Vermögensstrafe und »modernes« Strafrecht: Eine verfassungsrechtliche, strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung zu § 43 a StGB [1 ed.] 9783428490271, 9783428090273

Die Vermögensstrafe gemäß § 43a StGB ist seit 1992 Bestandteil des strafrechtlichen Die Vermögensstrafe gemäß § 43 a StG

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German Pages 201 Year 1997

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Vermögensstrafe und »modernes« Strafrecht: Eine verfassungsrechtliche, strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung zu § 43 a StGB [1 ed.]
 9783428490271, 9783428090273

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TIDO PARK

Vermögensstrafe und ,modemes' Strafrecht

Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Begründet als "Kriminologische Forschungen" von Prof. Dr. HeUmuth Mayer Herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Frehsee und Prof. Dr. Eckhard Horn

Band 8

Vermögensstrafe und ,modernes' Strafrecht Eine verfassungsrechtliche, strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung zu § 43a StGB

Von Tido Park

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Park, Tido:

Vennögensstrafe und "modemes" Strafrecht: eine verfassungsrechtliche, strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung zu § 43 a StOB I von Tido Park. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen ; Bd.8) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09027-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0933-078X ISBN 3-428-09027-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Für Dorte

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 1996 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld als Dissertation angenommen. Soweit möglich, sind Rechtsprechung und Literatur bis Oktober 1996 berücksichtigt worden. Für die stets freundliche und wohlwollende Betreuung und die Erstattung des Erstgutachtens gilt mein besonderer Dank Herrn Prof. Dr. Stephan Barton, dessen wertvolle Anregungen wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Für die Übernahme des Zweitgutachtens, seine stete Hilfsbereitschaft und förderliche Kritik möchte ich Herrn Prof. Dr. Otto Backes herzlich danken. Herrn Prof. Dr. Detlev Frehsee danke ich für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes und für die Förderung der Publikation der Arbeit in der Schriftenreihe "Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen". Dem zweiten Herausgeber der Schriftenreihe, Herrn Prof. Dr. Eckhard Horn, danke ich für die Zustimmung zur Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Für seine Gesprächsbereitschaft und seine unverblümt kritischen Anmerkungen gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Christoph Gusy. Holger Westphal danke ich für die unermüdliche und unverzichtbare Hilfe in allen Computerfragen.

Minden, im Oktober 1996

Tido Park

Inhaltsverzeichnis

Einleitung - Ziel und Gang der Untersuchung

Erster Teil A. Grundlagen

19

23 23

I. Ausgangslage...............................................................................................

23

11. Zielsetzung der Vermögensstrafe.............. .. ............. ...... ....... .... ..... .. ..... .. .... .

29

III. Rechtsnatur der Vermögensstrafe ................................................................

32

B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe................................................................

38

I. Verfassungsrechtliche Bedenken .................................................................

38

1. Verstoß gegen das Schuldprinzip ..........................................................

38

a) Inhalt und verfassungsrechtliche Verankerung des Schuldprinzips .

38

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldprinzip ............................ ......................................... .. ............

42

c) Die Gegenmeinung ..........................................................................

43

d) Stellungnahme................................................................................. .

45

2. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung ................................................

51

a) Inhalt und verfassungsrechtliche Verankerung der Unschuldsvermutung.............................................................................................

51

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit der Unschuldsvermutung .............. ........... ................. .............................

53

c) Die Gegenmeinung ..........................................................................

54

d) Stellungnahme .................................................................................

55

10

Inhaltsverzeichnis 3. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ..................................................

57

a) Inhalt des Bestimmtheitsgebots .......................................................

57

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Bestimmtheitsgebot.. .... ........... ........ .................. ............. .......... ........

60

c) Die Gegenmeinung............ .... .... ................ .... .... .. ........................ .. ...

61

d) Stellungnahme..................................................................................

63

4. Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG ...........................

65

a) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit Art. 14 GG...............................................................................................

65

b) Die Gegenmeinung......................... .. .... .. ............ ................ ..... .........

67

c) Stellungnahme............ ...................... .................... ................... .........

68

aa) Gesetzestechnische Möglichkeit der Abschöpfung des gesamten Tätervermögens durch § 43a ...... ...................... .......... .........

69

bb) Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 GG.. ........ ................

71

cc) Zwischenergebnis......................................................................

75

dd) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs .................

75

ee) Ergebnis....................................................................................

77

ff) Vereinbarkeit mit Art. 14 GG durch zurückhaltende Norman-

wendung? .............. ..... ...................... ...... ........... ..... ..... ....... .......

78

d) Ergebnis.......................................................... ..... ..................... ..... ..

80

5. Verstoß gegen das Resozialisierungsprinzip...........................................

80

a) Inhalt des Resozialisierungsprinzips.................................................

80

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Resozialisierungsprinzip ................. ........ ....................... ..................

81

c) Die Gegenmeinung ..........................................................................

82

d) Stellungnahme............. .......... ..................... ......................... .. ........ ..

83

6. Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip.....................................

85

7. Die Position des BGH - "verfassungskonforme Auslegung"..................

87

a) Die verfassungskonforme Auslegung ........ ............ .............. ............

89

aa) Mehrdeutigkeit des § 43a ...................................... .......... .........

89

bb) Auslegung des § 43a mit Hilfe der anerkannten Auslegungscanones ....................................................................................

91

(1) Grammatische Auslegung.................................................

91

(2) Systematische Auslegung........................................ ...... ....

92

Inhaltsverzeichnis (3) Subjektiv-historische Auslegung.......................................

11 94

(4) Objektiv-teleologische Auslegung ....................................

96

(5) Zwischenergebnis..............................................................

98

cc) Vorrang der grammatischen Auslegung? .................................

98

dd) Verfassungsvereinbarkeit des Ergebnisses nur einer Auslegungsmethode ..........................................................................

99

ee) Gebot der Bevorzugung der verfassungskonformen Auslegung und Grenzen dieses Gebots......................................................

100

b) Zwischenergebnis............................................ .................................

104

8. Ergebnis .......... ............................ ............... ..... ............. ....... .... .............

104

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken ... .......... .......... .... ......... ...... .....

105

I. Historische Bedenken - Mißbrauchsgefahr. ............................................

105

2. Europäische Bedenken: keine Rechtshilfe..............................................

106

3. Fehlender Wiederaufnahmegrund...........................................................

107

4. Unzureichender Anwendungsbereich ............ .... ................ ..... .......... ... ...

108

5. Effektivitätserwägungen .........................................................................

109

6. Systemwidrigkeit ....................................................................................

111

7. Schwächen der Geldsummenstrafe .........................................................

114

8. Verstoß gegen das Personalitätsprinzip ............................ ......................

116

111. Zwischenergebnis ........................................................................................

119

Zweiter Teil

120

A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe .... ... .......... ......... ........ ......

120

I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen.....

121

I. Das dem StGB ursprünglich zugrunde liegende Strafrechtsbild des 19. Jahrhunderts.....................................................................................

121

2. Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen ......... ......... ....... .........

123

3. Folge der Entwicklung: Überforderung des 'klassischen' Strafrechts des 19. Jahrhunderts...............................................................................

125

4. Zwischenergebnis ...................................... .................. ............. ....... .......

128

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen .......... ........... ..... .........

129

I. Änderungen der formalen Ausgestaltung von Strafgesetzen ..................

130

12

Inhaltsverzeichnis a) Zunehmende Tatbestandsausgestaltung als Gefahrdungsdelikte .. ....

130

b) Trend zu unbestimmten Tatbeständen..............................................

132

2. Veränderte Bedingungen strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes ............

135

a) Erweiterter Rechtsgüterschutz insbesondere durch Aufnahme neuer und Veränderung bestehender Rechtsgüter in das StGB..................

135

b) Rechtsgüterschutz und (normatives) Präventionsinteresse...............

138

aa) Wandlung der Funktion des Rechtsgüterschutzprinzips vom strafrechtsbegrenzenden Prinzip zum Bestrafungsgebot..........

138

bb) Vorfeldverlagerung des Strafrechtsschutzes ............................

139

cc) Präventionszweck als Legitimationsgrundlage........................

140

3. Exkurs: Trend zum symbolischen Strafrecht..........................................

143

a) Erscheinungsformen........................................... ............. ...... ...........

143

aa) Gesetzgeberische Wertbekenntnisse .. ...................... .......... .......

143

bb) Gesetze mit (moralischem) Appellcharakter.............................

144

cc) Ersatzreaktionen des Gesetzgebers: Alibigesetze, Krisengesetze .........................................................................................

145

dd) Kompromißgesetze ..................................................................

146

b) Zunahme symbolischen Strafrechts.................... ................ ..............

146

c) Der symbolische Gehalt des § 43a....................................................

148

In. Fazit .................................................... ................... ..... ........... .....................

150

B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts ................................

150

I. Bestandsaufnahme - Lösungsansätze .................... .......................................

150

11. Bürger- und Feindstrafrecht.........................................................................

153

III. Notwendigkeit der Anerkennung der begrenzten Leistungsfähigkeit des Strafrechts ............. .................................. ................ ................. ..... .......... .....

159

C. Alternativen.............. ..........................................................................................

166

I. Strafrechtliche Alternativen .........................................................................

167

1. Lösungsansätze de lege lata....................................................................

167

2. Lösungsansätze de lege ferenda........................................ ......................

168

a) Erweiterung der Geldstrafenregelung nach dem Tagessatzsystem ..

168

b) Reform der Verfallvorschriften ........................................................

170

Inhaltsverzeichnis

13

11. Außerstrafrechtliche Alternativen: das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention .......... ............. ...... ......................... .... .......... ..... .......... ....

171

I. Das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention im allge-

meinen....................................................................................................

171

2. Technisch-organisatorische Prävention und organisierte Kriminalität ...

173

a) Der sachliche Gehalt der organisierten Kriminalität.........................

173

b) Technisch-organisatorische Prävention im Bereich der organisierten Kriminalität ...............................................................................

175

3. Technisch-organisatorische Prävention als Alternative zu § 43a............

177

a) Drogenkriminalität .................. ...... .......... ....... ..................................

177

b) Andere Verweisungstatbestände ......................................................

I 79

4. Fazit. ... ........ .......... ................... ...... ............. ............ ..... ..................... ......

180

Gesamtergebnis der Untersuchung

182

Literaturverzeichnis

185

Stichwortverzeichnis

199

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. abI. Abs. a.E.

AK

allg. AO AöR Art. AT Aufl. AZ Bd. BGB BGBI. BGH BGHR BGHSt BGHZ BImSchG

BKA BNatSchG BR-Drs. BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE bzw. DAV dens. ders. d.h.

DJT DÖV DRB DRiZ EuGRZ

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz am Ende Alternativkommentar allgemein Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundeskriminalamt Bundesnaturschutzgesetz Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Deutscher Anwaltverein denselben derselbe das heißt Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Deutscher Richterbund Deutsche Richterzeitung Europäische Grundrechte-Zeitschrift

16 f. ff. Fn. FrKrimInst FS GA GG h.A. h.M. Hrsg. L Le. LE. i.R. i.S.d. LV.m. JA JR JuS JZ KrimJ KritV LG Lit. LK

m.

MDR m.E.

MRK m.w.N. NJ NJW NK NStZ OK OrgKG PKS Rdn(rn). Rev Sc crim RiStBV Rspr. RStGB

s. S.

Abkürzungsverzeichnis

folgende(r) folgende Fußnote Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. Festschrift Goltdammer's Archiv für Strafrecht Grundgesetz herrschende Ansicht herrschende Meinung Herausgeber im im einzelnen im Ergebnis im Rahmen im Sinne des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Kriminologisches Journal Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landgericht Literatur Leipziger Kommentar mit Monatsschrift für deutsches Recht meines Erachtens Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten mit weiteren Nachweisen Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nomos-Kommentar Neue Zeitschrift für Strafrecht organisierte Kriminalität Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Polizeiliche Kriminalstatistik Randnummer( n) Revue de Science criminelle et de Droit penal compare Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Rechtsprechung Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich siehe Seite oder Satz

Abkürzungsverzeichnis

SK sog. StGB StPO StRÄndG st. Rspr. StV StVollzG teilw. u.a. u.U. UVPG Verf. vgl. VS VVDStRL WaffG wistra zahlr. z.B. zit. ZRP ZSchwR ZStrR ZStW z. T.

2 Park

17

Systematischer Kommentar sogenannt Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Strafrechtsänderungsgesetz ständige Rechtsprechung Strafverteidiger Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln teilweise unter anderem unter Umständen Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Verfasser vergleiche Vermögensstrafe Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Waffengesetz Zeitschrift rur Wirtschaft, Steuer und Strafrecht zahlreich zum Beispiel zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift rur Schweizerisches Recht Schweizerische Zeitschrift rur Strafrecht Zeitschrift rur die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil

Einleitung - Ziel und Gang der Untersuchung Die "organisierte Kriminalität" (OK) ist das beherrschende Thema, wenn es um die modeme Strafverfolgung geht. Der Gesetzgeber sieht darin eine besondere, hochgefährliche Kriminalitätsform, gegen die mit drastischen Mitteln vorgegangen werden müsse. Aus diesem Grund wurde 1992 das OrgKG I verabschiedet, das u.a. das strafrechtliche Sanktionensystem erweiterte, wovon sich der Gesetzgeber eine wirksamere "Bekämpfung" der Kriminalität versprach. Durch das OrgKG wurde auch die Vermögensstrafe ins StGB eingefügt (§ 43a StGB2), die Gegenstand dieser Untersuchung ist. Die Vorschrift lautet: § 43a Verhängung der Vermägensstrafe (1) Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so kann das Gericht neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren auf Zahlung eines Geldbetrages erkennen, dessen Höhe durch den Wert des Vermögens des Täters begrenzt ist (Vermögensstrafe). Vermögenswerte, deren Verfall angeordnet wird, bleiben bei der Bewertung des Vermögens außer Ansatz. Der Wert des Vermögens kann geschätzt werden. (2) § 42 gilt entsprechend. (3) Das Gericht bestimmt eine Freiheitsstrafe, die im Fall der Uneinbringlichkeit an die Stelle der Vermögensstrafe tritt (Ersatzfreiheitsstrafe). Das Höchstmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist zwei Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

§ 43a bestimmt also, daß in Fällen, in denen eine Strafvorschrift auf ihn verweist3 , neben einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren die Zahlung eines nur durch den Wert des Tätervermögens begrenzten Geldbetrages verhängt werden kann, ohne daß der Nachweis erbracht werden muß, daß es sich dabei um illegal erworbenes Vermögen handelt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit des Geldbetrages wird eine Ersatzfreiheitsstrafe zwischen einem Monat und zwei Jahren bestimmt. Diese Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Umfang, um den die Ausgangsfreiheitsstrafe gemildert werden muß, wenn neben ihr I Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität vom 15.07.1992 (BGBI. I 1302). 2 §§ ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des StGB. Absätze werden durch römische, Sätze durch arabische Zahlen gekennzeichnet. 3 Das sind schwere, meist bandenmäßig begangene Straftaten; auf § 43a verweisen zur Zeit die §§ 150, 181c, 244 IIl, 244a IIl, 256 11, 260 IIl, 260a IIl, 261 VII 3, 285b I StGB, § 30c BtMG, § 92a V 2 AuslG sowie die §§ 84 V, 84a V AsylVfG. 2·

20

Einleitung

eine Vennögensstrafe verhängt wird, damit Freiheitsstrafe und Vennögensstrafe nicht zu einer Strafrahmenerweiterung führen und somit zusammen das Maß schuldangemessenen Strafens nicht übersteigen 4 • Diese Sanktion war bereits im Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten, Zweifel im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Effektivität der Vermögensstrafe wurden geäußert. Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip, die Unschuldsvennutung, Art. 14 GG, Art. 103 11 GG und das Resozialisierungsgebot wurden vorgetragen. Auch juristische Berufsvereinigungen wie der Deutsche Richterbund und der Deutsche Anwaltverein lehnten die Einführung der Vermögensstrafe ab. Dennoch hielt der Gesetzgeber unverändert an ihr fest, so daß sie derzeit Bestandteil des strafrechtlichen Sanktionensystems ist, der inzwischen auch in der Praxis, dort allerdings nur vereinzeltS , Anwendung gefunden hat. Der Umstand, daß eine neue strafrechtliche Bestimmung bereits vor ihrer Verabschiedung auf denn aßen heftigen Widerstand getroffen ist und schon im Gesetzgebungsverfahren überaus kontrovers diskutiert wurde, gibt Anlaß, sich mit dieser Vorschrift näher auseinanderzusetzen. In der vorliegenden Untersuchung soll die Vennögensstrafe daher eingehend beleuchtet werden. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit besteht im wesentlichen darin, zu analysieren, ob und inwieweit die Vermögensstrafe mit den anerkannten Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafrechts zu vereinbaren ist und wie sie sich in den Kontext eines sich wandelnden Strafrechts in einer modernen Industriegesellschaft einfügt. Um diese Frage zu beantworten, widmet sich der erste Teil der Untersuchung zunächst kurz der Ausgangssituation und der gesetzgeberischen Zielsetzung, die der Einführung der Vermögensstrafe zugrunde lagen. Nach der anschließenden Analyse der Rechtsnatur der Vermögensstrafe, die eine wichtige Grundlage für den weiteren Fortgang der Untersuchung darstellt, erfolgt eine eingehende Auseinandersetzung mit gegenüber der neuen Vorschrift erhobenen Bedenken zunächst auf verfassungsrechtlicher, danach auf einfachrechtlicher Ebene. Die Methodik, die im ersten Teil der Arbeit zur Beantwortung der Ausgangsfrage verwendet wird, besteht hauptsächlich in einer dogmatischen Analyse, bei der die Vennögensstrafe auf juristisch-nonnative Weise untersucht wird. Die Analyse erfolgt dabei nicht nur vor strafrechtlichem Hintergrund, 4 Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. entspricht jedoch allgemeiner Ansicht, vgl. DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 6; 1. Meyer, ZRP 90, 85 (88). 5 Vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 10.06.1996 auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur organisierten Kriminalität, BT-Drs. 13/4942, S. 26.

Einleitung

21

sondern ein weiterer Schwerpunkt liegt im verfassungsrechtlichen Bereich, es wird also eine intradisziplinäre Prüfung vorgenommen. Der Titel der Arbeit lautet: Vermögensstrafe und 'modernes' Strafrecht. Mit dem 'modemen' Strafrecht befaßt sich der zweite Teil der Untersuchung. Denn es erscheint sinnvoll, die Untersuchung nicht auf die bloße Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu beschränken, sondern weitergehend eine möglicherweise über die reine verfassungsrechtlichdogmatische Frage hinausgehende Problematik zu betrachten. Diese Problematik betrifft den Wandel des Strafrechts in einer sich verändernden Gesellschaft und einen möglichen Zusammenhang mit der Vermögensstrafe. Dabei wird untersucht, welche Entwicklung das Strafrecht vom 'klassischen' zum 'modemen' bereits vollzogen hat und noch vollzieht und was das 'modeme' Strafrecht ausmacht. Der grundsätzlich mehrere Deutungsmöglichkeiten eröffnende Begriff des 'modemen' Strafrechts wird dabei in einem bestimmten Sinn verstanden: Gemeint ist nicht ein Strafrecht, das insofern 'modem' ist, als es rechtsstaatlich, freiheitlich, allein dem Rechtsgüterschutz dienend und ,in seiner Zielsetzung konstruktiv ist. Vielmehr wird in dieser Arbeit ein anderes Verständnis des Begriffs des 'modernen' Strafrechts zugrunde gelegt: Es wird die kritische Frage aufgeworfen, ob gegenwärtig eine kriminalpolitische Entwicklungstendenz erkennbar ist, bei der die Strafverfolgung durch einen immer weitergehenden Verlust an rechtsstaatlichen Konturen gekennzeichnet ist, und inwieweit die Vermögensstrafe einen Bestandteil dieser Entwicklungstendenz darstellt; ferner wird eine Bewertung der herausgearbeiteten Ergebnisse vorgenommen. Die thematische Verknüpfung zwischen Vermögensstrafe und 'modernem' Strafrecht erfolgt deshalb, weil sich die Vermögensstrafe gut eignet, um die gegenwärtige Entwicklung des Strafrechts zu verdeutlichen. Das methodische Vorgehen erfolgt im zweiten Teil anders als im ersten Teil weitgehend nicht auf eine rein dogmatische Weise, sondern durch eine kriminalpolitische Beschreibung und Bewertung des 'modernen' Strafrechts und der Zusammenhänge zur Vermögensstrafe. Es soll dadurch auf festgestellte Tendenzen des Strafrechts aufmerksim gemacht werden, und es sollen Anregungen gegeben werden, über den gegenwärtigen Zustand des Strafrechts und seme Entwicklungstendenzen einmal kritisch nachzudenken. Den Abschluß der Untersuchung bildet ein kurzer Ausblick auf mögliche Alternativen zu der beschriebenen Form der Verbrechens"bekämpfung" nebst Anregungen für ein Gegenmodell. Weitgehend ausgeklammert bleibt in dieser Arbeit eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Phänomen der organisierten Kriminalität, über das es bislang nur ungesicherte Erkenntnisse gibt. Zum einen erscheint die Diskussion um den sachlichen Gehalt und das tatsächliche Ausmaß der behaupteten Be-

22

Einleitung

drohung durch diese Kriminalitätsfonn für diese Untersuchung aus Sicht des Verfassers größtenteils entbehrlich, da sich das Erkenntnisinteresse der Arbeit - wie erwähnt - auf andere Fragestellungen fokussiert. Zum anderen würde die ausführliche Erörterung der organisierten Kriminalität den Rahmen und auch den Anspruch der Untersuchung sprengen. Nur soweit dies an vereinzelten Stellen notwendig erscheint, wird näher auf den Begriff der organisierten Kriminalität und die damit verbundenen Probleme eingegangen. Zum Anspruch der Arbeit sei an dieser Stelle gesagt, daß bewußt keine Kommentierung des § 43a vorgenommen wird. Die Untersuchung wird zeigen, daß die Vennögensstrafe verfassungswidrig ist. Von daher erschiene es widersprüchlich, einerseits die Verfassungsverstöße der Vermögensstrafe darzulegen, d.h. letztendlich von ihrer Nichtigkeit auszugehen und andererseits eine Kommentierung ihres Anwendungsbereichs vorzunehmen, d.h. insoweit von ihrer Bestandskraft auszugehen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, daß eine Entscheidung des BVerfG zu § 43a noch aussteht und somit durchaus die Möglichkeit besteht, daß auch das BVerfG die Vorschrift für verfassungswidrig hält und sie für nichtig erklärt. Sollte das BVerfG die Vermögensstrafe demgegenüber für verfassungskonfonn erklären, bliebe es weiteren Untersuchungen bzw. den Strafrechtskommentaren vorbehalten, den konkreten Anwendungsbereich des § 43a näher zu erläutern.

Erster Teil A. Grundlagen I. Ausgangslage

In den vergangenen Jahren hat sich die organisierte Kriminalität (OK) in stark zunehmendem Maße als besondere Herausforderung rur die Gesellschaft und den Staat, insbesondere rur die Strafverfolgung, herausgestellt. In der Medienberichterstattung inzwischen nahezu allgegenwärtig, erlangt der Begriff 'organisierte Kriminalität' zunehmend auch in der wissenschaftlichen Diskussion Bedeutung). Es wird von "alarmierenden Entwicklungen im Bereich der organisierten Drogenkriminalität"2, von einer "besonderen Bedrohung") sowie von "volkswirtschaftlichen Schäden in zum Teil schwindelerregender Höhe"4 gesprochen. Anzeichen rur eine "Flut ansteigender organisierter Kriminalität" seien erkennbar, es sei schon "flinf Minuten vor zwölf'5 oder gar "flinf Minuten nach zwölf'6.Vor allem im Bereich des internationalen Drogenhandels seien Gewinne "zum Teil bis in Milliardenhöhe" erzielt worden, die wiederum die Grundlage zum Auf- und Ausbau des Drogenhandels bildeten und somit zu einer zunehmenden Geflihrdung der Allgemeinheit flihrten 7• Schenkt man diesen Darstellungen Glauben, so ergibt sich ein beängstigendes Bild. Es erscheint daher geboten, das Phänomen 'organisierte Kriminalität' näher zu betrachten und sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, was sich eigentlich hinter dem Begriff 'organisierte Kriminalität' verbirgt, was sie ausmacht und wie geflihrlich sie wirklich ist. Die Suche nach einer befriedigenden Antwort auf diese Fragen gestaltet sich wegen der Unbestimmtheit des Begriffs OK als schwieriges Unterfangen. Es wird sogar gesagt, es gebe im Strafrecht keinen unbestimmteren Begriff als 1 Zu Recht spricht Vest, ZStrR 94, 121 (135) von einem "Trendbegriff'. 2 Pressemitteilung des Bundesministers der Justiz, "recht" 89, 58. 3 BT-Drs. 12/989, S. 21. 4 Krey/Dierlamm, JR 92,353. 5 Köhler, in: BKA (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, S. 217 (218). 6 Stüllenberg, in: BKA (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, S. 217 (239). 7 Begr. zum OrgKG-E, BT-Drs. 11/5461, S. 5.

24

1. Teil- A. Grundlagen

orgamslerte Kriminalität8 • Gleichwohl sind im Laufe der Zeit verschiedene Versuche unternommen worden, eine taugliche Definition zu entwickeln 9 • Der für die Beschreibung der Ausgangslage bei Einführung des § 43a maßgebliche Versuch einer solchen Begriffsbestimmung ist in der Begründung zum Entwurf des OrgKG enthalten. Danach ist "unter organisierter Kriminalität eine von Gewinnstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehrere Beteiligte zu verstehen, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig - unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, - unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder - unter dem Bemühen, auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft Einfluß zu nehmen zusammenwirken" 10.

Bei genauer Betrachtung ist diese Definition jedoch nicht geeignet, alle Eigenheiten dieser angeblich besonderen Kriminalitätsform präzise zu erfassen und sie gleichzeitig scharf gegenüber bestimmten Erscheinungsformen "einfacher" Kriminalität, wie z.B. Wirtschafts-, Banden- oder RotlichtmilieuKriminalität, abzugrenzen 11. Unter die oben genannte Begriffsbestimmung können sogar kleinere, relativ harmlose Jugendbanden subsumiert werden, die über einen etwas längeren Zeitraum hinweg ihr Taschengeld durch Handtaschenraube aufbessern. Diese stellen jedoch unzweifelhaft keine hochgeflihrliche OK dar. Der genannte Definitionsversuch erweist sich damit als wenig hilfreich, Licht in das Dunkel der organisierten Kriminalität zu bringen; allenfalls als Arbeitsgrundlage mit grob beschreibendem Charakter ist er brauchbar l2 • Wegen der Schwierigkeit, das Phänomen OK begrifflich zu erfassen, 8 Ostendorf, JZ 91,62 (63). 9 Vgl. dazu Dörmann et a/. , Organisierte Kriminalität, S. 5. 10 BR-Drs. 219/91, S. 78; vgl. auch BT-Drs. 13/4942, S. 3f. Diese Begriffsbestimmung stimmt in weiten Teilen mit der in der Anlage E (Nr. 2.1) zu den RiStBV enthaltenen überein (abgedruckt bei KleinknechtiMeyer-Goßner, Anhang A 15). Letztere weicht gegenüber der im Text genannten nur geringfligig ab. Sie ist insofern weitergehend, als sie nicht nur das Gewinn-, sondern auch das Machtstreben erfaßt. Enger gefaßt ist. sie zum einen hinsichtlich der vorausgesetzten Personenzahl (mehr als zwei), zum anderen hinsichtlich des Erfordernisses der erheblichen Bedeutung der Straftat und ferner hinsichtlich der Einsichtnahme auf die aufgezählten Einrichtungen; sie läßt das bloße Ziel der Einflußnahme nicht genügen, nach ihr muß vielmehr eine tatsächliche Einflußnahme erfolgen. 11 Zum Definitionsproblem vgl. Dörmann et. al., Organisierte Kriminalität, S. 3-6; Schoreit, StV 91, 535 (536). 12 Ebenso Caesar, ZRP 91, 241 (243).

I. Ausgangslage

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erscheint es auch wenig vielversprechend, sich an dieser Stelle um eine adäquatere Definition zu bemühen. Es ist mithin festzuhalten, daß eine geeignete, exakte Definition für die organisierte Kriminalität derzeit nicht existiert. Möglicherweise lassen sich jedoch durch einen Blick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) mehr Kenntnisse über die OK gewinnen I). Als eigenständige Deliktsform ist OK zwar in der PKS nicht registriert. Dennoch wird allerorts von einer angeblich feststellbaren starken Vermehrung typischer Erscheinungsformen organisierter Kriminalität '4 gesprochen 15. Als Beleg für die Existenz und die Gefährlichkeit der OK werden die in der PKS enthaltenen Statistiken zu bestimmten, angeblich OK-typischen Deliktsbereichen herangezogen. Insbesondere der Bereich der Drogenkriminalität wird gerne paradigmatisch als spezielle OK-Deliktsform angeflihrt '6 . Dort steht - im hier maßgeblichen 17 Zeitraum bis 1990 18 - einer steigenden Anzahl von Drogendelikten (als vermeintlich spezieller Deliktskategorie aus dem Bereich der organisierten Kriminalität) ein deutlicher Anstieg von Drogentoten, Erstverbrauchern harter Drogen und sichergestellten Drogen gegenüber. So ist die Zahl der Drogentoten mit 1491 im Jahr 1990 gegenüber 991 anno 1989 und 670 anno 1988 signifikant angestiegen. Auch bei den polizeilich erfaßten Erstkonsumenten harter Drogen ist eine signifikante Entwicklung auszumachen: Während es im Jahr 1987 noch 5084 waren, hat sich diese Zahl über 7456 anno 1988 und 9837 anno 1989 auf \0784 anno 1990 mehr als verdoppelt. In entsprechendem Maß 13 Die im folgenden zur Veranschaulichung herangezogenen Zahlen entstammen der Polizeilichen Kriminalstatistik 1990. Daß die Jahreszahl 1990 als Endpunkt für die Entwicklung der Kriminalität zugrunde gelegt wird, hat seinen Grund in der Absicht des VerJ, aufzuzeigen, vor welchem Hintergrund das OrgKG beschlossen wurde, insoweit sind die damals maßgeblichen Zahlen von Belang. 14 Als solche werden genannt Rauschgifthandel und -schmuggel, Waffenhandel und -schmuggel, Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (vor allem Zuhälterei, Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücksspiel und Falschspiel), Schutzgeiderpressung, Herstellen und Verbreiten von Falschgeld, Fälschung und Mißbrauch unbarer Zahlungsmittel, Verschiebung hochwertiger Kfz, Schleuserkriminalität und Zigarettenschmuggel. vgl. BT-Drs. 13/4942, S. 4. 15 Vgl. nur Küster, Kriminalistik 90, 626; Zachert, Kriminalistik 90, 622ff.; BTDrs. 13/4942, S. I, 4. 16 Da aus dem Gesamtbereich der organisierten Kriminalität - bezeichnenderweise? - keine PKS-Zahlen vorliegen, wird auch hier im folgenden die Drogenkriminalität als erläuterndes Beispiel herausgestellt. 17 S. oben, Fn. 13. 18 Seit 1991 lasseg dagegen die PKS-Zahlen auf einen gewissen Rückgang bei Drogentoten schließen, vgl. PKS 1995, S. 241.

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I. Teil - A. Grundlagen

ist laut PKS auch die Rauschgiftkriminalität gestiegen: Während 1988 84998 Rauschgiftdelikte erfaßt wurden, waren es 1989 94000 und 1990 103629. Sprunghaft stieg auch die Menge sichergestellten Rauschgifts an. Doch nicht nur im Bereich der Drogenkriminalität, sondern bei sämtlichen Erscheinungsformen organisierter Kriminalität sei ein starker Zuwachs zu verzeichnen. Diese Zahlen aus dem Bereich der Drogenkriminalität werden gerne als apodiktischer Beleg für das enorme Ausmaß der wachsenden Bedrohung durch die organisierte Kriminalität angeführt. Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich jedoch keineswegs als eindeutiger Nachweis für einen signifikanten Anstieg organisierter Kriminalität l9 : So kann beispielsweise die erhöhte Zahl polizeilich erfaßter Straftaten an einer Steigerung der Aufklärungsrate bzw. einer Veränderung des Hell- und Dunkelfeldes liegen 20.21 • Ebenso verhält es sich möglicherweise m,t den erfaßten Erstkonsumenten harter Drogen. Bei der Menge der sichergestellten Rauschmittel ist darüber hinaus zu berücksichtigen, daß in zunehmenden Maße die Strafverfolgungsbehörden Rauschgift als Köder in den Verkehr bringen, welches jedoch bei Präsentation der Sicherstellungsmengen nicht abgezogen wird 22 , und daß Drogengeschäfte von staatlicher Seite

19 Die Erfassung der organisierten Kriminalität sowie der von ihr ausgehenden Gefahrlichkeit ftir Staat und Gesellschaft stellt - wie gesagt - ein großes strafrechtliches und kriminologisches Problem dar. Da sie i.R. dieser Arbeit jedoch nur eine den rechtstatsächlichen, kriminalpolitischen und entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Vermögensstrafe beschreibende Funktion einnimmt, begnügt sich der Verfasser hier mit einem kurzen Anriß des Problems der Aussagekraft der PKS zur Bestimmung des tatsächlichen Ausmaßes der organisierten Kriminalität. Eine ausftihrlichere Darstellung der Zusammenhänge findet sich z.T. in den Neuauflagen der Kriminologie-Lehrbücher, vgl. etwa dasjenige von Eisenberg. 20 Vgl. PKS 1993, S. 210: "Die Entwicklung der registrierten Rauschgiftdelikte hängt in starkem Maße auch vom Kontrollverhalten der Polizei ab"; vgl. auch Ostendorf, JZ 91,62 (64). 21 Ein weiterer Gesichtspunkt findet sich bei Eisenberg, Kriminologie, § 45 Rdn. 134: "Weiterhin ist zu bedenken, daß eine Identifizierung von Rauschgiftdelikten spezifische Kenntnisse über solche Umstände voraussetzt, in deren Rahmen Rauschgift konsumiert wird. Solche Kenntnisse aber können die einschlägig erfaßten Behörden, gemäß allgemeiner Erfahrung, jeweils nur mit einer gewissen zeitlichen Verspätung gegenüber der tatsächlichen Entwicklung erhalten. Schon aus diesem Grunde wird von einer Erhöhung registrierter Kriminalität nicht ohne weiteres auf eine tatsächliche Zunahme geschlossen werden können". 22 Ostendorf, JZ 91,62 (64) weist des weiteren zutreffend daraufhin, daß sichergestellte Rauschgiftmengen auch deswegen keine verläßlichen Rückschlüsse auf den Gesamtumlauf zulassen, weil "vermehrte kriminalistische Aktivitäten mehr zutage fördern, wobei der Kommissar 'Zufall' immer eine Rolle spielt".

I. Ausgangslage

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mitunter bewußt provoziert werden 23 • Auch die auf den ersten Blick so eindeutige Zahl der Drogentoten sagt bei näherem Hinsehen nicht allzu viel aus, wenn man berUcksichtigt, daß diese in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Wirkstoffgehalt und Reinheitsgrad der Drogen sowie zu einer nicht sterilen Verabreichung stehen 24 • So erscheint das besondere aus Polizeikreisen25 gezeichnete Schreckensszenario in einem ganz anderen Licht26 • Aus den PKS-Zahlen zur Drogenkriminalität, die als klassische Form organisierter Kriminalität gilt, läßt sich damit jedenfalls ein drastischer Anstieg organisierter Kriminalität - wie gesehen - nicht beweisen. Verläßliche Rückschlüsse darauf, ob es organisierte Kriminalität überhaupt gibt, d.h. ob damit wirklich eine sich von anderen Delikten prinzipiell unterscheidende Kriminalitätsform verbunden ist, lassen sich aus diesen Zahlen nicht ziehen. Festzuhalten bleibt damit, daß ein Lagebild der OK nicht brauchbar beschrieben werden kann 21 • Für den ersten Teil dieser Untersuchung ist es letztlich jedoch gar nicht erforderlich, die Frage, ob OK überhaupt existiert und was ihr sachlicher Gehalt ist, zu beantworten. Denn die vermeintliche Bedrohung durch die organisierte Kriminalität ist unabhängig von deren Beweisbarkeit nachhaltig in das Bewußtsein der Bevölkerung geruckt und wird infolgedessen verstärkt wahrgenommen. Dazu trägt in erheblichem Maße auch die Berichterstattung in den Medien bei, die mit täglichen Fernsehkrimis, spektakulären Berichten und Reportagen über organisierte und Gewaltkriminalität ein durch Überrepräsentation verzerrtes Bild der Realität abliefert28 • Ferner werden öfter spektakuläre

23 Vgl. dazu den Bericht im "Stern" 48/95 vom 23.11.95, S.60-68 sowie die darin getroffenen Aussagen des Karlsruher Rechtsanwalts Schrath: "Der Staat provoziert Drogengeschäfte, um am Jahresende gute Statistiken präsentieren zu können" (S. 62). Und: "Erfolg gehört dazu, um neue Forderungen im Kampf gegen die Drogen stellen zu können" (S. 62). 24 Vgl. Eisenberg, Kriminologie, § 45, Rdn. 137; Ostendarf, JZ 91, 62 (64), der ferner darauf hinweist, daß mitunter auch nicht auszuschließen ist, daß sich hinter dem Drogentod "ein echter Suizid verbirgt". 25 Vgl. BKA (Hrsg.), Organisierte Kriminalität (BKA-Vortragsreihe Bd. 36). 26 Ähnlich Schareit, StV 91, 535 (538): "Zur Panik besteht indessen kein Anlaß" sowie die Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DA V, StV 92, 29 (30): "Für das Ausmalen eschatologischer Stimmungsbilder besteht keine Veranlassung"; vgl. auch Hörnte, ZStW 108 (1996), 333 (338). 27 Ebenso Küster, Kriminalistik 90, 626, der jedoch erstaunlicherweise gleichwohl konstatiert: "Das Vorliegen vielfacher Erscheinungsformen von Organisierter Kriminalität in der Bundesrepublik steht außer Zweifel"; Vest, ZStrR 94, 121 (l46f.). 28 Vgl. auch Frehsee, StV 96, 222 (224): "Das durch die Berichts- und Unterhal-

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I. Teil - A. Grundlagen

Fälle herkömmlicher Delinquenz mit der "Begriffshülse 'organisierte Kriminalität''' geschmückt29 . Folge dieses gesellschaftlichen Bewußtseins ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen der organisierten Kriminalität und seiner effektiven "Bekämpfung". Vor diesem Hintergrund ist auch der eingangs erwähnte Satz, die organisierte Kriminalität sei eine Herausforderung für die Gesellschaft, zu verstehen, denn solange sie im Bewußtsein der Bevölkerung als eine solche erscheint, ist zweitrangig oder sogar bedeutungslos, ob sie auch tatsächlich eine so große Bedrohung darstellt. Der "Präventionsdruck"30, d.h. der vermeintlich unmittelbar akute Handlungsbedarf, besteht damit unabhängig von dem wirklichen Vorliegen der Gefahr; entscheidend ist das Bewußtsein, es müsse etwas getan werden 3'. Ob und inwieweit die organisierte Kriminalität überhaupt eine eigenständige, besonders gefährliche Kriminalitätsform darstellt, kann hier zunächst auch aus weiteren Gründen offenbleiben. Denn wenn sich selbst bei unterstellter Existenz von gefährlicher OK herausstellt, daß die Vermögensstrafe rechtsstaatlich bedenklich oder unzulässig ist, so muß dies für den Fall deren "Scheinexistenz" natürlich erst recht gelten - schon aus Verhältnismäßigkeitserwägungen. Des weiteren wird man dem Gesetzgeber aufgrund des Umstandes, daß der sachliche Gehalt und die GefahrIichkeit dieses kriminellen Erscheinungbildes wegen dessen Unschärfe 32 zwangsläufig umstritten ist, diesbezüglich eine gewisse Einschätzungsprägorative zugestehen können, zumal zumindest die Möglichkeit einer besonderen Gefahr durch "OK" nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Für diese Untersuchung ist damit zunächst irrelevant, ob es orgamslerte Kriminalität wirklich gibt und was sie gegebenenfalls ausmacht; dies wird an dieser Stelle bewußt offengelassen 33 • Als kennzeichnend für die vorstehend geschilderten kriminellen Erscheinungsformen gilt ein besonderes Gewinnstreben, das als Haupttriebfeder für die organisierte Kriminalität angesehen wird 34 • Die dadurch jährlich allein in tungsmedien vermittelte Bild allgegenwärtiger Kriminalitätsbedrohung schafft eine Wirklichkeit eigener Art". 29 Vest, ZStrR 94, 121 (147). 30 Vgl. dazu auch unten, S. 138ff. 31 Vgl. dazu Hassemer, StV 93, 664 (667). 32 In der daraus resultierenden mangelnden Operationalisierbarkeit liegt jedoch gerade das Problem des Begriffs OK, vgl. dazu unten, S. 173f. 33 Im zweiten Teil wird darauf noch näher eingegangen, vgl. dazu unten, S. I 73ff. 34 Begr. zum OrgKG-E des Bundesrates, BT-Drs. 1117663, S. 19; Kaiser, TröndleFS, 685 (686).

11. Zielsetzung der Vermögensstrafe

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der Bundesrepublik erzielten Gewinne erreichen - so wird geschätzt - mehrere Milliarden DM 35 . Es besteht weithin Einigkeit darüber, daß eine wirksame Verfolgung der organisierten Kriminalität die Abschöpfung der illegal erzielten Gewinne zum Gegenstand haben muß, um einerseits der rechtsethischen 36 Forderung, daß Verbrechen sich nicht lohnen dürfen, gerecht zu werden, und andererseits, um existierende Verbrecherorganisationen durch Entziehung ihrer finanziellen Basis in ihren verbrecherischen Aktivitäten entscheidend zu lähmen 37 . Da das vor Einfiihrung des OrgKG bestehende gesetzliche Instrumentarium als zur Erreichung dieser Ziele ungeeignet angesehen wurde, wurde der Ruf nach gesetzlichen Neuregelungen laut. Denn "mit der bloßen Geldstrafe, die an das tatsächliche monatliche Einkommen anknüpft, ist diesen Tätergruppen nicht beizukommen. Die Verfall vorschriften sind zu kompliziert und zu eng gefaßt, da hiernach der Nachweis erbracht werden muß, daß ein bestimmter Vermögensvorteil aus einer bestimmten Straftat erlangt wurde"38. So sei mit dem bestehenden gesetzlichen Instrumentarium, das auch keine hinreichende abschreckende Wirkung entfalte, eine Abschöpfung von Gewinnen aus organisierter Kriminalität nur sehr beschränkt möglich 39 .

11. Zielsetzung der Vermögensstrafe Um dieser vermeintlichen Herausforderung für die Strafverfolgung wirksam zu begegnen, wurde das am 22.09.1992 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämp-

fung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.07.1992 40 beschlossen. Dem OrgKG insgesamt liegt unstreitig folgende doppelte Zielsetzung zugrunde: "Triebfeder für die Organisierte Kriminalität ist das Gewinnstreben. Eine wirk-

35 Pressemitteilung des Bundesministers der Justiz, "recht" 89, 58; Lemke, StV 90, 87 (88); Kaiser, Tröndle-FS, 685 (686); Stümper, Kriminalistik 85,8 (12) spricht sogar von einem jährlichen Schaden von rd. 150 - 160 Mrd. DM. Allein aus Drogengeschäften wird weltweit ein jährlicher Gewinn von etwa 300 Mrd. US-Dollar geschätzt, vgl. Keyser-Ringnalda, European Law Review 17 (1992), S. 499 m.w.N.: "The United States Treasury Department estimates that drug revenues worldwide currently total about $ 300 billion ($ 122 billion ofthat in the United States and Europe)". 36 J. Meyer, ZRP 90,85; Kaiser, Tröndle-FS, 685 (687). 37 Vgl. Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (353/356); Lemke, StV 90, 87 (88); Möhrenschlager, wistra 92, 281 (282). 38 Ostendorf, JZ 91, 62 (69). 39 BT-Drs. 12/989, S. 21. 40 BGBI. I 1302.

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I. Teil - A. Grundlagen

same Bekämpfung hat daher bei der Abschöpfung dieser Gewinne anzusetzen. Mit dem Zugriff auf die Tatgewinne soll den Straftätern zugleich auch das Investitionskapital fur die Begehung weiterer Straftaten entzogen werden"41. Mit Verabschiedung des OrgKG wurde neben anderen Vorschriften auch die Sanktion der Vermögensstrafe in das StGB eingefuhrt (§ 43a), die Gegenstand dieser Arbeit ist. Im Gegensatz zum OrgKG insgesamt ist die Zielsetzung des § 43a umstritten: Nach h.A. in der Literatur42 verfolgt § 43a - wie das OrgKG insgesamt - eine zweifache Zielsetzung: Zum einen soll die Vermögensstrafe dem Ziel dienen, den Zugriff auf die Gewinne aus dem Bereich der organisierten Kriminalität trotz der häufig bestehenden Beweisprobleme hinsichtlich der deliktischen Herkunft konkreter Vermögensbestandteile zu ermöglichen, um diese erfolgreich abschöpfen zu können 43 . Zum anderen soll den Straftätern durch den Zugriff auf die Tatgewinne zugleich auch das Investitionskapital fur die Begehung weiterer Straftaten entzogen werden. Diese h. A. beruft sich dabei auf die amtl. Begründung der Gesetzentwürfe zu § 43a44 . Nach einer Mindermeinung bezweckt die Vermögensstrafe dagegen lediglich die Bestrafung des Täters, nicht jedoch Gewinnabschöpfung. 4s Die Funktion der Gewinnabschöpfung sei mit dem Wesen der Vermögensstrafe als Strafe 46 nicht zu vereinbaren 47 . Wenn sie wirklich Strafcharakter haben solle, müsse sie gerade das legal erworbene Vermögen treffen, "denn ein Übel, welches sich darin erschöpft, dem Betroffenen abzunehmen, worauf er ohnehin kein Recht hat, hat nicht punitive, sondern reparative Funktion, ist also keine Strafe, son-

41 BT-Drs. 12/989, S. I. 42 Huber, Strafurteil, Rdnrn. 92 f.; ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 2If.; KöhleriBeck, JZ 91, 797; Körner, NJW 93, 233 (235); KreylDierlamm, JR 92, 353 (353/356); Lemke, StV 90, 87; 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87); ders., Helmrich-FS, 565 (572); Möhrenschlager, wistra 92,281 (283); Perron, JZ 93,918 (920); Schoreit, MDR 90, 1. 43 Pointiert sagt Jescheck, Einführung, S. XXIII: "Ziel der Vermögensstrafe ist es, die Möglichkeiten zur Abschöpfung von Gewinnen aus der organisierten und der Betäubungsmittelkriminalität zu vergrößern". Die Auffassung, daß § 43a den Zweck der Gewinnabschöpfung verfolgt, vertreten neben den Vorgenannten ferner Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 349; Dreher/Tröndle, StGB, § 43a Rdn. 3; Dierlamm, NStZ 95, 334 (335); Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (842); Hörnle, ZStW 108 (1996), 333 (334); KnaußIErhardt, Drogen, S. 30; LacknerlKühl, StGB,.§ 43a Rdn. I; NK-H.-1. Albrecht, StGB, § 43a Rdnrn. I ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 192. 44 BT-Drs. 1115461, S. 5; 1117663, S. 21; 12/989, S. 1,22. 45 Mitsch, JA 94, 425 (427/432); Weßlau, StV 91, 226 (233). 46 Zur Rechtsnatur der Vermögensstrafe vgl. unten, S. 32 - 38. 47 Mitsch, JA 94, 425 (432).

H. Zielsetzung der Vermögensstrafe

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dem Kondiktion oder Folgenbeseitigung. Dies aber ist Zweck der Maßnahme 'Verfall', die deswegen gerade keine pönale Funktion hat. Dies wird vom Gesetz ebenso gesehen, wie § 43a 12 zeigt"48. Die letztgenannte Meinung verkennt jedoch, daß der Wortlaut des § 43a bewußt zwar auch, aber eben nicht nur den Zugriff auf erwiesenermaßen legal erworbenes Vermögen gestattet49 . Denn für die Praxis besteht ja gerade das Problem, mit Gewißheit nachzuweisen, ob das Vermögen aus legalen oder aus illegalen Quellen stammt. Des weiteren soll dem konkret verfolgten Täter sowie anderen (potentiellen) Tätern durch die Verhängung der Vermögensstrafe klargemacht werden, daß Verbrechen sich nicht lohnenSO. Auch die amtl. Begründung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates vom 25.07.91 läßt erkennen, daß § 43a auch die Gewinnabschöpfung bezwecken soll·: "Nur in den schwersten Fällen einer Betäubungsmittelstraftat kann das gesamte Vermögen oder der wesentliche Teil des Vermögens durch die Vermögensstrafe abgeschöpft werden." Und: "Die Einftihrung des Erweiterten Verfalls ... soll Lücken der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung in Fällen schließen, in denen ... die Verhängung einer Vermögensstrafe vom Schuldrnaß der begangenen Taten her nicht zu vertreten wäre."sl Noch deutlicher geht die gesetzgeberische Absicht, mit § 43a Gewinnabschöpfung zu betreiben, aus dem stenographischen BerichtS2 der Verhandlungen des Deutschen Bundestages in der 95. Sitzung der 12. Wahlperiode am 04. Juni 1992 hervor, in der die zweite und dritte Beratung über den Entwurf des OrgKG stattfand; hier brachten Vertreter der Fraktionen der Koalitionsregierung die mit der Vermögensstrafe verfolgte Zielsetzung der Gewinnabschöpfung explizit zum Ausdruck. Als Beleg mag ein Zitat aus der Rede der damaligen Bundesministerin der Justiz, Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), dienen, die sagte: "Gesetzgeberische Maßnahmen müssen ... bei der Abschöpfung des illegal erworbenen Vermögens und der Gewinne aus Straftaten ansetzen. (... ) Das soll mit Einführung der Vermögensstrafe, dem erweiterten Verfall und der neuen Strafvorschrift gegen Geldwäsche erreicht werden. (... ) Mit diesen Maßnahmen liegt jetzt ein Gesamtkonzept vor, das die zur Zeit unzureichenden rechtlichen Möglichkeiten zur Abschöpfung von Gewinnen aus Straftaten erheblich verbessert"s3. Die 48 Mitsch, JA 94, 425 (432). 49 Vgl. Perron, JZ 93,918: "Ob das Vermögen legal oder illegal erworben wurde, spielt fur die Verhängung dieser Sanktion keine Rolle". Ebenso NK-H.-J. Albrecht, StOB, § 43a Rdn. 13; v. Seile, StV 95, 582. 50 Pressemitteilung des Bundesministers der Justiz, "recht" 89, 58. 51 BT-Drs. 12/989, S. 23. 52 Plenarprotokoll 12/95, S. 7793-7886. 53 Plenarprotokoll 12/95, S. 7829; ebenso eindeutig äußerten sich die Abgeordneten

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I. Teil - A. Grundlagen

Absicht des Gesetzgebers, mit § 43a Gewinnabschöpfung zu betreiben, steht infolgedessen außer Zweifel. Die gesetzgeberische Zielsetzung bei Einführung der Vermögensstrafe geht damit über die reine Straffunktion erheblich hinaus. Entgegen der Mindermeinung 54 steht dem auch nicht § 43a I 2 entgegen, denn der Grund fUr den Vorrang der Verfall vorschriften liegt lediglich in der bei diesen geforderten engeren Beziehung des Vermögensgegenstandes zum Tatnachweis bzw. zur Vermutung der rechtswidrigen Vermögenserlangung sowie darin, daß der Verfall keine Strafe im technischen Sinne darstellt 55 und insofern einen geringeren Eingriff bedeutet. § 43a I 2 läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß mit der Vermögensstrafe im Gegensatz zum Verfall nur auf legal erworbenes Vermögen zugegriffen werden kann, denn der Vorrang des Verfalls gründet sich eben nicht auf eine ausschließlich beim Verfall gegebene Ausgleichsfunktion, sondern auf den Grundsatz der Subsidiarität staatlichen Strafens, wonach eine Strafe ultima ratio des staatlichen Rechtsgüterschutzes auch im GefUge des Sanktionensystems sein muß. Festzuhalten bleibt somit, daß § 43a seiner Zielsetzung nach keineswegs nur reine Straffunktion aufweist, sondern auch Gewinnabschöpfung bezweckt. Inwieweit dies mit seiner formalen Ausgestaltung als Strafe vereinbar ist, soll im folgenden untersucht werden.

III. Rechtsnatur der Vermögensstrafe Der 3. Abschnitt des Allgemeinen Teils des StGB trägt die Überschrift "Rechtsfolgen der Tat". In diesen Abschnitt wurde die Vermögensstrafe mit dem § 43a unter dem Ersten Titel "Strafen" eingefügt. Unter diesem Titel sind im StGB neben der Vermögensstrafe auch die Freiheitsstrafe, die Geldstrafe, die Nebenstrafe und die Nebenfolgen geregelt. Die Strafen und die Nebenfolgen setzen eine schuldhaft begangene Straftat voraus; dagegen genügt für den Verfall und die Maßregeln der Besserung und Sicherung das Vorliegen einer "rechtswidrigen Tat", d.h. diese haben - rechtlich - gar keinen StrafcharakterSb.

Geis (CDU/CSU), S. 7819f., S. 7831; van Essen (FDP), S. 7821 sowie der ParI. Staatssekretär beim Bundesminister des lnnern, Lintner, S. 7833. 54 Mitsch, JA 94, 425 (432). 55 Zur Rechtsnatur des Verfalls vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 151'1'. m.w.N.; Schultehinrichs. Gewinnabschöpfung, S. 3ff. 56 Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 118.

III. Rechtsnatur der Vermögensstrafe

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Nach der Entwurfsbegründung des Bundesrates soll die Vennögensstrafe eine "besondere, nicht nach dem Tagessatzsystem (§ 40 StGB) zu bemessende Geldstrafe" darstellen 57 . Neben dieser Begründung sprechen auch die Bezeichnung als Vennögensstrafe und ihre systematische Plazierung im Gesetz für die Absicht des Gesetzgebers, mit dieser Sanktion eine dritte Hauptstrafe neben Freiheits- und Geldstrafe zu schaffen 58 . Nach einem Teil der Literatur stellt die Vennögensstrafe infolgedessen eine Hauptstrafe dar 59 • Nach der Gegenmeinung hat die Vennögensstrafe aufgrund ihrer Struktur bzw. ihrer gesetzlichen Konstruktion dagegen eher den Charakter einer Nebenstrafe 60 . Der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenstrafen besteht darin, daß erstere selbständig, letztere hingegen nur neben einer Hauptstrafe verhängt werden können 61 • Die Nebenstrafe soll die Hauptstrafe unterstützen, ihr mehr Nachdruck verleihen und einen zusätzlichen Denkzettel darstellen 62 . Neben der Tatsache, daß die Vennögensstrafe nur neben einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe, also niemals vollkommen selbständig verhängt werden kann, spricht im Hinblick darauf, daß mit der Vennögensstrafe die Täter über die Freiheitsstrafe hinaus besonders spürbar getroffen werden sollen 63 , auch der Gesichtspunkt des besonderen Nachdrucks und zusätzlichen Denkzettels dafür, die Vennögensstrafe trotz ihrer systematischen Stellung und ihrer fonnalen Ausgestaltung als Geldstrafe 64 dogmatisch als Nebenstrafe einzuordnen. Diese Auffassung wird auch durch die Gesetzesfassung des § 55 11 gestützt, die die Vennögensstrafe den Nebenstrafen gleichstellt und damit die strukturelle Vergleichbarkeit betont. Die Frage nach der Rechtsnatur der Vermögensstrafe darf sich jedoch nicht damit begnügen, eine Klassifizierung der Vermögensstrafe als Haupt- bzw. Nebenstrafe vorzunehmen. Interessanter und bedeutsamer ist die Frage, ob es sich bei der Vennögensstrafe überhaupt um eine Strafe im eigentlichen Sinne handelt oder ob sich dahinter im Grunde nicht vielmehr eine Verfallsanordnung für unrechtsverdächtiges Vermögen verbirgt. 57 BT-Drs. 12/989, S. 22. 58 Ebenso Mitsch, JA 94, 425.

59 Bringewat. NStZ 93. 316; DreherlTrändle. StOB, vor § 38 Rdn. 2; § 55 Rdn. 9: Haft, AT, S. 301; v. Seile. wistra 95, 161. 60 LacknerlKühl, StOB, § 43a Rdn. 3: Mitsch, JA 94, 425: Roxin. AT-I, § 1 Rdn. 2: Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 130. 61 Naucke, Strafrecht, § 6 IV 6 b): Roxin. AT - L § 1 Rdn. 2. 62 Naucke, Strafrecht, § 3 I 2 a). 63 Schoreit, MDR 90. I. 64 Daß sie keine Oeld(summen)strafe im eigentlichen Sinne ist, wird im folgenden ausgeführt. 3 Park

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1. Teil - A. Grundlagen

Teilweise wird die Vennögensstrafe als eine "vennögenswertbezogene und -bestimmte Geldsummenstrafe"65 in dem Sinne verstanden, daß es sich dabei um eine ganz nonnale Geldstrafe handele, die lediglich nicht am Tagessatzsystem, sondern am Tätervennögen orientiert sei. § 43a würde danach als Erweiterung des § 40 - also gewissennaßen als zusätzlicher Absatz des § 40 - oder als Erweiterung des § 41 zu verstehen sein. Nach dieser Auffassung wird der Täter durch eine Vennögensstrafe flir eine konkrete Straftat neben einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe mit einer Zahlungsverpflichtung bestraft, die durch den Wert des Tätervennögens begrenzt wird. Letztlich ähnelt § 43a damit dem § 41, nur daß nicht wie bei jenem neben einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem, sondern eine Geldsummenstrafe verhängt wird. Diese Lesart stellt jedoch ein grundlegendes Mißverständnis und damit vielleicht das entscheidende Manko bei der Diskussion um die Vennögensstrafe dar, denn wie im folgenden gezeigt wird, bestehen zwischen den beiden Sanktionsinstituten der Geld- und der Vennögensstrafe gravierende prinzipielle Unterschiede, die für die verfassungs- und strafrechtliche Beurteilung der Vermögensstrafe sowie flir die konkreten Anwendungsmöglichkeiten des §43a von enonner Wichtigkeit sind66 . Die Geldstrafe nach den §§ 40, 41 ist eine echte Hauptstrafe, d.h. sie setzt zum einen eine rechtswidrige und - anders als die Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der Verfall und teilweise auch die Einziehung - auch eine schuldhafte Tat voraus. Zum anderen hat sie Strafcharakter, was sich etwa darin äußert, daß sie auf die Zukunft ausgerichtet ist, indem sie dem Täter durch die Orientierung an dessen Einkommen einen Konsumverzicht auf Zeit auferlegt67 . Der Abschöpfung illegal erworbener Gewinne dient sie indessen nicht, denn daflir sind die Verfallvorschriften statuiert, die ihrerseits keinen Strafcharakter haben, sondern eine der Kondiktion des § 812 BGB entsprechende Maßnahme zur Wiederherstellung der dem Recht entsprechenden Güterzuordnung darstellen 68 . Während die Geldstrafe flir die Zukunft wirken so1l69, orientieren sich die Verfallvorschriften an der Vergangenheit; das in der Vergangenheit unrechtmäßig Erlangte soll abgeschöpft werden. Die Zahl der Tagessätze bei der Geldstrafe hat sich (auch in den Fällen des § 41) ausschließ65 Bringewat, NStZ 93,316 (317); Lemke, StV 90, 87 (89); Rieß, NJ 92, 491 (493); ih'!l folgend Mitsch, JA 94, 425 (Fn. 5). Zwar nicht ausdrücklich, aber im Ergebnis wohl ebenso SK-Horn, StGB, § 43a; v. Seile, StV 95, 582. 66 Etwa die Vereinbarkeit des § 43a mit der Unschuldsvermutung hängt wesentlich von dem Vergleich der Vermögensstrafe zu der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem ab, vgl. dazu unten, S. 55f. 67 LK-Tröndle, StGB, vor § 40 Rdn. 49; Zipf, Geldstrafe, S. 53. 68 Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 16; Mitsch, JA 93, 304 (306). 69 Zipf, Geldstrafe, S. 53.

III. Rechtsnatur der Vennögensstrafe

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lich am Maß des verschuldeten Unrechts zu orientieren; die Tagessatzhöhe bemißt sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters, und zwar in erster Linie nach seinem Einkommen. Dagegen wird mit der Verfallsanordnung weder Schuldausgleich noch Spezialprävention bezweckt, sondern Gewinnabschöpfung, die sich mit der positiven Generalprävention (Verteidigung der Rechtsordnung) erklären läßfo. Der punitive Charakter der Geldstrafe kommt gerade durch die Zukunftsorientierung und das Abstrafen legalen Einkommens zum Ausdruck, die Strafwirkung der Geldstrafe liegt darin, daß sie dem Täter einen Konsumverzicht auf Zeit auferlegt, durch den sein gewohnter Lebensstandard beschränkt wird. Die Funktion der Gewinnabschöpfung ist mit dem Strafcharakter der Geldstrafe indessen nicht zu vereinbaren, denn ein Übel, welches sich darin erschöpft, dem Betroffenen zu entziehen, worauf er ohnehin kein Recht hat, hat keine Straf- sondern reparative Funktion, stellt also keine Strafe, sondern einen quasi-kondiktionellen Ausgleich dar?l. Ferner ist die Gewinnabschöpfung - anders als die Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem, die im wesentlichen das zukünftige Einkommen betrifft - notwendigerweise immer an der Vergangenheit ausgerichtet, d.h. an einem Bestand an bereits (illegal) erworbenen Vermögensgegenständen, die es abzuschöpfen gilt. Daraus folgt, daß die Geldstrafe als echte Strafe ausschließlich Strafcharakter hat. Vergleicht man nun die Vermögensstrafe gemäß § 43a mit der Geldstrafe und dem Verfall, so stellt man fest, daß sie keinem dieser bei den Sanktionsinstitute eindeutig angehört72 • Dafiir, daß sie keine Erweiterung der klassischen Geldstrafe in Form einer Geldsummenstrafe darstellt, spricht zunächst die systematische Stellung innerhalb der Geldstrafenvorschriften. Der Gesetzgeber hat weder dem § 40 einen zusätzlichen Absatz zugefiigt, in dem er die Vermögensstrafe statuiert hat, noch hat er die Vorschrift des § 41 erweitert. Vielmehr ist mit § 43a eine eigenständige, von § 40 oder § 41 vollkommen unabhängige Strafvorschrift ins StGB aufgenommen worden. Des weiteren ergibt sich aus der gesetzgeberischen Zielsetzung unzweifelhaft, daß die Sanktion der Vermögensstrafe unter anderem speziell zu dem Zweck der Gewinnabschöpfung geschaffen wurde 73 • Auch dieses spricht für einen strukturellen Unterschied zur Geldstrafe, denn nach dem vorstehend Ausgefiihrten läßt sich diese Zielsetzung mit einem ausschließlichen Strafzweck nicht vereinbaren; hier liegt vielmehr eine starke Verwandtschaft zu den Verfallvorschriften. Nur diese dienen der Gewinnabschöpfung, nicht hingegen

70 SK-Horn, StGB, § 73 Rdn. 4. 71 Eser, Sanktionen, S. 121; Mitsch, JA 94, 425 (432).

72 So bereits Park, JR 95, 343 (344). 73 Vgl. dazu oben, S. 29 - 32. 3*

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I. Teil - A. Grundlagen

die Strafvorschriften. Dieser Umstand wird von der Gegenauffassung, die die Vermögensstrafe als eine echte Strafe begreift, vollkommen unberücksichtigt gelassen. Er stellt jedoch für die Beurteilung der Vermögensstrafe, gerade auch für die im Zusammenhang mit § 43a aufzuwerfenden verfassungsrechtlichen Fragen 74 , einen ganz zentralen Punkt dar. Indem die Gegenauffassung dies gänzlich außer acht läßt, lenkt sie die Diskussion von vornherein in die falsche Richtung, nämlich am Kern des Problems vorbei. Sie vernachlässigt die dogmatischen Unterschiede zwischen Straf- und Verfallvorschriften. Gerade diese Unterschiede sind hier jedoch von Bedeutung, weil ihre Beachtung der dogmatischen Zuordnung der Vermögensstrafe zu den Strafvorschriften entgegensteht. Insofern kommt dem mit der Vermögensstrafe verfolgten Zweck der Gewinnabschöpfung herausragende Bedeutung zu, denn durch dieses Merkmal weicht die Vermögensstrafe wesentlich von einer echten Strafe ab. Ferner unterscheidet sich die Vermögensstrafe von der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem dadurch, daß sie fur die Vergangenheit wirkt, indem sie durch das Vermögen des Täters begrenzt ist, sich also an in der Vergangenheit erworbenem Vermögen und nicht wie die Geldstrafe an zukünftig zu erwartendem Einkommen orientiert. Mit ihr kann ebenso wie mit dem klassischen Verfall immer nur auf bereits vorhandene Vermögensbestandteile zugegriffen werden, nicht jedoch auf (möglicherweise) zukünftig zu erwerbendes Tätervermögen, d.h. genauer: Einkommen. Daraus folgt, daß die Vermögensstrafe keineswegs nur den Charakter einer reinen (Neben-) Strafe hat. Bei genauer Betrachtung weist sie darüber hinaus vielmehr sogar zahlreiche Verfallseigenschaften auf, wie insbesondere durch die gesetzgeberische Motivation der Gewinnabschöpfung - worauf oben bereits hingewiesen wurde - deutlich wird 75 • Und tatsächlich wird sie in der Praxis zur Erreichung dieses" Verfallzwecks" von den Gerichten auch ohne irgendwelche Hemmungen eingesetzt, wie etwa das Urteil des LG Hamburg76 zeigt. Geset74 Dazu unten, S. 38 - 105. 75 Park, JR 95, 343 (344). 76 LG Hamburg, Urteil vom 11.04.1994, AZ 633 KLs 15/93. Dort heißt es auf S. 80: "Die Kammer hat von der Möglichkeit, eine Vermögensstrafe zu verhängen, auch Gebrauch gemacht, weil der nach den getroffenen Feststellungen sehr hohe Grad des Verdachts, daß das Vermögen des Angeklagten aus früheren Betäubungsmittelgeschäften stammt, eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit begründet, daß mit ihrer Verhängung im vorliegenden Fall die erklärte Absicht des Gesetzgebers, Gewinne gerade auch aus dem Rauschgifthandel abzuschöpfen, auch realisiert wird. Jedenfalls aber wird durch sie der durch die Beweisaufnahme begründete und nicht zu widerlegende starke Anschein vermieden, daß ein verurteilter Rauschgift-Großhändler im Besitz und Genuß eines höchst mutmaßlich durch andere Betäubungsmittelgeschäfte erworbenen Vermögens bleibt".

III. Rechtsnatur der Vermögensstrafe

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zestechnisch ist die Vermögensstrafe zwar als Strafe ausgestaltet, doch stellt sie im Grunde in allererster Linie eine Verfallsanordnung für unrechtsverdächtiges Vermögen dar. Ein reiner (Verdachts)Verfall ist sie jedoch nicht77 , weil sie im Gegenzug für die Vermögensstrafe einen Freiheitsstrafenrabatt gewährt, also eine Gratifikation, die dem klassischen Verfall fremd ist. Dennoch überwiegen deutlich die Verfallsanteile; nur zur Wahrung des rechtsstaatlichen Anscheins erfolgte die Auskleidung in Form einer Strafe 78 • Der Gesetzgeber wollte eine möglichst wirksame Möglichkeit schaffen, mutmaßlich illegal erworbene Gewinne abzuschöpfen. Da dieses im Wege eines Verdachtsverfalls in diesem weitgehenden Maß aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich war, schuf er eine Strafe, um durch die formale Koppelung an Schuldprinzip, Unschuldsvermutung und sonstige rechtsstaatliche Grundsätze verfassungsrechtlichen Problemen zu entgehen. An seiner Zielsetzung der Abschöpfung von wahrscheinlich aus Verbrechen stammenden Gewinnen ändert sich dadurch jedoch nichts, ihrem Wesen nach ist die Vermögensstrafe genaugenommen keine Strafe, sondern vielmehr verfallähnlich 79 • Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers wird von der Lit. zutreffend als "Etikettenschwindel"so, "legislatorisches Armutszeugnis"8\ oder "gesetzgeberische Schlitzohrigkeit"S2 bezeichnet. In der Tat hat der Gesetzgeber sich hier eines Taschenspielertricks bedient. Diesen kann man dogmatisch nur dadurch zutreffend als solchen entlarven, daß man die Vermögensstrafe richtigerweise als "Zwitternatur" zwischen Geldstrafe und Verfall kennzeichnet, bei der die Verfallscharakteristika überwiegen. Bezeichnen läßt sich diese dogmatische Doppelnatur vielleicht am treffendsten als nebenstrajenähnlicher Verdachts- Verjalr 3 • Daß sich die Vermögensstrafe von ihrer Rechtsnatur her weder eindeutig der Strafe noch dem Verfall zuordnen läßt, ist für ihre straf- und verfassungsrechtliche Beurteilung insgesamt von herausragender Bedeutung. Denn wie im fol77 A. A. wohl ehr. Jung, Vermögensstrafe. S. 34. 78 Ebenso Arzt, NStZ 90, I (6): .,Im Gewand der Vermögensstrafe tritt uns eine Verfallsanordnung t1ir verdächtiges Vermögen entgegen"; vgl. auch Ransiek. StV 96, 446 (448). 79 Vgl. auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 192: ,.Das Ziel des Verfalls. unrechtmäßig erlangtes Vermögen einzuziehen, wird in das Kleid der Strafe gehüllt, und über diesen Umweg werden ganz andere Ziele verfolgt. Eigentlich geht es nicht um eine Strafe." 80 Arzt, NStZ 90, 1 (6). 81 Bringewat, NStZ 93, 316 (317). 82 Kreuzer, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 54. 83 So bereits Park . .IR 95. 343 (345).

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

genden zu zeigen sein wird, muß diese dogmatische Charakterisierung dazu führen, daß bei der Vermögensstrafe gewisse straf- und verfassungsrechtliche Mindestgarantien sowohl der Strafvorschriften als auch der Verfallvorschriften einzuhalten sind. Keinesfalls hingegen darf die dogmatische Einordnung der Vermögensstrafe dazu führen, ihr diese Mindestgarantien vorzuenthalten. Die Verkennung dieses Umstandes durch Gesetzgeber und Rechtsprechung stellt die Wurzel des gesamten Übels des § 43a dar, also gewissermaßen die Ursache für das "Dilemma der Vermögensstrafe" .

B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe Im folgenden sollen die Bedenken, die gegen die Vermögensstrafe erhoben werden können, aufgezeigt und kritisch gewürdigt werden. Dabei werden zunächst verfassungsrechtliche Bedenken dargestellt, danach dann einfachrechtliche und allgemeine Einwände beleuchtet. Die verfassungsrechtliche Beurteilung erfolgt zunächst abstrakt auf die Norm bezogen, die vom BGH vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" wird dabei weitgehend ausgeklammert und gesondert behandelt.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken 1. Verstoß gegen das Schuldprinzip

a) Inhalt und verfassungsrechtliche Verankerung des Schuldprinzips Das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Strafrecht beruht auf dem sog. Schuldprinzip, wonach keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf!4. Aus dem Schuldprinzip folgt, daß jede Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen muß 85 • Im einzelnen sind Inhalt, Reich84 Nach Arth. Kaufmann, Schuldprinzip, S. 7 ist "das Schuldprinzip ... einer der Grundpfeiler, auf denen unser Strafrecht ruht". 85 BVerfGE 28, 386 (391); a. A. Schünemann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen, S. 153 (l87ff.), der die "irreführende Redeweise von einer schuldangemessenen Strafe" für ein überkommenes Relikt aus einem "überholten Schuldvergeltungsstrafrecht" hält und statt dessen den Begriff einer "vom Schuldprinzip begrenzten präventiven Strafzumessung" befürwortet. Da m.E. der Begriff der schuldangemessenen Strafe - mag er auch irreführend sein - sehr wohl auch im Sinne eines Präventivschuldstrafrechts verwendbar ist, gehe ich hier bei seiner Verwendung anders als Schünemann

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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weite und Sinn des Schuldprinzips umstritten; die Diskussion darüber ist schier uferlos und viel zu weitläufig, um im Rahmen dieser Arbeit auch nur annähernd angemessen behandelt werden zu können 86 . Hier kann nur kursorisch auf mit dem Schuldprinzip zusammenhängende Fragestellungen hingewiesen werden. In der jüngeren Vergangenheit läßt sich die Tendenz ausmachen, das Schuldprinzip weniger vor dem Hintergrund eines Vergeltungsschuldstrafrechts als vielmehr vor dem Hintergrund eines stark dominierenden Präventionsschuldstrafrechts zu betrachten 87 , wonach Strafzweck weniger die Vergeltung als vielmehr die Prävention ist. Das Schuldprinzip ist nun aber auf die vergangene Tat festgelegt; fur die Bemessung der Stratböhe muß infolgedessen das auf die Vermeidung künftiger Straftaten gerichtete Präventionsinteresse hinter dem Schuldgedanken zurückstehen 88 . Dadurch wird eine Strafbegrenzung erzielt, das Schuldprinzip entfaltet also die Wirkung eines Schuldüberschreitungsverbots 89 • Aus dieser Sichtweise der Vorrangigkeit des Präventions strafrechts folgt, daß die "Schuld" des Täters, also die subjektive Zurechenbarkeit und Vorwerfbarkeit, nicht Begründung, sondern nur Mittel zur Begrenzung der Strafrechtsfolge ist90 • Zutreffend fuhrt Hassemer aus: "Nicht aus dem vorwerfbaren Verschulden des Straftäters ergibt sich die Rechtfertigung der Strafrechtsfolge, sondern aus den Aufgaben des Strafrechts als einer gesellschaftlichen und staatlichen Institution". Und: " ... Anlaß und Grund strafrechtlichen Tätigwerdens ist nicht, daß ein Mensch sich schuldig gemacht hat, sondern vielmehr, daß ein gesellschaftlicher Konflikt entstanden ist, der mit weniger intensiven Mitteln als denen des Strafrechts nicht verarbeitet werden kann. Die sozialethische Rechtfertigung der Strafrechtsfolge liegt nicht im individuellen Bereich - bei der "Schuld" eines einzelnen -, sondern immer im sozialen Bereich. Deshalb sieht das Strafrechts system ... auch bei schwerster menschlicher Schuld von einem Eingreifen zu Recht immer dann ab, wenn der durch dieses Verdavon aus, daß "schuldangemessenes Strafen" und .,vom Schuldprinzip begrenzte präventive Strafzumessung" sich nicht unbedingt ausschließen. 86 Weiterführend siehe Roxin AT-I. § 3 Rdnrn. 46ff.; § 19 m.w.N. 87 Vgl. insbesondere Roxin, AT-I, § 3 Rdnrn. 46f.; § 19 Rdn. 16: SK-Rudolphi, StGB, vor § 19 Rdn. I: Schünernann, in: Schünemann (Hrsg.), Grundfragen, S. 154 195.

88 Roxin, AT-I, § 3 Rdn. 52: ebenso der DA V, StV 92, 29 (32): "Präventive Überlegungen dürfen die Strafbemessung nur innerhalb des Spielraums schuldangemessener Strafe bestimmen". 89 Roxin, AT-I, § 3 Rdnrn. 46, 52. 90 Hasserner, Einführung, S. 242.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermägensstrafe

schulden entstandene Konflikt keine soziale Relevanz hat oder vom Strafrecht mit seinen Mitteln nicht vernünftig verarbeitet werden kann ... Die "Schuld" der Beteiligten braucht die Strafrechtspflege nur als Grenze subjektiver Zurechnung, nicht als Begründung ihres Handelns"91. Der vielzitierte 92 Satz, die individuelle Schuld sei erstens Grundlage und zweitens Begrenzung der staatlichen Strafe, ist vor diesem Hintergrund so zu verstehen, daß die Schuld zwar eine notwendige, jedoch keineswegs hinreichende Bedingung für den staatlichen Strafanspruch darstellt; die Bindung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit an die Schuld des Täters hat den Zweck, der staatlichen Strafgewalt eine Grenze zu setzen 93 • Konsequent weitergedacht hat dies zur Folge, daß die Strafe in ihrer Dauer über das Maß der Schuld auch dann nicht hinausgehen darf, wenn Behandlungs-, Sicherungs- oder Abschreckungsinteressen eine längere Inhaftierung als empfehlenswert erscheinen lassen 94 . Was den weiteren dogmatischen Hintergrund des Schuldprinzips angeht, ist für diese Arbeit nur das wichtig und entscheidend, worüber im Ergebnis ohnehin weitestgehend Einigkeit herrscht: daß das Schuldprinzip ein unverzichtbarer Grundpfeiler eines rechtsstaatlichen und die Menschenwürde des einzelnen wahrenden Strafrechts ist. Es ist allgemein anerkannt, daß dem Schuldprinzip verfassungsrechtlicher Rang zukommt95 . Da das Schuldprinzip im Grundgesetz nicht ausdrücklich festgeschrieben ist, wird indessen seine konkrete verfassungsrechtliche Verankerung unterschiedlich beurteilt. Das BVerfG bezeichnet das Schuldprinzip als "rechtsstaatlichen Grundsatz"96 und sieht seine Verankerung insbesondere im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) und in der Menschenwürde sowie in der Eigenverantwortlichkeit des einzelnen begründet: "Dem Grundsatz, daß jede Strafe ... Schuld voraussetze, kommt verfassungsrechtlicher Rang zu. Er ist im Rechtsstaatsprinzip begründet. Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes .... Zur Rechtsstaatlichkeit gehört nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die materielle Gerechtigkeit .... Die Idee der Gerechtigkeit 91 Hassemer, Einflihrung, S. 242 (Hervorhebungen im Originaltext). 92 Vgl. etwa KreyIDier/amm, .IR 92, 353 (357).

93 So die ganz h.M., vgl. nur JescheckiWeigend, AT. § 4 I I; SK-Rudo/phi. StGB, vor § 19 Rdn. I. 94 Roxin, AT-I; § 3 Rdn. 46; ähnlich BGHSt 20, 264 (267); BGH N.lW 87. 3015.

95 Vgl. nur JescheckiWeigend, AT. § 4 I 2; M/D/H/S-Dürig, GG. Art. I Rdn. 32 sowie in st. Rspr. BVerfGE 20. 323 (331); 25. 269 (285f.); 28. 386 (391): 45. 187 (259); 57. 250 (275); 58. 159 (163): 80. 244 (255). 96 BVerfGE 25. 269 (285).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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fordert, daß Tatbestand und Rechtsfolge in einem sachgerechten Verhältnis zueinander stehen"97. Und: "Dieser Grundsatz wurzelt in der vom GG vorausgesetzten und in Art. I Abs. I und Art. 2 Abs. I GG verfassungskräftig geschützten Würde und der Eigenverantwortlichkeit des Menschen, die vom Gesetzgeber auch bei der Ausgestaltung des Strafrechts zu achten und zu respektieren sind"98. Dieser Auffassung ist die Literatur weitgehend gefolgt99 • Vereinzelt werden jedoch abweichende Auffassungen vertreten, so etwa von Sax 100, Dürig lOl und Schmidhäuser lO2 , die lediglich Art. I I GG als Verfassungsgrundlage des Schuldprinzips ansehen, oder von ZipjOJ, der das Schuldprinzip allein im Rechtsstaatsprinzip verankert sieht. Einen eigenständigen Begründungsansatz liefert Frister lO4 , der das Schuldprinzip weder aus Art. I I GG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet, sondern als Konsequenz der Gewährleistung der Grundrechte betrachtet. Keine dieser Auffassungen vermag jedoch mehr zu überzeugen als die h.M.: Die verfassungsrechtliche Fundierung im Zusammenspiel vom Rechtsstaatsprinzip und der Achtung der Menschenwürde ist zwar sehr allgemein gehalten, aber die Verhängung des staatlichen Straflibels in Relation zur persönlichen Vorwerfbarkeit und Verantwortlichkeit des einzelnen ist ein dermaßen vielschichtiges und diffiziles Problem - wie u.a. die anhaltende Diskussion um den strafrechtlichen Schuldbegriff zeigt -, daß das Herausgreifen eines einzelnen spezifischen Verfassungsgedankens nicht ausreichend erscheint, um der Multidimensionalität des Schuldprinzips gerecht zu werden. Mangels einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Regelung verdient somit die um ein breites verfassungsrechtliches Fundament bemühte h.M. Zustimmung.

97 BVerfGE 20, 323 (331). 98 BVerfGE 25,269 (285); ebenso BVerfGE 45, 187 (259f.); 80, 244 (255). 99 Vgl. AKStGB-Seelmann, § 13 Rdn. 3; Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (357); Haft. AT. S. 120; LK-Jescheck. StGB. vor § 13 Rdn. 65; Schänke/Schräder-Lenckner. StGB, vor § 13 Rdn. 103. 100 Sax. in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner. Grundrechte I11/2, S. 936. 101 M/D/H/S-Dürig, GG, Art. I Rdn. 32. 102 Schmidhäuser. AT, S. 108. 103 Maurach/Zipf, AT-I, 1013 f 104 Frister, Schuld prinzip. S. 18fT., 37/38.

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1. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermägensstrafe mit dem Schuldprinzip

Die Vereinbarkeit der Vennögensstrafe mit dem Schuldprinzip wird von einer verbreiteten Literatunneinung überaus kritisch und größtenteils ablehnend beurteilt. Denn die Vennögensstrafe richte sich in erster Linie nach der Höhe des Vennögens und nicht nach der Schuld des Täters 105. Diese Ausrichtung an der Höhe des Tätervennögens sei durch die Zielsetzung des § 43a l06 bedingt und habe zur Folge, daß bei den unterschiedlichen Graden der Täterschuld eine Entsprechung von Einzeltatschuld und Strafe nicht hinreichend gewährleistet sei; die Einziehung des Vennögens in Fonn dieser Sanktion sei nicht entsprechend dem Schuldprinzip abstufbar 107 . Erst bei der Umrechnung in eine Ersatzfreiheitsstrafe entstehe ein Vergleichsmaßstab; da der Gesetzgeber jedoch hierfiir keintm Umrechnungsschlüssel entwickelt habe, bleibe vollkommen offen, nach welchen Kriterien die Umrechnung zu erfolgen habe, woran also die Schuldangemessenheit sich überprüfen lassen solle 108. Entgegen der Ansicht der Gesetzesinitiatoren 109 des § 43a seien die Gerichte auch nicht in der Lage, einen solchen Umrechnungsschlüssel eigenständig zu entwickeln, da nicht einsichtig zu machen sei, wie die Dauer des Freiheitsstrafenrabatts mit dem absoluten oder relativen Umfang des durch die Vennögensstrafe betroffenen Vennögens zusammenhänge 10. Folge der nicht hinreichend genauen Abstufbarkeit seien Ungleichbehandlungen: Eine Strafe, die lediglich durch die Höhe des Tätervennögens begrenzt werde, schaffe zwangsläufig Ungerechtigkeiten; schwerere und leichtere Taten, vennögende und unvennögende Täter würden ungleich getroffen 111. So führe die Tatsache, daß eine Vennögensstrafe nur neben Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren verhängt werden könne, zur Privilegierung von Tätern, die eine geringere Strafe verwirkt haben. Sie könnten ihr Vennögen behalten, sofern es

105 Weßlau, StV 91, 226 (234). 106 Vgl. dazu oben S. 29 - 32. 107 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (839). 108 Weßlau, StV 91, 226 (234); Körner, BtMG, § 30c Rdn. 3; Hörnle, ZStW 108 (1996),333 (346). 109 BT-Drs. 11/5461, S. 6. 110 Arzt, NStZ 90, 1 (5f.); Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (841); Köhler/Beck, JZ 91, 797 (800). 111 Eisenberg, Kriminologie, § 33 Rdn. 28; Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (839); ders., Sanktionen, S. 104; Lampe, JZ 94, 123 (132); Perron, JZ 93,918 (919).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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nicht dem Erweiterten Verfall unterliege lJ2 . Bei den zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren Verurteilten bewirke der Verzicht auf einen besonderen Zusammenhang von Tat und Vermögenserwerb eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Verurteilten, deren Vermögen aus legalen Quellen (z.8. Erbschaft) stamme, gegenüber vermögens losen Verurteilten; denn vermögende Täter könnten sich von der an sich verwirkten Freiheitsstrafe bis auf einen Rest von etwas mehr als zwei Jahren "freikaufen", ohne daß ihre Schuld geringer sein müßte ll3 . Damit sei nicht mehr gewährleistet, daß jede Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schuld des Täters stehe, und das sei mit dem Schuldprinzip unvereinbar. Ein weiteres Argument fur einen Verstoß gegen das Schuldprinzip wird aus der "altemativlosen Kumulation der (konfiskatorischen) Vermögensstrafe und einer hohen, nicht aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe" hergeleitet l14 . Es sei nämlich nicht nachvollziehbar, warum nicht im Einzelfall eine erweiterte Geldbzw. Vermögensstrafe allein ohne zusätzliche Verhängung einer Freiheitsstrafe schuldangemessen sein sollte; so jedenfalls dränge der starre Regelungsvorschlag zu unangemessener Kumulation. Die sich daraus ergebende besondere Schwere der Gesamtsanktion könne daher nicht oder nur zufällig schuldangemessen sein" s. Insbesondere die nach dem Gesetzeswortlaut mögliche Verhängung einer Vermögensstrafe neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe solle nach dem Willen des Gesetzgebers 11 6 zu einer Strafrahmenerweiterung fuhren, wodurch dem Täter jedoch der schuldstrafrechtlich gebotene Freiheitsstrafenrabatt versagt würde, weshalb die mögliche Kumulation von lebenslanger Freiheitsstrafe aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen sei" 7• c) Die Gegenmeinung Nach der Gegenauffassung verstößt § 43a keineswegs gegen das Schuldprinzip. Der BGH begnügte sich in ersten drei Beschlüssen" 8 mit der lakonischen Feststellung, "die Vorschrift kann verfassungskonform so ausgelegt werden, daß Verstöße gegen die Grundsätze schuldangemessenen Strafens und 112 J. Meyer, ZRP 90, 85 (88); Tröndle, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 302. 113 J. Meyer, ZRP 90, 85 (88); Lampe, JZ 94, 123 (132); Perron, JZ 93, 918 (919). 114 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (800); ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 85f. 115 Köhler/Beck,.IZ 91, 797 (800). 116 BT-Drs. 11/5461, S. 7. 117 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (840); v. Seile, wistra 93,216 (217). 118 BGH, StV 95, 16f. m. Anm. BartoniPark sowie BGH, NStZ 94,429.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

der Verhältnismäßigkeit nicht zu besorgen sind,,119. Differenzierter setzt sich Horn l20 mit dieser im Hinblick auf das Schuldprinzip geforderten verfassungskonformen Auslegung des § 43a auseinander. Das Schuldprinzip verlange Beachtung unter zwei Gesichtspunkten: Erstens müsse die kumulierte Strafsanktion dem Gewicht des verschuldeten Tatunrechts entsprechen. Dem könne der Richter dadurch Genüge tun, daß er, wenn er bei der Umsetzung der insgesamt gewürdigten Tat in ein bestimmtes, dem verschuldeten Unrecht entsprechendes Strafmaß zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren gelangt, unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung maßgebenden Umstände prüft, ob es angebracht sei, daß davon der eine Teil als Freiheitsstrafe, der andere Teil als Vermögensstrafe verhängt wird. Zweitens setze das Schuldprinzip voraus, daß die gegen den Täter verhängte Vermögensstrafe der Ersatzfreiheitsstrafe entspreche, die im Fall der Uneinbringlichkeit zu verbüßen sei. Um dieses zu gewährleisten, sei § 43a im Lichte der Geldstrafenvorschriften so auszulegen, daß im Ergebnis die Vermögensstrafe nichts anderes sei als eine höchstens verdoppelte kumulative Geldstrafe, d.h. daß eine Tageseinbuße von 10 000,- DM als äußerste Grenze fur den Vergleich mit einem Tag Freiheitsverlust anzusehen sei (= bei der Höchstersatzfreiheitsstrafe also max. 7,2 Mio. DM). Eine andere Lösung werde durch das Schuldprinzip nicht zugelassen 121. Nach Albrecht l22 dürfte die verfassungskonforme Auslegung bei der Vermögensstrafe im wesentlichen auf eine Erweiterung der Geldstrafe gemäß § 41 hinauslaufen. Dadurch werde der Schuldgrundsatz eingehalten 123. Das Argument der h.M., der fehlende Umrechnungsschlüssel bewirke einen Verstoß gegen das Schuldprinzip, schlage letztlich nicht durch, weil es sich bei der Frage, nach welchem Maßstab eine Straftat in Strafhöhe umzusetzen sei, um ein ungelöstes oder möglicherweise sogar unlösbares Problem handele l24 .

119 Ähnlich Lemke. StV 90. 87 (89); Mitsch, JA 94, 425 (431); Schäfer, Strafzumessung, Rdn. 165a; v. Seile, StV 95,582; vgl. dazu ausführlich unten. S. 87ff.

120 SK-Horn, StGB, § 43a Rdnrn. 4ff. 121 Insbesondere gestatte § 43a unter Wahrung des Schuldprinzips keinen Zugriff auf das zufällig vorhandene oder geschätzte Tätervermögen in seiner nach oben unbegrenzten Höhe, also keine Vermögenskonfiskation. vgl. SK-Horn. StGB. § 43a Rdn. 6.

122 NK-H.-J. Albrecht. StGB, § 43a Rdn. 12. 123 NK-H.-J. Albrecht, StGB. § 43a Rdn. 12. Allerdings räumt Albrecht (a.a.O.) ein. daß durch diese Auslegung der rechtspolitische Normzweck, nämlich der staatliche Totalzugriff auf das Tätervermögen. "konterkariert" werde. 124 SK-Horn. StGB. § 43a Rdn. 9.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Dem Argument, die Strafkumulation insbesondere von lebenslanger Freiheitsstrafe und Vermögensstrafe stelle eine unzulässige Strafrahmenerweiterung dar, wird vom Gesetzgeber entgegengehalten, der Umstand der zusätzlichen Verhängung einer Vermögensstrafe neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe könne bei der Aussetzungsentscheidung nach § 57a berücksichtigt werden 12S . Nach der Auffassung von Mitsch ist bereits die durch Kumulation von Vermögensstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe bewirkte Strafschärfung als solche unschädlich; denn dieser Fall sei nur in einer Konkurrenzsituation möglich, und die Tatsache, daß der Täter mehrere Strafgesetze verletzt bzw. mehrere Straftaten begangen habe, legitimiere eine Strafschärfung l26 • v. Seile hält es bereits "wegen des in jedem Fall zu gewährenden Freiheitsstrafenrabatts ... (fur) verfehlt", "die Vermögensstrafe apriori mit dem Verdikt der Überschuldstrafe zu versehen"l27. Diese Meinungsgruppe erkennt damit die bei der Anwendung des § 43a flir die Wahrung des Schuldprinzip drohenden Gefahren, glaubt jedoch, ihnen durch besondere Beachtung der durch das Schuldprinzip gezogenen Grenzen in jedem Einzelfall wirksam begegnen zu können; nach ihrer Auffassung verstößt die Vermögensstrafe an sich nicht gegen das Schuldprinzip.

d) Stellungnahme Die fur die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldprinzip vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Die Tatsache, daß die Sanktion der Vermögensstrafe sich in erster Linie nach der ':Iöhe des Tätervermögens und nicht nach der Schuld des Täters richtet, ist der tragende fur einen Verstoß gegen das Schuldprinzip sprechende Gesichtspunkt 128 • Er kann nicht durch den Hinweis auf die in jedem Fall zu gewährende Strafmilderung, die der Ersatzfreiheitsstrafe entspricht, entkräftet werden. Denn es gibt kein Regulativ, keinen geeigneten Schlüssel fur die Umrechnung von Vermögensstrafe in Er125 BT-Drs. 11/5461, S. 7. 126 Mitsch, JA 94, 425 (430). 127 v. Seile, wistra 93, 216 (217). Aber die mögliche Kumulation von lebenslanger Freiheitsstrafe und Vermögensstrafe wird auch von v. Seile ,.bereits aus grundsätzlichen Erwägungen" - gerade auch im Hinblick auf das Schuldprinzip - abgelehnt; vgl. auch dens., wistra 95, 161 (164 Fn. 44) sowie StV 95,582 (Fn. 14). 128 Mit Recht meint 1. Meyer, ZRP 90, 85 (88), daß "eine klarere Verletzung des Schuldprinzips kaum denkbar" sei, da sich die Vermögensstrafe "nicht mehr nach der Schuld des Täters, sondern nach dem (zufällig noch) vorhandenen oder geschätzten Vermögen" richte.

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I. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

satzfreiheitsstrafe, so daß nicht nachvollziehbar ist, wie eine angemessene Gleichstellung von Freiheitsentzug und dem nur durch die Höhe absolut begrenzten, u. U. nur geschätzten Tätervermögen gelingen soll. Dieses kann entgegen der Auffassung des Gesetzgebers keineswegs den Gerichten überlassen bleiben und entgegen Horn auch nicht als bekanntermaßen ungelöstes allgemeines Problem des richtigen Maßstabs der Umsetzung einer Straftat in Strafhöhe offenbleiben. Zwar steht man immer vor dem Problem der Umrechnung von Schuld in Strafhöhe, für die es bei der Freiheitsstrafe auch keinen Schlüssel gibt. Der maßgebliche Unterschied bei der Schwierigkeit der Umrechnung mangels eines Umrechnungsschlüssels bei der Vermögensstrafe zur Umrechnung bei der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem wird jedoch in einem zweiten Schritt offenbar. Für die Umrechnung von Freiheit in Geld nach dem Tagessatzsystem gibt es einen Umrechnungsschlüssel, der zwar willkürlich festgelegt wurde, an dem sich das Gericht jedoch nachvollziehbar orientieren kann. Der entscheidende Unterschied zur Umrechnung von Freiheitsentzug in Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem besteht nun darin, daß ein geeigneter Umrechnungsschlüssel bei der Vermögensstrafe gar nicht entwickelt werden kann l29 • Ohne einen solchen Umrechnungsschlüssel wird jedoch die zur Bestimmung der Strafmilderung erforderliche Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe notwendigerweise willkürlich und allenfalls zufällig schuldangemessen. Wie von der h.L. zu Recht geäußert wird, resultieren daraus zwangsläufig Ungleichbehandlungen, ohne daß diese durch einen zwingenden sachlichen Grund gerechtfertigt sind. So können vermögende Täter, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren und zu einer Vermögensstrafe verurteilt werden, sich durch ihr - möglicherweise illegal erworbenes - Vermögen im Gegensatz zu vermögenslosen Tätern von einem Teil der Freiheitsstrafe "freikaufen", ohne daß ihre Schuld geringer sein müßteI30.131. Die daraus möglicherweise 129 A. A. v. Seile, wistra 93, 216 (218); sein Umrechnungsmodell ist jedoch nicht überzeugend; so bleibt v. Seile etwa eine schlüssige Erklärung dafür schuldig, warum bei dem von ihm zur Verdeutlichung angeführten Beispiel bei einer Erfassung des gesamten Tätervermögens durch die Vermögensstrafe die der Ersatzfreiheitsstrafe entsprechende Strafmilderung nicht die vollen zwei Jahre betragen soll; gegen das Umrechnungsmodell von Seiles auch Hörnle, ZStW 108 (1996), 333 (35Of.). Der Entwicklung eines praktikablen Umrechnungsschlüssels steht insbesondere der zwingend vorgeschriebene Rahmen (von einem Monat bis zu zwei Jahren) für die Ersatzfreiheitsstrafe entgegen, denn es ist nicht nachvollziehbar, warum eine - nur durch den Wert des Vermögens begrenzte und möglicherweise geschätzte - Vermögensstrafe einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren entsprechen soll. Wie hier LG Bad Kreuznach, StV 94, 140 (141). 130 ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 118, 120; J. Meyer, ZRP 90, 85 (88); Tröndle, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 302. Auch Mitsch, JA 94, 425 (432) hält dies für eine ungerechtfertigte Privilegierung, zieht daraus jedoch nicht den Schluß

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erwachsende ungerechtfertigte Ungleichbehandlung wird insbesondere in den Fällen besonders deutlich, in denen zwei Mittäter, von denen einer vermögend, der andere dagegen vermögenslos ist, wegen eines Verstoßes etwa gegen § 29 I Nr. 1 BtMG zu einer Freiheitsstrafe von weit mehr als zwei Jahren verurteilt werden '32 : Während dem vermögens losen Täter (der bspw. den gesamten Erlös aus den BtM-Geschäften bereits dem Mittäter übergeben hat) keine Möglichkeit zur Milderung der Freiheitsstrafe offensteht, kann der vermögende Täter, gegen den gemäß §§ 30c I BtMG, 43a I eine Vermögensstrafe verhängt wird, sich wegen der nach dem Schuldprinzip zwingend gebotenen Strafmilderung durch sein Vermögen von einem Teil der Freiheitsstrafe "freikaufen". Auf der anderen Seite - vom Blickwinkel des Täterinteresses am Vermögenserhalt aus betrachtet - fuhrt der Umstand, daß die Vermögensstrafe nur bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt werden kann, zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Tätern, die zu einer geringeren Freiheitsstrafe verurteilt werden: Sofern ihr Vermögen nicht dem (Erweiterten) Verfall unterliegt, können sie es behalten 133 • Die Nichterfaßbarkeit des Vermögens mit § 43a bei einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedeutet eine im Hinblick auf das Vermögen nicht nachvollziehbare Privilegierung von Tätern, die eine nicht oberhalb der willkürlichen Schwelle von zwei Jahren liegende Freiheitsstrafe verwirkt haben 134.

eines Verstoßes gegen das Schuldprinzip, sondern nur den, daß bei der Vermögensstrafe Zugriffsobjekt ausschließlich legal erlangtes Vermögen sein dürfe. 131 Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf das griechische Strafrecht. In Griechenland sieht das dort geltende StGB die Möglichkeit der Umwandlung von Freiheits- in Geldstrafen vor, sofern eine umwandlungsfähige Freiheitsstrafe verhängt und ein positives spezialpräventives Urteil über die Persönlichkeit des Täters gefällt wird (Art. 82 griech. StGB). Eine Ausnahme gilt jedoch für das Delikt des Drogenhandels. Für dieses besteht ein gesetzliches Umwandlungsverbot (Art. 82 Abs. 7 griech. StGB), das "mit Rücksicht auf eine ... wegen der vermeintlichen Privilegierung von Drogenhändlern in Panik geratene Öffentlichkeit eingeführt wurde", vgl. Kareklas. in: Meyer/Dessecker/Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 170 (Fn. 97). 132 Das Beispiel ist entnommen der Stellungnahme von Trändie, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 302. 133 So zutreffend 1. Meyer, ZRP 90, 85 (88); Trändie, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 302; a. A. ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 119. 134 A.A. Mitsch, JA 94, 425 (432, Fn. 75). Sein Einwand, dies stelle keine Privilegierung, sondern einen Nachteil dar, weil der Verurteilte keine Gelegenheit erhalte, "einen Teil geronnener Freiheit in flüssige Freiheit umzutauschen", geht indessen fehl, weil dem Täter möglicherweise viel am Erhalt des Vermögens liegt. Und vom Blickwinkel dieses möglichen "Vermögenserhaltungsinteresses" aus gesehen kommt es nicht auf die Möglichkeit des Freikaufens von einem Teil der Freiheitsstrafe, sondern auf die

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Daß diese bei der Anwendung des § 43a zwangsläufig auftretenden Probleme der (Un-) Gleichbehandlung bei gleichzeitiger Zumessung einer schuldangemessenen Strafe und unter größtmöglicher Berücksichtigung des Normzwecks können auch nicht durch eine "verfassungskonforme Auslegung" gelöst werden J35 • Nicht tragfahig ist auch das Argument, der nach dem Schuldprinzip gebotenen Gratifikationspflicht bei Verhängung einer zusätzlichen Vermögensstrafe neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe werde durch eine Berücksichtigung bei der Aussetzungsentscheidung nach § 57a Genüge getan: Zum einen wird das Schuldprinzip nicht erst auf Vollstreckungsebene, sondern bereits bei der Straffestsetzung relevant, d.h. es verbietet nicht nur die Vollstreckung, sondern bereits die Verhängung einer Überschuldstrafe. Zum anderen ist die Aussetzungsentscheidung,nach § 57a an die Voraussetzung einer günstigen Sozialprognose gebunden (§ 57a I Nr. 3 i.V.m. § 57 I 1 Nr. 2). Wenn die Prognose nun äußerst ungünstig ausfällt (etwa wegen hoher Gefährlichkeit des Täters), kann auch die Verhängung einer zusätzlichen Vermögensstrafe nicht zu einer Aussetzung des Strafrests zur Bewährung flihren 136 . Da präventive Gesichtspunkte jedoch wegen des Schuldprinzips bei der Bemessung der Strafhöhe hinter dem Schuldgedanken zurückstehen müssen (das Schuldprinzip begrenzt die Präventionsstrafzumessung)137 und die lebenslange Freiheitsstrafe die absolute Höchststrafe darstellt, die das deutsche Strafrecht kennt, bedeutet die kumulative Verhängung von lebenslanger Freiheits- und Vermögensstrafe in jedem Fall eine Überschuldstrafe. Denn da die lebenslange Freiheitsstrafe die absolute Höchststrafe darstellt, müßte sie - was jedoch außerhalb des § 49 I Nr. 1 nicht möglich ist - tatsächlich gemindert werden, wenn neben ihr eine Vermögensstrafe verhängt wird. Die lediglich stärkere Berücksichtigung bei der Aussetzungsentscheidung nach § 57a in dem Sinne, daß eine Aussetzung des Strafrests eher geboten sein wird als bei einem Täter, gegen den "nur" die lebenslange Freiheitsstrafe, nicht jedoch darüber hinaus eine Vermögensstrafe verhängt wurde, kann hier nicht genügen. Denn wenn die tatsächliche Milderung sich wegen einer ungünstigen Prognose verbietet, muß der Täter über den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe hinaus (den er ohne Vermögensstrafe genauso erdulden müßte) zusätzlich noch die Vermögensstrafe erleiden, was

nur vom Maß der Freiheitsstrafe abhängende Möglichkeit, dem Täter dessen Vermögen mit § 43a zu entziehen. 135 Auf eine eingehende - auch dogmatische - Auseinandersetzung mit der "verfassungskonformen Auslegung" wird an dieser Stelle verzichtet; sie erfolgt unten, S. 87ff. 136 So auch v. Seile, wistra 95, 161 (164, Fn. 44). 137 S. oben, S. 39.

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jedoch wegen des Ausnahmecharakters der lebenslangen Freiheitsstrafe als absolute Höchststrafe eine Überschuldstrafe darstellt. Entgegen Horn lJ8 kommt auch keine sinngemäße Anwendung des Tagessatzsystems bei der Geldstrafe in Betracht, denn bereits aus der Rechtsnatur der Vermögensstrafe sowie aus der Entwurfsbegründung des Bundesrates IJ9 ergibt sich die Eigenständigkeit dieser Sanktion, d.h. die Loslösung vom Tagessatzsystem. Deutlich wird dies ferner durch § 41 S. 2, der bei Verhängung einer Vennögensstrafe nach § 43a die Anwendbarkeit des § 41 ausdrücklich ausschließt, weil die Vennögensstrafe ansonsten nichts anderes wäre als eine kumulative Geldstrafe nach § 41 14°. Wenn nun die neue Sanktion so klar von der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem unterschieden werden soll, kann man nicht über den Umweg der "verfassungskonformen Auslegung" im Ergebnis die Vermögensstrafe doch zur Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem machen '41 • Ein weiterer - indizieller - Gesichtspunkt, der gegen eine Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldprinzip spricht, folgt aus dem sog. Einzeltatschuldgrundsatz, der eine besondere Ausprägung des Schuldprinzips darstellt. Nach diesem Grundsatz kann nur die bei der konkreten Tatbestandsverwirklichung selbst vorliegende Schuld zur Grundlage strafrechtlicher Verantwortlichkeit gemacht werden; unzulässig ist es dagegen, statt dessen auf eine in der Vergangenheit liegende "Lebensflihrungsschuld" oder "Lebensentscheidungsschuld" zurückzugreifen 142. Die Sanktion darf sich also bei einem Tatstrafrecht (im Gegensatz zu einem Täterstrafrecht) nur als Antwort auf die Einzeltat und nicht auf die Lebensflihrung des Täters darstellen 143. Zutreffend konstatiert Roxin l44 : "Strafschärfende täterstrafrechtliche ... Einflüsse werden fur Tatbestände des Besonderen Teils, fur dogmatische Regelungen im Allgemeinen Teil und fur die Strafzumessung behauptet. Doch sind sie fur keinen der drei Bereiche anzuerkennen". Zwar wird die Vermögensstrafe als Sanktion fur eine konkrete Straftat verhängt, der zugrunde liegende intentionale Gedanke ist jedoch der, das in der Vergangenheit vermutlich illegal erworbene Vermögen, dessen Beziehung zu spezifischen Straftaten sich nicht nachweisen ließ, 138 SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 6. 139 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 22. 140 Bringewat, NStZ 93,316 (317): DreherlTrändle, StGB, § 43a Rdn. 6. 141 Siehe dazu ausführlich unten, S. 87fT.

142 Roxin, AT-I. § 19 Rdn. 54; Körner, BtMG, § 30c Rdn. 3; Stratenwerth. Tatschuld und Strafzumessung, S. 5ff. 143 Arth. Kaufmann, Schuldprinzip, S.187ff.: Roxin, AT-I, § 6 Rdn. L Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 7. 144 Roxin. AT-I, § 6 Rdn. 14. 4 Park

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und das dem Täter darum auch nicht entzogen werden konnte, nun dennoch dem staatlichen Zugriff zu unterwerfen 145. Damit soll der Täter im Grunde nachträglich für nicht nachweisbare Straftaten aus der Vergangenheit bestraft werden, indem ihm das vermeintlich daraus erlangte Vermögen entzogen wird. Diese Möglichkeit, die der Gesetzgeber bewußt geschaffen hat, um der Schwierigkeiten des Nachweises eines illegalen Vermögenserwerbs endlich Herr zu werden, geht jedoch über die reine Sanktionierung der konkreten Einzeltat, aufgrund derer der Täter zur Vermögensstrafe verurteilt wird, hinaus. Die Bindung an das Tatstrafrecht wird nur scheinbar durch das Erfordernis einer nachgewiesenermaßen begangenen Straftat für die Verhängung der Vermögensstrafe gewahrt. Bei näherer Betrachtung erweist sich die Vermögensstrafe jedoch als nicht hinreichend tatstrafrechtlich und somit im Hinblick auf das Prinzip der Einzeltatschuld als sehr bedenklich; denn bestraft wird nicht nur die einzelne Tat, sondern die mutmaßlich kriminelle Lebensführung des Täters, was einen "Rückfall in das seit 1945 für überwunden angesehene 'Täterstrafrecht''' darstelle 46 • Insgesamt ergibt sich aus dem Vorstehenden, daß die Vermögensstrafe in der derzeit in § 43a festgeschriebenen Form gegen das Schuldprinzip verstößt. Auf den ersten Blick mag dieses Ergebnis gegenüber der Einordnung der Rechtsnatur der Vermögensstrafe 147 als widersprüchlich erscheinen: Schließlich wurde eingangs festgestellt, daß die Vermögensstrafe gar keine Strafe im eigentlichen Sinne sei, sondern dogmatisch eine "Zwitternatur" zwischen Geldstrafe und Verfall aufweise. Und wenn sie keine reine Strafe sei, sondern vielmehr ein nebenstrafenähnlicher Verdachts-Verfall, dann könne auch kein Verstoß gegen das Schuldprinzip mit dem Argument der Möglichkeit einer Überschuldstrafe begründet werden, weil die Garantien des Schuldprinzips nur für Strafen, nicht jedoch für den Verfall Geltung besäßen - so ließe sich möglicherweise einwenden. Eine solche Argumentation geht jedoch fehl; der vermeintliche Widerspruch läßt sich unter Hinweis auf die Folgerungen der Doppelnatur der Vermögensstrafe für die rechtsstaatlichen Garantien leicht auflösen. Aus der Rechtsnatur der Vermögensstrafe folgt nämlich keineswegs, daß für § 43a weder die rechtsstaatlichen Garantien der Strafe noch des Verfalls gelten, sondern vielmehr umgekehrt, daß sowohl die Garantien der Strafe als auch diejenigen des Verfalls eingehalten werden müssen. Denn da die Vermöge!1sstrafe strukturelle (Teil-)Elemente von Strafe und Verfall aufweist, gebietet das Gebot der Rechtsstaatlichkeit die Beachtung der rechtsstaatlichen Garantien beider Sanktionsinsitute. 145 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (850). 146 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (850). 147 Vgl. dazu oben, S. 32 - 38.

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Mithin sind die gegen die Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip vorgetragenen Bedenken durchschlagend; die Gegenargumente sind nicht in der Lage, sie zu entkräften. Da das Schuldprinzip Verfassungsrang genießt '48 , muß die Vermögensstrafe bereits aus diesem Grunde als verfassungswidrig beurteilt werden. Gegen die Vermögensstrafe werden noch weitere verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. 2. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung

a) Inhalt undverfassungsrechtliche Verankerung der Unschuldsvermutung Ein wichtiger Grundsatz des deutschen Strafverfahrens ist das Prinzip der Unschuldsvermutung, wonach jeder so lange als unschuldig zu geIten hat, bis er durch rechtskräftiges Urteil eines ordentlichen Gerichts rur schuldig befunden ist. Der genaue sachliche Gehalt der Unschuldsvermutung ist noch ungeklärt '49 ; weitestgehende Einigkeit besteht lediglich über seinen Kernbestand, zu dem im wesentlichen der in-dubio-Grundsatz gehört '50 • Für die vorliegende Arbeit ist es nicht erforderlich, die grundsätzliche Frage nach der Reichweite der Unschuldsvermutung zu vertiefen; von Bedeutung ist hier lediglich ein ebenfalls zu dem Kernbestand der Unschuldsvermutung gehörender unstreitiger Aspekt: Die Unschuldsvermutung verbietet die Verhängung von Strafe ohne Schuldnachweis, d.h. dem Täter müssen Tat und Schuld nachgewiesen werden 151. Sie untersagt, die Strafart und -höhe nach bloßen Annahmen oder Vermutungen von Unrecht und Schuld zu richten. Die Unschuldsvermutung ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich statuiert. Neben einigen Landesverfassungen '52 ist sie in Art. 6 11 der Europäischen Men-

148 Vgl. dazu oben, S. 40f. 149 Kühl, Unschuldsvermutung, S. 9; Roxin, Strafverfahrensrecht § II Rdn. 4; Rüping, ZStW 91 (1979),351 (358); Schubarth, Unschuldsvermutung, S. 2. Unterschiedliche Interpretationen finden sich insbesondere bei Sax, in: BettermannlNipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Grundrechte 111/2, S.987ff. und Krauß, in: Müller-Dietz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik, S. 153ff. 150 Kühl, NJW 84, 1264 (1266); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1I Rdn. 4; Schubarth, Unschuldsvermutung, S. 3. 151 BVerfGE 19,342 (347); 35,311 (320); Kühl, Unschuldsvermutung, S. 12 und passim; Frister, Schuldprinzip, S. 89 und passim. 152 Vgl. etwa die Verfassungen der Länder Berlin (Art. 65 11), Bremen (Art. 6 III), Hessen (Art. 20 11 I), Rheinland-Pfalz (Art. 6 III 2); Saarland (Art. 1411). 4·

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schenrechtskonvention sowie in Art. 14 II des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 153 ausdrücklich niedergelegt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, daß dem Grundsatz der Unschuldsvermutung auch auf Bundesebene Verfassungsrang zukommt l54 . Die konkrete verfassungsrechtliche Verankerung wird indessen unterschiedlich beurteilt; teils wird Art. I I GG, teils das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG als Grundlage angesehen. So deutet etwa SaxiSS die Unschuldsvermutung als "die selbstverständliche Folge eines nach Inhalt und Grenze durch das Gebot der Achtung der Menschenwürde bestimmten, auf dem Schuldprinzip aufbauenden materiellen Strafrechts", während Schubarth l56 im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des BVerfG I57 die Unschuldsvermutung als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ansieht. Zutreffend weist jedoch KraußI58 darauf hin, daß dieser Divergenz in der Begründung keine besondere Bedeutung zukommt, denn "die verfassungsrechtlichen Generalklauseln der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. I GG) und der Rechtsstaatlichkeit hoheitlichen Vorgehens (Art. 20 GG) heben grundsätzlich keine verschiedenen Sachverhalte hervor, erhellen vielmehr dieselbe verfassungsrechtliche Problematik nur unter verschiedenen Blickrichtungen: bald vom betroffenen Individuum her, bald vom handelnden Staat aus". Auch Köster l59 stellt fest, daß Art. I GG und das Rechtsstaatsprinzip sich "dogmatisch nicht eindeutig voneinander abgrenzen" ließen, was aber letztendlich auch nicht erforderlich sei, weil eine direkte Linie von Art. I I GG über Art. I III GG zu Art. 20 III GG führe. Insofern ist es in sich auch kein Widerspruch, wenn das BVerfG die Unschuldsvermutung zwar in st. Rspr. als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ansieht, sich jedoch in einer neueren Entscheidung '60 zusätzlich auf Sax l61 beruft und die Unschuldsvermu153 In Kraft getreten am 23.03.1976. 154 Vgl. nur Krauß, in: Müller-Dietz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik. S. 153 (154); Karlheinz Meyer, Tröndle-FS, S. 61. 155 Sax, in: Beuermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte III/2. S. 987. So auch die wohl herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Köster, Rechtsvermutung, S. 140 mit zahlreichen Nachw. in Fn. 3. 156 Schubarth. Unschuldsvermutung, S. 2; ebenso Kleinknechtl Meyer-Goßner. Art. 6 MRK Rdn. 12; Rüping, ZStW 91 (1979), 351 (358). 157 BVerfGE 19, 342 (347); 22. 254 (265); 25, 327 (331), 35, 311 (320); 74. 358 (370); NJW 90, 2741. 158 Krauß, in: Müller-Dietz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik, S. 153 Fn.5. Ihm ausdrücklich zustimmend Köster, Rechtsvermutung, S. 141. 159 Köster. Rechtsvermutung. S. 140f. Ebenso M/H/D/S-Herzog. GG. Art. 20 Rdnrn. 14 ff. 160 BVerfGE 74, 358. 371. 161 Sax, in: Beuermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.). Grundrechte 11112. S. 987.

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tung als selbstverständliche Folge eines Strafrechts betrachtet, das durch das Gebot der Wahrung der Menschenwürde bestimmt wird. Es erscheint danach sinnvoll, sowohl Art. I I GG als auch Art. 20 III GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Unschuldsvermutung zu verstehen. b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermägensstrafe mit der Unschuldsvermutung Gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit der Unschuldsvermutung werden von einem Teil des Schrifttums heftige Bedenken geäußert. Nach § 43a verwirke der Täter den Eigentumsschutz aufgrund bloßer Herkunftsvermutung auch rur Vermögen, das nicht auf strafbare Weise erlangt sei und nicht im Zusammenhang mit der konkreten Tat stehe, ohne daß also nachgewiesen wäre, daß der Täter das Vermögen illegal erlangt hätte l62 • Die Unschuldsvermutung verbiete jedoch die Verhängung von Strafe ohne Schuldnachweis. Eine Strafe könne auch nicht durch das überwiegende Interesse an der Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden, wenn der Schuldnachweis fur die konkrete Tatschuld an der Gefahrenherbeifilhrung nicht gelänge l63 • Da § 43a auch den staatlichen Zugriff auf legal erworbenes (und sogar versteuertes) Vermögen gestatte, gehe er über die reine Ausgleichsfunktion hinaus und sei eine "Verdachtsstrafe mit dem Charakter einer Sicherungsmaßnahme, gestützt auf die Annahme rechtswidriger Herkunft des Vermögens"I64. Der Nachweis von Einzeltatschuld könne nicht durch die Vermutung der Zugehörigkeit des Täters zum Kreis der organisierten Kriminalität ersetzt werden l65 . § 43a gestatte aber nun gerade den Zugriff auf bloß unrechtsverdächtiges Vermögen, ohne daß eine kriminelle Herkunft des Vermögensgegenstandes nachgewiesen sein müsse. Eine derartige Ausgestaltung der Vermögensstrafe werde in keiner Weise der Tatsache gerecht, daß der Verdacht, möge er auch noch so naheliegend sein, dennoch unbegründet sein könne l66 . An die Stelle legitimer Schuldstrafe träte somit eine Verdachtsstrafe, was sich unter keinem rechtsstaatlichen Eingriffsgrund rechtfertigen lasse l67 • 162 DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 3; Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 98f.; Lackner/Kühl, StGB, § 43a Rdn. 1. 163 Frister, Schuldprinzip, S. 29ff., 93; DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 3. 164 DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 3. Ähnlich Arzt, NStZ 90, I (6); Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 102. 165 BartonlPark, StV 95, 17 (18). 166 BartonlPark, StV 95,17 (18). 167 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (799); ähnlich Lampe, JZ 94, 123 (132): "Daß die

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

JMeyer l68 weist auf die verfassungsrechtIichen Bedenken hin, die aus deutscher Sicht schon gegen eine Beweislastumkehr, wie sie in dem in England 1986 verabschiedeten "Drug Trafticking Offences Act" eingeführt worden ist l69 , bestehen: "Die doppelte Vermutung, daß der Verurteilte neben der abgeurteilten Straftat weitere artgleiche Taten begangen habe und daß sein Vermögen daraus stamme, ist mit ... der Unschuldsvermutung (und dem Grundsatz in dubio pro reo) kaum vereinbar". Es sei unverständlich, warum sich diese verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Beweislastumkehr durch einen gänzlichen Verzicht auf einen Zusammenhang zwischen Straftat und wegzustrafendem Vermögen erledigen sollten 170. Dadurch, daß ein noch weiterer Schritt als mit der bloßen Beweislastumkehr gegangen werde, werde das Problem allenfalls verdrängt, jedoch umso weniger gelöst l71 •

Aus den vorstehend genannten Gründen hält dieser Teil der Lit. den § 43a für unvereinbar mit der Unschuldsvermutung. c) Die Gegenmeinung

Nach der Gegenmeinung, die vornehmlich von Horn l72 repräsentiert wird, liegt der Vorwurf, die Vermögensstrafe verstoße aus den besagten Gründen gegen die Unschuldsvermutung, "neben der Sache". Die Bedenken könnten zwar in bezug auf den Erweiterten Verfall zutreffen, verfehlten jedoch die Vermögensstrafe. Denn einem Täter, der zur Vermögensstrafe verurteilt wird, würden nicht bestimmte Vermögensgegenstände entzogen, sondern ihm würde lediglich die Zahlung eines Geldbetrages auferlegt, dessen Herkunft ohne Interesse sei 173.

vollständige Vermögenskonfiskation und ihre Ersetzung durch eine nach freiem Ermessen zu bestimmende Freiheitsstrafe gegen die Unschuldsvermutung ... verstößt, liegt auf der Hand". 168 1. Meyer, ZRP 90,85 (86). 169 Nach Drug Trafficking Offences Act s. 2(2) spricht eine widerlegliehe Vermutung dafür, daß das gesamte Vermögen, das ein Drogenhändler im Zeitpunkt der Verurteilung und danach nach Ansicht des Gerichts zu besitzen scheint, oder alles, was ihm innerhalb der letzten sechs Jahre vor Beginn der Strafverfolgung gehört hat, Erlös aus Drogengeschäften ist, vgl. dazu Huber, in: Meyer/Dessecker/Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 181 (19Iff.). 170 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87). 171 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87). 172 SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 8. 173 SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 8.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Zum selben Ergebnis gelangt auch das LG Hamburg l74 : "Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ... ist nicht verletzt, weil die Verurteilung zu Vermögensstrafe die Feststellung einer (schwerwiegenden) Straftat in einem rechtsstaatlichen Verfahren voraussetzt. Daß der Schaffung dieser neuen Hauptstrafe als Motiv die Hoffnung des Gesetzgebers zugrunde liegt, durch ihre Verhängung Verbrechensgewinne abzuschöpfen, ändert daran nichts. Sie macht den Verdacht, ob und in welchem Umfang das im Einzelfall jeweils festgestellte und bei der Bemessung einer Vermögensstrafe zugrunde gelegte Vermögen des Verurteilten aus einer solchen Quelle stammt, nicht zu einer Voraussetzung der Verhängung der Vermögensstrafe. ... Grundlage der Verhängung der Vermögensstrafe ist ja nur die festgestellte schuldhafte Straftat, zu deren Ahndung sie verhängt wird, und nicht die Handlungen, denen der Verurteilte sein Vermögen verdankt, die nicht Gegenstand der Anklage sind und an die ein Schuldvorwurf nach den Feststellungen nicht angeknüpft werden kann".

d) Stellungnahme

Der letztgenannten Ansicht ist lediglich insoweit zuzustimmen, als sie zutreffend feststellt, daß die Vennögensstrafe formal immer nur die konkret nachgewiesene, auf § 43a verweisende Straftat sanktioniert, nicht jedoch vergangene "Paralleltaten", deren Begehung dem Täter nicht nachzuweisen war. Mit dieser Begründung einen Verstoß der Vennögensstrafe gegen die Unschuldsvennutung zu verneinen, beruht jedoch auf einem grundlegenden Mißverständnis über den Charakter und die Rechtsnatur der Vennögensstrafe: Sie ist eben keine Erweiterung der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem in Fonn einer Geldsummenstrafe, sondern eine dem Verfall angenäherte eigenständige Sanktion l7S • Im übrigen verkennt die Gegenauffassung, daß der fonnale nonntheoretische, scheinbar rechtsstaatliche Hintergrund mit der Rechtswirklichkeit, die im wesentlichen von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt wird, weit auseinanderklaffi. Darauf gibt indessen schon die kriminalpolitische Zielsetzung der Vennögensstrafe einen deutlichen Hinweis, denn mit der Schaffung des neuen Rechtsinstituts sollte gerade den Beweisschwierigkeiten bei vennuteter, aber nicht sicher nachweisbarer illegaler Vennögensherkunft entgegengewirkt werden. In der Praxis wollte man dem Täter also eine wegen der hohen Anforderungen der Unschuldsvennutung mitunter extrem schwierige Beweisfilhrung filr die Strafverfolgungsorgane nicht zugute kommen lassen. Mit dem nun ennöglichten Zugriff auf möglicherweise illegal erworbenes Tätervennögen hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Unschuldsvennutung in

174 LG Hamburg, Urteil vom 11.04.1994, AZ 633 KLs 15/93, S. 70. 175 Vgl. dazu oben, S. 32 - 38.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

einer Weise zu umgehen versucht, die Arzt l76 zu Recht als "Etikettenschwindel" bezeichnet. Das entscheidende Argument für einen Verstoß der Vermögensstrafe gegen die Unschuldsvermutung kann auch von der Gegenauffassung nicht widerlegt werden: § 43a gestattet den Zugriff auf Vermögen, ohne einen spezifischen Zusammenhang zwischen weggestraftem Vermögen und abgeurteilter Straftat zu verlangen, d.h. das Erfordernis des Nachweises der Begehung konkreter (vergangener) Einzeltaten entfällt bestenfalls zugunsten einer bloßen Vermutung illegaler Vermögensherkunft. Und die Vermutung, daß der Täter solche weiteren Taten in der Vergangenheit begangen und sein Vermögen daraus erlangt habe, ist mit der Unschuldsvermutung nicht zu vereinbaren, sie läuft dieser diametral zuwider. Wenn § 43a nun für die Verhängung einer Vermögensstrafe noch nicht einmal die Vermutung illegaler Vermögensherkunft verlangt, sondern - zumindest nach dem Wortlaut - sogar die Entziehung erwiesenermaßen legal erworbenen Vermögens gestattet, so bleibt deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung (im Hinblick auf die Unschuldsvermutung) endgültig jegliche Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit schuldig. Trotz der gegenteiligen Auffassung von Horn 177 kann hiergegen nicht eingewandt werden, daß § 43a keineswegs die Entziehung bestimmter Vermögensbestandteile ermögliche, sondern dem Verurteilten wie bei der Geldstrafe nach § 40 lediglich die Zahlung eines Geldbetrags auferlege, denn zum einen wird gerade bei einem vom Gericht beabsichtigten Zugriff auf Barvermögen des Täters die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages einem direkten Zugriff ( = Konfiskation) auf das Geld vielfach gleichkommen; zum anderen ermöglicht § 43a nach Wortlaut und gesetzgeberischem Willen auch die Abschöpfung des gesamten Tätervermögens, so daß auch in diesen Fällen die Verurteilung zur Zahlungsverpflichtung einer Direktentziehung gleichkommt; denn wenn die Zahlungsverpflichtung das gesamte Tätervermögen betrifft, ist schwerlich einzusehen, mit welchen Mitteln der Täter der Zahlungsverpflichtung nachkommen soll, wenn nicht mit seinem Vermögen. Daß § 43a keine Konfiskation im eigentlichen Sinne, sondern nur die Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages ermöglicht, hat demnach nur in sehr wenigen Fällen unterschiedliche Auswirkungen; faktisch sind die Folgen in den meisten Fällen identisch 178. 176 Arzt, NStZ 90, I (6).

177 SK-Horn, StGB. § 43a Rdn. 8. 178 So auch die ganz h.M .. vgl. nur NK-H.-J. A/brecht. StGB. § 43a Rdn. 13: .,Zwar handelt es sich bei der Vermögensstrafe formal um die Auferlegung einer Geldleistungsptlicht. Doch ist die Vermögensstrafe materiell natürlich nichts anderes als eine allgemeine Konfiskation in Form einer kontiskatorischen Geldstrafe".

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Im Ergebnis stellt sich die Bindung der Vermögensstrafe an den Schuldnachweis der konkreten Tat, derentwegen sie verhängt wurde, lediglich als eine rein formale Bindung dar, die nur scheinbar der Unschuldsvermutung Genüge tut, nämlich dann, wenn man die Vermögensstrafe falschlich als eine die Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem erweiternde Geldsuminenstrafe klassifiziert. Da sie eine solche jedoch nicht ist, sondern letztendlich dazu dient, Vermögen abzuschöpfen, das der Täter vermutlich bei anderweitigen Taten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, also illegal erworben hat, ermöglicht sie faktisch den Zugriff auf nicht nachgewiesenermaßen tatbefangenes Vermögen und ist infolgedessen mit der Unschuldsvermutung nicht vereinbar.

3. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot

a) Inhalt des Bestimmtheitsgebots Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot ist in Art. 103 11 GG ausdrücklich niedergelegt. Danach kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn ihre Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor sie begangen wurde. Das Verfassungsgebot der Bestimmtheit ist als Norm für die sprachliche Formulierung der Straftatbestände zu verstehen, d.h. die Strafgesetze müssen schriftlich fixiert werden, zwischen Straftatvoraussetzungen und -folgen differenzieren und spezielle Typen strafbaren Verhaltens in einem Mindestmaß sprachlicher Bestimmtheit umschreiben 179. Eine prägnante Zusammenfassung des zentralen Bedeutungsgehalts und der Aufgabenrichtungen, die dem Bestimmtheitsgebot nach h.M. 180 in Rspr. und Lit. zukommen, liefert Roxin l81 : "Ein unbestimmtes und dadurch undeutliches Gesetz kann den Bürger nicht vor Willkür schützen, weil es keine greifbare Selbstbindung der staatlichen Strafgewalt bringt; es widerspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung, weil es dem Richter beliebige Auslegungen und damit ein Übergreifen in den Bereich der Legislative gestattet; es kann keine generalpräventive Wirkung entfalten, weil der einzelne nicht erkennen kann, was ihm verboten werden soll; und eben deshalb kann 179 Fiedler, Bestimmtheit, S. 162. 180 Auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit anderen zur Aufgabenrichtung des Bestimmtheitsgebots vertretenen Positionen (vgl. etwa den interessanten, mit sehr beachtlichen Argumenten begründeten Ansatz von Ransiek, Gesetz, S. 40ff.) wird hier bewußt verzichtet, da es für die Frage der Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Grundgesetz sinnvoll erscheint, auf die herrschende verfassungsrechtliche Lesart des Bestimmtheitsgebots abzustellen.

181 Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 65: allein auf die Wahrung des Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzips als Aufgabe gesetzlicher Bestimmtheit stellt dagegen Ransiek, Gesetz, S. 40ff. ab.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

seine Existenz auch nicht die Grundlage eines Strafvorwurfs bieten". Nach Rspr. des BVerfG 182 sowie nach h.A. in der Lit. 183 gilt das Bestimmtheitsgebot sowohl für den Straftatbestand als auch für die Strafdrohung. Der einzelne soll nicht nur von vornherein wissen, was strafrechtlich verboten ist, sondern auch, welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen jenes Verbot droht, damit er sein Verhalten danach einrichten kann 184 . Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für ein fortschrittliches rechtsstaatliches Strafrecht wird allgemein als herausragend beurteilt. Erkennbar wird dieses an plakativen und einprägsamen Beschreibungen des Bedeutungsgehalts des Bestimmtheitsgebots durch die juristische Literatur. So bezeichnete Franz von Liszt 185 das Bestimmtheitsgebot als das "Bollwerk des Staatsbürgers gegenüber der staatlichen Allgewalt, gegenüber der rücksichtslosen Macht der Mehrheit". Schünemann 186 zählt es zu "den die rechtsstaatlich-liberale Seite unserer Verfassung prägenden Fundamentalnormen". Nach Mangakis 187 stellt es einen "Zentralbegriff des Strafrechts" dar, einen "Kulturgrundsatz, dessen Geltung den Charakter des Strafrechts als einer kulturellen Errungenschaft entscheidend mitbestimmt". Mezger 188 nannte es ein "Palladium staatsbürgerlicher Freiheit", und nach Jimenez de Asua 189 ist "dieses Prinzip eine uneinnehmbare Schanze, errichtet zum Wohle des freien Menschen, ein Eckstein des liberalen Strafrechts, mit anderen Worten: des Rechts der Kulturmenschheit".

Trotz dieser überragenden Anerkennung, die das Bestimmtheitsgebot allgemein grundsätzlich genießt, wird seine Behandlung in Gesetzgebung und Rechtsprechung keineswegs als besonders respektvoll angesehen. Eine gewisse

182 BVerfGE 25, 269 (285); 45, 363. 183 Desseeker, Gewinnabschöpfung, S. 351; Fiedler, Bestimmtheit, S. 153 Fn. 27; Grünwald, ZStW 76, (1964), I (8); Krey, Keine Strafe, Rdnrn. 118ff.; Mangakis, ZStW 81 (1969), 997 (1005); Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 77; Schünemann, Nulla poena, S. 38; Wesseis, AT, Rdn. 47; a.A. Peters, Ermessensfreiheit, S. I (18f). 184 BGHSt 28, 72 (73f.); 28, 312 (3 \3); BVerfGE 25, 269 (285); 26, 41, (42); 37, 201 (207); 45, 346 (351); 45, 363 (370); 47, 109 (120); Krey, Keine Strafe, Rdn. 133; WesseIs AT, Rdn. 47. Gegen die subjektive oder objektive Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit als Aufgabe gesetzlicher Bestimmtheit Ransiek, Gesetz, S. 19ff. 185 Franz v. Liszt, Aufsätze und Vorträge, Band 11, 1905, S. 80. 186 Schünemann, Nulla poena. S. 2. 187 Mangakis, ZStW 81 (1969),997. Ähnlich v. Hippel, Lehrbuch, S. 71, der das Bestimmtheitsgebot als "Grundlage des modernen Kulturstrafrechts" bezeichnet. 188 Mezger, Strafrecht, S. 77. 189 de Asua, ZStW 63 (1951), 197.

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Diskrepanz zwischen theoretischer Wertschätzung des Prinzips und der praktischen Toleranz bei der Anlegung verfassungsrechtlicher Maßstäbe, wenn es um die Beurteilung der hinreichenden Bestimmtheit einer Strafnorm geht, ist auch tatsächlich nicht von der Hand zu weisen 190. So wird denn auch im Schrifttum beklagt, insbesondere die Rspr. des BVerfG und des BGH nehme das Bestimmtheitsgebot nicht hinreichend emse 91 . Schünemann bezeichnet das Bestimmtheitsgebot angesichts der rechtspraktischen Lebenswirklichkeit als "Tiefpunkt des nulla-poena-Satzes"192, seiner Ansicht nach haben Gesetzgeber, Rechtsprechung und Wissenschaft den Bestimmtheitsgrundsatz "stillschweigend preisgegeben"193. Noch weniger zufriedenstellend als auf der Tatbestandsvoraussetzungsseite sei der Bestimmtheitsgrundsatz auf der Deliktsfolgenseite verwirklicht. Gerade im Bereich der Deliktsfolgen verfahre die Rspr. bisweilen großzügiger, als es mit der Verfassung noch vereinbar erscheine l94 • Angesichts der außerordentlich weiten Strafrahmen des Besonderen Teils sowie der zusätzlichen generalklauselartigen Variationsvorschriften des Allgemeinen Teils sei von diesem praktisch gar nichts mehr übrig geblieben 195. Und Zipj96 stellt anhand eines Vergleichs mit dem österreich ischen Strafrecht fest, daß sich das deutsche Strafrecht bezüglich der im Gesetz vorgegebenen Strafrahmen eindeutig in einem "desolaten Zustand" befindet. SÜß197 gelangt zu dem Fazit, daß das Bestimmtheitsgebot nur noch in normativer Hinsicht ein hohes Ansehen genieße, daß ihm jedoch keine nennenswerte faktische Geltung zukomme. Das BVerjG198 hält dem entgegen, das Gebot der Gesetzesbestimmtheit dürfe nicht übersteigert werden; "die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden". 190 Ebenso Zipf, Kriminalpolitik, S. 98. 191 Krey, Keine Strafe, Rdnrn. 118ff.; Schünemann, Nulla poena, S. 3f., 6ff.; Zipf, Kriminalpolitik, S. 98; eine besonders scharfe Kritik findet sich bei Krahl, Bestimmtheitsgebot, S. 412: "Das Bestimmtheitsgebot ... wird vom BVerfG und vom BGH völlig unterbewertet, es ist von ihnen aufgegeben worden". 192 Schünemann, Nulla poena, S. 6. 193 Schünemann, Nulla poena, S. 29; ihm ausdrücklich zustimmend Krahl, Bestimmtheitsgebot, S. 392. 194 Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 77. 195 Schünemann, Nulla poena, S. 37. 196 Zipf, Kriminalpolitik, S. 99. 197 Süß, in: FrKrimInst (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 207 (214). 198 VerfGE 45,363 (371).

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I. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

Inwieweit nun die Vennögensstrafe nach den jeweiligen Maßstäben noch mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar ist, ist im folgenden zu klären. b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Bestimmtheitsgebot

Eine verbreitete Meinung im Schrifttum sieht in der Fassung des § 43a einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Eine Vennögensstrafe, die sich ausschließlich am Wert des Tätervennögens ausrichte, also weder nach oben noch nach unten allgemein begrenzt sei, mißachte das Bestimmtheitsgebot, nach dem die absoluten Strafgrenzen vom Gesetz genannt sein müßten l99 • Die Garantiefunktion des Strafrechts verlange auch auf der Rechtsfolgenseite eine Bindung des Richters an das Gesetz, was eine uferlose Weite der Strafrahmen verbiete 2OO • Die Vennögensstrafe werde lediglich durch die Höhe des Tätervennögens begrenzt, der Wert des Vennögens sei jedoch keine bestimmte Strafdrohungsgrenze20I • Infolgedessen gehe die Höhe der Strafe ins Ungemessene, wodurch § 43a sich selbst von solchen Nonnen unterscheide, die sehr weite, aber letztlich doch begrenzte Strafrahmen vorsähen 202 • Ein weiteres - entscheidenderes - Argument flir die Bejahung eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot resultiere aus der den Gerichten vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, über die Strafzumessung ohne jeden gesetzlichen Maßstll,b zu urteilen, denn daher sei ihre Entscheidung in diesem Punkt weder meßbar noch nachprüfbaf°3 • Dazu trage auch die mangelnde Vergleichbarkeit zwischen der auf Geldzahlung gerichteten Vennögensstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe bei. Eine angemessene Berücksichtigung der Tatsache, daß die Vennögensstrafe neben einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren und einer Verfallsanordnung nachrangig verhängt werde, sei in Anbetracht der Unbestimmtheit ihres Rah-

199 Stellungnahme des DRB, DRiZ 90, 105 (107); ders. Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31, Anhang S. 135; Dreher/Tröndle, StGB, § 43a Rdn. 3; Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (841); Jescheck/Weigend, AT, § 73 IV 5 b; Körner, BtMG, § 30c Rdn. 3; aus diesem Grunde ist die Vennögensstrafe auch nach Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (357) "von bedenklicher Unbestimmtheit". 200 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (841). 201 DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 3. 202 Jescheck/Weigend, AT, § 73 IV 5 b. 203 Eser, Stree/Wessels-FS, 833, (841); Lampe, JZ 94, 123 (132).

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mens beinahe unmöglich und habe folgerichtig einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 11 GG zur Folge204 •

c) Die Gegenmeinung Nach der Gegenauffassung sind die im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot geäußerten Einwände zwar beachtenswert, letztlich jedoch unbegründet. Das LG Hamburt0 5 ruhrt dazu aus: "Denn nicht nur die Art der Strafe (Auferlegung einer Geldschuld) ist in der Vorschrift des § 43a StGB (ausreichend) bestimmt, sondern auch der Rahmen, indem der Wert des vorhandenen Vermögens die Obergrenze bildet. Hiergegen läßt sich nicht etwa einwenden, diese Begrenzung ergebe sich schon aus der Natur der Sache (wie die Lebenslänge im Falle der Freiheitsstrafe) und deshalb komme ihr keine Rahmenbegrenzungsfunktion zu. Denn bei Vermögensstrafe handelt es sich ... nicht um die Konfiskation bestimmter einzelner vermögenswerter Rechte, sondern um die Auferlegung einer Geldschuld, und Zahlungsverbindlichkeiten, die den gegenwärtigen Wert des Vermögens des Schuldners bei weitem übersteigen (und übrigens gleichwohl oft genug auch erfüllt zu werden pflegen), sind im Rechtsleben gang und gäbe. Auch dem Strafrecht sind sie nicht fremd, indem die Verhängung erheblicher Geldstrafen gegen vermögenslose Angeklagte rechtlich zulässig und üblich ist. Ob die gemäß § 43a Abs. I S. 3 StGB ausdrücklich zugelassene Grenzbestimmung im Wege der Schätzung das Bestimmtheitsgebot verletzt, kann an dieser Stelle offenbleiben, weil dieser 'Fehler' gegebenenfalls durch eine (vorrangige) verfassungskonforme restriktive Auslegung korrigiert werden könnte und müßte. Der unbeschadc;t dessen im Einzelfall eröffnete weite Zumessungsrahmen, dessen Ausfüllung der Gesetzgeber dem Richter anvertraut, ist angesichts der Vielgestaltigkeit der möglichen Lebenssachverhalte unvermeidlich und wird auch sonst hingenommen. Der in diesem Zusammenhang von vielen Kritikern erhobene Vorwurf, es fehle an brauchbaren Kriterien für die Bemessung der Höhe der Vermögensstrafe im Einzelfall und rur die Festsetzung der Höhe der Ersatzfreiheitsstrafe ... , erweist sich nach Ansicht der Kammer jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsgebots der Bestimmtheit ebenfalls nicht als gerechtfertigt. Soweit gerügt wird, daß die Vorschrift des § 43a StGB solche Maßstäbe nicht anführt, ist dem entgegenzuhalten, daß auch § 41 StGB sie - soweit ersichtlich unbeanstandet - nicht aufführt und nach Auffassung der Kammer auch nicht aufzuführen braucht, weil hier wie dort auf die allgemeine Vorschrift des § 46 StGB zurückge-

204 LG Bad Kreuznach, StV 94, 140 (141). 205 LG Hamburg, Urteil vom 11.04.1994, AZ 633 KLs 15/93, S. 73-76 (Hervorhebungen im Originaltext).

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l. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

griffen werden kann und zurückzugreifen ist. Die dort aufgeführten Leitlinien passen und gelten in ihrer notwendig weit greifenden Formulierung auch sowohl für die - ebenfalls dem Richter überantwortete - Entscheidung der Frage des 'ob' als auch der des 'wie hoch' der Vermögensstrafe und schließlich auch für die Bestimmung der Höhe der im Einzelfall angemessenen Ersatzfreiheitsstrafe. Soweit beanstandet wird, daß ein 'Umrechnungsschlüssel zwischen der Dauer der (Ersatz)freiheitsstrafe und der Höhe der Vermögensstrafe nicht entwickelt werden kann' ... , ist dem entgegenzuhalten, daß es eines solchen Schlüssels im Sinne eines formelhaften Umrechnungsmaßstabes (wie etwa der von Bringewat (aaO, S. 318) dem Gesetz entnommenen festen Entsprechung des Verhältnisses der Höhe der verhängten Vermögensstrafe zum Wert des festgestellten Vermögens einerseits zu dem Verhältnis der festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafe zu dem gesetzlichen Höchstmaß von zwei Jahren) unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots ... nicht bedarf. Es genügt, wenn Leitlinien entwickelt werden können, die das Ergebnis nachvollziehbar und im Rahmen einer Größenordnung kalkulierbar machen. Hier bietet sich keineswegs nur das vorstehend erwähnte Verhältnis zwischen Vermögensstrafe und Vermögen an, sondern auch die absolute Höhe der Vermögensstrafe und - soweit feststellbar, der Zeitraum, in dem es erworben worden ist, sowie die Art des Erwerbs. Die zusammenfassende Würdigung und Gewichtung verschiedener Umstände und ihre Zusammenführung zu einem schließlich gefundenen Ergebnis ist im Rahmen der Strafzumessung eine dem Richter vertraute Aufgabe und wird auch sonst nicht als Verletzung des Bestimmtheitsgebots angesehen. Das gilt auch im Bereich von Um- oder Anrechnungen. So gibt es auch keinen gesetzlichen 'Anrechnungsschlüssel' für den Umfang der gebotenen Milderung der Freiheitsstrafe im Falle der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe gemäß § 41 StGB oder für das Ausmaß der Herabsetzung der Strafe in Rücksicht auf eine verhängte Nebenstrafe oder angeordnete Maßnahme".

Hor,r06 verweist darauf, daß es sich bei dem Problem, nach welchem Maßstab eine Straftat in Strafhöhe umzusetzen sei, um ein bekanntlich ungelöstes allgemeines Problem handele, welches jedoch noch nie Anlaß zu einer ernsthaften verfassungsrechtlichen Prüfung im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot gewesen sei. Die bei § 43a auftretende Frage der Umrechnung von Schuldschwere in Vermögensstrafe unterscheide sich hiervon prinzipiell in nichts. Solange also allgemein bei der Strafzumessung kein Anlaß gesehen werde, die Gesetzesbestimmtheit in Frage zu stellen, weil nur die abstrakten Bezugsgrößen (verschuldetes Unrecht - Freiheitsstrafe bzw. Tagessatzzahl oder Geldsumme), nicht aber die Vergleichsmaßstäbe genannt seien, sei auch die Vermögensstrafe nach § 43a im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot verfassungsrechtlich unangreifbar.

206 SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 9.

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Nach Dessecker07 und ehr. Jun[(08 muß man die Funktion des Bestimmtheitsgebots berücksichtigen; es solle nach st. Rspr. des BVerfG 209 gewährleisten, daß Tragweite und Anwendungsbereich einer strafrechtlichen Vorschrift flir die Normadressaten klar zu erkennen seien und sich durch Auslegung ermitteln ließen. Vergegenwärtige man sich dieses, so sei das Argument kaum von der Hand zu weisen, daß jeder den Wert seines Vermögens kennen oder doch ermitteln könne. Höchst problematisch erscheint nach DesseckerIO unter dem Aspekt der Gesetzesbestimmtheit allenfalls die durch § 55 11 2 ermöglichte Aufhebung dieses Strafrahmens im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung. d) Stellungnahme

Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots flir ein rechtsstaatliches Strafrecht wird zu Recht allgemein besonders hervorgehoben. Andererseits sind jedoch immer die Anforderungen, die die Lebenswirklichkeit an den Gesetzesverfasser stellt, um einer beliebigen Vielzahl von spezifischen Rechtsgutsverletzungen gerecht werden zu können, zu berücksichtigen, d.h. ein Gesetz muß immer so bestimmt wie möglich gefaßt sein, das Bestimmtheitsgebot darf jedoch nicht dazu führen, daß das Gesetz praktisch nicht mehr anwendbar ist2 ll . Zwischen diesen Gegensätzen gilt es den "goldenen Mittelweg" zu finden. Dabei muß man zunächst berücksichtigen, daß hinsichtlich der "Bestimmtheit" von Begriffen und Bezeichnungen eine gewisser Grad von Unschärfe den Regelfall bildet2l2 . Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß es flir die verfassungsmäßige Bestimmtheitsforderung an das Strafrecht letztendlich nur darum geht, tolerable und intolerable Unbestimmtheit zu unterscheiden 2l3 • Ferner ist wegen der unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Normbestandteile hinsichtliCh der Bestimmtheitsanforderungen zwischen Straftatvoraussetzungen und Straftatfolgen zu differenzieren. Bei den Rechtsfolgen kann ein etwas größeres Maß an Unbestimmtheit als bei den Strafbarkeitsvoraussetzungen akzeptiert werden. Der Grund daflir liegt zum einen in der Wahrung des Prinzips der Gewaltenteilung als Aufgabe des Art. 103 11 GG: Die Ent207 Desseeker, Gewinnabschöpfung, S. 351. 208 ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 110. 209 Nachweise bei Desseeker, Gewinnabschöpfung, S. 351 Fn. 16. 210 Desseeker, Gewinnabschöpfung, S. 351. 211 Vgl. BVerfGE 45, 363 (371); Fiedler, Bestimmtheit, S. 158. 212 Fiedler, Bestimmtheit, S. 127. 213 Fiedler. Bestimmtheit, S. 127.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

scheidung darüber, ob ein Verhalten strafbar ist, soll der Gesetzgeber und nicht die Exekutive oder die Rechtsprechung treffen 214 • Diese Entscheidung betriill jedoch nur die Tatbestandsvoraussetzungsseite, so daß (nur) diese im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung besonders bestimmt sein muß. Des weiteren kann die Rechtsfolgenseite auch deshalb etwas unbestimmter sein als die Tatbestandsvoraussetzungsseite, weil das Schuldprinzip und die kodifizierten Strafzumessungsgrundsätze des § 46 dem Straftäter einen gewissen Grad an ausgleichender Sicherheit geben 2l5 • Ferner erscheint es gerade auf der Rechtsfolgenseite sinnvoll, dem Rechtsanwender einen möglichst weiten Spielraum zu geben, damit er jedem einzelnen Täter in dessen konkreter Situation am ehesten gerecht werden und somit größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit walten lassen kann. Und weist man Art. 103 11 GG (auch) eine subjektive Aufgabenrichtung ZU216, so setzt die subjektive Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Eingriffe lediglich voraus, 'daß ein Strafgesetz in einem Maße bestimmt ist, daß es eine verläßliche Informationsmäglichkeit für den einzelnen darstellt, sei es auch unter Zuhilfenahme fachkundiger Personen, nicht erforderlich ist jedoch, daß sich aus dem unmittelbaren Gesetzestext für jeden Laien zweifels frei und in allen Details die exakte strafrechtliche Beurteilung eines konkreten Verhaltens offenbart; denn dieses wäre schon aus tatsächlichen und gesetzestechnischen Gründen unmöglich. Unter Berücksichtigung dieser differenzierten Anforderungen an die Bestimmtheit der Tatbestandsvoraussetzungen einerseits und der Rechtsfolgen andererseits wird die im Besonderen Teil des StGB übliche Strafrahmenweite zwar überwiegend für unglücklich gehalten, aber als notwendig und gerade noch zulässig hingenommen. Dennoch muß dem Bestimmtheitsgebot auch auf Rechtsfolgenseite Genüge getan werden, eine völlige Nichtbeachtung ist unzulässig. Verlangt wird einmal die Festlegung der Strafart217 und zum anderen zumindest eine gewisse Überschaubarkeit der Grenzen des Strafrahmens. In § 43a wird zum einen die Art der Strafe (Auferlegung einer Geldschuld) festgelegt. Da sich ihre Höhe nach dem Wert des jeweiligen Tätervermögens richtet, ist sie nach oben zwar nicht absolut begrenzt, sie bewegt sich jedoch innerhalb eines durch den Wert des Vermögens nach oben begrenzten Rahmens. Unterstellt man die Möglichkeit eines jeden Täters, den Wert seines Vermögens zu ermitteln, so ist für ihn auch abschätzbar, welche Strafe er für Straftaten, bei denen die Verhängung der Vermögensstrafe möglich ist, erwar214 Vgl. BVerfGE 47, 109 (120). 215 Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 79. 216 Vgl. dazu oben Fn. 181, 184 sowie die Darstellung bei Ransiek, Gesetz, S. l3ff. mit zahlreichen Nachweisen. 217 Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 77.

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ten kann. Der Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Eingriffe und der generalpräventiven Wirkung als mögliche Funktionen des Bestimmtheitsgebots wird damit hinreichend Genüge getan. Auch die Wahrung des Grundsatzes der Gewaltenteilung als mögliche Aufgabe des Bestimmtheitsgebots wird nicht verletzt. Die Vermögensstrafe als solche ist somit - insbesondere auch im Vergleich mit anderen weiten, aber noch tolerierten Strafrahmen - als mit dem Bestimmtheitsgebot noch vereinbar anzusehen, so daß § 43a nicht gegen Art. 103 IJ GG verstößtl l8 • Etwas anderes muß jedoch für § 55 " 2 gelten. § 55 " wurde durch das OrgKG vom 15.07.92 geändert; die Vorschrift besagt, daß bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung eine in der früheren Entscheidung verhängte Vermögensstrafe auch dann aufrechtzuerhalten ist, wenn die Höhe der damals verhängten Vermögensstrafe den Wert des Tätervermögens zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung übersteigt. Bei dieser Regelung für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe wird die Orientierung an der Obergrenze des vorhandenen Tätervermögens aufgegeben 2l9 . Das führt zur Aufhebung des Strafrahmens des § 43a im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung 220 • Dann ist jedoch nur noch die Strafart festgelegt, der Strafrahmen hingegen gar nicht mehr. Nach dem oben Ausgeführten ist dies jedoch selbst bei den geringen Anforderungen an die Bestimmtheit im Bereich der Deliktsfolgen nicht mehr mit dem Bestimmtheitsgebot zu vereinbaren. Will man das Bestimmtheitsgebot in seiner Kernaussage ernstnehmen, so kommt man nicht umhin, einen Verstoß des § 55 IJ 2 gegen Art. 103 IJ GG zu bejahen. 4. Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG

a) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit Art. 14 GG Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG wird als Einwand gegen die Vermögensstrafe erhoben. Das BVerfG gehe zwar in ständiger Rspr. davon aus, daß

218 Bedenklich erscheint im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 43a mit Art. 103 11 GG allenfalls die in § 43a I 3 eingeräumte Möglichkeit, das Vermögen zu schätzen, denn anders als bei § 40 111, der ebenfalls eine Schätzungsbefugnis einräumt, jedoch nur die Bestimmung einer das Strafmaß. nämlich die Anzahl der Tagessätze. selbst nicht beeinflussenden Größe betrifft. handelt es sich bei § 43a um die Bestimmung der Strafgröße selbst, vgl. NK-H.-J. Albrecht. StGB, § 43a Rdn. 17. 219 Schoreit, MDR 90, I (2).

220 Desseeker, Gewinnschöpfung. S. 351. 5 Park

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das Vennögen als solches nicht durch Art. 14 GG geschützt wird, so solle bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten der Schutzbereich von Art. 14 GG Ld.R. nicht betroffen sein 221 • Etwas anderes solle jedoch dann gelten, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vennögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen, denn dies fUhre zu der vom BVerfG so genannten und untersagten "Erdrosselungswirkung"222. Daß dies bei einer auf Entziehung des gesamten Vennögens gerichteten Strafe der Fall sei, liege ohne weiteres auf der Hand; daher sei auch bei der Vennögensstrafe der Maßstab des Art. 14 GG anzulegen 223 • Zwar würden durch dieses Grundrecht nicht von vornherein Eingriffe in das Eigentum zu Strafzwecken ausgeschlossen, erlaubt seien solche jedoch nur für den Fall, daß der Täter die von der Sanktion betroffenen Gegenstände zur Begehung von Straftaten verwendet hätte oder daß diese sonst in einem spezifischen Zusammenhang damit stünden, der eine Verwirkung des Eigentumsrechts wegen Mißbrauchs rechtfertigen könne224 • Ein solcher Zusammenhang zwischen der Straftat und dem von der Strafe betroffenen Vennögen werde von § 43a aber aus Effizienzgründen gerade nicht geforderf25 • Vielmehr ennögliche schon der bloße Verdacht krimineller Herkunft den Totalzugriff auf das Vennögen des Täters. Eine solche strafrechtliche Sanktion, die im Einzelfall bis zur Abschöpfung des gesamten Tätervennögens fUhren und somit existenzvernichtend wirken könne - was ja auch das erklärte Ziel des § 43a sei - stelle einen so weitgehenden Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum dar, daß es von diesem im Grunde nichts mehr übrig lasse 226 • Perron227 nimmt bei der Prüfung des § 43a aufVereinbarkeit mit Art. 14 GG eine konkrete Verhältnismäßigkeitsabwägung vor, die besonders die mit § 43a verbundenen Zweckmäßigkeitserwartungen in den Vordergrund stellt und diese anhand von Erfahrungswerten kritisch überprüft. Er gelangt dabei zu dem Ergebnis, daß die Erfolgsaussichten, die organisierte Kriminalität mit dem Instrumentarium der Vennögensstrafe (und des Erweiterten Verfalls) wirksam zu bekämpfen, viel zu gering und spekulativ seien, um damit einen dennaßen gravierenden Grundrechtseingriff in Art. 14 GG legitimieren zu können, so daß 221 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (838) m. Rechtsprechungsnachweisen. 222 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (838) m. Rechtsprechungsnachweisen . . 223 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (838). 224 Eser, StreelWesse1s-FS, 833 (838); Perron, JZ 93,918 (924) m.w.N. 225 Perron, JZ 93, 918 (924). 226 LG Bad Kreumach, StV 94, 140 (141); Körner, BtMG, § 30 Rdn. 4; KreylDierlamm, JR 92,353 (356); NK-H.-1. Albrecht, StGB, § 43a Rdn. 13; 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87); ihm folgend Desseeker, Gewinnabschöpfung, S. 353. 227 Perron, JZ 93, 918ff.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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die verfassungsrechtliche Eingriffslegitimation möglicherweise bereits an den Kriterien der Geeignetheit oder der Erforderlichkeit, spätestens aber bei der Verhältnismäßigkeit i.e.S. scheitere228 • Auch Weßlau 229 sieht in § 43a einen Verstoß gegen Art. 14 GG. Egal, ob man hinsichtlich des Schutzumfangs von Art. 14 GG die Auffassung des BVerfG vertrete, wonach bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten dieses Grundrecht nur in extremen Ausnahmefällen ("Erdrosselungswirkung"), grundsätzlich jedoch überhaupt nicht betroffen sei, oder ob man der vordringenden Literaturmeinung230 folge, die bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten stets von der Einschlägigkeit des Art. 14 GG ausgehe: Da nach der amt\. Begründung zu § 43a zu schlußfolgern sei, daß die Vermögensstrafe i.d.R. das gesamte Vermögen erfassen soll, stelle § 43a hier selbst nach Anlegung der Maßstäbe des BVerfG einen Eingriff in Art. 14 GG dar; dieser sei wegen der mit der Vermögensstrafe verbundenen Quasi-Konfiskation aufgrund der Unzulässigkeit allgemeiner Vermögenskonfiskation als Strafsanktion verfassungsrechtlich nicht legitimierbar31 • b) Die Gegenmeinung Nach der Gegenmeinung sind die gegen eine Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit Art. 14 GG erhobenen Bedenken nicht durchschlagend. Die Vorschrift des § 43a sei mittels eines "maßvollen Vermögenszugriffs" verfassungskonform auslegbar, so daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu befürchten sei 232 . Die erstgenannte Auffassung vernachlässige, daß § 43a keineswegs zur Entziehung des gesamten Vermögens verpflichte, sondern seinem Wortlaut nach durchaus auch den Zugriff lediglich auf Vermögensteile ermögliche 2J3 • Aber selbst bei Verhängung einer Vermögensstrafe in Höhe des gesamten Tätervermögens liege kein Verstoß gegen Art. 14 GG vor, da die vom BVerfG entwickelten Grundsätze zur Vereinbarkeit der Auferlegung von Steuern mit Art. 14 GG auf allgemeine öffentlich-rechtliche Geldleistungsptlichten, insbe228 Zur Vereinbarkeit des § 43a mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vgl. unten, S. 85ff. 229 Weßlau, StV 91. 226 (233f.). 230 Dazu Nachweise bei Weßlau, StV 91, 226, (234, Fn. \07). 231 So auch ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 81. 232 BOH StV 95, 16117: v. Seile, wistra 93, 216 (217). Siehe dazu im einzelnen unten, S. 78ff. 233 SK-Horn, StOB, § 43a Rdn. 8; Mitsch, JA 94, 425 (430f.).

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I. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

sondere Geld- und Vermögensstrafen, wegen der prinzipiellen Unterschiede zwischen beiden Arten von Geldleistungsptlichten nicht übertragbar seien 234 • Im Ergebnis gleichlautend, jedoch teilweise mit anderer BegrUndung bejaht auch das LG Hamburi 35 die Vereinbarkeit des § 43a mit Art. 14 GG: "In der Verhängung einer Vennögensstrafe liegt ferner keine Verletzung des Art. 14 GG ... Das gilt fonnal schon deshalb, weil dieses Grundrecht nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht das Vennögen als solches, sondern nur einzelne Vennögensrechte schützt, und weil mit der Verhängung einer Vennögensstrafe nicht auf bestimmte Rechte zugegriffen wird, indem sie dem Betroffenen lediglich eine abstrakte Zahlungspflicht auferlegt. Vor allem gilt das Grundrecht auch der Sache nach nur in den Schranken der Gesetze (Art. 14 Abs. I S. 2 GG). Die hier gebotene Abwägung zwischen dem hochrangigen Rechtsgut der Wahrung der Rechtsordnung durch die Bekämpfung schwerer Kriminalität, der die Vorschrift des § 43a StGB zu dienen bestimmt und nach Auffassung der Kammer geeignet ist, einerseits und Art, Ausmaß und Voraussetzung (Feststellung einer schweren Straftat) des Grundrechtseingriffs andererseits ergibt nach Ansicht der Kammer eindeutig keine Grundrechtsverletzung. Auch in der Zulässigkeit der Verhängung einer Vennögensstrafe in Höhe des gesamten vorhandenen Vennögens liegt kein Verstoß gegen das Übennaßverbot. Das wird schon daran deutlich, daß die in mehreren Straftatbeständen eröffnete Möglichkeit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht als Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Person angesehen wird, das höheren Ranges ist als das Recht auf Eigentum und in der Verfassung sogar ausdrücklich als "unverletzlich" bezeichnet wird (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). Hinzu kommt, daß sich neues Vennögen erwerben läßt, während der Mensch nur eine persönliche Freiheit zu verlieren hat. Auch hier kann der Einfluß des Grundrechts auf die Auslegung der Vorschrift und ihre Anwendung im Einzelfall dahinstehen".

§ 43a birgt nach dieser Auffassung keinen Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 GG.

c) Stellungnahme Die Beantwortung der Frage der Vereinbarkeit des § 43a mit Art. 14 GG erfordert eine differenzierte Auseinandersetzung mit der sich hier stellenden Problematik der verfassungsrechtlichen Zu lässigkeit von strafrechtlichen Eigentumseingriffen. 234 v. Seile, wistra 95, 161 (164, 166); vgl. auch Hörnie, ZStW 108 (1996), 333 (345). 235 LG Hamburg, Urteil vom 11.04.1994, AZ 633 KLs 15/93, S. 71-73.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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aa) Gesetzestechnische Möglichkeit der Abschöpfung des gesamten Tätervermögens durch § 43a Zunächst ist nach dem möglichen Umfang des staatlichen Zugriffs auf das Vermögen des Verurteilten zu fragen, den § 43a eröffuet. Der Wortlaut der Vorschrift ermöglicht die Abschöpfung des gesamten Vermögens. Dennoch wird diese Möglichkeit von einem Teil der Literatur verneint. Horti- 36 will den § 43a verfassungskonform ausgelegt wissen, und das schließe die "möglichst vollständige Erfassung des Tätervermögens" aus237 • Mitsch 238 verweist auf die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 811, 850ff. ZPO, die über §§ 459i, 459 StPO, 1 I Nr. 6, 6 I Nr. 1 JBeitrO anwendbar seien, und gibt zu bedenken, daß das ganze Vermögen ohnehin nicht weggestraft werden könne, da zumindest die "Minimalressourcen einer wirtschaftlichen Existenz" dem staatlichen Vollstreckungszugriff entzogen seien. Des weiteren liege eine das gesamte Vermögen erfassende Vermögensstrafe auch nicht im staatlichen Interesse, weil die "rechtsgeschäftliehe Erfilllung der Strafschuld" eine Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB begründe, wodurch der Staat ipso iure die Stellung eines (Gesamt-)Schuldners einnehmen würde 239 • Der Auffassung von Mitsch ist jedoch nicht zu folgen, die von ihm vorgebrachten Argumente gehen fehl. Dem Hinweis auf die Vollstreckungsschutzvorschriften ist entgegenzuhalten, daß in zahlreichen Anwendungsfällen des § 43a die Voraussetzungen der §§ 811, 850ff. ZPO entweder gar nicht vorliegen (etwa weil der Verurteilte kein Einkommen aus Arbeit oder Unterhalt bzw. Renten erhält) oder nur einen unwesentlichen Bestandteil des Gesamtvermögens ausmachen, der im Verhältnis zum Gesamtvermögen zu vernachlässigen ist und der, wenn er auch keine unmittelbare wirtschaftliche Existenzvernichtung zur Folge hat, einer solchen jedoch so nahe kommt, daß er ihr im Hinblick auf Art. 14 GG gleichzusetzen ist. Auch das zweite Argument von Mitsch, wegen der haftungsrechtlichen Folgen des § 419 BGB könne ein Totalzugriff auf das Vermögen des Täters nicht im staatlichen Interesse sein, liegt neben der Sache. Denn abgesehen davon, daß die im Zivilrecht h.M. 240 für die Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB einen schuldrechtlichen Vertrag verlangt, bei "rechtsgeschäftlicher Erfüllung 236 SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 6. 237 Auf eine eingehende Auseinandersetzung mit der verfassungskonformen Auslegung wird an dieser Stelle verzichtet, sie erfolgt unten, S. 87ff. 238 Mitsch, JA 94, 425 (430f.). 239 Mitsch, JA 94, 425 (430, Fn. 59). 240 BGHZ 66, 225; Palandt-Heinrichs, BGB, § 419 Rdn. 11; MüKo-Möschel, BGB, § 419 Rdn. 31f. m.w.N.; Staudinger-Kaduk, BGB, § 419 Rdn. 79.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

der Strafschuld"241 also die Voraussetzungen des § 419 BGB auch mangels eines schuldrechtlichen Vertrages nicht gegeben wären, ist § 419 BGB selbst bei der von Mitsch vertretenen Gegenauffassung 242 , daß bereits ein dinglicher Vertrag für die Vermögensübernahme i.S.d. § 419 BGB genüge, bereits von vornherein nicht auf die Vermögensstrafe anwendbar, denn § 419 BGB und § 43a gehen von unterschiedlichen Vermögensbegriffen aus, und der dem § 43a zugrunde liegende Vermögensbegriff schließt eine Anwendung des § 419 BGB aus: § 419 BGB verwendet den sog. deutschrechtlichen Vermögensbegrif.f4l, d.h. das gesamte Aktivvermögen wird berücksichtigt, ohne daß eine Saldierung mit den Passiva erfolgt, also nicht etwa nur ein Nettovermögen als Differenz von Aktiva und Passiva244 . Dagegen ist für § 43a der sog. wirtschaftliche Vermögensbegrif.f45 maßgeblich, d.h. die Summe aller wirtschaftlichen (geldwerten) Güter des Täters nach Abzug der Verbindlichkeiten 246 . Dies ergibt sich zum einen aus dem Personalitätsgrundsatz, zum anderen aus dem Vorrang der Verfallvorschriften gemäß § 43a 1 2 sowie aus Verhältnismäßigkeitserwägungen 247 . Es wäre nun aber ein logischer Widerspruch, zunächst eine Saldierung von Aktivvermögen und Verbindlichkeiten vorzunehmen, um dann mit § 419 BGB eine Vorschrift anzuwenden, die gerade bewußt auf diese Saldierung verzichtet, um den Gläubigem das Vermögen des Schuldners als Zugriffsobjekt zu erhalten, wenn dieser sein Vermögen vertraglich an einen Dritten überträge48 . Denn bei § 43a wird dem Gläubigerschutz bereits dadurch Genüge getan, daß nur das Vermögen abgeschöpft werden kann, das nach Abzug der Verbindlichkeiten übrigbleibt. Die Anwendbarkeit von § 419 BGB auf § 43a ist damit schon strukturell ausgeschlossen.

241 Mitsch, JA 94, 425 (430 Fn. 59). 242 Diese Auffassung wird auch im zivilrechtlichen Schrifttum vertreten, vgl. die Nachweise bei MüKo-Möschel, BGB, § 419 Fn. 108. 243 Staudinger-Kaduk, BGB, § 419 Rdn. 10 m.w.N.

244 MüKo-Möschel, BGB, § 419 Rdn. 6. 245 Park, JR 96, 380 (381); a.A. SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 13: juristischökonomischer Vermögensbegriff; dieser Vermögensbegriff ist im Rahmen des § 43a jedoch unpassend, weil er bei den Vermögensdelikten die Reichweite des strafrechtlichen Vermögensschutzes beschreibt, hier geht es jedoch nicht um den strafrechtlichen Schutz des Vermögens potentieller Straftatopfer, sondern auf den staatlichen Zugriff auf das Vermögen eines Täters im Wege einer strafrechtlichen Sanktion, vgl. Park, JR 96, 380 (381, Fn. 7). 246 BGHSt 41,278 = StV 96, 23 = MDR 96, 183 = JR 96, 378 m. Anm. Park; Lackner/Kühl, StGB, § 43a Rdn. 4. 247 Dazu i.e. Park, JR 96,380 (381f.). 248 Vgl. zum Normzweck des § 419 BGB MüKo-Möschel, BGB, § 419 Rdn. I.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Berücksichtigt man neben dem vorstehend Gesagten zusätzlich noch den gesetzgeberischen Willen, mit Einftihrung des § 43a gerade den staatlichen Totalzugriff auf das Vermögen des Täters zu ermöglichen 249, so ist hier als Zwischenergebnis festzuhalten, daß die Vorschrift des § 43a prinzipiell die Verhängung einer den Wert des gesamten Tätervermögens ausmachenden Vermögensstrafe ermöglicht2so . Inwieweit dies mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG zu vereinbaren ist, ist im folgenden zu untersuchen.

bb) Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 GG Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob durch die Vermögensstrafe überhaupt in den grundrechtlichen Schutzbereich von Art. 14 GG eingegriffen wird. Das BVerjG hat in ständiger Rspr. betont, daß der Schutzbereich von Art. 14 GG bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten in der Regel nicht betroffen ist2sl . Etwas anderes soll jedoch ftir den Sonderfall gelten, wenn die Geldleistungspflichten "Erdrosselungswirkung" entfalten, d.h. wenn sie den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen 252 • Zu beachten ist bei dieser Rspr. des BVerjG, daß die jeweiligen Entscheidungen sämtlich in bezug auf Steuern und Abgaben getroffen wurden. Ob und inwieweit die dort gefällten Grundsätze auch auf allgemeine öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten übertragbar sind, ist fraglich. Um diese Frage zu beantworten, muß man sich zunächst die strukturellen Besonderheiten von Steuern und Abgaben gegenüber anderen öffentlich-rechtlichen

249 Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers läßt sich unschwer aus der Gesetzesbegründung herleiten, wonach den Straftätern durch die Vermögensstrafe auch das Investitionskapital für weitere kriminelle Aktivitäten entzogen werden soll (vgl. BTDrs. 11/5461, S. 1). Dies erscheint jedoch allenfalls bei einem möglichst vollständigen Vermögenszugriff erfolgversprechend zu sein; ebenso ehr. Jung, Vermögensstrafe, S.81. 250 Ebenso NK-H.-J. Albrecht, StGB, § 43a Rdn. 13. 251 BVerfGE 4, 7 (17); 8, 274 (330); 10,89 (116); 10,354 (371); 1 L 105 (126); 14, 221 (241); 19, 119 (128); 23, 288 (314f.); 30, 250 (271 f.). Demgegenüber geht ein Teil des verfassungsrechtlichen Schrifttums bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten stets von der Einschlägigkeit des Art. 14 GG aus, vgl. AKGG-Rittstieg, Art. 14 Rdnrn. 248ff.; BK-Kimminich, GG, Art. 14 Rdnrn. 58ff., 63ff.; Friauf, DÖV 80, 480ff.; Schmidt-BleibtreuiSchäfer, DÖV 80, 489ff. Danach stellt auch die Vermögensstrafe als öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht grundsätzlich einen Eingriff in Art. 14 GG dar. 252 BVerfG 14, 221 (241); 19. 119 (129); 23, 288 (315); 30, 250 (271): 63, 312 (327); 68, 287 (31 Of.).

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

Geldleistungsptlichten, insbesondere der Vermögensstrafe als öffentlichrechtlicher Geldleistungsptlicht mit Strafcharakter, bewußt machen und anschließend erörtern, ob dadurch eine gesonderte Behandlung von Steuern und Abgaben geboten erscheint. Gegenüber der Vermögensstrafe gemäß § 43a weisen Steuern folgende Besonderheiten auf: Ihre Rechtfertigung erlangen Steuern durch den allgemeinen legitimen Finanzbedarf des Staates, der die Steuern benötigt, um seinen Bürgern ein gedeihliches Zusammenleben zu ermöglichen 253 . Der Steuerzahlung steht dabei kein individualisierbarer Vorteil gegenüber, was zur Folge hat, daß die freiheitsrechtlichen Garantien weitgehend leerlaufen, so greift etwa das Verhältnismäßigkeitsprinzip niche s4 • Insbesondere vor dem Hintergrund, daß der Steuerzahler sein besteuertes Einkommen in der Regel 2SS redlich erworben hat, daß ihm also eine Geldzahlungsptlicht auferlegt wird, ohne daß er sich etwas zuschulden hat kommen lassen, entsteht damit ein Rechtsschutzbedürfnis zumindest gegenüber radikalen Vermögenseingriffen durch Besteuerung256 • So wird denn auch eine Vermögenssubstanzsteuer mit konfiskatorischer Wirkung als unvereinbar mit Art. 14 GG angesehen 257 • Demgegenüber weist die Vermögensstrafe gemäß § 43a diverse Unterschiede auf: Während Steuern grundsätzlich jeden treffen können, werden durch die Vermögensstrafe nur verurteilte Straftäter belastet, die nach Überzeugung des Gerichts bestimmte strafbare Handlungen begangen haben. Die Strafe stellt also einen Schuldausgleich für begangenes Unrecht dar. Darüber hinaus steht ihr ein konkreter Vorteil in Form des Freiheitsstrafenrabatts gegenüber. Ferner wird mit der Vermögensstrafe - zumindest nach dem Willen des Gesetzgebers 253 Birk, Steuerrecht I § I Rdn. 2: Huster, Rechte und Ziele, S. 357: lsensee, in: Hansmeyer (Hrsg.). Staatsfinanzierung. S. 441: Papier. KritV 87. 140f.: Stern. Staatsrecht, Bd. 11, S. 1082: Tipke. Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 2fT'.. 253fT.: Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage. in: Der Staat 1986, 481. 254 Huster, Rechts und Ziele. S. 357 m.w.N.; M/D/H/S-Papier, GG. Art. 14 Rdnrn. 167ff.; ders., KritV 87, 140ff; v. Seile. wistra 95, 161 (163); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. \, S. 452ff.. Hettlage. VVDStRL 14 (1956), S. 5 und Papier. KritV 87, 140 sprechen von der "offenen Flanke des Rechtsstaats". 255 Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Steuergesetzes erfüllt sind, ist·es gleichgültig, ob das Einkommen legal oder illegal erworben wurde, steuerpflichtig ist bei des gleichermaßen, vgl. § 40 AO. In der Praxis wird indessen regelmäßig legales Einkommen steuerlich erfaßt.

256 v. Seile, wistra95, 161 (163). 257 Tipke, Die Steuerrechtsordnung. Bd. 11. S. 795; M/D/H/S-Papier, GG. Art. 14

Rdn. 163. v. Seile. wistra 95, 161 (164) führt aus, warum der subsidiäre Charakter der (nominellen) Vermögenssteuer regelmäßig einen (vermögens-)steuerlichcn Zugriff auf den Vermögensstamm ausschließt.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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zumeist auf illegal erworbenes Tätervermögen zugegriffen, was fUr eine geringere Schutzwürdigkeit im Vergleich zu Steuern sprechen könnte m . Nach v. Selle259 besteht bei der Vermögensstrafe anders als bei Steuern auch aus Rechtsschutzgesichtspunkten kein Anlaß zur Inanspruchnahme des Art. 14 GG, denn der Schutz vor übermäßiger Strafe werde bereits durch das Schuldprinzip gewährleistet. Aus den voranstehend dargestellten Unterschieden zwischen Steuern und der Vermögensstrafe folgert v. Selle260, daß die vom BVerfG entwickelten Grundsätze zur Eigentumsverletzung bei "erdrosselnden" Steuerlasten wegen mangelnder Vergleichbarkeit nicht auf die Vermögensstrafe übertragbar seien. Er gelangt damit zu dem Ergebnis, daß selbst bei voller Ausschöpfung des § 43a Art. 14 GG nicht verletzt ist. Unterstützend hierzu fUhrt er noch folgende Hilfsbegründung an: Es wäre kaum nachvollziehbar, warum die Vermögensstrafe zunächst am Schuldprinzip und anschließend zusätzlich noch an Art. 14 GG zu messen sein solle, während die Freiheitsstrafe nur am Schuldprinzip, nicht jedoch zusätzlich an Art. 2 11 GG gemessen würde 261 • Der von v. Se//e gezogenen Schlußfolgerung, daß Art. 14 GG nicht einschlägig sei, ist jedoch nicht zuzustimmen. Entscheidend fUr die Frage der Übertragbarkeit der fUr Steuern geltenden Grundsätze im Hinblick auf Art. 14 GG auf die Vermögensstrafe ist die Schutzwürdigkeit des Straftäters im Vergleich zum Steuerzahler. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen Steuern und Vermögensstrafe sind jedoch nicht gravierend genug, um einem Straftäter prinzipiell weniger Schutzwürdigkeit zuzubilligen. Der einzige Unterschied, der dieses rechtfertigen könnte, ist der, daß Steuerzahler sich regelmäßig nichts zuschulden kommen lassen haben 262 , während die Vermögensstrafe wegen einer Straftat verhängt wird, um illegal erworbenes Vermögen abzuschöpfen, also der Gedanke, daß der Straftäter sein Eigentum zur Begehung von Straftaten mißbraucht bzw. es daraus erworben habe und deswegen nicht schutzwürdig sei. Doch auch dieses Argument schlägt letztlich nicht durch. Tragfähig wäre es nur dann, wenn die Verhängung der Vermögensstrafe einen spezifi258 Ebenso wie bei Steuern ist auch bei der Vermögensstrafe - zumindest dem Wortlaut nach - gleichermaßen ein Zugriff auf legal erworbenes und illegal erworbenes Vermögen möglich. Anders als bei Steuern (vgl. oben, Fn. 255) soll mit der Vermögensstrafe in der Praxis - jedenfalls nach dem gesetzgeberischen Willen - in erster Linie unrechtmäßig erworbenes Vermögen erfaßt werden. 259 v. Seile, wistra 95, 161 (163). 260 v. Seile, wistra 95, 161 (163f.); ders., StV 95, 582. 261 v. Seile, wistra 95, 161 (164); ders., StV 95,582. 262 Dieses Argument erscheint jedoch bereits in Anbetracht der ausdrücklichen Regelung des § 40 AO als wenig überzeugend.

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1. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

schen Zusammenhang zwischen Straftat und betroffenem Vennögen voraussetzte, etwa dergestalt, daß der Nachweis erbracht sein müßte, daß das weggestrafte Vennögen zur Begehung von Straftaten eingesetzt worden oder aus solchen erlangt worden isf63 • Ein solcher spezifischer Zusammenhang wird bei §43a jedoch gerade nicht gefordert. Ist er dennoch gegeben, liegen vielmehr zumeist die Voraussetzung der Einziehung bzw. des Verfalls (§§ 73ff.) vor, so daß § 43a gar nicht zur Anwendung kommt. Eine geringere Schutzwürdigkeit des zur Vennögensstrafe Verurteilten gegenüber dem Steuerzahler läßt sich auch nicht aus dem Vergleich zur Freiheitsstrafe und dem Hinweis, diese würde auch nur am Schuldprinzip gemessen, herleiten. Denn bei einer Freiheitsstrafe ist selbstverständlich auch der Schutzbereich des Art. 2 11 GG betroffen 264 , so daß - bei dogmatischer Betrachtung bei einer Überschuldstrafe in der Tat das Schuldprinzip und Art. 2 11 GG verletzt sind. Grundsätzlich sind sämtliche in Betracht kommenden Verfassungsverstöße bei einer Überprüfung auf Verfassungsmäßigkeit nebeneinander zu berücksichtigen 265 • Eine Ausnahme gilt nur dort, wo ein Verhalten sowohl in den Schutzbereich eines speziellen Grundrechts als auch in den des Auffanggrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit fällt, denn dann bestimmt sich der Schutz ausschließlich nach dem speziellen Grundrechf66 • Eine weitere Ausnahme gilt dort, wo ein Verhalten in die Schutzbereiche zweier spezieller Grundrechte fällt, von denen sich das eine als filr diesen Fall spezieller erweist, ohne daß diese beiden Grundrechte ansonsten in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen müßten, auch dann bemißt sich der verfassungsrechtliche Schutz allein nach dem spezielleren Grundrechf 67 • Vorliegend ist jedoch keiner der beiden Ausnahmefälle gegeben, da sowohl das Schuldprinzip als auch Art. 14 GG gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit spezieller sind, untereinander jedoch in keinem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen. Folglich hindert die Einschlägigkeit des Schuldprinzips bei einer Überschuldstrafe keineswegs die zusätzliche Anwendung des Art. 14 GG, so daß beide Verfassungs institute nebeneinander berücksichtigt werden müssen.

263 Vgl. zu dem Verwirkungsgedanken und dem daraus resultierenden Erfordernis eines spezifischen Zusammenhangs zwischen Straftat und dem von der Strafe betroffenen Vennögen unten, S. 75ff. 264 BVerfGE 90,145, 171f. 265 So in bezug auf die Konkurrenz von Grundrechten Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdn. 391. 266 PierothlSchlink, Grundrechte, Rdn. 385.

267 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdn. 389.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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cc) Zwischenergebnis Aus den vorstehenden Ausfilhrungen folgt, daß die von der Rechtsprechung des BVerfG filr Steuern und Abgaben entwickelten Grundsätze hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Art. 14 GG auch auf die Vermögensstrafe übertragbar sind268 • Durch die Verhängung einer den (nahezu) gesamten Wert seines Vermögens ausmachenden Vermögensstrafe wird der Verurteilte grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen beeinträchtigt. Dies begründet einen Fall der sog. Erdrosselungswirkung, welcher einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 GG darstellt. Als Zwischenergebnis läßt sich damit festhalten, daß bei einer konfiskatorischen Vermögensstrafe ein Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG vorliegt. Es stellt sich als weiteres die Frage, ob dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

dd) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs Allgemein sind strafrechtliche Sanktionen, die in das Eigentum eingreifen, gerechtfertigt, wenn der Straftäter sein Eigentum schuldhaft mißbraucht hat269 • Ein strafrechtlicher Eigentumseingriff setzt also voraus, daß der Täter die von der Sanktion betroffenen Gegenstände zur Begehung von Straftaten eingesetzt oder aus solchen erlangt hat, d.h. einen spezifischen Zusammenhang zwischen Straftat und betroffenem Vermögen 270 • Fraglich ist, woraus sich dieses Eingriffserfordernis des Verwirkungsgedankens rechtfertigt. Denn bei der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem wird dem Täter auch eine Zahlungsverpflichtung auferlegt, ohne daß er sein Einkommen aus Straftaten erlangt oder zur Begehung von Straftaten mißbraucht haben muß. Bei dieser Geldstrafe i.S.d. § 40 ist indessen der Verwirkungsgedanke zur eigentumsgrundrechtlichen Rechtfertigung der strafrechtlichen Sanktion nicht erforderlich, weil die Systematik des Tagessatzsystems zum einen regelmäßig eine Erdrosselungswirkung ausschließt, zum anderen wird dadurch der Vermögensstamm nicht 268 Ebenso i. E. ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 83. 269 Eser, Sanktionen, S. 170ff.; ders., StreelWessels-FS, 833, 838; Stree, Deliktsfolgen, S, 83ff., 91. 270 Eser, Sanktionen, S. 170ff., 181, 187f.; ders., StreelWessels-FS, 833, 838; Schultehinrichs. Gewinnabschöpfung, S. 174ff.; Stree, Deliktsfolgen, S. 95.

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

angetastet, denn das Tagessatzsystem geht bezüglich der Regelbewertungsgrundlage für die Geldstrafe vom (Netto-)Einkommen des Täters zum Verurteilungszeitpunkt aus, d.h. der Täter soll in aller Regel seine Strafschuld mit Mitteln aus seinem (zukünftigen) Einkommen begleichen, ohne daß vorhandenes Vermögen bei der Strafzumessung berücksichtigt wird 271 . Für die Freiheitsstrafe läßt sich dagegen wiederum sagen, daß der Verwirkungsgedanke auch dort greift: Zwar hat der Täter seine Freiheit in aller Regel nicht aus Straftaten erlangt, er hat seine Freiheit aber zur Begehung von Straftaten mißbraucht. Ebenso wie bei der Freiheitsstrafe können auch bei der Vermögensstrafe die intensiven Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheitsräume nach dem Verwirkungsgedanken prinzipiell (nur) deswegen gerechtfertigt sein, weil der Täter mit der Tat die Schranken seiner Freiheitsrechte überschritten hat und der sich darin äußernde Mißbrauch mit der Entziehung des mißbrauchten Rechts geahndet wird, also bei der Freiheitsstrafe mit Entzug von Freiheit und bei der Vermögensstrafe (zusätzlich) mit Entzug von Vermögen 272 . Im Gegensatz zur Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem setzt somit eine im Hinblick auf Art. 14 GG verfassungsmäßige Verhängung der Vermögensstrafe einen spezifischen Zusammenhang zwischen abgeurteilter Tat und vorhandenem Tätervermögen voraus, auf den ein Eingriff in das Eigentumsrecht wegen Verwirkung durch Mißbrauch gestützt werden kann. Gerade bei § 43a rechtfertigt sich dieses Erfordernis insbesondere auch deshalb, weil diese Vorschrift eigentlich das Handlungsunrecht eines typisch-delinquenten Vermögenswertmißbrauchs voraussetzen soll - die Vermögensstrafe stellt eben keine Erweiterung der klassischen Geldstrafe i.S.d. §§ 40, 41 dar27J • Ein solcher spezifischer Zusammenhang würde bei § 43a bedeuten, daß der Nachweis illegaler Vermögensherkunft bzw. geplanter Reinvestition in illegale Geschäfte erbracht werden müßte. Wegen der in der Praxis auftretenden Schwierigkeiten, diesen Beweis zu führen, wird von § 43a jedoch gerade bewußt darauf verzichtet. Vielmehr soll schon die vage Vermutung illegaler Vermögensherkunft einen staatlichen Totalzugriff auf das Tätervermögen ermöglichen. Steht dagegen fest, daß bestimmte Vermögensvorteile durch eine rechtswidrige Tat erworben wurden, kommt § 43a gar nicht zur Anwendung, denn bei erbrachtem Nachweis

271 Teilweise wird auch vertreten, daß die Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem nicht vom Eigentumsschutz des Art. 14 GG umfaßt werde, weil Art. 14 GG nicht das Vermögen als solches, sondern grundsätzlich nur vermögenswerte Rechte schütze, die Geldstrafe jedoch nur eine gegenständlich unspezifische Geldleistungspflicht darstelle und der Verurteilte in der konkreten Bestimmung des ihm auferlegten Vermögensopfers frei bleibe, vgl. Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung, S. 171 m.w.N. 272 So hinsichtlich des Eigentumsrechts Stree, Deliktsfolgen, S. 91. 273 Vgl. dazu oben, S. 32 - 38.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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illegaler Vermögensherkunft unterliegt dieses dem Verfall gemäß § 73 274 • Der ftlr den Eingriff in Art. 14 GG nach dem Verwirkungsgedanken erforderliche spezifische Zusammenhang zwischen Straftat und betroffenem Vermögen wird damit von § 43a nicht gefordert. Aufgrund dessen ist der Verhängung einer Vermögensstrafe in Höhe des (nahezu) gesamten Tätervermögens, die einer Vermögenskonfiskation gleichkommt, im Hinblick auf Art. 14 GG - insbesondere auch in Verbindung mit dem Übermaßverbot und Art. 1911 GG - die verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu versagenm. Gerade vor dem Hintergrund der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 11 GG 276 ist damit der Auffassung, daß die Vermögensstrafe im Einzelfall faktisch vom Grundrecht des Art. 14 GG nichts mehr übrig lasse 277 , zuzustimmen. Auch der dagegen vom LG Hamburg/ 78 ins Feld geführte Vergleich zur lebenslangen Freiheitsstrafe ist nicht tragfähig, denn die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt den Nachweis voraus, daß der Täter seine Freiheit zur Begehung bestimmter Straftaten mißbraucht hat. Hier liegt wieder der entscheidende Unterschied zur Vermögens strafe.

ee)

Er~ebnis

Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die Verhängung einer Vermögensstrafe in Höhe des (nahezu) gesamten Tätervermögens mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie nicht zu vereinbaren ist und somit einen Verstoß gegen Art. 14 GG begründet. Fraglich ist, ob sich dieser Verstoß durch eine maßvolle, nur partielle Verhängung der Vermögensstrafe vermeiden läßt, so daß insoweit § 43a nicht wegen Unvereinbarkeit mit Art. 14 GG als verfassungswidrig zu bezeichnen ist. Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob den Anforderungen des Art. 14 GG durch eine zurückhaltende Anwendung des § 43a Rechnung getragen werden kann.

274 So auch die Entwurfsbegründung zu § 43a, BT-Drs. 11/5461, S. 7.

275 Perron, JZ 93, 918ff., versagt der Vermögensstrafe insbesondere wegen der damit verbundenen geringen Effizienzerwartungen die verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Hinblick auf Art. 14 GG. Diese sehr hypothetische und spekulative Sichtweise mag allgemein gegen die Vermögensstrafe sprechen (vgl. dazu unten S. 83f.), erscheint jedoch wegen seiner spekulativen Grundlage als Argument im Rahmen einer verfassungsdogmatischen Auseinandersetzung nicht unbedingt überzeugend. 276 Vgl. dazu Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (838f.). 277 Nachweise oben, Fn. 226. 278 Vgl. oben, S. 68, Nachweis oben, Fn. 232.

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l. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

ff) Vereinbarkeit mit Art. 14 GG durch zurückhaltende Normanwendung? In den ersten Beschlüssen zu § 43a erklärte der BGW79 die Vermögensstrafe für vereinbar mit Art. 14 GG, da die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht zur "totalen Vermögenskonfiskation" zwinge und infolgedessen durch einen maßvollen Vermögenszugriff "verfassungskonform ausgelegt" werden könne 28o • Dadurch sei ein Verstoß gegen Art. 14 GG zu vermeiden 281 • Fraglich ist, ob dieser Auffassung zu folgen ist oder ob eine zurückhaltende Anwendung des § 43a nach dem Gesetzeswortlaut oder nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen ist. Der Wortlaut der Vorschrift enthält eine Kann-Bestimmung, d.h. das Tatgericht kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 43a eine Vermögensstrafe verhängen, ist dazu jedoch von Gesetzes wegen nicht verpflichtet. Daß die Vermögensstrafe durch den Wert des Tätervermögens begrenzt ist, bedeutet keineswegs, daß das Tatgericht jedesmal, wenn es eine Vermögensstrafe verhängt, diesen Grenzwert erreichen muß. Denn durch den Wert des Tätervermögens begrenzt ist auch jede Vermögensstrafe, die diesen Wert unterschreitet. Folglich ermöglicht der Wortlaut der Vorschrift eine zurückhaltende Anwendung der Vermögensstrafe in Form eines maßvollen, partiellen Vermögenszugriffs. Des weiteren ist fraglich, ob der Wille des Gesetzgebers einer einschränkenden Anwendung des § 43a zwingend entgegensteht. Der Gesetzgeber verfolgte mit Einführung des § 43a zwar das Ziel, den Täter über die bloße Geldstrafe hinaus besonders spürbar zu treffen, um zum einen illegal erworbene Gewinne

279 BGH NStZ 94, 429; StV 95, 16/17. 280 Der BGH vertritt in den genannten Beschlüssen die Auffassung, daß sämtliche Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 43a durch eine "verfassungskonforme Auslegung" im Sinne einer maßvollen und einschränkenden Anwendung der Vorschrift ausgeräumt werden könnten. Diese Ansicht ist jedoch bereits deswegen unzutreffend, weil durch einen maßvollen Vermögenszugriff nicht die prinzipiellen, von der Höhe der verhängten Vermögensstrafe unabhängigen verfassungsrechtlichen Bedenken - wie etwa der Verstoß gegen die Unschuldsvermutung - beseitigt werden können, vgl. Barton/Park, StV 95, 17 (18). Anderes könnte bei der vom BGHSt 41, 20ff. vorgenommenen Umdeutung der Vermögensstrafe in eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Sanktionsform gelten, sofern diese eine zulässige verfassungskonforme Auslegung im eigentlichen, technischen Sinne darstellt; vgl. dazu aber im einzelnen unten, S. 87ff. 281 Diese Auffassung vertritt auch ein Teil der Lit., vgl. Mitsch, JA 94, 425 (430f.); SK-Horn, StGB, § 43a Rdn. 8; v. Seile, wistra 93, 216 (217); ders., wistra 95, 161 (163); ders., StV 95,582; wohl auch Rieß, NJ 92, 491 (493).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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abzuschöpfen und zum anderen eine Reinvestition in neue, zukünftige Straftaten zu verhindern282 . Daraus kann jedoch nicht eindeutig und apodiktisch darauf geschlossen werden, daß der Gesetzgeber unbedingt das Ziel verfolgte, mit jeder verhängten Vermögensstrafe soweit wie möglich und umfassend auf das Tätervermögen zuzugreifen 283 . Denn selbst wenn man annimmt, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers in den Fällen, in denen die Voraussetzungen rur die Anwendung des § 43a vorliegen, "die Vermögensstrafe in der Regel dann eben das gesamte Vermögen erfassen soll"28\ beinhaltet schon die durch die Wörter "in der Regel" kenntlich gemachte Einschränkung, daß es sich allenfalls um einen Grundsatz handelt, von dem abgewichen werden kann. Dadurch ist dem Rechtsanwender ein Spielraum eröffnet, der es ermöglicht, die Vermögensstrafe nicht in voller Höhe, sondern maßvoll, d.h. in Höhe nur eines Teils des Tätervermögens zu verhängen. Ist dieser Teil so gering, daß die Vermögensstrafe keine Erdrosselungswirkung entfaltet, kann durch diese zurückhaltende Anwendung ein Verstoß gegen Art. 14 GG vermieden werden. Der BGH bezeichnet diese zurückhaltende Anwendung des § 43a als "verfassungskonforme Auslegung"285. Um eine verfassungskonforme Auslegung im technischen Sinn handelt es sich dabei jedoch genaugenommen nicht. Der BGH wendet die Vorschrift lediglich eingeschränkt an, er nimmt in den genannten Beschlüssen286 hingegen keine Auslegung, keine semantische Interpretation vor; jedenfalls teilt er nicht mit, worin der Begriff "Vermögensstrafe" seiner Meinung nach semantische Mehrdeutigkeiten aufweisf 87 . Zwar ist der Begriff "Vermögensstrafe" auch semantisch auslegbar288 , doch stellt eine nur partielle Ausschöpfung des von der Vorschrift vorgegebenen Rahmens rur sich noch keine Auslegung, sondern eine teleologische Reduktion dar2 89 • Bei der vom BGH vorgenommenen einschränkenden Anwendung der Vorschrift handelt es sich damit nicht um eine verfassungskonforme Auslegung im eigentlichen Sinne, sondern um eine teleologische Tatbestandsreduktion290 . Man sollte 282 Vgl. dazu oben, S. 29 - 32 sowie BT-Drs. 11/4561, S. 6; 11/7663, S. 21; 12/989, S. 22. 283 A.A. wohl Krey/Dierlamm, IR 92, 353 (356). 284 So Weßlau, StV 91, 226 (234). 285 BGH NStZ 94, 429; StV 95, 16/17. 286 Daß die Vorschrift sehr wohl auch im technischen Sinn auslegbar ist, wird erst im Urteil des BGH vom 08.02.95 (BGHSt 41, 20ff.) deutlich, vgl. dazu ausführlich unten, S. 87ff. 287 Barton/Park, StV 95, 17 (18). 288 Dazu Le. unten, S. 87ff. 289 Vgl. allg. Larenz, Methodenlehre, S. 340 m.w.N. 290 So bereits Barton/Park, StV 95, 17 (18). - Diese Erkenntnis ist für das weitere

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

in diesem Zusammenhang jedoch besser von zurückhaltender oder einschränkender Normanwendung als von verfassungskonformer Auslegung sprechen, um Verwechslungen mit der an späterer Stelle noch eingehend zu erörternden verfassungskonformen Auslegung im technischen Sinne zu vermeiden. d) Ergebnis

Die eingangs gemachten Ausführungen zur Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit Art. 14 GG haben ergeben, daß jedem Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Art. 14 GG die verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu versagen ist, weil der erforderliche spezifische Zusammenhang zwischen Straftat und betroffenem Vermögen fehlt. Durch eine restriktive Anwendung des § 43a kann der Verstoß gegen Art. 14 GG allerdings vermieden werden. Die restriktive Anwendung kann indessen vor dem Hintergrund des Art. 14 GG nur insofern verfassungskonform sein, als dadurch bereits ein Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ausgeschlossen wird. Das ist jedoch nur bei einem maßvollen Vermögenszugriff der Fall, der keine erdrosselnde, einer Vermögenskonfiskation vergleichbare Wirkung entfaltet. Durch die Vermögensstrafe darf dem Täter daher immer nur ein Teil seines Vermögens entzogen werden, der so gering ist, daß er ihn in seinen Vermögensverhältnissen nicht grundlegend beeinträchtigt, der also keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG darstellt.

5. Verstoß gegen das Resozialisierungsprinzip

a) Inhalt des Resozialisierungsprinzips

Als Grundlage des strafrechtlichen Sanktionensystems steht neben dem Schuldprinzip gleichberechtigt das Resozialisierungsprinzip291. Der Resozialisierungsgedanke wird als notwendiges, ethisch begründ bares Korrektiv zum sozialen und funktionalen Schuldbegriff angesehen 292 , denn gerade der individuelle Vorwurf, daß der Täter auch anders hätte handeln können, diene als Grundlage für die Motivation der Gesellschaft, dem Verurteilten bei der WieVerständnis dieser Arbeit sehr wichtig, weil die vom BGH im einem Urteil später vorgenommene verfassungskonforme Auslegung im Gegensatz zu der hier erörterten - vom BGH in den Beschlüssen mißverständlich ebenso genannten - eine wirkliche Auslegung des Normtextes ist und an späterer Stelle gesondert behandelt wird. vgl. unten, S. 87ff. 291 Wesseis. AT, Rdn. 11.

292 Streng. Strafrechtliche Sanktionen, S. 11.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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dereingliederung zu helfen, damit er sich zukünftig sozialadäquat verhalten kann. Ziel der Bestrafung ist die Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft; er soll dazu angehalten werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fUhren 293 • Das BVerjG294 fUhrt dazu aus: "Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muß der verurteilte Straftäter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge"295. Die Resozialisierung soll demnach als verfassungsrechtlich anerkannter Strafzweck dem Täter den Willen und die Fähigkeit zu verantwortlicher Lebensführung vermitteln und ihn dabei unterstützen, möglicherweise mit der Tat zusammenhängende soziale Anpassungsschwierigkeiten zu bewältigen296 .

b) Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vermägensstrafe mit dem Resozialisierungsprinzip

Nach einem Teil des Schrifttums unterliegt die Vermögensstrafe erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Resozialisierungsprinzip. Da die Vorschrift des § 43a auf eine existenzvemichtende Vermögenskonfiskation abziele, sei sie mit einem präventiv ausgerichteten strafrechtlichen Sanktionensystem, welches dem Täter sogar bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft eröffne, unvereinbar, denn sie begründe die Gefahr, daß der Verurteilte aufgrund wirtschaftlicher Not wieder in die Kriminalität hineingedrängt werde297 . Die "unspezifische Totalwirkung" der Vermögenskonfiskation laufe einem Strafbegriff zuwider, der in der Negation des Verbrechens immer auch die Chance zur Resozialisierung mitenthalte, weil Strafbarkeit eben nicht mit tota293 Wesseis, AT, Rdn. 11; für die Freiheitsstrafe ist dieses Ziel ausdrücklich in § 2 S. I StVollzG niedergelegt, vgl. dazu auch Hassemer, Einführung, § 29. 294 BVerfGE 35, 202 (235f.). 295 Die verfassungsrechtliche Verankerung des Resozialisierungsprinzips in Art. 2 LV.m. I I und Art. 20 I GG entspricht der ganz h.M., vgl. nur Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 11, 14.

296 DreherlTrändle. StGB, § 46 Rdn. 3. 297 DA V, StV 92, 29 (32). 6 Park

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l. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

ler Freiheitsverwirkung gleichzusetzen sej298. Eine solche Strafe, die dem Ziel, dem Täter nach Strafverbüßung ein Leben ohne Straftaten zu ermöglichen, widerspreche, sei auch kriminalpolitisch unzweckmäßig299 . Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit übersehen, daß selbst bei den eher schwerwiegenden Delikten, die eine Verhängung der Vermögensstrafe zulassen, Ziel der Bestrafung die Resozialisierung des Verurteilten sein müsse3OO . Schenke man der Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Forderung nach Resozialisierung verfassungsrechtlich dem "Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt und dem Sozialstaat verpflichtet ist"30', die gebotene Beachtung, so gelange man zwangsläufig zu dem Schluß, daß die Vermögensstrafe mit einem dem Resozialisierungsgedanken verpflichteten freiheitlichen Strafrecht unvereinbar sei 302 . c) Die Gegenmeinung

Die Beftlrworter des § 43a setzen sich - soweit ersichtlich - mit dem Argument, die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Täters durch eine umfassende Vermögensstrafe könne die Möglichkeit der Resozialisierung vereiteln, kaum eingehend auseinander. Der BGH303 verneint auch einen möglichen Verstoß des § 43a gegen das Resozialisierungsgebot unter Hinweis auf die Möglichkeit einer "verfassungskonformen Auslegung"304. Nach Mitsch 305 und v. Selle306 sind die Argumente der Gegner der Vermögensstrafe ungeeignet, da mit derselben Begründung bei konsequenter Betrachtung dann ebenfalls die Resozialisierungsfeindlichkeit und somit die Unzulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe sowie des Nettoeinkommensprinzips (§ 40 11 2) festgestellt werden müßten. Wenn es zuträfe, daß die wirtschaftliche Existenzvernichtung die erfolgreiche Resozialisierung verhindere, 298 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (799). 299 Weßlau, StV 91, 226 (234). 300 Schoreit, MDR 90, 1 (4). 301 BVerfGE 45, 187 (238f.). 302 DA V, StV 92, 29 (32). 303 BGHSt 41, 20ff. 304 Dazu unten, S. 87ff. 305 Mitsch, JA 94, 425 (431). 306 v. Seile, wistra 93, 216. Mitsch, JA 94, 425 (431) schlägt v. Seile der Gegenmeinung zu; dabei verkennt er jedoch, daß die Bejahung des Verstoßes der Vermögensstrafe gegen das Resozialisierungsprinzip von v. Seile offensichtlich ironisch gemeint ist.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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sei überdies auch bei all jenen Strafgefangenen, deren wirtschaftliche Existenz durch das Verfahren auf andere Weise vernichtet werde, etwa durch hohe Verfahrenskosten oder durch zivilrechtliche Ersatzansprüche der Opfer, die Möglichkeit zur erfolgreichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft von vornherein aussichtslos. Da diese Schlußfolgerung von der vorstehend genannten Literaturmeinung jedoch nicht gezogen werde, sei diese Auffassung unschlüssig und infolgedessen abzulehnen. d) Stellungnahme

Die Frage der Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Resozialisierungsgebot kann nur vor dem Hintergrund des extremen Anwendungsfalls der Vermögensstrafe in Form des Totalzugriffs auf das Tätervermögen bedeutsam sein. Denn daß eine maßvoll verhängte Vermögensstrafe, durch die der Täter nur einen verhältnismäßig geringen Teil seines Vermögens verliert, die die wirtschaftliche Existenz des Verurteilten als solche aber unberührt läßt, keinen Verstoß gegen das Resozialisierungsprinzip darstellt, liegt auf der Hand. Bei einem umfassenden Zugriff auf das Tätervermögen, der eine (wirtschaftlich) existenzvernichtende Wirkung entfaltet, ergeben sich dagegen einige Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Resozialisierungsgebot. Es liegt nahe, daß es einem Täter, gegen den eine erhebliche Freiheitsstrafe verhängt und dem darüber hinaus sein gesamtes Vermögen weggestraft wird, der also nach Verbüßung der Freiheitsstrafe buchstäblich vor dem Nichts steht, erheblich schwerer fällt, fortan ein straffreies Leben zu fUhren als einem Täter, der entweder nur den Freiheitsverlust oder eine Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem erlitten hat. Die Gefahr, durch dieses besondere StrafUbel umso stärker ins soziale Abseits gedrängt zu werden und infolgedessen aufgrund von wirtschaftlicher Not wieder Straftaten - insbesondere Eigentumsund Vermögensdelikte - zu begehen, muß als eher groß eingeschätzt werden. Die von Mitsch und v. Seile angestellten Vergleiche und Schlußfolgerungen sind gar nicht oder nur sehr bedingt tragfähig. Um etwa zu verhindern, daß eine nach dem Tagessatzsystem bemessene Geldstrafe mit einer hohen Anzahl von Tagessätzen durch die extreme finanzielle Belastung, die der Entzug des Nettoeinkommens über einen längeren Zeitraum fUr den Betroffenen bedeutet, zu einer Entsozialisierung fUhrt, weicht die Praxis hier zumeist auf die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausJ07 oder senkt die TagessatzhöheJ08 , so daß eine wirtschaftliche Existenzvernichtung faktisch nicht stattfindet. 307 Schäfer, Strafzumessung, Rdn. 66. 6'

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

Der Vergleich zur lebenslangen Freiheitsstrafe ist schon deshalb nicht tragfahig, weil diese gerade aus Resozialisierungsgründen nicht lebenslänglich, sondern gemäß § 57a zumeist nur fünfzehn Jahre lang vollstreckt wird. Außerdem läßt die lebenslange Freiheitsstrafe das Vermögen des Täters (so er denn welches besitzt) unangetastet, so daß er nach Verbüßung der Haftzeit wenigstens darauf zurückgreifen kann. Zuzugeben ist indessen, daß sich auch bei den aus anderen Gründen wirtschaftlich ruinierten Straftätern die Resozialisierung als schwierig gestaltet. Dennoch ist es ein Unterschied, ob jemand für ein nachweislich begangenes Unrecht Schadensersatz oder Verfahrenskosten leisten muß oder ob gegen ihn eine Vermögensstrafe verhängt wird. Die Vermögensstrafe hat zwar formal auch konkret begangenes Unrecht zum Anlaß, mit ihr soll im Grunde jedoch auch noch weiteres, nur vermutetes Unrecht geahndet werden 309 • Da andererseits durch § 43a auch die Abschöpfung legal erworbenen Vermögens ermöglicht wird, ist in diesen Fällen eine eher resignative Reaktion des Täters zu befürchten, die sich wiederum resozialisierungsfeindlich auswirken kann. Ferner handelt es sich bei Schadensersatzverpflichtungen und Verfahrenskosten in vielen Fällen um notwendige Begleiterscheinungen strafrechtlicher Verurteilungen. Dieses darf jedoch nicht zum Anlaß genommen werden, eine zu Strafzwecken erfolgende wirtschaftliche Vernichtung des Täters zu rechtfertigen. Das Resozialisierungsgebot ist ein Verfassungsgrundsatz, der für ein fortschrittliches, rechtsstaatliches und präventiv ausgerichtetes Strafrecht von großer Bedeutung ist. Will man ihm die gebotene Achtung schenken, so ist es unbedingt vonnöten, bei jeder strafrechtlichen Sanktion das Ziel der Wiedereingliederung des Täters im Auge zu behalten. Eine konfiskatorische Strafe, wie sie die Vermögensstrafe in Höhe des Wertes des gesamten Tätervermögens darstellt, vernachlässigt jedoch in unzulässiger Weise die Verpflichtung der Rechtsgemeinschaft, dem Täter nach Strafverbüßung ein Leben ohne Straftaten zu ermöglichen. Die wirtschaftliche Existenzvernichtung durch eine umfassende Vermögensstrafe ist folglich mit dem Resozialisierungsprinzip kaum zu vereinbaren. Wenn Mitsch 310 in diesem Zusammenhang die rhetorische Frage aufwirft, ob denn die wirtschaftliche Existenz etwa eines Escobar oder Noriega wirklich so erhaltenswert sei, daß das Gericht Skrupel haben müsse, diese durch die Verhängung einer Vermögensstrafe zu vernichten, so offenbart sich 308 Dreher/Tröndle. StGB, § 40 Rdn. 24. 309 Vgl. dazu oben, S. 32 - 38 die Ausführungen zur Rechtsnatur der Vermögensstrafe. 310 Mitsch, JA 94, 425 (431).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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in dieser Frage eine rechtspolitische Einstellung, die in einem fortschrittlichen Strafrecht, das auf festen rechtsstaatIichen Grundsätzen basiert und sich durch diese selbst begrenzt, keinerlei Rechtfertigung erfahren kann, denn auch bei der Verfolgung und Aburteilung besonders verwerflicher Taten darf der Boden des Rechtsstaats nie verlassen werden. Aus rechtsstaatlichen Erwägungen verbietet sich eine solche Frage von selbst. Die Verhängung einer konfiskatorischen Vermögensstrafe ist folglich mit dem Resozialisierungsprinzip nur schwerlich vereinbar. Da die Vorschrift des § 43a jedoch restriktiv angewendet werden kann JII , ist ein Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot durch einen maßvollen, d.h. nur partiellen Vermögenszugriff, vermeidbar, d.h. ein Grundrechtsverstoß kann im Einzelfall ausgeschlossen werden. Bei einem Totalzugriff auf das Vermögen des Täters ist indessen ein Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot zu bejahen.

6. Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip

§ 43a könnte schließlich gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist ein allgemeines Verfassungsprinzip, das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird 3l2 • Darüber hinaus ergibt es sich "bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist"3J3. Nach h.M. besteht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus drei Teilbereichen: dem Gebot der Geeignetheit, dem der Erforderlichkeit und dem der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn 114 • Ein Gesetz ist 'geeignet', wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann 3J5 • 'Erforderlich' ist es, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können Ji6 . Das BVerfG, in dessen Rspr. das Verhält311 Vgl. dazu die Ausführungen zur zurückhaltenden Anwendung im Rahmen des Art. 14 GG, oben, S. 78ff. 312 Jarras/Pieroth, GG, Art. 20 Rdn. 56 m.w.N. 313 BVerfGE 19,342 (3480; 61, 126 (134); 76, 1 (500; 77. 308 (334); Jarras/Pieroth, GG, Art. 20 Rdn. 56. 314 BVerfG 65, I (54); 67, 157 (173); 70, 278 (286); Jarras/Pieroth. GG, Art. 20 Rdn. 58 m.w.N. 315 BVerfGE 90, 145 (172). 316 BVerfGE30, 292(316); 63, 88(115);67, 157(176);90, 145(172).

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l. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

nismäßigkeitsprinzip eine überragende Bedeutung einnimmtl 17, gesteht dem Gesetzgeber "bei der Beurteilung der Eignung und der Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren" einen "Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann"318. Stellt man § 43a auf den Prüfstand des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wird man wegen des dem Gesetzgeber hinsichtlich der Einschätzung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme zugebilligten Beurteilungsspielraums davon auszugehen haben, daß die Vermögensstrafe insoweit noch den Mindestanforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips entspricht3l9 . Der Gesetzgeber beabsichtigte mit Schaffung der Vermögensstrafe durchaus die Einführung einer Sanktion mit erheblichen instrumentellen Wirkungen, um bestimmten Kriminalitätsformen wirksamer als zuvor begegnen zu können. Auch wenn die Effektivität des § 43a zweifelhaft erscheint, hat der Gesetzgeber die Grenzen seines Beurteilungsspielraums insoweit nicht überschritten. Damit können die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Vermögensstrafe noch bejaht werden. Anderes gilt jedoch für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn: Das BVerfG verlangt diesbezüglich, daß "bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigen Gründe die Grenze der Zumutbarkeit rur die Adressaten des Verbots gewahrt sein" muß320 • Die Maßnahme darf demnach die Normadressaten nicht übermäßig belasten321 • 317 Jarras/Pieroth, GG, Art. 20 Rdn. 56. 318 BVerfGE 77, 170 (215); 88, 203 (262); 90, 145 (173). 319 Kritisch hinsichtlich der Geeignetheit Perron, JZ 93, 918 (920-923), der verschiedene Eignungsparameter herausgefunden hat, die an allgemein anerkannten Strafzwecken festgemacht werden können: zunächst die Idee der Abschreckung potentieller Normbrecher, des weiteren die unmittelbare Schädigung krimineller Organisationsstrukturen durch den Entzug von Finanzmitte/n und ferner die potentiell positivgenera/präventiven Wirkungen der Vennögensstrafe. Zwar genüge § 43a bereits dann den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wenn seine Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S. auch nur unter einem dieser Gesichtspunkte ausreichend plausibel erscheine, jedoch äußert Perron hinsichtlich dessen bei allen drei Eignungsparametern massive Bedenken und stellt damit die Geeignetheit der Vennögensstrafe erheblich in Frage. 320 BVerfGE 90, 145 (173) m.w.N.; ähnlich BVerfGE 67, 157 (173), wo verlangt

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Der bisherige Verlauf der Untersuchung, etwa die Prüfung der Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldprinzip, hat ergeben, daß diese Angemessenheit zwischen vom Täter verwirklichtem Unrecht und der Rechtsfolge in Form einer (potentiell sogar konfiskatorischen) Vermögensstrafe durch § 43a keineswegs gewährleistet ist; im Hinblick auf den vom Gesetzgeber gewünschten möglichst umfassenden Vermögenszugriff bei Verhängung der Vermögensstrafe ist sie grundsätzlich zu verneinen. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit i.e.S. des allgemeinen Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit muß konsequenterweise das Gleiche gelten. Teile der Literatur nehmen demzufolge auch einen Verstoß der Vermögensstrafe gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip an J22 . Dem ist zuzustimmen. Allerdings ist der Wert dieser Erkenntnis nicht als allzu hoch einzuschätzen, da das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein allgemeiner und übergeordneter Verfassungsgrundsatz ist, dem gegenüber das Schuldprinzip, die Unschuldsvermutung sowie das Grundrecht aus Art. 14 GG spezieller sind, so daß eine eingehende Erörterung der Vereinbarkeit des § 43a mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip wegen bereits festgestellter Verstöße gegen speziellere Verfassungsrechtssätze aus dogmatischer Sicht entbehrlich erscheint323 •

7. Die Position des BGH - "verfassungskonforme Auslegung"

Einen neuen Weg zur Bereinigung der verfassungsrechtlichen Problematik der Vermögensstrafe schlug der 5. Senat des BGH in dem Urteil vom 08.02.1995 324 ein, indem er Leitlinien ftir eine verfassungskonforme Auslegung des § 43a aufstellte 325 . Gegenüber der "verfassungskonformen Auslegung" in wird, daß der Eingriff" in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts" steht. 321 BVerfGE 90,145 (173). 322 J. Meyer, Helmrich-FS, 565 (571f.) m.w.N. 323 Aus diesem Grund ist die diesbezügliche Erörterung hier bewußt sehr knapp ausgefallen. 324 BGHSt 41, 20ff. = NJW 95, 1367ff. = StV 95, 245ff. (m. Anm. v. Seile, StV 95,582) = NStZ 95, 333ff. (m. Anm. Dierlamm) = MDR 95, 618f. = wistra 95, 183ff. = JuS 95, 746f. = JR 95, 340ff. (m. Anm. Park); dies Urteil hat inzwischen ausdrückliche Bestätigung gefunden durch BGHSt 41,278 (280) = StV 96, 23 (24) = JR 96,378 (379) m. Anm. Park. 325 Treffend beschreibt Hörnte, ZStW 108 (1996), 333 (344) die besondere Problematik dieser Urteilsfindung: "Das Dilemma, in welchem sich der BGH bei der Begründung dieser Entscheidung befand, ist darauf zurückzuflihren, daß einerseits die Erklärungen des Gesetzgebers zum Zweck der Vermögensstrafe mit verfassungsrechtli-

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

den ersten drei Beschlüssen 326, die nur eine Tatbestandsreduktion im Sinne einer zurückhaltenden und maßvollen Anwendung der Norm, nicht jedoch eine verfassungskonforme Auslegung im technischen Sinne darstellte 327 , bedeutet die in dem Urteil vertretene Position eine erhebliche Weiterentwicklung, denn der BGH bezeichnet darin konkret, wie § 43a seiner Meinung nach auszulegen ist, so daß sich auch Rückschlüsse auf den strafrechtstheoretischen Charakter, den der BGH der Vermögensstrafe beimißt, ziehen lassen. Er hält die verfassungsrechtlichen Einwände im Schrifttum fUr unbegründet, da § 43a so ausgelegt werden könne, daß die Vorschrift weder eine unzulässige Verdachtsstrafe enthalte noch gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens oder gegen das Bestimmtheitsgebot oder gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie verstoße J28 • Nach dem Normtext und der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz handele es sich um eine am Wert des Tätervermögens orientierte Geldstrafe, die auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages gerichtet sei und deren Gewicht im Rahmen des Gefüges schuldangemessener Rechtsfolgen durch die Ersatzfreiheitsstrafe bestimmt werde J29 • Die Vermögensstrafe stelle somit lediglich eine Erweiterung des Spektrums der strafrechtlichen Reaktionsmittel bei Delikten dar, bei denen der Gesetzgeber aus kriminalpolitischen Erwägungen eine weitere Sanktion für diejenigen Täter zur Verfügung stellen wollte, die über Vermögen verfUgen und bei denen der Zugriff auf ihr Vermögen eine wirksame Reaktion sein könne J30 • Die gesetzliche Regelung gestatte indessen keine Auslegung, wonach die Vermögensstrafe dazu diene, die außerordentlichen Profite abzuschöpfen, die durch organisierte Kriminalität erzielt werden 331 • Dies bedeutet, daß der BGH die Vermögensstrafe als echte Strafe in Form einer Geldsummenstrafe ansieht, d.h. als ganz normale Geldstrafe, die lediglich nicht am Tagessatzsystem (§ 40), sondern am Tätervermögen orientiert ist und nur neben einer längeren Freiheitsstrafe verhängt werden darf. Danach wird der Täter ausschließlich für eine ihm nachgewiesene Straftat neben einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe mit einer Zahlungsverptlichtung bestraft, die durch den Wert seines Vermögens begrenzt ist. Nach dieser Lesart dient die Vermögensstrafe weder der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen noch stellt sie chen Prinzipien nicht vereinbar sind, andererseits aber der BGH vor einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. I GG zurückgeschreckt ist'". 326 BGH NStZ 94, 429; StV 95,16/17. 327 Vgl. dazu oben, S. 78fT. 328 BGHSt 41, 20 (24fO329 BGHSt 41,20 (24). 330 BGHSt 41,20 (25f.); ebenso BGHSt 41, 278 (280). 331 BGHSt 41, 20 (24f.).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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eine Verdachtsstrafe für dem Täter nicht nachweisbare vergangene Delikte dar. Der BGH stellt in dem Urteil explizit fest, daß eine gegenteilige Norminterpretation nicht gestattet sei. Mit dieser Auslegung der Vorschrift bemüht sich der BGH ersichtlich um eine rechtsstaatliche und verfassungskonforme Anwendung des § 43a. Der gesetzgeberischen Zielsetzung, mit der Vermögensstrafe auf Vermögen zugreifen zu können, das zwar mutmaßlich, aber nicht nachweisbar aus Straftaten erlangt wurde, wird damit eine eindeutige und klare Absage erteilt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die Interpretation der Vermögensstrafe durch den BGH durchaus als wünschenswert zu beurteilen. Um ein brauchbares Ergebnis, das die Vermögensstrafe vom Verdikt der Verfassungswidrigkeit befreien könnte, handelt es sich dabei jedoch nur, wenn die Vorgehensweise des BGH zulässig, d.h. mit den Regeln der verfassungskonformen Auslegung vereinbar ist. Dies soll im folgenden untersucht werden. a) Die verfassungskonforme Auslegung

Die verfassungskonforme Auslegung im technischen Sinn, d.h. als anerkannte juristische Auslegungsmethode unterliegt verschiedenen Voraussetzungen: Zunächst muß eine Gesetzesbestimmung im Rahmen ihres Wortlauts unterschiedliche Auslegungen ermöglichen. Gelangen diese unterschiedlichen Auslegungen zu verschiedenen Ergebnissen, von denen nur ein Teil mit dem Grundgesetz vereinbar ist, besteht Anlaß zu einer verfassungskonformen Auslegung332 • Es gilt dann prinzipiell das Gebot der Bevorzugung der verfassungsmäßigen Auslegung, es sei denn, dadurch würde der Normzweck gänzlich auf den Kopf gestellt, dann ist eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich.

aa) Mehrdeutigkeit des § 43a Jede verfassungskonforme Gesetzesauslegung setzt selbstverständlich voraus, daß das jeweilige Gesetz überhaupt auslegungsfähig isf 33 • Gesetze mit eindeutigem Inhalt sind mit der Verfassung entweder vereinbar oder unvereinbar; für eine verfassungskonforme Auslegung ist jedoch kein Raum 334 • Gegen332 Schlaich, Bundesverfassungsgericht, Rdn. 407. 333 Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 19; Simon, EuGRZ 74, 85; ebenso Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8 d). 334 Simon, EuGRZ 74, 85; Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8 d).

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

stand der Auslegung ist der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinns, um dessen Verständnis es in der Auslegung geht, d.h. durch die Auslegung wird dieser Sinn zum Ausdruck gebracht 335 • Um auslegungsfiihig zu sein, muß der Gesetzestext damit einen Bedeutungsspielraum offenbaren, also mehrdeutig sein.

§ 43a müßte demzufolge zunächst einen mehrdeutigen Gesetzestext aufweisen. Untersucht man den Wortlaut der Vorschrift auf semantische und syntaktische Bedeutungsspielräume, so kristallisiert sich insofern die Textpassage "Geldbetrages ... dessen Höhe durch den Wert des Vermögens des Täters begrenzt ist (Vermögensstrafe)" als interessant heraus. Die Begriffe "Geldbetrag" und "Vermögensstrafe" sollen offensichtlich die gleiche Bedeutung aufweisen, sie bilden also (innerhalb des ihnen durch die Normzugehörigkeit zugewiesenen Kontexts) Synonyme. Die in Klammern gesetzte "Vermögensstrafe" stellt damit eine Legaldefinition dar, die als eine Art terminus technicus den "durch den Wert des Tätervermögens begrenzten Geldbetrag" bezeichnet. Dem Begriff "Vermögensstrafe" können mehrere Bedeutungen zuerkannt werden. Zum einen kann er eine Geldsummenstrafe verkörpern, die nicht nach dem Tagessatzsystem bemessen wird, aber ansonsten auch lediglich eine am Schuldprinzip orientierte Geldstrafe darstellt, ohne eine Verdachtsstrafe zu beinhalten und ohne der Gewinnabschöpfung zu dienen. Diese Bedeutung wird der Vermögensstrafe - wie vorstehend bereits dargestelltl 36 - im wesentlichen vom BGH zuerkannt 337 • Möglich ist indessen auch eine andere Interpretation: Hinter dem Begriff "Vermögensstrafe" kann sich auch eine strafrechtliche Sanktion verbergen, die trotz ihrer Bezeichnung keine Strafe im eigentlichen Sinne darstellt, sondern vielmehr der Gewinnabschöpfung dient und eine Vermögenseinziehung auf Verdacht ermöglicht, also eher einen Verfall als eine Strafe darstellt und konfiskatorische Wirkung entfaltet. Diese Bedeutung wird der Vermögensstrafe - wie ebenfalls bereits ausgeflihrt - von einem Großteil der Literatur zuerkannt. Festzuhalten bleibt damit zunächst, daß der Normtext des § 43a keineswegs eindeutig ist, sondern durchaus verschiedene Auslegungen zuläßt.

335 Larenz, Methodenlehre, S. 313. 336 Oben, S. 88f. 337 BGHSt41,20(24).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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bb) Auslegung des § 43a mit Hilfe der anerkannten Auslegungscanones Sind nach alledem verschiedene Bedeutungsmöglichkeiten innerhalb des Gesetzestextes des § 43a vorhanden, so wirft dies die Frage auf, welche dieser Bedeutungen den eigentlichen Sinn der Vorschrift am richtigsten erfaßt, d.h. wie von den Bedeutungen, die innerhalb der Grenzen des noch möglichen Wortsinns liegen, nach anerkannten hermeneutischen Standards diejenige zu bestimmen ist, die dem Normtext treffenderweise zukommt338 . Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist nach h.M. "der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist"339. Um dieses Auslegungsziel zu ermitteln, ist die Norm mit Hilfe der - auf v. Savigny zurückgehenden 340 - anerkannten juristischen Auslegungscanones auszulegen 341 • Es sind als solche vier Auslegungsmittel vorhanden, die in der Rechtspraxis und -wissenschaft allgemein anerkannt sind, und zwar die grammatische, die systematische, die subjektiv-historische und die objektiv-teleologische Interpretation 342 • Im weiteren ist folglich zu untersuchen, ob sich mit Hilfe dieser Auslegungsmethoden eine eindeutige Sinngebung für § 43a erzielen läßt. (1) Grammatische Auslegung!43

Die grammatische (oder auch: wörtliche) Auslegung erforscht den Wortsinn, d.h. den Bedeutungsumfang der Gesetzesworte344 . Mit ihr soll ermittelt werden, "welcher Sinn nach dem Sprachgebrauch der Sprachgemeinschaft und nach der 338 Vgl. allg. Zippelius, BVerfG-FS, 108. 339 BVerfGE 1,299 (312); bestätigt in BVerfGE 6,55 (75); 6, 389 (341); 8, 274 (307); 10,234 (244); 11, 126 (I30f.); 24, I (15); 33, 265 (294); 35, 263 (278); 41, 399 (41\); 45, 272 (288); 48, 246 (256); 53, 207 (212); 55,159 (17Of.); 57, 250 (262),62, I (45); Stern, Staatsrecht I, § 4 III I a) m.w.N., auch zu abweichenden Ansichten. 340 Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 39 m.N. 341 BVerfGE 11, 126 (130); vgl. ferner BVerfGE 50,177 (194): "Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung"; BVerfGE 57, 250 (262): Auslegung "in Einklang" mit "Wortlaut", "Zweck" und "Entstehungsgeschichte" der Regelung. 342 Larenz, Methodenlehre, S. 320ff.; zu weiteren Auslegungsmethoden siehe etwa Stern, Staatsrecht I, § 4 III I a). 343 Zur grammatischen Auslegung ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 320 324; Bydlinski, Methodenlehre, S. 437 - 442, jeweils m.w.N. 344 Zippelius, Methodenlehre, S. 39f.; Stern, Staatsrecht I, § 4 III I a).

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I. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögens strafe

Sprachregelung des Gesetzgebers den Gesetzesworten zukommen kann"345. Die Anknüpfung an den Sprachgebrauch liegt am nächsten, weil angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die Worte in dem Sinne verwendet, in dem sie gemeinhin auch verstanden werden können 346 . Denn durch das Medium der Sprache kann am leichtesten gewährleistet werden, daß die einzelnen Informationen auf die gewünschte Weise an die betreffenden Adressaten transportiert werden. Die Auslegung des § 43a nach seinem Wortlaut erlaubt es, einen bestimmten Schluß im Hinblick auf den Sinn der Vorschrift zu ziehen. Das Wort Vermögensstrafe beinhaltet den Begriff "Strafe", der als juristischer Fachterminus eine klare Bedeutung aufweist. Danach dient die Vermögensstrafe nicht der Gewinnabschöpfung, denn diese Funktion wird nur von den Verfallvorschriften, nicht jedoch von den Strafvorschriften erfüllt. Der Wortlaut enthält auch keinen Hinweis auf eine Verdachtsstrafe und - als Kann-Bestimmung - auch keine Verpflichtung zur vollständigen Einziehung des Vermögens. Viel]l1ehr sieht er eine Anknüpfungstat vor (bezüglich deren Nachweises die allgemeinen schuldstrafrechtlichen Regeln gelten), deren Begehung bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen mit der Auferlegung eines Geldbetrages geahndet werden kann. Dieser Gesetzeswortlaut spricht demnach dafür, § 43a in dem Sinne auszulegen, daß er eine rechtsstaatlich verträgliche Geldsummenstrafe, also eine "echte" Geldstrafe, die lediglich vom Tagessatzsystem abgekoppelt ist, enthält. Nach der grammatischen Auslegung besteht der Sinn der Vorschrift darin, einen Täter für eine bestimmte, konkrete Tat schuldangemessen zu bestrafen.

(2) Systematische Ausleguni 47 Die systematische Auslegung bezieht sich auf den Zusammenhang und die Stellung einer Rechtsvorschrift im Gesamtkomplex des Gesetzes oder der Rechtsordnung J48 • Wenn einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch verschiedene Bedeutungsinhalte zukommen. können, ergibt sich die konkret in Betracht kommende Bedeutung oftmals aus dem Zusammenhang, in dem er verwendet wird 349 . Ebenso wird das Verständnis einzelner gesetzlicher 345 Zippelius, Methodenlehre, S. 39. 346 Larenz, Methodenlehre, S. 320. 347 Zur systematischen Auslegung ausfiihrlich Larenz, Methodenlehre, S. 324 328; Bydlinski, Methodenlehre, S. 442 - 448, jeweils m.w.N. 348 Stern, Staatsrecht I, § 4 111 I a). 349 Larenz, Methodenlehre, S. 324.

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Vorschriften häufig von dem Kontext bestimmt, in dem diese zum Gesetz oder zur Rechtsordnung insgesamt stehen350 • So können aus dem ausdrücklichen Inhalt anderer Normen und aus den Regeln der Logik sowie U.U. aus hinter verschiedenen Normen stehenden Zwecken und Wertungsprinzipien Schlüsse auf die Bedeutung der auszulegenden Norm gezogen werden 351 • Bei § 43a erweist sich der Blick auf die Systematik als nicht besonders hilfreich. Zwar ist die Vorschrift im Dritten Abschnitt des Allgemeinen Teils des StGB unter dem Ersten Titel "Strafen" eingegliedert. Dies scheint zunächst für die Auslegung im Sinne einer Geldsummenstrafe zu sprechen. Die systematische Auslegung darf sich jedoch nicht allein nach der äußeren Systematik des Gesetzes richten, vielmehr kommt es auch auf den inneren Bedeutungszusammenhang, die sachliche Zusammengehörigkeit, an 352 • Denn nicht immer entsprechen sich sachlicher Zusammenhang und die äußere systematische Anordnung353 • Für die systematische Auslegung hilfreiche Schlüsse auf den inneren Bedeutungszusammenhang lassen sich häufig aus der Rechtsnatur eines Rechtsinstituts und aus deren harmonischer Eingliederung in eine systematische Ordnung sachverwandter Rechtsinstitute ziehen. Dies gilt auch für § 43a. Ein Blick auf die Rechtsnatur der Vermögensstrafe zeigt, daß es sich dabei keineswegs um eine reine Strafe handelt, sondern daß diese Sanktion vielmehr zahlreiche Verfallseigenschaften aufweist und letztendlich eine Zwitternatur zwischen Strafe und Verfall darstellt; es handelt sich um einen nebenstrafenahnlichen Verdachts-VerfaW 54 • Sie ist, da sie sich nicht harmonisch in das strafrechtliche Sanktionengeftlge einordnet, system fremd, ein Fremdkörper im strafrechtlichen Rechtsfolgensystem 355 • Damit läßt sich aus der Systematik nicht zwingend herleiten, daß die Vermögensstrafe eine rechtsstaatskonforme Geldsummenstrafe darstellen soll. Aber auch das Gegenteil ergibt sich nicht absolut zwingend aus der Systematik. Denn zwar weist die Vermögensstrafe zahlreiche Verfallseigenschaften auf, sie ist jedoch strukturell kein reiner Verfall, außerdem ist sie nicht in den mit "Verfall und Einziehung" überschriebenen, sondern in den mit "Strafen" überschriebenen Titel des 3. Abschnitts des

350 Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 40 unter Hinweis aufv. Savigny. 351 Bydlinski, Methodenlehre, S. 443. 352 Larenz, Methodenlehre, S. 325. 353 Larenz, Methodenlehre, S. 325f. mit Beispielen aus dem Zivilrecht, der daraus die zutreffende Schlußfolgerung zieht, daß "das Argument aus der systematischen SteIlung einer Vorschrift im Gesetz, also aus dessen "äußerem System", nicht überschätzt werden darf' (Hervorhebung im Originaltext). 354 Zur Rechtsnatur der Vermögensstrafe siehe im einzelnen oben, S. 32 - 38. 355 Zur Systemwidrigkeit der Vermögensstrafe siehe im einzelnen oben, S. 32 - 38 sowie unten, S. III ff.

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StGB eingegliedert worden. Systematisch läßt sich die Vermögensstrafe damit weder der Strafe noch dem Verfall problemlos zuordnen. Die systematische Auslegung des § 43a führt somit zu keinem eindeutigen Ergebnis. (3) Subjektiv-historische Auslegun[(56

Rechtssätze stehen nicht nur in einem systematischen, sondern auch in einem historischen Kontext, welcher ebenfalls für die Präzisierung des Gesetzessinns eine Rolle spielen kann 357 • So liegt bei der Auslegung eines Gesetzes insbesondere die Frage nahe, welche der in Betracht kommenden Deutungsmöglichkeiten der Regelungsabsicht oder der Normvorstellung des Gesetzgebers am besten entsprichf 58 • Dieser entstehungsgeschichtliche Hintergrund ist Gegenstand der subjektiv-historischen Auslegungsmethode, die den Sinn einer Vorschrift durch die Einbeziehung von Vorstellungen, Absichten, Wertungen und Zwecken zu ermitteln sucht, die dem Gesetz selbst nicht oder nicht hinreichend entnehmbar sind, ihm aber zugrunde liegen. Vor allem die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm in Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen Wertentscheidungen sind danach maßgeblich 359 • Problematisch und umstritten ist bei der subjektiv-historischen Auslegung die Frage, wie nun der Wille des Gesetzgebers zu ermitteln ist bzw. um welche Personen es sich bei "dem Gesetzgeber" handelf 60 • Denn in den modemen Staaten verbirgt sich hinter dem Gesetzgeber nicht lediglich eine Einzelperson, sondern eine Personenmehrheit zumeist in Form einer gesetzgebenden Körperschaft oder der Ministerialbürokratie. Es wäre evidentermaßen unsinnig, wollte man die Absichten und Vorstellungen eines jeden einzelnen, der an der Beschlußfassung beteiligt war und dem Gesetzentwurf zugestimmt hat, in die Überlegungen einbeziehen, zumal die Ermittlung sämtlicher Vorstellungen wohl bereits aus PraktikabilitätsgTÜnden faktisch ausgeschlossen isf 61 • Da es darum geht, konkrete Normvorstellungen, d.h. eindeutige Vorstellungen über die genaue Bedeutung und Reichweite einer einzelnen Regelung oder eines einzelnen Ausdrucks zu ermitteln, erscheint es deshalb vielmehr sinnvoll, die maßgeblichen Erwägungen der Verfasser des Gesetzestextes und der Mitglie356 Zur subjektiv-historischen Auslegung ausflihrlich Larenz, Methodenlehre, S. 328 - 333; Bydlinski, Methodenlehre, S. 449 - 453, jeweils m.w.N. 357 Zippelius, Methodenlehre, S. 41. 358 Larenz, Methodenlehre, S. 328. 359 Larenz, Methodenlehre, S. 328. 360 Vertiefend hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 328ff. m.w.N. 361 Ebenso Larenz, Methodenlehre, S. 328f.

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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der beratender Kommissionen heranzuziehen, denn von diesen sind am ehesten konkrete Normvorstellungen erwartbar362 • Zwar sind diese Personen nicht "der Gesetzgeber", doch sind ihre Meinungen und Vorstellungen fur die subjektivhistorische Auslegung besser geeignet als die irgendwelcher anderer Personen, "weil angenommen werden kann, daß sie sich bei der Wahl der Ausdrücke über deren Tragweite Gedanken gemacht haben und daß sie bestrebt waren, sie so zu wählen, daß sie der von ihnen geteilten und weiter durchdachten Regelungsabsicht des Gesetzgebers möglichst nahe kämen"363. Zur Ermittlung dieser Vorstellungen und Absichten kann sämtliches Material verwertet werden, das möglicherweise Schlußfolgerungen hierauf zuläße 64 . Insbesondere der Anlaß ftir die Erlassung der auszulegenden Norm, die gesamten Vorstufen des schließlich verabschiedeten Gesetzes wie etwa wissenschaftliche Vorarbeiten, Entwürfe und deren Veränderungen und vor allen Dingen die sog. "Gesetzesmaterialien", d.h. schriftlich niedergelegte Arbeiten am Gesetz in Gestalt von Entwürfen, Beratungsprotokollen, Ausschußberichten, Erläuterungen, Parlamentsprotokollen etc. können häufig als aussagekräftige Erkenntnisquellen fur den "Willen des Gesetzgebers" nutzbar gemacht werden 365 . Nimmt man bei § 43a unter Zugrundelegung der angefuhrten Kriterien eine subjektiv-historische Auslegung vor, so fällt das Ergebnis eindeutig aus. So ergibt sich - wie oben bereits ausgefuhrt 366 - aus den Gesetzesmaterialien, insbesondere aus den amtlichen Begründungen der Gesetzentwürfe zu § 43a367 . und den BT-Debattenbeiträgen, die klare gesetzgeberische Motivation, die der Einftihrung der Vermögensstrafe zugrunde lag, sowie die damit verfolgte Regelungsabsicht: Der Gesetzgeber wollte die Zugriffsmöglichkeiten auf Verbrechensgewinne erweitern, also Gewinnabschöpfung betreiben, ferner sollten mit der Vermögensstrafe Beweisschwierigkeiten behoben werden, die bei vermuteter, aber nicht sicher nachweisbarer \Ilegalität der erzielten Gewinne bis dato einen staatlichen Zugriff auf das Tätervermögen unmöglich machten. Ausgangspunkt waren die angeblich enorme Gefahr durch die organisierte Kriminalität und die Überlegung, daß Ansatzpunkt einer wirksamen OK"Bekämpfung" die immensen Verbrechensgewinne, die als Haupttriebfeder ftir OK-Aktivitäten angesehen werden, sein müßten. Nur so könne man der gewal362 So auch Larenz, Methodenlehre, S. 329. 363 Larenz, Methodenlehre, S. 329. 364 Bydlinski, Methodenlehre, S. 449. 365 Bydlinski, Methodenlehre, S. 449.

366 Oben, S. 29 - 32. 367 BT-Drs. 11/5461, S. 5; 11/7663, S. 21; 12/89, S. I, 22, 23; wichtige Wortlautpassagen sind wörtlich wiedergegeben oben, S. 31 f.

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tigen Bedrohung durch die organisierte Kriminalität Einhalt gebieten. Das Ziel des Gesetzgebers bestand also (zumindest auch) darin, mit der Vermögensstrafe die Möglichkeit des staatlichen Vermögenszugriffs auf den naheliegenden Verdacht der Illegalität der Vermögensherkunft hin zu eröffnen 368 . Das bedeutet, daß der Gesetzgeber mit der Vermögensstrafe keine rechtsstaatskonforme Geldsummenstrafe, die lediglich vom Tagessatzsystem losgelöst ist, schaffen wollte, sondern eine Art Verdachts-Verfall, eine Vermögenseinziehung auf Verdacht mit (normativ-) präventiver Ausrichtung und weitgehend konfiskatorischer Wirkung. Für eine Auslegung im Sinne einer schuldstrafrechtskonformen, rechtsstaatlichen Geldsummenstrafe ist hingegen nach der subjektiv-historischen Methode kein Raum.

,

(4) Objektiv-teleologische Auslegunt69 Die vierte der "klassischen" Auslegungsmethoden bildet die objektivteleologische Auslegung. Sie ist eine mehrdimensionale Methode, die die letztlich maßgeblichen Wert- und Zweckprinzipien der Vorschrift aufzudecken und danach den Sinngehalt der Norm festzulegen versuchtJ70 • Die Interpretation erfolgt dabei aus dem Sinn und Zweck, dem "telos", der "ratio" der auszulegenden Vorschrift371 • Es geht jedoch nicht allein um den Zweck, den der historische Gesetzgeber mit Verabschiedung der Norm erreichen wollte, denn dieser wird bereits bei der subjektiv-historischen Auslegung herangezogen. Vielmehr ist der objektive Gesetzeszweck entscheidend. Dieser objektive Zweck kann - was jedoch nicht besonders häufig vorkommt - bereits durch das Gesetz selbst ausdrücklich bestimmt werden J72 • Sofern dies nicht der Fall ist, kann sich seine Ermittlung mitunter als ziemlich schwierig gestalten 373 • Es sind dann die der Rechtsnorm zugrunde liegende Interessenlage sowie deren Bewertung durch die Norm festzustellen, wobei auch die soziale Realität, die das Gesetz vorfindet, zu beachten isf 74 • Folgendes ist dabei bedeutsam: Die objektivteleologische Auslegungsmethode geht von der Annahme aus, "daß jede 368 Vgl. dazu im einzelnen auch oben, S. 31 f. 369 Zur objektiv-teleologischen Auslegung ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 333 - 339; Bydlinski, Methodenlehre, S. 453 - 463, jeweils m.w.N. 370 Katz, Staatsrecht, Rdn. 114; Stern, Staatsrecht I, § 4 III 1 a).

371 Stern, Staatsrecht I, § 4 III 1 a). 372 Schmalz, Methodenlehre, Rdn. 253, der als Beispiele § 1 BlmSchG, § 1 BNatSchG und § 1 UVPG nennt. 373 Dazu Schmalz, Methodenlehre, Rdn. 251. 374 Schmalz, Methodenlehre, Rdnrn. 253ff.

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Rechtsnorm zwar auf dauernde Verwirklichung angelegt ist, dabei aber nicht als begrifflich auf "ewig" bestehend, sondern als sich inhaltlich wandelnd verstanden werden muß; deshalb kann eine Norm stets nur als Funktion der Gesellschaft im Zeitpunkt der Rechtsanwendung sinnvoll begriffen und definitiv festgelegt werden"375. Das bedeutet, daß der objektive Gesetzeszweck, wenn er nicht ausnahmsweise bereits ausdrücklich durch die Vorschrift bestimmt wird, sinnvoll erst aus einer längerwährenden Norm-Umwelt-Beziehung hergeleitet werden kann. Denn erst in dieser fortdauernden Normverwirklichungssituation kann sich der objektive Sinn und Zweck einer Vorschrift überhaupt herauskristallisieren und über einen nur punktuellen Anwendungszeitpunkt hinaus dem möglichen Wandel der Normbedeutung angemessen Rechnung getragen werden. Erst diese Norm-Umwelt-Beziehung offenbart verläßliche Anhaltspunkte für den "objektiven Willen eines hypothetisch permanenten Normgebers"376. Betrachtet man die Vorschrift des § 43a im Hinblick auf ihren objektiven Gesetzeszweck, so erlaubt diese Auslegungsmethode keine eindeutigen Schlußfolgerungen. Durch die Norm selbst wird der Normzweck nicht in einer rur die Auslegung ausreichenden Weise bestimmt. Um ihn anderweitig zu ermitteln, mangelt es derzeit noch an einer hinreichenden Norm-Umwelt-Beziehung. Die Vorschrift existiert erst seit wenigen Jahren und hat in dieser Zeit nur vereinzelt Anwendung gefunden. Und selbst wenn § 43a Gegenstand des Urteils war, gingen die Ansichten über seinen Normzweck bisweilen weit auseinander377 • Wollte man den objektiven Normzweck unter Verzicht auf die nach der hier vertretenen Auffassung maßgebliche Norm-Umwelt-Beziehung ermitteln, liefe dies im Ergebnis nicht auf eine objektiv-teleologische, sondern in Wirklichkeit auf nichts anderes als die grammatische oder die subjektiv-historische Auslegung hinaus: Letztendlich orientierte man sich entweder am Wortlaut der Norm oder an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Festzuhalten bleibt damit, daß die objektiv-teleologische Auslegung keinen verläßlichen Schluß auf eine eindeutige Sinngebung des § 43a zuläßt. Sie führt damit zu keinem Ergebnis.

375 Katz, Staatsrecht, Rdn. 114. 376 Ähnlich Katz, Staatsrecht, Rdn. 114. 377 Zu nennen sind insofern vor allem die Extrempositionen des BGH in BGHSt 41, 20ff. und des LG Bad Kreuznach, StV 94. 140f. 7 Park

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(5) Zwischenergebnis

Die Auslegung des § 43a mit den anerkannten juristischen Auslegungscanones läßt keinen einheitlichen Schluß auf eine eindeutige Sinngebung der Vorschrift zu. Die grammatische Auslegung spricht eher für ein Verständnis der Vermögensstrafe im Sinne einer reinen Geldsummenstrafe. Die subjektivhistorische Auslegung läßt demgegenüber eher darauf schließen, daß die Vermögensstrafe keine reine Geldsummenstrafe, sondern vielmehr einen nebenstrafenähnlichen Verdachts-Verfall darstellt. Die systematische und die objektiv-teleologische Auslegung führten hingegen zu gar keinem Ergebnis. Die "klassischen" Auslegungsmethoden konnten somit keine Klärung der Frage bewirken, welche der verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten innerhalb des Gesetzestextes des § 43a den eigentlichen Sinn der Vorschrift am richtigsten erfaßt.

cc) Vorrang der grammatischen Auslegung? Da die grammatische und die subjektiv-historische Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, stellt sich die Frage, ob nicht bereits auf einfachgesetzlicher Ebene einer von ihnen Vorrang einzuräumen ist, so daß sich eine etwaige verfassungskonforme Auslegung erübrigen würde. In Betracht kommt der Vorrang der wörtlichen Auslegung. Dieser könnte sich daraus ergeben, daß der Wortlaut einer Vorschrift der unmittelbarste Ausdruck des gesetzgeberischen Rechtssetzungsakts ist. Der Wortlaut einer Vorschrift bleibt über einen zumeist langen Zeitraum hinweg unverändert; durch ihn kann sich der Gesetzesinhalt ungeachtet der Änderung sozialer Verhältnisse oder gesetzgeberischer Absichten unmittelbar ausdrücken. Der Wortlaut liegt dem Betrachter deutlich vor Augen, während der entstehungsgeschichtliche Hintergrund einer Vorschrift und die Motivation, die den Gesetzgeber zum Erlaß der Vorschrift bewogen hat, häufig im Laufe der Zeit verblassen und nicht (mehr) ohne weiteres zugänglich sind. Dies gilt insbesondere fur ältere Gesetze, die darüber hinaus die Frage aufwerfen, inwieweit die ihnen zugrunde liegenden gesetzgeberischen Vorstellungen für veränderte Verhältnisse in einer si'ih wandelnden Gesellschaft uneingeschränkte Geltung beanspruchen können. Je älter das Gesetz ist, desto fragwürdiger erscheint die Anwendung subjektivhistorischer Auslegungskriterien für das aktuelle Verständnis der Vorschrift. Bei § 43a sind die zugrunde liegenden gesetzgeberischen Vorstellungen jedoch noch nicht verb laßt. Die Vorschrift ist noch so ,jung", daß kein Zweifel an der Gültigkeit der gesetzgeberischen Absichten fur die aktuelle Gegenwart bestehen kann. Folglich besteht hier keine Veranlassung, dem Wortlaut des

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§ 43a gegenüber den aus den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck kommenden Vorstellungen des Gesetzgebers höhere Bedeutung beizumessen. Im Verhältnis der "klassischen" Auslegungsmethoden zueinander besteht ferner prinzipiell keine feste Rangfolge J78 . Vielmehr können sie einander ergänzen und unterstützen, aber auch widerstreiten 379 • Folglich ist der grammatischen Auslegung vorliegend auf einfach-gesetzlicher Ebene kein Vorrang einzuräumen. dd) Verfassungsvereinbarkeit des Ergebnisses nur einer Auslegungsmethode Die verfassungskonforme Auslegung setzt des weiteren voraus, daß die verschiedenen Auslegungsergebnisse zum Teil verfassungskonform, zum Teil verfassungswidrig sind 380 . Denn wenn sämtliche möglichen Auslegungsergebnisse, die im Rahmen des Wortlauts einer gesetzlichen Vorschrift erzielt werden können, entweder mit dem Grundgesetz vereinbar oder sämtlich mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, ist kein Raum für eine verfassungskonforme Auslegung 381 • Vorliegend ist diese Voraussetzung erfüllt. Die grammatische Auslegung führt zu einem verfassungskonformen Ergebnis. Nach ihr stel1t die Vermögensstrafe eine Geldsummenstrafe dar, die schuldangemessen und rechtsstaatskonform (d.h. nicht umfassend) für eine konkret nachgewiesene Straftat, deren gesetzlicher Tatbestand den Anwendungsbereich des § 43a eröffnet, verhängt wird. Damit entfal1en insbesondere die gravierenden Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit der Unschuldsvermutung, bei maßvol1er Anwendung auch die Bedenken in bezug auf Art. 14 GG, das Resozialisierungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Al1erdings erscheint im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldprinzip auch bei dieser Auslegung der fehlende Umrechnungsschlüssel bei § 43a als problematisch, so daß möglicherweise bereits wegen dieser Bedenken eine Vereinbarkeit der Interpretation der Vermögensstrafe als Geldsummenstrafe mit dem Schuldprinzip und damit die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung verneint werden könnte. In Anbetracht des Umstandes, daß es im Einzelfal1 nicht per se ausgeschlossen erscheint, ein schuldangemessenes Maß

378 Larenz, Methodenlehre, S. 345; Schmalz, Methodenlehre, Rdn. 277; Zippelius, Methodenlehre, S. 56. 379 Zippelius, Methodenlehre, S. 56. 380 Schlaich, Bundesverfassungsgericht, Rdn. 407 m. Rechtsprechungsnachweisen: Zippelius, BVerfG-FS, 108. 381 Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 19. 7'

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sowohl an (Ersatz-)Freiheitsstrafe als auch an Vermögensstrafe zu finden, können die hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Interpretation mit dem Schuldprinzip bestehenden Zweifel hier allerdings zurückgestellt werden; es soll vorerst genügen, daß zumindest in Einzelfällen die verfassungsrechtlichen Bedenken durch diese Auslegung ausgeräumt werden können 382 • Die subjektiv-historische Auslegung fUhrt demgegenüber zu einem verfassungswidrigen Ergebnis. Danach verbirgt sich hinter der Vermögensstrafe eine Quasi-Verfallanordnung (mit Nebenstrafencharakter) für Vermögen, das aus mutmaßlich begangenen, jedoch nicht nachweisbaren früheren Straftaten stammt. Sie soll einen möglichst umfassenden Vermögenszugriff ermöglichen, um dem Täter winschaftlich die Aktionsgrundlage fUr weitere Verbrechen - aber auch fUr legale Investitionen, dies wird dabei durchaus bewußt in Kauf genommen - unmöglich zu machen. Unabhängig von einer maßvollen Anwendung der Vermögensstrafe verstößt § 43a bei dieser Auslegung wenigstens gegen die Unschuldsvermutung und regelmäßig auch gegen das Schuldprinzip. Diese Auslegung ist folglich mit einem rechtsstaatskonformen Schuldstrafrecht unvereinbar und damit verfassungswidrig. Damit ist der Anwendungsbereich der verfassungskonformen Auslegung grundsätzlich eröffnet.

ee) Gebot der Bevorzugung der verfassungskonformen Auslegung und Grenzen dieses Gebots Das BVerfG hat den Grundsatz aufgestellt, daß bei verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten der verfassungskonformen der Vorzug zu geben ist: "Läßt aber eine Norm mehrere Auslegungen zu, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsgell1äßen Ergebnis fUhren, so ist die Norm verfassungsgemäß und muß verfassungskonform ausgelegt werden"383. In einer frühen Leitentscheidung384 hat das BVerfG diese Forderung nach der Bevorzugung der verfassungskonformen Auslegung mit der Vermutung begründet, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sei: " ... der Grundsatz gilt, daß ein Gesetz nicht filr nichtig zu erklären ist, wenn es im Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden kann; denn es spricht nicht nur eine Vermutung dafilr, 382 Die Interpretation der Vermögensstrafe als Geldsummenstrafe kann zwar die verfassungsrechtlichen Einwände größtenteils ausräumen; wie im folgenden zu zeigen sein wird, lassen sich dadurch allerdings nicht alle einfachrechtlichen und allgemeinen Bedenken beseitigen, vgl. dazu unten, S. 114f. 383 BVerfGE 64, 229 (242); 69, 1 (55). 384 BVerfGE 2, 266 (282), seitdem st. Rspr.

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daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sondern das in dieser Vermutung zum Ausdruck kommende Prinzip verlangt auch im Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes"385. Die Vorgabe des BVerfG ist eindeutig, mit dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung wird ein "normerhaltendes Prinzip" statuiert386 . Dies gilt jedoch nicht ohne jede Einschränkung. Es ist allgemein anerkannt, daß auch die verfassungskonforme Auslegung gewissen Grenzen unterliegt; diese Grenzen sind dort überschritten, "wo an die Stelle des gesetzgeberisch Gewollten eine neue oder andere Regelung treten würde"J87. Demnach darf der Zweck des Gesetzes von der verfassungskonformen Auslegung nicht gänzlich unbeachtet gelassen werden 388 • So heißt es etwa in BVerfGE 8, 34 ausdrücklich: "Keinesfalls darf jedoch eine solche verfassungskonforme Auslegung das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkte verfehlen oder verfalschen"389. Zulässig ist es indessen nach Meinung das BVerfG eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung, wenn der Gesetzgeber eine weitergehende Wirkung beabsichtigt hatte, als sie nach der Verfassung zulässig ist, dann komme es "nur darauf an, daß von der Absicht des Gesetzgebers das Maximum dessen aufrechterhalten wird, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden kann"39o. 391. Die Beachtung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung ist von herausragender Bedeutung. Denn nur durch ein Mindestmaß an Beachtung der Zwecke, die der Gesetzgeber mit gerade dieser gesetzlichen Ausgestaltung der

385 Kritisch zu einer solchen Vermutung Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 24f.; zu kritischen Stimmen siehe ferner die Nachweise bei Spanner, AöR 91 (1966), 503 (506). Weitere Begründungsansätze liefern Zippelius, BVerfG-FS, 108 (111) sowie Spanner, AöR 91 (1966), 503 (507). 386 Krey, JR 95,221 (222); Zippelius, BVerfG-FS, 108 (111). 387 Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8 d). 388 Krey, ZStW 101 (1989),838 (866f.); ders. JR 95, 221 (223); Larenz, Methodenlehre, S. 340; Schlaich, Bundesverfassungsgericht, Rdn. 414; Spanner, AöR 91 (1966),502 (513); Zippelius, BVerfG-FS, 108 (111). 389 Noch deutlicher heißt es in BVerfGE 54, 299: "Nach der Rechtsprechung des BVerfGerichts darf im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt nicht grundlegend neu bestimmt, das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfälscht werden". Ebenso Krey, ZStW 101 (1989),838 (866); ders. JR 95, 221 (223). 390 BVerfGE 33, 52 (70) m.w.N. 391 Zutreffend weist Larenz, Methodenlehre, S. 340 darauf hin, daß es sich genaugenommen dabei nicht um eine Auslegung, sondern um eine teleologische Reduktion handelt.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

Vorschrift verfolgen wollte, kann die nach dem Gewaltenteilungsprinzip gebotene Trennung zwischen Legislative und Judikative hinreichend gewährleistet werden 392. Das Gewaltenteilungsprinzip ist ein organisatorisches Gruridprinzip und wesentliches Kriterium des Rechtsstaats, das der Konstituierung, Rationalisierung und Stabilisierung staatlicher Gewalt sowie der Herstellung und Erhaltung einer gerechten Staatsordnung dientl 93 • Es hat u.a. die Aufgabe, durch einen Pluralismus an Entscheidungsträgern die Teilhabe möglichst vieler an der Ausübung der Staatsgewalt zu verwirklichen; es ist folglich kein Prinzip um seiner selbst willen, sondern dient den Menschen 394 • Bestandteil des Gewaltenteilungsprinzips ist auch die Kompetenz des vom Volk unmittelbar legitimierten demokratischen Gesetzgebers, durch Gesetzgebungsakte bestimmte Zwecke zu verfolgen. Dem Gewaltenteilungsprinzip wird das Verfassungsgericht dann gerecht, wenn es diese Normgebung auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung nachprüft, nicht aber, wenn es statt dessen den Inhalt und Anwendungsbereich der Norm dermaßen stark beeinflußt, daß es den Charakter einer Gesetzesänderung annimmtl 95 • Je weiter sich das Verfassungsgericht bei der Auslegung von dem entfernt, was der Gesetzgeber beabsichtigt hatte, desto mehr tangiert es den Funktionsbereich des Gesetzgebers 396 • Folglich ist bei der verfassungskonformen Auslegung Zurückhaltung geboten 397 • Denn die Festlegung des Gesetzgebers auf eine bestimmte Gesetzesauslegung kann mitunter stärker in die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit eingreifen als eine Kassation der Vorschrift398 • Dies gilt auch dann, wenn der Richter zwar nicht den Wortsinn der Vorschrift mißachtet, aber den gesetzgeberischen Regelungszweck in sein Gegenteil verkehrt399 •

392 Vgl. Zippelius, BVerfG-FS, 108 (117). 393 Katz, Staatsrecht, Rdn. 177. 394 Katz, Staatsrecht, Rdn. 177. 395 Ähnlich Simon, EuGRZ 74, 85 (89). 396 Simon, EuGRZ 74, 85 (89f.). 397 Ferner sind weitere Gesichtspunkte zu bedenken, die flir zurückhaltende Anwendung der verfassungskonformen Auslegung sprechen, und zwar der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Aspekt der Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erstellen einer tauglichen und klaren Gesetzesfassung: Bedenklich erscheint eine allzu großzügige Verfahrensweise bei Korrekturen von unklaren oder fehlerhaften Gesetzesfassungen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht zuletzt auch deswegen, weil der Gesetzgeber ansonsten seine Hemmungen verlieren könnte, jedes Gesetz beliebig weit zu fassen, im Vertrauen darauf, daß es gegebenenfalls durch eine "geltungserhaltende Reduktion" auf das verfassungsrechtlich noch zulässige Maß zurechtgestutzt werde. 398 Schlaich, Bundesverfassungsgericht, Rdn. 415; Krey, JR 95, 221 (222). 399 Krey, ZStW 101 (1989),838 (866); ders., JR 95,221 (223).

I. Verfassungsrechtliche Bedenken

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Damit das Verfassungsgericht seinen Funktionsbereich nicht gewaltenteilungswidrig überschreitet, indem es den Willen des Gesetzgebers eindeutig mißachtet, ist nach alledem eine Begrenzung des Prinzips des Vorrangs der verfassungskonformen Auslegung durch einen klar entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zwingend geboten. Auch bei der Auslegung des § 43a kommt diese Begrenzung der verfassungskonformen Auslegung zum Tragen. Denn wenn der verfassungsgemäßen grammatischen Auslegung gegenüber der subjektiv-historischen Vorrang eingeräumt würde, so könnte dies nur um den Preis der vollkommenen Außerachtlassung der gesetzgeberischen Regelungsabsicht erfolgen: Die gesetzgeberische Zielsetzung war bei der Schaffung des OrgKG unzweifelhaft (auch) darauf gerichtet, mit § 43a den (möglichst umfassenden) Zugriff auf höchstwahrscheinlich illegal erworbenes Vermögen zu ermöglichen, ohne den ansonsten bestehenden immensen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Illegalität der Vermögensherkunft ausgesetzt zu sein 40o . Diese vom Gesetzgeber explizit beabsichtigte Möglichkeit der Gewinnabschöpfung auf Verdacht durch § 43a wird durch die vom BGH vorgenommene Auslegung jedoch ausdrücklich und unmißverständlich rur unzulässig erklärt. Er betont, daß "die Vermögensstrafe nicht dazu dienen (kann), die außerordentlichen Profite abzuschöpfen, die durch organisierte Kriminalität erzielt werden .... Mögen auch dahingehende Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle gespielt haben, die gesetzliche Regelung gestattet eine solche Auslegung nicht"40I. Durch diese vom BGH vorgenommene Auslegung wird der rechtspolitische Zweck der Vorschrift konterkariert402 . Die vom Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm verfolgte Zielsetzung wird vollkommen außer acht gelassen und im Ergebnis sogar verfehlt403 . Dieses ist mit den anerkannten Grundsätzen der verfassungskonformen Gesetzesauslegung jedoch nicht mehr zu vereinbaren, so daß die vom BGH vorgenommene Auslegung unzulässig ist404,4os.

400 Vgl. dazu BT-Drs. 1117663, S. 21; 12/989, S. 23 sowie oben, S. 29 - 32. 401 BGHSt 41,20 (24f.). 402 Dier/amm, NStZ 95, 334 (336); vgl. auch NK-H.-J. Albrecht, StGB, § 43a Rdn. 12; DreherlTröndle, StGB, § 43a Rdn. 6. 403 Dierlamm, NStZ 95, 334 (335). 404 So bereits Dierlamm, NStZ 95, 334 (335); Park, JR 95, 343 (345). 405 Des weiteren würde durch den vom BGH beschrittenen Weg auch die Rechtsnatur der Vermögensstrafe in unzulässiger Weise umgedeutet, so daß dies Vorgehen auch aus diesem Grund abzulehnen ist, vgl. bereits Park, JR 95, 343 (345).

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

b) Zwischenergebnis Die voranstehenden Ausführungen haben ergeben, daß eine normerhaltende verfassungskonforme Auslegung des § 43a nicht möglich ist, weil dadurch der vom Gesetzgeber mit der Einführung der Vermögensstrafe verfolgte Regelungszweck in wesentlichen Punkten verfälscht würde, was jedoch nach den anerkannten Regeln der verfassungskonformen Auslegung unzulässig ist. 8. Ergebnis

Die Untersuchung hat ergeben, daß die Vorschrift des § 43a insgesamt als verfassungswidrig zu beurteilen ist. Unabhängig vom Maß ihrer Anwendung im konkreten Einzelfall verstößt sie sowohl gegen das Schuldprinzip als auch gegen die Unschuldsvermutung. Bei einer Totalkonfiskation des Tätervermögens verstößt sie zusätzlich gegen Art. 14 GG und das Resozialisierungsgebot406 • Bei einer - zulässigen - Tatbestandsreduktion in Form eines maßvollen Vermögenszugriffs sind die letztgenannten Verstöße allerdings zu vermeiden. Trotz einiger Bedenken konnte die Verfassungsmäßigkeit des § 43a im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot gerade auch vor dem Vergleich zu den Bestimmtheitsanforderungen, die nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur im Rahmen der Straftatfolgenseite an andere strafrechtliche Vorschriften erhoben werden, letztendlich bejaht werden; den Anforderungen des

406 Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 107, bejaht des weiteren einen Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz: Die Aussagefreiheit umfasse von ihrer Reichweite her auch die Angaben des Beschuldigten über die persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Es sei davon auszugehen, daß der Richter von der Verhängung der Vermögensstrafe absehe, wenn er das Tätervermögen ftir legal erworben halte. Dadurch erzeuge § 43a dem Täter gegenüber den mittelbaren Zwang, Angaben über die Herkunft seiner Vermögenswerte zu machen, und verstoße somit gegen den Grundsatz der Aussagefreiheit. Diese Auffassung geht indessen fehl. Der Bejahung dieses Verfassungsverstoßes ist schon deshalb nicht zuzustimmen, weil Chr. Jung nicht schlüssig darzulegen vermag, warum der Beschuldigte darauf vertrauen können soll. daß der Richter legal erworbenes Vermögen in jedem Fall von der Vermögensstrafe verschont. Gerade nach deli ausdrücklichen Vorgaben des BGH in dem Urteil vom 08.02.95 (BGHSt 41. 20ff.), wonach die Vermögensstrafe nicht als Verdachtsstrafe interpretiert werden darf: kann nicht von einer selbstverständlichen Verschonung legalen Vermögens ausgegangen werden. Hierftir spricht ferner der Umstand, daß § 43a gerade keine Beweislastumkehr dahingehend enthält, daß die Verhängung einer Vermögensstrafe bei erwiesenermaßen rechtmäßig erworbenem Vermögen ausgeschlossen sein soll. Die für den Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip erforderliche Zwangslage kann folglich nicht hinreichend sicher dargetan werden.

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

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Bestimmtheitsgebots genügt jedoch nicht der § 55 11 2, der bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung eine Aufhebung des Strafrahmens bewirkt. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Vorschrift des § 43a einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält und infolgedessen mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu versehen ist. Die Korrektur dieses Ergebnisses durch eine verfassungskonforme Auslegung scheitert an der eindeutig entgegenstehenden gesetzgeberischen Zielsetzung.

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken Neben den genannten verfassungsrechtlichen Bedenken lassen sich gegen die Vermögensstrafe mehrere einfachrechtliche und allgemeine Einwände erheben.

1. Historische Bedenken - Mißbrauchsgefahr

Unter Hinweis auf die Erfahrungen der Vergangenheit wird in der Literatur auf die erhebliche Mißbrauchsgefahr aufmerksam gemacht, der die (Quasi-) Vermögenskonfiskation ausgesetzt ist. Das Rechtsinstitut der Vermögenskonfiskation sei geschichtlich hochbelastet407 . Eser führt exemplifizierend den ägyptischen König Amasis, die mosaischen Könige sowie zahlreiche Herrscher des alten Athens und Roms an, die sich mit mißbräuchlichen Konfiskationen "an den Straftaten ihrer Untertanen maßlos bereichert und nicht schlecht davon gelebt haben"408. Doch man braucht gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückzublicken, um einen staatlichen Mißbrauch spezifisch gegen das Vermögen gerichteter Sanktionen zu fiskalischen oder sonst außerstrafrechtlichen Zwecken festzustellen. Denn noch im 20. Jahrhundert, und zwar in der NSZeit, wurden die Sanktionsinstitute der "Einziehung des Vermögens" und der "Geldstrafe von unbegrenzter Höhe" gegen angebliche Hoch- und Landesverräter vielfach als Kampfzweckstrafrecht zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Verurteilten mißbraucht409 . Die Gefahr einer solchen Zweckentfremdung wird von Rüthers als "fünfte Lehre aus der NS-Zeit"4IO bezeichnet, die lautet: "Die vielfältige ideologische 407 1. Meyer, ZRP 90,85 (87); ders., Helmrich-FS, 565 (569f.); ähnlich Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 353; ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 117. 408 Eser, Sanktionen, S. 2 m. zahlr. Nachw. in Fn. 4. 409 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87); ders., Helmrich-FS, 565 (576f.).

410 Rüthers, Entartetes Recht, S. 184.

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1. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

und politische Verwendbarkeit rechtstheoretischer und rechtsmethodischer Figuren, Begriffe und Instrumente ist ein wichtiger, bisher weitgehend unbeachteter Risikofaktor bei der Arbeit der Juristen in Wissenschaft und Gerichtsbarkeit. Die "Multivalenz" und die potentielle Ideologisierung des juristischen Instrumentariums muß als ein notwendiger Gegenstand juristischer Lehre und kritischer Analyse betrachtet werden"411. Zu Recht wird von J. Meyer412 bemängelt, daß der Gesetzgeber des OrgKG sich nicht genügend mit den Negativ-Erfahrungen aus der NS-Zeit und dem grundsätzlichen Problem der "Multivalenz der Sanktion" auseinandergesetzt habe. Allerdings ist angesichts der derzeit recht stabilen demokratischen Verhältnisse die Gefahr des Mißbrauchs des § 43a zu fiskalischen Zwecken zum gegenwärtigen Zeitpunkt als relativ gering und fern liegend anzusehen4l3 • Insofern wiegt das Argument des drohenden staatlichen Mißbrauchs nicht allzu schwer. Anlaß zur Besorgnis gibt § 43a aus diesem Gesichtspunkt allenfalls in bezug auf die Frage, ob sich in der Schaffung des OrgKG nicht die rechtsstaatlich bedenkliche Tendenz des Gesetzgebers offenbart, das Strafrecht von einem subjektorientierten Bürgerstrafrecht weg zu einem objektorientierten Feindstrafrecht hinzuentwickeln 414 . 2. Europäische Bedenken: keine Rechtshilfe

Ein weiterer Gesichtspunkt, der gegen die Vennögensstrafe geltend gemacht wird, betrifft die mangelnden Möglichkeiten effektiver Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf europäischer Ebene. Die Totalkonfiskation wird von einigen europäischen Ländern ausdrücklich als verfassungswidrig beurteilt, so etwa von Belgien, Griechenland und der Türkei 4lS • Abgelehnt wird sie auch von Dänemark und den Niederlanden416 . Aufgrund dessen sei nicht davon auszugehen, daß die für die gewünschte Effizienz erforderliche ländeTÜbergreifende Zusammenarbeit in hinreichendem Maße erfolgen könne4l7 • Bedeutsam ist

411 412 413 414 415 fung, S. 416 fung, S. 417

Rüthers, Entartetes Recht, S. 184. J. Meyer, ZRP 90,85 (87); ähnlich Chr. Jung, Vennögensstrafe, S. 117. v. Seile, wistra 93, 216 (217); J. Meyer, Helmrich-FS, 565 (577). Näher dazu unten, S. 153ff. Vgl. dazu J. Meyer, in: Meyer/Dessecker/Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöp463 (477) m.w.N. Vgl. dazu J. Meyer, in: Meyer/Dessecker/Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöp463 (477) m.w.N. Chr. Jung, Vennögensstrafe, S. 118, Körner, BtMG, § 30c Rdn. 18; J.Meyer,

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

107

dieses vor allem flir die Frage der Rechtshilfe: Bei den Beratungen des zuständigen Unterausschusses des europäischen Strafrechtsausschusses418 wurde die Vermögensstrafe nicht in ein Rechtshilfeübereinkommen einbezogen, da sich die internationale Zusammenarbeit bei der Gewinnabschöpfung nur auf solche Vermögensbestandteile erstreckt, die aus einer Straftat stammen 419 • Da § 43a diesen spezifischen Herkunftszusammenhang zwischen dem betroffenen Vermögen und der Straftat nicht voraussetzt, ist eine effektive internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität nicht möglich, denn ohne diesen kann die Vermögensstrafe nicht im Wege der Rechtshilfe durchgesetzt werden, was zur Folge hat, daß der Zugriff auf vermeintlich illegales Tätervermögen durch dessen Transferierung ins Ausland relativ mühelos vereitelt werden kann. Der darin enthaltene erhebliche Durchsetzungsmangel ist geeignet, den tatsächlichen Nutzen der Vermögensstrafe in Frage zu stellen 420 •

3. Fehlender Wiederaufnahmegrund

Als weiterer gegen die Vermögensstrafe sprechender Gesichtspunkt wurde vom LG Bad Kreuznach 421 der Umstand des fehlenden Wiederaufnahmegrundes zugunsten des Verurteilten fur den Fall der fehlerhaften (d.h. zu hohen) gerichtlichen Schätzung des Tätervermögens hervorgehoben. Dies könne einen irreparablen Schaden flir den Verurteilten begründen. Wer dem entgegenhält, daß auch eine Fehlschätzung nach der Schätzungsbefugnis des § 40 III keinen Wiederaufnahmegrund begründe, verkennt den strukturellen Unterschied zwischen beiden Schätzungsbefugnissen. Wie bereits dargelegt422 , geht es bei § 40 III lediglich um die Bestimmung einer Größe, die das Strafmaß selbst (=Tagessatzanzahl) in keiner Weise beeinflußt. Bei § 43a I 3 dagegen geht es

ZRP 90, 85 (87); Ostendorf, JZ 91, 62 (69); Trändie, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 305. 418 European Commitee on Crime Problems: Select Commitee of Experts on International co-operation as regards search, seizure and confiscation of the proceeds of crime. 419 J. Meyer, Helmrich-FS, 565 (578); ders., ZRP 90, 85 (88); Eser, Stree/WesselsFS, 833 (852). 420 Eser, Stree/Wessels-FS, 833 (852); ebenso J. Meyer, ZRP 90, 85 (88), ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 118 sowie Trändie, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 305, die aus diesem Grund "die Vermögensstrafe auf europäischer Ebene schon als praktisch gescheitert" ansehen. 421 LG Bad Kreuznach, StV 94, 140 (141). 422 Vgl. oben, Fn. 218.

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

unmittelbar um die Schätzung der Strafgröße. Dieser Unterschied rechtfertigt eine prinzipiell differierende Betrachtung auch hinsichtlich des fehlenden Wiederaufnahmegrundes, denn eine Fehlschätzung wirkt sich nur bei der Vermögensstrafe unmittelbar auf das eigentliche Strafmaß aus. Insofern ist der Umstand des fehlenden Wiederaufnahmegrundes im Falle der Überschätzung des Tätervermögens in der Tat ein weiterer struktureller Mangel der Vermögensstrafe, der die Ungereimtheit des § 43a zum Ausdruck bringt. 4. Unzureichender Anwendungsbereich

Ein weiterer Mangel ist in dem engen Anwendungsbereich des § 43a zu sehen. Die in den Verweisungstatbeständen beschriebenen Delikte gehören besonders oft zum Erscheinungsbild vermeintlicher organisierter Kriminalität. Da Ziel der Vorschrift die effektive Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist, wurde dieser Tatbestandskatalog ausgewählt. Angesichts der Tatsache, daß eine Vielzahl weiterer Delikte typischerweise mit Mitteln vermeintlicher organisierter Kriminalität zur Gewinnerzielung verübt wird, ist nicht einsichtig, warum nur einzelne OK-Tatbestände vom Anwendungsbereich der Vermögensstrafe erfaßt sind, andere jedoch nicht423 • Verwundern muß etwa, daß die (räuberische) Erpressung anflinglich nicht im Tatbestandskatalog enthalten war, so daß die klassische "Schutzgelderpressung"424 nicht mit der Vermögensstrafe sanktioniert werden konnte425 . Diesbezüglich ist der Gesetzgeber jedoch inzwischen tätig geworden und hat "nachgebessert", indem er mit § 256 II einen entsprechenden Verweisungstatbestand geschaffen hat426 . Bis heute vom Anwendungsbereich der auf § 43a verweisenden Tatbestände nicht erfaßt ist etwa der Waffenhandel, dessentwegen die Vermögensstrafe folglich nicht verhängt werden kann 427 . Anhand dieser Lückenhaftigkeit kann erneut exemplifiziert werden, daß die Sanktion der Vermögensstrafe in ihrer derzeitigen Ausgestaltung ungereimt und unvollkommen ist.

423 Ebenso Mitsch, JA 94, 425 (426): "Gemessen an der Vielzahl der Straftaten, mit denen kriminelle Organisationen heutzutage Gewinne anstreben und erzielen, weist der Tatbestandskatalog allerdings empfindliche Lücken auf'; Krüger, Kriminalistik 92, 594 (597). Noch weitergehend Arzt, NStZ 90, I (5): "Wäre die Vermögensstrafe eine brauchbare Sanktion, wäre sie auch für Mörder, Vergewaltiger und Wirtschaftsstraftäter geeignet". 424 Vgl. als Beispiel hierzu den Fall BGH NStZ 93, 440. 425 Mitsch, JA 94, 425 (426). 426 Durch Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.94 (BGB!. I, S. 3186). 427 Köhler/Beck, JZ 91,797 (800).

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

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Zutreffend wird dieses durch weiterführende Hinweise von J. Meyer428 verdeutlicht, wonach der "eindeutige Auftrag", der der Bundesregierung am 18.05.1988 vom Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages erteilt wurde, zum Inhalt hatte, Vorschläge zur wirksamen Abschöpfung rechtswidrig erlangter Gewinne, insbesondere VOn Gewinnen aus Betäubungsmittelgeschäften und aus der Wirtschaftskriminalität, auszuarbeiten und vorzulegen 429 • Gerade auch in Anbetracht dieses Auftrags muß unverständlich bleiben, warum das Spektrum der mit § 43a erfaßten Straftaten trotz der ansonsten vorhandenen (und im OrgKG zum Ausdruck kommenden) festen Entschlossenheit des Gesetzgebers zur rigorosen Bekämpfung der organisierten Kriminalität derart unvollkommen ausgefallen ist. Eine plausible Begründung dafür läßt sich nicht ausmachen. Darin offenbart sich ein weiterer struktureller Mangel der Vermögensstrafe. Um nicht mißverstanden zu werden: Die Lösung dieses Problems kann sicherlich nicht in der Schaffung weiterer Verweisungstatbestände liegen, denn der Versuch, die u.a. in der strukturellen Ungereimtheit des § 43a liegenden gravierenden Mängel durch eine umfassende Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm zu beseitigen, stellt die Vorschrift keineswegs auf ein festeres Fundament, sondern begründet vielmehr die Gefahr, die ursprünglich gewollte Begrenzung auf die organisierte Kriminalität, die schon durch den derzeitigen Anwendungsbereich der Vermögensstrafe bedenklich verwässert ist, endgültig preiszugeben. 5. Effektivitätserwägungen

Erheblichen Bedenken ist die Vermögensstrafe auch unter allgemeinen Zweckmäßigkeits- und Effektivitätsgesichtspunkten ausgesetzt. Vielerorts wird bezweifelt, daß diese Sanktion ein geeignetes Instrumentarium zur wirksamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität darstelle: Wenn es bisher schon nicht gelungen sei, einen empirischen Nachweis für die Wirksamkeit des Abschreckungskonzepts bei Freiheitsstrafen zu erbringen 430, müsse die Abschrekkungswirkung gewinn abschöpfender Sanktionen noch skeptischer betrachtet werden, denn es erscheine nicht plausibel, daß die Befürchtung nachträglicher Gewinnabschöpfung stärker wirken solle als die Befürchtung nachträglicher Freiheitsstrafen431 • Das Abschreckungskonzept könne sich daher nicht einmal

428 J. Meyer, ZRP 90, 85 (88). 429 J. Meyer (a.a.O.) verweist weiter auf die Beschlüsse des 57. Deutschen Juristentages 1988 in Mainz, denen eine effektivere Gewinnabschöpfungsregelung flir schwere Umweltdelikte entspreche, vgl. NJW 88, 3003 (Beschlüsse Nr. 29 und 30). 430 Vgl. dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 22 ff.

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1. Teil- B. Bedenken gegen die Vennögensstrafe

auf wissenschaftlich fundierte Plausibilitäten stützen; es bedeute nicht mehr als eine gesetzgeberische Hoffnung432 • Es erscheine auch unrealistisch, von der Gewinnabschöpfung im allgemeinen eine "Austrocknung" des Drogenmarktes zu erwarten 433 • Denn der Vergleich mit empirischen Erfahrungen in anderen Ländern, wo mit der Vermögensstrafe und dem Erweiterten Verfall vergleichbare Sanktionen bereits in den 80er Jahren eingefiihrt wurden434 , zeige, daß der illegale Drogenmarkt von derartigen Instrumenten evidentermaßen unbeeinflußt bleibe, selbst bei optimistischer Betrachtungsweise dürften bestenfalls etwa fiinf Prozent der anfallenden Gewinne tatsächlich abgeschöpft werden435 • Der Grund dafiir liege in der enormen Größe und in der sehr ausdifferenzierten Struktur des illegalen Drogenmarkts436 • Erwartet werden dürften allenfalls Erfolge in Einzelfällen, die sich aber insgesamt auf die organisierte Kriminalität nur marginal auswirkten und von den Tätern sogar als eine "Art von Besteuerung" hingenommen würden437 • Die Skepsis gegenüber der Effektivität von Gewinnabschöpfungsinstrumentarien im allgemeinen besteht ebenso gegenüber der Wirksamkeit der Vermögensstrafe im speziellen. Hinzu kommen weitere Spezifika dieser Sanktion, die sich negativ auf die Effektivität des § 43a auswirken, wie etwa die bereits dargestellten438 Umstände des zu engen Anwendungsbereichs und der fehlenden Möglichkeit, die Vermögensstrafe im Wege der Rechtshilfe auch auf internationaler Ebene durchzusetzen439 • Insgesamt ist aufgrund all dieser Umstände 431 Perron, JZ 93,918 (921). Ähnlich Smettan, Kriminelle Bereicherung, S. 200, 210; JescheckIWeigend, AT, § 73 IV 5 c. 432 Perron, JZ 93,918 (921). 433 Kaiser, Tröndle-FS, 685 (703). 434 Gemeint sind die USA und Großbritannien, vgl. dazu die jeweiligen Landesberichte von Walther (USA) und Huber (Großbritannien), in: MeyerlDesseckerlSmettan (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 181ff., 413ff. 435 Perron, JZ 93, 918 (923). Für die USA wird dabei von einer Abschöpfungsquote von 0,4 bis 1,4 Prozent der insgesamt anfallenden Gewinne ausgegangen, vgl. Perron a.a.O. mit Nachweisen in Fn. 73; vgl. auch ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 122. 436 Vgl. dazu ausführlich Perron, JZ 93, 918 (922); Pieth, StV 90, 558 (562). 437 Perron, JZ 93, 918 (922); Pieth, StV 90, 558 (562). Letzterer weist in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr hin, daß die zunächst gewollten Zusatzeinnahmen auf den Staat ungewollt korrumpierend wirken könnten, vgl. Pieth, a.a.O. 438 Vgl. oben, S. 108f. sowie S. 106f. 439 Zutreffend nennt Ransiek, StV 96, 446 (448) als weiteres Effektivitätshindernis die relativ problemlose Möglichkeit für den Täter, sich der Vennögensstrafe durch Übertragung von Vermögenswerten auf Dritte zu entziehen.

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

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zu befürchten, daß sich die gesetzgeberische Hoffnung, mit dem OrgKG ein geeignetes und wirksames Mittel zur effektiven "Bekämpfung" der organisierten Kriminalität zur Verfügung zu haben, letztendlich nicht erfüllt440 • Im ganzen betrachtet dürften damit erzielbare Einzelerfolge die organisierte Kriminalität so gut wie gar nicht oder höchstens punktuell beeinträchtigen. Selbstverständlich soll damit nicht einer möglichst weitgehenden und umfassenden Gewinnabschöpfung durch eine rigorose Anwendung des § 43a das Wort geredet werden, um die Effektivität der Vermögensstrafe zu erhöhen. Denn die rechtsstaatlichen Probleme, die umso mehr auftreten, je weitergehend die Vermögenstrafe Anwendung findet, wiegen weseniich schwerer als die Effektivitätsmängel, die umso mehr zum Tragen kommen, je zurückhaltender von der Vorschrift des § 43a Gebrauch gemacht wird.

6. Systemwidrigkeit

Ein weiterer Einwand geht dahin, daß die Vermögensstrafe sich nicht harmonisch in das strafrechtliche Sanktionengefüge eingliedere441 und daher "im Strafensystem einen Fremdkörper" darstelle 442 • Die Vermögensstrafe wende sich vom Tagessatzsystem wieder vollständig ab, wofür kein zwingendes, diesen Schritt rechtfertigendes Bedürfnis bestehe und was zu einer unnötigen Konkurrenz verschiedenartiger Geldstrafen führe 443 • Ferner bereite sie der Praxis Abgrenzungsprobleme zu den §§ 73ff. 444 • Belegen läßt sich die Systemwidrigkeit der Vermögensstrafe mit einem Blick auf deren Rechtsnatur. Wie bei der Analyse der Rechtsnatur der Vermögensstrafe bereits herausgearbeitet wurde 44s , läßt sich diese dogmatisch weder eindeutig der Geldstrafe noch den Verfallsvorschriften zuordnen, sie nimmt vielmehr eine Zwitterstellung neben bei den Sanktionsinstituten ein, wobei allerdings der Verfallscharakter eindeutig überwiegt. Problematisch daran ist, daß diese besondere Rechtsnatur als solche oftmals verkannt und die Vermögensstrafe infolgedessen fehlerhaft als reine Strafe oder als reiner Verfall klas-

440 Ebenso Körner, NJW 93, 233 (235), ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 123; Jescheck/Weigend, AT, § 73 IV 5 c; Ransiek, StV 96, 446 (448). 441 DRB, DRiZ 90, 105 (107). 442 Lackner/Küht, StGB, § 43a Rdn. I; Mitsch, JA 94, 425 (432); Hörnte, ZStW 108 (1996), 333 (352); ähnlich auch Ostendorf, JZ 91,62 (69). 443 Körner, NJW 93, 233 (235); Schoreit, MDR 90, I. 444 DreherlTrändte, StGB, § 43a Rdn. 3. 445 Vgl. oben, S. 32 - 38.

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

sifiziert wird, was für die straf- und verfassungsrechtliche Beurteilung überaus bedeutsam ist. Der Vorwurf des Bruchs mit dem Sanktionengefüge ist insofern vollauf berechtigt. Ein weiteres Argument läßt sich in diesem Zusammenhang aus einem Blick auf die Verjährungsvorschriften herleiten. Nach § 78 unterliegen Straftaten grundsätzlich der Verfolgungsverjährung, eine Ausnahme gilt gemäß § 78 11 lediglich für die nicht der Verjährung unterliegenden Verbrechen des Völkermordes (§ 220a) und des Mordes (§ 211). Die Verjährung schließt nicht nur die Ahndung der Tat mit Strafen, sondern auch die Verhängung von Maßnahmen wegen der Tat aus, vgl. § 78 I 1. Der Verfall gemäß §§ 73ff. stellt gemäß der Legaldefinition des § 11 1 Nr. 8 eine Maßnahme dar. Folglich unterliegt auch die Verfallsanordnung der Verjährung. Bei § 43a unterliegt die konkrete Tat, derentwegen die Vermögensstrafe verhängt wurde, natürlich auch der allgemeinen Verfolgungsverjährung, so daß die Verhängung einer Vermögensstrafe ausgeschlossen ist, wenn die der Strafverfolgung zugrunde liegende konkrete Straftat verjährt ist. Die vorliegende Untersuchung hat indessen bisher ergeben, daß der Gesetzgeber mit der Einführung der Vermögensstrafe im Grunde die Möglichkeit eines besonderen Verdachtsverfalls schaffen wollte446 und daß die Tatgerichte sie in der Praxis zur Erreichung dieses Verfallzwecks auch tatsächlich einsetzen. Denn die konkrete Straftat, derentwegen die Vermögensstrafe verhängt wird, ist lediglich ein formaler Anknüpfungspunkt zur Wahrung des rechtsstaatlichen Anscheins447 , in Wahrheit sollen dem Täter jedoch Gewinne aus vergangenen Straftaten entzogen werden, deren Begehung er verdächtig ist, die ihm jedoch nicht nachgewiesen werden können. Nun können diese Straftaten jedoch schon so weit zurückliegen, daß sie der Verfolgungsverjährung unterliegen, daß also selbst bei nachgewiesener Begehung kein Verfall mehr angeordnet werden dürfte. Da die konkrete Anküpfungstat für § 43a noch nicht verjährt ist, können im Wege der Verhängung einer Vermögensstrafe nun aber dennoch - indirekt - die eigentlich bereits verjährten Straftaten sanktioniert werden, so daß faktisch der vermeintlich illegale Tatgewinn für verfallen erklärt werden kann, obwohl bei nachgewiesenen Taten der Weg für den Verfall durch die Verjährung versperrt wäre. 1m Ergebnis bedeutet dies die Möglichkeit einer faktischen Umgehung der für den Verfall geltenden Verjährungsvorschriften, was zur Folge hat, daß der Verurteilte beim bloßen Verdacht länger zurückliegender Taten letztendlich schlechter gestellt ist, als wenn diese bewiesen wären. Damit wird das strafrechtliche Sanktionengefüge mit seinen rechtsstaatlichen Garantien auf den Kopf gestellt; die Vermögensstrafe fügt sich nicht ohne Friktionen in das Strafrechtssystem ein.

446 Vgl. dazu oben, S. 29ff. 447 Vgl. dazu oben, S. 55f.

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

113

Zur Verdeutlichung mag folgendes Fallbeispiel dienen 448 : Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Februar 1993 30 kg Haschisch erworben und in der Folgezeit teilweise in größeren Mengen an verschiedene Abnehmer verkauft zu haben. Er wird wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a 1 Nr. 2 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und einer Vermögensstrafe 449 in Höhe von 600.000 DM verurteilt. Bei der Verhängung der Vermögensstrafe hat eine wesentliche Rolle auch der "sehr hohe Grad des Verdachts, daß das Vermögen des Angeklagten aus früheren Betäubungsmittelgeschäften stammt", gespielt 50 . Angenommen, das Vermögen des Angeklagten stammt tatsächlich aus früheren Betäubungsmittelgeschäften, aber aus solchen, die bereits mehr als 20 Jahre zurückliegen. Wären diese Straftaten nachträglich bewiesen, so könnten die daraus erzielten Gewinne dennoch nicht mehr abgeschöpft werden, da nach § 78111 Nr. 2 die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten ist 51 • Obwohl diese Taten konkret nicht nachgewiesen werden konnten, wird mit der Vermögensstrafe letztendlich auf die daraus erzielten Taterlöse zugegriffen, so daß die Verjährungsvorschriften damit ausgehebelt werden. Dieser Einwand greift allerdings nur, wenn man die Vermögensstrafe ihrer wahren Rechtsnatur entsprechend als nebenstrafenähnlichen Verdachtsverfall versteht452 • Deutet man die Vermögensstrafe wie der BGH - unzulässig453 - in eine Geldsummenstrafe um, enthält sie keine Verfallseigenschaften und kann demzufolge auch die fllr den Verfall geltenden Verjährungsvorschriften nicht umgehen. Allerdings ergeben sich selbst auf der Basis dieser BGH-Auffassung wiederum neue Bedenken gegen die Vermögensstrafe.

448 Der Sachverhalt ist angelehnt an den dem bereits mehrfach erwähnten Urteil des LG Hamburg vom 11. 04. 94 zugrunde liegenden Sachverhalt. 449 Der einschlägige Verweisungstatbestand für die Verhängung einer Vermögensstrafe ergibt sich aus § 30c BtMG. 450 Dieses ergibt sich unzweifelhaft aus der Urteilsbegründung, vgl. LG Hamburg, Urteil vom 11.04.1994, AZ 633 KLs 15/93, S. 80 (der genaue Wortlaut der maßgeblichen Passage ist nachzulesen oben in Fn. 77). 451 Da Erlöse aus dem Verkauf von BtM keine producta sceleris i.S.d. § 74 I sind (BGHR § 74 I Tatm. 2; 08. 08. 1990,2 StR 282/90: 11. 02. 1992, 1 StR 50/92: 04. 03. 1992, 3 StR 50, 92), ist schon deswegen keine selbständige Einziehungsanordnung trotz Vet:iährung gemäß § 78 1 2 i.V.m. § 76a II Nr. 1 möglich. 452 Vgl. dazu oben, S. 32 - 38. 453 Vgl. dazu oben, S. \03. 8 Park

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1. Teil- B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

7. Schwächen der Geldsummenstrafe

Wenn man die Vermögensstrafe als reine Geldstrafe in Form einer Geldsummenstrafe interpretiert, ist sie neben den vorgenannten einfachrechtlichen und allgemeinen Bedenken, die unabhängig von der Beurteilung ihrer Rechtsnatur gelten, noch weiteren spezifischen Einwänden ausgesetzt. Eine Geldsummenstrafe ist im deutschen Strafecht nichts Neues. Vor der Strafrechtsreform existierte die Geldstrafe nur in Form der Geldsummenstrafe. Durch das 2. StrRG454 wurde das Geldstrafensystem von der Geldsummenstrafe auf das Tagessatzsystem umgestellt. Als Vorbild für das Tagessatzsystem diente das skandinavische Tagesbußensystem 455 • Dieses wurde 1921 zunächst in Finnland, 1931 in Schweden und 1939 in Dänemark eingeführt456 . Der Grund für diese Umstellung lag in den Vorzügen des Tagessatzsystems gegenüber der Geldsummenstrafe. Denn die Geldsummenstrafe weist gewisse in ihrer Natur liegende Schwächen auf, die durch das Tagessatzsystem abgemildert werden können 457 . Diese Schwächen bestehen zunächst in der unsozialen Wirkung der Geldsummenstrafe, die aus der Schwierigkeit resultiert, dem Grundsatz der Opfer- oder Belastungsgleichheit gerecht zu werden 458. Dieser Grundsatz besagt, daß ein Verurteilter für die gleiche Tat das gleiche Stratleiden erfahren so1l459. Seine Berücksichtigung setzt die Anpassung der Geldstrafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse und an die Strafempfindlichkeit des Täters voraus. Wird dem Richter keine brauchbare Richtschnur für die sachangemessene Bemessung der Geldstrafe an die Hand gegeben, wie es bei der Verhängung eines undifferenzierten Geldsummenstrafe der Fall ist, ist eine gleichmäßige und gerechte Verteilung des Strafübels nicht zu gewährleisten. Deswegen kann eine Geldsummenstrafe nur im Einzelfall - gewissermaßen zufällig - den Erfordernissen einer gerechten Ausrichtung an wirtschaftlichen Verhältnissen und der

454 Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 04.07.1969 (BGBt. I 707).

455 Dreher/Tröndle, StGB, vor § 40 Rdn. I; Lackner/Kühl, vor § 40 Rdn. I; LK"Tröndle, StGB, vor § 27 Rdn. 85; ders., MDR 72, 461 (465); Zipf, ZStW 77 (1965), 526 (527f.).

456 Strahl, Rev Sc crim 1951, S. 59; vgt. auch Mittermaier, ZStW 55 (1936), 646f., Zipf, ZStW 77 (1966), 526 (528), die darauf hinweisen, daß die skandinavischen Bestimmungen auf das portugiesische Strafgesetzbuch von 1886 bzw. 1852 zurückgehen, obwohl darin noch kein Tagesbußensystem im eigentlichen Sinne festgeschrieben war.

457 Jescheck, AP, § 70 V I; Mittermaier, ZStW 55 (1936), 646 (649); Tröndle, MDR 72, 461 (465); Zipf, ZStW 77 (1965),526 (530 und passim). 458 Zipf, Geldstrafe, S. 27; vgt. auch LK"-Tröndle, vor § 27 Rdn. 55; Jescheck, A P, § 70 VI; Würtenberger, ZStW 64 (1952), 17 (2Of.). 459 Zipf, Geldstrafe, S. 27.

11. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

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Strafempfanglichkeit des Täters entsprechen 460 • Das Fehlen des erforderlichen Anpassungssystems führt ferner dazu, daß die Geldsummenstrafe nicht erkennen läßt, inwieweit ihre Höhe einerseits durch das Maß von Unrecht und Schuld, andererseits aber durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bedingt ist461 • Auch ein Rückgriff auf die erkannte Ersatzfreiheitsstrafe hilft nicht viel weiter, da diese wegen des weiten tatrichterlichen Ermessens ebenfalls keinen zuverlässigen Schluß gestattet462 • Zwangsläufige Folge der vorgenannten Defizite im System der Geldsummenstrafe war, daß es kaum einem Urteil gelang, die Höhe der verhängten Geldstrafe einigermaßen überzeugend und nachvollziehbar zu begründen 463 • Mit Hilfe des Tagessatzsystems konnten die vorgenannten Schwächen der Geldsummenstrafe verringert werden. Die Geldstrafe wurde überschaubarer und nachvollziehbarer, zuverlässiger und gerechter464 • Sie wurde in ein angemessenes Verhältnis zu der Leistungsfahigkit des Täters gebracht465 . Die Vorteile liegen insbesondere darin, daß nunmehr die Bewertung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat aus der Zahl der Tagessätze ohne Rücksicht auf Reichtum oder Armut des Täters hervorgeht und daß seine wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe angemessen berücksichtigt werden 466 • Begreift man die Vermögensstrafe wie der BGH als Geldsummenstrafe, so muß verwundern, warum die Argumente, die in der großen Strafrechtsreform zur Abschaffung der Geldsummenstrafe und zur Einführung des Tagessatzsystems geführt haben, bei der Vermögensstrafe ignoriert werden. Denn die Schwächen der Geldsummenstrafe treten ebenso bei der Vermögensstrafe auf und werden weder durch die Ausgangsfreiheitsstrafe noch durch die Ersatzfreiheitsstrafe beseitigt, da hier mangels Anwendbarkeit des Tagessatzsystems ein tauglicher Schlüssel für die Umrechung von Geld- in Freiheitsstrafe fehlt467 • Interpretiert man die Vermögensstrafe mit dem BGH als Geldsummenstrafe,

460 Zur Unbrauchbarkeit des § 27c a.F. zur angemessenen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters wegen des zu weiten Ermessensspielraums der Vorschrift siehe Zipf, Geldstrafe, S. 28f. 461 BT-Drs. V/4095, S. 20. 462 BT-Drs. V/4095, S. 20. 463 Vgl. Zipf, ZStW 77 (1965), 526 (531).

464 Trändie, MDR 72, 461 (465); Zipf, ZStW 77 (1965), 526 (530). 465 Jescheck, AP, § 70 VI. 466 Vgl. DreherlTrändle, vor § 40 Rdn. 3; Strahl, Rev Sc crim 51. 59. 467 Vgl. oben, S. 45f. 8·

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I. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

zeigt sich damit erneut, daß der vermeintliche Fortschritt, den der Gesetzgeber mit Einführung des § 43a gemacht hat, in Wahrheit einen Rückschritt darstellt. 8. Verstoß gegen das Personalitätsprinzip

Wie vorstehend ausgeführt, ist auch die vom BGH vorgenommene Umdeutung der Vermögensstrafe (unabhängig von ihrer Unzulässigkeit) nicht geeignet, die Ungereimtheiten der Vermögensstrafe zu beseitigen. Das gilt - jedenfalls bei einer umfassenden Vermögensstrafe - auch in bezug auf die Vereinbarkeit des § 43a mit dem Personalitätsprinzip. Das Personalitätsprinzip, das als allgemeines einfachrechtliches Strafprinzip oder als besondere Ausformung des Schuldprinzips 468 verstanden werden kann, besagt, daß die Strafwirkungen nur den Schuldigen treffen dürfen, sie müssen sich also ausschließlich gegen den Verurteilten richten und dürfen keine unzulässigen Drittwirkungen entfalten. Nach Auffassung eines Teils der Literatur verstößt die Vermögensstrafe gegen dieses Personalitätsprinzip - jedenfalls dann, wenn sie umfassend ist, also (quasi-)konfiskatorische Wirkung entfaltet469 • Eine solche Strafe treffe nicht nur den Täter, sondern genauso hart seine Familie, was jedoch dem Sinn der Strafe zuwiderlaufe470 • Denn vielfach sei nicht nur der Täter allein, sondern ebenso seine Angehörigen Nutznießer seines Vermögens471 • Ferner werde die Vermögenssubstanz weitläufig als zum Großteil gleichbedeutend mit der Erbmasse verstanden, so daß man mit der konfiskatorischen Vermögensstrafe letztlich auch die Erben des Täters bestrafe 472 • Stelle man demgegenüber nur auf die ausschließliche und rechtlich unbeschränkte Verfügungsgewalt des Vermögensinhabers gemäß § 903 BGB ab, verkürze man unangemessen die soziale Realität473 • Für die allgemeine Vermögenskonfiskation hatte bereits Eser474 festgestellt, daß es dem heutigen Verständnis von persönlicher Schuld und Strafe wider468 So Chr. Jung, VermögensstraJe, S. 87. 469 Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 86f.; Körner, BtMG, § 30c Rdn. 3; 1. Meyer, ZRP 90, 85 (87); ders., Helmrich-FS 565 (577); v. Seile, wistra 93, 216 (217); Weßlau, StV 91, 226 (234). 470 Weßlau, StV 91, 226 (234). 471 v. Seile, wistra 93,216 (217). 472 v. Seile, wistra 93,216 (217). 473 v. Seile, wistra 93,216 (217). 474 Eser, Sanktionen, S. 104f.

II. Einfachrechtliche und allgemeine Bedenken

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streben müsse, daß durch die Konfiskation auch unschuldige Angehörige in einem Maße tangiert würden, wie das bei anderen Strafen bei weitem nicht der Fall sei 475 • Mit diesen Folgen sei eine unspezifische Vennögenskonfiskation letztlich in ihren Auswirkungen nicht überschaubar476 . U.a. wegen der "Gefahr der Mißdeutung als Sippenhaftung" hatte auch der Bundesrat im Regierungsentwurf des StÄG 1951 die ersatzlose Streichung der Vennögenseinziehung verlangt477 . Durch die Geschichte der letzten Jahrhunderte zieht sich schon seit der Aufklärungsphilosophie eine mit unzulässiger Drittwirkung begründete ablehnende Haltung gegenüber der Vermögenskonfiskation 478 • Als eines der Hauptargumente wurde fortwährend vorgebracht, daß mit einer unspezifischen Konfiskation nicht nur den Täter, sondern immer auch seine unschuldigen Angehörigen und/oder Erben zu Unrecht bestraft würden 479 • In der Tat verdienen diese Einwände auch (oder gerade) heutzutage die gebührende Beachtung. Das Prinzip der Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung ist ein allgemeiner strafrechtlicher Grundsatz, der in einem auf dem Schuldprinzip aufbauenden Strafrecht ebenso selbstverständlich wie unverzichtbar ist480 • Wenn Kern des fortschrittlichen Schuldstrafrechts der Grundsatz ist, daß jeder Täter nach seiner persönlichen Schuld bestraft wird, so bedeutet dies, daß jeder nur für sein selbstverschuldetes Unrecht, nicht jedoch für die Taten eines anderen bestraft werden darf. Die Strafwirkung einer strafrechtlichen Sanktion soll danach nur denjenigen treffen, gegen den sie verhängt wird, nicht jedoch andere Personen aus dem Umfeld des Täters, die gar keine Schuld im strafrechtlichen Sinn auf sich geladen haben. Eine Strafe, die in unzulässigem Maß eine solche untersagte Drittwirkung entfaltet, verstößt gegen das Personal itätsprinzip und ist folglich mit einem freiheitlichen Schuldstrafrecht nicht zu vereinbaren. 475 Dieses Argument klingt auch in der besonders vehementen Ablehnung der Vermögenseinziehung von Frey, ZStW 65 (1953), 3 (14) mit: "Die Vermögenseinziehung ist keine Strafe, sondern ein im modernen Rechtsstaat in keiner Weise zu rechtfertigender brutaler, auf wirtschaftliche Vernichtung des Betroffenen und seiner Familie ausgerichteter staatlicher Willkürakt". 476 Eser, Sanktionen, S. \05. 477 BT-Drs. 111307 Anlage 2 S. 58. 478 V gl. v. Seile, wistra 93, 216 (217).

479 Henke, Handbuch des Criminalrechts, I. Teil. S. 485; v. Soden. Geist der peinlichen Gesetzgebung, § 64; Voltaire. in: Mensching (Hrsg.). Voltaire, S. 33 (76ff.); Beccaria, Ueber Verbrechen und Strafen. § 25; Friedmann, Geld- und Freiheitsstrafen. S. 95 (103). 480 Vgl. Hillenkamp, Lackner-FS, S. 455.

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1. Teil - B. Bedenken gegen die Vermögensstrafe

Bei einer konfiskatorischen Vermögensstrafe ist ein Verstoß gegen das Personalitätsprinzip im Regelfa1l48I zu bejahen. Denn es liegt auf der Hand, daß von einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung des Täters auch dessen Angehörigen betroffen sind. Nun läßt sich gegen die Bejahung eines Verstoßes gegen das Personalitätsprinzip aus diesem Gesichtspunkt heraus möglicherweise einwenden, jede Geldstrafe, also auch diejenige nach dem Tagessatzsystem, betreffe - zumindest indirekt - auch die Angehörigen des Täters. Dieser Einwand geht indessen fehl: Zwar strahlt jede Strafe - Freiheits- wie Geldstrafe eine gewisse Angehörigenwirkung aus, denn es gibt keine strafrechtliche Sanktion, die nicht irgendwie auch die Angehörigen des Täters mitbeträfe 482 • Bei der Freiheitsstrafe jedoch ist die Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung unmittelbar dadurcH gewahrt, daß nur der Verurteilte selbst seiner persönlichen Freiheit beraubt wird, die Folgen für seine Familie sind nur mittelbar483 • Solange die Drittwirkung allenfalls mittelbar ist, ist aber noch kein Verstoß gegen das Personalitätsprinzip anzunehmen, da bei einer lediglich mittelbaren Drittwirkung der Dritte dem eigentlichen Straflibel nicht persönlich ausgesetzt ist. Auch zur Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem besteht gegenüber der Vermögensstrafe gemäß § 43a insofern ein entscheidender Unterschied. Denn von einer Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem wird die Familie des Täters zwar auch betroffen, doch verhindern das Tagessatzsystem sowie der Schutz des wirtschaftlichen Existenzminimums eine totale wirtschaftliche Entwurzelung nicht nur des Täters, sondern damit auch seiner Angehörigen. Dem Angehörigenschutz wird insbesondere durch Abzug von Unterhaltsverpflichtungen vom Einkommen des Täters Genüge getan 484 . Anders gestaltet sich dagegen die Situation bei § 43a. Die konfiskatorische Vermögensstrafe vernichtet nicht nur die wirtschaftliche Existenz des Verurteilten, sondern gleichermaßen die seiner Angehörigen, und zwar besonders dann, wenn diese Unterhaltsansprüche gegen den Verurteilten haben. Für diese geht die Strafwirkung damit weit über eine nur mittelbare hinaus; letztendlich ist es für sie faktisch gleichgültig, daß nicht sie, sondern nur der Täter verurteilt wurde. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß bei der Bemessung des Tätervermögens i.R.d. § 43a Verbindlich-

481 Denkbar sind zwar auch andere Fälle, so Z.B. wenn der Täter sein ganzes Vermögen durch die Verhängung einer Vermögensstrafe verliert. aber sein Ehepartner oder sonstige Angehörige ein umfangreiches eigenes Vermögen besitzen, so daß sie den Verlust des Tätervermögens mühelos kompensieren können, doch stellen diese Fälle lediglich seltene AusnahmefiUle dar. die hier vernachlässigt werden können. 482 Baumann, Beschränkung, S. 49; Hillenkamp, Lackner-FS, S. 455 (458f.); v. Spiegel, Drittwirkung, S. 1Off. 483 Zur mittelbaren Drittwirkung der Freiheitsstrafe vgl. v. Spiegel, Drittwirkung, S. 10-27. 484 v. Spiegel, Drittwirkung, S. I 77ff.; SK-Horn. StGB. § 43a Rdn. 8.

111. Zwischenergebnis

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keiten zu berücksichtigen sind485 ; denn anders als beim am Nettoeinkommen orientierten Tagessatzsystem, das eine fortlaufende Saldierung ermöglicht, können bei der Vermögensstrafe, die einen fixen Geldbetrag verkörpert, al1enfal1s einmalige Verbindlichkeiten angemessen berückichtigt werden; in bezug auf Unterhaltszahlungen ist dies jedoch schwer vorstel1bar. Bei einer umfassenden Vermögensstrafe muß man aus diesem Grunde einen Verstoß gegen den strafrechtlichen Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung bejahen. Eine andere Beurteilung ist dagegen bei einer maßvol1en Vermögensstrafe gerechtfertigt, die nicht den wesentlichen Teil des Tätervermögens erfaßt, denn eine solche entfaltet keine unzulässige Drittwirkung. Eine sehr restriktive Anwendung des § 43a, die es dem Täter ermöglicht, weiterhin seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, ist damit entsprechend der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem als mit dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung vereinbar anzusehen, während eine umfassende, konfiskatorische Vermögensstrafe gegen diesen Grundsatz verstößt. III. Zwischenergebnis

Der bisherige Verlauf der Untersuchung hat ergeben, daß die Vermögensstrafe neben zahlreichen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwänden auch gewichtigen einfachrechtlichen und al1gemeinen Bedenken ausgesetzt ist. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Vermögensstrafe in ihrer derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung ein verfassungswidriger Fremdkörper im strafrechtlichen Sanktionensystem darstel1t, der mit einem rechtsstaatlichen und freiheitlichen Schuldstrafrecht nicht vereinbar ist.

485 BGHSt 41, 278 (281); Park, .IR 96, 380 (381 f).

Zweiter Teil A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe Der erste Teil der Untersuchung hat ergeben, daß der Einsatz der Vermögensstrafe bei der Strafverfolgung ein Abrücken von bewährten rechtsstaatlichen Grundsätzen bedeutet. Es hat den Anschein, daß der Gesetzgeber das auch dem Strafrecht im allgemeinen durchaus bekannte I Problem der Beeinträchtigung rechtsstaatlicher Garantien durch effektive Kriminalitätsverfolgung zwar erkannt, aber nicht aufzulösen vermocht und deswegen die Interessen der einen Seite (Effektivität) auf Kosten der anderen Seite (RechtsstaatIichkeit) bevorzugt hat, um brauchbare Ergebnisse vorweisen zu können. Dies gibt Anlaß, näher zu untersuchen, ob der Gesetzgeber mit der Einführung der Vermögensstrafe eine auch sonst feststellbare Tendenz hinsichtlich eines Funktionswandels des Strafrechts fortsetzt und wie diese bejahendenfalls zu bewerten ist bzw. weIche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen sind. Zum Gang der Untersuchung sei dabei gesagt, daß zunächst erläutert werden soll, wodurch der strafrechtliche Funktionswandel gekennzeichnet ist, wie also das 'moderne' Strafrecht gegenüber dem 'klassischen' Strafrecht aussieht. Weiterhin soll untersucht werden - und darin liegt gewissermaßen das Haupterkenntnisinteresse des zweiten Teils -, ob die Vermögensstrafe ein Bestandteil der allgemeinen Tendenzen, d.h. typisches 'modernes' Strafrecht ist. Anschließend wird die Bewertung vorgenommen, und am Ende soll ein kurzer Blick auf mögliche Alternativen geworfen werden. Um keine Erwartungen zu wecken, die schließlich unerfüllt bleiben müssen, sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es nicht Anspruch dieser Arbeit ist, die im Hinblick auf 'moderne' strafrechtliche Tendenzen aufgeworfenen Fragen vollständig und erschöpfend zu bearbeiten. Die meisten dieser Probleme und Phänomene enthalten genügend Implikationen, u~ für sich monographisch umfangreich aufgearbeitet zu werden. Der interessierte Leser möge sich bei Bedarf an die zur Vertiefung angegebenen weiterführenden Literaturhinweise halten, jedoch besteht auch diesbezüglich kein Vollständigkeitsanspruch. Im Interesse der Überschaubarkeit dieser Arbeit und unter Berücksichtigung der erstrebten Fokussierung der kriminalpolitischen I Vgl. etwa Naucke, KritV 90, 244 (254).

I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen

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Fragestellungen auf die für die Vermögensstrafe wichtigen Aspekte ist die Auswahl der Beispiele wie auch insbesondere deren Darstellung und EinzeIwürdigung bewußt beschränkt und möglichst knapp gehalten. Hier geht es nur darum, Tendenzen aufzuzeigen, die für die kriminalpolitische Bewertung der Vermögensstrafe bedeutsam sind. . Um die Einbettung der Vermögensstrafe in einen größeren kriminalpolitischen Zusammenhang deutlich zu machen, entfernen sich die nachfolgenden Ausführungen teilweise etwas weiter von der Vermögensstrafe, dies gilt insbesondere für das symbolische Strafrecht, das als Exkurs abgehandelt wird. In der Hoffnung, damit zur Transparenz und Plausibilität der hier vertretenen Auffassung beizutragen, wird die strafrechtliche Entwicklung zwar durchaus kursorisch, aber bewußt nicht nur stichwortartig knapp referierend dargestellt. Der unmittelbare Bezug zur Vermögensstrafe wird jeweils dann hergestellt, wenn ihre Einordnung in den dargestellten kriminalpolitischen Gesamtzusammenhang erfolgt. I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen 1. Das dem StGB ursprünglich zugrunde liegende Strafrechtsbild des 19. Jahrhunderts

Unser heutiges StGB entstand 1871, es trägt seine Wurzeln also im 19. Jahrhundert. Seitdem hat es zahlreiche Veränderungen erfahren, aber im Kern ist es zu großen Teilen - insbesondere im BT2 ~ im wesentlichen 3 unverändert geblieben. Um die gegenwärtigen Schwierigkeiten des Strafrechts, zugleich effektive und rechtsstaatliehe Strafverfolgung zu betreiben, nachzuvollziehen, empfiehlt es sich, etwas näher das Strafrechtsbild und -verständnis des RStGB anzusehen, bevor wir uns dem gegenwärtigen Strafrecht zuwenden. In seinen Grundlagen beruhte das RStGB auf dem preußischen StGB von 1851, welches seinerseits durch Anse/rn v. Feuerbachs Bayerisches StGB von 1813 maßgeblich geprägt wurde4 • Gekennzeichnet waren diese Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts durch die Idee einer generalpräventiven Tatvergel-

2 Paradigmatisch zu nennen sind etwa die Delikte gegen Leib und Leben sowie zahlreiche Eigentums- und Vermögensdelikte, vgl. Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. I 74f., der darüber hinaus weitere Beispiele nennt. 3 Zu den - relativ geringfugigen - Änderungen, die etwa der § 211 oder der § 240 im Lauf der Zeit erfahren haben, siehe Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 175 (Fn. 21 f.).

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

tungsstrafe, während Gedanken der Spezialprävention so gut wie keine Berucksichtigung fanden 5 • Entscheidend fur diese Untersuchung ist der Umstand, daß das RStGB vollkommen auf der "Gedankenwelt des liberalen Rechtsstaates des 19. lahrhunderts"6 basierte7• Dies machte sich etwa dadurch bemerkbar, daß die seit Feuerbach anerkannte Forderung nach gesetzlicher Bestimmtheit des Strafens ("nullum crimen, nulla poena sine lege") den Ausbau der allgemeinen Lehren, die systematische Ordnung von Tatbeständen, ihre weitere Differenzierung und Präzisierung nachhaltig förderte 8 . Der Begriff "Rechtsstaat" wurde dabei verstanden als eine Staatsgattung, die das Verhältnis zwischen dem Träger hoheitlicher Gewalt und den Gewaltunterworfenen unter Zubilligung individueller Rechte rechtlich regelt, wobei die Gesetze dazu dienen, die wechselseitige äußere Freiheit zu sichern 9 • Als beispielhaft fur das 19. Jahrhundert sei das Rechtsstaatsverständnis von v. Mahl und Welcker angeflihrt, die den Rechtsstaatsbegriff im wesentlichen begrUndet und geprägt haben 10. Nach Welcker sind maßgebliche Bestandteile des Rechtsstaats die formale Gleichheit der BUrger 11 , sittliche Achtung der moralischen WUrde des Individuums 12 , Verhältnismäßigkeit der Strafe, d.h. Schuldangemessenheit lJ und die Beschränkung richterlicher WillkUr 14 , die er als Wesensmerkmale eines "objektiven Vernunftrechts" beurteilt. V. Mahl erwähnt speziell den gesetzlichen Richter, den Schutz vor willkUrlicher Verhaftung und gesetzliche Bestimmtheit des Strafens 15 • Zutreffend wird heute festgestellt, daß das RStGB in der Geschichte der deutschen Strafrechtspflege keinen Anbeginn einer neuen Zeit bedeutete, sondern aufgrund des starken Einflusses des bayerischen und des preußischen 4 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 344; Roxin, AT-I, § 4 Rdn. I; Rüping, Strafrechtsgeschichte, S. 81. 5 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 344: Roxin, AT-I, § 4 Rdn. 2. 6 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 344. 7 Zu partiellen Brüchen des damaligen Strafrechts mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit vgl. Naucke, KritV 93, 135 (144) m.w.N. 8 Rüping, Strafrechtsgeschichte, S. 80. 9 Rüping, Strafrechtsgeschichte, S. 78. 10 Vgl. Böckenförde, A. Arndt-FS, 53 (54). 11 Welcker, Recht, Staat und Strafe, S. 79. 12 Welcker, Recht, Staat und Strafe, S. 79, 101. 13 Welcker, Recht, Staat und Strafe, S. 272. 14 Welcker, Recht, Staat und Strafe, S. 273. 15 Mohl. Robert von, Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg (Bd. 1), Tübingen 1829, S. 290ff. (zit. nach Rüping, Strafrechtsgeschichte, S. 78); vgl. dazu auch Böckenförde. A. Arndt-FS, 53 (55f.).

I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen

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StGB vielmehr den Abschluß der von v. Feuerbach eingeläuteten Epoche bildete 16. Ein bedeutsamer und ganz wesentlicher Kernpunkt des Strafrechtsverständnisses des RStGB ist der Feuerbachsehe Gedanke der gesetzlichen Bestimmtheit, der Bindung des Strafjuristen an das Gesetz. Die Manifestation dieses Gedankens im RStGB ist erkennbar an einer starken Individualisierung des Strafrechts. Die Tatbestände waren an einem konkret faßbaren Täter ausgerichtet und ganz überwiegend als Verletzungsdelikte ausgestaltet. Zwar gab es auch im RStGB Gefahrdungsdelikte, doch stellten diese die Ausnahme dar, und insbesondere abstrakte Gefahrdungsdelikte (etwa § 306) waren im RStGB äußerst selten. Geschützte Rechtsgüter waren Individualrechtsgüter oder bestimmte (relativ konkret umschriebene) Gemeinschaftsgüter. Das Idealbild des RStGB war so ausgestaltet, daß es einen konkret faßbaren Täter und eine konkret faßbare Tat gab, für welche der Täter seiner individuellen Schuld entsprechend bestraft wurde. Insofern war das Strafrechtsverständnis recht einfach, aber den individualistischen Anforderungen an das Strafrecht zur damaligen Zeit durchaus angemessen. Der Grund für die Einfachheit dieses Strafrechtsbildes lag darin, daß mit dieser Ausformung des StGB die spezifischen gesellschaftlichen Konflikte, zu deren Verhinderung oder Bewältigung das Strafrecht diente, zumeist adäquat gelöst werden konnten. Umwelt-, Wirtschafts- (insbesondere Datenverarbeitungs-) und organisierte Kriminalität spielten praktisch keine Rolle. Große kriminelle Banden mit differenziert organisierter und vernetzter Struktur, die international zusammenarbeiteten, waren unbekannt. Die vorhandenen kriminellen Erscheinungsformen konnten mit dem gegebenen' Instrumentarium wirksam verfolgt werden, u.a. auch deshalb, weil sie zumeist leicht individualisierbar waren. Das Strafrecht hatte die überschaubare Funktion, als ultima ratio gravierende Störungen in einem Kernbereich der sozialen Gemeinschaft zu regulieren. Dieses Strafrechtsbild läßt sich aus heutiger Sicht bezeichnen als 'klassisches Strafrecht', zu dessen Kern idealiter die rechtsstaatlichen Traditionen von Bestimmtheit und Subsidiarität des Strafrechts sowie das Verletzungsdelikt als die Normalform deliktischen Handeins gehörten 17 • 2. Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen

Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des RStGB gegebenen äußeren Bedingungen haben sich im Lauf der Zeit fortwährend geändert. Einen enormen 16 Eh. Schmidt, Geschichte, S. 345. 17 So Hassemer, ZRP 92,378 (739).

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

Sprung machte die technische Entwicklung. Um 1870 noch völlig unbekannt, sind Geräte wie Fernseher, Radio, Telefon, Telefax und Computer heutzutage selbstverständlich geworden. Für die damalige Kriminalität und somit natürlich ebenso für das RStGB hatten diese Dinge keinerlei Bedeutung. Im Zuge der Technisierung wurden diese Entwicklungen auch für gesellschaftliche Konflikte bedeutsam, indem sie auf neuartige Weise für bestimmte Rechtsgüter sozialerhebliche Konfliktpotentiale schufen 18. Die modeme Telekommunikation sowie auch die modeme Verkehrstechnologie gewährleisten es, innerhalb kürzester Zeiträume Verbindungen rund um den Globus herzustellen. Hierdurch gelingt es Straftätern, flächendeckender und weitverbreitet organisiert zusammenzuarbeiten und eine sehr differenzierte und weitverzweigte Arbeitsteilung zu betreiben. Ausgeklügelte logistische Systeme ermöglichen etwa auf dem Gebiet der Drogenkriminalität eine interkontinentale Zusammenarbeit und damit eine andere Dimension von Kriminalität als ausgangs des 19. Jahrhunderts. Neue schützenswerte Güter rückten in das Bewußtsein der Menschen, etwa die Umwelt oder der Schutz von Datenverarbeitungsvorgängen vor unbefugten Eingriffen. Unternehmen expandierten derart, daß infolge der fortschreitenden Komplexitätssteigerung für von ihnen verursachte Schäden eine individuelle Zurechnung mitunter kaum noch möglich war. Der Fortschritt, den Technik und Forschung machten, war so groß, daß etwaige dadurch verursachte Spätfolgen oder geschaffene Risiken nicht genau absehbar waren und sind l9 • Gegenwärtig häufig zu vernehmende plakative Schlagwörter, die im 19. Jahrhundert keinerlei Rolle spielten, wie Chemie-Giganten, Terrorismus

oder auch Straßenverkehr, Unterlaufen von Wirtschaftsembargos und Waschen illegal erworbener Gelder, verdeutlichen, wie sehr sich die gesellschaftliche Situation und damit auch die Anforderungen an das Strafrecht verändert haben 20 .

18 Kuhlen, GA 94, 347 (366); OstendorJ, JZ 91. 62 (66f.); ähnlich auch Hassemer, Arth. Kaufmann-FS, 85 (90). 19 P.-A. Albrecht, NJ 94, 193 (194); Frehsee, StV 96, 222 (224); aus soziologischer Sicht vgl. auch Beck, Risikogesellschaft, S. 42f. 20 Zahlreiche weitere Aspekte des gesellschaftlichen Wandels werden genannt von Frehsee, StV 96, 222 (223f.) m.w.N.

I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen

125

3. Folge der Entwicklung: Überforderung des 'klassischen' Strafrechts des 19. Jahrhunderts

Durch die Entwicklung der äußeren Bedingungen gelangte das RStGB zumindest partiell an seine Grenzen, in unveränderter Form war es nicht geeignet, die neuen Herausforderungen (strafrechtlich) zu bewältigen. Für viele neu erkannte Gefahren gab es noch keine adäquaten Tatbestände, als Beispiel genannt sei hier etwa der Straßenverkehr2 l . Teilweise war das Strafrecht zu unflexibel und zu individualistisch ausgerichtet, um die neuen komplexen Täterstrukturen angemessen erfassen zu können. Die organisierte Kriminalität ist hierfiir ein Paradebeispiel. Sie ist in vielerlei Hinsicht problematisch; dies beginnt bereits bei der begrifflichen Erfassung dieses kriminellen Erscheinungsbildes: Zwar mögen einige konkrete Vorstellungen von OK haben, doch werden diese häufig nicht geteilt; die meisten sind vielmehr nicht in der Lage, genau zu sagen, was organisierte Kriminalität ist, was sie konkret ausmacht und wie sie von anderen Kriminalitätsformen, etwa der "einfachen" Bandenkriminalität, abzugrenzen sein solJ2 2 • Teilweise wird sogar bestritten, daß es OK als besondere kriminelle Erscheinungsform überhaupt gibt23 - es wird von einem "Phantom" gesprochen 24 -, teilweise gehen die Vorstellungen, was bereits zur OK und was noch nicht dazu gerechnet werden könne bzw. müsse, sehr weit auseinander2 5• Wie soll man nun etwas gezielt strafrechtlich bekämpfen, wenn man gar nicht weiß, was dieses "etwas" eigentlich ist, wie gefährlich es tatsächlich ist, wie verbreitet und wie zu bestimmen? Dies ist das eine Problem strafrechtlicher OK-

21 Weitere Beispiele etwa bei Hassemer, Theorie, S. 75 m.w.N.; Naucke, KritV 93, 135 (145). 22 Vgl. dazu auch oben, S. 23ff. sowie Hassemer, StV 93, 664. 23 Skeptisch etwa P.-A. Albrecht, NI 94, 193 (198); vgl. auch Hassemer, DRiZ 92, 357: " ... nicht alle Kriminologen sind von der Existenz dieses Phänomens bei uns überzeugt"; ähnlich äußerte sich auch - selbst allerdings die gegenteilige Auffassung vertretend - der Abgeordnete Eylmann (CDU/CSU) in der 31. Sitzung des BundestagsRechtsausschusses (Protokoll, S. 88): "Verblüffend ist, daß es Sachverständige, Gruppen und Personen gibt - das wissen wir aus anderen Stellungnahmen und anderen Gesprächen -, die leugnen, daß es überhaupt eine Organisierte Kriminalität gibt. Zum Teil behaupten das auch Politiker und Professoren. ( ... ) Aber auch der Strafrechtsausschuß des Deutschen Anwaltvereins behauptet das". 24 Beste, Neue Kriminalpolitik 3/95, S. 43; der Sache nach auch Hassemer, StV 93, 664ff.; Frehsee, StV 96, 222 (225) spricht von einer "mystifizierten Kriminalitätsfigur". 25 Vgl. dazu Ostendorf, IZ 91, 62ff. m.w.N.; Beste, Neue Kriminalpolitik 3/95, 43ff. sowie die Stellungnahme des DA V zum OrgKG, StV 92, 29 (30).

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

Verfolgung, durch das etwa das RStGB mit seinem 'klassischen' Strafrechtsverständnis und seinen entsprechenden Mitteln überfordert wurde. Selbst wenn man nun unterstellt, daß es die Erscheinungsform OK tatsächlich gibt und daß sie so verbreitet und gefährlich ist wie vereinzelt behauptet26 : Dann stellt sich bei der enormen Vernetzung der Tätergruppenstrukturen und dem dann auch anzunehmenden extremen Ausmaß an Arbeitsteiligkeit des Handelns 27 das weitere Problem, daß ein möglichst vollständiges Durchdringen dieser Verflechtung von seiten der Strafverfolgungsorgane praktisch unmöglich ist2s. Aus rechtsstaatlicher Sicht wäre es jedoch erforderlich, um den Vorgaben etwa des Schuldprinzips, daß jedem einzelnen Täter die konkrete Tat und das Ausmaß seiner Beteiligung nachgewiesen werden müssen und er nur nach seiner individuellen Schuld bestraft werden darf, zu genügen. Bei derart komplexen Organisationsstrukturen gestaltet sich dieses jedoch eminent schwierig. Allein wenn es darum geht, illegalen Vermögenserwerb und den Verbleib dieses Vermögens nachzuvollziehen, sind die Strafverfolgungsorgane oft genug vor unlösbare Probleme gestellt, denn nach diversen Transaktionen und sonstigen Verschleierungsmethoden ist die Zuordnung konkreter Vermögensbestandteile und konkreter Taten zu bestimmten Tätern nahezu unmöglich 29 • Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Veränderung des Wirtschaftslebens im Computerzeitalter, durch welche sich auch die Wirtschaftskriminalität verändert haeo. Geldtransfers über viele Firmen (oftmals Scheinfirmen) ins Ausland und zurück, bei denen verschiedene Personen und Kreditinstitute beteiligt sind, verschleiern die Herkunft des Geldes, so daß es oftmals extrem schwierig ist, den Nachweis zu führen, daß bestimmte Vermögenswerte illegal erlangt wurden 31 • Ein einzeltatbezogenes Schuldstrafrecht stellt hinsichtlich der Beweispflicht dermaßen hohe, rechtsstaatlich begründete Anforderungen, daß eine Zuordnung konkreter Vermögensbestandteile an bestimmte Täter und konkrete Straftaten unter Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorgaben häufig gar nicht möglich ist, wodurch eine effektive Strafverfolgung vereitelt 26 Näher dazu unten, S. 121-123. 27 Dazu Stümper, Kriminalistik 85, 8 (9). 28 Ähnlich Ostendorf, JZ 91, 62 (66); Stümper, Kriminalistik 85, 8 (13). 29 Vgl. dazu etwa das Original-Fallbeispiel von Küster, Kriminalistik 90, 626 (627f.), wo es anscheinend zumindest teilweise gelungen ist, die zur Begehung von Fälschungs- und Betrugshandlungen mit Euroschecks verwendeten Verbindungen und Abläufe aufzudecken, vgl. auch Zachert, Kriminalistik 90, 622 (623); Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (354). 30 Vgl. P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (195ff.) m.w.N. 31 DreherlTröndle, StGB, § 261 Rdn.3 m.w.N.; Kaiser, Tröndle-FS, 685 (703); Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (354f.); Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung, S. 114f.; Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 269ff.

I. 'Klassisches' Strafrecht und neue gesellschaftliche Herausforderungen

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wird J2 • Diese strikten rechtsstaatlichen Vorgaben haben die zwangsläufige Folge, daß ein daran gebundenes rein individualitäts- und einzeltatbezogenes Strafrecht der Kriminalitätsphänomenologie organisierter und Wirtschaftskriminalität ab einem gewissen Punkt mehr oder weniger hilflos gegenübersteht, denn es ist durch seine Einzeltatbezogenheit und das Erfordernis des Individualschuldnachweises zu individualitätsbezogen und damit zu eindimensional ausgerichtet, um derart vielschichtigen, komplexen und unscharfen Kriminalitätsformen wirksam zu begegnen. Des weiteren erschien auch die im 'klassischen' Strafrecht übliche Ausgestaltung der überwiegenden Tatbestände als Verletzungsdelikte als zu starr und in ihrer Anwendungsmöglichkeit zu beschränkt, um bestimmte Verhaltensweisen, die zwar als besonders gefährlich eingestuft wurden, jedoch nicht immer nachweisbar zu konkreten Verletzungen führten, angemessen zu ahnden. Als Beispiel genannt sei etwa das Umweltstrafreche 3 oder der Umgang mit Kernenergie, der als solcher bereits getahrlich ist: Bei durch (vermeintlich) fehlerhaften Umgang mit Kernenergie verursachten Körperschäden sind die Zusammenhänge (d.h. etwa Nachweis der Kausalität oder die Frage, nach weIchen Kriterien es sich bemißt, daß die Handhabe fehlerhaft war) zu komplex, als daß sie mit den Körperverletzungsvorschriften angemessen erfaßt werden könnten. Konsequenz der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen für das Strafrecht ist eine Überforderung des 'klassischen' Strafrechts34. 35. Denn dieses stammt aus einer Zeit, in der die kriminellen Erscheinungsformen zu einem Großteil ganz anders als heute waren und das Strafrecht gerade für die damalige Kriminalität geschaffen und auch gewappnet wa~6. Für die rein strafrechtliche Bewältigung im Sinne einer effektiven "Bekämpfung" der neuen gesellschaftlichen Herausforderungen ist es in unverändertem Zustand zu einem Großteil nur bedingt oder gar nicht geeignet. Hierin liegt das Dilemma, in dem sich das Strafrecht angesichts veränderter Kriminalitätsformen befindet. Die strikte Wahrung der hohen verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Strafverfolgung ist nur dann möglich, wenn die Strafverfolgung sich gegen individuell zuordnenbare Straftaten und Täter richtet. Gegen unscharfe und wenig individualitätsbezogene Kriminalitätsformen wie die organisierte Kriminalität ist mit

32 Vgl. P.-A. Albrecht, NJ 94, 193 (194). 33 Siehe dazu P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (188). 34 P.-A. Albrecht, NJ 94, 193 (194). 35 Zur Verdeutlichung: Diese Aussage bedeutet nicht, daß der Einsatz des ('klassischen ') Strafrechts als wirksames Steuerungsmittel für die neu entstandenen Bedingungen tatsächlich erforderlich ist. Vgl. dazu unten, S. 159ff. sowie S. 171ff. 36 Schünemann, GA 95, 20 I (215).

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

dem herkömmlichen Strafrecht jedoch nicht allzu viel auszurichten 37 , da Verfassungsprinzipien wie das Schuldprinzip oder die Unschuldsvermutung einer wirklich effektiven Strafverfolgung schon wegen ihrer hohen Beweisanforderungen entgegenstehen. In diesem Zusammenhang sind auch die sog. "neuen Großgefahren"38 zu nennen: Davon ausgehend, daß sie nicht auf konkret bestimmbaren Einzelhandlungen, sondern u.U. auf einer Vielzahl kumulativer Handlungen beruhen 39 und nicht das Ergebnis falscher Planung oder unverantwortlicher Organisation sind, sondern ihrer Natur nach ihren Ursprung in zumindest teilweise fehlender Planbarkeit und unzureichender Berechenbarkeit haben, liegt auf der Hand, daß das individualitätsbezogene 'klassische' Strafrecht nicht das geeignete Mittel ist, um diese gesellschaftlich und juristisch in die Verantwortung zu nehmen 40 • Um etwaige Mißverständnisse auszuräumen: Dieser Befund besagt lediglich, daß das 'klassische' Strafrecht, wenn man es als Steuerungsmittel für die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen einsetzen wollte, hier überfordert wäre. Damit ist jedoch keineswegs gesagt, daß der Einsatz von Strafrecht in diesem Bereich überhaupt erforderlich ist41 •

4. Zwischenergebnis

Die Gründe für die Diskrepanz zwischen effektiver OK-"Bekämpfung" und der hinreichenden Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze liegen darin, daß das rechtsstaatliche Strafrecht auf einem individualistischen Schuldstrafrechtsbild beruht, welches an zu hohe rechtsstaatliche Anforderungen geknüpft ist, um das überaus komplexe und diffizile Erscheinungsbild der organisierten Kriminalität sinnvoll erfassen und verfolgen zu können. Eine Ausgestaltung des Strafrechts, die dem 'klassischen', rechtsstaatlichen Ur-Typus des RStGB weitgehend entspricht und die rechtsstaatlichen Grenzen der Strafverfolgung als sakrosankt anerkennt, schließt durch die engen Grenzen und Beschränkun37 Schünemann, GA 95, 201 (215). 38 Prittwitz, StV 91, 435 (438, 439); vgl. dazu auch Beck, Risikogesellschaft. 39 Schünemann, GA 95, 201 (21\); zum Umweltstrafrecht vgl. Backes, .rZ 73, 337 (339); P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (191) m.w.N.; Kuhlen, ZStW \05 (1993), 697 (698). 40 Vgl. Prittwitz, StV 91, 435 (439); vgl. in bezug auf das Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht und die dort sichtbar werdende potentielle Behinderung einer effektiven Kriminalpolitik durch die traditionellen individuellen Zurechnungsvoraussetzungen des herkömmlichen Strafrechts Hassemer, ZRP 92, 378 (382); in bezug auf das Umweltstrafrecht vgl. auch Backes, JZ 73, 337 (339). 41 Zur diesbezüglichen Auffassung des Ver! siehe unten, S. 171 ff.

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

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gen, die es sich gewissennaßen selbst auferlegt, eine nachhaltig erfolgversprechende und wirksame Verfolgung weitgehend aus. Weil das 'klassische' Strafrechtsbild durch die (venneintliche) Herausforderung der "neuen Gefahren" überfordert ist42 , kann mit den Mitteln des herkömmlichen Strafrechts keine tragfllhige Brücke zwischen Rechtsstaatlichkeit und effektiver Strafverfolgung geschlagen werden 43 •

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen Gesetzgeber, Richter und Wissenschaftler haben die gesellschaftlichtechnische Entwicklung und die damit einhergehende Überforderung des 'klassischen' Strafrechts als taugliches Steuerungsmittel rur die von dieser Entwicklung ausgehenden Gefahren keineswegs übersehen, sondern Maßnahmen ergriffen und ihrerseits einen Wandel des Strafrechts eingeleitet, der seit geraumer Zeit andauert und teilweise sogar tendenziell zunimmt. Das RStGB wurde den wechselnden Verhältnissen und Bedürfnissen der Zeit durch zahlreiche Änderungen immer wieder angepaßt44 • Um in dem "Kampf' gegen die neuen Herausforderungen an das Strafrecht nicht vorschnell zu resignieren und der Kriminalität nicht tatenlos ungehinderte Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, wird versucht, das Strafrecht mit neuen Sanktionsinstrumentarien und strafprozessualen Eingriffsmöglichkeiten auszustatten, also gewissennaßen ein 'modemes' Strafrecht rur fortschrittliche Kriminalität zu schaffen und damit ein neues Strafrechtsbild herzustellen. Nachfolgend wird anhand ausgewählter Beispiele der Versuch unternommen, aufzuzeigen, daß das Strafrecht materiell-rechtlich45 , gesetzestechnisch und kriminalpolitisch Veränderungen unterworfen ist, die allesamt durch die 42 Vgl. Naucke, KritV 90, 244 (254): "Den Widerspruch zwischen Humanität (Machtbegrenzung) und Effektivität (Machtstärkung) hält das rechtsstaatliche Strafrecht nicht aus"; ähnlich P. -A. Albrecht, NJ 94, 193 (196). 43 Hassemer, StV 95, 483 (484) nennt im übrigen zutreffend als Grund für die Überforderung des Strafrechts die "Verflüssigung der Rechtsgüter". 44 Jescheck, Einführung, S. IX. 45 Die nachfolgend beschriebenen materiellrechtlichen Veränderungen werden von flankierenden formellrechtlichen Änderungen begleitet. Diese prozessualen Erneuerungen (d.h. Erweiterung der staatlichen Eingriffsbefugnisse, Einschränkungen der Verteidigerrechte etc.; eine Übersicht findet sich bei Frehsee, StV 96, 222 (225f.) sollen im Rahmen dieser Arbeit im Interesse der angestrebten thematischen und räumlichen Begrenzung jedoch nicht erörtert werden. Weiterführende Hinweise dazu etwa bei Frehsee a.a.O.; Hassemer, StV 95, 483; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 72 Rdn. 5 -26 m.w.N. 9 Park

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

gemeinsame Tendenz gekennzeichnet sind, den Versuch der Modernisierung des Strafrechts zu unternehmen, um damit ein taugliches und zeitgemäßes Reaktionsmittel zu erschaffen.

1. Änderungen der formalen Ausgestaltung von Strafgesetzen

Das Strafrecht hat sich zunächst hinsichtlich der fonnalen Ausgestaltung seiner Tatbestandsfonnulierungen verändert.

a) Zunehmende Tatbestandsausgestaltung als Gefährdungsdelikte

Zu beobachten ist im materiellrechtlichen Bereich die Zunahme von Gefährdungsdelikten 46 • Insbesondere die Deliktsfonn der abstrakten Gefährdungsdelikte erlangt immer mehr Bedeutung. Dieser Bedeutungszuwachs läßt sich im wesentlichen dadurch erklären, daß Gefährdungsdelikte dem Richter die Rechtsanwendung erheblich erleichtern: Durch den Verzicht auf den Nachweis einer Rechtsgutsverletzung entfällt auch das bisweilen bei Erfolgsdelikten auftretende Problem, die Kausalität einer Handlung für die Rechtsgutsverletzung zweifelsfrei zu belegen 47 • Im Verhältnis zum Verletzungsdelikt findet somit beim Gefährdungsdelikt (und beim abstrakten noch um einiges weitergehend als beim konkreten Geflihrdungsdelikt) eine deutliche Reduzierung der Stratbarkeitsvoraussetzungen statt48 • Verdeutlichen läßt sich die Tendenz zur zunehmenden Tatbestandsausgestaltung als (abstrakte) Gefährdungsdelikte 49 gut am Beispiel des Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 50. 51, dessen Nonnierung überwiegend in Fonn abstrakter Gefähr46 Frehsee, StV 96,222 (227); Naucke. KritV 93, 135 (145); Prittwitz, StV 91, 435, 440 (Fn. 49). WeIche Gefährdungsdelikte gegenüber dem RStGB neu eingefLigt wurden, beschreibt Berz, Tatbestandsverwirklichung, S. 53f. (Fn. 2 - 4). 47 Hasserner. ZRP 92,378 (381); ders., Arth. Kaufmann-FS, 85 (89); vgl. auch dens., NStZ 89,553 (558) sowie dens., JuS 92, 110 (113). 48 Hasserner, ZRP 92, 378 (381); ders., in: AK, vor § I Rdn. 400. 49 Diese Tendenz ist allgemein unbestritten, vgl. nur AK-Hassemer, vor § I Rdn. 482; ders., ZRP 92,378 (381); ders., NStZ 89,553 (558); ders., Arth. Kaufmann-FS, 85 (89); P.-A. Albrecht. NJ 94, 193 (196); Berz, Tatbestandsverwirklichung, S. 53f.; Dreher/Tröndle. vor § 13 Rdn. 13a; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 225; Roxin. AT-I, § 11 Rdn. 113; Schünemann. GA 95,201 (205). 50 18. StRÄndG, in Kraft getreten am 01.07.1980. Vgl. dazu Sack, NJW 80, 1424ff. 51 Ein weiteres Beispiel bietet das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG), das am 01.08.1986 in Kraft trat, vgl. P-A. Albrecht, KritV 88, 182(194).

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

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dungsdelikte erfolgte 52 • So heißt es bezeichnenderweise explizit zu dieser Gesetzestechnik: "Zu begrüßen ist, daß das Gesetz die Tatbestände, soweit wie möglich, als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet. Damit werden die oft unüberwindbaren Schwierigkeiten beim Nachweis einer konkreten Gefiihrdung oder Schädigung vermieden". 53 Erreicht werden soll mit dem Vordringen der Gefiihrdungsdelikte ein verbesserter Rechtsgüterschutz durch eine Vorverlagerung der Stratbarkeit54. 55. F. Herzog stellt zudem die plausible These auf, daß die zunehmende Bedeutung von - insbesondere abstrakten - Gefiihrdungsdelikten partiell als eine Reaktion auf "gesellschaftliche Orientierungsunsicherheiten angesichts von Innovationen, Komplexitätszuwächsen, Strukturwandel, UmbrUchen sei es im ökonomischen oder technologischen Bereich, in der kulturellen Ordnung oder im ethisch-moralischen und politischen Grundkonsens" verstanden werden könne 56 •

52 Vgl. dazu P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (188). 53 Sack, NJW 80, 1424. 54 W. Becle, Unrechtsbewußtsein, S. 87; Berz, Tatbestandsverwirklichung, S. 55 und passim; F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 71; abweichend Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 19f.; vgl. dazu i.e. ferner die Ausführungen unten, S. 139f.

55 Jakobs (ZStW 97 (1985),751 (767ff.» stellt in diesem Zusammenhang eine differenzierende Betrachtung an und unterscheidet zwischen zwei Gruppen von abstrakten Gefährdungsdelikten. Zunächst gebe es die (wiederum aus zwei Untergruppen bestehende) "Abteilung" abstrakter Gefährdungsdelikte, die sich dadurch auszeichne, daß das gefährliche Verhalten bereits vollständig vollzogen worden sei. Diese Gruppe zeichne sich nicht durch eine den allgemeinen Regeln widersprechende Vorverlagerung der Strafbarkeit aus; bei ihr sei die Vorverlagerung nicht größer als beim beendeten Versuch, also kleinstmöglich. Daneben gebe es jedoch noch eine weitere Gruppe abstrakter Gefährdungsdelikte, bei der ein Verhalten unter Strafe gestellt werde, das "ohne ein nachfolgendes und seinerseits deliktisches Verhalten überhaupt nicht oder doch nur deutlich eingeschränkt gefährlich wäre". Bei dieser Form abstrakter Gefährdungsdelikte finde eine über die allgemeinen Regeln hinausgehende Vorverlagerung statt, was besonders problematisch sei, weil hier ein Verhalten kriminalisiert werde, das zwar potentiell gefährlich sei, bei dem die Realisierung der Gefahr jedoch erst durch Taten drohe, die vielleicht noch nicht einmal geplant seien. Als Beispiel für diese Form abstrakter Gefährdungsdelikte nennt Jakobs § 52 WaffG (S. 769f.). Trotz der beschriebenen Unterschiede sind n,ach Jakobs beide Gruppen von abstrakten Gefahrdungsdelikten durch die Gemeinsamkeit gekennzeichnet, daß sie sämtlich insoweit eine Vorverlagerung der Strafbarkeit begründeten, als es zur Vollendung auf eine Rechtsgutsverletzung nicht ankomme (S. 767f.). 56 F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 54; ähnlich Kuhlen, GA 94, 347 (366); vgl. dazu auch Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 156ff. 9'

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

Ein Beispiel für die Tatbestandskonzeption in Form von GeHihrdungstatbeständen aus jüngster Vergangenheit ist die durch das OrgKG ins StGB eingefügte neue Strafvorschrift der Geldwäsche (§ 261), bei der die Tathandlungen mit Ausnahme des Vereitelungstatbestandes als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind s7 • So läßt sich insgesamt die Deliktsform des abstrakten Gefährdungsdelikts als typisches Kennzeichen des 'modemen' Strafrechts einordnen s8 . b) Trend zu unbestimmten Tatbeständen Des weiteren zeichnet sich die Strafgesetzgebung der letzten Jahrzehnte durch den erkennbaren Trend aus, Tatbestände ungenau zu formulieren s9 . So wird etwa beklagt, der Gesetzgeber verwende zunehmend unbestimmte Rechtsbegriffe und generalklauselartige Formulierungen 6o . Naucke konstatierte bereits 1975: "Der Mangel an Genauigkeit in Strafgesetzgebung, Strafrechtsanwendung und Strafrechtswissenschaft nimmt ZU"61 und: "Die Strafgesetzgebung hat so etwas wie eine Neigung zu ungenauen Gesetzen entwickelt"62. Teilweise sei diese Ungenauigkeit auf das Ansinnen zurückzuführen, im Hinblick auf weitergehende Zugriffsmöglichkeiten auf den Straftäter mehr Macht durch flexiblere Gesetze zu erhalten 6J . Individuelle Rechte des Straftäters, die Frage nach persönlicher Zurechnung und Verantwortung für die Taten würden dadurch zurückgedrängt, was als Zeichen größerer Gleichgültigkeit des Gesetzgebers gegenüber individuellen Rechten zu werten sei 64 • Die gleichzeitig zu beobachtende gegenläufige Tendenz zu über-genauen Gesetzen, die durch eine gesetzgeberische Neigung zutage trete, in Teilbereichen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts perfektionistische und subtile 57 Barton, StV 93,156 (163, Fn. 84 a.E.). 58 Ebenso Frehsee, StV 96, 222 (227); Hassemer, ZRP 92, 378 (381), der darüber hinaus pointiert konstatiert: "Konkrete Gefahrdungsdelikte oder gar Verletzungsdelikte scheinen überholt zu sein". 59 Achenbach, JuS 80, 81 (88). 60 AK-Hassemer, vor § I Rdnrn. 494ff.; ders., Coing-FS I, 493 (503); Zipf, Kriminalpolitik, S. 99. Krey, Keine Strafe, Rdn. 120 m.w.N. spricht von der "Flucht in die Generalklausel" und vom "legislatorischen Trend zum ungenauen Strafrecht". 61 Naucke. Tendenzen, S. 50. 62 Naucke, Tendenzen, S. 51. 63 Naucke, Tendenzen, S. 58; ebenso Krahl, Bestimmtheitsgebot, S. 394. 64 Prittwitz, StV 91, 435 (440, Fn. 49); Naucke, Tendenzen, S. 58; Krahl. Bestimmtheitsgebot, S. 394.

H. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

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Regelungen zu treffen65 , habe keineswegs die Bedeutung einer wirklichen Gegentendenz, da eine besonders gen aue Gesetzgebung nur dort anzutreffen sei, wo keine rechtspolitischen und auf die Rechtsanwendung bezogenen Probleme zu erwarten seien, also etwa bei Regelungen technischer Art66 • Sei sich die Gesetzgebung ihrer Sache nicht ganz sicher, sei dagegen mit ungenauen Tatbestandsformulierungen zu rechnen 67 • Für die festgestellte Entwicklung zu einem ungenauen Strafrecht und unbestimmten Tatbestandsformulierungen lassen sich zahlreiche Beispiele anfilgen. Genannt werden etwa die §§ 129, 129a68 ; 13069 ; 40ff., 59ff., 68 70 sowie § 302a71 • Aus der jüngsten Vergangenheit ist das OrgKG zu nennen, das nicht nur die Vermögensstrafe, sondern auch den Tatbestand der Geldwäsche (§ 261) neu ins StGB eingefilgt hat. § 261 ist tatbestandlich so weit gefaßt, daß er vom Wortlaut her teilweise sogar klassische Austauschgeschäfte des täglichen Lebens erfaßt72 . Durch die Ungenauigkeit der Vorschrift erstreckt sich die Strafbarkeit auf einen weiten Bereich sozial üblicher Geschäftstätigkeit, was zum einen verfassungsrechtliche Probleme aufwirft73 und zum anderen wegen des Ausmaßes der durch § 261 hervorgerufenen Kriminalisierungen zwangsläufig zu erheblichen Vollzugsdefiziten filhrt 74 • Doch auch der die Vermögensstrafe regelnde § 43a bzw. die seinen Anwendungsbereich eröffnenden Verweisungstatbestände passen sich dem Trend zur strafgesetzlichen Ungenauigkeit an: § 43a wirft - wie bereits ausgefilhrt 75 wegen der fehlenden absoluten Strafrahmenbegrenzung die (letztendlich zu bejahende76) Frage der Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 11 GG auf. Darüber hinaus ist festzusteHen, daß

65 Naucke, Tendenzen, S. 56f. 66 Naucke, Tendenzen, S. 58f. 67 Naucke, Tendenzen, S. 59.

68 Vgl. nur Prittwitz, StV 91, 435 (440, Fn. 49). 69 Amelung, ZStW 92 (1980), 19 (57). 70 Naucke, Tendenzen, S. 51. 71 Zipf, Kriminalpolitik, S. 99.

72 Vgl. dazu Barton, StV 93, 156ff., der auf S. 156 instruktive Beispiele anführt und für die einzelnen "Tatbestände" des § 261 jeweils eine teleologische Reduktion vorschlägt, um zu erträglichen Ergebnissen zu gelangen (S. 159ff.). 73 Vgl. dazu Barton, StV 93, 156 (158). 74 Ebenso Barton, StV 93, 156 (158). 75 Vgl. dazu oben, S. 60. 76 Vgl. oben, S. 63ff.

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2. Teil - A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

weder § 43a noch die auf ihn verweisenden Tatbestände 77 eine Begrenzung der Anwendbarkeit auf Täter der organisierten Kriminalität enthalten, wie sie bei einem "OrgKG" möglicherweise erWartbar gewesen wäre 78 • Dadurch ist der Anwendungsbereich der Vermögensstrafe sehr weit gefaßt und keinesfalls nur auf der organisierten Kriminalität zugehörige Täter beschränkt. Letztendlich läuft dies darauf hinaus, daß etwa unter den Verweisungstatbestand des § 244a sogar relativ harmlose Kleinbanden fallen, die Einbruchsdiebstähle begehen, oder daß unter den Verweisungstatbestand des § 30 c BtMG auch ein Einzeitäter fallt, der einmalig unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel treibt, so daß gegen diese Täter die Vermögensstrafe verhängt werden kann, sofern man jeweils eine Straferwartung von mehr als zwei Jahren zugrunde legen kann. Auch diese erhebliche Weite des Anwendungsbereichs des § 43a 79 ist letztlich ein Aspekt der unpräzisen Formulierung von Strafgesetzen. Begründen läßt sich dieser Trend zur ungenauen Gesetzgebung neben den eingangs genannten Begründungsansätzen von Naucke 80 und Krahfd l mit dem gesetzgeberischen Streben nach Aktualität; entscheidend ist das Ziel, dem "Wandel der Verhältnisse" Rechnung zu tragen 82 • Durch eine ungenaue Gesetzesformulierung werden den Rechtsanwendern Entscheidungsspielräume eröffnet, die auch bei sich wandelnden Verhältnissen gerechte Einzelfallentscheidungen und eine zeitgerechte Weiterentwicklung des Gesetzeswillens ermöglichen 83 • Zutreffend stellt Krahl fest, daß "ein ungenaues Strafgesetz ermöglicht, auf neue Erscheinungsformen strafwür9igen Verhaltens sofort reagieren zu können, ohne erst das aufwendige und zeitraubende demokratische Gesetzgebungsverfahren abwarten zu müssen. Das ungenaue Strafgesetz

77 Gleiches gilt flir den ebenfalls durch das OrgKG ins StGB eingeflihrten § 73d und dessen Verweisungstatbestände. 78 Enthielte § 43a oder die entsprechenden Verweisungstatbestände ein Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit von Täter und konkreter Tatbegehung zur organisierten Kriminalität, so stellte sich dann natürlich das Problem der Operationalisierbarkeit des unbestimmten Begriffs der "organisierten Kriminalität". Dies Problem bedarf hier jedoch keiner Ausflihrungen, da vorliegend nur aufgezeigt werden soll, wie ausufernd der Anwendungsbereich der Vermögensstrafe ohne eine solche Tatbestandsbegrenzung sein kann. 79 Hassemer, ZRP 92,378 (380) spricht von der "ungebändigten Vermögensstrafe". 80 Nachweise oben (2. Teil), Fn. 63. 81 Nachweise oben (2. Teil), Fn. 63. 82 Süß, in: FrKrimlnst (Hrsg.), Vom unmögl. Zust. d. Strafrechts, S. 207 (220). 83 AK-Hassemer, § I Rdn. 19; ebenso Backes, KritV 86, 315 (341): Die Normen müssen "weich, flexibel, unscharf und konturlos sein, um für die jeweiligen Zweckdurchsetzungen funktionalisiert werden zu können".

H. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

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läßt so die direkte Reaktion des Richters auf soziale Veränderungen ZU"84. Eine unbestimmte Gesetzesfassung gewährt somit eine flexible Rechtsanwendung.

2. Veränderte Bedingungen strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes

Auch bezogen auf den Rechtsgüterschutz ist das Strafrecht einem Wandel unterworfen. Durch diesen Wandel wird ein erweiterter Rechtsgüterschutz bewirkt. a) Erweiterter Rechtsgüterschutz insbesondere durch Aufnahme neuer und Veränderung bestehender Rechtsgüter in das StGB

In der Reformdiskussion der letzten Jahrzehnte hat eine entscheidende Rolle das Prinzip des Rechtsgüterschutzes gespielt8s . Strafrecht ist danach nur insoweit legitimierbar, als es zur Sicherung des Rechtsfriedens unerläßlich ist; diese Voraussetzung ist nur dort erfilllt, wo "schützenswerte Güter der Gesellschaft" beeinträchtigt werden 86 . Diese Erkenntnis, daß das Strafrecht nur bestimmte vorgegebene Rechtsgüter, nicht jedoch bloße Moralwidrigkeiten schützen dürfe, hat auf der einen Seite teilweise zu einer Einschränkung der Strafbarkeit geführt, zu nennen ist insoweit insbesondere das Sexualstrafrecht87 . Der Gesetzgeber hat sich auf der anderen Seite jedoch auch den gegenwärtigen Herausforderungen gegenüber flexibel gezeigt und verfolgt mit einer begonnenen (und noch fortwährenden) Umwandlung des Strafrechts auch im Rechtsgüterschutzbereich das Ziel, "das Strafrecht so umzugestalten, daß es dem Wandel der sozialen Verhältnisse im Zeitalter der Massengesellschaft, der Technik und der Geflihrdung der menschlichen Existenz durch die Umweltzerstörung besser gerecht werden kann"88. Bewirkt werden soll damit eine Ausweitung der Strafbarkeit in bestimmten Bereichen 89 . Die Veränderungen im Rechtsgüterschutzbereich sind an der "Neuentdeckung" bestimmter Rechtsgüter und deren strafrechtlicher Schutzwürdigkeit gut zu exemplifizieren.

84 Krahl, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 307; ihm folgend Süß, in: FrKrimInst (Hrsg.), Vom unmögl. Zust. d. Strafrechts, S. 207 (220). 85 Roxin, AT-I, § 2 Rdn. 2. 86 Volk, JZ 82, 85 (86). 87 Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 41; Roxin, AT-I, § 2 Rdnrn. 2f., 12. 88 Jescheck/Weigend, AT, § 11 IV 2 a; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 41. 89 Naucke, KritV 93, 135 (145); vgl. auch Frehsee, StV 96, 222 (225/227).

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2. Teil - A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

Neue Rechtsgüter wurden für strafrechtlich schützenswert befunden und ins StGB bzw. in strafrechtliche Nebengesetze aufgenommen 9o • Neue Tatbestände wurden geschaffen, und bereits bestehende Tatbestände wurden neugefaßt, um einen erweiterten Rechtsgüterschutz zu ermöglichen 91 • Zu nennen sind insoweit insbesondere die Straßenverkehrs-, Umwelt- und Betäubungsmitteldelikte sowie Computer- und bestimmte Wirtschaftsdelikte92 . Diese Erweiterung des Rechtsgüterschutzes - insbesondere gegenüber dem 'klassischen' RStGB - läßt sich darauf zurückfuhren, daß einige Rechtsgüter erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit bekannt sind, etwa der Straßenverkehr oder der Schutz von Datenverarbeitungsvorgängen vor unbefugten Eingriffen 93 • Ferner gründet sie sich auf eine im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmende Sensibilisierung des gesellschaftlichen und gesetzgeberischen Bewußtseins im Hinblick darauf, daß die Entwicklungen der modernen Industriegesellschaft als unvermeidliche "Nebenfolge des technischen Fortschritts bisher unbekannte Großgefahren und damit ein Potential zur Selbstzerstörung entwickelt" haben 94 • Aus dieser "Bewußtseinserweiterung" resultiert ferner eine Veränderung der Qualität der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter. Während der 'klassische' Rechtsgüterschutz insbesondere bestimmte Individualinteressen vonjedermann 95 zum Gegenstand hatte, befaßt sich der 'moderne' Rechtsgüterschutz vornehmlich mit den Interessen einer hochtechnisierten, komplexen Gesellschaft96 • Sofern Individual interessen bei Gesetzesänderungen oder -neufassungen geschützt werden sollen, geschieht dies zumeist auf dem Wege der Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Bereich, in dem tatsächlich noch keine Rechtsgutsverletzung stattgefunden hat, wobei der Gesetzgeber die

90 Hassemer. Coing-FS I, 493 (505) nennt paradigmatisch das Wirtschafts- und das Umweltstrafrecht; zu weiteren Beispielen vgl. dens., Theorie, S. 75; Naucke, KritV 93,

135 (145). 91 Hassemer. StV 95, 483; Naucke, KritV 93,135 (145).

92 Einen Überblick über die Erneuerung des Besonderen Teils des StGB liefert Jescheck, Einflihrung, S. XXV-XXXIII.

93 Weitere Beispiele bei Achenbach, JuS 80, 81 (84); - nach Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 175 betreffen die neu hinzugekommenen Verbote in erster Linie die drei G~genstandsbereiche Straßenverkehr, Wirtschaftsleben und umweltrelevantes Verhalten, also "gen au die Lebensbereiche, in denen die "gewaltigen Veränderungen' stattfinden, die das Strafrecht herausfordern". 94 Beck, Risikogesellschaft, S. 29 und passim; Prittwilz, StV 435 (438). 95 Etwa Gesundheit, Freiheit, Eigentum und Ehre. 96 Hassemer, Einführung, S. 275; ders., ZRP 92, 378 (381); ders., StV 95, 483 (484); Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245; vgl. auch Frehsee, StV 96, 222 (225); Volk, JZ 82, 85 (87) und P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (194).

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

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VorverJagerung regelmäßig mit Gefiihrlichkeitsvermutungen legitimiert97 . Eine treffende Zusammenfassung dieses Trends zum Schutz überindividueller Interessen findet sich bei Hassemer, der pointiert sagt: "Moderner Rechtsgüterschutz ist Schutz von Universalrechtsgütern in möglichst plakativer Umschreibung"98. Diese Entwicklung stellt die Reak-tion auf die Anforderungen der modemen "Risikogesellschaft"99 dar, welche nicht mehr durch Individualgefahren, sondern vornehmlich durch "Großstörungen" gekennzeichnet ist lOo • In der modemen Risikogesellschaft bedarf es - so hat es den Anschein, wenn man die gesetzgeberische Entwicklung verfolgt lO1 - weniger des Schutzes vor individuellen Verletzungen wie Totschlag, Körperverletzung, Betrug oder Sachbeschädigung als vielmehr des Schutzes vor überindividuellen Universalrechtsgutsverletzungen, als da zu nennen sind etwa lO2 die (vermeintliche) Bedrohung durch die organisierte Kriminalität, der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, der Schutz der ökologischen Lebensbedingungen sowie der Volksgesundheit lO3 • Strafrechtlicher Eingriff wandelt sich damit von punktueller Repression in globale Prävention 104, wie auch im folgenden Abschnitt verdeutlicht werden soll.

97 Vgl. dazu Dencker, StV 88, 262ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff., jeweils mit erläuternden Beispielen. 98 Hassemer, Einführung, S. 275 (Hervorhebung im Originaltext); ebenso ders., NStZ 89, 553 (557); Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245, Fn. 49. 99 Vgl. dazu grundlegend Beck, Risikogesellschaft. 100 Frehsee, StV 96, 222 (227); Hassemer, Einführung, S. 276; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245 und passim; See/mann, KritV 92, 452 (453ff.). 101 Frehsee, StV 96, 222 (225) m.w.N. stellt insofern eine "Inflation kaum noch konkretisierbarer Rechtsgüter" fest. 102 Weitere Beispiele bei See/mann, KritV 92, 452 (454). 103 In diesem Zusammenhang wird bisweilen die - m.E. letztlich zu verneinende Frage aufgeworfen, ob und inwieweit es sich bei diesen überindividuellen Rechtsgütern überhaupt um legitime und anerkennenswerte Rechtsgüter handelt, vgl. dazu hinsichtlich der "Volksgesundheit" die treffende Kritik von Köh/er, MDR 92, 739f.; Kuh/en, ZStW 105 (1993), 697 (723) m.w.N. und Hassemer, JuS 92, 110 (113). 104 Hassemer, Einführung, S. 276; ders., NStZ 89, 553 (558).

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b) Rechtsgüterschutz und (normatives) Präventionsinteresse aa) Wandlung der Funktion des Rechtsgüterschutzprinzips vom strafrechtsbegrenzenden Prinzip zum Bestrafungsgebot Im Hinblick auf den Rechtsgüterschutz lassen sich noch weitere Aspekte des strafrechtlichen Funktionswandels erkennen. So läßt sich im 'modemen' Strafrecht etwa die Tendenz feststellen, die Funktion des Rechtsgüterschutzprinzips von einem negativen zu einem positiven Kriminalisierungskriterium hin zu verändern 105. Ursprünglich war nämlich das Prinzip des Rechtgüterschutzes ein strafrechtsbegrenzendes Prinzip, ein negatives Kriminalisierungskriterium insofern, als es einem Gesetzgeber, der sich zur Legitimation seiner Strafgesetze nicht plausibel auf den Rechtsgüterschutz berufen konnte, als Kritik vorgehalten wurde 106 . Dieses Prinzip besagte demnach ursprünglich, daß Strafrecht und Strafgesetze nur dann legitim sind, wenn sie dem Schutz von Rechtsgütern dienen 107. Diese Funktion eines bedingten Bestrafungsverbots wandelt sich jedoch zusehends in ein positives Kriminalisierungskriterium dergestalt, daß mit dem Rechtsgüterschutzprinzip die an den Gesetzgeber gerichtete Aufforderung begründet wird, bestimmte Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen 108. Mit der tatsächlichen oder vermeintlichen Schutzbedürftigkeit von diversen Rechtsgütern wird der Gedanke des Rechtsgüterschutzes zu einem Bestrafungsgebot an den Gesetzgeber erhoben. Ein eigentlich stratbarkeitsbegrenzendes Prinzip kann sich angesichts veränderter Bedingungen und dadurch bedingten veränderten Deutung somit plötzlich auch stratbarkeitsausweitend auswirken 109. Bedenkt man in diesem Zusammenhang, daß der Rechtsgüterschutz wegen der steigenden Anzahl der für schutzwürdig befundenen Rechtsgüter" o eine signifikante Ausdehnung erfährt, so leuchtet ein, daß auch

105 Hassemer, ZRP 92,378 (380); ders., Arth. Kaufmann-FS, 85 (86ff.); i. E. ebenso Prittwitz, StV 91, 435 (438). 106 Hassemer, ZRP 92, 378 (380); ders., NStZ 89, 553 (557); ders., Arth. Kaufmann-FS, 85 (87); Prittwitz, StV 91, 435 (438). 107 Vgl. nur Prittwitz, StV 91,435 (438); Volk JZ 82,85 (86). 108 Hassemer, ZRP 92, 738 (380), der als plausible Beispiele hierfür die Vorgabe des BVerfG in seinem sog. "ersten Fristenlösungsurteil" (1975), die Abtreibung weitgehend unter Strafe zu stellen (BVerfGE 39, I (46ff.», sowie die häufig vertretene Forderung nach der Schaffung eines Sexualdelikts für die "Vergewaltigung in der Ehe" anführt. 109 Prittwitz, StV 91, 435 (438). 110 Vgl. dazu oben, S. 135ff. sowie Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245, der konstatiert: "Das neue Strafrecht der Großsteuerung schützt mehr und andere Rechtsgüter".

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dieser Funktionswandel des Rechtsgüterschutzprinzips zu einem Bestrafungsgebot hin eine Ausweitung der Strafbarkeit zur Folge hat.

bb) Vorfeldverlagerung des Strafrechtsschutzes Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die zunehmende Verlagerung der Strafbarkeit ins Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung \\\ . Durch die Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes soll die Verhinderung von potentiell schädigendem Verhalten bereits zu einem Zeitpunkt ennöglicht werden, bevor es zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist ll2 . Dem liegt die Hoffnung zugrunde, daß die Vorverlagerung der Strafbarkeit eine erhöhte Abschreckungswirkung und überdies - wegen der früheren Einsetzbarkeit eine Erweiterung von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zur Folge haben könnte" 3 • Der Gesetzgeber bedient sich gesetzestechnisch zweier Wege, um die Vorverlagerung der Strafbarkeit zu erreichen. Zum einen gestaltet er - wie oben bereits ausgeführt" 4 - zunehmend Tatbestände als (abstrakte) Gefiihrdungsdelikte aus llS . Hier ist die Strafbarkeit. insofern vorverlagert, als bestimmtes gefährliches Verhalten als vollendete Tatbestandserfllllung unter Strafe gestellt wird, ohne daß es zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen sein muß" 6 • Der andere Weg, den der Gesetzgeber zur Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes beschreitet, liegt in der strafrechtlichen Erschließung eines staatlichen Eingriffsbefugnissen herkömmlich entzogenen Bereichs, nämlich des "Bereichs der geistigen Auseinandersetzung und Diskussion, aus dem sich eine kritische oder ablehnende Haltung gegenüber den herrschenden Verhältnissen ergeben könnte"lI7. So sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend Delikte ins StGB aufgenommen worden, die Verhaltensweisen pönalisieren, welche geeignet sind, ein "Klima" herzustellen, in dem die Bereitschaft zur Verwirklichung bestimmten kriminellen Unrechts potentiell gefördert wird" 8 • Jakobs 11 9 hat für 111 Naucke. KritV 93, 135 (145). 112 Süß, in: FrKrimInst (Hrsg.), Vom unmögl. Zust. d. Strafrechts, 207 (221). 113 Süß. in: FrKrimInst (Hrsg.), Vom unmögl. Zust. d. Strafrechts, 207 (221). 114 Vgl. oben, S. 130ff. 115 Seelmann, KritV 92, 452 (454). 116 Vgl. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (768). 117 P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (201). 118 W Beck, Unrechtsbegründung, S. 112; Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (774). 119 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (774ff.).

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diese Deliktsgruppe den Begriff der "Klimaschutzdelikte" aus der Taufe gehoben, als klassische Beispiele nennt er § 126 (Androhung von Straftaten) und § 140 Nr. 2 (Billigung von Straftaten), die beide das Schutzgut "öffentlicher Friede" in ihrem Wortlaut enthalten 120. Gemeinsam ist diesen Tatbeständen der "argumentative und planungsorientierte Bezug auf eine vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Unrechtsverwirklichung"121. Diese Entwicklung der Vorverlagerung der Strafbarkeit durch den strafrechtlichen Zugriff auf Verhaltensweisen, die der klassischen Rechtsgutsverletzung vorgelagert sind, geht offensichtlich einher mit dem Trend, statt individueller vermehrt überindividuelle Rechtsgüter strafrechtlich zu schützen 122. Dies zeigt sich etwa an dem geschützten Rechtsgut der Klimaschutzdelikte, die eben nicht Individualrechtsgüter, sondern das Gemeinschaftsgut des spezifischen "psychischen Klimas" des öffentlichen Friedens schützen sollen.

cc) Präventionszweck als Legitimationsgrundlage Begünstigt wird diese Entwicklung durch die gegenwärtig ebenfalls zu beobachtende Tendenz, das Strafrecht nicht mehr als ultima, sondern als so la oder prima ratio zur Lösung gesellschaftlicher Probleme einzusetzen 123. Mit dem Bewußtsein neuer Großgefahren als Nebenfolge des technischen Fortschritts der Industriegesellschaft erlangt das Strafrecht eine Vorreiterrolle zur Steuerung dieser Großgefahren 124. Dies äußert sich insbesondere darin, daß bei aktuellen Großgefahren und gesellschaftlichen Großstörungen häufig umgehend der Ruf nach dem Strafrecht und dem Strafgesetzgeber ertönt 125 • Die Legitimation des Strafrechts erfolgt dabei über die beabsichtigte und in Aussicht gestellte Herbeiführung bestimmter Folgen, weIche zur Problembe120 Des weiteren rechnetJakobs auch die §§ 241, 130, 131, 80a, 111, 129, 129a zu den Klimaschutzdelikten, vgl. Jakobs, ZStW 97 (1985), 75 I, 774 und passim). 121 W Beck, Unrechtsbegründung, S. 112; P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (201) nennt in diesem Zusammenhang den "Oberbegriff Kommunikationsunrecht" und führt als weiteres Beispiel § 130a an. 122 Vgl. Seelmann, KritV 92, 452 (453f.); Volk, JZ 82, 85 (87), der paradigmatisch für das Wirtschaftsstrafrecht § 264 und § 265b nennt, sowie Hassemer, NStZ 89, 553 (557). 123 Hassemer, ZRP 92,378 (380); ders., JuS 92, 110 (113). 124 Prittwitz, StV 91, 435 (438); ähnlich Frehsee, StV 96, 222 (227); Hassemer, NStZ 89,553 (558); ders., StV 95, 483 (485); vgl. dazu auch oben, S. 136f.

125 Hassemer, ZRP 92,378 (380); ders., StV 95, 483 (485); Prittwitz, StV 91, 435 (438).

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wältigung und zur günstigen Beeinflussung der Kriminalität führen sollen 126. Die Bedenken und Einwände aus den traditionellen Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Straf- und Strafprozeßrechts werden mit dem starken Aufklärungs- und Strafverfolgungsinteresse an vermeintlich besonders geflihrlicher Kriminalität zurilckgedrängt 127 • Belastende Folgen strafrechtlicher Eingriffe werden unter Hinweis auf den akuten Problemlösungsbedarf und die Notwendigkeit der umgehenden Ergreifung erfolgversprechender Maßnahmen zur Beseitigung der immensen Gefahren, denen der Staat und die Gesellschaft ausgesetzt sind, gerechtfertigt 128. Diese Orientierung an externen Folgen in Form von möglichst wirksamer Kriminalitäts"bekämpfung" und effektiver Strafverfolgung ist ein typisches Merkmal des präventiven Strafrechts 129. Den für die Strafverfolgung zuständigen Organen sollen nicht durch strenge rechtsstaatliehe Vorgaben die Hände in einem Maße gebunden sein, aufgrund dessen der Kampf gegen bestimmte kriminelle Erscheinungsformen nicht mehr aussichtsreich geführt werden kann. Im Gegenteil sollen die Strafverfolgungsbehörden für den Kampf gegen die Kriminalität gewappnet sein, um erfolgreich arbeiten zu können. Zur Ermöglichung des Erreichens dieses Ziels werden die gesetzlichen Eingriffsbefugnisse schrittweise erweitert, wobei die rechtsstaatlichen Vorgaben so weit wie möglich gesenkt werden, um die Effektivität der Strafverfolgung nicht unnötig zu beschneiden. Es findet eine Wende vom repressiv-limitierenden zum präventiv-gestaltenden Strafrecht statt l3o. Der liberale Rechtsstaat erflihrt eine präventive Aufrüstung, indem er sich zum "sozialen Interventionsstaat" 13 1 wandelt, der nicht mehr auf den bloßen Einsatz repressiver Sanktionen beschränkt ist, sondern darüber hinaus Qualitäten einer Sozialpolitik aufweist, die "sanierende und prävenierende Wirkungen" entfaltet 132 • Das Strafrecht wird im Interesse kriminalpolitischer Ziele instrumentalisiert, ohne daß jedoch die dafür erforderlichen Legitimationsgrundlagen hinreichend gesichert sind 133 • Die Verschärfung des Strafrechts wird mit der 126 Vgl. Hassemer, Coing-FS I, 493 (503). 127 Hassemer, JuS 87, 257 (259) erläutert dies am Beispiel des sog. V-Manns. 128 Vgl. P.-A. Albrecht, NJ 94, 193 (194): "Materielle und formelle Sicherungen des Strafrechts fallen einem wachsenden präventiven Ejjizienzdenken zum Opfer." (Hervorhebungen im Originaltext); ähnlich Backes, KritV 86, 315 (341); vgl. speziell zum Betäubungsmittelstrafrecht auch Hassemer, JuS 92, 110 (112f.). 129 Hassemer, JuS 87, 257 (260,261). 130 P.-A. Albrecht, KritV 86,55 (58); ähnlich Hassemer, StV 95, 483 (486). 131 P.-A. Albrecht, KritV 86, 55 (58). 132 P.-A. Albrecht, KritV 86, 55 (60). 133 Vgl. auch Backes, KritV 86, 315 (340), der "die stille Ablösung der Kriminal-

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dringenden Notwendigkeit gerechtfertigt, angesichts erheblicher Gefahren für den Staat und die Gesellschaft durch moderne Kriminalität gegen diese mit dem "Schwert des Strafrechts" scharf vorzugehen; die bisher zur Verfugung stehenden strafrechtlichen Mittel werden als unzureichend und erneuerungssowie erweiterungsbedürftig dargestellt. Um im Kampf gegen die Kriminalität nicht chancen los zu sein, seien schärfere und effektivere Mittel erforderlich, schließlich müsse endlich etwas getan werden J34 • Dabei wird die Überzeugung vermittelt, man verfuge sowohl über das Wissen hinsichtlich der ungelösten Konflikte als auch über die Mittel, die man zur Lösung dieser Konflikte benötigt J3s • Tatsächlich jedoch ist gerade die Effektivität neuer strafrechtlicher Instrumentarien oftmals zweifelhaft und umstritten, wie etwa die Diskussion um den "großen Lauschangriff' oder auch das Beispiel der Vermögensstrafe zeigen. Dadurch aufkeimende Zweifel an der Legitimität des Strafrechtseinsatzes werden von dem (vermeintlich) enormen Ausmaß der von den modernen, fortschrittlichen Kriminalitätsformen ausgehenden Gefahren überlagert und verdeckt J36 . Teilweise entsteht der Eindruck, daß die vorgeblich vorhandenen Gefahren um jeden Preis verhindert werden sollen; der Zweck scheint dabei zunehmend die Mittel zu heiligen 137 . Verdeutlichen läßt sich der vorstehend erhobene Befund gut am Beispiel der Vermögensstrafe, die sich in den zuletzt genannten Trend nahtlos einfugt. Ihrer Einführung lagen die Ausgangsüberlegungen zugrunde, daß der wachsenden Bedrohung durch die organisierte Kriminalität mit dem bestehenden gesetzlichen Instrumentarium kein wirksames Mittel entgegengesetzt werden könne, um das Ausmaß der Gefahr zu verringern 138. Den "Kampf' gegen die organisierte Kriminalität könne man erfolgreich nur durch einen möglichst umfassenden Zugriff auf mutmaßliche Verbrechensgewinne fuhren; da das besondere Gewinnstreben die Haupttriebfeder der organisierten Kriminalität darstelle, müsse eine effektive Gewinnabschöpfung den Ansatzpunkt für die OK-"Bekämpfung" bilden. Die gegen die Vermögensstrafe im Hinblick auf

politik von gesetzlichen Bestimmungen und kompetentiellen Zuweisungen unter Inanspruchnahme der Prävention als scheinbare Legitimationsgrundlage ftir den angestrebten oder schon vollzogenen Wandel" beklagt. 134 So eine insbesondere aus Polizeikreisen häufig zu vernehmende Forderung, vgl. etwa in bezug auf organisierte Kriminalität Stümper, Kriminalistik 85, 8ff.; Zachert, Kriminalistik 90, 622ff. 135 Hassemer, Coing-FS 1,493 (504). 136 Prittwitz, StV 91, 435 (438). 137 Hassemer, ZRP 92, 378 (380); ähnlich P.-A. Albrecht, N.l94, 193 (194). 138 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden oben, S. 29f. sowie die dort angegebenen Nachweise.

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deren Rechtsstaatlichkeit und Effektivität erhobenen Bedenken 139 waren dem Gesetzgeber zum ganz überwiegenden Teil bereits während der Entwurfsberatungen zu § 43a bekannt. Dennoch hielt er unverändert an der Vermögensstrafe fest, weil sie die staatlichen Eingriffsbefugnisse erweiterte (etwa in Form des Verzichts auf den oft sehr mühseligen Nachweis der Illegalität des Vermögenserwerbs) und er sich davon eine wirksamere "Bekämpfung" der organisierten Kriminalität versprach. Als Legitimationsgrundlage für die Verschärfung des Strafrechts in diesem Bereich diente immer wieder die Betonung der besonderen Gefahr durch die OK, der man nur durch eine massive Strafrechtsverschärfung - u.a. in Form der Vermögensstrafe - Herr werden könne. Für die erhoffte Gewinnabschöpfungswirkung war ferner der Gedanke tragend, daß Verbrechen sich nicht lohnen dürfen und deliktisch erworbene Vermögensvorteile zurückgegeben werden müssen l40 • Die Beherrschung der Einführung der Vermögensstrafe von präventiven Interessen liegt damit auf der Hand. 3. Exkurs: Trend zum symbolischen Strafrecht

Eine weitere beachtenswerte Entwicklung der Strafgesetzgebung läßt sich in einer Zunahme symbolischen Strafrechts erblicken. Der Begriff des symbolischen Strafrechts wird in der Literatur vielfältig verwandt, zunehmend scheint sich jedoch eine systematische Einteilung in vier verschiedene Erscheinungsformen durchzusetzen 141.

a) Erscheinungsformen

aa) Gesetzgeberische Wertbekenntnisse Zunächst kann ein Strafgesetz symbolische Funktion dadurch erhalten, daß in einem Gesetzgebungsakt "primär und in bekenntnishafter Weise" Wertentscheidungen zum Ausdruck gebracht werden, wobei der Gesetzgeber die Ineffektivität der Norm von vornherein bewußt in Kauf nimmt l42 • Der Gesetz-

139 Vgl. dazu oben, Teil I dieser Arbeit. 140 NK-H.-J. Albrecht, StGB, § 43a Rdn. 8. 141 Grundlegend Voß. Symbolische Gesetzgebung, S. 25-34; ihr folgend Hassemer. NStZ 89, 553 (554); ähnlich auch Schild. Weimar-FS, 195 (I 97f.); Prittwitz. Strafrecht und Risiko, S. 255-259; teilweise abweichend Amelung, ZStW 92 (1980), 19 (49-61); Seelmann, KritV92, 452 (460ft). 142 Voß. Symbolische Gesetzgebung, S. 26; Noll. ZSchwR 81, 347 (355).

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geber strebt beim Rechtssetzungsakt keine Effektivität an, sondern er verkündet ein Ideal, von dem er weiß, daß er es nicht erreichen kann l41 . Als typisches Beispiel für diese Form symbolischer Gesetzgebung wird die Abtreibungsgesetzgebung genannt l44 . Die Funktion des Strafrechts beschränkt sich dabei auf die symbolische Repräsentation einer Wertordnung und Ideologie '45 ; es geht indessen nicht darum, ob das Gesetz tatsächlich durchsetzbar ist '46 .

bb) Gesetze mit (moralischem) Appellcharakter Eine weitere Erscheinungsform symbolischer Gesetzgebung liegt vor, wenn der Gesetzgeber seine Werturteile von vornherein appellativ zum Ausdruck bringt, ohne den Anspruch zu erheben, mit der Verbotsnorm unmittelbar Verhaltensänderungen zu bewirken 147. Typisches Beispiel hierfür ist das Umweltstrafrecht '48 . Indem der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften des Umweltstrafrechts, die bereits durch Regelung in Nebengesetzen strafbar waren, in das StGB aufgenommen hat, wollte er die gesellschaftliche Bedeutung der Umweltkriminalität bewußtseinsweckend hervorheben, um auf Dauer erzieherische und damit generalpräventive Wirkungen zu entfalten 149. Darauf wird in der amtliche Begründung explizit hingewiesen: "Jedoch kann eine Einstellung in ein so bekanntes Gesetz wie das Strafgesetzbuch gleichwohl die gesetzgeberische Bewertung der mit Strafe bedrohten Handlungen, insbesondere ihre Gefährlichkeit, besser verdeutlichen. Zugleich wird dadurch das Bestreben erleichtert, diese Norm verstärkt in das Bewußtsein der Bevölkerung zu heben und in der Praxis durchzusetzen" 150. Das Symbolische an dieser Form von Gesetzgebung besteht darin, daß der eigentliche Sinn eines solchen Strafgesetzes nicht in der Ermöglichung strafrechtlicher Verfolgung bestimmter

143 Noll, ZSchwR 81, 347 (355). 144 Amelung, ZStW 92 (1980), 19 (56); Hassemer, NStZ 89, 553 (554); Hegenbarth, ZRP 81, 201f; Noll, ZSchwR 81, 347 (358); Steinert, Broda-FS, 335 (354); Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 26 m.w.N. 145 Schild, Weimar-FS, 195 (198); vgl. dazu auch Hegenbarth, ZRP 81,201 (202). 146 Steinert, Broda-FS, 335 (354). 147 Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 28. 148 Hassemer, NStZ 89, 553 (554); Schild, Weimar-FS, 195 (197) m.w.N.; Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 28. 149 Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 28 m.w.N.; vgl. auch Hegenbarth, ZRP 81. 201 (202). 150 BT-Drs. 8/2382, S. 10.

H. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

145

Verhaltensweisen liegt, sondern in der Sensibilisierung der Bevölkerung - wie im Beispiel des Umweltstrafrechts durch eine Hochwertung der Strafbarkeit nach dem StGB gegenüber einer nebengesetzlichen Strafbarkeit l51 .

cc) Ersatzreaktionen des Gesetzgebers: Alibigesetze, Krisengesetze Der Symbolcharakter einer gesetzlichen Bestimmung kann sich des weiteren in sogenannten "gesetzgeberischen Ersatzreaktionen" zeigen 152. Den Begriff "Ersatzreaktion" hat in diesem Zusammenhang Noll geprägt, indem er ein aus der Ethologie bekanntes Phänomen aufgegriffen hat, welches beschreibt, daß Tiere, die an der Befriedigung eines bestimmten Triebes gehindert werden, diesen Trieb spontan symbolisch durch Ersatzhandlungen abreagieren 153. Noll beruft sich dabei auf den Ethologen Konrad Lorenz, der diese Ersatzreaktion als Ergebnis der ganz primitiven Einsicht beurteilt, daß in bestimmter Richtung etwas unternommen werden müsse l54 . Diese Art von Ersatzreaktionen ist nach Noll auch im menschlichen, sogar im gesetzgeberischen Bereich anzutreffen: Probleme, die unlösbar sind, werden symbolisch gelöst l55 • Dem liegt der Umstand zugrunde, daß emotionale Stimmungen in der Bevölkerung wie etwa Angst oder Empörung so virulent sein können, daß sie in der Lage sind, gesetzgeberische Aktivitäten auszulösen l56 . Treffend wird dieses Phänomen bei Roxin beschrieben: "Beim Auftreten sozialer Störungen erwarten große Teile der Bevölkerung, daß zu ihrer Beseitigung unverzüglich etwas geschehe, und die Politiker sind - besonders vor Wahlen - nur allzu leicht geneigt, durch den Einsatz von Strafrecht den Eindruck entschlossenen Handelns auch dort zu erwecken, wo eine Strafnorm zur Lösung des Problems gar nichts beitragen kann"157. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Art von Gesetzgebung das Ziel, sich selbst als handlungsfähig zu präsentieren und das Volk zu

151 Schild, Weimar-FS, 195 (197) m.w.N.; vgl. auch Nol/, ZSchwR 81, 347 (358), der diese Hochwertung als "plakative Funktion von Normen" bezeichnet. Dieser Aspekt klingt auch an bei Backes, JZ 73, 337 (342). 152 Nol/, ZSchwR 81,347 (360ff.); Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 3If.; ebenso Hassemer, NStZ 89, 553 (554). 153 Nol/, ZSchwR 81, 347 (360f.). 154 Nol/, ZSchwR 81, 347 (36Of., 362). 155 Nol/, ZSchwR 81, 347 (361). 156 Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 32 m.w.N. 157 Roxin, JA 80, 545 (547); ihm folgend Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 32. 10 Park

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2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

beruhigen l58 . Klassisches Beispiel fur diese Alibi- und Krisengesetzgebung ist die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus l59 .

dd) Kompromißgesetze Die nach der vorgenommenen Einteilung vierte Erscheinungsform symbolischen Strafrechts sind die sog. Kompromißgesetze l6o • Sieht sich der Gesetzgeber durch den von Gruppeninteressen erzeugten Handlungsdruck unter Zugzwang gesetzt, hat er aber auf der anderen Seite auch - etwa aus Prestigegründen - widerstreitende Interessen anderer Gruppen zu berücksichtigen, legt er diesen Konflikt oft entweder dadurch bei, daß er zwar ein Gesetz erläßt, diesem jedoch hinreichende Instrumente zu seiner Durchsetzbarkeit verweigert l61 , oder aber er verwendet Generalklauseln oder unbestimmte Rechtsbegriffe, in die von den jeweiligen Interessengruppen beliebig das ihnen Passende und Wünschenswerte hineininterpretiert werden kann l62 • Die Kompromißgesetze zeugen so vorgeblich vom "harten Ringen des Gesetzgebers um die Befriedigung eines 'Handlungsbedarfs'" 163, ohne jedoch den zugrunde liegenden Interessenwiderstreit tatsächlich sinnvoll aufzulösen.

b) Zunahme symbolischen Strafrechts Die vorstehend genannten Erscheinungsformen symbolischer Gesetzgebung sind im Strafrecht in den letzten Jahrzehnten vermehrt anzutreffen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind der Umstand des wachsenden Präventionsdrucks, für den symbolisches Strafrecht kurzfristig Erleichterung

158 Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 32; vgl. auch Schild. Weimar-FS. 195 (198). 159 Hassemer. NStZ 89.553 (554); Voß. Symbolische Gesetzgebung, S. 32; weitere Beispiele nennen No//, ZSchwR 81,347; 361 f.; Amelung. ZStW 92 (1980), 19 (59f.) . . 160 Hassemer. NStZ 89, 553 (554); Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 33 m.w.N.; vgl. auch Amelung. ZStW 92 (1980). 19 (55) und Hegenbarth. ZRP 81. 201 (202). 161 Amelung, ZStW 92 (1980), 19 (55) m.w.N.; Voß. Symbolische Gesetzgebung, S.33. 162 Voß. Symbolische Gesetzgebung. S. 33 m.w.N.; vgl. dazu auch Hegenbarth. ZRP 81, 20 I (202). 163 Hassemer. NStZ 89,553 (554).

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

147

verspricht, und die für das 'modeme' Strafrecht typischen Vollzugsdefizite, die einen realen strafrechtlichen FunktionsverIust bewirken 164. Betrachtet man die Strafgesetzgebung der letzten Jahrzehnte, so stellt man unschwer fest, daß sich der zunehmende Anteil symbolischen Strafrechts weniger auf die positiven symbolischen Aspekte im Sinne einer offenen und erwünschten Symbolsetzung durch Strafrecht erstreckt, also die Fälle, in denen sich der Gesetzgeber deutlich zum symbolischen Charakter des Strafgesetzes bekennt. Prittwitz führt für diese offene Symbolsetzung paradigmatisch die Vorschrift des § 220a an, "deren instrumenteller Einsatz von vornherein unwahrscheinlich war, deren symbolische Wirkung nach innen und außen erwünscht war"165. Diese Art von Symbolik ist unproblematisch und insbesondere vor dem Hintergrund tolerierbar, daß alle Strafgesetze einen mehr oder minder ausgeprägten symbolischen Charakter haben, indem sie auf die Bewußtseinsbildung des einzelnen einwirken sollen 166. In der Zunahme symbolischen Strafrechts zeigt sich vielmehr vor allem ein anderer, negativer Aspekt l67 ; Bloß symbolisch, nicht wirklich wird etwas getan. Entscheidendes Merkmal dieser Form symbolischer Gesetzgebung ist das Element der Täuschung, der "gleißnerischen Vorspiegelung gesetzlicher Effektivität und Instrumentalität", wobei unter Täuschung nicht Dispositionen im Sinne von gesetzgeberischen Absichten und Motiven zu verstehen ist, sondern eine objektive Qualität des Gesetzes l68 . Der symbolische Gehalt der Norm wird dabei durch das Maß bezeichnet, in dem die latenten Funktionen der Norm die manifesten Funktionen überwiegen, d.h. dadurch, daß die von der Norm bezeichneten Regelungsziele andere sind als die tatsächlich zu erwarten-

164 AusflihrIich dazu Hassemer, NStZ 89, 553 (556ff.); ders., ZRP 92,378 (381f.); vgl. auch Prittwitz, StV 91, 435 (439); See/mann, KritV 92, 452 (455ff.). 165 Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 256; die von ihm genannte Vorschrift ist allerdings kein allzu gutes Beispiel flir symbolische Strafgesetzgebung speziell in Deutschland, denn § 220a StGB geht auf die UN-Konvention v. 09.12.1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes zurück; die Einfligung dieser Vorschrift in das StGB ist also die Ausflihrung einer Verpflichtung, die die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beitritt zu der Konvention eingegangen ist. 166 Roxin, AT-I, § 2 Rdn. 22; ebenso Barton, NJW 94,1098 (I 100). 167 Es sei an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, daß keine umfassende Erörterung der mit der Problematik des symbolischen Strafrechts zusammenhängenden spezifischen Fragestellungen beabsichtigt ist, da dies nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Es soll hier lediglich der Versuch unternommen werden, eine Tendenz hinsichtlich der 'modernen' Gesetzgebung aufzuzeigen. 168 Hassemer, NStZ 89,553 (556). 10"

148

2. Teil- A. Kriminalpolitische Einordnung der Vermögensstrafe

den l69 • Durch dieses Täuschungselement zeichnet sich die 'modeme' Strafgesetzgebung vermehrt aus 170. Beispiele dieses besonderen Gesetzgebungsphänomens finden sich in zahlreichen neueren Strafgesetzen; zu nennen sind insoweit paradigmatisch das Umwelt- und das Wirtschaftstrafrecht, das Betäubungsmittelstrafrecht oder etwa die strafrechtlichen Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes l71 sowie der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e) 172. Auch das OrgKG wird - insoweit völlig zu Recht - als Beispiel für symbolisches Strafrecht genannt: Es gehe hier - wie bei der Terrorismusgesetzgebung - weniger darum, tatsächlich eine effektive Verringerung der betreffenden Delikte zu erreichen, sondern im Vordergrund stehe vielmehr eine Sensibilisierung von Öffentlichkeit und politisch Verantwortlichen für diese "angstauslösenden Kriminalitätsformen", um damit die Forderung nach der Erweiterung der Ermittlungs- und Zwangsbefugnisse staatlicher Strafverfolgungsbehörden zu untermauern und zu legitimieren l7J . Diese Art symbolischer Gesetzgebung ist umso problematischer, je mehr objektive Täuschungselemente sie enthält, da sie die ureigene strafrechtliche Aufgabe, Rechtsgüterschutz zu betreiben, dann immer weniger zu leisten vermag 174 • Enthält sie ein hohes Maß an Täuschungselementen oder verhindert sie die Lösung eher, als daß sie sie fördert, muß sie als unzulässig beurteilt werden 175 • c) Der symbolische Gehalt des § 43a

Untersucht man die Vorschrift des § 43a auf ihren symbolischen Gehalt, so wird man nur schwerlich fündig. Bezogen auf konkretes Vermögen entfaltet die Vorschrift keineswegs nur symbolische, sondern durchaus - und für den jeweils Betroffenen sehr wohl spürbare - instrumentelle Funktion. Etwas anders verhält es sich hinsichtlich des Vergleichs zwischen den von der Norm bezeichneten Regelungszielen und deren tatsächlich zu erwartender Erreichung im Hinblick auf die gesamte organisierte Kriminalität: Zwar wird mit der 169 Grundlegend und ausführlich dazu Hassemer, NStZ 89,553 (556). 170 Hassemer, NStZ 89, 553 (556).

171 Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 257; Frehsee, StV 96, 222 (227); zum Betäubungsmittelstrafrecht vgl. Hassemer, JuS 92, 110 (112). 172 Vgl. dazu Barton, NJW 94, 1098: "symbolisches Fanal", insb. S. 1100. 173 Frehsee, StV 96, 222 (226f.). 174 Ähnlich Roxin, AT-I, § 2 Rdn. 22; vgl. auch Barton, NJW 94, 1098 (1100 und Fn. 38), der zutreffend darauf hinweist, daß entscheidend für die Grenzziehung die Auffassung ist, inwieweit man dem Strafrecht eine "sittenbildende Kraft" zuerkennt (was m.E. zu verneinen ist).

175 Barton, NJW 94, 1098 (1100).

11. Reaktionen auf neue gesellschaftliche Bedingungen

149

Vennögensstrafe das Ziel einer spürbaren Beeinträchtigung der organisierten Kriminalität verfolgt, doch ist dieses Unterfangen wegen der tatsächlich festgestellten Ineffektivität der Vorschrift selbst dann von vornherein nahezu aussichtslos, wenn § 43a entgegen der massiven rechtsstaatlichen Bedenken so weitgehend und instrumentell eingesetzt wird, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt 176 • Dies könnte als ein objektives Täuschungselement interpretiert werden, so daß insoweit in der Vennögensstrafe durchaus ein Stückweit symbolisches Strafrecht gesehen werden kann 177. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß der Gesetzgeber nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich ein möglichst wirksames Mittel zur "Bekämpfung" der organisierten Kriminalität zur Verfllgung stellen wollte; er wollte gewissennaßen der venneintlichen Bedrohung für Staat und Gesellschaft durch die OK mit der Vennögensstrafe "um jeden Preis" Einhalt gebieten, und zwar denn aßen bedingungslos, daß er sogar die rechtsstaatlich vorgegebenen Grenzen dabei verletzt hat. Darin wird man ein Maß an Täuschung, das auf ein unzulässiges symbolisches Strafrecht hinausläuft, nicht erblicken können. Eisenberg sieht in § 43a eine "schon wegen der weitgehenden ( ... ) Subsidiarität gegenüber §§ 73 ff. StGB ( ... ) (zumindest auch) symbolisch bedeutsame Regelung 178. Der Hinweis auf die in § 43a I 2 niedergelegte Subsidiarität der Vennögensstrafe gegenüber den Verfallvorschriften vennag im Hinblick auf den Symbolgehalt des § 43a jedoch entgegen Eisenberg nicht viel auszusagen. Denn gerade weil die bestehenden Möglichkeiten des Verfalls nicht als ausreichend angesehen wurden, sollte mit der Vennögensstrafe ein zusätzliches - möglichst wirksames - Instrument fllr den Zugriff auf das Tätervennögen geschaffen werden. Der Vorrang der Verfallvorschriften gründet sich u.a. lediglich darauf, daß der Verfall keine Strafe im technischen Sinn darstellt und deswegen einen geringeren Eingriff bedeutet, gegenüber dem die eigentliche Strafe als ultima ratio subsidiär ist. Rückschlüsse auf den Symbolgehalt des § 43a gestattet er damit nicht.

Symbolische Funktion weist die Vennögensstrafe allenfalls insoweit auf, als sie - wie das OrgKG insgesamt I79 - einen bewußten Rechtssetzungsakt zur sichtbaren OK-"Bekämpfung" in dem Sinne darstellt, daß der Gesetzgeber nach außen ein beabsichtigtes Zeichen und somit ein Symbol dafür setzen wollte, daß es ihm ernst sei mit der OK-Verfolgung. Da in diesem - generalprä-

176 Vgl. dazu oben, S. 29 - 32. 177 So ausdrücklich Th. Schmidt. JuS 95, 746 (747); Eisenberg, Kriminologie, § 23 Rdn.8. 178 Eisenberg, Kriminologie, § 33 Rdn. 26. 179 Zum symbolischen Gehalt des OrgKG siehe Frehsee, StV 96, 222 (226f.).

150

2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

ventiven - Sinne alle Strafgesetze mehr oder minder einen symbolischen Gehalt aufweisen 180, ist hierin jedoch nichts Ungewöhnliches zu erblicken.

III. Fazit Die Ausgangsfrage, ob die Vermögensstrafe ein typischer Bestandteil des 'modernen' Strafrechts ist, der sich nahtlos in andere neue strafrechtliche Modernisierungsentwicklungen einfügt, ist zu bejahen. Als typische Kennzeichen 'modernen' Strafrechts weist die Vermögensstrafe ein hohes Maß an Tatbestandsungenauigkeit (in Form eines nicht absolut begrenzten Anwendungsbereichs), Praventionsausrichtung, Erweiterung von staatlichen Eingriffsbefugnissen und Zurückstellen rechtsstaatlicher Bedenken auf. § 43a ist damit Teil einer allgemein feststellbaren strafrechtlichen Entwicklung, die sich von dem 'klassischen' Individual- und Schuldstrafrecht zunehmend entfernt. Dieses 'moderne' Strafrecht soll nachfolgend kritisch gewürdigt werden, wobei das Hauptaugenmerk auf die Vermögensstrafe gerichtet wird.

B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts I. Bestandsaufnahme - Lösungsansätze

Wie gezeigt, liegt der festgestellten Veränderung des Strafrechts ein von den sich ebenfalls verändernden gesellschaftlichen und technischen Bedingungen ausgehender massiver Handlungsdruck zugrunde. Die durch den Wandel der Zeit bedingten Neuerungen bergen neue Gefahren für die Gesellschaft und bedeuten somit eine ganz neue Herausforderung für das Strafrecht, auf die mit einer Anpassung des Strafrechts reagiert werden muß. So sieht jedenfalls die Situationsbeschreibung aus, die der Öffentlichkeit (und teilweise umgekehrt auch wieder von der Öffentlichkeit) präsentiert wird und mit der der vermeintlich akute Handlungsbedarf begründet wird. Die Modernisierung des Strafrechts stellt danach eine unumgängliche Notwendigkeit dar, will man den staatlichen Strafverfolgungsanspruch weiterhin ernstnehmen. Diese angebliche Notwendigkeit der Erweiterung des Strafrechts soll im weiteren etwas näher beleuchtet werden, um zu erhellen, ob es sich dabei letztendlich tatsächlich um eine Notwendigkeit handelt oder ob sie nur scheinbar existiert und in Wahrheit den Blick auf andere, aussichtsreichere und erfolgversprechendere Lösungen versperrt. 180 Nachweise oben, Fn. 166.

I. Bestandsaufnahme - Lösungsansätze

151

Zur Beantwortung dieser Frage erscheint es hilfreich, Überlegungen dahingehend anzustellen, wohin der gegenwärtig beschrittene Weg hinsichtlich der Umwandlung des Strafrechts führt. Die vorstehend geschilderten strafrechtlichen Erneuerungen und Veränderungen gehen - abgesehen von wenigen Ausnahmen '81 - zum ganz überwiegenden Teil in dieselbe Richtung. Sie stellen einen "Entformalisierungsprozeß des Strafrechts"182 dar, der darauf hinausläuft, daß die subjektiven Beschuldigtenrechte zunehmend dezimiert werden, während die Strafverfolgungsorgane mit immer weiterreichenden Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden. Die rechtsstaatlichen Konturen werden sukzessive aufgeweicht, wobei eine Verschärfung und Ausweitung der strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten feststellbar ist. Diese Entwicklung ist scheinbar deswegen notwendig, weil zahlreiche der neuen gesellschaftlichen Herausforderungen mit den herkömmlichen Mitteln des 'klassischen' Strafrechts nicht effektiv bewältigt werden können. Ob die derzeit feststellbare Umwandlung des Strafrechts besser geeignet ist, die modeme Kriminalität angemessen zu verfolgen, erscheint indessen sehr fraglich. Strafrecht kann nicht das Allheilmittel zur Bereinigung sozialer Störungen sein. Soweit es sich bei abweichendem Verhalten, das Rechtsgüter beeinträchtigt und damit die Rechtsgemeinschaft tangiert, um individuell zurechenbare Verletzungen von klaren, fest umrissenen Rechtsgütern handelt, kann das Strafrecht der Lösung bestimmter sozialer Konflikte dienen und nach dem Rechtsgüterschutzgedanken legitimiert werden. Dieses Strafrecht ist jedoch durch den Anspruch, Strafverfolgung immer nur auf rechtsstaatliche, justizförmige Weise zu betreiben, begrenzt. Durch rechtsstaatliche Prinzipien wie etwa das Schuldprinzip erlegt sich das Strafrecht in gewissem Sinne selbst Schranken auf, da viele dieser Beschränkungen der Ausfluß von system immanenten Vorgaben sind. Diese auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Begrenzungen führen dazu, daß das Strafrecht bestimmte Formen von sozialen Störungen und

181 Nicht unerwähnt bleiben sollen die positiven Entwicklungen wie etwa die liberalisierung des (Moral-) Sexual strafrechts oder - wenn auch schon etwas länger zurückliegend - die Einführung der Freiheitsstrafe als Einheitsstrafe sowie die Erweiterung der Strafaussetzung zur Bewährung. In bezug auf die .,Entformalisierung im leichteren Deliktsbereich" weist Frehsee. StV 96. 222 (225), zutreffend darauf hin. daß diese "wesentlich wegen der Flut des Geschäftsanfalls. teilweise aber wohl auch aus Einsicht in die sozialstrukturelle Ungewichtigkeit der Strafverfolgung" in diesem Bereich erfolgt. 182 Hasserner, Einführung, S. 274ff.: ders.. JuS 92. 110 (113); Naucke. KritV 93. 135 (158).

152

2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

Konflikten nicht angemessen lösen kann l83 . Hohe rechtsstaatliche Anforderungen, die bei der Strafverfolgung eingehalten werden müssen, stehen in bestimmten, besonders komplex gelagerten Fällen einer effektiven Strafverfolgung entgegen. Setzen beispielsweise rechtsstaatlich zulässige Strafen den Nachweis von individueller Schuld oder Verfallanordnngen den Nachweis der Illegalität der Vermögenszugehörigkeit voraus, so ist es bei einer hochgradig vernetzten Tätergruppenstruktur mit zahlreichen Aktionen zur Verschleierung der Vermögensherkunft mitunter unmöglich, die für eine den rechtsstaatlichen Vorgaben genügende Verurteilung bzw. Verfallsanordnung erforderliche Beweisführung lückenlos und zweifelsfrei durchzuführen. Auch bei einem hohen Maß an Arbeitsteiligkeit und Organisation wie in großen Unternehmen kann die individuelle Zurechnung von rechtswidrigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen mitunter nahezu unmöglich sein, so daß auch hier ein strafrechtlicher Zugriff unter rechtsstaatlichen Aspekten extrem schwierig sein kann. Kurzum: Das rechtsstaatliche Strafrecht hat seine Grenzen, deren Einhaltung die effektive Strafverfolgung in bestimmten Bereichen nachhaltig erschwert und partiell sogar völlig vereitelt. Der Umgang mit dieser Situation kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen l84 : Zunächst kann man den Fällen, die die Grenzen des rechtsstaatlichen Strafrechts übersteigen, einen akuten strafrechtlichen Regelungsbedarf zuerkennen und ihrer effektiven "Bekämpfung" Vorrang einräumen. Die konsequente Umsetzung dieses Weges hat zwangsläufig zur Folge, daß die Grenzen des Strafrechts verschoben und rechtsstaatliche Barrieren abgebaut werden, daß durch Absenken der Anforderungen an Zurechnung, Schuld- und Tatnachweis die Möglichkeiten des strafrechtlichen Zugriffs erweitert werden und daß durch Erweiterung der staatlichen Eingriffsbefugnisse unter gleichzeitiger Verringerung subjektiver Beschuldigtenrechte die Rahmenbedingungen für ein ergebnisorientiertes, am Ziel der "Effektivität um jeden Preis" ausgerichtetes Strafrecht geschaffen werden. Die zweite Möglichkeit, mit dem Problem der Diskrepanz zwischen erwünschter Effektivität der Strafverfolgung einerseits und der Einhaltung rechtsstaatlicher Vorgaben andererseits umzugehen, ist die bewußte Akzeptanz des Umstandes, daß ein rechtsstaatliches Strafrecht seine Grenzen hat und daß es bei Beachtung dieser Grenzen kein Allheilmittel zur Bewältigung sämtlicher gesellschaftlicher Herausforderungen sein kann. Bei diesem Lösungsweg wird der Rechtsstaatlichkeit eindeutig der Vorrang eingeräumt. Das rechtsstaatliche

183 Prittwitz. Strafrecht und Risiko, S. 384. 184 Ähnlich in bezug auf das .. Risikostrafrecht'· Prittwitz. Strafrecht und Risiko. S. 370ff.

11. Bürger- und Feindstrafrecht

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Strafrecht stellt dabei eine außergewöhnliche Errungenschaft unseres Gemeinwesens dar, die Verkörperung eines besonderen Wertes in einer freiheitlichen, verantwortungsbewußten Gesellschaft. Diesem Wert kommt eine so hohe Bedeutung zu, daß es um seinetwillen sogar in Kauf genommen wird, daß durchaus strafwürdige Handlungen und schuldige Täter vereinzelt nicht bestraft werden können. Es soll keine (materielle) Gerechtigkeit um jeden Preis erreicht werden. Konsequenz dieses Dogmas ist es, eine Besinnung auf die rechtsstaatlichen Grenzen des Strafrechts vorzunehmen und nur innerhalb dieser das Strafrecht einzusetzen. Das bedeutet nun aber keineswegs, daß gegenüber sozialschädlichem Verhalten, das außerhalb dieser Grenzen liegt, resigniert wird. Vielmehr finden Bemühungen statt, ohne Abweichen von den rechtsstaatlichen Vorgaben konstruktiv mit den beschränkten strafrechtlichen Möglichkeiten umzugehen, sei es durch das Bestreben, das vorhandene strafrechtliche. Instrumentarium wirksamer einzusetzen oder außerstrafrechtliche Wege zur Problembewältigung zu beschreiten. Diese Strafrechtsform ist dabei durchaus flexibel, es ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, bei neu erkannten Gefahren für bestimmte Rechtsgüter neue Straftatbestände zu schaffen. Voraussetzung ist jedoch stets, daß der Einsatz des Strafrechts ein taugliches, am ultima-ratio-Prinzip ausgerichtetes Mittel ist (d.h. es muß ein wirkliches Stratbedürfnis bestehen, und die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts muß strafwürdig sein) und daß der entsprechende Straftatbestand in eine streng rechtsstaatliche Form gekleidet wird. Vergleicht man nun die eingangs beschriebene Entwicklungstendenz des Strafrechts - sich vom 'klassischen' Strafrecht mehr und mehr entfernend und in ein 'modernes' Strafrecht wandelnd - mit den bei den vorstehend genannten Lösungsmodellen, so kann man unschwer erkennen, daß das 'moderne' Strafrecht der ersten Kategorie zuzuordnen ist: Ergebnisorientierung und kompromißloses Effektivitätsbemühen stehen im Vordergrund. Nachfolgend soll erläutert werden, warum aus der Sicht des Verfassers diese festzustellende Entwicklung sehr kritisch zu beurteilen ist.

11. Bürger- und Feindstrafrecht

Das 'klassische' rechtsstaatliche Strafrecht ist idealtypisch am Bild des vom rechten Weg abgekommenen Bürgers orientiert, den es zu Rechtsbewußtsein und Rechtschaffenheit zurückzuführen gilt. Dieses Strafrecht beruht auf einem freiheitlichen Staat-Bürger-Verhältnis, in dem der Staat seine Bürger prinzipiell nicht als gefährlich, sondern als rechtstreu versteht, jedenfalls solange, bis durch den sicheren Nachweis der Begehung einer Straftat das

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2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

Gegenteil festgestellt ist l85 • Erst wenn der Bürger seine Freiheit durch eine Straftat mißbraucht hat, kann der Staat repressiv reagieren 186, wobei diese Reaktion nicht auf Ausgrenzung des Bürgers aus der Rechtsgemeinschaft ausgerichtet ist, sondern darauf, den Bürger dahin zurückzuflihren, in freier sozialer Verantwortung ein in die Rechtsgemeinschaft eingegliedertes rechtstreues Leben fuhren zu können. Diese Form des freiheitlichen rechtsstaatlichen Strafrechts läßt sich auch als "bürgerliches Strafrecht" oder "Bürgerstrafrecht" bezeichnen 187. Indem das Strafrecht sich auf die beschriebene Art und Weise vom 'klassischen' in ein 'modernes' Strafrecht verwandelt, vollzieht es auch eine Abkehr vom Bürgerstrafrecht. An dessen Stelle tritt zunehmend ein "Feindstrafrecht" 188. Dieses Strafrecht zeichnet sich dadurch aus, daß es den Bürger in erster Linie als Gefahrenquelle, als Sicherheitsrisiko versteht, der durch seine potentielle Gefährlichkeit zum Feind der Rechtsordnung wird und den es durch präventive Gesetzgebung und scharfen strafrechtlichen Einsatz seiner gefährlichen Freiheit zu entheben gilt l89 . Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein Problem des Verfahrensrechts, etwa in Form einer zunehmenden 'Verpolizeilichung' der Ermittlungen, vielmehr läßt sich diese Entwicklung auch auf materiellrechtlicher Ebene nachzeichnen, und zwar sowohl auf Straftatvoraussetzungs- 190 als auch auf Rechtsfolgenseite l91 • Dieses Feindstrafrecht ist damit - anders als das Bürgerstrafrecht - "nicht am Bild des fehlgegangenen Bürgers ausgerichtet, sondern an dem des zum Bösen entschlossenen Feindes der Rechtsordnung"l92. Der Schutz und der Status des Bürgers kommt dem Täter nicht zu, seine SubjektsteIlung wird diminuiert l93 • Getragen ist diese Form des "Rechtsgüterschutzes um jeden Preis" vornehmlich von dem Gedan185 Dencker, StV 88, 262 (263). 186 Dencker, StV 88, 262 (263).

187 Diesen Begriff hat Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff. geprägt; ihm folgend Dencker, StV 88, 262ff. sowie Barton, StV 93, 156 (163). 188 Grundlegend Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff.; ihm folgend P.-A. Albrecht, KritV 88, 182 (202) sowie Barton, StV 93, 156 (163); Dencker, StV 88, 262f[.; Frehsee, StV 96, 222 (227). 189 Dencker, StV 88, 262 (263); ebenso Barton, StV 93, 156 (163), der bezüglich der vom Gesetzgeber zur Erreichung dieses Ziels verwendeten Mittel von "einer Art 'Notstandsrecht''' spricht. 190 Insbesondere, indem die Strafbarkeit durch die Anknüpfung an die (potentielle) Gefährlichkeit des Täters ausgeweitet wird. 191 Durch Strafrahmenerweiterungen und durch Schaffung neuartiger Sanktionen wie der Vermögensstrafe. 192 Dencker, StV 88, 262 (263). 193 Jakobs, ZStW 97 (1985) 751 (756).

H. Bürger- und Feindstrafrecht

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ken der (nonnativen) Prävention, die zur Erreichung eines wirksamen Rechtgüterschutzes beschrittenen Wege bestehen in der Ennöglichung des staatlichen Zugriffs bereits aufgrund von Gefährlichkeitsvennutungen sowie in der Vorverlagerung der Strafbarkeit vor die manifeste Rechtsgutsverletzung l94 • Aus Tätersicht besteht die Besonderheit des Feindstrafrechts in erster Linie darin, daß er einen Teil seiner subjektiven Rechte einbüßt und vennehrt in die Rolle eines Objekts des Strafverfahrens gedrängt wird. Durch die Straftat "verwirkt" er das Recht, vollwertiges und freiverantwortliches Mitglied der Rechtsgemeinschaft zu sein; er wird zum Feind der Rechtsordung erklärt und damit sozial ausgegrenzt l95 • Deutlich wird dies etwa am Beispiel der Todesstrafe 196 , deren feindstrafrechtlicher Charakter offensichtlich ist. Ein aktuelles rur Deutschland geltendes Beispiel ist die gegenwärtige Diskussion um den strafrechtlichen Umgang mit Sexualtätern und deren Resozialisierungsmöglichkeit. Angesichts vereinzelter verhängnisvoller Rückfälle von Sexualtätem, die aufgrund fehlerhafter Prognosen entlassen wurden bzw. Hafturlaub erhielten, wird der Ruf laut, die Möglichkeiten der Wiedererlangung der Freiheit rur die betroffenen Täter drastisch einzuschränken. Zum Schutz weiterer potentieller Opfer wird bewußt in Kauf genommen, daß durch die beabsichtigte äußerst restriktive Handhabe auch solche Täter die Freiheit nicht oder erst wesentlich später wiedererlangen, die zwar tatsächlich bereits geheilt sind, den Ausschluß eines Restrisikos aber natürlich nicht beweisen können. Denn das 'Wegschließen' auch der letztgenannten Täter sei ebenfalls gerechtfertigt, weil diese durch ihre Tat das Recht, vollwertiges Mitglied der Rechtsgemeinschaft zu sein, verwirkt hätten l97 • Bei dieser Interpretation des Feindstrafrechts kommt es nicht etwa darauf an, bestimmte Personen etwa einer besonderen Gesinnung als Feinde der Rechtsordnung unschädlich zu machen, wie dies z.B. in Fällen des politischen

194 Dencker, StV 88, 262 (263f.). 195 Obwohl eine solche Haltung gegenüber Verbrechern zu seiner Zeit durchaus üblich war, nahm schon Schiller Anstoß daran, so bemerkt er in seinem Verbrecher aus verlorener Ehre (S. 4): "Wir sehen den Unglücklichen, der doch eben in der Stunde, wo er die Tat beging, so wie in der, wo er daflir büßet, Mensch war wie wir, flir ein Geschöpf fremder Gattung an, dessen Blut anders umläuft als das unsrige, dessen Wille andern Regeln gehorcht als der unsrige; seine Schicksale rühren uns wenig ... ". 196 Die in Deutschland glücklicherweise abgeschafft ist, siehe Art. 102 GG.

197 Ein ExtrembeispieI flir die feindselige Haltung gerade gegenüber Sexualtätern findet sich in den USA, wo es mancherorts üblich ist, daß Bürger nach der Haftentlassung des Täters in seinem Wohnort Fotos von ihm mit genauer Schilderung der Tat, derentwegen er verurteilt wurde, offentlich aushängen, um ihn bewußt aus der Rechtsgemeinschaft auszustoßen.

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2. Teil- B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modemen' Strafrechts

Strafrechts der Fall sein kann. Der Gesetzgeber will vielmehr bestimmte Verhaltensweisen und Kriminalitätsformen auf jeden Fall sanktionieren, dabei geht sein unbedingter Strafverfolgungswille so weit, daß er bereit ist, um der höheren Effektivität willen die hinter diesen Kriminalitätsformen stehenden Täter gleichsam zu vernichten. Ob der Betroffene unmittelbar vom staatlichen Feindbild erfaßt ist oder nur mittelbar - in dem zuletzt genannten Sinne -, ist im Ergebnis egal, für ihn sind die jeweiligen Auswirkungen letztendlich gleich. Ein Indiz darur, daß der Staat bestimmten Kriminalitätsformen feindlich gegenübersteht, ergibt sich bereits aus der rur den Umgang mit entsprechenden Tätern häufig gewählten Formulierung "Bekämpfung" 198. So ist es denn auch sprachlich kein Zufall, daß das OrgKG in seiner amtlichen Bezeichnung Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität heißt l99 • Dadurch wird deutlich, daß es bei den dieser Kriminalitätsform angehörigen Tätern 200 nicht um lediglich durch sozialschädliches Fehlverhalten aufgefallene Mitglieder, sondern um Feinde der Gesellschaft und der Rechtsordnung geht, die es zu "bekämpfen" und damit zu "besiegen" gilt. Mit dieser Formulierung wird implizit die beabsichtigte Ausgrenzung dieser Täter zum Ausdruck gebracht2O I . Die Begriffsverwendung des "Bekämpfens" muß aus strafjuristischer Sicht umso mehr verwundern, da "bekämpfen" kein (straf-)juristischer Fachterminus ist und die Strafverfolgung sowohl in Gesetzeswortlaut und -begründung als auch in der Praxis sehr wohl ohne ihn auskäme.

198 Vgl. statt vieler die Formulierungen bereits der Aufsatz(unter)titel von Stümper, Kriminalistik 85,8; Rieß, NJ 92, 491; Zachert, Kriminalistik 90, 622 sowie die amtliche Bezeichnung diverser Strafgesetze, etwa erstes und zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1976 bzw. 1986), Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus (1986), Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (1980) oder Verbrechensbekämpfungsgesetz (1994). 199 Für das "Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus" ebenso Dencker, StV 88, 262 (266, Fn. 21). 200 Gerade hinsichtlich der Diskussion um die organisierte Kriminalität stellt Vest, ZStrR 94, 121 (152) fest: "Die bisherige Debatte scheint ... einem Modell symbolischen 'Feindstrafrechts' verpflichtet, das landläufige Legenden zum Verbrechen übernimmt, modeme Formen sozialpsychologischer Mythen des ausgrenzbaren Bösen transportiert und bedrohte Weltbilder durch symbolischen Strafschutz bekräftigt. Als vermeintliche Lösung in der Gefahr favorisiert sie technokratische Strategien eines Sicherheitsstaates ( ... )". 201 Ebenso Köhler/Beck, JZ 91, 797 (799); vgl. auch Naucke, KritV 90, 244 (247): "Das Gerede von der Bekiimpfung des Verbrechers durch Strafen ist nicht rechtsstaatlieh" (Hervorhebung von mir). Hassemer, StV 94, 333 (334) spricht im diesem Zusammenhang von "Brutalität der Sprache".

11. Bürger- und Feindstrafrecht

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Auch § 43a weist Elemente des Feindstrafrechts auf0 2. Die seiner Zielsetzung nach eröffnete Möglichkeit der Vermögenskonfiskation bis hin zur wirtschaftlichen Vernichtung läßt sich nicht als Bestandteil eines freiheitlichen bürgerlichen Strafrechts begreifen. Es wird damit an eine Tradition angeknüpft, die man im Strafrecht unserer Zeit bereits überwunden glaubte, nämlich ein "zügelloses Effizienzdenken nach "totalen" oder absoluten Strafen"203. Darin drückt sich ein bloßes Eliminierungsstreben aus 204 . Ferner widerspricht die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit einer vollständigen Vermögenskonfiskation einem "Strafbegriff, der in der Negation des Verbrechens immer auch die Möglichkeit der Wiedereingliederung ("Resozialisierung") mitenthält"205. Insbesondere die Möglichkeit des umfassenden Vermögenszugriffs auf Verdachtsbasis, die mit rechtsstaatlichen Elementen wie etwa der Unschuldsvermutung unvereinbar ist, stellt ein untrügliches Zeichen der Verminderung der Subjektsstellung des Beschuldigten dar. Der oftmals schwierige Nachweis einer illegalen Vermögensherkunft soll umgangen werden, damit die "überkommene, in der Autonomie des Privateigentums begründete Beweislastverteilung" eliminiert werden kann 206 . Auch die präventive Zielrichtung der Vermögensstrafe, die auf unbedingte Effektivität und Zweckmäßigkeit gerichtet ist und die bereits in Titel und Begründung des Gesetzentwurfs ("Bekämpfung") dominierend zum Ausdruck kommt20 7, stellt ein feindstrafrechtliches Element des § 43a dar: Der Zweck scheint die Mittel zu heiligen 208 . Dabei kommt es weniger darauf an, einzelne konkrete Gesetzesverletzungen zu sanktionieren als vielmehr darauf, die verantwortlichen Personen unschädlich zu machen, weil sie wegen vermeintlicher Zugehörigkeit zur organisierten Kriminalität für gefährlich gehalten werden und damit Feinde der Rechtsordnung sind 209 . Deutlich wird dies an der Zielsetzung des § 43a, dem Täter durch den Zugriff auf mutmaßliche Tatgewinne das Investitionskapital für die Begehung weiterer Straftaten zu entziehen. Daß ihm durch die konfiskatorische Vermögensstrafe aber keineswegs nur ein potentiell zu kriminellen Zwecken einsetzbares Investitionskapital, sondern ebenso die wirtschaftliche Grundlage für ein rechtschaffenes und freiverant202 So ausdrücklich NK-H.-J Albrecht, StGB, § 43a Rdn. 13; vgl. auch Ransiek, StV 96, 446 (448).

203 NK-H.-J A/brecht, StGB, § 43a Rdn. 13. m.w.N. 204 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (799). 205 Köh/er/Beck, JZ 91, 797 (799). 206 Köh/er/Beck, JZ 91, 797 (799). 207 Köh/eriBeck, JZ 91, 797 (799). 208 Hassemer. ZRP 92,378 (380). 209 Ransiek, StV 96, 446 (448).

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2. Teil- B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

wortliches Leben entzogen wird, wird bewußt in Kauf genommen. Wichtiger als das Bemühen um eine erfolgversprechende und chancenreiche Resozialisierung des Täters ist die Beseitigung der von ihm ausgehenden vermeintlichen Gefahr durch Beschneidung seiner Rechtssubjektsstellung. Die Entwicklung zum Feindstrafrecht ist überaus bedenklich, weil mit ihr die Errungenschaften des freiheitlichen und rechtsstaatlichen Strafrechts stufenweise abgebaut werden. Der Beschuldigte wird nicht mehr als ein Bürger behandelt, der trotz seines (kriminellen) Fehlverhaltens weiterhin als Mitglied der Rechtsgemeinschaft angesehen wird bzw. der, falls er (noch) nicht in der Lage ist, seinen Platz in der Gesellschaft eigenverantwortlich ohne Straftaten auszuftillen, dauerhaft dahingeftihrt werden soll. Statt dessen wird er aus der Rechtsgemeinschaft ausgegrenzt, und zwar häufig bereits im Ermittlungsverfahren, also vor dem endgültigen Nachweis einer begangenen Rechtsverletzung. Er verliert damit zumindest partiell seine Subjektsstellung und damit die schützenden Formen der lustizförmigkeit und der Grundrechtswahrung. Es findet eine Degradierung zum Objekt der staatlichen Organe statt; durch Beschneidung seiner subjektiven Rechte ist der Beschuldigte den immer weiterreichenden staatlichen Eingriffsbefugnissen und tatsächlichen Eingriffen mehr oder minder ausgeliefert. Das, was den Rechtsstaat auszeichnet, ist jedoch gerade die Begrenzung der staatlichen Strafgewalt durch Zuerkennung unverbrüchlicher subjektiver Beschuldigtenrechte. Das Strafverfahren und die Gerichtsverfassung sind "kunstvoll und scharfsinnig durchkonstruierte Formen der Bindung staatlicher Strafmacht"2IO. Damit ist der staatliche Strafverfolgungsanspruch an die Vorgaben einer festgelegten Form des Verfahrens gebunden, die dem Beschuldigten Schutz vor staatlichen Übergriffen gewährt. Daraus folgt letztendlich, daß ein rechtsstaatliches Strafrecht nicht zuvörderst auf den Gedanken der Effektivität gegründet ist, sondern auf einen "vertieften Begriff der praktischen Humanität"211. Eine besondere Errungenschaft des Rechtsstaates ist auch die Verhinderung (oder jedenfalls Eindämmung) der Inanspruchnahme des Strafrechts zur Verfolgung politischer Zwecke. Das rechtsstaatliche Strafrecht verbietet es, alles und jedes, was der gerade aktuellen Politik aus politischer Motivation als sinnvoll erscheint, unter Strafe zu stellen und insbesondere, durch Gesetz die jeweiligen politischen Gegner zu Straftätern zu machen 2l2 • Zutreffend sagt Naucke: "Das rechtsstaatliche Strafrecht ist der Ausdruck der dauernden Sorge vor der politischen Perversion des Strafrechts"m. 210 Naucke, KritV 90, 244 (248), der ausführt, was dies im einzelnen bedeutet. 211 Naucke, KritV 90, 244 (259). 212 Naucke, KritV 90, 244 (246). 213 Naucke, KritV 90, 244 (259).

III. Begrenzte Leistungsfähigkeit des Strafrechts

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Das rechtsstaatliehe Strafrecht stellt schließlich auch ein hohes Maß an Rechtskultur dar, so daß ein Abrücken von rechtsstaatlichen Grundsätzen immer ein Stückweit auch Verlust von Rechtskultur bedeutet.

111. Notwendigkeit der Anerkennung der begrenzten Leistungsfähigkeit des Strafrechts Man sollte realistisch sein und darf die Augen nicht ohne weiteres vor den Gefahren verschließen, die der Gesellschaft durch kriminelle Handlungen drohen. Selbstverständlich gibt es Menschen, die in gewissem Sinne "geflihrIich" sind - es hat sie immer gegeben, und es wird sie immer geben 214 • Aber - und das ist von maßgeblicher Bedeutung - es besteht deswegen keineswegs die Veranlassung, die rechtsstaatliehe Sicherungen eines Bürgerstrafrechts abzubauen und auf ein im wesentlichen auf Geflihrlichkeitsvermutungen gegründetes Feindstrafrecht umzuschwenken. Der Rechtsstaat muß souverän genug sein, das Prinzip des Tatstrafrechts dennoch beizubehalten, d.h. er darf auch gegenüber den "geflihrlichen" Menschen grundsätzlich erst nach tatsächlichen rechtsgutsbeeinträchtigenden Handlungen repressiv tätig werden 2l5 • Dies ist der Preis, den die Gesellschaft rur die Errungenschaft des Rechtsstaats zu entrichten bereit sein muß, man kann ihn auch als "Kosten der Freiheit" bezeichnen216 • Ein rechtsstaatliches Strafrecht kann nicht effektive Strafverfolgung um jeden Preis leisten. Es befindet sich immer im Widerspruch zwischen Humanität und Effektivität2l7 • Wenn man nun um unbedingter Effektivität willen die machtbegrenzenden, rechtsstaatlichen Elemente eines liberalen, bürgerlichen Strafrechts sukzessive verringert - und genau darin besteht die gegenwärtig zu verzeichnende allgemeine Entwicklungstendenz des Strafrechts und insbesondere des Strafprozeßrechts -, wird irgendwann das Gerüst schützender rechtsstaatlicher Formen zerbrechlich 2l8 , was sich auf die Freiheit des einzelnen erheblich auswirkt. Denck.er bezeichnet dieses "Freiheitsproblem" anschaulich als "Salamiproblem": "Man mag ein Scheibchen von einer Wurst abschneiden, und noch eines, und immer noch bleibt etwas übrig, was man als Salamiwurst erkennen und bezeichnen kann. Irgendwann aber ist die Wurst

214 Dencker, StV 88, 262 (265f.). 215 Dencker, StV 88, 262 (266), der zutreffend feststellt, daß "andernfalls nur ein Gesinnungsstrafrecht richtig wäre". 216 So Dencker, StV 88, 262 (266). 217 Naucke, KritV 90, 244 (254). 218 Naucke, KritV 90, 244 (insb. 253ff.) spricht insoweit von der "Zerbrechlichkeit des Rechtsstaats".

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2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

weg"219. Diese Befürchtungen um die rechtsstaatlichen "Grundfeste" mag man als fernliegend und weit hergeholt abtun; soweit, daß ein Beschuldigter staatlicher Willkür schutzlos ausgeliefert ist, sei es nun wirklich noch nicht. Jedoch läßt sich gerade am Beispiel der Vermögensstrafe die beschriebene Gefahr für die Freiheit des Betroffenen anschaulich verdeutlichen. Zu einem rechtsstaatlichen, bürgerlichen Strafrecht gehört auch, daß die Rechtsfolgen einer Straftat weder in physischer und in psychischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht zerstörerische Wirkung entfalten, sondern ertragbar sind 220 . Durch die der Zielsetzung und dem Wortlaut des § 43a nach bewußt ermöglichte Totalkonfiskation des Tätervermögens kann die Vermögensstrafe jedoch die Wirkung einer totalen Strafe entfalten; sie ist geeignet, die wirtschaftliche Existenz des Täters vollkommen zu zerstören. Damit tut sie dem rechtsstaatlichen Postulat der Ertragbarkeit der Rechtsfolgen einer Straftat nicht mehr hinreichend Genüge und gibt auf, "was für ein prinzipientreues Strafrecht stets selbstverständlich war: die Proportionalität zwischen einer bestimmten Tat und der Strafrechtsfolge"221. Die Möglichkeit einer Existenzvernichtung durch eine strafrechtliche Sanktion, und sei es auch "nur" in wirtschaftlicher Hinsicht, tangiert indessen den Bereich der rechtsstaatlichen Mindestgarantien in einem nicht mehr hinnehmbaren Maß, will man die schützenden Formen des rechtsstaatlichen Strafrechts nicht gänzlich preisgeben. Wenn man sich bewußt macht, daß die Entwicklung des Strafrechts nicht nur zerstörerisch für die normativen Grundprinzipien unseres Staats und unserer Gesellschaft ist222 , sondern daß darüber hinaus die erhoffte Effektivität der Ausweitung der staatlich-strafrechtlichen Machtbefugnisse keineswegs feststeht, vielmehr sogar - insbesondere in bezug auf die nebulöse organisierte Kriminalität - sehr zweifelhaft istm , so drängt sich eine Erkenntnis auf, vor der - so hat es zumindest mitunter den Anschein - die Augen von einem Teil der an der Strafrechtsdiskussion Beteiligten systematisch verschlossen werden: Das Strafrecht hat seine Grenzen, und es ist gar nicht oder nur sehr bedingt geeignet, als taugliches Steuerungsmittel für bestimmte gesellschaftliche Gefahren und Konflikte zu fungieren. Diese Grenzen sollte man akzeptieren und nicht versuchen, das Strafrecht als Allheilmittel zu betrachten, das entweder in der 219 Dencker, StV 88, 262 (266). 220 Naucke, KritV 90, 244 (247). 221 Hassemer, StV 95, 483 (484). 222 Hassemer, StV 94, 333 (336).

223 Vgl. dazu oben, S. 78f. m. w. N.; Hassemer, StV 94, 333 (336); vgl. auch Prittwitz, StV 91, 435 (437): "Die verbleibenden Zweifel an der Effektivität sind ein zusätzlicher normativer Grund für eine strikte Begrenzung und Beschränkung des Strafrechts"; zum "Scheitern des Risikostrafrechts in der Risikogesellschaft" siehe dens., Strafrecht und Risiko, S. 369f.

HI. Begrenzte Leistungsfähigkeit des Strafrechts

161

bestehenden Fonn oder jedenfalls nach entsprechender Modifikation die geschilderten besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen adäquat zu bewältigen vennag. Es geht auch und vor allem darum, zu akzeptieren, daß es bei der Strafverfolgung nicht nur um Effektivität, sondern auch um Gerechtigkeit und den Schutz von Menschenrechten geht2 24 • Die daraus für das Strafrecht zu ziehende Folgerung besteht darin, der bisherigen Entwicklung Einhalt zu gebieten und die Modernität des Strafrechts teilweise zuruckzunehmen 225 . Taugliches Mittel zum angemessenen Umgang mit sozialen Konflikten kann ein rechtsstaatliches Strafrecht allenfalls sein, wenn es bemüht ist, die legitime Funktion des wirksamen Rechtsgüterschutzes zu erfüllen. Um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen, muß es dabei durch Ausrichtung an bewährten schuld- und einzeltatprinzipskonfonnen, individuellen Zurechnungsmodellen, die die Würde des einzelnen und sein Schutzbedürfnis vor staatlichen Unrechts- und Willkürakten achten, eine Gegenmacht zur strafenden Staatsmacht darstellen. In bezug auf den Rechtsgüterschutz bedeutet dies, daß der Strafrechtsschutz wieder vennehrt auf ein Kernstrafrecht reduziert wird, das gravierende Beeinträchtigungen bestimmter vorwiegend individueller Rechtsgüter sanktioniert226 • Überindividuelle Schutzgüter sind möglichst zu venneiden 227 • Zwar wird auch ein rechtsstaatliches Strafrecht auf Universalrechtsgüter kaum gänzlich verzichten können, doch sind diese nicht wie bisher weitgehend ungenau, sondern möglichst präzise zu fonnulieren 228 . Denn ein vage umschriebenes, "verflüssigtes" (Universal-) Rechtsgut ist nicht in der Lage, eine "Inkriminierung als zu weitgehend zu kritisieren"229. Ferner verführt die allzu großzügige Akzeptanz von Universal224 Hassemer, StV 93, 664 (669). 225 Hassemer, ZRP 92, 378 (383); vgl. auch Frehsee, StV 96, 222 (229); a. A. in bezug auf "ökologische Rechtsgüter" und abstrakte Gefährdungsdelikte Schünemann, GA 95, 201 (2IOff.); Stratenwerth, ZStW 105 (1993), 679 (688ff.); Kuhlen, ZStW 105 (1993),697 (701ff.). 226 Frehsee, StV 96, 222 (229); Hassemer, ZRP 92, 378 (383), der ferner darauf hinweist, daß auch "schwere und sichtbare Gefährdungen" strafwUrdig sind. Der hier im Text verwandte Terminus der "Beeinträchtigung (vorwiegend individueller) Rechtsgüter" ist dementsprechend nicht nur im Sinne von Rechtsgutsverletzungen zu verstehen, sondern soll auch bestimmte Gefährdungen umfassen, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, daß nach dem hier vertretenen Verständnis von einem rechtsstaatlichen Strafrecht die (insbesondere die abstrakten) Gefährdungsdelikte die Ausnahme, während Verletzungsde1ikte gerade bei den klassischen Individualrechtsgütem den Regelfall darstellen sollten. - Vgl. auch Prittwitz, StV 91, 435 (440). 227 Naucke, KritV 90, 244 (347). 228 Hassemer, ZRP 92,378 (383). 229 Hassemer, Arth. Kaufmann-FS, 85 (89). 11 Park

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2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

rechtsgütern dazu, das Strafrecht nicht mehr als ultima, sondern als sola oder prima ratio zu interpretieren 23o . Und gerade die restriktiven Prinzipien der Subsidiarität und des ultima-ratio-Gedankens sind wesentliche Bestandteile des vehement zu fordernden (Kern-)Strafrechts. Ein interessanter Ansatz in bezug auf den strafrechtlichen Schutz von Universalrechtsgütern findet sich bei Hassemer, der in seiner Konzeption einer "personalen Rechtsgutslehre" fordert, daß man die Universalrechtsgüter "von den Individualrechtsgütern her funktionalisieren muß"231. Schünemann wirft Hassemer vor, daß dieser die Bedeutung der überindividuellen "ökologischen" Rechtsgüter verkenne und sie mit der von ihm propagierten "individualistischen Funktionalisierung" letztendlich auf die Ausbeutungsinteressen der gerade lebenden Individuen reduziere, was Schünemann "geradezu als Perversion der Rechtsgüterordnung" erscheine32 • Diese Kritik ist m. E. jedoch unberechtigt: Hassemer äußert explizit, daß "zu dem theoretischen Arsenal (der personalen Rechtgutslehre) die kritische Frage gehört, ob ein Strafrechtsschutz die Interessen der Menschen wirklich befördern könne und wie"233 und daß bei Rechtsgütern der Allgemeinheit der Anlaß zum Rechtsgüterschutz besonders dringlich sein muß 234 . Berücksichtigt man ferner, daß die Arterhaltung des Menschen über die jeweils gerade lebenden Menschen hinaus schon aus biologischer Sicht ein besonderes menschliches Bedürfnis ist und insofern eine wahrhafte Interessenwahrnehmung durch Strafrechtsschutz den Schutz insbesondere der "ökologischen" Rechtsgüter zwingend voraussetzt, gelangt man zu der Erkenntnis, daß entgegen Schünemann die personale Rechtsgutslehre keineswegs auf die Ausbeutungsinteressen der gerade lebenden Individuen ausgerichtet ist. Letztendlich erscheint in bezug auf den strafrechtlichen Universalrechtsgügerschutz Zurückhaltung angebracht; ein weniger (an Strafrecht) ist hier letztendlich mehr. Ein strikt an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiertes Strafrecht achtet die Würde und die Freiheit des Individuums, es ist aufgrund seiner machtbegrenzenden Funktion und seiner Garantien human und vom einzelnen leichter zu akzeptieren. Es verkörpert nicht nur ein hohes Maß an Rechtskultur, sondern birgt vor allem weniger Legitimationsprobleme 235 • Schünemann bezweifelt 230 Hassemer, Arth. Kaufmann-FS, 85 (93). 231 Hassemer, ZRP 92, 378 (383); vgl. auch AKStGB-Hassemer, vor § I, Rdnrn. 274ff.; dens., Arth. Kaufmann-FS, 85 (89, 91f.). 232 Schünemann, GA 95, 201 (206tn; kritisch gegenüber der Konzeption von Hassemer auch Kuhlen, ZStW 105 (1993),697 (704). 233 Hasserner, Arth. Kaufmann-FS, 85 (93). 234 Hasserner, Arth. Kaufmann-FS, 85 (92). 235 Vgl. auch Priltwitz, Strafrecht und Risiko, S. 369f.. der darauf hinweist, daß Folge des Scheiterns des .. Risikostrafrechts", das .. angesichts der qualitativ und

111. Begrenzte Leistungsfähigkeit des Strafrechts

163

indessen positiven Auswirkungen einer strikt rechtsstaatlichen strafrechtlichen Begrenzung auf die Legitimationsflihigkeit des 'klassischen' Strafrechts; nach seiner Auffassung ist die Meinung, daß das 'klassische' Strafrecht zur angemessenen Bewältigung des Problems der organisierten Kriminalität nicht geeignet sei, daß aber eine Begrenzung des Strafrechts auf das (rechtsstaatlich) erträgliche Maß dennoch unbedingt vonnöten sei, "deshalb so fatal, weil sie nicht nur eine effektive Strafverfolgung der modemen Kriminalitätsformen weithin erschwert und teilweise unmöglich macht, sondern weil sie dadurch zugleich die Legitimität der Strafverfolgung auch der "klassischen Kriminalität" ruiniert. Denn wie soll man eine weitere intensive Verfolgung der Abenteurer- und Elendskriminalität rechtfertigen wollen, wenn man vor den Notwendigkeiten zur effizienten Verfolgung der modemen organisierten Kriminalität die Augen verschließt und damit einen ungleichen Erfolgsdruck mit Benachteiligung der im Grunde harmloseren Kriminalitätsformen produziert?"236. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß diese Situation keineswegs rur eine Aufrüstung des Strafrechts für den "Kampf" mit der organisierten Kriminalität spricht, sondern zum einen vielmehr die dringende Notwendigkeit von Entkriminalisierungen im Bagatellbereich aufzeigt und daß zum anderen davon auszugehen ist, daß bei Aufklärung der Bürger, daß die OK außerhalb dessen liegt, was mittels unseres Strafrechts überhaupt erfolgreich bewältigt werden kann, und ernstgemeinter Suche nach alternativen (außerstrafrechtlichen) Steuerungsmöglichkeiten zur Bewältigung dieses Problems für diejenigen kernstrafrechtlichen Bereiche, in denen das Strafrecht dann durchaus noch wirksam eingesetzt werden kann, keine besonderen Legitimationsprobleme existieren. Weil ein strikt an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiertes Strafrecht nur auf einen Kern sozialschädlichen Verhaltens zugeschnitten ist, den es von seiner Komplexität her vernünftig erfassen und handhaben kann, findet es nur dort Anwendung, wo es sinnvoll und wirksam ist237 • Es ist daher - von dem hier quantitativ neuen Bedrohungen der Risikogesellschaft" versage, ein "Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit des Strafrechts bei den Normadressaten und beim Rechtsstab" sei; (zur Mehrdeutigkeit und den verschiedenen Formen des Risikostrafrechts siehe Kuhlen, GA 94,347 (357f». 236 Schünemann, GA 95, 201 (215) (Hervorhebungen im Originaltext). 237 Dies ist auch das Hauptargument, das den Konzeptionen etwa von Schünemann (GA 95, 20Iff), Kuhlen (ZStW 105 (1993), 697ff) und Stratenwerth (ZStW \05 (1993), 679ff.) entgegenzuhalten ist: Das Strafrecht hat seine Grenzen, und es gibt - insbesondere in der fortschrittlichen, technisch-komplexen Gesellschaft - Bedrohungen wichtiger Rechtsgüter, deren Bewältigung mit strafrechtlichen Mitteln sinnvoll nicht leistbar ist. Das bedeutet jedoch keineswegs, daß diese Rechtsgüter völlig schutzlos gestellt sein müssen; denn lediglich ein strafrechtlicher Schutz ist nicht oder nur 11·

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2. Teil - B. Kriminalpolitische Bewertung des 'modernen' Strafrechts

vertretenen Standpunkt aus - besser geeignet, effektiven Rechtsgüterschutz zu betreiben 238 . Nun mag man sich fragen, warum der Rechtsstaatlichkeit der staatlichen Strafverfolgung und der Schutzbedürftigkeit eines Menschen, der doch immerhin eine Straftat verübt hat, ein dermaßen hoher Stellenwert eingeräumt werden soll. Die Antwort auf diese Frage ist jedoch relativ leicht zu geben. Die Begrenzung der staatlichen Strafgewalt und die Achtung der Würde auch eines Straftäters sind deshalb so bedeutsam, weil dadurch eine willkürliche, unverhältnismäßige und unmenschliche Strafe verhindert wird. Wichtig ist die Rechtsstaatlichkeit insbesondere auch in den Fällen, in denen ein Unschuldiger unter Verdacht ger.ät. Sind die Befugnisse der Strafverfolgungsorgane hier streng geregelt und begrenzt, ist die Gefahr einer falschen Verurteilung und ungerechtfertigter Eingriffe in die rechts des Beschuldigten wesentlich geringer als im 'modernen' Strafrecht. Oder, pointiert formuliert: Selbst wenn auch in einem rechtsstaatlichen Strafrecht die Gefahr einer Falschverurteilung besteht, so ist es dort jedenfalls zumutbar, unschuldig in Tatverdacht zu geraten. In dem System des beschriebenen 'modernen' Strafrechts bereitet einem die Vorstellung einer solchen Situation dagegen erhebliche Sorgen, weil man sich in diesem Fall einer weitgehenden Rechtlosigkeit bzw. Unmöglichkeit, seine Rechte durchzusetzen, gegenübersieht. Die Vermögensstrafe in ihrer derzeitigen Form stellt eine Rechtsfolge dar, die in einem freiheitlichen rechtsstaatlichen Strafrecht keinen Platz hat. Sie ist ein feindstrafrechtliches Instrument, das darauf ausgerichtet ist, den Verurteilten durch - wie gesehen, weitgehend auf Verdachtsmomenten beruhende wirtschaftliche Vernichtung für zukünftige Kriminalität "kaltzustellen" und damit gleichbedeutend, ihn aus der Gesellschaft auszustoßen. Der betroffene Täter wird weitgehend rechtlos gestellt; daß die Rechtsfolgen seiner Straftat weit über das Maß dessen hinausgehen, was angesichts der in der einzelnen Tat verkörperten individuellen Schuld angemessen wäre, wird billigend in Kauf genommen. Elementare auf dem traditionellen Schuldstrafrecht beruhende rechtsstaatliche Vorgaben werden durch diesen Fremdkörper im herkömmlichen Rechtsfolgensystem in einem keinesfalls akzeptablen Maß außer acht eingeschränkt möglich. Es gibt indessen zahlreiche außerstrafrechtliche Schutz- und Steuerungsmöglichkeiten, die in der bisherigen Diskussion viel zu sehr vernachlässigt wurden, deren gedankliche Einbeziehung und Erörterung aber einen erheblich erfolgversprechenderen Ansatzpunkt zur Bewältigung der' anstehenden Probleme darstellen, vgl. dazu i.e. unten, S. 171 ff. 238 Insofern teilweise übereinstimmend Stratenwerth, ZStW 105 (1993). 679 (686): ..Im übrigen würde ein allein auf Effizienz getrimmtes Strafrecht vermutlich nicht einmal diesen seinen Zweck erreichen". der ansonsten jedoch einem .. Rückzug des Strafrechts auf seinen Kernbereich" ablehnend gegenübersteht.

III. Begrenzte Leistungsfahigkeit des Strafrechts

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gelassen. Den Einsatz eines solchen Strafrechtsmittels kann man - überspitzt formuliert - durchaus als Anschlag auf die traditionelle rechtsstaatliche bürgerliche Strafrechtskultur verstehen. Läßt die Strafrechtswissenschaft sich auf solche Funktionalisierungen des Strafrechts ein, ist mittel- bis langfristig die Annäherung an einen Zustand unausweichlich, den überwunden zu haben wir heute als besonders herausragende und anerkennenswerte Leistung einer freiheitlichen Demokratie schätzen und der an das unberechenbare und willkürliche Strafrecht totalitärer Systeme erinnert239 • Hier gilt es, Einhalt zu gebieten, solange es noch nicht zu spät ist, und einer solchen Entwicklung kompromißlos einen Riegel vorzuschieben. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die hier vertretene Position bedeutet keineswegs, daß eine Rückkehr zum antiquierten Strafrecht oder gar zum Strafrecht des 19. Jahrhunderts anzustreben sei. Denn auch das antiquierte, 'klassische' Strafrecht hat eklatante Schwächen, man denke nur an die dringend reformbedürftigen Tötungsdelikte, die verunglückte Vorschrift des § 142240 oder das Bagatellstrafrecht241 • Zu fordern ist vielmehr ein Strafrechtsmodell, das die faire Bearbeitung gewichtiger gesellschaftlicher Probleme mit dem Strafrecht als streng am ultima-ratio-Prinzip und am Rechtsgüterschutzgedanken ausgerichtetes legitimes Konfliktbewältigungsmittel zum Gegenstand hat und welches nur dort Anwendung findet, wo der Einsatz des Strafrechts sinnvoll und notwendig erscheint. Dieses Strafrechtsmodell bildet ein die Würde des einzelnen respektierendes beständiges Gegengewicht zur staatlichen Strafrnacht und gewährleistet mit seinen rechtsstaatlichen Garantien die Verhinderung einer ungerechtfertigten und zu weitgehenden Beschneidung individueller Freiheitsrechte durch die Strafverfolgungsorgane.

239 Ebenso Vest, ZStrR 94, 121 (151f.), der darauf hinweist: "Auch Fahndungsmethoden wie etwa die Rasterfahndung, der Minispion, die versteckte Kamera und der Einsatz deliktisch handelnder V-Leute oder deren kaum noch utopische Kombination zur Totaldurchleuchtung eines Verdächtigen, sind nicht einfach (ethisch) neutral, sondern besitzen totalitären Charakter" (Hervorhebung im Originaltext). 240 Die freilich im 19. Jahrhundert noch gar nicht existierte. 241 Ebenso Prittwitz, StV 91, 435 (440).

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2. Teil - C. Alternativen

C. Alternativen Im kriminalpolitischen Teil dieser Untersuchung wurde bislang die Erkenntnis gewonnen, daß ein rechtsstaatliches Strafrecht nicht in der Lage ist, allen neuen gesellschaftlichen Herausforderungen wirksam zu begegnen; es ist in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt. Da diese Grenze nach der hier vertretenen Auffassung vorbehaltlos anzuerkennen ist, stellt sich die Frage, auf weIche Weise die damit verbundenen Herausforderungen bewältigt werden können, was also gegebenenfalls für sonstige Steuerungsmechanismen zur Problemlösung in Frage kommen. Um nicht Erwartungen zu wecken, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erfüllt werden können und auch nicht erfüllt werden sollen, sei vorab ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die nachfolgenden Ausführungen keineswegs als Versuch zu verstehen sind, eine Patentlösung oder ein in allen Einzelheiten "fertiggedachtes" Konzept vorzustellen. Dies würde nicht nur den Rahmen, sondern auch den Anspruch dieser Arbeit bei weitem sprengen. Ziel nachfolgender Erörterungen ist es lediglich, Anregungen dafür zu geben, daß es durchaus sinnvoll sein kann, Überlegungen in die Diskussion um die Bewältigung der aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen mit einzubeziehen, die bislang zu sehr vernachlässigt worden sind. Daß die bislang eingeschlagene und gegenwärtig zu beobachtende Richtung nach Ansicht des Verfassers in eine Sackgasse führt, ist im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung aufgezeigt worden. Konsequenz dieser Auffassung ist, dafür einzutreten, daß umgedacht wird und daß die eindimensionale strafrechtliche Denkschiene, die - so scheint es - den Blick für erfolgversprechendere Alternativen mitunter versperrt, zugunsten letzterer zukünftig mehr und mehr verlassen wird. Für diesen "Richtungswechsel" sollen lediglich einige Anregungen gegeben werden, wobei die angesprochenen Punkte bewußt nur kursorisch und ohne jeden Anspruch auf eine vollständige Erörterung angeführt werden. Da es nicht darum geht, vorliegend ein "neu es Strafrecht" zu entwerfen, beschränken sich die Ausführungen im wesentlichen auf Alternativen zur Vermögensstrafe und der damit erstrebten Abschöpfung von Verbrechensgewinnen. Bei der Erörterung von außerstrafrechtlichen Alternativen sei es dem Verfasser jedoch gestattet, zur Verdeutlichung auch andere Gesichtspunkte und Beispiele mit einzubeziehen.

I. Strafrechtliche Alternativen

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I. Strafrechtliche Alternativen

Zunächst soll untersucht werden, ob das Strafrecht selbst erfolgversprechende Alternativen zur Vermögensstrafe birgt. Dabei sei zunächst nach Lösungen de lege lata und anschließend nach Lösungen de lege ferenda gesucht, wobei - das sei noch einmal ausdrücklich erwähnt - kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird; es sollen nur die wichtigsten Ansätze Beachtung finden. l. Lösungsansätze de lege lata

Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß auch mit den bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten eine effektivere Gewinnabschöpfung als bisher möglich sei. Insbesondere durch eine konsequentere Nutzung der Verfallvorschriften könne dieses Ziel erreicht werden 242 • Im Gegensatz zu anderen strafrechtlichen Sanktionen, mit denen lediglich indirekt Gewinnabschöpfung betrieben werden könne, diene der Verfall direkt der Gewinnabschöpfung243 . Mit dem Wertersatzverfall stünde eine Sanktion zur Verfügung, deren Anwendung keine über den Tatnachweis hinausgehenden Probleme aufwerfe: Sei der Verfall des unmittelbar Erlangten nicht möglich, gestatte § 73a dennoch die Gewinnentziehung mit Hilfe des Wertersatzverfalls 244 • Ist auch die Forderung nach einer vorrangigen Nutzung der sich aus dem geltenden Recht ergebenden Möglichkeiten gegenüber (möglicherweise zweifelhaften) Neuerungen grundsätzlich zu begrüßen, so kann sie jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die geltenden Sanktionen zur Gewinnabschöpfung erhebliche Mängel aufweisen, die ihrer Wirksamkeit im Wege stehen. Als solche sind zu nennen insbesondere die unglückliche Ausschlußklausel des § 73 I 2 245 , Mängel im Verfahrensreche46 sowie schließlich die strengen

242 Weßlau, StV 91, 226 (235), die in diese Überlegungen zu Recht nur die Verfall vorschriften mit Ausnahme des § 73 d (Erweiterter Verfall) einbezieht, denn dieser ist "verfassungsrechtlich nicht haltbar" (Weßlau, StV 91, 226 (233»; für Vorrang einer konsequenten Anwendung des (1989, d.h. ohne den zu der Zeit noch nicht existenten § 73d) geltenden Rechts gegenüber einer umfangreichen Reform auch H.-J. Albrecht, in: Meyer/Dessecker/Smettan, Gewinnabschöpfung, S. 25 (64). 243 Eberbach, in: BKA (Hrsg.), Kriminalität. S. 97 (101): ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 139 m.w.N. 244 Weßlau, StV 91, 226 (235) m.w.N. 245 Eberbach, in: BKA (Hrsg.), Kriminalität, S. 97 (107), der diese Regelung pointiert als "Totengräber des Verfalls" bezeichnet; Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 91:

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2. Teil - C. Alternativen

Beweisanforderungen 247 , die Zwar auf rechtsstaatlichen Gesichtspunkten beruhen und insofern natürlich keinen "Mangel" der Verfallsvorschriften darstellen, faktisch jedoch eine wirksame Erreichung des Ziels Gewinnabschöpfung vereiteln 248 • Diese Umstände führen dazu, daß eine möglichst umfassenden Abschöpfung illegaler Gewinne tatsächlich nicht in gewünschtem Maß verwirklicht werden kann Das bestehende strafgesetzliche Instrumentarium weist damit zu viele Lükken auf, um eine wirklich effektive Gewinnabschöpfung betreiben zu können 249 • Ein Teil dieser Lücken könnte zwar mit § 73d 250 durch die darin enthaltenen gelockerten Beweisanforderungen hinsichtlich der rechtswidrigen Vermögensherkunft gefüllt werden, doch da der Erweiterte Verfall mit einem freiheitlichen rechtsstaatlichen Strafrecht ebenso wenig zu vereinbaren ist wie die Vermögensstrafe 251 , stellt er ebenfalls keine anerkennenswerte Gewinnabschöpfungsmöglichkeit dar, so daß § 73d bei dieser Diskussion ausgeklammert bleiben muß.

2. Lösungsansätze de lege ferenda

a) Erweiterung der GeldstrC?fenregelung nach dem Tagessatzsystem In der Literatur wird teilweise eine Reform der strafrechtlichen Gewinnabschöpfungsmöglichkeiten durch eine Erweiterung der Geldstrafenregelung

Chr. Jung, Vermögensstrafe. S. 14Of.: Kaiser, Tröndle-FS, 685 (695): Krey/Dierlamm, JR 92, 353 (355); vgl. dazu auch unten, S. 131. 246 Eberbach. in: BKA (Hrsg.), Kriminalität. S. 97 ( I 08f): ehr. Jung. Vermögensstrafe, S. 144f m.w.N.: Kaiser, Tröndle-FS, 685 (696). 247 Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 140; Krey/Dierlamm. JR 91,353 (354f). 248 Zu weiteren Effektivitätshindernissen der Verfallvorschriften siehe Eberbach. in: BKA (Hrsg.), Kriminalität, S. 97 (105ff) . . 249 Zur (In-)Effektivität der weiteren bestehenden gesetzlichen Regelungen, mit denen (indirekt) Gewinnabschöpfung betrieben werden kann. vgl. ehr. Jung. Vermögensstrafe. S. 126ff. 250 Im Rahmen des § 73d soll die Ausschlußklausel des § 73 I 2 nach dem Willen des Gesetzgebers keine Anwendung tinden, vgl. ßT-Drs. 11/6623, S. 7: dagegen mit Recht kritisch LacknerlKühl, StGB. § 73d Rdrn. 3, 11. 251 Dazu ausführlich Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung. m.w.N .. vgl. auch Weßlau, StV 9 L 226 (228-233).

I. Strafrechtliche Alternativen

169

nach dem Tagessatzsystem (§§ 40ff.) propagiere52 . Dies könne durch eine Verdoppelung der in § 40 I 2 vorgesehenen höchstmöglichen Tagessatzanzahl von 360 auf 720 oder durch eine Heraufsetzung des Höchstbetrags des einzelnen Tagessatzes auf einen höheren als derzeit von § 40 II 3 vorgegebenen Wert erfolgen. Richtiger Ansatzpunkt sei die Vorschrift des § 41 253 . Die Neuregelung solle zwar nach ihrem Sachgrund allgemeingültig bestimmt sein 254 , jedoch nur rur "habituell-schwere, typisch erweise gewerbsmäßig und unter Vermögenswerteinsatz begangene Taten" gelten 255 • Die in § 41 geregelte inhaltliche Voraussetzung der Bereicherungsintention sei ungeeignet und infolgedessen durch das Merkmal des "Handeins zum einseitigen Vorteil"256, der "gewerbsmäßigen Deliktsbegehung unter Vermögenswert-Mißbrauch"257oder einen Straftatenkatalog258 zu ersetzen. Einen konkreten Vorschlag fur eine entsprechende gesetzliche Ausgestaltung der Neufassung des § 41, in der ausdrücklich die Einbeziehung des Tätervermögens in die Geldstrafenzumessung geregelt ist, liefern Köh-

/er/Beck?59:

I. Wenn die Tat gewerbsmäßig unter Einsatz von Vermögenswerten begangen

wurde, so wird in die Zumessung der Geldstrafe das Tätervermögen einbezogen. Die Höchstzahl der Tagessätze beträgt x, ein Tagessatz höchstens DM y.

11. Eine Geldstrafe nach Absatz 1 kann anstatt oder neben einer Freiheitsstrafe ver-

hängt werden, auch wenn Geldstrafe sonst nicht oder nur wahlweise angedroht ist. Diesem Vorschlag kann ein gewisses Maß an Plausibilität nicht abgesprochen werden; er verdient durchaus Beachtung, denn gegen ihn sind keine systematischen Einwände zu erheben 260. 261. Die Hoffnung auf die Ermögli252 DRB, DRiZ 90, 105 (107); Köhler/Beck, JZ 91, 797 (803f.); Körner, NJW 93, 233 (236); Schoreit, MDR 90, 1 (4); ders., StV 91, 535 (538); Weber, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31, S. 182. 253 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (803); Schoreit, MDR 90, 1 (4); DRB, DRiZ 90, 105 (107). 254 D.h. sie dürfte nicht auf einzelne Formen (wie Rauschgifthandel) beschränkt sein, s. Köhler/Beck, JZ 91,797 (894). 255 Köhler/Beck, JZ 91,797 (804). 256 DRB, DRiZ 90, 105 (107); Schoreit, MDR 90, 1 (4). 257 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (803). 258 DRB, DRiZ 90, 105 (107); Schoreit, MDR 90, 1 (4). 259 Köhler/Beck, JZ 91, 797 (803f.). 260 So auch ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 153; Tröndle, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 305.

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2. Teil - C. Alternativen

chung einer umfassenden Gewinnabschöpfung kann er jedoch nicht erfüllen, da der § 41 an das Schuldprinzip gebunden isf 62 . Die Schuld des Täters würde also auch hier der Strafzumessung enge Grenzen setzen, so daß eine vollständige Gewinnabschöpfung allenfalls bei einem besonders hohem Maß an Schuld des Täters erfolgen könnte 263 .

b) Reform der Verfallvorschr!ften Als weiterer ernstzunehmender Vorschlag zur Verbesserung der Möglichkeiten der Abschöpfung von kriminellen Gewinnen de lege ferenda wird in der Literatur eine Refonn der Verfallvorschriften genannt: Eine der Hauptursachen fur die geringe praktische Bedeutung des Verfalls liege - auch nach der Änderung vom Netto- in das Bruttoprinzip264 - in der Ausschlußklausel des § 73 I 2, die den Anwendungsbereich dieser Rechtsfolge zu sehr einenge 265 . Diese Vorschrift sei daher zu ändern. Als richtungweisend muß in diesem Zusammenhang die von Ese?66 entwickelte Konzeption vom "bedingten Gewinnverfall" angesehen werden 267 . Danach ordnet der Tatrichter in unbeschränktem Umfang den Verfall sämtlicher rechtswidriger Tatgewinne an, jedoch unter dem "Vorbehalt, daß sie erst dann und nur insoweit auf den Fiskus übergehen, als sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht durch die Befriedigung etwaiger Ausgleichsansprüche wieder aufgezehrt sind"268. Der Vorteil dieses Lösungsvorschlags gegenüber der geltenden Fassung des § 73 12, liegt darin, daß jeder der durch die Abschöpfung tangierten Interessensphären hinreichend Genüge getan wird: dem Opferinteresse am Schadensausgleich, dem Täterinteresse am Schutz vor einer doppelten Inanspruchnahme und dem Staat an der praktikablen Gewinnabschöpfung 269 . Die derzeit geltende Fassung des § 73 I 2 261 Bedenken könnte man allenfalls bei einer Anhebung des Höchstbetrags des einzelnen Tagessatzes im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 11 GG hegen, vgl. Roxin, AT-I, § 5 Rdn. 78, der deswegen eine Herabsetzung der "zulässigen Höchststrafe auf ein Zehntel des heutigen Betrages" fordert. 262 Tröndle, Prot. Rechtsausschuß B-Tag Nr. 31 Anhang S. 305. 263 ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 153f. 264 ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 154. 265 Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 91. 266 Eser, Sanktionen, S. 298f. 267 So auch H.-J. Albrecht, in: Meyer/Dessecker/Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 25 (62); ehr. Jung, Vermögensstrafe, S. 154 m.w.N.; Weßlau, StV 91, 226 (235). 268 Eser, Sanktionen, S. 298. 269 Eser, Sanktionen, S. 298f.: ebenso H.-J. Albrecht, in: Meyer/Dessecker/Smeuan

II. Außerstrafrechtliche Alternativen

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bevorzugt demgegenüber bei der Lösung des genannten Interessenkontlikts einseitig die Tatopfer 270 . Mit der Ermöglichung der Berücksichtigung sämtlicher betroffenen Interessensphären liegen die Vorteile des bedingten Gewinnverfalls gegenüber § 73 in seiner derzeit geltenden Fassung klar auf der Hand: Er ist gerechter und praktikabler und insofern ein erfolgversprechender Lösungsansatz. Allerdings sollte man dabei nicht übersehen, daß das Hauptproblern effektiver Gewinnabschöpfung mit strafrechtlichen Mitteln immer im schuldstrafrechtlich vorausgesetzten Nachweis der illegalen Vermögensherkunft besteht. Die hierbei oftmals bestehenden Beweisschwierigkeiten kann auch der bedingte Gewinnverfall nicht aus dem Weg räumen. Die dadurch bedingten praktischen Anwendungsprobleme, die einer nachhaltig wirksamen Gewinnabschöpfung entgegenstehen, wären nach wie vor gegeben ..

11. Außerstrafrechtliche Alternativen: das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention Da die gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen - wie gesehen - mit strafrechtlichen Mitteln keinesfalls zufriedenstellend, sondern allenfalls partiell bewältigt werden können, stellt sich die Frage nach außerstrafrechtlichen Alternativen. Aus Raumgründen erfolgt dabei eine Beschränkung der diesbezüglichen Ausführungen auf das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention 271 •

I. Das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention im allgemeinen

Wie gesehen 272 , wird unser gegenwärtiges Strafrecht von einem ausgeprägten Präventions interesse beherrscht. Die Prävention, um die es dabei geht, geht einher mit der Beschränkung von Grundrechten und Abschnitten bürgerli-

(Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 25 (62); Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. 154f.; Weßlau, StV 91, 226 (235). 270 Chr. Jung, Vermögensstrafe, S. ISS, die die Vorschrift aus diesem Grund als "kriminalpolitisch verfehlt" bezeichnet. 271 Zu weiteren außerstrafrechtlichen Alternativen, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann, vgl. nur Lüderssen, Krise, S. 37ff. sowie Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 247f. m.w.N. 272 Vgl. oben, S. 138ff.

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2. Teil - C. Alternativen

cher Freiheiten 273 • Ziel ist nicht Gerechtigkeit, sondern Effizienz, nicht Bedacht, sondern Promptheit, nicht Ausgleich, sondern Ausrottung 274 . Diese Form der Prävention zu Lasten von Grundrechten läßt sich in Anlehnung an Hasseme?75 trefflich als "normative Prävention" bezeichnen. Sie ist für eine rechtsstaatskonforme Problembewältigung nicht geeignet276 , sondern fUhrt vielmehr das Strafrecht in die falsche Richtung 277 • Auf der Palette der Präventionsmöglichkeiten stellt die normative Prävention jedoch keineswegs die einzige Form dar. Es gibt noch eine weitere Form der Prävention, die sog. "technische" oder "organisatorische Prävention"278. Diese unterscheidet sich von der normativen Prävention dadurch, daß sie von einem anderen Ansatz ausgeht: Nicht durch Einsatz von rechtlichen Mitteln, die auf Strafverfolgungsseite Eingriffsbefugnisse erweitern und auf Betroffenenseite die Rechte und Freiheiten beschneiden, sondern durch den Einsatz von technisch-organisatorischen Mitteln, die die Bürgerrechte bewahren, soll Prävention betrieben werden 279 . Dies geschieht, indem die äußeren Rahmenbedingungen, die Straftaten zugrunde liegen oder diese begünstigen, durch bestimmte Vorkehrungen so gestaltet werden, daß die Begehung von Straftaten verhindert, zumindest aber verringert wird. Dabei soll der Anreiz zur Begehung von Straftaten vermindert werden, etwa dadurch, daß die praktische Durchführung der Tat sich unverhältnismäßig erschwert. Anhand von Beispielen 280 läßt sich verdeutlichen, was damit im einzelnen gemeint ist. Als klassische Erscheinungsform der organisierten Kriminalität gelten der professionell organisierte internationale Diebstahl und die Verschiebung von hochwertigen Kraftfahrzeugen. Der Ansatz der normativen Prävention besteht in der "Bekämpfung" der internationalen Diebes- und Hehlerbanden etwa mit Mitteln wie dem "großen Lauschangriff'. Der Ansatz der technisch-organisatorischen Prävention besteht demgegenüber darin, die Industrie 273 Eingehend dazu oben, S. 150ff. sowie Hassemer, StV 94, 333 (336); ders., StV 95, 483 (486). 274 Hassemer, StV 95, 483 (486). 275 Hassemer, StV 94, 333 (336).

276 Hassemer, StV 95, 483 (489). 277 Drastisch die Beurteilung bei Hassemer, StV 95, 483 (486): "Indem man das Strafrecht auf diese Art Prävention einrichtet, macht man es kaputt". 278 Hassemer, StV 94, 333 (336); ders., StV 95, 483 (489). 279 Ähnlich Frehsee, StV 96, 222 (229), der in diesem Zusammenhang von der "kriminalitätshindernden Gestaltung von Lebensbedingungen" spricht: vgl. für den Bereich des Wirtschafts-, Unternehmens-, Steuer- und Umweltstrafrechts auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht S. 322ff. 280 Vgl. dazu Hassemer, StV 94,333 (336): dens., StV 95, 483 (489).

II. Außerstrafrechtliche Alternativen

173

zum Einbau von wirksamen Wegfahrsperren anzuhalten und damit die Fahrzeuge technisch gegen Diebstahl zu sichern. Als weiteres Beispiel mag das sog. "Insiderstrafrecht" dienen 281 : Ansatz der nonnativen Prävention ist der intensive Auf- und Ausbau eines scharfen Insiderstrafrechts, unterstützt von flankierenden prozessualen Maßnahmen, isbesondere der Ausweitung der Ennittlungsbefugnisse282 • Der Ansatz der technisch-organisatorischen Prävention besteht demgegenüber in einer möglichst frühzeitigen und umfangreichen Infonnation der Marktteilnehmer, etwa durch Veröffentlichungspflichten 283 •

2. Technisch-organisatorische Prävention und organisierte Kriminalität

Ferner bietet sich die technisch-organisatorische Prävention in einem Bereich an, der den wahren Kern organisierten Kriminalität ausmacht: die Unterwanderung des Staates.

a) Der sachliche Gehalt der organisierten Kriminalität Auf die Schwierigkeit, organisierte Kriminalität zu definieren, tatsächlich zu erfassen und von anderen kriminellen Erscheinungsfonnen abzugrenzen, wurde bereits mehrfach hingewiesen. Wenn die organisierte Kriminalität im bisherigen Verlauf der Arbeit als besondere Herausforderung rur die Gesellschaft bezeichnet wurde, geschah dies vor dem Hintergrund, daß offenbleiben konnte, ob OK in der oft beschriebenen Fonn als neues, besonderes Problem überhaupt tatsächlich existiert. An dieser Stelle soll indessen auf die sibyllinische Kriminalitätsfonn 'organisierte Kriminalität' einmal etwas näher eingegangen werden. Es besteht Einigkeit darin, daß derzeit keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse existieren, um ein genaues und umfassendes Lagebild der OK in Deutschland darzustellen 284 • Solange es nicht möglich ist, den sachlichen 281 Da die Problematik des Insiderstrafrechts derart vielschichtig ist, daß sie im Rahmen dieser Ausfuhrungen keinesfalls angemessen erörtert werden kann, sei der ganze Bereich hier von vornherein nur mit einem Wort erwähnt. AusflihrIich dazu Ransiek Unternehmensstrafrecht, S. 162ff. m. zahlr. Nachw. 282 Vgl. Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 178ff. 283 Dazu Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 349ff. 284 Vgl. nur Frehsee, StV 96, 222 (227); Küster, Kriminalistik 90, 626; rur die Schweiz Vest, ZStrR 94, 121 (146 und passim).

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2. Teil - C. Alternativen

Gehalt dieses Phänomens und sein wirkliches Bedrohungspotential präzise zu beschreiben, ist der Nachweis überhaupt noch nicht erbracht, ob sich hinter der Begriffshülse 'organisierte Kriminalität' tatsächlich eine kriminelle Erscheinungsform ganz eigener Art und von besonderer Gefährlichkeit verbirgt 285 . Und solange dieser Nachweis nicht erbracht ist, muß dieser Begriff mit äußerster Zurückhaltung gebraucht werden; keinesfalls darf er wie bisher unkritisch verwendet und zur Legitimierung einschneidender kriminalpolitischer Forderung instrumentalisiert werden 286 • Andererseits darf man vor möglicherweise bestehenden Gefahren auch nicht vorschnell die Augen verschließen; auch das Leugnen von organisierter Kriminalität kann funktionalisiert werden, indem es "zur Beschwichtigung und Beruhigung angesichts einer manchmal erkennbaren law and order-Hysterie benutzt" wird 287 . Eine sachliche Diskussion setzt voraus, zunächst die erforderlichen Kenntnisse und Wissensgrundlagen zusammenzutragen. Bevor dies nicht gelungen ist, darf man nicht einfach von der gesicherten Existenz einer hochgefährlichen organisierten Kriminalität ausgehen, die durch einen eigenen Charakter und eine besondere Qualität gegenüber Delikten aus dem allgemeinen Kriminalitätsaufkommen so gravierende Besonderheiten aufweist, daß ihre Verfolgung spezielle, von herkömmlichen Strafverfolgungsmethoden erheblich abweichende Maßnahmen erfordert. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand spricht nämlich einiges daflir, daß sich bei nüchterner, sachlicher Betrachtung, die sich auf den Kern des Problems reduziert und die unbeeintlußt von Interessen kriminalpolitischer288 und wirtschaftlicher Art289 ist, die mit der verbreiteten Dramatisierung verfolgt werden, letztendlich herausstellt, daß sich hinter der 'besonderen OK' größtenteils nichts anderes als herkömmliche Kriminalität verbirgt, die lediglich insofern organisiert ist, als sie hochdifferenziert, d.h. in großem Stil arbeitsteilig und bandenmäßig sowie unter Ausnutzung modernster Technologie begangen wird. Im Bestreben um eine der Sache wirklich dienlichen Diskussion ist somit nachdrücklich zu 285 Vgl. auch Frehsee, StV 96, 222 (227) m.w.N.: .,Es wird sogar bestritten, daß dem Phänomen überhaupt ein nennenswerter empirischer Gehalt zugrundeliegt". 286 Vgl. auch Vest, ZStrR 94, 121 (134f.), der vor Dramatisierung und einem unkritischen Umgang mit dem Begriff OK warnt und (in Fn. 96) zu Recht darauf hinweist, daß gerade bei der Beurteilung der Bedrohung des organisierten Verbrechens Vorsicht geboten ist. 287 So flir gewachsene Kriminalitätsbelastung Prittwitz. Strafrecht und Risiko. S. 191. 288 Z. B. die Legitimierung der Forderung nach erweiterten Befugnissen der Strafverfolgungsorgane (vgl. Vest, ZStrR 94, 121 (Fn. 96 und passim); Hörn/e, ZStW 108 (1996), 333 (336ff.». 289 Zu denken ist hier insbesondere an die Medien: Durch Ladendiebstähle lassen sich weder Zeitungsautlagen noch Einschaltquoten steigern, wohl hingegen durch spektakuläre Berichte über die 'enorme Bedrohung durch die organisierte Kriminalität'.

11. Außerstrafrechtliche Alternativen

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fordern, das Problem der organisierten Kriminalität und ihrer Erscheinungsformen erst einmal gründlich zu analysieren, um eine vernünftige Diskussionsgrundlage zu haben, und nicht, wie es momentan im kriminalpolitischen Tagesgeschäft üblich ist, Existenz und bedrohliche Ausbreitung des organisierten Verbrechens kurzerhand vorauszusetzen 290 . Solange diese nicht geschehen ist, ist bei der Verwendung des Begriffs OK äußerste Zurückhaltung geboten. Es gibt indessen einen Bereich, wo sich hinter angeblich hochgeflihrlicher "organisierter Kriminalität" nicht letztendlich lediglich 'Hütchenspieler' oder eine relativ harmlose Jugendbande verbergen, sondern die tatsächlich geflihrlich ist und bei der die Etikettierung mit der geflihrlichen OK durchaus gerechtfertigt ist: die massive Unterwanderung des Staates. Gemeint sind diejenigen Konstellationen, in denen sich die Akteure professionell arbeitsteilig handelnder Kriminalität des Arms bemächtigt haben, der' zu ihrer Verfolgung da ist: "wenn Gesetzgebung, Exekutive oder Justiz erpreßbar oder käuflich werden"291. Werden der Staat und seine Einrichtungen auf diese Weise unterwandert und korrumpiert, ist Folge davon eine Manipulierbarkeit und Erpreßbarkeit des Staates, die eine Veränderung des vorgegebenen Machtgeruges bewirkt und damit eine wirkliche Gefahr rur den demokratischen Staat und seine Gesellschaft darstellt. (Erst) In diesem Fall ist es angebracht, von organisierter Kriminalität als einer besonders geflihrlichen eigenständigen kriminellen Erscheinungsform zu sprechen. Zu bedenken ist dabei allerdings, daß sich auch in diesem Bereich wegen der Unschärfe im Grenzbereich das Problem der Operationalisierbarkeit des Begriffs OK stellt. Selbstverständlich bedeuten die vorstehenden Ausfilhrungen nicht, daß jeder Fall von Korruption eine Form organisierter Kriminalität darstellt. Vielmehr muß dieser Begriff äußerst restriktiv gehandhabt werden, nur in ExtremflilIen ist seine Verwendung gerechtfertigt. Im Zweifel sollte deswegen auch hier Zurückhaltung geübt werden. b) Technisch-organisatorische Prävention im Bereich der organisierten Kriminalität

Aber selbst wenn es filr diesen äußerst schmalen Randbereich, rur den der Begriff 'organisierte Kriminalität' allein wirklich gerechtfertigt erscheint, noch am ehesten filr hinnehmbar erachtet werden könnte, das Strafrecht zu verschär290 Ähnlich Vest, ZStrR 94, 121 ff. 291 Hassemer, StV 93,664 (665); ebenso ders., StV 95, 483 (489). Nach bisherigen Erkenntnissen hat allerdings bisher in Deutschland eine solch massive Unterwanderung von Justiz und Verwaltung nicht stattgefunden, so daß auch hier kein Anlaß zur Schwarzseherei besteht, vgl. Hörnte, ZStW 108 (1996), 333 (338) m.w.N.

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2. Teil - C. Alternativen

fen und Mittel der normativen Prävention zu gestatten, so bietet die technischorganisatorische Prävention auch hier eine vorzugswürdige Alternative 292 : Im Bereich öffentlicher Verwaltung können durch Änderungen von Verwaltungsstrukturen entsprechende Bedingungen geschaffen werden 293 • Dadurch kann man das Problem grundrechtswahrend und doch wirksam eindämmen, bevor es sich vollständig entwickelt, indem etwa tUr Sachbearbeiter in "vertUhrerischen Positionen" ein Rotationsprinzip eingetUhrt wird294 • Ferner ist zu denken an die Scllaffung von Möglichkeiten zur frühzeitigen Wahrnehmung der Entstehung korruptiver Prozesse, etwa durch das Vier-Augen-Prinzip295, die Einrichtung von Ausschüssen 296 , den Aufbau mobiler Prüfgruppen 297 , durch "neuartige Prüfverfahren und kluge Innenrevisionen, aber auch durch ein interministerielles Meldesystem mit an Erfahrung erprobten aussagekräftigen Kriterien"298. Als vielversprechend erweisen sich in diesem Zusammenhang Bemühungen, die Transparenz der Verwaltung zu vergrößem 299 • Dies kann insbesondere dadurch geschehen, daß den Bürgern ein Recht auf unmittelbare Information über Verwaltungsvorgänge eingeräumt wird und sie über Verwaltungsabläufe intensiv aufgeklärt werden 30o • Damit einhergehen sollte die intensive Information sowohl der Bürger als auch potentiell bestechungsgeflihrdeter Mitarbeiter über typische Vorgehensweisen bei Korruption, um in allen gesellschaftlichen Bereichen das Problembewußtsein zu wecken und die

292 Die nachfolgenden Ausführungen gelten nicht nur für den geringen Teil der Korruption, der nach der hier vertretenen Auffassung zur OK zu rechnen ist, sondern für den gesamten Bereich der Korruption. 293 Ausführlich Vahlenkamp, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 17 (52ff.); Vahlenkamp/Knauß, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 331 (348ff.); Ahlf, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 40Iff.; Ransiek, StV 96, 446 (451,453). 294 Dölling, Korruption, C 45 m.w.N.; Hassemer, StV 95, 483 (490); Littwin, ZRP 96, 308 (313); Ransiek, StV 96, 446 (451f.); Vahlenkamp/Knauß, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 331 (384). 295 Dölling, Korruption, C 45 m.w.N; Littwin, ZRP 96,308 (312); Ransiek, StV 96, 446 (451); Vahlenkamp/Knauß, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 331 (384). 296 Dazu Vah/enkamp/Knauß, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 331 (361); Hassemer, StV 94, 333 (336). 297 Dö//ing, Korruption, C 46 m.w.N.; Ransiek, StV 96, 446 (451). 298 Hassemer, StV 95, 483 (490); ähnlich Littwin, ZRP 96, 308 (312); ähnlich Vah/enkamp/Knauß, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 331 (37Iff., 376ff.). 299 Ahlf, in: BKA (Hrsg.), Korruption, 401 (443); Littwin, ZRP 96,308 (313). 300 Hassemer, StV 94, 333 (336) sowie ders., StV 95, 483 (490) weist in diesem Zusammenhang auf die in einigen anderen westlichen Ländern (etwa Schweden oder Kanada) seit längerem geltende "freedom of information" hin.

H. Außerstrafrechtliche Alternativen

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sozialethische Mißbilligung von Korruption zu stärken 30I • Weitere Ansatzpunkte technisch-organisatorischer Prävention in diesem Bereich stellen etwa eine Verbesserung der "Gewaltenteilung" zwischen Parteien, Politikern und der Verwaltung oder das Verdeutlichen der Unabhängigkeit der Justiz von der Politik durch Abschaffung der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften dar; des weiteren die Trennung von Planung, Ausführung und Überwachung, von Ausschreibung, Vergabe und Rechnungsprüfung bei "anfälligen Typen von Verwaltung"302. Die Transparenz von (Staats-)Verwaltung ließe sich möglicherweise auch durch genauere Reglementierungen einzelner Verwaltungsvorgänge erhöhen, etwa durch Reduzierung von Ermessensspielräumen, wodurch die jeweiligen Verwaltungsabläufe besser nachvollzogen werden könnten. All diese genannten Punkte dienen dazu, die organisatorischen Bedingungen korruptiver Verflechtungen so umzugestalten, daß die kriminelle Unterwanderung des Staates und seiner Einrichtungen auf wirksame Weise erheblich erschwert wird; dabei werden die bürgerlichen Freiheitsrechte jedoch nicht reduziert, sondern auf rechtsstaatlich korrekte Weise gewahrt. Und dies sogar in einem Bereich, in dem der Ruf nach drastischen Verschärfungen des Strafrechts und normativer Prävention besonders schnell laut wird: dem Bereich der vermeintlich organisierten Kriminalität. Dieser Bereich stellt damit ein weiteres Beispiel für die Möglichkeiten technisch-organisatorischer Prävention dar.

3. Technisch-organisatorische Prävention als Alternative zu § 43a

a) Drogenkriminalität Auch im Regelungsbereich des § 43a sind außerstrafrechtliche Alternativen in Gestalt der technisch-organisatorischen Prävention einsetzbar. Der Ansatz besteht zum einen darin, die extrem hohen Verbrechensgewinne nach Möglichkeit gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies soll am Beispiel der Drogenkriminalität verdeutlicht werden, die durch den Verweisungstatbestand des § 30c BtMG vom Anwendungsbereich des § 43a umfaßt ist und die maßgebliches Gewicht bei der Einführung der Vermögensstrafe besaß. Daß der bisher beschrittene Weg der normativen Prävention mit immer weiterreichenden und schärferen strafrechtlichen Mitteln nicht geeignet ist, das

301 Vgl. Dölling, Korruption, C 44[.; Littwin, ZRP 96, 308 (3120. 302 Dölling, Korruption, C 45[.; Hassemer, StV 95, 483 (490); Ransiek, StV 96, 446 (451). 12 Park

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2. Teil - C. Alternativen

Drogenproblem zu lösen, liegt auf der Hand 303 • Das Scheitern dieses Weges zu verleugnen und eine weitere Verschärfung des Drogenstrafrechts zu fordern, ist Augenwischerei und versperrt den Blick für wirksame Auswege 304 • Ein solcher Ausweg besteht darin, den Abhängigen und Gefahrdeten nicht kriminalpolitisch, sondern gesundheitspolitisch zu begegnen 305 • Durch die Illegalität wird der schwarze Markt und dadurch die immensen Gewinne der Drogenhändler, Beschaffungskriminalität und -prostitution, Verelendung, Infektion, Krankheit und Tod begründee o6 • Eine streng kontrollierte Herstellung und differenzierte Abgabe von Drogen - auch den sog. "harten" Drogen - würde zum einen den Reiz des Verbotenen nehmen und vor allem die durch die Illegalität bedingten extrem hohen Drogenpreise zusammenbrechen lassen 307 . Dies hätte insbesondere auf die Beschaffungskriminalität und -prostitution günstige, d.h. diese weitgehend überflüssig machende Auswirkungen. Abhängige zu bestrafen, führt nicht weiter. Ihnen muß intensiv geholfen werden. Dies ist nicht als Plädoyer für die unkontrollierte völlige Freigabe von Rauschgiften jeglicher Art zu verstehen, sondern als Ermunterung zu einer Drogenpolitik, die die bestehenden Probleme nicht noch vergrößert, sondern mit Rauschgiften umgeht wie bereits jetzt etwa mit Medikamenten308 • Das Strafrecht hat in dieser Form der Drogenpolitik nur unterstützende Funktion. Weitere flankierende Maßnahmen sollten aus dem Bereich der Gesellschafts- und Jugendpolitik hinzutreten: Man sollte sich verstärkt bemühen, die Jugendlichen - gerade auch die Randgruppen - und ihre Probleme ernst zu nehmen und ihnen vielfaltige Anregun-

303 Die drogenpolitische Diskussion hierzu ist überaus heftig umstritten, vgl. zum Streitstand nur die Nachweise bei KnaußIErhardt, Drogen, passim; Adams, ZRP 91, 202ff.; dems., ZRP 94, 106ff.; Körner, NJW 93, 233 und Hassemer, JuS 92, 110 (113, Fn. 53). Hier kann keine angemessene Auseinandersetzung mit den vertretenen Argumenten und Positionen erfolgen, stark verkürzt und zwangsläufig unter Außerachtlassung von für die Diskussion bedeutsamen Aspekten wird die Meinung des Verfassers nur insoweit dargestellt, als sie in bezug auf den möglichen Nutzen des Konzepts der technisch-organisatorischen Prävention für die Drogenkriminalität und damit für den Anwendungsbereich des § 43a als Quasi-Arbeitshypothese verwendet werden soll. 304 Ähnlich Prittwitz, Strafrecht und Risiko. S. 247f.; Adams, ZRP 94, 106; Ransiek, StV 96, 446 (447). 305 Hassemer, StV 94,333 (337); ders .. JuS 92, 110 (113) m.w.N.; ähnlich Körner, BtMG, Vorwort zur 4. Auflage, S. VII. 306 Hassemer, StV 93, 664 (669); Ransiek, StV 96, 446 (447); ähnlich Seelmann, KritV 92, 452 (458) m.w.N. 307 Adams, ZRP 91,202 (203); ders., ZRP 94, 106ff.; vgl. dazu auch die Nachweise bei Hassemer, .JuS 92, 110 (113, insb. Fn. 53). 308 In diesem Sinne auch Hassemer, JuS 92, 110 (113) m.w.N.; ders., StV 93, 664 (669).

11. Außerstrafrechtliche Alternativen

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gen und Möglichkeiten zu einer sinnvollen Beschäftigung sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich zu geben. Bricht der illegale Drogenmarkt damit, wie zu erwarten, weitgehend zusammen, so fallen auch nicht mehr wie bisher Gewinne ungeahnten Ausmaßes aus illegalen Drogengeschäften an 309 • Auf diese Weise wird bereits der illegalen Gewinnentstehung wirksam entgegengewirkt und nicht erst die Gewinnentstehung in Kauf genommen, um anschließend mit wenig erfolgversprechenden Mitteln eine Art Schadensbegrenzung zu betreiben. Wenn damit das Drogenproblem auch in keinster Weise "gelöst" ist und es auch weiterhin Drogenkriminalität geben wird 3lO , ist davon jedenfalls gegenüber der derzeitigen Situation eine signifikante Verbesserung zu erwarten. Damit bietet im Bereich der Drogenkriminalität die technisch-organisatorische Prävention eine erfolgversprechende Alternative zur verfehlten Vermögensstrafe.

b) Andere Verweisungstatbestände Die Drogendelikte sind nicht der einzige Anwendungsbereich des § 43a, in dem die technisch-organisatorische Prävention als vorzugswürdige Alternative zur Vermögensstrafe in Betracht kommt. Ein weiterer Ansatz für die technischorganisatorische Prävention in diesem Bereich besteht in der Verhinderung der Entstehung der Straftaten, die das Anwendungsfeld der Vermögensstrafe eröffnen. Von den Tatbeständen, die auf § 43a verweisen, sollen hier paradigmatisch die §§ 244 III, 244a III, 260 III, 260a III genannt werden. Mit diesen Tatbeständen sollen vor allem professionelle Autoschieberbanden erfaßt werden. Die Vermögensstrafe kommt erst zum Tragen, wenn 'das Kind schon in den Brunnen gefallen ist', d.h. wenn Mitglieder einer solchen Bande ge faßt werden, nachdem diese bereits über einen gewissen Zeitraum hinweg tätig war und dadurch illegale Gewinne angehäuft hat, die es nun abzuschöpfen gilt. Als sehr viel sinnvoller erscheint es demgegenüber, den Hebel bereits vorher anzusetzen und die Zahl der Kraftfahrzeugdiebstähle zu verringern. Wie oben bereits kurz angedeutet wurde 3 !!, kann dies dadurch erreicht werden, daß die Fahrzeuge durch technische Einrichtungen gegen Diebstahl gesichert werden. Mit Alarmanlagen, Lenkradschlössern und -krallen wurden erste Schritte in diese Richtung unternommen; die mehr und mehr verbreitete Einführung von

309 Adams, ZRP 91, 202f.; ders., ZRP 94, 106ff.; Ransiek, StV 96, 446 (447). 310 Dazu, daß "die "Ausrottung" von Drogenabhängigkeit oder Kriminalität weder ein kriminologisch erreichbares noch rechtsstaatlich erträgliches Ziel ist", Hassemer, StV 93, 664 (669). 311 Vgl. oben, S. 172f. 12"

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2. Teil - C. Alternativen

elektronischen Wegfahrsperren läßt bereits einen spürbaren Rückgang der KFZ-Diebstähle erkennen. Die Wirksamkeit solcher technischen Einrichtungen ließe sich bei entsprechend ernsthaften Bemühungen der Automobilindustrie gewiß noch um ein Vielfaches verbessern. Als vielversprechende und vorzugswürdige Alternative zur Vermögensstrafe erscheint dieses Sicherungskonzept schon deshalb, weil es nicht erst nach erfolgter Rechtsgutsbeeinträchtigung eingreift, sondern diese bereits in ihrer Entstehung zu vermeiden sucht. Ähnliches gilt für den Bereich der Geld- und Wertzeichenfälschung, in dem über § 150 lIebenfalls der Anwendungsbereich der Vermögensstrafe eröffnet ist. Solange man Banknoten und Wertzeichen einfach mit einer Druckpresse oder sogar mit einem guten Farbkopierer täuschend echt nachmachen kann, sehen sich potentielle Täter keinen besonderen Hindernissen ausgesetzt. Das sieht jedoch anders aus, wenn man das Nachmachen von Geld und Wertzeichen erheblich erschwert, indem man die Originale entsprechend präpariert, etwa durch eine fühlbare Obertlächengestaltung nach bestimmten Mustern oder durch das Versehen der Originale mit sonstigen nicht kopierbaren Merkmalen. Begleitend sind die Verbraucher umfassend aufzuklären, damit jederman in der Lage ist, gefälschtes von echtem Geld zu unterscheiden. Wird dieses Konzept konsequent verfolgt, steht zu hoffen, daß die Kriminalität in diesem Bereich einen stärkeren Rückgang verzeichnet, als durch die Vermögensstrafe zu erwarten ist.

4. Fazit

Die genannten Beispiele sind keineswegs abschließend J'2 und erheben auch nicht den Anspruch eines eigenen, ausgereiften Konzepts. Sie stellen lediglich einen kleinen Hinweis auf die Möglichkeiten dar, die der Bereich der technischen Prävention birgt, einen Denkanstoß in Richtung auf erfolgversprechende außerstrafrechtliche Wege, die zur wirksamen Bewältigung der gravierenden aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen künftig begangen werden sollten. Denn um eine rechtsstaatliehe Zukunft des Strafrechts zu gewährleisten, die die Würde und die bürgerlichen Rechte des einzelnen achtet, und dennoch die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen nachhaltig bewältigen zu können, muß umgedacht werden JlJ . Zu diesem Umdenken gehört die Einsicht, daß das Strafrecht nur in einem eng umgrenzten Kernbereich Sinn

312 Weitere Beispiele bei Hassemer, StV 95, 483 (489); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 322ff. 313 Vgl. dazu auch die (teilweise weiterführenden) Überlegungen von Frehsee. StV 96, 222 (228ff.).

11. Außerstrafrechtliche Alternativen

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machtl l \ daß indessen zahlreiche Probleme außerstrafrechtlich JI5 besser gelöst werden können. Dies bedeutet nun aber keineswegs, daß das Arsenal der normativen Prävention einfach um Elemente technisch-organisatorischer Prävention anzureichern ist, um durch das Nebeneinander beider Instrumente einen maximalen Rechtsgüterschutz zu erreichen. Denn es geht darum, angemessene Mittel für den Rechtsgüterschutz zu verwenden. Dies setzt voraus, gen au die Wirkungen und Nebenwirkungen zu beachten, welche die jeweiligen Instrumente hervorrufen. Erweisen sich die milderen Mittel als ebenso effektiv wie die schärferen, gebietet schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf die schärferen zu verzichten Jl6 • Die normative Prävention verwendet vorwiegend einschneidende Mittel, die die Betroffenen in ihren Rechten erheblich tangieren. Die technischorganisatorische Prävention vermag demgegenüber häufig denselben oder sogar noch einen größeren Erfolg zu verbuchen, jedoch ohne den Boden der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen und übermäßig in die Rechte der Betroffenen einzugreifen. Sie ist damit aus rechtsstaatlicher Sicht und aus Verhältnismäßigkeitserwägungen vorzugswürdig. Daraus folgt, daß technisch-organisatorische Prävention die normative nicht ergänzen, sondern möglichst weitgehend ersetzen muß JI7 . Möglichen Einwänden dahingehend, das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention verursache zu hohe Kosten, ist entgegenzuhalten, daß die von der betreffenden Kriminalität verursachten Schäden, die in dem Maß des zu erwartenden Rückgangs der Kriminalität verringert werden können, gesamtwirtschaftlich wesentlich kostenintensiver sind, d.h. daß letztendlich mehr Kosten eingespart werden können als aufzuwenden sind. Es erscheint demnach in bezug auf Effehivität wenigstens einen Versuch wert und in bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Rechtskultur sogar dringend geboten, anstelle des ersichtlich untauglichen kriminalpolitischen Konzepts der normativen Prävention zukünftig auf des Konzept technisch-organisatorischer Prävention zu setzen.

314 Dazu gehört auch die konsequente Beachtung des strafrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatzes, vgl. Frehsee, KrimJ 86, 105 (110f.). 315 Neben der technisch-organisatorischen Prävention bedeutet dies, daß derzeit einige Probleme Gegenstand des Strafrechts sind, die in anderen Rechtsgebieten - etwa dem Ordnungswidrigkeiten-, Zivil- oder dem öffentlichen Recht - besser aufgehoben wären und deswegen aus dem Strafrecht entfernt werden sollten, vgl. Hasserner, ZRP 92, 378 (383); Lüderssen, Krise. S. 37ff. m.w.N.; zu den Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Verhaltenskontrolle ausführlich Frehsee. KrimJ 86, 105ff. 316 Hasserner, StV 95, 483 (489). 317 Ebenso jetzt Hasserner, StV 95. 483 (489); anders noch ders.. StV 94, 333 (336); wie hier Ransiek, StV 96. 446 (453).

Gesamtergebnis der Untersuchung Die Untersuchung befaßte sich mit der Vennögensstrafe und dem 'modernen' Strafrecht. Das Ergebnis ist in bemerkenswerter, ja beängstigender Weise eindeutig ausgefallen: Die Vennögensstrafe verstößt gegen rechtsstaatliche Verfassungsgrundsätze, und zwar gegen das Schuldprinzip, die Unschuldsvennutung, Art. 14 GG und unter Umständen auch gegen das Resozialisierungsprinzip. Ferner ist sie mit dem Personalitätsprinzip unvereinbar und stellt darüber hinaus im strafrechtlichen Sanktionengefüge einen Fremdkörper dar, der die Möglichkeit zum bewußt rechtsstaatswidrigen Mißbrauch eröffnet. Die Vennögensstrafe verstößt damit auf mehrfache Weise gegen bewährte und größtenteils sogar mit Verfassungsrang versehene, unverzichtbare Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafrechts. Der zweite Teil der Untersuchung hat ergeben, daß die Vennögensstrafe sich nahtlos einfügt in die unübersehbare Tendenz eines 'modernen', entformalisierten und funktionalisierten Strafrechts, das von Gedanken der nonnativen Prävention beherrscht ist und mehr und mehr durch die Verwässerung rechtsstaatlicher Konturen gekennzeichnet ist. Die Vennögensstrafe trägt Züge eines bedingungslosen Feindstrafrechts, das darauf ausgerichtet ist, um den Preis des teilweisen Abrückens von rechtsstaatlichen Grundsätzen einen kompromißlosen Kampf gegen bestimmte Kriminalitätsfonnen zu führen und diese möglichst auszurotten, wobei in Kauf genommen wird, daß die betroffenen Straftäter aus der Gesellschaft ausgestoßen werden; die Vennögensstrafe ermöglicht sogar ihre vollständige wirtschaftliche Vernichtung. Mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafrechts ist dies keineswegs vereinbar. Instrumente wie die Vennögensstrafe sind nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, sie sind rechtsstaatlich inakzeptabel. Die gegenwärtige strafrechtliche Entwicklung, deren Bestandteil § 43a ist, ist für unsere Rechtskultur geflihrlich, sie rüttelt an den Grundfesten des traditionellen freiheitlichen Schuldstrafrechts. Dieser besorgniserregenden Entwicklung ist schnellstmöglich und ohne Abstriche Einhalt zu gebieten. Als erfolgversprechende Alternative erweist sich das Konzept der technisch-organisatorischen Prävention, das eine Rückbesinnung auf die Wahrung

Gesamtergebnis der Untersuchung

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rechtsstaatlicher Grundsätze beinhaltet und dennoch wirksamen Rechtsgüterschutz zu gewährleisten vermag. Als Gesamtergebnis dieser Untersuchung ist nach alledem festzuhalten, daß die Vermögensstrafe mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht nicht zu vereinbaren ist. Es bleibt zu hoffen, daß diese dogmatische und kriminalpolitische Fehlleistung des Gesetzgebers alsbald korrigiert wird.

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Bestimmtheitsgebot 57 - 63, 65, 104, 105, 122, 123, 133 Bürgerstrafrecht 106, 153, 154, 159 Eigentumsgarantie, verfassungsrechtliche 65, 71, 77, 88 Einzeltatschuldgrundsatz 49, 50 Erdrosselungswirkung 66, 67, 71, 75, 79 Feindstrafrecht 106, 153 - 155, 157 159, 164, 182 Freiheitsstrafenrabatt 37, 42, 43, 45, 72 Geflihrdungsdelikte, abstrakte 123, 130 - 132, 139 Geflihrdungsdelikte, konkrete 130 Geldstrafe von unbegrenzter Höhe 105 Geldsummenstrafe 34, 35, 55, 57, 88, 90,92,93,98,99, 113 - 115 Gewinnverfall, bedingter 171 Insiderstrafrecht 173 'klassisches' Strafrecht 120, 121, 123, 125 - 129, 136, 150, 151 - 154, 163, 165 Klimaschutzdelikte 140 'modernes' Strafrecht 120, 129, 132, 138,147,148,150,153,154,164, 182

Nebenstrafe 32, 33, 62, 100 nebenstrafenähnlicher VerdachtsVerfall 37, 50, 93, 98, 113 Nemo-tenetur-Grundsatz 104 Organisierte Kriminalität 23 - 30, 57, 66, 88, 95, 96, 103, 108 - 111, 123, 125, 127, 128, 134, 137, 142, 143, 148, 149, 156, 157, 160, 163, 172 - 175, 177

Personalitätsprinzip 116 - 118, 182 Prävention 28, 35, 39, 48, 122, 137, 13 8, 140, 146, 150, 151, 172 - normative 155, 172, 173, 176, 177,181,182 - technisch organisatorische 171 - 173, 175 - 177, 179, 180182 Rechtsgüterschutzprinzip 138, 139 Rechtshilfe 106, 107, 110 Resozialisierungsprinzip 80 - 85, 104, 182 Schuldprinzip 37 - 45, 48, 50, 51, 64, 73,74,87,90,99, 100, 104, 116, 117, 126, 128, 151, 170, 182 Sippenhaftung 117 Steuern 67, 71 - 73 Strafrahmenerweiterung 43, 45 Symbolisches Strafrecht 146, 148, 149

200

Stichwortverzeichnis

Tagessatzsystem 33 - 36, 46, 49, 55, 57,75,76,83,88,90,92,96, 111, 114, 115, 118, 119, 168, 169 Täterstrafrecht 49,50 Tatstrafrecht 49, 50 Überschuldstrafe 45, 48 - 50, 74 Umrechnungsschlüssel 42, 44, 46, 62, 99 Unschuldsvermutung 37,51 - 57, 99, 100, 104, 128, 157, 182 Ungleichbehandlung 42, 43, 46, 47 Verdachtsstrafe 53, 88 - 90,92 Verfall 29, 31, 32, 34 - 38, 50, 55,60, 70,74,77,90,92 - 94, 96, 98, 100, III - 113, 149, 152, 167, 168, 170 Verfall, Erweiterter 31,43,47,54,66, 110, 168

Verfassungskonforme Auslegung 38, 44,48,79,87 - 89, 98, 99, 101, 104,105 - Grammatische Auslegung 91, 98,99 - Objektiv-teleologische Auslegung 91, 96 - 98 - Subjektiv-historische Auslegung 91,94 - 98, 100, 103 - Systematische Auslegung 92 94 Verhältnismäßigkeitsprinzip 28, 44, 66,67,70,72,85,86,87,99,181 Vermögensbegriff, juristisch-ökonomischer 70 Vermögensbegriff, wirtschaftlicher 70 Vermögenskonfiskation 67,77,78,80, 81,105,116, 117, 157 Vorverlagerung der Strafbarkeit 131, 136, 137, 139, 140, 155 Wiederaufnahmegrund 107, 108