah die britische Presse allerdings die Schuld ausschließlich in Konstantinopel. Der Bankrott wurde als erneuter Beweis für den Charakter des osmanischen Staates interpretiert, der seine Tyrannei nun sogar auf Europäer ausdehne. Ohne Konsultation mit den Gläubigern habe die Pforte ihre Entscheidung getroffen, und dieser willkürliche Umgang mit den Rechten der Gläubiger erhöhe die Schwere des Delikts noch, dessen sich die osmanische Regierung schuldig gemacht habe: „Der SULTAN und seine Paschas gehen mit den ausländischen Inhabern der türkischen Staatsanleihen so autokratisch um, als seien diese ihre eigenen Rayahs“ (gemeint sind die Angehörigen der niedrigsten sozialen Schicht im Osmanischen Reich).74 In das gleiche Horn stieß auch die Londoner Times,75 und ein Artikel der New York Times,76 der das negative osmanische Beispiel auf die US-Innenpolitik übertrug, zeigt, daß diese Ansicht auch international durchaus geteilt wurde. So einig sich die öffentliche Meinung in der Schuldzuweisung an die Osmanen war, so einig war sie sich auch in einem anderem Punkt: Ob-

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wohl die Inhaber der türkischen Schuldverschreibungen eine Intervention der britischen Regierung ausdrücklich forderten,77 sah die Mehrheit der Presse die Verluste der Investoren als deren Privatangelegenheit an. Diese Haltung blieb in der britischen Presse vom Bankrott im Jahre 1875 bis zur Einigung der Gläubiger mit der Pforte im Jahre 1881 bestimmend,78 die Begründungen variierten hingegen je nach Blatt. Der Liverpool Mercury sah zum Beispiel als einzige Möglichkeit, die Besitzer türkischer Anleihen vollständig zu befriedigen, einen Krieg der europäischen Mächte gegen das Osmanische Reich. Der aber liege nicht im Interesse Großbritanniens, das am Status quo im Orient interessiert sei.79 Offene Verachtung schlug den Besitzern türkischer Anleihen gar im Northern Echo entgegen. Hier wurde ihnen vorgeworfen, durch ihr Geld die Existenz eines tyrannischen Staates verlängert und die Unterdrückung nationaler Freiheitsbewegungen auf dem Balkan unterstützt zu haben. Wenn sie nun ihr Geld verlören, sei das Privatsache und eine Art gerechter Strafe dazu: Die Strippenzieher der Börsen in London und Paris realisierten nun ihren Fehler, die Herrschaft der Sultane gegen die nationalen Strömungen gestärkt zu haben. Breche das Reich in Stücke auseinander, „wird es ein Hauen und Stechen geben, in dem die Anleiheneigner kaum Entschädigung erhalten werden. Wir haben kein Mitleid mit ihnen. Ihre Sache war nie die Sache der Freiheit“.80 Der Economist schließlich bewertete die Zurückhaltung der britischen Regierung in den Verhandlungen der Gläubiger mit der Pforte kurz nach der Gründung der OPDA als außerordentlich glücklich. Jegliche Einußnahme wäre mit politischer Verantwortung einher gegangen, die in der Zukunft die Handlungsfähigkeit der britischen Regierung eingeschränkt hätte.81 In der Tat scheint sich in diesem Fall die in den Zeitungen manifestierte öffentliche Meinung politisch materialisiert zu haben. Entgegen den Wünschen der Gläubiger übte die britische Regierung während der Verhandlungen, die schließlich zur Gründung der OPDA führten, keinen entscheidenden Druck zu Gunsten der Anleihenbesitzer auf die Pforte aus.82 Ein geschlossenes Bild bot die britische Presse auch bei der Bewertung der Einigung zwischen dem osmanischen Staat und seinen Gläubigern: Die OPDA wurde unisono abgelehnt. Die Times bedachte entsprechende Anregungen der Pforte im Herbst 1880 mit blankem Spott.83 Der Economist verriß die Einigung gleich in vier verschiedenen Ausgaben. Zunächst habe die Pforte einen unmittelbaren Sieg errungen, die Gläubiger aber eine Niederlage.84 Darüber hinaus hätte sich den Osmanen durch die Einigung die Tür für neue Kredite geöffnet.85 Die AnleihenBesitzer hingegen hätten außer der Hoffnung auf eventuelle Tilgungen

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in der Zukunft und das Versprechen regelmäßiger – allerdings reduzierter – Zinszahlungen nichts erreicht. Die Zeitung empfahl, osmanische Anleihen unter keinen Umständen zu erwerben.86 Im Dezember erneuerte das Blatt diese Argumentation und unterstützte sie mit einem umfangreichen Zahlenwerk.87 Die Nachricht vom Beginn der Arbeit der OPDA im April 1882 kommentierte der Economist schließlich pessimistisch: An einen Erfolg des neuen Plans hätte man nur geglaubt, wenn er von einer umfassenden Reform der osmanischen Regierung begleitet gewesen wäre. Aber man sehe „noch immer kein Zeichen, daß die Pforte auch nur ansatzweise dazu bereit ist, ihr Haus in Ordnung zu bringen”.88

5. K  K: D O R   G Bleibt endlich die Frage zu klären, wie sich diese Bewertungen der Verschuldung des Osmanischen Reiches in die allgemeine Diskussion des Phänomens der Staatsschuld zur Mitte des 19. Jahrhunderts einordnen lassen. Auf den britischen Inseln entspannte sich bereits in der Frühen Neuzeit eine intensive Diskussion über das Thema, die auch eine Vielzahl theoretischer Schriften hervorbrachte.89 In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Pro und Contra staatlicher Verschuldung, die Bedingungen, unter denen sie gerechtfertig werden könne, und die Möglichkeit ihrer kompletten Abschaffung auch in der Presse regelmäßig erörtert.90 Für diese Zeit kristallisieren sich vier Punkte heraus, die immer wieder als Argumente für die Verschuldung des Staates vorgebracht worden sind. 1. Verschuldung strecke die nanzielle Bürde, die besondere Situationen, wie Kriege, mit sich brächten. 2. Da die Steuern in solchen Situationen ob der Kreditaufnahme nicht erhöht werden müßten, verkrüppelten die Produktivkräfte nicht. 3. Große Summen könnten schnell aufgebracht werden. 4. Staatsschulden zügelten Staaten, Kriege zu beginnen.91 Es sind drei weitere Punkte, die in dieser Zeit als Voraussetzungen für die Kreditaufnahme des Staates genannt wurden: Dies müsse erstens zu angemessenen (niedrigen) Zinsen geschehen. Zweitens dürfe es nur in Notlagen oder besonders schwierigen Zeiten erfolgen. Die aufgebrachten Summen müßten, drittens, produktiv eingesetzt werden.92 Negative Auswirkungen der Staatsverschuldungen stellten sich in vier Punkten dar: 1. Verschuldung verführe Regierungen zu Verschwendung. 2. Sie verlagere schwere Lasten in die Zukunft und belaste spätere Generationen. 3. Tendentiell steige die Steuerlast. 4. Der Lebensstandard insbesondere der ärmeren Schichten sinke.93 In der Abwägung aller Vor-

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und Nachteile erschien Staatsverschuldung damit letztlich als notwendiges Übel, das so schnell wie möglich beseitigt werden sollte.94 Vergleicht man nun diese Punkte mit der Wahrnehmung der osmanischen Staatsverschuldung, wird die negative, bisweilen fast zynische Kommentierung und Bewertung der Verhältnisse am Bosporus durch die Presse verständlich: Was dort geschah, widersprach den in Europa akzeptierten Bedingungen für eine „gute“ Staatsverschuldung: Die Zinsen waren enorm, die Kreditaufnahme beschränkte sich nicht nur auf Notzeiten, die Kreditsummen wurden unproduktiv eingesetzt. Das Steuersystem des Osmanischen Reiches lud zum Mißbrauch durch Beamte und Steuerpächter regelrecht ein, die ländliche Bevölkerung wurde ausgeplündert, und trotz der hohen Verschuldung war die Pforte ständig in Kriege verwickelt. Es war dies der Blick auf den Staat und sein Handeln, das im Falle der Türkei gegen die akzeptierten Regeln öffentlicher Kreditaufnahme verstieß. Wie nun sah es mit denjenigen aus, die das Geld gaben, denjenigen also, die in Anleihen investierten? Hier sei auf zwei bemerkenswerte Artikel aus dem Economist verwiesen, die – auf die Käufer osmanischer Anleihen angewandt – diese nicht als seriöse Investoren, sondern als windige Spekulanten erscheinen lassen, die sich ausschließlich von der Aussicht auf exorbitante Zinsen locken ließen.95 Unter der Überschrift „Die Gefahr von Darlehen an halbzivilisierte Länder“ („The Danger of Lending to Semi-Civilised Countries“)96 betonte der Autor zunächst die Unsicherheit, die das politische System eines solchen Landes mit sich bringe. Regierungswechsel könnten dazu führen, daß ältere Schulden nicht mehr bedient würden. Darüber hinaus tendiere eine autokratische Regierung immer zu Verschwendung, sie sei in der Regel nicht auf das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes bedacht, sondern sehe es nur als zu schröpfende Einnahmequelle. Der Artikel endet mit dem Satz: „Wir verleihen an Länder, deren Zustand wir nicht kennen und deren Mangel an Zivilisation wir nicht in Rechnung stellen, und deshalb verlieren wir unser Geld“.97 Nur neun Monate später erschien ein weiterer Artikel im gleichen Blatt, den man als Konkretisierung des vorherigen betrachten kann.98 Sein Kern bestand aus sechs Grundregeln, die, auf das Osmanische Reich angewandt, jegliches Investment in türkische Staatsanleihen vollkommen ausgeschlossen hätten.99 Zum Ende des Artikels postulierte schließlich der Economist dann nochmals deutlich, was unter einem „guten Investment“ im Unterschied zu übler Spekulation zu verstehen sei: „Wir schreiben für Investoren, nicht für Spekulanten. […] Immerhin gibt es viele gefestigte und sichere Staaten, denen man vollkommen vertrauen kann; damit sollte sich ein Investor begnügen. Der Zins mag

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zwar niedrig sein, aber das kann man nun einmal nicht ändern“.100 Wer hoch spekuliere, werde hoch verlieren. Die Käufer osmanischer Anleihen, die alle diese Regeln mißachtet hatten – sie wurden vor allem als Spekulanten wahrgenommen, die kein Mitleid verdient hätten. Für das Osmanische Reich war Verschuldung also keineswegs der Schalthebel für die Wunder der Moderne. Die Wahrnehmung am Bosporus veränderte sich von Fuad Paschas hymnischem Lob hin zu einer Sicht, die Staatsschulden als schlimme Last betrachtete. Im Bild der osmanischen Staatsschuld in Europa spiegelte sich letztlich die Wahrnehmung von Schulden: Wenn die Rückzahlung gesichert ist, wenn die Kreditsummen gut verwendet werden, dann können Anleihen der Entwicklung eines Landes dienen. Diesen Optimismus teilte allerdings nur eine Minderheit der durch die Presse verkörperten britischen Öffentlichkeit. Sehr schnell stellte sich Ernüchterung ein, und die osmanischen Schulden wurden als ein Symptom des „kranken Mannes“ am Bosporus gedeutet. Keine Rolle spielte in dieser Wahrnehmung der Islam. Zu keiner Zeit wurde dem Osmanischen Reich eine wie auch immer geartete Sonderrolle ob seiner vorwiegend islamischen Prägung zugewiesen. Die Kriterien für „gute“ oder „schlechte“ Verschuldung blieben immer rein ökonomische. Das Osmanische Reich wurde allerdings als „halbzivilisiert“ („semi-civilised“) wahrgenommen und stand damit in einer Reihe mit verschiedenen südamerikanischen Staaten und wohl auch mit Ländern wie Griechenland oder den jungen Balkanstaaten, die sich im 19. Jahrhundert ebenfalls durch nanzielle Mißwirtschaft auszeichneten. Bemerkenswert ist die Wahrnehmung der europäischen Geldgeber. Hier zeichnet sich das Bild von Spekulanten ab, die aus Gier osmanische Anleihen erwarben und letztlich an ihren Verlusten nach dem Staatsbankrott selbst schuld waren. Es mag auch dieses Bild in der Öffentlichkeit gewesen sein, das die britische Regierung abhielt, aktiver zu Gunsten der privaten Gläubiger des Osmanischen Reiches einzugreifen. Die öffentliche Meinung in Großbritannien hat diese Haltung der Regierung jedenfalls vehement unterstützt. Es ist diese Übereinstimmung von Regierungshandeln und öffentlicher Meinung, die sich besonders auffällig von den Verhältnissen im Europa der Gegenwart nach der jüngsten Griechenlandkrise abhebt.

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Michael Hochgeschwender Zwischen Wohlfahrtsstaat und nationaler Sicherheit: Die Geschichte der Staatsschulden in den USA Die Geschichte der amerikanischen öffentlichen Schulden als konsolidierte, nationale Staatsschulden begann mit einem Abendessen im Sommer 1790. Es handelte sich um das womöglich amerikanischste aller abendlichen Geschäftsessen, endete es doch in einem klassischen bargain, einem Sieg der rationalen Spekulation. Aber wie war es dazu gekommen, und welche langfristigen, heute noch wirksamen Folgen zeitigte dieses Treffen in der Sommerresidenz George Washingtons am Hudson River im Staate New York?1

1. D B  S  USA Die Revolution und der Unabhängigkeitskrieg von 1774 bis 1783 hatten die junge Republik politisch und nanziell in einen desolaten Zustand versetzt. An den Höfen Europas gingen viele Politiker bereits davon aus, daß die eben unabhängig gewordenen dreizehn Festlandskolonien Großbritanniens alsbald reumütig unter die wohlwollende Herrschaft ihres königlichen Souveräns aus dem Hause Hannover zurückkehren würden. Unter der vorläugen Verfassung, den Articles of Confederation von 1781, bestand keine halbwegs handlungsfähige, zentrale Bundesexekutive. Die USA waren ein lose gefügter Staatenbund, dessen Souveränität klar bei den konstituierenden Einzelstaaten lag. Eine bundesstaatliche oder gar nationalstaatliche Perspektive fehlte zur Gänze.2 Erst seit 1787 hatten sich die Einzelstaaten vor dem Hintergrund anhaltender Veteranen- und Bauernunruhen, darunter vor allem Shays’ Rebellion von 1786/1787 im ländlichen, westlichen Massachusetts,3 entschlossen, dem gesamtstaatlichen Gefüge, wenn auch zögerlich, einen bundesstaatlichen Anstrich zu geben. Freilich sollte erst der Bürgerkrieg in den 1860er Jahren den Weg in den Bundes- und Nationalstaat irreversibel machen. Mit der Verfassung von 1789, die dann im Jahre 1791 durch die Unterschrift der Gesandten aus Rhode Island endgültig von

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allen ehemaligen dreizehn Kolonien angenommen wurde, war aber ein entscheidender Schritt getan. An der nanziellen Krise der amerikanischen Republik änderte dieser Schritt indes erst einmal gar nichts. Im entscheidenden Jahr 1790 betrugen die mehrheitlich kriegsbedingten öffentlichen Schulden 79 Mio. US-Dollar, von denen rund zwei Drittel auf den Bund entelen, der in Gestalt der Kontinentalarmee die Hauptlast des Unabhängigkeitskrieges getragen hatte; der Rest lag bei den Einzelstaaten. Bis 1789 hatten die Articles of Confederation keine eigene Finanzpolitik der Bundesexekutive vorgesehen. Diese sollte von Zuschüssen der Staaten leben, die aber bestenfalls unregelmäßig eingingen. Um es kurz zu machen: Die Vereinigten Staaten von Amerika waren faktisch pleite. Das Gros der Schulden war durch einzel- und bundesstaatliche Anleihen gedeckt, die während des Krieges von patriotischen Amerikanern, darunter vielen Soldaten und ihren Familien, gezeichnet worden waren. Infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Frieden von Paris waren diese Anleihen jedoch mehrheitlich von einheimischen und einigen ausländischen Spekulanten aufgekauft worden. Vor diesem Hintergrund forderten viele Politiker, die sich später in der Demokratisch-Republikanischen Partei Thomas Jeffersons wiedernden sollten,4 die Anleihen zumindest der Spekulanten drastisch zu entwerten oder die Zahlungen ganz einzustellen. Fortan sollten die USA als tugendrepublikanischer Musterstaat der Zukunft auf weitere Staatsschulden verzichten und in konsequent hauswirtschaftlicher Manier sparsam wirtschaften, um Abhängigkeiten nach innen und außen ein für allemal einen Riegel vorzuschieben. Solche Ideale entsprangen einer bis in die Gegenwart wirksamen liberal-republikanischen Weltanschauung, die den Primat ländlich-kleinräumiger und individualistischer Gesellschaften vor einem abstrakten Markt predigte.5 Im Unterschied zu späteren sozialistischen Ideologien stand dabei das Privateigentum zwar nie zur Disposition. Jefferson und seine Anhänger wollten es aber auf das Maß agrarischer Kleinproduzenten, Kleinhändler und Kleinkonsumenten beschränken. Alles andere erschien ihnen als Gefahr für die individuelle Freiheit, Verantwortlichkeit und Tugendhaftigkeit in der republikanischen Gesellschaftsordnung. Seine soziale und kulturelle Basis hatte dieses Denken in der kleinteiligen Welt der Agrargebiete des damaligen Westens, also der bäuerlichen Parzellen in den gebirgigen Landschaften der Appalachees und Alleghenies, darüber hinaus bei urbanen Radikalen, etwa Handwerksgesellen und kleinen Kaufleuten.6 Dem entschieden vormodernen und antikapitalistischen Weltbild der Democratic Republicans stand das völlig anders geartete ökonomische Verständnis der bis 1800 regierenden Federalists diametral entge-

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gen.7 Diese Verfechter eines starken Bundestaates rekrutierten sich primär aus den Reihen der neuenglischen städtischen Elite aus Angehörigen von Finanzkapital, Großhandel und früher Industrie sowie aus Teilen der sklavenhaltenden Panzeroligarchie des Südens. Da ihre Anhänger in den bereits globalisierten nordatlantischen Handel, insbesondere das imperiale Wirtschaftssystem Großbritanniens einbezogen waren,8 konnten sie über die Kleinagrarierutopie der Democratic Republicans bestenfalls lächeln. Ihnen war es obendrein nicht vorrangig um die Frage der allgemeinen Freiheit aller (weißen) Männer zu tun, sondern um die Herrschaft einer leistungsfähigen und eben deswegen tugendhaften Elite. Eine umfassende, egalitäre Demokratie war ihnen ein Graus. Erst in den 1830er Jahren sollten sich diese Kreise mit der Fundamentaldemokratisierung der USA und dem allgemeinen Wahlrecht abnden9 – und selbst dann blieben für sie Klassengrenzen bedeutsamer als die von den Demokraten so einseitig präferierte Rassenlinie als Grundlage einer herrenvolk democracy.10 Wie die Democratic Republicans plädierten die Federalists für die absolute Heiligkeit des Privateigentums, aber eben nicht für eine lediglich kleinräumige face-to-face-society. Ihre Welt war großräumig, ja global. Sie stand unter der Herrschaft abstrakter Märkte, in denen lokalistische und parochiale Traditionen bestenfalls als Störfaktor wahrgenommen wurden. Gleichzeitig entwickelten sie ein komplett anderes Verhältnis zu Banken, Schulden und Finanzspekulation als ihre Gegner. Der führende strategische Kopf der Federalists auf wirtschafts- und nanzpolitischer Ebene war Alexander Hamilton, der sich als unehelicher Sohn einer armen Angestellten aus Westindien nicht zuletzt durch eine kluge Heirat in den Kreis der Finanzeliten Neuenglands emporgearbeitet hatte.11 Hamilton war ein typischer homo novus, der gerade als Sozialaufsteiger die Interessen der herrschenden Klassen verteidigte. Zugute kam ihm ebenfalls seine Tätigkeit als Adjutant des Oberkommandierenden der Kontinentalarmee im Unabhängigkeitskrieg, George Washington. Zwar hatten sich die beiden Männer persönlich nie sonderlich nahegestanden, aber seine frühere Position sicherte Hamilton just in den Krisenjahren der USA das Ohr des ersten Präsidenten der Republik. Gemeinsam war ihnen überdies die Neigung zur Spekulation. Washington hatte schon in den 1750er Jahren auf Boden im damals noch französischen Ohio-Tal spekuliert, Hamilton wiederum zählte zu den Vätern der allerersten Bank in New York, die er 1784 aus der Taufe gehoben hatte. Aber Hamilton verfügte nicht nur über Geschäftssinn, sondern auch über Visionen. Anders als den Democratic Republicans und selbst vielen Federalists war er der Überzeugung, daß kein Staat nach den Grundsät-

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zen eines Haushaltes geführt werden könne, ebensowenig wie ein Farmbetrieb oder ein anderes Unternehmen. Ohne Kredite, ohne Schulden, so argumentierte Hamilton, gäbe es keine Investitionen und ohne Investitionen keinen gesellschaftlichen Fortschritt, der sich ihm in erster Linie als industrieller Fortschritt darstellte. Ihm schwebte ein gesamtamerikanischer Wirtschaftsraum von Alaska bis Feuerland vor, in dem selbstredend den USA eine führende Rolle zukommen würde. Dabei handelte es sich nicht um unbegründete Träumereien. Bereits seit den 1750er Jahren hatten die nordamerikanischen Festlandskolonien Großbritanniens wirtschaftlich die einstmals wesentlich bedeutenderen karibischen Zuckerinseln überholt und befanden sich um 1770 dabei, in der Lebensqualität und im Wohlstand, teilweise sogar in der landwirtschaftlichen und Industrieproduktion das britische Mutterland zu hinter sich zu lassen.12 Nordamerika befand sich im späten 18. Jahrhundert keinesfalls in irgendeinem Wetterwinkel der Weltwirtschaft. Hamilton verstand dies deutlicher als sein Gegenspieler Jefferson, deutlicher vielleicht als die Mehrheit der Amerikaner. Aus genau diesem Grunde legte er dem Repräsentantenhaus im Jahre 1790 seinen „Report on Public Credit vor“. Darin führte er aus, wie wichtig nach Abschluß der Verfassungsreform eine Reform des Wirtschafts- und Finanzsystems der USA sein würde. Öffentliche, genauer: nationale Schulden, so Hamilton, seien kein Fluch und keine Schande, sondern ein Segen. Jedes Land habe, nicht zuletzt in Notzeiten, einen Geldbedarf, der nur über Schulden gedeckt werden könne. Dafür aber sei es unumgänglich, Altschulden zu konsolidieren und, allen Mühen zum Trotz, pünktlich und mit Zinsen zurückzuzahlen. Nur dann würde man zu günstigen Zinssätzen das neue Geld erhalten, das man zum Aufbau etwa einer leistungsfähigen Infrastruktur benötige. Auf deren Grundlage allein könne man Handel und Industrie entwickeln und zur allgemeinen Wohlfahrt des Landes beitragen. Mit seiner Schrift stellte sich Hamilton klar auf den Boden der neuesten, von Adam Smith 1776 formulierten Wirtschaftstheorien. Er wandte sich gegen statische merkantilistische und physiokratische Vorstellungen und bekannte sich zur Idee dynamisch wachsender Volkswirtschaften, wenn auch nicht notwendigerweise zum absoluten Freihandel. Die amerikanische Wirtschat sollte nach seinen Vorstellungen durchaus noch für längere Zeit durch Schutzzölle vor billigen britischen Importen geschützt werden. Um an frische Kredite zu kommen, schlug er die Ausgabe von bundesstaatlichen Government Bonds, die Einrichtung einer am Vorbild der Bank of England ausgerichteten Bank of the United States und schließlich die vollständige Übernahme aller nationalen und einzelstaatlichen Schulden durch die Bundesregierung vor. Auf diese

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Weise sollte der Ruf der USA als solventer, zuverlässiger Schuldner gestärkt werden. Zugleich sollten die neuen Kreditgeber im Sinne der liberalen Theorie gleichsam zu politischen Aktionären, also zu Miteigentümern des Staates werden, an dessen Gedeihen sie aufgrund dieser Beteiligung ein Interesse hätten. Damit würde der Spekulation gegen die USA ein Ende gesetzt werden. Hamiltons Vorschläge sorgten für einen politischen Orkan. Nicht allein die Democratic Republicans tobten erwartungsgemäß. Insbesondere gegen die Idee einer Nationalbank sollten sie noch annähernd ein Jahrhundert einen hartnäckigen Kampf führen. Dabei erwies sich Andrew Jackson (schließlich von 1829 bis 1837 US-Präsident) als würdiger, wenngleich zum Fanatismus neigender, bankenkritischer Nachfolger Jeffersons.13 Selbst ehemalige Verbündete Hamiltons, allen voran sein Koautor aus den „Federalist Papers“, James Madison, zeigten sich hochgradig irritiert. Sie störten sich an den zu erwartenden Gewinnen reiner Spekulanten, die patriotischen Soldaten der Kontinentalarmee ihre Anleihen zu Spottpreisen abgekauft hatten und nun zum vollen Nennwert der erworbenen Papiere ausgezahlt würden. Madison forderte, nur echten Patrioten den Nennwert auszuzahlen, Spekulanten aber nur einen Bruchteil davon. Im Zentrum müsse die civic virtue stehen, die bürgerliche Tugend. Darüber hinaus gelang es Madison, der von dem bekannten Aufklärer und Temperenzreformer Benjamin Rush aus Philadelphia unterstützt wurde, die Übernahme der Einzelstaatenschulden durch den Bund vorerst zu verhindern – mit dem Argument, daß nun die notwendige Souveränität der Einzelstaaten als Gegengewicht zu der von ihm durchaus gewünschten starken Zentralregierung geschwächt würde. Im strikten Gegensatz zu Jefferson sprach Madison sich also für einen Bundestaat aus, anders als Hamilton strebte er aber keinen zentralisierten Nationalstaat an. Zeitweilig gelang es dem Kreis um Madison, diesen letzten Punkt im Kongreß mehrheitsfähig zu machen. Hamilton hingegen begann ein Spiel nach der Devise: „Alles oder Nichts“ und wandte sich eilends an George Washington, der eine lang anhaltende Debatte so kurz nach der überaus difzilen Ratizierung der Verfassung in den Bundesstaaten und nach seiner Wahl zum Präsidenten unbedingt verhindern wollte. Durch diesen Konikt drohte die winzige politische Führungsschicht des jungen Staates handlungsunfähig zu werden. Hamilton malte sogar das Gespenst an die Wand, der Norden könne bei einem Scheitern der Reform die Union verlassen. Zwar verliefen die Koniktlinien nicht durchweg entlang der für das 19. Jahrhundert typischen Linie von Nord und Süd, da vor allem Panzeroligarchen aus South Carolina sich an den Finanzspekulationen in New York beteiligt hatten, aber das

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Gros des Finanzkapitals saß nun einmal in New York und den Neuenglandstaaten. Die Drohung mit der Spaltung der Union führte dann zum Durchbruch. Thomas Jefferson, eigentlich Hamiltons Intimfeind, war dermaßen geschockt, daß er Washingtons Idee aufgriff, Madison und Hamilton zu einem informellen Gipfeltreffen am Hudson River einzuladen. Im Verlauf des Dinners verknüpften die drei Politiker dann zwei anstehende Streitfragen zu einem Junktim, das den entscheidenden Kompromiß ermöglichte. Hamilton konnte gegen Madison sämtliche seiner drei Anliegen durchsetzen, selbst die Nationalisierung der Einzelstaatenschulden. Dafür erhielt Madison das Zugeständnis, die künftige Hauptstadt der Union werde eher im Süden, an der Grenze zu Virginia liegen, der Heimat vieler führender Politiker der Revolutionszeit, weit genug entfernt von den nordstaatlichen Zentren der Finanzspekulation. Auf diese Weise sollte der politische Betrieb der Bundeslegislative und -exekutive vor tugendwidrigen Einußnahmen gesichert werden – eine Idee, die langfristig gleichwohl nicht aufging. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Washington ein informell geregeltes System politischen Lobbyings. Am Ende war Alexander Hamilton, der Vertreter der Interessen des nordstaatlichen Finanzkapitals, zum Vater einer starken Bundesregierung und der amerikanischen nationalen Schulden geworden. Die USA konnten zu einem damals überaus günstigen Nominalzins von sechs Prozent Geld borgen und verschoben nur einen Teil der Tilgung um zehn Jahre.14 Von da an galten sie als perfekter Schuldner. Gleichzeitig wurde Hamilton zum Vater der Industrialisierung einer Republik, die von ihren Gründern eher als kleinagrarisches Staatswesen nach dem Vorbild der frühen römischen Republik gedacht gewesen war.

2. D 19. J: W-  S Im gesamten 19. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bildeten dann nicht mehr die Staatsschulden das zentrale nanzielle Problem der Vereinigten Staaten. Einnahmen, überwiegend aus Zöllen erwirtschaftet, und Ausgaben standen sich ziemlich gleichgewichtig gegenüber. Historiker haben allerdings inzwischen die Vorstellung, die USA seien ein reiner Nachtwächterstaat gewesen, als rückblickendes, idealisierendes Konstrukt der 1880er Jahre nachgewiesen. In den 1820er Jahren etwa, vor dem Hintergrund einer relativ kleinteiligen Wirtschaft, war der Bundesstaat der mit Abstand größte Arbeitgeber.15 Hamiltons Idee eines umfassenden Infrastruktur-

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programms beispielsweise wurde von Henry Clay aufgenommen.16 Der Staat baute Kanäle und Straßen, später begünstigte er die Entwicklung der Telegraphen- und Eisenbahnlinien. Drei Faktoren aber verhinderten bis in die 1930er Jahre eine tiefgreifende und langanhaltende Staatsverschuldung, obwohl es kaum Steuereinnahmen gab: Erstens nahmen die USA weder politisch noch militärisch den Status einer Weltmacht ein. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent existierten keine gleichwertigen militärischen Gegner, obwohl einige der Indianerkriege, insbesondere die Seminolenkriege vor dem Bürgerkrieg, vergleichsweise teuer und verlustreich werden konnten. Dennoch bewegte sich der Anteil der Rüstungsausgaben vor 1900 mit Ausnahme der Zeit des Bürgerkrieges stets unter einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Sogar in der Zeit der Flottenrüstung nach 1890 stieg er nur auf ein halbes Prozent. Im Bürgerkrieg belief sich der Anteil im Bereich der Union auf 18,6 Prozent, in der Konföderation auf 23,7 Prozent. Dies stellte dann auch die Phase der höchsten Staatsverschuldung vor dem Ersten Weltkrieg dar, die sich aber dank des selbst durch die Krisen nach 1873 und 1893 kaum gebremsten Wirtschaftswachstums nach dem Bürgerkrieg als ausgesprochen kurzfristiges Phänomen erwies.17 Überdies waren die meisten Gläubiger Amerikaner, Auslandskredite kamen mehrheitlich aus Großbritannien. In Anbetracht einer noch sehr ausgeprägten Sparkultur konnten die USA ihren wirtschaftlichen Aufschwung weitgehend aus eigener Kraft nanzieren. Abhängigkeiten vom Ausland wurden, sieht man von Großbritannien ab, weitgehend vermieden. Zu Schuldenkrisen kam es allerdings auf der Ebene der Einzelstaaten, die nach der nationalen Konsolidierung ihrer Altschulden nach 1790 wieder munter Kredite aufnahmen. In der Weltwirtschaftskrise von 1837 bis 1843, die sich an eine der vielen Börsen- und Bankenpaniken des 19. Jahrhunderts anschloß, mußten gleich drei Bundesstaaten ihre Zahlungen einstellen, in den Krisenjahren von 1873 bis 1884 waren es sogar zehn, von denen West Virginia bis 1919 wartete, ehe es seinen Schuldendienst wieder regelmäßig aufnahm.18 Der Unterschied zwischen dem Bund und den Einzelstaaten lag primär im zweiten Faktor begründet: Während in Krisenzeiten die Einzelstaaten durchaus mit der Übernahme von Sozialaufgaben, die ansonsten auf Gemeindeebene – beispielsweise Suppenküchen und ähnliches – durchgeführt wurden, belastet wurden, hatte der amerikanische Bundesstaat vor der Progressivistischen Ära (ab etwa 1890) keinerlei sozial- und wohlfahrtsstaatliche Aufgaben wahrzunehmen. Seine Ausgaben waren in aller Regel rein investiv und amortisierten sich relativ rasch. Alles andere überließ er subsidiären Organen.

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Der dritte Faktor war kaum minder wichtig: Der amerikanische Bundesstaat kam bis weit in die 1930er Jahre mit einer minimalen Bürokratie aus, Personalkosten schlugen kaum zu Buche. Neben einer relativ kleinen Armee, die überwiegend im Westen stationiert war und für die Sicherheit des Siedlerexpansion sorgte (kaum irgendwo war der Bund derart präsent wie ausgerechnet im „Wilden“ Westen), bestand die Bundesbürokratie mehrheitlich aus Angehörigen des U.S. Postal Service, der sich in Anbetracht seiner Gewinne an der Ostküste nicht nur selbst nanzieren konnte, sondern zudem in der Lage war, die Kommunikation im Westen über Subventionen mitzunanzieren.19 Angesichts dieser Situation kam die Unionsregierung mit vergleichsweise geringen Einnahmen und marginalen Schulden gut über die Runden, allerdings nur, solange die Einzelstaaten und Gemeinden, die karitativen Institutionen der Kirchen und der zahlreichen kirchenähnlichen Gemeinschaften sowie zivilgesellschaftliche philanthropische Verbände und Einrichtungen nicht mit den Folgen des gesellschaftlichen Wandels im Rahmen der Hochindustrialisierung überfordert und die USA noch nicht zur Weltmacht aufgestiegen waren. Dies bedeutete gleichwohl nicht, daß in nanzpolitischen Fragen allerorten eitel Sonnenschein geherrscht hätte, ganz im Gegenteil. Nach den inationären Tendenzen unmittelbar infolge der Revolution waren die USA im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einem Land mit chronisch knappem Geld geworden. Dies hing weniger mit dem Fehlen einer nationalen Zentralbank zusammen, nachdem Andrew Jackson die Second Bank of the United States in den 1830er Jahren zur Strecke gebracht hatte, sondern mit der engen Bindung des US-Dollar an den Goldstandard. Faktisch verfügten die USA, wie so viele Staaten des 19. Jahrhunderts, über eine Gold-Silber-Währung. Die beiden Metalle bestimmten in einem festgefügten Verhältnis zueinander den Wert auch des Papiergeldes, das von einzelnen lokalen Banken ausgegeben wurde. Auf der Ebene der Währungsdebatten wiederholten sich die Konikte um Hamiltons Schuldenprogramm im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auf der einen Seite standen ländliche Wählerschichten der Demokraten und Populisten, die im Interesse leichterer Kreditaufnahme und günstigerer Zinsen eine vorsichtige Inationierung der Währung durch Ausgabe von mehr Papiergeld (Greenbacker ) oder einen höheren Silberanteil verlangten. Auf der anderen Seite wollte eine Koalition aus urbanen Demokraten, Republikanern und Finanzkapital am Goldstandard und an einem harten US-Dollar festhalten.20 Letztere setzten sich in allen politischen Konikten durch. Wie schon 1790 überwog die Macht der großen Wirtschaftsinteressen jene der Verfechter einer egalitären Form von Demokratie.

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3. D S   S Im Laufe des 20. Jahrhunderts änderten sich die strukturellen Ausgangsbedingungen für den amerikanischen Bundesstaat und damit nahezu automatisch die Bedeutung der Staatsschulden. Alle drei oben genannten Faktoren waren daran beteiligt. Zum einen stiegen die USA ab 1898, nach dem Sieg über Spanien, zur Weltmacht auf. Mit den Philippinen, Guam, Puerto Rico und zeitweilig dem Protektorat über Kuba übernahmen sie zudem koloniale Verantwortung. Spätestens seit der Teilnahme am Ersten Weltkrieg spielten die USA, obwohl sie sich der Mitgliedschaft an dem von ihrem eigenen Präsidenten Woodrow Wilson initiierten Völkerbund mit republikanischer Mehrheit vehement widersetzten, eine nicht mehr rückgängig zu machende Rolle im internationalen Geschehen. Nach 1945 steigerte sich dies im Kalten Krieg noch einmal. Die USA waren zur atomaren Supermacht geworden. Einerseits protierte das Land von dieser Entwicklung, denn parallel stieg es zur größten Industrienation der Erde und nach 1917 zum größten Gläubigerland der Welt auf. Die Vereinigten Staaten lösten damit in beiden Hinsichten Großbritannien ab, dessen protable Freihandelsideologie sie kurzerhand gleich mitübernahmen. Keine andere Gesellschaft verfügte im 20. Jahrhundert, ungeachtet selbst großer Krisen wie der Depression nach 1929, über eine derart dynamische und innovative Industrie, eine so gute Infrastruktur und eine solche Akkumulation von Wohlstand wie die Vereinigten Staaten.21 Den vorläugen Höhepunkt erreichte dieser Prozeß in den 1950er und 1960er Jahren, dem „goldenen Zeitalter des Kapitalismus“ (Eric Hobsbawm), als der Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten in den USA ein Ausmaß und eine relativ gleichmäßige Verteilung erreichte wie nie zuvor und nie danach in der amerikanischen Geschichte.22 Aber der Weltmachtstatus war andererseits auch teuer. In den 1920er Jahren war es dank des sogenannten Isolationismus noch gelungen, den Militäretat vergleichsweise klein zu halten, bei etwa 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ab 1947 stieg er dann auf durchschnittlich 6,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an, nahm also selbst in Friedenszeiten relativ um rund das Vierfache zu.23 Und damit waren nur die direkten Rüstungskosten erfaßt. Der von dem Republikaner Dwight D. Eisenhower kritisierte „militärisch-industriellen Komplexes“ hatte seit dem New Deal der 1930er Jahre und den Rüstungsmaßnahmen der 1940er Jahre zu umfassenden rüstungsbezogenen, direkten und indirekten Investitionen der US-Regierung im Süden und Westen der USA geführt, dem heutigen Hochtechnologiezentrum des sunbelt.24 Sie stellten faktisch eine Art Militärkeynesianismus dar, verbanden also zivile wirtschaftliche Ankurbelungsmaßnahmen mit den vorgeblichen Notwendigkeiten des nationa-

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len Sicherheitsstaates.25 Zu einer ersten Eskalation der Rüstungsausgaben kam es dann nicht so sehr im Zweiten Weltkrieg, dessen Gesamtkosten von 326 Mrd. US-Dollar allerdings zu 42,5 Prozent durch Steuern gedeckt wurden (der Koreakrieg wurde dann gar zu 104,2 Prozent durch Steuern nanziert), sondern im Vietnamkrieg. Der Vietnamkrieg leitete einen deutlich erkennbaren Umschwung in der Fiskalpolitik des Bundes ein. Dabei machte, wie in den früheren Fällen, gar nicht der Krieg selbst das eigentliche Problem aus. Im Jahre 1965 machten die unmittelbaren Kriegskosten nur 0,1 Prozent des Bruttosozialproduktes aus, auf dem Höhepunkt des Krieges im Jahre 1968 waren es schließlich 2,4 Prozent. Die Gesamtkosten des Krieges zwischen 1965 und 1973 beliefen sich auf 108,2 Mrd. US-Dollar. Das eigentliche Problem lag aber vielmehr in den addierten zivil-militärischen Ausgaben für Kalten Krieg und Vietnamkrieg gemeinsam, die sich zwischen 1968 und 1970 auf jeweils etwa 12 bis 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes summierten. Zwischen 1968 und 1973 stiegen die nationalen Schulden der USA folgerichtig von 369 Mrd. US-Dollar auf 468 Mrd. US-Dollar. Aber selbst damit blieben sie relativ überschaubar, nämlich in der Gesamtgrößenordnung von 1,6 bis 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Erst in einem zweiten Schritt trugen die erkennbaren und verdeckten Kosten des nationalen Sicherheitsstaates, wie er durch den Kalten Krieg deniert wurde, dazu bei, die Grundlast an nationalen Schulden noch einmal drastisch zu erhöhen.26 Dies war zuvorderst eine direkte Folge der Politik Ronald Reagans. Der Republikaner Reagan war zwar mit dem Anspruch angetreten, die Schulden der USA zu minimieren und gleichzeitig die ökonomische Situation durch Bekämpfung von Ination und Steuerdruck erheblich zu verbessern. Während letzteres erst mit einiger Verspätung gelang, nahm die Schuldenlast freilich noch einmal erheblich zu. Relativ gesehen stieg sie um mehr als das Doppelte an, von 1,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt im Jahre 1979 auf durchschnittlich 3,6 Prozent in den Jahren von 1980 bis 1989. Einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung trugen die Kosten für den nationalen Sicherheitsstaat. Reagan hatte sehr früh darauf gesetzt, die UdSSR wirtschaftlich durch verstärkte Aufrüstung an die Wand zu drücken. Ihm und seinen außenpolitischen Analysten war klar, wie wenig die sowjetische Planwirtschaft angesichts der beginnenden technologischen Revolution etwa im Kommunikationssektor noch konkurrenzfähig war. Solange sich der Systemkonikt des Kalten Krieges auf der Ebene des klassischen Industriestaates des ausgehenden 19. Jahrhunderts bewegt hatte, war die Sowjetunion durchaus ein gleichwertiger Gegner gewesen. Nun aber behinderte die Planwirtschaft technologische Innovationen und deren Implementierung in den Wirtschafts-

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kreislauf. Die USA setzten also auf technologische Hochrüstung, deren propagandistisches Symbol die – allerdings insgesamt wenig erfolgreiche – Strategic Defense Initiative (SDI) war, populär oft als „Star Wars“Programm bezeichnet. Auch nach Reagan blieb es aber bei der technologischen Hochrüstung. Allein unter dem Demokraten Bill Clinton fuhren die USA für den kurzen Zeitraum einer wirtschaftlichen Boomphase in den 1990er Jahren so etwas wie eine Friedensdividende ein und verringerten zeitweilig ihre Schuldenaufnahme. Ja, Clinton gelang es sogar, kleinere Überschüsse zu generieren, ohne aber das Problem der bereits angehäuften nationalen Schulden lösen zu können. Aber das Hauptziel der amerikanischen Militär- und Sicherheitspolitik blieb es, zwei Kriege zur gleichen Zeit mit einem möglichst hohen Maß an technologischer Überlegenheit führen zu können. Mit dem war on terror nach dem 11. September 2001, insbesondere mit dem Afghanistankrieg und mit dem Irakkrieg nahmen die Rüstungsanstrengungen noch einmal zu. Der Militäretat stieg von 375 Mrd. US-Dollar im Jahre 2000 auf 553 Mrd. US-Dollar im Jahre 2005 an, rund vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes.27 Man wird also kaum umhin kommen, den Rüstungsausgaben einen gehörigen ursächlichen Anteil an der Gesamtschuldenlast der USA zuzubilligen.28

4. K  S Allerdings wäre es deutlich zu einseitig, ausschließlich die nanziellen Folgen des nationalen Sicherheitsstaates und der ambitionierten Rüstungspolitik für die anhaltende Schuldenkrise der USA verantwortlich zu machen. Insbesondere können sie schlechterdings nicht für den Anteil der Einzelstaaten und der Kommunen an der öffentlichen Schuld (public debt) der USA herangezogen werden, sondern ausschließlich für die nationale Schuld (national debt). Da die öffentlichen Schulden insgesamt seit den 1960er Jahren, dann vor allem seit den 1980er und 2000er Jahren teilweise drastisch gestiegen sind, wird man also nach weiteren strukturellen und zeitbedingten Faktoren Ausschau halten müssen. Ein struktureller Unterschied zum 19. Jahrhundert besteht darin, daß sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, erst langsam und dann beständig rascher, die Aufgaben des modernen Staates ebenso geändert haben wie die Erwartungen, die die Bevölkerung in ihn setzt. Die großen Weltwirtschaftskrisen von 1893 bis 1897 und von 1929 bis 1941 führten den Amerikanern vor Augen, wie wenig der liberale Nachtwächterstaat des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit seiner ökonomischen Laisser-faireMentalität auf nationaler, einzelstaatlicher und kommunaler Ebene den

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Problemen der Urbanisierung, Hochindustrialisierung, Pauperisierung und Massenmigration gewachsen war.29 Solange die Wirtschaft wuchs, erledigten sich manche Probleme von selbst, aber in Phasen der Depression und Rezession wurde der Reformbedarf dringend spürbar. Irgendjemand mußte sich um die Teile der amerikanischen Bevölkerung kümmern, die nicht vom neuen Wohlstand protierten und denen mit rein karitativen Maßnahmen nicht geholfen war. Hinzu kamen andere, regulatorische Aufgaben, die der Staat wahrzunehmen hatte, etwa im Kampf gegen die Monopole und Oligopole, die zu Beginn des 20. Jahrhundert den kapitalistischen Markt erdrückten. Gewiß, in den USA kam den verschiedenen Ebenen des Staates nie die Machtfülle zu, die der kontinentaleuropäische Wohlfahrtsstaat sich zubilligte – vor allem wegen starker individualistischer und staatskritischer Tendenzen namentlich der Republikaner, die die Ideale Jeffersons und Jacksons inzwischen rabiater übernahmen als die Demokraten, die mehr und mehr an Alexander Hamilton Gefallen fanden. Deswegen blieben der private Anteil bei sozialen Sicherungsmaßnahmen in den USA im Vergleich mit Europa immer deutlich höher und deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt wesentlich geringer. Aber seit den 1890er Jahren drängten progressivistische Reformer in beiden Parteien von der kommunalen Basis her die staatlichen Organe zu aktiverem Engagement in der Sozialreform. Damit war in den Städten und Einzelstaaten ein gehöriger Schub an Bürokratisierung verbunden, die mit den Reformen des New Deal des Demokraten Franklin D. Roosevelt der 1930er Jahre und der Great Society des Demokraten Lyndon B. Johnson ab 1964 voll auf den Bundesstaat durchschlug.30 Insbesondere die einzelstaatliche Arbeitslosen- und Unfallversicherung sowie die bundesstaatliche Alterssicherung durch den Social Security Act von 1935 und die von Bund und Einzelstaaten gemischt nanzierten Krankenversicherungen für Alte (Medicare) und Arme (Medicaid), einschließlich der Hilfsprogramme für Arme (Food Stamps Program), die Johnson einführte, brachten einen erheblichen Finanz- und Bürokratiebedarf mit sich.31 Robert E. Kelly übertreibt, wenn er dies alles mit Sozialismus gleichsetzt. Aber tatsächlich machen Sozialausgaben und vor allem Personalkosten (human ressources) seit den 1960er Jahren rund zwei Drittel des amerikanischen Bundesaushaltes aus; auf den unteren Ebenen sind sie noch wesentlich wichtiger.32 Obwohl seit Ronald Reagan republikanische Präsidenten immer wieder Kürzungen angemahnt und mitunter durchgesetzt haben, hat sich an der generellen Linie bis heute nichts geändert, zumal die Rentnerlobby in den USA weitaus größer, mächtiger und besser organisiert ist als etwa die weltweit viel bekanntere National Rie Association, die Waffenlobby also. Ungeachtet sämtlicher

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Reformen republikanischer Präsidenten liegen die öffentlichen Sozialausgaben in den Vereinigten Staaten seit 1980 konstant zwischen etwa 13 und 15 Prozent des Bruttoninlandsproduktes. In der Bundesrepublik Deutschland bewegten sie sich im selben Zeitraum zwischen 23 und 26 Prozent, bei einer höheren Bürokratisierungsquote.33 Für sich genommen können also im internationalen Vergleich die Sozial- und Personalausgaben ebenfalls nicht alleine für die amerikanische Schuldenkrise verantwortlich zeichnen. Ein weiterer zentraler Strukturaspekt muß daher genannt werden: die Einnahmeseite. Die nun betrifft sowohl die Rüstungsausgaben als auch den Sozial- und Personalsektor, und zwar primär seit den 1980er Jahren. In der Spätphase der keynesianischen, staatsinterventionistischen Wirtschaft in den USA in der Mitte der 1970er Jahre war es zu einer Kumulation von hoher Steuerquote, Ination und hoher Arbeitslosigkeit gekommen, die das Land ökonomisch gelähmt hatte. Vor diesem Hintergrund waren Ronald Reagan und seine Berater mit einem skalpolitischen Programm angetreten, das sich an monetaristischen Vorgaben orientierte. Ganz oben auf ihrer Agenda, geprägt von der Chicago School um Milton Friedman, stand die Reduktion der Steuerlast vor allem für Unternehmen und Besserverdienende – eine Idee, die dann ab 2001 von dem Republikaner George W. Bush aufgenommen wurde.34 Die unter seiner Administration begonnenen Kriege in Afghanistan und im Irak waren tatsächlich die ersten Kriege der USA, die nicht zu einem hohen Anteil durch Steuererhöhungen gegennanziert wurden, das heißt, sie wurden maßgeblich dezitär geführt. Gleichzeitig hatten weder Ronald Reagan noch später George W. Bush etwas unternommen, um die Sozialausgaben der USA einschneidend zu reduzieren, gleichzeitig indes auch hier aus ideologischen Gründen auf eine ordentliche Gegennanzierung verzichtet. Gerade George W. Bush waren die Hände gebunden, da viele seiner republikanischen Parteifreunde im Kongreß, in erster Linie im Repräsentantenhaus, sich ihren Wählern gegenüber durch tax pledges eidlich verpichtet hatten, niemals für Steuererhöhungen zu stimmen. Eine unmittelbare Folge dieser Steuerpolitik bestand im Auseinanderdriften von Oberund Mittelklassen in den USA, die in diesem Ausmaß weder in den konservativen 1950er, noch in den progressiven 1960er Jahren denkbar gewesen wäre.35 Mit der soliden Steuerpolitik des Republikaners Dwight D. Eisenhower, der auch die Unternehmen der USA durchaus noch zur Finanzierung von Kriegen und Sozialprogrammen hinzugezogen hatte, oder des Demokraten Lyndon B. Johnson, der trotz der Belastungen durch den Vietnamkrieg noch darauf geachtet hatte, Sozialprogramme

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und Krieg gegenzunanzieren, hatte diese risikobehaftete und ideologiexierte Fiskalpolitik nichts mehr gemein.36

5. S  S Der Höhepunkt der Schuldenkrise aber wurde nach 2008 erreicht. Die Summe der bereits angehäuften öffentlichen Schulden erhöhte sich im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise noch einmal dramatisch.37 Mittlerweile stehen zudem mehrere US-Bundesstaaten, darunter das ökonomisch sehr starke Kalifornien, am Rande des Bankrotts, auch das nationale Dezit hat zwischenzeitlich besorgniserregende Ausmaße angenommen, die – anders als in früheren Krisen – insbesondere dadurch gekennzeichnet sind, daß die Relation der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt wesentlich höher geworden ist. Diesmal waren es freilich weniger strukturelle als vielmehr aktuelle Ursachen, die zur neuen Verschuldung führten. Nachdem im Jahre 2008 eine Spekulationsblase im Immobiliensektor geplatzt war, begann das amerikanische Bankensystem mit der Insolvenz von Lehmann Brothers zu kollabieren. Im Gefolge dieser Ereignisse schlug dann die Finanz- und Bankenkrise auf den industriewirtschaftlichen Sektor, etwa die Automobilbranche, durch. Die US-Regierungen erst unter dem Republikaner George W. Bush, dann unter dem Demokraten Barack Obama reagierten einerseits durch sogenannte bail outs, das heißt, sie retteten durch Teilverstaatlichungen Großbanken und Großunternehmen wie General Motors. Andererseits druckte das Federal Reserve System (Fed), das seit Beginn des 20. Jahrhunderts bestehende Zentralbankensystem der USA, verstärkt Geld, um den Kapitalkreislauf in den Banken wieder in Schwung zu bringen. Schließlich legte die Regierung Obama diverse Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Konjunkturprogramme auf, um angesichts der höchsten Arbeitslosenquote in den USA seit der Großen Depression angemessen reagieren zu können. Die bail outs und diese Programme verschlangen enorme Geldsummen, die sich angesichts der notorischen Weigerung der Republikaner, die Steuern zu erhöhen, unmittelbar auf die nationale Schuldenlast niederschlugen. An eine Rückzahlung der sowieso schon vorhandenen Schulden war unter diesen Umständen selbstredend nicht einmal mehr zu denken. Die parallelen Aktionen der Fed belasteten wohl nicht unmittelbar die Haushalte der öffentlichen Hand, legten aber durch die Flutung der Märkte mit billigem Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grundlage für die nächste Spekulationsblase, die dann wieder in eine spekulationsgesteuerte Finanz- und Wirtschaftskrise münden könnte. Zumindest wird dadurch die Geldwertstabilität

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des US-Dollar langfristig relativiert; gleichzeitig könnte das billige Geld durch Ination die Schuldenlast drücken. Aber während dies Hypothese bleiben muß, hat sich inzwischen eine andere Entwicklung in der gegenwärtigen amerikanischen Schuldenkrise in den Vordergrund gerückt: Bislang waren die USA beziehungsweise die Amerikaner über Staatsanleihen und Anlagen von staatlichen Institutionen ihre eigenen Hauptgläubiger gewesen. In den 1970er Jahren hatte die Inationierung des US-Dollar, die damals zur Renanzierung des Vietnamkrieges gedient hatte, dazu geführt, daß hohe Beträge an US-Dollar über den Ölmarkt in arabische Hände gerieten – einst mit ein Anlaß, das System der Goldbindung des US-Dollar aufzugeben. Trotzdem blieben die USA gewissermaßen in der Hauptsache Schuldner ihrer selbst. Dies aber hat sich seit Beginn des neuen Jahrhunderts geändert. Inzwischen steigt der Anteil von Auslandsschulden, nicht zuletzt gegenüber der Volksrepublik China. Eine der Ursachen für diesen Prozeß liegt vermutlich in der fehlenden Sparsamkeit der Masse der amerikanischen Mittelklassen. Denn nicht nur hatte sich deren relativer Anteil am Volksvermögen seit den 1980er Jahren deutlich zugunsten einer kleinen Elite reduziert, auch war seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Anteil der Sparer im Lande permanent zugunsten einer immer stärker werdenden Verschuldung der Privathaushalte zurückgegangen.38 Wenn man so will, hatten konsumistische Werte die rigide und puritanische Welt der Produktionswerte des 19. Jahrhunderts allmählich abgelöst – ein Prozeß, der sich seit den 1960er und 1980er Jahren neuerlich beschleunigte und das Potential der Amerikaner, ihrem eigenen Land in der Schuldenkrise zu helfen, minimierte. Für die USA bedeutet dies die Gefahr von Abhängigkeiten und eine Schwächung ihrer souveränen Machtposition. Dies dürfte einer der wichtigsten Gründe dafür sein, die Schulden der USA mittelfristig deutlich zurückzufahren. Das aber wird nur gelingen können, wenn man alle strukturellen Elemente einbezieht: Reduktion von Rüstungs- und Sozialausgaben sowie von bürokratischen Personalkosten und Erhöhung der Steuerlast aller Amerikaner. An eine solche Situation hätte selbst der spekulationsfreudige Alexander Hamilton wohl nicht gedacht, als er im Jahre 1790 seine Vorschläge zur Konsolidierung der nationalen Schulden vorlegte. Ein guter, maßvoller stabiler und investitionsfreudiger Schuldner sollten die USA seiner Überzeugung nach sein, kein nanzieller Abenteurer. Nachtrag: Im Sommer 2012 beliefen sich die öffentlichen Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika nach Angaben des amerikanischen Schatzamtes auf 15,93 Billionen US-Dollar, in etwa 103 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.39 Sie steigen pro Jahr im Schnitt um mindestens eine weitere Billion US-Dollar. Ein Ende ist nicht abzusehen – und auch

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nicht, ob die Schulden mehr dem Wohlfahrtsstaat oder der nationalen Sicherheit dienen. . .

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Albert Fischer Staatsverschuldung in der Weimarer Republik Die Weimarer Republik war bei ihrer Entstehung mit einer Vielzahl von Hypotheken belastet. Eine wesentliche Hypothek bestand in der vom Wilhelminischen Reich „geerbten“, exorbitant hohen Verschuldung des Staates. Die aus dieser „geerbten“ Verschuldung sowie die aus ihrer Bewältigung resultierenden Probleme und Folgewirkungen sollten sie in den gut vierzehn Jahren ihres Bestehens fast durchgängig begleiten und erheblich belasten. Die Geschichte der Weimarer Republik zeugt indes nicht nur vom „Wehe“ der Staatsverschuldung, sondern auch von ihrem „Wohl“ und darüber hinaus vom „Wehe“ einer unterlassenen Staatsverschuldung. Letztlich verkörpert die Problematik der Staatsverschuldung mit all ihren Implikationen einen der Faktoren, an denen die „überforderte Republik“ (Büttner)1 gescheitert ist. Im Folgenden wird die Entwicklung der Staatsverschuldung und der Staatsnanzen in den Jahren von 1918 bis 1933 aufgezeigt. Hierbei werden, nach einer Darstellung der Ausgangslage im Jahr 1918, des „Erbes“ (Teil 1), drei Phasen unterschieden: die Phase der krisenhaften Nachkriegsjahre, mündend in Hyperination und Währungsstabilisierung (1918-1923, Teil 2), die Phase der sogenannten „goldenen“ Zwanzigerjahre (1924-1929, Teil 3) und die Phase der Weltwirtschaftskrise (19291932, Teil 4). Die Verschuldung des deutschen Staates umfaßt im Betrachtungszeitraum die Verschuldung dreier Ebenen: des Reiches, der Länder (einschließlich der Hansestädte) und der Gemeinden (und Gemeindeverbände). Besonderes Augenmerk gilt der Verschuldung des Reiches.

1. E Die Weimarer Republik war, kaum geboren, bereits überschuldet.2 Der Grund: Die kaiserlichen Reichsregierungen hatten den Ersten Weltkrieg fast gänzlich „auf Pump“ nanziert. Den Kriegsausgaben (1914-1918) in Höhe von über 160 Mrd. Mark3 hatten nur circa 10 Mrd. Mark an Steuereinnahmen gegenüber gestanden. Im Umfang von rund 150 Mrd.

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Mark war der Krieg kreditnanziert worden, davon zu einem guten Drittel kurzfristig.4 Die daraus resultierende Zinslast belief sich im Rechnungsjahr 1919 auf circa 9 Mrd. Mark. Die Dimensionen solcher Beträge werden im Vergleich mit den Einnahmen und Schulden der Vorkriegszeit deutlich. Im Haushaltsjahr 1913 (01. April 1913 - 31.März 1914) hatte das Reich rund 2 Mrd. Mark an ordentlichen Einnahmen erzielt, am Ende dieses Jahres eine Verschuldung von 5 Mrd. Mark bilanziert. Der Schuldenstand des Reiches war somit Ende 1918 in laufenden Preisen circa dreißigmal so hoch wie vor dem Krieg, dies vor dem Hintergrund eines real gesunkenen Sozialprodukts.5 Die Gesamtverschuldung des deutschen Staates, das heißt von Reich, Ländern und Gemeinden, lag jetzt bei circa 190 Mrd. Mark und damit fast doppelt so hoch wie das in laufenden Preisen bewertete Sozialprodukt.6 Allein die aus den Reichsschulden resultierende Zinslast (ohne Tilgung) war 1919 viermal so hoch wie der Umfang der gesamten Reichseinnahmen des Jahres 1913. Wird der in den Kriegsjahren eingetretene Rückgang des Geldwertes um circa fünfzig Prozent berücksichtigt,7 so belief sich die reale Zinslast immer noch auf das Doppelte der Reichseinnahmen vor Kriegsausbruch. Die Schuldenlast war also erdrückend; die nanziellen Handlungsspielräume der republikanischen Reichsregierungen gestalteten sich minimal. Dies war umso dramatischer, als der Finanzbedarf des Staates und namentlich der des Reiches in der Folgezeit, daran bestand Ende 1918 kein Zweifel, ungleich höher ausfallen würde als vor dem Krieg – auch dies ein Erbe des Kaiserreiches. Zu den „regulären“ zivilen Ausgaben, die schon 1913 angefallen waren, würden nämlich – neben den eben erwähnten Ausgaben für Zins und Tilgung der Kriegsschulden – unter anderen solche für die Abwicklung der Streitkräfte kommen, für die Versorgung der eineinhalb Millionen Kriegsinvaliden und eines Teils der zweieinhalb Millionen Kriegshinterbliebenen, für die Unterstützung heimgekehrter und zunächst arbeitsloser Soldaten, für die Bezahlung von Kriegsschäden und Beschlagnahmen, für Besatzungsausgaben sowie insbesondere auch für Reparationsleistungen an die Siegermächte.8 Über den Umfang der letzteren herrschte Ende 1918 noch Ungewißheit. Nach der Jahreswende wurden erste Zahlen ventiliert. In der Konferenz von Boulogne im Juni 1920 sollten die Siegermächte dem Deutschen Reich dann eine Forderung von 269 Mrd. „Goldmark“ (Mark gemäß der Vorkriegsparität: 1.392 Mark = 500 g Gold) präsentieren;9 auch diese, von außen auferlegte Schuld zählte zum Erbe des Kaiserreiches; eine (Auslands-)Schuld, die das Reich obendrein nicht in der deutschen Währung Mark, sondern in Gold und Devisen würde entrichten müssen.

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Eine weitere Hypothek ist anzuführen, wenn vom Erbe des Kaiserreiches die Rede ist: die während des Krieges begonnene, aus der kriegsbedingten Ausgaben- und Schuldenpolitik des Staates resultierende Ination. Die Reichsregierung respektive der Reichstag hatte ihr gleich nach Kriegsausbruch rechtlich den Weg geebnet. Mit den Finanzgesetzen vom 04. August 1914 war „faktisch jede Begrenzung der Geldschöpfung durch die Reichsbank“10 beseitigt worden. Die Goldeinlösungspicht, die Notensteuer, die Primärdeckung (Dritteldeckung) des Notenumlaufs durch Gold, die Sekundärdeckung (die Deckung weiterer zwei Drittel des Notenumlaufs) durch private Handelswechsel, all das war aufgehoben worden. Damit war eine prinzipiell unbegrenzte Ausweitung der Geldmenge möglich geworden. Ohnehin war die Reichsbank jener Jahre nicht unabhängig, sondern dem Reichskanzler unterstellt.11 In den Kriegsjahren hatte sich das Reich „seiner“ Bank nun bedient, will sagen: Das Reich hatte sich nur in Teilen über den Kapitalmarkt, in erheblichen Teilen aber direkt oder mittelbar über die Reichsbank nanziert. Diese hatte Schatzwechsel und Anleihen des Reiches aufgekauft oder beliehen. In der Folge war die Geldmenge angeschwollen (die Geldbasis hatte sich von Ende 1914 bis Ende 1918 fast versechsfacht),12 bei einem real sinkenden Sozialprodukt. Ein solches Auseinanderklaffen zieht zwar nicht zwangsläug eine Ination nach sich; es ermöglicht sie aber.13 Die kriegsbedingte Ausdehnung der Staatsnachfrage hatte sie dann herbeigeführt. Eine Ination war in Gang gekommen, genauer: eine „zurückgestaute“ Ination: Das Gros der Preise, namentlich der Lebensmittelpreise, war staatlicherseits festgeschrieben worden, die einsetzende Geldentwertung hatte sich deshalb nicht auf breiter Front in den Preisen niederschlagen können. Sichtbar geworden war der inationäre Prozeß dennoch: Im Durchschnitt hatten sich die Großhandelspreise von 1913 bis 1918 etwas mehr als verdoppelt; der Außenkurs der Mark war an den freien Devisenbörsen des Auslandes um fast die Hälfte gefallen.14 Die Ination war also zu Kriegsende bereits „da“.

2. N 1918-1923 Daß die geerbte Doppelproblematik einer hohen und vor allem einer hohen kurzfristigen, „schwebenden“ Staatsverschuldung sowie der bereits eingesetzten Ination unmittelbar nach Kriegsende hätte auf konventionellem Wege bewältigt werden können, ist fraglich. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, entweder ad hoc eine einmalige Vermögensabgabe zu erheben, um die Schulden sofort tilgen zu können (eine sol-

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che Abgabe hätte die Konskation von mehr als der Hälfte des deutschen Volksvermögens umfassen müssen),15 oder aber die „schwebende“ Schuld des Reiches zu fundieren und danach die Reichseinnahmen so zu erhöhen sowie die Reichsausgaben so zu reduzieren, daß die dadurch erzielten Haushaltsüberschüsse zur Bedienung der Schulden hingereicht hätten.16 Ansätze zu einer derartigen Konsolidierung sollte es geben. Sie sollten durchweg scheitern. Dies galt bereits für den 1919 erfolgenden Versuch, einen geringen Teil der kurzfristigen Schulden qua Anleiheemission und -plazierung zu fundieren: Die vom Reich aufgelegte „Sparprämienanleihe“ (Volumen: 5 Mrd. Mark) sollte kaum Käufer nden. Die Nachfrage potentieller inländischer wie ausländischer Kapitalanleger war aufgrund eines per se gesättigten Kapitalmarktes und einer bereits gesunkenen Kreditwürdigkeit des Reiches zu gering. Bleibt anzumerken: Die Alternative einer simplen Annullierung der Kriegsschulden respektive einer Erklärung des Staatsbankrotts war unmittelbar nach Kriegsende politisch weder durchsetzbar noch gewollt.17 Eine sofortige Konsolidierung der aufgelaufenen Kriegsschulden blieb also aus – mit der genannten Konsequenz eines hohen laufenden Schuldendienstes, der es bereits für sich genommen fast unmöglich werden ließ, die Reichsausgaben aus ordentlichen Einnahmen, will sagen: ohne eine neue Nettokreditaufnahme, aufzubringen. Hinzu kam nun, in den Folgejahren, die angesprochene, in hohem Maße durch die Abwicklung des Weltkrieges bedingte Expansion der öffentlichen Ausgaben. Die Einnahmen des Reiches aus Steuern und Zöllen hielten damit – so verhielt es sich zu Kriegsende, und so sollte es bis 1923 bleiben – nicht Schritt. Sie deckten in keinem Jahr mehr als ein gutes Drittel der Ausgaben ab. 1919 lag der entsprechende Anteil bei 15 Prozent, 1920 bei 32 Prozent, 1921 bei 19 Prozent, 1922 bei 35 Prozent und 1923 bei 20 Prozent.18 Das Reich lebte also weiter „auf Pump“. Ein erheblicher Teil der Ausgaben wurde auf die gleiche Art und Weise nanziert wie vordem die Kriegsausgaben: durch den umfänglichen Verkauf von Schatzanweisungen und Schatzwechseln, das heißt von Schuldpapieren des Staates, an die Reichsbank. Diese kreditierte die Regierung freigiebig – und ließ zugleich die Geldmenge immer weiter anwachsen (Tabelle 1). Am Ende der Entwicklung stand bekanntlich die Hyperination des Jahres 1923, die völlige Entwertung des Geldes. Die Parallelität zwischen explodierender Staatsverschuldung und Ination war spätestens in diesem Jahr unübersehbar. Die Schulden des Reiches waren bis Ende 1922 auf insgesamt 1,5 Billionen Mark gestiegen. Am 15. November 1923, dem Tag des „Diskontstopps“, jenem Tag also, an dem die Reichsbank ihre Kreditvergabe an das Reich einstellte (das heißt keine neuen Schatzwechsel und Schatzanweisungen mehr diskontierte), beliefen

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Tabelle 1: Daten zur Entwicklung von Reichsverschuldung und Geldmenge 1913-192319 Schwebende Reichsschuld in Form diskontierter Schatzanweisungen

31.12.1913 31.12.1918 31.12.1919 31.12.1920 31.12.1921 31.12.1922 30.11.1923

Geldmenge

gesamt (Mrd. Mark*)

davon bei der Reichsbank

Bargeldumlauf (Mrd. Mark*)

0,0 55,2 86,4 152,8 247,1 1.495,2 *191,6

--49,3 % 47,8 % 37,7 % 53,5 % 79,2 % 99,1 %

6,6 33,1 50,2 81,6 123,0 1.295,2 *400,3

Geldbasis (Mrd. Mark) 7,7 43,6 63,6 99,3 148,9 1.678,8 ---

* 30.11.1923 (kursive Ziffern): Trillionen Mark

sie sich auf über 190 Trillionen Mark. Der Bargeldumlauf lag zwei Wochen später bei circa 400 Trillionen Mark (Tabelle 1). Über die Ursachen von Geldentwertung scheiden sich bekanntlich bis heute die (wirtschaftswissenschaftlichen) Geister, allein: Egal, ob monetaristisch argumentierend, das heißt schlicht die Entwicklungen von Geldmenge und Warenmenge beziehungsweise Sozialprodukt einander gegenüber stellend, oder ob, wie beispielsweise Paul A. Samuelson und William D. Nordhaus in ihrem bekannten Lehrbuchklassiker explizit mit Blick auf das Jahr 1923, das Nachfragemoment akzentuierend („eine Nachfrageination reinsten Wassers“),20 in einer Hinsicht besteht bezüglich dieses Jahres kein Zweifel: Die Haushalts- und Schuldenpolitik des Reiches war – ob intendiert oder immer noch zwangsläug – ursächlich für die Ausdehnung der nachfragewirksamen Geldmenge und für die Geldentwertung, ursächlich für die Ination. Damit ist bereits eine unmittelbare Folge der staatlichen Verschuldungspolitik jener Jahre genannt. Die Währung, die Mark, wurde zerstört. Der ab dem 20. November 1923 geltende, im Inland staatlicherseits xierte und an den maßgeblichen ausländischen Börsen von der Reichsbank verteidigte Wechselkurs belief sich auf 4,2 Billionen Mark je US-Dollar. Die Relation zwischen der übergangsweise installierten „Rentenmark“ (sowie der sie 1924 ablösenden „Reichsmark“) und der „alten“ Mark lautete 1 zu 1 Billion.21 Die Guthaben und Vermögen von Geldwertbesitzern hatten sich in nichts aufgelöst. Gleiches galt für die (Geld)Schulden von Privatpersonen, Unternehmen und, notabene, des Staa-

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tes. Die Kriegsschulden des Jahres 1918 in Höhe von rund 150 Mrd. Mark waren auf einen realen Restwert von 15 Pfennigen geschrumpft. Die Ination hatte somit für den überschuldeten Staat einen positiven Effekt. Er wurde, bleiben die fortbestehenden Reparationsschulden außer Betracht, entschuldet. Später, im Zuge einer durch die empörte Öffentlichkeit und die Judikative provozierten „Wiederaufwertung“ von Altschulden, sollte – mit dem „Aufwertungsgesetz“ und dem „Anleiheablösungsgesetz“ vom 16. Juli 1925 – das Gros der noch bestehenden und auch der in wertloser „Papiermark“ getilgten Schulden wiederaufgewertet22 und dadurch das zunächst zerstörte Geldvermögen im Umfang von durchschnittlich einem Zehntel des Ursprungswertes „wiederhergestellt“ werden.23 Die durch die Ination enteigneten Gläubiger sollten also einen Teil ihres verlorenen Geldvermögens zurückerhalten, die Schuldner den entsprechenden Teil ihrer Altschulden doch bedienen müssen. Es blieb aber auch nach dieser Wiederaufwertung bei einer zwar nicht mehr vollständigen, jedoch weitgehenden Entschuldung des Staates.24 Somit entpuppte sich die Ination endgültig als jene „Steuer“ (auf Geldforderungen in Inlandswährung), die seinerzeit von John Maynard Keynes beschrieben worden ist: „diejenige Form der Besteuerung, der das Publikum am schwersten auszuweichen vermag und die selbst die schwächste Regierung durchsetzen kann, auch wenn sie sonst nichts mehr durchzusetzen vermag“.25 Die inationäre Ausgaben- beziehungsweise Haushaltspolitik des Staates – von Reich, Ländern und Gemeinden – hatte in den Jahren vor 1923 weitere, durchaus positive Effekte. Zu den wichtigsten zählen die Ermöglichung beziehungsweise Erleichterung des Übergangs von der Kriegs- in die Friedenswirtschaft sowie die damit einhergehende und in der Folgezeit fortdauernde Anregung der Konjunktur. Gewiß, der internationale Vergleich von Arbeitslosenraten mag diese Wirkung überzeichnen,26 betrieben in den frühen 1920er Jahren doch zahlreiche Staaten eine genau gegenläuge, das heißt eine dezidierte Austeritätspolitik. Daß aber seinerzeit im Deutschen Reich ein hoher Beschäftigungsgrad zu verzeichnen war, phasenweise nahezu Vollbeschäftigung herrschte, während sich andernorts hohe Arbeitslosenzahlen zu einem gewichtigen Problem auswuchsen, ist nicht zu bestreiten. Und möglicherweise trug die expansive deutsche Finanzpolitik und die in der Folge „inationsbelebte deutsche Volkswirtschaft“ tatsächlich „in der Rolle einer ‚Lokomotive’ für die Weltwirtschaft dazu bei, daß die Weltwirtschaftskrise 1920/1921 bereits 1922 überwunden werden konnte“.27 Der Preis für all dies, der Preis der dezitären Haushaltspolitik und der „Inationssteuer“ war hoch. Schon von Zeitgenossen ist darüber viel geschrieben worden, und auch die Mitglieder der wechselnden Reichs-

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regierungen waren sich des Preises dieser Politik frühzeitig bewußt. Der gewichtigste dürfte in den psychologischen und mentalen Auswirkungen der Ination und vor allem der Hyperination gelegen haben. Der Sozialdemokrat Julius Leber sollte später von einer „tiefen seelischen Flutung“28 sprechen, Stefan Zweig sogar konstatieren, nichts habe „das deutsche Volk [...] so erbittert, so haßwütig, so hitlerreif gemacht wie die Ination“.29 Es war ja in der Tat nicht nur das Erleben einer gigantischen Vermögensumverteilung, nicht nur, daß Millionen von Bürger(innen) und unter ihnen just jene, die in „gutem“ patriotischen Glauben Kriegsanleihen erworben hatten, ihrer Ersparnisse „beraubt“ worden waren (von einer Wiederaufwertung war zunächst keine Rede gewesen). Es war auch das Erleben einer „Umwertung aller Werte“, eines Verfalls bürgerlicher Tugenden, einer Zersetzung der Ethik und eines Verfalls der Rechtsordnung.30 Keine Frage: Die Zerstörung des Geldes und die völlige Deroutierung des wirtschaftlichen und politischen Lebens im Jahr 1923 hinterließ im deutschen Volk tiefe Spuren. Daß die Ination durch die Haushalts- und Verschuldungspolitik des Staates maßgeblich verursacht worden ist, steht außer Zweifel. Offen blieb bislang – jetzt nicht nur mit Blick auf das Kriegsende, sondern mit Blick auf die Nachkriegsjahre – die Frage, ob diese Politik von den Verantwortlichen in Regierung und Reichsbank fahrlässig oder gar bewußt und zielgerichtet betrieben worden oder ob sie angesichts fehlender politischer Handlungsspielräume zwangsläug erfolgt ist, ob die Reichsregierungen jener Jahre also gar keine alternativen – Haushalte und Schulden nicht per „Inationssteuer“ konsolidierende – Wege hätten beschreiten können.31 Ansätze zu einer Konsolidierung der Staatsnanzen hatte es ja, wie erwähnt, durchaus gegeben. Die „Sparprämienanleihe“ des Jahres 1919 ist angesprochen worden. Noch nicht erwähnt wurden Ansätze, privates Vermögen zur Tilgung der öffentlichen Schulden heranzuziehen. Seit 1919 war ein „Wehrbeitrag“ erhoben worden, seit 1920 zusätzlich ein „Notopfer“. Alle Bürger(innen) des Reiches hatten demnach im Schnitt ein Drittel ihres Vermögens an das Reich abzuführen.32 Allein, die potentiell konsolidierende Wirkung all dieser Abgaben war letztlich verpufft – an der fortschreitenden Ination selbst: Die Vermögensabgaben wurden in kleinen Raten erhoben sowie, das Entscheidende, in nominal festgesetzten Beträgen. Ergo wurden sie – aufgrund des Geldwertverfalls zwischen Steuerfestsetzung und Steuerzahlung – in entwertetem Geld gezahlt; die diesbezüglichen Staatseinnahmen schrumpften real zu einer Restgröße.33 Versucht worden war auch eine Sanierung der Staatsnanzen qua Anhebung der Steuersätze, mit der grundlegenden Steuerreform des

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Reichsnanzministers Matthias Erzberger.34 Die Reform hatte nicht nur und nicht einmal in erster Linie auf die Erhöhung von Steuern abgezielt. Mit ihr wurde das Reich erstmals nanzpolitisch „auf eigene Füße gestellt“. Bis dato hatte es Einnahmen lediglich aus Zöllen, einigen Umsatzsteuern und vor allem aus Matrikularbeiträgen der Länder erzielen können. Jetzt war die Steuerhoheit von den Ländern auf das Reich übergegangen. Einnahmen in erforderlichem Umfang zu erheben, dazu aber reichte auch diese Reform nicht hin. Ein wesentlicher Grund bestand wiederum im beschriebenen „Timelag“: Die Selbstständigen, die an sich das Gros der Reichssteuereinnahmen aufbrachten, konnten ihre Steuerzahlungen – anders als Lohnsteuerpichtige – weiterhin ex post und damit in entwertetem Geld leisten.35 Den Regierenden der jungen Republik waren all diese Problematiken durchaus bewußt. Dazu, die Einnahmesituation des Staates grundlegend zu verbessern, das heißt die Steuereinnahmen real im erforderlichen Umfang zu erhöhen, waren sie aber offenkundig aufgrund der extrem difzilen politischen Situation nicht in der Lage. James charakterisiert das „neue Regime“ treffend als „nicht stark genug, um den deutschen Eliten hohe Steuern aufzuerlegen“.36 Holtfrerich betont neben diesem soziopolitischen Aspekt besonders die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Hochsteuerpolitik, wenn er resümiert, daß eine Konsolidierung der Staatsnanzen hätte über „das Anziehen der Steuerschraube [...] eine Deation und Depression unvorstellbaren Ausmaßes erzeugen müssen, die keine Regierung, aber auch nicht die eben erst entstandene Staatsform der Republik hätte überleben können“.37 Die Einnahmesituation blieb desolat. Daß sich die Ausgabensituation nicht verbesserte, lag maßgeblich auch an der Reparationspolitik der alliierten Siegermächte. Die fortwährend hohen deutschen Zahlungen unterminierten nicht nur, da in Gold und Devisen zu leisten, den Außenwert der Mark.38 Sie erschwerten respektive verhinderten wegen ihres Umfanges (auf sie entelen fast ein Drittel der gesamten und mehr als zwei Drittel der qua Notenpresse nanzierten Reichsausgaben)39 ganz unmittelbar die Stabilisierung des Reichshaushaltes, forcierten damit Staatsverschuldung und Geldmengenexpansion. Darüber hinaus erzeugte die Unbestimmtheit der endgültigen Reparationssumme ein hohes Maß an Unsicherheit und nahm den Regierungen zuletzt neben den Möglichkeiten auch den Anreiz, Haushalte und Schulden zu konsolidieren.40 Als im Sommer 1922 ein von der Reparationskommission eingesetzter Bankiersausschuß empfahl, Deutschland keine langfristigen Auslandsanleihen zu gewähren, und national wie international endgültig der Pessimismus bezüglich einer möglichen Stabilisierung die

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Oberhand gewann, nahm die Hyperination ihren Lauf. Sie kulminierte im ebenfalls reparationsbedingten „Ruhrkampf“ des Jahres 1923.41 Fazit: Der deutsche Staat – Reich, Länder und Gemeinden – konnte in keinem einzigen der Nachkriegsjahre einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Die Schulden der öffentlichen Hand stiegen Jahr für Jahr weiter an, um 1923 regelrecht zu explodieren. Die Kreditaufnahme des Reiches erfolgte dabei weitgehend, zuletzt fast ausschließlich über die der Regierung bis 1922 auch formal unterstellte Reichsbank. Diese hatte bereits im Kriege die Notenpresse in Gang gesetzt; mit der steigenden Staatsverschuldung einher ging seitdem die Expansion der (nominalen) Geldmenge. Am Ende stand die Hyperination mit der Zerstörung der „alten“ Mark. Ursächlich für diese Entwicklung war, um es noch einmal festzuhalten, weniger ein „undiszipliniertes“ Haushaltsgebaren „unsolide“ wirtschaftender Regierungen. Ursächlich war das vom Kaiserreich hinterlassene Erbe. Die junge Republik war durch die im Krieg aufgelaufenen Kriegsschulden sowie durch die wegen des Krieges anfallenden Reparationsschulden von Anfang an in so hohem Maße verschuldet, daß eine solide Haushaltsführung – zumal angesichts der im Inneren wie im Äußeren hochdifzilen politischen Situation – schlechterdings nicht möglich war. Es handelte sich in Deutschland nicht um eine Nachkriegs-, sondern um eine „Kriegsination“42 respektive um eine „Liquidierung der politischen Erbschaft“.43

3. „G“ Z 1924-1929 Die „goldenen“ Zwanzigerjahre waren bekanntlich nicht so golden, wie es ihre Titulierung vermuten läßt. Das galt für die Wirtschaft; das galt für den Staat; und das galt insbesondere für Staatsnanzen und Staatsverschuldung. Dabei entwickelten sich letztere unmittelbar nach der Währungsstabilisierung durchaus günstig. Nicht nur hatte die Ination, wie beschrieben, die Schulden der öffentlichen Hand und damit den jährlich zu leistenden Schuldendienst drastisch reduziert. Die Reichsregierung realisierte jetzt auch drakonische Sparmaßnahmen. Es erfolgten unter anderem ein umfangreicher Personalabbau im öffentlichen Dienst (innerhalb weniger Monate wurden über 300.000 Reichsbedienstete entlassen), eine scharfe Kürzung der Beamtengehälter (gegenüber der Vorkriegszeit um durchschnittlich 30 Prozent), ferner massive Einschnitte bei den Ausgaben für Bauten, Kultur und Wissenschaft sowie bei den Sozialleistungen. Mindestens ebenso wichtig: Reichsnanzminister Hans Luther ergriff wirksame Maßnahmen zur Steigerung der öffentlichen Einnahmen, will sagen: der Steuereinnahmen. Speziell die

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Einkommensteuer und die Vermögensteuer wurden neu konzipiert und erhöht.44 Im Ergebnis gelang es der Reichsregierung tatsächlich, den Haushalt auszugleichen. Im Haushaltsjahr 1924 schrieb der Finanzminister zum ersten Mal seit Kriegsende schwarze Zahlen; der Reichshaushalt und auch die Etats von Ländern und Gemeinden wiesen Überschüsse auf.45 Der Staat betrieb also im Jahr nach der Währungsreform eine rigorose Sanierungspolitik – mit Erfolg. Die Voraussetzungen dafür hatte einerseits der Reichstag geschaffen. Mittels zweier Ermächtigungsgesetze hatte er der Reichsregierung im Oktober und im Dezember 1923 diktatorische Vollmachten eingeräumt, die sie extensiv nutzte. Andererseits aber, ein durchaus gewichtiges Moment, war die Öffentlichkeit aufgrund der Erfahrung der Hyperination jetzt auch bereit, diese Politik zu akzeptieren; die Inationserfahrung „hatte den [...] Staatsbürger bereitgemacht, seinerseits nanzielle Opfer zu bringen, wenn er endlich Taten sah, von denen erwartet werden konnte, daß sie der Finanz- und Währungskrise ein Ende machten“.46 Schließlich – auch das eine zentrale und unabdingbare Voraussetzung für die beschriebene Sanierungspolitik – hatten sich die Reparationsgläubiger endlich um eine für das Reich tragbare Reparationslösung bemüht, die mit dem 1924 unterzeichneten Dawes-Plan auch gefunden worden war. Speziell für die Jahre 1924 und 1925 hatten sie dem Reich eine „Schonfrist“ mit vergleichsweise niedrigen Reparationsraten zugestanden.47 Kurzum: Der seit Herbst 1923 amtierende Reichsnanzminister Luther operierte in einem gänzlich anderen Umfeld als seine Vorgänger. Ihm eröffneten sich – noch einmal: aufgrund der erlebten Hyperination – Handlungsspielräume, über die seine Vorgänger nicht verfügt hatten. Luther nutzte sie. Im Ergebnis war der Reichshaushalt saniert. Allein, der ausgeglichene Reichshaushalt und auch der niedrige Schuldenstand des Reiches waren bald Geschichte. Die vorstehende Tabelle zeigt die Entwicklung der Schulden des Reiches in den Haushaltsjahren 1924/1925 bis 1928/1929. Allein im Haushaltsjahr 1928/1929, noch vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, sollte sich der Stand der nach der Währungsstabilisierung aufgenommenen Neuschulden (ohne wiederaufgewertete oder wertbeständige vorinationäre Altschulden) von rund 1,6 Mrd. Reichsmark auf 3,0 Mrd. Reichsmark fast verdoppeln. Die gesamten Reichsschulden (ohne Reparationsschulden) beliefen sich am 31. März 1929 auf 8,2 Mrd. Reichsmark. Ihre Bedienung beanspruchte mittlerweile zehn Prozent des Reichshaushalts.49 Die Verschuldung der Gemeinden lag jetzt bei 7,7 Mrd. Reichsmark, nach 5,8 Mrd. Reichsmark ein Jahr zuvor, diejenige der Länder bei 2,2 Mrd. Reichsmark, nach 1,7 Mrd. Reichsmark am Ende des Haushaltsjahres

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Tabelle 2: Reichsverschuldung (ohne Reparationsschulden) 1924/1925-1928/1929, Stand am Ende des Haushaltsjahres in Mio. Reichsmark48 „Neuschulden“*

31.03.1925 31.03.1926 31.03.1927 31.03.1928 31.03.1929

„Altschulden“**

langfristig

kurzfristig

gesamt

958 930 1.275 1.384 1.918

39 12 122 187 1.095

997 942 1.397 1.571 3.013

1.706 6.199 5.903 5.560 5.215

Gesamtschulden

2.703 7.141 7.300 7.131 8.229

* nach der Währungsstabilisierung aufgenommene Schulden; ** vorinationäre Altschulden; die Haushaltsjahre begannen am 01. April des Jahres und endeten am 31. März des Folgejahres; Abweichungen in den Summen aufgrund von Rundungen

1927/1928. Insgesamt addierten sich die Schulden der öffentlichen Hand auf 18,2 Mrd. Reichsmark (ein Jahr zuvor: 14,6 Mrd. Reichsmark). Fast ein Drittel von ihnen (4,4 Mrd. Reichsmark) war kurz- und mittelfristig.50 Zum Vergleich: Vor Kriegsausbruch war der deutsche Staat mit 32,3 Mrd. Mark deutlich höher verschuldet gewesen, aber zu 93 Prozent langfristig.51 Die Schulden resultierten zu einem Gutteil aus umfänglichen öffentlichen Investitionen, die seit jeher und im Einklang mit der herrschenden nationalökonomischen Lehrmeinung qua Kreditaufnahme nanziert wurden. Darauf wird noch einzugehen sein. Sie waren aber auch Ergebnis eines zunehmenden Auseinanderklaffens der laufenden Ausgaben und Einnahmen in den Haushalten von Reich, Ländern und Gemeinden. In der nachfolgenden Tabelle wird deutlich, daß die Ausgaben der öffentlichen Hand bereits im Haushaltsjahr 1925/1926 wieder die ordentlichen Einnahmen überstiegen, auf allen drei Ebenen.52 Konnte das Reich die Kluft zunächst noch durch den Rückgriff auf die vorgetragenen Überschüsse der Vorjahre kaschieren und die „ofzielle“ Ausweisung eines Dezits vermeiden, so war dies ab dem Haushaltsjahr 1928/1929 nicht mehr möglich. Von da an war der Reichsetat auch „ofziell“ in den roten Zahlen. Ausgewiesen wurde ein Dezit von 154 Mio. Reichsmark. Realiter belief es sich auf rund 1,1 Mrd. Reichsmark (Tabelle 3).53 In entsprechender Höhe war das Reich „schwebend“ verschuldet.

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Tabelle 3: Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Hand in den Haushaltsjahren* 1925/1926-1928/1929, gerundet auf Mio. Reichsmark54 Gesamt** Ausg. Einn. 1925/26 1926/27 1927/28 1928/29

14.466 17.201 18.771 20.801

13.884 16.367 18.681 19.592

Reich Ausg. Einn.

Länder Ausg. Einn.

Gemeinden Ausg. Einn.

5.322 6.562 7.155 8.376

3.703 4.123 4.377 4.585

5.629 6.734 7.371 8.029

5.212 6.038 7.114 7.300

3.563 3.947 4.351 4.545

5.369 6.615 7.343 7.927

* Die Haushaltsjahre begannen am 01. April des Jahres und endeten am 31. März des Folgejahres. **Die Gesamteinnahmen und -ausgaben sind um wechselseitig erstattete Beträge bereinigt.

Solch ein Haushalts- und Verschuldungsgebaren barg Risiken. Die Möglichkeiten des deutschen Staates, sich per Kreditaufnahme zu nanzieren, waren nämlich im Vergleich zur Vorkriegsära erheblich reduziert. Nicht nur war es ihm weitgehend verwehrt, dafür die – mittlerweile unabhängige – Reichsbank in Anspruch zu nehmen: Gemäß § 25 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 waren Kredite an den Staat lediglich in Form kurzfristiger Kassenkredite und in Höhe von maximal 100 Mio. Reichsmark (seit 1926: 400 Mio. Reichsmark) gestattet;55 einer extensiven Kreditierung des Reiches durch die Zentralbank war also aufgrund der Inationserfahrung ein Riegel vorgeschoben worden. Der deutsche Staat konnte auch nicht mehr so reibungslos auf private Geld- und vor allem Kapitalmärkte zurückgreifen. Diese erwiesen sich nach der Währungsstabilisierung als wenig ergiebig; Resultat der weitgehenden Zerstörung des deutschen Geldkapitals in der Ination, Resultat einer instabilen internationalen Lage; Resultat auch einer von Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht betriebenen, phasenweise überaus restriktiven Geld- und Kreditpolitik. Hinzu kam eine generell gesunkene Kreditwürdigkeit der öffentlichen Hand.56 Die Ination und insbesondere die dezidierte Benachteiligung der Staatsgläubiger im Wiederaufwertungsprozeß (öffentliche Schulden wurden wesentlich geringer aufgewertet als private)57 hatten ihre Spuren hinterlassen. Das zeigte sich an den Schwierigkeiten des Reiches, Anleihen zu plazieren: Die von Reichsnanzminister Peter Reinhold 1927 aufgelegte „Reinhold-Anleihe“ konnte nur in Teilen untergebracht werden, obwohl deren Konditionen nachträglich zu Lasten des Reiches verändert worden waren.58 Es zeigte sich ferner an den hohen Zinssätzen, die der deutsche Staat im Vergleich zu privat-

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wirtschaftlichen Schuldnern wie auch im internationalen Vergleich zu entrichten hatte.59 Spätestens im Jahr 1929 wurden die mit der hohen schwebenden Verschuldung verbundenen Risiken offenbar. Das Reich stieß mehr und mehr auf Schwierigkeiten, überhaupt noch Kreditgeber zu nden, auf nationaler wie auf internationaler Ebene; die vom nunmehrigen Finanzminister Rudolf Hilferding aufgelegte „Hilferding-Anleihe“, die lediglich zu einem guten Drittel plaziert werden konnte, zeugen davon ebenso wie bisweilen demütigend anmutende Kreditverhandlungen der Regierung mit Bankhäusern.60 Ursächlich für diese Entwicklung war fraglos das weitere und bald dramatische Absinken der Kreditwürdigkeit des Deutschen Reiches. Angesichts eines sich anbahnenden Wirtschaftsabschwungs und sinkender Steuereingänge, angesichts eines erneuten Anstieges der Reparationszahlungen und überhaupt einer wieder auf die Tagesordnung gelangten Reparationsfrage mit all ihren Implikationen,61 angesichts einer gefährlich hohen kurzfristigen Auslandsverschuldung deutscher Banken und Unternehmen, angesichts einer inzwischen bekanntermaßen heiklen Etatsituation und eines offenkundigen, „auch politisch motivierten Widerstand[es] der Reichsbank gegen eine Erweiterung des Kreditvolumens für das Reich“62 machten sich unter potentiellen Gläubigern Zweifel breit, ob das Land seine Schulden würde tilgen können. Die Konsequenz: Das Reich geriet im Jahr 1929 in eine akute Kassenkrise.63 Es stellt sich abermals die Frage, wie es dazu hatte kommen können. Warum war der Etat erneut ins Dezit abgerutscht, so daß die jetzt so bedrohliche schwebende Schuld hatte entstehen können? Eine Antwort ist bereits gegeben worden: Die Ausgaben waren stärker erhöht worden als die Einnahmen. Zu den Einnahmen: Gegen die vorgenommenen Steuererhöhungen waren schon bald nach der Haushaltssanierung Klagen laut geworden. Wirtschaftsverbände und konservative Kreise hatten bereits 1924 Steuersenkungen eingefordert.64 Der Druck auf die Regierung war bald gewachsen. Sie hatte ihm nachgegeben, zuerst, provisorisch, indem in zwei Schritten primär Unternehmen und Besitzende entlastet worden waren. Eine neue, auf die Rechtsparteien gestützte Reichsregierung hatte der „wirtschafts- und vermögensfreundliche[n] Politik“ (Ullmann)65 dann endgültig zum Durchbruch verholfen. Im August 1925 waren Einkommen- und Vermögensteuer in einer Steuerreform dauerhaft gesenkt worden (der Spitzensatz der Einkommensteuer von 60 Prozent auf 40 Prozent, der Höchstsatz der Vermögensteuer um die Hälfte); Senkungen der Erbschaftsteuer waren gefolgt.66 Rufe nach weiteren Steuersenkungen waren laut geworden und sollten bis zum Ende der Weimarer Republik nicht mehr verstummen; Beobachter sprachen bisweilen

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von einer „Steuersenkungspsychose“.67 Zur Begründung wurde auf die krisenhafte Entwicklung der Wirtschaft verwiesen. Steuersenkungen, so auch die Sicht des 1926 ins Amt gelangten, liberalen Reichsnanzministers Peter Reinhold, seien dagegen das beste Mittel. Im „Steuermilderungsgesetz“ vom 31. März 1926 war es folglich zu weiteren Steuersenkungen gekommen.68 All diese Reformen tangierten zwangsläug die Einnahmeseite des Staatshaushalts. Reinhold hatte überdies, um der akuten, im Herbst 1925 eingesetzten Wirtschaftskrise gegenzusteuern, nicht nur Steuersenkungen initiiert. Diese waren ankiert worden von großzügigen Subventionen (und Exportförderkrediten) für Unternehmen sowie, in geringerem Umfang, von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Investitionsprogrammen der öffentlichen Hand.69 In der Folge hatte die von ihm selbst so bezeichnete Politik „hart am Rande des Dezits“ einerseits erhoffte Effekte gezeitigt; in der zweiten Jahreshälfte 1926 hatte ein Konjunkturaufschwung eingesetzt, in dessen Verlauf die Steuereinnahmen wieder angestiegen waren.70 Andererseits hatte sie – auch wegen der langfristig reduzierten Einnahmebasis – dazu beigetragen, eine nachhaltige Konsolidierung des Reichshaushaltes zu verhindern. Einen weiteren markanten Beitrag dazu hatte Reinholds Nachfolger, der Zentrumspolitiker Heinrich Köhler, geleistet. Er hatte den Reichsbeamten im Jahr 1927 Gehaltssteigerungen von einem knappen Fünftel genehmigt,71 Steigerungen, die sich, da von Ländern und Gemeinden nachzuvollziehen, in allen öffentlichen Haushalten niederschlugen. Die Personalausgaben stiegen sprunghaft, bei Reich, Ländern und Gemeinden.72 Insgesamt wuchsen die Ausgaben des deutschen Staates vom Haushaltsjahr 1925/1926 bis zum Haushaltsjahr 1928/1929 um über ein Drittel, von 14,5 Mrd. Reichsmark auf 20,8 Mrd. Reichsmark. Damit lag ihr Anteil am Bruttosozialprodukt bei 23,6 Prozent, gegenüber 14,3 Prozent vor dem Kriege.73 Allein die Ausgaben des Reiches überstiegen die Einnahmen um die erwähnten 1,1 Mrd. Reichsmark. Als der Sozialdemokrat Hilferding im Sommer 1928 das Amt des Reichsnanzministers antrat, übernahm er von seinen bürgerlichen Vorgängern einen nanzpolitischen Scherbenhaufen. Die Haushalts- und Verschuldungspolitik der Regierenden war also, das ist unbestreitbar, für die schwierige Situation am Ende der Zwanzigerjahre mitverantwortlich. Und doch greift auch hier die simple These eines vermeintlich „unsoliden“ Wirtschaftens und einer überbordenden Ausgabenpolitik zu kurz. Erstens ging und geht die seinerzeit in weiten Kreisen der Wirtschaft und in Teilen der Nationalökonomie zu beobachtende Verengung des Blicks auf den Anstieg der Ausgaben fehl.74 Abgesehen davon, daß der Anteil der öffentlichen Ausgaben am Volksein-

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kommen seit dem Haushaltsjahr 1926/1927 rückläug war:75 Ursächlich für das Abrutschen ins Dezit waren auch die in den Vorjahren erfolgten Steuersenkungen, die Beschneidung von Einnahmechancen des Staates.76 Zweitens wurde der Ausgabenzuwachs eben nicht nur durch steigende Löhne und Gehälter oder gar durch verschwenderisches Wirtschaften hervorgerufen, sondern auch durch den sich in jenen Jahren in allen Industrieländern vollziehenden Ausbau des Sozialstaates,77 insbesondere aber, wie erwähnt, durch in hohem Maße konjunkturanregende, die Wirtschaftskrise der Jahre 1925/1926 mit behebende und das Wachstum der „goldenen“ Zwanzigerjahre mit ermöglichende öffentliche Investitionen.78 Ohnehin war, drittens, die Gesamtverschuldung des deutschen Staates keineswegs überbordend, weder im internationalen Vergleich noch im Vergleich zur Vorkriegszeit.79 Am Ende des Haushaltsjahres 1928/1929 belief sie sich (ohne Reparationsschulden) auf 20,6 Prozent des Sozialprodukts (1913/1914: 62,7 Prozent); das Dezit des Reichshaushaltes lag bei 1,3 Prozent des Sozialprodukts.80 Letztlich entscheidend und mit Blick auf die schwebenden Schulden krisenverschärfend, wenn nicht krisenerzeugend, war die in politischer wie in ökonomischer Hinsicht hochdifzile und sich mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise dramatisch verschlechternde Situation auf internationaler Ebene. In deren Zentrum standen die nur vorübergehend entspannte Reparationsproblematik sowie die damit untrennbar verbundene Zahlungsbilanzproblematik. Die seit 1926 gemäß dem Dawes-Plan wieder steigenden Reparationsraten belasteten nämlich nicht nur die deutschen Staatsnanzen unmittelbar.81 Sie gefährdeten erneut die deutsche Währung: Die deutsche Volkswirtschaft war außerstande, die für jene Raten erforderlichen Devisen durch entsprechende Exportüberschüsse zu erwirtschaften.82 Die nötigen Devisen gelangten stattdessen per Kapitalübertragung ins Land: Banken und Unternehmen (die Auslandsschulden der öffentlichen Hand elen demgegenüber weniger ins Gewicht),83 die ihren Kapitalbedarf – nicht zuletzt wegen der restriktiven Politik der Reichsbank84 – im Inland nicht decken konnten, verschuldeten sich im Ausland. Die dabei einströmenden Devisen ossen umgehend in Form von Reparationszahlungen an die Siegermächte weiter.85 Im Ergebnis war die deutsche Volkswirtschaft im Ausland hoch verschuldet (Umfang Ende des Jahres 1930 ohne Reparationsschulden: 25,6 Mrd. Reichsmark, das heißt circa 31 Prozent des Sozialprodukts) und zwar – auch dies mit ein Ergebnis der geringen deutschen Kreditwürdigkeit – überwiegend kurzfristig (14,8 Mrd. Reichsmark), ohne daß die entsprechenden Devisenvorräte bei der Reichsbank verblieben wären.86 Würden die geliehenen, überwiegend langfristig investierten Mit-

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tel abgerufen werden, wären weder Banken und Unternehmen in der Lage, diese zurückzuzahlen, noch verfügte die Reichsbank dann über die für den Transfer erforderlichen Devisen. Das „Reparationssystem“ und mit ihm das „System“ der internationalen Zahlungsströme war also hochfragil. Es basierte darauf, daß die ausländischen Gläubiger bereit waren und blieben, ihre nach Deutschland ausgereichten Kredite zu prolongieren beziehungsweise, soweit erforderlich, neue Mittel zu gewähren. Es basierte auf dem Vertrauen in die (Devisen-)Zahlungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und des Deutschen Reiches. Mit dem Einsetzen und der Verschärfung der Weltwirtschaftskrise sollte dieses Vertrauen schwinden.

4. W 1929-1933 Die Weltwirtschaftskrise traf Deutschland mit voller Härte. Im Winter 1929/1930 überschritt die Arbeitslosenzahl zum ersten Mal die Dreimillionengrenze. Im folgenden Winter stieg sie auf fast fünf Millionen, im Winter 1931/1932 auf über sechs Millionen. Die Industrieproduktion schrumpfte in den Jahren von 1929 bis 1932 real gegenüber 1928 um insgesamt 41 Prozent. Das Bruttosozialprodukt verringerte sich nominal (in laufenden Preisen) um 36 Prozent, real (preisbereinigt) um 16 Prozent. Der Grund für die Differenz: Es herrschte Deation. Die Preise verelen um durchschnittlich 23 Prozent. Das Volkseinkommen sank nominal um 43 Prozent.87 Es handelte sich um einen „in der Geschichte des industriellen Kapitalismus einmalige[n] Einbruch“.88 Zuletzt schien nichts mehr „in Deutschland zu gehen, das ganze staatliche und sozioökonomische System schien in seinen Grundfesten erschüttert: mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer ganz oder teilweise arbeitslos, das Gros der Industrie am Ende seiner nanziellen Kräfte, die Landwirtschaft in Existenznöten, Länder und Kommunen durch Finanzkrisen und Verlust parlamentarischer Mehrheiten gelähmt, die nanziell ausgeblutete Sozialversicherung vor dem Zusammenbruch“.89 Nun nehmen in Wirtschaftskrisen für gewöhnlich die Staatsausgaben zu, vor allem aufgrund steigender Transferleistungen (zum Beispiel Alimentierung von Arbeitslosen), und die Staatseinnahmen ab, vor allem aufgrund sinkender Steuereingänge. Es entstehen Lücken im Staatshaushalt, welche dann in der Regel per Kreditaufnahme gedeckt werden („konjunkturelles Dezit“).90 Agiert der Staat antizyklisch, versucht er mittels einer decit spending policy das Absinken der privaten Nachfrage durch eine Ausweitung der öffentlichen Nachfrage zu kompensieren, wird der Schuldenstand abermals erhöht („antizyklisches De-

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zit“).91 Und in der Tat: Im Betrachtungszeitraum nahm die Verschuldung des deutschen Staates zu. Die nachstehende Tabelle führt es vor Augen. Vom Ende des Haushaltsjahres 1928/1929 bis zum Ende des Haushaltsjahres 1932/1933 stieg sie nominal um ein Drittel von 18,2 Mrd. Reichsmark auf 24,4 Mrd. Reichsmark. Die Verschuldung des Reiches (ohne Reparationsschulden) wuchs dabei überproportional, von 8,2 Mrd. Reichsmark auf 11,7 Mrd. Reichsmark, um 42 Prozent. Indes, der Anstieg vollzog sich nicht kontinuierlich. Die Daten lassen zwei klar voneinander zu scheidende Phasen erkennen. In der ersten, bis zum Ende des Haushaltsjahres 1930/1931 währenden Phase nahmen die öffentlichen Schulden zu. In der zweiten, mit dem Beginn des Haushaltsjahres 1931/1932 einsetzenden Phase stagnierten sie. Auf dem Tiefpunkt der Depression fand also keine nennenswerte Neukreditaufnahme des Staates mehr statt. Dafür gab es Gründe, und das hatte Konsequenzen. Tabelle 4: Verschuldung von Reich, Ländern und Gemeinden 1928/1929-1932/1933, Stand am Ende des Haushaltsjahres (ohne Reparationsschulden) in Mio. Reichsmark92

31.03.1929 31.03.1930 31.03.1931 31.03.1932 31.03.1933

Gesamt

Reich

Länder

Gemeinden

18.159 21.319 24.022 24.177 24.347

8.229 9.630 11.342 11.434 11.690

2.202 2.590 2.752 2.794 2.951

7.729 9.099 9.928 9.949 9.706

Die Haushaltsjahre begannen am 01. April des Jahres und endeten am 31. März des Folgejahres; Abweichungen in den Summen aufgrund von Rundungen.

Einer der Gründe: Eine Kreditaufnahme des deutschen Staates wie auch deutscher Unternehmen und Banken auf ausländischen Geld- und Kapitalmärkten war seit 1931 erheblich erschwert. Der Kreditstrom nach Deutschland war, wie erwähnt, bereits 1929 abgeebbt. Nach dem furiosen Wahlerfolg der NSDAP in den Reichstagswahlen vom September 1930 hatte er sich endgültig umgekehrt. Ausländische Gläubiger hatten begonnen, ihre Mittel aus dem Reich abzuziehen. Die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und nun auch an der Zahlungswilligkeit Deutschlands in Devisen waren weiter gewachsen. Nach einer vorübergehenden Entspannung der Situation hatte sich der Abuß im zweiten Quartal des Jahres 1931 wieder beschleunigt, um zuletzt in eine – auch deutsche – Kapitalucht umzuschlagen.93 Schließlich war die Reichsbank trotz ei-

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ner (mit dem einjährigen Hoover-Moratorium) gewährten Aussetzung der Reparationszahlungen an ihre Grenzen gelangt. Ihre Devisenbestände hatten nicht mehr hingereicht, um den Transfer zu ermöglichen. Die Reichsregierung hatte daraufhin, im Juli 1931, den freien Geld- und Kapitalverkehr mit dem Ausland unterbunden und die Devisenzwangswirtschaft installiert.94 Darüber hinaus waren mit den ausländischen Gläubigern – mit denen des Staates ebenso wie mit denen der Privatwirtschaft – Zahlungsmoratorien vereinbart worden, die in der Folgezeit mehrfach verlängert wurden. Die Auslandsschulden waren eingefroren.95 Daß zur gleichen Zeit auch die Neuverschuldung des Staates im Inland stagnierte, lag einerseits an der verheerenden Lage auf den inländischen Geld- und Kapitalmärkten. Das deutsche Kreditwesen war im Sommer 1931 vollständig kollabiert. Innerhalb weniger Wochen hatte erst die größte deutsche Landesbank, die Rheinische Landesbank, dann eine der großen deutschen Aktienbanken, die Darmstädter und Nationalbank, ihre Schalter schließen müssen.96 Daraufhin war es zu einem Run gekommen, dem die Regierung nicht nur mit staatlich verordneten Bankfeiertagen und der Schließung aller Wertpapierbörsen sowie einem Verbot des Wertpapierhandels begegnet war.97 Das Reich hatte sich auch gezwungen gesehen, die de facto bankrotten Großbanken unter hohen Kosten zu sanieren und zu restrukturieren, während die Reichsbank, um den bloßen Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten, den Sparkassen und Banken mit Liquiditätshilfen unter die Arme hatte greifen müssen.98 Auch die inländischen Geld- und Kapitalmärkte konnten also kaum mehr beansprucht werden, wollte die öffentliche Hand sich verschulden. Die einzige Institution, die in Deutschland noch in der Lage gewesen wäre, Kredit respektive Geld zu schöpfen und den Staat umfänglich zu kreditieren, war die Reichsbank (die für Letzteres allerdings, wie später auch geschehen, den erwähnten § 25 des Bankgesetzes hätte umgehen müssen). Der entscheidende Grund für das Abstoppen der Neuverschuldung bestand aber in der Deationspolitik des von Ende März 1930 bis Ende Mai 1932 amtierenden Reichskanzlers Heinrich Brüning. Die Konsolidierung der Staatsnanzen war bereits im Dezember 1929, unter der Kanzlerschaft des Sozialdemokraten Hermann Müller, in Angriff genommen worden.99 Unter Brüning rückte sie an die Spitze der Agenda, genoß, wie es im Mai 1931 der Staatssekretär im Finanzministerium formulierte, „das Primat vor allen anderen Aufgaben“.100 Der „Hungerkanzler“,101 ohnehin davon überzeugt, daß das Land und speziell der Staat in den Vorjahren über ihre Verhältnisse gelebt hätten, der Krise gleichsam eine Katharsisfunktion zukomme, exerzierte eine Politik der „Haushaltssanierung um jeden Preis“102 (Schaefer), ergriff in mehreren Notverord-

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nungen rigorose Maßnahmen zur Kürzung der Staatsausgaben und zur Erhöhung der Staatseinnahmen sowie zur Abstoppung der öffentlichen Neuverschuldung.103 Ergo wurden Steuern erhöht, vorrangig solche, die von abhängig Beschäftigten und Beziehern kleiner Einkommen zu tragen waren, neben der Lohn- und Einkommensteuer vor allem die Verbrauchsteuern: Umsatzsteuer, Zuckersteuer, Tabaksteuer und Biersteuer beispielsweise. Gespart wurde an den Personalausgaben, mittels eines faktischen Einstellungsstopps und mehrfacher Gehaltskürzungen: Im Schnitt sanken die im öffentlichen Dienst gezahlten Löhne und Gehälter um fast ein Viertel. Drastisch gekürzt wurden Transferleistungen jeglicher Art: Pensionen und Renten, Leistungen der Kriegsopferversorgung, der Krankenversicherung und, notabene, der Arbeitslosenversicherung.104 Der Reichszuschuß zur letzteren sollte komplett gestrichen werden; auf dem Höhepunkt der Depression sollten deshalb von der Arbeitslosenversicherung trotz verdoppelter Beitragssätze nicht einmal halb so viele Gelder an Unterstützungsleistungen gezahlt werden wie im Vorkrisenjahr 1928.105 Gespart wurde schließlich an den Sachausgaben und zwar so weitgehend, daß „die Republik [das Reich], die Länder und die Kommunen als Abnehmer von Gütern und Dienstleistungen de facto auselen“.106 Die beschriebene Politik erfolgte nämlich nicht nur auf der Ebene des Reiches. Länder und Gemeinden wurden gezwungen, sie nachzuvollziehen, erlebten darüber hinaus eine regelrechte „nanzielle Austrocknung“.107 In der Folge kam nicht nur die staatliche Bautätigkeit fast zum Erliegen; in der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 wurde die Errichtung neuer öffentlicher Gebäude gänzlich verboten. Die öffentlichen Investitionen schrumpften in ihrer Gesamtheit. Im Jahr 1932 lagen sie fast zwei Drittel niedriger als vor der Krise.108 Brünings Zugriff beschränkte sich keineswegs auf die Haushaltspolitik der öffentlichen Hand. Er intervenierte, obschon respektive gerade weil der ökonomischen Klassik verhaftet, massiv und unmittelbar in das Wirtschaftsgeschehen, auch in die Preisbildung. Er erzwang – eine weitere zentrale Komponente seiner Politik – die „parallele“ Senkung von Löhnen und Preisen.109 Damit sollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen gestärkt werden, um einen Exportanstieg und in der Folge einen Konjunkturaufschwung zu bewirken.110 Er erzwang, ebenfalls qua Notverordnung, die Absenkung der Zinsen am Kapitalmarkt. Dies reduzierte die Zinslast gleichermaßen privater und öffentlicher Schuldner und die aus ihr resultierende Beanspruchung der laufenden Haushalte.111 Schließlich ergriff er Maßnahmen, die unmittelbar darauf abzielten, die öffentliche Neuverschuldung abzustoppen. Am 05. August 1931 wurde es öffentlichen Kreditinstituten

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verboten, Kredite an Gemeinden auszureichen. Für letztere kam dieses „Kommunalkreditverbot“, verkörperten Sparkassen und Landesbanken beziehungsweise Girozentralen doch ihre nahezu ausschließlichen Kreditgeber, einem Verschuldungsverbot gleich.112 Über die Frage, ob Brüning hätte anders handeln können oder ob er, ähnlich wie die Regierungen der Nachkriegszeit, Handlungszwängen unterworfen war, die ihm ein anderes Vorgehen verwehrten, herrscht seit Jahrzehnten Uneinigkeit.113 Die Kontroverse erstreckt sich auch auf etwaige positive Effekte seiner Politik, auch hinsichtlich der Sanierung der Staatsnanzen und des Abstoppens der Neuverschuldung. Außer Frage steht jedoch, daß Brünings dezidiert prozyklische Politik die Wirtschaftskrise in Deutschland verschärfte.114 Die Steuererhöhungen wie auch die radikale Senkung von Löhnen, Gehältern und Transferleistungen ließen die ohnehin sinkende private Nachfrage weiter schrumpfen. Die Kappung der Sachausgaben verringerte die öffentliche Nachfrage; allein der faktische Investitionsstopp der öffentlichen Hand ist in seiner Wirkung kaum zu überschätzen. Der deationäre Prozeß an sich (die Geldmenge schrumpfte von Ende 1929 bis Anfang 1933 um mehr als ein Drittel,115 Schulz spricht nicht zu Unrecht von einer „Hyperdeation“),116 der massive und fortdauernde Rückgang der Preise, unterminierte gleichermaßen die Bereitschaft zu konsumieren wie zu investieren.117 Ganz gewiß nicht zu überschätzen sind schließlich die politischen Folgewirkungen seiner Politik, die Verstörung und Verelendung weiter Kreise der Bevölkerung und die damit einhergehende politische Radikalisierung. Brüning war dafür offenkundig, so Blaich in einer nach wie vor treffenden Einschätzung, „blind“, „blind für das soziale Elend, das seine Politik hervorrief, und [er] nahm im Interesse seiner Reparationspolitik [die Beseitigung der Reparationen war neben der Haushaltssanierung das zweite zentrale Ziel seiner Politik] den Katastrophenwinter 1931/1932 bewußt in Kauf“.118 Wird die Brüning’sche Politik an ihren eigenen Zielsetzungen und insbesondere in Hinsicht auf Staatshaushalt und Staatsverschuldung gemessen, so ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Einerseits wurde die deutsche Reparationsschuld kurz nach Brünings Entlassung tatsächlich bis auf eine Restsumme von 3 Mrd. Reichsmark gestrichen.119 Die politischen Auslandsschulden waren damit beseitigt. Auch war der Anstieg der öffentlichen Verschuldung zum Stillstand gekommen. Die Reichsregierung war ferner – sehen wir von ihrer mit Devisenzwangswirtschaft und Stillhalteabkommen eingestandenen internationalen Zahlungsunfähigkeit ab – auf nationaler Ebene zahlungsfähig geblieben.120

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Andererseits waren die Exporte aufgrund der allerorten um sich greifenden beggar my neighbour policy massiv eingebrochen.121 Die öffentlichen Haushalte waren keineswegs saniert: Als Brüning entlassen wurde, schrieb der Staat nach wie vor rote Zahlen, und zwar auf allen Ebenen.122 Der Wettlauf zwischen Ausgabenkürzungen und Einnahmeabfällen war also trotz aller Steuererhöhungen und trotz eines fast vollständigen Wegfalls der Reparationszahlungen verloren worden. Bleibt die Frage nach der Konsolidierung der Schuldenlage respektive des Abstoppens der Neuverschuldung. Nominell war Letzteres erreicht, wie beschrieben. Berücksichtigt man die Preisentwicklung, ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Real, in Preisen von 1913, stieg die Staatsverschuldung auch nach dem Sommer 1931 weiter. Die nachfolgende Tabelle (Tabelle 5) führt es vor Augen. Ebenfalls durchgängig stieg die Verschuldung relativ zum Sozialprodukt. Allein im Haushaltsjahr 1931/1932 nahm die betreffende Quote um fast sechs Prozentpunkte zu. Bis zum Ende des Haushaltsjahres 1932/1933 sollte sie sich dann gegenüber dem Frühjahr 1929 mehr als verdoppeln, von 20,6 Prozent auf 42,9 Prozent. Tabelle 5: Daten zur öffentlichen Verschuldung in Deutschland 1928/1929-1932/1933, Stand am Ende des Haushaltsjahres (ohne Reparationsschulden)123 Reich, Länder, Gemeinden Stand je zum 31.03 1929 1930 1931 1932 1933

Schulden, nominal: % des BSP

Schulden, preisbereinigt Mio. M*

20,6 24,1 29,2 35,0 42,9

14.527 16.933 20.170 22.386 25.388

Reich

dito: Anstieg in %**

Schulden, nominal: % des BSP

Schulden, preisbereinigt Mio. M*

17 19 11 13

9,3 10,9 13,8 16,6 20,6

6.583 7.649 9.523 10.587 12.190

dito: Anstieg in %**

16 25 11 15

*in Preisen von 1913; **Anstieg gegenüber dem Vorjahr Die Haushaltsjahre begannen am 01. April des Jahres und endeten am 31. März des Folgejahres.

Speziell darin, im seinerzeitigen Anstieg der deutschen Staatsschulden relativ zum Sozialprodukt, aber auch im nicht erreichten Haushaltsausgleich spiegelt sich das bis heute ungelöste oder besser strittige Dilemma einer jeglichen Austeritätspolitik. Das Prinzip der „sparsamen schwäbischen Hausfrau“ ist eben nicht unmittelbar auf einen Staat

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übertragbar. Die „schwäbische Hausfrau“ kann ihre Ausgaben kürzen, ohne daß ihre Einnahmen zurückgehen; der Staat kann dies nicht. In seinem Fall führen Ausgabenkürzungen inmitten einer Wirtschaftskrise aufgrund ihrer Folgeeffekte – des dadurch verstärkten Rückgangs von Produktion und Beschäftigung mit all seinen Auswirkungen, auch auf die Steuerbasis – fast zwangsläug zu Einnahmeausfällen, welche die Einsparungen im ungünstigen Fall sogar überwiegen können. Zugleich steigt selbst eine nominal stagnierende Verschuldung relativ zum sinkenden Sozialprodukt weiter an. Unter der Ägide des „braven Hausvaters“124 Brüning war genau das der Fall. Verstärkt wurde der Effekt durch Maßnahmen der Reichsregierung, die ihrem eigenen Sanierungskonzept gänzlich zuwiderliefen; Maßnahmen, die die Haushaltslücke weiteten, ohne eine nennenswerte antizyklische Wirkung zu entfalten: die Senkung einiger „Besitzsteuern“125 beispielsweise, die milliardenschwere Subventionierung ostelbischer Großagrarier sowie einzelner Industriekonzerne oder auch die erwähnte Stützung der Großbanken.126 Der Übergang zu Elementen einer in ihren Grundzügen bekannten und in der Krise des Jahres 1925/1926 bereits praktizierten, antizyklischen staatlichen Wirtschaftspolitik, erfolgte dennoch – und zwar deutlich vor dem Amtsantritt Hitlers. Jene Finanzierungstechnik, die es dem Staat ermöglichte, sich unter Wahrung des Bankgesetzes zu verschulden und die vom Regime Hitler später extensiv genutzt werden sollte, wurde ebenfalls bereits vorher entwickelt: in den letzten Wochen der Regierung Brüning. Im Mai 1932 beschloß diese ein Arbeitsbeschaffungsprogramm im Umfang von 135 Mio. Reichsmark. Zur Finanzierung sollten Handelswechsel kreiert werden, zu ziehen auf ein privatrechtliches Unternehmen, die Gesellschaft für Öffentliche Arbeiten OEFFA AG, beleihbar bei der Reichsbank.127 Unter Brünings Nachfolgern Franz von Papen und Kurt von Schleicher wurde das Programm ausgedehnt und durch weitere, qua Ausgabe von Steuergutscheinen ebenfalls kreditnanzierte Programme ergänzt.128 In der Folge sollte die Verschuldung des Reiches auch nominell wieder leicht ansteigen (Tabelle 4). Ob aus der positiven Entwicklung einzelner Konjunkturindikatoren geschlossen werden kann, daß im Herbst 1932 ein nachhaltiger Aufwärtstrend einsetzte, mag durchaus bezweifelt werden.129 Eines aber steht außer Frage: Die Weimarer Republik hinterließ ein ungleich „besseres“ Erbe als das Kaiserreich, insbesondere hinsichtlich der Staatsverschuldung und der Staatsnanzen.

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5. F In der Geschichte der Weimarer Republik spiegeln sich in seltener Deutlichkeit „Wohl und Wehe“ der Staatsverschuldung. Schon zum Zeitpunkt ihrer Geburt war sie hoch verschuldet, so hoch, daß ihre jungen Regierungen sich angesichts eines politisch wie ökonomisch extrem widrigen Umfeldes gezwungen sahen, die im Krieg eingekehrte Dezitpolitik fortzuführen. Diese erleichterte den Übergang in die Friedenswirtschaft und die Bewältigung der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der Preis dafür war allerdings hoch. Mit der steigenden Staatsverschuldung einher ging nämlich eine bereits im Krieg einsetzende und im Jahr 1923 kulminierende Ination. Die Reichsregierung wußte sich ihrer vom Kaiserreich hinterlassenen „Erbschaft“ mithin nicht anders zu entledigen als mit einer Entwertung des Geldes und der damit einhergehenden faktischen Streichung ihrer auf Mark lautenden Schulden. Danach, in den „goldenen“ Zwanzigerjahren, stieg die Staatsverschuldung erneut an, allerdings, bleiben die Reparationsschulden außer Betracht, zu keinem Zeitpunkt auf das Niveau der Kriegs- und Nachkriegszeit, nicht einmal mehr auf das der Vorkriegszeit. Die Verschuldung zeitigte positive Effekte: die auch durch eine dezitnanzierte Konjunkturpolitik erreichte Überwindung der Wirtschaftskrise 1925/1926 beispielsweise, vor allem aber die Ermöglichung umfänglicher öffentlicher Investitionen mit all ihren Implikationen. Angesichts eines weiterhin schwierigen Umfeldes, fragiler Geld- und Kapitalmärkte (mit einer gefährlich hohen kurzfristigen Auslandsverschuldung von Banken und Unternehmen) und instabiler internationaler Beziehungen (mit einer letztlich ungelösten Reparationsproblematik) barg die Verschuldung jedoch Risiken in sich. Das galt in Sonderheit für die schwebende Finanzierung eines wachsenden Dezits im Reichshaushalt. In der Weltwirtschaftskrise betrieb die Regierung Brüning eine dezidiert prozyklische Politik, gekennzeichnet durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Der Ausgleich des Staatshaushalts und die Abstoppung der Neuverschuldung genossen jetzt – neben dem Ziel einer Beseitigung der Reparationslast – oberste Priorität. In der Folge wurde der Schuldenanstieg zwar – neben der tatsächlich erreichten Streichung der Reparationsschulden – nominell abgebremst. Preisbereinigt und in Relation zum Sozialprodukt wuchs die Verschuldung aber umso stärker an. Damit zeigten sich die Grenzen der – auch infolge einer kritischen Sicht auf die Schuldenpolitik der Vorjahre – praktizierten Politik einer (nominellen) „Nicht-Staatsverschuldung“ in Krisenzeiten. Sie verschärfte nicht nur den Konjunkturrückgang. Sie verfehlte auch die proklamierten Ziele eines Haushaltsausgleichs und einer realen Abbremsung

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oder gar einer Verminderung der Staatsverschuldung. Ihre „geradezu ungeheuerlichen sozialen und politischen Kosten“130 sind bekannt.

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Georg Eckert Vom Ticken der Schuldenuhr: Zwischenbetrachtung zum Paradigmenwechsel der Staatsverschuldung in den 1960er Jahren Seit den 1960er Jahren tickt die Schuldenuhr in Deutschland immer schneller. Hatten die Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes im Jahre 1960 lediglich rund 29 Mrd. Euro betragen, waren daraus im Jahre 1970 bereits 64 Mrd. Euro geworden, 239 Mrd. Euro im Jahre 1980; fünfzehn Jahre später überschritten die von der Wiedervereinigung zusätzlich angetriebenen Schulden die Grenzen von einer Billion Euro, betrugen an der Jahrtausendwende nunmehr 1,2 Billionen Euro und stiegen in der Finanz- und Staatsschuldenkrise im Jahre 2010 schließlich auf mehr als 2 Billionen Euro.1 An diese neuen Größenordnungen muß sich auch die Sprache erst noch gewöhnen: Für die Billion hat sich in der breiten Öffentlichkeit noch keine Abkürzungskonvention durchgesetzt, das naheliegende „Bio.“ ist unglücklicherweise bereits besetzt. Quantitativ stellen die jüngsten Entwicklungen ein neues Phänomen dar, qualitativ – anders formuliert: in der Begründung immer größerer Schulden – hingegen resultieren sie aus dem entscheidenden skalischen Paradigmenwechsel hin zur ihrer Natur nach auf die Förderung des Konsums ausgerichtete beziehungsweise, in John Maynard Keynes‘ eigenen Worten, an der „Konsumneigung der Bevölkerung“2 orientierten Konjunkturpolitik. Er hatte sich in Deutschland schon in den späten 1950er Jahren angedeutet und vollzog sich während der Regierungszeit der ersten Großen Koalition (1966-1969): Der deutsche Staat – Bund, Länder und die oft vergessenen Landkreise sowie Kommunen – begann im großen Umfang, Kredite aufzunehmen, um gemäß einer im nachhinein leicht als „Vulgärkeynesianismus“3 zu brandmarkenden Lehre die Nachfrage zu erhöhen und dadurch die zwischenzeitlich eingetretene wirtschaftliche Stagnation zu überwinden. Die feste Erwartung jener Jahre, eine hohe temporäre Staatsverschuldung werde sich im zuverlässig zu prognostizierenden Wirtschaftswachstum amortisieren beziehungsweise gegennanzieren, trog freilich: In den 1980er Jahren überstiegen die Zinsausgaben bereits die noch immer betriebene Neuverschuldung,4 neue Kredite wurden mithin auf-

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genommen, um alte Schulden zu bedienen. Die Staatsschuldenquote schoß von rund 20 Prozent des seither erheblich angewachsenen Bruttoinlandsproduktes um 1970 auf über 40 Prozent Anfang der 1980er Jahre, um nach der Deutschen Einheit binnen weniger Jahre noch einmal 20 Prozent zuzulegen;5 im Jahre 2010 stand sie bei 83 Prozent (die Quote Griechenlands lag übrigens mehr als doppelt so hoch);6 die wirtschaftliche Lage verbesserte sich dadurch gleichwohl kaum, zu ansteigender Arbeitslosigkeit gesellte sich in den von der Ölkrise geprägten 1970er Jahren eine hohe Inationsrate („Stagation“). Die erhofften konjunkturpolitischen Wirkungen blieben aus, zudem ließen sich gesellschaftliche Verteilungskonikte nicht mehr über Wachstumseffekte lösen, so daß die Staatsverschuldung immer mehr konsumtiv statt investiv eingesetzt wurde. So wird im Bundeshauhaltsplan für das Jahr 2012 die Bundesschuld mit einer Summe von mehr als 38 Mrd. Euro auf der Ausgabenseite nur noch vom Etat des Arbeits- und Sozialministeriums in Höhe von über 126 Mrd. Euro übertroffen:7 Einen Zusammenhang zwischen beiden Zahlen zu negieren, fällt schwer. Welcher elementare Prinzipienwandel die enorme Ausweitung und die neue Zweckbestimmung der Staatsschulden seit den 1960er Jahren begleitet und erst ermöglicht hat, soll diese essayistische Zwischenbetrachtung pointiert darstellen – als Blick auf einen nicht nur in Deutschland vollzogenen Paradigmenwechsel der Staatsverschuldung.

1. D Z  Z: S  S Nicht allein die schiere Höhe der gegenwärtigen Schulden, weitaus mehr die absolute als die relative,8 ist einzigartig – bemerkenswert bleibt auch die Tatsache, daß sich erst das ausgehende 20. Jahrhundert ein Bild von der Staatsverschuldung gemacht hat, und zwar ein ganz besonderes: Das Zeug zur politischen Metapher und Ikone des 21. Jahrhunderts schlechthin hat die immer schneller tickende Schuldenuhr, wie sie der New Yorker Immobilieninvestor Seymour B. Durst (1913-1995) am 20. Februar 1989 zum ersten Mal an einer Kreuzung der 42nd Street in Manhattan hat installieren lassen. Mittlerweile um zwei Straßenblöcke versetzt und weltweit mannigfach nachgeahmt, zeigt sie in Echtzeit das rasante Wachstum der Schulden der USA an, die ebenfalls unerwartete Dimensionen erreicht haben: Als die New Yorker Schuldenuhr im Jahre 2008 unvorhergesehenerweise ihre ursprüngliche technische Darstellungsgrenze von 10 Billionen US-Dollar erreicht hatte, mußte sogar eine zusätzliche Ziffer angebracht werden, um die weitere Zunahme der Staatsverschuldung noch abbilden zu können. Damit hatte Durst respek-

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tive sein Unternehmen nicht gerechnet, das durch die Schuldenuhr umso wirkungsvoller für seine langfristige Blickweise auf die Geldanlagen seiner Kunden zu werben trachtet.9 Auch der Bund der Steuerzahler hat bereits im Jahre 1995 am damaligen Hauptsitz in Wiesbaden, sodann im Jahre 2004 in Berlin-Mitte eine in sämtlichen Medien seither vielfach reproduzierte Schuldenuhr installiert,10 die ebenso wie ihr New Yorker Vorbild den aktuellen Stand der Staatsverschuldung anzeigt, freilich der deutschen. Die Staatsverschuldung also ist in der jüngeren Moderne nachgerade zu einer politischen Kraft sui generis geworden, der eine eigene Darstellungsform gebührt – und zwar eine Darstellungsform, die zugleich das Unbehagen an der Staatsverschuldung trefflich ausdrückt: Sie ist zwar darstellbar, aber doch nicht faßbar. Ihre unwiderlegbare, unwiderstehliche, gnadenlos objektive Zahlen-Quantität transportiert keine Qualität, die adäquat symbolisiert werden könnte. Weil sie eine anonyme Größe bildet, kann sie kaum sinnbildlich dargestellt, sondern lediglich als Pro-KopfVerschuldung in alltagsnähere, der Höhe des entsprechenden Betrages wegen für den Durchschnittsbürger sogleich aber wieder alltagsferne (im September 2012 notierte der Bund der Steuerzahler eine Pro-KopfVerschuldung von mehr als 25.000 Euro)11 Relationen gesetzt werden. Daß es für die Staatsverschuldung bezeichnenderweise keine klassische Allegorie gibt, weist indes auf einen grundlegenden Wandel ihrer öffentlichen Bewertung in der Moderne hin: Einerseits galt sie vor dem 20. Jahrhundert nicht als relevant genug, um eigens abgebildet zu werden, andererseits stellte sie in der öffentlichen Einschätzung gleichsam nur einen Effekt einer verderblichen Regierungsweise dar, klassischerweise etwa eines Monarchen, aus dessen eigennützigen, leicht zu veranschaulichenden Lastern eben auch übermäßige Kredite resultierten. Selbst in der schuldengeplagten Weimarer Republik erschienen die Lasten aus Zins und Tilgung nicht als eigenständige politische Größe, sondern wesentlich als üble Folge eines als schändlich empfundenen Friedensvertrages, des vieldenunzierten „Diktats von Versailles“ – etwa in jener Kampagne, die im Jahre 1929 zu einem Volksbegehren gegen den Young-Plan führte: Die aus dem rechten politischen Spektrum stammenden Initiatoren des schließlich gescheiterten Volksentscheides beantragten gar, eine Unterzeichnung von weiteren Verträgen über Reparationsverpichtungen als Landesverrat zu ahnden.12

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2. E T   N: V  R  K (1957) Bonn war nicht Weimar, auch nicht in dieser Hinsicht. In der jungen Bundesrepublik bestand nämlich bald kein Anlaß mehr, die Staatsverschuldung für ein sonderlich relevantes politisches Problem zu erachten. Schließlich war im Londoner Schuldenabkommen, das der Bankier Hermann Josef Abs zwischen 1951 und 1953 mit den drei Westmächten sowie zahlreichen weiteren Gläubigerländern verhandelt hatte, eine erhebliche Reduktion der Zins- und Tilgungsraten der Schulden des in jeder Hinsicht ruinierten, bankrotten Deutschen Reiches gelungen. Die Bundesrepublik hatte sie im Sinne ihres staatsrechtlichen Alleinvertretungsanspruches übernommen. Das Londoner Abkommen reduzierte die Schuldensumme von insgesamt rund 30 Mrd. Deutsche Mark, auf die sich Vorkriegs- und Nachkriegsschulden gemeinsam beliefen, auf einen Betrag von rund 14,5 Mrd. Deutsche Mark, die nach einem gestaffelten Zahlungsplan bereits in den 1980er Jahren getilgt sein sollten, während gleichzeitig im Luxemburger Abkommen zusätzliche Zahlungen von 3,5 Mrd. Deutsche Mark an den Staat Israel sowie an diverse jüdische Opfer-Organisationen vereinbart wurden,13 sozusagen als „Verwandlung von Schuld in Schulden“.14 Vor allem die USA hatten darauf gedrungen, Deutschland keine massiven Reparationen aufzuerlegen und dieses Thema bis zum Abschluß eines Friedensvertrages auszuklammern – nicht aus Prinzip, sondern aus Staatsraison: Ihre ökonomische Macht konnten die Vereinigten Staaten im Kalten Krieg auch auf diese Weise politisch gegen die Sowjetunion einsetzen,15 deren harsche Reparationspolitik in der eigenen Besatzungszone in Ostdeutschland unterdessen katastrophale ökonomische Resultate zeitigte.16 Das deutsche, doppelte Motiv dieser Verhandlungen formulierte Theodor Heuss bereits vor Beginn sämtlicher Verhandlungen in einer Unterredung mit Konrad Adenauer präzise. Der Bundespräsident erklärte bei einem Unterredung mit dem Bundeskanzler im Dezember des Jahres 1950, „es sei ihm von Anfang an klar gewesen, daß man als Rechtsnachfolger des Reiches und als honoriger Staat diese Anerkenntnis leisten müsse, schon um die internationale Kreditfähigkeit der Bundesrepublik wiederherzustellen“.17 Im Umgang mit der Staatsverschuldung sollte sich also zumal die Moral des Staates beweisen, die in Deutschland in besonderer Weise erst wiederhergestellt werden mußte – und die es auch in der Zukunft zu verteidigen galt: Denn vor allem die Wiederbewaffnung mit ihren immensen Kosten geriet in den frühen 1950er Jahren in den Mittelpunkt der Politik. So lagerten im „Juliusturm“, den Finanzminister Fritz Schäffer (CSU) mit Geldüberschüssen füllte, vor allem Rücklagen für die Aufstellung der Bundeswehr ab 1956 mit einem

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Planansatz von 9 Mrd. Deutsche Mark pro Jahr, die anfangs noch nicht gänzlich verausgabt werden konnten, aber später umso dringender benötigt würden.18 So übertrafen die Barreserven, die im Jahre 1956 bei einem Gesamtvolumen des Bundeshaushalts von 35 Mrd. Deutsche Mark rund 7 Mrd. Deutsche Mark betrugen, die anfänglichen Kreditschulden der 1950er Jahre bei weitem. Aber bald zielten politische Begehrlichkeiten auf diese Rücklagen ab. Weder Finanzminister Schäffer noch sein gleichermaßen auf skalische Sparsamkeit bedachter Kollege im Wirtschaftsministerium, Ludwig Erhard (CDU), vermochten sich gegen Bundeskanzler Adenauer und die Regierungsfraktionen durchzusetzen. Mahnungen zur Sparsamkeit und zur Ausgabendisziplin prallten im Jahre 1956 insbesondere am von den Zeitgenossen bereits so bezeichneten „Kuchenausschuß“ der CDU/CSU-Fraktion ab, der mit Blick auf das kommende Wahljahr eine großzügige Politik befürwortete19 – populäre Maßnahmen wie die Einführung der Dynamischen Rente trugen dazu bei, daß die CDU/CSU bei der Bundestagswahl im Jahre 1957 sogar eine absolute Mehrheit erzielte. Bei der darauffolgenden Bundestagswahl im Jahre 1961 waren aufgrund der regen Ausgaben freilich bereits so viele zusätzliche Schulden aufgelaufen, daß die Verschuldung von 2,3 Mrd. Deutsche Mark im Jahre 1957 rapide auf 12,9 Mrd. Deutsche Mark im Jahre 1961 anstieg.20

3. E  V  P  Ö: Z  T   1960 J Daß die im „Juliusturm“ gelagerten Überschüsse für soziale Zwecke verausgabt wurden, entsprach aber nicht nur der Logik des Wahlkampfes. Das erkannte Fritz Schäffer zumal, der in der Wochenschrift „Die Zeit“ im Januar 1956 vehement gegen „Das Märchen vom Juliusturm“ ankämpfte und auf die verteidigungspolitische Bedeutung der Rücklagen hinwies,21 wohlwissend, daß schon die despektierliche Bezeichnung „Juliusturm“ seine Politik disqualizieren sollte: Allein die bloße NamensAnalogie zur französischen Kriegsentschädigung aus den 1870er Jahren, seinerzeit gelagert in einem Turm der Zitadelle von Berlin-Spandau, wies die Rücklagenbildung in einer Zeit als obsolet und anachronistisch aus, in der Deutschlands sich fest an den Westen und den ehemaligen Erbfeind Frankreich band – sicherheitspolitisch und ökonomisch, durch die Pariser Verträge (1954) und durch die Römischen Verträge (1957). Die Umwidmung von Rüstungsausgaben zu sozialen Zwecken, der Wandel vom Verteidigungs- zum Sozialstaat konnte sich indes zugleich

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auf ein ökonomisches Umdenken berufen, das auch im Wirtschaftsministerium immer mehr seinen Ort fand. Daß sich Ludwig Erhard beharrlich weigerte, Konjunkturpolitik zu betreiben, stieß ab Ende der 1950er Jahre selbst bei seinen eigenen Anhängern immer mehr auf Kritik.22 Sie plädierten vielmehr für zusätzliche Steuerungselemente – nicht obwohl, sondern gerade weil die Soziale Marktwirtschaft als ganzer Gesellschaftsentwurf auftrat: Ökonomie sollte als Mittel zum rechten Maß, nicht als Selbstzweck gelten,23 durfte mithin nicht sich selbst überlassen bleiben. Solche Plädoyers gewannen immer mehr an Überzeugungskraft, als sich die Wachstumsraten nach dem Abschluß des westdeutschen „Rekonstruktionsprozesses“24 abschwächten und im Jahre 1966 gar eine erste Rezession entstand. Nun schlug die „Stunde der Ökonomen“ wie etwa des Wirtschaftsminister Karl Schiller, die den Keynesianismus in seiner konjunkturpolitischen Orientierung auch in Deutschland zu wissenschaftlicher und politischer Geltung brachten,25 dank seiner offenkundigen Erfolge: Immerhin gelang es in der Großen Koalition kurzfristig, durch eine erhöhte Ausgabenpolitik die eingetretene Stagnation zu überwinden und nach den hohen Deziten von 10,9 Mrd. Deutsche Mark (1967) und 8,6 Mrd. Deutsche Mark (1968) durch weiteres Wirtschaftswachstum umgehend wieder Überschüsse von immerhin 1,6 Mrd. Deutsche Mark (1969) und 1 Mrd. Deutsche Mark (1970) zu erzielen.26 So schienen die längst bekannten, aber in Deutschland erstmals konsequent umgesetzten Prinzipien des antizyklischen decit spending in der Praxis bewährt und in ihrer theoretischen Gültigkeit bewiesen: durch Auflösung von Rücklagen oder gegebenenfalls durch Schuldenaufnahme unmittelbar die Nachfrage anzuregen, um die durch Angebotserweiterung mittelbar entstehenden Haushaltsüberschüsse zur Gegennanzierung beziehungsweise zur Rücklagenbildung zu nutzen – alles im Rahmen der „Mittelfristigen Finanzplanung“ im Fünf-Jahres-Horizont, wie sie seit 1967 von den Bundesregierungen praktiziert wird. Der auf eine konjunktursensible Haushaltspolitik drängende Siegeszug des Keynesianismus seit den späten 1950er Jahren, freilich gemildert in einer „neoklassischen Synthese“, bedeutete einen fundamentalen Wandel in der Betrachtung der Staatsverschuldung und beschränkte sich keineswegs auf die ökonomische Theorie: Statt einer skalischen nahmen die relevanten Akteure immer mehr eine prozeßorientierte Perspektive ein.27 Dabei verlor die Staatsverschuldung erstens ihren Schrecken, zweitens namentlich die so enge Bindung an die Militärund Außenpolitik, die seit jeher weithin gebilligte Gründe für die staatliche Kreditaufnahme geliefert hatte. Sie richtete sich vielmehr auf die entstehende Konsumgesellschaft aus. Gleichzeitig büßte sie den Charak-

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ter der außerordentlichen Maßnahme ein und wurde zum wesentlichen Bestandteil der Politik – einer Politik, die sich gerade ihrer Form nach ändern sollte: Auch ein „moderater Keynesianismus“, der in den 1960er Jahren bis hin zu CDU und CSU konsensfähig geworden war, setzte eine umfassende staatliche Wissenssammlung und Steuerung voraus, betrieben mit ökonomischem Sachverstand.28 Groß war der Optimismus des „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ vom 08. Juni 1967, daß „bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum“ gleichzeitig stabile Preise, ein hoher Beschäftigungstand und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht beibehalten werden könnten;29 seine erste Maßregel bestand darin, daß die Bundesregierung in jedem Januar vor Bundestag und Bundesrat Stellung zum Jahresgutachten des Sachverständigenrates beziehen sowie die „Jahresprojektion“, das heißt die Ziele, sowie die vorgesehenen Maßnahmen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik darlegen muß. Schon der Beiname des „Magischen Vierecks“, das die in diesem Gesetz genannten Ziele erhielten, kündete von einer regelrechten ökonomischen Gestaltungseuphorie. Die Bundesregierung wurde mithin gezwungen, sich periodisch und öffentlich vor wissenschaftlicher, ökonomischer Kritik zu rechtfertigen. Politik wurde in diesem Prozeß verwissenschaftlicht, ebenso wie die ökonomischen Wissenschaften politisiert wurden; hatte man schon in den 1950er Jahren das per Gesetz von Regierungsinterventionen geschützte Direktorium der Bundesbank mit den besten Experten besetzen wollen,30 so galt dies nun insbesondere für das Bonner Kabinett – zumal auf den Ökonomieprofessor und einstigen hamburgischen Wirtschaftssenator Karl Schiller (SPD) projizierten sich solche Hoffnungen wie auf keinen zweiten. Nicht von ungefähr wurde Schiller im Jahre 1971 in der öffentlichen Wahrnehmung zum ersten „Superminister“ geadelt, der manchen gar als heimlicher Kanzler im ersten Kabinett Willy Brandts galt,31 weil er nun auch das Finanzministerium führte, zusätzlich zum Wirtschaftsministerium. Dieses Amt hatte er mit dem Beginn der Großen Koalition im Jahre 1966 übernommen – und konnte mit der Unterstützung ambitionierter Beamten rechnen, etwa des Ministerialdirektors und späteren beamteten Staatssekretärs Otto Schlecht, der im Jahre 1968 im „Bulletin der Bundesregierung“ rhetorisch fragte: „Staatsverschuldung – ein Übel?“32

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4. S   „N“: A  P Otto Schlechts konzise Begründung der nanz- und wirtschaftspolitischen Wende der 1960er Jahre nutzte in hoher Verdichtung wesentliche Argumente, die für die Staatsverschuldung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kanonisch geworden sind und an Geltung bislang wenig eingebüßt haben. Ein substantieller Schuldenabbau ist seither keiner deutschen, überhaupt keiner westlichen Regierung gelungen, auch nicht den USA unter Ronald Reagan oder Großbritannien unter Margaret Thatcher – weil je besondere Gründe eintraten, aber auch, weil politische Mehrheiten für Einschnitte immer schwer zu erreichen sind, und nicht zuletzt, weil das Denken über die Staatsverschuldung einem prinzipiellen Wandel unterworfen war. Ministerialdirektor Schlecht betrieb ihn in seinem Artikel aus dem Jahre 1968. Die Staatsverschuldung sei nämlich just kein Übel, vielmehr „unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft ein notwendiges Instrument einer stabilitätskonformen Wachstumspolitik“, lautete das Fazit der Betrachtungen Otto Schlechts.33 So erschien Mitte der 1960er Jahre als Ausweis der Modernität eines Staates, was zuvor als Merkmal seiner Rückständigkeit gegolten hatte: Staatsverschuldung wurde nicht länger wesentlich als Folge oder Beweis einer außergewöhnlichen Krise, sondern gleich als deren Lösung betrachtet, der Kredit nicht als Indiz der Schwäche, sondern umgekehrt als Beleg der Stärke des Staates. Den Staat präsentierte Schlecht dabei als „Investor großen Stils“, der „dem privaten Unternehmen näher steht als dem privaten Haushalt“.34 Ökonomische Eigengesetzlichkeiten wurden zur Staatsraison, die nunmehr den Fiskal- und Schuldenstaat von seiner historischen Wurzel schlechthin abtrennte: Die „Massenkonsumgesellschaft“35 setzte andere Prioritäten. Nicht die Rüstung auf einen möglichen Krieg, die noch die Debatte um den Schäffer’schen „Juliusturm“ geprägt hatte, sondern der Konsum in Friedenszeiten stand nun im Fokus der Konjunkturpolitik. Nicht die Außenpolitik, sondern die Innenpolitik, zumal die Sozialpolitik bestimmte fortan über die Staatsverschuldung. Auch andere klassische Dimensionen der Staatsverschuldung, die seit der Frühen Neuzeit so intensiv diskutiert worden waren, besaßen für Schlechts Argumentation gar keine Relevanz mehr: Überlegungen, woher die Kredite – ob aus dem Inland oder aus dem Ausland, ob als ökonomische oder als patriotische Investition – stammen sollten, stellte er dabei nicht an. Ihm galt schlichtweg als selbstverständlich, daß sie „auf dem Kapitalmarkt“ aufgenommen werden konnten.36 Wohl der wichtigste Aspekt des Paradigmenwechsels aber betraf die Maßstäbe, nach denen Staatsverschuldung zu bewerten sei. Schlecht be-

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mühte sich eifrig darum, die Staatsverschuldung nicht länger als etwas „Unseriöses und insgesamt Negatives“ erscheinen zu lassen und sie vom „Geruch der Leichtfertigkeit“ zu befreien. Keineswegs „an sich schlecht“, „vielmehr konjunktur- wie wachstumspolitisch vorteilhaft, ja notwendig“ sei eine „angemessene Staatsverschuldung“.37 Ihr Maß war kein moralisches mehr, das eingehend politisch diskutiert zu werden brauchte, sondern ein technisches, wertneutrales, das lediglich einer mit mathematischer Exaktheit zu erreichenden Lösung bedurfte: Explizit distanzierte sich der Autor vom Ideal des „sorgsamen Hausvaters“ – es kam ihm lediglich darauf an, rechtzeitig konjunkturelle Schwankungen zu erkennen, damit der Staat „in die Nachfragelücke springen“ könne,38 den Lehren John Maynard Keynes’ und seiner zahlreichen Adepten gemäß. Voller Planungseuphorie ging Schlecht davon aus, daß das „konjunkturpolitisch notwendige ‚decit spending’“ exakt zu ermitteln und daß eine antizyklische Politik „so gut wie unfehlbar“ sei.39 So wurde die Staatsverschuldung zu einem unverzichtbaren Bestandteil jener verwissenschaftlichen Globalsteuerung, die in den 1960er Jahren schrittweise eingerichtet worden war.40 Schließlich ließ sich, wie Schlecht argumentierte, eine „Kreditnanzierung staatlicher Ausgaben“ sinnvollerweise „nur im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Betrachtungen“ betreiben.41 Letztlich wurde der öffentliche Kredit auf ein Rechenexempel reduziert, das bei hinreichender Ermittlung der Variablen formelhaft bewältigt werden könne. Statt der Frage, ob er als solcher gut und zu welchem Zwecke er gut sei, schob sich immer mehr die technische Frage, ob respektive wann der Kredit sich lohne, in den Vordergrund. Dem politischen Willensbildungsprozeß wurde die Staatsverschuldung insofern entzogen, als nur Experten ihre vermeintliche sachliche Notwendigkeit angemessen zu beurteilen vermöchten – zumindest jene, die sich als Experten auszuweisen verstanden: Den wissenschaftlichen Ratschlägen gerade nicht gefolgt, gleichwohl den „einzig möglichen und vertretbaren Weg“ zwischen Konjunkturbelebung und Konsolidierung mit Erfolg eingeschlagen zu haben,42 beanspruchte hingegen just in einer sachlich, aber dezidiert wenig wissenschaftlich gehaltenen Monographie nicht umsonst der Altphilologe Franz Josef Strauß (CSU). Mit provokanter Inbrunst versuchte der amtierende Bundesminister der Finanzen seinen scheinbaren Zwilling („Plisch und Plum“), den Professor für Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsminister Karl Schiller, auch am Buchmarkt zu überstrahlen, indem er stetig einerseits die politischen, andererseits die inhaltlichen Grenzen der Ökonomie, beispielsweise Prognoseirrtümer, hervorhob.

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Jene Orientierung an Zahlen und mathematischen Modellen, der sich auch die deutschen Ökonomen seit den 1950er Jahren zunehmend verschrieben hatten,43 prägte die Gesellschaft seither gleichwohl immer mehr. Dem umfassenden modernen „Erkenntnisideal“ verbunden, „die Welt als ein großes Rechenexempel zu begreifen“,44 darf sie vielleicht sogar als entscheidender gesellschaftlicher Mentalitätswandel gelten, dem besonders die Theorie und Praxis der Staatsverschuldung unterlag. Statt zum Mittel wurde sie zunehmend zum Zweck der Politik: In der europäischen Staatsschuldenkrise bendet eher die Staatsverschuldung über Sinn und Zweck weiterer Integrationsschritte, nicht hingegen entscheiden politisch denierte Integrationsziele über das künftige Maß der Staatsverschuldung. Diese Umorientierung erklärt zugleich, warum sich die Schuldenuhr so sehr als politische Ikone des 21. Jahrhunderts empehlt. In der Verbindung von Buchgeld und Uhr kombiniert sie die zwei wesentlichen Techniken des modernen Kapitalismus. Die Uhr zeigt dabei eine Staatsverschuldung an, die zwar absolut bis auf den Cent bestimmt werden kann, aber zugleich relativ unfaßbar ist, gleich einer Black Box. Sie zeigt mit arithmetischer Evidenz die Oberfläche eines anonymen Phänomens auf, in das ein Laie kaum tief einzudringen vermag. Sie symbolisiert quantitative, unwiderlegbare, wertneutrale Objektivität und vermag indes doch keine qualitative Handlungsanweisung zu vermitteln. Eine Alternative bleibt sie schuldig und unterliegt insofern einem doppelten Grundproblem der Demokratie: einem funktionalen, indem die Konkurrenz um Wählerstimmen „den Prozeß des stetigen Wachstums der Staatsaufgaben“ beschleunigt,45 und einem repräsentativen, indem die Demokratie zu einer positiven Darstellung noch immer kaum46 gefunden hat. Die Schuldenuhr besitzt nicht zuletzt auch in dieser Hinsicht eine Menetekel-Funktion.

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Franz Knipping / Lars Detert Geschichtliche Betrachtungen zur europäischen Krise Zwischenstaatliche Wirtschaftsintegration kann durch geeignete Maßnahmen im Währungssektor abgerundet und gefördert werden – das wußten die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft von Anfang an. Wirtschaft und Währung erscheinen daher in der europäischen Integrationsgeschichte kontinuierlich als zwei Seiten derselben Medaille. Schon im allerersten Europa-Programm, das unter den Regierungen ernsthaft behandelt wurde, dem nach dem französischen Außenminister Aristide Briand benannten „Briand-Plan“ von 1929/1930, wurden währungspolitische Arrangements ganz selbstverständlich als Ingredienz der angestrebten Bildung eines freien europäischen Marktes angedacht.1 Seither zählt währungspolitische Kooperation mit dem angestrebten Endzustand einer gemeinsamen Münze zu den konstitutiven Elementen der europäischen Einigungsidee.

1. V  M-  W So kam es auch, wenngleich noch recht vage, in den europäischen Gründungsverträgen der 1950er Jahre zum Ausdruck. Der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montan-Union) von 1951 sah in Artikel 53 die Schaffung „jeder Art“ von „nanziellen Einrichtungen“ vor, die der Durchführung der binnen- wie außenwirtschaftlichen Aufgaben der Montanunion dienen könnten.2 In den Artikeln 105 bis 108 des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1957 wurden sodann Maßnahmen ins Auge gefaßt, die geeignet wären, „die Koordinierung der Währungspolitik der Mitgliedstaaten in dem für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlichen Umfang zu fördern“, darunter die Einsetzung eines „Beratenden Währungsausschusses“ sowie das Prinzip des gegenseitigen Beistandes im Falle von Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines Mitgliedstaates, auch in Form von begrenzter Kredithilfe seitens anderer Mitgliedstaaten.3

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Im Jahrzehnt der Ingangsetzung der Römischen Verträge bis 1968 wurden von der Kommission der EWG und dem 1955 gegründeten Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa Jean Monnets Pläne zunächst für einen Europäischen Reservefonds der sechs Gründerstaaten, dann für eine Europäische Reserveunion und schließlich für eine Europäische Währungsorganisation entwickelt. Leitmotiv war die offenkundige Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichen Integrationsfortschritten und engerer monetärer Abstimmung. Die sukzessive Schaffung der Zollunion und die Inangriffnahme gemeinschaftlicher Wirtschaftspolitiken, insbesondere das Projekt der Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik, in deren Zentrum vereinheitlichte Preise und damit notwendig werdende „grüne Paritäten“ standen, verlangten nach ebenso vorteilhaften wie praktikablen Währungsarrangements. Auch wiederholte Alleingänge wie nationale Auf- und Abwertungen, die nicht abgestimmt waren, legten europäische Regelungen nahe, ebenso die sich offenkundig anbahnende Schwäche der amerikanischen Leitwährung, nicht zuletzt auch die Perspektive des Beitritts Großbritanniens (und damit der Sterling-Zone) zur Europäischen Gemeinschaft (EG).4 Doch bis Ende der 1960er Jahre ergab sich noch kein wirklicher Entscheidungsdruck. Die Handels- und Kapitaltransaktionen der Gemeinschaft nach innen und außen funktionierten unter dem System von Bretton Woods passabel, die Gemeinsame Landwirtschaftspolitik arbeitete mit den Dollarwert abbildenden „Europäischen Rechnungseinheiten“ (ERE). Eine Hilfsfunktion erfüllte auch das im Rahmen der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) geschlossene Europäische Währungsabkommen (EWA), das im Jahre 1958 der Europäischen Zahlungsunion (EZU) nachfolgte. Die zunehmenden Spannungen im Bretton-Woods-System und die volle Herstellung des Gemeinsamen Marktes belebten indessen in den europäischen Institutionen und den Hauptstädten der Mitgliedstaaten schon vor der Aufhebung der Goldeinlösegarantie für den US-Dollar (1971) das Interesse, die EG auch als eine eigene Währungsunion auszugestalten.5 Der von der Haager Konferenz der Staats- und Regierungschefs Anfang Dezember 1969 angestoßene, von einer Sachverständigenkommission unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten und Finanzministers Pierre Werner im Jahre 1970 erarbeitete Stufenplan für die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion war ein erster Anlauf, mit dem zwischen den EG-Mitgliedstaaten umfassend die vollständige und irreversible Konvertibilität der Währungen, die Beseitigung der Bandbreiten der Wechselkurse, die unwiderrufliche Festsetzung der Paritätsverhältnisse und die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs geschaffen werden sollten, am Ende vielleicht eine einheitliche Gemein-

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schaftswährung. Der wegweisende Werner-Plan scheiterte indessen an Auffassungsunterschieden der Mitgliedstaaten, die mit dem schließlichen Zusammenbrechen des Bretton-Woods-Systems im August 1971 unüberbrückbar wurden.6 Angesichts von Währungsspekulationen, Inationstendenzen, Spannungen bei der Durchführung der Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik, wachsenden Arbeitslosenzahlen und anderen problematischen Entwicklungen stießen dann 1978 der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing die Schaffung eines zunächst weniger ambitionierten Europäischen Währungssystems (EWS) an, das sich als funktionsfähig und erfolgreich erweisen sollte und zwanzig Jahre lang bestand, bis zum 31. Dezember 1998, ehe es von der Einführung der Euro-Währung abgelöst wurde. Das EWS sollte keine Währungsunion begründen, sondern lediglich Mechanismen bereitstellen, um die überaus volatilen europäischen Wechselkursspreizungen der 1970er Jahre in einem stabilen monetären Verbund aufzufangen. Es beruhte auf drei Elementen: einer abstrakten Referenzwährung ECU (European Currency Unit), einem Wechselkursund Interventionssystem sowie verschiedenen Kredit- und Transaktionsmechanismen. Der Wert des ECU errechnete sich aus dem je nach Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten gewogenen Durchschnittswert aller neun EG-Währungen. Er war nicht ein in Metall oder Papier ausgeprägtes und allgemein verfügbares Zahlungsmittel, sondern lediglich Bezugs- und Rechengröße im Wechselkurs- und Interventionssystem des EWS, bei der Abwicklung von Krediten und Transaktionen sowie in der Haushaltspolitik der EG. Bei stärkeren Abweichungen der Wechselkurse der Mitgliedstaaten gegeneinander mußten die Zentralbanken der betreffenden Länder mit Stützungskäufen oder -verkäufen am Devisenmarkt intervenieren. Dafür erhielten sie ECUs von dem in den 1970er Jahren ebenfalls gegründeten Europäischen Währungsfonds, bei dem jedes Mitglied zwanzig Prozent seiner Gold- und Dollarreserven zu hinterlegen hatte und der mit insgesamt 25 Mrd. ECU gefüllt war. Einige Mitgliedstaaten entzogen sich allerdings vorübergehend oder vollständig dem Wechselkurs- und Interventionssystem des EWS: England in den Jahren von 1979 bis 1989 und dann wieder ab 1992, Italien von 1992 bis 1996, Griechenland, Portugal, Spanien und Schweden vom Tage ihrer EG-Mitgliedschaft an.7 Während das EWS in voller Funktion war, setzte Mitte der 1980er Jahre eine neue Initiative zur Schaffung einer vollen Währungsunion mit dem Ziel einer einheitlichen europäischen Währung ein. Die Währungsunion erschien nun als die logische Entsprechung des großen gemeinsamen Wirtschaftsraums, der mit dem Binnenmarktprojekt, das in

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der „Einheitlichen Europäischen Akte“ von 1987 ausgerufen wurde, vollendet werden sollte. In der Tat wurden dann in den 1990er Jahren die Währungsunion und der Euro in drei Stufen geschaffen und traten mit Beginn des Jahres 1999 an die Stelle des EWS.8

2. W  W In den wirtschaftstheoretischen Diskussionen der 1960er Jahre trafen zwei unterschiedliche Konzeptionen europäischer Währungspolitik aufeinander: diejenige der „Monetaristen“ und diejenige der „Ökonomisten“. Die Monetaristen unterstrichen die Lokomotivfunktion, die eine Währungsunion für alle anderen Integrationsbereiche, wirtschaftliche wie politische, haben würde; die „von oben“ vorgenommene Koordinierung der Währungen oder gar die Schaffung einer gemeinsamen Währung würde wegen der monetären Vernetzung aller anderen Integrationsbereiche mit einer gewissen inneren Zwangsläugkeit alles andere hinter sich herziehen und einen Integrationsbeschleuniger par excellence darstellen. Die Ökonomisten hielten dagegen, daß zunächst eine Harmonisierung der Wirtschaftsbereiche und der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten „von unten“ erforderlich sei, ehe als „Krönung“ eine Währungsgemeinschaft gebildet werden könnte.9 Die Akteure der europäischen Integration, Politiker wie Experten, maßen dem Primat der Wirtschaftsunion in den 60er Jahren durchweg die größere innere Logik bei; diese Überzeugung zieht sich wie ein roter Faden auch durch die späteren europäischen Debatten über Wirtschaftsund Währungsunion. Als das Thema am Ende der 1960er Jahre konkretere Züge anzunehmen begann, merkte etwa die deutsche Regierung die Notwendigkeit an, vor einer gemeinsamen Währungspolitik auf den Feldern des Außenhandels, der Landwirtschaft, der Industrieproduktion, der Wirtschaftskonjunktur, des Lohnniveaus und der öffentlichen Haushalte ausreichend Annäherungen zu erzielen, um dann auf dieser Grundlage ein gemeinsames Währungsprojekt erfolgversprechend zu realisieren.10 Im Dezember 1968 unterstrich auch die Europäische Kommission in einem Memorandum, das der damalige französische Kommissar für Wirtschaft und Finanzen Raymond Barre verfaßt hatte, die enge Verbindung zwischen der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten und einer Verabredung gemeinsamer Maßnahmen im Bereich der Währung; zu diesen könnten vorherige Vereinbarungen über Konjunkturpolitik und Konjunkturprognosen, über Kapitalverkehr und Verfahren über gegenseitigen Beistand führen.11

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Im Werner-Plan wurde dann herausgearbeitet, daß auf den drei Stufen zur Währungsunion die Wirtschaftsintegration wenn nicht vorab, dann jedenfalls parallel fortentwickelt werden müßte. Im Fokus der ersten Stufe sollte etwa die Festlegung gesamtwirtschaftlicher Orientierungsdaten stehen, die Koordinierung der Konjunkturpolitik, der Geld- und Kreditpolitik, der Haushalts- und Steuerpolitik, Übereinkünfte über eine gemeinsame Struktur und Regionalpolitik, auch über eine Umwelt- und Verkehrspolitik, die Integration der Geld- und Kapitalmärkte und die schrittweise Beseitigung der Kursschwankungen zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten. Am Ende – aus damaliger Sicht möglichst bis 1980 – sollte eine Währungsunion stehen, die von einer vollständigen Wirtschaftsunion getragen sein würde.12 Zur Blaupause der heutigen Eurozone wurde der „Delors-Bericht“ vom April 1989, der auf dem Werner-Plan aufbaute. Er ging zurück auf eine Entscheidung des Europäischen Rates in Hannover im Juni 1988, einen Studienausschuß einzusetzen, der unter dem Vorsitz des Kommissionspräsidenten Jacques Delors mit Beteiligung der Präsidenten beziehungsweise Gouverneure der nationalen Zentralbanken, eines Vertreters der Kommission sowie dreier Experten „die konkreten Etappen zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion“ konzipieren sollte. Im Bericht des Ausschusses wurde die Realisierung einer gemeinsamen Währung in drei Stufen vorgeschlagen und dabei herausgearbeitet, daß eine Wirtschaftsunion, die nun einmal die Voraussetzung für eine Währungsunion sei, mehr sein müsse als der vervollständigte Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten (freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit, freier Kapital- und Zahlungsverkehr). Zusätzlich erforderlich sei der Ausbau der europäischen Wettbewerbspolitik und Strukturpolitik, vor allem aber eine makroökonomische Politikkoordinierung, die auch bindende Regeln für die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten einschließen müsse. Die Währungsunion könne nur lebensfähig sein, wenn zum Ausgleich von wirtschaftlichen Verzerrungen, die regional oder strukturell bedingt sein könnten oder auf unverantwortliches Verhalten von nationalen Regierungen oder anderen Wirtschaftsakteuren zurückgingen, genügend übernationale Regulierungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Dabei könne der disziplinierende Einuß der Marktkräfte auf Fehlentwicklungen hilfreich sein, doch sei er nicht ausreichend und wirke potentiell sogar kontraproduktiv. Daher müsse die Europäische Gemeinschaft den Rahmen für eine bessere Koordinierung der nationalen Politiken in den Bereichen sowohl der Real- als auch der Finanzwirtschaft setzen und bindende Normen für die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten aufstellen, etwa Dezitobergrenzen festlegen und die Kreditierung aus Mitteln der

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Zentralbanken ebenso verbieten wie aus Drittländern außerhalb der Gemeinschaft. Dies setze allerdings voraus, daß die Interventionsmöglichkeiten der Europäischen Kommission materiell und politisch erweitert würden.13 Der Europäische Rat in Madrid, der im Juni 1989 den Delors-Bericht als Grundlage für die schrittweise Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion annahm, wies ausdrücklich auf das Erfordernis der „Parallelität von wirtschaftlichen und währungspolitischen Aspekten“ hin.14 In den folgenden Regierungsverhandlungen, die dann Ende 1989 in den Schlagschatten der sich anbahnenden deutschen Wiedervereinigung gerieten, trat allerdings alsbald das währungspolitische Ziel allein in den Vordergrund, aufgrund verschiedener, insbesondere französischer Wünsche, aber auch, weil die deutsche Seite das französische Modell einer europäischen Wirtschaftsregierung mit stark zentralistischer Ausrichtung ablehnte.15 Im Ergebnis sollte für wesentliche Teile der Wirtschaftspolitik – Ausgestaltung von Politikfeldern, Konjunkturpolitik, Steuerpolitik, Beschäftigungspolitik, Sozialsystem et cetera – jeder Mitgliedstaat selbst zuständig bleiben. Empfohlen wurde die Orientierung an den gemeinschaftlichen Grundsätzen der Stabilität, Ausgewogenheit, Nachhaltigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsentwicklung. Lediglich gemeinsame Regeln zur Haushaltsdisziplin sollten beachtet werden: Die Kommission sollte die Vermeidung „übermäßiger öffentlicher Dezite“ (über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Haushalt, mehr als sechzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Gesamtschuldenstand) überwachen und, wenn sie ein übermäßiges Dezit feststellte, an den betreffenden Staat Empfehlungen zu seiner Beseitigung richten. Die Nichtbeachtung der Empfehlungen sollte dann die Verhängung von Sanktionen nach sich ziehen.16 Es ist bekannt, daß die erstgenannten Elemente einer Wirtschaftsunion bis heute nicht realisiert sind – und daß die letzteren Vorkehrungen nicht ausreichten beziehungsweise von den nationalen Regierungen verwässert wurden. Realisiert wurde im Wesentlichen die Währungsunion mit ihren eigenen Institutionen und der gemeinsamen Währung. Die währungspolitische Souveränität der Mitgliedstaaten der Eurozone wurde dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) mit ihrem Herzstück, der unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB), dauerhaft unterstellt. Wichtigstes Ziel der Währungspolitik wurde die Gewährleistung der Preisstabilität. Am 01. Januar 1999 führten elf Mitgliedstaaten, die aufgrund der Konvergenzkriterien als gesamtökonomisch ausreichend vorbereitet erachtet wurden, gemeinsam die neue Währung ein. Griechenland folgte als zwölftes Mitglied am 01. Januar 2001. Ein Jahr später

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fand der Umtausch der nationalen Zahlungsmittel in die neuen EuroBanknoten und -münzen statt.17 Die in den vorhergehenden Jahrzehnten immer wieder angemahnte Vorbedingung einer voll ausgebildeten Währungsunion, die vollendete Wirtschaftsunion, ist dagegen nicht erfüllt worden, auch nicht pari passu, und auch nicht bis heute. Nach dem Konzept der Ökonomisten litt – und leidet – die realisierte Architektur des Euro mithin unter einem gravierenden Strukturfehler. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde dann, im Schatten der Umwälzungen in Deutschland und Mitteleuropa, von der deutschen und französischen Regierung das ambitioniertere Ziel einer über eine Wirtschaftsunion hinausgehenden Politischen Union ausgerufen, zu der neben der Wirtschaftsunion auch neue europäische Institutionen und eine echte Vergemeinschaftung der Außen- und Sicherheitspolitik der EU gehören sollten. Die Gemeinschaftswährung sollte demnach in den politischen Rahmen einer Art Vereinigter Staaten von Europa eingebettet sein. Dieses Konzept einer Politischen Union als Grundlage der Gemeinschaftswährung konnte bis heute erst recht nicht realisiert werden.18 Mit guten Gründen werden daher in der gegenwärtigen, tiefen Krise Europas die nachholende wirtschaftliche und politische Integration als grundlegende Voraussetzung für einen Erfolg der monetären Rettungspolitik und die Rückkehr zur nanziellen Stabilität der schwächelnden Mitgliedstaaten gefordert. Das Projekt des Fiskalpaktes zielt in diese Richtung. Er soll „die wirtschaftliche Säule der Wirtschaftsund Währungsunion durch Verabschiedung einer Reihe von Vorschriften stärken, die die Haushaltsdisziplin fördern, die Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitiken verstärken und die Steuerung des EuroWährungsgebiets verbessern“.19 Die Verabschiedung des Fiskalpaktes erscheint als das Gebot der Stunde, und in der Konsequenz liegt eine Übertragung weiterer Elemente der mitgliedstaatlichen Souveränität auf die europäische Ebene, um durch gestärkte europäische Institutionen mehr europäische Intervention in die Nationalökonomien zu ermöglichen. Die Frage ist allerdings, inwieweit dies realisierbar ist, zumal die Herstellung von „mehr Europa“ mehr Zeit beanspruchen dürfte, als für eine Lösung der akuten Verschuldungskrise zur Verfügung zu stehen scheint.

3. Ö P   I Den Weg aus der gegenwärtigen Krise zu nden wäre natürlich leichter, wenn dazu ein gleichgerichteter politischer Wille unter den Betei-

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ligten bestünde. Indes zeigt der Blick in die Geschichte auch der Währungsunion, daß erprobte und sachlogische Motive und Argumente oft nicht zum Zuge kommen, weil mit verschiedenen politischen Interessen und Haltungen der Mitgliedstaaten sachfremde Gesichtspunkte in die Entwicklung eingreifen. Es wäre ein Wunder, und es ist daher ziemlich unwahrscheinlich, daß sich selbst unter dem hohen Problemdruck der grassierenden Verschuldungskrise ein einheitlicher politischer Wille zur Verlagerung von deutlich mehr nationaler Souveränität auf die europäische Ebene ergibt. Die heutige Krise ist denn auch in der Tat deshalb entstanden, weil wichtige Mitgliedstaaten mit dem Projekt der Schaffung einer Währungsunion ganz unterschiedliche Ziele verfolgt haben. Der geschichtliche Rückblick zeigt, daß im Vordergrund der Interessen fast aller Partnerländer der Bundesrepublik, mit einer gewissen Ausnahme der Niederlande, schon seit den 1970er Jahren weniger das Ziel der Schaffung einer gemeinsamen Währung an sich als vielmehr dasjenige der Abschaffung der Deutschen Mark stand, die sich als die härteste Währung einer erfolgreichen Wirtschaftsnation unter dem EWS zu einer QuasiLeitwährung in Europa entwickelt und eine asymmetrische Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten generiert hatte. Es war vor allem Frankreich, das die Abschaffung der Deutschen Mark mit langem Atem in Angriff nahm. Eine europäische Währung versprach Frankreich und den anderen beteiligten Partnerländern die volle Teilhabe an der europäischen Währungsmacht. Der von 1969 bis 1974 amtierende Nachfolger Charles de Gaulles, Staatspräsident Georges Pompidou, erklärte schon im Jahre 1969 die Abschaffung der Deutschen Mark zum wichtigsten Ziel der französischen Politik und lehnte gleichzeitig die Verknüpfung einer Währungsunion mit einer Wirtschaftsunion ab. Auch das Europäische Währungssystem von 1978/1979 setzte dann ja allein auf der Währungsseite an – so auch die seit 1983 von François Mitterrand an Helmut Kohl gerichtete Forderung, endlich mit dem Projekt der gemeinsamen Währung voranzukommen. Kohl widersetzte sich dieser Forderung zunächst heftig, weil er natürlich wußte, daß eine Preisgabe der stabilen Deutschen Mark, dem Symbol des deutschen Wiederaufstiegs nach dem Zweiten Weltkrieg, seinen Landsleuten schwer zu vermitteln sein würde. Seit 1986 akzeptierte er sie dann aber doch, hob dabei allerdings die Notwendigkeit der parallelen Schaffung einer Wirtschaftsunion hervor. Mit den Umwälzungen des Jahres 1989 wurde dann aus der Bedingung der Wirtschaftsunion die erweiterte Bedingung der Politischen Union.20 Warum hat Helmut Kohl den französischen Interessen nachgegeben, obwohl die Preisgabe der Deutschen Mark keineswegs im deutschen In-

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teresse lag und obwohl im weiteren Verlauf die erklärte Bedingung einer gleichzeitigen Wirtschafts- beziehungsweise Politischen Union nicht erbracht wurde? Eine Erklärung dafür liegt in der ausgeprägten deutschen Europa-Orientierung seit dem Zweiten Weltkrieg, die schon in den 1950er Jahren alle politischen Parteien und Verbände sowie alle Medien konsensual erfaßt hatte und von der breiten Bevölkerung permissiv begleitet wurde. Man könnte sogar von einer deutschen EuropaIdeologie sprechen, die nun vor der gebotenen Chance, sogar eine europäische Währung zu erreichen, nicht ohne weiteres halt- oder kehrtmachen konnte. In den entscheidenden Momenten hat der Bundeskanzler offenkundig die Vision von Europa über die in seiner Umgebung durchaus geäußerten Bedenken vor der ausgeprägten Interessenpolitik der Partner gestellt, insbesondere Frankreichs, gemäß seiner persönlichen Überzeugung, daß „die Visionäre die wahren Realisten“ seien und Deutschland seine „europäischen Freunde“ nicht „enttäuschen“ dürfe.21 Anzumerken wäre hier im übrigen, daß die weitverbreitete These, Kohl habe mit seiner Zustimmung zur europäischen Gemeinschaftswährung die deutsche Wiedervereinigung „erkauft“, nicht zutrifft. Kohl selbst hat die Einsetzung und Arbeit des Delors-Ausschusses 1988/1989 sowie die Annahme von dessen Bericht im Europäischen Rat im Juni 1989 aktiv begleitet, dabei auch den Eintritt in die erste Stufe zur Schaffung der gemeinsamen Währung zum 01. Juli 1990 befürwortet. Die Währungsunion war folglich schon seit über vier Monaten mit deutscher Unterstützung auf dem Weg, als am 09. November 1989 die Berliner Mauer el. Es war daher gar nicht mehr erforderlich oder möglich, die deutsche Zustimmung zur gemeinsamen Währung in die Verhandlungsmasse mit den Partnern zur Wiedervereinigung einzubringen. Damit konnte nichts mehr bezahlt werden. Richtig ist allerdings, daß der Eintritt in die zweite Stufe des Währungsprojekts (zum 01. Januar 1994) im Zuge der Wiedervereinigungsgespräche 1990 wohl etwas beschleunigt worden ist.22 Die Schaffung des Euro konnte also einerseits gelingen, weil sie den machtpolitischen Interessen vor allem Frankreichs und gewiß auch den kreditpolitischen Interessen der meisten anderen Partner Deutschlands entsprach. Fast noch wichtiger war, daß andererseits das einzige Land der Gemeinschaft, das an dem Übergang von der nationalen zur europäischen Währung kaum materielles oder nationalpolitisches Eigeninteresse hatte, sie aus europaideologischen Erwägungen akzeptierte, und dies, obwohl die zur Vorbedingung erhobene Einbettung der Währungsunion in eine Politische Union nicht erfüllt war. Das Ergebnis war und ist die partiell von der Wirtschaftsintegration abgekoppelte Währungsunion, die schon in den 1960er Jahren von den „Monetaristen“ favori-

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siert worden war, weil von der als erstes erreichten Währungsintegration erwartet wurde, daß sie wie eine Lokomotive die Integration aller Wirtschafts- und Politikbereiche irgendwie nach sich ziehen würde. Die gegenwärtige Krise offenbart indessen eindringlich, daß diese Integrationstheorie sehr problematisch ist. Zur Geschichte der gegenwärtigen Krise gehören bekanntlich auch andere sachfremde Entscheidungen im Zuge der Schaffung des Euro in späteren Jahren. Da war etwa die Festlegung des Kreises der Mitgliedstaaten, die von Anfang an der Euro-Zone angehören sollten. Italien erfüllte in den späten 1990er Jahren die ökonomischen Zulassungskriterien nicht, doch entschieden die Staats- und Regierungschefs, daß ein Gründungsmitglied der ursprünglichen Sechser-Gemeinschaft nicht vor den Kopf gestoßen werden sollte. Daraufhin konnte auch dem partiell besser als Italien plazierten Portugal, sodann ebenfalls dem größeren Spanien kaum die Tür versperrt werden. Die Zulassung des völlig unqualizierten Griechenland hat vermutlich auch mit der politischen Entscheidung Athens zu tun, seine jahrzehntelange Ablehnung einer Beitrittsperspektive für die Türkei in den Jahren 1998/1999 unvermittelt aufzugeben. Von größter Bedeutung wurde dann, daß die beiden wichtigsten Länder der Euro-Zone, Deutschland und Frankreich, in den Jahren von 2002 bis 2005 den Stabilitätspakt aus innenpolitischen Gründen nicht beachteten. Der Stabilitätspakt als das wichtigste Sicherungselement der Währungsunion wurde dadurch dauerhaft beschädigt.23 Indessen lag und liegt die Hauptschwäche der Währungsunion darin, daß sie nicht auf einer soliden Wirtschaftsunion gründet. Logischerweise muß dieser fundamentale Konstruktionsfehler nachträglich durch vertiefende wirtschaftliche und politische Integrationsmaßnahmen beseitigt werden. „Mehr Europa“ wird denn auch als ein Allheilmittel für die Lösung aller Probleme vorgeschlagen. Der Fiskalpakt erscheint als ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

4. F  N? Die Frage ist natürlich, wie realistisch das Ziel eigentlich ist, zeitnah zu „mehr Europa“ im Sinne der Supranationalität durchzustarten. Die Widerstände gegen den Fiskalpakt, nicht nur in Großbritannien, auch seine schleppende Ratizierung müssen zu denken geben. Wie weit werden die Mitgliedstaaten der EU bereit sein, weitere nationale Souveränität, insbesondere im Bereich der „Kernkompetenzen“, an europäische Zentralbehörden abzugeben? Das Haushalts- und Steuerrecht, die Wirtschafts-, Industrie- und Sozialpolitik? In der Konsequenz wären wohl

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auch das Rechtssystem, die innere und äußere Sicherheit, die Außenpolitik betroffen. Es gilt das Prinzip Hoffnung, doch sind Zweifel angebracht. Die Geschichte der Europäischen Integration zeigt durchweg, daß letztlich überwiegend nur die Aussicht auf Vorteil, eigenstaatlichen oder auch kollektiven, den Prozeß der Vergemeinschaftung antreibt und in Gang hält. Die bisherigen Übertragungen nationalstaatlicher Souveränität auf die europäische Ebene galten einer die Mitgliedstaaten stabilisierenden Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft. Die grauenvolle Erfahrung der Weltkriege und die historische Konstellation des Ost-West-Konikts ließen die (West-)Europäer zusammenrücken in dem gemeinsamen Interesse, weitere Kriege in Europa dauerhaft aus dem Bereich des Möglichen zu verbannen. Auch die mit der Geschichte der EWG gleichzeitig verlaufende und mit ihr verknüpfte Prosperitäts- und Wohlstandsentwicklung in Westeuropa hat begrenzte nationale Souveränitätstransfers an europäische Institutionen akzeptabel und verkraftbar gemacht. Immer wieder wurden aber auch die Grenzen der Konsensbereitschaft sichtbar: im Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und der Europäische Politischen Gemeinschaft (EPG) zwischen 1952 und 1954, in de Gaulles agrarpolitischen Ultimaten, in den gravierenden Spannungen der Montanunion und der Atomgemeinschaft, in der britischen Rabattforderung, in diversen Referenden zur Ratizierung europäischer Verträge, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie könnten leicht vermehrt werden. Sie zeigen, daß nationale Interessen und daraus erwachsende Krisen das europäische Projekt stetig begleitet haben.24 Wird sich das nun im Angesicht der tiefgreifenden Krise plötzlich ändern? Vielleicht. Aber der Blick in die Geschichte zeigt durchaus, daß es auch anders kommen könnte. Es ist ja nicht auszuschließen, daß die Wertschätzung, die die Einheit Europas als Friedensgemeinschaft jahrzehntelang genossen hat, sich mit wachsender zeitlicher Entfernung von der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und den Sorgen des Kalten Krieges in einer neuen Generation relativiert. Und da die Erfolgsgeschichte des vereinigten Europa mit einer jahrzehntelangen Periode allgemeiner Prosperität zusammengefallen ist, erscheint angesichts der stark schwindenden Akzeptanz Europas bei den Bürgern die Sorge nicht abwegig, daß eine wirtschaftliche Krisenperiode die Suche nach Rettung im Geiste des „sacro egoismo“ verstärken könnte. Es muß auch nochmals hervorgehoben werden, daß die EuropaFixierung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Aussicht auf die Schaffung neuer mächtiger Institutionen, die einen Weg in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa ebnen könnten,

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ndet zum Beispiel in Deutschland mehr Zustimmung als bei den meisten, wenn nicht allen Nachbarn und Partnern. In der Bundesrepublik ist aus historischen Gründen seit den 1950er Jahren Europa als ein Wert an sich aufgefaßt worden, als eine Art Ersatz für verlorengegangene nationalstaatliche Identität. Daran hat sich bis heute, auch in den politischen Entscheidungen der Merkel-Regierung, wenig geändert. Das rechtfertigt nationale Opfer für Europa. Irrig ist allerdings die Annahme, daß die europäischen Partner diese Europa-Perzeption in gleichem Maße teilen. Vielmehr ist bei ihnen die europäische Integration stets mehr unter dem Gesichtspunkt des nationalen Nutzens betrachtet worden. Vor die Wahl gestellt, entweder den Euro oder die Souveränität über den Staatshaushalt aufzugeben, dürfte ein Land wie Frankreich eher das Scheitern des Euro hinnehmen, andere Länder der EU auch. Nicht zuletzt scheinen die neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten wenig geneigt, die gerade erst wiedererlangte Souveränität sofort wieder in Brüssel abzugeben. In dieser Sicht erscheint die deutsche Rettungspolitik seit fast zweieinhalb Jahren als eher blauäugig. Monströse Geldmengen für notleidende Staaten und Banken werden kurzfristig mobilisiert, um mittelfristig die dort notwendigen Strukturreformen doch nicht zu erreichen. Der unterschiedliche Zeitbedarf von Finanztransfers und Strukturreformen ist hierbei zusätzlich von Bedeutung. In einer grundsätzlicheren Betrachtung rückt auch die historische Rolle des Nationalstaats in den Blick. Es könnte scheinen, daß er entgegen vielfachen Erwartungen eben doch noch nicht historisch überwunden ist, auch gegenwärtig nicht abstirbt, daß er vielmehr lebt und sich vital entwickelt, als der Raum, an dem sich die Menschen mental orientieren und in dem sie ihr Leben organisieren. Die Mitgliedstaaten bleiben die Herren des Integrationsprozesses. Zu erinnern ist auch an die weitsichtige Analyse Charles de Gaulles, daß der Nationalstaat, in der französischen Revolution zum Durchbruch gekommen, seine beste Zeit noch vor sich habe: Vielleicht werde sich das Nationalstaatsprinzip dann in zweihundert oder dreihundert Jahren erschöpfen.25 Man wird sehen. Die große Krise Europas könnte auch noch länger andauern.

5. W   K Die gegenwärtige Krise ist vermutlich anders als die früheren Anpassungs- oder „Normalkrisen“ der europäischen Integrationsgeschichte zu bewerten. Sie stellt sich dar als eine tiefe Existenzkrise, die ein aufwendiges Krisenmanagement auch nach zweieinhalb Jahren nicht in den Griff bekommt. Auffallend sind die Ratlosigkeit der (zu)

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vielen Entscheidungsträger und ihr Eingeständnis, nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum vorgehen zu müssen. Es ist der komplexen Entscheidungsstruktur der EU geschuldet, daß keine allseits anerkannte Führungsautorität vorhanden ist, die ein stimmiges Krisenkonzept gegen alle Widerstände und Bedenken ohne Abstriche durchzuziehen imstande wäre. Die beispiellose Orientierungs-, Vertrauens- und Akzeptanzkrise, in die die sogenannte Rettungspolitik das europäische Projekt geführt hat, muß nachdenklich stimmen. Der Blick in die Geschichte der EU zeigt, daß grundsätzlich Währungsarrangements wesentlicher Bestandteil wirtschaftlicher Integration sind, daß mithin – solange die Option einer Rückabwicklung der wirtschaftlichen Integration ausscheidet – die gemeinsame Währung nicht aufgegeben werden kann, ohne daß ein monetärer Ersatz dafür geschaffen wird. Ein solcher Ersatz, zum Beispiel die Rückkehr zum EWS, könnte nur ein weniger efzientes System als die vollendete gemeinsame Währung sein. Wirtschaftlich brächte die Aufgabe des Euro daher allen Euro-Ländern mit Sicherheit Nachteile. Auch unter politischen Gesichtspunkten läge es keinesfalls im Interesse der Euro-Länder und darüber hinaus auch nicht der übrigen EU-Mitgliedstaaten, jene säkulare Errungenschaft, die die einheitliche europäische Währung darstellt, wieder aufzugeben. Dies wäre ein dramatischer, ebenso konkret meßbarer wie psychologisch unberechenbar wirkender Integrationsrückschritt. Er würde sowohl das Selbstverständnis der Europäer als auch die Außenwirkung der EU stark belasten. In dieser Hinsicht hat Frau Merkels Verdikt: „Scheitert der Euro, so scheitert Europa“ bei aller Undifferenziertheit doch einen wahren Kern. Die von manchen euroskeptischen Kommentatoren empfohlene Alternative einer Rückkehr zu den nationalen Währungseinheiten sollte unter keinen Umständen leichtfertig in Kauf genommen oder gar systematisch angestrebt werden. Der historische Rückblick zeigt auch, daß die vorangehende oder zumindest parallele Entwicklung einer vollen Wirtschaftsunion, und möglichst einer Politischen Union, wesentliche Voraussetzung für die Stabilität einer Währungsunion ist. Es ist daher jetzt von zentraler Bedeutung für das Überleben des Euro, daß die noch fehlende ökonomische und politische Integration und die Einsetzung der dafür erforderlichen europäischen Institutionen zügig nachgeholt werden. Allerdings dürfte die zeitnahe Herstellung von erheblich „mehr Europa“ auf Widerstände in den meisten Mitgliedstaaten der EU stoßen, in Teilen auch unrealistisch sein. Zur Übertragung von Kernkompetenzen der nationalen auf die europäische Ebene ist die Bereitschaft gering, letztlich dürfte sich das auch im europafreundlichsten Mitgliedstaat Deutschland zeigen. Die Zwänge, die für alle Mitgliedstaaten von

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der Krisenbewältigungspolitik ausgehen, werden vermutlich eine stete Gratwanderung zwischen monetären Aushilfen und grundlegenden politischen Reformen erfordern, die nur im Konsens möglich ist. Sie wird vermutlich die historisch gewachsenen Strukturen der Europäischen Union verändern. Welche Prinzipien sollten diese Gratwanderung sinnvollerweise begleiten? Am auffälligsten ist, daß das Ausbrechen der Krise im Frühjahr 2010 die Staats- und Regierungschefs in einer Art Panik dazu getrieben hat, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen geltendes Vertragsrecht gebrochen wurde und weiter gebrochen wird. Wie kann die EU Vertrauen erwarten, wenn sie sich jahrzehntelang in der Welt als Rechtsgemeinschaft darstellt und sich dann beim ersten Windstoß nicht weiter um das Recht schert und quasi den Ausnahmezustand erklärt? Die allseitige Rückkehr auf den festen Boden des Rechts ist gewiß die wichtigste Maßnahme zur Überwindung der Krise. Vor allem muß der Bruch der „No-bail-out“-Vorschrift, nach der die Union nicht für die Verbindlichkeiten von Mitgliedstaaten haftet, in Artikel 125 des sogenannten Lissabon-Vertrages (ofziell: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) noch thematisiert werden. Es wurde inzwischen überzeugend begründet, daß die Beachtung dieser Vorschrift im Frühjahr 2010 zu einer weniger gravierenden Krise geführt hätte; erst die Nichtanwendung des Prinzips auf Griechenland hat demnach die Krise eines kleinen Mitgliedslandes zu der ausufernden europäischen Krise werden lassen, die durch die Mobilisierung immer monströserer Rettungspakete wieder eingefangen werden soll.26 Das Ergebnis der Nachtsitzung der europäischen Staats- und Regierungschefs vom 09. auf den 10. Mai 2010 war vermutlich ein Jahrhundertfehler, den die Verantwortlichen gegenüber der europäischen Öffentlichkeit natürlich nicht eingestehen wollen. Das Ergebnis sind die riesigen Transferströme, die dann durch fundamentale europäische Reformen zu legitimieren sind. Es ist, als hätte man das Herz der Welt zerrissen und verbrächte nun den Rest des Lebens damit, es wieder zusammenzuicken. Hinter all diesem Tun erheben sich auch Fragen nach der europapolitischen Kompetenz mancher Akteure, in gewisser Weise auch nach der Redlichkeit. Vielleicht sollte man aus der Geschichte der europäischen Integration auch lernen, daß das europäische Projekt am besten gefahren ist, wenn seine Entwicklung in kleinen, alle Europäer „mitnehmenden“ Schritten erfolgte. Jean Monnets Methode des „step-by-step“, mit der in den ersten vierzig Jahren der EG hochgesteckte Erwartungen nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen wurden, ist offenkundig seit den 1990er Jahren von dem ehrgeizigen Versuch einer abkürzenden

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Geschichtliche Betrachtungen zur europäischen Krise

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Beschleunigung des europäischen Projekts abgelöst worden: Währungsunion, Großerweiterung der EU, Verfassungsvertrag – jedesmal der zweite Schritt vor dem ersten. Geboten wäre die Rückkehr von der Überforderung zur Bescheidenheit der europäischen Methode, auch im Blick auf die nun in der Krise angedachte neue Supranationalisierung.

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Paul J. J. Welfens Die Staatsschuldenkrise in der EU und der Euro-Zone Die transatlantische Bankenkrise, eine Folge der geplatzten USamerikanischen Immobilienblase, hat bis heute gravierende Auswirkungen auf die Staatshaushalte vieler EU-Staaten. Vor allem Spanien, Portugal und Irland sind besonders betroffen. Italien und Griechenland sind durch eigene Politikdezite in ernste Probleme geraten. Schwächen in der Konzeption der Euro-Zone, vor allem aber auch die inkonsistente Krisenintervention von Europäischer Union (EU) und nationalen Regierungen trugen zu Fortdauer und Verschärfung der derzeitigen Staatsschuldenkrise in der EU bei. Die folgenden Ausführungen beleuchten die zugrundeliegenden Probleme und weisen auf mögliche Lösungsansätze hin.

1. D S  E-Z    D  EZB Am 01. Januar 1999 startete die Euro-Zone als Währungsunion von elf Starterländern, inklusive Deutschland. Dazu trat noch im Jahre 2001 Griechenland hinzu – ein Jahr vor Einführung der Gemeinschaftswährung Euro als Bargeld. Vor dem Übergang zum Euro stand der DelorsReport,1 in dem die Notenbankchefs der EU-Länder unter Vorsitz des Ex-Kommissionspräsidenten Jacques Delors die Eckpunkte für eine stabilitätsorientierte Währungsunion skizziert hatten. Diese Währungsunion sollte in Form einer politisch unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB) ein institutionell ähnliches Format haben wie die Deutsche Bundesbank, die über viele Jahrzehnte die Geldwertstabilität in Deutschland gesichert hatte. Als Prüf- beziehungsweise Konvergenzkriterien für Beitrittskandidaten zur Währungsunion waren vorgegeben, und zwar in Anlehnung an die Überlegungen der Delors-Kommission, daß – die Inationsrate maximal anderthalb Prozentpunkte über der Rate in den drei preisstabilsten EU-Ländern liegen dürfe;

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– der Nominalzins, in den Inationserwartungen eingehen, maximal zwei Prozentpunkte über dem Zins in den drei preisstabilsten Ländern liegen dürfe; – die staatliche Dezitquote – also die Relation der Staatsschuld zum Bruttoinlandsprodukt – maximal drei Prozent erreichen dürfe; – die Staatsschuldenquote – also die Relation der Staatsschuld zum Bruttoinlandsprodukt – maximal 60 Prozent erreichen dürfe beziehungsweise hinreichend schnell rückläug sein müsse. Griechenland hatte im Vorfeld des Euro-Starts die Konvergenzkriterien zur Aufnahme in die Währungsunion nicht eingehalten, doch zwei Jahre später waren anscheinend die Aufnahmebedingungen erfolgreich erfüllt worden. In der ersten Dekade gab es eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in der Euro-Zone, denn es wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen als in der gleichen Zeit in den USA. Im Zuge sinkender nominaler und realer Zinssätze in den Ländern der Euro-Zone ergaben sich Impulse für höhere Investitionen und höheren Konsum. Die Inationsrate in der Euro-Zone lag bei knapp zwei Prozent, der Zielmarke der Europäischen Zentralbank entsprechend. In Deutschland allerdings war die Inationsrate niedriger als in den meisten anderen Ländern, was zwar für einen hohen Realzinssatz sorgte. Doch die relative Preiswettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stieg dank Niedriginationsrate im Zeitablauf, was die Nettogüterexporte stimulierte und längerfristig den ungünstigen Realzinseffekt dominiert haben dürfte.2 Die Konvergenzkriterien und die beiden weiteren Vorgaben – politische Unabhängigkeit der Zentralbank und keine Währungsabwertung im direkten Vorfeld – erfüllten alle Starterländer, wobei allerdings die Formulierung bei der Schuldenquote insofern exibel war, als bei Überschreiten der 60-Prozent-Marke auch eine rückläuge Entwicklung der Schuldenquote als qualizierend gelten konnte; die Inationsrate sollte höchstens anderthalb Prozent über der Inationsrate in den drei preisstabilsten Ländern liegen, der langfristige Zinssatz für Staatsanleihen, in den die Inationserwartung eingeht, sollte (wie oben angeführt) maximal zwei Prozentpunkte über dem Zins in den drei preisstabilsten Ländern liegen. Italien und Belgien als Starterländer der Euro-Zone, die mit einer Schuldenquote von gut 100 Prozent deutlich über der 60 Prozentmarke im Prüfjahr 1998 lagen, hatten immerhin im Vorfeld für rückläuge Schuldenquoten gesorgt, so daß diese beiden Länder beim Euro-Start dabei waren, obwohl sie die eigentlich relevante Obergrenze von 60 Prozent bei der Staatsschuldenquote überschritten. Eine weitere Obergren-

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ze galt für die Dezitquote des Staates (inklusive Sozialversicherung), nämlich drei Prozent. Auf Basis der Analyse von Evsey Domar3 für eine wachsende Volkswirtschaft ist bekannt, daß sich die Schuldenquote eines Landes ergibt, indem man die Trend-Dezitquote zum realen Wirtschaftswachstum ins Verhältnis setzt. Eine Dezitquote von drei Prozent dividiert durch fünf Prozent nominales Wirtschaftswachstum ergibt eine Schuldenquote von 60 Prozent; ein Land hingegen, das nur drei Prozent nominales Wachstum im Trend erreicht und eine Dezitquote von drei Prozent aufweist, wird bei einer Schuldenquote von 100 Prozent landen. Laut Stabilitäts- und Wachstumspakt soll auch nach Beitritt zur Euro-Zone gelten, daß die skalischen Konvergenzkriterien von höchstens drei Prozent Dezitquote – bei mittelfristig gewünschtem Haushaltsausgleich – und 60 Prozent Schuldenquote weiter gelten sollen. Dieser Pakt ist allerdings kein völkerrechtlich verbindlicher. Mit dem Fiskalpakt vom Dezember 2011, der 2012 ratiziert werden soll, haben nun allerdings 25 Länder (also die EU27 ohne Großbritannien und Tschechien) einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag aufgesetzt, der mehr Bindungswirkung entfalten soll als der alte Stabilitäts- und Wachstumspakt. Bei diesem entschied der Europäische Rat der Finanzminister mit qualizierter Mehrheit, ob eine Sanktion gegen Dezitsünder verhängt werden solle, wobei das Vorschlagsrecht hierzu bei der Europäischen Kommission lag. Dieser Pakt wurde allerdings in der Realität kaum umgesetzt, und daher beschloß das Europäische Parlament, daß ab dem Jahre 2012 das Verfahren insoweit geändert werden solle, als bei einem Sanktionsvorschlag der Kommission im Rahmen der Excessive Decit Procedure eine negative qualizierte Mehrheit des Rates notwendig ist, um eine Sanktion gegen einen Dezitsünder zu verhindern. Die erste Euro-Dekade war durch eine nominale Zinskonvergenz charakterisiert, wobei die Inationsrate in den relativ schnell wachsenden Ländern der Euro-Zone höher als in Deutschland war, so daß Länder wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland einen geringeren Realzinssatz – gemessen als Nominalzins minus Inationsrate – aufwiesen. In diesen Ländern erhöhte der niedrige Realzins einerseits die Investitionsquote generell, stimulierte aber vor allem die Expansion des Immobiliensektors. Zudem erlaubten sich einige Länder eine Erhöhung der Staatsverbrauchsquote beziehungsweise der Staatsschuldenquote, allen voran Griechenland. Griechenland und Portugal wiesen zudem hohe Leistungsbilanzdezite auf, importierten also wertmäßig mehr Güter, als sie exportierten; die Nettogüterimporte führten zu einer Erhöhung der Auslandsverschuldung, was die betreffenden Länder verstärkt von den internationalen Kapitalmärkten abhängig machte. In den Kapitalmärkten der OECD-Länder waren in der Dekade nach 1995 alle Zeichen

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auf Wachstum gestellt, denn realwirtschaftlich verzeichneten sehr viele Länder unter anderem dank der Expansion der Informations- und Kommunikationstechnologie hohe Wachstumsraten bei Produktion und Beschäftigung. Zudem gab es stark wachsende Länder in Asien, allen voran China und Indien, so daß gerade Deutschland und einige andere EULänder von hohem Exportwachstum protierten. Daß einige Länder – auch in der Euro-Zone – hohe Leistungsbilanzdezite und damit eine steigende Auslandsverschuldung aufwiesen, wurde in einer Phase mit niedrigen Zinssätzen beziehungsweise in der Dekade nach 1997 kaum als Problem angesehen.

2. D T B Aus einer US-Banken- respektive Finanzmarktkrise in den Jahren 2007/2008 hat sich binnen kurzer Zeit eine ernste Transatlantische Banken- und Staatsschuldenkrise entwickelt. Die Risikoprämien auf den Kapitalmärkten waren im Zeitraum von 2003 bis 2006 erstaunlich niedrig,4 was für eine Überexpansion beziehungsweise zu hohe Kreditaufnahmen in einigen OECD-Ländern gesorgt haben dürfte. Während diese Phase sehr niedriger Zinssätze teilweise den Finanzinnovationen beziehungsweise der zunehmenden Verbriefung von Krediten beziehungsweise dem Handel mit Risiken und sonderbar guten Ratings der großen Rating-Agenturen für fast alle EU-Länder geschuldet war, gab es wohl auch Irregularitäten bei der Feststellung des Londoner Referenzzinssatzes Libor, des Zinssatzes für Interbanken-Kredite. Es hat sich 2012 herausgestellt, daß der Londoner Interbanken-Zinssatz Libor offenbar über Jahre – vermutlich von 2005 bis 2009 – von Großbanken in London manipuliert wurde. In diesem Umfeld entwickelt sich die US-Subprime-Krise, die in den Jahren 2007/2008 zu einer Bankenkrise in den USA und Europa führte. Diese Bankenkrise ist mitverantwortlich für die Staatsnanzierungskrisen in den USA, Großbritannien und der Euro-Zone. Zwischen 2007 und 2011 stiegen die Schuldenquoten um 20 bis 30 Prozentpunkte, was wesentlich den staatlichen Rettungsmaßnahmen für Großbanken und dem für die Überwindung der Rezession der Jahre 2008/09 notwendigen Konjunkturprogramm geschuldet war. Durch die zunehmende Verbriefung von Krediten am USImmobilienmarkt, insbesondere auch für Hauserwerber mit schwacher Bonität („subprime“), kam es zu einer Kreditblase im Zeitraum von 2000 bis 2007. Als dann die Zinssätze anstiegen und viele Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr bezahlen konnten, kam es in den Jahren

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2007/2008 zu der Subprime-Krise beziehungsweise einer Banken- und Finanzmarktkrise in den USA. Diese Krise griff rasch auf Europa über, und es kam zu Verwerfungen im US- und im EU-Bankensektor in den Jahren von 2008 bis 2010. Die Investmentbank Bear Stearns wurde mit Hilfe der US-Zentralbank im Frühjahr 2008 gerettet, aber die Investmentbank Lehman Brothers ging am 15. September 2008 in Konkurs. Die Bush-Administration ließ dies zu und erwartete wohl kaum, daß hieraus ein sehr massiver und gefährlicher nationaler wie internationaler Wirtschaftsabschwung entstehen könnte. Die US-Bundesregierung mußte aber schon zwei Tage nach Lehman Brothers die größte USVersicherung, AIG, retten, die stark in Geschäfte mit Kreditversicherungen investiert hatte. Ohne die Rettung von AIG wären wohl dutzende Banken in den USA und Europa, die bei AIG Kreditversicherungen erworben hatten, binnen weniger Monate in Konkurs gewesen. Im Jahre 2008 setzte die US-Regierung auch die Zwangsrekapitalisierung der größten US-Banken durch: Ein Dutzend Banken erhielt eine staatliche Eigenkapitalzuführung in Höhe von 243 Mrd. US-Dollar aus dem Troubled Asset Relief Programm (TARP) der Regierung in Verbindung mit Beschränkungen für Bonus- beziehungsweise Gehaltszahlungen der Top-Manager. Die Gelder wurden bis 2012 zurückgezahlt, wobei der US-Staat noch 19 Mrd. US-Dollar als Rendite erlöste. Die Bankrekapitalisierung durch den Staat macht in den USA etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, in Großbritannien neun Prozent, wobei die staatliche Beteiligung in Großbritannien bei zwei der vier Großbanken auch im Jahre 2012 noch besteht. Der Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers in 2008 ist ein historischer Schock gewesen, denn bis dahin ging der Kapitalmarkt von einer Art impliziten Staatsgarantie für Großbanken aus – „too big to fail“ lautete das Schlagwort. Binnen weniger Wochen nach dem Konkurs von Lehman Brothers schossen die Risikoprämien, gemessen etwa in den USA als Anleihezins für Firmen minus Anleihezins für den Staat, nach oben. Man spricht allgemein von einer US-Subprime-Krise der Jahre 2007/2008, da ihr Ausgangspunkt der US-Hypothekenmarkt für Schuldner mit geringer Bonität war. Diese Kredite waren verbrieft beziehungsweise im Kapitalmarkt bei Tochtergesellschaften großer Banken, nämlich in Zweckgesellschaften, oder auch bei unregulierten HedgeFonds plaziert worden. Zahlreiche Großbanken aus Großbritannien und den EU-Ländern waren massiv in US-Immobilienprojekten direkt und indirekt – meist über Kreditverbriefungsgeschäfte – engagiert, so daß aus der US-Subprime-Krise bald eine Transatlantische Bankenkrise geworden war.5 Auch in EU-Ländern mußten zahlreiche Banken durch Rekapitalisierung beziehungsweise den Einschuß von Staatskapital und

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staatlicher Garantien für Bankenanleihen in den Jahren von 2008 bis 2010 stabilisiert werden. In Deutschland wurde der mit 480 Mrd. Euro ausgestattete SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) als Garantie- und Kreditfonds für in ihrer Existenz gefährdete Großbanken gegründet, der eigentlich schon im Jahre 2011 auslaufen sollte, dann allerdings mit Blick auf die Euro-Krise beziehungsweise die Schuldennanzierungsprobleme von Griechenland, Irland, Portugal und anderen Ländern gleich zu Jahresbeginn 2012 wieder aktiviert wurde. Als Konsequenz der Bankenrekapitalisierungen und der Steuerausfälle sowie der Rezessionseffekte und der Konjunkturprogramme stieg die Bruttoschuldenquote in den Euro-Ländern wie auch in den USA und Großbritannien im Zeitraum von 2008 bis 2011 um etwa 20 beziehungsweise 25 Prozentpunkte. Damit wurden in vielen OECD-Ländern kritische Marken der Staatsschuldenquote erreicht; 90 Prozent gelten nach empirischen Untersuchungen von Reinhart und Rogoff als wachstumsschädlich.6 Da seit Oktober 2008 die Risikoprämien allgemein anstiegen, war offensichtlich, daß alle Staaten mit hohen Schuldenquoten beziehungsweise hoher Auslandsverschuldung gut beraten gewesen wären, auf einen Konsolidierungskurs einzuschwenken. In der Euro-Zone wurde das Problem jedoch ignoriert; in der Analyse der Europäischen Kommission zum zehnjährigen Bestehen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ndet sich die Fehleinschätzung, daß der revidierte Stabilitätsund Wachstumspakt die Einhaltung der skalischen Konvergenzkriterien erleichtern werde.7 Der Autor dieser Zeilen allerdings notierte in einem Buch, dessen Manuskriptabschluß auf Oktober 2008 datiert, folgendes Szenario als wahrscheinliche Konsequenz der Transatlantischen Bankenkrise: „Die Euro-Zone könnte in ernste Schwierigkeiten geraten, wenn die Risikoprämien für Länder wie Griechenland, Italien, Spanien oder Portugal stark ansteigen. Es ist mit Blick auf Griechenland und Italien als Länder mit hohen Schuldenund Dezitquoten sowie hohen Auslandsschulden keineswegs ausgeschlossen, daß bei einer temporären Verschärfung der globalen Finanzkrise eine marktmäßige Renanzierung nicht mehr darstellbar ist – wenn indes etwa ein Land wie Griechenland im Wesentlichen durch die Impulse der US-Bankenkrise in ernste Probleme kommt, so sollte man dann die No-bail-out-Vorgaben aus dem Maastrichter Vertrag nicht zur Anwendung bringen; vielmehr sollten die Mitgliedsländer der Euro-Zone sich in solidarischer Verantwortung auch hinter Mitgliedsländer mit Renanzierungsproblemen stellen [. . . ] Nachdem sich in der transatlantischen

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Bankenkrise gerade die Währungsintegration bzw. die EuroZone bewährt hat, wäre es aber gänzlich unvernünftig, die Wirtschafts- und Währungsunion durch eine überzogene Interpretation des Maastrichter Vertrages in Schwierigkeiten zu bringen [. . . ] Die Euro-Zone bzw. die EU wird aber gut daran tun, die Konvergenzkriterien nicht aufzuweichen und ergänzend auch die Leistungsbilanzdezitquote von Kandidatenländern kritisch zu beachten.“8 Mit Blick auf die Transatlantische Bankenkrise ist anzumerken, daß die Probleme im Kontext dieser Krise bis 2012 keinesfalls klar überwunden waren. Denn – in den USA und Großbritannien sowie in einigen Ländern der Eurouzone gab es auch in den Jahren 2011/2012 noch einen Schrumpfungsprozess des Bankensektors; – das Wirtschaftswachstum in vielen OECD-Ländern kehrte nicht zu der hohen Dynamik vor der Krise in den Jahren 2007/2008 zurück; – auch 2012 treten noch alte Probleme ans Licht, etwa wenn es heißt, daß der Londoner Interbankenmarktzins für Dollar-Kredite, der Liborzinssatz – eine wichtige Referenzgröße – im Zeitraum von 2005 bis 2010 mutmaßlich von Großbanken verfälscht worden ist; – die Banken in der Euro-Zone haben eine neue Fragilität in der Staatsnanzierungskrise entwickelt, da viele Banken in vielen Euro-Ländern vor allem inländische beziehungsweise nationale Staatsschuldtitel im Bestand halten. Mit der um Spanien und Zypern sowie faktisch auch um Italien erweiterten Reihe von Krisenländern von 2012, die 2010 mit Griechenland und Irland begonnen hatte (2011 um Portugal erweitert), ist eine große Zahl von Ländern in ökonomische Schwierigkeiten beziehungsweise in Probleme beim Zugang zum Kapitalmarkt geraten. Das bedeutet, daß die entsprechenden nationalen Schuldtitel typischerweise zeitweise hohen Kursverlusten unterliegen beziehungsweise relativ volatil in der Kursentwicklung ausfallen. Die damit angelegten Bilanzrisiken führen zu verschlechtertem Rating der Banken respektive zu höheren Kapitalkosten bei den Banken, was wiederum die von Kreditnehmern geforderte Mindestrendite bei Investitionsprojekten nach oben beziehungsweise letztlich zu verminderter Kreditvergabe und reduziertem gesamtwirtschaftlichen Investitionsniveau führt – im Grenzfall gar zu einer Rezession.

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Eine Rezession aber verschärft die Dezit- beziehungsweise Schuldenquotenprobleme, was wiederum zu verschlechtertem Rating der Banken führt. Hier kann eine gefährliche, anhaltende Abwärtsspirale entstehen; auch in Richtung Rezession.

3. P  EU-S Die Euro-Zone ist 2010 in eine Krise geraten, die sich in den beiden Folgejahren deutlich intensiviert hat. Neben Griechenland, das im Mai 2010 ein bilaterales Hilfspaket von EU-Ländern und Internationalem Währungsfond (IWF) in einem Gesamtvolumen von 110 Mrd. Euro erhielt, wurde Irland im selben Jahr auffällig, da es ebenfalls den Zugang zum Kapitalmarkt bei einem Zinssatz von fast sieben Prozent verlor und um ein Rettungspaket der Euro-Länder beziehungsweise der EU nachsuchen mußte. Portugal kam als Krisenland im Frühjahr 2011 hinzu, dann Ende Juli auch noch Spanien und Italien, die sich plötzlich mit stark steigenden oder sehr hohen Zinssätzen konfrontiert sahen. Der Zinsanstieg ergab sich unmittelbar nach dem ersten Euro-Gipfel-Beschluss vom 21. Juli 2011 für einen „haircut“ von 21 Prozent bei privaten GriechenlandGläubigern beziehungsweise Anleihe-Haltern. Sofort ergab sich die Befürchtung vieler Kapitalmarktakteure, es werde auch bei Italien und womöglich bei Spanien zu einem „haircut“ kommen. Es kam bei den Papieren beider Länder zu erheblichen Kursverlusten respektive spiegelbildlich zu einem deutlichen Zinsanstieg. In der ersten Jahreshälfte 2012 mußte dann Spanien um Sondermittel beziehungsweise einen Hilfskredit für seinen maroden Sparkassensektor nachsuchen. Es erhielt eine Hilfszusage der Euro-Partnerländer von 100 Mrd. Euro, wobei zunächst unklar war, ob die Gelder aus dem Topf des EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität / European Financial Stability Facility) oder aus dem neuen Rettungstopf ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus / European Stability Mechanism) kommen sollten. Letzterer kann voraussichtlich nach der Zustimmung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. September im Spätherbst 2012 mit kleineren Auflagen starten; das am 06. September von der EZB angekündigte neue Ankaufsprogramm für Staatsanleihen erscheint durchaus vernünftig, wobei mittelfristig das maximale Ankaufsvolumen bei den Krisenländern etwa 300 Mrd. Euro betragen könnte – dies betrifft dann den von der EZB als relevant erklärten Laufzeitenbereich von ein bis drei Jahren. Betrachtet man den Sachverhalt, daß die Risikoexposition mit Blick auf Spaniens Bankensystem bei Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit jeweils etwa 4,5 Prozent besonders stark war,9 so hätte es

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eigentlich nahegelegen, als Problemlösung für Spanien einen SonderHilfsfonds aus Mitteln der drei genannten Länder aufzusetzen und somit auch Großbritannien an der Lösung der Euro-Krise mit gutem Grund zu beteiligen. Eine solche Option aber wurde in Berlin und Brüssel nicht einmal erwogen, so daß Großbritannien bei der Rettung der spanischen Banken und Sparkassen als Trittbrettfahrer an Bord war. Es gibt keinen Zweifel, daß an der Griechenland-Krise zuerst Politiker aus Athen Verantwortung tragen, die im Wahljahr 2009 eine Dezitquote von vier Prozent nach Brüssel an die Europäische Kommission meldeten und in Wahrheit fünfzehn Prozent realisierten: eine perde Strategie der kreditnanzierten Superausgabensteigerung, um sich die eigene Wiederwahl zu sichern, allerdings vergeblich. Als die neue Regierung Ende des Jahres 2009 eine Ist-Dezitquote von rund zwölf Prozent meldete beziehungsweise als die Kommission im Jahre 2010 den politischen Betrug bei den Dezitzahlen entdeckte (und dann im folgenden Jahr als Ist-Zahl für das Jahr 2009 schließlich 15,6 Prozent angab), der auch ein sehr schwerer Verstoß gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seiner Drei-Prozent-Obergrenze für die Dezitquote war, hat Kommissionspräsident Barroso keineswegs Griechenland vor den Europäischen Gerichtshof gestellt, sondern einfach nur geschwiegen. So kann man Regelwerke beziehungsweise Ordnungspolitik offenbar nicht umsetzen. Der Europäische Finanzministerrat hat nicht den Mut aufgebracht, Sanktionen gemäß Stabilitäts- und Wachstumspakt gegen Euro-Ländern mit überhöhten Deziten zu verhängen. Deutschland sowie Frankreich haben 2004/05 zudem bei geringem eigenen Überschreiten der DreiProzent-Dezitquote den Pakt in der Interpretation aufgeweicht. Auch die Kommission hat bei der Durchsetzung von Regeln für die Euro-Zone versagt. Denn auch Irlands Regierung hat im Jahre 2010 ungestraft eine Dezitquote von 31 Prozent realisiert, wobei zwei Drittel davon durch die notwendige staatliche Bankenrettung zustande kamen. Die wiederum war wesentlich Ergebnis eigentlich unzulässig riskanter Finanzierungen von Immobilienprojekten in Irland und von Investitionen in Verbriefungsprodukte. Dublin hat die Brüsseler Bankenaufsichtsrichtlinien jahrelang ignoriert – also waren Mega-Bankenverluste ja nur folgerichtig – und mußte nicht einmal eine Rüge aus Brüssel einstecken. Es gab in der Irland-Krise aber im Vorfeld einen weiteren Übeltäter, denn am 07. Juli 2006 gab der Internationale Währungsfonds seinen sogenannten FSAP-Bericht (Financial Stability Assessment Program) zum Finanzsystem Irlands ab: Tenor war, daß der Bankensektor gesund sei und nur im Rückversicherungsbereich Probleme bestünden – eine groteske Fehldiagnose, da ja im Jahre 2006 fast alle irischen Banken krank wa-

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ren. Es verwundert da im übrigen nicht, daß auch der FSAP-Bericht zur Schweiz falsch war und der UBS ein sonderbar gutes Zeugnis ausstellte. Daß die Analysequalität beziehungsweise der Realismus des IWF zu wünschen übrig lassen, zeigt auch der Artikel-IV-Bericht zu Griechenland aus dem Jahr 2008, dessen Prognose zur Schuldenquote für das Jahr 2013 lautete, daß diese 72 Prozent betragen werde, im ungünstigen Fall von nur zwei Prozent Wirtschaftswachstum eher 96 Prozent – jedenfalls Lichtjahre von dem jetzt erwarteten Ist-Wert von etwa 170 Prozent für das Jahr 2013 (ohne Schuldenschnitt). Griechenland brauchte im Frühjahr 2012 zwei Wahlen binnen sechs Wochen, um eine handlungsfähige Koalitionsregierung auf die Beine zu stellen. Die zweite Griechenland-Wahl im Juni 2012 brachte dann eine neue Koalitionsmehrheit unter Führung der konservativen Partei, also gerade jener Nea Dimokratia, die den Dezitbetrug 2009 organisiert hatte. Das Anpassungsprogramm Griechenlands ist durch die Doppelwahlen und den daraus resultierenden politischen Stillstand hinter die Zielvorgaben geraten. Ob das Land in Nachverhandlungen bedeutende Erleichterungen zugestanden bekommt, ist weiterhin unklar. Die politische Botschaft der in der Wahl erstarkten links- und rechtsextremen Parteien lautet, daß man die Zinszahlungen einfach streichen will. Griechenland hätte aber selbst dann ein Dezitproblem, denn das sogenannte Primärdezit – das Dezit ohne Zinsausgaben – ist auch 2012 in einer Minusposition. Ein zielgerichteter Pragmatismus fehlte auf der Handlungsebene, als es um Privatisierungen in Athen gegangen wäre, das laut dem Griechenland-Bericht des IWF vom Dezember 2010 rund 400 Mrd. Euro Staatsvermögen aufweist: Der faktisch von der Euro-Zone erzwungene Schnitt von 55 Prozent bei den privaten Gläubigern von Griechenland hat Athen eine Schuldenerleichterung von etwa 110 Mrd. Euro eingebracht und im übrigen die Finanzierungskosten fast aller anderen EuroLänder nach oben schießen lassen; deutlich sichtbar ist dies bei Spanien und Italien. Die erste Entscheidung zu einem Schuldenschnitt von über 21 Prozent, die am 21. Juli 2011 erfolgte, trieb schon wenige Tage später die Zinssätze für Spanien und Italien auf hohe Werte. Geht man davon aus, daß die Kapitalmarktteilnehmer den 21-Prozent-Vorschlag für einen Schuldenschnitt bei privaten Gläubigern so interpretierten, daß bei Italien und Spanien ein Schnitt von 20 Prozent zu antizipieren sei, dann bedeutete das angesichts der Staatsschuld Italiens einen Vermögensverlust von etwa 360 Mrd. Euro und bei Spanien nochmals einen Vermögensverlust von 120 Mrd. Euro. Ein sinnvolles Kosten-NutzenVerhältnis stellt der Griechenland-Schuldenschnitt offenbar nicht dar, da einer Schuldenreduzierung von 37 Mrd. Euro mehr als zehnmal so

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hohe Vermögensverluste in der Euro-Zone bei anderen Ländern beziehungsweise den privaten Investoren bei Italien- und Spanien-Anleihen gegenüberstehen. Wenig rational erscheint der Schuldenschnitt vor allem auch deshalb, weil er nicht mit einem großen Privatisierungsprogramm verbunden war – unverständlich für ein Land mit einem positiven Nettostaatsvermögen. Hier wäre es viel besser und sinnvoller gewesen, der in Sachen Privatisierungen wenig erfahrenen Politikkaste in Griechenland im Rahmen eines international organisierten langfristigen Privatisierungsprogramm zu helfen – etwa mit Experten aus osteuropäischen Ländern und der Osteuropa-Bank EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) aus London. Man hätte Athen für die Hälfte des Staatsvermögens eine Art garantierte Anzahlung von 150 Mrd. Euro in Raten anbieten können, um zugleich die Weichen für Produktivitätsgewinne und Exportverbesserungen zu stellen. Von einer solchen Privatisierungsstrategie aber, die für Griechenland wichtige realwirtschaftliche Strukturreformen plus Schuldenreduzierung gebracht hätte, wollte man im Berliner Finanzministerium trotz der Pläne des Beratungsunternehmens Roland Berger nichts wissen. Mit einem doppelten Kreditrettungspaket hingegen wollte man Griechenland in den Jahren 2010/2011 stabilisieren, was überraschendweise nicht gelang, in Wahrheit aber nicht weiter erstaunlich ist. Deutschlands eigene Geschichte weist in den frühen 1930er Jahren, also in der Weltwirtschaftskrise, drei Jahre Rezession hintereinander und eine Schrumpfung des Bruttoinlandsproduktes um kumuliert sechzehn Prozent auf – mit nachfolgender massiver politischer Radikalisierung und dem zuvor erfolgtem Hoover-Reparations- beziehungsweise Schuldenmoratorium von 1930 sowie dann gar einer von den USA beziehungsweise den Alliierten gebilligten Schuldenstreichung für Deutschland im Vertrag von Lausanne im Jahre 1932. Griechenland geht, und das war schon 2011 klar, im Jahre 2012 ins fünfte aufeinander folgende Rezessionsjahr, wobei bis Jahresende das gesamtwirtschaftliche Einkommen kumuliert um 20 Prozent gesunken sein wird. Daß hier eine gefährliche politische Radikalisierung bei Wahlen in Athen zu erwarten war, mußte jedem in Berlin klar sein. Finanzminister Schäuble hat das Problem wohl auch gesehen, da er im Frühjahr 2012 öffentlich zu einer Verschiebung der Wahlen riet. Es führt angesichts des widersprüchlichen Rettungsprogramms von 2011/2012 kein Weg an der Einsicht vorbei, daß Griechenland einen an Bedingungen geknüpften Marshall-Plan einerseits und eine Revitalisierung seines Bankensektors andererseits braucht. Ein funktionsfähiger Bankensektor ist notwendig, um die Kreditvergabe, insbesondere die Export-, Investitions- und Innovationsnanzierung, aufrecht zu erhal-

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ten; ein Marshall-Plan könnte eine Stimulierung der privaten Investitionen bewirken. Eine Anpassung beim zweiten Hilfsprogramm wäre erwägenswert, nämlich mehr IWF-Gelder zwecks geringfügiger Aufstockung des Kreditvolumens einzubauen, dann aber zugleich auch mehr Kontrolle der Verwendung der IWF-Gelder beziehungsweise Mobilisierung technischer Hilfen durch die Weltbank; diese hat auch Erfahrung bei Privatisierungsprojekten und könnte ihrerseits die EBRD mit ihren umfassenden Expertise aus den Privatisierungen in Osteuropa an Bord holen. Dies sollte zusammen mit den Strukturreformen und einer an Privatisierungsfortschritte geknüpften geringen Schuldenherabsetzung via Verhandlungen im Pariser Club – öffentliche Gläubiger betreffend – ausreichen, um das Land rasch wieder Richtung Wachstum zu führen. Dabei sollten Kredite für Investitionen beziehungsweise die mittelständische Wirtschaft im Vordergrund der Marshall-Plan-Hilfe stehen. Zudem sind Liberalisierungen und Privatisierungen in den Sektoren von Energie- und Transportwirtschaft umzusetzen, wobei es nicht nur um einen Einnahmeeffekt für den Staat, sondern auch um eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von griechischen Unternehmen geht: Wenn mehr Wettbewerb zu sinkenden Strompreisen und Transportkosten führt, dann können eben auch mehr Güter im Weltmarkt abgesetzt werden. Am Ende steht die Einsicht, daß die Währungsunion ohne eine wirkliche politische Euro-Union keinen Bestand haben wird. Während Irland und Portugal halbwegs auf gutem Wege in Sachen Krisenüberwindung zu sein scheinen, ist die Lage in Athen sehr schwierig. Für Athen wäre ein Ausstieg aus der Euro-Zone für viele Jahre eine steile Treppe in den ökonomischen Abstieg. Aus Sicht der Euro-Länder spricht nichts für einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone, da hiermit die Saat des Zweifels an der Mitgliedschaft sehr vieler Länder in die Kapitalmärkte gestreut werden würde; dann aber könnte es jederzeit massive spekulative Attacken gegen andere als schwach eingestufte Länder geben – von Portugal über Spanien bis Italien. Es entspricht der Idee einer dauerhaften Währungsunion, daß es hier keine Austrittsklausel gibt; wenn Griechenland tatsächlich den Staatskonkurs nicht vermeiden kann, dann sollte das Land innerhalb der Euro-Zone einen solchen Konkurs realisieren. Vom Ifo-Institut wurden im Sommer 2012 die Kosten allein für Deutschland in diesem Fall mit rund 85 Mrd. Euro beziffert, die Kosten bei einem Ausscheiden aus der Euro-Zone sind angeblich etwas geringer. Man mag es als nützlich ansehen, daß vom Ifo-Institut mögliche Haftungsrisiken für Deutschland aufgezeigt werden, wobei das IfoInstitut im Juli diese Risiken mit Blick auf die Ausfallrisiken bei allen Krisenländern auf etwa 700 Mrd. Euro für Deutschland bezifferte. Tatsächlich sind diese Horrorzahlen nebulös und im Grunde unsolide, da zu

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den einzelnen Posten keine Wahrscheinlichkeiten angegeben werden. Bei einer vernünftigeren Betrachtung wird man nach Jahrzehnten an Erfahrungen mit Staatskonkursen – vor allem bei Schwellen- und Entwicklungsländern – davon ausgehen, daß der IWF als international bevorrechtigter Gläubiger immer seine Kredite zurückbezahlt bekommt. Selbst wenn man Ausfallquoten aus Entwicklungs- und Schwellenländern zugrunde legt, dann wäre der Erwartungswert mit 280 Mrd. Euro anzusetzen, geht man von einer durchschnittlichen Ausfallrate von 40 Prozent aus. Dem stehen allerdings aus der Gesamtkrise herrührende Sichere-Hafen-Effekte für Deutschland entgegen, die erhöhten Kapitalzuüsse respektive Zinssenkungseffekte in Höhe von etwa zwei Prozentpunkten.10 Die kumulierten Vorteile aus dem Sichere-Hafen-Effekt betragen für den Zeitraum von 2010 bis 2017 geschätzte 200 Mrd. Euro,11 wobei in den Jahren von 2010 bis 2012 entsprechende anteilige Dämpfungseffekte bei den staatlichen Zinsausgaben schon entstanden sind beziehungsweise für ein sicheres Ereignis stehen. Vom Ifo-Institut werden die Sichere-Hafen-Effekte immer ausgeblendet, was ein unvollständiges Bild der Lage gibt. Es gibt natürlich bei der Rettung – so wie bei jeder Rettung – Risiken auch für die Retter, aber ein sinnvolles durchdachtes Krisenmanagement wird verantwortungsvoll damit umgehen und auch eine Abschirmung von Risiken suchen. Es ist durchaus bedenkenswert, daß mit der Höhe der Kredithilfen Pfandregelungen greifen könnten, wie dies etwa Finnland teilweise durchgesetzt hat. Die Sanierung Griechenlands wird in jedem Fall relativ schwierig werden, nachdem man die eigentlich schon für das Jahr 2010 – beim ersten Hilfspaket – denkbaren Privatisierungsvorgaben als Bedingung für Hilfskredite nicht verankerte. Spaniens Bankenprobleme und die dahinterstehende Immobilienblase sind wohl im Kontext mit der Transatlantischen Bankenkrise entstanden; mit der Währungsunion selbst sind diese Probleme nur wenig verbunden. Auch ohne Euro wäre eine solche von großen Immobilieninvestitionen exorbitant gut verdienender Banker und Finanzhändler aus allen EU-Finanzzentren in den Jahren von 1997 bis 2007 entstanden. Im übrigen gab es Immobilienblasen und -krisen natürlich auch in früheren Jahren schon in verschiedenen EULändern. Die Verbindung zur Euro-Krise entsteht allerdings dadurch, daß die sonst leicht möglichen Bankenrekapitalisierungen durch den spanischen Staat angesichts der schon hohen Schuldenquote von etwa 75 Prozent im Jahr 2012 und hohen Dezitquoten kaum zu realisieren sind und der Zugang der Sparkassen und Banken zum Kapitalmarkt im Zuge der Euro-Krise sich in vielen Ländern, inklusive Spanien, deutlich verschlechtert hat. Zyperns Hilfsprogramm ist im Kern ein Nebeneffekt des „haircuts“ für Griechenland, denn zypriotische Banken halten in ih-

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ren Bilanzen hohe Bestände an Griechenland-Anleihen, deren Wert auf weniger als die Hälfte geschrumpft ist; das bedeutet für viele Banken Verluste und sinkendes Eigenkapital, das wiederum Basis für die Kreditvergabe der Banken ist. Spanien und Italien stehen für ein schwieriges Doppelproblem, das spätestens zur Jahreswende 2012/2013 die Euro-Zone in eine Existenzkrise bringen dürfte. Auch der negative Rating-Ausblick, den die Agentur Moody’s für Deutschland, die Niederlande und Luxemburg – alles bislang Länder mit Top-Rating AAA – im Juli 2012 gegeben hat, ist ein erstes Warnzeichen, daß Experten aus den Rating-Agenturen zunehmende Risiken auch für Deutschland sehen. Mit einer auf Beschwichtigung in Sachen Euro-Krise angelegten Rede in London hat der EZB-Chef Draghi kurz vor den Olympischen Spielen Zuversicht in Sachen Euro-Stabilisierung zu verbreiten gesucht. Die Medien und die Kapitalmarktakteure haben diese Bemerkungen vor allem so verstanden, daß spanische und italienische Anleihen angekauft werden sollen, was die Kursniveaus dieser Anleihen in den Tagen nach der Draghi-Rede stabilisiert hat. Es ist aber keineswegs klar, daß die EZB beziehungsweise das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) diesen Überlegungen folgen wird – hier gibt es erkennbare Differenzen mit der Deutschen Bundesbank. Wenn die EZB sich nicht zu umfassenden Ankäufen von Spanien- und Italien-Anleihen oder aber zur Einführung von Euro-Bonds im Herbst 2012 entschließen kann, werden die Zinssätze für beide Länder wohl auf sehr hohem Niveau bleiben. Dies steht im Gegensatz etwa zu Irland, das im Juli eine fünfjährige Anleihe am Markt plazieren konnte und somit wieder an den Kapitalmarkt zurückkehrte. Am 02. August 2012 verkündete die EZB, daß sie nur dann Anleihen von Krisenstaaten ankaufen werde, wenn diese unter den Rettungsschirm gingen und sich damit ofziellen Anpassungsprogrammen unterwerfen müßten. Dieser Beschluss steht in einem gewissen Gegensatz zu den Erwartungen, die die Londoner Draghi-Rede auf den Kapitalmärkten geschürt hatte. Vor allem aber ist dieser Beschluss eine weitere Abkehr von Rationalität, die man über Jahrzehnte als Markenzeichen westlicher Politik betrachten konnte, wobei die Abschwächung der Rationalität im Zuge der Euro-Krise weit fortgeschritten ist: – Wenn es nun – offensichtlich ja auch mit Blick auf Spanien und Italien – heißt, man werde seitens der EZB nur dann Anleihen ankaufen, wenn diese Länder unter den Euro-Rettungsschirm gingen, dann ist das unlogisch: Denn wenn Spanien unter den Rettungsschirm gezwungen würde, wäre es in höchstem Maße überraschend, wenn die dann in höchste Nervosität geratenden Finanzmärkte nicht auch kurze Zeit später Italien unter den Rettungsschirm zwängen. Der aber ist für den doppelten Krisenfall Spani-

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en und Italien bekanntlich zu klein. Damit ist der August-Beschluß der EZB ein Widerspruch in sich und rückt nun auch diese Institution in die Reihe unklar agierender Institutionen in Europa. – Wenn man in einem Praxis- oder Hochschulseminar den Fall eines Landes als Aufgabe zu behandeln hätte, das den Zugang zu den Kapitalmärkten verloren hat und dessen Staatsvermögen höher als die Staatsschulden sind, dann wird niemand mit klarem Verstand als erstes einen Schuldenschnitt empfehlen. Tatsächlich ist auf Drängen der deutschen Bundesregierung aber genau das geschehen, als man im Juli 2011 auf dem Euro-Gipfel einen „haircut“ für private Investoren in Griechenland-Anleihen festlegte. Man darf wohl davon ausgehen, daß die führenden Akteure der beteiligten Euro-Regierungen Zahlen über das Staatsvermögen Griechenlands – verfügbar aus einer IWF-Publikation vom Dezember 2010 – nicht kannten; und viele sogenannte Top-Ökonomen, die sich öffentlich pro „haircut“ im Frühjahr 2011 äußerten, auch nicht. – Als Anfang Mai die Frage anstand, in welcher Höhe man ein Rettungspaket für Griechenland schnüren sollte, hätte es rationale Politik verlangt, daß die EU-Länder beziehungsweise die Europäischen Kommission die Experten in ihrer Abteilung für Makroökonomik DG ECFIN (Directorate General for Economic and Financial Affairs) um Berechnungen verschiedener Alternativen und Simulationen gebeten hätte. Es ging ja um einen historisch erstmaligen Vorgang in der EU, daß eines der Kohäsionsländer den Zugang zur marktmäßigen Finanzierung verlor. Politikentscheidungen, die nicht auf sorgfältigen Analysen von Alternativoptionen basieren, sind nicht rational; und das erste GriechenlandRettungspaket von 110 Mrd. Euro, davon 80 Mrd. Euro von den Euro-Ländern, war schließlich auch kein vernachlässigbar kleiner Kreditbetrag. – Ob man die Weigerung der Europäischen Zentralbank, sich des Instrumentariums des in den USA und Großbritannien von 2008 bis 2012 erfolgreich realisierten Quantitative Easing (QE) zu bedienen, als Verstoß gegen rationales Handeln im Jahre 2012 ansehen soll, mag man diskutieren. Die expansive Offenmarktpolitik (Ankauf von Staatsanleihen in erheblichem Umfang) respektive die QE-Politik, die in den beiden Ländern weitgehend inationsneutral realisiert wurde, führte zu einer Währungsabwertung beziehungsweise zu einer Stimulierung der Nettogüterexporte beziehungsweise des Bruttoinlandsproduktes und der Beschäftigung sowie der Steuereinnahmen. Zudem hat sich eine investiti-

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onsförderliche Zinssenkung ergeben, die auch noch zu einer Minderung der effektiven Zinsausgaben des Staates geführt hat. Wieso die Euro-Zone mit ihrer erkennbaren Rezessionssituation im Spätsommer 2012 diese Politikoption nicht verfügbar hat, kann man sehr kritisch fragen; sinnvollerweise hätte man zuvor EuroGemeinschaftsanleihen eingeführt. – Wenn die relevanten politischen Institutionen in einer Krise derart widersprüchlich agieren, ist eine Reform der Institutionen dringend notwendig. Der Herbst 2012 und die Jahreswende 2012/2013 könnten durchaus zu einer tragischen Episode werden. Regierung und Bundeskanzlerin weigern sich, über die Option von Euro-Gemeinschaftsanleihen nachzudenken. Hier gibt es natürlich Anreizprobleme, da man fürchten kann, daß beim Auflegen solcher Gemeinschaftsanleihen – die niedrige Zinssätze haben dürften – der Konsolidierungseifer der Krisenländer nachläßt. So verweist die Bundesregierung auch darauf, daß im Maastrichter Vertrag eine Nicht-Beistandsklausel („no-bail-out“) in Sachen nationaler Staatsschulden verankert ist, so daß Euro-Gemeinschaftsanleihen einen Vertragsverstoß darstellten. So einfach ist das jedoch, wie die Befragung einiger Juristen ergibt, keineswegs. Denn eine zeitlich begrenzte überschaubare Hilfe, verbunden mit härteren Regeln für die Haushaltskonsolidierung, ist durchaus statthaft. Auch ist die Frage zu stellen, ob man denn ohne Haushaltskrisen in verschiedenen Ländern nicht längst zu Euro-Gemeinschaftsanleihen in einem Teilbereich der Haushaltsnanzierung hätte übergehen wollen oder sollen, damit man ähnliche geldpolitische Handlungsmöglichkeiten wie die USA und Großbritannien hätte. Hierbei geht es um das sogenannte Quantitative Easing (QE), das in beiden Ländern und in Japan im Zeitraum von 2001 bis 2012 durchgeführt wurde, speziell in den Jahren nach dem Oktober 2008. QE-Politik steht für eine mengenmäßige geldpolitische Auflockerung beziehungsweise eine expansive Offenmarktpolitik, bei der die Zentralbank über einen längeren Zeitraum in einem Umfeld mit bereits sehr niedrigem Notenbankzinssatz Staatsanleihen ankauft. Die Geldmenge steigt dann genau in der Höhe der Ankäufe von Staatsanleihen, was tendentiell inationär sein könnte. Allerdings sind die Finanz- und Bankenmärkte im Gefolge des Lehman-Brother-Konkurses derart in Unordnung geraten und von starken Vertrauenskrisen geprägt, daß ein Großteil der Zentralbankliquidität nur vorübergehend in die Banken kommt; diese hielte etwa in der Euro-Zone auf EZB-Einlage-Konten im Juni 2012 rund 800 Mrd. Euro zu einem Zinssatz von 0,25 Prozent. Dies bedeutet, daß ein

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Teil der Zusatzliquidität aus QE-Politik eben rasch wieder zur Zentralbank zurückwandert, was vielen Banken angesichts großen Mißtrauens in Geschäftspartner-Banken als rationale Entscheidung erscheint.

4. H  W Der Europäische Rat hat sich am 28. und 29. Juni 2012 intensiv mit akuten Problemen beschäftigt und kam Italien und Spanien insoweit entgegen, als eine direkte Bankenrekapitalisierung über den ESMRettungsschirm erfolgen kann beziehungsweise als direkte Anleihenkäufe möglich sind. Die Tatsache, daß im Juli der Spanien-Zinssatz auf über sieben Prozent stieg, zeigte aber den Mangel an nachhaltigen Problemlösungensstrategien. Das widersprüchliche Krisenmanagement hat die Euro-Zone belastet. Obwohl diese mit Blick auf EU-Prognosedaten für 2013 bei der Dezitquote mit 2,9 Prozent besser dastehen wird als die USA und Großbritannien mit jeweils gut sechs Prozent und obwohl die Schuldenquoten beider Länder höher als in der Euro-Zone sind, ist der durchschnittliche Zins in der Euro-Zone größer als in den USA und Großbritannien. Die Euro-Zone aber steht vor der Gefahr einer Kernschmelze, und zwar auch durch Politikfehler; so wie bei dem verfrühten „haircut“ im Falle Griechenlands, der ein Land in Teilkonkurs schickte, dessen Staatsvermögen höher als seine Staatsschulden ist. Zudem hat man Zyperns Bankensektor – mit vielen Griechenland-Bonds – ebenso begraben, wie man den Bondsmarkt für Italien und Spanien beschädigt hat. Eine große deutsche Bank verkaufte nach dem 21. Juli 2011 ihre ItalienAnleihen, da man eine Ausweitung der „haircuts“ fürchtete. Das Hauptproblem der Euro-Zone, daß Spanien im Rating nur noch knapp über der Investorgrad-Qualität (das heißt: BBB oder höher) steht, hat man auf dem Gipfel kaum thematisiert. Die sich ausbreitende Rezession in der Euro-Zone stellt die Uhr dafür, daß eine neue Welle der bonitätsmäßigen Abwertung von Euro-Ländern – inklusive Spaniens – durch die Rating-Agenturen ansteht. Auch ein denkbarer baldiger Rating-Abstieg der USA wäre kritisch. Wenn Spanien unter Investorgrad-Rating fällt, müssen alle institutionellen Investoren ihre Spanien-Papiere mit Verlust verkaufen, und wenn Spanien stürzt, fällt Italien gleich hinterher. Dann ist bekanntlich jeder Rettungsschirm zu klein: Was dann? Eine denkbare Option zur Einführung von Euro-Bonds ist die Einführung eines Erblastentilgungsfonds, in den die Euro-Staaten – so der Vorschlag des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung12 – die Staatsverschuldung einbringen sollen,

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die die Schuldenquote von 60 Prozent übersteigt. Für diesen Erblastentilgungsfonds mit einer Laufzeit von etwa 25 Jahren gäbe es eine gemeinsame Haftung, wobei ein Fünftel der jeweiligen Schuldenanteile mit Staatsvermögen oder Währungsreserven besichert werden soll. Man weiß, daß die Regierung Merkel Gemeinschafts-Anleihen wegen ernsthafter Anreizeprobleme ablehnend gegenübersteht. Diese einseitige Sichtweise – natürlich gibt es Anreizprobleme bei Euro-Bonds – ist jedoch gefährlich in einer Situation, in der die Euro-Zone sehenden Auges auf eine extreme Krisenverschärfung hinläuft. Wenn Euro-Bonds mit verbesserten Regeln der Haushaltspolitik verbunden wären, etwa einem mit automatisierten Strafzahlungen verbundenen Überschußgebot im Boom, dann kann die Einführung der Anleihen sehr nützlich sein: (1) Wenn man nationale Euro-Anleihen gegen supranationale Gemeinschaftsanleihen in einer Höhe von bis zu 30 oder gar 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes umtauschte, dann sänken die Finanzierungskosten gerade für Italien und Spanien wie auch für die meisten anderen EuroLänder stark; dabei könnten die Anleihen zur Hälfte mit Staatsvermögen besichert sein, so daß kein Euro-Land unzumutbare Risiken einginge. (2) Mit Euro-Bonds hätten die Banken wieder ein risikoloses Aktivum in der Bilanz, womit die Kreditvergabe anstiege, was für die Konjunkturentwicklung von Vorteil ist. (3) Nur mit Euro-Bonds hätte die EZB einen Ansatzpunkt, das in den USA und Großbritannien erfolgreiche Quantitative Easing nachzuahmen – also eine expansive Offenmarktpolitik, bei der die Zentralbank Staatsanleihen ankauft. In beiden genannten Ländern hat man bei Ankäufen von umgerechnet zehn beziehungsweise fünfzehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes kaum Inationseffekte gesehen, dafür aber Zinssenkung und Währungsabwertung, also mithin einen Konjunkturimpuls. Auf einen solchen Dreifach-Vorteil lediglich aus Prinzipienreiterei verzichten zu wollen, wäre unverantwortlich. Wenn die Regierungen nicht einem historischen Scheitern entgegenlaufen wollen, bleibt nur der zügige, bedingte Einstieg in EuroGemeinschaftsanleihen. Wenn man solche vernünftig schafft, wird der Zinssatz in der Währungsunion bei etwa drei Prozent liegen. Deutschland und Frankreich – beides Länder mit Zinssätzen unter drei Prozent, und zwar dank des Sichere-Hafen-Effektes – werden also eine Zinserhöhung hinnehmen müssen; sie werden dafür aber von steigenden Exporten in die stabilisierten Partnerländer protieren. Glaubwürdigkeit besitzt in der Euro-Zone die EZB. Diese – oder notfalls der neue Rettungsschirm ESM oder die Europäische Investitionsbank – könnte auf Ersuchen der Regierungen oder in eigener autonomer Entscheidung Euro-Gemeinschaftsanleihen auflegen. Die EZB könnte auch unter Hinweis auf die Notwendigkeiten einer wirksamen

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Geldpolitik selbst Euro-Bonds auflegen, allerdings vernünftigerweise in Absprache mit den Regierungen der Euro-Länder. Euro-Bonds der EZB hätten den Vorteil, daß sie nicht gegen den Maastrichter Vertrag verstießen. Wenn die EZB in Schritten und unter Bedingungen – wie etwa ein mit automatischen Sanktionen bewehrtes Überschussgebot beim Staatshaushalt in Boomphasen – solche Gemeinschafsbonds auflegte, um in erster Linie umlaufende nationale Euro-Bonds einzusammeln, dann wäre dies ein guter Ausweg aus der von den Politikern im Kern selbst geschaffenen Sackgasse. Die EZB könnte Gemeinschaftsanleihen bis zu 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in der Euro-Zone auflegen. Eine milde Form von hybriden Euro-Bonds könnte darin liegen, daß man solche Anleihen mit Staatsvermögen teilbesichert und eine teilweise Gemeinschaftshaftung in Verbindung mit der skizzierten Überschußregel für die Hälfte der Anleihe vornimmt; die andere Hälfte wäre anteilsmäßig nur mit dem Anteil des Euro-Landes am EZB-Kapital des jeweiligen Landes besichert – bei Deutschland also mit 27 Prozent. So kann das Prinzip „Hilfe nur auf der Basis von Gegenleistung“ gelten. Kluge Strukturreformen müssen sein und ein besseres Krisenmanagement ist unbedingt wünschenswert. Mit Denkverboten in Sachen EuroGemeinschaftsanleihen ist in der ernsten Krise von 2012 niemandem gedient. Mittelfristig ist auch die Schaffung einer Euro-Politikunion erstrebenswert. Jenseits des Sonderfalls Athen gilt: In einer Euro-Zone mit circa drei Prozent Zins auf Euro-Bonds und einer Rückkehr zur Job- und Wachstumsdynamik der ersten Euro-Dekade – aber mit härteren Dezitregeln für alle – sind alle Rettungsschirme überüssig. Es ist kaum zu verstehen, daß die deutsche Bundesregierung mitten in einer historischen Großkrise nur konventionelle Prinzipien betont und dabei das Heft des Handelns mehr und mehr aus der Hand gibt. Mit dem Beschluss der EZB vom 02. August 2012 hat sich eine neue Lage insofern ergeben, als die Deutsche Bundesbank offenbar als einzige im Europäischen System der Zentralbanken gegen den Beschluß gestimmt hat, Staatsanleihenkäufe zu gegebener Zeit und in angemessener Höhe neu aufzunehmen. Bis Ende 2011 hatte die EZB Staatsanleihen von Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien im Umfang von 211 Mrd. Euro angekauft – entsprechend etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Euro-Zone. Deutschland beziehungsweise die Deutsche Bundesbank begeben sich hier auf Sonderwege und drohen an Einuß auf die EZB-Politik zu verlieren. Obendrein ist die Bundesregierung auch in der Euro-Zone bei ihrem Krisenmanagement im Jahre 2012 teils recht isoliert gewesen. Das Handeln in Berlin wird von konventionellen

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Politikansätzen bestimmt, die für die neuartige Problemlage unzureichend sind. An warnenden Stimmen hat es dabei nicht gefehlt. Obwohl dem ökonomischen Chefberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 30. Oktober 2008 per e-mail das Buchmanuskript „Transatlantische Bankenkrise“ zugegangen war, das auf p. 158sq auf die kommende EuroKrise als Szenario hinwies, schien das Kanzleramt auf ganzer Linie überrascht zu sein, als diese Krise dann Anfang des Jahres 2010 tatsächlich ausbrach. Die ESZB-Entscheidungen vom 02. August 2012 sind nicht geeignet, die Märkte zu beruhigen – ganz im Gegenteil. Der Grundsatzbeschluß des Europäischen Systems der Zentralbanken lautet, daß es zu einer Ankaufsaktion bei Staatsanleihen kommen kann, wenn das betreffende Land sich einem Anpassungsprogramm unterwirft beziehungsweise Kredite vom EFSF oder dem neuen Rettungsfonds ESM in Anspruch nimmt. Dies mag ein solider, allgemeiner Politikgrundsatz sein, damit sichergestellt wird, daß Hilfsgelder nur in Verbindung mit einem Anpassungsprogramm beziehungsweise Strukturreformen erfolgen. In der konkreten Situation vom Sommer 2012 ist die Entscheidung jedoch vor allem eine Einladung an die internationale Spekulation. Denn in erster Linie stehen Spanien und Italien vor ernsten Problemen – der Zinssatz liegt nahe bei sieben Prozent, und eine weitere Welle des Herunterratens von EU-Ländern in diesem und dem kommenden Jahr dürfte Spanien unter den Rettungsschirm treiben. Wenn aber Spanien fällt, dann wird wohl auch Italien den Zugang zum Kapitalmarkt verlieren. Für beide Länder zusammen sind aber die Rettungsschirme zu klein. Man fragt sich also, was die EZB beziehungsweise das ESZB sich bei der AugustEntscheidung gedacht haben. Für den absehbaren Fall einer ernsten Krise stehen die EZB und die Euro-Zone ohne ausreichende Rettungsinstrumente da. Es droht der Euro-Zone eine Existenzkrise, obwohl die Kerndaten für das Jahr 2013 hinsichtlich Dezit- und Schuldenquote in der Prognose der Europäischen Kommission vom Frühjahr 2012 deutlich besser als die Zahlen für die USA und Großbritannien sind. Im Übrigen hat mit Irland immerhin eines der drei ersten Krisenländer die Rückkehr zum Kapitalmarkt im Sommer 2012 geschafft. Die Euro-Zone sollte sich verschärfte Beitrittskriterien für die Aufnahme weiterer Länder überlegen, wobei der Nachweis zur Fähigkeit zur Erzielung von Haushaltsüberschüssen in Boomphasen unerläßlich ist. Auch das Thema Schuldenbremse ist sehr wichtig. Wünschenswert wäre, daß die Euro-Kandidatenländern beziehungsweise die Beitrittsländer nationale und regionale Schuldenbremsen in ihren jeweiligen Verfassungen festschreiben. Solche Schuldenbremsen sind historisch schon früh in der Schweiz entwickelt worden und wurden auch von Deutsch-

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land im Jahre 2011 in die Verfassung aufgenommen. Die aus der ökonomischen Theorie optimaler Währungsräume relevanten Beitrittskriterien hat die Politik bislang weitgehend ignoriert; diese theoretischen Ansätze empfehlen den Verzicht auf das Instrument der Wechselkursexibilität – oder der Abwertung – beziehungsweise den Übergang zu einer Währungsunion, also einer Einheitswährung nur dann, wenn die Arbeitskräftemobilität hoch ist (Mundell-Kriterium), wenn die Exporte hinreichend differenziert sind (Kenen-Kriterium) und wenn die Handelsquote respektive die Ex- und Importquote hinreichend hoch sind. Eine hohe Relation von Güterimport zu Bruttoinlandsprodukt bedeutet, daß eine nominale Abwertung der Währung die internationale Wettbewerbsfähigkeit nur wenig oder nur temporär verbessern wird, da die von der Abwertung ausgelöste Verteuerung der Güterimporte – und die Preissteigerungen bei Importsubstituten – zu einem deutlichen Anstieg des Preisniveaus führen wird, wovon wiederum kompensatorische Lohnerhöhungen ausgelöst werden. Dann aber führt die Abwertung zu keiner wirklichen Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Griechenland wäre daher im Jahre 2000 kein Kandidatenland für die Euro-Zone gewesen, denn die Export- beziehungsweise Importquote war niedrig und der Diversizierungsgrad in Produktion und Export gering. Die Euro-Zone könnte im Zuge energischer und durchdachter Maßnahmen die Krise überwinden. Die Euro-Zone sollte sich energisch den Herausforderungen stellen.

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A: T  D-  S Tabelle 1: Fiskaldezitquote, Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen in Prozent13

Land EU (27 Länder) Euro-Zone (17 Länder) Belgien Bulgarien Tschechische Republik Dänemark Deutschland Estland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Zypern Lettland Litauen Luxemburg Ungarn Malta Niederlande Österreich Polen Portugal Rumänien Slowenien Slowakei Finnland Schweden Großbritannien USA Japan

1995

2000

2005

2010

2011

2012

2013

-6,96 -7,23 -4,52 -7,98 -12,80 -2,92 -9,49 1,09 -2,03 -9,15 -7,20 -5,46 -7,45 -0,85 -1,56 -1,53 2,42 -8,77 -4,20 -4,34 -5,78 -4,41 -5,36 -1,99 -8,31 -3,41 -6,13 -7,42 -5,92 -3,22 -4,67

0,56 -0,11 -0,04 -0,54 -3,62 2,26 1,14 -0,23 4,71 -3,73 -0,94 -1,51 -0,83 -2,34 -2,79 -3,20 5,97 -3,04 -5,84 1,97 -1,68 -3,03 -3,27 -4,67 -3,71 -12,27 6,94 3,59 3,57 1,54 -7,54

-2,46 -2,51 -2,49 1,04 -3,25 5,21 -3,32 1,61 1,66 -5,46 1,27 -2,92 -4,45 -2,43 -0,39 -0,50 0,00 -7,92 -2,95 -0,26 -1,70 -4,07 -6,53 -1,16 -1,50 -2,81 2,84 2,18 -3,43 -3,21 -4,81

-6,54 -6,23 -3,81 -3,12 -4,84 -2,51 -4,27 0,25 -31,16 -10,35 -9,34 -7,07 -4,60 -5,31 -8,17 -7,22 -0,85 -4,21 -3,72 -5,10 -4,49 -7,85 -9,82 -6,83 -6,01 -7,68 -2,54 0,25 -10,20 -10,63 -8,36

-4,47 -4,12 -3,72 -2,09 -3,09 -1,84 -1,00 1,03 -13,11 -9,10 -8,51 -5,15 -3,95 -6,30 -3,49 -5,49 -0,59 4,28 -2,72 -4,67 -2,60 -5,11 -4,25 -5,24 -6,42 -4,82 -0,55 0,29 -9,61 -9,61 -8,21

-3,62 -3,22 -2,96 -1,89 -2,87 -4,08 -0,87 -2,36 -8,29 -7,27 -6,44 -4,50 -2,03 -3,41 -2,08 -3,25 -1,75 -2,53 -2,55 -4,43 -2,98 -3,02 -4,68 -2,83 -4,25 -4,68 -0,74 -0,29 -8,29 -8,29 -8,22

-3,29 -2,90 -3,30 -1,70 -2,61 -1,96 -0,74 -1,27 -7,52 -8,39 -6,34 -4,19 -1,11 -2,50 -2,09 -2,95 -2,22 -2,94 -2,94 -4,65 -1,93 -2,54 -3,08 -2,18 -3,84 -4,87 -0,40 0,05 -7,11 -7,11 -8,02

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Die Staatsschuldenkrise in der EU und der Euro-Zone

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Tabelle 2: Staatsverschuldung, basierend auf European System of Accounts 199514

Land EU (27 Länder) Euro-Zone (17 Länder) Belgien Bulgarien Tschechische Republik Dänemark Deutschland Estland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Zypern Lettland Litauen Luxemburg Ungarn Malta Niederlande Österreich Polen Portugal Rumänien Slowenien Slowakei Finnland Schweden Großbritannien USA Japan

1995

2000

2005

2010

2011

2012

2013

72,0 130,2 14,0 72,6 55,6 8,2 81,2 97,9 63,3 55,4 120,9 51,8 15,1 11,4 7,4 85,6 35,3 76,1 68,2 49,0 59,2 6,6 18,6 22,1 56,6 72,8 52,1 71,9 85,1

61,9 69,2 107,8 72,5 17,8 52,4 60,2 5,1 37,5 104,4 59,4 57,4 108,5 59,6 12,4 23,6 6,2 56,1 54,9 53,8 66,2 36,8 48,4 22,5 26,3 50,3 43,8 53,9 41,0 55,1 133,6

62,9 70,2 92,0 27,5 28,4 37,8 68,6 4,6 27,2 101,2 43,1 66,7 105,4 69,4 12,5 18,3 6,1 61,7 69,7 51,8 64,2 47,1 62,5 15,8 26,7 34,2 41,7 50,4 42,5 68,2 174,5

80,2 85,6 96,0 16,3 38,1 42,9 83,0 6,7 92,5 145,0 61,2 82,3 118,6 61,5 44,7 38,0 19,1 81,4 69,4 62,9 71,9 54,8 93,3 30,5 38,8 41,1 48,4 39,4 79,6 99,1 197,6

83,0 88,0 98,0 16,3 41,2 46,5 81,2 6,0 108,2 165,3 68,5 85,8 120,1 71,6 42,6 38,5 18,2 80,6 72,0 65,2 72,2 56,3 107,8 33,3 47,6 43,3 48,6 38,4 85,7 103,5 211,4

86,2 91,8 100,5 17,6 43,9 40,9 82,2 10,4 116,1 160,6 80,9 90,5 123,5 76,5 43,5 40,4 20,3 78,5 74,8 70,1 74,2 55,0 113,9 34,6 54,7 49,7 50,5 35,6 91,2 108,9 219,0

87,2 92,6 100,8 18,5 44,9 42,1 80,7 11,7 120,2 168,0 87,0 92,5 121,8 78,1 44,7 40,9 21,6 78,0 75,2 73,0 74,3 53,7 117,1 34,6 58,1 53,5 51,7 34,2 94,6 111,8 221,8

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Anmerkungen

Thorsten Beigel / Georg Eckert Z W  S: E E 1

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17

Lewinski, Kai von: Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott: Rechtliche Bewältigung nanzieller Krisen der öffentlichen Hand, Tübingen 2011, p. 1. Sedláček, Tomáš: Die Ökonomie von Gut und Böse, München 2012, p. 310. Hank, Rainer: Die Pleite-Republik: Wie der Schuldenstaat uns entmündigt und wie wir uns befreien können, München 2012, p. 17. Kirchhof, Paul: Die Staatsverschuldung als Ausnahmeinstrument, in: Grupp, Klaus / Hufeld, Ulrich (edd.): Recht Kultur Finanzen: Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, Heidelberg 2005, pp. 131-147, hier: p. 133. So betont zum Beispiel die schuldenbremsende Wirkung direktdemokratischer Elemente: Wagschal, Uwe: Direct Democracy and Public Policymaking, in: Journal of Public Policy, vol. 17 (1997), pp. 223-245. Beck, Hanno / Prinz, Aloys: Staatsverschuldung: Ursachen, Folgen, Auswege, München 2011, p. 115. Sybel, Heinrich von: Vorwort, in: Historische Zeitschrift, vol. 1 (1859), pp. III-V, hier: p. III. Braudel, Fernand: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, vol. 3: Aufbruch zur Weltwirtschaft, München 1990, pp. 416-421. Buchholz, Werner: Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa in Spätmittelalter und Neuzeit: Darstellung – Analyse – Bibliographie, Berlin 1996, p. 69. North, Douglass C. / Weingast, Barry R.: Constitutions and Commitment: The Evolution of Institutions Governing Public Choice in Seventeenth-Century England, in: The Journal of Economic History, vol. 49 (1989), pp. 803-832. Reinhart, Carmen M. / Rogoff, Kenneth S.: This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly, Princeton/Oxford 2009, p. XXXIV. Zum Entstehungskontext: Childs, Elizabeth C.: Big Trouble: Daumier, Gargantua, and the Censorship of Political Caricature, in: Art Journal, vol. 51 (1992), pp. 26-37. Straubhaar, Thomas / Wohlgemuth, Michael / Zweynert, Joachim: Rückkehr des Keynesianismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, no. 20/2009, 11. Mai 2009, pp. 19-26, hier: p. 23. Plumpe, Werner: Ökonomisches Denken und wirtschaftliche Entwicklung: Zum Zusammenhang von Wirtschaftsgeschichte und historischer Semantik der Ökonomie, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2009, pp. 27-52, hier: p. 30. Plutarch: Eumenes 13.6 – zitiert nach: Ziegler, Konrat / Wuhrmann, Walter (edd.): Plutarch: Grosse Griechen und Römer, vol. 5, Mannheim 3 2010, p. 230. Buchholz: Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa in Spätmittelalter und Neuzeit, p. 47. So bemerkte der römische Historiker Velleius Paterculus (Historia Romana 2.117.2) über den dank seiner Niederlage im Teutoburger Wald bis heute bekannten Publius Quinctilius Varus: „Als armer Mann betrat er das reiche Syrien, als reicher Mann verließ er das arme Syrien.“ Daß private Schulden solcherart den Staat gefährden könn-

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Anmerkungen

ten, hatte bereits ein anderer bemerkt: Gerade im Hinblick auf die getreuliche Begleichung von Schulden hatte Cicero (De ofciis 2.84) festgehalten, daß hingegen nichts so sehr den Staat festige wie Vertrauen („des“). Cf. Graeber, David: Debt: The First 5,000 Years, Brooklyn (New York) 2011. Ricardo, David: Funding System, in: Sraffa, Piero (ed.): The Works and Correspondence of David Ricardo, vol. 4: Pamphlets and Papers 1815-1823, Indianapolis 2004, pp. 149-200, hier: p. 189. Tatsächlich läßt sich zeigen, daß die Entstehung der Schuld eben keine Konsequenz der Einführung des Geldes gewesen ist. Vielmehr gilt umgekehrt: „The idea of money is derived from the idea of a debt“ – Hawtrey, Ralph George: The Gold Standard in Theory and Practice, London 2 1931, p. 2. Schumpeter, Joseph: Die Krise des Steuerstaats, in: Hickel, Rudolf (ed.): Rudolf Goldscheid, Joseph Schumpeter: Die Finanzkrise des Steuerstaats: Beiträge zur politischen Ökonomie der Staatsnanzen, Frankfurt am Main 1976, pp. 329-379, hier: p. 341. Isenmann, Eberhard: Reichsnanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung, vol. 7 (1980), pp. 129-218, hier: p. 133. Landmann, Julius: Geschichte des öffentlichen Kredits, in: Gerloff, Wilhelm / Neumark, Fritz (edd.): Handbuch der Finanzwissenschaft, vol. 3: Der öffentliche Kredit / Die Finanz- und Steuersysteme der wichtigsten Länder der Erde, Tübingen 2 1958, pp. 1-35, hier: p. 3sq. Bonney, Richard: Introduction, in: Bonney, Richard (ed.): The Rise of the Fiscal State in Europe, c. 1200-1815, Oxford 1999, pp. 1-17, hier: p. 12. Ullmann, Hans-Peter: Staat und Schulden: Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, Göttingen 2009, p. 26. Vogl, Joseph: 1797 – Die Bank von England, in: Barkhoff, Jürgen / Böhme, Hartmut / Riou, Jeanne (edd.): Netzwerke: Eine Kulturtechnik der Moderne, Köln/Weimar/Wien 2004, pp. 37-51, hier: p. 48sq. Stein, Lorenz von: Lehrbuch der Finanzwissenschaft: Als Grundlage für Vorlesungen und Selbstudium mit Vergleichung der Finanzsysteme und Finanzgesetze von England, Frankreich und Deutschland, Leipzig 2 1871, p. 677. Ganz, Peter (ed.): Jacob Burckhardt: Werke: Kritische Gesamtausgabe, vol. 10, München 2000, p. 444 [Weltgeschichtliche Betrachtungen, III.4]. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 621. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 625. Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Staatswirtschaft oder systematische Abhandlung aller ökonomischen und Cameralwissenschaft, vol. 1, Leipzig 1755, p. 238. Demurger, Alain: Der letzte Templer: Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay, München 2 2005, p. 228sq. Burkhardt, Georg: Geschichte der Stadt Geislingen an der Steige von der Vor- und Frühgeschichte bis zum Jahre 1803, Konstanz 1963, p. 120sq. Pölnitz, Götz Freiherr von: Die Fugger, Tübingen 1981, p. 309. Suter, Christian / Stamm, Hanspeter: Coping with Global Debt Crisis: Debt Settlements 1820-1986, in: Comparative Studies in Society and History, vol. 34 (1992), pp. 645-678, hier: p. 655. Zedinger, Renate: Franz Stephan von Lothringen (1708-1765): Monarch – Manager – Mäzen, Wien/Köln/Weimar 2008, p. 228. Hömig, Herbert: Carl Theodor von Dalberg: Staatsmann und Kirchenfürst im Schatten Napoleons, Paderborn et al. 2011, p. 309. Feldman, Gerald D.: Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft 1933-1945, München 2001, p. 196sq. Die Reform der europäischen Versicherungs- und Bankenregulierung im Zuge von Solvency II und Basel III wird ebenfalls Investitionen in Staatspapiere gegenüber solchen in Aktien begünstigen – cf. Petersdorf, Winand von / Scherf, Dyrk: Die Sparer

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und der gierige Staat, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, no. 36, 09. September 2012, pp. 38-39. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 639. Barteleit, Christian: Die Staatsverschuldung in Florenz Ende des 15. Jh.: Der Monte Comune (1494-1512), Berlin 2004, p. 74sq. Stumpo, Enrico: Finanzen und Staatsräson in der frühen Neuzeit: Zwei verschiedene Modelle: Piemont und die Toskana, die Savoyer und die Medici, in: Maddalena, Aldo De / Kellenbenz, Herrmann (edd.): Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland in der frühen Neuzeit, Berlin 1984, pp. 133-170, hier: p. 145. Todd, William B. (ed.): Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, vol. 2, Oxford 1976, p. 910. Barteleit: Die Staatsverschuldung in Florenz Ende des 15. Jh., p. 80. ’t Hart, Marjolein: Staatskredit, in: Jaeger, Friedrich (ed.): Enzyklopädie der Neuzeit, vol. 12, Stuttgart/Weimar 2010, pp. 608-614, hier: p. 609sq. Tracy, James D.: A Financial Revolution in the Habsburg Netherlands: Renten and Renteniers in the County of Holland, 1515-1565, Berkeley/Los Angeles/London 1985, p. 221. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 10. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 18sq. Reinhard, Wolfgang: Papstnanz und Kirchenstaat im 16. und 17. Jahrhundert, in: Maddalena / Kellenbenz (edd.): Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland in der frühen Neuzeit, pp. 269-294, hier: p. 283. Kenyeres, István: Die Kriegsausgaben der Habsburgermonarchie von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum ersten Drittel des 17. Jahrhunderts, in: Rauscher, Peter (ed.): Kriegführung und Staatsnanzen: Die Habsburgermonarchie und das Heilige Römische Reich vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des habsburgischen Kaisertums 1740, Münster 2010, pp. 41-80, hier: p. 74. Reinhard, Wolfgang: Staatsmacht als Kreditproblem: Zur Struktur und Funktion des frühneuzeitlichen Ämterhandels, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 61 (1974), pp. 287-319, hier: p. 302. Stürmer, Michael: Hungriger Fiskus – schwacher Staat: Das europäische Ancien Régime, in: Schultz, Uwe (ed.): Mit dem Zehnten ng es an: Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986, pp. 174-188, hier: p. 175. Mann, Golo: Wallenstein, Hamburg 2007, p. 493. Henning, Friedrich Wilhelm: Staatsnanzen in historischer Perspektive, in: Henke, Klaus-Dirk (ed.): Zur Zukunft der Staatsnanzierung, Baden-Baden 1999, pp. 35-71, hier: p. 51sq. Zinsmeister, Florian: Die Finanzierung der deutschen Einheit: Zum Umgang mit den Schuldlasten der Wiedervereinigung, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, vol. 78 (2009), pp. 146-160, hier: p. 148. Manes, Alfred: Staatsbankrotte: Wirtschaftliche und rechtliche Betrachtungen, Berlin 2 1919, p. 17. Manes: Staatsbankrotte, p. 29. Europäische Zentralbank, via: http://www.ecb.int/paym/coll/assets/html/dla/ EA/ea_pt_120427.txt (31. August 2012). Es handelt sich um vier Anleihen (ISIN PTCON1OE0008 / PTCON2OE0007 / PTCON3OE0006 / PTCON4OE0005), die zwischen dem 01. Januar 1940 und dem 15. März 1943 jeweils mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 9999 emittiert wurden. Stumpo: Finanzen und Staatsräson in der frühen Neuzeit, p. 162. Neal, Larry: The rise of nancial capitalism: International capital markets in the Age of Reason, Cambridge 1990, p. 20.

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Anmerkungen

Kindleberger, Charles P.: A Financial History of Western Europe, London 1984, p. 159; Buchholz: Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa in Spätmittelalter und Neuzeit, p. 12. Ferguson, Niall: Der Aufstieg des Geldes: Die Währung der Geschichte, Berlin 2010, p. 61. ’t Hart: Staatskredit, p. 612. Ullmann: Staat und Schulden, p. 83. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 32. Ullmann, Hans-Peter: Die öffentlichen Schulden in Bayern und Baden 1780-1820, in: Historische Zeitschrift, vol. 242 (1986), pp. 31-67, hier: p. 63. Banken, Ralph: Der Aufstieg der Frankfurter Börse und das Geschäft mit europäischen Staatsanleihen 1750-1850, in: Plumpe, Werner / Rebentisch, Dieter (edd.): „Dem Flor der hiesigen Handlung“: 200 Jahre Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2008, pp. 58-66, hier: p. 60. So im Interview mit Wilhelm Hankel, einst Ministerialdirektor im von Karl Schiller geführten Bundeswirtschaftsministerium: „Mein Bundesschätzchen ist tot“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, no. 27, 08. Juli 2012, p. 35. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 3sq. Ullmann: Die öffentlichen Schulden in Bayern und Baden 1780-1820, p. 45. Hartmann, Peter Claus: Die Schuldenlast Bayerns von Kurfürst Max Emanuel bis König Ludwig I., in: Kraus, Andreas (ed.): Land und Reich, Stamm und Nation: Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte: Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag, vol. 2: Frühe Neuzeit, München 1984, pp. 369-382, hier: p. 375. Justi: Staatswirtschaft, p. 239. Hattenhauer, Christian: Anmerkungen zur Regulierung der Staatsschulden nach dem Dreißigjährigen Krieg, in: Lingelbach, Gerhard (ed.): Staatsnanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2000, pp. 123-144, hier: p. 140. Heimbeck, Lea: Law, Finances and Politics: The Signicance of Economic Contexts for the Formation of Norms, in: Droganova, Viktoria et al. (edd.): Inszenierung des Rechts: Law on Stage, München 2011, pp. 253-273, hier: p. 272. Hertz, Noreena: Armutszeugnis: Warum Schulden die Welt gefährden, Berlin 2005, p. 48. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 617. Parker, Geoffrey: The Military Revolution: Military innovation and the rise of the West 1500-1800, Cambridge 2 1996. Tooze, Adam: Ökonomie der Zerstörung: Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007, p. 369. Brewer, John: The Sinews of Power: War, Money and the English State, 1688-1783, Cambridge (Mass.) 1990. Stolleis, Michael: „Pecunia nervus rerum“: Die Finanzfrage in der deutschen Staatsräsonliteratur des 17. Jahrhunderts, in: Maddalena / Kellenbenz (edd.): Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland in der frühen Neuzeit, pp. 21-36, hier: p. 21sq. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 5sq. Kenyeres: Die Kriegsausgaben der Habsburgermonarchie, p. 51. Auch den skalischen und politischen Wert der herrscherlichen Schutzbriefe für Juden gilt es nicht zu unterschätzen, die eine Finanzierungsquelle jenseits der Stände eröffneten: Laux, Stephan: Gravamen und Geleit: Die Juden im Ständestaat der Frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert), Hannover 2010, p. 343. Heller, Klaus: Finanzpolitik und Staatsverschuldung in der Regierungszeit Katharinas II. (1762-1796), in: Scharf, Claus (ed.): Katharina II., Rußland und Europa: Beiträge zur internationalen Forschung, Mainz 2001, pp. 505-519, hier: p. 507.

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Hochedlinger, Michael: „Onus militare“: Zum Problem der Kriegsnanzierung in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie 1500-1700, in: Rauscher (ed.): Kriegführung und Staatsnanzen, pp. 81-136, hier: p. 119. Winter, Martin: Staatsbankrott! Bankrotter Staat?: Finanzreform und gesellschaftlicher Wandel in Preußen nach 1806: Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz 12. Mai bis 28. Juni 2006, Berlin 2006, p. 13. Schissler, Hanna: Preußische Finanzpolitik nach 1807: Die Bedeutung der Staatsverschuldung als Faktor der Modernisierung des preußischen Finanzsystems, in: Geschichte und Gesellschaft, vol. 8 (1982), pp. 367-384, hier: p. 382. Müller, Erika: Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert: Am Beispiel von Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg, Opladen 1989, p. 11. Schlettwein, Johann August: Grundsätze der echten Staatswirtschaft (1779), in: Burkhardt, Johannes / Priddat, Birger (edd.): Geschichte der Ökonomie, Frankfurt am Main 2009, pp. 325-353, hier: p. 351. Dincecco, Mark: Political Transformation and Public Finances: Europe, 1650-1913, Cambridge 2011, p. 32. Dincecco, Marc: The Political Economy of Fiscal Prudence in Historical Perspective, in: Economics & Politics, vol. 22 (2010), pp. 1-36, hier: p. 28. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 661. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 675sq. Keynes, John Maynard: Collected Writings, vol. 9: Essays in Persuasion, London 1972, pp. 335-366. Hayek, Friedrich August von: Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971, p. 38sq. Eine konzise Zusammenfassung bietet etwa: Heuser, Uwe Jean: Humanomics: Die Entdeckung des Menschen in der Wirtschaft, Frankfurt am Main/New York 2008. Tanner, Jakob: Wirtschaft und Kapitalismus, in: Jaeger, Friedrich / Rüsen, Jörn (edd.): Handbuch der Kulturwissenschaften: Themen und Tendenzen, vol. 3, Stuttgart 2011, pp. 195-224, hier: p. 208. Schumpeter: Die Krise des Steuerstaats, p. 331sq. Plumpe: Ökonomisches Denken, p. 37. Löfer, Bernhard: Währungsgeschichte als Kulturgeschichte?: Konzeptionelle Leitlinien und analytische Probleme kulturhistorischer Ansätze auf wirtschafts- und währungsgeschichtlichem Feld, in: Löfer, Bernhard (ed.): Die kulturelle Seite der Währung: Europäische Währungskulturen, Geldwerterfahrungen und Notenbanksysteme im 20. Jahrhundert, München 2010, pp. 3-35, hier: p. 20. Sedláček: Die Ökonomie von Gut und Böse, p. 17. Gilomen, Hans-Jörg: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift, vol. 250 (1990), pp. 265-301, hier: p. 286sq. Schuster, Peter: The Age of Debt?: Private Schulden in der spätmittelalterlichen Gesellschaft, in: Clemens, Gabriele B. (ed.): Schuldenlast und Schuldenwert: Kreditnetzwerke in der europäischen Geschichte 1300-1900, Trier 2008, pp. 37-52, hier: p. 41. Guth, Delloyd J.: The Age of Debt, the Reformation and English law, in: Guth, Delloyd J. / McKenna, John (edd.): Tudor Rule and Revolution: Essays for G.R. Elton from his American Friends, Cambridge 1983, pp. 69-86, hier: p. 84. Marx, Karl: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie (Institut für MarxismusLeninismus beim ZK der SED (ed.): Karl Marx / Friedrich Engels: Werke, vol. 23), Ost-Berlin 1970, p. 782. Plumpe, Werner: Die Geburt des „Homo oeconomicus“: Historische Überlegungen zur Entstehung und Bedeutung des Handlungsmodells der modernen Wirtschaft, in: Reinhard, Wolfgang / Stagl, Justin (edd.): Menschen und Märkte: Studien zur historischen Wirtschaftsanthropologie, Wien/Köln/Weimar 2007, pp. 319-352, hier: p. 336sq.

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Anmerkungen

Hirschman, Albert O.: The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before Its Triumph, Princeton 10 1997, pp. 42-66. Thomas von Aquin: Summa Theologica, IIa-IIae, q. 78, art. 1, resp. Zitiert nach: Albertus-Magnus-Akademie (ed.): Thomas von Aquin: Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa Theologica, vol. 18: Recht und Gerechtigkeit, Heidelberg et al. 1953, p. 365. Stolleis: „Pecunia nervus rerum“, p. 23. Coler, Johannes: Oeconomia, oder Haussbuch (1632), in: Burkhardt / Priddat (edd.): Geschichte der Ökonomie, pp. 35-75, hier: p. 35. Nützenadel, Alexander: Stunde der Ökonomen: Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949-1974, Göttingen 2005, p. 355. So argumentierte Bundestagspräsident Norbert Lammert in einem Zeitungsinterview im Sommer 2012: Demokratie ist unbequem, in: Die Zeit, no. 33, Donnerstag, 09. August 2012, p. 7. Plinius minor: Ep. 10.23.2. Hartmann: Die Schuldenlast Bayerns von Kurfürst Max Emanuel bis König Ludwig I., p. 375. Hacker, Rupert: Die Königskrise von 1885/86 und der Weg zur Regentschaft, in: Wolf, Peter et al. (edd.): Götterdämmerung: König Ludwig II. und seine Zeit, Darmstadt/Augsburg 2011, pp. 44-54, hier: p. 46. Frankfurter Allgemeine Zeitung, no. 17, 21. Januar 2009, p. N3. Manes: Staatsbankrotte, Geleitwort zur ersten Auage. Luxemburg, Rosa: Miliz und Militarismus, in: Radzcun, G. et al. (edd.): Rosa Luxemburg: Gesammelte Werke, vol. 1.1: 1893 bis 1905, Berlin 1974, pp. 446-466, hier: p. 448. Goldscheid, Rudolf: Staatssozialismus oder Staatskapitalismus: Ein nanzsoziologischer Beitrag zur Lösung des Staatsschulden-Problems, in: Hickel (ed.): Rudolf Goldscheid, Joseph Schumpeter: Die Finanzkrise des Steuerstaats, pp. 40-252, hier: p. 176. Goldscheid: Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, p. 183. Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, p. 666. Wagner, Adolph: Ueber die schwebenden deutschen Finanzfragen, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, vol. 35 (1879), pp. 68-114, hier: pp. 76-81. Kaufmann, Franz-Xaver: Kritik des neutralen Geldes, in: Geschichte und Gesellschaft, vol. 25 (1999), pp. 226-251, hier: p. 235. Manes: Staatsbankrotte, p. 65. Musil, Robert: Dernburg, in: Frisé, Adolf (ed.): Robert Musil: Gesammelte Werke, vol. 2, Reinbek bei Hamburg 1978, pp. 467-468, hier: p. 468. Hont, Istvan: Jealousy of Trade: International Competition and the Nation-State in Historical Perspective, Cambridge (Mass.)/London 2010, p. 244. Callois, Roger (ed.): Montesquieu: Œuvres Complètes, vol. 2, Paris 1951, p. 248 (II.4). Witt, Peter-Christian: Finanzpolitik als Verfassungs- und Gesellschaftspolitik: Überlegungen zur Finanzpolitik des Deutschen Reiches in den Jahren 1930 bis 1932, in: Geschichte und Gesellschaft, vol. 8 (1982), pp. 386-414, hier: p. 409. Kielmansegg, Peter Graf: Demokratieprinzip und Regierbarkeit, in: Hennis, Wilhelm / Kielmansegg, Peter Graf / Matz, Ulrich (edd.): Regierbarkeit: Studien zu ihrer Problematisierung, vol. 1, Stuttgart 1977, pp. 118-149, hier: p. 130. Abelshauser, Werner: Erhard oder Bismarck?: Die Richtungsentscheidung der deutschen Sozialpolitik am Beispiel der Reform der Sozialversicherung in den Fünfziger Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft, vol. 22 (1996), pp. 379-392, hier: p. 388. Berend, Ivan T.: Markt und Wirtschaft: Ökonomische Ordnungen und wirtschaftliche Entwicklung in Europa seit dem 18. Jahrhundert, Göttingen 2007, p. 185.

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Schularick, Moritz: Staatsverschuldung in der westlichen Welt (1880-2009), in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 98 (2011), pp. 307-316, hier: p. 310. Wellisch, Dietmar: Finanzwissenschaft III: Staatsverschuldung, München 1999, p. 175. Weizsäcker, Robert K. von: Staatsverschuldung und Demokratie, in: Kyklos, vol. 45 (1992), pp. 51-67, hier: pp. 57-60. Schlesinger, Helmut / Weber, Manfred / Ziebarth, Gerhard: Staatsverschuldung – ohne Ende?: Zur Rationalität und Problematik des öffentlichen Kredits, Darmstadt 1993, p. 77. Konrad, Kai A. / Zschäpitz, Holger: Schulden ohne Sühne?: Warum der Absturz der Staatsnanzen uns alle trifft, München 2010, p. 98. Plumpe: Ökonomisches Denken, p. 45. Stolleis: „Pecunia nervus rerum“, p. 27. Tribe, Keith: Strategies of economic Order: German economic discourse, 1750-1950, Cambridge 1995, pp. 163-168. Schlecht, Otto: Staatsverschuldung – ein Übel?, in: Bulletin der Bundesregierung, no. 54, 04. Mai 1968, pp. 442-444, hier: p. 442. Sarrazin, Thilo: Die Finanzpolitik des Bundes 1970 bis 1982, in: Finanzarchiv, vol. 41 (1983), pp. 373-387, hier: p. 375. Sarrazin: Die Finanzpolitik des Bundes 1970 bis 1982, p. 386. Atwood, Margaret: Payback: Schulden und die Schattenseite des Wohlstands, Berlin 2008, pp. 155-159. Shakespeare, William: Hamlet, 1. Aufzug, 3. Szene – zitiert nach: Craig, W. J. (ed.): The Complete Works of William Shakespeare, Oxford 1974, p. 875. Baudelaire, Charles: Wie man seine Schulden bezahlt, wenn man Genie hat, in: Kemp, Friedhelm / Pichois, Claude (edd.): Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe, vol. 1: Juvenilia – Kunstkritik 1832-1846, München 1977, pp. 100-103. Tucholsky, Kurt: Kleiner Abriß der Nationalökonomie [Weltbühne, 15. September 1931], in: Becker, Sabrina (ed.): Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe: Texte und Briefe, vol. 14: Texte 1931, Reinbek bei Hamburg 1998, pp. 395-398, hier: p. 398. Schönhärl, Korinna: Wissen und Visionen: Theorie und Politik der Ökonomen im Stefan George-Kreis, Berlin 2009, p. 213. Landmann: Geschichte des öffentlichen Kredits, p. 34. Simmel, Georg: Das Geld in der modernen Cultur, in: Dahme, Heinz-Jürgen / Frisby, David P. (edd.): Georg Simmel: Gesamtausgabe, vol. 5: Aufsätze und Abhandlungen 1894-1900, Frankfurt am Main 1992, pp. 178-196, hier: p. 179. Frisby, David P. / Köhnke, Klaus Christian (edd.): Georg Simmel: Gesamtausgabe, vol. 6: Die Philosophie des Geldes, Frankfurt am Main 1989, p. 667. Simmel: Das Geld in der modernen Cultur, p. 179.

Thorsten Beigel D K  D: F  -   A 1

„Toute nation a le gouvernement qu’elle mérite.“ Joseph de Maistre: Correspondance diplomatique de Joseph de Maistre. 1811-1817, ed. Albert Blanc, vol. 2, Paris 1860, p. 196.

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Anmerkungen

Edition und Kommentar beider Werke: Audring, Gerd (ed.): Xenophon: Ökonomische Schriften, Berlin 1992. Schumpeter, Joseph: Die Krise des Steuerstaats, in: Hickel, Rudolf (ed.): Rudolf Goldscheid, Joseph Schumpeter: Die Finanzkrise des Steuerstaats: Beiträge zur politischen Ökonomie der Staatsnanzen, Frankfurt am Main 1976, pp. 329-379, hier: p. 331sq. Cf. Meier, Christian: Wie die Athener ihr Gemeinwesen nanzierten: Die Anfänge der Steuerpolitik in der griechischen Antike, in: Schultz, Uwe (ed.): Mit dem Zehnten ng es an: Eine Kulturgeschichte der Steuer, München ²1986, pp. 25-37, hier: p. 25: „Die Finanzierung eines Gemeinwesens hängt zu eng mit dessen Charakter zusammen, als daß man beide isoliert betrachten – oder gar verstehen – könnte.“ Zur athenischen Demokratie: Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie, Paderborn et al. 4 1995 sowie: Hansen, Mogens Herrmann: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes: Struktur, Prinzipien und Selbstverständnis, Berlin 1995. Für die Finanzgeschichte sind die älteren Gesamtdarstellungen noch immer grundlegend: Boeckh, August: Die Staatshaushaltung der Athener, 2 voll., Berlin 3 1886 [ND 1967]); Francotte, Henri: Les nances des cités grecques, Liège/Paris 1909; Busolt, Georg: Griechische Staatskunde (Handbuch der Altertumswissenschaft 4.1), 2 voll., München 1920/1926 [ND 1963/1972]); Andreasen, André: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft: Von der Heroenzeit bis zur Schlacht bei Chaironeia, München 1931 [ND 1965]. Für die Finanzen des fünften Jahrhunderts v. Chr.: Samons, Loren: Empire of the Owl: Athenian Imperial Finance, Stuttgart 2000. Zum Kreditwesen allgemein: Millett, Paul: Lending and Borrowing in Ancient Athens, Cambridge 1991; den öffentlichen Kredit behandelt: Migeotte, Léopold: L’emprunt public dans les cités grecques, Québec/Paris 1984. Zur politischen Ökonomie Griechenlands: Eich, Armin: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland (6.-3. Jahrhundert v. Chr.), Köln/Weimar/Wien 2006. Für eine vergleichende, politikwissenschaftliche Perspektive: Wagschal, Uwe: Das Ausgabenparadoxon der athenischen Direktdemokratie, in: Der Staat, vol. 39 (2000), pp. 256-274. Cf. dazu: Meier, Christian: Athen: Ein Neubeginn der Weltgeschichte, Berlin 1993 und Meier, Christian: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, Frankfurt am Main 5 2007. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 293: „Die Demokratie schuf auf dem Finanzsektor demgegenüber völlig veränderte Bedingungen.“ Zum folgenden cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 292sq. Cf. Andreades: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, p. 180. Für eine athenische Tempelanleihe ist ein Zinssatz von 1,2 Prozent belegt, was einem Zehntel des üblichen Satzes entspricht, cf. dazu: Boeckh: Die Staatshaushaltung der Athener, p. 522sq. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 292: „Schon in der Zeit der Aristokratie wurde die Benutzung der Tempel als Geldgeber zu einer so selbstverständlichen Praxis, daß die Tempelkassen wie öffentliche Kassen behandelt und demzufolge auch Beamte für die Verwaltung der Tempelgelder bestellt wurden.“ Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 300. Cf. dazu Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 293sq, 299-311. Cf. zusammenfassend zum Finanzwesen: Busolt: Griechische Staatskunde, vol. 2, §§ 134-138, pp. 1210-1239. Zu den Staatsausgaben der athenischen Demokratie: Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 299, Busolt: Griechische Staatskunde, vol. 2, § 136, pp. 1217-1221; ausführlich dazu: Andreades: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, pp. 209-284. Zum Flottenbauprogramm des Themistokles und seiner Datierung: Blösel, Wolfgang: Themistokles bei Herodot: Spiegel Athens im fünften Jahrhundert: Studien zur Geschichte und historiographischen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v. Chr., Stuttgart 2004, pp. 74-91.

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Die Finanzierung der Flotte behandelt umfassend: Gabrielsen, Vincent: Financing the Athenian Fleet: Public Taxation and Social Relations, Baltimore/London 1994. Cf. Gabrielsen: Financing the Athenian Fleet, p. 142. Cf. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 497sq. Der Sold (inklusive Verpegungsgeld) der Ruderer, die das Gros der Besatzung stellten, betrug in der Regel drei Obolen, also eine halbe Drachme pro Tag, was wohl in etwa dem Durchschnittslohn eines einfaches Tagelöhners entsprach, cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 159. Instruktive Beispiele bietet: Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, pp. 476-487. Samons: The Empire of the Owl, p. 235 veranschlagt die Kosten für die Sizilische Expedition 415/413 v. Chr. mit 3.000 Talenten. Die geschätzten jährlichen Staatseinnahmen dürften damals in der Größenordnung von etwa 1.000 Talenten gelegen haben. Zum Sold und zu den Diäten: Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 329-337. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 335. Die Zahlen verstehen sich aufgrund der Quellenlage notgedrungen als grobe Schätzungen, cf. hierzu: Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 334sq. Prägnantestes Beispiel oligarchischer Kritik an der Demokratie ist die Schrift von Pseudo-Xenophon über „Die Verfassung der Athener“: Weber, Gregor (ed.): PseudoXenophon: Die Verfassung der Athener, Darmstadt 2010. Aristophanes parodierte das Geschworenenwesen in seiner Komödie „Die Wespen“ denn auch in besonderer Weise. Cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 294-299; Busolt: Griechische Staatskunde, vol. 2, § 137, pp. 1221-1232; Andreades: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, pp. 285-387. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 296. Zu den Liturgien: Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, pp. 112-114 und Rohde, Dorothea: Bürgerpicht und Gleichheitsideal: „Besteuerung“ und ihre diskursiven Grundlagen in Sparta und Athen, in: Günther, Sven (ed.): Ordnungsrahmen antiker Ökonomien: Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden 2012, pp. 23-40, besonders: pp. 25-28 mit weiterer Literatur. Zum Diskurs über Reichtum und öffentliche Aufwendungen: Vannier, François: Finances publiques et richesses privées dans le discours athénien au Ve et IVe siècles, Paris 1988. Cf. Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, pp. 114-116. Im vierten Jahrhundert v. Chr. betrug die Anzahl der Bürger etwa 30.000, diejenige der Liturgiepichtigen lag bei rund 1.200, cf. Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, pp. 54, 117. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 310. Thukydides: Historien 2.13.3. Zu der Einordnung der Summe cf. Samons: The Empire of the Owl, p. 200 und Hornblower, Simon: A Commentary on Thucydides, vol. 1, Oxford 1991, ad loc., pp. 252-255. Welch großen Einuß auf die Politik die Aufsicht über die großen Kassen bringen konnte, zeigt sich im 4. Jahrhundert v. Chr. an Eubulos und Lykurg, die als langjährige Vorsteher der wichtigsten Kassen die athenische Politik ihrer Zeit maßgeblich zu prägen vermochten. Cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 299-311 und Busolt: Griechische Staatskunde, vol. 2, § 128, pp. 1131-1150. Thukydides: Historien 2.13.2-5. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 483 mit weiterer Literatur. Thukydides: Historien 2.13.3, cf. dazu: Hornblower: A Commentary on Thucydides, vol. 1, ad loc., pp. 252-255.

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Anmerkungen

Thukydides: Historien 1.141.3. Zur Funktion der Kriegskosten in der Darstellung des Peloponnesischen Krieges bei Thukydides: Malitz, Jürgen: Der Preis des Krieges: Thukydides und die Finanzen Athens, in: Burrer, Friedrich / Müller, Holger (edd.): Kriegskosten und Kriegsnanzierung in der Antike, Darmstadt 2008, pp. 28-45. Thukydides: Historien 1.80.3sq. Aristoteles: Oikonomika 2.2.9 / 1347b 16-19. Siehe dazu den Kommentar: Zoepffel, Renate (ed.): Aristoteles: Oikonomika: Schriften zu Hauswirtschaft und Finanzwesen, Berlin 2006, ad loc., p. 592sq. Cf. dazu: Meister, Klaus: Die nanzielle Ausgangssituation Athens zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, in: Burrer / Müller (edd.): Kriegskosten und Kriegsnanzierung in der Antike, pp. 19-27. So bereits: Boeckh: Die Staatshaushaltung der Athener, vol. 1, p. 524: „Daß dennoch bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges alles aufgebraucht wurde und mittelst eines vollständigen Bankbruches weder Kapital noch Zinsen in den Schatz zurückkamen, bedarf keines Beweises.“ Samons: The Empire of the Owl, p. 209 kalkuliert mit etwa 400 Talenten, die in den Tempelschätzen verblieben waren. Thukydides: Historien 2.70.2. Isokrates: 15.112 gibt als Gesamtkosten der Belagerung 2.400 Talente an, cf. dazu Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 477sq. Thukydides: Historien 3.17.4. Thukydides: Historien 3.17.2sq. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 483, Samons: The Empire of the Owl, pp. 194, 209. Eher als routinemäßigen Kassenkredit denn als Zeichen einer wirklichen nanziellen Not sieht diese Kredite: Kallet-Marx, Lisa: Money, Expense, and Naval Power in Thucydides’ History 1-5,24, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1993, p. 197. Thukydides: Historien 3.19.1. Der Text der Urkunde des sogenannten Thudippos-Dekrets (IG I3 71) ist an der Stelle leider beschädigt und erlaubt keine genauere Rekonstruktion der Zahlenangaben, cf. Samons: The Empire of the Owl, p. 274sqq. Im Jahre 413 v. Chr. stiegen die phoroi durch eine veränderte Berechnungsgrundlage nochmals deutlich an, cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 297. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 484. Thukydides: Historien 6.8.2 und 6.24.3. Thukydides: Historien 6.31.2. Samons: The Empire of the Owl, p. 235. Thukydides: Historien 8.1.2. Thukydides: Historien 8.1.3: „Dennoch waren sie entschlossen, so weit ihre Mittel noch reichten, nicht nachzugeben, sondern eine Flotte auszurüsten [...], Geld bereitzustellen, [...] manches in der Stadt vernünftig einzuschränken und eine Behörde von älteren Männern zu wählen, die über Maßnahmen nach dem jeweiligen Stand der Dinge vorberaten sollte.“ Thukydides: Historien 6.91.7. Samons: The Empire of the Owl, pp. 249, 258sqq. Zusammenfassend: Busolt: Griechische Staatskunde, vol. 1, p. 904. Nach Aristoteles: Athenaion Politeia 30.4, sollte der neugewählte Rat unter anderem auch „darüber beraten, wie am besten mit den öffentlichen Geldern umzugehen sei, damit diese sicher sind und nur für das Notwendige ausgegeben werden“. Cf. hierzu auch: Flament, Christophe: Autour d’IG I3 375. Étude des nances athéniennes au sortir de la première révolution oligarchique, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, vol. 158 (2006), pp. 165-172. IG I3 99.

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Flament: Autour d’IG I3 375, p. 172. Samons: The Empire of the Owl, p. 249. Die Belege sind gesammelt bei: Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, No. 1, pp. 19-23. Inwieweit in diesem Geschehen auch die – sicherlich nicht ganz unberechtigte – Sorge vor spartanischen Repressionen eine Rolle spielte, kann allerdings nicht mehr eruiert werden. Cf. dazu: Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, p. 307sq und Piepenbrink, Karen: Politische Ordnungskonzeptionen in der attischen Demokratie des vierten Jahrhunderts v. Chr.: Eine vergleichende Untersuchung zum philosophischen und rhetorischen Diskurs, Stuttgart 2001, p. 129sq. Cf. hierzu zusammenfassend: Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 302-306 sowie Leppin, Hartmut: Zur Entwicklung der Verwaltung öffentlicher Gelder im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr., in: Eder, Walter (ed.): Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert v. Chr.: Vollendung oder Verfall einer Verfassungsform?, Stuttgart 1995, pp. 557-571. Die (pseudo-)aristotelische Verfassungsgeschichte Athens (Athenaion Politeia) bietet hierzu eine detaillierte Auflistung der verschiedenen Tagegelder: „Bezahlung erhält zunächst das Volk, und zwar für die übrigen Volksversammlungen eine Drachme, für die Haupversammlung aber neun Obolen [das heißt eineinhalb Drachmen]. Sodann gibt es für die Gerichtshöfe drei Obolen, den Prytanen wird noch ein Obolos für ihre Verpegung dazugegeben. Ferner bekommen die neun Archonten für ihre Verpegung je vier Obolen und unterhalten einen Herold und einen Flötenspieler [...]“. Cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 302sq: „Was durch das neue System geregelt wurde, war nicht die Finanzierung der Kosten für die große Politik, sondern die relativ reibungslose Begleichung der immer wiederkehrenden täglichen Aufgaben, die den Ablauf des demokratischen Alltags sicherten.“ Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, p. 163. Demosthenes: 10.37 (4. Philippika). Zu der Höhe der Ausgaben cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 334sq, der inklusive der Schaugelder mit insgesamt 200 Talenten rechnet. Demosthenes: 39.17 (350/349 v. Chr.). Isokrates: „Über den Frieden“ (356/355 v. Chr.) sowie Isokrates: „Areopagitikos“ (355/354 v. Chr.). Unter dem „solonischen“ Ideal ist zu dieser Zeit keineswegs die historische Verfassung Solons zu verstehen. Vielmehr diente der Begriff als eher unscharfes Schlagwort für diverse konservativ-nostalgische Vorstellungen. Zu Eubulos: Cawkwell, George Law: Eubulus, in: Journal of Hellenic Studies, vol. 83 (1963), pp. 47-67. Cf. Bleicken: Die athenische Demokratie, pp. 303-306. Aischines: 3.25. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 305. Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, p. 273. Cf. Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, pp. 114-117. Cf. Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, pp. 112-114. Cf. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 498. Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 164 und Gabrielsen: Financing the Athenian Fleet, pp. 173-182. Demosthenes: 50 (Gegen Polykles), cf. Gabrielsen: Financing the Athenian Fleet, pp. 78-80. Demosthenes: 14.16 (Symmorienrede). Bleicken: Die athenische Demokratie, p. 305. Cf. auch hierzu: Burke, Edmund M.: Finances and the Operation of the Athenian Democracy in the „Lycurgan Era“, in: Ame-

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Anmerkungen

rican Journal of Philology, vol. 131 (2010), pp. 393-423 sowie Andreades: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, pp. 401-406. Cf. hierzu: Andreades: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, pp. 179-187. Aischines: Gegen Ktesiphon 103-105. Cf. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, no. 71, p. 244sq. Aristoteles: Oikonomika 2.21a / 1350a 7-12. Aristoteles: Oikonomika 2.11 / 1347b 31-34. Aristoteles: Oikonomika 2.21b / 1350a 13-15. Aristoteles: Oikonomika 2.16b / 1348b 23-33. Diodor: Weltgeschichte 16.56.6. Thukydides: Historien 1.143.1. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, nos. 45-47, pp. 141-165. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, no. 2, pp. 23-25. Cf. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, p. 394. Cf. Boeckh: Die Staatshaushaltung der Athener, vol. 1, p. 687 und Andreasen: Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, pp. 183-187. Cf. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, no. 69, pp. 238-242. Migeotte: L’emprunt public dans les cités grecques, no. 3, pp. 25-27. Demosthenes: 20.25 (Gegen Leptines). Boeckh: Die Staatshaushaltung der Athener, vol. 1, p. 683. Plutarch: Moralia 1011b. Demosthenes: 4.35sq (1. Philippika). Cf. dagegen Pritchard, David: Costing Festivals and War: Spending Priorities of the Athenian Democracy, in: Historia, vol. 61 (2012), pp. 18-65, der zeigt, daß trotz hoher Ausgaben für die städtischen Feste dennoch die Kriegskosten das Budget des Staates deutlich stärker belasteten. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 491. Cf. hierzu Wagschal: Das Ausgabenparadoxon der athenischen Direktdemokratie. Thukydides: Historien 2.63.3. Cf. Eich: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland, p. 506. Demosthenes: 14.2.

Armin Eich D  S  R I 1

Eine einführende Überblicksliteratur zum römischen Staatshaushalt gibt es nicht. Der interessierte Leser muß sich daher viele fundamentale Sachverhalte aus der älteren Literatur zusammensuchen. Zum Haushalt der römischen Republik ist immer noch die beste Einstiegslektüre: Frank, Tenney: Rome and Italy of the Republic (An Economic Survey of Ancient Rome, vol. 1), Baltimore 1933. Die fundamentalen Fakten zur römischen Besteuerungstypologie ndet man bei: Jones, Arnold: Taxation in Antiquity, in: Brunt, Peter (ed.): A.H.M. Jones, The Roman Economy: Studies in Ancient Economic and Administrative History, Oxford 1974, pp. 151-185. Die überlieferten Zahlen zu den Einnahmen und Ausgaben des römischen Imperiums sind zusammengestellt bei: Szaivert, Wolfgang / Wolters, Reinhard: Löhne, Preise, Werte: Quellen zur römischen Geldwirtschaft, Darmstadt 2005, pp. 122-251. Zum stehenden Heer als Budgetfaktor nden sich beispielsweise wichtige Beiträge in: Speidel, Michael Alexander: Heer und Herrschaft im Römischen Reich der Hohen Kaiserzeit, Stuttgart 2009. Eine wirtschaftsgeschichtliche Diskussion des Zahlenmaterials bietet: Duncan Jones,

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Eich: Die verborgenen Schulden des Röm. Imperiums (pp. 49-63)

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Richard: Money and Government in the Roman Empire, Cambridge 1994. Eine systematische und ausgewogene Diskussion der skalischen Institutionen des Kaiserreiches und ihrer Entwicklung ndet der Leser bei: Eich, Peter: Zur Metamorphose des politischen Systems in der römischen Kaiserzeit, Berlin 2005. Der bekannteste Fall ist die außerordentliche Staatsanleihe des Jahres 210 v. Chr., auf dem Höhepunkt des Hannibalischen Kriegs (Livius: Ab urbe condita 25.35sq), die nach Abschluß des Krieges in mehreren Tranchen an die Gläubiger zurückerstattet wurde (ibid. 29.16.3; 31.13.3-9). Statt der letzten Tranche erhielten die Gläubiger allerdings ein Stück Land aus Staatsbesitz als Pfand. Cf. zu dem Vorgang: Jones, Arnold: Ination under the Roman Empire, in: Brunt, Peter (ed.): A.H.M. Jones, The Roman Economy, pp. 187-227, hier: p. 188 (auch für ähnlich gelagerte Fälle). Das Standardwerk zu den folgenden Ausführungen ist: Nicolet, Claude: Tributum: Recherches sur la scalité directe sous la république romaine, Bonn 1976. Varro: De lingua Latina 5.6.2. Livius: Ab urbe condita 39.7.4-5. Frank: Survey, p. 135sq. Cf. zu dieser Problematik nun: Coudry, Marianne: Partage et gestion du butin dans la Rome républicaine : procédures et enjeux, in : Coudry, Marianne / Humm, Michel (edd.), Praeda: Butin du guerre et société dans la Rome républicaine / Kriegsbeute und Gesellschaft im republikanischen Rom, Stuttgart 2009, pp. 21-79. Cassius Dio: Historia Romana 37.51.3. Cf. beispielsweise:. Ferrary, Jean-Louis: Rome et les cités grecques d’Asie Mineure au IIe siècle, in: Bresson, Alain (ed.): Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a.C., Bordeaux 2001, pp. 93-106, hier besonders: pp. 104-106. Einen desillusionierten Überblick über die spätrepublikanische Archivpraxis gibt: Culham, Phyllis: Archives and Alternatives in Republican Rome, in: Classical Philology, vol. 84 (1989), pp. 100-115. Cf. Rollinger, Christian: Solvendi sunt nummi: Die Schuldenkultur der späten römischen Republik im Spiegel der Schriften Ciceros, Berlin 2009, p. 96. Cicero: Epistulae ad Brutum 1.18.5; Cassius Dio: Historia Romana 46.31.3-4. Brunt, Peter: Italian Manpower, 225 B.C. - 14 A.D., Oxford 1971, pp. 485, 489. Brunt, Peter: Publicans in the Principate, in Brunt: Roman Imperial Themes, Oxford 1990, pp. 354-432, hier: p. 380. Brunt: Publicans. Tacitus: Annales 4.5: zum Jahr 23 n. Chr. Speidel, Michael Alexander: Sold und Wirtschaftslage der römischen Soldaten, in: Speidel: Heer und Herrschaft im Römischen Reich der Hohen Kaiserzeit, Stuttgart 2009, pp. 407-437. Digesta 43.8.2.4 (Ad edictum 68). Millar, Fergus: The ‚scus’ in the rst two Centuries, in: Journal of Roman Studies, vol. 53 (1963), pp. 29-42. Nach Michael Alpers (Das nachrepublikanische Finanzsystem: Fiscus und Fisci in der frühen Kaiserzeit, Berlin/New York 1995) wäre die Einspeisung öffentlicher Gelder in das kaiserliche patrimonium im ersten Jahrhundert noch rechtsmißbräuchlich gewesen, was nicht heißt, daß sie selten vorkam. Res Gestae Divi Augusti 17 und die von einer anderen Hand angefügte Appendix 1. Belege bei: Scheid, John: Res Gestae Divi Augusti, Paris 2007, p. 52sq. In einem bemerkenswerten Brief (162/163 n. Chr.) an den Rechnungsprüfer des ephesischen Gemeinderats wiesen die Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Verus darauf hin, daß Fehlbuchungen in den kaiserlichen Kassen keine Seltenheit seien: Inschriften von Ephesos, vol. Ia, Bonn 1979, no. 25, l. 31sq. Cassius Dio: Historia Romana 55.25; Tacitus: Annales 1.78.2, cf. Eck, Werner: Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit, München 1979, p. 113sq. Tacitus: Annales 1.78.2: „imparem oneri rem publicam“.

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Anmerkungen

Vita Divi Augusti 101. Cf. jetzt die lebensnahe Darstellung des Alltags der Steuerpächter aus der Feder von: van Nijf, Onno: The Social World of Tax Farmers and their Personnel, in: Cottier, Michel et. al. (edd.): The Customs Law of Asia, Oxford 2008, pp. 279-310. Anders lagen die Dinge bei den verdeckten Schulden der Gemeindestaaten in den Provinzen, die die kaiserliche Regierung zwar aufzudecken bestrebt war (cf. zum Beispiel: Plinius: Epistulae 10.54), aber die sie nicht in ihren eigenen rationes verbuchte. In einem modernen Staat sind die Verbindlichkeiten kommunaler Verwaltungseinheiten selbstverständlich Teil der öffentlichen Gesamtverschuldung. Tacitus: Historien 4.47. Brunt, Peter: The Revenues of Rome, in: Brunt: Roman Imperial Themes, pp. 324-353, hier: p. 343. Die wichtigste Darstellung der Hochphase der Münzverschlechterung ist immer noch: Callu, Jean Pierre: La politique monétaire des empereurs romains de 238 à 311, Paris 1969. Hasler, Klaus: Studien zu Wesen und Wert des Geldes in der römischen Kaiserzeit von Augustus bis Severus Alexander, Bochum 1980. Daten und Graphen bei: Rathbone, Dominic: Monetisation, not Price-Ination, in Third-century A. D. Egypt?, in: King, Cathy E. (ed.): Coin Finds and Coin Use in the Roman World, Berlin 1996, pp. 321-339. Zu den Quellen und Überlieferungsproblemen: Duncan-Jones, Richard: Structure and Scale of the Roman Economy, Cambridge 1990, p. 114sq. Carrié, Jean-Michel: Les nances militaires et le fait monétaire dans l’empire romain tardif, in: Les ‘Dévaluations’ à Rome: Epoque républicaine et impériale (coll. Rome 1975), Rom 1978, vol. 1, pp. 227-248. The Oxyrhynchus Papyri VII 1047. Cf. zu den Zahlen beispielsweise: Eck, Werner, Friedenssicherung und Krieg in der römischen Kaiserzeit: Wie ergänzt man das römische Heer?, in: Eich, Armin (ed.): Die Verwaltung der kaiserzeitlichen römischen Armee, Stuttgart 2010, pp. 87-110. Cf. für eine solide Berechnung etwa: Wierschowski, Lothar: Heer und Wirtschaft: Das römische Heer der römischen Prinzipatszeit als Wirtschaftsfaktor, Bonn 1984. Plutarch: Pompeius 45. Dies ist die einzige überlieferte Angabe dieser Art. Diskussion bei: Wolters, Reinhard: Nummi signati: Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft, München 1999, pp. 171-253, hier besonders: p. 209sq. Cf. etwa Stauner, Konrad: Rationes ad milites pertinentes, in: Eich (ed.): Die Verwaltung der kaiserzeitlichen römischen Armee, pp. 37-85, hier: p. 59. Cf. auch die ausführliche Diskussion eines erhaltenen Auszuges aus einem Legionärskonto (81 n. Chr.) bei: Stauner, Konrad: Das ofzielle Schriftwesen des römischen Heeres von Augustus bis Gallienus (27 v. Chr. - 268 n. Chr.), Bonn 2004, pp. 66-68. Ausführliche Belege bei: Eich, Armin: Das Berufsheer der frühen und hohen Kaiserzeit und die Verarmung der kaiserlichen Zentrale, in: de Blois, Luuk / Lo Cascio, Elio (edd.): The Impact of the Roman Army (200 B.C. - A.D. 476), Leiden/Boston 2007, pp. 106-127. Details bei: Mac Dowall, David: The Western Coinages of Nero, New York 1979, pp. 133-149. Zu den Truppenverlegungen: Heil, Matthäus: Die orientalische Außenpolitik des Kaisers Nero, München 1997, p. 159sq. Cf. Chalon, Gérard: L’édit de Tiberius Iulius Alexander, Olten/Lausanne 1964, pp. 131sqq. Alle Nachweise bei: Grifn, Miriam: The Flavians, in: The Cambridge Ancient History, vol. XI2 , Cambridge 2000, pp. 1-84. Aus der Fundstatistik ist zwischen 84 und 92 n. Chr. ein dramatischer Anstieg der kaiserlichen Münzproduktion ablesbar; cf. die Graphen

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bei: Carradice, Ian / Buttrey, Theodore V.: The Roman Imperial Coinage, vol. 2.1: From 69-96 A.D. Vespasian to Domitian, London 2 2007, p. 258sq. Johannes Lydus: De magistratibus 2.28. Wolters, Reinhard: Traians Außenpolitik und die Finanzen des Reiches, in: Schallmayer, Egon (ed.): Traian in Germanien, Traian im Reich, Bad Homburg vor der Höhe 1999, pp. 115-125. Cassius Dio (Xiphilinos): Historia Romana 74.8.3. Zu der aggressiven Militärstrategie unter Marc Aurel ist grundlegend: Strobel, Karl, Die „Markomannenkriege“ und die neuen Provinzen Marc Aurels: Ein Modellfall für die Verechtung von Innen- und Außenpolitik des römischen Reiches, in: Leitner, Friedrich (ed.): Carinthia Romana und die römische Welt (Festschrift Gernot Piccottini), Klagenfurt 2001, pp. 103-124.

Jochen Johrendt S  G? D  H -   K 1

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Carmina Burana: Lateinisch/Deutsch, ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Günter Bernt, Stuttgart 1992, 1, 1 v. 3-10: „Manus ferens munera / pius facit impium; / nummus iungit federa. / nummus dat consilium; / nummus lenit aspera, / nummus sedat prelium. / nummus in prelatis / est pro iure satis; / nummo locum datis / vos, qui iudicatis.“ Es handelt sich um das erste Gedicht der berühmten Carmina Burana, zur Entstehungszeit cf. ibid., p. 284. Zum Aspekt der Wahrnehmung des Geldes als ein die soziale Ordnung sprengendes Moment durch die Zeitgenossen vor allem des 12. Jahrhundert cf. Kamp, Hermann: Gutes Geld und böses Geld: Die Anfänge der Geldwirtschaft und der ‚Gabentausch’ im hohen Mittelalter, in: Grubmüller, Klaus / Stock, Markus (edd.): Geld im Mittelalter: Wahrnehmung, Bewertung, Symbolik, Darmstadt 2005, pp. 91-112; dieser Beitrag stellt eine leicht gekürzte Version des Beitrags dar: Kamp, Hermann: Geld, Politik und Moral im hohen Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien, vol. 35 (2001), pp. 329347. Zum Thema Geld im Mittelalter cf. den vielschichtigen und anregenden Sammelband, der in zehn Einzelbeiträgen unterschiedliche Aspekte von der Münzkunde bis zur Bedeutung des Geldes für die Politik einzelner Herrscher abdeckt: Grubmüller / Stock (edd.): Geld im Mittelalter. Eher essayistisch gehalten und mit wenigen Anmerkungen versehen ist der Band: Le Goff, Jacques: Geld im Mittelalter, aus dem Franz. von Caroline Gutberlet, Stuttgart 2011 (Originaltitel Le Moyen Age et l’argent). Zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums cf. immer noch grundlegend: Brühl, Carlrichard: Fodrum, Gistum, Servitium regis: Studien zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums im Frankreich und in den fränkischen Nachfolgerstaaten Deutschland, Frankreich und Italien vom 6. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 2 voll., Köln/Graz 1968. Brühl konzentriert sich vor allem auf die Königsgastung und das servitium regis für den König, der im früh- und hochmittelalterlichen Reich keine Hauptstadt hat, in der er residiert, sondern der „aus dem Sattel“ sein Reich regiert. Der Begriff „Staat“ war und ist für die deutschsprachige Mittelalterforschung problematisch, cf. dazu jetzt: Pohl, Walter / Wieser, Veronika (edd.): Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven, Wien 2009.

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Cf. dazu jüngst: Goetz, Hans-Werner: Erwartungen an den ‚Staat’: Die Perspektive der Historiographie in spätkarolingischer Zeit, in: Pohl / Wieser (edd.): Der frühmittelalterliche Staat, pp. 471-485, sowie weitere Beiträge in diesem Sammelband. Goetz: Erwartungen, pp. 481, 485. Gesta Chuondradi, in: Die Werke Wipos, ed. Harry Bresslau (MGH SS. rer. Germ. [61]), Hannover/Leipzig 1915, pp. 1-62, hier p. 30 ll. 16-18; Die Ausgabe von Bresslau ist die maßgebliche und zu zitierende Ausgabe. Um den Zugang zu erleichtern, werde ich in den folgenden Angaben jedoch die Übersetzung von Trillmich zitieren, die sich auf den Text der Bresslau-Ausgabe stützt: Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, bearbeitet und übers. v. Werner Trillmich (AQDGM 11), Darmstadt 1961, pp. 522-613, hier: p. 560 ll. 4-6. Goetz: Erwartungen, p. 473. Cf. generell zur Historiographie und der teilweise starken Ausrichtung auf die Herrscher: Goetz, Hans-Werner: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, Berlin2 2008, insbesondere pp. 130-134. Cf. dazu: Hardt, Matthias: Gold und Herrschaft: Die Schätze europäischer Könige und Fürsten im ersten Jahrtausend, Berlin 2004, pp. 235-299. In einigen Teilen zwar zu korrigieren, doch als Überblick nach wie vor gut ist: Henning, Friedrich-Wilhelm: Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, vol. 1, Paderborn 1991, pp. 21-163. Zum „öffentlichen Finanzwesen“ von der Karolingerzeit bis ins 12. Jahrhundert: ibid., pp. 153-157. Cf. den knappen Überblick bei: Kamp, Norbert: Moneta regis: Königliche Münzstätten und königliche Münzpolitik in der Stauferzeit, Hannover 2006, pp. 1-16. So kommt Geld in Zusammenhang mit dem König beziehungsweise mit dem königlichen Hof etwa bei Thietmar nur ein einziges Mal vor: Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung, I c. 22, ed. Robert Holtzmann (MGH SS. rer. Germ. N. S. 9), Berlin 1935, p. 28. Nach Thietmar rät ein Halberstädter Bischof seinem Kaplan, den er gerne als seinen Nachfolger im Bischofsamt installieren möchte, mit Geld an den Königshof zu gehen, um dort die Investitur durch den König zu erreichen. Cf. dazu: Schieffer, Rudolf: Geistliches Amt und schnöder Mammon: Zur Bewertung der Simonie im hohen Mittelalter, in: Petersohn, Jürgen (ed.): Medievalia Augiensia: Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 2001, pp. 359-374, hier: p. 364. Als Überblick zur Merowingerzeit cf. Hartmann, Martina: Die Merowinger, München 2012; dies.: Aufbruch ins Mittelalter: Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2 2011; zur Annäherung an die Epoche über die Quellen cf. jetzt: Kaiser, Reinhold / Scholz, Sebastian: Quellen zur Geschichte der Franken und der Merowinger: vom 3. Jahrhundert bis 751, Stuttgart 2012. Cf. dazu zusammenfassend: Hartmann: Merowinger, pp. 63, 66-69. Fiscus meint in der Merowingerzeit wie in der Antike und Spätantike die Gesamtheit der Einkünfte des Kaisers beziehungsweise des Königs. Nicht nur reiche Kaueute verfügten über Münzgeld, sondern auch kleinere Händler, wenn auch statistisch differenzierende Angaben fehlen. Zusammenfassend jüngst: Hartmann: Merowinger, pp. 100-102; Claude, Dietrich: Aspekte des Binnenhandels im Merowingerreich auf Grund der Schriftquellen, in: Düwel, Klaus et al. (edd.): Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit, Göttingen 1985, pp. 9-99, zusammenfassend pp. 96-99. Cf. zum Geldverkehr auch die Arbeit von: Kloss, Ferdinand: Goldvorrat und Geldverkehr im Merowingerreich, Banden/Brünn 1929 [ND Aalen 1978], pp. 65-93. Zu Gregor und seiner Epoche cf. als Überblickswerk aus der jüngeren Zeit den Sammelband (dort weitere Literatur): Mitchell, Kathleen / Wood, Ian (edd.): The World of Gregory of Tours, Leiden/Boston/Köln 2002. Speziell zu seinen „Zehn Büchern Geschichte“, die vor allem ein Ringen zwischen Gut und Böse darstellen sollen, cf. Heinzelmann, Martin: Gregor von Tours (538-594): ‚Zehn Bücher Geschichte’: Histo-

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riographie und Gesellschaftskonzeption im 6. Jahrhundert, Darmstadt 1994, pp. 90102. Über das Register ndet man schnell den Zugriff auf einzelne Stellen bei Gregor und die Ausführungen von Heinzelmann dazu. Gregor von Tours: Decem libri Historiarum, edd. Krusch, Bruno / Levison, Wilhelm (MGH SS. rer. Merov. 1), Hannover 1951. Zum leichteren Zugang sei auf die Übersetzung ins Deutsche verwiesen, die im Folgenden stets angegeben wird nach: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri decem = Zehn Bücher Geschichten, auf Grund der Übers. Wilhelm Giesebrechts neu bearb. von Rudolf Buchner (AQDGM 2 und 3), Darmstadt 8 2000, II/28 p. 113 l. 28sqq. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/3, ed. Buchner, p. 135 ll. 11-14: „aurum argentumsque in itinere illo praesentibus populis manu propria spargens“. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/8, ed. Buchner, p. 81 l. 3. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/42, ed. Buchner, p. 139 ll. 13-32 schildert, wie König Chlodovech in seinen Auseinandersetzungen mit König Ragnachar (falsches) Gold einsetzt. Als Gegenleistung für das Gold sollten die Großen Ragnachars Chlodovech ins Land rufen. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, III/11, ed. Buchner, p. 159 ll. 1-11: Theuerich erkauft sich durch das Versprechen von „Gold und Silber“ die Treue der Einwohner von Clermont. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, III/1, ed. Buchner, p. 145 ll. 29sq: So wirbt der Westgotenkönig Amalarich um eine Merowingerprinzessin. Die Reaktion der Merowingerkönige lautet: „Sie aber gewährten gerne seine Bitte und schickten sie ihm nach Spanien mit einer Menge von Schmuck und Geschmeide.“ Ein Beispiel für die Ausstattung einer westgotischen Prinzessin ist die Werbung König Sigiberts um Brunichilde nach: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, IV/27, ed. Buchner, p. 231 l. 37sq: „Der Vater aber versagte sie ihm nicht und schickte sie mit großen Schätzen dem König.“ Cf. dazu auch: Hartmann, Martina: Die Königin im frühen Mittelalter, Stuttgart 2009, pp. 144-146. So zum Beispiel: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, IV/21, ed. Buchner, p. 225 ll. 6-8: „König Chlothachar aber zog im einundfünfzigsten Jahr seiner Herrschaft mit vielen Geschenken zu der Schwelle des heiligen Martinus und kam nach Tours zu dem Grabe des genannten Bischofs.“ So heißt es beispielsweise resümierend über König Chlodovech bei: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/40, ed. Buchner, p. 137 l. 27: „So empng er Sigeberts Reich und seine Schätze“; ähnlich IV/22, p. 225 ll. 21-24. So etwa in: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/42, ed. Buchner, p. 139 l. 38sq: „Als sie so alle getötet, gewann Chlodovech ihr ganzes Reich und alle ihre Schätze.“ Gregor: Zehn Bücher Geschichten, V/28, ed. Buchner, p. 335 l. 33 - p. 337 l. 3: „König Chilperich aber ließ neue und harte Steuern in seinem ganzen Reiche ausschreiben. Deshalb verließen viele dessen Städte und ihre Güter und zogen nach anderen Reichen, indem sie es für besser hielten, anderswo in der Fremde zu leben, als sich so harten Bedrückungen auszusetzen. Es war nämlich festgesetzt, dass jeder Besitzer von seinem eigenen Grund und Boden eine Amphora Wein auf jeden halben Morgen gebe. Aber es waren auch noch viele andere Steuern auferlegt, sowohl von dem übrigen Grund und Boden, als auch von den Sklaven; das alles war gar nicht aufzubringen.“ Gregor: Zehn Bücher Geschichten, VI/2, ed. Buchner, p. 195 l. 22sq: „Der König Chlothachar hatte aber ein Gebot erlassen, dass alle Kirchen seines Reiches den dritten Teil ihrer Einkünfte an seine Schatzkammer entrichteten“ („sco dissolverent“). So forderte Chlodovech von König Gundobald Tribute, die dieser auch zahlte: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, II/32, ed. Buchner, p. 123. Beispielsweise in: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, III/14, ed. Buchner, p. 165 l. 8sq.

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Anmerkungen

So etwa in: Gregor: Zehn Bücher Geschichten, III/2, ed. Buchner, p. 147 l. 9sq oder IV/35, p. 243 ll. 29-34. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, III/34, ed. Buchner, p. 187 ll. 34-41, Zitat ll. 39-41. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, IV/40, ed. Buchner, p. 251 ll. 35-39. Cf. dazu: Meier, Christel: Der rex iniquus in der lateinischen und volkssprachigen Dichtung des Mittelalters, in: Althoff, Gerd (ed.): Heinrich IV., Ostldern 2009, pp. 13-39. Cf. zum Geiz auch: Emmerich, Bettina: Geiz und Gerechtigkeit: Ökonomisches Denken im frühen Mittelalter, Stuttgart 2004, p. 282, die als frühmittelalterliche Vorstellung vom ökonomischen Handeln zusammenfassend herausgearbeitet hat: „Der rechte Handel mit rechtem Gewinn ndet ohne Habsucht statt […]. Gerechter Gewinn und Reichtum werden vielmehr als die gerechte Frucht absichtsloser ökonomischer Efzienz gesehen.“ Zur Kennzeichnung Adeliger als „der Reiche“ oder als „sehr reich“ cf. p. 77sq. So kennzeichnet beispielsweise der 853 verstorbenen Frechulf von Lisieux in seinen „Historiae“ Salomon als „sapientissimus ac ditissimus“, als „äußerst weise und sehr reich“, so: Frechul Lexoviensis episcopi opera omnia cura et studio Michael I. Allen, 2 voll. (CCCM 169, 169A), Turnhout 2002/2003, Historiae, I 3, 4 p. 163 l. 1sq. Diese Kennzeichnung wird auch von dem 1103 verstorbenen Bamberger Mönch Frutolf von Michelsberg aufgenommen, cf. dazu bald die kritische Ausgabe Frutolfs durch Schmale / Lohmer. Herrn Lohmer danke ich für die Möglichkeit, in seine Edition Einblick zu erhalten. Cf. mit kurzem Überblick: Rehm, M.: Art. Salomon, in: Lexikon für Theologie und Kirche, vol. 9 (2 1964), Sp. 272-274, hier: Sp. 274; Särkiö, Pekka, Art. Salomon I, in: Theologische Realenzyklopädie, vol. 29 (1998), pp. 724-727, hier: p. 725, mit dem Hinweis, daß die Angaben zu Gold und Silber in 1 Kg. „übertrieben“ seien. 1. Kg. 10, 23 u. 27. Rabani Mauri archiepiscopi Moguntiensis commentaria in libros quatuor regum, ed. Migne PL 109, Sp. 9-280. Eine Übersicht über die mittelalterliche Kommentierung des 3. Buchs der Könige ndet sich bei: Repertorium Biblicum medii Aevi, collegit disposuit ed. Fridericus Stegmüller, 11 voll., Madrid 1940-1980, hier: vol. 10, pp. 333335 s. v. et rex David (Initium III Reg.). Hrabanus Maurus übernimmt damit die Interpretation Isidors von Sevilla: Isidori Hispalensis epsicopi Quaestiones in vetus testamentum, ed. Migne 82 Sp. 207-444, hier: in Regum III c. 5 Sp. 417 B. Zu den Quellen Hrabans cf. Cantelli Berarducci, Silvia: Hrabani Mauri opera exegetica, 3 voll., Turnhout 2006, zu den konkreten Quellennachweisen vol. 2, p. 623, zum 3. Buch Könige allgemein: vol. 1, pp. 288-294. Auch in seinem Kommentar zur 1. und 2. Chronik zitiert Hrabanus erstaunlicherweise 3. Kg. 10, 23 und nicht 1. Chron. 29, 25 beziehungsweise. 2. Chron. 1,1, denn in den Chronik-Stellen wird der Reichtum Salomons nicht erwähnt. Hrabanus zitiert jedoch: „Magnicatus est ergo Salomon super omnes reges terrae prae divitiis et gloria“, Migne PL 109 Sp. 479 C. Ruperti Tuitiensis de sancta Trinitate et operibus eius, ed. Hrabanus Haacke O.S.B., vol. 2: Libri X – XXVI (CCCM 22), Turnholt 1972, p. 1336 ll. 1660-1673. Bereits bei Rupert ist das Silber Salomons, sein Reichtum, als etwas angesprochen, das nicht um seiner selbst willen begehrenswert sei. In diese Richtung führen auch die Gedanken bei dem 1214 verstorbenen Abt von Ford, Johannes: Ioannis de Forda Super extremum partem Cantici Canticorum sermones 120, vol. 1: 1-69, ed. Edmundus Mikkers / Hilarius Costello (CCCM 17), Turnholt 1970, serm. 6 c. 10 pp. 71sq. Gregor: Zehn Bücher Geschichten, I/13, ed. Buchner, p. 23 ll. 10-24, Zitat l. 12. Schroeder, Klaus Peter: Art. Fürstenspiegel, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte2, vol. 1 (2008), Sp. 1905sq. Kennzeichnend für diesen Spiegel ist, daß er auch antike Vorlagen und deren ethische Vorstellungen stärker einbezieht, als dies bei anderen Autoren der Zeit der Fall ist, so:

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Anton, Hans Hubert: Einleitung, in: Fürstenspiegel des frühen und hohen Mittelalters = Specula principum ineuntis et progredientis medii aevi, ausgew., übers. und kommentiert v. Hans Hubert Anton (AQDGMA 45), Darmstadt 2006, p. 15. Sedulius Scottus: Liber de rectoribus Christianis, in: Fürstenspiegel, ed. Anton, pp. 100-149, hier: p. 144 (beziehungsweise die Übersetzung, p. 145). Sedulius Scottus: Liber de rectoribus Christianis, ed. Anton, p. 123. Sedulius Scottus: Liber de rectoribus Christianis, ed. Anton, p. 125. Sedulius Scottus: Liber de rectoribus Christianis, ed. Anton, p. 125sq. Das fügt sich gut in die Ausführungen bei Isidor von Sevilla, der erklärt, daß ein Mann sich seine Frau nach vier Gesichtspunkten aussuchen soll: Schönheit, Art, Reichtum und Sittsamkeit. Lib. IX/29: „Item in eligenda uxore quattuor res inpellunt hominem ad amorem: pulchritudo, genus, divitiae, mores. Melius tamen si in ea mores quam pulchritudo quaeratur. Nunc autem illae quaeruntur, quas aut divitiae aut forma, non quas probitas morum commendat“, so: Isidore de Séville: Etymologies, livre 9: Les langues et les groupes sociaux, texte établi, trad. et commenté par Marc Reydellet (Auteurs latins du moyen âge), Paris 1984, p. 239. Hinkmar von Reims, De ordine palatii, ed. und übers. von Thomas Gross / Rudolf Schieffer (MGH Fontes iuris 3), Hannover 1980, p. 72 ll. 360-363. Zu den königlichen Hofämtern bei Hinkmar cf. Rösener, Werner: Königshof und Herrschaftsraum: Norm und Praxis der Hof- und Reichsverwaltung im Karolingerreich, in: Uomo e spazio nell’alto medioevo, Spoleto 2003, vol. 1, pp. 443-478, hier: pp. 453-462. Zu Ludwig dem Frommen cf. die Biographie von: Boshof, Egon: Ludwig der Fromme, Darmstadt 1996; zu Herausforderungen in seiner Regierungszeit cf. Godmann, Peter / Collins, Roger (edd.): Charlemagne’s Heir: New Perspectives on the Reign of Louis the Pious (814-840), Oxford 1990; zu seinem Beinamen cf. Schieffer, Rudolf: Ludwig „der Fromme“: Zur Entstehung eines karolingischen Beinamens, in: Frühmittelalterliche Studien, vol. 16 (1982), pp. 58-73. Thegan: Die Taten Kaiser Ludwigs – Astronomus, Das Leben Kaiser Ludwigs, ed. und übers. von Ernst Tremp (MGH SS. rer. Germ. 64), Hannover 1995, hier: Astronomus: Vita, c. 6, p. 303. Astronomus: Vita, c. 23, ed. Tremp, p. 354 l. 16. Astronomus: Vita, c. 19, ed. Tremp, p. 340 ll. 15-18. Thegan: Gesta, c. 8, ed. Tremp, p. 189sq. Thegan: Gesta, c. 44, ed. Tremp, p. 234sqq. Thegan: Gesta, c. 44, ed. Tremp, p. 236 l. 13sq: „Vendidit hic auro patriam domnumque potentem / Inposuit, xit leges precio atque rexit“. Thegan, Gesta, c. 44, ed. Tremp, p. 236 l. 8sq. Reginonis abbatis Prumiensis Chronicon cum continuatione Treverensi, ad a. 887, ed. Friedrich Kurze (MGH SS. rer. Germ. [50]), Hannover 1890, p. 128, über Karl III.: „[…] ita ut post magnum Carolum maiestate, potestate, divitiis nulli regum Francorum videretur esse postponendum“. Cf. dazu: Goetz: Erwartungen, p. 474. Reginos Chronik wurde 908 abgeschlossen. Notkeri Balbuli Gesta Karoli magni, ed. Hans F. Haefele (MGH SS. rer. Germ. N. S. 12), Berlin 1959, lib. II c. 18 pp. 88sq; cf. Goetz: Erwartungen, p. 475. Zu Notker dem Stammler cf. Tremp, Ernst: Menschliche Größe und Schwäche bei Notker Balbulus († 912), in: Härter, Andreas (ed.): In Liebe und Zorn: Zu Literatur und Buchkultur in St. Gallen, Wiesbaden 2009, pp. 15-40; zu Ludwig dem Deutschen cf. die Biographie von: Hartmann, Wilfried: Ludwig der Deutsche, Darmstadt 2002. Cf. dazu: Erkens, Franz-Reiner: Vicarius Christi – sacratissimus legislator – sacra majestas: Religiöse Herrschaftslegitimierung im Mittelalter, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung, vol. 89 (2003), pp. 1-55. Zu Wipos „Gesta Chionradi imperatoris“ cf. Huth, Volkhard: Wipo, neu gelesen. Quellenkritische Notizen zur ‚Hofkultur’ in spätottonisch-frühsalischer Zeit, in: Bihrer,

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Andreas et. al. (edd.): Adel und Königtum im mittelalterlichen Schwaben: Festschrift für Thomas Zotz zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2009, pp. 155-168, dort die weitere Literatur. Zur Person Konrads II. cf. die beiden Biographien: Wolfram, Herwig: Konrad II. (990-1039): Kaiser dreier Reiche, München 2000; Erkens, Franz-Reiner: Konrad II. (um 990-1039): Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers, Regensburg 1998. Wipo: Gesta Chuonradi, ed. Trillmich, p. 523 l. 30 - p. 525 l. 2. Wipo: Gesta Chuonradi, c. 6, ed. Trillmich, p. 558 l. 2sq: „Deinde a barbaris, qui Saxoniam attingunt, tributa exigens omne debitum scale recepit“. In ähnlichem Sinne urteilt auch: Vita Heinrici IV. imperatoris, ed. Wilhelm Eberhard (MGH SS. rer. Germ. [58]), Hannover/Leipzig 1899, p. 12 ll. 15-18: „Non solum potentes imperii sui metuebant eum, sed et reges orientis et occidentis adeo fama eius perterruit, ut ante tributarii sind facti, quam victi.“ Wipo: Gesta Chuondradi, c. 13, ed. Trillmich, p. 568 ll. 2-7. Wipo: Gesta Chuonradi, c. 8, ed. Trilmich, p. 560 ll. 21-26. Die Stelle ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Verurteilung der lange geübten und bis dahin wenig kritisierten Simonie in der Forschung viel zitiert, cf. dazu: Schieffer: Geistliches Amt, p. 363. Wipo: Gesta Chuonradi, c. 2, ed. Trillmich, p. 541 l. 20sqq. Zum Wandel dieser Vorstellung bei der Auswahl der Königskandidaten cf. p. 77sq. Wipo: Gesta Chuonradi, c. 29, ed. Trilmich, p. 588 l. 25sq: „quod pactum seceleratum renuit caesar, dicens se nolle inimicum emere ab inimico“. Herimanni Augiensis Chronicon, ad a 1046, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 5, Hannover 1844, pp. 67-133, hier: p. 125 l. 37. Die Kennzeichnung Alberichs in Widrici in der zwischen 1050 und 1052 entstandenen „Vita S. Gerardi episcopi Tullensis“ (ed. Georg Waitz, in: MGH SS 4, Hannover 1841, pp. 485-520, hier: p. 487 l. 38) als „hic ditissimis nobilibusque parentibus“ ist eine Ausnahme. Auf die Zeit 1100-1112 ist die Chronik des Siegebert von Gembloux zu datieren: Chronica Sigiberti Gemblacensis, ed. Ludwig Bethmann, in: MGH SS 6, Hannover 1844, pp. 300-374, hier: p. 310 l. 2: „[…] Nothi, nobilissimi et ditissimi Britannorum principis“. Zur Datierung cf. RepFont, vol. 10 (2005), p. 355. Vita Gebehardi episcopi Constantiensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 10, Hannover 1852, pp. 582-594, hier: p. 586 l. 10: „Sed quia de nobilissimis et ditissimis fuerat parentibus“. Doch es lassen sich noch einige weitere Beispiele anführen, die im Rahmen der MGH ediert sind. So wurde beispielsweise Hemma in den circa 1170 bis 1177 entstandenen Vita Chuonradi archiepiscopi, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 11, Hannover 1854, pp. 62-77, hier: p. 64 l. 48sq, gekennzeichnet als: „mulier nobilissima et ditissima, Hemma nomine“; Graf Dedi in den um 1142 abgeschlossenen Gesta archiepsicoporum Megdeburgensium, ed. Wilhelm Schum, in: MGH SS 14, Hannover 1883, pp. 361-416, hier: p. 408 l. 6 ad a. 1107 als: „utpote de nobilissima ditissimorum principum prosapia“; Richlinde in dem nach 1146 entstandenen Herimanni Liber de restauratione S. Martini Tornacensis, ed. Georg Waitz, in: MGH SS 14, Hannover 1883, pp. 274-317, hier: p. 299 l. 41 als „nobilissima et ditissima.“ Die nach 1170 entstandenen „Historia Welforum“ kennzeichnet Markgraf Bonifaz von Tuszien als „[…] nobilissimi ac ditissimi Italici marchionis Bonifacii“: Historia Welforum, neu ed., übers. u. erläutert von Erich König (Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 1), Stuttgart et al. 1938, p. 24; und Erchonaldus wird in dem 1167 entstandenen Teil des Chronicon Eberheimense, ed. Ludwig Weiland, in: MGH SS 23, Hannover 1874, pp. 427-453, hier: p. 433 l. 40 bezeichnet als „in regno Francorum nobilissimus et ditissimus princeps nomine Erchonaldus“. Narratio de electione Lotharii, ed. Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 12, Hannover 1856, pp. 510-512, hier: p. 510 l. 29; zum Quellenwert cf. Kalbfuss, Hermann: Zur Entstehung der „Narratio de electione Lotharii“, in: Mitteilungen des Instituts für Öster-

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reichische Geschichtsforschung, vol. 31 (1910), pp. 538-557, sowie jetzt: Reg. Imp. IV/1/1 Nr. 92. Cf. dazu: Schneidmüller, Bernd: Mittelalterliche Geschichtsschreibung als Überzeugungsstrategie: Eine Königswahl des 12. Jahrhunderts im Wettstreit der Erinnerungen, in: Heidelberger Jahrbücher, vol. 52 (2008), pp. 167-188. Zu Otto von Freising und seinen „Gesta Friderici“ cf. Goetz, Hans-Werner: Das Geschichtsbild Ottos von Freising: Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und Geschichte des 12. Jahrhunderts, Köln/Wien 1984; Deutinger, Roman: Bischof Otto I. von Freising (1138-1158): Ein Lebensbild, in: Götz, Ulrike (ed.): Otto von Freising, Rahewin, Conradus Sacrista: Geschichtsschreiber des 12. Jahrhunderts in Freising: Beiträge zum 850. Todesjahr Bischof Ottos von Freising 2008, Freising 2010, pp. 1526; zu Barbarossa als Herrscher cf. jüngst: Görich, Knut: Friedrich Barbarossa: Eine Biographie, München 2012; zur Thematik Barbarossa und Geld cf. den sehr guten Beitrag von: Görich, Knut: Geld und Ehre: Friedrich Barbarossa, in: Grubmüller / Stock (edd.): Geld im Mittelalter, pp. 113-134. Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz (MGH SS. rer. Germ. [46]), Hannover/Leipzig 1912, p. 4 ll. 25-28. Die Ausgabe von Waitz ist die zu benutzende kritische Edition, doch wie bei Wipo sei hier zum leichteren Zugang die zweisprachige Ausgabe benutzt: Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, übers. von Adolf Schmidt †, ed. Franz-Josef Schmale (AQDGM 17), Darmstadt 1965, p. 88 ll. 9-12. Die angegebene Kapiteleinteilung bezieht sich auf die Ausgabe von Schmale. Ottonis gesta Frederici, II c. 51, ed. Schmale, p. 382 l. 29 - p. 384 l. 2: „[. . . ] quem pecunia sibi allexerant“. Ottonis gesta Frederici, I c. 32, ed. Schmale, p. 190 ll. 17-22. Ottonis Gesta Frederici, II c. 14, ed. Schmale, p. 314 l. 29sq: „assensum ipsius nobilem et incorruptum hactenus animum pecunia inclinare ac corrumpere satagebant“. Ottonis gesta Frederici, I c. 63, ed. Schmale, p. 264 l. 8sq: „Qua de re multa large dipersa pecunia militem quem tunc poterat collegit“. Ottonis gesta Frederici, II c. 4, ed. Schmale, p. 288 l. 28 - p. 290 l. 1: „[…] ulturus inferiores Rheni partes adiit, ipsisque pecuniaria pena multatis ac Herimanno episcopo conrmato […]“. Ottonis gesta Frederici, II c. 12, ed. Schmale, p. 302 ll. 29-31: „Ad haec, quamvis predictam necessitudinis excusationem habere viderentur, expianda rex a toto exercitu collectam erei iubet“. Ottonis gesta Frederici, II c. 46, ed. Schmale, p. 374 ll. 20-23: „Est enim lex curiae, quod quisquis de ordine principum principis sui iram incurrens compositionem persolvere cogatur, centum librarum debitor existat, caeteri moniris ordinis viri, sive sint ingenui sive liberi sive ministri, decem“. Ottonis gesta Frederici, II c. 42, ed. Schmale, p. 366 ll. 12-14: „Audiens haec imperator: ‚Dura est‘ inquit ‚haec conditio, durum est latroni pricipem tributa persolvere‘.“ Ottonis gesta Frederici, II c. 32, ed. Schmale, p. 350 ll. 21-24: „Afrmas pro pecunia quadam iuramentum tibi preberi a mea deberi persona. Proh nefas! A tuo, Roma, exigis principe, quod quilibet lixa potius petere deberet ab institore“. Ottonis gesta Frederici, II c. 35, ed. Schmale, p. 356 ll. 3-5: „Accipe nunc, Roma, pro auro Arabico Teutonicum ferrum. Haec est pecunia, quam tibi princeps tuus pro tua offert corona. Sic emitur a Francis imperium“. Ottonis gesta Frederici, I c. 26, ed. Schmale, p. 174 ll. 2-4: „Preterea de Reutenis, qui ad contemptum imperii nostri, occisis hominibus nostris, pecuniam nostram sibi usurpaverunt […]“. Cf. dazu: Goetz: Erwartungen, p. 476. Historia Welforum, ed. König, p. 70: „Imperator ergo Fridericus, vir in omnibus sagax et providus, in auro et argento toto nisu satisfaciens avunculo traditam sibi hereditatem lege gentium possedit […]“.

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Anmerkungen

Ottonis Gesta Friderici, II c. 42, ed. Schmale, p. 370 ll. 4-6: „Non illis miserrimis profuit multa, quam pro vita redimenda promittebant, pecunia“. Das Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer über die Taten Friedrichs I. in der Lombardei = Ottonis Morenae et continuatorum historia Frederici I., ed. Ferdinand Güterbock (MGH SS. rer. Germ. N. S. 7), Berlin 1930, p. 33 ll. 7-9: „ac magnam pecuniam ipsi imperatori tribuentes suos, qui capti fuerant, de carcere liberaverunt“. Das gilt auch für die Vorbereitungen zum Kreuzzug durch Friedrich Barbarossa. Anders als in England oder Frankreich wurde im Reich keine Kreuzzugssteuer erhoben, cf. Görich: Friedrich Barbarossa, pp. 537-539. Zur Gefangennahme Richards durch Herzog Leopold von Österreich und den Forderungen Kaiser Heinrichs VI. cf. Berg, Dieter: Richard Löwenherz, Darmstadt 2007, pp. 194-210.

Arne Karsten I  P: S  S   R  17. J 1

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Pizzatis Denkschrift ist in mehreren Fassungen in der Bibliotheca Apostolica Vaticana erhalten, cf. Krautheimer, Richard: Roma di Alessandro VII, Rom 1987, pp. 139, 197, dem meine Darstellung in diesem Punkt folgt. Zu den Spezika des Papsthofes und den daraus resultierenden Folgen für die kulturelle Ausstrahlungskraft Roms im Barock cf. die anregenden Überlegungen von: Büchel, Daniel: Prolegomena zu Hof und höscher Gesellschaft in Kirchenstaat und Königreich Neapel (1550-1700), in: Büchel, Daniel / Reinhardt, Volker (edd.): Modell Rom?: Der Kirchenstaat und Italien in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2003, pp. 203-219. Cf. hierzu grundlegend: Fagiolo dell’Arco, Maurizio: La festa barocca a Roma, 2 voll., Rom 1997. Cf. Fiorani, Luigi: Le visite apostoliche del Cinque-Seicento e la società religiosa romana, in: Ricerche per la storia religiosa di Roma, vol. 4 (1980), pp. 53-148. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien für das 16. und 17. Jahrhundert die Familien der Ceuli, Chigi, Costaguti Doni, Falconieri, Giustiniani, Ruspoli und Sacchetti genannt. Cf. hierzu grundlegend: Prodi, Paolo: Il sovrano pontece: Un corpo e due anime: la monarchia papale nella prima età moderna, Bologna 1982; Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Staatsgewalt: Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999. Ein umfassend angelegter Überblick über die Entwicklung der päpstlichen Finanzen in der Frühen Neuzeit fehlt. Unter den vielfältigen Einzeluntersuchungen nach wie vor grundlegend: Bauer, Clemens: Epochen der Papstnanz: Ein Versuch, in: Historische Zeitschrift, vol. 138 (1927), pp. 457-503; unter den jüngeren Studien, besonders zum päpstlichen Kreditwesen, von besonderer Bedeutung: Delumeau, Jean: Vie économique et sociale de Rome dans la seconde moitié du XVIe siècle, 2 voll., Paris 1957/59; Reinhard, Wolfgang: Papstnanz und Nepotismus unter Paul V. (16051621): Studien und Quellen zur Struktur und zu qualitativen Aspekten des päpstlichen Herrschaftssystems, 2 voll., Stuttgart 1974; Lutz, Georg: Zur Papstnanz von Klemens IX. bis Alexander VII., in: Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, vol. 74 (1979), pp. 32-90; Partner, Peter: Papal Finan-

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cial Policy in the Reformation and Counter-Reformation, in: Past and Present, vol. 88 (1980), pp. 17-62; Stumpo, Enrico: Il capitale nanziario a Roma fra Cinque e Seicento: Contributo alla storia della scalità ponticia in età moderna, Mailand 1985; Piola Caselli, Fausto: Banchi privati e debito pubblico ponticio a Roma tra Cinquecento e Seicento, in: Società Ligure di Storia Patria (ed.): Banchi pubblici, banchi privati e monti di pietà nell’Europa preindustriale: Amministrazione, techniche operative e ruoli economici, vol. 1, Genua 1991, pp. 461-495; Ago, Renata: Economia barocca: Mercato e istituzioni nella Roma del Seicento, Rom 1998; zuletzt: Isenmann, Moritz: Die Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld in der Frühen Neuzeit: Sekretariat, Computisterie und Depositerie der Monti vom 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert, Stuttgart 2005; mit instruktiver Einbettung der Schuldenentwicklung in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Kirchenstaats argumentiert zudem: Strangio, Donatella: Il sistema nanziario del debito pubblico ponticio tra età moderna e contemporanea, in: Rivista di Storia Finanziaria, vol. 14 (2005), pp. 7-42. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 480: „Die Ausnützung der Steuerkraft der Gesamtkirche ist also dem Papsttum des 15. Jahrhunderts nahezu benommen.“ Ibid., p. 485: „Die Reformation ist für die Einnahmeentwicklung des Haushalts der römischen Kirche ohne Bedeutung. [...] Nur für die Ausgabenentwicklung wird die Reformation in der Folgezeit von wachsender Auswirkung: die katholischen Staaten kommen subsidienheischend nach Rom.“ Diese Einschätzung wurde (in: Stumpo: Il capitale nanziario a Roma fra Cinque e Seicento; Gardi, Andrea: La scalità ponticia tra Medioevo ed età moderna, in: Società e Storia, vol. 9 (1986), pp. 509-557) dahingehend differenziert, daß auch nach der Reformation durchaus noch beträchtliche Einnahmen aus dem katholischen Europa nach Rom ossen. Davon bleibt jedoch der grundsätzliche Befund unbetroffen, daß sich die Verhältnisse per saldo umkehrten: Seit dem 16. Jahrhundert oß mehr Kapital aus Rom nach Europa als umgekehrt. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 484. Zu den einschneidenden nanziellen Folgen der Kriegsrüstungen im Interdiktstreit mit Venedig 1606 cf. Reinhard: Papstnanz, p. 13sq. Bezeichnenderweise wurden die unvermeidlichen Steuereinnahmen nach der Beilegung des Konikts unverzüglich rückgängig gemacht. Zu den Krediten, die im Zuge der päpstlichen diplomatischen Aktivitäten im Vorfeld der Wiedereingliederung Ferraras in den Kirchenstaat 1598 aufgenommen wurden, cf. Emich, Birgit: Territoriale Integration in der Frühen Neuzeit: Ferrara und der Kirchenstaat, Köln/Wien/Weimar 2005, pp. 85-88. Reinhard, Wolfgang: Amici e creature: Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, vol. 76 (1996), pp. 308-334, hier: p. 312: Beim Nepotismus als integralem Element päpstlicher Mikropolitik handele es sich „um den mehr oder weniger planmäßigen Einsatz eines Netzes informeller persönlicher Beziehungen zu politischen Zwecken, wobei die Besetzung einer Stelle und der Rang ihres Inhabers in der Regel wichtiger ist als das, was diese Person anschließend treibt. Erfolgreiche Politik ist demnach solche, die wichtige Personen zufrieden stellt und Positionen mit Leuten besetzt, deren Vernetzung ihre Loyalität garantiert, denn von Amtsinhabern wird eher loyale als kompetente Amtsführung erwartet.“ Nepotismus wurde bei Übertretung nicht genau denierter, aber durchaus vorhandener Grenzen der Bereicherung von den Zeitgenossen auch massiv kritisiert, cf. Menniti Ippolito, Antonio: Il tramonto della Curia nepotista: Papi, nepoti e burocrazia curiale tra XVI e XVII secolo, Rom 1999; Bernasconi, Marzio: Il cuore irriquieto dei papi: Percezione e valutazione ideologica del nepotismo sulla base die dibattiti curiali del XVII secolo, Bern et al. 2004. Bemerkenswerter als die Kritik erscheint allerdings aus heutiger Perspektive die Existenz einer Vielzahl von Schriften, die sich vielmehr um eine sachliche und theoretische Rechtfertigung des Nepotismus bemühen.

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Anmerkungen

Cf. hierzu: Karsten, Arne: Künstler und Kardinäle: Vom Mäzenatentum römischer Kardinalnepoten im 17. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2003. Cf. hierzu am Beispiel der Familie Borghese mit minutiöser Anschaulichkeit: Reinhardt, Volker: Scipione Borghese (1605-1633): Vermögen, Finanzen und sozialer Aufstieg eines Papstnepoten, Tübingen 1984. Zur Annona cf. grundlegend: Reinhardt, Volker: Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt: Annona und Getreideversorgung in Rom 1563-1797, Tübingen 1991, vor allem pp. 228-239 (Annona und Papstnanz). Insgesamt kostete die römische Annona die Papstnanz allein in den Jahren zwischen 1563 und 1680 knapp 2,5 Mio. Scudi – cf. ibid., p. 239. Cf. Thompson, Edward P.: The Moral Economy of the English Crowd in the 18th Century, in: Past and Present, vol. 50 (1971), pp. 76-136. Zu den negativen Auswirkungen des Annona-Systems und den langfristigen Schäden für die wirtschaftliche Entwicklung Roms und des Kirchenstaats cf. Reinhardt: Überleben in der Frühneuzeitlichen Stadt, vor allem pp. 239, 358, 409. Reinhard: Papstnanz und Nepotismus, vol. 1, p. 14. Cf. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 485. Grundlegend zum Ämterkauf im Kirchenstaat: Piola Caselli, Fausto: Aspetti del debito pubblico nello Stato Ponticio: Gli ufci vacabili, in: Annali della Facoltà di Scienze Politiche dell’Università di Perugia, vol. 11 (1970/72), pp. 101-170; Levati, Stefano: La venalità delle cariche nello Stato Pontifcio tra XVI e XVII secolo, in: Ricerche Storiche, vol. 26 (1996), pp. 525-543. Allein der Verkauf der Ämter dieses Kollegiums brachte 62.400 Dukaten ein, cf. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 486. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 486. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 487. Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 487. Reinhard: Papstnanz und Nepotismus, p. 15. Zum System der Monti cf. über die oben genannte Literatur hinaus die sehr instruktive Einzelstudie: Colzi, Roberto: Il Monte non vacabile di S. Spirito, in: Archivio della Società Romana di Storia Patria, vol. 116, pp. 177-211. Mit den Monti bediente sich die Papstnanz eines ursprünglich nicht zur Staatsnanzierung, sondern zur Armenfürsorge entstandenen Instruments, cf. Hersche, Peter: Muße und Verschwendung: Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, 2 voll., p. 495: „Die ‚monti di pietà’, üblicherweise mit ‚Pfandleihanstalt’ übersetzt, sind eine vor allem von den Franziskanern im Spätmittelalter propagierte originäre Schöpfung der Kirche, mit der sie den jüdischen Wucher aktiv bekämpfen wollte.“ Bauer: Epochen der Papstnanz, p. 489. Simmel, Georg: Das Geld in der modernen Cultur, in: Georg Simmel: Gesamtausgabe, vol. 5: Aufsätze und Abhandlungen 1894-1900, edd. Heinz-Jürgen Dahme / David P. Frisby, Frankfurt am Main 1992, pp. 178-196, hier: p. 179. Cf. mit Hinweisen zu den Anlässen, die in der Folgezeit zur Einrichtung weiterer Monti führten: Strangio: Il sistema nanziario, p. 20. Cf. das Verzeichnis der im Jahre 1605/1613 bestehenden Monti bei: Reinhard: Papstnanz und Nepotismus, pp. 17-19. Zum Monte della recuperatione di Ferrara mit einem Volumen von 200.000 Scudi cf. Delumeau: Vie economique e sociale, vol. 2, p. 814sq. Langfristig ist für beide Monti-Typen ein sinkendes Zinsniveau zu verzeichnen, für die zunehmend beliebteren Monti non vacabili von etwa sieben Prozent um 1560 auf vier Prozent zwischen 1656 und 1683, um unter Innozenz XI. Odescalchi 1685 auf gerade einmal drei Prozent gesenkt zu werden, cf. Strangio: Il sistema nanziario, p. 14. Die Zahlenangaben folgen: Isenmann: Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld, p. 20sq.

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De Luca, Giovanni Battista: Tractatus de locis montium non vacabilium, Rom 1682, cap. 1, p. 27. Cf. Stumpo: Capitale nanziario, p. 261sq. Im Hinblick auf die Bedeutung des Finanzplatzes Rom im 17. Jahrhundert konstatiert Strangio: Il sistema de debito, p. 9: „La piazza romana rappresentava un esempio di efcienza nella gestione del debito. I motivi che determinarono questo successo sono da rilevarsi nell’afdabilità che l’organo principale di governo, la Camera Apostolica, aveva saputo mantenere del corso die secoli.“ Cf. den Bericht des toskanischen Gesandten Riccardi vom 20. November 1655: „S. S.tà non è punto economo et assai assuefatto a spendere quel che egli haveva, lasciando manneggiare dal maestro di casa a suo modo, e adesso fa il simile con lasciare operare ai suoi ministri“ – cit. Pastor, Ludwig: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, 16 voll., Freiburg 1888-1927, vol. XIV/1, p. 326. Cf. Colzi, Francesco: Il debito pubblico del Campidoglio: Finanza comunale e circolazione dei titoli a Roma fra Cinque e Seicento, Neapel 1999, p. 49. Zum Folgenden cf. Piola Caselli, Fausto: Public Finances and the Arts in Rome: The fabbrica of St. Peter’s in the 17th Century, in: North, Michael (ed.): Economic History and the Arts, Köln/Weimar/Wien 1996, pp. 53-66. Zu beiden Aspekten der Herrschaft Alexanders VII., seiner Architekturbegeisterung wie seiner Politik, cf. die glänzende Synthese: Krautheimer: Roma di Alessandro VII. Zur Förderung und Kunstpatronage seiner Familie cf. Karsten: Künstler und Kardinäle, pp. 179-223. Zu den Argumenten der Kritiker wie der Befürworter der Petersplatzgestaltung gemäß den Protokollen der Bauhütten-Kongregation von St. Peter cf. Krautheimer: Roma di Alessandro VII, pp. 78-80. Zur Karriere Fabio Chigis und den politischen Erfahrungen, die er als päpstlicher Gesandter auf dem Friedenskongreß zur Beendigung des Dreißigjährigen Kriegs in Münster und Osnabrück hatte machen müssen, cf. Fosi, Irene: Fabio Chigi und der Hof der Barberini: Beiträge zu einer vernetzten Lebensgeschichte, in: Burschel, Peter et al. (edd.): Historische Anstöße: Festschrift für Wolfgang Reinhard zum 65. Geburtstag, Berlin 2002, pp. 179-196. Cf. hierzu den Überblick bei: Krautheimer: Roma di Alessandro VII. Grundlegend zur Familie Sacchetti und Kardinal Giulio Sacchetti im Besonderen: Fosi, Irene: All’ombra dei Barberini: Fedeltà e servizio nella Roma barocca, Rom 1997. Die Denkschrift ist abgedruckt bei: Zucchini, Mario: Una scrittura del cardinale Giulio Sacchetti a Papa Alessandro VII per rimettere in piedi l’arte dell’agricoltura, in: Economia e storia, vol. 4 (1957), pp. 278-285. Zum Folgenden cf. Reinhardt: Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt; Strangio: Il sistema nanziario, pp. 25-33 (L’utilizzazione del sistema dei monti ai ni annonari). Die mangelnde Lukrativität hatte nach Sacchetti zum weitgehenden Zusammenbruch des Getreideanbaus im Kirchenstaat geführt: „Per la città di Roma, ove sie numeravano bene altrettante Case Nobili, come Cafarelli, Massimi, Mattei, Maffei, Verospi, Celsi, Vitelleschi, Ruggieri, et altri attendenti all’Arte del Campo, hoggi non ne vedo un paro“ – cit. Zucchini: Una scrittura, p. 285. Meine Darstellung der Argumentation Sacchettis folgt: Reinhardt: Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt, p. 422. Cf. etwa den Tagebucheintrag bei: Gigli, Giacinto: Diario di Roma, edd. Manlio Barberito, 2 voll., Rom 1994, p. 430; Reinhardt: Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt, p. 421. Zur großen Ausnahme von dieser Regel, dem energischen Wirtschaftsreformer Innozenz XI. Odescalchi (1676-1689), cf. Reinhardt, Volker: Der Sanierer, in: Karsten, Arne / Reinhardt, Volker (edd.): Kardinäle, Künstler, Kurtisanen: Wahre Geschichten aus dem päpstlichen Rom, Darmstadt 2004, pp. 37-47.

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Anmerkungen

Grundlegend zu den Folgen des römischen Primats paternalistischer Fürsorge im Gegensatz zum wachstumsorientierten Leistungsprinzip im 18. Jahrhundert: Piccialuti, Maura: La carità come metodo di governo: Istituzioni caritative a Roma dal ponticato di Innocenzo XII a quello di Benedetto XIV, Turin 1994. So argumentiert: Stumpo: Capitale nanziario, p. 261. Cf. hierzu etwa mit vielfältigen weiterführenden Literaturhinweisen: Hersche: Muße und Verschwendung, pp. 442-456. Cit. Krautheimer: Roma di Alessandro VII, p. 138.

Moritz Isenmann W  S? S   D    K  F  A R 1 2

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Le Goff, Jacques: Saint Louis, Paris 1996, p. 381. Cf. hierzu: Hamon, Philippe: Les dettes du roi de France (n du Moyen Âge-XVIe siècle), in: Andreau, Jean / Béaur, Gérard / Grenier, Jean-Yves (edd.): La dette publique dans l’histoire, Paris 2006, pp. 85-97. Munro, John H.: The Medieval Origins of the Financial Revolution: Usury, Rentes, and Negociability, in: The International History Review, vol. 25 (2003), pp. 505-756. Aufgrund eines recht hohen Einstiegsbetrags und abschreckender Registrierungskosten waren Investitionen in die Renten des Hôtel de Ville während des 16. und 17. Jahrhunderts den städtischen Eliten und privilegierten Ständen vorbehalten. Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts diese Bedingungen geändert wurden, begann auch der Pariser „peuple“, Rentenbriefe zu erwerben – Béguin, Katia: Financer la guerre au XVIIe siècle: La dette publique et les rentiers de l’absolutisme, Seyssel 2012, pp. 145-155, 291sqq. Schnapper, Bernard: Les Rentes au XVIe siècle: Histoire d’un instrument de crédit, Paris 1957, p. 153. Hoffmann, Philip/ Postel-Vinay, Gilles/ Rosenthal, Jean-Laurent: Priceless Markets: The Political Economy of Credit in Paris, 1660-1870, Chicago 2000, p. 100. Descimon, Robert: La vénalité des ofces comme dette publique sous l’Ancien Régime français: Le bien commun au pays des intérêts privés, in: Andreau / Béaur / Grnier (edd.): La dette publique, pp. 177-242. Allgemein zum Problem der Kaufämter als Form des Rentenkredits cf. Reinhard, Wolfgang: Staatsmacht als Kreditproblem: Zur Struktur und Funktion des frühneuzeitlichen Ämterhandels, in: Vierteljahrschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, vol. 61 (1974), pp. 289-319. Bayard, Françoise: Le monde des nanciers au XVIIe siècle, Paris 1988; Dessert, Daniel: Argent et pouvoir au Grand Siècle, Paris 1984. Wie Daniel Dessert gezeigt hat, waren die Finanziers zum großen Teil nur Strohmänner, hinter denen sich der betuchte französische Hochadel verbarg. Da jedoch alles, was mit der Eintreibung der königlichen Einnahmen zu tun hatte, in der steuerfeindlichen Bevölkerung des Ancien Régime einen außerordentlich schlechten Ruf besaß und mit negativen Vorstellungen wie Drangsalierung und Korruption belegt war, zog er es vor, nicht direkt in Erscheinung zu treten – Dessert: Argent et pouvoir, p. 342sq. Cf. zum Beispiel: Burkhardt, Johannes: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit: Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für Historische Forschung, vol. 24 (1997), pp. 509-574.

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Beik, William: Louis XIV. and Absolutism: A Brief Study with Documents, Boston /New York 2000, p. 104sq. Vergleichende Angaben zur Ausgabenstruktur frühneuzeitlicher Staaten nden sich bei: Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Staatsgewalt: Eine vergleichende Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, p. 306sqq. Meuvret, Jean: Comment les français du XVIIe siècle voyaient l’impôt?, in: Ders.: Études d’histoire économique, Paris 1971, pp. 295-308. Bodin, Jean: Les six Livres de la République, Aachen 1961 [Paris 1583], p. 877sq. Zu Bodins Position cf. etwa: Bonney, Richard: Early Modern Theories of State Finance, in: Ders. (ed.): Economic Systems and State Finance, Oxford 1995, pp. 166-170. Béguin: Financer la guerre, pp. 180-186. Martin, Germain: Histoire du crédit en France sous le règne de Louis XIV: Le crédit publique, Paris 1913, pp. 85-94. Ausländischen Investoren war der Kauf von Renten in Frankreich nie rechtlich verweigert worden. Doch konnten sie im Gegensatz zu den Einheimischen aufgrund des droit d’aubaine nicht testamentarisch über ihren Besitz verfügen, so daß die Renten im Todesfall an die französische Monarchie elen, was viele Investoren abschreckte. 1674 wurden die Renten auf das Hôtel de Ville vom droit d’aubaine ausgenommen – Béguin: Financer la guerre, pp. 155-161. Zum Folgenden cf. Murphy, Antoin E.: John Law et la gestion de la dette publique, in: La dette publique, pp. 269-296, hier: p. 270sqq. Für das 18. Jahrhundert cf. Dermigny, Louis: Circuits d’argent et milieux d’affaires au XVIIIe siècle, in: Revue Historique, vol. 212 (1954), pp. 239-278; Lüthy, Herbert: La banque protestante de la Révocation de l’Édit de Nantes à la Révolution, vol. 1: Dispersement et regroupement, Paris 1959, pp. 93-98. North, Michael: Das Geld und seine Geschichte: Vom Mittelalter bis in die Gegenwart, München 1994, pp. 111-120. Zu Law cf. Murphy, Antoin E.: John Law: Economic Theorist and Policy-Maker, Oxford 1994; Ders.: Gestion de la dette. Die Idee von wirtschaftlichem Wachstum des 17. und 18. Jahrhunderts weist dabei zwei grundlegende Unterschiede zu heutigen Vorstellungen auf: Erstens wurde die Möglichkeit einer Steigerung der Güterproduktion nicht als prinzipiell unbegrenzt gedacht. Zweitens handelte es sich nicht um allseitiges, sondern um inländisches Wachstum, da der weltweite Geld- und Güterreichtum als weitgehend unveränderlich angesehen wurde und die Steigerung des Reichtums in einem Land eine Abnahme in einem anderen zur Folge hätte. Cf. hierzu: Grenier, Jean-Yves: La notion de croissance dans la pensée française au 18e siècle (1715-1789), in: Review. A Journal of the Fernand Braudel Center for the Study of Economies, Historical Systems, and Civilisations, vol. 3 (1990), pp. 499-549; Pster, Ulrich: Wirtschaftswachstum, in: Jaeger, Friedrich (ed.): Enzyklopädie der Neuzeit, vol. 14, Stuttgart/Weimar 2011, pp. 1179-1188. Law, John: Handel, Geld und Banken: übersetzt und mit einem Nachwort herausgegeben von Achim Toepel, Berlin 1992, p. 20. Ibid., p. 22sq. Braudel, Fernand: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, vol. 2: Der Handel, München 1986, p. 609sq. Katia Béguin hat diese Sichtweise teilweise infragegestellt und darauf hingewiesen, daß die Liquidität der Renten im Jahre 1674 durch eine Senkung der Transaktionskosten erhöht und ihre Handelbarkeit dadurch erleichtert wurde. Wie leicht die Renten umliefen, muß jedoch auch nach Béguin erst noch durch weitere Studien gezeigt werden – Béguin: Financer la guerre, pp. 225-229, 341sqq. Die Zeitgenossen schätzten die Liquidität der Renten jedenfalls als gering ein, wie aus dem folgenden Abschnitt hervorgeht.

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Anmerkungen

Dutot, Nicolas: Histoire du système de John Law (1716-1720), ed. A. Murphy, Paris 2000, p. 128. Cf. zum Folgenden auch: Grenier, Jean-Yves: Introduction: Dettes d’État, dette publique, in: La dette publique, pp. 1-19, insbes. p. 7sqq; Ders.: La longue durée des dettes publiques: l’Europe et les autres, in: Politique étrangère, vol. 77 (2012), pp. 11-22. Melon, Jean-François: Essai politique sur le commerce, Paris 1734, p. 256. Ibid., p. 244. Ibid., p. 246. Voltaire: Observations sur MM. Jean Lass, Melon et Dutot sur le commerce, in: Œuvres complets de Voltaire: Avec préfaces, notes et commentaires nouveaux par Émile de la Bédollière et Georges Avenel, vol. 5, Paris 1866, p. 621. Voltaire kam daher auch zu einer positiven Beurteilung von Laws „System“. Dieses habe eine tatsächliche Belebung des Handels bewirkt, so daß „ungeachtet der vielen Einzelvermögen, die es vernichtete, die Nation bald eine lebhaftere Wirtschaftstätigkeit aufwies und reicher wurde“ – Voltaire: Régence du duc d’Orléans. Système de Law ou Lass, in: Précis du siècle de Louis XV, cit. Toepel: Nachwort, p. 388sq. Montesquieu: Vom Geist der Gesetze: In neuer Übertragung eingeleitet und herausgegeben von Ernst Forsthoff, vol. 2, Tübingen 1951, p. 109sq [XX. Buch, 17. Kapitel]. Ibid., p. 109. Hume, David: Of Public Credit, in: Ders.: Essays Moral, Political and Literary, ed. Eugene F. Miller, Indianapolis 1987, pp. 349-365, hier: p. 356. Humes Position zur Staatsverschuldung im weiteren Kontext seiner politischen Ideen beleuchtet zum Beispiel: Hont, Istvan: The Rhapsody of Public Debt: David Hume and Voluntary State Bankruptcy, in: Phillipson, Nicholas (ed.): Political Discourse in Early Modern Britain, Cambridge 1993, pp. 321-348. Zum britischen Kontext cf. Winch, Donald: The Political Economy of Public Finance in the “Long” Eighteenth Century, in: Maloney, John (ed.): Debt and decits: An Historical Perspective, Cheltenham 1998, pp. 8-26. François Véron Duverger de Forbonnais: Élements du commerce, Leyden/Paris 1754. Zu Cantillon cf. beispielsweise: Murphy, Antoin E.: Richard Cantillon: Entrepreneur and Economist, Oxford 1987. Hume, David: Of the Balance of Trade, in: Ders.: Essays, pp. 308-326, hier: p. 312. Forbonnais: Élements du commerce, p. 121. Ibid., vol. 2, p. 257sq. Hume: Of the Balance of Trade, p. 317; cf. darüber hinaus auch den Essay Of Money, in: Ders.: Essays, pp. 281-294. Bibliothèque de l’Arsenal, Paris, Ms. 4591. Kurz äußert sich zu diesem Projekt: Harsin, Paul: Crédit public et Banque d’Etat en France du XVIe au XVIIIe siècle, Paris 1933, pp. 75-79. Harsin gibt jedoch unverständlicherweise Forbonnais als Autor an. Bibliothèque de l’Arsenal, Paris, Ms. 4591, p. 197. Ibid., p. 135. Pinto, Isaac: Traité de la circulation et du crédit, Amsterdam 1771. Ibid., p. 60. Cf. hierfür beispielsweise die Positionen von Adam Smith im letzten Abschnitt des „Reichtums der Nationen“ von 1776 und seines französischen Adepten Jean-Baptiste Say in dessen 1803 erschienenem „Traité d’économie politique“. Ricardo, David: Funding System, in: The Works and Correspondence of David Ricardo, ed. Piero Sraffa, vol. 4, Indianapolis 2004, pp. 143-200, hier: p. 197. North: Das Geld und seine Geschichte, p. 160sqq. Es handelte sich um die Aufkündigung des 1944 geschlossenen Abkommens von Bretton Woods, in dem feste Wechselkurse bei einer gleichzeitigen Einlösepicht des Dollars in Gold vereinbart worden waren – ibid., p. 199. Grenier: La longue durée des dettes publiques, p. 15.

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Eckert: Staatsverschuldung als Verfassungsgarantie (pp. 113-130)

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Georg Eckert S  V: E   G R 1688/1689 1

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Das Standardwerk zur Finanziellen Revolution und zur Staatsverschuldung, ohne die Englands beziehungsweise Großbritanniens (ab der Realunion mit Schottland im Jahre 1707) militärische und politische Erfolge im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert nicht zu erklären sind, ist noch immer und bleibt trotz mancher Korrekturen im Detail: Dickson, Peter G. M.: The Financial Revolution in England: A Study in the Development of Public Credit, London et al. 1967. Die Ergebnisse aller seitherigen Forschungen bündelt zu einer pointierten, dennoch umfassenden Analyse der South Sea Bubble als dem paradigmatischen Ereignis der jungen Staatsverschuldung schlechthin: Paul, Helen J.: The South Sea Bubble: An economic history of its origins and consequences, London/New York 2011. Die Zusammenhänge von Staatsverschuldung, Geldwirtschaft und Militär- sowie Außenpolitik bei der Entstehung des „scal-military state“ und vor allem die zunehmende Gewinnung der benötigten Gelder aus einer ausgeweiteten Besteuerung schildert pionierhaft: Brewer, John: The Sinews of Power: War, Money and the English State, 1688-1783, Cambridge (Mass.) 1990. Wie der rapide Anstieg der Staatsverschuldung nicht nur mit äußerer Machtentfaltung, sondern vor allem mit innerer Demokratisierung verbunden war, zeigt mit einem vergleichenden, der Neuen Institutionenökonomik verpichteten Blick auf Großbritannien und Frankreich: Stasavage, David: Public Debt and the Birth of the Democratic State: France and Great Britain, 1688-1789, Cambridge 2003. Daß die Finanzielle Revolution an der Wende zum 18. Jahrhundert nicht ohne eine tiefgreifende Veränderung des Denkens über Ökonomie in seinen politischen, sozialen, kulturellen und moralischen Bezüge zu erklären ist, verdeutlicht darüberhinaus: Wennerlind, Carl: Casualties of Credit: The English Financial Revolution, 1620-1720, Cambridge (Mass.)/London 2011. An Essay towards the History of the last Ministry and Parliament: Containing Seasonable Reections on I. Favourites II. Ministers of State III. Parties IV. Parliaments and V. Publick Credit, London 1710, p. 60. An Essay towards the History of the last Ministry and Parliament, p. 66. Cf. Schulze, Winfried: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz: Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift, vol. 243 (1986), pp. 591-626, hier: p. 597. Thompson, Edward P.: The Moral Economy of the English Crowd in the 18th Century, in: Past and Present, vol. 50 (1971), pp. 76-136. Hoppit, Julian: Attitudes to Credit in Britain, 1680-1790, in: The Historical Journal, vol. 33 (1990), pp. 305-322, hier: p. 312. Hirst, Derek: Authority and Conict: England 1603-1658, London 1986, p. 147. Jones, J. R.: Fiscal Policies, Liberties, and Representative Government during the Reigns of the Last Stuarts, in: Hoffmann, Philip T. / Norberg, Kathryn (edd.): Fiscal Crises, Liberty, and Representative Government, 1450-1789, Stanford 1994, pp. 67-95, hier: p. 70. Horseeld, J. Keith: The „Stop of the Exchequer“ Revisited, in: The Economic History Review, vol. 35 (1982), pp. 511-528, hier: p. 512. Paul: The South Sea Bubble, p. 31. Asch, Ronald G.: Jakob II., in: Wende, Peter (ed.): Englische Könige und Königinnen: Von Heinrich VII. bis Elisabeth II., München 1998, pp. 144-156, hier: p. 149. Hellmuth, Eckhart: Wilhelm III. und Maria II., in: Wende (ed.): Englische Könige und Königinnen, pp. 157-175, hier: p. 161. Brewer: The Sinews of Power, p. 43.

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Anmerkungen

North, Douglass C. / Weingast, Barry R.: Constitutions and Commitment: The Evolution of Institutions Governing Public Choice in Seventeenth-Century England, in: The Journal of Economic History, vol. 49 (1989), pp. 803-832, hier: p. 817. Stein, Lorenz von: Lehrbuch der Finanzwissenschaft: Als Grundlage für Vorlesungen und Selbstudium mit Vergleichung der Finanzsysteme und Finanzgesetze von England, Frankreich und Deutschland, Leipzig 2 1871, pp. 621, 683. Auf diese langfristige Verschiebung machte Thomas Babington Macauly bereits im 19. Jahrhundert aufmerksam: Macaulay, Thomas Babington: History of England from the accession of James II, vol. 3, London 1906 [Reprint 1960], p. 515 [Kapitel XIX]. Weingast, Barry: The Political Foundations of Limited Government: Parliament and Sovereign Debt in 17th- and 18th-Century England, in: Drobak, John N. / Nye, John V. C. (edd.): The Frontiers of the New Institutional Economics, San Diego/London 1997, pp. 213-246, hier: p. 235. O’Brien, Patrick K. / Hunt, Philip A.: England, 1485-1815, in: Bonney, Richard (ed.): The Rise of the Fiscal State in Europe, c. 1200-1815, Oxford 1999, pp. 53-100, hier: p. 57. Weingast: The Political Foundations of Limited Government, pp. 215, 224. Beckett, J. V.: Land Tax or Excise: The Levying of Taxation in Seventeenth- and Eighteenth-Century England, in: The English Historical Review, vol. 100 (1985), pp. 285-308, hier: pp. 288, 308. Dickson: The Financial Revolution, p. 46. Brewer: The Sinews of Power, p. 116. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 67. A Discourse on the Late Funds of the Million-Act, Lottery-Act, and Bank of England, Shewing, That they are Injurious to the Nobility and Gentry, and Ruinous to the Trade of the Nation, London 1694, p. IIIsq. The Fears and Sentiments of all True Britains: With respect to National Credit, Interest and Religion, London 1710, p. 13. Dickson: The Financial Revolution, p. 11. Parker, Geoffrey: The Military Revolution: Military innovation and the rise of the West 1500-1800, Cambridge 2 1996, p. 147. Paul: The South Sea Bubble, p. 32. Mokyr, Joel: The Enlightened Economy: Britain and the Industrial Revolution, London 2011, p. 226. Dickson: The Financial Revolution, p. 56. A List of the Names of all the Subscribers to the Bank of England, [London 1694]. Murphy, Anne L.: Dealing with Uncertainty: Managing Personal Investment in the Early English National Debt, in: History, vol. 91 (2006), pp. 200-217, hier: p. 209. Carruthers, Bruce G.: City of Capital: Politics and Markets in the English Financial Revolution, Princeton 1999, p. 193. Brewer: The Sinews of Power, p. 210. A Discourse on the Late Funds of the Million-Act, Lottery-Act, and Bank of England, pp. 13, 30. Briscoe, John: An Abstract of the Discourse on the Late Funds of the Million-Act, Lottery-Act, and Bank of England, London 1694, pp. 6-8. Some Considerations offered against the Continuance of the Bank of England: In a Letter to a member of the present Parliament, London [1694], pp. 2, 5, 11, 13. Pincus, Steve: 1688: The rst modern revolution, New Haven/London 2009, p. 373. Hoppit, Julian: A Land of Liberty?: England 1689-1727, Oxford 2000, p. 73. Pincus: 1688, p. 90. An Essay towards the History of the last Ministry and Parliament, p. 61. Discourses on the Publick Revenues, and on the Trade of England, London 1698, p. 58.

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Carruthers: City of Capital, p. 131. Discourses on the Publick Revenues, pp. 2, 6sq. Wennerlind: Casualties of Credit, p. 7. Eckert, Georg: Wahrscheinlichkeit, 1. Kultur- und Geistesgeschichte, in: Jaeger, Friedrich (ed.): Enzyklopädie der Neuzeit, vol. 14, Stuttgart/Weimar 2011, pp. 545-549, hier: p. 548. Murphy, Anne L.: The Origins of English Financial Markets: Investment and Speculation before the South Sea Bubble, Cambridge 2009, p. 54. Sherman, Sandra: Finance and ctionality in the early eighteenth century: accounting for Defoe, Cambridge et al. 1996, p. 27. Pincus: 1688, p. 369. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 101. Stasavage, David: Partisan politics and public debt: The importance of the ‚Whig Supremacy’ for Britain’s nancial revolution, in: European Review of Economic History, vol. 11 (2007), pp. 123-153, hier: p. 130. Cruickshanks, Eveline: The Glorious Revolution, Basingstoke/London 2000, p. 76sq. Carruthers: City of Capital, p. 152. Defoe, Daniel: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 59, Donnerstag, 10. August 1710, p. 230. Als Zitationsgrundlage dient hier und im Folgenden ein Neudruck: Secord, Arthur Wellesley (ed.): Defoe’s Review: Reproduced from the Original Editions, with an Introduction and Bibliographical Notes, 22 voll., New York 1938 [Reprint 1965]. Neuerdings wird die Review auch im Internet verfügbar gemacht, via: www.defoereview.org (24. Juli 2012). Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 58, Dienstag, 08. August 1710, p. 226. Hoppit, Julian: The Contexts and Contours of British Economic Literature, 16601760, in: The Historical Journal, vol. 49 (2006), pp. 79-110, hier: p. 105sq. Wennerlind: Casualties of Credit, p. 121. Brewer: The Sinews of Power, p. 187. Discourses on the Publick Revenues, pp. 38, 46. A Postscript to a Discourse of Credit, And the Means and Methods of Restoring it, London 1701, p. 12sq. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 129. Discourses on the Publick Revenues, p. 40. O’Brien, John F.: The Character of Credit: Defoe’s „Lady Credit“, „The Fortunate Mistress“, and the Resources of Inconsistency in Early Eighteenth-Century Britain, in: English Literary History, vol. 63 (1996), pp. 603-631, hier: p. 603. Wennerlind: Casualties of Credit, p. 148sq. Locke, John: Some Thoughts concerning Education, London 5 1705, p. 276. Pocock, John G. A.: The Machiavellian Moment: Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, Princeton/Oxford 2 2003, p. 426. Carruthers: City of Capital, p. 206. Glaisyer, Natasha: „A due Circulation in the Veins of the Publick“: Imagining Credit in Late Seventeenth- and Early Eighteenth Century, in: The Eighteenth Century: Theory and Interpretation, vol. 46 (2005), pp. 277-297, hier: p. 292. Braddick, Michael: English War Finance and Subsidies during the War of Spanish Succession, in: Rauscher, Peter (ed.): Kriegführung und Staatsnanzen: Die Habsburgermonarchie und das Heilige Römische Reich vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des habsburgischen Kaisertums 1740, Münster 2010, pp. 603-620, hier: p. 619. Morgan, William Thomas: The Origins of the South Sea Company, in: Political Science Quarterly, vol. 44 (1929), pp. 16-38, hier: p. 25. Hoppit: A Land of Liberty?, p. 286. Wennerlind: Casualties of Credit, pp. 161-175.

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Anmerkungen

Colley, Linda: Britons: Forging the Nation 1707-1837, New Haven/London 1992, p. 67. Wennerlind: Casualties of Credit, p. 189. The Thoughts of an Honest Tory Upon the Present Proceedings of That Party: In a Letter to a Friend in Town, London 1710, Advertisement. Faults on both Sides: Or, an Essay upon The Original Cause, Progress, and Mischievous Consequences of the Factions in this Nation, London 1710, pp. 40sq, 46. An Essay towards the History of the last Ministry and Parliament, pp. 51sq, 59-66. The Conduct of the Allies, and of the Late Ministry, in Beginning and Carrying on the Present War, London 1711, p. 60. Wennerlind: Casualties of Credit, p. 175. Dickey, Laurence: Power, commerce and natural law in Daniel Defoe’s political writings 1698-1707, in: Robertson, John (ed.): A Union for Empire: Political Thought and the British Union of 1707, Cambridge/New York/Melbourne 1995, pp. 63-96, hier: p. 81. Auch die Staatenunion hatte eine enorme nanzielle Bedeutung, kam sie doch geradezu einem Schuldenübernahmevertrag zugunsten der Schotten gleich, dem seit dem späten 18. Jahrhundert ein übler Ruf anhaftete: „bought and sold for English gold“, heißt es in einem Vers des noch immer populären und von schottischen Nationalisten bis heute gern gesungenen Liedes: „Such a Parcel of Rogues in a Nation“. Thompson, Martyn P.: Daniel Defoe and the Formation of Early Eighteenth-Century Whig Ideology, in: Schochet, Gordon J. / Brobeck, Carol / Tatspaugh, Patricia Elizabeth (edd.): Politics, Politeness, and Patriotism, Washington D.C. 1993, pp. 109-124, hier: p. 119. Dikstra, Bram: Defoe and Economics: The Fortunes of Roxana in the History of Interpretation, Basingstoke/London 1987, p. 13. Backscheider, Paula R.: Daniel Defoe: His Life, Baltimore/London 1989, pp. 40-61. Moore, John Robert: Daniel Defoe: Citizen of the Modern World, Chicago/London 1958, p. 99. Backscheider, Paula R.: Defoe’s Lady Credit, in: Huntington Library Quarterly, vol. 44 (1982), pp. 89-100, hier: p. 93. Defoe, Daniel: An Essay upon Publick Credit (1710), in: McVeagh, John (ed.): Political and Economic Writings of Daniel Defoe, vol. 6: Finance, London 2000, pp. 49-61, hier: pp. 53-56. Defoe: An Essay upon Publick Credit, p. 58sq. Defoe: An Essay upon Publick Credit, p. 61. Defoe: An Essay upon Publick Credit, p. 69sq. O’Brien: The Character of Credit, p. 619. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 58, Dienstag, 08. August 1710, p. 227. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 102, Samstag, 18. November 1710, p. 407. Brown, Laura: Fables of Modernity: Literature and Culture in the English Eighteenth Century, Ithaca 2001, pp. 95-131, hier: pp. 105, 110sq. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 57, Samstag, 05. August 1710, p. 221. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 55, Dienstag, 01. August 1710, p. 215. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 116, Donnerstag, 21. Dezember 1710, p. 461. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 117, Samstag, 23. Dezember 1710, p. 467. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 118, Dienstag, 26. Dezember 1710, p. 469.

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Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 118, Dienstag, 26. Dezember 1710, p. 471. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 120, Samstag, 30. Dezember 1710, p. 479. Defoe: A Review of the State of the British Nation, vol. 7, no. 136, Dienstag, 06. Februar 1711, p. 541. Addison, Joseph: The Spectator, no. 3, Samstag, 03. März 1711, in: Morley, Henry (ed.): The Spectator: A New Edition, London et al. 1891, pp. 16-20. Paul: The South Sea Bubble, p. 54. Hoppit, Julian: The Myths of the South Sea Bubble, in: Transactions of the Royal Historical Society, Sixth Series, vol. 12 (2002), pp. 141-165, hier: p. 147. „But I afrm, ’tis false in Fact, / Directors better knew their Tools; / We see the Nation’s Credit crackt, / Each Knave has made a thousand Fools“ – Swift, Jonathan: The Bubble: A Poem, London 1721, p. 6. Kaiser, Thomas E.: Money, Despotism, and Public Opinion in Early EighteenthCentury France: John Law and the Debate on Royal Credit, in: The Journal of Modern History, vol. 63 (1991), pp. 1-28, hier: p. 6sq. MacDonald, James: A free nation deep in debt: The nancial roots of democracy, New York 2003, p. 241.

Georg Eckert D Ö  K: Z W  S  Z  R 1

Der enormen Spannweite des hier behandelten Themas wegen können nur Ausgangspunkte für weitere Recherchen benannt werden. Wie die rapide ansteigende Staatsverschuldung zum wesentlichen Problem der politischen Ordnung in Frankreich und zum Bezugspunkt zahlreicher Reformentwürfe wurde, schildert: Sonenscher, Michael: Before the Deluge: Public Debt, Inequality, and the Intellectual Origins of the French Revolution, Princeton/Oxford 2007. Über Neckers Biographie und seine Vorstellungen wiederum informieren etwa: Grange, Henri: Les idées de Necker, Paris 1974; Egret, Jean: Necker, Ministre de Louis XIV, Paris 1975. Wie die Lebensgeschichte Alexander Hamiltons mit der Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika verwoben war, zeigen zahlreiche Biographien an. Die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Politik behandelt insbesondere: McDonald, James Forrest: Alexander Hamilton: A Biography, New York 1979; McDonald, James Forrest: We the People: The Economic Origins of the Constitution, New Brunswick/London 1992. Eine konzise Studie zur Schlüsselrolle der Staatsschuld im Verfassungsgebungs- und Staatsbildungsprozeß der USA hat jüngst vorgelegt: Wright, Robert E.: One Nation Under Debt: Hamilton, Jefferson, and the History of what we owe, New York 2008. Auf die Wechselwirkungen von Staatsverschuldung und Demokratisierung weisen besonders hin: MacDonald, James: A free nation deep in debt: The nancial roots of democracy, New York 2003; Stasavage, David: Public Debt and the Birth of the Democratic State: France and Great Britain, 1688-1789, Cambridge 2003. Auskünfte über große Kontexte, aber gerade auch über die französische und britische Staatsverschuldung geben die mannigfachen Beiträge in: [F02D?]Bonney, Richard (ed.): Economic Systems and State Finance, Oxford 1995; Bonney, Richard (ed.): The Rise of the Fiscal State in Europe, c. 1200-1815, Oxford 1999. Die intensive Reformdebatte in Großbritannien zu Beginn

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Anmerkungen

des 19. Jahrhunderts bilden zahlreiche Überblickswerke ab, beispielsweise: Hilton, Boyd; A Mad, Bad, and Dangerous People?: England 1783-1846, Oxford 2006. William Cobbett, einer der maßgeblichen, überdies transatlantisch wirksamen Akteure jener Epoche, hat in jüngerer Zeit hingegen keine umfassende Würdigung erfahren. Einen Einstieg in sein Werk und in die zeitgenössische Publizistik ermöglichen: Wilson, David A.: Paine and Cobbett: The Transatlatic Connection, Kingston/Montreal 1988; Nattrass, Leonora: William Cobbett, Cambridge 1995; Gilmartin, Kevin: Print Politics: The press and radical opposition in early nineteenth-century England, Cambridge 1996. Diese Epochenbezeichnung geht zurück auf: Hobsbawm, Eric: The Age of Revolution: 1789-1848, London 1962. Soulavie, Jean-Louis: Mémoires Historiques et Politiques du Règne de Louis XVI, depuis son Mariage jusqu’à sa Mort, vol. 4, Paris 1801, p. 141. Baker, Keith Michael / Sené, Jean-François: Politique et opinion publique sous l’Ancien Régime, in: Annales: Histoire, Sciences Sociales, vol. 42 (1987), pp. 41-71, hier: p. 60. Soulavie: Mémoires Historiques et Politiques, p. 142. Velde, François R. / Weir, David R.: The Financial Market and Government Debt Policy in France, 1746-1793, in: The Journal of Economic History, vol. 52 (1992), pp. 1-39, hier: p. 20. Harris, Robert D.: French Finances and the American War, 1777-1783, in: The Journal of Modern History, vol. 48 (1976), pp. 233-258, hier: p. 242. Bonney, Richard: France, 1494-1815, in: Bonney (ed.): The Rise of the Fiscal State in Europe, pp. 123-176, hier: p. 148. Baker / Sené: Politique et opinion publique sous l’Ancien Régime, p. 53sq. White, Eugene Nelson: Was there a Solution to the Ancien Régime’s Financial Dilemma?, in: The Journal of Economic History, vol. 49 (1989), pp. 545-568, hier: p. 562. Velde / Weir: The Financial Market and Government Debt Policy, pp. 3, 36. Felix, Joël / Tallett, Frank: The French Experience, 1661-1815, in: Storrs, Christopher (ed.): The Fiscal-Military State in Eighteenth-Century Europe: Essays in honour of P. G. M. Dickson, Aldershot 2009, pp. 147-166, hier: p. 161sq. White, Eugene Nelson: From Privatized to Government-Administered Tax Collection: Tax Farming in Eighteenth-Century France, in: The Economic History Review, New Series, vol. 57 (2004), pp. 636-663, hier: p. 659. Bonney: France, 1494-1815, pp. 128, 164. White: From Privatized to Government-Administered Tax Collection, p. 655. Schmidt, Karl-Heinz: Die nanzpolitischen Reformvorschläge der Physiokraten, in: Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie, vol. 3 (1983), pp. 101-138, hier: pp. 112, 127. Aftalion, Florin: The French Revolution: An Economic Interpretation, Cambridge 1990, p. 22. Egret: Necker, p. 32. Egret: Necker, p. 158. Necker, Jacques: Compte Rendu au Roi, Janvier 1781, in: Baron de Staël (ed.): Œuvres Complètes de M. Necker, vol. 2, Paris 1820, pp. 1-157, hier: p. 155. Harris, Robert D.: Necker’s Compte Rendu of 1781: A Reconsideration, in: The Journal of Modern History, vol. 42 (1970), pp. 161-183, hier: p. 166. Grange: Les Idées de Necker, p. 35. Harris: Necker’s Compte Rendu of 1781, p. 172. Necker: Compte Rendu, p. 2sq. Riley, James C.: The Seven Years War and the Old Regime in France: The Economic and Financial Toll, Princeton 1986, p. 202sq. Sonenscher: Before the Deluge, p. 2sq.

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Velde / Weir: The Financial Market and Government Debt Policy, p. 32. Necker: Compte Rendu, p. 5sq. Necker: Compte Rendu, p. 40. Necker: Compte Rendu, p. 96. Auch Unterschiede zwischen den Provinzen kritisierte er beispielsweise – cf. ibid., p. 84. Necker: Compte Rendu, p. 34. Necker: Compte Rendu, p. 27. Necker: Compte Rendu, p. 11. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 135. Soulavie: Mémoires Historiques et Politiques, p. 143. Soulavie: Mémoires Historiques et Politiques, p. 154. Sonenscher: Before the Deluge, p. 352. Godechot, Jacques (ed.): Germaine de Staël: Considérations sur la Révolution française, Paris 1983, p. 90. White: Was there a Solution, pp. 546, 558, 560. Baker / Sené: Politique et opinion publique sous l’Ancien Régime, p. 53sq. Weir, David R.: Tontines, Public Finance, and Revolution in France and England, 16881789, in: The Journal of Economic History, vol. 49 (1989), pp. 95-124, hier: p. 98. Necker, Jacques: Mémoire: Publié par M. Necker au mois d’avril 1787, en réponse au discours prononcé par M. de Calonne devant l’assemblé des notables, in: Baron de Staël (ed.): Œuvres Complètes de M. Necker, vol. 2, pp. 159-235, hier: p. 205. Necker: Mémoire, p. 208sq. Necker, Jacques: Nouveaux Éclairissemens sur le Compte Rendu au Roi en 1781; publiés en Septembre 1788, in: Baron de Staël (ed.): Œuvres Complètes de M. Necker, vol. 2, pp. 237-267, hier: p. 245. Necker, Jacques: De l’Administration des Finances de la France, in: Baron de Staël (ed.): Œuvres Complètes de M. Necker, vol. 4, Paris 1820, pp. 3-172, hier: pp. 64-67. Necker: De l’Administration des Finances de la France, pp. 13-15. Necker: De l’Administration des Finances de la France, pp. 21-23. Necker: De l’Administration des Finances de la France, p. 46sq. Baker / Sené: Politique et opinion publique sous l’Ancien Régime, p. 64. Necker, Jacques: De l’Administration des Finances de la France [1781], in: Baron de Staël (ed.): Œuvres Complètes de M. Necker, vol. 5, Paris 1820, pp. 1-480, hier: p. 479. Robespierre, Maximilien: Über den Prozeß gegen den König, in: Unruh, Manfred (ed.): Maximilien Robespierre: Ausgewählte Texte, Hamburg 2 1989, pp. 310-329, hier: p. 328. Brand, Jürgen: Die Assignaten oder: der revolutionäre Bankrott, in: Lingelbach, Gerhard (ed.): Staatsnanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2000, pp. 39-53, hier: p. 43. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 317. White, Eugene Nelson: The French Revolution and the Politics of Government Finance, 1770-1815, in: The Journal of Economic History, vol. 55 (1995), pp. 227-255, hier: p. 248. Felix / Tallett: The French Experience, p. 164sq. White: The French Revolution and the Politics of Government Finance, pp. 250, 253. Mathias, Peter / O’Brien, Patrick K.: Taxation in Britain and France, 1715-1810: A Comparison of the Social and Economic Incidence of Taxes Collected for the Central Governments, in: The Journal of European Economic History, vol. 5 (1976), pp. 601650, hier: p. 606. Eine pointierte Darstellung der Amerikanischen Revolution bietet: Middlekauff, Robert: The Glorious Cause: The American Revolution, 1763-1789, Oxford 2005. The Declaration of Independence, in: Frohnen, Bruce (ed.): The American Republic: Primary Sources, Indianapolis 2002, pp. 189-191, hier: p. 189.

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Anmerkungen

Paine, Thomas: Common Sense, in: Weyde, William M. van der (ed.): The Life and Works of Thomas Paine: Patriots’ Edition, vol. 2, New York 1925, pp. 93-182, hier: p. 152sq. Frey, Sylvia: Causes of the American Revolutions, in: Vickers, Daniel (ed.): A Companion to Colonial America, Malden 2006, pp. 508-529, hier: p. 512. Wright: One Nation Under Debt, p. 73. Chernow, Ron: Alexander Hamilton, New York 2004, p. 170sq. McDonald: Alexander Hamilton, p. 145. Washington, George: Circular to the States, 14. Juni 1783, in: Sheehan, Colleen A. / McDowell, Gary L. (edd.): Friends of the Constitution: Writings of the „Other“ Federalists 1787-1788, Chicago/London 1985, pp. 12-22, hier: pp. 17-19. Heideking, Jürgen: Die Verfassung vor dem Richterstuhl: Vorgeschichte und Ratizierung der amerikanischen Verfassung, 1787-1791, Berlin/New York 1988, p. 28. Maier, Pauline: Ratication: The People Debate the Constitution, 1787-1788, New York 2010, p. 273. McDonald: Alexander Hamilton, p. 147sqq. Wright: One Nation Under Debt, p. 275. Chernow: Alexander Hamilton, p. 297sq. McDonald: Alexander Hamilton, pp. 173-186. Diese Entwicklung behandelt etwa konzise: Bruchey, Stuart: Alexander Hamilton and the State Banks, 1789 to 1795, in: The William and Mary Quarterly, Third Series, vol. 27 (1970), pp. 347-378. Wright: One Nation Under Debt, pp. 131-146. Um die Kurse der Staatspapiere künftig dennoch stabil zu halten, sollten die USA gegebenenfalls auch ihre eigenen Schulden zurückkaufen – und sie taten es am freien Markt auch umfangreich: MacDonald: A free nation deep in debt, p. 303. Swanson, Donald F. / Trout, Andrew P.: Alexander Hamilton, „the Celebrated Mr. Neckar,“ and Public Credit, in: The William and Mary Quarterly, Third Series, vol. 47 (1990), pp. 422-430, hier: p. 428. Thomas Jefferson an John Taylor, Monticello, 28. Mai 1816, in: Ford, Paul Leicester (ed.): The Works of Thomas Jefferson, vol. 11, New York/London 1905, p. 533. Swanson, Donald F. / Trout, Andrew P.: Alexander Hamilton’s Hidden Sinking Fund, in: The William and Mary Quarterly, Third Series, vol. 49 (1992), pp. 108-116, hier: p. 110. McDonald: Alexander Hamilton, p. 171. Mitchell, Broadus: Alexander Hamilton as Finance Minister, in: Proceedings of the American Philosophical Society, vol. 102 (1958), pp. 117-123, hier: p. 118. Hamilton, Alexander: First Report on the Public Credit, in: Lodge, Henry Cabot (ed.): The Works of Alexander Hamilton, vol. 2, New York/London 1904, pp. 227-289, hier: pp. 228-231. Hamilton: First Report on the Public Credit, p. 232sq. Hamilton: First Report on the Public Credit, pp. 269, 281, 283. Gordon, John Steele: Hamilton’s Blessing: The Extraordinary Life and Times of Our National Debt, pp. 56-61. Cit. Gordon: Hamilton’s Blessing, p. 60. Necker: Compte Rendu, p. 2sq. Scott, Hamish: The Fiscal-Military State and International Rivalry during the Long Eighteenth Century, in: Storrs (ed.): The Fiscal-Military State, pp. 23-53, hier: p. 45. Stasavage: Public Debt and the Birth of the Democratic State, p. 233. Bonney, Richard: The Eighteenth Century: II. The Struggle for Great Power Status and the End of the Old Fiscal Regime, in: Bonney (ed.): Economic Systems and State Finance, pp. 315-390, hier: p. 344.

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Storrs, Christopher: Introduction: The Fiscal-Military State in the ‚Long’ Eighteenth Century, in: Storrs (ed.): The Fiscal-Military State, pp. 1-22, hier: p. 4. Weir: Tontines, Public Finance, and Revolution in France and England, p. 100. O’Brien, Patrick K.: The Political Economy of British Taxation, in: The Economic History Review, New Series, vol. 41 (1988), pp. 1-32, hier: p. 12. O’Brien, Patrick K.: The Triumph and Denouement of the British Fiscal State: Taxation for the Wars against Revolutionary and Napoleonic France, 1793-1815, in: Storrs (ed.): The Fiscal-Military State, pp. 167-200, hier: pp. 171-173; Mathias / O’Brien: Taxation in Britain and France, p. 623. Silberling, Norman J.: Financial and Monetary Policy of Great Britain During the Napoleonic Wars, in: The Quarterly Journal of Economics, vol. 38 (1924), pp. 214-233, hier: p. 215. Cooper, Richard: William Pitt, Taxation, and the Needs of War, in: Journal of British Studies, vol. 22 (1982), pp. 94-103, hier: p. 95. Winch, Donald: The political economy of public nance in the ‚long’ eighteenth century, in: Maloney, John (ed.): Debts and decits: an historical perspective, Cheltenham et al. 2008, pp. 8-26, hier: p. 14. O’Brien, Patrick K.: Political structures and grand strategies for the growth of the British economy, 1688-1815, in: Teichova, Alice / Matis, Herbert (edd.): Nation, State and the Economy in History, Cambridge 2003, pp. 11-33, hier: p. 29. Brewer, John: Commercialization and Politics, in: McKendrick, Neil / Brewer, John / Plumb, J. H.: The Birth of a Consumer Society: The Commercialization of Eighteenthcentury England, London et al. 1983, pp. 195-262, hier: p. 199. Todd, William B. (ed.): Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, vol. 2, Oxford 1976, p. 910. Smith: Wealth of Nations, vol. 1, p. 320. Macaulay, Thomas Babington: History of England from the accession of James II, vol. 3, London 1906 [Reprint 1960], p. 515sq [Kapitel XIX]. David Ricardo an John Sinclair, 11. Mai 1820, in: Sraffa, Piero (ed.): The Works and Correspondence of David Ricardo, vol. 8: Letters 1819-1821, Indianapolis 2004, p. 187. Ricardo, David: Funding System, in: Sraffa, Piero (ed.): The Works and Correspondence of David Ricardo, vol. 4: Pamphlets and Papers 1815-1823, Indianapolis 2004, pp. 149-200, hier: p. 185sqq. Ricardo: Funding System, p. 197. James Mill an David Ricardo, Fort Abbey, 06. Oktober 1816, in: Sraffa, Piero (ed.): The Works and Correspondence of David Ricardo, vol. 7: Letters 1816-1818, Indianapolis 2004, p. 175. Paine, Thomas: The Decline and Fall of the English System of Finance, in: Weyde, William M. van der (ed.): The Life and Works of Thomas Paine, vol. 5, New York 1925, pp. 255-299, hier: p. 279. Dyck, Ian: William Cobbett and the Rural Radical Platform, in: Social History, vol. 18 (1993), pp. 185-204, hier: p. 189. Cobbett, William: A History of the Last Hundred Days of English Freedom, &c., Letter VI, in: Cobbett, John / Cobbett, James P. (edd.): Selections from Cobbett’s Political Works, vol. 5, London [1835], pp. 262-275, hier: p. 272. Cobbett, William: Rural Rides, London/New York 1973, p. 157 [vol. 2]. Cobbett, William: Cobbett’s Paper Against Gold, [London 1817,] pp. 14-22. Cobbett: Cobbett’s Paper Against Gold, p. 33. Cobbett: Cobbett’s Paper Against Gold, p. 45. Cobbett: Cobbett’s Paper Against Gold, p. 455. Cobbett: Cobbett’s Paper Against Gold, p. 423. Hilton: A Mad, Bad, and Dangerous People?, p. 208.

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Anmerkungen

Wahrman, Dror: Virtual Representation: Parliamentary Reporting and Languages of Class in the 1790s, in: Past and Present, vol. 136 (1992), pp. 83-113. Cobbett: Cobbett’s Paper Against Gold, p. 141. Gilmartin: Print Politics, pp. 31sq, 170. Nattrass: William Cobbett, p. 110. Marx, Karl: Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie, Ost-Berlin 1970 (Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (ed.): Karl Marx / Friedrich Engels: Werke, vol. 23), pp. 782-784. Hume, David: Of Public Credit, in: Miller, Eugene F. (ed.): David Hume: Essays Moral, Political, and Literary, Indianapolis 1987, pp. 349-365, hier: pp. 355, 357sq. Boeckh, August: Die Staatshaushaltung der Athener, vol. 1, Berlin 1851, p. 205. Stein, Lorenz von: Lehrbuch der Finanzwissenschaft: Als Grundlage für Vorlesungen und Selbstudium mit Vergleichung der Finanzsysteme und Finanzgesetze von England, Frankreich und Deutschland, Leipzig 2 1871, p. 666. Mathy, Karl: Credit (Handelscredit und liegenschaftlicher Credit), in: Rotteck, Karl von / Welcker, Karl (edd.): Das Staats-Lexicon: Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, vol. 4, Leipzig 3 1860, pp. 178-183, hier: p. 181. Angermann, Erich: Mathy, Karl, in: Neue Deutsche Biographie, vol. 16, Berlin 1990, pp. 380-381. Mathy, Karl: Credit (öffentlicher), in: Rotteck / Welcker (edd.): Das Staats-Lexicon, vol. 4, pp. 183-189, hier: p. 183. Mathy: Credit (öffentlicher), pp. 185, 187sq. Gall, Lothar: Eisenbahn in Deutschland: Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, in: Gall, Lothar / Pohl, Manfred (edd.): Die Eisenbahn in Deutschland: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, pp. 13-70, hier: p. 22sq. Mathy: Credit (öffentlicher), p. 189. Müller, Erika: Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert: Am Beispiel von Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg, Opladen 1989, p. 115. Manes, Alfred: Staatsbankrotte: Wirtschaftliche und rechtliche Betrachtungen, Berlin 2 1919, p. 30.

Michalis Psalidopoulos / Korinna Schönhärl D  S    H  19. J 1

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, [Ligadis, Anastasios]: [The rst loan of independence], Athen 1970. Die Finanzierung der Forschungsaufenthalte von Korinna Schönhärl in Athen, London und Paris übernahm dankenswerterweise die Friedrich-Thyssen-Stiftung. Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland: Die Geburt des griechischen Nationalstaats unter der Regierung König Ottos, München 1981. Von zentraler Bedeutung ist: Levandis, John Alexander: The Greek foreign debt and the great powers 1821-1898, New York 1944, hier: pp. 33-41. Cf. auch: Kofas, Jon V.: Financial relations of Greece and the great powers 1832-1862, New York 1981. Kofas behandelt ausführlich, wenn auch keineswegs unparteiisch die Aufnahme der Anleihen sowie die mannigfachen Versuche zu ihrer Tilgung. Cf. zu den Details der Auszahlungsschwierigkeiten: Krauss, Sylvia: Die politischen Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich 1814/15-1840, München 1987. Lignˆdhc

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Psalidopoulos / Schönhärl: Griech. Staatsversch. (pp. 149-164) 5

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Die „Bavarokratie“ in Griechenland wurde in der Literatur sehr unterschiedlich bewertet. Während die ältere bayerische Landesgeschichtsschreibung zu einer sehr positiven Einschätzung von Ottos Regierungszeit kam und teilweise die Undankbarkeit der Griechen verurteilte, erhielt der erste König in der älteren griechischen Geschichtsschreibung sehr schlechte Zensuren, cf. etwa: , [Petropulos, John]: 1833-1843 [Politics and statecraft in the kingdom of Greece 1833-1843], Athen 1985/86 [in englischer Fassung bereits 1968]. Die jüngere Forschung kommt auf beiden Seiten zu differenzierteren Einschätzungen, cf. Baumstark, Reinhold / Buttlar, Adrian von (edd.): Das neue Hellas: Griechen und Bayern zur Zeit Ludwigs I.: Katalogbuch zur Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums München, 9. November 1999 bis 13. Februar 2000, München 1999; Koukouraki, Kyriaki: Interkulturelle Beziehungen am Beispiel von Bayern und Griechen unter Otto I. (1833-1843), Hamburg 2009; Kostis, Kostas P.: The Formation of the Greek State, in: Birtek, Faruk / Dragonas, Thalia (edd.): Citizenship and the Nation-State in Greece and Turkey, New York 2005, pp. 18-36. Thiersch, Friedrich von: De l’État actuel de la Grèce, et des moyens d’arriver à sa restauration, 2 voll., Leipzig 1833; Thiersch, Friedrich von: De la Régence en Grèce, edd. Spyridon Flogaitis / Heinrich Scholler, Athen 1988; Loewe, Hans: Friedrich Thiersch: Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit, edd. Evangelos Konstantinou / Konstadinos Maras / Heinrich Scholler, Frankfurt am Main et al. 2010. , , [Lazaretou Soa / Alogoskous, Giorgos]: [The drachma from the phoenix to the euro], Athen 2002, p. 106sq. Soutsos, Ioannis: Faits economiques qui ce sont produits en Grèce de 1833 au 1860, in: Journal des Economistes, vol. 29 (1861), pp. 373-386. , / , / , [Katsoulis, Giorgis / Nikolinakos, Marios / Filias, Vasilis]: , T. 2: 1831 1897 [Economic history of Modern Greece, vol. 2: From 1831 to 1897], Athen 1985, p. 198. Die Zahlen weichen geringfügig ab in: , [Agriantoni, Christina]: 19 [The beginnings of industrialization in Greece in the 19th century], Athen 1986 [2 2010]. ] , / , / , [Katsoulis, Giorgis / Nikolinakos, Marios / Filias, Vasilis]: , T. 2: 1831 1897 [Economic history of Modern Greece, vol. 2: From 1831 to 1897], Athen 1985, p. 198. Die Zahlen weichen geringfügig ab in: , [Agriantoni, Christina]: 19 [The beginnings of industrialization in Greece in the 19th century], Athen 1986 [2 2010]. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866: Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, p. 186. Katsoulis / Nikolinakos / Filias: Economic history of Modern Greece, vol. 2, p. 198. Kocka, Jürgen: Das lange 19. Jahrhundert: Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart 10 2001, p. 49. Zu den großen Problemen der Landverteilung cf. MacGrew, William W.: Land and Revolution in modern Greece, 1800-1881: The transition in the tenure and exploitation of land from Ottoman rule to independence, Kent 1985. , [Frangiadis, Alexis]: [Agricultural economy and external trade], in: , ./ , . [Kostis, Kostas P. / Petmezas, Sokrates] (edd.): 19 (1830-1914) [The development of the Greek economy in the 19th century (1830-1914)], Athen 2006, pp. 153-174, hier: p. 165sqq. Petrìpouloc

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Anmerkungen

Chatziioannou, Maria Christina / Harlaftis, Gelina: From the Levant to the City of London: Mercantile Credit in the Greek International Commercial Networks of the Eighteenth and Nineteenth Centuries, in: Cottrell, Philip L. / Lange, Even / Olsson, Ulf (edd.): Centres and Peripheries in Banking, Aldershot et al. 2002, pp. 13-40; Harlaftis, Gelina: Mapping the Greek Maritime Diaspora from the Early Eighteenth to the Late Twentieth Centuries, in: McCabe, Ina Baghdiantz / Harlaftis, Gelina / Minoglou, Ioanna Pepelasis (edd.): Diaspora entrepreneurial networks: four centuries of history, Oxford 2005, pp. 147-171. Zur Entwicklung des griechischen Bankwesens cf. Kostis, Kostas P.: Banque et industrie, in: Dertilis, Georges B. (ed.): Banquiers, usuriers et paysans: réseaux de crédit et stratégies du capital en Grèce 1780-1930, Paris 1988, pp. 145-156; , ./ , [Kostis, Kostas P. / Tsokopulos, Vasias]: 1898-1928 [Banks in Greece 1898-1928], Athen 1988. Wynne, William H.: State insolvency and foreign bondholders, New York 1951. Levandis: The Greek foreign debt, p. 55. Ibid., p. 55sq. Ibid., p. 56sq. Feis, Herbert: Europe the world’s banker 1870-1914: An account of European foreign investment and the connection of world nance with diplomacy before the war, Clifton (New Jersey) 1930, 4 1974. Bericht von Generalkonsul Merlin an das Foreign Ofce für das Jahr 1879, 24. März 1879, in Kopie im Archiv der Griechischen Nationalbank (im Folgenden ETE), AII A19 Book 35-43. Ibid. Levandis: The Greek foreign Debt, p. 60sq. Ibid., p. 66. , [Tsoukalas, Konstantinos]: : [Social development and gouvernment: the building of a public space in Greece], Athen 1981, p. 63. ] , [Tsoukalas, Konstantinos]: : [Social development and gouvernment: the building of a public space in Greece], Athen 1981, p. 63. Jauffret, Jean-Charles: Chapitre Premier: L’épée, in: Pedroncini, Guy (ed.): Histoire Militaire de la France, vol. 3 : De 1871 à 1940, Paris 1992, pp. 3-27, hier: p. 16. Nach: Levandis: The Greek foreign Debt, pp. 56, 67-71, 77sq. Die Zahlen in der weiteren Literatur weichen geringfügig ab, zum Beispiel in: , [Charitakis, Georgios]: [The Greek public debt], ed. [Union of Greek banks], Athen 1929. Der immer noch aktuelle Klassiker ist: , [Andreadis, Andreas]: [History of the national loans], Athen 1904; cf. Levandis: The Greek foreign debt, p. 72sq. Ausführlich zur griechischen Staatsschuld mit den genauen Bedingungen jeder Inlands- und Auslandsanleihe cf. auch: , . [Pantelakis, Nikos S.]: (1847-1939) [Catalogue of Public Loans (1847-1939)], Athen 1995. , [Tricha, Lyntia]: : [Charilaos Trikoupis: a biographical introduction], Athen 2009. Levandis, The Greek foreign debt, p. 73. Freris, Andrew F.: The Greek Economy in the twentieth century, London et al. 1986, pp. 21-24. Ibid., p. 22. Kofos, Evangelos: Hellenism and the settlement of the Berlin Congress, in: Melville, Ralph (ed.): Der Berliner Kongreß von 1878: Die Politik der Großmächte und die Kwst c

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Psalidopoulos / Schönhärl: Griech. Staatsversch. (pp. 149-164)

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Probleme der Modernisierung in Südosteuropa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1982, pp. 463-469. Maiwald, Serge: Der Berliner Kongreß 1878 und das Völkerrecht: Die Lösung des Balkanproblems im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1948, p. 47sq. Feis: Europe, p. 284sqq; Wynne: State insolvency, p. 295. Tricoupis, Charilaos: The nances of Greece: Speech delivered on introducing to the Hellenic chamber the budget for 1888 on November 2nd (November 14th) 1887, London 1887, hier: Extracts from the Speech delivered by M. Tricoupis, on the 16th (28th ) November during the Debate on the Budget, pp. 53-63. Andreadis: History, p. 393. Psalidopoulos, Michalis / Syrmaloglou, Adamantios: Economists in the Greek parliament,1862-1910: The men and their views on scal and monetary policy, in: Massimo Augello / Marco Guidi (edd.): Economists in parliament in the liberal age (1848-1920), Aldershot 2005, pp. 229-258, hier: p. 246. Zur Diskussion zwischen Trikoupis und Deliyannis cf. , [Sirmaloglou, Adamantios]: : , 1862-1910 [Taxation or insolvency: The tax policy in the Greek parliament 1862-1910], Athen 2007, pp. 177-255. Tricoupis: The nances of Greece, p. 58. Ibid. Ibid., p. 56. Zur Konvertibilität der griechischen Währung cf. Stassinopoulos, Yorgos: Economic thought and monetary policy in nineteenth-century Greece, in: Psalidopoulos, Michalis / Mata, Maria Eugénia (edd.): Economic thought and policy in less developed Europe: the nineteenth century, London 2002, pp. 172-186. Tricoupis: The nances of Greece, p. 60. Deutsche Gesandtschaft Athen an Auswärtiges Amt (im Folgenden AA), Außenminister Bülow, am 21.11.1875, in: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (im Folgenden BA) R 901 – 15278. Der englische Generalkonsul Merlin betonte dagegen schon 1879 seine positiven Zukunftserwartungen für Griechenland: „The Greeks are naturally a very energetic, sober, hard-working, economical, and intelligent race, and more speedily recover from misfortunes than seems possible for most people.“ – Bericht von Generalkonsul Merlin an das Foreign Ofce für das Jahr 1879, 24. März 1879, in Kopie, ETE, AII A19 Book 35-43. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 18.04.1889, BA R 901 – 15279. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 27.12.1888, BA R 901 – 1539. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 20.05.1887, BA R 901 – 15278. Deutscher Generalkonsul Oberg in Patras an AA am 23.05.1889, BA R 901 – 15279. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 02.06.1889, BA R 901 – 15279. Ausführlich zu Bleichröder cf. Stern, Fritz Richard: Gold und Eisen: Bismarck und sein Bankier Bleichröder, München 1988. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 21.11.1889, BA R 901 – 1539. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 20.11.1888, BA R 901 – 1539. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 07.02.1890, BA R 901 – 1540. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 10.03.1890, BA R 901 – 1540 [Hervorhebungen im Original]. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 26.05.1890, BA R 901 – 1540. Deutsche Gesandtschaft Athen an AA am 28.01.1891, BA R 901 – 1540. Der Deutsche Ökonomist, no. 483, 19.03.1892, BA R 901 – 1540. , . . [Dertilis, G. V.]: , 1830-1920 [The History of the Greek State: 1830-1920], Athen 2006, p. 457. Petersson, Nils P.: Anarchie und Weltrecht: Das Deutsche Reich und die Institutionen der Weltwirtschaft 1890-1930, Göttingen 2009, pp. 39-46. Ibid., pp. 47-50. Surmalìglou

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Anmerkungen

Tunçer, Ali Coşkun: Institutions, Sovereign Risk and Taxation: International Financial Control in the Ottoman Empire, Greece and Egypt, via: http://lse.academia.edu/ AliCoskunTuncer/Papers/1100482/Institutions_Sovereign_Risk_and_Taxation_ International_Financial_Control_in_the_Ottoman_Empire_Greece_and_Egypt (28. Februar 2012).

Alexander Will T, V  S: V ¨   B  O R    M (1856-1882) 1

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Report of his Highness the Grand Vizier, Fuad Pasha, to his Imperial Majesty the Sultan Abdul-Aziz, upon the nancial situation of the empire, and the means to be taken in order to re-establish an equilibrium between the revenue and expenditure of the country. Ofcial translation, February 19th, 1862, in: Farley, Lewis J.: The Resources of Turkey, London 1862, p. 21. Im Folgenden werden geläuge osmanische Namen und Begriffe in ihrer eingedeutschten Form benutzt. Andere Begriffe werden in vereinfachter Umschrift verwendet. Ibid., p. 22. Ibid. Turkish Finance, No. 2. The Daily News, 27. Februar 1862, p. 5. Einen ausführlichen Überblick über die osmanische Geschichte und den Forschungsstand samt weiterführenden Literaturhinweisen bietet: Kreiser, Klaus: Der osmanische Staat 1300-1922, München 2001. Für den Nahen Osten in den internationalen Beziehungen im langen 19. Jahrhundert ist nach wie vor außerordentlich empfehlenswert: Yapp, M. E.: The Making of the Modern Middle East, 1792-1923, London/New York 1994. Wer sich für osmanische Wirtschafts- und Finanzgeschichte interessiert, kommt an folgendem Werk nicht vorbei: Inalcik, H. / Quataert, D. (edd.): Economic and Social History of the Ottoman Empire, 5 voll., Cambridge 1994. Für die Finanzgeschichte des Osmanischen Reiches im 19. Jahrhundert ist ein mit viel Liebe zum Detail verfaßtes, umfangreiches Werk erschienen: Clay, Christopher: Gold for the Sultans: Western Bankers and Ottoman Finance 1856-1881: A contribution to Ottoman and International Financial History, London/New York 2000. Dazu wurden mehr als einhundert längere Artikel aus folgenden wichtigen national und regional verbreiteten Zeitungen der Jahrgänge von 1856 bis 1882 ausgewertet: The Economist, The Times, The Daily News, The Pall Mall Gazette, The Liverpool Mercury, The Leeds Mercury, The Freeman’s Journal, Jackson’s Oxford Journal, Manchester Guardian, The Examiner, The Birmingham Daily Post, The Northern Echo. Zusätzlich wurden einige Artikel aus der Financial Times (1888-1890) und der New York Times (1856-1882) betrachtet sowie einige wenige, zwischen 1882 und 1909 erschienene Beiträge aus den oben aufgeführten Blättern. Cf. zum timar -System den zusammenfassenden Abriß in: Kreiser: Staat, p. 56sq. Cf. zu diesem Wandel: Darling, Linda T.: Revenue-Raising and Legitimacy, Tax Collection and Finance Administration in the Ottoman Empire, 1560-1660, Leiden 1996.

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Cf. zur Differenzierung des Steuerpacht-Systems: Pamuk, Sevket: The Evolution of Institutions of State Finance in the Ottoman Empire, 1500-1800, Helsinki 2006, pp. 1518. Darling, Linda T.: Public Finances: the role of the Ottoman centre, in: Faroqhi, Suraiya (ed.): The Cambridge History of Turkey, vol. 3: The Later Ottoman Empire, 16031839, Cambridge 2006, pp. 118-134, hier: p. 129sq. Ibid., p. 448sq. Cf. den Bericht eines anonymen britischen Reisenden über die Zustände in der Region Smyrna: The Position of Ottoman Finance. The Banker’s Magazine, November 1869, p. 116sq. Endres, Franz Carl: Die Türkei: Eine Einführung in das Verständnis von Land und Volk, München 1918, p. 235sq. Report by Mr. Consul W. Gifford Palgrave on the Anatolian Coast, and the corresponding Inland Districts between the Longitudes of Sinope and Trebizond, in the Summer of the Year 1869, in: Commercial Reports received at the Foreign Ofce from her Majesty’s Consuls in 1869-70, London 1870, pp. 519-541, hier: p. 537sq. Sevket: Evolution, p. 18. Cf. zu den Reformversuchen: Akarli, Engin D.: Economic Policy and Budgets in Ottoman Turkey, 1876-1909, in: Middle Eastern Studies, vol. 28 (1992), pp. 443-476, hier: p. 446sq. Pamuk, Sevket: A Monetary History of the Ottoman Empire, Cambridge 2000, p. 191sq. Cf. zum Beispiel: Turkish Finance: Its Past, Present and Future, No. 1. The Daily News, 21. Februar 1862, p. 5. Pamuk, Sevket: From Debasement to External Borrowing: Changing Forms of Decit Finance in the Ottoman Empire, in: Pamuk, Sevket / Avramov, Roumen (edd.): Monetary and Fiscal Policies in South-East Europe: Historical and Comparative Perspective, Soa 2006, pp. 7-23, hier: p. 12sq. Cf. die Beschreibung des Münzwesens in den 1850er Jahren in: Michelsen, Edward H.: The Ottoman Empire and its Resources, London 1854, p. 293. Cf. zum Papiergeld im Osmanischen Reich: Pamuk: Debasement, p. 18. Ibid., p. 16. Cf. Turkey. The Daily News, 11. August 1858, p. 2. Diese Zustände wurden sogar in Provinzblättern ausführlich gewürdigt: cf. Mr. Layard on Turkish Finance. The Liverpool Mercury, 28. September 1858, ohne Seitenangabe. Die Tanzimat-Zeit dauerte von 1839 bis 1876 und bezog ihren Namen von tanzimat-i hayriye („wohltätige Verordnungen“). Cf. für eine der besten kurzen Überblicke über diese Epoche: Yapp: Making, pp. 108-114. Cf. zu diesen Industrialisierungsbemühungen: Inal, Vedit: The Eighteenth and Nineteenth Century Ottoman Attempts to Catch Up with Europe, in: Middle Eastern Studies, vol. 47 (2011), pp. 725-756, hier: pp. 737-744. Pamuk: Debasement, pp. 12, 17. Eine Liste aller osmanischen Anleihen bietet: Clay: Gold, p. 568sq. Pamuk: Debasement, p. 19. Eine dramatische Schilderung der Vorgänge ndet sich in: The Economist, 16. Oktober 1875, pp. 1225-1227. Eldem, Edhem: Ottoman Financial Integration with Europe: Foreign Loans, the Ottoman Bank and the Ottoman Public Debt, in: European Review, vol. 13 (2005), pp. 431-445, hier: p. 441. Die Übersetzung des Abkommens der europäischen Gläubiger mit der Pforte, das sogenannte Muharrem-Dekret, erschien bereits am 19. Dezember in der Londoner Times: Turkish Finance. The Times, 19. Dezember 1881, p. 5. Suter, Christian / Stamm, Hanspeter: Coping with Global Debt Crisis: Debt Settlements 1820-1986, in: Comparative Studies in Society and History, vol. 34 (1992), pp. 645-678, hier: p. 658.

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Anmerkungen

Pamuk: Evolution, p. 1. Ibid. Cf. Akarli: Budgets, p. 462. Ibid., p. 443. Fuad Pascha: Report, in: Farley: Resources, p. 21. Ibid. Turkish Finance. To the Editor of The Times. The Times, 06. Juli 1875, p. 12. Ibid. Cf. Geyikdagi, Necla V.: The Economic Views of a Nineteenth Century Ottoman Intellectual: The Relationship between International Trade and Foreign Direct Investment, in: Middle Eastern Studies, vol. 47 (2011), pp. 529-542, hier: pp. 531-533. Endres: Türkei, p. 268. Akarli: Budgets, p. 457. Cf. auch die Tabellen: ibid., pp. 470-473. Cf. Clay: Gold, p. 552. Cf. Endres: Türkei, p. 262sq. Cf. Clay: Gold, pp. 552-554. Cit. Akarli: Budgets, p. 455. Cf. Richards, Alan / Waterbury, John: A Political Economy of the Middle East, San Francisco/Oxford 1990, p. 191sq. Ibid., p. 250sq. Turkey. The Leeds Mercury, 12. Januar 1856, p. 4. Diese Haltung ndet sich unter anderem auch in folgenden Publikationen: The East. The Times, 09. Januar 1856, p. 9. The Resources of Turkey by J. Lewis Farley [Besprechung des Buches]. The Economist, 05. Juli 1862, p. 735sq. The Times, 25. September 1858, p. 6. Ibid. The Times, 24. März 1862, p. 8. „Freed from his immediate embarrassments, the Sultan can now earnestly set to work to reform his ways. Besides the exhaustless natural resources of his empire, the mere overhauling of the state accounts will put quite a new face upon them.“ – The New Turkish Loan (From the Daily Telegraph). Jackson’s Oxford Journal, 05. April 1862, p. 3. Turkish Finance. The Pall Mall Gazette, 28. November 1865, p. 2. The Prospects of Turkey. The Pall Mall Gazette, 21. Juni 1875, p. 1. Turkish Finance. The Liverpool Mercury, 11. Oktober 1875, p. 6. Cf. Mr. Layard on Turkish Finance. The Liverpool Mercury, 28. September 1858, p. 4. Grand Speculations!. The Freeman’s Journal, 28. Dezember 1860, p. 4. Cf. die Tabellen in: Akarli: Budgets, p. 470sq. Turkish Finance. The Pall Mall Gazette, 05. April 1873, p. 1. Cf. für eine ganz ähnliche Argumentation auch: The Times, 19. Juni 1875, p. 11; The Daily News, 09. Oktober 1875, p. 4. Turkish Finance. The Pall Mall Gazette, 13. April 1874, p. 10. Diese Wahrnehmung war dabei keineswegs auf Großbritannien beschränkt. Auch die New York Times berichtete ausführlich über die Verschwendung der aufgenommenen Kredite. Cf. England and the Orient. The New York Times, 15. Juni 1878, p. 5. Cf. The Times, 25. September 1858, p. 6. Zur Kritik an der Verwaltung cf. auch: The Finance of Turkey. The Daily News, 08. Oktober 1861, p. 5. The New Turkish Loan and Turkish Finance. The Economist, 06. Mai, 1865, p. 527. The Times, 04. September 1879, p. 7. The Times, 01. Oktober 1879, p. 9. The Report of the Delegation of Turkish Bondholders. The Economist, 17. Juni 1876, p. 706sq, hier: p. 707. Turkey. The Times, 11. April 1876, p. 8. „All agree that the resources of Turkey are abundant, and that by a judicious system of taxation, and especially by reforms in its collection, an equilibrium between revenue

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and expenditure can be achieved.“ – Papers Relative to Financial Reforms in Turkey [Übernahme aus Money Market Review]. The Daily News, 25. September 1861, p. 7. Cf. zur Kritik an den Mißständen in der Finanz- und Steuerverwaltung auch: Farlay: Resources, pp. 15-21. The Regeneration of Turkey. To the Editor of the Daily News. The Daily News, 07. April 1862, p. 5. Ibid. The Financial Problem in the East. The Northern Echo, 20. November 1880, p. 3. Cf. zum Beispiel: The Finance of Turkey. The Daily News, 08. Oktober 1861, p. 5. Ibid.; cf. auch: Turkish Finance. The Times, 03. Mai 1865, p. 12. The New Turkish Loan. The Economist, 04. Oktober 1873, p. 1205sq, hier: p. 1205. Turkish Finance. The Pall Mall Gazette, 05. April 1873, p. 1273sq, hier: p. 1273. The Serious Danger of Rash Foreign Loans. The Economist, 30. April 1870, p. 529sq, hier: p. 529. Turkish Securities. To the Editor of the Freeman. The Freeman’s Journal, 13. August 1878, p. 3. The Daily News, 09. Oktober 1875, p. 4 [Hervorhebung im Original]. „[. . . ] its measure did not fall with anything like justice or fairness [. . . ]“ – Turkey. The Times, 11. April 1876, p. 8. Turkish Practice of Democratic Finance. The New York Times, 08. November 1875, p. 3. Cf. Meeting of the Turkish Bondholders. The Daily News, 20. Oktober 1875, p. 3. Siehe zum Beispiel: The Daily News, 09. Oktober 1875, p. 4. Special Correspondence. The Leeds Mercury, 09. Oktober 1875, p. 3. Turkish Credit. The Liverpool Mercury, 29. Juni 1875, p. 6. The Financial Problem in the East. The Northern Echo, 20. November 1880, p. 3. The Turkish Debt Settlement. The Economist, 20. Mai 1882, p. 605sq, hier: p. 605. Das konzediert auch die neuere Forschung. Cf. Clay: Gold, p. 554. The Times, 26. Oktober 1880, p. 9. „In return for what is to a large extent an illusory surrender of about a million and a-half of revenue, it has obtained an abatement of about one hundred millions in the amount of its liabilities.“ – Turkish Finance. The Economist, 05. November 1881, p. 1368sq, hier: p. 1368. Ibid. Ibid., hier: p. 1369. Turkey and Her Creditors. The Economist, 24. Dezember 1881, p. 1586sq. The Turkish Debt. The Economist, 29. April 1882, p. 503. Cf. Omond, T. S.: The National Debt: Its Origin and Political Signicance, Oxford 1870, p. 12sq. Besonders ausführlich geschah dies natürlich in ökonomischen Fachzeitschriften. Cf. daher exemplarisch insbesondere: The Constitutional and Moral Right or Wrong of our National Debt [Buchbesprechung]. The Economist, 01. Dezember 1849, p. 1237sq; The National Debt. The Economist, 21. April 1866, p. 470sq. Cf. unter anderem: Omond: Debt, pp. 20, 24, 27; Lieber, Francis (ed.): Encyclopaedia Americana, Boston, 1854, Artikel Public Debt, p. 402. Formuliert wurde das zum Beispiel so: „No one would blame a land-owner who borrowed at 5 per cent, and laid out the money on improvements which brought him in 8 or 9. The case is the same with a nation. “ – Omond: Debt, p. 20. Cf. ibid., p. 19; Francis (ed.): Encyclopaedia Americana, p. 402. Omond: Debt, p. 24. Einzuordnen ist dies wiederum in die Diskussion um die Figur des „ehrbaren Kaufmanns“, die in dieser Zeit ebenfalls ausführlich in der Presse geführt wurde. Wer aus

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Anmerkungen

schierer Gier unkalkulierbare Risiken einging, wurde eben nicht als ein solcher angesehen. Cf. zum Beispiel: Morality in Business. The Economist, 16. Dezember 1854, p. 1374sq. The Danger of Lending to Semi-Civilised Countries. The Economist, 23. November 1867, p. 1321sq. Ibid., p. 1322. The Rules for Investing in Foreign Loans. The Economist, 01. August 1868, p. 869sq. Ibid., p. 869. Ibid., p. 870.

Michael Hochgeschwender Z W   S: D G  S   USA 1

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Das Folgende beruht wesentlich auf: Brands, H. William: The Money Man: Capitalism, Democracy, and the Hundred Years War over the American Dollar, New York 2006, pp. 30-43. Cf. obendrein: Wright, Robert E.: One Nation Under Debt: Hamilton, Jefferson, and the History of What We Owe, New York 2008; McGraw, Thomas K.: The Founders and Finance: How Hamilton, Gallatin and other Immigrants Shaped a New Economy, Cambridge 2012. Zu den Krisenjahren der amerikanischen Republik cf. Wood, Gordon S.: The Creation of the American Republic, 1776-1787, New York 3 1993, pp. 393-430. Cf. Middlekauff, Robert: The Glorious Cause: The American Revolution, 1763-1798, New York 1982, p. 600sq. Cf. Wood, Gordon S.: Empire of Liberty: A History of the Early Republic, 1789-1815, New York 2009, pp. 140-173. Eine gute Analyse dieser amerikanischen Form von moral economy bietet: Ashworth, John: Slavery, Capitalism, and Politics in the Antebellum Republic, vol. 1: Commerce and Compromise, 1820-1850, Cambridge 1995, pp. 302-315. Cf. dazu ausführlich: Wilentz, Sean: Chants Democratic: New York City and the Rise of the American Working Class, 1788-1850, New York 2 2004, pp. 61-106. Cf. ferner: Cornell, Saul: The Other Founders: Anti-Federalism and the Dissenting Tradition in America, 1788-1828, Chapel Hill 1999. Zu den Federalists und ihren politisch-ökonomischen Ansichten cf. Elkins, Stanley / McKittrick, Eric: The Age of Federalism: The Early American Republic, 1788-1800, New York 1993, pp. 77-162. Cf. zu diesem Kontext bereits in der vorrevolutionären Epoche: Breen, Timothy H.: The Marketplace of Revolution: How Consumer Politics Shaped American Independence, New York 2004, pp. 33-194. Cf. zur wachsenden Akzeptanz der Demokratie unter den Nachfolgern der um 1816 untergegangenen Federalists, den Whigs: Howe, Daniel Walker: What Has God Wrought?: The Transformation of America, 1815-1848, New York 2007, p. 544; Wilentz, Sean: The Rise of American Democracy: Jefferson to Lincoln, New York 2005, pp. 488-91. Zum Primat der Rasse über die Klasse bei den Demokraten cf. etwa: Keyssar, Alexander: The Right to Vote: The Contested History of Democracy in the United States, New York 2 2009, pp. 43-52.

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Hochgeschwender: Staatsschulden in den USA (pp. 183-198) 11

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Zur Biographie von Alexander Hamilton cf. Cooke, Jacob A.: Alexander Hamilton, New York 1982. Cf. Olson, Alison G.: The changing socio-economic Importance of the Colonies to the Empire, in: Greene, Jack P. / Pole, J. R. (edd.): A Companion to the American Revolution, Malden 2 2004, pp. 19-28. Zum Bank War Andrew Jacksons gegen den Whig Nicholas Biddle cf. Cole, Donald B.: The Presidency of Andrew Jackson, Lawrence 1993, pp. 95-120. Reinhart, Carmen M. / Rogoff, Kenneth S.: This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly, Princeton 2011, p. 112. Howe: What Has God Wrought?, p. 254. Cf. dazu etwa: Baxter, Maurice G.: Henry Clay and the American System, Lexington 2 2004. Äußerst differenziert argumentiert ferner die Untersuchung: Balogh, Brian: Government out of Sight: The Mystery of National Authority in Nineteenth-Century America, Cambridge 2009. Edelstein, Michael: War and the American Economy in the Twentieth Century, in: Engerman, Stanley L. / Gallman, Robert E. (edd.): The Cambridge Economic History of the United States, vol. 3, Cambridge 2000, pp. 329-332. Reinhart / Rogoff: This Time is Different, pp. 113-116. Für diesen Hinweis danke ich Torsten Kathke, M.A., München. Cf. ferner: Moody, Ralph / Gardner, Mark L.: Stagecoach West, Lincoln 1998, p. 86; John, Richard R.: Spreading the News: The American Postal System from Franklin to Morse, Cambridge 1995, p. 160. Brands: The Money Men, pp. 131-158. Cf. allgemein: Gordon, John Steele: An Empire of Wealth: The Epic History of American Economic Power, New York 2005. Chafe, William H.: The Unnished Journey: America since World War II, New York 1999. Edelstein: War and American Economy, pp. 332-334. Ein gelungenes Fallbeispiel schildert: Moreton, Bethany: To Serve God and Wal-Mart: The Making of Christian Free Enterprise, Cambridge 2009, pp. 24-48. Cf. zudem: Schulman, Bruce J.: From Cotton Belt to Sunbelt: Federal Policy, Economic Development, and the Transformation of the South, 1938-1980, Durham 1994. Zum Konzept des Nationalen Sicherheitsstaates im Kalten Krieg cf. Lefer, Melvyn P.: A Preponderance of Power: National Security, the Truman Administration, and the Cold War, Stanford 1992. Edelstein: War and American Economy, pp. 332-351. In: CIA Factbook 2005, via: https://www.cia.gov/library/publications/download/ download-2005/index.html (27. August 2012). Gegeneinander argumentieren hier: Edelstein: War and American Economy; Kelly, Robert E.: The National Debt of the United States, 1941 to 2008, Jefferson 2 2008. Cf. allgemein: Chambers, John Whiteclay II.: The Tyranny of Change: America in the Progressive Era, 1890-1920, New Brunswick 2 2001; Kennedy, David: Freedom from Fear: The American People in Depression and War, 1929-1945, New York 1999; McElvaine, Robert S.: The Great Depression: America, 1929-1941, New York 2 1993. Zur Great Society und zum amerikanischen Wohlfahrtsstaat cf. Berkowitz, Edward D.: America’s Welfare State: From Roosevelt to Reagan, Baltimore 1991, pp. 91-152. Allgemein cf. Trattner, Walter I.: From Poor Law to Welfare State: A History of Social Welfare in America, New York 5 1994; Kornbluh, Felicia: The Battle for Welfare Rights: Politics and Poverty in Modern America, Philadelphia 2007. Ich lasse hier die Frage völlig beiseite, ob man etwa die Kosten für die soziale und gesundheitliche Absicherung von Veteranen eher dem Sozialetat oder den Verteidigungskosten zurechnen muß. Kelly: National Debt, pp. 337-355.

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Anmerkungen

Adema, William / Ladaique, Maxime: How Expensive is the Welfare State: OECD Social, Employment, and Migration Working Papers No. 92, [ohne Ort] 2009. Cf. dazu unter anderem: Wilentz, Sean: The Age of Reagan: A History, 1974-2008, New York 2008; Patterson, James T.: Restless Giant: The United States from Watergate to Bush v. Gore, New York 2005, pp. 108-217. Cf. dazu: Berman, William C.: America’s Right Turn: From Nixon to Clinton, Baltimore 2 1998, pp. 85-163. Cf. Stiglitz, Joseph E.: Die Roaring Nineties: Der entzauberte Boom, Berlin 2004. Zu den genauen Zahlen cf. Graeber, David: Debt: The First 5000 Years, Brooklyn 2011, p. 366. Cf. dazu beispielsweise: Hyman, Louis: Borrow: The American Way of Debt: How Personal Credit created the American Middle Class and almost Bankrupted the Nation, New York 2012; Hyman, Louis: Debtor Nation: The History of America in Red Ink, Princeton 2011. US Treasury Direct vom 12. Mai 2012, via: http://www.treasurydirect.gov/.

Albert Fischer S   W R 1

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Büttner zielt mit dem Terminus „überfordert“ allerdings nicht auf die Staatsverschuldung im besonderen, sondern auf die Republik in toto: Büttner, Ursula: Weimar: Die überforderte Republik 1918-1933: Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008. Es gibt keine einheitliche Denition der Termini „Überschuldung“ und „Staatsüberschuldung“. In statischen Denitionen wird auf einen Überhang der Staatsschulden über das Staatsvermögen verwiesen. In dynamischen Denitionen wird die nicht mehr gegebene Fähigkeit des Staates benannt, seine Schulden zu bedienen. Einschließlich der bis 1918 aufgelaufenen Finanzierungskosten. Czada, Peter: Ursachen und Folgen der großen Ination, in: Winkel, Harald (ed.): Finanz- und wirtschaftspolitische Fragen der Zwischenkriegszeit, Berlin 1973, pp. 943, hier: p. 20. Zeidler, Manfred: Die deutsche Kriegsnanzierung 1914 bis 1918 und ihre Folgen, in: Michalka, Wolfgang (ed.): Der Erste Weltkrieg: Wirkung. Wahrnehmung. Analyse, München 1994, pp. 415-433, hier: p. 428sq; Holtfrerich, Carl-Ludwig: Die deutsche Ination 1914-1923: Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive, Berlin/New York 1980, pp. 109, 124. Die Schulden des deutschen Gesamtstaates, das heißt von Reich, Ländern und Gemeinden, hatten sich am Ende des Rechnungsjahres 1913/14 auf 32,8 Mrd. Mark belaufen: Deutsche Bundesbank (ed.): Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, Frankfurt am Main 1976, p. 313. Holtfrerich, Carl-Ludwig: Bewältigung der deutschen Staatsbankrotte 1918 und 1945, in: Kantzenbach, Erhard (ed.): Staatsüberschuldung, Göttingen 1996, pp. 27-57, hier: p. 35 n. 12. Zur Preisentwicklung: Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 6. Haller, Heinz: Die Rolle der Staatsnanzen für den Inationsprozeß, in: Deutsche Bundesbank (ed.): Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt am Main 2 1976, pp. 115-155, hier: p. 137sqq; James, Harold: Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1988, p. 56.

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Meyer, Gerd: Die Reparationspolitik: Ihre außen- und innenpolitischen Rückwirkungen, in: Bracher, Karl Dietrich / Funke, Manfred / Jacobsen, Hans-Adolf (edd.): Die Weimarer Republik 1918-1933, Bonn 1987, pp. 327-342, hier: p. 330. Hierbei handelte es sich um einen „Zukunftswert“. Der Gegenwartswert lag bei circa 100 Mrd. Goldmark. Czada: Ination, p. 12. Borchardt, Knut: Währung und Wirtschaft, in: Deutsche Bundesbank (ed.): Währung und Wirtschaft, pp. 3-55, hier: p. 15. Holtfrerich: Ination, p. 48sq tab. 10. Sofern unter Ination nicht die bloße Ausdehnung der Geldmenge verstanden wird, sondern „ein anhaltender Prozeß von Preiserhöhungen für wichtige Gütergruppen, durch den das Preisniveau ansteigt [Hervorhebung nicht im Original]“: Ströbele, Wolfgang: Ination: Einführung in Theorie und Politik, München 4 1995, p. 1. Haller: Staatsnanzen, p. 130. Holtfrerich: Ination, p. 123. Cf. Abelshauser, Werner: Wege aus der Staatsverschuldung: Eine Skizze, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 98 (2011), pp. 300-306, hier: p. 303; Ullmann, Hans-Peter: „Staatsentschuldung“ – Einwurf eines Historikers, in: ibid., pp. 317-321, hier: p. 319. Czada: Ination, p. 24. Henning, Friedrich-Wilhelm: Das industrialisierte Deutschland 1914-1986, Paderborn et al. 6 1988, p. 61. Davon abweichende, in der Tendenz jedoch ähnliche Werte nden sich in: Holtfrerich: Bewältigung, p. 38sq. Datenquelle: Holtfrerich: Ination, p. 48sq tab. 10, p. 50sqq tab. 11, p. 64sqq tab. 20. Samuelson, Paul A. / Nordhaus, William D.: Volkswirtschaftslehre, vol. 1, Köln 8 1987, p. 386. Sprenger, Bernd: Das Geld der Deutschen: Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, Paderborn et al. 3 2002, p. 213sqq. Lingelbach, Gerhard: Die Große Ination 1923 – ein Staatsbankrott des Reiches?, in: Lingelbach, Gerhard (ed.): Staatsnanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2000, pp. 203235, hier: p. 215sqq. Die Aufwertung el unterschiedlich hoch aus, zum Beispiel Hypotheken: 25 Prozent, Sparkassenguthaben: 12,5 Prozent, öffentliche Obligationen je nach Erwerbszeitpunkt: 12,5 Prozent oder 2,5 Prozent, Bargeld und Kontokorrentguthaben: 0 Prozent. Holtfrerich: Bewältigung, p. 42. Die aus der Wiederaufwertung erwachsende „Anleiheablösungsschuld“ des Reiches sollte sich auf 5,9 Mrd. Reichsmark belaufen. Keynes, John Maynard: Ein Traktat über Währungsreform, München et al. 1924, p. 42. Petzina, Dietmar: Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden 1977, p. 16. Holtfrerich: Ination, p. 329. Cit. Eitner, Hans-Jürgen: Hitlers Deutsche, Gernsbach 2 1990, p. 31. Zweig, Stefan: Die Welt von gestern: Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt am Main 32 2000, p. 359; ebenso zum Beispiel der britische Wirtschaftswissenschaftler Lionel Robbins: „Zurück blieb ein moralisches und ökonomisches Ungleichgewicht, das einen geeigneten Nährboden für die nachfolgenden verheerenden Entwicklungen abgab. Hitler ist ein Zögling der Ination“, cit. Samuelson / Nordhaus: Volkswirtschaftslehre, p. 369. Fergusson, Adam: Das Ende des Geldes: Hyperination und ihre Folgen für die Menschen am Beispiel der Weimarer Republik, München 2 2011, p. 341sqq; Eitner: Deutsche, p. 18sq; erschöpfend auch: Feldman, Gerald D.: The Great Disorder: Politics,

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Anmerkungen

Economics, and Society in the German Ination 1914-1924, New York et al. 1997; schließlich: Zweig: Welt, p. 356sq. Cf. hierzu den Überblick in: Kerstingjohänner, Helmut: Die deutsche Ination 19191923: Politik und Ökonomie, Frankfurt am Main et al. 2004, pp. 9-23. Holtfrerich: Ination, pp. 126, 132. Bereits im Krieg war eine außerordentliche Kriegsabgabe erhoben worden. Ibid., p. 133. Lingelbach: Ination, p. 208sqq; Ullmann, Hans-Peter: Der deutsche Steuerstaat: Geschichte der öffentlichen Finanzen vom 18. Jahrhundert bis heute, München 2005, p. 101sq. Ullmann: Steuerstaat, p. 104. James: Wirtschaftskrise, p. 56; ebenso: Witt, Peter-Christian: Die Auswirkungen der Ination auf die Finanzpolitik des Deutschen Reiches 1924-1935, in: Feldman, Gerald D. (ed.): Die Nachwirkungen der Ination auf die deutsche Geschichte 1924-1933, München 1985, pp. 43-95, hier: p. 50. Holtfrerich: Ination, p. 127. Kerstingjohänner: Ination, p. 394: Abgesehen vom destabilisierenden Effekt des Erfordernisses, an den internationalen Devisenbörsen fortwährend umfängliche Devisenbeträge zu erwerben: Mit ihrer Entscheidung, Reparationszahlungen in Mark schlicht nicht zu akzeptieren, trugen die Alliierten dazu bei, die deutsche Währung ihrer internationalen Zahlungsmittelfunktion zu berauben. Holtfrerich: Ination, p. 149 tab. 30. Kerstingjohänner: Ination, p. 393, spricht von einer daraus resultierenden „Inationsakzeptanz“. Haller: Staatsnanzen, p. 148. Petzina: Wirtschaft, p. 80. Knut Borchardt, cit. Kerstingjohänner: Ination, p. 17. Netzband, Karl-Bernhard / Widmaier, Hans Peter: Währungs- und Finanzpolitik der Ära Luther 1923 bis 1925, Tübingen 1964, pp. 120sqq, 137sqq, 274; Ullmann: Steuerstaat, p. 107; Holtfrerich: Bewältigung, p. 40sq. Ibid. Netzband / Widmaier: Währungs- und Finanzpolitik, p. 275. Meyer: Reparationspolitik, p. 336sq. Datenquelle: Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 313sq. Heindl, Wolfgang: Die Haushalte von Reich, Ländern und Gemeinden in Deutschland von 1925 bis 1933: Öffentliche Haushalte und Krisenverschärfung, Frankfurt am Main et al. 1984, p. 203 tab. 20. Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 313sq. Ibid. Ullmann: Steuerstaat, p. 110; eine kritische Würdigung der Daten in: Witt, PeterChristian: Finanzpolitik als Verfassungs- und Gesellschaftspolitik: Überlegungen zur Finanzpolitik des Deutschen Reiches in den Jahren 1930 bis 1932, in: Geschichte und Gesellschaft, vol. 8 (1982), pp. 396-414, hier: p. 389sqq. Bachmann, Ursula: Reichskasse und öffentlicher Kredit in der Weimarer Republik 1924-1932, Frankfurt am Main et al. 1996, p. 38 tab. 4, p. 42 tab. 7. Datenquelle: Heindl: Haushalte, pp. 322sq, 328sq, 334sq, 342sq, 350sq, 358sq, 366sq, 374sq. Reichsgesetzblatt II, 1924, p. 241. Witt: Auswirkungen, p. 60sqq. Cf. n. 22. Girnth, Walter: Der deutsche Rentenmarkt 1923-1935, Berlin 1935, p. 18sq. Sie war zunächst überzeichnet gewesen; als aber trotz einer nachträglichen Heraufsetzung

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des Nominalzinses von fünf Prozent auf sechs Prozent die Kurse dramatisch verelen, kaufte das Reich fast die Hälfte des emittierten Volumens zurück. Fischer, Albert: Die Landesbank der Rheinprovinz: Aufstieg und Fall zwischen Wirtschaft und Politik, Köln/Weimar/Wien 1997, p. 79 tab. 9, p. 112. Maurer, Ilse: Reichsnanzen und Große Koalition: Zur Geschichte des Reichskabinetts Müller (1928-1930), Bern et al. 1973, pp. 64, 104; Bachmann: Reichskasse, pp. 132, 157sq. Balderston, Theo: Economics and Politics in the Weimar Republic, New York 2002, p. 84sq. Witt: Auswirkungen, p. 66. Balderston, Theo: The Origins and Course of the German Economic Crisis, 19231932, Berlin 1993, p. 275. Krohn, Claus-Dieter: Stabilisierung und ökonomische Interessen: Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches 1923-1927, Düsseldorf 1974, p. 103. Ullmann: Steuerstaat, p. 108. Ibid. James: Weltwirtschaftskrise, p. 67. Krohn: Finanzpolitik, p. 195sqq. Hertz-Eichenrode, Dieter: Wirtschaftskrise und Arbeitsbeschaffung: Konjunkturpolitik 1925/26 und die Grundlagen der Krisenpolitik Brünings, Frankfurt am Main et al. 1982, p. 132sqq. Blaich, Fritz: Die Wirtschaftskrise 1925/26 und die Reichsregierung: Von der Erwerbslosenfürsorge zur Konjunkturpolitik, Kallmünz 1977, p. 152sqq; Heindl: Haushalte, p. 322sq. Clingan, Edmund: Finance from Kaiser to Führer: Budget Politics in Germany, 19121934, Westport (Connecticut) et al. 2001, p. 138sqq; Fattmann, Rainer: Bildungsbürger in der Defensive: Die akademische Beamtenschaft und der „Reichsbund der höheren Beamten“ in der Weimarer Republik, Göttingen 2001, p. 123. In den Haushaltsjahren 1927/28 und 1928/29 stiegen die Personalausgaben von Reich, Ländern und Gemeinden um fast ein Viertel, von 5,9 Mrd. Reichsmark auf 7,4 Mrd. Reichsmark: Heindl: Haushalte, p. 185 tab. 19. Ibid., p. 8 tab. 3; Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 6sq. Unter Einbezug der Sozialversicherungen sowie unter Bezugnahme auf das Volkseinkommen errechnet einen Anstieg von 16,9 Prozent auf 32,0 Prozent: Witt: Finanzpolitik, p. 393 tab. 1. Cf. James: Weltwirtschaftskrise, p. 67; Witt: Finanzpolitik, p. 387sq; Krohn: Interessen, passim. Witt: Finanzpolitik, p. 393 tab. 1. Die Tatsache, daß die Steuerquote gegenüber der Vorkriegszeit angestiegen war (und sich die Steuereinnahmen während des kurzen Konjunkturaufschwungs erhöhten), sowie die erwähnten Klagen von Zeitgenossen über eine hohe Steuerbelastung ändern nichts an diesem Befund; cf. hierzu die Darlegungen in: Witt: Auswirkungen, p. 8sqq. Cf. dazu aber auch die kritischen Anmerkungen von Witt (ibid., p. 78), demzufolge die zeitgenössischen Statistiken hinsichtlich der Sozialausgaben überzeichnen. Unter anderem umfaßten diese auch Kriegsfolgekosten wie Invalidenrenten oder Pensionen für die infolge der Heeresverkleinerung in den Vorruhestand versetzten Berufssoldaten; diese Kosten beliefen sich durchgängig auf circa sieben Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben. Witt: Finanzpolitik, p. 400. Ambrosius, Gerold: Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, Baden-Baden 1984, p. 193, spricht von „Pichtinvestitionen“, deren Vornahme ohnehin unerläßlich gewesen sei.

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Anmerkungen

Internationale Daten bietet: Schularick, Moritz: Staatsverschuldung in der westlichen Welt (1880-2009), in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 98 (2011), pp. 307-316, hier: p. 310. Eigene Berechnung; Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, pp. 6sq, 313sq; Bachmann: Reichskasse, p. 42 tab. 7. Daten zum Anstieg der vom Reich aufgebrachten Reparationszahlungen: Heindl: Haushalte, p. 189 tab. 19. Die deutsche Handelsbilanz war, wie bereits in der Ära des Kaiserreiches, auch in den „goldenen“ Zwanzigerjahren fast durchgängig passiv. Das Reichsnanzministerium hatte die Auslandsverschuldung deutscher Länder und Gemeinden mittels einer bei ihr angesiedelten, de facto von der Reichsbank gesteuerten „Beratungsstelle“ eng begrenzt. Seit 1925 bedurften jegliche Auslandskredite (und Auslandsanleihen) von Gemeinden, langfristige (seit 1930 auch kurzfristige) Auslandskredite von Ländern und, soweit zur Weitergabe an Gemeinden oder Länder gedacht, auch von Banken ihrer Genehmigung. Der Anteil der kommunalen an allen Auslandsschulden lag Ende 1930 bei unter vier Prozent: Fischer: Landesbank, p. 114. Der seinerzeitige Kapitalmangel hatte selbstredend weitere Ursachen: ibid., pp. 68, 74. Tilly, Richard: Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 2003, p. 176 sqq. Deutsche Reichsbank (ed.): Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, II. Teil: Statistiken, Berlin 1934, p. 462sq. Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 7. Petzina: Wirtschaft, p. 96. Höhne, Heinz: „Gebt mir vier Jahre Zeit“: Hitler und die Anfänge des Dritten Reiches, Berlin 2 1999, p. 17. Scherf, Wolfgang: Gute Schulden – schlechte Schulden: Die Staatsverschuldung als Instrument der Wirtschaftspolitik, Gießen 2010, p. 2. Ibid. Datenquelle: Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, p. 313sq. Fischer: Landesbank, p. 78. Gerteis, Walter: Die Währungs- und Kreditpolitik Deutschlands: Frühjahr 1930 bis Frühjahr 1932, Würzburg 1934, p. 62sqq. Wegerhoff, Susanne: Die Stillhalteabkommen 1931-33: Internationale Versuche zur Privatschuldenregelung unter den Bedingungen des Reparations- und Kriegsschuldensystems, Diss. München 1982, p. 53sqq; Statistisches Reichsamt (ed.): Öffentlicher Kredit und Wirtschaftskrise: Ergebnisse der Reichsschuldenstatistik 1929 bis 1932 und Zusammenstellung der Rechtsvorschriften über das öffentliche Schuldenwesen, Berlin 1933, p. 113sqq. Fischer, Albert: Der Kollaps vor dem Kollaps: Zwei Akzentverschiebungen in Sachen Bankenkrise, in: Bankhistorisches Archiv: Zeitschrift für Bankengeschichte, vol. 26 (1999), pp. 5-22, hier: p. 11sqq; Born, Karl Erich: Die deutsche Bankenkrise 1931: Finanzen und Politik, München 1967, p. 96sqq. Henning, Friedrich-Wilhelm: Börsenkrisen und Börsengesetzgebung von 1914 bis 1945 in Deutschland, in: Pohl, Hans (ed.): Deutsche Börsengeschichte, Frankfurt am Main 1992, pp. 209-290, hier: p. 265. Fischer: Landesbank, p. 270sqq. Bachmann: Reichskasse, p. 325. Cit. Petzina: Wirtschaft, p. 102. So wurde Brüning bereits von Zeitgenossen tituliert.

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Schaefer, Rainer: Parlamentarische Lähmungskrise und Etablierung der Präsidialkabinette, in: Jasper, Gotthard et al. (edd.): Die Weimarer Republik, vol. 3: Das Ende der Demokratie, München 1995, pp. 315-354, hier: p. 330. Clingan: Finance, p. 167sqq. Ibid. Adamy, Wilhelm / Steffen, Johannes: Arbeitsmarktpolitik in der Depression: Sanierungsstrategien in der Arbeitslosenversicherung 1927-1933, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, vol. 15 (1982), pp. 276-291, hier: p. 288. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, vol. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, München 2003, p. 517. Witt: Finanzpolitik, p. 391. Keese, Dietmar: Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen für das Deutsche Reich in den Jahren 1925-1936, in: Conze, Werner / Raupach, Hans (edd.): Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reichs 1929/33, Stuttgart 1967, pp. 35-81, hier: p. 58. Blaich, Fritz: Der Schwarze Freitag: Ination und Wirtschaftskrise, München 2 1990, p. 99. Huck, Norbert: Wirtschaftspolitik zwischen Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise, in: Tilly, Richard H. (ed.): Geschichte der Wirtschaftspolitik: Vom Merkantilismus zur Sozialen Marktwirtschaft, München 1993, pp. 104-147, hier: pp. 135, 137. Andererseits trug diese Maßnahme dazu bei, daß Anleihen auch nach der Wiedereröffnung des Wertpapierhandels kaum plaziert werden konnten. Fischer: Landesbank, p. 280sq. Und, so: Balderston: Economics, p. 98: „No consensus [. . . ] is in sight.“ Cf. unter anderem: Borchardt, Knut: Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1979, pp. 85-132; James, Harold: Gab es eine Alternative zur Wirtschaftspolitik Brünings?, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 70 (1983), pp. 523-541; Ritschl, Albrecht: Deutschlands Krise und Konjunktur 1924-1934: Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre, Berlin 2002, passim; konträr: Holtfrerich, Carl-Ludwig: Alternativen zu Brünings Politik in der Weltwirtschaftskrise, in: Historische Zeitschrift, vol. 235 (1982), pp. 605631; Büttner, Ursula: Politische Alternativen zum Brüningschen Deationskurs: Ein Beitrag zur Diskussion über „Ökonomische Zwangslagen“ in der Endphase von Weimar, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, vol. 37 (1989), pp. 209-251; Meister, Rainer: Die große Depression: Zwangslagen und Handlungsspielräume der Wirtschaftsund Finanzpolitik in Deutschland 1929-1932, Regensburg 1991. Allgemein zu den Effekten einer prozyklischen Politik: Scherf: Schulden, p. 7. Holtfrerich, Carl-Ludwig: Zur Debatte über die deutsche Wirtschaftspolitik von Weimar zu Hitler, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, vol. 44 (1996), pp. 119-132, hier: p. 126; die Geldmenge M1 sank von Ende 1929 bis Anfang 1933 um 36 Prozent, die Geldmenge M2 um 43 Prozent. Schulz, Gerhard: Inationstrauma, Finanzpolitik und Krisenbekämpfung in den Jahren der Wirtschaftskrise, 1930-1933, in: Feldman (ed.): Nachwirkungen, pp. 261-296, hier: p. 271. Huck: Wirtschaftspolitik, p. 141sq. Blaich: Freitag, p. 106; cf. sehr dezidiert dazu auch: Wehler: Gesellschaftsgeschichte, p. 516sqq. Heyde, Philipp: Das Ende der Reparationen: Deutschland, Frankreich und der YoungPlan 1929-1932, Paderborn et al. 1998, p. 442. Bachmann: Reichskasse, p. 329sq.

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Anmerkungen

Daß die Handelsbilanz gleichwohl aktiviert wurde, lag daran, daß die deutschen Importe noch stärker zurückgingen als die Exporte. Heindl: Haushalte, pp. 322sq, 328sq, 334sq, 342sq, 350sq, 358sq, 366sq, 374sq. Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Hand in den Haushaltsjahren 1929/1930-1932/1933 in Mio. Reichsmark

Gesamt* Ausg. Einn. 1929/30 1930/31 1931/32 1932/33

20.867 20.406 17.013 14.535

19.922 19.256 16.366 13.724

Reich Ausg. Einn.

Länder Ausg. Einn.

Gemeinden Ausg. Einn.

8.043 8.163 6.625 5.735

4.564 4.487 3.910 3.349

8.461 8.082 6.998 6.289

7.598 7.532 6.442 5.592

4.413 4.298 3.797 3.215

8.120 7.784 6.691 5.795

*Die Gesamteinnahmen und -ausgaben sind in dieser Darstellung um wechselseitig erstattete Beträge bereinigt und auf Mio. Reichsmark gerundet. 123 124 125

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Datenbasis: Deutsche Bundesbank: Geld- und Bankwesen, pp. 6sq, 313sq. Blaich: Freitag, p. 101. Ullmann: Steuerstaat, p. 135; Hattenhauer, Hans: Bonn und Weimar, in: Lingelbach (ed.): Staatsnanzen, pp. 145-165, hier: p. 153. Tatsächlich „stieg die reale Belastung der Wirtschaft und der großen Einkommen und Vermögen mit Steuern und Beiträgen zum Sozialversicherungssystem [...] seit 1928/29 nicht mehr wesentlich und sank seit 1930/31“: Witt: Auswirkungen, pp. 76, 90 tab. 6. Petzina: Wirtschaft, p. 104sq; speziell zur Landwirtschaft: Merkenich, Stephanie: Grüne Front gegen Weimar: Reichs-Landbund und agrarischer Lobbyismus 1918-1933, Düsseldorf 1998, passim. Walter, Rolf: Wirtschaftsgeschichte: Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Köln/ Weimar/Wien 5 1995, p. 190sqq. Ibid.; Witt: Auswirkungen, p. 46. Henning, Friedrich-Wilhelm: Die zeitliche Überwindung der Weltwirtschaftskrise in Deutschland, in: Winkel (ed.): Zwischenkriegszeit, pp. 135-173, hier: p. 172. Anders argumentiert: Buchheim, Christoph: Die Erholung von der Weltwirtschaftskrise 1932/33 in Deutschland, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2003/1, pp. 13- 26, hier: p. 26. Witt: Finanzpolitik, p. 397.

Georg Eckert V T  S: Z  P  S   1960 J 1

Diese Zahlen folgen der Darstellung des Statistischen Bundesamtes, via: https://www. destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/ OeffentlicheFinanzen/Schulden/Tabellen/SchuldenOeffentlHaushalte_2010.ht ml (24. Juli 2012).

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Eckert: Vom Ticken der Schuldenuhr (pp. 223-232) 2

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Keynes, John Maynard: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 11 2009, p. 24. Straubhaar, Thomas / Wohlgemuth, Michael / Zweynert, Joachim: Rückkehr des Keynesianismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, no. 20/2009, 11. Mai 2009, pp. 19-26, hier: p. 23. Hansmann, Marc: Vor dem dritten Staatsbankrott?: Der deutsche Schuldenstaat in historischer und internationaler Perspektive, München 2012, p. 24. Der hier genannte Titel eignet sich zur Einführung in ein mittlerweile von der Forschung in unterschiedlichen Disziplinen intensiv bearbeitetes Thema, dessen größeren Kontext zum Beispiel folgende Überblickswerke behandeln: Ullmann, Hans-Peter: Der deutsche Steuerstaat: Geschichte der öffentlichen Finanzen vom 18. Jahrhundert bis heute, München 2005; Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte: Von 1945 bis zur Gegenwart, München 2 2011. Aus der umfassenden Literatur sind jene Darstellungen hervorzuheben, die den Ausbau der Staatsverschuldung sowohl mit dem ökonomischen Dogmenwandel als auch mit neuen politischen Ordnungsmustern in Verbindung bringen – so etwa: Nützenadel, Alexander: Stunde der Ökonomen: Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949-1974, Göttingen 2005. Die Vorbereitung der keynesianistischen Wende im Erhard’schen Wirtschaftsministerium der späten 1950er Jahre analysiert detailliert: Löfer, Bernhard: Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis: Das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard, Stuttgart 2002. Beck, Hanno / Prinz, Aloys: Staatsverschuldung: Ursachen, Folgen, Auswege, München 2011, p. 44. Auch diese Zahlen entstammen den Angaben des Statistisches Bundesamtes, via: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/EU Stabilitaetspakt/Tabellen/ DezitSchuldenEU.html (24. Juli 2012). Die genannten Zahlen stammen aus dem Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012, beschlossen vom Bundestag am 22. Dezember 2011, via: http://www. bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Bundeshaushaltsplan/ Haushaltsplan-2012.pdf (24. Juli 2012). Schularick, Moritz: Staatsverschuldung in der westlichen Welt (1880-2009), in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, vol. 98 (2011), pp. 307-316, hier: p. 310. http://www.durst.org/about/clock.php (24. Juli 2012). Cf. http://www.spiegel. de/wirtschaft/rekorddefizit-new-yorker-schuldenuhr-gehen-die-stellen-aus-a-5831 97.html (23. Juli 2012). Bund der Steuerzahler, via: http://www.steuerzahler.de/Schuldenuhr-rast-mit-2660 -Euro-pro-Sekunde-im-Rekordtempo/8353c485/index.html (23. Juli 2012). So rechnet der Bund der Steuerzahler, via: http://www.steuerzahler.de (02. September 2012). Büttner, Ursula: Weimar: Die überforderte Republik 1918-1933: Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, p. 390sq. Gall, Lothar: Der Bankier: Hermann Josef Abs: Eine Biographie, München 2004,pp. 164-206, hier insbesondere: p. 195sq. Goschler, Constantin: Schuld und Schulden: Die Politik der Wiedergutmachung für NS-Verfolgte seit 1945, Göttingen 2005, p. 487. Fisch, Jörg: Von der Schwächung des Gegners zur Stärkung des Verbündeten: Die USA und die deutschen Reparationen, in: Junker, Detlef (ed.): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945-1990: Ein Handbuch, vol. 1: 1945-1968, Stuttgart/München 2001, pp. 424-434, hier: p. 433sq. Rund die zehnfache Höhe der Demontagen im Westen war in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise in der DDR erreicht worden: Wehler, Hans-Ulrich: Deut-

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Anmerkungen

sche Gesellschaftsgeschichte, vol. 5: Bundesrepublik und DDR 1949-1990, München 2008, p. 90. Protokoll des Gesprächs vom 16. Dezember 1950, in: Mensing, Peter (ed.): Konrad Adenauer – Theodor Heuss: Unter vier Augen: Gespräche aus den Gründerjahren 1949-1959, Berlin 1999, p. 48. Henzler, Christoph: Fritz Schäffer 1945-1967: Eine biographische Studie zum ersten bayerischen Nachkriegs-Ministerpräsidenten und ersten Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, München 1991, p. 516. Koerfer, Daniel: Kampf ums Kanzleramt: Erhard und Adenauer, Stuttgart 2 1988, p. 88sq. Franzen, Klaus: Zur Geschichte unserer gegenwärtigen Staatsverschuldung, in: Lingelbach, Gerhard (ed.): Staatsnanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2000, pp. 107-122, hier: pp. 109, 115. Schäffer, Fritz: Das Märchen vom Juliusturm, in: Die Zeit, no. 3, 19. Januar 1956, p. 1. Löfer: Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, p. 586. Goldschmidt, Nils: Wirtschaft und Gesellschaft miteinander versöhnen: Protestantische Wurzeln und katholische Zweige der Sozialen Marktwirtschaft, in: Hochgeschwender, Michael / Löfer, Bernhard (edd.): Religion, Moral und liberaler Markt: Politische Ökonomie und Ethikdebatten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bielefeld 2011, pp. 205-219, hier: p. 207. Abelshauser: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, pp. 292-299. Nützenadel: Stunde der Ökonomen, p. 62. Franzen: Zur Geschichte unserer gegenwärtigen Staatsverschuldung, p. 115. Ullmann: Der deutsche Steuerstaat, p. 192sq. Nützenadel: Stunde der Ökonomen, p. 357. Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 08. Juni 1967, in: Bundesgesetzblatt I, 1967, pp. 582-589, hier: p. 582. Rieter, Heinz: Die währungspolitische Maxime der Deutschen Bundesbank aus ideengeschichtlicher Sicht, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2009, pp. 151-176, hier: p. 165sq. Lütjen, Torben: Karl Schiller (1911-1994): „Superminister“ Willy Brandts, Bonn 2007, p. 307. Schlecht, Otto: Staatsverschuldung – ein Übel?, in: Bulletin der Bundesregierung, no. 54, 04. Mai 1968, pp. 442-444. Eine Biographie Otto Schlechts (1925-2003), der vielleicht wie kein anderer Beamter die deutsche Wirtschaftspolitik über Jahrzehnte mitgestaltet hat, steht aus und darf getrost als Desiderat bezeichnet werden: Der Volkswirt Schlecht, seit 1953 Referent im Wirtschaftsministerium, wurde im Jahre 1973 zum Staatssekretär ernannt und schied in dieser Funktion erst im Jahre 1991 aus dem Dienst aus. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 444. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 442. Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit: Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, p. 195. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 442. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, pp. 442, 444. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 442sq. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 443. Schanetzky, Tim: Die große Ernüchterung: Wirtschaftspolitik, Expertise und Gesellschaft in der Bundesrepublik 1966 bis 1982, Berlin 2007, p. 269. Schlecht: Staatsverschuldung – ein Übel?, p. 443. Strauß, Franz Josef: Finanzpolitik: Theorie und Wirklichkeit, Berlin/Frankfurt am Main 1969, p. 39.

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Knipping / Detert: Zur europäischen Krise (pp. 233-247) 43 44

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Nützenadel: Stunde der Ökonomen, p. 354. Frisby, David P. / Köhnke, Klaus Christian (edd.): Georg Simmel: Gesamtausgabe, vol. 6: Die Philosophie des Geldes, Frankfurt am Main 1989, p. 612. Kielmansegg, Peter Graf: Demokratieprinzip und Regierbarkeit, in: Hennis, Wilhelm / Kielmansegg, Peter Graf / Matz, Ulrich (edd.): Regierbarkeit: Studien zu ihrer Problematisierung, vol. 1, Stuttgart 1977, pp. 118-149, hier: p. 130. Cf. grundsätzlich auch: Weizsäcker, Robert K. von: Staatsverschuldung und Demokratie, in: Kyklos, vol. 45 (1992), pp. 51-67. Darauf verweist etwa pointiert: Warnke, Martin: Demokratie, in: Fleckner, Uwe et al. (edd.): Handbuch der politischen Ikonographie, vol. 1, München 2011, pp. 226-234, hier: p. 232.

Franz Knipping / Lars Detert G B   K 1

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Text in: Europa: Dokumente zur Frage der europäischen Einigung, ed. im Auftrag des Auswärtigen Amts, 3 voll., Bonn 1962, hier: vol. 1, pp. 29-40. Umfassend behandelt diese Ursprünge: Fleury, Antoine (ed.): Le Plan Briand d’Union fédérale européenne, Bern et al. 1998. Nach: Steindorff, Ernst (ed.): Europa-Recht: Verträge und Erklärungen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, Abkommen über gemeinsame Organe, Satzung des EWG-Gerichtshofes und Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, München 1965, p. 165sq. Ibid., p. 59sq. Perron, Régine: Le discret projet de l’intégration européenne monétaire (1963-1969), in: Loth, Wilfried (ed.): Crises and Compromises: The European Project 1963-1969, Baden-Baden/Brüssel 2001, pp. 345-367; Bossuat, Gérard: Jean Monnet et l’identité monétaire européenne, in: Bossuat, Gérard / Wilkens, Andreas (edd.): Jean Monnet, l’Europe et les chemins de la Paix, Paris 1999, pp. 369-398. Ibid. Wilkens, Andreas: Der Werner-Plan: Währung, Politik und Europa 1968-1971, in: Knipping, Franz / Schönwald, Matthias (edd.): Aufbruch zum Europa der zweiten Generation: Die europäische Einigung 1969-1984, Trier 2004, pp. 217-244; Ungerer, Horst: A Concise History of European Monetary Integration, Westport (Connecticut)/London 1997, pp. 97-117. Der Text des Werner-Plans ist etwa zu nden in: Schwarz, Jürgen (ed.): Der Aufbau Europas: Pläne und Dokumente 1945-1980, Bonn 1980, no. 49, pp. 429-443. Ludlow, Peter: The Making of the European Monetary System, London et al. 1982; Dyson, Kenneth: Elusive Union: The Process of Economic and Monetary Union in Europe, London/New York 1994. Knipping, Franz: Rom, 25. März 1957: Die Einigung Europas, München 2004, p. 239sqq. Müller-Roschach, Herbert: Die deutsche Europapolitik 1949-1977, Bonn 1980, pp. 248-254. Perron: Le discret projet, pp. 363-364. Ibid.; Gerbet, Pierre: La construction de l’Europe, Paris 2 1994, p. 342. Cf. Schwarz (ed.): Der Aufbau Europas.

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Anmerkungen

Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang (edd.): Jahrbuch der Europäischen Integration, vol. 1987/1988, p. 135sqq; ibid., vol. 1988/1989, p. 410. Der Text dieses Berichts ist zu nden in: Europa-Archiv, no. 10/1989, pp. 283-304, auch via: http: //aei.pitt.edu/1007/1/monetary_delors.pdf (17. September 2012). Jahrbuch der Europäischen Integration, vol. 1989/1990, p. 408sq. Dyson, Kenneth / Featherstone, Kevin: The Road to Maastricht: Negotiating Economic and Monetary Union, Oxford 1999, passim; Ungerer: A Concise History, pp. 209228. Krägenau, Henry / Wetter, Wolfgang: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: Vom Werner-Plan zum Vertrag von Maastricht, Baden-Baden 1993, pp. 76-86. Der Vertragstext ist nachzuschlagen: ibid., pp. 232-303. Knipping: 25. März 1957, pp. 289-297. Ibid., p. 249sqq. Dieser Text ist beispielsweise zu nden via: european-council.europa.eu/media/ 639244/04_-_tscg.de.12.pdf (17. September 2012). Schabert, Tilo: Wie Weltgeschichte gemacht wird: Frankreich und die deutsche Einheit, Stuttgart 2002, p. 178sq; Védrine, Hubert: Les mondes de François Mitterrand, Paris 1996, p. 419sq; Gerbet: La construction, p. 436sqq; Knipping: 25. März 1957, p. 240sq. Hierzu cf. jetzt: Schwarz, Hans-Peter: Helmut Kohl: Eine politische Biographie, Stuttgart 2012. Knipping: 25. März 1957, p. 244sqq. Materialien zu dem Thema sind erhältlich via: http://www.spiegel.de/wirtschaft/ stabilitaetspakt-schroeder-will-freie-hand-a-337053.html (17. September 2012). Knipping: 25. März 1957, passim. Weisenfeld, Ernst: Charles de Gaulle: Der Magier im Elysee, München 1990. Sarrazin, Thilo: Europa braucht den Euro nicht: Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat, München 2012, p. 196sqq et passim.

Paul J. J. Welfens D S   EU   E-Z 1

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Committee for the Study of Economic and Monetary Union (Jacques Delors, Chairman): Report on Economic and Monetary Union in the European Community, Presented April, 17, 1989. Deutsche Bundesbank: The euro ten years on the german economy in monetary union, in: Deutsche Bundesbank Monthly Report, December, pp. 31-47. Domar, Evsey D.: The burden of the debt and national income. in: American Economic Review, vol. 34 (1944), pp. 798-827. Goodhart, Charles Albert Eric: The background to the 2007 nancial crisis. in: International Economics and Economic Policy, vol. 4 (2008), pp. 331-346. Welfens, Paul J. J.: Transatlantische Bankenkrise, Heidelberg 2009 Reinhart, Carmen M. / Rogoff, Kenneth S.: This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly, Princeton 2009. European Commission: Emu@10 successes and challenges after 10 years of economic and monetary union. European Economy, Vol. 2 (2008). Welfens, Transatlantische Bankenkrise, p. 158sq. OECD: Euro Area, in: OECD Economic Surveys, (2012).

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Welfens: Die Staatsschuldenkrise in der EU (pp. 249-271) 10

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Deutsche Bundesbank: Yields on bunds under safe haven effects. in: Deutsche Bundesbank Monthly Report, October 2008, p. 30sq. Welfens, P. J. J.: Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Euro-Staatsschuldenkrise und neue Instrumente der Staats-Finanzierung in der EU, Wuppertal 2012 (Unpublished Research Paper). Sachverständigenrat: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2011. Quelle: Ameco Datenbank. Quelle: Ameco Datenbank.

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Autorenverzeichnis Thorsten Beigel hat Alte Geschichte, Latein und Politikwissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg studiert, wo er mit einer Arbeit zur Alimentarinschrift von Veleia promoviert wurde. Er war Wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der TU Braunschweig und ist seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Bergischen Universität Wuppertal tätig. Seine Schwerpunkte sind die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie die Rezeptionsgeschichte der Antike. Lars Detert ist Doktorand und Wissenschaftliche Hilfskraft an der Bergischen Universität Wuppertal. Er besitzt einen Magisterabschluß in den Fächern Geschichte, Neuere deutsche Literaturgeschichte und Philosophie. Georg Eckert hat in Tübingen sowie in Brighton (GB) Geschichte und Philosophie studiert und ist an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen mit der Studie: „True, Noble, Christian Freethinking“: Leben und Werk Andrew Michael Ramsays (1686-1743) promoviert worden. Seit 2009 forscht und lehrt er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Geschichte der Frühen Neuzeit am Historischen Seminar der Bergischen Universität Wuppertal, insbesondere zur politischen und zur Geistesgeschichte der Sattelzeit. Armin Eich ist Professor für Alte Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Nach seinem Studium in Köln war er als Assistent am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Passau tätig, wo er 1998 mit seiner Dissertation über „Politische Literatur in der römischen Gesellschaft“ promoviert wurde und sich 2003 mit einer Arbeit über „Die politische Ökonomie des antiken Griechenland“ habilitierte. Seine Forschungsschwerpunkte sind die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte und die griechische Epigraphik. Albert Fischer wurde 1996 von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena aufgrund seiner Dissertation zur Rolle der öffentlichen Banken und der Rheinischen Landesbank in der Bankenkrise der 1930er Jahre zum Dr. rer. pol. promoviert und 2002 aufgrund seiner Studie zur Frühzeit der Luftverkehrsmärkte („Luftverkehr zwischen Markt und Macht“) habilitiert. Er ist Lehrer an der ArnoldiSchule in Göttingen, Fachleiter am Studienseminar Braunschweig LbS

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und Privatdozent für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und ihre Didaktik an der Bergischen Universität Wuppertal. Michael Hochgeschwender, geboren 1961, hat in Würzburg Katholische Theologie, Geschichte und Religionsgeschichte studiert. In Tübingen promovierte er 1996 zur westdeutschen Zeitgeschichte nach 1954, ebendort wurde er 2003 mit einer Arbeit zur Haltung der amerikanischen Katholiken in der Sklavenfrage habilitiert. Seit 2004 ist er Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Spezialgebiete sind amerikanische Religionsgeschichte, die Politik-und Sozialgeschichte der Vorbürgerkriegs- und Bürgerkriegszeit in den USA sowie die Kulturgeschichte des Ökonomischen. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der Amerikanischen Revolution. Moritz Isenmann hat in Rom und Freiburg im Breisgau Geschichte und Romanistik studiert. Mit der Arbeit: Legalität und Herrschaftskontrolle (1200-1600): Eine vergleichende Studie zum Syndikatsprozess: Florenz, Kastilien und Valencia (erschienen 2010) wurde er 2008 am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz promoviert. Seither Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln, forscht er aktuell als Stipendiat der Humboldt-Stiftung in Paris über die französische Wirtschaftsund Handelspolitik im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Jochen Johrendt ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Er wurde 1973 geboren und studierte in Erlangen, Liverpool und München die Fächer Deutsch und Geschichte. Zu seinen aktuellen Forschungsprojekten gehören eine Edition der Gesta Innocentii III papae, die Beziehungen der Päpste zu den Königen und Kaisern bis 1198, eine Untersuchung zur päpstlichen Kapelle sowie das Thema Königtum und Geld im Früh- und Hochmittelalter. Arne Karsten hat Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Göttingen, Rom und an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert. Von 2001 bis 2009 leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts „REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“ (www.requiem-projekt.de) am Seminar für Kunstgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, ist er seit dem Wintersemester 2009/2010 Junior-Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Bergischen Universität Wuppertal. Franz Knipping ist seit 2010 Professor emeritus für Neuere und Neueste Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal, danach Seniorprofessor und Jean-Monnet-Professor. Er studierte in Münster, Tübingen und Paris die Fächer Geschichte, Romanistik und Politikwissenschaft

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und war zunächst Professor für Zeitgeschichte in Tübingen. Zahlreiche Gastprofessuren. Publikationen zur deutschen, französischen und amerikanischen Geschichte, zur Geschichte der internationalen Beziehungen und der europäischen Integration. Michalis Psalidopoulos ist Professor für die Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen an der Universität Athen und war Inhaber des Konstantin-Karamanlis-Lehrstuhls an der Fletcher School, Tufts University in den USA von 2010 bis 2012. Er ist Herausgeber der Bände: A world of crisis and shifting geopolitics: Greece, the Eastern Mediterranean and Europe, Medford 2012 (Fletcher School) und: The Great Depression in Europe: Economic Thought and Policy in a National Context, Athen 2012 (Alpha Bank). Sein letztes Buch war: Monetäres Management und ökonomische Krise: Die Politik der Bank von Griechenland 1929-1941, Athen 2011(Bank von Griechenland, auf Griechisch). Korinna Schönhärl studierte Geschichte und Germanistik in Regensburg mit einem Gastsemester an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. Nach dem Referendariat für Lehramt am Gymnasium promovierte sie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main mit einer Arbeit über die Ökonomen im Kreis um den symbolistischen Dichter Stefan George. Seit 2009 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Forschungsprojekt trägt den Titel: Finanziers in Sehnsuchtsräumen: Europäische Banken und Griechenland im 19. Jahrhundert. Paul J. J. Welfens ist Präsident des Europäischen Instituts für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW, www.eiiw.eu) und Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomik sowie Jean-Monnet-Professor an der Bergischen Universität Wuppertal. 2007/2008 hatte er die Alfred-GrosserProfessur (Sciences Po) in Paris inne. Er ist zudem Research Fellow am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn und NonResident Senior Fellow (American Institute for Contemporary German Studies) an der Johns-Hopkins-University in Washington, D.C. Alexander Will ist 1970 in Leipzig geboren und hat Islamwissenschaft in Hamburg, Middle Eastern Studies mit den Schwerpunkten Geschichte, islamisches Recht und Wirtschaft in Jerusalem und London studiert. Promoviert wurde er an der Universität des Saarlandes. Er war Volontär bei der Deutschen Welle und ist jetzt in leitender Position bei der Saarbrücker Zeitung in Saarbrücken tätig. Als freier Historiker forscht er mit den Schwerpunkten Naher und Mittlerer Osten im 19. und 20. Jahrhundert, Adelsgeschichte sowie Militärgeschichte.

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Der einfachen Benutzbarkeit halber sind Herrscher und Mitglieder von Herrscherhäusern unter ihren Vornamen, antike und mittelalterliche Personen unter ihren gängigen Namen angeführt. Abdulaziz II. (Osmanisches Reich), 165, 176 Abdulhamid II. (Osmanisches Reich), 173 Abdulmecid I. (Osmanisches Reich), 169, 176 Abs, Hermann Josef, 226 Addison, Joseph, 129 Adenauer, Konrad, 226sq A¨ etius, 69 Aischines, 40 Alberich, 292n Alexander III. der Große (Makedonien), 42 Alexander VII. Chigi (Papst), 85sq, 91–94, 96, 297n Alkibiades, 37 Anastasius I. (Oströmisches Reich), 69 Anna I. (England), 113, 116, 125 Antoninus Pius (Römisches Reich), 58, 63 Apollodoros, 42 Aristophanes, 281n Astronomus, 73sq Athanarich, 69 Augustus (Römisches Reich), 52–57, 60–62

Barre, Raymond, 236 Barroso, José Manuel, 257 Baudelaire, Charles, 27 Bernhard von Italien, 74 Bernini, Gianlorenzo, 85, 93 Bismarck, Otto von, 22, 160 Bleichröder, Gerson von, 160 Bodin, Jean, 100 Boeckh, August, 46, 147 Boisguilbert, Pierre de, 101 Bonifaz IX. Tomacelli (Papst), 89 Bonifaz von Tuszien, 292n Borromini, Francesco, 85 Boyer, Abel, 113, 126 Brandt, Willy, 229 Brasidas, 37 Briand, Aristide, 233 Briscoe, John, 119 Br¨ uning, Heinrich, 24, 216–221, 324n Brunichilde, 289n Burckhardt, Jacob, 8 Bush, George W., 195sq Caesar, Gaius Iulius, 52sq Calonne, Charles Alexandre de, 136 Cantillon, Richard, 108

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Caracalla (Römisches Reich), 59 Carl Theodor von Dalberg, 10 Cassius Dio, 285n Chigi, Fabio, 297n Childerich I., 69 Chilperich (Burgunderreich), 69 Chilperich I. (Frankenreich), 70, 289n Chlodovech, 289n Chlothachar, 289n Chlothar I., 70 Cicero, Marcus Tullius, 274n Clay, Henry, 189 Clemens VII. de’Medici (Papst), 90sq Clemens VIII. Aldobrandini (Papst), 91 Clement, Simon, 125 Clinton, William J. „Bill“, 193 Cobbett, William, 132, 142, 145–147 Colbert, Jean-Baptiste, 101 Coler, Johannes, 21 Commodus (Römisches Reich), 59 Daumier, Honoré, 4 Davenant, Charles, 120 Dedi, 292n Defoe, Daniel, 114, 122, 126–129 Deliyannis, Theodoros, 157, 161 Delors, Jacques, 237sq, 241, 249 Demades, 46 Demosthenes, 40–43, 46–48 Desideratus von Verdun, 70 Domar, Evsey, 251 Domitian (Römisches Reich), 59, 62

Draghi, Mario, 262 Durst, Seymour B., 224 Dutot, Nicolas, 104 Ebbo von Reims, 75 Eisenhower, Dwight D., 191, 195 Ekkehard II. (Meißen), 77 Endres, Franz Carl, 167, 172 Ephialtes, 30 Erchonaldus, 292n Erhard, Ludwig, 227sq Erzberger, Matthias, 206 Eubulos, 40sq, 281n Eumenes von Kardia, 5 Fleury, Jean-François Joly de, 135 Forbonnais, François Véron de, 107–109, 300n Franz I. (Frankreich), 99 Franz I. Stephan (Heiliges Römisches Reich), 10 Frechulf von Lisieux, 290n Friedman, Milton, 195 Friedrich I. Barbarossa (Heiliges Römisches Reich), 78–82, 294n Friedrich II. (Heiliges Römisches Reich), 68 Frutolf von Michelsberg, 290n Fuad Pascha, Mehmet, 165, 170sq, 174, 182 Gaulle, Charles de, 240, 243sq Gebhard von Konstanz, Gebhard II. von Bregenz, 78 Georg I. (Griechenland), Georg von Dänemark, 154 Georg I. (Großbritannien), Georg I. von BraunschweigLüneburg, 129 Georg I. der Reiche (Bayern), 71

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Georg III. (Großbritannien), Georg von BraunschweigLüneburg, 116, 138 George, Stefan, 27 Giscard d’Estaing, Valéry, 235 Godegisil, 69 Godomar, 69 Goldscheid, Rudolf, 23 Gregor von Tours, 68–72, 75, 81–83 Gresham, Thomas, 168 Gundevech, 69 Gundobald, 69, 289n Hadrian (Römisches Reich), 58, 62 Hamilton, Alexander, 132, 139–142, 185–188, 190, 194, 197 Hankel, Wilhelm, 276n Harley, Robert, 125sq Hayek, Friedrich August von, 19 Heinrich II. (Heiliges Römisches Reich), 66 Heinrich III. (Heiliges Römisches Reich), 76 Heinrich V. (Heiliges Römisches Reich), 79 Heinrich VI. (Heiliges Römisches Reich), 84, 294n Hemma, 292n Henriette Maria Stuart, 115 Hermann von Reichenau, 77 Heuss, Theodor, 226 Hilferding, Rudolf, 211sq Hinkmar von Reims, 73, 291n Hitler, Adolf, 220 Hrabanus Maurus, 71 Hume, David, 24, 106–110, 147 Innozenz VIII. Cibo (Papst), 89

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Innozenz XI. Odescalchi (Papst), 296n Isidor von Sevilla, 291n Isokrates, 40, 282n Jackson, Andrew, 142, 187, 190, 194 Jakob II. (England), 113, 115–118, 120 Jakob (III.) Stuart, 117, 129 Jay, John, 140 Jefferson, Thomas, 141, 184, 186–188, 194 Johannes von Ford, 290n Johnson, Lyndon B., 194sq Julius II. della Rovere (Papst), 90 Justi, Johann Heinrich Gottlob von, 9, 15 Justinian I. (Oströmisches Reich), 71 Justinus II. (Oströmisches Reich), 71 Karl I. (England), 11, 115 Karl I. Albrecht (Bayern), Karl VII. (Heiliges Römisches Reich), 22 Karl I. Alexander (Württemberg), 17 Karl I. der Große (Heiliges Römisches Reich), 75 Karl II. (England), 115 Karl III. (Heiliges Römisches Reich), 75, 291n Karl V. (Heiliges Römisches Reich), 91 Karl VIII. (Frankreich), 98 Katharina II. die Große (Rußland), 18 Keynes, John Maynard, 19, 25, 111, 204, 223, 231 Kleisthenes, 30sq

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Kleon, 36sq K¨ ohler, Heinrich, 212 K¨ onigin von Saba, 71 Kohl, Helmut, 240sq Konrad II. (Heiliges Römisches Reich), 66, 76sq Konrad III. (Heiliges Römisches Reich), 80sq Konstantin der Große (Römisches Reich), 60 Konstantin I. (Griechenland), 160 La¨ ertes, 27 Lammert, Norbert, 278n Landmann, Julius, 14, 27 Law, John, 4, 16, 24, 102–105, 107–109, 111, 130, 300n Leber, Julius, 205 Leo III. (Papst), 74 Leo X. de’Medici (Papst), 90 Leopold V. (Österreich), 294n Livius, Titus, 50 Locke, John, 122sq Lothar II. (Heiliges Römisches Reich), 72 Lothar III. (Heiliges Römisches Reich), 78, 81 Luca, Giovanni Battista de, 92 Lucius Verus (Römisches Reich), 285n Ludwig I. (Bayern), 150 Ludwig I. der Fromme (Heiliges Römisches Reich), 73–75 Ludwig II. (Bayern), 22 Ludwig II. der Deutsche (Ostfrankenreich), 75 Ludwig IX. (Frankreich), 97 Ludwig XIV. (Frankreich), 16, 100sq, 103, 117–119, 124, 130

Ludwig XVI. (Frankreich), 132, 136sq Luther, Hans, 207sq, 322n Luxemburg, Rosa, 23 Lykurg, 42, 281n Macaulay, Thomas Babington, 144, 302n Madison, James, 140, 187sq Mahmud Nedim Pascha, siehe Nedim Pascha Maistre, Joseph de, 279n Manes, Alfred, 13, 22 Marc Aurel (Römisches Reich), 59, 63, 285n Marcus Antonius (Römisches Reich), 52 Maria II. (England), 113, 116sq Maria Theresia von Österreich, 10 Marlborough, John Churchill, Duke of, 124 Martin V. di Colonna (Papst), 98 Marx, Karl, 20, 147 Mathy, Karl, 147sq Maximilian I. (Heiliges Römisches Reich), 21 Maximilian II. Emanuel (Bayern), 15 Mehmet Fuad Pascha, siehe Fuad Pascha Melon, Jean-François, 105–107, 109–111 Merkel, Angela, 21, 244sq, 264, 268 Mieszko II. Lambert (Polen), 77 Mill, James, 145 Mirabeau, Gabriel de Riqueti, Comte de, 134 Mitterand, François, 240 Mommsen, Theodor, 22

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Monnet, Jean, 234, 246 Montagu, Charles, 124 Montesquieu, Charles Secondat, Baron de, 24, 106sq, 110 Monti, Mario, 21 M¨ uller, Adam, 8 M¨ uller, Hermann, 216 Musil, Robert, 24 Napoleon Bonaparte, Napoleon I. (Frankreich), 137 Necker, Jacques, 8, 132–136, 141sq Nedim Pascha, Mahmud, 169 Nero (Römisches Reich), 54, 61sq Neurath, Otto, 26 Newton, Isaac, 123, 127 Nikias, 37 Nixon, Richard M., 17, 111 Nordhaus, William D., 203 Notker Balbulus, 75 Nuri, Jalal, 172 Obama, Barack H., 196 Octavian, siehe Augustus Oikonomos, Aristidis, 157 Oppenheimer, Joseph Süß, 17 Orléans, Philippe Duc d’, 103, 130 Otto I. (Griechenland), Otto von Wittelsbach, 150, 154, 311n Otto Morena, 82sq Otto von Freising, 78–81, 83 Paine, Thomas, 138, 145sq Palgrave, W. Gifford, 167 Papen, Franz von, 220 Paul V. Borghese (Papst), 93 Perikles, 30, 34–36, 41, 47 Petty, William, 121

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Philipp II. (Makedonien), 41sq, 45, 47 Philipp II. (Spanien), 10 Philipp IV. (Frankreich), 9 Pinto, Isaac de, 110sq Pitt, William (d. J.), 143 Pius II. Piccolomini (Papst), 89 Pius IV. de’Medici (Papst), 90 Pizzati, Lorenzo, 85sq, 96 Plinius d. J., Gaius Plinius Caecilius Secundus, 22 Plutarch, 5, 61 Pompeius Silvanus, 57 Pompidou, Georges, 240 Ragnachar, 289n Rahewin, 82 Rahmi, Ahmed, 171sq Reagan, Ronald W., 192–195, 230 Regino von Prüm, 75 Reinhold, Peter, 210, 212 Ricardo, David, 6, 8, 110, 144–146 Richard I. Löwenherz (England), 84, 294n Richlinde, 292n Robespierre, Maximilien de, 137 Roosevelt, Franklin D., 194 Rupert von Deutz, 71, 290n Rush, Benjamin, 187 Russell, Edward, 124 Sacchetti, Giulio, 94sq, 297n Sacheverell, Henry, 124, 128 Salomon, 71–73, 290n Samuelson, Paul A., 203 Say, Jean-Baptiste, 300n Schacht, Hjalmar, 210 Sch¨affer, Fritz, 226sq, 230 Sch¨auble, Wolfgang, 259

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Schiller, Karl, 21, 228sq, 231, 276n Schlecht, Otto, 229–231, 328n Schleicher, Kurt von, 220 Schlettwein, Johann August, 18 Schmidt, Helmut, 235 Schumpeter, Joseph, 6, 19, 29 Sedulius Scottus, 72sq Septimius Severus (Römisches Reich), 59 Shakespeare, William, 27 Siegebert von Gembloux, 292n Sigibert, 289n Simmel, Georg, 28, 91 Sixtus V. Peretti (Papst), 90sq Smith, Adam, 8, 11, 144, 146, 186, 300n Solon, 40 Somers, John, 124 Sophie Dorothea Ulrike Alice von Preußen, 160 Soutsos, Ioannis, 157 Staël-Holstein, Anne Louise Germaine, Baronne de, 135 Stein, Lorenz von, 8sq, 11, 16, 19, 23, 116, 147 Strauß, Franz Josef, 231 Sueton, Gaius Suetonius Tranquillus, 56 Swift, Jonathan, 126, 130 Sybel, Heinrich von, 3 Tacitus, Publius Cornelius, 53 Thatcher, Margaret, 230 Thegan, 73–75 Themistokles, 31, 280n Thiersch, Friedrich, 150 Thietmar von Merseburg, 288n Thomas von Aquin, 20 Thukydides, 34–38, 47 Tiberius (Römisches Reich), 55sq Traian (Römisches Reich), 22, 62sq

Trikoupis, Charilaos, 149, 151, 154, 156–158, 160–163 Tucholsky, Kurt, 27 Turgot, Anne Robert Jacques, 133sq Ulpian, Domitius, 54 Ulrich von Basel, 76 Urban VIII. Barberini (Papst), 91 Varus, Publius Quinctilius, 273n Vauban, Sébastien Le Prestre, Seigneur de, 101 Velleius Paterculus, 273n Vergennes, Charles Gravier, Comte de, 135 Vergil, Publius Vergilius Maro, 75 Vespasian (Römisches Reich), 57, 62 Voltaire, François Marie Arouet, 106, 300n Wagner, Adolph, 23 Wallenstein, Albrecht von, 12 Walter von Châtillon, 65 Washington, George, 139–141, 183, 185, 187sq Welf VI. (Tuszien), 81 Werner, Pierre, 234sq, 237 Wharton, Thomas, 124 Wilhelm II. (Deutsches Reich), 22 Wilhelm II. (Sizilien), 79 Wilhelm III. (England), Wilhelm III. von OranienNassau, 113, 116–118 Wilson, Woodrow, 191 Wipo, 76–79, 81, 83 Xenophon, 21, 29, 40 Zweig, Stefan, 205

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