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German Pages 188 Year 2001
WOLFRAM W. RADKE
Bedingungsrecht und Typenzwang
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 242
Bedingungsrecht und Typenzwang Eine Untersuchung zu Grundlagen und Grenzen privatautonomer Gestaltung
Von Wolfram W. Radke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Radke, Wolfram W.: Bedingungsrecht und Typenzwang : eine Untersuchung zu Grundlagen und Grenzen privatautonomer Gestaltung / von Wolfram W. Radke. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 242) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10309-2
Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10309-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Für Nadine
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2000 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Stephan Buchholz und seiner Frau Manon Borchert-Buchholz. Beide haben die Entstehung dieser Arbeit während meiner Tätigkeit am Marburger Institut für Rechtsgeschichte umfassend gefördert und in jeder Hinsicht begleitet. Danken möchte ich weiterhin Herrn Professor Dr. Ralph Backhaus, der die Mühe des Zweitgutachtens auf sich genommen hat. Meiner Mutter danke ich für ihre stets interessierte und fördernde Begleitung meines wissenschaftlichen Werdegangs. Meine Großmutter, Frau Dr. phil. Annaliese Radke, hat die Veröffentlichung dieser Arbeit durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß ermöglicht. Marburg, im Juli 2000
Wolfram
Radke
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung
15
Erstes Kapitel Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen I. Der Bezug zur Rechtsordnung als Begriffsmerkmal des Rechtsgeschäfts II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
22 22 24
1. Die Identitätsfiktion als Alternative
25
2. Der Parteiwille als Kriterium der Anerkennung
26
3. Der Parteiwille als Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Regelung
26
4. Maßstab und Kontrolle der rechtlichen Anerkennungsfähigkeit von Willenserklärungen
28
5. Die Richtigkeitsgewähr rechtsgeschäftlicher Regelungen
29
a) Mehrseitige Rechtsgeschäfte
29
b) Einseitige Rechtsgeschäfte
34
III. Der Anerkennungsmechanismus
36
1. Zum Begriff des numerus clausus der Aktstypen
38
2. Zum Verhältnis von Geltungsgrund, Anerkennungsmaßstab und Anerkennungsmechanismus
40
IV. Zusammenfassung
45
Zweites Kapitel Begriff und Funktion des Typenzwangs I. Zum Begriff des Typenzwangs II. Typenzwang und typologische Rechtsfindung
46 47 49
1. Der Arbeitnehmerbegriff der herrschenden Lehre
50
2. Die Genossenmiete
51
3. Typologie und Eingriffslegitimation
52
10
Inhaltsverzeichnis
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs 1. Der negative Typenzwang
53 53
a) Begriffliches
53
b) Weitungsmäßige Grundlagen
54
c) Der Typenzwang in seiner historischen Entwicklung
55
d) Zusammenfassung
63
2. Der positive Typenzwang
64
a) Der gesellschaftsrechtliche Rechtsformzwang
64
b) Zur Auswahl unter verschiedenen Vertragstypen
65
c) Positiver Typenzwang und Geltungsgrund
69
3. Typenzwang und zwingendes Recht IV. Wirkungsweise des Typenzwangs
70 70
1. Negativer Typenzwang als gesetzlicher Verbotstatbestand
70
2. Positiver Typenzwang als Ersatzgeltungsgrund
74
3. Sicherung und Beschränkung der Privatautonomie
74
V. Zusammenfassung
75
Drittes Kapitel
Das Bedingungsrecht I. Das Bedingungsrecht als Perspektivenfrage II. Die Abgrenzung von echter Bedingung und Rechtsbedingung
76 77 79
ΙΠ. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
81
1. Die bisher vertretenen Lösungsansätze
81
a) Anwartschaft- und Pendenzlehre
82
aa) Die Pendenzlehre
82
bb) Die Anwartschaftslehre
92
b) Die Lehre von Bierling und Minas 2. Eigener Ansatz: Das bedingte Geschäft als Verfügung über ein Erwerbsrecht ... 3. Mögliche Einwände gegen den neuen Ansatz
94 96 100
a) Die Differenzierung zwischen aufschiebend und auflösend bedingtem Geschäft 100 b) Das Abstraktionsprinzip
101
c) Die Einordnung einseitiger Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen
102
4. Zwischenergebnis
103
Inhaltsverzeichnis IV. Das Verhältnis zum Typenzwang
103
1. Erwerbsrecht und numerus clausus
104
2. Das Erwerbsrecht als Perspektivenwechsel
104
3. Wechselwirkungen zwischen Typenzwang und dem Verständnis der Bedingungswirkung 105 V. Zusammenfassung
106
Viertes Kapitel
Streitige Einzelfälle im Grenzbereich von Bedingungsrecht und i y penzwang I. Das Problem der Ersatzakzessorietät
107 107
1. Ausgangspunkt und Problemstellung
108
2. Rechtsprechungsbeispiele
109
3. Rechtsgeschäftliche Akzessorietät und gesetzliche Typenordnungen
111
a) Rechtsgeschäftliche Akzessorietät und Akzessorietätsersatz
112
b) Ersatzakzessorietät und positiver Typenzwang
113
c) Gesetzliches Verbot rechtsgeschäftlicher Akzessorietät?
114
4. Ergebnis und Beurteilung der Rechtsprechung II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz 1. Die mögliche Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung
114 115 117
a) Abstraktion und Akzessorietät
117
b) Das zugrundeliegende Verständnis des Typenzwangs
118
aa) Bedingte Grundschuld und Hypothek
118
bb) Der gesetzliche Typenzwang als Verbotsgesetz
119
2. Mögliche Gründe für eine Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung
120
a) Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz
120
b) Die Verkehrsfähigkeit der Grundschuld
121
c) Der Inhalt des Grundpfandrechts
121
d) Überlastung des Grundbuchs
122
3. Privatautonomie und Grundpfandrecht
122
4. Zusammenfassung
123
12
Inhaltsverzeichnis
ΙΠ. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
123
1. Einführung
123
2. Die Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel
125
3. Bedingte Erbeinsetzung und Vor-und Nacherbfolge
127
a) Vor- und Nacherbfolge kraft erbrechtlichen Typenzwangs
127
b) Die Zulässigkeit mehrfach bedingter Rechtsgeschäfte
127
aa) Die bedingte Übertragung von Anwartschaften
128
bb) Bedingte Nacherbeneinsetzung und zwingendes Erbrecht
130
4. Zusammenfassung und Ergebnis IV. Die Cautela Socini 1. Zur Regelungsstruktur des § 2306 BGB
132 132 133
a) Grundlagen
133
b) Positiver und negativer Typenzwang
134
aa) Die Unwirksamkeit der Bedingung
134
bb) Die rechtstechnische Umsetzung des intendierten Schutzes des Pflichtteilsberechtigten
135
2. Die Cautela Socini als Fall des § 23061 1 BGB
137
a) Der Apothekerfall (BGHZ 120,96)
137
b) Zur Möglichkeit einer aufschiebend bedingten Vorerbeneinsetzung
139
c) Aufschiebend bedingte Vorerbschaft als Nacherbeneinsetzung?
140
d) Zur Bedeutung des abweichenden Erblasserwillens
141
3. Ergebnis V. „Quos Titius voluerit": Materielle Höchstpersönlichkeit des Testaments und auflösend bedingte Vorerbeneinsetzung
142
142
1. Ausgangsfall: RGZ 95,278
143
2. Zulässigkeit und Konstruktion einer bedingten Vorerbschaft
144
a) Das Ziel der Bedingungskonstruktion
144
b) Zur Konstruktion im einzelnen
145
3. Formelle oder materielle Höchstpersönlichkeit des Testaments: Zur Möglichkeit einer Umgehung des § 2065 II BGB 146 a) Der erbrechtliche Typenzwang als gesetzlicher Verbotstatbestand
146
b) Der Tatbestand des § 2065 II BGB
147
c) § 2065 II BGB als Beschränkung oder Ausgestaltung der Testierfreiheit? ....
148
Inhaltsverzeichnis d) Die Ratio des § 2065 II BGB aa) Materielle Höchstpersönlichkeit und Wortformalismus
149 149
bb) Die Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung als Schutz der gesetzlichen Erbfolge? 150 cc) Materielle Höchstpersönlichkeit als Mittel zur Verhinderung von unerwünschten Vermögenskonzentrationen
151
4. § 2065 II BGB als Norm ohne materialen Schutzzweck
151
5. Ergebnis
152
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte 1. Terminologisches
153 153
2. Das Anwartschaftsrecht im Haftunsgsverband eines Grundpfandrechts: Die herkömmliche Sichtweise 153 a) Die Interessen der Beteiligten und ihre rechtliche Gewichtung
153
b) Die Problematik des Anwartschaftsrechts
154
3. Haftung und Enthaftung von Erwerbsrechten: Die eigene Sichtweise a) Das Erwerbsrecht als selbständiges Verfügungsobjekt
158 158
b) Die Enthaftung des Erwerbsrechts durch seine Rückübertragung als Ausdruck der strukturellen Schwäche der Zubehörhaftung 159 c) Die Schwäche der herkömmlichen Sichtweise 4. Zusammenfassung
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
160 161
162
Literaturverzeichnis
166
Sachwortverzeichnis
186
Einleitung und Problemstellung Die Privatautonomie1 ist ein grundlegendes Ordnungsprinzip unserer Rechtsordnung.2 Sie erscheint dennoch in der gegenwärtigen Rechtsentwicklung beinahe als Auslaufmodell. 3 Wenn man Diederichsen 4 glauben darf, befindet sich die herkömmliche, auf der Wertentscheidung für die Privatautonomie aufbauende Zivilrechtswissenschaft sogar in einer Abwehrschlacht gegen verfassungs- und europarechtliche Invasionsversuche5. Diese äußern sich vor allem darin, daß unter dem Deckmantel der Gesetzesauslegung Verbraucher-, mieter- oder arbeitnehmerschützende Sozialpolitik betrieben wird. Zu nennen ist hier etwa die Diskussion um die Entgeltlichkeit des Bürgschaftsvertrages 6: Wahrend es bei rein „privatrechtlicher" Betrachtung keinem Zweifel unterliegen kann, daß der Bürge vom Gläubiger regelmäßig gerade kein Entgelt für die Haftungsübernahme erhält7, ist aus Gründen derrichtlinienkonformen Auslegung sowie des Verbraucherschutzes gefordert worden, in § 1 HausTWG (und teilweise auch für § 1 VerbrKrG) einen abweichenden Begriff der Entgeltlichkeit zugrundezulegen.8 Mit einem graduell leichteren Eingriff in das herkömmliche Zivilrechtsverständnis kommt aus, wer das VerbrKrG 1
Zur Herkunft des Begriffes der Privatautonomie vgl. Mayer-Maly, Jahrbuch für Rechtssoziologie XIV (1989), S. 268, 271 f. mit weiteren Nachweisen zur Diskussion im 19. Jahrhundert; siehe hierzu auch Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 8 f.; L Raiser, JZ 1958,1,1 f. 2 Vgl. etwa (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214, 232 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, § 1, 1; ders., Festschrift DJT (1960) I, S. 135 ff.; Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 22; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 41; Lorenz, Schutz, S. 15; Picker, Warnstreik, S. 150 ff.; Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff.; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 3; ders., JuS 1988, 329, 330; ders., AcP 188 (1988), 85, 97; Bydlinski, AcP 194 (1994), 319,326 ff.; Canaris, in: Festschrift für Lerche (1993), S. 873, 874. 3 Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 3, 5 ff.; ders., AcP 188 (1988), 85, 97 ff.; ders., JuS 1988, 329, 331 ff.; zur Privatautonomiekritik s. insbesondere J. Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, 238 ff.; Limbach, JuS 1985, 10, 12 ff.; dies., KritV 1986, 165, 176 ff.; Esser/Schmidt, SchuldR 11, S. 2 ff., 18 ff.; Derleder, in: Festschrift für Wassermann (1985), S. 643 ff.; ders., KJ 1995, 320 ff. 4 Jura 1997,57,57; AcP 1998 (1998), 171,172 f., 175 5 Hierzu auch Canaris, in: Festschrift für Lerche (1993), S. 873,887 ff. 6 Zusammenfassend Hasselbach, JuS 1999, 329,331 ff. 7 BGH v. 21. 4. 1998, NJW 1998, 1939, 1940; MünchKomm BGB -Habersack, § 765 Rn. 2; Habersack, DStR 1998, 946, 946; Scherer/Mayer, DB 1998, 1217, 1219; Casper, BB 1998,1227,1227. 8 Bülow, NJW 1996, 2889, 2892; ders., ZIP 1998, 1187, 1189; ders., VerbrKrG, § 1 Rn. 108.
16
Einleitung
auf Bürgschaften lediglich entsprechend anwenden will. 9 Aus dem Gesamtbereich des Arbeitsrechts10 sei an dieser Stelle nur auf die Problematik der sog. Scheinselbständigkeit hingewiesen.11 Sie illustriert die hier nur beschränkte Wirklichkeitsmacht der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung für die Privatautonomie. Entsprechendes gilt für das Recht der Wohnraummiete.12 Verfassungs-, Gemeinschafts- und Verbraucherprivatrecht können in ihrer Gesamtheit für den klassischen Zivilisten, der sich in ein zusehends kleiner werdendes Reservat gedrängt sieht, in der Tat als bedrohlich erscheinen.13 Indes wird der Ruf nach einer „Selbstbehauptung des Privatrechts"14 ungehört verhallen, als unreflektierte, dumpfe Angst vor allem Neuen abgetan werden, solange nicht die tatsächliche Existenz einer „Bedrohung" und deren Grundlagen präzise benannt werden können. Denn es ist unbestreitbar, daß bei der Anwendung des Zivilrechts die Werteordnung der Verfassung, die Belange des Schutzes sozial Schwächerer sowie die Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts 15 zu berücksichtigen sind.16 Problematisch und, wenn man so will, bedrohlich kann deshalb nicht die Berücksichtigung der genannten Belange als solche, sondern nur ihre Integration in den gewachsenen Bestand des Zivilrechts sein.17 Hier geht es im Kern darum, einen 9 Hierfür kann auch die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 17.3. 1998, NJW 1998, 1295) angeführt werden. Der Gerichtshof hatte in dieser Entscheidung die Anwendbarkeit des HausTWG auf Bürgschaften bejaht und den Bürgschaftsvertrag damit als „Vertrag über eine entgeltliche Leistung" angesehen. Diese Entscheidung hat sich (bisher) nur deshalb nicht ausgewirkt, weil der Gerichtshof unter Verkennung des Akzessorietätsgrundsatzes des deutschen Rechts als weitere Voraussetzung der Anwendbarkeit des HausTWG (entsprechendes muß für das VerbrKrG gelten, vgl. BGH v. 21.4.1998, NJW 1998,1939,1940) verlangt, daß nicht nur die Bürgschaft in den Anwendungsbereich des HausTWG fallen muß, sondern auch der die Hauptforderung begründende Vertrag (EuGH v. 17. 3. 1998, NJW 1998, 1295, 1296). Vgl. aus dem kaum überschaubaren Schrifttum MünchKomm BGB-Habersack, Vorb. § 765 Rn. 9; Artz, VuR 1997, 227, 229, Graf v. Westphalen, DB 1998, 295, 297; Hagena, Drittschutz im Verbraucherkreditrecht, S. 210 ff. 10 Siehe hierzu etwa Preis, Grundfragen, passim; Derleder, KJ 1995, 320, 331 ff. 11 Zum Problem vgl. MünchUdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 52 ff. 12 Beispiele aus dem „Verfassungsmietrecht" nennt Diederichsen, Jura 1997, 57, 61 ff. Umfassend v. Stebut, Regelungsproblem, S. 22 ff. 13 Ähnlich auch Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 5; Herrmann, ZÌA 1996, 19,63. 14 So der Titel des Aufsatzes von Diederichsen in Jura 1997,57. 15 Zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts grundlegend EuGH v. 15. 7. 1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 - Costa/ENEL; v. 17. 12. 1970, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 -Internationale Handelsgesellschaft; v. 9. 3. 1978, Rs. 106/77, Slg. 1978, 629 - Simmenthai II. Das BVerfG anerkennt den Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Ergebnis ebenfalls (vgl. BVerfG v. 29. 5. 1974, BVerfGE 37, 271, 279 f. - Solange I; v. 22. 10. 1986, BVerfGE 73, 339, 383 Solange II; v. 12. 10. 1993, BVerfGE 89, 155, 183 f. - Maastricht). Der vom EuGH abweichende Begründungsansatz ist hier nicht von Belang (dazu etwa Horn, DVB1. 1995, 89,94). 16 Deshalb ist die Lüth-Entscheidung des BVerfG (v. 15. 1. 1958, E 7, 198) auch im Kern richtig. π So etwa Herrmann, ZfA 1996, 19,63 f. Zur Kritik der Rechtsprechung des BVerfG eingehend Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 ff., vor allem 242 ff.
Einleitung
Ausgleich zwischen Freiheit und Bindung zu finden und damit letztlich um die Bestimmung von Grund und Grenzen der Privatautonomie. Jedoch will die vorliegende Arbeit das hiermit eröffnete weite Feld rechtspolitischer Grundsatzdiskussionen über die Frage, ob nicht auch und gerade die Freiheit des sozial Schwächeren stets nur Freiheit zur selbstbestimmten Bindung sein kann18, nicht betreten. Ziel ist vielmehr, zur Klärung der Grundlagen privatautonomer Gestaltung von Rechtsverhältnissen beizutragen. Dabei soll der Begriff der Grundlage in einem doppelten Sinn verstanden werden. Er soll sowohl die Mittel privatautonomer Gestaltung und ihre Wirkungsweise als auch die inhaltliche Richtigkeit der getroffenen Regelungen umfassen. Man mag im ersteren Fall von formellen, im letzteren von materiellen Gestaltungsbedingungen sprechen. Zu den materiellen Gestaltungsbedingungen hat sich das Bundesverfassungsgericht in zwei Grundsatzentscheidungen geäußert.19 Die Entscheidung von Grundsatzfragen des Zivilrechts durch das Bundesverfassungsgericht könnte symptomatisch für eine wissenschaftliche Vernachlässigung der Grundlagen des Privatrechts sein, die gegenüber vermeintlich spektakuläreren Kontroversen20 in den Hintergrund getreten sind. Das ist um so bedauerlicher, als deshalb eine (argumentative) Selbstbehauptung des Privatrechts bereits am fehlenden Selbst-Bewußtsein zu scheitern droht. Setzt doch jedes Selbst-Bewußtsein die Erfahrung der eigenen Grenzen voraus. Eine Analyse speziell der Grenzbereiche der Privatautonomie kann somit zur Selbstbehauptung des Zivilrechts beitragen. Denn dieses muß aus seinen Grundlagen heraus entwickelt werden.21 Die im Mittelpunkt der Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stehende Frage nach der Richtigkeitsgewähr22 privatautonomer Entscheidungen ist nun aber wahrlich keine Grenzfrage der Zivilrechtsdogmatik. Entsprechend uferlos 23 ist auch die Literatur zu dieser Frage. 24 Nach der ersten großen Privatautonomiediskussion in den sechziger und siebziger Jahren25 hat das Thema in den is S. hierzu Mayer-Maly, Jahrbuch für Rechtssoziologie XIV (1989), S. 268, 277ff.; Manfred Wolf Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 35 ff. 19 BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89,214,232 - Bürgschaft; v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, 242 - Handelsvertreter. 20 Vgl. nur die „spektakulärste privatrechtliche Kontroverse dieses Jahrzehnts" (Canaris , ZIP 1996, 1109, 1109) um die Ausgestaltung der Freigabeklauseln bei revolvierenden Globalsicherheiten. 21 Wilhelm, JZ 1998, 18, 18 f. 22 Der Begriff stammt von Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 133.
23 Vgl. allein zur Frage der Angehörigenbürgschaft Medicus, JuS 1999, 833 ff.; ders., in: Festschrift für Fikentscher (1998), S. 265, 266 f.; Pape, NJW 1997, 980, 981 f.; Tonner, ZIP 1999,901,901 f.; ders., JuS 2000,17, 18 f.; Tiedtke, NJW 1999,1209 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. 24 Nachweise bei Habersack, Vertragsfreiheit, S. 41 f. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Privatautonomie vgl. auch Höfling, Vertragsfreiheit, S. 4 ff. mit weiteren Nachweisen.
2 Radke
18
Einleitung
letzten Jahren eine Renaissance erlebt, die zu mehreren Habilitationsschriften geführt hat. 26 Schon deshalb wäre es vermessen, die mit dem Stichwort Privatautonomie verbundenen Problemkreise erschöpfend behandeln zu wollen. Die Studie wird sich vielmehr auf zwei, freilich durchaus exemplarische, Detailprobleme beschränken. Im Mittelpunkt der Arbeit sollen zwei Rechtsinstitute stehen, die - nicht ganz zu Unrecht - dem Verdacht ausgesetzt sind, letzte Bastionen der vermeintlich längst überwundenen Begriffsjurisprudenz zu sein: Der Gesamtbereich des Bedingungsrechts27 sowie das Institut des Typenzwangs. Die hiermit getroffene Auswahl hat einen gewissen Rechtfertigungsbedarf zur Folge. Weisen doch Bedingungsrecht und Typenzwang auf den ersten Blick keinerlei Berührungspunkte auf. Ein zumindest vordergründiger Zusammenhang beider Rechtsinstitute kann indes relativ schnell ausgemacht werden. Auf der einen Seite ermöglicht es das Bedingungsrecht als kautelarjuristisches Gestaltungsmittel28 par excellence29 den Parteien eines Rechtsgeschäfts dieses flexibel an zukünftige, ungewisse Ereignisse anzupassen. Sie können auf diese Weise Planungsrisiken privatautonom verteilen30, ohne auf eine in ihrer Handhabung schwankenderichterliche Vertragshilfe 31 angewiesen zu sein. Das Bedingungsrecht erweitert somit den rechtsgeschäftlichen Handlungsspielraum der Parteien.32 Dieser Handlungsspielraum wird auf der anderen Seite durch den Typenzwang eingeschränkt. Denn ein bestehender Typenzwang führt zur Ungültigkeit ihm widersprechender Abreden. Jedoch kann die Gleichung Bedingungsrecht gleich Erweiterung der Privatautonomie und Typenzwang gleich Beschränkung der Privatautonomie nur bei flüchtiger Betrachtung aufgehen. Ist doch die Privatautonomie auf die Rechtsordnung bezogen. Eine Parteiabrede wird allein durch den Bezug zur Rechtsordnung zum Rechtsgeschäft. Hieraus erhellt, daß Inhalt und Schranken der Privatautonomie 25 Merz, Privatautonomie, S. 13 ff.; Zweigert, in: Festschrift für Rheinstein II (1969), S. 463, 502 f.; Mückenberger, KJ 1971, 248 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 131 ff.; L· Raiser, Zukunft, S. 8 ff.; ders., JZ 1958, 1, 2 ff.; ders., in: Festschrift v. Gierke (1950), S. 181, 197ff.; Mestmäcker, JZ 1964,441,442 f. 26 Hönn, Kompensation; v. Stebut, Regelungsproblem; Fastrich, Inhaltskontrolle; Preis, Grundfragen. 27 Das Bedingungsrecht ist seit langem nicht mehr monographisch bearbeitet worden. Die Ursache hierfür dürfte vor allem die begriffliche Überfrachtung dieses Rechtsgebiets sein. Denn ein Bedürfnis für die Klärung der sich insoweit stellenden Fragen ist durchaus vorhanden, vgl. etwa Leser, Rücktritt, S. 18 f. 28 Zur Bedeutung der bedingten Aussetzung eines Vermächtnisses als erbrechtliches Gestaltungsmittel vgl. ausführlich Zawar, Vermächtnis, S. 16 ff. 29 MünchKomm BGB-H.P. Westermann, § 158 Rn. 2 30 MünchKomm BGB-H.P. Westermann, § 158 Rn. 2; vgl. auch bereits von Savigny, System III, S. 150 ff. 31 Vgl. zur Lehre von der Geschäftsgrundlage und ihrem Wegfall etwa Palandt/Heinrichs, § 242 Rn. 110 ff.; MünchKomm BGB-Roth, § 242 Rn. 496 ff. 32 MünchKomm BGB -HP. Westermann, § 158 Rn. 2
Einleitung
19
durch die Gesamtrechtsordnung ausgestaltet werden müssen.33 Bedingungsrecht und Typenzwang regeln deshalb als Bestandteile der Gesamtrechtsordnung gleichermaßen Inhalt und Schranken der Privatautonomie. Angesichts dieser Wechselwirkung wäre es zirkelschlüssig, das Bedingungsrecht als erweiternden und den Typenzwang als die Privatautonomie limitierenden Faktor zu qualifizieren. Dennoch bestehen zwischen beiden Instituten Berührungspunkte. Sie liegen nur etwas tiefer. Wohl aus diesem Grund fehlt bisher eine über Detailfragen hinausreichende Bearbeitung dieser Materie. Der Typenzwang lenkt nämlich den Parteiwillen bildlich gesprochen in die von der Rechtsordnung vorgegebenen Bahnen, während die Hinzufügung einer Bedingung den Tatbestand des Rechtsgeschäftes modifiziert und damit eine Umgehung eines gesetzlichen Typenzwanges ermöglichen könnte. Es hängt dann vom inhaltlichen Verständnis des Typenzwanges ab, ob die Manipulation des rechtsgeschäftlichen Tatbestandes durch das Setzen einer Bedingung eine unzulässige Gesetzesumgehung (fraus legis34) oder eine erlaubte Inanspruchnahme privatautonomer Gestaltungsfreiheit darstellt. Hier handelt es sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um ein dogmatisches Glasperlenspiel. Das angesprochene Problem hat vielmehr durchaus einen praktischen Bezug. An erster Stelle zu nennen sind insoweit die kautelarischen Sicherungsrechte (Sicherungsübereignung, Sicherungszession und Sicherungsgrundschuld). Diese in der Praxis entwickelten35 und heute jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannten Sicherungsrechte36 zeichnen sich im Gegensatz zu den gesetzlich geregelten forderungsabhängigen Realsicherheiten (Hypothek und Pfandrecht) durch das Fehlen der Akzessorietät aus. Die Anbindung des Sicherungsrechts an die zu sichernde Forderung erfolgt insoweit lediglich schuldrechtlich.37 Darin liegt eine gewisse Gefahr für den Sicherungsgeber, der sich auf die abredegemäße Verwendung der zu treuen Händen übertragenen Rechtsmacht verlassen muß. Der Sicherungsgeber kann allerdings der Sicherungsabrede durch Vereinbarung einer Bedingung dingliche Wirkung beilegen: Die Rechtsübertragung kann unter der aufschiebenden Bedingung des Entstehens der zu sichernden Forderung vorgenommen und deren Erlöschen zugleich als auflösende Bedingung vereinbart werden. Eine solche Bedingungskonstruktion führt jedoch zu einer mindestens teilweisen Typenvermischung, da die dingliche Anbindung des Sicherungsrechts an Inhalt und Bestand der zu sichernden Forderung charakteristisch für den gesetzlich geregelten Typus des akzessorischen Sicherungsrechts ist. Liegt also eine Gesetzesumgehung oder eine privatautonome Erweiterung der dinglichen Sicherungsrechte vor? 33 Manfred Wolf Rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit, S. 22; Huber, Bedeutung, S. 21; Laufke, in: Festschrift für Lehmann I (1956), S. 145, 163 ff. 34 Zur Gesetzesumgehung ausführlich H. Honseil, in: Festschrift für Käser (1976), S. 111 ff. 35 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, § 112. 36 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, § 112. 37 Zum Treuhandcharakter der Sicherungsübereignung vgl. statt aller Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung II, § 1812. 2*
20
Einleitung
Auf dem Gebiet des Erbrechts kann die praktisch bedeutsame Wiederverheiratungsklausel38 im gemeinschaftlichen Ehegattentestament mit Einheitslösung (Berliner Testament) als Beispiel sowohl für die fehlende Aufhellung des Grenzbereiches von Bedingungsrecht und Typenzwang als auch für die begriffliche Überfrachtung der Diskussion angeführt werden. Wahrend früher nur darüber gestritten wurde, ob die Wiederverheiratungsklausel zu einer auflösend bedingten Vollerbschaft des länger lebenden Ehegatten verbunden mit dessen aufschiebend bedingter Vorerbschaft führt 39, oder aber umgekehrt eine aufschiebend bedingte Vollerbschaft mit einer auflösend bedingten Vorerbschaft zu kombinieren ist 40 , hat unlängst Wilhelm 41 die Diskussion um eine dritte Möglichkeit bereichert. Aus einem richtig verstandenen Bedingungsrecht ergebe sich nämlich angesichts des erbrechtlichen Typenzwangs die ausnahmslose Unzulässigkeit der bisher diskutierten Bedingungskonstruktion. Enthalte ein gemeinschaftliches Testament eine Wiederverheiratungsklausel, sei ohne weiteres von einer bloßen Vorerbschaft des überlebenden Ehegatten auszugehen.42 Obschon der begrifflich-dogmatische Aufwand gerade bei der „Konstruktion" der Wiederverheiratungsklausel die zugrundeliegende Kontroverse annähernd so spektakulär erscheinen läßt wie den oben erwähnten Streit über die Freigabeklauseln bei revolvierenden Globalsicherheiten, ist doch nicht zu verkennen, daß es insoweit um eher randständige Probleme geht. Deren grundlegende Bedeutung erweist sich indes anhand der zu ihrer Lösung anzustellenden Überlegungen. Denn klärungsbedürftig ist hier, auf welche Weise durch eine oder mehrere Willenserklärungen eine gewollte Rechtsänderung herbeigeführt wird, wie das Setzen einer Bedingung in diesen Prozeß eingreift und wie sich ein etwa bestehender Typenzwang auswirkt. Von grundlegender Bedeutung ist insoweit die materiale Legitimation und der rechtstechnische Mechanismus der Übersetzung einer Parteiabrede in ein Rechtsgeschäft. Hier geht es insbesondere auch darum, zu entscheiden, welche Bedeutung dem Parteiwillen für die Bestimmung der mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen zukommt. Können die Parteien in den Grenzen von Gesetz und guten Sitten privatautonom bestimmen, welche Rechtsfolgen an die von ihnen gewählte tatsächliche Ausgestaltung geknüpft werden sollen, oder sind sie darauf beschränkt, zwischen verschiedenen tatsächlichen Gestaltungen auszuwählen, an die von der Rechtsordnung jeweils feststehende Rechtsfolgen geknüpft werden? Ist es etwa möglich und zulässig, für einen dem Typus Arbeitsvertrag entsprechenden Lebenssachverhalt die Rechtsfolgen des Werkvertrags38 Zawar, NJW 1988, 16,16. 39 So etwa KG v. 30. 11. 1911, KGJ 42 (1912), 109, 111; seitdem st. Rspr. des KG (Nachweise bei Buchholz, Wiederverheiratung, S. 27 ff.); RG v. 25. 11. 1937, RGZ 156, 172, 181; BGH v. 6. 11. 1985, BGHZ 96,198,203. 40 So v. Lübtow, Erbrecht II, S. 918 f. 41 NJW 1990,2857,2860 ff. 42 Wilhelm, NJW 1990, 2857, 2863; ebenso Lange/Kuchinke, Zawar, DNotZ 1986, 515, 525 f.; ders., NJW 1988,16, 18.
Erbrecht, § 24 IV 3c;
Einleitung
rechts zu vereinbaren?43 Kann eine Wohnungsbaugenossenschaft bestimmen, ob auf die Nutzungsverhältnisse das soziale Mietrecht oder besondere gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen Anwendung finden? 44 Kann die Einräumung der faktischen Leitungsmacht über ein Unternehmen Teil der Rechtsfolgen eines Lieferungsvertrages sein oder liegt insoweit stets ein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 AktG vor? 45 Die Reihe der Beispiele ließe sich noch fortsetzen. 46 Doch dürfte bereits jetzt deutlich geworden sein, daß hinter einer vermeintlich harmlosen Frage der Zivilrechtsdogmatik eine beachtliche praktische wie soziale Brisanz stecken kann. Deshalb ist ihre sorgfaltige Beantwortung keine Zeitverschwendung, kein dogmatisches Glasperlenspiel. Denn auf der zu klärenden Grundstruktur des rechtsgeschäftlichen Regelungsmechanismus muß aufgebaut werden können, um Komplikationen zutreffend zu erfassen und zu einer nachvollziehbaren und wertungsmäßig begründeten Lösung zu gelangen.
43 Hiermit angesprochen ist die Problematik des sog. Arbeitnehmerbegriffes, d. h. die Annahme eines Arbeitsverhältnisse auch entgegen der von den Parteien gewählten Bezeichnung ihres Vertragsverhältnisses als „freier Dienstvertrag", „Werkvertrag", ,franchisevertrag" usw. Siehe hierzu vorläufig MünchHdb ArbR-Richardi, § 23 Rn 52 ff. 44 Vgl. hierzu die Übersicht bei Beuthien, GenG, § 1 Rn. 49; § 18 Rn. 6a. 45 Siehe hierzu Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 292 Rn. 48. 46 Zu weiteren Anwendungsbeispielen vgl. unten Kapitel 4, IV, V.
Erstes Kapitel
Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen Im Zentrum jeder freiheitlichen Rechtsordnung muß die Anerkennung einer möglichst weitreichenden Freiheit des Individuums zur Selbstbestimmung stehen.1 Diese ursprünglichste Tatsache des Rechts2 wird auf dem Gebiet des Zivilrechts durch die rechtsgeschäftliche Privatautonomie verwirklicht. Wenn allerdings die Motive3 das Rechtsgeschäft als eine Privatwillenserklärung definieren, deren Folgen nach der Rechtsordnung deshalb eintreten, weil sie gewollt sind, wird hiermit zugleich auch die Grenze zwischen rechtsfreier Selbstbestimmung auf der rein gesellschaftlichen Ebene und der selbstbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen definiert. Denn die Übereinkunft der Parteien wird erst dadurch zum Rechtsgeschäft, daß sie von der Rechtsordnung anerkannt wird 4, diese ihren Inhalt also notfalls zwangsweise durchsetzt.5
I. Der Bezug zur Rechtsordnung als Begriffsmerkmal des Rechtsgeschäfts Zwar wird der Bezug des Rechtsgeschäfts zur Gesamtrechtsordnung allgemein betont.6 Die hieraus folgende Konsequenz, daß außerhalb eines im einzelnen zu bestimmenden Mindestbezuges zur Rechtsordnung stehende Parteiabreden schon nicht als Rechtsgeschäft angesehen werden können, wird indes nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit gezogen.
ι Lorenz, Schutz, S. 17; Picker, Warnstreik, S. 151; Ehrlich, Grundlegung, S. 155; Mestmäcker, JZ 1964,441,442. 2 Ehrlich, Grundlegung, S. 155. 3 Mot. I, 126 = Mugdan I, S. 421. « Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 f.; Huber, JurA 1970, 784, 785; Lorenz, Schutz, S. 16 f.; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 4; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 22 Rn. 6. 5 Dies betonen auch die Motive (Bd. I, 126 = Mugdan I, S. 421): Der Spruch der Rechtsordnung in Anerkennung dieses Willens [verwirklicht] die gewollte rechtliche Gestaltung in der Rechtswelt. 6 Flume , Rechtsgeschäft, S. 1 f.; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 4; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 22 Rn. 6.
I. Der Bezug zur Rechtsordnung
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Zweck jedes Rechtsgeschäfts ist die Herbeiführung gewollter Rechtsfolgen.7 Es geht also nicht um Abreden, die allein im gesellschaftlichen Bereich verbleiben. Vielmehr sollen Rechtsfolgen herbeigeführt werden, d. h. der Regelungsinhalt der Abrede soll mit den Mitteln des Rechts umgesetzt werden.8 Aus dieser eher trivialen Einsicht ergibt sich das Erfordernis eines Mindestbezuges der Parteiabrede zur Rechtsordnung. Denn eine rechtliche Umsetzung der Willenserklärung scheidet von vornherein aus, wenn und soweit die Rechtsordnung an eine derartige Erklärung schon prinzipiell keine Rechtsfolgen knüpfen kann. Hiermit angesprochen sind nur die Grundvoraussetzungen jeder privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen. Diese sind abzugrenzen von denjenigen Schranken privatautonomer Gestaltung, die nur im Einzelfall einem Rechtsgeschäft entgegenstehen. Solche Einzelfallschranken, beispielsweise Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB, wirken nur negativ. Sie setzen ein Rechtsgeschäft voraus, das an sich geeignet ist, die gewollten Rechtsfolgen herbeizuführen. Demgegenüber soll im folgenden versucht werden, die Voraussetzungen positiv zu bestimmen, durch die eine Parteiabrede erst zum Rechtsgeschäft wird. Maßstab für jene positive Grundvoraussetzung können nur die mit der Übersetzung der Parteiabrede in ein Rechtsgeschäft grundsätzlich verbundenen Rechtsfolgen sein. Angesichts der Wertentscheidung für eine umfassende Privatautonomie ist regelmäßige Rechtsfolge der Annahme eines Rechtsgeschäfts, daß die gewollten Rechtsfolgen auch eintreten. Denn aus Art. 2 I GG, der auch die Privatautonomie verbürgt9, ergibt sich, daß stets eine, obschon widerlegliche, Vermutung für die Zulässigkeit einer Freiheitsbetätigung des Bürgers spricht. Auf dem Gebiet des Zivilrechts ist daher im Grundsatz von einer Zulässigkeit der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen auszugehen. Die Annahme eines Rechtsgeschäftes bedingt mit anderen Worten, daß mangels Eingreifens eines Ausnahmetatbestandes die gewollten Rechtsfolgen auch eintreten, die Rechtsordnung also die Rechtsgestaltung hinnimmt. Wenn ein Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen (grundsätzlich) herbeiführen kann, bedeutet dies aber, daß prinzipiell auch die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der Regelung eröffnet ist. Die Durchsetzung rechtsgeschäftlicher Regelungen erfolgt letztlich im Wege der Zwangsvollstreckung unter Einsatz hoheitlichen Zwangs10. Angesichts der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Selbstbindung des Staates an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit11 dürfen hoheitliche Zwangsmittel jedoch nicht zu beliebi7 Larenz/Wolf, 8
Allg. Teil, § 22 Rn. 3; Flume, Rechtsgeschäft, S. 2 f.
Deshalb setzt die Willenserklärung als Bestandteil des Rechtsgeschäfts auch den Rechtsbindungswillen voraus, vgl. etwa Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 8. 9 Der insoweit früher bestehende Streit (vgl. die Nachweise bei Pflug, Kontrakt, S. 64 ff.) dürfte heute überholt sein (vgl. BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG v. 11.4. 1973; BVerfGE 35, 35, 39; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 332 f.; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 47.). 10 Die Zwangsvollstreckung privater Ansprüche ist hoheitlicher Natur, vgl. ζ. B. Brox/ Walker, ZVR, Rn. 1.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
gen Zwecken eingesetzt werden. Vielmehr begrenzen in einem Rechtsstaat die in der Verfassung niedergelegten Grundrechte und Grundwertungen den Bereich zulässigen staatlichen Zwangsmitteleinsatzes.12 Damit kann die Grundvoraussetzung für die Annahme eines Rechtsgeschäfts identifiziert werden: Nur solche Parteiabreden können als Rechtsgeschäfte angesehen werden, deren Inhalt notfalls auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Angesichts des hiermit verbundenen staatlichen Zwangsmitteleinsatzes ergeben sich indes bestimmte inhaltliche Anforderungen an die in ein Rechtsgeschäft umzusetzende Parteiabrede. Denn es muß sichergestellt sein, daß staatliche Zwangsmittel auch nur zu verhältnismäßigen Zwecken eingesetzt werden. Soweit dieser Maßstab verfehlt wird, liegt schon kein Rechtsgeschäft vor. Ein solcher inhaltlicher Entscheidungsmaßstab scheint jedoch in einem Spannungsverhältnis zur ebenfalls verfassungsunmittelbaren Anerkennung möglichst weitgehender Selbstbestimmung jedes Einzelnen zu stehen. Denn Selbstbestimmung kann auch bedeuten, den eigenen Willen an die Stelle einer objektiv zu bestimmenden Vernunft zu setzen („stat pro ratione voluntas") und damit jeglicher rationalen Kontrolle zu entziehen.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung Derartige Zielkonflikte zwischen verschiedenen verfassungsunmittelbaren Belangen werden üblicherweise im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz aufgelöst. 13 Danach müßte die Selbstbestimmung des Einzelnen gegen das Erfordernis einer Zieldetermination staatlichen Handelns dergestalt abgewogen werden, daß jedem Belang möglichst optimale Wirksamkeit zuteil wird. Da die Selbstbestimmung des Einzelnen (Art. 2 I GG) indes ebenfalls zu denjenigen Werten gehört, auf denen die im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angelegte Beschränkung staatlicher Handlungsmöglichkeiten beruht14, bliebe insoweit nur der Rückgriff auf eine rational kaum nachvollziehbare Wechselwirkungslehre15. Gegen deren π Vgl. nur BVerfG v. 7. 4. 1964, BVerfGE 17, 306, 313; v. 5. 3. 1968, BVerfGE 23, 127, 133; v. 18. 7. 1973, BVerfGE 35, 382,400. 12 BVerfG v. 7. 4. 1964, BVerfGE 17, 306, 313; v. 5. 3. 1968, BVerfGE 23, 127, 133; v. 18. 7. 1973, BVerfGE 35, 382, 400; v. 4. 2. 1975, BVerfGE 38, 348, 368; Maunz/Dürig, Art. 20, VII, Rn. 26, 71; Böckenförde, in: Festschrift für A. Arndt (1969), S. 53, 60, 75. Umfassend Lerche, Übermaß, S. 32 ff., 52 ff. 13
Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 317 ff. 14 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruht (auch) auf der Abwehrfunktion der Grundrechte, vgl. BVerfG v. 15. 12. 1965, BVerfGE 19, 342, 348; BVerfG v. 19. 10. 1982, BVerfGE 61, 126, 134; BVerfG v. 12. 5. 1987, BVerfGE 76, 1, 50 f.; BVerfG v. 15. 12. 1987, BVerfGE 77, 308, 334; Jarass/Pieroth; Art. 20 Rn. 56. 15 Die Wechselwirkungs- oder Schaukeltheorie wurde ursprünglich zur Erklärung des Verhältnisses von Meinungsgrundrecht und allgemeinem Gesetz entwickelt. Ihr dogmen-
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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Heranziehung im vorliegenden Zusammenhang spricht allerdings nicht erst das Fehlen jeden Maßstabs zur Bestimmung eines Gleichgewichts zwischen Selbstbestimmung und Inhaltskontrolle. Es ist nämlich schon unklar, ob das Prinzip der Selbstbestimmung und das Erfordernis einer Inhaltskontrolle gleichrangig über die Anerkennung einer Parteiabrede entscheiden und somit überhaupt miteinander in Wechselwirkung treten können.
1. Die Identitätsfiktion als Alternative Eine Prüfung der Übereinstimmung von Parteiwille und Rechtsordnung würde sich erübrigen, wenn insoweit unwiderleglich Identität zu vermuten wäre. Eine solche Vermutung erscheint auf den ersten Blick als inakzeptabel, entspricht es doch der Lebenserfahrung, daß viele Verträge als „ungerecht" erscheinen. Gleichwohl lassen sich einige Stellungnahmen im Schrifttum in diese Richtung interpretieren, wenn etwa die Achtung vor dem Prinzip der Selbstbestimmung und dem Vertrag als Mittel seiner Verwirklichung betont wird. 16 Auch ihre rechtsethische Fundierung könnte durchaus gelingen, wenn man auf dem bereits von Aristoteles begründeten Axiom aufbaut, daß jedes Individuum von Natur aus nach dem eigenen Besten strebt. Denn es ist kaum legitimierbar, einem von zwei Individuen übereinstimmend formulierten Interesse aus höherer Warte die Anerkennung zu versagen. Eine solche Argumentation ginge jedoch an der eigentlich entscheidenden Frage vorbei: Die Prämisse, die Rechtsordnung dürfe dem Einzelnen die Definition seiner Bedürfnisse nicht vorschreiben, ist zwar nicht falsch, aber doch in einem wichtigen Punkt unvollständig. Denn der Staat hat nicht nur die Aufgabe, Selbstbestimmung zu respektieren, sondern muß Fremdbestimmung auch dann verhindern, wenn sie scheinbar durch einen Vertrag legitimiert ist 17 . Ob ein Vertrag Ausdruck der Selbstbestimmung der Beteiligten ist, ist ja gerade die Frage und kann folglich erst am Ende einer rechtlichen Prüfung stehen, nicht aber ihr Ergebnis bestimmen.
geschichtlicher Hintergrund ist die Kombination von Sonderrechts- und Abwägungslehre. Obwohl oder gerade weil sie der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht (grundlegend BVerfG v. 15. 1. 1958, BVerfGE 7, 198, 208 - Lüth, seither ständige Rechtsprechung, ζ. B. BVerfG v. 25. 1. 1961, BVerfGE 12, 113, 124 f.; v. 5. 8. 1966, BVerfGE 20, 172, 176 f.; v. 6. 11. 1968, BVerfGE 24, 278, 282; v. 3. 12. 1985, BVerfGE 71, 206, 214), wurde die Wechselwirkungslehre anfangs sehr kritisch gesehen, da die Ergebnisse mitunter willkürlich erscheinen. Inzwischen wird dieser Ansatz als Rechtswirklichkeit akzeptiert. Zur Kritik Bettermann, JZ 1964, 601, 602 f.; Lerche, DVB1. 1958, 524, 526 Anm. 28; Nipperdey, DVB1. 1958,445,449. 16 Bydlinski, Privatautonomie, S. 122; Hönn, Kompensation, S. 36; Flume, Rechtsgeschäft, S. 6 ff.; ders., FS DJT, S. 118 ff.; M. Wolf, Entscheidungsfreiheit, S. 19 ff.; Pflug, Kontrakt, S. 63 ff. ff.; Raiser, FS DJT, S. 119. 17 BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214 (233).
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
2. Der Parteiwille als Kriterium der Anerkennung Im Schrifttum wird nahezu allgemein davon ausgegangen, daß der übereinstimmende Parteiwille wenn auch nicht das alleinige so doch jedenfalls ein weiteres Anerkennungskriterium darstellt.18 Diese Prämisse erscheint angesichts der Funktion der Anerkennung durchaus zweifelhaft. Da mittels der Anerkennung aus einer Parteiabrede ein Rechtsgeschäft wird, ist ihre Funktion aus der damit verbundenen Rechtsfolge zu erschließen. Diese besteht in der Möglichkeit zwangsweiser Durchsetzung der gewollten Rechtsgestaltung. Ist somit die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung einzige Funktion der rechtlichen »Anerkennung" der Parteiabrede, kann die Selbstbestimmung des Einzelnen als solche hierfür keine Rolle spielen. Denn Maßstab der Prüfung muß allein die Vereinbarkeit der gewollten Regelung mit der im Rechtsstaatsprinzip begründeten Zieldetermination staatlichen Handelns19 sein. Diese Frage ist aber im Ergebnis von der Tatsache einer Willensübereinstimmung beziehungsweise Willensäußerung unabhängig. Das Vorliegen einer oder mehrerer Willenserklärungen ist lediglich Anlaß, deren Anerkennungsfähigkeit zu überprüfen. Damit wird auch deutlich, welche Bedeutung dem (übereinstimmenden) Parteiwillen bei der Übersetzung von Willenserklärungen in Rechtsgeschäfte zukommt. Er bildet, sofern die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt sind, den Geltungsgrund der anerkannten Regelung. Ein Rechtsgeschäft gilt also, wenn es anerkannt ist, deshalb, weil es gewollt ist. Es wird aber nicht bereits deshalb anerkannt, weil die Regelung dem Willen der Beteiligten entspricht.
3· Der Parteiwille als Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Regelung Der zentralen Bedeutung der Selbstbestimmung jedes Einzelnen wird mithin in der Rechtsgeschäftslehre dadurch Rechnung getragen, daß der Parteiwille regelmäßiger Geltungsgrund rechtsgeschäftlicher Regelungen ist. Insofern ist es durchaus sinnvoll, die Frage zu stellen, ob der Parteiwille oder die objektive Rechtsordnung Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Regelung ist. 20 Das objektive Recht ist nicht Geltungsgrund der von den Beteiligten gewollten Regelung, sondern übersetzt diese lediglich in ein Rechtsgeschäft. Der Parteiwille steht mithin als Geltungsgrund nicht gleichrangig neben der diesen sanktionie18 So die einhellige Meinung im Schrifttum, vgl. nur Habersack, Vertragsfreiheit, S. 54; Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff.; Flume , Rechtsgeschäft, S. 6 ff.; Merz, Privatautonomie, S. 1 ff.; Hönn, Kompensation, S. 18 f. 19 BVerfG v. 7. 4. 1964, BVerfGE 17, 306, 313; v. 5. 3. 1968, BVerfGE 23, 127, 133; v. 18. 7. 1973, BVerfGE 35, 382,400; Maunz/Dürig, Art. 20, VII, Rn. 26, 71; Böckenforde, in: Festschrift für A. Arndt (1969), S. 53,75. 20
Anders Flume, Rechtsgeschäft, S. 2, der davon ausgeht, daß Parteiwille und Rechtsordnung als Geltungsgrund „untrennbar" zusammengehören.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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renden Rechtsordnung.21 In dem hiermit zugrundegelegten22 Verständnis des Geltungsgrundes spiegelt sich die wertsetzende Bedeutung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als verfassungsrechtlicher Garantie der Privatautonomie23 wider. Es soll nicht bestritten werden, daß der (übereinstimmende) Parteiwille für sich genommen keine Rechtsfolgen herbeiführen kann, sondern stets der Rechtsordnung als Korrelat bedarf. 24 Die Rechtsordnung anerkennt aber nur die Parteiabrede, die ihren Geltungsgrund in sich trägt 25, als Rechtsgeschäft. 26 Diese Anerkennung schafft keinen neuen, weiteren Geltungsgrund der Regelung. Die an das Rechtsgeschäft anknüpfenden Rechtsfolgen sind material ausschließlich deshalb legitimiert, weil sich die Beteiligten für ihre Geltung entschieden haben. Das Gewicht und die mit dieser Bestimmung des Geltungsgrundes rechtsgeschäftlicher Regelungen verbundenen Konsequenzen können kaum überschätzt werden. So folgt hieraus zunächst, daß bei fehlender Legitimation durch den (übereinstimmenden) Parteiwillen eine rechtsgeschäftliche Regelung nur dann Rechtsfolgen herbeiführen kann, wenn ein alternativer Geltungsgrund existiert. Derartige alternative Geltungsgründe müssen sich aber - und darin liegt die zweite Folgerung aus der grundgesetzlichen Wertentscheidung für die Privatautonomie - als verhältnismäßige Einschränkungen der grundsätzlich bestehenden Freiheit zur Selbstbestimmung legitimieren lassen. Diese Rechtfertigung kann nur gelingen, wenn und soweit sich die in der Auswechslung des Geltungsgrundes liegende Zurückdrängung der Selbstbestimmung des Einzelnen als Entscheidung für den konkret höherrangigen Wert erweisen läßt. Aus der Wertentscheidung für den Parteiwillen als primären Geltungsgrund rechtsgeschäftlicher Regelungen lassen sich schließlich bestimmte Anforderungen an denrichtigenAnerkennungsmaßstab ableiten. Denn je nach Ausgestaltung des Überprüfungsmaßstabes kann der grundsätzlich eröffneten Selbstbestimmung nach dem eigenen Willen jede praktische Wirksamkeit genommen werden.
21 So aber Flume , Rechtsgeschäft, S. 2. 22 Ebenso auch v. Kübel bei Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, S. 135 f., der zurecht betont, daß der Wille der Beteiligten „letzter Grund" für die Verpflichtung aus einem privatautonomen Akt sei. 23 BVerfG v. 11.4. 1973, BVerfGE 35, 35,39; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 332 f.; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 47; Lorenz, Schutz, S. 18 f. 24 Flume , Rechtsgeschäft, S. 1 f.; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 4; Larenz/Wolf, Teil, § 22 Rn. 6; Lorenz, Schutz, S. 16; v. Kübel bei Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, S. 135 f. 25 v. Kübel bei Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, S. 135 f. 26 Ähnlich Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 2 Rn. 32.
Allg.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
4. Maßstab und Kontrolle der rechtlichen Anerkennungsfahigkeit von Willenserklärungen Als tieferer Grund für das bereits in den Motiven27 erwähnte Erfordernis eines Bezuges zwischen Willenserklärung und Rechtsordnung ist die rechtsstaatliche Zieldetermination hoheitlichen Zwangsmitteleinsatzes identifiziert worden. Hiermit ist indes für die inhaltliche Ausfüllung des Anerkennungsmaßstabes noch nicht allzu viel gewonnen.28 Insbesondere erlaubt das schillernde Rechtsstaatsprinzip29 schwerlich die Entwicklung eines detaillierten Anerkennungs- und Kontrollmaßstabes. Jedoch steht immerhin fest, daß nur solche Willenserklärungen anerkennungsfähig sein können, die unter Gerechtigkeitsaspekten tragfähig sind. Denn „ungerechte" Regelungen durchzusetzen, kann unter keinen Umständen ein mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbarer Einsatz hoheitlicher Gewalt sein.30 Gehört doch die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt auf die Herbeiführung materiell gerechter Zustände zum unbestrittenen Kernbereich des Rechtsstaatsgedankens.31 Allerdings führt auch und gerade die Bemühung der Gerechtigkeit in ein Dilemma. Selbst wenn nämlich objektiv feststünde, was gerecht ist, könnte die Anwendung eines solchen Kontrollmaßstabes im Einzelfall dennoch nur mit unverhältnismäßigem Aufwand gelingen.32 Zudem wäre eine vollständige Inhaltskontrolle mit der Entscheidung unserer freiheitlichen Rechtsordnung für den prinzipiellen Vorrang der Selbstbestimmung des Einzelnen unvereinbar.33 Nicht von ungefähr ist daher auch die Gerechtigkeitsdefinition in den Digesten Justinians bewußt ergebnisoffen gefaßt. Für ausreichend erachtet wird der feste und beständige Wille, jedem das Seine zuzuteilen.34 Ob das Resultat der Gerechtigkeit objektiv entspricht,
27 1,126 = Mugdan 1,421. 28
Die Schwierigkeit, den Anerkennungsmaßstab inhaltlich zu definieren, wird auch bei Flume (Rechtsgeschäft, S. 1 f., 12 ff.; 23 f.) deutlich, der nicht materiell begründet, warum das Rechtsgeschäft der Rechtsordnung als Korrelat bedarf. 29 Maunz/Dürig, Art. 20, VII, Rn. 3, 21; Scheuner, in: Festschrift 100 Jahre DJT, Bd. II (1960), S. 229, 234 f. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das Rechtsstaatsprinzip stets erst im Einzelfall konkretisierbar, vgl. BVerfG v. 24.7.1957, BVerfGE 7,8,92; v. 26.2.1969, BVerfGE 25, 269, 290; v. 25. 7. 1979, BVerfGE 52, 131, 144; v. 26. 5. 1981, BVerfGE 57, 250, 276. 30 v. Jhering, Der Kampf ums Recht, S. 108 f.; v. Hippel, Privatautonomie, S. 75 ff.; Manfred Wolf, Entscheidungsfreiheit, S. 31. 31 Vgl. hierzu grundlegend v. Mohl, Staatsrecht I, S. 8 ff.; den Bezug des Rechtsstaatsbegriffes zur Gerechtigkeit betonen etwa auch Böckenförde, in: Festschrift für A. Arndt (1969), S. 53,72 und Kaegi, in: Festgabe für Giacometti (1953), S. 107, 133. 32 Mayer-Maly, in: Festschrift für Merkl (1970), S. 247, 251; Schmidt-Rimpler, in: Festschrift für Raiser, S. 15. 33 Habersack, AcP 189 (1989), 403, 408 f.; ders., Vertragsfreiheit, S. 48; Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 9. Zur Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips in diesem Zusammenhang Gounalakis/Radke, ZVglRWiss 1999,1, 8. 34 D. 1, 1,1 pr.: Iustitia est constane et perpetua voluntas suum cuique tribuendi.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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ist unerheblich. Dementsprechend muß sich auch der zu entwickelnde Anerkennungsmaßstab am Ziel einer möglichsten Annäherung an die Gerechtigkeit durch Überprüfung bestimmter Rahmenbedingungen unterhalb der vollständigen inhaltlichen Überprüfung der Willenserklärung orientieren. 35
5· Die Richtigkeitsgewähr rechtsgeschäftlicher Regelungen Seit der grundlegenden Abhandlung Schmidt-Rimplers 36 wird das Problem des Anerkennungsmaßstabes für rechtsgeschäftliche Regelungen sachlich unter dem Begriff der Richtigkeitsgewähr37 diskutiert. Obschon die Lehre von der Richtigkeitsgewähr ursprünglich nur für mehrseitige Rechtsgeschäfte entwickelt wurde 38, muß ein vergleichbarer Anerkennungsmaßstab auch für einseitige Rechtsgeschäfte existieren. Insoweit scheint die Fixierung auf die Richtigkeit der vertraglichen Einigung mitunter den Blick auf die bei einseitigen Rechtsgeschäften bestehende Parallelproblematik zu verstellen.
a) Mehrseitige Rechtsgeschäfte Die Richtigkeitsgewähr der vertraglichen Einigung kann, zumal eine Inhaltskontrolle als Regelfall nicht in Betracht kommt, nur auf dem Vertragsmechanismus als solchem aufbauen. 39 An den Vertragsmechanismus anzuknüpfen, ist sowohl aus rechtstheoretischer wie rechtspraktischer Sicht begründet. Unter praktischen Gesichtspunkten bietet das Erfordernis einer Willensübereinstimmung die relativ größte Chance, eine gerechte Regelung zu erreichen. 40 Nach der allgemeinen Lebenserfahrung dürfte die freiwillige Unterwerfung unter eine einseitig belastende Regelung eher die Ausnahme sein. Doch lassen sich hierzu keine gesicherten statistischen Erkenntnisse gewinnen. Entscheidende Bedeutung kommt somit der rechtstheoretischen Grundlegung der Beschränkung des Anerkennungsmaßstabes 35 In diesem Sinne bereits Gounalakis/Radke, ZVglRWiss 1999, 1, 7 f. Das entspricht im Ergebnis der h.M., vgl. die Nachweise bei Habersack, Vertragsfreiheit, S. 44 mit Fußn. 20. 36 AcP 147 (1941), 130 ff., 156 ff. 37 Wenn Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 73 f. statt von einer Richtigkeitsgewähr nur von einer Richtigkeitschance spricht, handelt es sich nur um eine terminologische Abweichung.
38 Ausgangspunkt der Abhandlung Schmidt-Rimplers war ein Forschungsauftrag der Akademie für Deutsches Recht, den Stellenwert des Vertrages im Rahmen des zu schaffenden „Volksgesetzbuchs" zu bestimmen, vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130,131 f. 39 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 149 ff.; Biedenkopf, Wettbewerbsbeschränkung und Wirtschaftsverfassung, S. 110; Haber sack, Vertragsfreiheit, S. 54; Gounalakis/Radke, ZvglRWiss 1999, 1, 7 f. 40 Habersack, Vertragsfreiheit, S. 49 f.; Lorenz, Schutz, S. 25; Rittner, AcP 188 (1988), 101, 128;
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
auf eine Kontrolle lediglich der äußeren Rahmenbedingungen mehrseitiger Rechtsgeschäfte zu. An erster Stelle ist hier das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) zu nennen, dessen wertsetzende Bedeutung eine unbedingte Subsidiarität staatlicher Inhaltskontrolle erfordert. 41 Immer dann, wenn ein inhaltlicher Gestaltungsspielraum aus übergeordneten Erwägungen heraus materieller Kontrolle entzogen ist, hat sich eine gleichwohl gebotene rechtliche Überprüfung auf die äußeren, verfahrensmäßigen Rahmenbedingungen zu beschränken. Auch wäre es mit dem Menschenwürdegehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar, dem Einzelnen Vorgaben für seine Interessen und deren Verfolgung zu machen. Obschon das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral ist 42 , dürfte eine solche staatliche Definition individueller Bedürfnisse auch mit den durch die Artt. 9 ΠΙ, 12, 14, 15 GG umschriebenen „wirtschaftsverfassungsrechtlichen" Rahmenbedingungen der Verfassung 43 unvereinbar sein. Aus diesen im Kern unstreitigen44 und deshalb hier nur stichwortartig wiedergegebenen Gründen werden Verträge prinzipiell schon dann anerkannt, wenn der Vertragsmechanismus funktioniert. Dennoch sind die im einzelnen an das Funktionieren des Vertragsmechanismus zu stellenden Anforderungen ebenso unklar wie die sich aus seinem Versagen ergebenden Rechtsfolgen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Bürgschaftsentscheidung 45 unlängst betont, daß die staatliche Anerkennung von Verträgen, die Ausdruck struktureller Disparität in der Verhandlungsstärke sind, für den unterlegenen Teil die hoheitliche Durchsetzung einer fremdbestimmten Regelung bedeute. Die Exekution von Fremdbestimmung könne aber durch die grundgesetzliche Wertentscheidung für die Privatautonomie nicht mehr gerechtfertigt werden. Denn diese sichere nur die Durchsetzung selbstbestimmt eingegangener Bindungen. Eine solche Überschreitung der Grenzen der Privatautonomie müsse aber von den Zivilgerichten über die Anwendung der Generalklauseln des Zivilrechts (§§ 138, 242 BGB) dergestalt berücksichtigt werden, daß ungleichen Verträgen die Rechtswirkung zu versagen sei. 41 Canaris, in: Festschrift für Lerche (1993); S. 873, 886; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 48; ders., AcP 189 (1989), 403, 408 f.; Lorenz, Schutz, S. 24 f.; Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 9; Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 165; Gounalakis/Radke, ZvglRWiss 1999,1, 7 f. 42 So die ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. etwa BVerfG v.ll. 7. 1958, BVerfGE 7, 377, 400; v.16. 3. 1971, BVerfGE 30, 292, 317 ff.; v. 1. 3. 1979; BVerfGE 50, 290, 338. Die Frage ist allerdings bis heute streitig. Vgl. die Nachweise zum Streitstand bei Frotscher, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 24 ff. 43
Zur „Wirtschaftsverfassung" des Grundgesetzes vgl. etwa die Übersichten bei Frotscher, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 24 ff.; Bleckmann, JuS 1991, 536, 539; Karpen, Jura 1985,188, 190 ff. 44 Vgl. nur Bydlinski, Privatautonomie, S. 62 ff.; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 14 ff.; Lorenz, Schutz, S. 22 ff.; Mestmäcker, JZ 1964,441,441 ; Mayer-Maly, in: Festschrift für Korinek, S. 54 f.; weitere Nachweise bei Habersack, Vertragsfreiheit, S. 44 Fn. 20. 4
* BVerfG v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89,214.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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Obwohl die Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Schrifttum breites Echo gefunden hat 46 , ist doch die Tragweite jenes Gedankenganges nicht vollständig erkannt worden. Es ist nämlich nicht nur unklar, wann ein Verhandlungsungleichgewicht strukturell bedingt ist. Vor allem fragt sich, warum eine Überschreitung der Grenzen der Privatautonomie über die Anwendung der Generalklauseln zu korrigieren sein soll.47 Diese setzen nämlich, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, ein „Rechtsgeschäft" und damit die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit der Parteiabrede voraus. Wenn aber bei strukturellen Ungleichgewichtslagen die Grenzen der Privatautonomie überschritten sein sollen, kommt schon deshalb eine rechtliche Anerkennung der angestrebten Regelung nicht in Betracht. Für eine Anwendung der Generalklauseln des Zivilrechts fehlt es mit anderen Worten an einem zureichenden Substrat. Die fraglichen Willenserklärungen stehen außerhalb des unverzichtbaren Bezuges zur Rechtsordnung und können aus diesem Grund nicht als Rechtsgeschäfte im Sinne des § 1381 BGB angesehen werden. Sie können vielmehr schlechthin, das heißt unabhängig vom Maßstab der guten Sitten oder von Treu und Glauben, keine Rechtsfolgen herbeiführen. Zwar muß die dogmatische Unschärfe in der Bestimmung der Folgen gestörter Vertragsparität nicht notwendig Auswirkurigen auf das Ergebnis haben. Das Bestehen einer strukturellen Ungleichgewichtslage müßte lediglich als die Sittenwidrigkeit des „Rechtsgeschäfts" selbständig begründend angesehen werden. Hiervon kann jedoch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur praktisch bedeutsamsten Fallgruppe gestörter Vertragsparität, der Mithaftung vermögensloser Angehöriger (iwS) 48 , keine Rede sein. Ungeachtet teilweise erheblicher Unterschiede im einzelnen49, die inzwischen zu einem Vorlagebeschluß an den Großen Senat für Zivilsachen geführt haben50, verfolgen die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs einen übereinstimmenden Grundansatz. Sie konkretisieren die Generalklausel des § 138 I BGB über eine Abwägung der Interessen der kreditgebenden Bank einerseits und des finanziell überforderten Interzedenten andererseits.51 Sieht man im 46 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Adomeit, NJW 1994, 2467; Becker, DZWiR 1994, 397; ders., DZWiR 1995,237; Frey, WM 1996, 1612; Honseil, NJW 1994,565; Hommelhoff, Verbraucherschutz, S. 13 f.; Lorenz, Schutz, S. 24 ff.; Singer, ZBB 1998, 141, 145 ff.; Schimansky, W M 1995,461; Tiedtke, ZIP 1995, 521,528 ff.; Wiedemann, JZ 1994,411; Medicus, JuS 1999, 833 ff.; ders., in: Festschrift für Fikentscher (1998), S. 265 ff.; Tonner, ZIP 1999, 901 ff.; ders., JuS 2000, 17, 18 f.; Tiedtke, NJW 1999,1209 ff. 47
In der Fragestellung ähnlich Hommelhoff, Verbraucherschutz, S. 14. 48 Vgl. nur BGH v. 25.4. 1996, BGHZ 132, 328. 49 Unterschiede bestehen vor allem bei der Behandlung von Ehegattenbürgschaften einerseits und Bürgschaften von Abkömmlingen andererseits. Die Rechtsprechungsentwicklung wird nachgezeichnet bei Tonner, JuS 2000. 17,18 ff. und Medicus, JuS 1999, 833, 834 ff. 50 BGH (XI. Zivilsenat) v. 29.6. 1999, ZIP 1999,1257. 51 Umfassende Nachweise hierzu im Vorlagebeschluß des XI. Zivilsenats v. 29. 6. 1999, ZIP 1999,1257. Auch die Lösungen des Schrifttums bewegen sich mit unterschiedlichen Akzentuierungen innerhalb dieses Rahmens, vgl. Groeschke, Schuldturmproblematik, S. 106 ff.; Hommelhoff, Verbraucherschutz, S. 37 mit weiteren Nachweisen.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
Anschluß an die Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 52 in der krassen finanziellen Überforderung des Sicherungsgebers ein Indiz für das Bestehen einer strukturellen Ungleichgewichtslage, muß der Parteiabrede bereits aus diesem Grunde die Wirksamkeit versagt werden. Es ist nicht angängig, das Fehlen der erforderlichen Richtigkeitsgewähr über eine Abwägung zu relativieren. 53 Denn die Richtigkeitsgewähr ist unabdingbare Voraussetzung der Rechtswirksamkeit jedes Rechtsgeschäfts. Ihr Fehlen kann deshalb nicht nur einer unter mehreren abwägungsrelevanten Belangen sein. Die Verortung der Richtigkeitsgewähr bei § 138 I BGB birgt daher die Gefahr in sich, eine wirkliche Prüfung der Richtigkeitsgewähr vollständig zu umgehen. Daher ist es nicht nur dogmatisch vorzugswürdig, die Prüfung der Richtigkeitsgewähr als Vorprüfung auszugestalten, ob die jeweilige Parteiabrede überhaupt geeignet ist, Rechtsfolgen herbeizuführen. Auch aus praktischen Erwägungen heraus empfiehlt sich ein solches Vorgehen. Die hiermit verbundene Hervorhebung der Prüfung der Richtigkeitsgewähr betont ihre grundlegende Bedeutung und hilft somit, Relativierungen zu vermeiden. Für die beschriebene „Entschärfung" der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Richtigkeitsgewähr privater Verträge dürfte in erster Linie der zugegeben etwas amorphe Begriff der strukturellen Disparität der Verhandlungsstärke ursächlich sein. Weil sich hierunter kaum jemand etwas vorstellen kann, das in der alltäglichen Rechtsanwendung praktikabel wäre, wird das zugrundeliegende Problem de facto ausgeblendet. Angesichts dieses wenig ermutigenden Befundes erscheint es durchaus vielversprechend, eine Lösung auf der Grundlage eines anderen methodischen Ansatzes zu suchen.54 Die Hauptschwierigkeit bei der Konkretisierung des strukturellen Verhandlungsungleichgewichts liegt darin, paritätsrelevante Ungleichgewichtslagen von solchen trennscharf zu scheiden, die aus Gründen der Rechtssicherheit ohne Einfluß auf die erforderliche Richtigkeitsgewähr des Vertrages bleiben müssen. Dieses Dilemma kann nicht aufgelöst werden. Denn es ist eine nachgerade fast triviale Erkenntnis, daß Verträge häufig aus ungleichen Verhandlungspositionen heraus geschlossen werden.55 Insoweit vermag auch die Zufügung des Adjektives „strukturell" keine Klärung zu bringen. Entziehen sich doch die in Betracht kommenden Verhandlungslagen aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit jeder Strukturierung.
52 BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214. 53 So aber ausdrücklich Medicus, JuS 1999, 833, 838, der die strukturelle Disparität der Verhandlungsstärke nur als Ausgangspunkt für die Erörterung der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages anerkennen will. Ebenso Tonner, JuS 2000,17, 18. 54 Dessen Ausarbeitung im einzelnen muß freilich einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben. 55 Hieran knüpfte nicht zuletzt die Privatautonomiekritik an, vgl. J. Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, 238 ff.; Limbach, JuS 1985, 10, 12 ff.; dies., KritV 1986, 165, 176 ff.; Esser/Schmidt, SchuldR I 1, S. 2 ff., 18 ff.; Derleder, in: Festschrift für Wassermann (1985), S. 643 ff.; ders., KJ 1995, 320 ff.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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Aufgrund der beschriebenen Unmöglichkeit, die paritätsrelevante Ungleichgewichtslage positiv zu definieren, erscheint die Untersuchung lohnend, ob nicht statt dessen Kriterien benannt werden können, die eine Durchsetzung (möglicherweise) ungleicher Verträge auch und gerade gegenüber dem schwächeren Teil legitimieren können. Die resultierende partielle Hinnahme von Fremdbestimmung könnte indes mit der grundgesetzlich gewährleisteten Privatautonomie schlechthin unvereinbar sein. Der hierin liegende Einwand hat durchaus Gewicht. Bedeutet doch die Anerkennung von Parteiabreden, denen möglicherweise die Richtigkeitsgewähr fehlt, die staatliche Exekution vertraglicher Bindungen ohne hinreichende privatautonome Grundlage. Deshalb müssen die Gründe für den staatlichen Kontrollverzicht unter Wertungsgesichtspunkten ebenso geeignet sein, eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit zu rechtfertigen. Der unterlegene Teil muß es sich gewissermaßen selbst zuzuschreiben haben, daß er an einem ungleichen Vertrag festgehalten wird. Auf diese Weise wird ein Geltungsgrund geschaffen, der einen vergleichbaren Bezug zur Selbstbestimmung aufweist wie der „gerechte" Vertrag. Ebenso wie dieser positiver Ausdruck in Anspruch genommener Freiheit zur Selbstbestimmung ist, kann auch negativ das Unterlassen zumutbaren Selbstschutzes eine Bindung legitimieren. Denn schon aus Gründen der Praktikabilität muß die Rechtsordnung mangels besonderer Anhaltspunkte davon ausgehen, daß eine einverständlich eingegangene Bindung auf der Selbstbestimmung aller Beteiligten beruht. Solange diese Vermutung nicht widerlegt werden kann, darf berechtigterweise vom Vorliegen eines prinzipiell anerkennungsfähigen Rechtsgeschäfts ausgegangen werden. Diese Vermutung der Richtigkeit liegt letztlich auch im Interesse des unterlegenen Teils. Denn nur dadurch wird ihm beiriskantenGeschäften die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglicht. Die danach zu stellenden Anforderungen an die Anerkennung auch des potentiell ungerechten Vertrages sind erfüllt, wenn es einerseits der durch den Vertrag belasteten Seite zuzumuten war, den Vertragsschluß abzulehnen und andererseits die Rechtssicherheit durch eine volle inhaltliche Kontrolle der Vertragsparität erheblich beeinträchtigt würde. 56 Hiermit ist freilich über den Bestand der vertraglichen Bindung noch nicht endgültig entschieden. Feststeht lediglich, daß die Parteiabrede innerhalb des erforderlichen Mindestbezuges zur Rechtsordnung steht und deshalb als Rechtsgeschäft die mit ihr verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich herbeizuführen geeignet ist. In derartigen Fällen ist, soweit dies durch den Sachverhalt veranlaßt ist, nach weiteren Möglichkeiten einer Befreiung von übermäßig belastenden Verträgen (etwa die Annahme von Informationspflichten, deren Verletzung als c.i.c. zu sanktionieren wäre 57) zu fragen. Dies berührt allerdings nicht die Grundlagen der rechtsgeschäft56 Auch nach dieser Konzeption ist eine fallgruppenweise Konkretisierung unverzichtbar. Der Vorteil liegt jedoch darin, daß von einer Vermutung für die Richtigkeit des Geschäfts ausgegangen und deshalb ein höheres Maß an Rechtssicherheit erreicht werden kann. 57 Was insbesondere in den Bürgschaftsfällen in Betracht kommen wird, wenn das eingegangene Risiko vom Sicherungsnehmer verharmlost wurde, vgl. Medicus, JuS 1999,833,836. 3 Radke
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
liehen Bindung und muß daher im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben.58 Insgesamt ergibt sich: Kontrollmaßstab für mehrseitige Rechtsgeschäfte ist die Richtigkeitsgewähr der vertraglichen Einigung. Allerdings ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Legitimationsbedingungen erfüllt sind. Soweit dies nicht der Fall ist, liegt kein anerkennungsfähiger Vertrag vor, ohne daß weitere Voraussetzungen erfüllt sein müßten. Umgekehrt bedeutet das Vorliegen der erforderlichen Richtigkeitsgewähr nur die Anerkennung der Parteiabrede als Rechtsgeschäft und determiniert die Entscheidung über den Bestand der vertraglichen Bindung noch nicht abschließend. Die Anerkennung der Parteiabrede als Rechtsgeschäft bildet vielmehr nur die erste Prüfungsstufe.
b) Einseitige Rechtsgeschäfte Der Anerkennungsmaßstab für einseitige Rechtsgeschäfte kann nicht auf dem Vertragsmechanismus aufgebaut werden. Denn die hier interessierenden Willenserklärungen ermöglichen es, einseitig, das heißt ohne Mitwirkung des Betroffenen, Rechtsfolgen herbeizuführen. Auch sie bedürfen indes eines Bezuges zur Rechtsordnung, auch ihre Anerkennung muß mit der aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgenden staatlichen Selbstbeschränkung beim Einsatz hoheitlichen Zwangs vereinbar sein. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn die Möglichkeit, durch einseitige Willenserklärung Rechtsfolgen herbeizuführen, nicht ihrerseits auf einem Vertrag beruht. Die vertragliche Begründung von Gestaltungsrechten verändert lediglich das Objekt der Anerkennungsprüfung. Kontrollbedürftig ist hier allein der das Gestaltungsrecht einräumende Vertrag. Wenn und soweit dieser Vertrag anerkennungsfähig ist, hat die Rechtsordnung auch die auf seiner Grundlage wahrgenommenen Gestaltungsrechte anzuerkennen. In allen übrigen Fällen bedarf es hingegen eines alternativen Kontrollmaßstabes. Dieser muß sich mangels sonstiger Anknüpfungspunkte notwendig am Inhalt der gewollten Rechtsgestaltung orientieren. Insoweit ergeben sich allerdings Maßstab und Grenzen der Kontrolle unmittelbar aus dem Gesetz. Teilweise wird die Richtigkeit der angestrebten Rechtsgestaltung dadurch gewährleistet, daß Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des Gestaltungsrechts dem Gesetz selbst entnommen werden können59, teilweise beschränkt sich das Gesetz aber auch auf die institutionelle Sicherung der Richtigkeitsgewähr. Diese letztgenannte Regelungstechnik hat den Nachteil, daß insbesondere die Grenzen der rechtlichen Inhaltskontrolle nicht immer klar erkannt werden. Aus diesem Grund soll zur Frage der Anerkennung des praktisch wohl bedeutsamsten einseitigen Rechtsgeschäfts, der testamentarischen Verfügung von Todes wegen, exemplarisch Stellung genommen werden. 58 Vgl. hierzu umfassend Lorenz, Schutz, S. 67 ff., 387 ff. 59 Diese Regelungstechnik findet sich etwa bei der Anfechtung von Willenserklärungen.
II. Die Trennung von Geltungsgrund und Anerkennung
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Durch Verfügung von Todes wegen kann der Erblasser einseitig über die Verteilung seines Vermögens bestimmen.60 Rechtlich verbindliche Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung einer Verfügung von Todes wegen existieren nicht. Insbesondere ist der Erblasser nicht von Rechts wegen gehalten, „pflichtbewußt" zu testieren. Denn es existieren keine intersubjektiv nachvollziehbaren Maßstäbe für die Entscheidung, ob eine konkrete Verfügung von Todes wegen pflichtgemäß errichtet wurde. 6 1 Es scheint somit, als habe die Rechtsordnung insoweit einen Blankoscheck" ausgestellt. Jedoch wäre es nur halbrichtig,zu behaupten, der ansonsten erforderliche Bezug der Willenserklärung zur Gesamtrechtsordnung sei bei Verfügungen von Todes wegen entbehrlich oder auch nur gelockert. Denn der hier eröffnete Freiraum zur selbstbestimmten oder - wenn man so will - selbstherrlichen Rechtsgestaltung kann nur deshalb hingenommen werden, weil die für unverzichtbar gehaltenen Drittinteressen über das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB) abgesichert werden.62 Die hierin gewährleistete Mindestbeteiligung bestimmter naher Angehöriger ist als institutionelle Sicherung der Richtigkeitsgewähr letztwilliger Verfügungen zu verstehen. Das Pflichtteilsrecht in seiner Gesamtheit ist Ausdruck eines Kompromisses zwischen der Selbstbestimmung des Erblassers und bestimmten Drittinteressen, die der Gesetzgeber für hinreichend schutzwürdig erachtet hat. Nur durch die grundsätzlich unentziehbare Sicherung einer Mindestbeteiligung wird der Übergang vom Familienerbrecht zur Testierfreiheit gesellschaftspolitisch erträglich. Insofern legitimiert erst das Pflichtteilsrecht, deutschrechtlich ein Überbleibsel der ursprünglich starren Familienerbfolge, die freie Gestaltung der Vermögensverhältnisse durch Verfügung von Todes wegen. Diese Kompromißfunktion des Pflichtteilsrechts tritt hinsichtlich der Richtigkeitsgewähr an die Stelle des Vertragsmechanismus. Während bei mehrseitigen Rechtsgeschäften ein funktionierender Vertragsmechanismus der ungehinderten Durchsetzung eigener Interessen Schranken setzt, übernimmt im Erbrecht das Pflichtteilsrecht diese Funktion. Die hier vertretene These, das Pflichtteilsrecht bilde die einzige Schranke für die Selbstherrlichkeit des Erblassers, scheint in einem gewissen Widerspruch zu der von der herrschenden Meinung63 gleichwohl vorgenommenen Kontrolle letztwilliger Verfügungen am Maßstab des § 1381 BGB zu stehen. Die Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen soll davon abhängen, daß sie in Inhalt, Zweck und 60 Vgl. etwa Leipold, Erbrecht, Rn. 182; Schlitt, ten, S. 1
Der Schutz des Pflichtteilsberechtig-
Die Betonung des Pflichtgedankens bei Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 16 I, überzeugt deshalb nicht. 62 Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 II 1; Leipold, Erbrecht, Rn. 183; Schlitt, Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten, S. 2 63 BGH v. 28. 1. 1956 LM § 138 BGB (Cd) Nr. 5; RG v. 18. 9. 1913, SeufifA 69 (1914) Nr. 48; BayOBIG v. 29. 10. 1894 SeuffA 50 (1895), Nr. 97; weitere Nachweise bei Kellente r, Bedingte Verfügungen von Todes wegen, S. 101. Im Ausgangspunkt zustimmend auch Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 2 c; MünchKomm-BGB / Mayer-Maly, § 138, Rn 106. 3*
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
Beweggrund mit den guten Sitten vereinbar ist. 64 Soweit es nur um die Regelung in der Vermögensnachfolge geht, ist für eine Inhaltskontrolle der letztwilligen Verfügung indes kein Raum mehr. 65 Tatsächlich finden sich auch seit dem Ende der sogenannten Aushöhlungsnichtigkeit66 keine Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur mehr, die eine Sittenwidrigkeit letztwilliger Verfügungen allein aufgrund einer mißbilligten Vermögensverteilung befürworten. Hinzutreten müssen vielmehr stets Aspekte der Gesamtregelung, die über die bloße Vermögensverteilung hinaus auf das vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Verhalten einer Person Bezug nehmen.67 Nur unter diesen Gesichtspunkten ist noch Raum für eine Inhaltskontrolle. Im übrigen sichert bereits das Pflichtteilsrecht die Übereinstimmung mit den grundlegenden Wertvorstellungen der Rechtsordnung. Damit haben die Überlegungen zur Richtigkeitsgewähr letztwilliger Verfügungen bestätigt, daß der auch für einseitige Rechtsgeschäfte unentbehrliche Bezug der Willenserklärung zur Rechtsordnung insoweit unmittelbar durch das Gesetz hergestellt wird. Das gilt auch dann, wenn Tatbestand und Rechtsfolgen der Gestaltung nicht direkt gesetzlich geregelt sind. In derartigen Fällen ist nach institutionellen Sicherungen der Richtigkeitsgewähr zu fragen. Auf dem Gebiet letztwilliger Verfügungen wird die Richtigkeit der testamentarischen Vermögensverteilung bereits durch das Pflichtteilsrecht gesichert. Ein darüber hinausgehender Bedarf für eine Inhaltskontrolle ist nicht anzuerkennen.
I I I . Der Anerkennungsmechanismus Mit dem entwickelten Anerkennungsmaßstab ist der erforderliche Mindestbezug der Willenserklärung zur Gesamtrechtsordnung aufgezeigt worden. Wenn und soweit die Willenserklärung diesem Maßstab entspricht, sollte man erwarten, daß die « BGH v. 31. 3. 1970, BGHZ 53, 369, 375; Lange/Kuchinke, pold, Erbrecht, Rn. 191.
Erbrecht, § 35 IV 3 a); Lei-
65 Daher ist es auch schief, von einem „persönlichkeitsrechtlichen Charakter der Testierfreiheit' 4 zu sprechen. So aber Schlitt, Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten, S. 60 ff., Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 2 c mit Fn 60. Die Beschränkung der Testierfreiheit auf die Regelung der Vermögensnachfolge wird demgegenüber zutreffend betont von Keuk, FamRZ 1972,9,15. 66 Die Rechtsprechung zur , Aushöhlungsnichtigkeit" betraf Fälle, in denen der Erblasser trotz einer erbvertraglichen oder wechselbezüglichen Bindung zu Lebzeiten über sein Vermögen in einer Weise verfügte, die den Schutz der Vertragserben auszuhöhlen drohte. Als Grundlage für die Nichtigkeit derartiger, von § 2286 BGB an sich zugelassener Verfügungen wurden neben den §§ 134, 138 I BGB auch die §§ 2271, 2289 BGB diskutiert. Vgl. hierzu die Übersicht bei Buchholz, Wiederverheiratung, S. 38-40. In der Wendepunktentscheidung vom 5. 7. 1972 (NJW 1973, 240) hat der BGH seine frühere Rechtsprechung (etwa BGH v.8. 7. 1954, DNotZ 1955,85, 86; zuletzt BGH v. 12.10. 1970, FamRZ 1971,641; zur älteren Rechtsprechung ausführlich Reubold, Aushöhlung, passim) aufgegeben. 67 So auch Lange/Kuchinke,
Erbrecht, § 37 II 3.
. Der Anerkennungsmechanismus
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gewollte Rechtsfolge ohne weiteres eintreten kann. Selbstverständlich dürfen keine bestimmten, konkret definierten Interessen Dritter oder der Allgemeinheit (§§ 134, 138 I BGB) entgegenstehen. Läßt man diese Ausnahmesituationen außer Betracht, ist kein unmittelbar einleuchtender Grund dafür ersichtlich, warum der rechtlich anerkennungsfähige Wille der Beteiligten die gewollte Rechtsänderung nicht soll herbeiführen können. Die hiermit geäußerte Erwartung wird jedoch enttäuscht. Denn das Schrifttum 68 entscheidet, soweit zu dem Problem explizit Stellung genommen wird, genau entgegengesetzt. Auch ein dem Anerkennungsmaßstab genügendes Rechtsgeschäft könne die gewollte Rechtsänderung nur herbeiführen, wenn es einem der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Aktstypen privatautonomer Gestaltung entspricht.69 Dabei wird vorausgesetzt, daß die Zahl der Aktstypen und der durch sie gestaltbaren Rechtsverhältnisse begrenzt ist. 70 Folgerichtig wird insoweit von einem numerus clausus der Aktstypen gesprochen.71 Diese Aussage hat offenbar axiomatischen Charakter. Wird ihre Richtigkeit doch vorausgesetzt, ohne eine eigentliche Begründung hierfür zu geben.72 Dabei sind die dogmatischen Weiterungen jener Prämisse nicht unerheblich. Ein Rechtsgeschäft, das keinem der vorgeprägten Aktstypen zuzuordnen ist, kann allein aus diesem Grund die gewollte Rechtsänderung nicht herbeiführen. Bildlich gesprochen ist demnach bei jedem Rechtsgeschäft neben der Kontrolle seiner Richtigkeitsgewähr eine weitere Überprüfung anhand einer Art Positivliste vorzunehmen, auf der die zulässigen Aktstypen vermerkt sind. Wäre hingegen ein numerus clausus der Aktstypen nicht anzuerkennen, könnte jedes dem Anerkennungsmaßstab genügende Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen zeitigen, ohne daß weitere positive Anforderungen zu stellen wären. Es fände vielmehr - um im Bild zu bleiben - eine Kontrolle anhand einer Negativliste statt, die bestimmten Rechtsgeschäften aus Gründen konkret überwiegender Interessen die rechtliche Wirksamkeit versagt. Nun mag man geneigt sein, den skizzierten Gegensatz als einen rein begrifflichen Streit um Worte abzutun. Doch geht es hier, wie bei den meisten dem ersten Anschein nach rein begrifflich motivierten Auseinandersetzungen, in Wahrheit um ein Sachproblem. Die Statuierung eines zusätzlichen Gültigkeitserfordernisses für Rechtsgeschäfte in Form des numerus clausus der Aktstypen verschiebt nämlich die Begründungslast zu Ungunsten der Privatautonomie.73 Denn auf der Grundlage ω Anders nur E. Wolf,
Allg. Teil, § 7 H II d).
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So vor allem Flume , Rechtsgeschäft, § 1,2 (S. 2 f.); zustimmend etwa Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 32 III 1; Habersack AcP 189 (1989), 403, 405; Huber, JurA 1970, 784, 786; Raiser, JZ 1958, 1, 5; Steindorff, in: Festschrift für Raiser (1974), S. 621, 627. 70 Flume, Rechtsgeschäft, § 1,2 (S. 2 f.); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §32 III 1. 71 Flume, Rechtsgeschäft, § 1,2 (S. 2 f.); Huber, JurA 1970,784, 785. 72 Vgl. nur Flume, Rechtsgeschäft, § 1,2 (S. 2 f.). 73 So auch Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171,173 f.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
der Lehre vom numerus clausus der Aktstypen erscheint jedes zusätzliche Erfordernis für die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht als Beschränkung der Privatautonomie, sondern lediglich als Aktualisierung ihr von vornherein immanenter Schranken.74 Hierin liegt vor allem deshalb ein nicht zu unterschätzendes Heteronomiepotential, weil das Erfordernis der Übereinstimmung mit einer begrenzten Zahl vorgegebener Aktstypen keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage hat, sondern offenbar als zwingende Folgerung aus dem Begriff des Rechtsgeschäfts angesehen wird. 75 Selbst zwingende begriffliche Ableitungen können aber nur solange und soweit überzeugen, als sie auf einer auch wertungsmäßig überzeugenden Grundlage beruhen. Eine auch wertungsmäßig stimmige Begründung des numerus clausus der Aktstypen ist indes jedenfalls bisher nicht versucht worden. Bevor die axiologischen Grundlagen der Lehre vom numerus clausus der Aktstypen näher hinterfragt werden können, bedarf jedoch der Begriff des numerus clausus der Aktstypen selbst einer Klärung oder zumindest einer Präzisierung. Offen zutage liegt das Verhältnis des postulierten numerus clausus der Aktstypen zum Rechtsgeschäft, zum Vertrag und zur Privatautonomie insgesamt jedenfalls nicht.
1. Zum Begriff des numerus clausus der Aktstypen Beschränkt sein soll sowohl die Zahl der den Privatrechtssubjekten zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten wie die Zahl der überhaupt gestaltbaren Rechtsverhältnisse. Hiermit angesprochen sind indes nicht zwei unterschiedliche Aspekte des numerus clausus der Aktstypen, sondern nur zwei Seiten derselben Medaille. Denn wenn nur eine beschränkte Anzahl von Handlungsmöglichkeiten besteht, ihuß notwendig auch die Zahl der hiermit beeinflußbaren Rechtsbeziehungen begrenzt sein. Einer privatautonomen Gestaltung offenstehen können nämlich von vornherein nur solche Rechtsverhältnisse, die ihrerseits eine privatautonome und keine gesetzliche Grundlage haben. Insofern bedingt der numerus clausus an Möglichkeiten, privatautonom Rechtsverhältnisse zu begründen, eine begrenzte Anzahl privatautonom überhaupt veränderbarer Rechtsverhältnisse. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, eine Konkretisierung des Begriffes des numerus clausus der Aktstypen allein über die durch ihn implizierte Beschränkung privatautonomer Handlungsmöglichkeiten zu versuchen. Zuvörderst klärungsbedürftig ist das Verhältnis des Aktstypus zum Rechtsgeschäft. Seit der Überwindung76 der Lehre vom faktischen Vertrag 77 ist unbestritten, 74 Deutlich in diesem Sinne Huber, JurA 1970,784,786. 75 Gernhuber/Coester- Waltjen, Familienrecht, § 32 III 1. 76 Das heutige Schrifttum lehnt die Rechtsfigur des faktischen Vertrages einhellig ab. Hübner, Allg. Teil, Rn. 1079; Pawlowoski, Allg. Teil, Rn. 450 f.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 96 f. 77 Haupt, in: Festschrift für Siber, Bd. II (1943), S. 1 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 35 11.
III. Der Anerkennungsmechanismus
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daß das Rechtsgeschäft einziges Mittel der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen ist. 78 Vertragliche Bindungen aufgrund sozial- typischen Verhaltens gibt es nicht. Soweit sich an ein bestimmtes, nicht rechtsgeschäftliches Verhalten eine Veränderung der Rechtslage knüpft (sogenannter Realakt79), handelt es sich um Rechtsfolgen, die kraft Gesetzes unabhängig davon eintreten, ob sie gewollt sind. Da somit für die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen ausschließlich die Handlungsform des Rechtsgeschäfts zur Verfügung steht, wäre es wenig sinnvoll, insoweit von einem numerus clausus zu sprechen. Die Begriffe Rechtsgeschäft und Aktstypus würden Identisches bezeichnen. Folgerichtig kann sich der Begriff des numerus clausus nicht auf die privatautonomen Handlungsmöglichkeiten schlechthin beziehen. Eine sinnvolle Begriffsbildung liegt vielmehr nur dann vor, wenn man von einer Beschränkung der Zahl rechtsgeschäftlicher Handlungsmöglichkeiten ausgeht.80 Von einer Begrenzung der Aktstypen rechtsgeschäftlicher Gestaltung läßt sich zunächst insoweit sprechen, als es einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte gibt. Jedoch soll der erhebliche begriffliche Aufwand wohl kaum dazu dienen, diese eher triviale Erkenntnis zu bestätigen. Die Unterteilung in einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte ist bereits durch die Gesetze der Logik vorgegeben. An einem Rechtsgeschäft können entweder eines oder mehrere Rechtssubjekte beteiligt sein. Tertium non datur. Auch die Bildung von Untergliederungen einseitiger und mehrseitiger Rechtsgeschäfte ist nicht weiterführend. Zwar ist es sicher möglich, bestimmte Typen von Rechtsgeschäften zu identifizieren. So können etwa einseitige Rechtsgeschäfte den TVpen „Kündigung" oder »Anfechtungserklärung" usw. zugeordnet werden. Entsprechend lassen sich bei mehrseitigen Rechtsgeschäften die Formen des „Vertrages", Beschlusses" oder des „Gesamtakts" ausmachen. Jede dieser Zuordnungen kann indes nur von heuristischem Wert sein. Sie mag die Entwicklung einer Systematik rechtsgeschäftlicher Gestaltungsformen erleichtern. Soweit ein Rechtsgeschäft in eine mit diesem Ziel entwickelte Systematik nicht eingeordnet werden kann, kann die Folgerung daraus aber nicht die Unwirksamkeit beziehungsweise Nichtigkeit des Geschäfts, sondern nur ein Überdenken der Systematik selbst sein. Denn eine Systematik verschiedener Aktstypen rechtsgeschäftlicher Gestaltung kann niemals mehr sein, als ein Versuch, das Gesetz zu verstehen. Entscheidende Bedeutung kommt somit der Frage zu, ob dem Gesetz eine solche geschlossene Systematik zugrunde liegt. Nur in diesem Fall käme ihr die erforderliche normative Kraft zu, um ein aus der Systematik herausfallendes Geschäft für 78 Wieacker, in: Festschrift für das OLG Celle (1961), S. 263 ff.; Hübner, Allg. Teil, Rn. 1079; Pawlowoski, Allg. Teil, Rn. 450 f. 79 Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 22 Rn. 31; Medicus, Allg. Teil, Rn. 196; Hübner, Allg. Teil, Rn. 697. 80 Flume, Rechtsgeschäft, S. 2 f., 12 bezeichnet auch den „Vertrag" als Aktstypus (zustimmend etwa Habersack, AcP 189 [1989], 403, 405) und gibt damit im Grunde den Aktstypus als eigenständige Rechtsfigur auf. Mit Recht kritisch hierzu auch Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 127.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
unwirksam erklären zu können. Diese Frage kann aber nicht rein begrifflich beantwortet werden. Vielmehr haben die vorstehenden Überlegungen gezeigt, daß eine überzeugende Begriffsbildung von der vorherigen Klärung der wertungsmäßigen Grundlagen abhängig ist. Ansonsten besteht die Gefahr, daß die eigene Begrifflichkeit bewußt oder unbewußt als die des Gesetzes ausgegeben wird. Damit würden aber Ausgangspunkt und Ziel der Gesetzesinterpretation miteinander verwechselt. Die eigentliche Grundfrage besteht dabei in der zutreffenden Bestimmung des von der Rechtsordnung vorgegebenen Anerkennungsmechanismus. Dieser ist prinzipiell unabhängig von Geltungsgrund und Anerkennungsmaßstab rechtsgeschäftlicher Regelungen. Das Erfordernis der Übereinstimmung mit einem numerus clausus der Aktstypen kann also neben den Anerkennungsmaßstab treten. Von einem numerus clausus der Aktstypen rechtsgeschäftlicher Gestaltung kann indes berechtigterweise nur dann gesprochen werden, wenn unserer Privatrechtsordnung auch tatsächlich eine generelle Beschränkung der Zahl zulässiger Gestaltungsformen zugrundeliegt.
2. Zum Verhältnis von Geltungsgrund, Anerkennungsmaßstab und Anerkennungsmechanismus Nach dem heutigen Verständnis der Privatautonomie vermag es grundsätzlich allein die Willensübereinstimmung der Beteiligten, eine rechtliche Bindung herbeizuführen. Der Parteiwille ist alleiniger Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Regelung. Erst die Durchsetzung dieses Grundsatzes hat zu dem Problem geführt, welche weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die von den Parteien gewollte Bindung aus der Sicht der Gesamtrechtsordnung hinnehmbar ist und gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann. Hiermit verbunden ist das hier als Anerkennungsmechanismus umschriebene Folgeproblem, wie die erforderliche Kontrolle und Übersetzung des Parteiwillens in ein verbindliches „Rechtsgeschäft" rechtstechnisch zu realisieren ist. Mit der hier zugrundegelegten Differenzierung wird scheinbar nur eine Selbstverständlichkeit beschrieben. Doch ist sie keine bloße Folgerung der Anerkennung der Privatautonomie. Vielmehr ist jene Differenzierung zwischen Geltungsgrund, Anerkennungsmaßstab und -mechanismus angesichts des erreichten Abstraktionsgrades nur in einer hochentwickelten Privatrechtsordnung möglich. Ausgangspunkt der rechtshistorischen Entwicklung der Privatautonomie war demgegenüber die vollständige Identität von Geltungsgrund und Anerkennung rechtsgeschäftlicher Regelungen.81 Sie war idealtypisch verwirklicht, solange die Rechtsgestaltung durch Private an die Beachtung eines bestimmten Wortformalismus82 oder die Vornahme bestimmter, genau vorgeschriebener Handlungen gebun81 Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz I (1951), S. 148, 161 f. 82 Begriff von Häsemeyer, Die gesetzliche Form, S. 200 f.\
III. Der Anerkennungsmechanismus
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den war. 83 Eine Bindung konnte nur erreicht werden, wenn bestimmte, genau vorgegebene magische oder quasi-magische Formen eingehalten wurden.84 So erforderte die rei mancipatio des Römischen Rechts die Beobachtung einer genau vorgegebenen Zeremonie85. Desgleichen mußten die Beteiligten einer stipulatio bestimmte vorgegebene Formeln sprechen, um die Bindung herbeizuführen. 86 Die Befolgung solcher quasi-magischen Formen ermöglicht die Herstellung des Bezuges von Rechtsgeschäft und Rechtsordnung auf besonders einfache und zugleich sinnfällige Weise87: Die Rechtsordnung gibt den Parteien eine beschränkte Anzahl von rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor, die den Anerkennungsvoraussetzungen entsprechen. Die Richtigkeitsgewähr wird absolut sichergestellt durch das Erfordernis eines bestimmten Wortformalismus. Das Rechtsgeschäft gilt und wirkt, weil die von der Rechtsordnung hierfür bereitgestellten Formen strikt beobachtet wurden.88 Der Grund für dieses Verständnis rechtsgeschäftlicher Bindung ist darin zu suchen, daß im archaischen Recht die willkürliche Begründung von Verbindlichkeiten eine nur schwer in das damalige Rechtsverständnis zu integrierende Ausnahme bildete.89 Paradigma einer Verbindlichkeit war vielmehr die gesetzliche, insbesondere deliktische Obligation, die ihre Grundlage in der objektiven Rechtsordnung, dem ius publicum, fantf. 90 Für die privatautonom, auf ius privatum beruhende Bindung suchte man deshalb nach einer Parallele. Da die gesetzliche Obligation an bestimmte äußerliche und für jedermann klar ersichtliche Handlungen anknüpfte, sah man auch den Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit in bestimmten quasi-magischen Rechtshandlungen, die funktional an die Stelle etwa der Verletzungshandlung als Grundlage der deliktischen Verbindlichkeit traten.91 Diese Grundlagen wurden auch in der späteren Rechtsentwicklung niemals ganz aufgegeben. Sie lebten vielmehr in den Realkontrakten fort 92 Es ging lediglich das Verständnis für die Bedeutung des Begründungsaktes
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Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 18. w Dulckeit, in: Festschrift F. Schulz I (1951), S. 148, 160 ff.; Pohlmann, Heilung, S. 23; H. Honseil, Rom. Recht, S. 28. 85 Siehe etwa Mayer-Maly, Rom. Privatrecht, S. 49 f.; Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 213 f.; Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abteilung, S. 414; H. Honseil, Rom. Recht, S. 28 ff. 86 S. dazu insbesondere Dulckeit, Festschrift für F. Schulz I (1951), S. 148, 160 ff.; vgl. auch v. Jhering, Geist des römischen Rechts 2. Teil, 2. Abteilung, S. 504 ff.; Häsemeyer, Die gesetzliche Form, S. 21 ff.; H. Honseil, Rom. Recht, S. 31. 87 Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19 f.; Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148,163; H. Honseil, Rom. Recht, S. 28; v. Jhering, Geist des römischen Rechts 2. Teil, 2. Abteilung, S. 505. 88 Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148, 161; v. Lübtow, Ediktstitel, S. 61; Wieacker, Societas, S. 80 ff. 89 Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148,162 f. 90 Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148, 162. 91 Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148, 161; v. Lübtow, Ediktstitel, S. 61; Wieacker, Societas, S. 80 ff.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
der Verbindlichkeiten aus Formalkontrakt (litteris, verbis, re) 93 zunehmend verloren. 94 Insoweit besteht in der Romanistik ein Streit, ob, beziehungsweise ab welchem Zeitpunkt, die Willensübereinstimmung der Beteiligten neben den Formalakt als Geltungsgrund der Verbindlichkeit trat oder diesen gar ersetzte.95 Im vorliegenden Zusammenhang sind diese Einzelfragen indes nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Wichtig ist nur die aufgewiesene Entwicklungslinie.96 Sie nimmt ihren Ausgang bei der vollständigen Identität von Geltungsgrund und Anerkennung. Dieser frühesten Entwicklungsstufe 97, die eine rechtsgeschäftliche Bindung nur bei Einhaltung eines auf den gewählten Geschäftstyp zugeschnittenen Wortformalismus zuließ, korrespondiert ebenso die vollständige Identität von materiellem Zivilrecht und Prozeßrecht des Aktionensystems.98 Weil ein Anspruch nur durchgesetzt werden kann, wenn eine entsprechende actio existiert99, wird die Verwendung der vorgegebenen Vertragstypen und Wortformalismen auch prozessual sichergestellt. Die Einheit von Rechtsgeschäft, quasi-magischer Erklärungshandlung und hierdurch verbürgter rechtlicher Anerkennung der gewollten Regelung ist hingegen durchbrochen, wenn ein und dieselbe Formel es ermöglicht, die rechtliche Bindung an Vereinbarungen unterschiedlichen Inhalts herbeizuführen. Denn die Einhaltung eines Wortformalismus kann dann die inhaltliche Richtigkeit der Parteiabrede nicht mehr garantieren. Folglich entstand erstmals ein theoretisches Bedürfnis für die Entwicklung eines von der Form abstrahierenden inhaltlichen Anerkennungsmaßstabs.
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Zur deutsch-rechtlichen Bedeutung des Rechtsformalismus s. Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19 ff. Die Gegenüberstellung von Konsensualkontrakten und Realkontrakten beruht auf dem Kontraktsystem des Gaius, vgl. dazu Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abschnitt, S. 524 f.; Mayer-Maly, Rom. Privatrecht, S. 86 ff.; Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 266 ff.; H. Honseil, Rom. Recht, S. 86. 93 Grundlage der Verbindlichkeit war entweder die Hingabe einer res bei den Realkontrakten, die Eintragung ins Hausbuch bei den Literalkontrakten oder die Verwendungs bestimmter Wortformeln (verba) bei den Verbalkontrakten (insbesondere der stipulano). Vgl. etwa die Übersicht bei Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 279 ff. 94
Jedenfalls ist es unzutreffend, in den Wortformalismen des archaischen Rechts Vorläufer späterer Formvorschriften zu finden (in diese Richtung aber Liebs, Rom. Recht, S. 237; Dietrich V. Simon, Konstantinisches Kaiserrecht, S. 93). Denn im Gegensatz zu späteren Formvorschriften waren die archaischen Wortfomalismen Geltunsggrund der Regelung und dienten nicht etwa lediglich Beweiszwecken. Richtig etwa Dieter Simon, Stipulationsklausel, S. 27; v. Lübtow, Ediktstitel, S. 61; Partsch, SZ (Rom. Abt.) 42 (1921), 227,244. 95 Nachweise hierzu bei Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), 148, 161 ff.; v. lübtow, Ediktstitel, S. 61; Wieacker, Societas, S. 80 ff. 96 Dazu insbesondere auch Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 20; v. Jhering, Geist des römischen Rechts 2. Teil, 2. Abteilung, S. 504 ff. 97 Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19 f. mit weiteren Nachweisen zum deutschen Recht. 98 Vgl. hierzu Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 263; Liebs, Rom. Recht, S. 28 ff.; H. Honseil, Rom. Recht, S. 71; Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abteilung, S. 181; Mayer-Maly, Rom. Privatrecht, S. 81. 99 Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 263.
. Der Anerkennungsmechanismus
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Mittelbar bestätigt die skizzierte Funktion des Aktionensystems die Richtigkeit der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Trennung zwischen Geltungsgrund, Anerkennungsmaßstab und Anerkennungsmechanismus. Denn obwohl das geltende Recht auf dem Anspruchssystem beruht, also grundsätzlich jeder rechtsgeschäftlich begründete Anspruch auch gerichtlich durchgesetzt werden kann, ist die von der actio des römischen Rechts geleistete Sicherungsfunktion dennoch nicht obsolet geworden. Vielmehr ist der aufgestellte Anerkennungsmaßstab auch weiterhin zu überprüfen. Lediglich der Anerkennungsmechanismus ist aufgrund des Übergangs zum Anspruchssystem von der Einhaltung bestimmter vorgegebener Formen zu abstrahieren. Insofern korrespondiert dem Auseinanderfallen von Geltungsgrund (also der Willensübereinstimmung) und Anerkennungsvoraussetzungen in einem größeren Zusammenhang auch die Aufgabe eines strengen Aktionensystems und damit die Trennung von materiellem Recht und Prozeßrecht. Weil prinzipiell alle Regelungen, die innerhalb des durch den Begriff der Richtigkeitsgewähr umschriebenen Mindestbezuges zur Rechtsordnung stehen, die gewollten Rechtsfolgen herbeiführen können100, wird es unmöglich, positiv alle Arten von Geschäften zu definieren, die von der Rechtsordnung anerkannt werden. Deshalb kann auch der gedachte rechtstechnische Anerkennungsmechanismus nicht auf der Einhaltung einer beschränkten Anzahl zulässiger Gestaltungen aufbauen. Er muß vielmehr statt an einen formalen an einen inhaltlichen Anerkennungsmaßstab anknüpfen. Die den Rechtsformalismus 101 kennzeichnende Einheit von Rechtsgeschäft und Form 102 ist nicht nur historisch der Ausgangspunkt der Entwicklung.103 Auch inhaltlich steht die hierdurch gewährleistete Übereinstimmung von Rechtsgeschäft und Rechtsordnung am Anfang. 104 Sie ist einer Gesellschaftsordnung angemessen, in der die rechtsgeschäftliche Bindung nicht zu den Alltagserfahrungen und -bedürfnissen gehört. 105 Sobald jedoch der Rechtsverkehr ausgeweitet wird und Rechtsgeschäfte in verstärktem Umfang auch außerhalb des sozialen Nahraums abgeschlossen werden, wächst das Bedürfnis für eine Vereinfachung, denn die strikte Beachtung je verschiedener Formen hemmt die wirtschaftliche Entwicklung. Mit der für jede entwickelte Rechtsordnung letztlich unabweislichen Trennung von Form und Inhalt rechtsgeschäftlicher Regelungen106 geht notwendig auch der Ver100 Vgl. oben Kapitel 1, II, 5 und Kapitel 1, III, 2. ιοί Zum Begriff des Rechtsformalismus etwa Jhering, Geist des römischen Rechts 2. Teil, 2. Abteilung, S. 504 ff.; Beyerle, SavZRG (Germ. Abt.) 58 (1938), 788,790 ff.; Käser, Besitz, S. 133. ι 0 2 Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19; Huber, Bedeutung, S. 62; Pohlmann, Die Heilung, S. 23; Käser, Besitz, S. 133. 103 Häsemeyer, Die gesetzliche Form, S. 22; Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19; Huber, Bedeutung, S. 62. 104 Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 19. 105 Pohlmann, Die Heilung, S. 23 ff.; v. Jhering, Geist des römischen Rechts 2. Teil, 2. Abteilung, S. 504 ff. 106 Häsemeyer, Die gesetzliche Form, S. 22; Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148, 163; v. Lübtow, Ediktstitel, S. 61 \Hromadka, Faustpfandprinzip, S. 18 f.
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1. Kap.: Geltungsgrund und Anerkennung privatautonomer Entscheidungen
lust der mit dieser Einheit verbundenen institutionellen Sicherung der Richtigkeitsgewähr 107 einher. Denn wenn etwa schon mit der stipulatio des römischen Rechts jeder beliebige Leistungsinhalt rechtlich verbindlich versprochen werden konnte108, kann allein durch die Wahrung einer vorgegeben Form die Übereinstimmung des Inhalts mit den Wertungen der Rechtsordnung nicht mehr gewährleistet werden. Hiermit stellte sich nicht nur erstmals die Frage nach einem inhaltlichen Kontrollmaßstab, es veränderte sich auch die Funktion gesetzlicher Formvorschriften. Der Grundsatz der Wirkform wurde durch die Zweckform ersetzt. 109 Die Beobachtung einer vorgeschriebenen Form war nicht mehr die schlechthin und damit zweckfrei zu erfüllende Voraussetzung eines wirksamen Rechtsgeschäftes.110 Sie diente vielmehr bestimmten, im einzelnen durchaus unterschiedlichen Formzwekken. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist die bestimmten Zwecken dienende Ausnahme zur grundsätzlich formfrei möglichen Bindung. Dieser Übergang von der Wirkform zur Zweckform wurde erforderlich, weil die rechtsgeschäftlich-privatautonome Bindung ihrerseits nicht mehr als begründungsbedürftige Ausnahme angesehen werden konnte. Deshalb war es nicht mehr möglich, dem Prinzip der Wirkform entsprechend ausschließlich die Voraussetzungen zu normieren, unter denen ausnahmsweise eine privatautonome Bindung in Betracht kam. Die Vielgestaltigkeit der privatautonom zu regelnden Lebensverhältnisse entzog sich zunehmend einer erschöpfenden Normierung. Die Konsequenz hieraus ist die grundsätzliche formfreie Geltung aller rechtsgeschäftlichen Abreden. Hiermit wird aber die Einheit von Form und Inhalt, wie gezeigt, durchbrochen. Es existiert kein leicht zu überprüfendes Indiz für die inhaltliche Richtigkeit der Regelung mehr. Hieraus ergab sich nicht nur die Notwendigkeit, einen inhaltlichen Maßstab der rechtlichen Anerkennungsfähigkeit von Parteiabreden zu entwickeln. Vielmehr mußte auch der gedachte Anerkennungsmechanismus modifiziert werden. Eine Kontrolle am Maßstab einer Positivliste kommt insoweit nicht mehr in Betracht, da die Zahl der möglichen privatautonomen Gestaltungen ihrerseits nicht mehr positiv festgelegt werden kann. Normiert werden können lediglich die Ausnahmen, die besondere zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse, insbesondere die Einhaltung einer bestimmten Form verlangen sowie die Interessen, die einer Geltung des Rechtsgeschäfts konkret entgegenstehen. Angesichts dieser Grundentscheidung erscheint die Lehre vom numerus clausus der Aktstypen als einer älteren Rechtsschicht zugehörig. Sie steht gleichsam in der Mitte zwischen dem Grundsatz der Wirkform und der grundsätzlichen Anerkennung jeder privatautonomen Regelung. Demgegenüber gilt es, die Abstraktion von Geltungsgrund und weiteren Anerkennungsvoraussetzungen konsequent und voll107 Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 20. los Käser, Römisches Privatrecht, § 7 III 1. 109 Häsemeyer, Die gesetzliche Form, S. 22 f.; Hattenhauer, Verfügungsmacht, S. 116; Dulckeit, in: Festschrift für F. Schulz (1951), S. 148, 163; v. Lübtow, Ediktstitel, S. 61; Hromadka, Fauspfandprinzip, S. 19. 110
Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 20.
IV. Zusammenfassung
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ständig durchzuführen. Dann ist es aber nicht sinnvoll, das Postulat eines numerus clausus der Aktstypen als fünktionslosen Rest der ursprünglichen Identität von Geltungsgrund, Anerkennungsmaßstab und weiteren Anerkennungsvoraussetzungen fortzuschleppen. Etwa bestehende Beschränkungen der rechtlich möglichen und zulässigen privatautonomen Gestaltungsformen sind vielmehr sämtlich als begründungsbedürftige Ausnahmen zu qualifizieren. Es besteht hingegen kein numerus clausus der Aktstypen. Jene Lehre ist nicht nur mißverständlich. Sie steht zudem mit der Grundentscheidung für die Privatautonomie in einem Spannungsverhältnis. Wenn nicht die Inanspruchnahme der Privatautonomie begründungsbedürftig ist, sondern nur ihre Einschränkung, bedeutet die Lehre vom numerus clausus der Aktstypen insoweit jedenfalls eine unzutreffende Akzentuierung.
IV. Zusammenfassung Rechtsgeschäfte können eine gewollte Rechtsänderung nur „nach der Rechtsordnung" (Mot. I, 126) herbeiführen. Jede Parteiabrede muß somit bestimmten Anforderungen entsprechen, um als Rechtsgeschäft nötigenfalls zwangsweise durchgesetzt werden zu können. Insoweit ist zwischen Geltungsgrund und Anerkennung zu trennen. Eine Parteiabrede gilt, wenn und soweit sie anerkannt ist, deshalb, weil sie gewollt ist. Maßstab der erforderlichen Anerkennung ist hingegen nicht der (übereinstimmende) Parteiwille, sondern die objektive Richtigkeitsgewähr. Die Richtigkeit einseitiger Rechtsgeschäfte wird, soweit nicht ohnedies auf einem Vertrag aufgebaut werden kann, durch das Gesetz institutionell abgesichert. Jede diesem Anerkennungsmaßstab genügende Willenserklärung kann grundsätzlich die gewollten Rechtsfolgen herbeiführen. Ein zusätzliches Erfordernis der Übereinstimmung mit einem numerus clausus der Aktstypen privatautonomer Gestaltung besteht nicht. Vielmehr bedingt die verfassungsrechtlich vorgegebene Entscheidung für eine umfassende Privatautonomie, daß nicht ihre Inanspruchnahme, sondern nur ihre Einschränkung rechtfertigungsbedürftig ist.
Zweites Kapitel
Begriff und Funktion des l^penzwangs Obschon grundsätzlich jede Parteiabrede, die eine hinreichende Richtigkeitsgewähr aufweist, als Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen herbeiführt, kann es dennoch zweckmäßig sein, Fallgruppen zu normieren, in denen ein umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis vorliegt. Eine Ausnahme zum Grundsatz der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit jeder Willenserklärung läßt sich indes nur begründen, wenn und soweit überwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit aufgewiesen werden können.1 Hier handelt es sich in der Regel um eine Abwägung im Einzelfall, die sich angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit jeder Typisierung entzieht. Die Schwierigkeit, zusätzliche einschränkende Voraussetzungen konkret zu benennen, wird deutlich, wenn etwa postuliert wird, eine Parteiabrede müsse zusätzlich mit dem Begriff des Rechts vereinbar sein2 oder einem gesellschaftlich erheblichen und „damit" rechtsschutzwürdigen Interesse entsprechen.3 Durch solche Einschränkungen wird lediglich eine bestimmte Grundeinstellung zur rechtsgeschäftlichen Privatautonomie artikuliert. Ohne überzeugende wertungsmäßige, das heißt auch: verfassungsrechtlich abgesicherte, Fundierung bewegen sich derartige Äußerungen jedoch im Bereich unverbindlicher Behauptungen und sind deshalb nicht geeignet, die hier vertretene Auffassung vom grundsätzlichen Fehlen weiterer Anerkennungserfordernisse neben der Richtigkeitsgewähr der Regelung zu widerlegen. Gleichwohl wird hiermit ein zutreffender und wichtiger Aspekt der Privatautonomie angesprochen. Nur kann es nicht um die Aktualisierung ihr von vornherein immanenter Schranken gehen.4 Wenn von einem Typenzwang oder gleichbedeutend von einer Typenfixierung oder einem numerus clausus5 die Rede ist, besteht die eigentliche Aufgabe nach der hier vertretenen Auffassung darin, diejenigen Wertungen aufzuzeigen, die in dem beschriebenen Bereich typischerweise bestimmten rechtsgeschäftlichen Gestaltungen entgegenstehen. Ein bestehender Typenzwang bedeutet vor diesem Hintergrund die Aufstellung äußerer Schranken der Privatautonomie: Der Typenzwang bildet eine Grenze der grundsätzlich bestehen1
Vgl. oben im 1. Kapitel. 2 E. Wolf, Allg. Teil, § 7 G I . 3 Betti, in: Festschrift für L. Wenger I (1944), S. 249 (274 f.). 4 Anders Huber, JurA 1970,784, 786. 5 Vgl. zur Begrifflichkeit nur Staudinger-Seiler, Einl zu §§ 854 ff. Rn. 38 ff.; MünchKomm BGB-Quack, Einleitung Sachenrecht, Rn. 29; Schön, Nießbrauch, S. 241.
I. Zum Begriff des Typenzwangs
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den rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit und bedarf daher einer besonderen (auch: verfassungsrechtlichen) Rechtfertigung. 6 Demgegenüber werden die wertungsmäßigen Grundlagen des Typenzwanges im Schrifttum kaum hinterfragt. 7 Auch der Begriff des Typenzwanges selbst erscheint vielfach unscharf. 8 Hierin liegt schon deshalb ein erhebliches Defizit, weil durch den Typenzwang Grundfragen der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen berührt werden.9 Vor allem aber kann die unreflektierte Durchsetzung eines angenommenen Typenzwanges zu nicht hinreichend legitimierten und damit unverhältnismäßigen Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie führen. 10
I· Zum Begriff des Typenzwangs Wer sich über das Rechtsinstitut des Typenzwangs informieren will, stößt regelmäßig auf eher bildhafte Umschreibungen. Dort, wo Typenzwang herrsche, könnten die Privatrechtssubjekte nur unter vom Gesetz vorgegebenen Regelungstypen auswählen.11 Inhaltliche Gestaltungsfreiheit bestehe hingegen nicht.12 Auch wenn derartigen der Alltagssprache entlehnten Bildern wie dem des Auswählens unter vorgegebenen Regelungstypen die juristische Präzision fehlt, können sie dennoch einen ersten Zugang zum Verständnis des Rechtsinstituts eröffnen. An den gewählten Umschreibungen ist zutreffend, daß eine wichtige Funktion des Typenzwanges in der Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfrei6 Ähnlich Schön, Nießbrauch, S. 243 f., der allerdings das Ziel verfolgt, zwingende Vorschriften von abdingbaren Regelungen anhand inhaltlicher Maßstäbe zu unterscheiden. 7 Huber, JurA 1970, 784, 784 f.; Staudinger/Seiler, Einl zu §§ 854 ff. Rn. 38; Westermann/ H P. Westermann, Sachenrecht, § 3III; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 II 2; Schopp, Sachenrecht, I II 1 b). Eine Ausnahme bilden Schön, Nießbrauch, S. 245 ff. sowie vor allem aus historischer Sicht Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623 ff.; ders., AcP 190 (1990), 112 ff.; Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931, Rn. 33.
» Vgl. etwa die Ausführungen Bettis, in: Festschrift für L. Wenger I (1944), S. 249,273 ff., der von dem „sogenannten" Typenzwang bzw. der sogenannten Typenfreiheit spricht, ohne die Begriffe abschließend zu klären. 9 Der Bezug des Typenzwangs zur Privatautonomie wird bereits in den Motiven (Mot. III, 3 = Mugdan III, 2) hergestellt, wo ausgeführt ist, daß der Grundsatz der Vertragsfreiheit für das Sachenrecht keine Geltung habe und die Zahl der vom Gesetz zugelassenen dinglichen Rechten daher notwendig eine geschlossene sei. 10 Auch Schön, Nießbrauch, S. 243 f., weist auf die Gefahr hin, den Typenzwang unreflektiert als nur formelles Prinzip zu verwenden.
u Mot. III, 3 = Mugdan III, 2; Staudinger/Seiler, Einl zu §§ 854 ff. Rn. 39; Westermann/ H. P. Westermann, Sachenrecht, § 3 III 1. 12 Westermann/ Η. P. Westermann, Sachenrecht, § 3 III 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 242.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
heit besteht.13 Soweit Typenzwang herrscht, führt ein Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen nur dann herbei, wenn es einem der vorgeprägten Geschäftstypen entspricht.14 So ist es etwa allgemeine Ansicht, daß eine Belastung des Eigentums nur durch die vom Gesetz vorgesehenen beschränkt dinglichen Rechte erfolgen kann.15 Folgerichtig hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß eine Abrede, die auf die Begründung eines besitzlosen Mobiliarpfandes abzielt, schlechthin ohne Rechtswirkungen bleibt.16 Insoweit ist der sachenrechtliche Typenzwang sicher mehr als ein „problematisches Axiom" 17 . Vielmehr werden unmittelbar aus dem angenommenen numerus clausus Rechtsfolgen abgeleitet, denn einem ansonsten nicht zu beanstandenden Rechtsgeschäft wird die Wirksamkeit versagt.18 Die Funktion des Typenzwangs ist hier eine negative. Im folgenden wird daher von einem negativen Typenzwang gesprochen, um die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts infolge seiner Unvereinbarkeit mit einer gesetzlichen Typenordnung zu kennzeichnen. In dieser negativen Funktion erschöpft sich die Bedeutung des Typenzwangs jedoch nicht.19 Man kann sogar im Gegenteil vertreten, daß in der praktischen Rechtsanwendung die Frage der positiven Zuordnung einer rechtsgeschäftlichen Regelung zu einem vorgeprägten Typus im Vordergrund steht: Ein Schuldvertrag wird zwar als prinzipiell wirksam hingenommen, seine Rechtsfolgen werden indes nicht oder zumindest nicht ausschließlich dem Parteiwillen entnommen. Die hierfür maßgebende Zuordnung zu einem der dispositiven Vertragstypen des Schuldrechts erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der gewählten tatsächlichen Gestaltung und zwar gerade auch dann, wenn die Parteien den Vertrag anders qualifizieren wollten. In Abgrenzung zu dem bereits beschriebenen negativen Typenzwang bietet sich insoweit der Begriff des positiven Typenzwangs an. Beiden Erscheinungsformen des Typenzwangs gemeinsam ist ihre normative Wirkung. Es geht nicht nur um eine bestimmte Methode der Rechtsanwendung, die als solche ohne Einfluß auf das Ergebnis zu bleiben hat. Dies gilt es besonders zu betonen, weil 13
Genau genommen kann von einer Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit (so etwa Westermann /H. P. Westermann, Sachenrecht, § 3 III 1) nur gesprochen werden, wenn man den Typenzwang - wie in dieser Arbeit - nicht als der Privatautonomie von vornherein immanente Schranke, sondern als äußere Begrenzung privatautonomer Gestaltungsfreiheit ansieht. m Mot. III, 3 = Mugdan III, 2; Staudinger/Seiler, Einl zu §§ 854 ff. Rn. 39; Westermann/ H. R Westermann, Sachenrecht, § 3 III 1. 15 Vgl. etwa Staudinger/Seiler, Einl §§ 854 ff. Rn. 39 Dulckeit; Die Verdinglichung, S. 53 f.; W Thiele, Die Zustimmung, S. 35; Schapp, Sachenrecht, S. 20 f.; Westermann/H. R Westermann, Sachenrecht, § 136 12. 16 BGH v. 13. 2. 1957, BGHZ 23,293, 299. 17
Zweifelnd insoweit MünchKomm-BGB-ßwädfc, Einl. Sachenrecht, Rn 29. 18 Vgl. neben der Grundsatzentscheidung BGH v. 13. 2. 1957, BGHZ 23, 293 auch OLG Schleswig v. 1. 11. 1995, OLG-Report 1996, 226, 227; KG v. 25. 10. 1994, KG-Report 1994, 243, 244. 19 Wank, Arbeitnehmer, S. 106.
II. Typenzwang und typologische Rechtsfindung
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die Grenzen zwischen normativem Typenzwang und der Rechtsanwendung durch Bildung von Typenreihen zwar in der Theorie klar voneinander zu scheiden sind, in der praktischen Rechtsanwendung jedoch oftmals kaum unterscheidbar ineinander übergehen.20
II. Typenzwang und typologische Rechtsfindung Nicht nur in der Rechtswissenschaft21 wird häufig die Denkform des „Typus" verwendet, um eine komplexe Lebenserscheinung möglichst genau verstehen zu können.22 Aufgrund der eingestandenen Unmöglichkeit23, begrifflich genaue Merkmale zu benennen, die vorliegen müssen, damit eine bestimmte Rechtsfolge an einen Lebenssachverhalt angeknüpft werden kann, beschränkt man sich auf die Bildung von Typenreihen.24 Nicht ein einzelnes Merkmal gibt den Ausschlag. Es wird vielmehr von einem beweglichen System25 ausgegangen, in dem das Gewicht der unterschiedlichen Merkmale variabel den Erfordernissen des Einzelfalls angepaßt werden kann.26 Die tatsächliche Bedeutung jener Methode kann exemplarisch an zwei praktisch relevanten Anwendungsfällen veranschaulicht werden. Obschon insoweit nicht ausdrücklich über Typenreihen reflektiert wird, geht es doch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts27 zum sogenannten Arbeitnehmerbegriff sachlich um nichts anderes. Gerade das hierin zum Ausdruck kommende mangelnde Problembewußtsein läßt indes diese Frage als besonders geeignet erscheinen, auf Bedenken gegenüber der typologischen Methode aufmerksam zu machen. Auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus ist der genossenschaftliche Sektor nach wie vor von nicht zu unterschätzender Bedeutung.28 Hier stellen sich indes bei der rechtlichen Qualifikation des Nutzungsverhältnisses zwischen Wohnungsbaugenossenschaft und dem einzelnen Genossen schwierige Abgrenzungsfragen. Das Nutzungsverhältnis kann nämlich sowohl den Regeln des bürgerlichen Mietrechts unterliegen wie eigens körperschaftlichen Grundsätzen. Da von der Zu20 So auch Wank, Arbeitnehmer, S. 105. 21 Zur wissenschaftstheoretischen Bedeutung der Denkform des „Typus" vgl. die Nachweise bei Engisch; Konkretisierung, S. 237; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 16 ff., 25 ff. 22 Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 290. 23 Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 56. 24 Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 60 ff. 25 Der Begriff des beweglichen Systems stammt von Wilburg, Elemente des Schadensrechts, S. 26 ff. 26 Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 290 ff. 27 Vgl. nur BAG ν. 15. 3. 1978, EzA Nr. 16 zu § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff; v. 21. 2. 1990, EzA Nr. 32 zu § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff; v. 20. 7. 1994, EzA Nr. 54 zu §611 BGB Arbeitnehmerbegriff. 28 Vgl. nur Beuthien, GenG, § 1 Rn. 48.
4 Radke
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
Ordnung des Nutzungsverhältnisses zum Mietrecht oder zum körperschaftlichen Innenrecht der Genossenschaft nicht zuletzt die Anwendbarkeit der Schutzvorschriften des sozialen Mietrechts abhängt, ist die praktische Relevanz dieses Problems erheblich. Methodisch mit der Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs übereinstimmend nimmt die herrschende Lehre auch hier eine Gesamtbetrachtung der das Nutzungsverhältnis regelnden Abreden und Satzungsbestimmungen vor.
1. Der ArbeitnehmerbegrifF der herrschenden Lehre Angesichts mehr oder weniger ausgereifter gesetzgeberischer Versuche, das Problem der sogenannten Scheinselbständigkeit in den Griff zu bekommen29, spielt der Arbeitnehmerbegriff in der gegenwärtigen arbeitsrechtlichen Literatur eine große Rolle. 30 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von Interesse sind indes nicht die Einzelheiten des Streitstandes. Auf seine Wiedergabe kann somit weithin verzichtet werden.31 Bedeutsam ist jedoch der mindestens stillschweigend zugrunde gelegte Ausgangspunkt der vorherrschenden Auffassung. Es ist nämlich soweit ersichtlich unbestritten, daß nicht ein einzelnes Merkmal über die Arbeitnehmereigenschaft entscheidet, sondern unterschiedliche Aspekte je nach Lage des Einzelfalles den Ausschlag geben können.32 Insofern handelt es sich bei der von der herrschenden Lehre vorgenommenen Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffes um einen geradezu klassischen Anwendungsfall typologischer Rechtsfindung. 33 Hiergegen wäre an und für sich nichts zu erinnern. Vorausgesetzt ist freilich, daß die prinzipielle Gleichrangigkeit aller in das bewegliche System einbezogenen Merkmale und Merkmalsgesamtheiten zweifelsfrei feststeht. 34 Solange dies indes nicht dargetan ist, besteht die naheliegende Gefahr, daß die vorrangige Bedeutung eines Merkmals durch die jeder Bildung von Typenreihen immanente Relativie29 Ausgangspunkt ist das Gesetz vom 29. 12. 1998, BGBl. I, 3844 sowie das Gesetz zur Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse vom 24. 3. 1999, BGBl. I 388; dazu etwa Bengelsdorf, NJW 1999, 1817; Brand, DB 1999, 1162; Däubler, NJW 1999, 601; Kollmer, NJW 1999, 608; Lembke, NJW 1999, 1825; Postler, NJW 1999, 925; Weimar/Goebel, ZIP 1999, 217. 30 Vgl zuletzt Reiserer, BB 1998, 1258, 1259 f.
31 Das Schrifttum ist kaum überschaubar. Vgl nur die Nachweise bei MünchHdbArbR-/?/chardi, §23 vorRn. 1. 32 Hromadka, NZA 1997, 569, 570 ff.; ders., NZA 1998,1,5 ff.; Reiserer, BB 1998,1258, 1260; Wank, Arbeitnehmer, S. 117 ff.; ders., DB 1992, 90, 91 ff.; Herschel, in: Festgabe für Kunze (1969), S. 225, 237; Richardi, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984); S: 607, 615; umfassende Nachweise bei MünchHdbArbR-Richardi, § 23 vorRn. 1. 33 BAG v. 23.4. 1980, AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Leerten, Typus und Rechtsfindung, S. 150 f.; Herschel, in: Festgabe für Kunze (1969), S. 225,237 34 Richardi, DB 1999,958,961.
II. Typenzwang und typologische Rechtsfindung
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rung der Einzelmerkmale überspielt wird. 35 Was den Arbeitnehmerbegriff angeht, könnte eine solche Relativierung des de iure entscheidenden Merkmals in der,»Degradierung" des Parteiwillens zu einem, noch dazu untergeordneten Abwägungsfaktor 36 zu finden sein.37 Wenn nämlich die Begründung eines Arbeitsverhältnisses davon abhängen sollte, daß die Beteiligten gerade dessen Rechtsfolgen in ihren Willen aufnehmen, bedeutete die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ohne diesen Rechtsfolgewillen eine Auswechslung des Geltungsgrundes der Regelung.38 Denn in diesem Falle würden die Rechtsfolgen eines Arbeitsverhältnisses nicht deshalb eintreten, weil sie gewollt sind, sondern weil sie kraft objektiven Rechts für die von den Parteien gewählte tatsächliche Gestaltung als angemessen erachtet werden.39 Es mag sein, daß sich die beschriebene Auswechslung des Geltungsgrundes rechtfertigen läßt. 40 An dieser Stelle sollte jedoch nur auf das bestehende Legitimationsproblem hingewiesen werden. Derartige Legitimationsprobleme im Grenzbereich zwischen typologischer Rechtsfindung und Typenzwang treten auf, wenn keine hinreichende Klarheit über den wahren Geltungsgrund der anzunehmenden Rechtsfolgen besteht.41 Die Grenze zum Typenzwang, das heißt zur normativen Zuordnung von Rechtsfolgen ist bei der Auslegung von Rechtsgeschäften immer dann überschritten, wenn der (übereinstimmende) Parteiwille einer Abwägung gegen weitere Umstände zugänglich gemacht wird.
2. Die Genossenmiete Auch bei der rechtlichen Qualifikation des Förderrechtsverhältnisses zwischen einer Wohnungsgenossenschaft und dem einzelnen Genossen42 stehen soziale Schutzüberlegungen43 hinter den begrifflichen Lösungsansätzen. Es wird versucht, 35 Zutreffend MMchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 42. 36 Vgl. die Nachweise bei Brand, DB 1999,1162,1163. 37 Ebenso Richardi, DB 1999, 958, 960 f.; Adomeit, in : Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 84. 38 Richardi, DB 1999,958,960 f.; Adomeit, in : Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 84. 39 Hierauf weist auch MünchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 58 und ders., DB 1999, 958, 961 hin. Im Ausgangspunkt übereinstimmend auch Wank, Arbeitnehmer, S. 107ff.; Adomeit, in : Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 83 f. 40 Ohne hinreichendes Problembewußtsein BAG ν. 3. 10. 1975, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ausdrücklich für einen Rechtsformzwang aus Gründen der Schutzbedürftigkeit des vermeintlichen Arbeitnehmers Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171,182 f. MünchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 42; Zöllner, Arbeitsrecht, § 4 III 5 d). 42 Vgl. hierzu die Übersicht Beuthien, GenG, § 1 Rn. 49; § 18 Rn. 6a. 4 3 Vgl. zur Anwendbarkeit des sozialen Mietrechts im genossenschaftlichen Sektor Lützenkirchen, WuM 1994, 5, 5 f.; OLG Stuttgart v.16. 11. 1991, ZfG 1993, 248, 249 f.; Beuthien, GenG, § 1 Rn. 50 ff.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
den Sozialschutz des Genossen mit der körperschaftlichen Satzungsautonomie der Genossenschaft zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.44 Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die vorgeschlagenen Lösungen, die von der Einordnung als Mietvertrag 45 über die Annahme eines der Genossenschaft zustehenden Wahlrechts46 bis zur ausschließlich körperschaftlichen Qualifikation reichen47. Trotz dieser Unterschiede stimmen sämtliche Lösungsansätze indes in ihrem Ausgangspunkt überein. Entscheidend für die rechtliche Qualifikation des Nutzungsverhältnisses ist allein seine tatsächliche Ausgestaltung.48 Hieran knüpfen sich kraft objektiven Rechts bestimmte Rechtsfolgen, ohne daß Genossenschaft oder Genösse insoweit Einfluß nehmen könnten.49 Mithin liegt auch hier ein Anwendungsbeispiel der typologischen Methode vor. Im Einzelfall unterschiedliche Aspekte der tatsächlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses bestimmen über die Zuordnung entweder zum schuldrechtlichen Mietvertrag oder zum gesellschaftsrechtlichen Nutzungsverhältnis. Hiermit wird indes die unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie allein entscheidende Frage verdeckt. Denn es geht bei der Einordnung des genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses primär darum, ob der Schutzzweck des sozialen Mietrechts seine Anwendung auch und gerade dann erfordert, wenn sich die Genossenschaft gegen die Begründung von Mietverhältnissen entschieden hat. Ebenso wie beim Parallelproblem des Arbeitnehmerbegriffes soll nicht behauptet werden, daß die zwingende Anwendung des sozialen Mietrechts nicht gerechtfertigt werden könnte. Jedenfalls deutlich geworden sein dürfte der auch insoweit bestehende Rechtfertigungsbedarf.
3· Typologie und Eingriffslegitimation Die vorstehend behandelten Anwendungsbeispiele haben gezeigt, daß die typologische Zuordnung von Rechtsverhältnissen nicht stets das Ergebnis für sich genommen tragen kann. Soweit die hinreichend klar zum Ausdruck gekommene Zuordnungsabsicht der Beteiligten nur als einer unter mehreren die rechtliche Zuordnung bestimmenden Faktoren angesehen wird, kann die typologische Qualifikation des Rechtsverhältnisses im Gegenteil erst am Anfang einer weiteren rechtlichen 44 Lützenkirchen, WuM 1994, 5,6. 45 LG Wiesbaden v. 28.8,1962, NJW 1962, 2352, 2353; LG Essen v. 16. 7. 1970, ZfG 1973,73,75; Roquette, ZfG 1958, 180, 185; ders., ZfG 1973, 76,76. 46 Beuthien, GenG, § 1 Rn. 49. 47 BGH v. 11. 7. 1960, ZfG 1960, 351, 352; OLG Karlsruhe v. 23. 12. 1983, ZfG 1985, 198, 199 f.; Müller; GenG, Anhang zu § 1 Rn. 83. 48 Beuthien, GenG, § 1 Rn. 49; Müller, GenG, Anhang zu § 1 Rn. 83; Lützenkirchen, WuM 1994, 5,6. 49 Auch Beuthien (GenG, § 1 Rn. 49) stellt ausdrücklich klar, daß sich das von ihm postulierte Wahlrecht der Genossenschaft nicht auf die Rechtsfolgen, sondern nur auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses bezieht.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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Prüfung stehen.50 Denn die an die vorgenommene Qualifikation zu knüpfenden Rechtsfolgen können dann nicht durch den (übereinstimmenden) Parteiwillen als Geltungsgrund legitimiert werden. Zwar ist seine Auswechslung durchaus möglich. Sie erzeugt jedoch erheblichen Legitimationsbedarf. Jedenfalls geht es nicht an, die durch das Außerachtlassen des Parteiwillens markierte Grenze zum (positiven) Typenzwang (gleichbedeutend: Rechtsformzwang 51) gleichsam unter dem Deckmantel typologischer Auslegung heimlich zu überschreiten.
I I I . Funktion und Legitimation des Typenzwangs Sowohl der negative wie auch der positive Typenzwang sind als Einschränkungen der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie zu begreifen. Denn dem rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen der Beteiligten werden beim negativen Typenzwang überhaupt keine Rechtsfolgen beigelegt. Durch einen positiven Typenzwang werden die von den Parteien gewollten Rechtsfolgen modifiziert. Trotz dieser Gemeinsamkeit sind die beiden Erscheinungsformen des Typenzwangs indes schon im Phänomen zu unterschiedlich, um sie gleichzeitig darstellen zu können. Vor allem aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt sich deshalb eine getrennte Vorgehensweise. 1· Der negative lypenzwang a) Begriffliches Im Schrifttum begegnen neben dem Begriff des Typenzwanges auch die Begriffe der Typenfixierung und des numerus clausus.52 Hiermit werden indes nicht unterschiedliche Phänomene, sondern nur verschiedene Aspekte des (vor allem: sachenrechtlichen) Typenzwanges bezeichnet. Soweit von Typenzwang gesprochen wird, ist damit regelmäßig die Festlegung des Inhalts dinglicher Rechte gemeint.53 Gleichbedeutend wird der Begriff einer Typenfixierung verwendet. Wahrend somit die Begriffe Typenzwang und Typenfixierung die zwingende gesetzliche Festlegung des Inhalts dinglicher Rechte und sonstiger Rechtsinstitute beschreiben, bezieht sich der Begriff des numerus clausus auf die Ausschließlichkeit der so inhaltlich definierten Rechte und Rechtsinstitute. Im folgenden wird diese differenzie50 Wank, Arbeitnehmer, S. 106; MünchHdbArbR-Richardi, § 23 Rn. 58 und Richardi, DB 1999,958,961. Wank, Arbeitnehmer, S. 106. 52 Staudinger-Seiler, Einl zu §§ 854 ff. Rn. 38 ff.; MünchKomm BGB-Quack, Einleitung Sachenrecht, Rn. 29; Schön, Nießbrauch, S. 241. 53 Staudinger/Seiler, Vor § 854 Rn. 38; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 II 2; Schön, Nießbrauch, S. 241.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
rende Betrachtung der Einzelaspekte nicht fortgeführt. Denn numerus clausus und Typenfixierung stehen nicht unverbunden nebeneinander. Sie bedingen sich vielmehr wechselseitig. Eine inhaltliche Festlegung von Rechten und Rechtsinstituten ist nicht sinnvoll, solange es daneben weitere, inhaltsoffene Rechte und Rechtsinstitute gibt. Auf der anderen Seite macht es auch wenig Sinn, die Zahl der von der Rechtsordnung zugelassenen Rechte und Rechtsinstitute zu beschränken, wenn deren Inhalt gleichzeitig zur beliebigen Disposition der beteiligten Privatrechtssubjekte steht. b) Wertungsmäßige
Grundlagen
Insoweit besteht schon Streit darüber, ob eine wertungsmäßige Rechtfertigung des Typenzwangs überhaupt erforderlich ist. 54 Teilweise wird nur auf den formalen Aspekt der mit dem Typenzwang verbundenen Rechtssicherheit abgestellt.55 Aber auch die Autoren, die eine materiale Rechtfertigung des Typenzwanges versuchen56, gehen sämtlich von seiner behaupteten Positivierung aus. Die Frage nach Grund und Grenzen gesetzlicher Typenordnungen im Einzelfall wird demgegenüber allenfalls gestreift. Zwar ist es sicherlich ein zutreffender Ansatz, auf die mit einer gesetzlichen Typenausgestaltung verbundene besondere Richtigkeitsgewähr hinzuweisen.57 Auch wird man zugestehen müssen, daß das Sachenrecht nicht bloß ein „Erzeugnis des Parteiwillens", sondern ein „Element der gesellschaftlichen Organisation"58 ist. Eine eigentliche Begründung wird hiermit indes nicht geboten. Denn diese Aspekte sprechen nicht nur für einen Typenzwang im Sachenrecht oder im Familien- und Erbrecht. Auf diesem Weg ließe sich vielmehr ebensogut eine schuldrechtliche Typenordnung begründen. Erforderlich ist somit eine Konzeption des Typenzwangs, die sich widerspruchsfrei in eine Rechtsordnung integrieren läßt, die auf der prinzipiellen Anerkennungsfahigkeit jeder Parteiabrede aufbaut, sofern nur eine hinreichende Richtigkeitsgewähr besteht. Mit dem Erfordernis der Richtigkeitsgewähr ist der gebotene Bezug der Parteiabrede zur Rechtsordnung bereits hergestellt.59 Jedes weitere Erfordernis an das Rechtsgeschäft bedeutet des5* Nachweise bei Schön, Nießbrauch, S. 244 f. Diese Vorgehensweise zeigt die Bedeutung des Vorverständnisses der Lehre vom numerus clausus der Aktstypen. Durch einen Typenzwang werden nur immanente Schranken der Privatautonomie aktualisiert, ohne daß hiermit ein Rechtfertigungsbedarf einherginge, vgl. etwa Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171,174. 55 Eichler; Institutionen des Sachenrechts, Bd. I, S. 54: Auf dem Gebiet des Liegenschaftsrechts ist diese Funktion des sachenrechtlichen Typenzwangs besonders deutllich. Dem numerus clausus widersprechende Rechte sind nicht eintragungsfahig bzw. von Amts wegen zu löschen. 56 Schön, Nießbrauch, S. 245 ff. 57 Schön, Nießbrauch, S. 246. 58 Staudinger/Seufert, 11. Aufl., Einl. SachenR, Rn. 11; Eichler, Institutionen, S. 54. 59 Vgl. oben Kapitel 1, II, 5.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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halb eine Freiheitseinschränkung, die nur, soweit überwiegende Belange Dritter oder der Allgemeinheit dies erfordern, zu rechtfertigen sind. Damit angesprochen ist eine strikte Zweckbezogenheit des negativen Typenzwangs. Die mit ihm verbundene Beschränkung der Privatautonomie ist nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Es muß vielmehr stets nach dem konkret60 verfolgten Zweck gefragt werden. Hieraus folgt weiter, daß aus einem existierenden Typenzwang nur solche Rechtsfolgen abgeleitet werden, die zur Verfolgung des den Typenzwang tragenden Zwecks erforderlich sind. Nur insoweit ist nämlich die Einschränkung der Privatautonomie verhältnismäßig. Jedes Überschreiten dieser Grenzen bedeutet eine Verletzung von Art. 21 GG. Die vorstehend aufgezeigten wertungsmäßigen Grundlagen des negativen Typenzwangs können sich nicht auf eine allgemeine Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum stützen. Sie stehen im Gegenteil im Widerspruch zu der in der Gegenwartsliteratur zu beobachtenden Grundtendenz, privatautonome Rechtsgestaltungen nur im Rahmen vorgeprägter Aktstypen zuzulassen.61 Dogmengeschichtlich handelt es sich hier indes um eine Fehlentwicklung. Der Grund für diese Fehlentwicklung ist darin zu suchen, daß jeder Typenzwang sachlich eine komprimierende Zusammenfassung verschiedener Wertungen darstellt und das Bewußtsein für die Grundlage der jeweiligen Vorrangentscheidung im Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Jedoch kann eine rechtshistorische Betrachtung helfen, die stets vorhandenen wertungsmäßigen Grundlagen des negativen Typenzwangs aufzuzeigen und so zum Verständnis des geltenden Rechts beitragen.62
c) Der Typenzwang in seiner historischen Entwicklung Dogmengeschichtlich ist die heute vorherrschende restriktive Grundtendenz eine relativ späte Entwicklung.63 Die Verfasser des BGB waren sich noch darüber im klaren, daß jeder Typenzwang eine Beschränkung der Privatautonomie bedeutet. Allerdings ist die Quellenlage dürftig. 64 Die Motive zum Sachenrecht befassen sich nur an einer Stelle mit dem Prinzip des numerus clausus65. Dort heißt es: „Die Betheiligten können nur solche Rechte begründen, deren Begründung das Gesetz zuläßt. Die Zahl der dinglichen Rechte ist daher notwendig eine geschlossene".66 60 Dies bedingt eine Abwägung im Einzelfall. Globale Erwägungen zur Rechtfertigung des Typenzwangs werden diesem Maßstab nicht gerecht. Sie können lediglich die Grundlage für die gebotene Einzelfallabwägung bieten. Grundlegend Flume , Rechtsgeschäft, S. 12 f. 62 Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623, 623. Zur Bedeutung der rechtshistorischen Betrachtung vgl. allgemein Dilcher, AcP 184 (1984), 247 ff. 63 Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623,624. 64 Huber, JurA 1970,784,784; Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623,625. 65 Mot. III, S. 3 = Mugdan ΙΠ, S. 2. 66 Mot. III, S. 3 = Mugdan III, S. 2.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
In der II. Kommission ist diese Grundsatzentscheidung des Entwurfs nicht weiter diskutiert worden67. Nach Ansicht der Verfasser des BGB ergibt sich der sachenrechtliche Typenzwang mit Notwendigkeit aus der im BGB angelegten Trennung zwischen Schuldrecht und Sachenrecht. Weil das einzelne Sachenrecht von dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft unabhängig sei, könne die im Schuldvertragsrecht vorherrschende Gestaltungsfreiheit nicht auf das Sachenrecht übertragen werden68. Hier erscheint also der Gegensatz zwischen Schuldrecht und Sachenrecht als tragender Grund für den sachenrechtlichen Typenzwang69. Es liegt klar zutage, daß den Verfassern des BGB insoweit „mindestens eine Begriffsvertauschung" 70 unterlaufen ist. Wenn man so will, handelt es sich sogar um eine bloße Scheinbegründung. Denn aus der Selbständigkeit des Sachenrechts gegenüber dem Schuldrecht läßt sich der sachenrechtliche Typenzwang auch dann nicht ableiten, wenn man den Begriff der „Selbständigkeit" durch den der „Gegensätzlichkeit"71 ersetzt. Das Abstraktionsprinzip, also die Unabhängigkeit des dinglichen Geschäfts vom Kausalgeschäft 72, bleibt nämlich auch dann unangetastet, wenn auf der Ebene des dinglichen Rechts beliebige Gestaltungen zugelassen werden. So kann etwa die nach herrschender Lehre unzulässige73 Kombination aus Nutzungs- und Verwertungsrecht bei der Grundschuld (Antichrese) ohne weiteres als von der Verpflichtung, Sicherheiten zu stellen, unabhängig gedacht werden. Das Abstraktionsprinzip als solches hat mithin mit dem sachenrechtlichen Typenzwang schlechthin nichts zu tun. 74 Auch die dem Abstraktionsprinzip zugrundeliegenden Wertungen75 bedingen einen numerus clausus der dinglichen Rechte nicht notwendig. Bestimmend war insoweit die Sicherung einer reibungslosen Abwicklung von Austauschverträgen.76 Eine Vergewisserung über die causa vorgängiger Rechtsübertragungen hätte ein erhebliches Hemmnis bedeutet. Nun mögen auch 67 Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623,625. 68 Mot. III a. a. Ο. Zustimmend Schön, Nießbrauch, S. 249 f.; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 128; Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 33. 69 Heck, Sachenrecht, S. 88. 70 Heck, Sachenrecht, S. 88. 71 So Heck, Sachenrecht, S. 88. 72 Jauernig, JuS 1994, 721, 722. Zu den römisch-rechtlichen Grundlagen des Abstraktionsprinzips vgl. die Übersicht bei Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 1 ff. 73 Vgl. zB Baur/Stürner, SachenR, § 321 3 b; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 242. 74 Anders aber Schön, Nießbrauch, S. 249 ff.; Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell Anh zu (1987), S. 623, 637; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 128; Staudinger/Wiegand, §§929-931 Rn. 189. 75 Für die Entwicklung des Dogmas durch v. Savigny (System III, S. 312 f.) waren wertungsmäßige Überlegungen indes nicht bestimmend. Sie traten erst später hinzu, vgl. die Nachweise bei Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 5 f. 76 Vgl. schon zum römisch-gemeinen Recht Dernburg, AcP 40 (1857), 1, 2ff.; Jhering, Geist des Rom. Rechts III, S. 212 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 882 ff.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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auf der Parteiwillkür beruhende dingliche Rechte ein solches Hemmnis bilden. Diese Gemeinsamkeit reicht indes nicht aus, die Sicherung der Entscheidung für das Abstraktionsprinzip als eigentlichen Grund auch des sachenrechtlichen Typenzwangs auszugeben.77 Vielmehr handelt es sich hier um zwei von einander unabhängig Aspekte des Verkehrsschutzes, die nicht miteinander vermengt werden dürfen. Als weiterführend erscheint deshalb ein zweiter Begründungsstrang, der das „Unterbewußtsein des Gesetzgebers" (Heck) mitgeprägt haben dürfte. Er findet sich in der Begründung des Vorentwurfs Sachenrecht78. Von Johow argumentiert dort mit dem Eigentumsbegriff. Dieser gehöre dem objektiven Recht an und sei daher der Parteiwillkür entzogen. Ansonsten drohe seine Verflüchtigung. 79 Auch hier handelt es sich bei Licht besehen um eine begriffsjuristische Scheinbegründung. Zwar istrichtig,daß das Eigentum ein gesetzlicher Begriff ist, der im (heutigen) § 903 BGB als umfassende Herrschaftsbefugnis über eine Sache definiert wird. Dem so bestimmten Eigentumsbegriff läuft aber die Zulassung beliebiger beschränkter dinglicher Rechte als Abspaltungen80 des Vollrechts nicht zuwider. Wenn das Gesetz dem Eigentümer eine umfassende Herrschaftsbefugnis über die Sache gibt, kann dies im Gegenteil sogar als Zuweisung auch einer umfassenden rechtlichen Herrschaftsbefugnis verstanden werden.81 Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Begründungsstränge sind insgesamt durch eine überzogene Begriffsjurisprudenz gekennzeichnet, die die materialen Wertungen verdeckt. Diese können jedoch rekonstruiert werden, wenn man den Rechtszustand vor Beginn der Beratungen zum BGB in den Blick nimmt. Im römischen Privatrecht war die Trennung zwischen dinglichen und persönlichen Klagen strikt durchgeführt. Folgerichtig konnte der Gläubiger die geschuldete Sache nur von seinem Schuldner, aber nicht von einem Dritten herausverlangen. Demgegenüber erkannte das preußische Allgemeine Landrecht82 schuldrechtlichen
77 So aber Schön, Nießbrauch, S. 249 ff.; Wiegand, S. 623, 637.
in: Festschrift für Kroeschell (1987),
78 Johow, S. 501 = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe, Sachenrecht I, S. 625. 79 Johow, S. 501 = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe, Sachenrecht I, S. 625. 80 Hier ist es nur eine terminologische Frage, ob man die beschränkten dinglichen Rechte als Abspaltungen aus dem Völlrecht oder als selbständige, das unverminderte Vollrecht beschränkende Rechte ansieht (im letzteren Sinne Johow, S. 502 = Schubert (Hrsg.), Vörentwürfe, Sachenrecht I, S. 626). Jeweils ist die mit dem Vollrecht an sich verbundene unbeschränkte Herrschaftsgewalt beschränkt. Dieses Rechtszustand veranschaulicht sowohl das Bild der Abspaltung wie der des Gegenrechts. In keinem Fall können aus einer veranschaulichenden Umschreibung unmittelbar Rechtsfolgen abgeleitet werden. 81 In diesem Sinne Heck, Sachenrecht, S. 88. 82 Die maßgebenden Vorschriften sind ALRI, 19 § 5: „Kann aber der Besitznehmer überführt werden, daß ihm das zu derselben Sache erlangte persönliche Recht des Anderen zur Zeit der Besitzergreifung schon bekannt gewesen sei, so kann er sich seines durch die Übergabe entstandenen dinglichen Rechts gegen denselben nicht bedienen." und ALR I, 10 § 25:
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
Absprachen in bestimmtem Umfang Drittwirkung zu. 83 Der Gläubiger konnte danach die geschuldete Sache auch von einem Dritten herausverlangen, wenn dieser von dem älteren Recht des Gläubigers bei Erwerb Kenntnis hatte. Die Qualifizierung dieses sog. ius ad rem als dingliches Recht bereitete dennoch Schwierigkeiten. Da die Durchsetzung des Rechts zur Sache die Kenntnis des Dritten zur Voraussetzung hatte84, ließ sich die auf ein ius ad rem gestützte Klage auch als besonderer Fall der actio doli qualifizieren. 85 Damit könnte die Trennung zwischen relativen und absoluten Rechten aufrecht erhalten werden. Sonderlich überzeugend ist diese Einordnung freilich nicht. Denn sie setzt voraus, daß allein die Kenntnis von einer fremden Obligation ausreicht, um auch den Dritten aus dem Schuldverhältnis verpflichten zu können. Deshalb liegt es näher, nicht auf die Kenntnis als rechtsbegründender Voraussetzung abzustellen, sondern vielmehr umgekehrt in ihrem Fehlen eine Möglichkeit zu finden, von dem fremden ius ad rem unbelastetes Eigentum zu erwerben. Das ius ad rem wirkt demnach grundsätzlich auch gegen Dritte, es sei denn, diese können sich auf einen redlichen, lastenfreien Erwerb berufen. 86 Für die Einordnung des Rechts zur Sache als ein dingliches Recht spricht auch die Systematik des ALR. Denn prALR I, Titel 10 § 25 steht in einem unmittelbaren Regelungszusammenhang mit Vorschriften über den redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten. Letztlich ist aber gar nicht entscheidend, ob das ius ad rem ein dingliches Recht, ein relativ-dingliches Recht87 oder ein Fall der actio doli ist. Im vorliegenden Zusammenhang ausreichend ist schon die Feststellung, daß angesichts der Existenz des ius ad rem nach preußischem Landrecht die Trennung von Schuldrecht und Sachenrecht problematisch war und mindestens eine Grauzone existierte. Es scheint nun auf der Hand zu liegen, daß ein solcher Rechtszustand mit der durch von Savigny begründeten strikten Trennung von absoluten und relativen Rechten unvereinbar ist 88 . Bei rein begrifflicher Betrachtung trifft dies jedoch überraschenderweise gerade nicht zu, da man ohne weiteres ein von den Parteien geschaffenes dingliches Recht neben dem zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnis annehmen kann. Freilich trifft die materiale Wertung, auf der die begrifflichen Distinktion Savignys beruht, zu. Der Sache nach geht es um den Schutz des Rechtsverkehrs vor unbekannten, auf der Parteiwillkür beruhenden, mit absoluter, dinglicher Wirkung ausgestatteten Rechten89. Zu betonen ist allerdings, daß jene ,Auch der, welcher zur Zeit der [ . . . ] Übergabe den früher entstandenen Titel eines Andern weiß, kann zum Nachtheile desselben die früher erhaltene [ . . . ] Übergabe nicht vorschützen." w Hierauf weist auch Johow, S. 501 = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe, Sachenrecht I, S. 625 hin. 84 Dernburg, Preuss. Privatrecht I, S. 421; Förster/Eccius, Preuss. Privatrecht III, S. 156. 85 So Dernburg, Preuss. Privatrecht I, S. 420. 86 So Ziebarth, Realexekution, S. 213. 87 So Koch, Proceßpraxis, S. 179. 88 Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 1,2. Buch, S. 371 ff.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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offenbar das Unterbewußtsein des Gesetzgebers dominierende Wertung mit der hervorgehobenen Unabhängigkeit des Schuldrechts vom Sachenrecht nichts zu tun hat und damit auch nicht unmittelbar aus den betreffenden Passagen der Materialien herausgelesen werden kann90. Dies erhellt schon daraus, daß der Gesetzgeber selbst die in den Motiven91 noch für zwingend gehaltene Interdependenz zwischen ausschließlicher inter-partes-Wirkung des Schuldrechts und der erga-omnes-Wirkung des Sachenrechts nicht konsequent durchgehalten hat. Denn nach § 161 I BGB wirkt eine ja ebenfalls auf Parteiabreden beruhende Bedingung grundsätzlich auch gegen Dritte. Das Verkehrsinteresse wird insoweit nur durch die Zulassung eines redlichen, „bedingungsfreien" Erwerbs nach §§ 161 m, 932 ff., 892 BGB geschützt. Eine weitere Durchbrechung dieses Grundsatzes findet sich in § 1007 I BGB 9 2 Nach dieser Vorschrift kann der frühere (berechtigte) Eigenbesitzer einer beweglichen Sache von jedem Dritten die Herausgabe der Sache verlangen. Hier handelt es sich gerade nicht um einen possessorischen Besitzschutz.93 Grundlage ist vielmehr das bessere Recht zum Besitz selbst. Zwar mag man sich darüber streiten, welche Natur dieses Besitzrecht hat. 94 Aufgrund der Entstehungsgeschichte95 der Vorschrift 96 dürfte jedenfalls ihr petitorischer Charakter feststehen. Damit erhält aber das zugrundeliegende (auch:) obligatorische Recht zum Besitz seinerseits dinglichen Charakter. 97 Denn es kann grundsätzlich auch Dritten gegenüber geltend gemacht werden. Das BGB anerkennt also in § 1007 I BGB drittwirkende (dingliche) Besitzrechte auf der Grundlage (relativ wirkender) Parteiabreden.98 Der gebotene Schutz des Rechtsverkehrs wird auch insoweit nicht über die strikte Trennung von dinglichen und obligatorischen Rechten, sondern über den Schutz des guten Glaubens (§ 1007 Π BGB) erreicht.
w Heck, Sachenrecht, S. 91. 90 Anders Wiegand, FS Kroeschell, S. 623 (634); ders., AcP 190 (1990), 112,113 f.; Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 4, 33. 91 Mot. III, S. 3 = Mugdan III, S. 2. 92 Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e). 93 So aber Heck, Sachenrecht, § 34, 2; unklar Eichler, Institutionen II 1, S. 236 f., der von einem petitorischen Anspruch auf possessorischer Grundlage ausgeht. Zutreffend Jauernig, § 1007 Rn. 1. Ohne definitive Entscheidung MünchKomm BGB -Medicus, § 1007 Rn. 2 f. 94 Vor allem Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 344 ff. sieht die Funktion des § 1007 BGB darin , die Ersitzungsanwartschaft als dingliches Recht zum Besitz zu schützen. Wieling (Sachenrecht, § 12 IX) nimmt eine Art relatives Eigentum an. Weitere Nachweise bei MünchKomm BGB -Medicus, § 1007 Rn. 3. 95 Grundlage ist die deutsch-rechtliche Klage aus gebrochener Gewere, vgl. Dulckeit, Verdinglichung, S. 13 f.; allgemein auch Förster/Eccius, Preuss. Privatrecht I, S. 126 ff. 96
Gegen die Entscheidung des I. Kommission wurde in Anlehnung an ALR I 2 § 135 jedem Inhaber eines Besitzrechts eine dingliche Position verliehen, vgl. Prot III, 380 ff. = Mugdan III, 698 f.; Hörer, Besitzrechtsklage, S. 17 ff.; Koch; § 1007 BGB, S. 2 ff.; Weber, § 1007 BGB, S. 12 ff. 97 Dulckeit, Verdinglichung, S. 14 f.; Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e). 98 Dulckeit, Verdinglichung, S. 14 f.; Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e).
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
Als Ergebnis der historischen Betrachtung des sachenrechtlichen Typenzwangs kann somit festgehalten werden: Die Verfasser des BGB gingen davon aus, daß die Trennung von dinglichen und obligatorischen Rechten eine Beschränkung der Vertragsfreiheit auf dem Gebiet des Sachenrechts erfordere. Unter der Oberfläche dieser verfehlten begriffsjuristischen Vorstellung waren Verkehrsschutzüberlegungen bestimmend. Indes zeigen §§ 161, 1007 BGB, daß das BGB neben dem Typenzwang auch den redlichen Erwerb als Mittel des Verkehrsschutzes vor drittwirkenden Parteiabreden einsetzt. Ebenfalls durch Drittinteressen beziehungsweise durch Interessen der Allgemeinheit motiviert ist die Beschränkung der familien- und erbrechtlichen Gestaltungsformen. Das ist im Familienrecht offensichtlich, soweit die Beschränkung der Privatautonomie unmittelbarer Ausdruck des staatlichen Wächteramtes (Art. 6 GG) ist. Aber auch im Ehegüterrecht geht es sachlich um nichts anderes. Die hier bestehende Ehevertragsfreiheit" beschränkt sich auf eine Auswahl unter den gesetzlich vorgesehenen Güterständen100, mögen auch Elemente verschiedener Güterstände miteinander kombinierbar sein. 101 Jedoch besteht keine Einigkeit darüber 102 , daß Maßstab und Grenze der Beschränkungen der Ehevertragsfreiheit durch mindestens abstrakt benennbare vorrangige Interessen bestimmt werden müssen. Häufig werden vielmehr das „Wesen eines Güterstandes"103 oder die Ordnungsfunktion der Ehe als solcher sowie der einzelnen Güterstände104 bemüht, um vertragliche „Denaturierungen" der Güterstände für unzulässig erklären zu können. Diese Gründe mögen mehr oder weniger überzeugend sein.105 Jedoch sind die Einzelheiten des recht komplexen Streitstandes hier nicht weiter von Belang. Entscheidend ist allein, daß für die jeweilige vertragliche Modifikation eines Güterstandes nach Gründen gesucht wird, die eine Beschränkung der Ehevertragsfreiheit rechtfertigen können.106 Bereits der Umstand, daß nach Rechtfertigungsgründen gesucht wird, belegt die Richtigkeit der hier zugrundegelegten These. Denn auf der Grundlage eines im Ehegüterrecht schlechthin bestehenden Typenzwangs wäre eine Legitimation von Einschränkungen der Vertragsfreiheit entbehrlich. Vielmehr 99 Mot IV, 305 = Mugdan IV, 167; MünchKomm BGB-Kanzleiter, § 1408 Rn 13; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 31 III 1; Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 323; Zöllner, FamRZ 1965,113, 114. 100 Mot IV, 305 = Mugdan IV, 168; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 32 III. Der Gesetzgeber hat auch bei späteren Reformgesetzen stets die Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht betont, vgl. die Nachweise bei Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 323. 101 So etwa Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 326. 102 Nachweise zu den einzelnen Ansätzen bei MünchKomm BGB-Kanzleiter, § 1408 Rn 13; Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 324 f.; Zöllner, FamRZ 1965, 113 ff. 103 Körner, Vertragsfreiheit, S. 47. 104 Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 32 III 4. 105 Dazu Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 324 ff. 106 Vgl. MünchKomm BGB-Kanzleiter, § 1408 Rn. 13.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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müßte umgekehrt ihre Inanspruchnahme gerechtfertigt werden. Dennoch wird der Verweis auf die Existenz bestimmter vorgeprägter Güterstände auch dann nicht für ausreichend erachtet, wenn grundsätzlich der Lehre vom numerus clausus der Aktstypen gefolgt wird. Diese Argumentation ist freilich widersprüchlich. Wird die Existenz eines „Blankogeschäftstyps" Ehevertrag verneint 107, muß folgerichtig jede von den vorgegebenen Güterstandstypen abweichende ehevertragliche Gestaltung bereits aus diesem Grund unwirksam sein. Denn es fehlt dann an einem Aktstypus, der allein der Parteiabrede zur rechtlichen Wirksamkeit verhelfen könnte. Für einen inhaltlichen Maßstab, wann eine Abrede mit den vorgegebenen Güterstandstypen unvereinbar ist, bleibt in einer solchen Konzeption kein Raum. Die Bemühung des Typenzwangs erscheint damit auch im Ehegüterrecht nur als Chiffre für die in Wahrheit bestimmenden Verkehrsschutzüberlegungen. 108 Eine selbständig rechtsfolgenbegründende Funktion kommt ihm nicht zu. 1 0 9 Auch im Erbrecht ist der dort vorherrschende Typenzwang110 nicht als Aktualisierung immanenter Schranken der Privatautonomie zu verstehen. Den Ausschlag gaben vielmehr ebenfalls konkrete Schutzüberlegungen. Darüber darf die Fassung der §§ 1937-1941 BGB nicht hinwegtäuschen. Zwar mag es der Wortlaut dieser Vorschriften durchaus nahelegen, daß es hier um die Eröffnung neuer und nicht um die Beschränkung vorausgesetzter rechtsgeschäftlicher Handlungsmöglichkeiten geht.111 Nimmt man nämlich an, daß den Privatrechtssubjekten grundsätzlich das rechtliche Können fehlt, von Todes wegen über die dingliche Zuordnung ihrer Vermögensgegenstände zu bestimmen112, müssen die Normen über die möglichen Verfügungen von Todes wegen als Verleihung einer im Gesetz umschriebenen und deshalb von vornherein begrenzten Rechtsmacht erscheinen. 113 Indes kann dieses Verständnis der erbrechtlichen Gestaltungsfreiheit mit der Fassung der §§ 1937-1941 BGB nicht begründet werden. Es handelt sich vielmehr um eine Folgerung aus dem zugrundegelegten Vorverständnis der Privatautonomie. Gerade dieses Vorverständnis steht aber, wie gezeigt, in einem Spannungsverhältnis zur (auch) verfassungsrechtlichen Wertentscheidung für ein 107 So Gernhuber/ Coester- Waltjen, Familienrecht, § 32 III 1. los im Ergebnis ebenso Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 352; Zöllner, FamRZ 1965, 113, 121. 109 Mikat, in: Festschrift für Felgentraeger (1969), S. 323, 352; Zöllner, FamRZ 1965, 113, 121. no MünchKomm BGB-Leipold, § 1937 Rn. 10; Staudinger /Otte, vor §§ 1937-1942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 350 ff. m Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 352. 112 In diesem Sinne wohl Strothmann, Jura 1982, 349, 352; Zawar, Vermächtnis, S. 82. 113 Staudinger/ Otte, vor §§ 1937-1942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 352.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
umfassendes Privaterbrecht. 114 Denn die konsequente Durchführung der These von der begrenzten Ermächtigung des Erblassers zu Verfügungen von Todes wegen bedingt die Unzulässigkeit von Verfügungen auch dann, wenn keiner der Zwecke und Wertungen zutrifft, die die erbrechtliche Typenordnung fundieren. 115 Die hierin liegende Einschränkung der Privatautonomie auf dem Gebiet des Erbrechts als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) ist notwendig unverhältnismäßig. Ist sie doch zur Erreichung eines legitimen Ziels weder geeignet noch erforderlich. Nicht von ungefähr findet sich daher in den Materialien zum Erbrecht kein Hinweis darauf, daß der rechtsgeschäftliche Handlungsspielraum bei Verfügungen von Todes wegen in diesem Sinne eingeschränkt sein soll. 116 Soweit bestimmte Gestaltungen ausgeschlossen wurden, waren vielmehr Wertungen maßgebend, die der privatautonomen Gestaltungsfreiheit im Rahmen ihres Schutzzwecks Schranken setzen. Dies sei exemplarisch anhand der Entscheidung gegen das Vindikationslegat (§ 2174 BGB) verdeutlicht.117 Obwohl die Partikularrechte das Vindikationslegat kannten118 und es nach Gemeinem Recht den Regelfall des Vermächtnisses bildete 119 , entschieden sich die Verfasser des BGB dagegen120. Zur Begründung121 verwies man auf die mit seiner Zulassung einhergehende Aushöhlung des Publizitätserfordernisses bei Änderungen der dinglichen Güterzuordnung122 und auf den Schutz der Nachlaßgläubiger123. Den Publizitätsgrundsatz heranzuziehen, vermag insoweit nicht wirklich zu überzeugen.124 Denn die Publizität ist bei erbrechtlichen Änderungen der dinglichen Güterzuordnung ohnehin nur schwach ausgeprägt.125 Demgegenüber hat der Schutz der Nachlaßgläubiger Gewicht. Da nur der Erbe, nicht aber ein Vermächtnisnehmer für Nachlaßverbindlichkeiten haftet (s. § 1968 BGB), liefe die Zulassung des Vindikationslegats letztlich auf eine Enteignung der Nachlaßgläubiger hinaus.126 Diesen könnten mindestens erhebliche Teile der 114 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Erbrechts etwa MünchKomm BGB-Leipold, Einleitung Erbrecht, Rn. 17 a ff mit Nachweisen. U5 So in der Tat Strothmann, Jura 1982,349, 357. 116 Das räumt auch Strothmann, Jura 1982, 349,351 ein. 117 Zur Absage an das Vindikationslegat vgl. MünchKomm BGB-Schlichting, Rn. 1; Staudinger /Otte, § 2174 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29 II 1. us Vgl. Dernburg, Preuß. Privatrecht, § 144; s. auch § 245 sächsBGB. 119 Windscheid/Kipp, Pandekten III, § 646. 120 Mot. V, 133, 176 = Mugdan V, 30,92.
121 Ausführlich Staudinger /Otte, § 2174 Rn. 5; Lange/Kuchinke, 122 Mot. V, 133 = Mugdan V, 70 123 Zu den Einzelheiten s. Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29 II 1.
§ 2174
Erbrecht, § 29 II 1.
124 Auch Staudinger/ Otte, § 2174 Rn. 5 und MünchKomm BGB-Schlichting, § 2174 Rn. 1 stellen allein auf das Interesse der Nachlaßgläubiger ab. 125 Dies zeigt sich vor allem im Grundsatz des Von-Selbst-Erwerbs (§§ 1922, 1942 BGB), der gerade keine wie auch immer gearteten Publizitätserfordernisse enthält, MünchKomm BGB -Leipold, § 1942 Rn. 1.
. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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Nachlaßaktiva vorenthalten werden. Angesichts der Ausgestaltung der Erbenhaftung ist die Entscheidung des BGB gegen das Vindikationslegat daher folgerichtig.127 Im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist erneut die Zweckbindung des insoweit bestehenden Typenzwangs. Die Normierung bestimmter Formen letztwilliger Verfügungen beruht auf gesetzgeberischen Wertentscheidungen, wie etwa der Ausgestaltung der Erbenhaftung, die abweichenden Gestaltungen im Rahmen ihres Schutzzwecks entgegenstehen. Allein hierin liegt die Funktion der aufzählenden Normierung. Demgegenüber bestand und besteht kein Anlaß, Verfügungen auch über den Schutzzweck jener Beschränkung hinaus für unwirksam zu erklären. Die hierin liegende Beschränkung der Privatautonomie auf dem Gebiet des Erbrechts ließe sich nicht mit materialen Schutzüberlegungen rechtfertigen. Sie würde sich vielmehr allein als doktrinäre Folgerung aus einem bestimmten Verständnis der erbrechtlichen Typenordnung darstellen.
d) Zusammenfassung Das Gesetz erklärt mitunter ausdrücklich oder doch im Regelungszusammenhang nur bestimmte Gestaltungen für zulässig, unter denen die Privatrechtssubjekte auszuwählen haben. Abweichende Gestaltungen sind dann unwirksam. Dieser negative Typenzwang beruht auf Wertungen, die dem Gesetz nicht mehr ohne weiteres zu entnehmen sind. Dennoch sind für den negativen Typenzwang stets konkrete als vorrangig erachtete Interessen bestimmend gewesen. Im Laufe der Rechtsentwicklung ist die den Typenzwang fundierende Interessengewichtung jedoch immer seltener betont worden. Der Verweis auf die gesetzliche Regelung schien ausreichend. Für das Verständnis des negativen Typenzwangs ist seine Ausrichtung auf bestimmte Zwecke jedoch unverzichtbar. Einen zusätzlichen Beleg für die Zweckbindung des negativen Typenzwangs im Sachenrecht bildet die Existenz alternativer Schutzmechanismen. Richtig ist zwar, daß auf Parteivereinbarung beruhende und deshalb für den Rechtsverkehr überraschende dingliche Rechte der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs abträglich sind. Dennoch läßt sie das BGB in erheblichem Umfang zu und beschränkt den Schutz des Rechtsverkehrs auf die Ermöglichung redlichen Erwerbs. Wäre der (negative) Typenzwang hingegen ein das Sachenrecht im Gegensatz zum Schuldrecht schlechthin prägendes Prinzip, könnten diese Ausnahmen nicht erklärt werden. Auch der sachenrechtliche Typenzwang erweist sich vor diesem Hintergrund als Beschränkung der Privatautonomie, die immer dann eingreift, wenn dies der Verkehrsschutz mangels alternativer Schutzmechanismen erfordert.
126 Staudinger /Otte, § 2174 Rn. 5. 127 Staudinger /Otte, § 2174 Rn. 5; Lange/Kuchinke,
Erbrecht, § 29 II 1.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
2. Der positive lypenzwang a) Der gesellschaftsrechtliche
Rechtsformzwang
Die positive Zuordnungsfunktion des Typenzwangs stand bisher nicht gerade im Mittelpunkt des Interesses. Nur für den Teilbereich des Gesellschaftsrechts ist eine Ausnahme zu machen. Unter dem Stichwort des Rechtsformzwangs 128 werden hier Fragen der Zuordnung vertraglicher Abreden zu einer der Gesellschaftsformen des geltenden Rechts diskutiert. 129 Genauer: Jede gemeinschaftliche Betätigung im Handelsverkehr wird, soweit nicht eine besondere Vereinigungsform wirksam gewählt wurde, einem Grundtypus zugeordnet. Tragend kann auch hier allein der Verkehrsschutz sein. 130 Es soll verhindert werden, daß eine Haftungsbeschränkung unter anderen als im Gesetz vorgesehenen Bedingungen erreicht wird 131 . Wer sich im Handelsverkehr betätigt, muß grundsätzlich auch dann persönlich haften, wenn er dies in Gemeinschaft mit anderen tut 132 . Das Privileg einer Haftungsbeschränkung kann nur unter den im Gesetz normierten Voraussetzungen erlangt werden. 133 Insoweit geht es auch beim gesellschaftsrechtlichen Rechtsformzwang noch nicht um eine positive Zuordnung vertraglicher Abreden. Vielmehr wird nur negativ solchen Abreden, die auf eine Haftungsbeschränkung abzielen, die Wirksamkeit versagt, soweit sie nicht mit den gesetzlich geregelten Gesellschaftstypen übereinstimmen. Darüber hinaus ist aus dem beschriebenen Mechanismus zur Gewährleistung der grundsätzlich bestehenden unbeschränkten persönlichen Haftung geschlossen worden, daß bei gemeinschaftlicher Betätigung mehrerer im Handelsverkehr unabhängig vom Partei willen eine Offene Handelsgesellschaft entstehe.134 Ob ein solcher gesellschaftsrechtlicher Typenzwang im Sinne der positiven Zuordnung zu einer bestimmten Gesellschaftsform mit dem Ziel des Verkehrsschutzes gerechtfertigt werden kann, erscheint indes zweifelhaft. 135 Für die Sicherung der grundsätzlichen persönlichen Haftung ist die Zuordnung zur Vereinigungsform der oHG jedenfalls nicht erforderlich. 136 Ausreichend ist vielmehr, daß Abreden, die die persönliche 128
Grundlegend Westermann, Typengesetzlichkeit und Teichmann, Gestaltungsfreiheit. 129 Vgl. vorläufig K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III 2.
130 Die Durchsetzung bestimmter sozial- oder wirtschaftspolitischer Zielvorstellungen vermag eine Einschränkung der Privatautonomie nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl werden sie in der Diskussion des gesellschaftsrechtlichen Rechsformzwangs immer wieder bemüht, vgl. nur die Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III 2. 131 Beispielhaft: Preußischer Entwurf eines HGB (1857), Erster Theil, S. 46; K. Schmidt, oHG, S. 131 ff. 132 S. etwa BGH v. 27. 1. 1997, NJW 1997, 1507,1507 zur Haftung in der Vor-GmbH. 133 Flume, Juristische Person, S. 164; ders., Personengesellschaft, S. 328 f.; K. Schmidt, oHG, S. 131 ff.; Stimpel, in: Festschrift für Fleck (1988), S. 345, 360. 134 Grundlegend BGH v. 17. 6. 1953, BGHZ 10, 91, 97; K. Schmidt, oHG, S. 189; umfassende Nachweise vor allem zur Rechtsprechung bei Battes, AcP 174 (1974), 429,430 135 Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 27; Battes, AcP 174 (1974), 429,434 f., 464. 136 Battes, AcP 174 (1974), 429,434 f., 464.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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Haftung einschränken sollen, nur insoweit Wirksamkeit beigelegt wird, als dies gesetzlich anerkannt ist. Insoweit bedarf es aber des oHG-Rechts gerade nicht. So folgt die besonders wichtige gesamtschuldnerische Außenhaftung der (vermeintlichen) Gesellschafter bereits aus § 427 BGB. 1 3 7 Der Rückgriff auf § 128 HGB erscheint auch hier als entbehrlich. Die von Karsten Schmidt „Absorptionsfunktion 4 ' genannte138 grundsätzliche Zuordnung jeder handelsrechtlichen Vereinigung zu einer durch unbeschränkte persönliche Haftung gekennzeichneten Gesellschaftsform des geltenden Rechts ist demgegenüber nicht ohne weiteres zu legitimieren, soweit sie im Widerspruch zum Willen der Beteiligten steht.139 Denn die Annahme einer oHG führt auch dazu, daß oHG-Innenrecht anzuwenden ist. Für diese Einschränkung der Parteiautonomie ist selbst dann keine Rechtfertigung ersichtlich, wenn die Regelungen des oHG-Rechts im Einzelfall sachgerecht sein sollten. Auch wenn man Karsten Schmidt im Prinzip folgen wollte, könnte man im übrigen dennoch nicht dazu kommen, daß, wie er annimmt140, die oHG die einzige gesellschaftsrechtliche Grundform ist. Denn das geltende Recht kennt neben den Personengesellschaften auch Körperschaften. Letzteren entspricht als Grundform der nichtrechtsfähige Verein 141. In Fällen einer gescheiterten oder noch unvollendeten Gründung einer Körperschaft wäre die Vereinigung also dem Typus des nicht-rechtsfähigen Vereins zuzuordnen.142 Bereits diese knappe Bestandsaufnahme der Diskussion des gesellschaftsrechtlichen Rechtsformzwanges hat gezeigt, daß die Grundfragen einer positiven Zuordnung vertraglicher Abreden zu einem bestimmten Typus noch nicht vollends geklärt sind. Die Debatte um den gesellschaftsrechtlichen Rechtsformzwang bildet nur einen Ausschnitt aus dem allgemeinen Problem der Rechtsformwahl. 143 Zuvörderst klärungsbedürftig ist deshalb, inwieweit die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts durch eigene Willensentscheidung über die hiermit verbundenen Rechtsfolgen bestimmen können.144
b) Zur Auswahl unter verschiedenen Vertragstypen Juristische Laien wählen häufig unzutreffende Bezeichnungen für die von ihnen gewollten Vertragsverhältnisse. So wird etwa in der Alltagssprache von einem 137 Beuthien, ZIP 1996, 305, 316; Beuthien/Radke, 1423R. 138 Κ Schmidt, oHG, S. 121. 139 So auch Battes, AcP 174 (1974), 429,465. 140 Κ Schmidt, oHG, S. 189.
AP Nr. 11 zu § 11 GmbHG, Bl.
141 Beuthien, ZIP 1996, 305 (316 ff.); Beuthien/Radke, Anm. AP Nr. 11 zu § 11 GmbHG. 142 Beuthien/Radke, Anm. AP Nr. 11 zu § 11 GmbHG. 143 Lieb, RdA 1975,49,59. 144 So auch Battes, AcP 174 (1974), 429, 433; Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171, 173; Κ Schmidt, oHG, S. 161. S Radke
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
Leihwagen gesprochen, obwohl für die Überlassung des Fahrzeugs zur Benutzung von dem ,Autoverleiher" ein Entgelt verlangt wird. Hier kann kein Zweifel daran bestehen, daß unabhängig von der Bezeichnung ein Mietvertrag vorliegt. Auf einen (positiven) Typenzwang muß insoweit indes nicht zurückgegriffen werden. Ergibt sich doch die Zuordnung zum Mietrecht im Beispiel des ,»Leihwagens" unmittelbar aus der Auslegung der Parteierklärungen (§§ 133, 157 BGB). Im Einzelfall kann jedoch die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Rechtsverhältnisses Ausdruck ihres Rechtsfolgewillens sein. Es fragt sich, ob in einem derartigen Fall allein aufgrund der gewählten tatsächlichen Gestaltung vertragliche Rechtsfolgen angenommen werden können. Klarzustellen ist hier zunächst, daß allein die Bezeichnung des Vertrages für die Bestimmung der Rechtsfolgen irrelevant ist. 145 Denn die Privatautonomie beinhaltet nur die Auswahl zwischen verschiedenen tatsächlichen Gestaltungen.146 Sie umfaßt nicht zusätzlich auch die Bestimmung des auf den Vertrag anwendbaren zwingenden und dispositiven Rechts.147 Die auf ein Vertragsverhältnis anzuwendenden Normen des zwingenden und dispositiven Rechts tragen ihren Geltungsgrund in sich und bedürfen keiner zusätzlichen Anwendungsentscheidung der Vertragsparteien. Der von diesen geschlossene Vertrag gehört vielmehr lediglich zum Tatbestand der anzuwendenden Normen. Ist die gewählte Bezeichnung aber Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens, ist es hiermit nicht getan. Vielmehr erscheinen die Parteierklärungen in einem solchen Fall als perplex 148: Die Beteiligten wollen eine bestimmte (tatsächliche) Gestaltung, nicht aber die mit ihr verbundenen Rechtsfolgen. Es geht insoweit nicht um ein zu vernachlässigendes Randproblem, sondern um Fragen erheblicher praktischer wie theoretischer Reichweite. So hängt etwa die Richtigkeit der Rechtsprechung zum sogenannten Arbeitnehmerbegriff 149 davon ab, daß eine bewußt „unrichtige" Bezeichnung des Rechtsverhältnisses als freier Dienstvertrag oder Werkvertrag auf seine rechtliche Qualifikation und Wirksamkeit ohne Einfluß ist. Wer eine tatsächliche Gestaltung, die den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitsverhältnis entwickelten Kriterien entspricht, gleichwohl als Werkvertrag bezeichnet, tut dies, weil er den privat- und öffentlich-rechtlichen Folgen eines Arbeitsvertrages entgehen will. Es handelt sich also nicht um eine "5 Beuthien, in: Festschrift BAG (1979), S. 1, 6 f.; ders., GenG, § 1 Rn 49; Beuthien/ Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698; dies., RdA 1978, 2 ff.; Wank, Arbeitnehmer, S. 105 f.; Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171, 172 f. 146 Beuthien, in: Festschrift BAG (1979), S. 1, 6 f.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 3 f.; MünchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 55; Beuthien/Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698; Wank, Arbeitnehmer, S. 106. 147 Beuthien, in: Festschrift BAG (1979), S. 1, 6 f.; ders., GenG, § 1 Rn 49; Beuthien/ Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698. 148 Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 31 ff.; ders., RdA 1975, 49, 52; Battes, AcP 174 (1974), 429,429. 149 Nachweise bei MünchHdbArbR-Richardi, § 23 Rn. 13.
III. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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irrtümliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio), die im Wege der Auslegung korrigiert werden könnte.150 Die Rechtsfolgen eines Arbeitsvertrages sind schlicht nicht gewollt. Allerdings fällt es schwer, die an sich naheliegende Folge aus dem Parteiwillen zu ziehen und das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages zu verneinen. 151 Der Weg über das Fehlen eines hierauf gerichteten (positiven) Rechtsfolgewillens 152 erscheint versperrt. Denn der Rechtsfolgewille muß sich zumindest nach herrschender Lehre nicht auf die kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolgen erstrekken. 153 Ausreichend ist der Konsens über die essentialia eines Geschäfts. 154 Jedoch vermag allein die zutreffende Bestimmung des mindestens erforderlichen Rechtsfolgewillens das Ergebnis noch nicht zu tragen. Begründungsbedürftig ist nämlich nicht nur, warum ein bestimmter positiver Rechtsfolgewille entbehrlich ist. 155 Es mag sein, daß allein der Konsens über die tatsächliche Gestaltung eines Vertrages auch die Geltung dispositiver gesetzlicher Regeln als privatautonom vereinbart zu legitimieren vermag. Damit ist indes noch nicht dargetan, auf welcher Grundlage ein ausdrücklich entgegenstehender Parteiwille für unbeachtlich erklärt werden kann. 156 Soweit im Schrifttum hierzu ausdrücklich Stellung bezogen wird 157 , scheint es, als habe man insoweit an eine Heranziehung des Rechtssatzes protestatio facto contraria (non valet) gedacht.158 Angesichts des Gewichts der Fakten erscheint die entgegenstehende Bezeichnung als unbeachtliche Verwahrung gegen die hieran anzuknüpfenden Rechtsfolgen. Auf den ersten Blick ist diese Herleitung von geradezu bestechender Überzeugungskraft. Sie läßt allerdings zunächst außer acht, daß der Satz protestatio facto contraria auf die Begründung vertraglicher Ansprüche
150 Mißverständlich ist es deshalb in diesem Zusammenhang von einer „Rechtstypenverfälschung" oder „Vertragstypen vernebelung" (so Beuthien/Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 697 f.) zu sprechen. 151 MünchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 58 argumentiert mit dem Sozialschutz des vermeintlichen Arbeitnehmers. Dieser würde ausgehöhlt, wenn dem ,Arbeitgeber" eine wie auch immer geartete Loslösung von dem Arbeitsverhältnis gestattet würde. Gerade um des Sozialschutzes willen sei ja das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert worden. Hierin liegt indes ein Zirkelschluß. Denn es ist gerade fraglich, ob durch die Umqualifikation des Rechtsverhältnisses eine dauerhafte Bindung erreicht werden kann. 152 So vor allem Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 18 ff.; ders. RdA 1975, 49, 52; Wiedemann, in: Festschrift Westermann, S. 585,599; Battes, AcP 174, (1974), 429,430 ff. 153 Grundlegend v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 194 f. 154 v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 194 f. 155 Das verkennen Beuthien /Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 697 f.; Roquette, ZfG 1958, 180, 186; ders., ZfG 1973,76, 77. 156 Im Ansatz ebenso Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 20, 31 ff.; ders. RdA 1975,49,52; Wiedemann, in: Festschrift Westermann (1974), S. 585,599. 157 Beuthien, in: Festschrift BAG (1979), S. 1, 7; Beuthien/Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698; dies., RdA 1978, 2,2 f. 158 Zu dieser Parömie eingehend Teichmann, in: Festschrift für Michaelis (1972), S. 294 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 76.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
durch Rechtsgeschäft gerade nicht paßt. 159 Der Grundsatz protestatio facto contraria kann vielmehr, wenn man hierin überhaupt einen Rechtssatz erblickt 160, nur im Rahmen der normativen Auslegung konkludenten Verhaltens Bedeutung gewinnen. 161 Soweit die Begründung eines Anspruchs von einer rechtsgeschäftlichen Erklärung abhängt, kann deren Fehlen keinesfalls unter Berufung auf den Grundsatz der protestatio für unbeachtlich erklärt werden. 162 Der Grundsatz der protestatio facto contraria ersetzt mit anderen Worten nicht den privatautonomen Geltungsgrund, sondern umschreibt allenfalls Fallgruppen, in denen Rechtsfolgen allein aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens kraft Gesetzes eintreten. Im rechtsgeschäftlichen Bereich gilt hingegen das Gegenteil: protestatio servat ius protestantis. Jedoch ist nicht nur der Rückgriff auf das römische Recht unzutreffend. Darüber hinaus liegt in der Vernachlässigung des entgegenstehenden Parteiwillens letztlich auch eine petitio principii. Weil die Gestaltung ansonsten konsentiert sei, könnten hieran auch dann vertragliche Rechtsfolgen geknüpft werden, wenn durch die Bezeichnung zum Ausdruck gebracht werde, daß jedenfalls ein Teil dieser Rechtsfolgen nicht gewollt sei. 163 Dann aber ist das Rechtsgeschäft in sich widersprüchlich (perplex) und Rechtsfolgen können hieran gerade nicht geknüpft werden. 164 Soweit die gewollten Rechtsfolgen durch das Rechtsgeschäft nicht erreicht werden können, weil ihre Vereinbarung die Grenzen der Privatautonomie überschreiten würde, ist die den allgemeinen Regeln entsprechende Rechtsfolge die Unwirksamkeit des Geschäftes insgesamt165, sofern nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde (§ 139 BGB). 1 6 6 Schließlich sind die Parteien nicht verpflichtet, eine rechtsgeschäftliche Regelung zu treffen. Insofern muß es ihnen auch freistehen, ein Rechtsgeschäft nur für den Fall vorzunehmen, daß sich auf diesem Wege bestimmte Rechtsfolgen auch herbeiführen lassen. Es bedeutet deshalb einen Eingriff in die Privatautonomie, wenn dem Rechtsgeschäft Rechtsfolgen beigelegt werden, die gerade nicht gewollt waren. 167 Denn nicht gewollte Rechtsfolgen bedürfen eines alternativen Geltungsgrundes. Ihre Geltung muß durch das objektive Recht legitimiert sein. Da die Entscheidung für eine um159 Teichmann, in: Festschrift für Michaelis (1972),S. 294, 307. 160 Dazu Teichmann, in: Festschrift für Michaelis (1972),S. 294,297 ff. 161 In diesem Sinne etwa Wieacker, in: Festschrift für das OLG Celle (1961), S. 263, 269; Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 72 S. 338; v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 407; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil II, S. 953, Fn. 42; weitere Nachweise bei Teichmann, in: Festschrift für Michaelis (1972),S. 294,298. 162 Teichmann, in: Festschrift für Michaelis (1972),S. 294, 307. 163 Beuthien/Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698R. 164 Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79,83; Battes, AcP 174 (1974), 429,433. 165 Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 83; Battes, AcP 174 (1974), 429,434. 166 Ueb, Ehegattenmitarbeit, S. 31ff.; Battes, AcP 174 (1974), 429,434. 167 So auch Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 83; Battes, AcP 174 (1974), 429,434; Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171,180; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 31; ders., RdA 1975,49, 52.
. Funktion und Legitimation des Typenzwangs
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fassende Privatautonomie aber auch beinhaltet, daß der Parteiwille regelmäßig alleiniger Geltungsgrund ist, kann ein alternativer (gesetzlicher) Geltungsgrund nur im Rahmen einer verhältnismäßigen Einschränkung der Privatautonomie geschaffen werden. 168 Mithin erfordert eine ,»Falschbezeichnung" des Vertrages durch die Parteien eine mehrstufige Prüfung. 169 Auf der ersten Stufe ist zu fragen, ob nicht vielleicht nur eine irrtümliche Falschbezeichnung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, sondern beruht die gewählte Bezeichnung auf einem bestimmten Rechtsfolgewillen, kann das Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen insoweit nicht herbeiführen. Es ist teilweise unwirksam. 170 Deshalb muß sich die Prüfung anschließen, ob die Parteien das Geschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen hätten. Fällt sie negativ aus, ist das Geschäft insgesamt nichtig, da es an einem privatautonomen Geltungsgrund der aus ihm abzuleitenden Rechtsfolgen fehlt. Abschließend ist nach einem alternativen Geltungsgrund für die angestrebte Regelung zu suchen. Diese letzte Prüfung fragt nach dem Bestehen eines Typenzwangs. Im Beispiel des „falsch" bezeichneten Arbeitsverhältnisses ergibt sich danach, daß es regelmäßig an einem wirksam begründeten Vertragsverhältnis fehlt. Denn die Bezeichnung als Werkvertrag o. ä. wird bewußt gewählt, um die Rechtsfolgen eines Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Auch will zumindest der „Arbeitgeber" den Vertrag nicht notfalls auch als Arbeitsvertrag. Er würde nicht gewollten Rechtsfolgen unterworfen. 171 Das wäre nur möglich, soweit ein alternativer Geltungsgrund aufgewiesen werden kann, also soweit ein positiver Typenzwang herrscht. c) Positiver
Typenzwang und Geltungsgrund
Das Verhältnis des positiven Typenzwangs zum unentbehrlichen Geltungsgrund einer rechtsgeschäftlichen Regelung ist bereits mehrfach angesprochen worden. Es bildet den Archimedischen Punkt jedes positiven Typenzwangs. Um so überraschender ist die insoweit zu beobachtende Zurückhaltung des Schrifttums. 172 Sie ist mutmaßlich darauf zurückzuführen, daß auf diesem Feld keine Patentlösungen existieren. Dennoch ist hier Klarheit jedenfalls der Grundlagen unverzichtbar. Die Privatautonomie schließt die Unterwerfung unter nicht gewollte Rechtsfolgen aus. Können die gewollten Rechtsfolgen nach der Rechtsordnung nicht eintrete Vgl. oben Kapitel 1, III, 2. »69 Ebenso Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 83 f. no Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 83; Battes, AcP 174 (1974), 429, 433 f. 171 Das wird zwar richtig gesehen von MünchHdbAibR-Richardi, § 23 Rn. 58, der aber dennoch vorschnell dem Gedanken des Sozialschutzes den Vorrang einräumt. Zutreffend hingegen Adomeit, in: Festschrift für Söllner (2000), S. 79, 84. 172 Vgl. aber Battes, AcP 174 (1974), 429, 434; Fenn, in: Festschrift für Bosch (1976), S. 171, 180; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 31 ff.; ders., RdA 1975,49, 50.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
ten, ist die Nichtigkeit der Gesamtregelung deshalb die allein folgerichtige Konsequenz, solange es an einem alternativen Geltungsgrund fehlt. Dieser muß allerdings konkret benannt werden. Keinesfalls ist es ausreichend, auf die konsentierte tatsächliche Gestaltung hinzuweisen, die das allein erforderliche Tatbestandsmerkmal für die anzuwendenden Normen sei. 173 Denn ein insoweit bestehender Konsens ist wertlos, solange er untrennbar mit dem Willen verbunden ist, bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen, die nach der Rechtsordnung an eine derartige tatsächliche Gestaltung gerade nicht geknüpft werden können.
3. Typenzwang und zwingendes Recht Sowohl positiver wie negativer Typenzwang dienen der Durchsetzung zwingenden Rechts. Das ist beim negativen Typenzwang offenkundig, da er abweichenden Gestaltungen die Wirksamkeit nimmt. Aber auch der positive Typenzwang erfüllt eine Komplementärfunktion zu zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Soweit die Beteiligten einem Vertragsverhältnis Rechtsfolgen beilegen wollen, die hiermit nach dem Gesetz nicht verbunden sind, sichert der positive Typenzwang durch Schaffung eines alternativen Geltungsgrundes die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes und damit mittelbar die Tatbestandsvoraussetzungen des zwingenden Rechts. Ohne diesen Mechanismus bestünde die Gefahr, daß dem zwingenden Recht jede praktische Wirksamkeit genommen würde.
IV. Wirkungsweise des Typenzwangs Die Bezogenheit des Typenzwangs auf den Schutz zwingenden Rechts ist für sich genommen keine neue Einsicht. Sie wird vielmehr bereits durch den Begriff des Typenzwangs impliziert. Jedoch ergeben sich aus der Zweckbezogenheit des Typenzwangs und seiner Funktion Konsequenzen für die rechtstechnische Umsetzung des Typenzwangs.
1. Negativer
penzwang als gesetzlicher Verbotstatbestand
Eine präzise Einordnung der Wirkungsweise des negativen Typenzwangs ist bisher nicht versucht worden. Der Bundesgerichtshof hat insoweit lediglich ausgesprochen, daß abweichenden Gestaltungen im Sinne eines ultra-vires-Geschäfts schlechthin keine Rechtswirkungen beigelegt werden können.174 Diese Stellungnahme kann als repräsentativ gelten175, fügt sie sich doch in das vorherrschende 173 Beuthien/Wehler, AP Nr. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698 f. 174 BGH v. 13. 2. 1957, BGHZ 23, 291, 299; dem BGH folgend OLG Schleswig v. 1. 11. 1995, OLG-Report 1996, 226,227; KG v. 25. 10. 1994, KG-Report 1994,243,244.
IV. Wirkungsweise des Typenzwangs
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Konzept eines numerus clausus der Aktstypen bruchlos ein. Wenn kein passender Aktstypus zur Verfügung steht, kann die Parteiabrede eben nicht in ein Rechtsgeschäft übersetzt werden und Rechtsfolgen herbeiführen. Damit wird jedoch verkannt, daß jeder Typenzwang bestimmten als vorrangig eingestuften Interessen dient. Dieser Zweckbezug würde außer Acht gelassen, wenn alle nicht den vorgeprägten Typen entsprechenden Gestaltungen als ultra-vires-Geschäfte ohne weiteres für unwirksam gehalten werden. Denn Gestaltungen für unwirksam zu halten, die den zu schützenden Interessen nicht zuwiderlaufen, würde eine unverhältnismäßige Einschränkung der Privatautonomie bedeuten. Deshalb hat stets eine Abwägung zwischen den Interessen, die den Typenzwang tragen, und den Interessen an der hiervon abweichenden Gestaltung stattzufinden. Aus der Zweckbezogenheit des Typenzwangs ist aber nicht nur eine Einschränkung seiner Rechtsfolgen abzuleiten. Vielmehr erfordert sie auf der anderen Seite auch eine Erweiterung. Mit einer schematischen Anwendung des Typenzwangs könnten nämlich Umgehungsgeschäfte niemals erfaßt werden. Unter Umgehungsgeschäften werden im vorliegenden Zusammenhang Gestaltungen verstanden, die sich zwar formal innerhalb einer bestehenden Typenordnung bewegen, materiell aber im Widerspruch zu den der Typenordnung zugrundeliegenden Wertungen stehen. Mögliche Umgehungsfälle finden sich gerade im Bereich des Bedingungsrechts. Können doch durch eine Bedingung die Rechtsfolgen eines typisierten Geschäfts privatautonom verändert werden. Hier ist etwa an die „Umgehung" der Nicht-Akzessorietät der Grundschuld durch ihre bedingte Bestellung zu denken. Aus dem Gebiet des Erbrechts sei auf die Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel im gemeinschaftlichen Ehegattentestament verwiesen, durch die die Regelung der Vor- und Nacherbfolge „umgangen" werden soll. 176 Einen weiteren möglichen Umgehungsfall im Erbrecht bildet die Einsetzung zum Vorerben unter der auflösenden Bedingung, daß dieser über den ihm bei Bedingungseintritt zufallenden Nachlaß in einem bestimmten Sinne testiert. 177 Ziel einer derartigen kaptatorischen Verfügung ist die Umgehung der Grenze des § 2065 Π BGB. 1 7 8 Jeweils ist unter anderem klärungsbedürftig, ob und inwieweit eine bestehende Typenordnung - verstanden als gesetzlicher Verbotstatbestand - derartige Umgehungsgeschäfte erfassen kann. Der Blick auf die Notwendigkeit, auch Umgehungsgeschäfte erfassen zu können, wird indes durch die Reduktion der dem Typenzwang inhaltlich zugrundelie175 Für den Bereich des Erbrechts ausdrücklich MünchKomm BGB-Leipold, § 1937 Rn. 10; Staudinger/ Otte, vor §§ 1937-1942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 357. Huber, JurA 1970, 784, 810 betont ebenfalls dieses formale Element des Typenzwangs; deutlich auch Betti, in: Festschrift für Wenger I (1944), S. 249, 256; im Grundsatz sind hierher auch alle Autoren zu zählen, die im Anschluß an Flume (Rechtsgeschäft, S. 2 f., 12 f.) von einem numerus clausus der Aktstypen ausgehen. 176 Hierzu unten Kapitel 4, III, 2. 177 Hierzu unten Kapitel 4, V, 3. ne Vgl. hierzu vorläufig RG Urt. v. 16.4. 1919 - Rep IV. 58/19, RGZ 95,278.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
genden Wertungen verstellt. Dennoch bedeutet ihre Reduktion auf ein scheinbar nur formelles Prinzip nicht den Verzicht auf inhaltliche Wertungen. Fehlten materielle Wertungen, könnte der negative Typenzwang im Gegenteil überhaupt nicht gerechtfertigt werden, da die hierin liegenden Einschränkung der Privatautonomie stets unverhältnismäßig wäre. Aus dem Gesagten ergibt sich als Konsequenz, daß der negative Typenzwang als gesetzlicher Verbotstatbestand begriffen werden muß. 179 Zur Verfolgung bestimmter Zwecke werden abweichende Gestaltungen untersagt. Insofern beschränkt jeder Typenzwang das rechtliche Dürfen, nicht bereits das rechtliche Können. 180 In dieser Aussage liegt der wichtigste Unterschied zu den herkömmlichen Erklärungsansätzen.181 Diese verstehen mit Unterschieden im einzelnen den Typenzwang als Aktualisierung immanenter Schranken der Privatautonomie und folgerichtig als Beschränkung des rechtlichen Könnens.182 Nach der hier zugrundegelegten Konzeption kann hingegen jede Willenserklärung, die innerhalb des durch den Begriff der Richtigkeitsgewähr umschriebenen Mindestbezuges zur Rechtsordnung steht, die gewollten Rechtsfolgen grundsätzlich herbeiführen. Jedes weitere Anerkennungserfordernis muß sich als verhältnismäßige Beschränkung des hiermit eröffneten Bereiches privatautonomer Gestaltung erweisen lassen. Vor diesem Hintergrund bedeutet die Normierung bestimmter Gestaltungsformen nicht die (inhaltlich beschränkte) Schaffung eines Handlungsspielraums, sondern die Einschränkung eines bereits eröffneten Gestaltungsspielraums durch ein Verbot solcher Gestaltungen, die vom Gesetz abweichen. Diese sind im Rahmen des materiellen Schutzzwecks des Typenzwangs nichtig. Das Verständnis des negativen Typenzwangs als einem gesetzlichen Verbotstatbestand bedingt nicht nur seine Erweiterung auf bestimmte Umgehungsgeschäfte, sondern vor allem eine strikte Begrenzung der Nichtigkeitsfolge. Denn die Nichtigkeitsfolge greift nur, wenn und soweit der dem Typenzwang immanente Schutzzweck dies auch erfordert. Mithin muß die den Typenzwang fundierende Wertung in jedem Einzelfall die Entscheidung für den konkret höherrangigen Wert bedeuten. Sie ist abzuwägen gegen das Interesse des Einzelnen an der freien Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse. Sachlich kann auch die herkömmliche Lehre nicht umhin, den negativen Typenzwang als Verbotsgesetz zu begreifen. So wird etwa teilweise vertreten 183, daß die 179 Folgerichtig wird die Anwendung des § 134 BGB von der herrschenden Ansicht auch bekämpft. Vgl. nur Strothmann, Jura 1982, 349, 357; Otte, JA 1985, 192, 192. 180 Anders MünchKomm BGB -Leipold, § 1937 Rn. 10; Staudinger /Otte, vor §§ 19371942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 357. 181 Vgl. die Nachweise in der folgenden Fn. 182 Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 357; Huber, JurA 1970, 784, 810 Betti, in: Festschrift für Wenger I (1944), S. 249,256; Flume, Rechtsgeschäft, S. 2 f., 12 f. 183 Vor allem Jauernig/Jauernig, § 1191 Rn. 8 und Staudinger/Wolf Steiner, § 1191 Rn. 4. Aus dem älteren Schrifttum Rheinstein, JW 1932, 1759; Rissen, JW 1906, 803, 805.
IV. Wirkungsweise des Typenzwangs
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gesetzliche Typisierung der Grundschuld als einem nicht-akzessorischen Sicherungsmittel auch die Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung mitumfasse. Hieran ist zweierlei bemerkenswert: Es mag durchaus sein 184 , daß die gesetzliche Ausgestaltung der Grundschuld ein Verbot ihrer bedingten Bestellung mitenthält. Doch kann man zu einem solchen gesetzlichen Verbot bestimmter Bedingungen nur kommen, wenn man akzeptiert, daß die sachenrechtliche Typenordnung nicht bestimmte rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeiten eröffnet, sondern im Gegenteil nur bestimmte Gestaltungen zum Schutz konkreter Interessen Dritter oder der Allgemeinheit unterbindet. Gerade diese Konsequenz wird aber von den Autoren, die eine Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuld befürworten 185, nicht gezogen. Gleichwohl die Nichtigkeit von Bedingungen zu vertreten, durch die eine dinglich wirkende Forderungsanbindung der Grundschuld erreicht werden soll, ist widersprüchlich. Fehlt es doch bei einem Verständnis des sachenrechtlichen Typenzwangs als Einräumung bestimmter Handlungsmöglichkeiten an einer Grundlage für die Erfassung von wirklichen oder vermeintlichen Umgehungsgeschäften. Denn Umgehungsgeschäfte sind bei diesem Ausgangspunkt überhaupt nicht möglich.186 Weiterhin ist bemerkenswert, daß einerseits Umgehungsgeschäfte erfaßt werden sollen, andererseits aber kein materialer Schutzzweck des umgangenen Gesetzes (hier: § 1192 BGB) benannt wird, der die Nichtigkeitsfolge erfordert. Hierin liegt ein weiterer Widerspruch. Denn Umgehungsgeschäfte können stets nur im Rahmen des Schutzzwecks der umgangenen Norm erfaßt werden. 187 Vergleichbare Widersprüche finden sich auch bei der Behandlung weiterer Umgehungsfälle. 188 Sie sind Folge einer verfehlten Bestimmung von Grundlage und Wirkungsweise des negativen Typenzwangs. Die hier zugrundegelegte Konzeption des negativen Typenzwangs ermöglicht demgegenüber seine harmonische Einordnung in die Gesamtrechtsordnung und die interessengerechte Behandlung gerade von Grenzfällen.
184 Dazu näher unten Kapitel 4, II, 2. 185 Vor allem Jauernig/Jauernig, § 1191 Rn. 8 und Staudinger/Wolf Rheinstein, JW 1932, 1759; Rissen, JW 1906, 805. 186 Näher hierzu unten Kapitel 4, II, 1. b).
Steiner, § 1191 Rn. 4;
187 Statt aller Flume , Rechtsgeschäft, S. 350 f. Vgl. bereits D 1, 3, 29: Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit (zu den römisch-rechtlichen Grundlagen der „Gesetzesumgehung" vgl. ausführlich H. Honsell, in: Festschrift für Käser (1976), S. 111 ff.). Auch Prot. I, 257 = Mugdan I, 725 betonen zurecht, daß die Erfassung von Umgehungstatbeständen von der zutreffenden Auslegung des betreffenden Verbotstatbestandes abhängt. 188 Dazu unten Kapitel 4, II, IV, V.
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2. Kap.: Begriff und Funktion des Typenzwangs
2. Positiver Typenzwang als Ersatzgeltungsgrund Während der negative Typenzwang rechtsgeschäftliche Gestaltungen unterbindet, hat der positive Typenzwang eine gegenläufige Funktion. Er sichert die Tatbestandsvoraussetzungen gesetzlicher Vorschriften, indem ein alternativer Geltungsgrund für rechtsgeschäftliche Regelungen geschaffen wird. Rechtstechnisch ist die Zuordnung eines Rechtsgeschäfts zu einem bestimmten Regelungstyp als Anknüpfungspunkt gesetzlicher Vorschriften nicht die primäre Aufgabe eines positiven Typenzwangs. Insoweit würde die Auslegung der betreffenden Normen genügen. Die bloße Auslegung stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn sich die Parteien gegen bestimmte Rechtsfolgen entscheiden, die an sich kraft zwingenden Rechts an die von ihnen gewählte Gestaltung anknüpfen. In einem solchen Fall ist der Wille der Beteiligten keine zureichende Grundlage mehr, um sie an von ihnen gerade nicht gewollten Rechtsfolgen festzuhalten. Denn es stand ihnen frei, die fragliche rechtsgeschäftliche Regelung überhaupt zu unterlassen. Deshalb fehlt es an einem Geltungsgrund, der die Regelung auch mit dem von den Parteien so nicht gewollten Inhalt legitimiert. Allein die Existenz zwingender gesetzlicher Vorschriften für einen bestimmten Regelungstypus ist insoweit keine zureichende Legitimationsgrundlage. Setzen diese doch ein Rechtsgeschäft als Tatbestandsmerkmal voraus, dessen Abschluß im freien Belieben der Beteiligten steht. Sie können jedoch ergänzt werden durch einen positiven Typenzwang als Ersatzgeltungsgrund. Freilich müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein, damit sich der hierin liegende gravierende Eingriff in die Privatautonomie rechtfertigen läßt. Da sachlich so etwas wie ein Kontrahierungszwang geschaffen wird, müssen auch ähnliche Anforderungen gestellt werden. Wenn ohnedies eine Verpflichtung legitimierbar ist, einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt abzuschließen, kann auch die Schaffung eines alternativen Geltungsgrundes gerechtfertigt werden. Es geht mithin nicht um eine Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit. Von primärer Bedeutung ist nicht die Auswechslung der mit einem an sich gewollten Geschäft verbundenen Rechtsfolgen, sondern die Schaffung eines Geltungsgrundes für ein mit derartigen Folgen gerade nicht gewolltes Geschäft. 189 Denn die Frage nach Inhalt und Rechtsfolgen eines Vertrages kann sinnvollerweise erst gestellt werden, wenn seine grundsätzliche Geltung feststeht.
3· Sicherung und Beschränkung der Privatautonomie Der Typenzwang setzt nicht nur einseitig der Privatautonomie Schranken. Aus ihrer verfassungsrechtlichen Verbürgung ergeben sich auf der anderen Seite auch Grenzen für eine gesetzliche Typenordnung. So kann ein gesetzlicher Typenzwang nur insoweit rechtsgeschäftlichen Gestaltungen entgegenstehen, als dies die ihm 189 Anders Beuthien/Wehler, AP Nrn. 15-21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Bl. 698R., die hierin ausschließlich ein Problem der zutreffenden Bestimmung von Vertragsinhalten sehen.
V. Zusammenfassung
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zugrundeliegenden Wertungen und Interessen erfordern. Ebenso bedeutet ein positiver Typenzwang einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie. Denn er tritt an die Stelle des Parteiwillens als Geltungsgrund der rechtsgeschäftlichen Regelung. Hierfür kann eine Rechtfertigung nur gefunden werden, wenn und soweit überwiegende Interessen auch einen Kontrahierungszwang legitimieren könnten. Das Ergebnis der danach gebotenen Abwägung ist stets eine Frage des Einzelfalls.
V. Zusammenfassung Der Gesetzgeber entscheidet sich immer dann für den punktuellen Einsatz des negativen Typenzwanges, wenn Drittinteressen durch privatautonome Gestaltungen gefährdet werden können. Allerdings ist der negative Typenzwang insoweit nicht das einzige Schutzinstrument. Die Schaffung prinzipiell drittwirkender Rechtspositionen durch Parteivereinbarung wird beispielsweise erträglich, wenn ein redlicher lastenfreier Erwerb möglich ist (vgl. § 161ΙΠ). Hervorhebenswert ist weiterhin, daß der Gesetzgeber sich stets bewußt ist, daß mit der Statuierung eines Typenzwanges eine Einschränkung der Privatautonomie verbunden ist. Heute folgt aus der verfassungsrechtlichen Absicherung der Privatautonomie eine strikte Zweckgebundenheit des Typenzwanges. Der negative Typenzwang kann nicht als formales Prinzip begriffen werden, sondern entspricht regelungstechnisch einem Verbotsgesetz im Sinne des § 134. Diese Einordnung bedingt indes auch, daß Umgehungsgeschäfte unabhängig von ihrer Bezeichnung erfaßt werden können. Allein den Ausschlag gibt der materiale Schutzweck der gesetzlichen Typenordnung. Mithin stellt sich der negative Typenzwang als ein mögliches Instrument dar, um einen gerechten Ausgleich zwischen dem gebotenen Schutz der Belange Dritter oder der Allgemeinheit einerseits sowie der privatautonomen Gestaltungsfreiheit andererseits herzustellen. Ebenfalls der Herstellung eines verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen überwiegenden Drittinteressen und der privatautonomen Gestaltungsfreiheit dient auch der positive Typenzwang. Er sichert im Einzelfall das Rechtsgeschäft als Anknüpfungspunkt für zwingendes Recht, wenn die Parteien die mit der von ihnen getroffenen Regelung an sich verbundenen Rechtsfolgen ausnahmsweise nicht wollen. Rechtstechnisch bedeutet positiver Typenzwang die Schaffung eines alternativen Geltungsgrundes. Dies ist vor dem Hintergrund der Entscheidung für eine umfassende Privatautonomie nur zu rechtfertigen, wenn die den positiven Typenzwang erfordernden Interessen annähernd gewichtig genug sind, um auch einen Kontrahierungszwang zu tragen.
Drittes Kapitel
Das Bedingungsrecht Das Setzen einer (aufschiebenden) Bedingung durchbricht nach verbreiteter Ansicht die Koinzidenz von Rechtsgeschäft und Rechtsfolgeneintritt 1. Durch eine auflösende Bedingung soll die Geltung des Rechtsgeschäfts begrenzt werden können.2 Jeweils entscheiden die Beteiligten privatautonom über Beginn und Ende der Geltung des Rechtsgeschäfts.3 Sie bestimmen gleichsam die Bedingungen, unter denen Rechtsfolgen an ihr Rechtsgeschäft geknüpft werden können. Damit können die Beteiligten die von ihnen gewollte Regelung flexibel künftigen Entwicklungen anpassen.4 Die Verwendung von Bedingungen ist deshalb nicht von ungefähr das kautelaijuristische Gestaltungsmittel par excellence.5 Gleichwohl liegen die dogmatischen Grundlagen des bedingten Geschäfts weithin im Dunkeln.6 Diese zur Mitte des 19. Jahrhunderts getroffene Feststellung Fittings erscheint auch heute noch zutreffend. 7 Dies muß an sich überraschen. Handelte es sich bei der Bedingungslehre doch nachgerade um ein Schulproblem8 in der Zivilrechtslehre9 des 19. Jahrhunderts.10 Die Ursache für die dennoch nicht erreichte abschließende Klärung ist darin zu suchen, daß das Bedingungsrecht ohne die allgemeine Rechtsgeschäfts1 Soergel/M. Wolf, vor § 158 Rn. 2; MünchKomm BGB-//. P. Westermann, § 158 Rn. 1, 38; Erman/Hefermehl, Vor § 158 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, § 158 Rn. 2; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 50 Rn. 1; Medicus, Allg. Teil, Rn. 827; Blomeyer, Studien I, S. 1 f. 2 MünchKomm BGB - / / . P. Westermann, § 158 Rn. 1, 38; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 50 Rn. 8; Medicus, Allg. Teil, Rn. 827; Flume, Rechtsgeschäft, S. 681. 3 Vgl. nur MünchKomm BGB- H P. Westermann, § 158 Rn. 1. 4 MünchKomm BGB-//. P. Westermann, § 158 Rn. 2; ausführlich Medicus, Allg. Teil, Rn. 823 f., der zutreffend darauf hinweist, daß die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts durch die Verwendung einer Bedingung das Risiko einer Divergenz zwischen Planung und Wirklichkeit privatautonom verteilen können. Ebenso bereits Gebhardt, S. 208 = Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, Allg. Teil II, S. 228; Eisele, AcP 50 (1867), 253, 265. 5 MünchKomm BGB-//. P. Westermann, § 158 Rn. 2. 6 Fitting, AcP 39 (1856), 305, 305; ebenso Adickes, Bedingung, S. 1; Eisele, AcP 50 (1867), 253, 253. 7 Vgl. Flume, Rechtsgeschäft, S. 688. 8 So auch Gebhardt, S. 207 = Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, Allg. Teil II, S. 227. Als Dissertationsthema war es auf zivilistischem Gebiet ähnlich beliebt (vgl. nur die bei Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 86 nachgewiesenen Arbeiten), wie das richterliche Prüfungsrecht auf dem des öffentlichen Rechts. 10 Vgl. die Nachweise bei Gebhardt, S. 208 ff. = Schubert (Hrsg), Vorentwürfe, Allg. Teil II, S. 228 ff. und Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 86. 9
I. Das Bedingungsrecht als Perspektivenfrage
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lehre nicht zutreffend erfaßt werden kann11, eine Untersuchung des Bedingungsrechts also eine Stellungnahme zu grundsätzlichen Fragen der Rechtsgeschäftslehre unumgänglich macht. Deren Grundlagen gelten indes offenbar als geklärt. Nur so wird verständlich, warum bestimmte dogmatische Prämissen als gegeben hingenommen werden und lediglich versucht wird, das Bedingungsrecht in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben zu entwickeln. Charakteristisch ist insoweit die Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf Teilbereiche der Bedingungslehre, insbesondere auf die auch praktisch besonders bedeutsamen Fragen des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung (nach Fritz Baur 12 eines der am häufigsten behandelten privatrechtlichen Probleme überhaupt)13. Indes ist die isolierte Behandlung von Teilaspekten ohne vorgängige Klärung und Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Privatrechtsordnung stets problematisch.14 Die vorliegende Untersuchung will sich daher primär den Grundfragen des Bedingungsrechts zuwenden. Nur eine Klärung der Grundlagen des Bedingungsrechts ermöglicht seine zutreffende Einordnung in die auf der Privatautonomie aufbauende Gesamtrechtsordnung und demnach auch die richtige Bestimmung des Verhältnisses zu einem gesetzlichen Typenzwang. Im Mittelpunkt stehen deshalb Tatbestand und Rechtsfolgen des bedingten Rechtsgeschäfts.
I. Das Bedingungsrecht als Perspektivenfrage Eine vollständige Klärung der Struktur des bedingten Rechtsgeschäfts konnte bisher vor allem deshalb nicht gelingen, weil die entscheidende Frage nach der richtigen Betrachtungsperspektive nicht gestellt wurde. Für die Erklärung des bedingten Rechtsgeschäfts kommen prinzipiell zwei Perspektiven in Betracht. Es kann zum einen versucht werden, vom unbedingten Geschäft auszugehen und die Bedingungswirkung als Einschränkung der Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts zu begreifen. Bei diesem Ansatz erscheinen die Rechtsfolgen des bedingten Geschäfts als Vor- oder Reflexwirkung des unbedingten „Grundgeschäfts". Die alternative Betrachtungsperspektive geht demgegenüber statt vom unbedingten Geschäft vom bedingten Geschäft selbst aus. Es handelt sich mithin um einen Versuch, dessen Rechtsfolgen originär zu bestimmen und nicht aus einem (gedachten) unbedingten Grundgeschäft abzuleiten. Auf den ersten Blick mag die Frage nach der richtigen Betrachtungsperspektive als rein akademisch erscheinen. Dieser Eindruck ist jedoch trügerisch. Denn auf der Klärung dieser Vorfrage müssen auch die Lösungen der Folgeprobleme aufgebaut werden können. Hier ist an erster Stelle die Behandlung der Rechts11
Flume, Rechtsgeschäft, S. 688. 12 F. Baur, Sachenrecht, 11. Aufl., § 59 V 1. 13 Vgl. die Nachweise bei Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162, 163 Fn. 1. 14 Vgl. Beuthien JuS 1987, 841, 846 mit Fn. 75.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
position aus bedingter Übereignung (sog. Anwartschaft) zu nennen. Dieses Anwartschaftsrecht ist als Objekt des Rechtsverkehrs, insbesondere als Kreditunterlage, von erheblicher Bedeutung. Im Ergebnis wird es allgemein als selbständiger Verfügungsgegenstand behandelt.15 Die fehlende Klärung der Grundlagen dieser Rechtsposition, die ohne ihre Einordnung in eine allgemeine Bedingungslehre nicht gelingen kann, zeigt sich jedoch beim Problem ihrer „Rückübertragung" an den Veräußerer, d. h. in der Regel: den Vorbehaltsverkäufer. Eine Veräußerung, die etwa § 1120 BGB tatbestandlich voraussetzt, kann hier nur annehmen, wer die Rechtsposition aus bedingter Übereignung auch in ihrer Begründung als selbständiges dingliches Recht anerkennt. Denn nur dann kann der contrarius actus, die Rückübertragung, als Veräußerungsfall erfaßt werden. Wer die Rechtsposition aus bedingter Verfügung hingegen als Vorwirkung eines als daneben bestehend gedachten unbedingten Geschäfts begreift, muß die Rückübertragung als Aufhebung der Grundlage dieser Vorwirkung konstruieren. Es handelt sich dann um einen Aufhebungsfall und nicht um eine Veräußerung. Die praktische Konsequenz zeigt sich, wenn über die Anwendbarkeit des § 1120 BGB auf eine solche Rückübertragung entschieden werden muß.16 Sie hängt davon ab, ob die Rechtsposition aus bedingter Übereignung wirklich als selbständiger Verfügungsgegenstand anerkannt wird. Die richtige Bestimmung der Rechtsfolgen bedingter Rechtsgeschäfte ist daher auch eine Frage der Perspektive. Sie bildet die Grundlage, auf der die jeweiligen Konstruktionsversuche aufbauen müssen. In der bisherigen Diskussion ist die Frage nach der richtigen Perspektive nicht gestellt worden. Vielmehr wird unreflektiert von der Perspektive des unbedingten Geschäfts ausgegangen. Die folgende Darstellung wird deshalb - nach der notwendigen Abgrenzung von echter Bedingung und Rechtsbedingung - die im Schrifttum vorfindlichen Ansätze vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der gewählten Betrachtungsperspektive beleuchten. Insoweit sind auch die dogmengeschichtlichen Grundlagen und die Bezüge zur allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu beachten. Denn nur hieraus werden Entwicklung und gegenwärtiger Stand der Lehre vom bedingten Rechtsgeschäft verständlich. Erst nach der hier erforderlichen Klärung kann eine eigene Lösung versucht werden, die die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu Grund und Grenzen privatautonomer Gestaltung in ein geschlossenes Konzept des Bedingungsrechts umsetzt.
15 Vgl. etwa BGH v. 24. 6. 1958, BGHZ 28, 16 (21); v. 10. 4. 1961, BGHZ 35, 85 (89); v. 30. 4. 1982, NJW 1982, 1639 (1640); v. 2. 2. 1984, NJW 1984,1184 (1185); BGB-RGRKPikart, § 929 Rn. 73; Soergel/Mühl, § 929 Rn. 29. 16 Dazu ausführlich unten Kapitel 4, VI, 2.
II. Die Abgrenzung von echter Bedingung und Rechtsbedingung
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II. Die Abgrenzung von echter Bedingung und Rechtsbedingung Die Frage nach der Rechtsbedingung (condicio iuris) ist bekanntlich „seit jeher eine der dunkelsten des gesamten Privatrechts."17 Auch diese Feststellung versteht sich nicht von selbst. Denn nach einer allseits anerkannten Definition sind Rechtsbedingungen solche Umstände, von denen nicht kraft Parteiwillens, sondern nach der Rechtsordnung die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts abhängt.18 Es handelt sich demnach um zwar nachholbare, aber bei Geschäftsabschluß noch nicht vorliegende gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts. 19 So verstanden ist die Rechtsbedingung nur von wenig Dunkel umgeben. Sie erscheint, wie bereits Savigny konstatierte20, schlicht als unnütz, wenn auch unschädlich. Jedenfalls stellen sich insoweit keine Fragen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Hieran ist richtig, daß die ausdrückliche Benennung gesetzlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen regelmäßig keinen Einfluß auf die Rechtsfolgen hat.21 Ist doch das Rechtsgeschäft bis zum Vorliegen aller gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen, etwa einer ausstehenden Genehmigung, ohnedies unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge ergibt sich dabei unmittelbar aus dem Gesetz.22 Allein ihre Aufnahme in den Parteiwillen vermag hieran nichts zu ändern 2 3 Die Abgrenzung zur echten, rechtsgeschäftlichen Bedingung ist dennoch auch hier sehr sorgfältig vorzunehmen. Denn auch gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäfts können von den Beteiligten in den Rang „echter" Bedingungen erhoben werden. Eine rechtsgeschäftliche Bedingung liegt dabei immer dann vor, wenn ihre Hinzufügung die Rechtsfolgen des Gesamtgeschäfts verändert. Nur das Vorliegen einer privatautonomen Änderung der Rechtsfolgen kann als Abgrenzungskriterium in Betracht kommen. Die Rechtsfolgen des Geschäfts müssen also deshalb modifiziert sein, weil die Parteien dies so gewollt haben. Rechtsbedingungen sind demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß die objektive Rechtsordnung selbst darüber entscheidet, ob oder welche Rechtsfolgen an das Rechtsgeschäft geknüpft i? Oertmann, Rechtsbedingung, S. 1. is MünchKomm BGB Ή P. Westermann, § 158 Rn. 54; Erman/Hefermehl, Vor § 158 Tn. 5; Brox, Allgemeiner Teil, Rn. 431; Larenz, Allgemeiner Teil, § 251; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 50 Rn. 23; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 196; Medicus, Allg. Teil, Rn. 832; Oertmann, Rechtsbedingung, S. 28. 19
Grundlegend Oertmann, Rechtsbedingung, S. 28. System des heutigen römischen Rechts II, S. 123. 21 Oertmann, Rechtsbedingung, S. 3. 22 Oertmann, Rechtsbedingung, S. 3. 23 Für eine Gleichstellung von „echter" Bedingung und der condicio iuris hingegen etwa noch Fitting, AcP 39 (1856), 305, 314. 20
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
werden. Sie tut dies, indem bestimmte weitere Voraussetzungen für die Anerkennung des Rechtsgeschäfts neben der stets erforderlichen Richtigkeitsgewähr aufgestellt werden. Rechtsbedingungen sind danach zu definieren als zusätzliche gesetzliche Anerkennungserfordernisse für das Rechtsgeschäft. Die für die echte Bedingung charakteristische privatautonome Rechtsfolgenmodifikation kann nun zwar durch die bloße Benennung solcher gesetzlicher Anerkennungsvoraussetzungen nicht erreicht werden.24 Sie tritt indes ein, wenn die Parteien in Wahrheit die Geltung ihres Geschäfts nicht vom Vorliegen der gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen abhängig machen wollten, sondern von einem hierauf gerichteten Erkenntnisakt Dritter, insbesondere durch staatliche Gerichte oder sonstige Amtsträger. Denn in einem solchen Fall hängt die Anerkennung des Geschäfts allein von dieser Entscheidung ab. Auf ihre materielle Richtigkeit kommt es dann nicht mehr an. Demgegenüber kann gesetzliche Anerkennungsvoraussetzung nur das objektiv zu beurteilende Vorliegen oder Fehlen eines bestimmten Umstandes sein. Die Rechtsordnung kann nämlich die Anerkennung eines Rechtsgeschäfts nur von bestimmten inhaltlichen Voraussetzungen, nicht aber von einer ungebundenen Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts abhängig machen. Insofern kann die Rechtslage eine andere sein, wenn die Parteien die Verweigerung einer erforderlichen Genehmigung ausdrücklich zur Bedingung der Wirksamkeit ihres Rechtsgeschäfts erheben. Ein Rechtsfolgenunterschied ergibt sich, wenn das Rechtsgeschäft nach dem Parteiwillen in jedem Fall bei verweigerter Genehmigung unwirksam sein soll, weil hierdurch die Möglichkeit einer Anfechtung der Entscheidung über die Genehmigungserteilung abgeschnitten würde. Das Rechtsgeschäft führt dann unabhängig davon keine Rechtsfolgen herbei, ob die Genehmigung tatsächlich zu erteilen war. Der aufgezeigte Rechtsfolgenunterschied mag im praktischen Ergebnis nicht sonderlich bedeutsam sein. Für die Theorie des bedingten Rechtsgeschäfts ist er dennoch keine quantité négligeable. Er markiert die Grenze zwischen bedingtem und unbedingtem Geschäft. Die Rechtsbedingung vorschnell zu vernachlässigen, wäre auch unter einem anderen Gesichtspunkt verfehlt. Aus der „Konstruktion" der Rechtsbedingung könnten nämlich Rückschlüsse auf das zutreffende Verständnis der rechtsgeschäftlichen Bedingung zu ziehen sein.25 Die echte Rechtsbedingung ist schlicht eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts. Dieses führt die gewollten Rechtsfolgen nur und erst dann herbei, wenn die Rechtsbedingung eingetreten beziehungsweise ausgefallen ist. Vor diesem Zeitpunkt fehlt es an jeder Änderung der Rechtslage, insbesondere sind die Vorschriften der §§ 160-162 BGB nicht anwendbar.26 Der Tatbestand des von einer Rechtsbedingung abhängig gemachten Geschäfts besteht 24 Das gilt unabhängig davon, ob über das Vorliegen gesetzlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen eine Unsicherheit besteht. Unklar insoweit BGH v. 9. 11. 1988. NJW 1989, 899, 899. 25 Zu diesem Zusammenhang auch Oertmann, Rechtsbedingung, S. 3 f. 26 RG vom 7. 7. 1930, RGZ 129, 357, 376; RG v. 27. 11. 1911, JW 1912,188 Nr. 3; RG v. 28. 4. 1926, JW 1926, 2619 Nr. 2; Flume, Rechtsgeschäft, § 40 I g; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 196 Anm. 11 \Larenz, Allgemeiner Teil, § 25 I.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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mithin neben der Willenserklärung aus einem weiteren Erfordernis. Um zu veranschaulichen, daß erst die zeitlich auseinanderliegende Erfüllung beider Tatbestandsteile die Rechtsfolgen herbeizuführen vermag, kann man insoweit von einem gestreckten Gesamttatbestand sprechen. Diese Tatbestandsstruktur könnte auch als Modell für die rechtsgeschäftliche Bedingung dienen. Allerdings ist es ebensogut möglich, daß die charakteristischen Unterschiede zur rechtsgeschäftlichen Bedingung, die sich nicht zuletzt in der Geltung der §§ 160-162 BGB manifestieren, gerade eine abweichende Konstruktion erfordern. In jedem Fall darf die Tatbestandsstruktur des bedingten Rechtsgeschäfts nicht unabhängig oder gar im Widerspruch zum Verständnis der Rechtsbedingung entwickelt werden.
I I I . Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts gehört zu den in jüngerer Zeit 27 eher selten untersuchten Materien des Allgemeinen Teils28. Man könnte deshalb denken, es handele sich hier um ein typisches Problem überholter Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts, ein Eindruck, der sich bei Durchsicht des damaligen Schrifttums durchaus verfestigen könnte29. Dennoch stellen sich insoweit Grundfragen an der Schnittstelle von Bedingungsrecht und Typenzwang. Diese erfordern zwar auch ein heutzutage skeptisch betrachtetes konstruktives Herangehen. Doch ermöglicht erst eine begrifflich-konstruktiv genaue Untersuchung der tatbestandlichen Voraussetzungen bedingter Rechtsgeschäfte die zutreffende wertende Bestimmung der Rechtsfolgen. Ohne nachvollziehbare, dem Gesetz entsprechende, konstruktive Durchdringung des Rechtsstoffes führt die vorherrschende lnteressenjurisprudenz30 leicht dazu, daß die gefundenen Ergebnisse nur noch geglaubt, aber nicht mehr anhand des Gesetzes nachvollzogen werden können.
1. Die bisher vertretenen Lösungsansätze Sämtliche bisher vertretenen Lösungsansätze begreifen die Rechtsfolgen des bedingten Geschäfts als Modifikation der mit einem unbedingten Geschäft „an sich" verbundenen Folgen. Dieser von allen Autoren mindestens stillschweigend zugrundegelegte Ausgangspunkt rechtfertigt die gemeinsame Darstellung aller Lehren ungeachtet der im einzelnen bestehenden Unterschiede. 27 Zur Literatur des 19. Jahrhunderts vgl. die Nachweise bei Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, §§ 86 ff. 28 Eine Ausnahme macht nur Minas , Theorie der bedingten Rechtsgeschäfte, S. 50 ff. 29 Vgl. etwa Pietzcker, AcP 74 (1889), 462, 462 f., der „den Begriff der aufschiebenden Bedingung auf rein logischem Weg aus den Denkgesetzen" entwickeln will.
3° Zur Grundlegung der lnteressenjurisprudenz vgl. Jhering, Der Kampf ums Recht; Heck, AcP 112 (1914), 1, 17 ff. Aus heutiger Sicht etwa N. Horn, Einführung, Rn. 153. 6 Radke
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
a) Anwartschafts-
und Pendenzlehre
Beide Lehren versuchen eine „Konstruktion" des Tatbestandes bedingter Rechtsgeschäfte. Sie gehen dabei von der gemeinsamen gedanklichen Prämisse des Simultaneitätsdogmas aus. Nach diesem auf v. Jhering 31 zurückgehenden juristischen Kausalitätsgesetz führt jede (wirksame) Willenserklärung zu bestimmten, gewollten Rechtsfolgen. Der rechtsgeschäftliche Wille ruft bestimmte Rechtswirkungen kausal hervor. Fehlt es an Rechtswirkungen, kann demzufolge auch kein rechtsgeschäftlicher Wille vorgelegen haben.32 Das bedingte Rechtsgeschäft soll indes, jedenfalls zunächst, keine Vollwirkungen haben33 und erscheint daher als Anomalie. Aus diesem Dilemma werden nur zwei logisch stimmige Auswege für möglich gehalten.34 Man kann zum einen die Bedingung als Bestandteil eines gestreckten Gesamttatbestandes ansehen. Danach ist der Simultaneitätsgrundsatz gewahrt, da erst mit dem zum Tatbestand gehörenden Bedingungseintritt das Geschäft Wirkungen entfaltet und entfalten soll. Zum anderen könnten sich Bedingung und Simultaneitätsdogma dadurch miteinander harmonisieren lassen, daß aus der Perspektive des Bedingungseintritts die Rechtsfolgen des Geschäfts als auf seinen Abschlußzeitpunkt bezogen eingetreten angesehen werden. Ersteren Weg ist die Anwartschaftslehre, letzteren die Pendenztheorie gegangen.
aa) Die Pendenzlehre Die Pendenzlehre ist vor dem Hintergrund der Überwindung des Rückwirkungsdogmas35 durch Windscheid 36 und Fitting 37 zu sehen38. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Auffassung vorherrschend, die Bedingung entfalte nach römischem Recht rückwirkende Kraft. 39 Zwar hinterfragte man dieses Dogma
31 V. Jhering, Geist III, S. 164. 32 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 224. 33 Bierling, Prinzipienlehre II, S: 225; Schiemann, Pendenz, S. 106. 34 Eisele, AcP 50 (1867), 253,255; Seil, Bedingte Traditionen, S. 5. 35 Hierzu etwa Vangerow, Pandekten I, S. 143. 36 Die Wirkung der erfüllten Bedingung = Gesammelte Reden und Abhandlungen S. 127, 130 ff. 37 Ober den Begriff der Rückziehung, S. 3,52 ff. 38 Zur Dogmengeschichte grundlegend Schiemann, Pendenz, passim. 39 Es handelt sich hier um eine der am häufigsten behandelten Fragen der Pandektistik, vgl. nur Bornemann, Von Rechtsgeschäften, S. 165 f.; von Savigny, System III, S. 150, 152 mit Anm. e; Seil, Bedingte Traditionen, S. 102 f., 144; Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 363 ff.; umfassende Nachweise bei Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 91 N. 1.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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zunehmend kritisch 40, glaubte aber, sich der Autorität der Quellen beugen zu müssen41. Die von Bartolus 42 entwickelte Rückwirkungsfiktion (condicio in contractibus trahitur retro) 43 diente dem Ziel, dem bedingt Berechtigten Vorteile wie Nachteile des Rechtsgeschäfts in der Zeit bis zum Bedingungseintritt zuzuweisen.44 Wirklich problematisch waren insoweit nur bedingte Verfügungsgeschäfte. Hier galt es, den Zuweisungsgehalt des bedingt übertragenen Rechts bereits pendente condicione zu begründen. Zuweisungsgehalt meint dabei sowohl die dingliche Zuordnung von Früchten und Nutzungen wie den drittwirkenden Verfügungsschutz als Charakteristikum jeden absoluten Rechts.45 Beide Problemkreise wurden bei bedingten Schuldverträgen nicht berührt. Schuldrechtlichen Ansprüchen fehlt als relativen Rechten grundsätzlich ohnehin jeder drittwirkende Schutz und die Zuweisung von Sekundäransprüchen kann deshalb vor Bedingungseintritt ohne weiteres auf den erklärten oder mutmaßlichen Parteiwillen gestützt werden. Eine solche Lösung war für bedingte Verfügungen versperrt. Ließ sich doch der Bedingung als Parteiabrede nicht einfach dieselbe absolute Wirkung beilegen wie einem Verfügungsgeschäft. Deshalb glaubte man, auf das Mittel der Fiktion angewiesen zu sein.46 Fingiert wurde der Eintritt der Vollwirkungen des Rechtsgeschäfts im Zeitpunkt seiner Vornahme. Hiermit wird die Erklärung des drittwirkenden Verfügungsschutzes möglich. Denn Dritten wird nicht eine nur relativ wirkende Parteiabsprache entgegengehalten. Vielmehr wird deren Dinglichkeit fingiert. Das Mittel der Fiktion mag zwar nur die ultima ratio der Dogmatik sein.47 Sie ist dennoch der bei Savigny anklingenden48 Rückführung der Bedingungswirkung auf den mutmaßlichen Parteiwillen unbedingt vorzuziehen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß die Rückwirkungsfiktion nur eine unvollkommene Lösung für das Problem der Bedingungswirkung darstellt. Genau besehen offenbart die Fiktion nur das Problem, dessen Lösung sie enthalten soll. Hierin liegt aus heutiger Sicht der bedeutsamste Ein40 Etwa Eisele, AcP 50 (1867), 253, 281 ff. Zu Einzelheiten siehe Schiemann, Pendenz, S. 95 ff. 41 Vgl. etwa Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 365 f. 42 Bartolus de Saxoferratis (1314-1357) war der berühmteste Konsiliator und vielleicht der bedeutendste Jurist überhaupt. Vgl. zu Leben und Werk des Bartolus nur die Nachweise bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 86. 4 3 Bartolus, Kommentar zu D. 45. 1. 78. 44 Schiemann, Pendenz, S. 147; zum Problem etwa von Vangerow, Pandekten I, S. 143 f.; von Savigny, System III, S. 152 f.; Seil, Bedingte Traditionen, S. 144,148. 4 s Vgl. statt aller Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 Rn. 2. 46 Erhebliche Bedenken äußert etwa Thibaut (Civilistische Abhandlungen, S. 366), wenn er meint, es lasse sich „kaum ein mittelmäßig guter Grund ahnen", der diese „Sonderbarkeit" rechtfertigen könnte. 4 7 Jhering, Geist III, § 58; Bernhöft; in: Festschrift für E. Bekker (1907), S. 240, 247; allgemein zur Fiktion auch v.Tuhr, Allg. Teil I 1, S. 24. 48 Savigny, System III, S. 150. Ähnlich Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung = Gesammelte Reden und Abhandlungen S. 127,148 f. 6*
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
wand gegen die Rückwirkungsfiktion. Es ist nicht so sehr die logische oder tatsächliche Unmöglichkeit der Rückbeziehung der Folgen des bedingten Rechtsgeschäfts auf den Zeitpunkt seiner Vornahme, die etwa in der Kritik Wendts noch im Vordergrund stand.49 Denn hiervon könnte man absehen, wenn ohne das Mittel der Fiktion ein interessengerechtes Ergebnis nicht begründbar wäre. 50 Indes beruht die Rückwirkungslehre nicht auf einer Analyse der Interessen. Sie verstand sich vielmehr als zwingende Folgerung aus dem in den Quellen vorausgesetzten Begriff der Bedingung.51 Deshalb spielten auch alternative Erklärungen der Bedingungswirkung keine ausschlaggebende Rolle. 52 Auch die Pendenzlehre beruhte zwar auf den methodischen Prämissen der Pandektistik. Sie kam jedoch ohne das Mittel der Fiktion aus. Einen ersten Schritt auf dem Weg zur Überwindung des Rückwirkungsdogmas bedeutete insoweit die Lehre Windscheids. 53 Er ersetzte zunächst lediglich die Rückwirkungsfiktion durch seine Lehre von der Gebundenheit des Willens54. Danach bestand das obligatorische Band bereits vor Bedingungseintritt dergestalt zwischen den Beteiligten, daß ein Rücktritt ausgeschlossen war. Entprechendes sollte für bedingte Verfügungen gelten.55 Jedoch konnte auf der Grundlage dieses Ansatzes das Problem des Verfügungsschutzes während der Schwebezeit noch nicht befriedigend gelöst werden. Die Erklärung, die Windscheid für die Bedingungswirkung entwickelte, war noch zu stark an das Konzept Savignys angelehnt. Ebensowenig wie der von diesem als Grundlage der Bedingungswirkung angenommene mutmaßliche Parteiwille56 ist indes die Figur der Willensbindung geeignet, Drittwirkungen des bedingten Rechtsgeschäfts zu legitimieren. Dritte stehen eben gerade außerhalb des obligatorischen Bands, das die Parteien des bedingten Rechtsgeschäfts bindet und verbindet. Erst der von Fitting entwickelte Begriff der Rückziehung57 überwand diese Schwierigkeit konstruktiv überzeugend58. Allerdings ist es für das heutige Verständnis schwierig, den Unterschied zwischen der von Fitting angenommenen Wendt, Bedingtes Rechtsgeschäft, S. 100; ähnlich auch Eisele, AcP 50 (1867), 252, 261 f.; Scheurl, Nebenbestimmungen, S. 182 f. 50 Blomeyer, Bedingungslehre I, S. 43. Schiemann, Pendenz, S. 103 f. 52 Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rückwirkungslehre siehe erneut Schiemann, Pendenz, S. 113 ff. 53 Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung = Gesammelte Reden und Abhandlungen S. 127, 148 ff. 54 Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung = Gesammelte Reden und Abhandlungen S. 127,148 ff. 55 Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung = Gesammelte Reden und Abhandlungen, S. 153 f. 56 So Savigny, System III, S. 150 f. 57 Fitting, Rückziehung, S. 54. 58 Auf die Lösung des Problems des Verfügungsschutzes stellen auch von Vangerow, dekten, S. 143 f. und Seil, Bedingte Traditionen, S. 144 ab.
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III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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„Rückziehung" der Bedingungsfolgen und der verworfenen „Rückbeziehung" der Rechtsfolgen im Wege der Fiktion zu erkennen. Die Rückbeziehung der Bedingungsfolgen auf den Zeitpunkt der Geschäftsvornahme bedeutete konstruktiv die Fiktion der Dinglichkeit der bis dahin nur relativ wirkenden Parteiabsprachen. Hierin lag die Hauptschwäche der Rückwirkungs- oder Rückbeziehungslehren. Demgegenüber setzte die Lehre Fittings unmittelbar bei den dinglichen Wirkungen des Geschäfts an. Das bedingte Geschäft sollte die Vollwirkungen eines unbedingten Geschäfts sofort herbeiführen. „Zurückgezogen" werden also nicht die Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts. Sie sind von Anfang an vorhanden. Der Bedingungseintritt führt eine Rechtsänderung nur insofern herbei, als die Ungewißheit über die sofort entstandenen Rechtsfolgen beseitigt wird. Da Fitting die mit der bedingten Vornahme eines Rechtsgeschäfts entstehende Ungewißheit als Eigenschaft des Geschäftsgegenstandes begreift 59, wird diese Eigenschaft des Geschäftsgegenstandes selbst durch den Bedingungseintritt beseitigt.60 Sie wird wie ein die wahre Rechtslage verdeckender Schleier „zurückgezogen". Angesichts dieser doch erheblichen Unterschiede im dogmatischen Ansatz überrascht es, daß Fitting an sich nicht mit dem Ziel angetreten war, eine neue Lehre zur Erklärung der Bedingungswirkungen zu etablieren. Es ging ihm vielmehr lediglich darum, die von Windscheid verworfene Rückwirkungslehre zu erneuern 61. Von einer bloßen Erneuerung kann man indes nicht mehr sprechen. Denn nach seiner Lehre war der Bedingungseintritt nicht „Wirkungsgrund", sondern nur „Erkennungsgrund" der mit Geschäftsabschluß bereits eingetretenen Rechtsänderung.62 Die Rückwirkungslehre sah im Bedingungseintritt hingegen die Grundlage für die Wirkung des Rechtsgeschäfts. Diese würde auch an sich nur pro futuro eintreten, wenn nicht die Wirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme des bedingten Geschäfts im Wege der Fiktion zurückbezogen würde.63 Mit anderen Worten fingierte die Rückwirkungslehre an sich nicht bestehende Rechtsfolgen, während Fitting dem Bedingungseintritt lediglich die Funktion beimaß, tatsächlich eingetretene Rechtsfolgen erkennbar zu machen. Das Mittel der Fiktion wurde von Fitting - wenn überhaupt - nur in einem ganz anderen Zusammenhang eingesetzt. Im Falle der Bedingungseintritts wurde fingiert, daß die dem Gegenstand des Rechtsgeschäfts mit Geschäftsvornahme als Eigenschaft anhaftende Ungewißheit von Anfang an und nicht erst mit Bedingungseintritt fehlte. Jedenfalls hatte Fitting mit seinem Erneuerungsversuch die gedankliche Basis der Rückwirkungslehre, die eben in der Fiktion der tatsächlich mit Geschäftsvornahme noch nicht eingetretenen Rechtsfolgen bestand, verlassen.
59 Fitting , Rückziehung, S. 54; ders., AcP 39 (1856), 305, 329. 60 Fitting, Rückziehung, S. 54; ders., AcP 39 (1856), 305, 329. Fitting, Rückziehung, S. 3. Fitting, Rückziehung, S. 6, 118; ebenso Enneccerus, Rechtsgeschäft, S. 235 f.; ähnlich bereits die Bedingungslehre von Leibniz (vgl. dazu Schiemann, Pendenz, S. 66 ff.). 63 Vgl. die Nachweise bei Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 91 N. 1. 62
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
Dogmatisch-konstruktiv betrachtet, hatte die Lehre Fittings also mit der Rückwirkungslehre nicht mehr viel gemein. Deshalb ist esrichtig,insoweit von einem neuen Lehransatz auszugehen. Ihn als „Pendenztheorie" zu bezeichnen, ist zwar nicht sonderlich treffend. Denn letztlich muß jede Theorie der Bedingungswirkung die Rechtsfolgen des bedingten Geschäfts vor Bedingungseintritt erklären und könnte demnach als Pendenztheorie angesprochen werden. Jedoch hat sich diese Bezeichnung mittlerweile durchgesetzt64 und wird deshalb auch hier zugrundegelegt. Der Grundgedanke jener Pendenzlehre bestand darin, daß auch das bedingte Rechtsgeschäft sofort die Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts herbeiführt. 65 Vorausgesetzt ist freilich, daß es zum Bedingungseintritt kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Rechtsfolgen noch in der Schwebe (pendent) und für die Parteien unerkennbar.66 Mit diesem Ansatz überwindet die Pendenzlehre die Rückwirkungsfiktion. Die Vollwirkungen des bedingten Rechtsgeschäftes treten mit Geschäftsvornahme tatsächlich ein, sie müssen nicht fingiert werden. Insofern ist die Pendenzlehre gegenüber der Rückwirkungsfiktion ein dogmatischer Fortschritt. Auf ihrer Grundlage können bedingt übertragene Rechte bereits vor Bedingungseintritt dem zu diesem Zeitpunkt an sich nur bedingt Berechtigten vollständig zugeordnet werden. Die Einschränkung, daß es auch wirklich zum Eintritt beziehungsweise Ausfall der Bedingung gekommen sein muß, fällt insoweit nicht ins Gewicht. Denn die einschlägigen Zuordnungsfragen stellen sich überhaupt nur in diesem Fall. Die Pendenzlehre fand in der späten Pandektistik weite Verbreitung67 und wird auch heute noch vertreten 68. Auch unter Geltung des BGB kann der Denkansatz der Pendenzlehre wohl noch zur Erklärung der Bedingungswirkungen herangezogen werden. Zwar erfolgt nach § 159 BGB eine Rückbeziehung der Rechtsfolgen des bedingten Rechtsgeschäfts bei Bedingungseintritt nur im Verhältnis der Beteiligten untereinander.69 Bei entsprechendem Parteiwillen sind diese verpflichtet, einander so zu stellen, wie sie bei sofortigem Eintritt der Rechtsfolgen gestanden hätten.70 Hieraus ist im Umkehrschluß zu entnehmen, daß ein sofortiger Eintritt der Rechtsfolgen dem gesetzlichen Modell widerspricht. 64 Eichenkofen AcP 185 (1985), 162,165. 65 Fitting, Rückziehung, S. 6, 118; Enneccerus, Rechtsgeschäft, S. 235. 66 Zur Pendenzlehre aus heutiger Sicht Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162,165. 67 Demburg, Pandekten I, S. 257 f.; von Vangerow, Pandekten I, S. 142 f. jeweils mit Nachweisen. 68 Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 ff. Zur Wirkungsgeschichte der Pendenzlehre eingehend Schiemann, Pendenz, S. 103 ff. 69 MünchKomm BGB-Hefermehl, § 159 Rn. 1 f.; Erman/Hefermehl, § 159 Rn. 1; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 50 Rn. 48; Medicus, Allg. Teil, Rn. 840. το § 159 BGB beinhaltet keine Auslegungsregel oder gar eine gesetzliche Vermutung; BGH W M 1961, 177; MünchKomm BGB-tf. P. Westermann, § 159 Rn. 4; Erman/Hefermehl, § 159 Rn. 2.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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Deshalb steht der konstruktive Ansatz der Pendenzlehre im Widerspruch zu § 159 BGB. 71 Auf der anderen Seite sind aber die sachlichen Unterschiede zwischen der von der Pendenzlehre angenommenen dinglichen Rückbeziehung der Rechtsfolgen und der in § 161 BGB getroffenen Regelung des Verfügungsschutzes während schwebender Bedingung gering.72 Man mag es deshalb für eine überzogene Begriffsjurisprudenz halten, die Pendenzlehre bereits aus diesem Grund zu verwerfen. Für die vorliegende Untersuchung steht ohnehin im Vordergrund, ob die Pendenzlehre ein überzeugendes Erklärungsmodell für den Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts darstellt. An dieser Stelle geht es noch nicht um die Begründung konkreter Rechtsfolgen, sondern zunächst um die Klärung desrichtigendogmatischen Ausgangspunktes. Wenn der Bedingungseintritt nur „Erkennungsgrund" der bereits mit Geschäftsabschluß eingetretenen Rechtsfolgen sein soll, muß tatbestandlich eine vollständige Rechtsfolgenanordnung vorliegen. Der Tatbestand des aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts muß mit anderen Worten dem des unbedingten Geschäfts nicht nur entsprechen. In der Konsequenz der Pendenzlehre liegt vielmehr darüber hinaus die vollständige Identität der Tatbestände von unbedingtem und aufschiebend bedingtem Geschäft. Überträgt man diesen Ansatz spiegelbildlich auf die auflösende Bedingung, drängt sich der Schluß auf, daß überhaupt kein Rechtsgeschäft vorgenommen wurde. Eine tatbestandliche Rechtsfolgenanordnung scheint überhaupt zu fehlen. Es liegt nahe, hieraus ein argumentum ad absurdum gegen die Pendenztheorie zu gewinnen. Dennoch würde man es sich mit einer solchen Argumentation zu leicht machen. Es bliebe nämlich unberücksichtigt, daß die Vertreter der Pendenzlehre die auflösende Bedingung als eigenständige Rechtsfigur nicht anerkannten.73 Die Pendenztheorie ist folglich auch nicht anhand der auflösenden Bedingung entwickelt worden.74 Sie muß gleichwohl bei den heute als auflösend bedingt angesprochenen Geschäften zu inhaltlich wie konstruktiv überzeugenden Ergebnissen gelangen. Denn die (heutige) Resolutivbedingung wurde sachlich auch schon in der Pandektistik anerkannt75, obschon von einem abweichenden konstruktiven Ansatz ausgegangen wurde. Man begriff lediglich, in der Tradition des klassischen römischen Rechts stehend76, das auflösend bedingte Geschäft als Kombination aus unbedingtem Geschäft und aufschiebend bedingtem Gegengeschäft.77 Das bestreitet auch Eichenhofen AcP 185 (1985), 162,193 nicht. 72 MünchKomm BGB -H. P. Westermann, § 161 Rn. 3; Schiemann, Pendenz, S. 1 f.: Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 50 Rn. 48,63; Eichenkofen AcP 185 (1985), 162, 193. 73 Das klassische Römische Recht kannte die auflösende Bedingung nicht als eigenständige Rechtsfigur, vgl. Leser, Rücktritt, S. 19; Flume, in: Festschrift für Käser (1976), S. 309, 327; ders., SavZ (Rom. Abt.) 92 (1976), 69, 72 f.; Jahr, AcP 168 (1968), 9, 22; von Savigny, System III, S. 149. In der Pandektistik übernahm man dies als Ergebnis der Quellenanalyse, Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 86 N. 6; Dernburg, Pandekten I, S. 260. 74 Fitting (AcP 39 [1856], 305, 334 ff. entwickelt den Begriff der Bedingung nur anhand der Suspensivbedingung. 75 Grundlegend Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 359 ff. 76 Jahr, AcP 168 (1968), 9,20 ff.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
An dieser Aufgabe scheitert die Pendenzlehre jedoch. Denn das aufschiebend bedingte Geschäft führt ja sofort die mit dem entsprechenden unbedingten Geschäft verbundenen Rechtsfolgen herbei. Nur ermöglicht es erst der Bedingungseintritt, diese Rechtsfolgen zu erkennen. Der Saldo der Gesamtregelung ist mithin bei dieser Konstruktion gleich Null: Grundgeschäft und Gegengeschäft führen jeweils die mit ihnen verbundenen Rechtsfolgen unmittelbar und zeitgleich herbei. Im Ergebnis läuft die Pendenzlehre also zugespitzt formuliert darauf hinaus, die Bedingungswirkung nicht zu erklären, sondern sie zu negieren.78 Dieses Ergebnis ist Konsequenz der von Fitting , vorgenommenen Bestimmung des Begriffes der Bedingung. Er definiert die Bedingung als „die Abhängigmachung des Willens von der Wahrheit eines äußeren Umstandes."79 Die Wahrheit eines äußeren Umstandes hat aber keine zeitliche Komponente, sie liegt vor oder sie liegt nicht vor. Ist der äußere Umstand, von dem die Wirkung eines Rechtsgeschäfts abhängig gemacht wurde, in diesem Sinne wahr, muß die Geschäftswirkung notwendig sofort eintreten.80 Hieraus wird auch erklärlich, warum Fitting die condicio iuris der echten Bedingung gleichstellen will. 81 Es handelt sich jeweils um Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts, die unabhängig vom Parteiwillen vorliegen. Die rechtsgeschäftliche Bedingung unterscheidet sich nach diesem Verständnis von der Rechtsbedingung nur dadurch, daß die Existenz dieser zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzung auf dem Parteiwillen statt auf dem Gesetz beruht. Die Pendenztheorie enthält damit in der Tat keine eigentliche Erklärung der rechtsgeschäftlichen Bedingungswirkung selbst. Es wird vielmehr aus der Perspektive des Bedingungseintritts jeder Rechtsfolgenunterschied zwischen bedingtem und unbedingtem Geschäft geleugnet.82 Eine Theorie des bedingten Rechtsgeschäfts, die auf eine Erklärung der eigentlichen Bedingungswirkung verzichtet, ist aber schwerlich haltbar. Die Pendenzlehre bedarf somit der Ergänzung um ein Erklärungsmodell der eigentlichen Bedingungswirkung. Diese notwendige Ergänzung der Pendenzlehre könnte in der von Flume begründeten Differenzierung zwischen dem rechtsgeschäftlichen Tatbestand und dem Rechtsgeschäft als Regelung zu finden sein. Er differenziert zwischen dem rechtsgeschäftlichem Agieren (der Willenserklärung), der dadurch konstituierten Regelung (Rechtsgeschäft als Regelung) und den aufgrund dieser Regelung kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolgen. 83 Da der Wille als psychologisches Faktum bezie77 Windscheid/Kipp,
Pandektenrecht I, § 86 N. 6 mit umfassenden Nachweisen.
78 Kritisch insoweit auch Eisele, AcP 50 (1867), 253, 265. 79 So Fitting, AcP 39 (1856), 305, 337 im ausdrücklichen Anschluß an Leibniz , Doctrina conditionum, S. 149. 80 Fitting, AcP 39 (1856), 305, 336. 81 Fitting, AcP 39 (1856), 305, 314 f. 82 Fitting, AcP 39 (1856), 305, 336; Brinz, Pandekten IV, S. 101 f.; Dernburg, Pandekten I, S. 257 f.; von Vangerow, Pandekten Bd. 1, S. 142. 83 Grundlegend Flume, in: Festschrift 100 Jahre DJT (1960), Bd, I, S. 135, 162 f.; ders., Rechtsgeschäft, S. 78.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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hungsweise seine Erklärung nicht bedingt sein könne, müsse es die durch die Willenserklärung konstituierte rechtsgeschäftliche Regelung sein.84 Flume ordnet die Bedingungswirkung also nicht der Tatbestandsseite des Rechtsgeschäfts (der Willenserklärung, dem rechtsgeschäftlichen Agieren) zu, sondern der Ebene des Rechtsgeschäftes als Regelung.85 Allein die Geltung der rechtsgeschäftlichen Regelung werde durch die Bedingung begrenzt oder aufgeschoben. In dieser Modifikation der Geltung der rechtsgeschäftlichen Regelung sei die Bedingungswirkung zu finden. 86 Die Verbundenheit mit der Gedankenwelt der Pendenzlehre zeigt sich darin, daß der Tatbestand des bedingten Geschäfts mit dem des unbedingten Geschäfts identisch ist. Nur die durch ihn konstituierte Regelung als weitere Prüfungsstufe soll beschränkt sein. Eigentlich müßten die Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts also sofort eintreten, beziehungsweise sofort wieder entfallen, wenn nicht die rechtsgeschäftliche Regelung in ihrer Geltung durch die Bedingung beschränkt oder aufgeschoben wäre. Das von Flume hiermit zugrundegelegte Rechtsgeschäftsmodell ist in sich durchaus geschlossen. Deshalb erscheint es wenig erfolgversprechend, isoliert zur Bedingungslehre Stellung zu nehmen. Vielmehr müssen die Prämissen der Rechtsgeschäftslehre Flumes als ganzer87 hinterfragt werden. Diese sind nämlich nicht selbstverständlich. Insbesondere die neu geschaffene Ebene des „Rechtsgeschäfts als Regelung" bedarf der Rechtfertigung. Erscheint sie doch als bloße Zweckschöpfung, um die Bedingung als Anomalie mit der übrigen Rechtsgeschäftslehre zu versöhnen. Demgegenüber gilt es zu betonen, daß nicht die gesamte Rechtsgeschäftslehre an die Theorie der Bedingung anzupassen ist, sondern umgekehrt die Bedingung in die allgemeine Rechtsgeschäftslehre integriert werden muß. Auch Flume entwickelt seine Rechtsgeschäftslehre nicht anhand des bedingten Geschäfts. Er zieht vielmehr paradigmatisch88 das Recht der Stellvertretung heran. Hier bewähre sich die Differenzierung zwischen dem rechtsgeschäftlichen Agieren und dem Rechtsgeschäft als Regelung. Denn eine Vertretung im Willen sei als Mystizismus abzulehnen.89 Dem Vertretenen als eigene zugerechnet werden könne daher nur die rechtsgeschäftliche Regelung, nicht aber die Willenserklärung, die eine eigene Erklärung des Vertreters sei und bleiben müsse. Nun handelt es sich auch beim Problem der Stellvertretung um eine (vermeintliche) Anomalie in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, auf deren Erklärung viel juristischer Scharfsinn verwendet wurde. 90 Jedoch kann auch und gerade die 84
Flume , Rechtsgeschäft, S. 689; ders., in: Festschrift 100 Jahre DJT (1960), Bd, I, S. 135, 163; sachlich übereinstimmend Wilhelm, NJW 1990,2857, 2861. 85 Flume, Rechtsgeschäft, S. 691 f.; Wilhelm, NJW 1990,2857,2861. 86 Flume, Rechtsgeschäft, S. 691 f. 87 Vgl. zum Folgenden: Flume, in: Festschrift 100 Jahre DJT (1960), Bd, I, S. 135, 160 ff. 88 Flume, in: Festschrift 100 Jahre DJT (1960), Bd, I, S. 135, 163 f. 89 Flume, Rechtsgeschäft, S. 755. 90 Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1, 2 f.; Nachweise zur Diskussion über die Stellvertretung im 19. Jahrhundert bei Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 73 N. 16.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
rechtsgeschäftliche Stellvertretung ohne die Flumesche Differenzierung zwischen Willenserklärung und Rechtsgeschäft als Regelung besser, weil einfacher, erklärt werden.91 Die Rechtsgeschäftslehre Flumes steht vor allem vor der Schwierigkeit, für die Ebene des Rechtsgeschäfts als Regelung ein Substrat nachzuweisen. Mißlingt dieser Nachweis aber, wäre die Trennung zwischen rechtsgeschäftlichem Agieren und dem Rechtsgeschäft als Regelung tatsächlich ein bloßer Kunstgriff, der die Sachprobleme nur überdecken, nicht aber wirklich lösen kann. Flume selbst nimmt hierzu indes nicht Stellung. Unbestreitbar ist zunächst der heuristische Wert jener Differenzierung. Sie vermag die Zusammenhänge zwischen Willenserklärung und dem hierauf beruhenden Eintritt von Rechtsfolgen zu veranschaulichen. Wirklich erforderlich ist diese Differenzierung jedoch nicht. Denn die Willenserklärung enthält bereits alle Voraussetzungen, die erforderlich sind, um die Wirkung zu erklären. Dies tritt bei einem einseitigen Rechtsgeschäft besonders klar zutage. Die Willenserklärung selbst ist hier mit der gewollten Regelung identisch. Aber auch bei einem Vertrag bedarf es der Ebene des Rechtsgeschäftes als Regelung nicht. Die Bindung jedes Erklärenden und damit die rechtliche Wirkung der Willenserklärung folgt bereits aus dem Begriff des Vertrages. 92 Die vertragliche Regelung kann hingegen nicht von den sie konstituierenden übereinstimmenden Willenserklärungen abstrahiert werden. Sie ist mit ihnen identisch. Auch hier ist die Trennung zwischen rechtsgeschäftlichem Agieren und dem Rechtsgeschäft als Regelung also nicht nur entbehrlich. Sie ist sogar irreführend. Denn die durch sie implizierte Trennung zweier Ebenen besteht tatsächlich nicht. Sie ist insbesondere auch nicht zur Erklärung der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung erforderlich. Es ist unnötig, zwischen rechtsgeschäftlichem Agieren und dem Rechtsgeschäft als Regelung zu differenzieren, wenn dem Vertretenen schlicht die Willenserklärung als Ganze zugeordnet wird. 93 Dies legt nicht zuletzt auch der Wortlaut des § 16411 BGB nahe. Es bedeutet auch nicht etwa einen Mystizismus, die Willenserklärung des Vertreters rechtlich als eine eigene Willenserklärung des Vertretenen anzusehen. Denn es geht nicht um eine Vertretung allein im Willen, sondern um eine Vertretung bei der Willenserklärung 94. Da aber die nach § 16411 BGB zuzurechnende Willenserklärung aus Wille und Erklärung besteht, muß stets auch der Wille mitzugerechnet werden. Nur für ein längst überholtes rechtsbiologisches Denken kann dies problematisch erscheinen.95 Ist es doch auch sonst im Zivilrecht nichts Ungewöhnliches, wenn ein in So im Ansatz auch Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1, 8 Fn. 23. 92 Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1, 8. 93 Das ist der Erklärungsansatz der auf v. Savigny (System III, § 113) zurückgehenden sog. Geschäftsherrentheorie. Vgl. dazu jüngst Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1. 2 f., 11. 94 Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1, 8. 95 Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1, 8.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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Wirklichkeit nicht bestehender Wille rechtlich zugerechnet wird (Auslegung nach dem Empfängerhorizont, Leistungsbegriff, Zugang usw.). 96 Das Vertreterhandeln ist vor diesem Hintergrund als mittelbares Eigenhandeln des Vertretenen zu begreifen 9 7 , so daß alle weiteren Voraussetzungen des gewollten Rechtsfolgeneintritts jedenfalls auch in seiner Person erfüllt sein müssen. Die Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlichem Tatbestand und dem Rechtsgeschäft als Regelung ist auch für die Erklärung der Stellvertretung 98 nicht erforderlich. 99 Dennoch wäre die Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlichem Tatbestand und dem Rechtsgeschäft als Regelung eine zumindest mögliche Erklärung des Rechtsgeschäfts, wenn ohne sie die Bedingungswirkung nicht in die Rechtsgeschäftslehre eingefügt werden könnte. Die Ebene des Rechtsgeschäfts als Rege% Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1,6. 97 Das entspricht dem (zutreffenden) Ansatz der Geschäftsherrentheorie. 98 Beuthien, NJW 1999, 3585, 3586. Dies gilt insbesondere auch für die Kenntnis von geschäftserheblichen Umständen. Eine zentrale Aufgabe jeder Theorie der Stellvertretung neben der eigentlichen Erklärung ihrer Wirkungsweise besteht in dem Problem der Wissensvertretung und Wissenszurechnung. Hier handelt es sich um Fragen von kaum zu überschätzender Bedeutung. In einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft dürfen die hieraus entstehenden Vorteile nicht einseitig dem Vertretenen zugewiesen werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß dem Rechtsverkehr aus dem Umstand der Vertretung als solchem keine Nachteile entstehen dürfen. Diese Ausgangswertung liegt auch dem BGB zugrunde. In den Motiven heißt es (Mot. I, 227 = Mugdan I, 478): „Sein [des Vertretenen, d.Verf.] Wissen und Wissenmüssen muß daher die gleiche Wirkung haben, wie das des Vertreters." Jeder Vertragspartner des Vertretenen ist mithin so zu stellen, als hätte er unmittelbar mit diesem kontrahiert. Insbesondere wäre es nicht hinnehmbar, wenn der Vertretene bereits aus dem Umstand der Vertretung den Vorteil ziehen könnte, sich gleichsam von jedem ihm nachteiligen Wissen zu isolieren. Ihm ist daher nicht nur grundsätzlich das gesamte Wissen seiner Vertreter zuzurechnen, soweit es für das Vertretergeschäft bedeutsam ist. Auch sein Eigenwissen ist stets beachtlich. Gegenüber dieser Wertung ist die im Wortlaut zu eng geratene Fassung des § 166 BGB zu korrigieren (hierzu eingehend Beuthien, in: Festschrift für Medicus [1999], S. 1, 15; NJW 1999, 3585, 3586): § 166 I BGB regelt nicht die vom Gesetz vorausgesetzte umfassende Wissenszurechnung, sondern dient ausschließlich dem Schutz des Vertretenen vor Willensmängeln in der Person des Vertreters. Der Vertretene soll auch dann anfechten können, wenn sich der Vertreter bei Geschäftsabschluß geirrt hat. Deshalb ordnet diese Vorschrift an, daß es insoweit auf die Person des Vertreters ankomme. Eines solchen Schutzes bedarf der Vertretene hingegen nicht, wenn der Vertreter aufgrund einer Einzelweisung gehandelt hat. Denn in einem solchen Fall fehlt es an jedem Spielraum des Vertreters für eine eigene und damit möglicherweise irrtumsbefangene Entscheidung. Folgerichtig schließt § 166 II BGB hier jeden Rekurs auf die Person des Vertreters aus. Die von Flume postulierte Trennung zwischen dem Tatbestand des Rechtsgeschäftes und dem Rechtsgeschäft als Regelung steht mit dieser gesetzlichen Wertung im Widerspruch. Da dem Vertretenen nicht die Willenserklärung des Vertreters als eigene zugerechnet wird, sondern nur das hierdurch konstituierte Rechtsgeschäft als Regelung, kann sich der bösgläubige Vertretene grundsätzlich auf die Redlichkeit seines Vertreters berufen. Denn das Fehlen der Bösgläubigkeit (vgl. etwa § 932 II BGB) gehört nicht zum Rechtsgeschäft als Regelung, sondern ist Bestandteil des rechtsgeschäftlichen Tatbestandes. Hierdurch wird mindestens grundsätzlich eine Vertretung im guten Glauben ermöglicht. Der bösgläubige Vertretene kann etwa durch seinen redlichen Vertreter vom Nichtberechtigten das Eigentum an einer beweglichen Sache erwerben. 99 Beuthien, in: Festschrift für Medicus (1999), S. 1,8.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
lung wäre in der Tat unverzichtbar, wenn sich der Tatbestand des bedingten Geschäfts von dem des unbedingten Geschäfts nicht unterscheiden würde. Denn in diesem Fall könnte die Bedingungswirkung nur bei der rechtsgeschäftlichen Regelung ansetzen. Hiergegen spricht indes bereits, daß die Beteiligten die unbedingte Geltung ihres Geschäfts nie gewollt haben, eine entsprechende Anordnung tatbestandlich also gar nicht vorliegen kann. Die Pendenzlehre ist daher auch mit den Ergänzungen, die sich aus der Rechtsgeschäftslehre Flumes ergeben100, kein tragfähiger Ansatz zur Erklärung von Tatbestand und Rechtsfolge des bedingten Rechtsgeschäfts. Sie vermag die spezifischen Wirkungen des bedingten Geschäfts nicht in die allgemeine Rechtsgeschäftslehre zu integrieren.
bb) Die Anwartschaftslehre Anders als die Pendenzlehre geht sie von einer Tatbestandsteilung101 aus. Der Grundsatz der Tatbestandsteilung ist der kleinste gemeinsame Nenner der im einzelnen sehr heterogenen Anwartschaftslehren. Jedoch muß auf die Unterschiede im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen werden. Denn Unterschiede bestehen nur in der Beschreibung der Rechtsfolgen, die sich aus der teilweisen Verwirklichung des Tatbestandes ergeben.102 Unbestritten ist hingegen, daß Grundlage der jeweils angenommenen Rechtsfolgen die teilweise Verwirklichung eines Gesamttatbestandes ist. 103 Etwas anderes könnte nur für die Lehre Biomeyers zu gelten haben, der annimmt, daß auch durch eine aufschiebend bedingte Verfügung unmittelbar das Vollrecht übertragen werde. 104 Folge der Bedingung sei lediglich ein dem Veräußerer verbleibendes Verfallpfandrecht. 105 Jedoch steht auch diese Lehre (gerade) noch auf dem Boden der Tatbestandsteilung.106 Es wird lediglich gefordert, den geteilten Gesamttatbestand neu zu deuten.107 Hingegen wird nicht infrage gestellt, daß erst mit Bedingungsseintritt die Vollwirkungen des unbedingten Geschäfts eintreten können. 100 Flume, in: Festschrift 100 Jahre DJT I (1960), S. 130,160 ff. ιοί Das Tatbestandsverständnis der Anwartschaftslehre beruht auf der grundlegenden Analyse v. Tuhrs (Allg. Teil II 2, S. 271 ff.). V. Tuhr geht davon aus, daß die Bedingung eine Erweiterung des Tatbestandes typischer Rechtsgeschäfte darstellt (a. a. O.). Die Vollwirkung, die an sich mit dem „typischen" Tatbestandsteil verbunden ist, tritt indes erst ein, wenn auch der zur Bedingung erhobene Umstand verwirklicht ist (v. Tuhr, Allg. Teil, II 1, S. 38). Zur Bedeutung der Lehre v. Tuhrs für das Tatbestandsverständnis der Anwartschaftslehre vgl. auch Minas, Theorie, S. 36 f. 102 Das Spektrum der vorgschlagenen Einordnungen ist sehr breit. Vgl. nur die Übersichten bei Marotzke, Anwartschaftsrecht, S. 14 Fn. 4 und Forkel, Grundfragen, S. 121 ff. 103 Vgl. nur Forkel, Grundfragen, S. 21 mit weiteren Nachweisen. 104 Blomeyer, Bedingungslehre II, S. 140 f.; ders., AcP 162 (1963), 192,198 f. 105 Blomeyer, Bedingungslehre II, S. 140 f., 184 ff.; ders., AcP 162 (1963), 192,198 f. 106 Blomeyer, Bedingungslehre I, S. 2 f. 107 Blomeyer, AcP 162 (1962), 192,200.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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Die mit dem Grundgeschäft an und für sich verbundenen Rechtsfolgen treten nach dem Denkansatz der Anwartschaftslehre deshalb nicht sofort ein, beziehungsweise können deshalb zunächst einmal eintreten, weil der aus Grundgeschäft und Bedingung bestehende Gesamttatbestand vor Bedingungseintritt noch nicht verwirklicht ist. Erst der Gesamttatbestand führt aber die Rechtsfolge herbei (aufschiebende Bedingung) oder beendet die Rechtswirkung (auflösende Bedingung). Die rechtsgeschäftliche Bedingung wird also ebenso wie die Rechtsbedingung konstruiert. 108 Der zur Bedingung erhobene Umstand erscheint als Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts, nur daß diese Wirksamkeitsvoraussetzung auf dem Willen der Beteiligten und nicht auf dem Gesetz beruht. Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied zur Rechtsbedingung. Nach dem Parteiwillen knüpfen sich nämlich bereits an die bedingte Geschäftsvornahme bestimmte Rechtsfolgen. Der bedingt Berechtigte erwirbt eine Schutzposition, die nicht mehr einseitig entzogen werden kann. 109 Dieser Schutz wird über die Figur des Anwartschaftsrechts bewerkstelligt. Das Anwartschaftsrecht wird dabei beschrieben als diejenige Rechtsposition, welche sich aus der teilweisen Verwirklichung des auf die Übertragung des Vollrechts gerichteten Tatbestandes ergibt. 110 Wichtig ist es insoweit, zu betonen, daß die Entstehung der Anwartschaft nur Folge, aber nicht Inhalt des bedingten Geschäfts sein soll. 111 Auch nach dieser Lehre dient die als Teil eines Gesamttatbestandes verstandene Bedingung der Begrenzung der Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts, die, da der Tatbestand erfüllt ist, an und für sich eintreten müßten. Das bedingte Geschäft erscheint nur deshalb nicht als Ausnahme von dem erwähnten Grundsatz, weil der Tatbestand, an den die Rechtsfolge anknüpft, um die Bedingung, genauer: um das Erfordernis des Bedingungseintritts, angereichert wird. Genau besehen liegt auch hierin keine eigentliche Erklärung des Tatbestandes bedingter Rechtsgeschäfte. Denn daß es erst mit Bedingungseintritt zu einer Änderung der Rechtslage im Sinne des Eintritts der Vollwirkungen des unbedingten Geschäfts kommt, ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 158 I, § 158 Π Hs. 1 BGB). Eine tatbestandliche Rechtsfolgenanordnung ist insofern entbehrlich. Dennoch beschränkt sich die Anwartschaftslehre darauf, zu erklären, warum diese Vollwirkungen nicht bereits mit der Vornahme des bedingten Geschäfts eintreten. Es fehlt erneut eine Erklärung von Tatbestand und Rechtsfolgen gerade des bedingten Geschäfts. Statt dessen versucht man, den Nichteintritt nicht-gewollter Rechtsfolgen zu begründen und sieht den Eintritt der gewollten Folgen des bedingten Geschäfts als bloße Vorwirkung, als Rechtsreflex. Auf andere Weise als die Pendenzlehre 108
Zur Rechtsbedingung vgl. oben Kapitel 3, II. Zu diesem Begriffsmerkmal der Anwartschaft vgl. etwa Medicus, Bürgerl. Recht, Rn. 457. no Grundlegend Flume, AcP 161 (1962), 385, 390 f. 109
i" Flume, AcP 161 (1962), 385, 390 f.; auch Blomeyer, Bedingungslehre II, S. 140 f., 184 ff.; ders., AcP 162 (1963), 192, 200 akzeptiert diesen Standpunkt jedenfalls für die allgemeine Bedingungslehre.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
ignoriert damit auch die Anwartschaftslehre die ihr gestellte Aufgabe, den Tatbestand gerade des bedingten Rechtsgeschäftes dem Parteiwillen entsprechend zu konstruieren. b) Die Lehre von Bierling und Minas Gerade dieses Ziel haben sich Bierling und Minas gesetzt und den Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts unter normtheoretischen Gesichtspunkten beleuchtet. 112 Ihre Lehre begreift das bedingte Rechtsgeschäft als Setzung hypothetischer Rechtsnormen113: Beim aufschiebend bedingten Geschäft liegt ausschließlich eine hypothetische Rechtsnorm des Inhalts vor, daß die beabsichtigte rechtsgeschäftliche Regelung erst mit Eintritt der Bedingung gelten soll 114 , während beim auflösend bedingten Geschäft neben das eigentliche Rechtsgeschäft eine hypothetische Rechtsnorm tritt, die für den Fall des Bedingungseintritts den ursprünglichen Rechtszustand wieder herbeiführt. 115 Damit ergibt sich für aufschiebend und auflösend bedingtes Geschäft eine je unterschiedliche Tatbestandsstruktur. Beim aufschiebend bedingten Geschäft liegt nur ein sogenanntes Bedingungsgeschäft, das heißt die Setzung einer hypothetischen Rechtsnorm vor. 116 Hingegen handelt es sich beim auflösend bedingten Geschäft um eine Kombination aus unbedingtem Geschäft und Bedingungsgeschäft.117 Dieses Modell ermöglicht in der Tat die Erklärung wesentlicher Aspekte des Bedingungsrechts. Geklärt ist zunächst, daß beim aufschiebend bedingten Geschäft die Rechtsfolge des unbedingten Geschäfts bei schwebender Bedingung nicht eintreten kann. Denn der Tatbestand des unbedingten Geschäfts ist nicht verwirklicht. 118 Es liegt nur ein Bedingungsgeschäft vor, dessen Rechtsfolge die Geltung der §§ 160-162 BGB ist. Die Rechtsposition des bedingt Berechtigten umschreiben Minas 119 und Bierling 120 mit dem Begriff ,3edingungsrecht", das ein Erwerbsrecht eigener Art sein soll. Es entsteht als Folge der Geltung der im Bedingungsgeschäft gesetzten hypothetischen Rechtsnorm. Auch Friktionen mit dem Simultaneitätsdogma werden vermieden, da die Rechtsfolgen des (allein gegebenen) Bedingungsgeschäfts sofort eintreten.121 Demgegenüber treten bei der auflösenden Bedingung die Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts zunächst notwendig ein, da dessen tatbestandliche 112 Grundlegend Bierling, Prizipienlehre II, S. 227 ff. 113 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 229 f.; Minas, Theorie, S. 50. 114 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 238; Minas, Theorie, S. 81 f. us Bierling, Prinzipienlehre II, S. 237; Minas, Theorie, S. 82. 116 Minas, Theorie, S. 51 f., 81. 117 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 237 f. ne Bierling, Prinzipienlehre II, S. 224 119 Minas, Theorie, S. 102 ff. 120 Minas, Theorie, S. 61. 121 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 224.
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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Voraussetzungen erfüllt sind. Nur führt das zusätzlich abgeschlossene Bedingungsgeschäft zur Begründung eines sog. Bedingungsrechts in der Hand desjenigen, der durch die auflösende Bedingung geschützt werden soll. 122 Dieses „Bedingungsrecht" ist wie bei der aufschiebenden Bedingung die Kehrseite der Rechtslage, die durch die hypothetische Rechtsnorm angeordnet wurde. 123 Insgesamt bietet der Ansatz von Minas und Bierling eine in sich schlüssige Erklärung des bedingten Rechtsgeschäfts. Jedoch bleibt er insofern den Denkstrukturen der überkommenen Bedingungslehre verhaftet, als die Bedingungswirkungen letztlich doch nicht als originäre Folgen des Bedingungsgeschäfts, sondern nur als Vorwirkungen des unbedingten Geschäfts angesehen werden. 124 Das Bedingungsgeschäft fungiert lediglich als Denkmodell, um die Einschränkung der Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts zu veranschaulichen. Dies zeigt sich darin, daß das Bedingungsgeschäft neben das eigentlich gewollte Geschäft tritt. Besonders klar wird dies bei der auflösenden Bedingung, zeigt sich aber ebenso bei der aufschiebenden Bedingung. Die Bedingungsgeschäftsfolge ergibt sich als Rechtsreflex aus der hypothetischen Geltung des unbedingten Geschäfts. 125 Pointiert formuliert wird also auch hier die Bedingungswirkung nicht originär, sondern nur derivativ beschrieben, als Rechtslage, die sich aus der Vorwirkung des Bedingungseintritts ergibt. Hierin liegt unter normtheoretischen Gesichtspunkten eine Inkonsequenz. Es werden Motivation und Inhalt der im bedingten Geschäft (angeblich) enthaltenen Normsetzung miteinander verwechselt. Bierling ist sicher darin zuzustimmen126, daß die Motivation für das bedingte Geschäft im weitesten Sinn die Sicherung des Erfolgs des unbedingten Geschäfts ist. Endziel der Regelung ist also die Vollwirkung des Geschäfts. Dieser Umstand vermag indes nichts daran zu ändern, daß sich die Parteien zur Erreichung ihres finalen Regelungsziels zur Vornahme eines bedingten Geschäfts entschlossen haben. Bis zum Bedingungseintritt ist deshalb nicht die hypothetische Geltung eines unbedingten Geschäfts gewollt, sondern die konkrete Geltung eines bedingten Geschäfts. Auch und gerade eine normtheoretische Betrachtung des Tatbestandes bedingter Rechtsgeschäfte muß dies beachten. Erforderlich ist deshalb ein Perspektivenwechsel, eine Erklärung der Struktur des bedingten Geschäfts aus der Perspektive seiner Vornahme.
122 Minas, Theorie, S. 81 f. 123 Minas, Theorie, S. 80 f. 124 So ausdrücklich Bierling, Prinzipienlehre II, S. 232. 125 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 232. 126 Bierling, Prinzipienlehre II, S. 232.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
2. Eigener Ansatz: Das bedingte Geschäft als Verfügung über ein Erwerbsrecht Allen bisher dargestellten Ansätzen gemeinsam ist die Betrachtung der Bedingungswirkungen aus der Perspektive des Bedingungseintritts.127 Im folgenden soll genau umgekehrt vorgegangen und die Bedingungswirkung aus der Perspektive der Vornahme des bedingten Geschäfts erklärt werden. Die im Schrifttum zu verzeichnende Fixierung auf die Perspektive des Bedingungseintritts ist allerdings durch die Formulierung des Gesetzes nahegelegt. Denn die Grundnorm des Bedingungsrechts stellt primär auf den Nichteintritt beziehungsweise die Beendigung der von der Bedingung abhängig gemachten Rechtsfolge ab (vgl. § 158 I und Π BGB). Indes hätte es insoweit einer gesetzlichen Regelung nicht bedurft. Vielmehr ist unter Geltung des Grundsatzes der Privatautonomie selbstverständlich, daß nicht, noch nicht oder nicht mehr gewollte Rechtsfolgen nicht eintreten bzw. wieder entfallen. Allein regelungsbedürftig sind demgegenüber diejenigen Rechtsfolgen, welche die Parteien durch die Setzung einer Bedingung herbeiführen wollen. Die Rede ist hier von dem Schutz des bedingt Berechtigten, den die §§ 160-162 BGB vermitteln. Auch diese Rechtsfolgen können in einer auf der Privatautonomie aufbauenden Rechtsordnung nur deshalb eintreten, weil sie gewollt sind. Erforderlich ist also eine tatbestandliche Rechtsfolgenanordnung. Folgerichtig ist es die eigentliche Aufgabe einer Theorie des Tatbestandes bedingter Rechtsgeschäfte, Art und Inhalt jener Rechtsfolgenanordnung zu bestimmen. Auszugehen ist insoweit von der gesetzgeberischen Entscheidung, die Bedingung zum Bestandteil des Rechtsgeschäfts zu machen128. Deshalb führen auch alle Versuche nicht weiter, die Rechtsfolgen von sogenanntem Grundgeschäft und der Bedingung, zumindest gedanklich, je isoliert zu bestimmen. Durch die Vornahme eines bedingten Geschäfts wollen die Parteien ein bestimmtes Regelungsziel erreichen. Dieses Ziel ist der durch die §§ 160-162 BGB beschriebene Rechtszustand. Da die §§ 160-162 BGB dem Schutz des bedingt Berechtigten dienen129, ist die hierdurch vermittelte Rechtsposition als subjektives Recht 130 zu begreifen 131 und 127 Diese Herangehensweise ist darauf zurückzuführen, daß die Bedingung als Beschränkung der mit einem Grundtatbestand verbundenen typischen Rechtsfolge verstanden wird (vgl. v. Tuhr, Allg. Teil II 2, S. 271 ff.). 128 Mot. I, 267 = Mugdan 1,500.
ι2* Ζ. B. Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 158 Rn 8. 130 Hierzu Larenz, Allgemeiner Teil, § 12 (S. 194 ff.); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 20. 131 Darüber, daß Ergebnis des bedingten Rechtsgeschäfts ein subjektives Recht des bedingt Berechtigten ist, besteht Einigkeit. Vgl. bereits Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 89 (S. 464 f.): ,Auch die dieser Gebundenheit entsprechende Aussicht selbst erweist sich als ein Ding von rechtlicher Konsistenz." Für die Anwartschaftslehre ist diese Konsequenz selbstverständlich (vgl. etwa Medicus, Bürgert. Recht, Rn. 457 ff.). Entsprechendes gilt für die Lehre von Bierling/ Minas ( Minas , Theorie, S. 102). Die Pendenzlehre, geht ohnehin von der
III. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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zwar als absolutes Recht, denn der Schutz wirkt auch gegenüber Dritten (§161 BGB). Wenn das bedingte Geschäft auf die Begründung des Schutzes der §§ 160162 BGB abzielt und die hierdurch dem Berechtigten vermittelte Position als absolutes Recht anzusehen ist, muß das bedingte Geschäft folgerichtig ein einheitliches Verfügungsgeschäft darstellen. Gegenstand der Verfügung ist die durch §§ 160162 BGB umschriebene Rechtsposition, die man anschaulich als Erwerbsrecht bezeichnen kann. Bei der aufschiebenden Bedingung liegt ausschließlich eine Verfügung über das Erwerbsrecht vor, während bei der auflösenden Bedingung neben die Abspaltung dieser Rechtsposition die Übertragung des hierum verminderten Vollrechts tritt. 132 Das hiermit zur Erklärung von Rechtsfolgen und Tatbestandsstruktur des bedingten Rechtsgeschäfts vorgeschlagene Erwerbsrecht ist als selbständiges Sachenrecht zu verstehen. Es nimmt also nicht wie das ius ad rem des preußischen Landrechts eine unklare Zwischenstellung ein. Während das ius ad rem nicht eindeutig dem Schuldrecht oder dem Sachenrecht zugeordnet werden konnte133, handelt es sich bei dem Erwerbsrecht um ein dingliches Recht. Dies ergibt sich schon daraus, daß angesichts des § 16111 BGB jedes bedingte Geschäft zu einer auch gegenüber Dritten wirkenden Änderung der dinglichen Güterzuordnung führt. Wenn man nun weiter annimmt, daß das bedingte Geschäft gerade auf diese Änderung der dinglichen Güterzuordnung gerichtet ist, gelangt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß es um die Übertragung eines dinglichen Rechts gehen muß. Ansonsten wäre nicht zu erklären, warum der bedingt Berechtigte infolge des Geschäfts eine absolut geschützte Rechtsposition erwirbt (aufschiebende Bedingung) beziehungsweise zurückbehält (auflösende Bedingung). Als Grundlage dieses drittwirkenden Verfügungsschutzes kommt allein das hier vorgeschlagene Erwerbsrecht in Betracht, über das durch jedes bedingte Geschäft verfügt wird. Angesichts der gesetzlichen Unterscheidung zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung könnte man lediglich zweifeln, ob zur Beschreibung der Rechtslage bei der auflösenden Bedingung nicht die Bezeichnung als Rückerwerbsrecht treffender wäre. Indes wäre der Begriff des „Rück"-Erwerbsrecht in diesem Zusammenhang mißverständlich. Denn er suggeriert, daß der bedingt Berechtigte bei der auflösenden Bedingung sein zunächst übertragenes Recht vom auflösend bedingt Berechtigten Erwerber zurückerhält, also dessen Rechtsnachfolger wird. Gerade diese Rechtsnachfolge ist indes sehr zweifelhaft. Zudem bildet die infolge des Bedingungsgeschäfts dem Bedingungsgeschützten verbleibende Rechtsposition bei der auflösenden Bedingung ebenfalls die Grundlage des Rechtssofortigen Übertragung/Begründung des von einer Bedingung abhängig gemachten Rechts (Anspruch oder Sachenrecht) aus. !32 Dieser Ansatz steht dem Modell von Bierling / Minas nahe. Er unterscheidet sich von ihm allerdings dadurch, daß die Abspaltung des Erwerbsrechts einzige und primäre Rechtsfolge des bedingten Geschäfts ist. Es handelt sich nicht lediglich um Reflexwirkungen aus der hypothetischen Geltung eines daneben gedachten unbedingten Geschäfts. 133 Vgl. hierzu oben Kapitel 2, III, 1, c). 7 Radke
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
erwerbs. Insofern ist es gerechtfertigt, einheitlich den Begriff des Erwerbsrechts zu verwenden. Für das hier vertretene Modell spricht zunächst, daß das Gesetz in § 158 Π Hs. 2 BGB anordnet, daß mit Eintritt der Bedingung zugleich der frühere Rechtszustand wieder eintreten soll. Damit regelt das BGB, entsprechend der systematischen Stellung des § 158 BGB im Allgemeinen Teil des BGB, gerade die spezifische Bedingungswirkung, nämlich das Erstarken, oder, wenn man so will, die Konsolidation134 des beim bedingt Berechtigten verbliebenen Erwerbsrechts. Trotz abweichendem Wortlaut bestimmt auch § 1581 BGB für die aufschiebende Bedingung in der Sache nichts anderes. Das bereits erworbene Erwerbsrecht erstarkt kraft Gesetzes mit Bedingungseintritt zum Vollrecht. Grundlage für den Rechtserwerb des Bedingungsgeschützten ist jeweils das bereits übertragene beziehungsweise bei ihm verbliebene Erwerbsrecht, nicht ein zusätzlich abgeschlossenes unbedingtes Übertragungsgeschäft. 135 Der bedingt Berechtigte erwirbt also das von der Bedingung abhängige Recht bei Bedingungseintritt nicht vom bisherigen Berechtigten, sondern originär auf der Grundlage des übertragenen bzw. abgespaltenen Erwerbsrechts. 136 Die Lehre von der Tatbestandsteilung muß hier notwendig anders entscheiden.137 Da der Erwerbstatbestand vor Bedingungseintritt noch nicht vollständig erfüllt ist, kann bei der aufschiebenden Bedingung nur ein derivativer Erwerb in Betracht kommen. Folglich sollte man erwarten, daß bei der auflösenden Bedingung eine Rechtsnachfolge des bedingt Berechtigten eintritt, mithin auch hier ein derivativer Erwerb erfolgt. Die herrschende Lehre 138 entscheidet indes anders und geht von einem originären Erwerb des bedingt Berechtigten aus. 139 Das ist nicht nur widersprüchlich, weil das Gesetz in § 158 BGB hinsichtlich der Rechtsfolge bei Bedingungseintritt gerade nicht zwischen auflösender und aufschiebender Bedingung differenziert. Deshalb muß der Rechtserwerb des bedingt Berechtigten auch einheitlich fiir aufschiebende und auflösende Bedingung konstruiert werden. Durch diese Inkonsequenz wird zudem deutlich, daß gerade das Problem der Rechtsnachfolge für die herrschende Lehre, die die Bedingungswirkung nur als Vorwirkung bzw. Einschränkung des unbedingten Geschäfts begreift, eine offene Ranke bildet. Hier werden lediglich begriffliche Folgerungen aus einem bestimmten Verständnis der Bedingung gezogen, die nicht hinreichend durch materiale Wertungen fundiert sind. 140 "4 MünchKomm BGB-H. R Westermann, § 158 Rn. 38. 135 Es liegt also keine Tatbestandsteilung dergestalt vor, daß neben den „typischen" Teil des Rechtsgeschäfts ein weiterer Teil in Form des Bedingungsgeschäfts tritt. 136 Hiergegen ausdrücklich v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 47. 137 Folgerichtig deshalb v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 47. 138 BGH v. 21. 9. 1959, BGHZ 30, 374, 377; v. 24. 6. 1958, BGH 28, 16, 22; Staudinger/ Bork, Vorb. zu §§ 158 ff. Rn. 72, § 158 Rn. 21 mit weiteren Nachweisen. 139 Unter dogmatischen Gesichtspunkten ist das Ergebnis von Kempf, AcP 158 (1959/60), 308, 312 ff., der bei der auflösenden Bedingung für eine Rechtsnachfolge des bedingt Berechtigten plädiert, folgerichtig. Kempf stellt jedoch lediglich auf praktische Bedürfnisse ab, ohne die dogmatischen Hintergründe näher zu beleuchten.
ΙΠ. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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Die hier vorgeschlagene Annahme eines Erwerbsrechts aufgrund der bedingten Geschäftsvornahme findet sich in ähnlicher Form bereits bei von Tuhr 141. Jedoch besteht zu dessen Lehre ein gewichtiger Unterschied. V. Tuhr versteht das von ihm angenommene Erwerbsrecht als Vorwirkung des unbedingten Geschäfts. 142 Damit entspricht seine Auffassung dem Modell der Tatbestandsteilung143. Die Bedingung spalte lediglich die Rechtsfolgen des tatbestandlich vorliegenden unbedingten Geschäfts in Vorwirkungen (Erwerbsrecht) und Vollwirkungen bei Bedingungseintritt (bzw. Bedingungsausfall). 144 Damit bleiben v. Tuhr und die gesamte Lehre von der Tatbestandsteilung indes auf halbem Weg stehen. Die Begründung eines Erwerbsrechts ist einzige Rechtsfolge des Gesamttatbestandes „bedingtes Rechtsgeschäft" und insoweit Voll-, nicht Vorwirkung. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist für die herkömmliche Lehre aufgrund ihrer unzutreffenden Betrachtungsperspektive versperrt. Auch gegen den normtheoretischen Ansatz von Minas und Bierling ist einzuwenden, daß die Übertragung einer dinglichen Rechtsposition als einziger Vollwirkung des bedingten Rechtsgeschäfts nicht erkannt wird. Die Konstruktion des Bedingungsgeschäfts ist in dieser Form unzutreffend. Denn die von diesen Autoren postulierte Setzung einer hypothetischen Rechtsnorm (als Folge des Bedingungsgeschäfts) ist überflüssig. Sie ist als konkrete Rechtsnorm bereits in § 158 BGB enthalten. Wenn das Erwerbsrecht (von Minas und Bierling zwar in der Sache durchaus treffend, aber leicht mißverständlich ,3edingungsrecht" genannt 145 ) abgespalten wurde, erstarkt es kraft Gesetzes bei Bedingungseintritt. Eine rechtsgeschäftliche Regelung hierüber ist nicht nur entbehrlich. Sie in das bedingte Rechtsgeschäft hineinzuinterpretieren verkennt zudem dessen Struktur. Das bedingte Rechtsgeschäft führt nicht zur Geltung bestimmter, auf dem Parteiwillen beruhender (hypothetischer) Rechtsnormen. Es überträgt vielmehr eine Rechtsposition, zu deren Schutz bestimmte, konkrete Normen des objektiven Rechts eingreifen. Die Vereinbarung hypothetischer Normen ist auch dann entbehrlich, wenn das Erwerbsrecht statt in der Person des bedingt Berechtigten bei einem Dritten erstarken soll. Insoweit ist zwar eine rechtsgeschäftliche Regelung über die Person des Dritten erforderlich. Denn dieser ist an dem Verfügungsgeschäft nicht selbst beteiligt. Die Bestimmung der Person des Dritten ist aber keine eigentliche Frage des bedingten Rechtsgeschäfts. Vielmehr geht es hier allein darum, ob entgegen der Rechtsprechung146 ein solcher dinglicher Vertrag zugunsten Dritter zulässig 140 v. Tuhr, Allg. Teil II 1, S. 47 begründet seine Ansicht zur Rechtsnachfolge nicht weiter. 141 Allg. Teil II 2, S. 291 ff. 142 v. Tuhr, Allg. Teil II, 2, S. 292. 143 So ausdrücklich v. Tuhr, Allg. Teil Π, 2, S. 291. 144 v. Tuhr, Allgemeiner Teil II, 2, S. 291. 145 Minas, Theorie, S. 53 ff. 146 BGH v. 29. 1. 1964, BGHZ 41,95, 96; Palandt/Heinrichs, 7*
Einf. v. § 328 Rn 9.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
ist. 147 Die sich insoweit stellenden Probleme 148 können daher hier als nicht zum Thema gehörend auf sich beruhen. Falls ein dinglicher Vertrag zugunsten Dritter möglich ist, würde durch ihn ein Erwerbsrecht in der Person des Dritten begründet werden, das bei diesem ebenso wie in der Person des Geschäftspartners kraft Gesetzes erstarken würde. Wirklich problematisch sind unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Vertrages zugunsten Dritter ohnehin nur die bedingten Verfügungen von Todes wegen. Hier kann nämlich dem Erblasser selbst bei auflösend bedingter Erbeinsetzung kein Erwerbsrecht verbleiben. Dieses muß vielmehr notwendig einem Dritten zugewiesen werden. Ein prinzipieller Einwand gegen das Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts als eines einheitlichen Verfügungsgeschäfts kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Denn mit der Vor- und Nacherbfolge (§§ 2100 ff. BGB) existiert insoweit eine erbrechtliche Sonderregelung. Auf die hiermit verbundenen Einzelfragen wird später noch detaillierter einzugehen sein. 149
3. Mögliche Einwände gegen den neuen Ansatz Der hier vertretene Ansatz trägt dem Parteiwillen Rechnung und erklärt die Bedingungswirkung positiv. Er könnte indes seinerseits durchgreifenden Bedenken ausgesetzt sein. a) Die Differenzierung zwischen aufschiebend und auflösend bedingtem Geschäft Seit man die auflösende Bedingung als rechtsgeschäftliches Gestaltungsmittel zuläßt, bereitet ihre dogmatische Erfassung Schwierigkeiten.150 Diese Schwierigkeiten beruhen darauf, daß die Rechtsänderung, die der Bedingungseintritt hier zur Folge hat, in der Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes besteht. Hieraus hat die gemeinrechtliche Doktrin im Anschluß an das klassische römische Recht gefolgert, bei auflösend bedingtem Geschäft liege eine Verbindung von unbedingtem Geschäft und aufschiebend bedingtem Gegengeschäft vor. 151 Nur so 147 Das Argument der Rechtsprechung (keine Aushöhlung der Publizitätsvorschriften) hat zwar durchaus Gewicht. Doch sind dessen Durchbrechungen inzwischen so zahlreich, daß die bloße Berufung auf dieses Prinzip nicht recht zu überzeugen vermag. 148 Ein erheblicher Teil des Schrifttums läßt hingegen auch dingliche Verträge zugunsten Dritter zu, vgl. etwa Blomeyer, in: Festschrift für Rabel I, S. 307, 326; differenzierend MünchKomm BGB-Gottwald, § 328 Rn. 155; Nachweise zum Meinungsstand bei Soergel/ Hadding, § 328 Rn. 107 f.
m* Vgl. unten, Kapitel 4. 150 Siehe nur Flume, Rechtsgeschäft, S. 691. 151 Flume, in: Festschrift für Käser (1976), S. 309, 327; ders., Sav.Z (Rom. Abt.) 92 (1976), 69, 72 f.; Jahr, AcP 168 (1968), 9, 22; umfassende Nachweise zur gemeinrechtlichen Doktrin bei Windscheid/Kipp, Pandekten I, § 86 N. 6.
. Der Tatbestand des bedingten Rechtsgeschäfts
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glaubte man, den bis zum Bedingungseintritt bestehenden Rechtszustand zutreffend erfassen zu können. Jedoch wird hierbei übersehen, daß auch bei der auflösenden Bedingung ein dem unbedingten Geschäft entsprechender Zustand bis zum Ausfall der Bedingung niemals besteht und nach dem Parteiwillen auch nicht bestehen soll. Ebenso wie bei der aufschiebenden Bedingung wird über ein Erwerbsrecht verfügt. Dieses verbleibt dem bedingt Berechtigten, während der andere Teil die um dieses Teilrecht verminderte Rechtsposition erhält. Insofern verhält sich die Rechtslage bei auflösender Bedingung spiegelbildlich zu der Rechtslage bei aufschiebender Bedingung. In beiden Fällen wird die zu übertragende Rechtsposition zwischen den Beteiligten dergestalt aufgespalten, daß der bedingt Berechtigte ein Erwerbsrecht und der andere Teil die hierum verminderte Rechtsposition erhält oder behält. Diese strukturelle Parallelität erfordert es, aufschiebende und auflösende Bedingung gleichzubehandeln.
b) Das Abstraktionsprinzip Alle bedingten Geschäfte als Verfügungsgeschäfte zu behandeln, könnte mit dem Abstraktionsprinzip unvereinbar sein. Nach diesem das BGB prägendem Prinzip ist zwischen schuldrechtlichen, relativ wirkenden Geschäften und solchen zu unterscheiden, die unmittelbar ein Recht übertragen, inhaltlich verändern, belasten oder aufheben. 152 Es fragt sich daher, ob das bedingte Geschäft mit den Merkmalen des zuletztgenannten Geschäftstyps übereinstimmt, also Verfügungsgeschäft ist. Nach hier vertretener Ansicht153 ist das bedingte Geschäft als Abspaltung eines Erwerbsrechts zu begreifen. Von einer „Abspaltung kann indes begrifflich nur gesprochen werden, wenn bei der Vornahme der bedingten Geschäfts ein Gegenstand (Sache oder Recht) vorhanden ist, über den durch das bedingte Geschäft verfügt werden kann. Ein solches Substrat existiert aber bei bedingten Schuldverträgen im Zeitpunkt ihres (auch: bedingten) Abschlusses gerade nicht. Die Forderung als mögliches Substrat beschränkt-dinglicher Rechte entsteht vielmehr erst durch den Abschluß des Schuldvertrages. Aus diesem Grund können bedingte Schuldverträge nicht als Verfügungsgeschäfte behandelt werden. Hierin hegt gleichwohl kein Einwand gegen das vorgeschlagene Verständnis bedingter Rechtsgeschäfte. Auch die Konstruktion des bedingten Geschäft muß sich lediglich in dem durch das Abstraktionsprinzip oder andere Grundprinzipien des geltenden Rechts gezogenen Rahmen bewegen. Dies sei am Beispiel des bedingten Vermächtnisses verdeutlicht: Für den Fall, daß ein Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung ausgesetzt wird, ordnet § 2179 BGB für den Zeitraum zwischen Erbfall und Bedingungs152 Vgl. nur Jauernig, JuS 1994, 721,721. 153 Siehe oben Kapitel 3, III, 2.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
eintritt zwar die entsprechende Anwendung der Vorschriften an, „die für den Fall gelten, daß eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird." Hier ist es nach dem Gesagten jedoch nur folgerichtig, wenn die herrschende Lehre 1 5 4 aus dieser enthaltenen Verweisung auf die §§ 160 ff. BGB den § 161 BGB ausnimmt. Zur Begründung verweist man sowohl auf den Grundsatz, daß die »Anwartschaft" auf einen schuldrechtlichen Anspruch nicht stärker geschützt werden dürfe, als der Anspruch selbst155 sowie auf die Entscheidung des BGB 1 5 6 gegen das Vindikationslegat157. Überzeugend ist allein die Berufung auf die Absage an das Vindikationslegat. Hiermit wäre es unvereinbar, in der bedingten Aussetzung eines Vermächtnisses die Verfügung über ein Erwerbsrecht an der Vermächtnisforderung zu sehen. Denn dieses Erwerbsrecht stünde notwendig unmittelbar mit dem Erbfall dem bedingt Bedachten zu. Aus dem Gegensatz zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften ergibt sich mithin kein prinzipieller Einwand gegen die hier vorgeschlagene dogmatische Einordnung des bedingten Geschäfts.
c) Die Einordnung einseitiger Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen Soweit Gestaltungserklärungen unter einer Bedingung abgegeben werden können 158 , fragt sich, ob auch hierin die Abspaltung eines Erwerbsrechts gesehen werden kann. Gestaltungsrechte führen unmittelbar zu einer Veränderung der Rechtslage. 159 So vernichtet etwa die Anfechtung ein Rechtsgeschäft rückwirkend (§ 1421 BGB), der Rücktritt gestaltet ein Rechtsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um (§§ 346 ff. BGB) usw. 160 Durch die bedingte Abgabe einer Gestaltungserklärung müßte somit für den Erklärenden ein Erwerbsrecht auf die durch die Gestaltung entstehende Rechtslage begründet werden. Dem scheint das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip161 entgegenzustehen. Es gibt kein dingliches Recht auf Er154 Bungeroth, NJW 1967, 1357; Staudinger/Otte, § 2179 Rn. 5; Soergel/Wolf, § 2179 Rn. 2; MünchKomm BGB-Schlichting, § 2179 Rn. 4; Palandt/Edenhofer, § 2179 Rn. 2; Erman/Schmidt, § 2179 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29 IV 2 b); Zawar, Vermächtnis, S, 39. 155 Bungeroth, NJW 1967,1357; MünchKomm BGB-Schlichting, § 2179 Rn. 4. 156 Zur Absage an das Vindikationslegat vgl. MünchKomm BGB-Schlichting, § 2174 Rn. 1; Staudinger /Otte, § 2174 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29 II 1. Vgl. hierzu auch bereits oben Kapitel 2, ΠΙ, 1, c). 157 So Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29IV 2 b); Zawar, Vermächtnis, S. 39. 158 Zu deren grundsätzlicher Bedingungsfeindlichkeit vgl. statt aller MünchKomm BGBH. P. Westermann, § 158 Rn. 28. 159 Medicus, Allg. Teil, Rn. 79. i^o Umfassende Nachweise zu den im BGB geregelten Gestaltungsrechten bei Leverenz, Jura 19%, 1 ff. 161 Vgl. hierzu nur Baur/Stümer, Sachenrecht, § 5 Rn. 17 ff.
IV. Das Verhältnis zum Typenzwang
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werb einer aus vielen Ansprüchen und Rechten zusammengesetzten Rechtslage.162 Hieraus läßt sich aber ebenfalls kein prinzipieller Einwand gegen die Einordnung des bedingten Rechtsgeschäfts als Verfügungsgeschäft gewinnen. Die bedingte Gestaltungserklärung führt einfach zur Entstehung einer Mehrheit von Erwerbsrechten auf die mit der Rechtsgestaltung verbundenen Gegenstände (Ansprüche und Rechte). Auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen163 sind die §§ 158 ff. BGB als Vorschriften für Rechtsgeschäfte nur entsprechend anzuwenden.164 In diesem begrenzten Rahmen bestehen aber keine Bedenken, bei „bedingter" Vornahme rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen ein Recht auf Erwerb derjenigen Gegenstände anzunehmen, deren Entstehung das Gesetz als Rechtsfolge an die Vornahme der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung knüpft.
4. Zwischenergebnis Obschon wichtige Einwände gegen das hier vorgeschlagene Erklärungsmodell entkräftet werden konnten, ist doch der eigentliche Test seiner Richtigkeit erst in der Bestimmung des Verhältnisses zum Typenzwang zu sehen. Insoweit geht es nicht nur um die Prüfung der Vereinbarkeit des Konzeptes mit der gesetzlichen Typenordnung. Vielmehr bestehen in den dogmatischen Grundlagen weitere Bezüge zu Fragen des Typenzwangs. Deshalb erlaubt erst deren nähere Untersuchung ein abschließendes Urteil darüber, ob das Modell des (Rück-) Erwerbsrechts den bisher vorgeschlagenen Erklärungsansätzen überlegen ist.
IV. Das Verhältnis zum Typenzwang Die hier vertretene Konzeption des bedingten Rechtsgeschäfts weist einen doppelten Bezug zum Typenzwang, insbesondere zum numerus clausus der Sachenrechte auf. Sie erfordert zunächst die Einordnung des Erwerbsrechts als Objekt der in jedem bedingten Rechtsgeschäft enthaltenen Verfügung in die sachenrechtliche Typenordnung. Weiterhin ist diese Konzeption Ausdruck des in dieser Arbeit zugrundegelegten Verständnisses des Typenzwanges und dessen Einordnung in die auf der Anerkennung der Privatautonomie aufbauende Rechtsordnung.
162 Baur/Stümer, Sachenrecht, § 5 Rn. 19. 163 Zum Begriff etwa Medicus, Allg. Teil, Rn. 195. 164 Vorausgesetzt ist freilich, daß sie inhaltlich passen. Allgemein zu den Voraussetzungen, unter denen rechtsgeschäftliche Vorschriften auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen angewendet werden können Medicus, Allg. Teil, Rn. 198.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
1. Erwerbsrecht und numerus clausus Die Vereinbarkeit des Erwerbsrechts mit der sachenrechtlichen Typenordnung aufzuzeigen, erscheint einfach. Denn es handelt sich hier um ein Modell zur Erklärung des bedingten Rechtsgeschäfts. Die Bedingung selbst ist aber im Gesetz geregelt und demzufolge fraglos Bestandteil jeder Typenordnung. Mit dieser Erklärung könnte man sich zufrieden geben. Logisch ist sie jedenfalls unangreifbar. Sie ist dennoch nicht vollständig überzeugend. Der Grund hierfür ist in der formalen Struktur dieses Arguments zu suchen. Indes bestätigt auch eine inhaltliche Untersuchung der Vorschriften der §§ 158 ff. BGB die Vereinbarkeit des ihnen entnommenen Erwerbsrechts mit dem numerus clausus der Sachenrechte. Es läßt sich hieraus sogar mittelbar ein Argument für die Deutung bedingter Rechtsgeschäfte als Verfügungen über Erwerbsrechte entnehmen. Charakteristisch für jedes dingliche Recht ist seine absolute Wirkung. 165 Auf dem Gebiet des Bedingungsrechts ordnet § 161 BGB ebenfalls eine absolute, dingliche Wirkung an, die durch eine eigenständige Rechtsscheinvorschrift (§ 161 ΠΙ BGB) flankiert wird. Die Existenz eines besonderen Gutglaubensschutzes ist auch sonst im BGB Kennzeichen der beschränkt dinglichen Rechte ( vgl. etwa §§ 1032, 1138,1207 BGB ). Zudem ist vor allem das durch eine bedingte Verfügung in Form des Eigentumsvorbehaltes übertragene Erwerbsrecht eine im heutigen Wirtschaftsleben unverzichtbare Kreditunterlage. Dieses Erwerbsrecht (in der herkömmlichen Terminologie: diese Anwartschaft) wird unabhängig von dem zugrundegelegten Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts als ein selbständiges dingliches Recht angesehen. Diese weite Anerkennung würde wohl bereits für sich genommen die Vereinbarkeit mit dem numerus clausus der Sachenrechte herstellen. Denn dieser steht nicht ein für alle Mal fest, sondern ist offen für gewohnheitsrechtliche Erweiterungen. 166 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nur vertretbar, den §§ 158 ff. BGB ein Erwerbsrecht als weiteres beschränkt dingliches Recht zu entnehmen. Es stellt sich darüber hinaus als konsequente dogmatische Umsetzung einer in der Rechtspraxis seit langem akzeptierten Entwicklung dar.
2. Das Erwerbsrecht als Perspektivenwechsel Dogmatisch bedeutet die Erklärung der Bedingungswirkung als Verfügung über ein Erwerbsrecht wie bereits mehrfach angedeutet167 einen Perspektivenwechsel. 165 MünchKomm BGB-Quack, Einleitung Sachenrecht, Rn. 25; Palandt/Bassenge, Einl ν § 854 Rn. 1; Baur/Stiirner, Sachenrecht, § 41 1; Müller, Sachenrecht, Rn. 70; Schwab /Printing, Sachenrecht, S. 8; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 6; Rosien, Schutz, S. 140 f.; Rottenfußer, Gutgläubiger Erwerb, S. 50 ff. 166 Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623,641 f. 167 Vgl. oben Kapitel 3,1.
IV. Das Verhältnis zum Typenzwang
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Nicht der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, sondern die Geschäftsvornahme selbst ist der maßgebliche Erklärungshorizont. Hier handelt es sich nicht um einen mehr oder weniger beliebig gewählten Ausgangspunkt für ein begriffliches Erklärungsmodell. Vielmehr ist der vollzogene Perspektivenwechsel vor allem die Konsequenz aus dem in dieser Arbeit zugrundegelegten Verständnis des Typenzwangs. Es ermöglicht eine harmonische Einordnung der Bedingung in die allgemeine Rechtsgeschäftslehre. Demgegenüber begreift die herkömmliche Lehre die Bedingung als Anomalie. Obwohl „an sich" alle Merkmale des zugrundeliegenden Geschäftstypus vorliegen, treten bei der aufschiebenden Bedingung die Rechtsfolgen dennoch nicht ein. 1 6 8 Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung (§ 158 BGB) hindert allein der entgegenstehende Parteiwille den sofortigen Rechtsfolgeneintritt. Gerade der Nichteintritt der mit dem unbedingten Geschäft regelmäßig verbundenen Rechtsfolgen war nach diesem Verständnis regelungsbedürftig. Denn ohne gesetzliche Zulassung wäre der entgegenstehende Parteiwille für sich genommen unbeachtlich. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist der Nichteintritt der Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts hingegen nicht regelungsbedürftig, sondern in einer auf der Privatautonomie aufbauenden Rechtsordnung selbstverständlich. Folgerichtig enthalten die §§ 158 ff. BGB sachliche Regelungen auch nur für den Zeitraum bis zum Bedingungseintritt. Berücksichtigt man, daß auch und gerade die an das bedingte Rechtsgeschäft bis zum Bedingungseintritt geknüpften Rechtsfolgen des (übereinstimmenden) Parteiwillens als Geltungsgrund bedürfen, wird deutlich, daß die Bedingung nicht die Rechtsfolgen des unbedingten Geschäfts beschränkt oder aufschiebt. 169 An das bedingte Geschäft knüpfen sich vielmehr eigene Rechtsfolgen. Diese zu beschreiben und zu erklären ist Aufgabe jeder Theorie des bedingten Rechtsgeschäfts. Deshalb ist es verfehlt, die Bedingungswirkung als Vorwirkung eines gar nicht gewollten unbedingten Geschäfts zu erklären. Zudem bleibt unklar, warum ein ungewolltes Geschäft wennschon keine eigentlichen Rechtsfolgen, so doch unbestimmte „Vorwirkungen" entfalten können soll.
3· Wechselwirkungen zwischen Typenzwang und dem Verständnis der Bedingungswirkung Wer das Bestehen eines Typenzwangs in Form des numerus clausus der Aktstypen als Regelfall ansieht, muß die Bedingungswirkung notwendig aus der Perspektive des Bedingungseintritts und damit als Vorwirkung des unbedingten Geschäfts interpretieren. Diese Konsequenz ist deshalb zwingend, weil die Bedingung bei 168 Dieses Verständnis liegt auch den Motiven zugrunde, vgl. Mot. I, 248 = Mugdan I, 490, wo die Bedingung als Möglichkeit, die „einer Willenserklärung an sich zukommenden Wirkungen [ . . . ] " zu beschränken, angesehen wird. 169 So aber beispielsweise Flume, Rechtsgeschäft, S. 700 f.
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3. Kap.: Das Bedingungsrecht
diesem Verständnis des lypenzwangs eine Ausnahme bilden muß: Grundsätzlich führt bereits die Verwirklichung des Aktstypus die Rechtsfolgen herbei. Nur kraft besonderer gesetzlicher Regelung können diese Rechtsfolgen ausnahmsweise beschränkt oder aufgeschoben werden. Bedeutet aber die Bedingung nur Beschränkung oder Aufschub der regelmäßig mit einem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen, kann die Bedingungswirkung im Zeitraum bis zum Bedingungseintritt nur eine Art Restwirkung des an sich vorliegenden unbedingten Geschäfts sein. Erst die Überwindung dieses verfehlten Verständnisses des lypenzwangs170 ermöglicht eine zutreffende Erklärung der eigentlichen Bedingungswirkung. Sie muß bestimmt werden aus der Perspektive der Geschäftsvornahme und nicht aus der Perspektive des Bedingungseintritts. Aus dieser Perspektive sind aber die in den §§ 160-162 BGB enthaltenen Rechtsfolgen Primärwirkungen des bedingten Geschäfts und zwar handelt es sich insoweit nicht um Vorwirkungen, sondern um Vollwirkungen.
V. Zusammenfassung Jedes bedingte Rechtsgeschäft enthält eine Verfügung über ein Erwerbsrecht eigener Art. Die Abspaltung/Übertragung dieses Rechts ist Vollwirkung des bedingten Geschäfts und nicht Vorwirkung eines als daneben bestehend gedachten unbedingten Geschäfts. Das bedingte Geschäft ist demnach verglichen mit dem unbedingten Geschäft ein aliud, kein minus. Insoweit sind auch keine Unterschiede zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zu machen. Bei Bedingungseintritt erwirbt der bedingt Berechtigte das von der Bedingung abhängige Recht auf der Grundlage seines Erwerbsrechts und somit originär. Die in der Konsequenz von Anwartschafts- und Pendenzlehre liegende Annahme eines derivativen Erwerbs ist abzulehnen. Die Bedingungswirkung ist aus der Perspektive der Vornahme des bedingten Geschäfts und nicht aus der Perspektive des Bedingungseintritts zu bestimmen. Die herrschende Lehre, die umgekehrt vorgeht, beruht auf einem verfehlten Verständnis des lypenzwangs und ist deshalb abzulehnen.
no Dazu oben Kapitel I, III, 1); Kapitel 2, III, 1.
Kapitel 4
Streitige Einzelfälle im Grenzbereich von Bedingungsrecht und Typenzwang In dieser Arbeit stand bisher die Klärung der Grundlagen privatautonomer Gestaltung im Vordergrund. Bezüge zu konkreten Regelungsfragen wurden nur hergestellt, soweit dies für das Verständnis der Darstellungförderlich erschien. Im folgenden Kapitel sollen demgegenüber einige ausgewählte Einzelprobleme behandelt werden. Dies schon deshalb, um zu zeigen, daß es nicht lediglich um eine neue Begründung für die Lösung schon immer gerecht entschiedener Fälle gegangen ist. Obschon auch die dogmatisch-konstruktiv überzeugende Begründung gefühlsmäßig für richtig gehaltener Ergebnisse einen Wert an sich darstellen mag, erweist sich der praktische Nutzen dogmatischer Grundlagenarbeit erst in der abweichenden Entscheidung konkreter Einzelfragen. Sie bilden den wichtigsten Prüfstein der gefundenen Ergebnisse. Die folgende Auswahl von Einzelfragen im Grenzbereich von Bedingungsrecht und Typenzwang will beide Aspekte umfassen, die „bessere" Begründung allseits oder doch weithin akzeptierter Ergebnisse ebenso wie das Aufzeigen von Unstimmigkeiten, die durch eine andere dogmatische Weichenstellung vermieden werden können.
I. Das Problem der Ersatzakzessorietät Die vom BGB zur Verfügung gestellten Realsicherheiten sind mit Ausnahme der Grundschuld akzessorische Rechte1, d. h. sie sind in Entstehung2 und Fortbestand von der Existenz einer zu sichernden Forderung abhängig3. Von diesem gesetzlichen Modell macht die Praxis indes nur selten Gebrauch.4 Hier dominieren vielmehr eindeutig die fiduziarischen Sicherungsrechte (Sicherungsübereignung und -Zession). Deren prinzipielle Zulässigkeit als Formen der eigennützigen Treuhand ist seit langem anerkannt5. Probleme bereitet jedoch mitunter die zutreffende ι Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 ff.; Buchholz, Jura 1990, 300, 305; Habersack, JZ 1997, 857, 857 2 Medicus, JuS 1971,497,498 f. 3 Zum Begriff der Akzessorietät ausführlich Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 ff.; rechtsvergleichend Habersack, JZ 1997, 857, 862 ff. 4
Vgl. nur Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, S. 2 f. 5 Staudinger/Wiegand, Anh. zu §§ 929-931 Rn. 58; MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn. 1 ; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, S. 2 f.; Becker-
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Bestimmung der Grenzen, die die gesetzliche Typenordnung der kautelaijuristischen Ausgestaltung dieser Sicherungsrechte setzt oder vom hier vertretenen Standpunkt aus: zulässigerweise setzen darf. Für den Sicherungsgeber sind die fiduziarischen Sicherungsrechte deshalb gefährlicher als die gesetzlichen, weil es hier an dem durch die Akzessorietät vermittelten Schutz mangelt6. Bei entsprechender Verhandlungsmacht wird er deshalb daran interessiert sein, eine Ausgestaltung zu wählen, die eine vergleichbare Verknüpfung von Sicherungszweck und Sicherungsrecht schafft. Eine solche Ersatzakzessorietät7 läßt sich über die Setzung von Bedingungen erreichen: Als aufschiebende Bedingung für die Übertragung des Rechts wird die Valutierung des zu sichernden Darlehens gewählt, dessen Rückzahlung fungiert als auflösende Bedingung.
1· Ausgangspunkt und Problemstellung Der Vorteil der Umgehung gesetzlicher Publizitätsvorschriften 8 wird bei den fiduziarischen Sicherheiten durch die fehlende Akzessorietät erkauft. 9 Hingegen geht es nicht, zumindest nicht primär, um Fragen des Abstraktionsprinzips.10 Denn Akzessorietät bedeutet nur, daß sich der Inhalt des Sicherungsrechts in gewissem Umfang nach dem Bestand der zu sichernden Forderung richtet11, während sich Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 62. Zur geschichtlichen Entwicklung etwa Buchholz, Jura 1990, 300, 303 f.; Hromadka, Faustpfandprinzip, S. 141 ff.; Gaul, AcP 168 (1968), 351, 357 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. 6 MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn 17; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 78 f.; Medicus, JuS 1971,497,504. 7 Mit dem Begriff der Ersatzakzessorietät soll vorläufig sowohl die Schaffung einer rechtsgeschäftlichen Akzessorietät wie die Verbindung von Forderung und Sicherungsrecht durch Bedingungen als Ersatz für die gerade nicht erreichbare volle Akzessorietät bezeichnet werden. Zu dieser Differenzierung vgl. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 72. 8 Dies ist der wirtschaftliche Hintergrund für die weite Verbreitung der fiduziarischen Sicherungsrechte, vgl. BGH v. 23. 9. 1981, NJW 1982, 275, 275; MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn. 2; Soergel/Mühl, Anh. §§ 929-936 Rn. 24; Buchholz, Jura 1990, 300, 303; Hromadka, JuS 1980, 89 ff.; Lange, NJW 1950,565. 9 MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn. 17; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 72.
10 Zutreffend Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 70; v. Tuhr, Allg. Teil II 2, S. 178; Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 87 f.; Jauernig, NJW 1982, 268, 269; Buchholz, Jura 1990, 300, 302; ders., ZIP 1987, 891, 895; Tiedtke, DB 1982, 1709. Verfehlt Behrens, Rückabwicklung, S. 51, 53 ff. und öfters, der die Sicherungsabrede zur causa der Sicherheitenbestellung erhebt. Grundlage für die Ansicht von Behrens ist eine unklare Gesamtbetrachtung von Sicherungszweck und causa, die in anderen Rechtsordnungen durchaus vorkommen mag. Dem deutschen bürgerlichen Recht ist sie hingegen fremd. h Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 f.; Jauernig, NJW 1982, 268, 269; Habersack, JZ 1997, 857, 862; Medicus, JuS 1971,497,497.
I. Das Problem der Ersatzakzessorietät
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der Begriff der Abstraktion auf die Unabhängigkeit des dinglichen Geschäfts von einem schuldrechtlichen Grundgeschäft bezieht12. Grundgeschäft in diesem Sinne ist aber nicht die zu sichernde Forderung 13. Das Grundgeschäft, vom dem die Bestellung des Sicherungsrechts abstrahiert ist, ist vielmehr die Sicherungsabrede14. Insofern sind auch akzessorische Sicherungsrechte abstrakt.15 Soll nun rechtsgeschäftlich eine der Akzessorietät entsprechende Verknüpfung von Sicherungsrecht und zu sichernder Forderung erreicht werden, ist deshalb begrifflich sauber zwischen Fragen der Akzessorietät und des Abstraktionsprinzips zu unterscheiden16. Zwar wird sich zeigen, daß es letztlich um dieselben Sachfragen geht. Dennoch ist es jedenfalls aus heuristischen Gründen17 geboten, die Begriffe wegen ihrer Komplexität auseinanderzuhalten18. Hinsichtlich der Akzessorietät ist zu klären, ob ihre rechtsgeschäftliche Begründung mit der gesetzlichen Typenordnung vereinbar ist, beim Abstraktionsprinzip fragt sich, ob seine (jedenfalls mittelbare) Durchbrechung über die Setzung von Bedingungen mit der Grundentscheidung des BGB für dieses Prinzip 19 vereinbar ist. Eine solche Durchbrechung könnte vorliegen, wenn die Parteien die Wirksamkeit der Sicherungsabrede zur Bedingung der Übertragung des Sicherungsrechts erheben. Vor diesem dogmatischen Hintergrund müssen die einschlägigen Entscheidungen gesehen werden.
2. Rechtsprechungsbeispiele Zu der vorliegenden Problematik hat der BGH in zwei Entscheidungen Stellung genommen. In einem Urteil vom 23. 9. 1981 20 entschied der VIII. Zivilsenat, daß die Vereinbarung einer Sicherungszession entsprechend den wirtschaftlichen Interessen der Parteien regelmäßig so auszulegen sei 21 , daß eine dem Forderungspfand12 Jauernig, NJW 1982, 268,269; ders., JuS 1994,721,721. 13 Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 70; v. Tuhr, Allg. Teil II 2, S. 178; Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 87 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 714; Jauernig, NJW 1982, 268, 268 f. 14 Staudinger/Wiegand , Anh zu §§ 929-931 Rn. 66; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 714; Jauernig, NJW 1982, 268, 268 f.; Buchholz, Jura 1990, 300, 300 f. 15 MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929-936 Rn. 29; Soergel/Mühl, § 930 Rn. 29; Schwab/Prutting, Sachenrecht, § 34 II; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 714. 16 Zutreffend Jauernig, NJW 1982, 268, 268 f.; Buchholz, Jura 1990, 300, 300; Tiedtke, DB 1982, 1709,1709; Wilhelm, Sachenrecht, Rn 714. π Ähnlich Buchholz, Jura 1990, 300, 300. ι» Buchholz, Jura 1990, 300, 300 f. 19 Zu den geschichtlichen Grundlagen vgl. Buchholz, Abstraktionsprinzip, S. 1 ff. 20 BGH v. 23. 9. 1981, NJW 1982, 275. 21 Eine solche Auslegungsregel nehmen auch MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929936 Rn. 21; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 617 f.; Heck, Sachenrecht, S. 433;
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
recht entsprechende Rechtsgrundabhängigkeit der Rechtsübertragung vom zu sichernden Grundgeschäft erreicht würde. 22 Der BGH entnimmt also aus dem von den Parteien verfolgten Sicherungszweck eine Wirksamkeitsverknüpfung beider Rechte: Das Sicherungsrecht solle nur entstehen, wenn auch das zu sichernde Darlehen valutiert wurde 23. Angesichts der durchaus gewichtigen Kritik 24 die das Urteil vom 23. 9. 1981 erfahren hatte, äußerte sich der BGH (VE. Zivilsenat) in seinem Urteil vom 21. 11. 198525 zu den Folgen der Tilgung der gesicherten Forderung26 schon deutlich vorsichtiger. So wird der Begriff der Akzessorietät in dieser Entscheidung, trotz des Bezuges auf das Urteil NJW 1982, 275, gemieden. In der Sache hat sich der VII. Senat jedoch dem Urteil des Vm. Senats angeschlossen, indem er darauf verweist, daß es zur Ermittlung des von den Parteien gewollten Zusammenhanges zwischen Sicherungsgeschäft und zu sichernder Forderung „nicht so sehr auf die äußeren Erklärungen der Beteiligten und ihre Vorstellungen vom rechtlich Notwendigen [ankomme], sondern darauf, welchen Zweck sie mit ihrem Verhalten erreichen [wollten]"27. Zu diesen Entscheidungen in einem nicht aufgelösten Widerspruch28 steht ein Urteil des IX. Senats vom 2. 2. 198429. Hier hatte der BGH zu beurteilen, ob die formularmäßige Vereinbarung einer unbedingten Sicherungsübereignung mit § 9 AGBG vereinbar ist. Die Vereinbarkeit einer unbedingten Sicherungsübereignung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 9 Π Nr. 1 AGBG) wäre zu verneinen, wenn die Sicherungsübereignung als Kautelarsicherheit am Maßstab der gesetzlich geregelten, akzessorisch ausgestalteten Sicherungsrechte zu messen wäre 30. Diesen Maßstab anzulegen, schien durch die Entscheidungen des VII. und VIE. Senats vorgezeichnet. Denn die dortigen Ausführungen beziehen sich nicht nur auf Sicherungszessionen, sondern können auf
Lange, NJW 1950, 565, 569 an. Ablehnend hingegen etwa Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-932 Rn. 200 mit Nachweisen zum Streitstand. 22 BGH v. 23. 9. 1981, NJW 1982,275,276. 23 Buchholz,, Jura 1990, 300, 300; Jauernig, NJW 1982, 268, 269. Zu diesem Urteil auch Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 71 ff. 24 Gerhardt, JZ 1986, 672, 677; MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn 17; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. V, S. 11 f. sowie vor allem Jauernig, NJW 1982, 268 ff. 25 BGH v. 21. 11. 1985, NJW 1986,977. 26 Nachweise zu den in Betracht kommenden Fallgruppen bei Behrens, Rückabwicklung, S. 15 ff. 27 BGH v. 21.11. 1985, NJW 1986,977,977. 28 MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn 17. 29 BGH NJW 1984, 1184; bestätigt in BGH v. 30. 10. 1990, NJW 1991, 353, 353. 30 So M. Wolf, in: Festschrift für Baur (1981), S. 147, 159 ff.; MünchKomm BGB-Quack, Anh. §§929-936 Rn 113.
I. Das Problem der Ersatzakzessorietät
111
jede Form fiduziarischer Sicherung übertragen werden 31 . Dennoch bejahte der DC. Senat die Vereinbarkeit der unbedingten Sicherungsübereignung mit § 9 Π Nr. 1 A G B G . 3 2
3. Rechtsgeschäftliche Akzessorietät und gesetzliche lypenordnung Das BGB sieht, wie sich aus der eher versteckten 33 Vorschrift des § 223 ergibt 34 , akzessorische und nicht-akzessorische Sicherungsrechte vor. 35 Während die nichtakzessorischen, fiduziarischen Sicherheiten vom Gesetzgeber zwar hingenommen 3 6 , aber nicht geregelt wurden 37 , haben die akzessorischen Sicherungsrechte im BGB eine im einzelnen stark ausdifferenzierte 38 Regelung erfahren. Hieraus wird allgemein geschlossen, daß der sachenrechtliche numerus clausus der rechtsgeschäftlichen Begründung weiterer akzessorischer Rechte entgegenstehe39. Das ist zwar im Ansatz richtig, jedoch in den Ergebnissen teils inkonsequent und teils nicht interessengerecht.
31 Zutreffend Jauernig, NJW 1982,268,270; Buchholz, Jura 1990, 300, 301. Jeweils überwiegt der Treuhandcharakter. Es wäre nicht überzeugend, auf die höhere Schutzbedürftigkeit des Treugebers bei der Sicherungszession zu verweisen. Denn auch wenn dem Sicherungsgeber nur bei der Sicherungsübereignung der Schutz des § 936 I 3 BGB zugute kommen kann, verfügt der Sichrungsgeber doch in beiden Fällen nur über einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch. Daß bei der Sicherungszession die Mißbrauchsmöglichkeiten höher sind, kann gegenüber dieser Gemeinsamkeit nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Schließlich ist die Möglichkeit des Mißbrauchs überschießender Rechtsmacht jeglicher treuhänderischen Rechtsübertragung immanent. 32 BGH v. 2. 2. 1984, NJW 1984, 1184, 1184; bestätigt in BGH v. 30. 10. 1990, NJW 1991, 353, 353. 33 Buchholz, Jura 1990, 300, 303, 305. 34 MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929-936 Rn. 3; Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 27; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, S. 2 f.; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 5611 35 Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 189; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 128 f. 36 MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929-936 Rn. 17; ausführlich Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 20 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, S. 1 f.; 37 Gaul, AcP 168 (1968), 351, 357; Hromadka, Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, S. 65 ff.; Buchholz, Jura 1990, 300, 305; vgl. auch Mot. I, 345 = Mugdan I, 542; Mot. III, 337 f. = Mugdan III, S. 187; Prot. III, 3688 = Mugdan ΠΙ, 626 f. 38 Jauernig, NJW 1982,268, 269. 39 Staudinger/Wiegand, Anh. zu §§ 929-931 Rn. 189; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 129; Buchholz, Jura 1990, 300, 303 ff.; Jauernig, NJW 1982, 268, 270; Medicus, JuS 1971, 397,400.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
a) Rechtsgeschäftliche
Akzessorietät und Akzessorietätsersatz
Vor allem Jauernig 40 hat den Unterschied zwischen echter rechtsgeschäftlicher Akzessorietät und der Schaffung eines Akzessorietätsersatzes auf dem Umweg über das Bedingungsrecht betont.41 Wenn zu sichernde Forderung und Sicherungsrecht über eine Bedingung verknüpft werden, ändere dies nichts am Inhalt des übertragenen Rechts42. Gerade eine solche inhaltliche Abhängigkeit des Sicherungsrechts von der zu sichernden Forderung sei aber das Wesensmerkmal der Akzessorietät43. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Bedingungsmodell und der gesetzlichen Akzessorietät soll also darin bestehen, daß die Verknüpfung nur im letzteren Fall zum Inhalt des Rechts gehört, während sie beim rechtsgeschäftlichen Akzessorietätsersatz nur gleichsam von außen auf das Sicherungsrecht einwirkt. Angesichts der mitunter anzutreffenden 44 begrifflichen Unschärfe 45 ist zunächst zu klären, welcher Umstand genau zur aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingung der Rechtsübertragung erhoben werden soll. Da es bei der Akzessorietät um eine Verknüpfung des Sicherungsrechts mit dem Bestand der gesicherten Forderung geht46, muß gerade dieser Umstand, also Entstehung bzw. (teilweises) Erlöschen der Forderung, zur Bedingung für die Rechtsübertragung gemacht werden. Rechtsfolge einer solchen Bedingung wäre der automatische Rückfall des Sicherungsrechts bei Erfüllung der Forderung (§ 158 Π Hs. 1 BGB ). Bei teilweiser Erfüllung fällt das Sicherungsrecht zu dem entsprechenden Anteil an den Sicherungsgeber zurück. Entsteht die zu sichernde Forderung nicht, kann der Sicherungsnehmer das Sicherungsrecht nicht erwerben (§ 1581 BGB). In den Rechtsfolgen sind also keinerlei Unterschiede zur „echten" Akzessorietät auszumachen. Auch die dogmatisch-konstruktiven Unterschiede sind gering. Bedingte Übertragung des Sicherungsrechts bedeutet, daß der Sicherungsnehmer bei der aufschiebenden Bedingung nur ein Erwerbsrecht auf das Sicherungsrecht erwirbt. Bei auflösender Bedingung behält der Sicherungsgeber ein Erwerbsrecht zurück, der Sicherungsnehmer erhält das Sicherungsrecht nur um diese abgespaltene Rechtsposition vermindert. Sowohl bei aufschiebender wie bei auflösender Bedingung erhält der Sicherungsnehmer statt des dinglichen Vollrechts zunächst 40 NJW 1982, 268, 270. 41 Ebenso auch Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 77 f. 42 Jauernig, NJW 1982,268, 270. 43 Jauernig, NJW 1982, 268, 270. Ebenso etwa Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 ff.; Medicus, JuS 1971, 397, 398 f.; rechtsvergleichend Habersack, JZ 1997, 857, 862 ff. 44 Etwa im Urteil BGH v. 23. 9. 1981, NJW 1982,275. 45 Insoweit zurecht kritisch Jauernig, NJW 1982,268,268. 46 Medicus, JuS 1971, 397, 398 f.; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 692 ff., 880.
I. Das Problem der Ersatzakzessorietät
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nur ein Recht auf Erwerb desselben47. Die Erwerbsrechte des Sicherungsgebers wie des Sicherungsnehmers sind in ihrem Bestand von der zu sichernden Forderung abhängig: Wird die zu sichernde Forderung valutiert, erstarkt das Erwerbsrecht des Sicherungsnehmers durch den Eintritt der aufschiebenden Bedingung zum Vollrecht. Umgekehrt wandelt sich das Erwerbsrecht des Sicherungsgebers wieder in das Vollrecht um, wenn die zu sichernde Forderung erlischt. Konstruktiv bedeutet die bedingte Übertragung eines Sicherungsrechts also die Verfügung über Erwerbsrechte, die in ihrem Bestand von einer Forderung abhängig, mithin akzessorisch sind. Deshalb bestehen keine strukturellen Unterschiede zwischen gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Akzessorietät. Es werden lediglich unterschiedliche Rechte zur Sicherung übertragen. Berücksichtigt man diese weitreichende Identität, so fragt sich, ob nicht weitergehend sogar tatbestandlich identische Sicherungsgeschäfte vorliegen. Mit anderen Worten: Die bedingte Sicherungsübereignung könnte eine unrichtig bezeichnete Pfandrechtsbestellung darstellen.
b) Ersatzakzessorietät
und positiver Typenzyvang
Nach der Rechtsprechung des BGH 4 8 bezwecken die Parteien bei einer Sicherungszession eigentlich ein Forderungspfand 49. Die Vollrechtsübertragung ist nur der rechtstechnische Weg, um die gesetzlichen Publizitätsvorschriften (§ 1280 BGB) zu umgehen50. Das gilt natürlich erst recht, wenn die Rechtsübertragung unter einer Bedingung vorgenommen wird. Nach herrschender Lehre ist für die Anwendung der für einen Geschäftstypus geltenden Vorschriften nicht die für das konkrete Geschäft gewählte Bezeichnung, sondern sein Regelungsinhalt maßgebend51. Da jedenfalls die bedingte Sicherungszession ihrem Regelungsziel nach einem Forderungspfandrecht entspricht, müßte konsequent angenommen werden, daß die Parteien „eigentlich" ein Forderungspfandrecht vereinbart haben. Diese Pfandrechtsbestellung würde dann am Erfordernis der Anzeige an den Schuldner (§ 1280 BGB) scheitern und wäre unwirksam. Das vertritt allerdings niemand. Gleichwohl ist dieses interessenwidrige Ergebnis durch die Prämissen der herrschenden Lehre vorgezeichnet und kann nur auf der Grundlage des hier vorgeschlagenen Verständnisses des Typenzwanges auch konstruktiv überzeugend vermieden werden. Denn nach der hier vertretenen Auffassung liegt nicht bloß eine Falschbezeichnung vor. Vielmehr haben die Parteien gerade die Rechtsfolgen einer akzessorischen Sicherungszession gewollt. Ein 47 4
Zum Tatbestand des bedingten Geschäfts s. oben Kapitel 3, III, 2). « BGH v. 23. 9. 1981, NJW 1982, 275, 276.
4
* Ebenso Bahr NJW 1983,1473, 1474; MünchKomm BGB-Roth, § 398 Rn. 95. 50 MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929-936 Rn. 2; Staudinger/Wiegand, §§ 929-931 Rn. 30; Buchholz, Jura 1990, 300, 300. 51 Vgl. die Nachweise oben Fn. 305 ff. 8 Radke
Anh zu
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Forderungspfandrecht kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil es insoweit an einem zureichenden rechtsgeschäftlichen Geltungsgrund fehlt.
c) Gesetzliches Verbot rechtsgeschäftlicher
Akzessorietät?
Denkbar bleibt demnach alleine, dem numerus clausus akzessorischer gesetzlicher Sicherungsrechte zugleich ein striktes Verbot der Begründung weiterer akzessorischer Sicherungsrechte zu entnehmen.52 Das ist jedoch unter mehreren Gesichtspunkten nicht sachgerecht. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, welche Interessen ein solches Verbot rechtfertigen könnten. Das allein in Betracht kommende Interesse an Rechtssicherheit und -klarheit ist hier nicht tragfähig. Denn das Gesetz läßt die fiduziarischen Sicherheiten schließlich prinzipiell zu (s. § 223 Π BGB) und nimmt folglich die mit ihnen verbundenen Einbußen an durch Publizität vermittelter Rechtssicherheit hin. An diesem Befund ändert sich auch nichts dadurch, daß die Begrenzung der Zahl akzessorischer Sicherheiten Ausdruck vielschichtiger, heute nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbarer Wertungsprozesse ist 53 . Erforderlich ist der konkrete Nachweise überwiegender Interessen, die eine Einschränkung der verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie zu legitimieren vermögen. Bei der rechtsgeschäftlich begründeten Akzessorietät kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Das Gesetz läßt in den §§ 158 ff. BGB bedingte Rechtsübertragungen ausdrücklich zu. Da es hier der Sache nach um die Übertragung akzessorischer Erwerbsrechte geht, besteht schon kein Widerspruch zum gesetzlichen numerus clausus. Das Bedingungsrecht ist vielmehr als generelle Erlaubnis zu verstehen, akzessorische Erwerbsrechte zu übertragen bzw. abzuspalten.
4. Ergebnis und Beurteilung der Rechtsprechung Gegen die Rechtsprechung, die eine rechtsgeschäftlich begründete Akzessorietät für möglich hält 54 , sind keine prinzipiellen Einwände zu erheben55. Problematisch ist allerdings, daß BGH NJW 1982, 275 die Begründung rechtsgeschäftlicher Ak52 So im Grundsatz Staudinger /Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 189; Wiegand, 190(1990), 112,129. 53 Vgl. hierzu vor allem Wiegand, in: Festschrift für Kroeschell (1987), S. 623,624 f.
AcP
54 Jedenfalls legen die Formulierungen des BGH diese Annahme nahe. Soweit die einschlägigen Entscheidungen abweichend interpretiert werden (vgl. etwa Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 72 f.), ist dies als Versuch zu werten, die Rechtsprechung des BGH mit den eigenen dogmatischen Prämissen in Übereinstimmung zu bringen. 55 Anders Jauernig, NJW 1982, 268 ff.; Buchholz, Jura 1990, 300 ff.; Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 190; Tiedtke, DB 1982, 1709, 1709 f.; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 77; im Ergebnis zustimmend Bähr, NJW 1983,1473, 1474.
II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz
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zessorietät als Regelfall annimmt.56 Eine bedingte Rechtsübertragung kann mangels ausdrücklicher Vereinbarung nur bei konkreten Zweifeln hinsichtlich des Entstehens der Forderung bzw. der Vertragstreue des Sicherungsnehmers angenommen werden. Nur dann liegt es nahe, daß die Parteien die Entstehung der Forderung zur aufschiebenden und ihre Erfüllung zur auflösenden Bedingung der Rechtsübertragung erheben wollten57.
II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz Ein weiteres Beispiel aus dem Spannungsfeld von rechtsgeschäftlicher Akzessorietät, Bedingungsrecht und Typenzwang bildet die bedingte Bestellung einer Grundschuld. Die Grundschuld hat im Gegensatz zur Hypothek eine Forderung nicht zur Voraussetzung.58 Sie ist deshalb für den Gläubiger das unproblematischere Sicherungsmittel, weil sie flexibler eingesetzt werden kann.59 Angesichts der typischerweise anzutreffenden Unterlegenheit des Sicherungsgebers60 ist es deshalb nicht überraschend, daß im Realkreditverkehr die (Sicherungs-) Grundschuld die Hypothek weitgehend abgelöst hat.61 Den mit der Bestellung einer Grundschuld anstelle einer Hypothek verbundenen Vorteilen für den Gläubiger, stehen indes nicht unerhebliche Nachteile für den Eigentümer gegenüber.62 Zwar setzt die Grundschuld eine Forderung nicht notwendig voraus. Dennoch gibt es praktisch keine isolierten Grundschulden.63 Auch die Grundschuld dient vielmehr regelmäßig der Sicherung einer Forderung. 64 Nur gehört die Forderungsanbindung nicht schon zur gesetzlichen Struktur der Grundschuld. Diese muß daher erst über die 56 Ebenso MünchKomm BGB-Quack, Anh zu §§ 929-936 Rn. 21; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 617; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, S. 143 f.; dies., DB 1994, 2173,2176. 57 Staudinger/Wiegand, Anh zu §§ 929-931 Rn. 198; BGB RGRK-Pikart, § 930 Rn. 66 Erman/Michalski, Anh zu §§ 929-931 Rn. 3 ; Westermann/H.P. Westermann, § 44 III 3; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 714; Reich, AcP 169 (1969), 247,263. 58 Mot. III, 779 = Mugdan III, 435. 59 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 44 I 2; Reithmann, NJW 1977, 661, 661; Lamb, JA 1987, 1, 2. 60 MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 42. 61 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. zu §§ 1191 ff. Rn. 15; MünchKomm BGB-Eickmann, § 1191 Rn. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4412; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 688; Buchholz, AcP 187 (1987), 107, 108; Medicus, Bürg. Recht, R. 493; Lamb, JA 1987, 1, 1; Reithmann, NJW 1977, 661,661 ; Rheinstein, JW 1932, 1759, 1759 62 Lindemann, JW 1931, 2613,2613 f 63 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. zu §§ 1191 ff. Rn. 10; MünchKomm BGB-Eickmann, § 1191 Rn. 6; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4412. 64 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. zu §§ 1191 ff. Rn. 16; MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 4. 8*
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
(schuldrechtliche) Zweckerklärung hergestellt werden.65 In einer solchen Ausgestaltung bildet die Sicherungsgrundschuld einen Fall der Sicherungstreuhand.66 Der Gläubiger erhält im Außerverhältnis mehr an Rechtsmacht, als ihm im Innenverhältnis zum Treugeber gebührt.67 Es ist indes nicht zu verkennen, daß die rein schuldrechtliche Anbindung des dinglichen Verwertungsrechts an den Sicherungszweck gegenüber dem Mechanismus der Akzessorietät für den Eigentümer weniger sicher ist. Nicht von ungefähr hat man daher seit langem versucht, die Sicherungsgrundschuld in den Rechtsfolgen der Hypothek möglichst anzunähern.68 Diese Versuche69 stehen jedoch sämtlich vor dem Problem, daß die Schaffung eines besonderen Regelungstypus der „Sicherungsgrundschuld" mit dem sachenrechtlichen Typenzwang unvereinbar zu sein scheint.70 Weder die Eintragung des Sicherungszwecks ins Grundbuch noch die Anwendung des § 1157 BGB 71 sind daher auf der Grundlage des herkömmlichen Verständnisses des Typenzwangs überzeugend begründbar. Als Ausweg bietet sich die Verwendung von Bedingungen an. Wenn die Valutierung der zu sichernden Forderung zur aufschiebenden und ihre Erfüllung bzw. Einredebehaftetheit zur auflösenden Bedingung der Grundschuldbestellung gemacht werden könnte, ließe sich eine dinglich wirkende Bindung des Verwertungsrechts an den Sicherungszweck erreichen, ohne daß ein Verstoß gegen den numerus clausus der Sachenrechte offenkundig wäre. Sicherlich wird es dem Eigentümer schwerfallen, eine derartige Bedingungsregelung durchzusetzen.72 Gleichwohl ist die Frage der Zulässigkeit bedingter Grundschulden nicht ausschließlich von dogmatischem Interesse. Die Rechtsprechung zur Sicherungszession73 hat gezeigt, daß bei entsprechender Interessenlage auch an die stillschweigende Vereinbarung von Bedingungen zu denken ist. Den65 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. zu §§ 1191 ff. Rn. 18 f.; MünchKomm BGB-Eickmann, § 1191 Rn. 13; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 II 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 859; Weber, AcP 169 (1969), 237, 238. Vgl. bereits Mot. III, 779 = Mugdan III, 435. 66 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. Zu §§ 1191 ff. Rn. 18; MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 12. 67 Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. Zu §§ 1191 ff. Rn. 18. 68 Vgl. bereits die Vorschläge von Lindemann, JW 1931, 2613, 2613 f. 69 Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Eintragungsfähigkeit des Sicherungszwecks. Der BGH (NJW 1986, 53 54) und die herrschende Lehre verneinen die Eintragungsfähigkeit (vgl. etwa Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 129; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 III 1 c; Soergel/Konzen, § 1191 Rn. 5; Erman/ Ràfie, § 1191 Rn. 6), MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 41 entscheidet anders. 70 Sojedenfalls die herrschende Lehre: Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 129; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 III 1 c; Soergel/Konzen, § 1191 Rn. 5; Erman/ Ràfie, § 1191 Rn. 6. 71 Hierzu Buchholz. AcP 187 (1987), 107, 128 ff. 72 Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 46; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 II 3 b); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 862 mit Fußn. 1279; Boemke-Albrecht, JuS 1991, 309, 311; Lamb, JA 1987, 1, 3. 73 BGH v. 23.9. 1981, NJW 1982,275,276; v. 21. 11. 1985, NJW 1986,977; v. 2.2.1984, NJW 1984, 1184; v. 30. 10. 1990, NJW 1991, 353. Dazu oben Kapitel 4,1, 2).
II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz
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noch ist nicht zu verkennen, daß es sich vorwiegend um eine akademische Fragestellung handelt. Allerdings werden hier Grundsatzfragen des sachenrechtlichen Typenzwangs berührt, die auch schon für sich genommen eine eingehendere Betrachtung lohnend erscheinen lassen.
1. Die mögliche Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung Während die Rechtsprechung keine Bedenken gegen eine bedingte Grundschuldbestellung hat 74 , wird dies im Schrifttum 75 teilweise für unzulässig gehalten: Eine bedingte Grundschuld stelle in Wahrheit eine unbedingte Hypothek dar 76 oder die bedingte Bestellung der Grundschuld sei mit ihrer Forderungsunabhängigkeit nicht zu vereinbaren. 77 Jeweils beruht die Ablehnung einer bedingten Grundschuldbestellung direkt oder indirekt auf einem bestimmten Verständnis des sachenrechtlichen Typenzwangs. Doch ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansätzen erst nach Klärung von zwei Vorfragen möglich. Zunächst ist Klarheit über die gesetzlichen Typen „Hypothek" und „Grundschuld" sowie die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede unerläßlich. Anschließend ist zu fragen, inwiefern eine bedingte Grundschuldbestellung mit der gesetzlichen Typenordnung unvereinbar sein kann. Erst auf dieser Grundlage kann im einzelnen gefragt werden, welche Sachgesichtspunkte gegen die Zulässigkeit bedingter Grundschulden angeführt werden können.
a) Abstraktion und Akzessorietät Nicht immer klar genug von einander geschieden werden die Grundsätze der Akzessorietät und der Abstraktion.78 So wird die Grundschuld mitunter als „abstraktes" Sicherungsrecht der akzessorischen Hypothek gegenübergestellt.79 74 RG v. 18. 9. 1934, JW 1934, 3124, 3125; OLG Celle v. 4. 3. 54, DNotZ 1954,473,473. 75 Vor allem Jauernig/Jauernig, § 1191 Rn. 8 und Staudinger/Wolf Steiner, § 1191 Rn. 4. Ebenso: Weber, Sicherungsgeschäfte, S. 159; ders., AcP 169 (1969), 237, 241 mit Fußn. 20; Friedrich, NJW 1968, 1655, 1656; zweifelnd Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 II 3 b); Soergel/Konzen, § 1192 Rn. 12. Aus dem älteren Schrifttum Rheinstein, JW 1932, 1759, 1760; Rissen, JW 1906, 803, 805. 76 So Rissen, JW 1906, 803, 805; ähnlich auch Friedrich, NJW 1968, 1655,1655. 77 Jauernig/Jauernig, § 1191 Rn. 8; Staudinger/Wolfsteiner, § 1191 Rn. 4; Weber, Sicherungsgeschäfte, S. 159; ders., AcP 169 (1969), 237, 241 mit Fußn. 20; Friedrich, NJW 1968, 1655,1656. 78 Zum Folgenden ausführlich Weber, AcP 169 (1969), 237, 238 ff. 79 Vgl. etwa Staudinger/Wolfsteiner, Vorb. Zu §§ 1191 ff. Rn. 2.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Hierin liegt indes genau besehen kein Gegensatz.80 Die Hypothek ist ebenso abstrakt wie die Grundschuld, das heißt ihre Bestellung ist unabhängig von dem zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft. Dieses Verpflichtungsgeschäft ist weiterhin zu trennen von der zu sichernden Forderung.81 Sie bildet nicht die causa der Sicherheitenbestellung, sondern nur den Anlaß für das entsprechende Verfügungsgeschäft. Dessen Rechtsgrund ist bei Hypothek und Sicherungsgrundschuld gleichermaßen die Sicherungsabrede.82 Hypothek und Grundschuld unterscheiden sich mithin nicht hinsichtlich eines größeren oder geringeren Grades an Abstraktion von einander.83 Der Unterschied liegt vielmehr allein in dem Mechanismus der Forderungsanbindung84 begründet. Bei der Hypothek als einem akzessorischen Sicherungsrecht bestimmt sich nämlich der Inhalt des Sicherungsrechts automatisch nach dem Inhalt der zu sichernden Forderung. Eine besondere Abrede hierüber ist im Regelfall entbehrlich. Demgegenüber ist die Sicherungsgrundschuld nicht-akzessorisch. Eine Anbindung des Sicherungsrechts an die zu sichernde Forderung kann nur über eine besondere schuldrechtliche Abrede erreicht werden, die allerdings nicht unmittelbar den Inhalt des Sicherungsrechts zu bestimmen vermag.
b) Das zugrundeliegende
Verständnis
des Typenzwangs
aa) Bedingte Grundschuld und Hypothek Durch die bedingte Bestellung einer Grundschuld soll diese in den Rechtsfolgen einer Hypothek weitgehend angenähert werden. Darüber hinausgehend sogar in der Bestellung einer bedingten Grundschuld eine unbedingte Hypothekenbestellung zu finden 85, erscheint dennoch kaum vertretbar. Das ist offenkundig, wenn man der hier zugrundegelegten Konzeption des bedingten Rechtsgeschäfts folgt: Durch die bedingte Bestellung einer Grundschuld entsteht für den Sicherungsnehmer ein Erwerbsrecht auf Erwerb der Grundschuld. Da die Grundschuldbestellung zugleich auflösend bedingt erfolgt, ist dieses Erwerbsrecht um ein beim Eigentümer verbleibendes Erwerbsrecht vermindert. Mithin hat der Sicherungsnehmer noch kein vollwertiges Grundpfandrecht erlangt, sondern nur ein hiervon verschiedenes dingliches Recht. Bei (unbedingter) Bestellung einer Hypothek erwirbt der so MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 10; Wilhelm, AcP 169 (1969), 237,238. 81 Buchholz, AcP 187 (1987), 107,109. 82 Buchholz, AcP 187 (1987), 107, 109. 83 MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 10; Wilhelm, AcP 169 (1969), 237, 238.
Sachenrecht, Rn. 714; Weber,
Sachenrecht, Rn. 714; Weber,
84 Zur Akzessorietät als rechtstechnischem Mechanismus der Verknüpfung von zu sichernder Forderung und Sicherungsrecht vgl. Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 48 ff.; rechtsvergleichend Habersack, JZ 1997, 857, 862 ff. m So Rissen, JW 1906,803, 805; ähnlich auch Friedrich, NJW 1968,1655,1655.
II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz
119
Hypothekar indes auch schon vor Valutierung ein vollwertiges Grundpfandrecht 86 für eine künftige Forderung 87, beziehungsweise, nach herkömmlicher Ansicht, eine Anwartschaft auf ein Grundpfandrecht. Schon tatbestandlich bestehen also deutliche Unterschiede zwischen beiden Verfügungen. Aber auch nach herkömmlichem Verständnis sind bedingte Grundschuldbestellung und unbedingte Bestellung einer Hypothek keineswegs identisch. Durch die Bedingungen, die der Grundschuldbestellung beigefügt werden, wird die Grundschuld der Hypothek zwar in dem wichtigen Punkt der Forderungsanbindung angenähert. Weder hier noch im übrigen wird indes Identität erreicht noch auch nur angestrebt. Nicht gewollt ist etwa eine Erschwerung der Forderungsauswechslung (vgl. §1180 BGB). Auch unterscheiden sich die Rechtsfolgen der Zahlung auf die gesicherte Forderung. Bei auflösend bedingter Grundschuldbestellung erlischt dann das Grundpfandrecht (§ 158 Π Hs. 2 BGB), wohingegen bei der Hypothek das Grundpfandrecht als Eigentümerhypothek oder Eigentümergrundschuld vom zahlenden Eigentümer erworben wird (§1163 BGB). Die bedingte Grundschuldbestellung entspricht mithin schon tatbestandlich nicht dem Typus einer Hypothek. Auf die Frage eines positiven Typenzwangs kommt es daher nicht mehr an. Die bedingte Bestellung einer Grundschuld als unbedingte Hypothekenbestellung anzusehen88, ist demnach unzutreffend.
bb) Der gesetzliche Typenzwang als Verbotsgesetz Von diesem Ausgangspunkt kann man zur Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung nur kommen, wenn in der gesetzlichen Ausgestaltung der Grundschuld als einem abstrakten, nicht-akzessorischen Verwertungsrecht ein Verbot, ihre Bestellung von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen, mitenthalten ist. Ob ein solches Verbot begründbar ist, kann an dieser Stelle noch offen bleiben.89 Von vorrangigem Interesse ist nämlich die methodische Grundlage für die Annahme eines derartigen Verbotstatbestandes. Üblicherweise wird der numerus clausus der Sachenrechte insofern als Erweiterung des Handlungsspielraums der Privatrechtssubjekte begriffen, daß ohne die Normierung bestimmter Typen die Begründung von beschränkten dinglichen Rechten überhaupt unmöglich wäre. 90 Nach diesem Verständnis sind rechtsge86 Darauf, ob auch die Grundschuld ein Grundpfandrecht ist, oder ob sie als besondere Form der Immobiliarsicherheit dem Grundpfandrecht „Hypothek" gegenüberzustellen ist, kommt es hier nicht an. Letztlich dürfte es sich ohnehin nur um eine terminologische Frage handeln. Zum Problem ausführlich Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 686. 87 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 686 ff. mit Nachweisen. 88 So Rissen, JW 1906, 803, 805. 89 Dazu nachfolgend Kapitel 4, II, 2.
» Vgl. oben Kapitel 2, IV.
120
4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
schäftliche Gestaltungen, die keinem der vorgeprägten Typen entsprechen, zwar ohne weiteres als unwirksam zu erweisen. Liegt hingegen kein ultra-vires-Geschäft im Sinne dieses Verständnisses vor, kann die Unwirksamkeit des Geschäftes mit dem sachenrechtlichen Typenzwang nicht schlüssig begründet werden. Wird doch lediglich eingeräumte Gestaltungsfreiheit in Anspruch genommen. Wenn dennoch die Unwirksamkeit einer bedingten Grundschuldbestellung aufgrund des sachenrechtlichen Typenzwangs behauptet wird 91 , wird hiermit der methodische Ausgangspunkt verlassen. Denn Umgehungsgeschäfte können nur erfaßt werden, wenn man die gesetzliche Typenordnung nicht als Erweiterung, sondern als Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen bestimmter materialer Schutzzwecke begreift. Es ist hingegen widersprüchlich, den gesetzlichen Typenzwang zugleich als Erweiterung und Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Handlungsmöglichkeiten anzusehen. Beide Ansätze schließen sich vielmehr aus.
2. Mögliche Gründe für eine Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung Anders als noch im Ersten Entwurf 92 findet sich im geltenden Recht kein ausdrückliches Verbot, die Grundschuld unter einer Bedingung zu bestellen.93 Allein dieser Umstand erlaubt indes keine eindeutige Entscheidung für oder gegen die Zulässigkeit bestimmter Bedingungen.94 Die Bedingungsfeindlichkeit kann sich schließlich auch implizit aus der Normierung von Grundschuld und Hypothek ergeben. Unverzichtbar ist es freilich, die Gründe zu benennen, die angesichts der Normierung zweier Typen dinglicher Verwertungsrechte die Unzulässigkeit einer Annäherung beider Typen über das Bedingungsrecht erfordern. Der bloße Verweis auf die Existenz zweier verschiedener Grundpfandrechtstypen benennt demgegenüber nur das Problem, ohne es bereits zu lösen.95 a) Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz Nach dem sachenrechtlichen Spezialitätsprinzip muß sich jede Verfügung auf einen genau individualisierten Gegenstand beziehen.96 Warum dieser Grundsatz bei 91 Jauernig/Jauernig, § 1191 Rn. 8; Staudinger/Wolf Steiner, § 1191 Rn. 4. 92 Mot. III, 787 = Mugdan III, 439. Die zweite Kommission hat diese Vorschrift gestrichen, Prot. III, 710. Dazu Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 44. 93 MünchKomm BGB-Eickmann, § 1191 Rn. 19; Staudinger/Wolf Steiner, § 1191 Rn. 4; Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 44 94 Insoweit zutreffend Staudinger/Wolfsteiner, § 1191 Rn. 4. Anders Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 44. 95 Unzutreffend daher Jauernig/Jauernig, § 1191, Rn. 4.
§ 1191 Rn. 8 und Staudinger/Wolf
Steiner,
II. § 1192 BGB als Verbotsgesetz
121
der bedingten Bestellung einer Grundschuld verletzt sein soll97, ist indes nicht ohne weiteres ersichtlich. Verfügungsgegenstand bei der bedingten Bestellung einer Grundschuld ist nach der hier vertretenen Auffassung ein Erwerbsrecht. Vor Valutierung der zu sichernden Forderung erhält der Sicherungsnehmer ausschließlich dieses Erwerbsrecht. Das Erwerbsrecht selbst ist indes als Verfügungsgegenstand eindeutig bestimmt. Zwar ist es in Inhalt und Bestand von dem zur Bedingung erhobenen Umstand abhängig; es ist insofern akzessorisch. Hieraus kann jedoch nicht auf eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes geschlossen werden. Denn diese Form der Abhängigkeit eines dinglichen Rechts begegnet auch sonst nicht selten (vgl. nur die Regelung der Vormerkung, §§ 883 ff. BGB). Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz steht mithin einer bedingten Grundschuldbestellung nicht entgegen.
b) Die Verkehrsfähigkeit
der Grundschuld
Auch der Gedanke der besonderen Verkehrsfähigkeit der Grundschuld ist gegen ihre bedingte Bestellung angeführt worden.98 Die besondere Verkehrsfähigkeit der Grundschuld ist indes stets ein problematischer Argumentationstopos. Hinter ihm verbergen sich häufig übersteigerte Sicherungsinteressen des Gläubigers.99 Aber auch von diesem Bedenken gegen die Heranziehung der Verkehrsfähigkeit der Grundschuld als Argument für die Bedingungsfeindlichkeit ihrer Bestellung abgesehen, werden Verkehrsinteressen durch eine bedingte Bestellung der Grundschuld in keiner Weise beeinträchtigt. Soweit die Bedingung nicht im Grundbuch eingetragen ist, ist der Rechtsverkehr durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs hinreichend geschützt (§§ 161 ΠΙ, 892 BGB). Im Falle ihrer Eintragung ist der Rechtsverkehr hierdurch ausreichend gewarnt.
c) Der Inhalt des Grundpfandrechts Es mag zutreffen, daß der Sicherungszweck bei der Grundschuld nicht zum Inhalt des Verwertungsrechts gemacht werden kann. 100 Allerdings verändert die bedingte Grundschuldbestellung den gesetzlich vertypten Inhalt der Grundschuld 96
MünchKomm BGB-Quack, Einl. Sachenrecht Rn. 50; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 III; Schwab/Prüttting, SachenR, § 41. 97 Staudinger/Wolfsteiner, § 1191, Rn. 4; Rissen, JW 1906,803,805; Bruhn, RPfl 1955,76. 98 Staudinger/Wolfsteiner, § 1191, Rn. 4; Friedrich, NJW 1968, 1655, 1656; Weber, AcP 169 (1969), 237, 242. 99 MünchKomm-Eickmann, § 1191 Rn. 42. 100 So BGH v. 30. 4. 1985, NJW 1986, 53, 54; Palandt/Bassenge, § 1191, Rn. 13; Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 139. Andere Auffassung allerdings etwa MünchKomm-Eickmann, § 1191 Rn. 41; Friedrich, NJW 1968, 1655, 1659; Lopau, NJW 1972,2253,2256.
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
überhaupt nicht. Die hier vorliegende Verfügung überträgt ein selbständiges dingliches Recht, ein Recht auf Erwerb der Grundschuld. Dessen Inhalt als Abspaltung aus dem beschränkten dinglichen Recht „Grundschuld" und damit als mittelbare Abspaltung aus dem Eigentum bestimmt sich nach den §§ 161-163 BGB. Angesichts der somit gesetzlich normierten Möglichkeit bedingter Verfügungen wird durch die bedingte Bestellung einer Grundschuld diese nicht in ihrem Inhalt verändert, sondern lediglich ein Teilrecht abgespalten, dessen Inhalt seinerseits gesetzlich normiert ist.
d) Überlastung des Grundbuchs Die Eintragung zahlreicher ineinandergreifender Bedingungen könnte möglicherweise dazu führen, daß das Register unübersichtlich wird. Hier ist jedoch zu bedenken, daß das Grundbuch die materielle Rechtslage möglichst exakt wiederzugeben hat. 101 Es hieße hingegen die Funktion des Grundbuchs zu verkennen, wollte man die materiell-rechtliche Zulässigkeit bestimmter Gestaltungen nach dem Grad der Schwierigkeit ihrer grundbuchmäßigen Verlautbarung beurteilen. Wird eine Grundschuld aufschiebend bedingt bestellt, erhält der Sicherungsnehmer bis zum Bedingungseintritt lediglich ein Erwerbsrecht. Würde die Bedingung also nicht in das Grundbuch eingetragen, wäre das Register unrichtig. Denn eine Grundschuld hat der Sicherungsnehmer ja gerade noch nicht erworben. Mithin bedeutet die Eintragung der Bedingung nur eine Grundbuchberichtigung. Entsprechendes gilt für die auflösend bedingte Grundschuldbestellung. Auch hier erwirbt der Sicherungsnehmer keine vollständige Grundschuld. Diese ist vielmehr um ein beim Eigentümer verbleibendes Erwerbsrecht vermindert. Dessen Eintragung berichtigt gleichfalls das Grundbuch.
3. Privatautonomie und Grundpfandrecht Inhaltlich überzeugende Gründe gegen die Zulässigkeit bedingter Grundschulden lassen sich nicht aufweisen. Hieraus folgt, daß der sachenrechtliche Typenzwang einer bedingten Grundschuldbestellung nicht entgegenstehen kann. 102 Besonderer Gründe für die Zulässigkeit bedingter Grundschulden bedarf es nicht. Denn nicht die Inanspruchnahme der Privatautonomie ist begründungsbedürftig, sondern nur ihre Einschränkung. ιοί MünchKomm BGB-Wacke, Vor § 873 Rn. 14. 102 Im Ergebnis ebenso MünchKomm BGB -Eickmann, § 1191 Rn. 19; Planck/Strecker, § 1191 Rn. 3; Erman/Räfle, § 1191 Rn. 8; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 862; Huber, Sicherungsgrundschuld, S. 47 f.; Lamb, JA 1987, 1, 3; Boemke-Albrecht, JuS 1991, 309, 311; Süß, JW 1934,3124,3125.
III. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
123
Die praktische Relevanz bedingter Grundschulden mag gering sein.103 Von kaum zu überschätzender Bedeutung ist es jedoch, die Grenzen der Privatautonomie im Recht der Immobiliarsicherheiten zutreffend zu bestimmen. Insofern ist der sachenrechtliche Typenzwang nur eine Chiffre für möglicherweise existierende Sachgründe, auf die die Unzulässigkeit bestimmter Gestaltungen gestützt werden kann. Er ersetzt diese aber nicht. Auch im Recht der Immobiliarsicherheiten bilden nurberwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit eine Schranke privatautonomer Gestaltungen. Diese müssen stets konkret benannt werden können. Der Verweis auf die Existenz eines Typenzwangs ist für sich genommen nicht ausreichend.
4. Zusammenfassung Die bedingte Bestellung von Grundschulden stellt sich sachlich als die Übertragung bzw. Abspaltung von Erwerbsrechten dar. Diese Erwerbsrechte richten sich in Inhalt und Bestand nach dem Umstand, der von den Beteiligten zur Bedingung erhoben wurde. Ist die Valutierung einer Forderung Bedingungsumstand, kann man sagen, daß das Erwerbsrecht insoweit akzessorisch ist. Die jeweiligen Bedingungen sind auch eintragungsfähig. Denn ihre Eintragung ist nichts anderes als die Berichtigung des Grundbuchs. Überwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit stehen der bedingten Bestellung von Grundschulden nicht entgegen. Allein der Verweis auf die Existenz zweier unterschiedlicher Typen von Immobiliarsicherheiten vermag die Unzulässigkeit bedingter Grundschulden nicht zu begründen.
I I I . Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament 1. Einführung Das Bedürfnis, Planungsrisiken durch Einfügung einer Bedingung präventiv zu berücksichtigen, ist bei Verfügungen von Todes wegen besonders groß. Hier ist es dem Erblasser nur auf diesem Weg möglich, auf künftige Entwicklungen Einfluß zu nehmen. Deshalb ist es sachgerecht, daß die §§ 2074, 2075 BGB die Zulässigkeit bedingter Verfügungen von Todes wegen ohne weiteres voraussetzen104. In einem praktisch höchst bedeutsamen Bereich letztwilliger Verfügungen 105 trifft 103 Zutreffend Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 862. 104 Palandt/Edenhof er, § 2074 Rn. 1; Erman/ M. Schmidt, § 2074 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 34IV 3e; Brox, Erbrecht, Rn. 212; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 433. 105 Zur Bedeutung des berliner Testaments" vgl. Stöcker, FamRZ 1971, 609, 612; Leipold, AcP 180 (1980), 161, 200; Battes, Gemeinschaftliches Testament, S. 218 ff.; Brox, Erbrecht, Rn. 175.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
indes ein herausragendes Bedürfnis für eine flexible Reaktionsmöglichkeit auf zukünftige Unwägbarkeiten auf eine ebenso bemerkenswerte Vielfalt dogmatischer Konstruktionsmöglichkeiten, die die praktische Umsetzung erschweren: Die Rede ist vom gemeinschaftlichen Ehegattentestament (§§ 2265 ff. BGB) mit Einheitslösung106. Setzen die Ehegatten einander zu Erben ein und bestimmen sie einen Dritten (in der Regel die gemeinsamen Kinder) zu (Schluß-) Erben, so entspricht es nicht nur der gesetzlichen Auslegungsregel107 des § 22691 BGB, sondern auch der familienund alterssoziologisch typischerweise anzutreffenden Willensrichtung der Ehegatten 108 , daß der überlebende Ehegatte zur Sicherung des während der Ehe (mit-) erarbeiteten Lebenszuschnitts auch weiterhin das Vermögen des verstorbenen Gatten alleine verwalten und darüber verfügen, also Vollerbe werden soll. Diese Lösung ist jedoch dann nicht mehr ohne weiteres interessengerecht, wenn die Ehegatten die Möglichkeit einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten mitbedenken109. Um sicherzustellen, daß die als Schlußerben eingesetzten Personen (in der Regel also die gemeinsamen Kinder) nicht gegenüber Abkömmlingen des überlebenden Ehegatten aus zweiter Ehe oder gegenüber dem neuen Ehegatten durch lebzeitige Verfügungen benachteiligt werden, sind sogenannte Wiederverheiratungsklauseln 110 üblich geworden. Darunter sind letztwillige Anordnungen des Inhalts zu verstehen, daß der überlebende Ehegatte im Falle seiner Wiederverheiratung den Nachlaß des Erstverstorbenen ganz oder teilweise an den oder die Schlußerben herausgeben soll 111 . Zwar kommen solche Wiederverheiratungsklauseln auch in Form bedingter Vermächtnisse vor 112 . Die vorliegend ausschließlich interessierenden Rechtsfragen im Grenzbereich von Bedingungsrecht i06 Zur grundlegenden Unterscheidung zwischen Einheits- und Trennungslösung vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 24 II \\Brox, Erbrecht, Rn. 185 f. io? Es handelt sich nicht um eine gesetzliche Vermutung: BGH v. 15. 12. 1956, BGHZ 22, 364, 366; Palandt/Edenhofer, § 2269 Rn. 5. 108 Zu den sozialen Rahmenbedingungen gemeinschaftlicher Testamente s. Buchholz, Wiederverheiratung, S. 31 ff. !09 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 10; Forster, Wiederverheiratungsklausel, S. 3; Zawar, in: Festschrift für Schippel (1996), S. 327, 327 f.; Palandt/Edenhofer, § 2269 Rn. 16. ho Die im (nach-) klassischen Römischen Recht geläufigen poenae secundarum nuptiarum verbanden zum Schutz der Abkömmlinge aus erster Ehe mit der Wiederverheiratung Vermögensnachteile für den überlebenden Ehegatten. Im Zuge der Rezeption des römisch-kanonischen Rechts wurden diese poenae auch in Deutschland üblich. Daß BGB folgte allerdings der bereits bei anderen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Tendenz und knüpfte an die Wiederverheiratung keine negativen Rechtsfolgen für den überlebenden Ehegatten. Vgl. hierzu im einzelnen Forster, Wiederverheiratungsklausel, S. 5-44. Zur gemeinrechtlichen Praxis siehe Geiger, ZCP XIX (1844), 198 ff. m BGB-RGRK-Johannsen, § 2269 Rn. 19; Soergel/M. Wolf, § 2269 Rn. 26; MünchKomm BGB-Musielak, § 2269 Rn. 45; Palandt/Edenhofer, § 2269 Rn. 16. h 2 Forster, Wiederverheiratungsklausel, S 54; Zawar, Vermächtnis, S. 21; ders. in: Festschrift für Schippel (1996), S. 327, 328; Simshäuser, FamRZ 1972, 273, 273 f.
III. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
125
und Typenzwang stellen sich indes nur bei dinglichen Wiederverheiratungsklauseln. Ausgegangen werden soll dabei von der durchaus gängigen Variante, nach der der überlebende Ehegatte bei seiner Wiederverheiratung den gesamten Nachlaß an den oder die Schlußerben herausgeben muß 113 .
2. Die Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel Die Vorschläge zur dogmatischen Einordnung der Wiederverheiratungsklausel sind zahlreich. 114 Wilhelm spricht sogar von einem „Wirrwarr" 115. Nach noch vorherrschender Auffassung 116 soll die Aufnahme einer Wiederverheiratungsklausel in ein gemeinschaftliches Testament zu einem Ineinandergreifen zweier Bedingungen führen: Neben einer bedingten Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten soll eine bedingte Vorerbschaft anzunehmen sein, wobei der Eintritt der Vor- und Nacherbfolge bedingt sei durch Wiederheirat bzw. Nichtwiederheirat des Längerlebenden. Die Wiederheirat soll dabei zugleich Nacherbfall sein 117 . Innerhalb dieses bis vor kurzem nahezu allgemein akzeptierten Ausgangspunktes, den auch die Rechtsprechung teilt, war lediglich umstritten, ob die Vor- und Nacherbschaft aufschiebend oder auflösend bedingt ist. Vor allem die Rechtsprechung nimmt eine auflösend bedingte Vollerbschaft und eine aufschiebend bedingte Vorerbschaft des überlebenden Ehegatten an 118 . Daneben wird auch die reziproke Konstruktionsmöglichkeit einer auflösend bedingten Vorerbschaft neben einer aufschiebend bedingten Vollerbschaft vertreten 119. Eine vermittelnde Auffassung will schließlich nach dem jeweiligen Erblasserwillen differenzieren. Soll der Ehegatte möglichst frei gestellt werden, sei eine auflösend bedingte Vollerbschaft anzunehmen. Soll er hingegen zugunsten der Schlußerben Beschränkungen unterliegen, sei die umgekehrte Konstruktion vorzuziehen120.
U3 Zu abweichenden Gestaltungen vgl. Buchholz, Wiederverheiratung, S. 19 f. mit Formulierungsbeispielen aus der Praxis, m Zawar, in: Festschrift für Schippel (1996), S. 327, 332. us Wilhelm, NJW 1990,2857, 2858. 116 So schätzt jedenfalls Palandt/Edenhofer, §2269Rn. 17 die Machtverhältnisse ein. in Meier-Kraut, NJW 1992, 143, 144; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 239. us KG v. 30. 11. 1911, KGJ 42 (1912), 109, 111; seitdem st. Rspr. des KG (Nachweise bei Buchholz, Wiederverheiratung, S. 27 ff.); RG v. 25. 11. 1937, RGZ 156, 172, 181; BGH v. 6. 11. 1985, BGHZ 96, 198, 203; OLG Hamm v. 9. 7. 1971, DNotZ 1972, 96, 97; der Rechtsprechung folgend Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn. 41 f.; Palandt/Edenhofer, § 2269 Rn. 17; Strötz, Wiederverheiratungsklausel, S. 65 ff.; weitere Nachweise bei Meier-Kraut, NJW 1990, 144. 119 V. Lübtow, Erbrecht II, S. 918 f.; Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen von Todes wegen, S. 258; Heldrich, Erbrecht, S. 111. 120 MünchKomm BGB-Musielak, § 2269 Rn. 56 ff.; Forster, Wiederverheiratungsklausel, S. 97 ff.; Meier-Kraut, NJW 1992, 143, 144 f.; Leipold, FamRZ 1988, 352, 353.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Im Vordringen 121 begriffen ist allerdings eine Auffassung, die eine bedingte Vor- und Nacherbschaft entweder für begrifflich unmöglich122 oder doch jedenfalls für verzichtbar hält 123 : Die Wiederverheiratungsklausel mache den überlebenden Ehegatten stets zum bloßen Vorerben. Auch wenn eine Vor- und Nacherbfolge bis zum Wiederverheiratungsfall nicht gewollt sei, liege tatbestandlich die Anordnung dieses Regelungsmodells vor. Ein abweichender Parteiwille sei demgegenüber unbeachtlich124. „Entia non sint multiplicanda praeter necessitatem" - Angesichts des erheblichen begrifflichen Aufwandes zu Erklärung einer geradezu alltäglichen125 Form letztwilliger Verfügungen drängt sich die Frage auf, ob die genannten Bedingungskonstruktionen einer Prüfung am Maßstab dieser erstmals von dem scholastischen Philosophen Ockham formulierten elementaren wissenschaftstheoretischen Maxime der Einfachheit 126 standzuhalten vermögen. Das ist nur dann der Fall - und nur dann lohnt sich eine weitere Prüfung - , wenn sich allein auf diesem Weg das von den Ehegatten mit dem gemeinschaftlichen Testament verfolgte Regelungsziel verwirklichen läßt. Nach der hier vertretenen 127 Auffassung entspricht es typischerweise dem Willen der die Einheitslösung wählenden Erblasser, den überlebenden Ehegatten möglichst frei zu stellen. Als Kern des Problems erweisen sich damit diejenigen Beschränkungen eines Vorerben, von denen gemäß § 2136 BGB keine Befreiung erteilt werden kann. Es geht dabei um das Verbot, unentgeltlich über Nachlaßgegenstände zu verfügen (§ 2113 I I BGB), die Auskunftspflichten nach §§ 2121 f. BGB, die Schadensersatzpflicht aus § 2138 Π BGB, die von § 2111 BGB angeordnete dingliche Surrogation 128, sowie die von § 51 GBO geforderte Eintragung eines Nacherbenvermerks 129. Soweit der überlebende Ehegatte auf dem Umweg über das Bedingungsmodell letztlich doch wie ein (befreiter) Vorerbe behandelt werden soll 130 , werden nicht 121 Ebenso die ältere Rechtsprechung, zuletzt OLG Naumburg v.22. 11. 1920, Recht 1921, Nr. 1396. Übereinstimmend Asbeck MDR 1959, 897, 898; ders., DB 1961, 869, 870. 122 Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 24IV 3c. 123 Zawar, DNotZ 1986, 515, 545 f.; ders., NJW 1988, 15, 18; ders., in: Festschrift für Schippel (1996), S. 327, 335 f. 124 Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860. 125 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 12; Stöcker, FamRZ 1971, 609, 612; Leipold, AcP 180 (1980), 161, 200; Battes, Gemeinschaftliches Testament, S. 218 ff.; Brox, Erbrecht, Rn. 175. 126 Siehe hierzu etwa Essler, Analytische Philosophie, S. 199,212. 127 Im Anschluß an Buchholz, Wiederverheiratung, S. 31 ff. 128 Ob der Vorerbe von den Beschränkungen des § 2111 BGB befreit werden kann, ist streitig, vgl. etwa M. Wolf, JuS 1981,14 ff. 129 Bereits 1907 ging das KG davon aus, daß bei einem gemeinschaftlichen Testament mit Wiederverheiratungsklausel ein solcher Vermerk in das Grundbuch einzutragen sei (KG v. 22. 11. 1906, KGJ 33 [1907], 176, 178). 130 V. Lübtow, Erbrecht II, S. 918 f.; Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen von Todes wegen, S. 258; Heldrich, Erbrecht, S. 111.
III. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
127
nur die Wertung des § 2269 I BGB und der typische Erblasserwille verfehlt. Zusätzlich ist die Konstruktion auch noch unnötig kompliziert: Wenn der überlebende Ehegatte als Vorerbe behandelt werden soll, ist es einfacher, gleich eine unbedingte Vor- und Nacherbschaft zu bejahen. Eine sachliche Berechtigung hat die Beschäftigung mit Zulässigkeit und Rechtsfolgen von Bedingungskonstruktionen daher nur dann, wenn mit ihnen wirkliche Rechtsfolgenunterschiede verbunden sind, genauer: wenn eine bedingte Vorerbschaft den überlebenden Ehegatten von den nach § 2136 BGB „an sich" unabdingbaren Beschränkungen freizustellen vermag.
3. Bedingte Erbeinsetzung und Vor- und Nacherbfolge a) Vor- und Nacherbfolge kraft erbrechtlichen
Typenzwangs
Wilhelm begründet seine Ablehnung der verbreiteten Vorstellung, die Wiederverheiratungsklausel enthalte neben der bedingten Erbeinsetzung des Ehegatten auch die (nur) bedingte Anordnung einer Nacherbfolge mit seinem Verständnis131 des bedingten Rechtsgeschäfts. Durch die Setzung einer Bedingung werde die Geltung des Rechtsgeschäfts begrenzt 132. Diese Beschränkung liege darin, daß durch die rechtsgeschäftliche Regelung die Rechtsfolgen des Geschäfts aufgeschoben oder beschränkt werden 133. Demgegenüber könne die Bedingungswirkung nicht neben der Beschränkung der Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Regelung auch noch als beschränkte Geltung der Regelung selbst verstanden werden 134. Durch die Wiederverheiratungsklausel werde die Rechtsstellung des überlebenden Gatten begrenzt und die der Kinder aufgeschoben 135. Diese Rechtsfolgengestaltung werde aber vom Gesetz als Vor- und Nacherbfolge behandelt. Die Annahme, die bereits aufgrund der bedingten Einsetzung des Ehegatten bestehende Vor- und Nacherbfolge sei ihrerseits nur bedingt angeordnet, erweise sich damit als „Gaukelspiel, mit dem die gesetzliche Regelung weggezaubert werden soll 136 ".
b) Die Zulässigkeit mehrfach bedingter Rechtsgeschäfte Die Argumentation Wilhelms überzeugt durch innere Folgerichtigkeit. Weniger überzeugend ist hingegen die wertungsmäßige Fundierung und die Begründung der gedanklichen und dogmatischen Prämissen, aus denen die Ergebnisse abgeleitet werden. 131
132 133 134 135 136
Im Anschluß an Flume. Wilhelm, NJW 1990,2857,2860. Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860. Wilhelm, NJW 1990, 2857, 2860. Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860. Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860.
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
Zunächst fällt auf, daß Wilhelm nicht begründet, warum die Verfügung als Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge behandelt werden kann, obwohl das von den Erblassem möglicherweise gerade nicht gewollt war. Es wird lediglich festgestellt, daß tatbestandlich eine Verfügung vorliege, die dem Typus der Vor- und Nacherbfolge entspreche137. Diese Zurückstellung des Erblasserwillens wird nicht für rechtfertigungsbedürftig gehalten. Indes kann die hiermit zusammenhängende Problematik einstweilen zurückgestellt werden, wenn bereits die zugrundegelegte Prämisse es liege tatbestandlich die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge vor, unzutreffend ist. Vom hier eingenommenen Standpunkt138 aus bedeutet die bedingte Erbeinsetzung die Verfügung über ein Erwerbsrecht eigener Art. Da es sich um eine letztwillige Verfügung handelt, kann das abgespaltene Erwerbsrecht nicht beim Erblasser selbst verbleiben. Vielmehr wird das Erwerbsrecht den als Schlußerben vorgesehenen Personen zugewiesen. Strukturell ist die bedingte Erbeinsetzung damit als Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge zu erfassen. Denn das Gesetz erfaßt die Zuweisung eines Rechts auf (späteren) Erwerb der Erbschaft in den §§ 2100 ff. BGB als Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge. Insoweit ist Wilhelm zu folgen. Nicht entschieden ist indes, ob die Verfügung über das Erwerbsrecht nicht ihrerseits bedingt ist, den als Schlußerben vorgesehenen Personen mithin kein Recht auf Erwerb der Vollerbschaft, sondern nur ein hiervon abgespaltenes Erwerbsrecht zugewiesen ist. In diesem Fall läge das gesetzliche Modell einer Vor- und Nacherbfolge gerade nicht vor. Damit angesprochen ist die Frage nach der Zulässigkeit mehrerer hintereinander geschalteter Bedingungen139. Um beurteilen zu können, ob es möglich ist, in letztwilligen Verfügungen mehrere Bedingungen oder Befristungen (auf letztere sind die Vorschriften über Bedingungen gemäß § 163 BGB entsprechend anzuwenden) gleichsam hintereinander zu schalten, sind zwei Fragenkreise auseinander zu halten. Zum einen ist zu untersuchen, wie ein solches mehrfach bedingtes Rechtsgeschäft zu konstruieren ist. Zum anderen fragt sich, inwieweit zwingendes Erbrecht (§ 2136 BGB) auch auf eine dergestalt konstruierte Verfügung anzuwenden ist. aa) Festzuhalten gilt es zunächst, daß Verfügungen über Rechte aus bedingten Geschäften nicht ungewöhnlich sind. So ist etwa das Erwerbsrecht (in herkömmlicher Terminologie: die Anwartschaft 140) des Vorbehaltskäufers ohne weiteres ver137 Wilhelm, NJW 1990,2857, 2860. 138 Vgl. oben Kapitel 3, III, 2. 139 Insoweit zutreffend bereits Meier-Kraut,
NJW 1992,143, 145.
wo Der Unterschied zwischen dem hier zur Erklärung des bedingten Rechtsgeschäfts vorgeschlagenen Erwerbsrecht und dem Anwartschaftsrecht der h.L. besteht vor allem darin, daß das sog. Anwartschaftsrecht in der Konstruktion kein selbständiges dingliches Recht, sondern lediglich die anschauliche Umschreibung für die sich aus der bedingten Verfügung ergebende Rechtslage darstellt. Das sog. Anwartschaftsrecht ist konstruktiv nur eine Vorwirkung der Vollrechtsübertragung. Demgegenüber ist das Erwerbsrecht nicht in vergleichbarer
III. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
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äußerlich 141. Dann muß es aber auch möglich sein, daß der Vorbehaltskäufer die ihm aus dem Vorbehaltskauf zustehende Anwartschaft seinerseits unter dem Vorbehalt der vollständigen Kaufpreiszahlung veräußert. Der Käufer erwirbt in diesem Fall Recht auf Erwerb des einem Vorbehaltskäufer zustehenden Erwerbsrechts. Eine bedingte Verfügung über Erwerbsrechte aus bedingten Geschäften ist also ohne weiteres möglich. Deshalb scheint die Hintereinanderschaltung mehrerer Bedingungen an sich unproblematisch. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß es bei der bedingten Veräußerung eines Erwerbsrechts um einen etwas anders gelagerten Fall geht als bei der mehrfach bedingten Erbeinsetzung in Form einer Wiederverheiratungsklausel. Denn im Fall der bedingten Verfügung über das Erwerbsrecht aus einer bedingten Übereignung liegt nicht von Anfang an eine zweite Bedingung auf derselben Ebene vor. Dieser Unterschied ist indes genau besehen nicht von Bedeutung. Das durch die bedingte Verfügung übertragene Erwerbsrecht ist eine Abspaltung aus dem Eigentum. Eine Abspaltung aus diesem Erwerbsrecht muß demnach folgerichtig ebenfalls eine (mittelbare) Abspaltung aus dem Eigentum sein. Wenn es aber zulässig ist, von dem Recht auf Erwerb des Vollrechts nachträglich einen Teil abzuspalten, ist nicht einzusehen, warum der Eigentümer nicht durch bedingte Verfügung seinerseits eben dieses vorgelagerte Erwerbsrecht auf einen anderen soll übertragen können. Wenn ich also unter der ersten Bedingung, daß der Benzinpreis über 1,- je Liter Superbenzin steigt, mein Kraftfahrzeug unter der weiteren aufschiebenden Bedingung übereigne, daß der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt, erwirbt der Käufer ein Erwerbsrecht auf Erwerb des Erwerbsrechts eines Vorbehaltskäufers. Tatbestandlich liegen in einem derartigen Fall zwei Verfügungen vor, die von dem Vollrecht zwei Bestandteile abspalten, nämlich das Erwerbsrecht auf das Vollrecht selbst sowie ein weiteres Recht auf Erwerb dieses Erwerbsrechts. Der Käufer in spe soll zunächst nur das Recht auf Erwerb des Erwerbsrechtes erhalten. Der „Rest" des Vollrechts verbleibt beim Veräußeren Dementsprechend ist auch die Wiederverheiratungsklausel zu konstruieren. Mit dem ersten Erbfall wird der überlebende Ehegatte entsprechend der Wertung des § 2269 BGB und dem Erblasserwillen Vollerbe. Zugleich erwerben die als Schlußerben vorgesehenen Personen ein Erwerbsrecht auf die Stellung von Nacherben. Konstruktiv liegt eine zweifach bedingte Verfügung vor. Zunächst ist die Erbenstellung des überlebenden Gatten auflösend bedingt, das heißt, von dessen Vollerbenstellung ist ein Erwerbsrecht abgespalten. Dieses Erwerbsrecht ist allerdings vorläufig noch dem Ehegatten selbst zugewiesen. Denn seine Übertragung an den oder die Schlußerben ist ihrerseits aufschiebend bedingt durch die WiederverheiraWeise ein solches juristisches Phantom. Es ist vielmehr als selbständiges dingliches Recht zu verstehen. 141 BGH v. 21. 5. 1953, BGHZ 10, 69, 72; v. 21. 9. 1959, BGHZ 30, 374, 377; MünchKomm BGB-Quack, § 932 Rn. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 Rn. 38; Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 45 III 1; Flume, AcP 161 (1962), 385, 395. 9 Radke
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
tung des Längerlebenden. Dessen Rechtsstellung kann zusammenfassend beschrieben werden als Vollerbschaft, die um das Erwerbsrecht auf die Nacherbenstellung vermindert ist. Umgekehrt verfügen die potentiellen Schlußerben lediglich über ein Erwerbsrecht auf die Nacherbenstellung. Die Auffassung Wilhelms, es liege tatbestandlich die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge vor 1 4 2 , ist mithin unzutreffend. Sie wäre nur dannrichtig,wenn das Erwerbsrecht auf die Vollerbschaft direkt an die als Schlußerben vorgesehenen Personen fallen würde. Das wäre die Konstellation der Vor- und Nacherbschaft. Tatsächlich erhalten die Schlußerben aber nicht die Rechtsposition eines Nacherben, sondern nur ein Erwerbsrecht hierauf. Darin zeigt sich, daß zwischen der vom Gesetz in den §§ 2100 ff. BGB gemeinten und anders ausgestalteten Beschränkungen der Rechtsstellung eines bedingt eingesetzten Erben unterschieden werden muß. Mit anderen Worten bedeutet nicht jede bedingte Erbeinsetzung die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge. Charakteristisch für die Stellung eines Nacherben ist, daß der Erblasser ihm die Abspaltung aus der Rechtsposition des bedingt eingesetzten Erben (also das Recht auf späteren Erwerb des Nachlasses) vollständig zuweist. Dies muß er aber nicht notwendig tun, wenn er einen Erben unter einer auflösenden Bedingung einsetzt.143 Vielmehr kann er das durch die bedingte Erbeinsetzung von der Vollerbenstellung abgespaltene Recht auf Erwerb derselben (der Nacherbenanwartschaft herkömmlicher Terminologie) vorläufig auch dem bedingt eingesetzten Erben zuweisen. Hier kann man nur dann anders entscheiden, wenn zwingendes Erbrecht jedem aufschiebend bedingt eingesetzten Erben die Stellung eines Nacherben zuweist. bb) Zu einem solchen Ergebnis muß kommen, wer eine aufschiebend bedingte Nacherbeneinsetzung ablehnt. Wertungsmäßig erscheint dies aber ungereimt. Denn auf diesem Weg würde man einen Anspruch des in Aussicht genommenen Schlußerben auf eine Mindestschutzposition bejahen.144 Aber auch konstruktiv besteht keine Möglichkeit, zur Vor- und Nacherbschaft zu kommen. Zwar scheint die gesetzliche Definition insoweit offen. Auch dann, wenn die Übertragung des Nacherbenerwerbsrechts aufschiebend bedingt ist, wird der Schlußerbe schließlich Erbe, nachdem zuvor ein anderer Erbe geworden war. Jedoch fehlt es vor Eintritt der für den Übergang des Nacherbenerwerbsrechts gesetzten Bedingung an der vom Gesetz gemeinten Konstellation. Bis zum Bedingungseintritt ist der unter zweifacher aufschiebender Bedingung Bedachte eben gerade noch nicht als Nacherbe eingesetzt. Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, daß mit diesem Verständnis dem überlebenden Ehegatten zugleich die Stellung eines Vorerben wie die eines Nach142 Wilhelm, NJW 1990, 2857, 2860 f. 143 Anders Wilhelm, NJW 1990, 2857,2861. 144 Es gibt nach geltendem Erbrecht keinen gesetzlichen Anspruch auf die Erbenstellung. Die Mindestschutzposition auch der Pflichtteilsberechtigten erschöpft sich vielmehr in einem Anspruch auf schuldrechtliche Beteiligung am Nachlaßwert.
III. Wiederverheiratungsklauseln im Berliner Testament
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erben zugewiesen wird. Richtig ist zwar, daß es keinen Vorerben ohne einen Nacherben geben kann. 145 Jedoch handelt es sich bei der Vereinigung von Vor- und Nacherbenstellung in der Hand des überlebenden Ehegatten lediglich um ein Bild, das der Veranschaulichung seiner Rechtsposition dienen soll. Rechtlich betrachtet ist der überlebende Ehegatte weder Vorerbe, noch Nacherbe. Er hat vielmehr eine Vollerbenstellung inne, die durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, daß ein Erwerbsrecht auf die Nacherbenstellung abgespalten und den Schlußerben zugewiesen ist. Eine solche Abspaltung einzelner Rechtssplitter von dem umfassenden Recht eines Vollerben wird durch die §§ 158 ff., 2074 f. BGB ausdrücklich zugelassen. Der erbrechtliche Typenzwang wird also nicht tangiert. Alles weitere ist eine Frage der Konstruktion der durch letztwillige Verfügung angeordneten Aufteilung der Rechte am Nachlaß. Da die gewollte Vermögensordnung wie gezeigt nicht als Anordnung einer Vorund Nacherbfolge interpretiert werden kann, kommt nur eine entsprechende Anwendung der für einen Nacherben bestehenden Schutzvorschriften in Betracht. Eine solche würde allerdings eine vergleichbare Interessenlage voraussetzen.146 Wenn die Ehegatten die Einheitslösung wählen, ist dies Ausdruck eines besonderen Vertrauens unter ihnen 147 . Primäres Ziel dieser Verfügungsform ist es, dem überlebenden Gatten die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebenszuschnitts zu ermöglichen.148 Eine der Vor- und Nacherbschaft vergleichbare Interessenlage besteht hingegen nur dann, wenn die Erhaltung des Nachlasses für den oder die Schlußerben bei der letztwilligen Verfügung leitend war. 149 Soll der Längerlebende indes gleichsam unter die Oberaufsicht der Schlußerben gestellt werden 150, kommt schon eine Auslegung des Testaments im Sinne des § 2269 BGB nicht in Betracht. 151 Deshalb ist es ausgeschlossen, daß dann, wenn sich die Ehegatten für die Einheitslösung entschieden haben, eine der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge vergleichbare Interessenlage vorliegt. Hieran ändert sich auch nichts durch die Aufnahme einer Wiederverheiratungsklausel. 152 Denn diese stellt eine konsequente Fortschreibung des Regelungsziels der Einheitslösung dar 153 . Eine entsprechende Anwendung der zugunsten eines Nacherben bestehenden Schutzvorschriften 145 Hierzu näher unten Kapitel 4, IV, 2. d). 1 46 Zu den Voraussetzungen einer Analogie etwa Larenz, Methodenlehre, S. 373 f. 147 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 31-35; ders., FamRZ 1985, 872 ff. 1 48 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 31. ι 4 9 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 37 f. 150 Zu den Kriterien, die für die Annahme eines derartigen Willens sprechen, vgl. RG v. 7. 2. 1905, RGZ 60, 116, 118; v. 23. 4. 1912, RGZ 79, 277, 278; Staudinger/Kanzleiter, §2269 Rn. 8. 151 Palandt/Edenhofer, § 2269 Rn. 7. 152 Anders Zawar, NJW 1988, 16, 19: es entspreche der „Erfahrung der Praxis", daß bei Aufnahme von Wiederverheiratungsklauseln regelmäßig die Nachlaßerhaltungspflicht des überlebenden Ehegatten im Vordergrund stehe. 153 Buchholz, Wiederverheiratung, S. 37. 9*
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
auf den Inhaber eines Erwerbsrechts auf die Stellung eines Nacherben muß demnach ausscheiden. 4. Zusammenfassung und Ergebnis Wiederverheiratungsklauseln im gemeinschaftlichen Ehegattentestament mit Einheitslösung (§ 2269 BGB) sind als doppelt bedingte Erbeinsetzung zu qualifizieren. Der längerlebende Ehegatte ist durch seine Wiederverheiratung auflösend bedingt zum Vollerben eingesetzt. Allerdings ist das durch diese Verfügung abgespaltene Nacherbenerwerbsrecht vorerst noch dem überlebendem Ehegatten selbst zugewiesen. Der oder die Schlußerben erhalten zunächst nur ein Erwerbsrecht auf das Nacherbenrecht. Die damit den Schlußerben zugewiesene Rechtsposition rechtfertigt die entsprechende Anwendung der §§ 2111 ff. nicht.
TV. Die Cautela Socini Durch das Pflichtteilsrecht sichert das Gesetz bestimmten nahen Angehörigen eine wertmäßige Mindestbeteiligung am Nachlaß.154 Hingegen besteht keine dingliche Nachlaßbeteiligung in Form eines materiellen Noterbrechts. 155 Aus dieser Systematik fällt die Vorschrift des § 2306 I 1 BGB heraus. 156 Denn danach gelten bestimmte Beschwerungen des pflichtteilsberechtigten Erben bis zur Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils als nicht angeordnet. Wird also etwa ein Pflichtteilsberechtigter in Höhe von 40% seines gesetzlichen Erbteils als Vorerbe eingesetzt, gilt er nach § 230611 BGB in dieser Höhe als Vollerbe. Das Gesetz erweitert mithin zur Sicherung des Pflichtteilsberechtigten dessen dingliche Nachlaßbeteiligung, anstatt ihn auf einen Ausgleich in Geld zu verweisen. Angesichts dieser Regelungstechnik bereitet die Anwendung des § 2306 I 1 BGB auf erbrechtliche Verwirkungsklauseln besondere Schwierigkeiten: Durch sogenannte Verwirkungsklauseln 157 will der Erblasser die Erbenstellung des Bedachten davon abhängig machen, daß dieser sich seinen Anordnungen unterwirft und die testamentarische Regelung auch insofern hinnimmt, als sie für ihn mit Beschränkungen und Beschwerungen verbunden ist. Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die testamentarischen Anordnungen wird der Bedachte auf den 154 Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 Π 1; Leipold, Erbrecht, Rn. 183; Schlitt, Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten, S. 2. 155 Hierzu etwa MünchKomm BGB-Frank, § 2303 Rn. 2. Zu (früheren) Reformbestrebungen Boehmer, AcP 144 (1938), 249 ff. 156 Boehmer, AcP 144 (1938), 249, 253 f. 157 Vgl. zu dieser Problematik etwa D.V. Simon, in: Festschrift für E. Wolf (1985), S. 627 ff.; Wacke, DNotZ 1990, 403 ff. Eine Übersicht über die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeitenfindet sich etwa bei Müller, Grenzen, S. 15 ff.
IV. Die Cautela Socini
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Pflichtteil verwiesen. 158 Soweit es sich bei der Verwirkungsklausel um eine Regelung mit Vermögensbezug handelt159, scheint sie von der Testierfreiheit gedeckt. Schließlich hat kein Pflichtteilsberechtigter Anspruch darauf, Erbe zu werden. Bleibt der zugewandte Erbteil aber hinter dem Pflichtteil zurück, verschafft § 23061 1 BGB dem Pflichtteilsberechtigten durch Beseitigung der Verwirkungsklausel eine in dieser Form vom Erblasser nicht gewollte Erbenstellung.
1. Zur Regelungsstruktur des § 2306 BGB a) Grundlagen Nach § 2303 BGB hat ein Pflichtteilsrecht nur derjenige, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Der hiermit beabsichtigte Schutz bestimmter naher Angehöriger wäre indes unvollkommen, wenn nicht auch eine Regelung für den Fall getroffen würde, daß der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zwar nicht gänzlich enterbt, seine Erbenstellung aber durch Beschränkungen und Beschwerungen soweit entwertet, daß der Pflichtteilsberechtigte trotz seiner Erbenstellung im Ergebnis weniger als den Pflichtteil erhält. Dieser Gefahr begegnet § 2306 BGB. 1 6 0 Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Ist dem Pflichtteilsberechtigten eine Erbquote zugewandt, die die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht erreicht, ordnet § 2306 I 1 BGB den Wegfall der diesen Erbteil belastenden Beschränkungen und Beschwerungen an, ohne daß es einer hierauf gerichteten Erklärung des Pflichtteilsberechtigten bedürfte. Dieser wird vielmehr in Höhe der ihm vom Erblasser - obschon unter Beschränkungen - zugewandten Quote unbeschränkter Vollerbe. Daneben kann er nach § 2305 BGB den Ergänzungspflichtteil verlangen. Soweit der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil dagegen die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt, eröffnet § 2306 I 2 BGB dem Pflichtteilsberechtigten lediglich ein Wahlrecht. Er kann entweder den Erbteil mit allen Beschränkungen annehmen, oder aber die ihm angefallenen Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Eine unbeschränkte Erbenstellung kann der Pflichtteilsberechtigte im Fall des § 2306 I 2 BGB unter keinen Umständen erreichen. Ihm bleibt nur die Wahl zwischen beschränkter Erbenstellung und dem Pflichtteilsanspruch in Geld. 161 iss Nach dem 1556 verstorbenen Juristen Marianus Socinus auch Cautela Socini genannt. Zur Dogmengeschichte der Cautela Socini vgl. Oertmann, ZBlfG XV (1914/15), 357,357 f. 159 Zu diesem Erfordernis vgl. Keuk, FamRZ 1972, 9, 15 sowie oben Kapitel 1, Π, 5), b. Unter dieser Voraussetzung sind letztwillige Verwirkungsklauseln keine „Seelenfolter für die Erben" (Oertmann, ZBlfG XV [1914/15], 357, 369), sondern eine jedenfalls grundsätzlich von der Privatautonomie gedeckte letztwillige Gestaltung. 160 Kanzleiten DNotZ 1993,780,781. 161 Deshalb hält Boehmen AcP 144 (1938), 249, 253 f. die Regelung des § 2306 I 2 BGB für verfehlt und plädiert für eine Stärkung der Position des Pflichtteilsberechtigten durch Einräumung einer dinglichen Nachlaßbeteiligung.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
b) Positiver und negativer Typenzwang Von den in § 23061 1 BGB erschöpfend 162 aufgezählten Beschränkungen ist im vorliegenden Zusammenhang die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft von besonderem Interesse. Die hierin liegende bedingte Erbeinsetzung ist nach Maßgabe des § 2306 I BGB jeweils zu einem unterschiedlichen Grad unwirksam. Während nach § 2306 I 1 BGB nur die Bedingung entfällt, kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2306 I 2 BGB Erbeinsetzung und Bedingung nur gemeinsam durch Ausschlagung beseitigen. § 2306 I 1 und § 2306 I 2 BGB unterscheiden sich mithin auch in den an die Unwirksamkeit der Bedingung geknüpften Rechtsfolgen.
aa) Die Unwirksamkeit der Bedingung Soweit eine bedingte Erbeinsetzung § 2306 BGB unterfällt, ist die Bedingung jeweils nicht voll wirksam. Das versteht sich in den von § 2306 I 1 BGB erfaßten Fällen von selbst. Denn hier ordnet das Gesetz unmittelbar den Wegfall der Bedingung an. Aber auch im Fall des § 2306 I 2 BGB ist die Bedingung teilweise unwirksam. Sie ist insofern unwirksam, als sie als Bestandteil der Verfügung des Erblassers dem pflichtteilsberechtigten Erben die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs verwehrt: Ohne die Vorschrift des § 230612 BGB hätte der pflichtteilsberechtigte Erbe keine Möglichkeit, den Pflichtteil geltend zu machen. Ist doch der Ausschluß von der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen Voraussetzung des Pflichtteilsanspruchs. Wer eine ihm angefallene Erbschaft ausschlägt, erwirbt hierdurch grundsätzlich163 keinen Pflichtteilsanspruch. 164 Es bedurfte deshalb einer Regelung, die dem pflichtteilsberechtigten Erben den Pflichtteil als Mindestbeteiligung am Nachlaß auch dann sichert, wenn ihm durch Verfügung von Todes wegen eine Erbquote zugewandt wurde, die die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt. § 2306 I 2 BGB realisiert den insoweit gebotenen Schutz über die Gewährung eines Gestaltungsrechts. Durch dessen fristgebundene Ausübung kann der pflichtteilsberechtigte Erbe die ihn beschwerende Verfügung beseitigen, sich aber zugleich den Pflichtteilsanspruch erhalten. § 2306 I 2 BGB ordnet mithin eine schwebende Unwirksamkeit der den pflichtteilsberechtigten Erben beschwerenden Verfügung an. Zwar kann man angesichts der ohnehin bestehenden Ausschlagungsmöglichkeit davon sprechen, daß jede Verfügung von Todes wegen insofern schwebend unwirksam ist. Hier gilt es jedoch einen entscheidenden Unterschied zu beachten. Von den gesetzlich geregelten Ausnahmen (§§ 2306 I 2, 1371 m BGB) abgesehen, ist die Verfügung von Todes wegen nämlich hinsichtlich des Ausschlusses von Pflichtteilsansprüchen stets wirksam. Verbindet der Erblasser die Erbeinsetzung hingegen mit den in § 2306 I 1 BGB genannten Beschränkungen, im MünchKomm BGB-Frank § 2306 Rn. 4. 163 Eine weitere Ausnahme zu diesem Grundsatz findet sich in § 1371 ΠΙ BGB. 164 MünchKomm BGB-Frank § 2303 Rn. 7.
IV. Die Cautela Socini
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kann er nicht verhindern, daß der eingesetzte Erbe gleichwohl den Pflichtteil geltend macht. Aus der Sicht des Erben ist die Regelung des § 2306 I 1 BGB günstiger.165 Er muß, um die Unwirksamkeit der ihn beschwerenden Anordnung des Erblassers geltend zu machen, keine besondere und noch dazu fristgebundene Erklärung abgeben. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tritt vielmehr ex lege ein. Zudem erhält das Gesetz dem pflichtteilsberechtigten Erben in § 2306 I 1 BGB die Erbenstellung, wohingegen der Erbe, der die ihm angefallene Erbschaft nach § 2306 I 2 BGB ausschlägt, lediglich den Pflichtteil geltend machen kann, die dingliche Mitberechtigung am Nachlaß aber einbüßt.166
bb) Die rechtstechnische Umsetzung des intendierten Schutzes des Pflichtteilsberechtigten aaa) Nach § 2306 I 1 BGB gelten die Beschwerungen des pflichtteilsberechtigten Erben als nicht angeordnet. Bei Einsetzung des Pflichtteilsberechtigtem zum Vorerben heißt das mit anderen Worten, daß dessen Einsetzung zum Vollerben fingiert wird. Das Mittel der Fiktion 167 wird hier bewußt eingesetzt. Denn es hätte nicht ausgereicht, die Unwirksamkeit nur der Bedingung anzuordnen. Mit der Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum Vorerben wird diesem eine um das Erwerbsrecht des Nacherben verminderte Erbenstellung zugewandt. Wenn das Gesetz die Abspaltung des Nacherbenerwerbsrechts für unwirksam erklären würde, wäre notwendig auch die Erbeinsetzung selbst hinfällig. Es würde die gesetzliche Erbfolge eintreten. Nach der hier vertretenen Auffassung versteht sich dieses Ergebnis von selbst. Fehlt es doch überhaupt an einer Einsetzung zum Vollerben, die nach Wegfall der sie einschränkenden Bedingung die Erbfolge selbständig bestimmen könnte. Aber auch bei Zugrundelegung des herkömmlichen Verständnisses bedingter Rechtsgeschäfte könnte das Ergebnis kein anderes sein. Vollerbeneinsetzung und diese beschränkende Bedingung sind danach integrierende Bestandteile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts. 168 Fällt der eine Teil weg, ist im Zweifel Gesamtnichtigkeit anzunehmen. Die in § 2306 I 1 BGB enthaltene Regelung muß daher als positiver Typenzwang begriffen werden: Angesichts der angeordneten Unwirksamkeit der den pflichtteilsberechtigten Erben beschränkenden Anordnungen fehlt es an einem privatautonomen Geltungsgrund für dessen Erbeinsetzung. Dieser wird jedoch durch das Gesetz selbst ersetzt. 165 Boehmer, AcP 144 (1938), 249, 253; Hohloch, LM § 2306 Nr. 11 Bl. 430R. 166 HohlocK LM § 2306 Nr. 11 Bl. 430R; ders. JuS 1993, 967,967. 167 MünchKomm BGB-Frank, § 2306 Rn. 11. 168 Zu diesem Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts vgl. Flume , Rechtsgeschäft, § 38, 4 c; Wilhelm, NJW 1990, 2857 (2861); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung I, S. 417.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Jeder positive Typenzwang bedeutet einen erheblichen Eingriff in die rechtsgeschäftliche Privatautonomie.169 Vor dem Hintergrund der umfassenden verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie müssen die Gründe, die diesen Eingriff erfordern, die Privatautonomie überwiegen.170 Im Fall des § 2306 I 1 BGB scheint diese Rechtfertigung schwierig. Denn als eingriffsrechtfertigend kann nur das Erfordernis eines Schutzes des Pflichtteilsberechtigten angeführt werden. Nach der Systematik der §§ 2303 ff. BGB ist der Schutz des Pflichtteilsberechtigten hingegen auf einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den oder die Erben beschränkt. Das BGB hat sich gerade gegen ein materielles Noterbrecht entschieden. 171 Ein solches wird aber im Anwendungsbereich des § 23061 1 BGB partiell verwirklicht. Jedoch erweist sich diese Anomalie bei näherem Zusehen als der gebotene Ausgleich zwischen den Interessen des Erblassers an möglichst weitgehender Berücksichtigung seiner privatautonomen Entscheidung und dem Interesse des Pflichtteilsberechtigten an der Wahrung seiner gesetzlichen Mindestschutzposition.172 Um die Interessen des Pflichtteilsberechtigten zu schützen, muß das Gesetz verhindern, daß der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten durch Einsetzung zum Erben im Ergebnis weniger als den Pflichtteil zuwendet. Die Unwirksamkeit der in § 2306 I 1 BGB genannten Beschränkungen und Beschwerungen ergibt sich daher zwanglos aus der Systematik und Ratio des Pflichtteilsrechts. Die regelmäßige Folge der Unwirksamkeit einer den pflichtteilsberechtigten Erben beschränkenden Anordnung wäre nun die Unwirksamkeit der Verfügung insgesamt (§ 139 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte würde dann mangels einer dies ausschließenden letztwilligen Verfügung gesetzlicher Erbe. Eine dingliche Nachlaßbeteiligung in dieser Höhe entspricht aber unter keinen Umständen dem Erblasserwillen. Durch die Beschränkung der Vollerbenstellung auf den, wenn auch unter Beschränkungen und Beschwerungen, vom Erblasser selbst bestimmten Umfang, wird deshalb dem mutmaßlichen Erblasserwillen Rechnung getragen. Der in § 2306 I 1 BGB enthaltene positive Typenzwang ist daher mit der Gewährleistung der Privatautonomie vereinbar. bbb) Demgegenüber enthält § 2306 I 2 BGB keinen positiven Typenzwang. Diese Vorschrift beschränkt sich vielmehr auf die Anordnung der oben beschriebenen Teilunwirksamkeit der Erbeinsetzung. Strukturell handelt es sich insoweit um einen negativen Typenzwang. Grundlage ist der gebotene Schutz des Pflichtteilsberechtigten.
169 Vgl. bereits oben Kapitel 2, ΙΠ, 2; Kapitel 2, IV, 2. no Vgl. bereits oben Kapitel 2, III, 2, c). πι Hierzu kritisch Boehmer, AcP 144 (1938), 249,253 f. 172 Im Ergebnis ebenso Hohloch, LM § 2306 Nr. 11 Bl. 430R.
IV. Die Cautela Socini
137
2. Die Cautela Socini als Fall des § 230611 BGB Im Schrifttum ist seit langem173 umstritten174, ob die Cautela Socini von § 23061 1 BGB erfaßt wird, oder ob gegebenenfalls bestimmte Gestaltungsformen ausgenommen sind. Ansatzpunkt für eine Vermeidung der Unwirksamkeitssanktion des § 23061 1 BGB ist die Annahme einer aufschiebend bedingten Vorerbeneinsetzung des Pflichtteilsberechtigten. 175 In diesem Fall entstehe dem Pflichtteilsberechtigten durch die Verwirkungsklausel kein Nachteil.176 Denn er sei nicht unter einer Belastung zum Erben eingesetzt, sondern habe lediglich die Möglichkeit erhalten, Erbe zu werden. Insofern fehle es an dem von § 2306 1 1 BGB vorausgesetzten Zwang, entweder die belastete Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen oder aber die Erbschaft mit allen Belastungen unter Verlust des vollen Pflichtteilsrechts 177 anzunehmen.178
a) Der Apothekerfall
(BGHZ 120, 96)
In einem Urteil vom 28. 10. 1992 hatte sich der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes erstmals mit der Zulässigkeit einer Verwirkungsklausel zu Lasten eines Erben zu befassen, dem ein hinter dem Pflichtteil zurückbleibender Erbteil zugewandt worden war. 179 Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes lag folgender, hier auf das Kernproblem reduzierter Sachverhalt zugrunde: Die Erblasserin, eine begüterte Apothekerin, hatte ihre Tochter J zu V 5 und ihre Tochter M zu 4 / 5 als Vorerben und ihre Enkelin S als Nacherbin ihres Vermögens eingesetzt. Zugleich hatte sie bestimmt, daß ihre Tochter J für den Fall, daß sie mit dem Testament nicht einverstanden sein sollte, lediglich Anspruch auf den Pflichtteil habe. Als gesetzlicher Erbin stand der J ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von einem Viertel des Nachlaßwertes zu. Sie war jedoch lediglich in Höhe von V 5 als Vorerbin eingesetzt. Sieht man zunächst von der Verwirkungsklausel ab, liegt ohne weiteres ein Fall des § 2306 I 1 BGB vor. Die Beschränkung der Erbenstellung der J durch die Einsetzung der Enkelin S als Nacherbin ist danach unwirksam, und J wäre in Höhe von V 5 unbeschränkte Miterbin nach ihrer Mutter geworden. »73 Grundlegend ist insoweit der Aufsatz von Oertmann (ZBlfG XV [1914/15], 357 ff.), 174
Nachweise bei Lange/Kuchinke, Erbrecht, 37 V 4 b) mit Fn. 91. 175 Dazu MünchKomm BGB-Frank, § 2306 Rn. 12; Kanzleiter, DNotZ 1993,780,783. 176 MünchKomm BGB-Frank, § 2306 Rn. 12; AK BGB-Däubler, § 2306 Rn. 19; v. Lübtow, Erbrecht I, S. 577; Kanzleiter, DNotZ 1993,780 ff. 177 Dem pflichtteilsberechtigten Erben bleibt lediglich der Anspruch auf den Ergänzungspflichtteil nach § 2305 BGB. 178 Kanzleiter, DNotZ 1993,780,783. 179 BGH Urt. v. 28. 10. 1992 - IV ZR 221/91, BGHZ 120,96.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
Daneben hätte sie einen Anspruch auf den Ergänzungspflichtteil nach § 2305 BGB. I m Fall bestand jedoch die Besonderheit, daß die beschränkte Erbeinsetzung mit einer Cautela Socini verbunden war. Das Reichsgericht hatte eine solche Klausel für wirksam gehalten. 180 Der B G H entscheidet indes anders: „Wenn ein Vorerbe seinen Erbteil infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung verliert, dann fällt dieser Erbteil entweder an den eingesetzten Nacherben (§2100 BGB) oder gem. § 2104 BGB an den sogenannten konstruktiven Nacherben. Gerade eine solche Rechtsfolge will aber § 2306 I 1 BGB verhindern, falls der dem pflichtteilsberechtigten (Vor-) Erben hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Durch diese Norm soll erreicht werden, daß dem pflichtteilsberechtigten Miterben, der mit nicht mehr bedacht ist als mit der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, jedenfalls das ihm Zugewendete in vollem Umfang, nämlich ohne die Beschränkungen und Beschwerungen des § 2306 BGB zugute kommt. Ist der hinterlassene Erbteil geringer, dann hat der Pflichtteilsberechtigte außerdem noch einen Anspruch auf den Pflichtteilsrest in Höhe des Wertes des an der Hälfte fehlenden Erbteils (§ 2305 BGB). Auf diese Weise will das Gesetz den nächsten Angehörigen des Erblassers eine angemessene Mindestbeteiligung an seinem Nachlaß garantieren. Daher ist hier kein Raum für eine Strafklausel, mit deren Hilfe der Erblasser die Beteiligung der nächsten Angehörigen an seinem Nachlaß noch unter das pflichtteilsrechtlich gebotene gesetzliche Mindestmaß kürzen will. Das gilt auch für eine Verwirkungsklausel, durch die Angehörige dazu angehalten werden sollen, den Wünschen des Erblassers nach seinem Tode nachzukommen. Daraus folgt, daß sogenannte socinische Klauseln der vorliegenden Art im Bereich des § 2306 I 1 BGB jedenfalls im Grundsatz wirkungslos sind ( . . . )." Zur Begründung der Unzulässigkeit einer Cautela Socini der vorliegenden Art verweist der B G H weiter auf die Entstehungsgeschichte des § 2306 B G B . 1 8 1 Ein Antrag, derartige Klauseln zuzulassen, habe gerade keine Mehrheit gefunden. 182 Zwar trifft es zu, daß die Π. Kommission eine ausdrückliche Zulassung der Cautela Socini abgelehnt h a t . 1 8 3 Doch kann man den Materialien entnehmen, daß die Kommission möglicherweise davon ausgegangen ist, derartige Klauseln würden von § 2306 BGB überhaupt nicht erfaßt. 1 8 4 Die Materialien sind daher nicht eindeutig. 1 8 5 Zudem kommt bei der Argumentation des B G H die exakte Subsumtion unter den Tatbestand des § 23061 1 BGB zu kurz. Danach ist erforderlich, daß der Pflichtteilsberechtigte entweder als Erbe berufen oder jedenfalls zum Nacherben 180 RG v. 4. 11. 1911, Warneyer 1913, Nr. 250. Zustimmend Planck-Greiff, BGB, 4. Aufl., § 2306 Anm. 3e α; Oertmann, ZB1FG XV (1914/15), 357 (365); Crome, ErbR, S. 441 Fußn. 24; Kipp, ErbR, 8. Bearb., § 132 V, I 2b Fußn. 4; Leonhard, ErbR, 2. Aufl., § 2306 Anm. III E; Staudinger-Ferid-Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2306 Rdnr. 60. 181 Hierzu ausführlich Boehmer, AcP 144 (1938), 249, 268 ff. und Schubert, JR 1993, 368, 368 f. 182 BGH v. 28. 10. 1992, BGHZ 120,96, 100 f. 183 Prot. V, 508. 184 Hierfür spricht, daß die Kommissionsmehrheit davon ausging, daß der Erblasser eine solche Anordnung zweifellos treffen könne (Prot. V, 508). 185 Kanzleiter,
DNotZ 1993,780,784; Schubert, JR 1993, 368, 369.
IV. Die Cautela Socini
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eingesetzt (§ 2306 Π BGB) ist. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, genügt der Verweis auf die Gesetzesmaterialien oder die Ratio des § 2306 BGB für sich genommen nicht. Vorrangig sind vielmehr die konstruktiven Folgen der Verwirkungsklausel zu ermitteln.
b) Zur Möglichkeit einer aufschiebend bedingten Vorerbeneinsetzung Durch die Verwirkungsklausel wird der Pflichtteilsberechtigte aufschiebend bedingt zum Vorerben berufen. Denn seine Vorerbenstellung hängt davon ab, daß er das Testament und damit seine beschränkte Erbenstellung akzeptiert. Es handelt sich mithin um eine aufschiebend bedingte Vorerbeneinsetzung. Zwar ist es konstruktiv ebenfalls möglich, von einer auflösend bedingten Vorerbeneinsetzung auszugehen.186 Regelmäßig dürfte es aber dem Erblasserwillen eher entsprechen, die Berufung des Pflichtteilsberechtigten zum Erben von seiner vorherigen Billigung des Testaments abhängig zu machen. Geht man von einer aufschiebend bedingten Einsetzung zum Voerben aus, ist schon fraglich, ob eine solche Verfügung überhaupt rechtlich möglich ist. Schließlich ist die Vorerbeneinsetzung nichts anderes als eine bedingte Erbeinsetzung. Es wird daher zunehmend infrage gestellt, ob die Vorerbeneinsetzung ihrerseits von einer Bedingung abhängig gemacht werden kann. 187 Indes beruhen die grundsätzlichen Bedenken gegen die Möglichkeit einer bedingten Anordnung von Vor- und Nacherbfolge auf einem unzutreffenden Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts. 188 Richtigerweise bedeutet jedes bedingte Rechtsgeschäft die Verfügung über ein Erwerbsrecht. Bei bedingten Verfügungen von Todes wegen gilt nichts anderes, nur daß zusätzlich noch eine Verfügung über die um das Erwerbsrecht verminderte Rechtsposition erfolgen muß. Diese kann nicht beim Erblasser verbleiben, sondern muß einem Dritten zugewiesen werden. Bei Anordnung von Vor- und Nacherbfolge wird dem Nacherben ein Erwerbsrecht auf den Nachlaß zugewiesen. Die hierum verminderte Erbenstellung erhält der Vorerbe. Wird die Nacherbfolge nur unter einer Bedingung angeordnet, erhält der Nacherbe lediglich ein Erwerbsrecht auf die Nacherbenstellung. Der Vorerbe erhält dann zusätzlich die um das Erwerbsrecht verminderte Rechtsposition eines Nacherben. Entsprechend ist die aufschiebend bedingte Einsetzung eines Vorerben zu konstruieren. Der bedingt eingesetzte Vorerbe erhält in diesem Fall ein Erwerbsrecht auf die Vorerbenstellung. Die um dieses Erwerbsrecht verminderte Rechtsposition erhält der Nacherbe. 186 So etwa der BGH (Urt. v. 28. 10. 1992, BGHZ 120,96,100). 187 Wilhelm, NJW 1990, 2857, 2860 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 24 IV 3c; Zawar, DNotZ 1986,515,545 f.; ders., NJW 1988,15, 18. Ebenso die ältere Rechtsprechung, zuletzt OLG Naumburg v.22. 11. 1920, Recht 1921, Nr. 1396. Übereinstimmend Asbeck, MDR 1959, 897, 898; ders., DB 1961, 869,870. 188 Vgl. dazu oben Kapitel 3, III, 1.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
c) Aufschiebend bedingte Vorerbschaft
als Nacherbeneinsetzung?
Da der Pflichtteilsberechtigte mithin bei einer Verwirkungsklausel des in BGHZ 120, 96 behandelten Typs lediglich ein Erwerbsrecht auf die Stellung eines Vorerben erhält, ist § 23061 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Denn diese Vorschrift setzt voraus, daß der Pflichtteilsberechtigte unmittelbar zum Vorerben eingesetzt wurde. Dennoch wäre § 2306 I 1 BGB anwendbar und folglich die Verwirkungsklausel unwirksam, wenn die Zuwendung eines Erwerbsrechtes auf die Stellung eines Vorerben sachlich die Einsetzung als Nacherbe bedeuten würde. 189 Nach § 2306 Π BGB steht nämlich die Einsetzung als Nacherbe den in § 2306 1 1 BGB genannten Beschränkungen gleich. Um eine Anordnung von Vor- und Nacherbfolge handelt es sich auch dann, wenn der Nacherbe bei Eintritt des Nacherbfalls nicht Vollerbe wird, sondern seinerseits auf die Stellung eines Vorerben gegenüber einem weiteren Nacherben beschränkt sein soll. 190 Es existiert neben der zeitlichen Schranke des § 2109 BGB keine zahlenmäßige Begrenzung sukzessiver Nacherbfolgen. 191 Wenn dem Pflichtteilsberechtigten ein Erwerbsrecht auf die Vorerbenstellung zugewiesen wird, könnte es sich um einen solchen Fall mehrerer sukzessiver Nacherbfolgen handeln. Denn die um das Erwerbsrecht des Pflichtteilsberechtigten verminderte Rechtsposition ist dem Nacherben zugewiesen, der dadurch insoweit dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber als Vorerbe anzusehen ist. Konstruktiv führt mithin kein Weg an § 2306 BGB vorbei. 192 Denn durch eine Verwirkungsklausel in Form der Cautela Socini wird der Pflichtteilsberechtigte zum Nacherben eingesetzt.193 Dieses Ergebnis scheint im Widerspruch zur hier vertretenen Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel im gemeinschaftlichen Ehegattentestament zu stehen. 194 Denn dort konnten durch die aufschiebend bedingte Anordnung einer Vorund Nacherbfolge die mit einer unbedingten Vor- und Nacherbfolge an sich verbundenen Rechtsfolgen vermieden werden. Indes besteht zwischen beiden Gestaltungen ein entscheidender Unterschied. Festzuhalten ist zunächst, daß jede Einsetzung zum Vorerben auch eine (mindestens konstruktive, vgl. § 2104 BGB) Nacherbeneinsetzung voraussetzt.195 Umgekehrt erfordert die Einsetzung eines Nacherben die Berufung auch eines Vor189 So Lange/Kuchinke, Erbrecht, 37 V 4 b) mit Fn. 91. 190 MünchKomm BGB-Grunsky, § 2100 Rn. 14; Soergel /Harder, Vorb. § 2100 ff. Rn. 11; Erman/Schmidt, § 2100 Rn. 1; Palandt/Edenhofer, § 2100 Rn. 7. 191 MünchKomm BGB-Grunsky, §2100Rn. 14. 192 A.A. MünchKomm BGB-Frank, § 2306 Rn. 12; Kanzleiter, DNotZ 1993,780, 785. 193 Anders in der Konstruktion BGH v. 28. 10. 1992, BGHZ 120, 96, 100. Dem BGH zustimmend Lange/Kuchinke, Erbrecht, 37 V 4 b) mit Fn. 91. 194 Vgl. dazu oben Kapitel 4, III, 3. 195 Wacke, DNotZ 1990,403,411.
IV. Die Cautela Socini
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erben. 196 Weiterhin bedeutet Vor- und Nacherbfolge stets, daß verschiedene Personen nacheinander Erben werden. Dieses Regelungsmuster fehlt bei der Wiederverheiratungsklausel, bei der hier behandelten Form der Verwirkungsklausel liegt es hingegen vor: Die Wiederverheiratungsklausel stellt nach hier vertretener Auffassung eine aufschiebend bedingte Vorerbeneinsetzung dar. Vor Bedingungseintritt (Wiederverheiratung) hat der Schlußerbe mithin noch nicht das Erwerbsrecht eines Nacherben, sondern lediglich ein hiervon abgespaltenes Erwerbsrecht inne. Der Schlußerbe ist gerade nicht zum Nacherben eingesetzt. Auch konstruktiv liegt keine Vor- und Nacherbfolge vor. Der überlebende Ehegatte hat vielmehr bis zur Wiederverheiratung bildlich gesprochen sowohl die Stellung eines Vorerben wie auch die eines Nacherben inne. Deshalb fehlt es an der auch für die konstruktive Vor- und Nacherbfolge unverzichtbaren Voraussetzung der Personenverschiedenheit von Vor- und Nacherbe. Diese Voraussetzung ist hingegen bei der Cautela Socini erfüllt. Denn der Pflichtteilsberechtigte wird hier unter einer aufschiebenden Potestativbedingung zum Vorerben eingesetzt. Bereits mit dem Erbfall ist ihm ein Erwerbsrecht auf die Stellung eines Vorerben zugewandt. Angesichts der Möglichkeit mehrerer sukzessiver Vor- und Nacherbfolgen ist dieses Erwerbsrecht identisch mit der Stellung eines Nacherben. Bis zum Eintritt der Bedingung ist die als Nacherbe vorgesehene Person in Höhe des dem Pflichtteilsberechtigten zugewandten Erbteils Vorerbe. Mit Eintritt der Bedingung kehren sich bildlich gesprochen die Rollen um und der Pflichtteilsberechtigte, der bis zu diesem Zeitpunkt Nacherbe war, erhält die Stellung eines Vorerben.
d) Zur Bedeutung des abweichenden Erblasserwillens Wenn der Erblasser eine Socinische Klausel der hier behandelten Form verwendet, wird er dies regelmäßig gerade deshalb tun, um die unerwünschten Rechtsfolgen des § 2306 I 1 BGB zu umgehen. Die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum unbeschränkten Vollerben entbehrt mithin einer privatautonomen Grundlage. Aber das Gesetz ersetzt den fehlenden privat-autonomen Geltungsgrund durch einen gesetzlichen. Auf einen entgegenstehenden Erblasserwillen kommt es danach nicht mehr an. 1 9 7 Zudem zeigt die Vorschrift des § 2306 Π BGB, daß gerade auch die aufschiebend bedingte Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten erfaßt werden 196 MünchKomm BGB-Grunsky, § 2100 Rn. 2; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 281 2 a). 197 Es ist daher durchaus zutreffend, wenn Kanzleiter (DNotZ 1993, 780,780) auf den mit der Unwirksamkeit socinischer Klauseln einhergehenden Verlust privatautonomer Gestaltungsmöglichkeiten hinweist. Allerdings besteht insoweit eine bereits im Gesetz angelegte Grenze der Testierfreiheit. Die Entscheidung des BGH im Apothekerfall (BGH v. 28. 10. 1992, BGHZ 120, 96) betont dies lediglich, ohne die Gewichte zuungunsten der Privatautonomie zu verschieben.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
soll. Denn hierdurch wird dieser konstruktiv zum Nacherben eingesetzt. Wenn das Gesetz die Einsetzung zum Nacherben den in § 2306 I 1 BGB genannten Beschränkungen ausdrücklich gleichstellt, zeigt dies, daß auch durch die Verwendung von Bedingungen der in § 2306 I 1 BGB umschriebene Schutz des Pflichtteilsberechtigten unterlaufen wird. 3. Ergebnis Die Entscheidung des BGH im Apothekerfall 198 ist im Ergebnis richtig.199 § 2306 I 1 BGB steht über die Verweisung des § 2306 Π BGB auch Bedingungskonstruktionen in der Cautela Socini entgegen. Die aufschiebend bedingte Vorerbeneinsetzung des Pflichtteilsberechtigten macht diesen notwendig bis zum Bedingungseintritt oder -ausfall zum Nacherben. Deshalb ist die Verwirkungsklausel nach §§ 2306 Π, 2306 I 1 BGB unwirksam. Zwar ist die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum unbeschränkten Vollerben nicht gewollt. Das Gesetz ersetzt jedoch den fehlenden privatautonomen Geltungsgrund im Rahmen eines positiven Typenzwangs durch einen gesetzlichen.
V. „Quos Titius voluerit": Materielle Höchstpersönlichkeit des Testaments und auflösend bedingte Vorerbeneinsetzung Auf die besondere Bedeutung der rechtsgeschäftlichen Bedingung als erbrechtliches Gestaltungsmittel ist in dieser Arbeit wiederholt hingewiesen worden. 200 Sie ermöglicht dem Erblasser die flexible Anpassung seiner Verfügung an zukünftige Entwicklungen.201 Jedoch ist diese Gestaltungsfreiheit nicht schrankenlos. So bildet zunächst ein bestehender negativer Typenzwang im Rahmen seines materiellen Schutzzwecks eine Grenze. 202 Darüber hinausgehend fragt sich, ob auch der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung (§§ 2064 f. BGB) 2 0 3 bestimmten Bedingungskonstruktionen entgegensteht. Unter diesem Gesichtspunkt problematisch können insbesondere Bedingungen sein, deren Eintritt in das Belie198 BGH v. 28. 10. 1992, BGHZ 120,96. 199 Zustimmend auch Lange/Kuchinke, Erbrecht, 37 V 4 b) mit Fn. 91; Schubert, JR 1993, 368, 370; Hohloch, L M § 2306 BGB Nr. 11 Bl. 431. 200 Vgl. oben Kapitel 4, III, 1). 201 jede Verfügung von Todes wegen hat die Regelung künftiger Verhältnisse zum Gegenstand, vgl. etwa Raape, in: Festschrift für Zitelmann (1913), S. 8. 202 Vgl. oben Kapitel 2, III, 1. 203 Hierzu etwa BGH v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 200; MünchKomm BGB -Leipold, § 2064 Rn. 1; Kipp/Coing, Erbrecht, § 18 I 3; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 18 I 1; Flad, ZakDR 1938,431,432; Zimmermann, Höchstpersönliche Willensentscheidung, S. 7.
V. „Quos Titius voluerit"
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ben des unter einer Bedingung Eingesetzten gestellt ist (sog. Potestativbedingung 204 ). Letztwillige Potestativbedingungen sind bisher vor allem unter dem Gesichtspunkt einer übermäßigen Einflußnahme des Erblassers auf das Verhalten des bedingt Bedachten untersucht worden. 205 Das Verhältnis letztwilliger Potestativbedingungen zum Grundsatz der höchstpersönlichen Testamentserrichtung betrifft demgegenüber eine vorgelagerte Frage. 206 Zu klären ist, ob durch die Verwendung einer solchen Bedingung das Erfordernis der höchstpersönlichen Testamentserrichtung umgangen wird. Wäre der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit verletzt, fehlte es bereits an einer wirksamen letztwilligen Verfügung, so daß es etwa auf § 138 I BGB nicht mehr ankäme.
1. Ausgangsfall: RGZ 95,278 2 0 7 Nach § 2065 Π BGB kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, nicht einem Dritten überlassen. Hiermit scheint die im Fall RGZ 95, 278 zu beurteilende Verfügung unvereinbar zu sein. Der Erblasser hatte dort seine Ehefrau als Vorerbin und seine Nichte als Nacherbin einsetzt, zugleich aber bestimmt, daß die Vorerbin berechtigt sein solle, auch über seinen Nachlaß abweichend zu testieren. Denn hiermit stellte der Erblasser die Entscheidung darüber, ob seine Nichte oder aber Dritte seine Erben werden sollen, in das Belieben seiner zunächst zur Vorerbin berufenen Ehefrau. Das Reichsgericht208 und die seither ständige Rechtsprechung209 entscheiden indessen anders: Durch eine solche Verfügung sei der Vorerbe zugleich als unter einer aufschiebenden Potestativbedingung eingesetzter Vollerbe anzusehen bzw. seine Vorerbenstellung sei auflösend bedingt. Bedingung sei die eigene abweichende Verfügung. Trifft der Vorerbe eine abweichende Verfügung von Todes wegen, wird er für eine logische Sekunde zum Vollerben. Seine Verfügung betrifft dann nicht mehr den zuvor dem Nacherbenrecht unterliegenden Nachlaß des Erblassers, sondern das um diesen vermehrte Eigenvermögen des früheren Vorerben. 210 Ebenso wie bei den Wiederverheiratungsklauseln im Ehegattentestament ist die Richtigkeit dieser Bedingungskonstruktion im Schrifttum bezweifelt wor204 Zum Begriff der Potestativbedingung vgl. Flume , Rechtsgeschäft, § 38,2 c). 205 Siehe vor allem Keuk, FamRZ 1972, 9 ff.; Meincke, in: Festschrift für Käser (1976), S. 437,443 ff.; Otte, JA 1985, 192, 199. 206 in diesem Sinne differenzierend auch Raape, in: Festschrift für Zitelmann (1913), S. 1 f. 207 RG Urt. v. 16.4. 1919 - Rep IV. 58/19. 208 RG v. 16.4. 1919, RGZ 95,278,279. 209 Vgl. BGH v. 26. 4. 1951, BGHZ 2, 35; v. v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 200; OLG Oldenburg v. 6. 11. 1990, NJW-RR 1991,646. 210 Vgl. hierzu die Übersicht bei Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 24.
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
den. 211 Allerdings wird hier nicht auf den erbrechtlichen Typenzwang212 oder die Grundsätze des Bedingungsrechts verwiesen. Entscheidendes Argument ist vielmehr die behauptete Umgehung des § 2065 Π BGB. 2 1 3 Indes kann die Frage einer möglichen Umgehung des § 2065 Π BGB erst dann sinnvollerweise gestellt und beantwortet werden, wenn feststeht, daß die Vorschrift nicht unmittelbar einschlägig ist. Das wäre aber der Fall, wenn eine bedingte Vorerbschaft begrifflich ausgeschlossen wäre. 214 Deshalb muß primär geklärt werden, ob der konstruktive Ansatz der Rechtsprechung überhaupt dogmatisch möglich ist. Anders als bei der Wiederverheiratungsklausel werden insoweit keine Bedenken geäußert. Die Kautelarpraxis geht vielmehr unproblematisch von der Zulässigkeit einer durch die abweichende Verfügung des Vorerben auflösend bedingten Nacherbschaft aus. 215 Empfohlen wird für ein Ehegattentestament etwa die folgende Formulierung: 216 „Dem Vorerben wird jedoch gestattet, die Nacherbfolge dadurch zu beseitigen, daß er über seinen Nachlaß - und damit auch über den Nachlaß des Zuerstversterbenden von uns beiden - abweichend von der in Ziffer ... getroffenen Schlußerbeneinsetzung ( . . . ) abweichend verfügt ( . . . )."
2. Zulässigkeit und Konstruktion einer bedingten Vorerbschaft a) Das Ziel der Bedingungskonstruktion Bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen kann es vorkommen, daß der Erblasser unsicher ist, wer von mehreren Personen für die Vermögensnachfolge am besten geeignet ist. Vor allem bei der Regelung der Unternehmensnachfolge besteht daher ein praktisches Bedürfnis für eine Delegation der Auswahlentscheidung. 217 Denn der Erblasser wird kaum jemals mit Sicherheit sagen können, wel211 Maenner, LZ 1925, Sp. 570, 574; Stiegelen Selbstentscheidung, S. 99; MünchKomm BGB -Leipold, § 2065 Rn. 10. 212 Vgl. hierzu oben Kapitel 2, III, 1. c). 213 MünchKomm BGB -Leipold, § 2065 Rn. 10. Auch Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 24 stellt nur auf § 2065 II BGB als Grenze für derartige Bedingungskonstruktionen ab. Zum älteren Schrifttum s. die Nachweise bei Sens, Erbenbestimmung, S. 38 f. 214 So zur Wiederverheiratungsklausel im Ehegattentestament Wilhelm, NJW 1990, 2857, 2863; ebenso Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 24IV 3c; Zawar, DNotZ 1986, 515, 525 f.; ders., NJW 1988, 16, 18. 215 RG v. 26. 6. 1942, HRR 1942, Nr. 838; BGH v. 26. 4. 1951, BGHZ 2, 35, 36 f.; Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 24; Palandt/Edenhofer, § 2065 Rn. 8; Flad, ZakDR 1938, 431, 433; Großfeld, JZ 1968, 113, 115; Herrmann, AcP 155 (1956), 434, 436; Mayer, ZEV 1996, 104, 105; Raape, AcP 140 (1935), 233, 239; Wagner, ZEV 1997, 369, 370. 216 Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Anh. A, Rn 36. 217 Vgl. die Beispiele bei H. Westermann, in: Festschrift für Möhring I (1965), S. 183, 190; Großfeld, JZ 1968, 113,114 f.; Sens, Erbenbestimmung, S. 6 ff.
V. „Quos Titius voluerit"
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ches seiner Kinder willens und in der Lage sein wird, das Familienunternehmen weiterzuführen. 218 Dieses praktische Bedürfnis, die Auswahlentscheidung zu verschieben und zu delegieren, wird in der Sache auch von der Rechtsprechung anerkannt. 219 Jedoch verlangt die Rechtsprechung, daß der Erblasser selbst die Auswahlkriterien so präzise festlegt, daß jeder beliebige sachkundige Dritte die Entscheidung treffen könnte.220 Diese Rechtsprechung ist zwar im Ansatz durchaus begrüßenswert 221, da sie versucht, eine interessengerechte Testamentsgestaltung auch gegen das Gesetz (§§ 2064 f. BGB) zu ermöglichen. Sie ist dennoch arbiträr 222 und vermag deshalb die erforderliche Rechtssicherheit nicht zu gewährleisten. Hier setzt nun die Bedingungskonstruktion an. 223 Die Delegation der Auswahlentscheidung an Dritte ist deshalb nach der gesetzlichen Regelung unzulässig, weil der Dritte über die Verteilung eines fremden Nachlasses bestimmen soll. Würde er hingegen über seinen eigenen Nachlaß verfügen, bestünden diese Schwierigkeiten nicht. 224 Die Lösung ist deshalb eine sog. kaptatorische Verfügung 225. Der Dritte wird als Vorerbe eingesetzt mit der Möglichkeit, sich selbst zum Vollerben zu machen. Allerdings wird als Bedingung für die Erlangung der Vollerbenstellung eine bestimmte Verfügung von Todes wegen im Sinne des Erblassers gesetzt. Der Dritte verfügt dann konstruktiv über sein eigenes Vermögen.226 Sachlich bestimmt er aber über die Verteilung des Nachlasses im Sinne des Erblassers.
b) Zur Konstruktion
im einzelnen
Ob dieses Ziel auch erreicht werden kann, hängt von der konstruktiven Möglichkeit einer bedingten Vorerbeneinsetzung ab. An deren Zulässigkeit bestehen indes deshalb Zweifel, weil jede Vorerbeneinsetzung ohnehin schon eine bedingte Erbeinsetzung bedeutet.227 218 H. Westermann, in: Festschrift für Möhring I (1965), S. 183,190. 219 BGH v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 202 ff. 220 BGH v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 202 ff. Zu den Kriterien im einzelnen vgl. Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 25 ff. 221 A.A. Leipold, FamRZ 1993, 646,647. 222 Kritisch auch Brox, in: Festschrift für Bartholomeyczik (1973), S. 41, 54. 223 Wenn die Bedingungskonstruktion möglich ist, kann § 2065 II BGB nicht unmittelbar angewendet werden (Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 24). Eine entsprechende Anwendung ist nur im Rahmen eines materialen Schutzzwecks möglich. Hierzu näher unten Kapitel 4, V, 3). 224 Voit, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 24; Brox, in: Festschrift für Bartholomeyczik (1973), S. 41, 43 f.; Kipp, JW 1920, 286; Endemann, JW 1933, 1349, 1350; 225 Zum Begriff der kaptatorischen Verfügung vgl. Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 22; Staudinger /Otte, § 2064 Rn. 24. 226 Brox, in: Festschrift für Bartholomeyczik (1973), S. 41,53. 227 Vgl. oben Kapitel 4, III, 3. 10 Radke
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
Insoweit kann an die Ausführungen zur Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel228 angeknüpft werden: Entgegen der Ansicht Wilhelms 229 ist eine bedingte Vorerbeneinsetzung keine pleonastische Fehlkonstruktion. Nach der hier vertretenen Ansicht weist der Erblasser durch die auflösend bedingte Anordnung der Nacherbfolge vielmehr dem Vorerben zusätzlich die um ein Erwerbsrecht verminderte Nacherbenstellung zu. Es liegt gerade keine gewöhnliche Vor- und Nacherbfolge vor. Konstruktiv ist eine bedingte Vorerbeneinsetzung also ohne weiteres denkbar. Verfügt der Vorerbe abweichend230, wird er infolge der hiermit verbundenen Vereinigung von Vorerbenstellung und Nacherbenrecht in seiner Hand Vollerbe. Seine Verfügung betrifft im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens lediglich den eigenen Nachlaß. Die konstruktive Möglichkeit einer bedingten Vorerbeneinsetzung genügt jedoch für sich genommen nicht, um die Zulässigkeit der eingangs beschriebenen Verfügung zu erweisen. Steht hiermit doch lediglich fest, daß derartige Verfügungen von § 2065 I I BGB seinem Wortlaut nach nicht erfaßt werden. Dennoch könnte es unzulässig sein, die Vorerbschaft unter einer solchen Bedingung anzuordnen. Eine solche Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge wäre als in diesem Sinne bedingungsfeindlich anzusehen, wenn der gesetzlichen Ausgestaltung des Testaments als Typus letztwilliger Verfügung zugleich ein Verbot der Umgehung des in § 2065 I I BGB enthaltenen Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit entnommen werden kann.
3. Formelle oder materielle Höchstpersönlichkeit des Testaments: Zur Möglichkeit einer „Umgehung" des § 2065 BGB a) Der erbrechtliche
Typenzwang als gesetzlicher Verbotstatbestand
Eine dergestalt bedingte Vorerbeneinsetzung als unzulässiges Umgehungsgeschäft zu erfassen, ist nur bei einem Verständnis des erbrechtlichen Typenzwangs als eines gesetzlichen Verbotstatbestandes möglich. Wer die erbrechtliche Typenordnung hingegen als rein formelles Prinzip begreift 231, verläßt diese dogmatischen Ausgangspunkt, wenn zusätzlich Umgehungsgeschäfte erfaßt werden sollen. Denn nach jenem Verständnis bedeutet die gesetzliche Normierung der Typen letztwilliger Verfügungen und ihre Ausgestaltung durch das zwingende Erbrecht 228 Vgl. oben Kapitel 4, III. 229 NJW 1990, 2857, 2863. 230 Insoweit ist es unerheblich, ob der Vorerbe bereits mit der Errichtung der Verfügung oder erst eine logische Sekunde vor deren Wirksamwerden die Vollerbenstellung erlangt. 231 So die h.M., vgl. MünchKomm BGB -Leipold, § 1937 Rn. 10; Staudinger/ Otte, vor §§ 1937-1942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 350 ff.
V. „Quos Tìtius voluerit"
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eine Erweiterung des rechtlichen Könnens der Privatrechtssubjekte.232 Die erbrechtliche Typenordnung kann deshalb nicht zusätzlich als Beschränkung des rechtlichen Dürfens verstanden werden. Beide Ansätze schließen sich vielmehr aus. Die Inanspruchnahme eines eingeräumten Freiraums kann kein „Umgehungsgeschäft" darstellen. Hiergegen ließe sich allenfalls einwenden, das Gesetz habe den Privatrechtssubjekten eben angesichts des § 2065 Π BGB von vornherein nicht die Rechtsmacht verliehen, die Vorerbschaft von einer Bedingung wie in der Entscheidung RGZ 95, 278 abhängig zu machen. Überzeugend ist dieser Einwand freilich nicht. Denn das Gesetz sieht die Möglichkeit einer bedingten Erbeinsetzung ausdrücklich vor (vgl. §§ 2074 f., 2108 BGB). 2 3 3 Deshalb gehören bedingte Verfügungen zu den vom Gesetz bereitgestellten Gestaltungsformen. Sie müssen zwar ihrerseits mit § 2065 Π BGB vereinbar sein. Ist diese Voraussetzung jedoch erfüllt, hält sich die Verfügung im Rahmen des rechtlichen Könnens. Zur Unzulässigkeit bestimmter Bedingungen kann man nur gelangen, wenn man die gesetzliche Typenordnung gerade nicht als Einräumung von Handlungsmöglichkeiten, sondern als Beschränkung einer vorausgesetzten Gestaltungsmacht im Rahmen bestimmter materialer Schutzzwecke begreift. 234
b) Der Tatbestand des § 2065 II BGB Der Grundsatz der höchstpersönlichen Errichtung des Testaments wird durch § 2064 BGB gewährleistet.235 Formell stellt diese Vorschrift die Höchstpersönlichkeit des Testaments mithin ausnahmslos sicher. 236 Indes würde es dieser Grundsatz gestatten, durch Testament die Auswahl des oder der Erben einem Dritten zu übertragen. Hier wäre die Höchstpersönlichkeit nur formell, nicht aber inhaltlich gewahrt. Denn der Erblasser hat über die Verteilung seines Nachlasses nicht entschieden, sondern nur eine Person bestimmt, die die eigentliche Entscheidung zu treffen hat. Ohne inhaltliche Flankierung drohte der in § 2064 BGB aufgestellte Grundsatz mithin leerzulaufen. Auf diese inhaltliche Gewährleistung der Höchstpersönlichkeit ist § 2065 BGB schon seiner systematischen Stellung nach bezogen. Soll § 2065 BGB die Höchstpersönlichkeit des Testaments auch inhaltlich gewährlei232 Staudinger/ Otte, vor §§ 1937-1942 Rn. 14; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Teil A Rn. 57; Zawar, Vermächtnis, S. 82; Strothmann, Jura 1982, 349, 350. 233 Palandt/Edenhof er, § 2074 Rn. 1; Erman/M. Schmidt, § 2074 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 34IV 3e; Brox, Erbrecht, Rn. 212; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 433. 234 Hierzu bereits oben Kapitel 2, III, 1); Kapitel 4, II, 1) b. 235 BGH v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 200; MünchKomm BGB -Leipold, § 2064 Rn. 1; Kipp/Coing, Erbrecht, § 18 I 3; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 18 I 1; Zimmermann, Höchstpersönliche Willensentscheidung, S. 7. 236 Voit, in: Dittmann/Reimann/Benel, Testament und Erbvertrag, vor § 2229 BGB Rn. 17. 10*
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
sten, ist hiermit für die Bestimmung des Schutzzwecks dieser Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang noch nicht allzu viel gewonnen. Schließlich ist bei der beschriebenen Verfügungsstruktur auch inhaltlich die Höchstpersönlichkeit voll gewahrt. Ihre Unzulässigkeit gleichwohl auf § 2065 BGB zu stützen, erfordert deshalb die Ermittlung der Gerechtigkeitsgründe, die den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit tragen. Nur wenn solche aufweisbar sind, ist die Erfassung von Umgehungsgeschäften möglich.
c) § 2065 BGB als Beschränkung oder Ausgestaltung der Testierfreiheit? § 2065 Π BGB kann bestimmten Umgehungsgeschäften nach dem Gesagten von vornherein nur dann entgegenstehen, wenn diese Vorschrift eine Beschränkung der Testierfreiheit zumindest mitenthält. Gerade diese Voraussetzung ist indes problematisch. Denn ihrer Entstehungsgeschichte nach 237 soll § 2065 Π BGB lediglich dem unvollständigen Erblasserwillen die Geltung versagen.238 Solange der Erblasser sich über seinen letzten Willen selbst nicht im klaren ist, hat er von seiner Testierfreiheit noch keinen Gebrauch gemacht. Entsprechend unvollständigen Verfügungen die Gültigkeit zu versagen kann demnach keine Beschränkung der Testierfreiheit bedeuten. Hiervon ausgehend scheint es konsequent, bei letztwilligen Potestativbedingungen danach zu differenzieren, ob der Erblasser sich einen abschließenden Willen gebildet hat, oder aber diese höchstpersönliche Entscheidung unzulässigerweise an einen Dritten delegieren wollte. 239 Jedoch ist diese Differenzierung nicht nur praktisch undurchführbar 240, sondern auch in ihren Prämissen unzutreffend. Schließlich hat sich der Erblasser auch dann einen abschließenden Willen gebildet, wenn er die Bestimmung der Erbfolge einem Dritten übertragen hat. Es ist dann allein fraglich, ob eine solche Verfügung inhaltlich zulässig ist. Insoweit hilft der Verweis auf eine angebliche Unvollständigkeit der Verfügung aber gerade nicht weiter. Der Gedanke der vollständigen höchstpersönlichen Willensentscheidung des Erblassers verfängt zudem nicht, wenn es um die Erklärung des § 2151 BGB 237 Vgl. hierzu Zimmermann, Höchstpersönliche Willensentscheidung, S. 20 ff.; Brox, in: Festschrift für Bartholomeyzik (1973), S. 41, 42 f.; Grossfeld, YL 1968, 113, 115 ff.; Flad, ZAkDR 1938,431,432 f.; Sens, Erbenbestimmung, S. 53 f. 238 Prot. V, 6607 = Mugdan V, S. 523; Mot. V, 35 = Mugdan V, 19. So auch BGH v. 18. 11. 1954, BGHZ 15, 199, 200; OLG Zweibrücken v. 4. 7. 1988, NJW-RR 1989,453,454; H. Westermann, in: Festschrift für Möhring I (1965), S. 183, 193; MünchKomm BGB-Leipold, § 2065 Rn. 2. 239 So MünchKomm BGB-Leipold, § 2065 Rn. 5; Raape, in: Festschrift für Zitelmann (1913), S. 12 (eine „dolose Zauderbedingung" sei unzulässig); Brox, in: Festschrift für Bartholomeyzik (1973), S. 41, 55; Flad, ZakDR 1938,431,432. 240 Zimmermann, Höchtspersönliche Willensentscheidung, S. 55.
V. „Quos Titius voluerit"
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geht. 241 Jene Vorschrift gestattet bei der Bestimmung des Vermächtnisnehmers Verfügungen, die in diesem Sinne unvollständig sind, ausdrücklich. Allein der Gedanke der Unvollständigkeit der Verfügung ist mithin keine zureichende Rechtfertigung für die Erfassung auch von Umgehungsfällen. Da hier eine vollständige Verfügung vorliegt, müssen Gründe benannt werden können, die ihre Unzulässigkeit vor dem Hintergrund der Testierfreiheit legitimieren können.
d) Die Ratio des § 2065 II BGB aa) Materielle Höchstpersönlichkeit und Wortformalismus Der Grundsatz der höchstpersönlichen Errichtung des Testaments findet sich bereits im römischen Erbrecht. 242 Verfügungen der Art „Quos Titius voluerit, heredes sunto" waren deshalb unzulässig.243 Fehlt es hier doch an einer eindeutigen Bestimmung des Erben durch den Erblasser selbst. Gerade dieförmliche Erbeinsetzung durch den Erblasser war aber unverzichtbar, sie bildete die Grundlage jedes Testaments (caput et fundamentum testamenti).244 Wäre es zulässig, einen Dritten zu ermächtigen, den oder die Erben zu bestimmen, fehlte es an einer förmlichen Erbeinsetzung. Denn dann bestimmte sich die Erbfolge nach dem formfrei erklärten Willen eines Dritten. Für die Unzulässigkeit einer solchen Ermächtigung bedurfte es deshalb keines besonderen Sachgrundes. Ausschlaggebend war vielmehr das Fehlen des Geltungsgrundes für die letztwillige Verfügung in Gestalt der testamentsförmigen Erbeinsetzung. Die überragende Bedeutung des Wortformalismus 245 im vorliegenden Zusammenhang wird dadurch bestätigt, daß eine Ermächtigung in der Form des „quos Titius voluerit" sowohl im Fideikommißrecht246 als auch im Legatsrecht anerkannt war 247 . Denn hier war die Bindung an einen Wortformalismus bereits frühzeitig so weit gelockert, daß eine auf der Grundlage des Erblasserwillens getroffene Verfügung eines Dritten zugelassen werden konnte. Jene Differenzierung ist für das heutige Rechtsverständnis ohne Sinn. Auch die letztwillige Verfügung gilt nicht deshalb, weil eine bestimmte Form beobachtet wurde. Sie gilt, wenn die Form beachtet wurde, allein deshalb, weil sie gewollt 241
Den Widerspruch zu § 2151 BGB betont auch Sens, Erbenbestimmung, S. 101,150. Zimmermann, Höchtspersönliche Willensentscheidung, S. 9; Mayer.Maly, Rom. Privatrecht, S. 163 f.; Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abschnitt, S. 678 f.; Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 431; Honseil, Rom. Privatrecht, S. 169. 243 s. etwa D. 28, 5, 32 pr. (Gaius). Vgl. auch Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abschnitt, S. 678 f. 242
244 Mayer.Maly, Rom. Privatrecht, S. 163 f.; Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abschnitt, S. 678 f.; Hausmanninger/Selb, Rom. Privatrecht, S. 431; Honseil, Rom. Privatrecht, S. 169. 245 Hierzu allgemein bereits oben Kapitel 1, III, 2. 24 * D. 34,5,7,1 (Gaius) 24 7 Honsell, Rom. Privatrecht, S. 174 f.; Käser, Rom. Privatrecht, 1. Abschnitt, S. 747.
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ist. 248 Es fällt vor diesem Hintergrund schwer, die Übernahme der römisch-rechtlichen Systematik in das BGB material zu rechtfertigen. 249 Eine inhaltliche Rechtfertigung durch überwiegende Interessen Dritter oder die Allgemeinheit ist indessen unverzichtbar, um die hierin liegende Beschränkung der Testierfreiheit legitimieren zu können. Das gilt im besonderen Maße wenn die Regelung erweiternd auf Verfügungen angewandt werden soll, die dem von § 2065 Π BGB aufgestellten Grundsatz jedenfalls dem Wortlaut nach nicht widersprechen.
bb) Die Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung als Schutz der gesetzlichen Erbfolge? Wenn § 2065 Π BGB bestimmten Formen letztwilliger Verfügungen entgegenstehen sollte, erscheint es denkbar, daß auf diesem Weg die privatautonome Abänderung der gesetzlichen Erbfolge erschwert werden soll. 250 Da die gesetzliche Erbfolge die vom Gesetzgeber als typischerweise gerecht angesehene Regelung der Vermögensnachfolge bildet 251 , könnte deren Abänderung nur durch eigene, höchstpersönliche Entscheidung möglich sein. Der Erblasser selbst soll genau bestimmen, wie sein Vermögen nach seinem Tod in Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge zu verteilen ist. An dieser Argumentation ist zutreffend, daß die gesetzliche Erbfolge eine durch Gerechtigkeitsüberlegungen begründete Vermögensordnung ist. Deshalb kann der Erblasser hiervon auch nur durch formgebundene Verfügung abweichen. Unklar bleibt jedoch, warum dem Gerechtigkeitsgehalt der gesetzlichen Erbfolge auch inhaltliche Anforderungen an letztwillige Verfügungen zu entnehmen sein sollen. Denn solche inhaltliche Anforderungen an die letztwillige Verfügung sind mit der Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts nur schwer vereinbar. Danach steht bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers nur eine wertmäßige Mindestbeteiligung am Nachlaß zu. Inhaltliche Anforderungen an die rechtsgeschäftliche Gestaltung der Vermögensnachfolge existieren demgegenüber nicht. 252 Hiervon abgesehen ist es auch vom Ergebnis her betrachtet höchst unsicher, ob die vom Erblasser selbst getroffene Verfügung stets „gerechter" ist, als die Erbenbestimmung durch einen Dritten mit Ermächtigung des Erblassers. 253 248 Vgl. hierzu oben Kapitel 1, II, 2.; Kapitel 1, III, 2. 249 Auch der BGB-Gesetzgeber hat den Widerspruch zwischen §§ 2065/2151 gesehen, zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Regelung aber ohne weitere Begründung auf ein „praktisches Bedürfnis" verwiesen (Prot. V, 6625 f. = Mugdan V, 527 f.; dazu auch Sens, Erbenbestimmung, S. 53 f.; Stiegeler, Selbstentscheidung, S. 50). 250 in diesem Sinne MünchKomm BGB-Leipold § 2065 Rn. 1, Einl. Erbrecht Rn. 13; Großfeld, JZ 1968, 113, 118; Sens, Erbenbestimmung, S. 91. 251 Insoweit zutreffend MünchKomm BGB-Leipold, Einl Erbrecht Rn. 13. 252 Hierzu bereits oben Kapitel 1, II, 5. b). 253 Vgl. hierzu auch Raape, in: Festschrift für Zitelmann (1913), S. 10 f.
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Festzuhalten bleibt, daß der Gerechtigkeitsgehalt der gesetzlichen Erbfolge nur eine höchstpersönliche Entscheidung des Erblassers über das „Ob" ihrer Abbedingung erfordert. Hat er diese Entscheidung aber in gehöriger Form selbst getroffen, bestehen keine weiteren Erfordernisse hinsichtlich des „Wie" der Vermögensnachfolge. Auch die Bestimmung des Erben durch Dritte wäre danach möglich.
cc) Materielle Höchstpersönlichkeit als Mittel zur Verhinderung von unerwünschten Vermögenskonzentrationen Das Bürgerliche Gesetzbuch beschränkt an verschiedenen Stellen die Möglichkeiten des Erblassers, auch über den eigenen Tod hinaus sein Vermögen als Einheit zu erhalten (vgl. §§ 2044 Π 1, 2109, 2210 BGB). Aus den genannten Vorschriften läßt sich entnehmen, daß für die Regelungsbefugnis des Erblassers grundsätzlich eine zeitliche Grenze von 30 Jahren besteht. Da durch die Delegation der Auswahlentscheidung auf einen Dritten der Einfluß des Erblassers in zeitlicher Hinsicht ausgedehnt werden kann, dient das Erfordernis der höchstpersönlichen Errichtung des Testaments mittelbar auch der Wahrung dieser Grenze und wirkt auf diese Weise einer rechtspolitisch unerwünschten Vermögenskonzentration entgegen.254 Indes kann gleichwohl aus § 2065 Π BGB keine zusätzliche, über § 2109 BGB hinausreichende, Schranke für die bedingte Vorerbeneinsetzung abgeleitet werden. Soweit durch die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge eine Vermögenskonzentration erreicht werden kann, bildet § 2109 BGB die einzige Grenze für derartige Verfügungen. Es geht demgegenüber nicht an, bereits die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge als solcher nur zuzulassen, wenn dadurch unerwünschte Vermögenskonzentrationen nicht gefördert werden. Denn hierin liegt gerade ein wesentlicher Zweck des Instituts der Vor- und Nacherbfolge. 255
4. § 2065 Π BGB als Norm ohne materialen Schutzzweck Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, daß ein materialer Schutzweck, der eine auf § 2065 I I BGB gestützte Beschränkung der Testierfreiheit legitimieren könnte, nicht aufweisbar ist. 256 Damit steht fest, daß jedenfalls Umgehungsgeschäfte nicht erfaßt werden können.257 254 Großfeld, JZ 1968,113, 120. 255 MünchKomm BGB-Grunsky, § 2100 Rn. 3; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 29 I 3; Leipold, Erbrecht, Rn. 489. 256 So auch Zimmermann, Höchtspersönliche Willensentscheidung, S. 57. 257 Darüber hinausgehend fragt sich, ob die Vorschrift in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht sogar verfassungswidrig ist. Denn auch insoweit fehlt es an einem inhaltlich überzeugenden Grund für die hierin liegende Einschränkung der Testierfreiheit. Die Vorschrift wäre dann als vorkonstitutionelles Recht außer Anwendung zu lassen, ohne daß es
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
Die Schwierigkeiten bei der Interpretation des § 2065 Π BGB beruhen darauf, daß es sich hier um die unkritische Übernahme einer Regelung handelt, die für das römische Recht sinnvoll und systemkonform war. Im geltenden Recht hat sie aber keinen Platz mehr. Im römischen Recht war sie Ausdruck des damals herrschenden Wortformalismus als Geltungsgrund auch der Verfügungen von Todes wegen. Im heutigen Recht ist aber nicht die Beachtung einer Form Geltungsgrund des Rechtsgeschäftes, sondern der Wille der Beteiligten. § 2065 I I BGB stellt mithin eine dogmatische Fehlentscheidung des Gesetzgebers dar. Eine auch „Umgehungsfälle" erfassende Auslegung kommt nicht in Betracht. 258 Nach dem in dieser Arbeit zugrundegelegten Verständnis der Privatautonomie kann prinzipiell jedes Rechtsgeschäft die gewollten Rechtsfolgen herbeiführen, solange es eine hinreichende Richtigkeitsgewähr aufweist. Weitergehende Einschränkungen müssen sich als verhältnismäßige Einschränkung der Privatautonomie erweisen lassen, das heißt zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Da es insoweit schon an einem legitimen Zweck fehlt, die Vorschrift des § 2065 Π BGB vielmehr lediglich die doktrinäre Umsetzung einer römisch-rechtlichen Wertung ist, liegt die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift mindestens nahe. Hierin zeigt sich erneut, welche weitreichenden Auswirkungen die Bestimmung des Geltungsgrundes rechtsgeschäftlicher Regelungen und der Funktion eines etwaigen Typenzwangs haben können. Versteht man nämlich den erbrechtlichen Typenzwang als Aktualisierung immanenter Schranken der Privatautonomie, ist von vornherein kein Raum für die Frage, ob eine bestimmte Regelung nicht vielleicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatautonomie bedeutet.
5. Ergebnis Es ist nicht nur konstruktiv möglich, sondern auch ohne Verstoß gegen § 2065 Π BGB zulässig, einen Vorerben unter der auflösenden Bedingung einzusetzen, daß dieser nicht abweichend über den Gesamtnachlaß verfügt. Dem Vorerben wird hier in Form einer kaptatorischen Verfügung ermöglicht, sich selbst zum Vollerben zu machen, unter der Voraussetzung, den Nachlaß im Interesse des Erblassers zu verteilen.
einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedürfte (vgl. zuletzt BVerfG v. 13. 8. 1998, JZ 1999, 251 zu § 828 II BGB). Doch muß diese Frage hier nicht abschließend entschieden werden. Schließlich steht es dem Erblasser frei, jedenfalls im praktischen Ergebnis die Bestimmung des Erben auf einen Dritten zu delegieren. 258 Der Ausweg von Sens (Erbenbestimmung, S. 97 ff.), § 2151 BGB entsprechend anzuwenden, wird damit überflüssig.
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte
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VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte Das sog. Anwartschaftsrecht aus bedingter Übereignung spielt im Wirtschaftsverkehr eine wichtige Rolle. Es dient nicht zuletzt auch als Kreditunterlage. 259 Indes wirkt sich die fehlende abschließende Klärung der dogmatischen Grundlagen der Rechtsposition aus bedingter Übereignung immer wieder auch auf die praktischen Ergebnisse aus. So ist seit der Entscheidung BGHZ 92, 280 2 6 0 streitig, ob die Aufhebung" eines der Hypothekenhaftung unterliegenden „Anwartschaftsrechts" durch Vereinbarung zwischen Vorbehaltskäufer und Vorbehaltsverkäufer möglich ist. 1. Terminologisches Nach der hier vertretenen Auffassung ist jedes bedingte Geschäft als Verfügung über ein Erwerbsrecht zu begreifen. 261 Durch die bedingte Übereignung erhält der Vorbehaltskäufer demnach ein Erwerbsrecht auf Erwerb des Eigentums. Wenn demgegenüber von einem Anwartschaftsrecht gesprochen wird, ist damit das herkömmliche Verständnis der bedingten Übereignung gemeint. Danach ist das Anwartschaftsrecht eine anschauliche Umschreibung für diejenige Rechtsposition, die der Vorbehaltskäufer aufgrund der bedingten Übereignung angesichts des Schutzes der §§ 161 ff. BGB erhält. 262
2. Das Anwartschaftsrecht im Haftungsverband eines Grundpfandrechts: Die herkömmliche Sichtweise a) Die Interessen der Beteiligten und ihre rechtliche Gewichtung Der Sicherungswert eines Grundpfandrechts hängt gerade bei gewerblich genutzten Grundstücken in erheblichem Maße von dem dort befindlichen Zubehör ab. 263 Deshalb muß der Sicherungsnehmer (Hypothekar oder Grundschuldgläubiger) ein Interesse an der Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit von Grundstück 259 BGH v. 10. 4. 1961, BGHZ 35, 85 (89 ff.); MünchKomm BGB-Quack, § 929 Rn. 24; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 V 2 b; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 98. 260 BGH, Urt. v. 10. 10. 1984 - VIIIZR 244/83. 261 Vgl. oben Kapitel 3, III, 2. 262 Zu diesem Verständnis des Anwartschaftsrechts vgl. etwa BGH v. 24. 6. 1958, BGHZ 28, 16 (21); v. 10. 4. 1961, BGHZ 35, 85 (89); v. 30. 4. 1982, NJW 1982, 1639 (1640); v. 2. 2. 1984, NJW 1984, 1184 (1185); BGB-RGRK-P/torf, § 929 Rn. 73; Soergel/Mühl, § 929 Rn. 29; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 V 1. 263 Mot. III, 651 = Mugdan III, 363; Staudinger/Wolf Steiner, § 1120 Rn. 1; MünchKomm BGB -Eickmann, § 1120 Rn. 1; Erman/Räüc, Vorb. zu § 1120; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 39 III 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 766 f.
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
und Zubehör haben. Dieses Interesse des Sicherungsnehmers berücksichtigt das Gesetz, indem es die Grundpfandhaftung auf das Grundstückszubehör erstreckt (§ 1120 BGB; für die Grundschuld § 1120 i.V.m. § 1192 BGB). Allerdings unterliegt nur solches Zubehör der Grundpfandhaftung, das dem Grundstückseigentümer gehört. 264 Soweit dieser Zubehörstücke unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, kann daher nur das Anwartschaftsrecht mit einer Mobiliarhypothek oder einer Mobiliargrundschuld belastet sein.265 Dieses Mobiliargrundpfandrecht setzt sich bei Bedingungseintritt entsprechend § 1287 BGB am Eigentum fort. 266 Dem Interesse des Grundpfandgläubigers an einer möglichst umfassenden Bestimmung des Haftungsverbandes des Grundpfandrechts steht das Bedürfnis des Grundstückseigentümers gegenüber, in Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft auch über Zubehörstücke zu verfügen. 267 Es würde letztlich auch nicht dem Interesse des Sicherungsnehmers entsprechen, den Grundstückseigentümer in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit allzu sehr einzuschränken. Denn ansonsten könnte er Zins und Tilgung des gesicherten Darlehens nicht erwirtschaften. Insofern stellen die Vorschriften der §§ 1121 f. BGB den gebotenen Ausgleich der Interessen von Grundpfandgläubiger und Grundstückseigentümer dar. Solange der Gläubiger nicht bereits die zwangsweise Realisierung der Haftung eingeleitet und die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt hat, kann der Grundstückseigentümer mit der Folge über Zubehörstücke verfügen, daß diese von der Haftung frei werden. Die damit eröffnete Enthaftungsmöglichkeit ist dem Mobiliargrundpfandrecht von vornherein immanent. So gesehen steht die Erstreckung der Grundpfandhaftung stets unter dem Vorbehalt der Enthaftung. Rechte des Grundpfandgläubigers werden deshalb durch eine Enthaftung von Zubehör nach §§ 1121 f. BGB nicht berührt.
b) Die Problematik des Anwartschaftsrechts Die Einordnung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung in diese Systematik bereitet besondere Schwierigkeiten. Zwar wird es seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend bei Veräußerungsvorgängen grundsätzlich dem Vollrecht gleichgestellt.268 Indes kann die „Veräußerung" der Anwartschaft an den Vor264 Staudinger/Wolf Steiner, § 1120Rn. 36; MünchKomm BGB -Eickmann, § 1120Rn. 27. 265 Zur Einbeziehung des Anwartschaftsrechts in dem Haftungsverband eines Grundpfandrechts vgl. BGH v. 10. 4. 1961, BGHZ 35, 85 (89 f.); Palandt/Bassenge, § 1120 Rn. 8; BGB-RGRK-Honsell, § 455 Rn. 32; Soergel/Konzen, § 1120 Rn. 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 39IV; Schwab/Prütting, Sachenrecht, § 57 I; v. Lübtow, JuS 1963, 171 (175); 266 BGH v. 10.4. 1961, BGHZ 35, 85, 91. 267 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 767. 268 Vgl. etwa BGH v. 24. 6. 1958, BGHZ 28,16 (21); v. 10.4. 1961, BGHZ 35, 85 (89); v. 30. 4. 1982, NJW 1982, 1639 (1640); v. 2. 2. 1984, NJW 1984, 1184 (1185); BGB-RGRKPikart, § 929 Rn. 73; Soergel/Mühl, § 929 Rn. 29.
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte
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behaltsverkäufer nicht ohne weiteres als Veräußerungsvorgang erfaßt werden. Führt sie doch infolge der Vereinigung von „Resteigentum" und Anwartschaft in einer Hand zum Erlöschen des Anwartschaftsrechts als selbständigem Gegenstand der Grundpfandhaftung. Die im Schrifttum eindeutig vorherrschende Auffassung 269 leugnet die Möglichkeit einer (Rück-) Übertragung der Anwartschaft auf den Vorbehaltsverkäufer und sieht in entsprechenden Abreden stets die Aufhebung des Anwartschaftsrechts. Die Aufhebung eines der Grundpfandhaftung unterliegenden Rechts wird aber von den §§ 1121 f. BGB nicht geregelt. Insofern ist vielmehr auf den in § 1276 BGB enthaltenen Rechtsgedanken abzustellen. § 1276 BGB regelt zwar unmittelbar lediglich das Erfordernis einer Zustimmung des Rechtspfandgläubigers bei einer beabsichtigten Aufhebung des verpfändeten Rechts. Bei Aufhebung eines in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts fallenden Rechts soll jedoch eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Die Zustimmung des Pfandgläubigers ist im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 1276 BGB deshalb erforderlich, weil den Beteiligten für Verfügungen über das verpfändete Recht die Rechtsmacht fehlt, soweit hiermit das Recht des Pfandgläubigers beeinträchtigt würde. 270 Durch die Verpfändung des Rechts hat der Pfandgläubiger einen abgespaltenen Teil des verpfändeten Rechts erworben. Eine Verfügung über die verpfändete Forderung ist dem Verpfänder daher nur noch im Rahmen der ihm verbliebenen Rechtsmacht möglich. Der erforderliche Schutz des Pfandgläubigers ließe sich nun theoretisch auf zwei verschiedenen Wegen erreichen. Denkbar erscheint zunächst, im Falle einer Aufhebung der verpfändeten Forderung durch den Gläubiger und dessen Schuldner diese dem Pfandgläubiger gegenüber insoweit als fortbestehend zu fingieren, als die Existenz einer gesicherten Forderung für sein Verwertungsrecht erforderlich ist. Das Gesetz hat diese Lösung indes verworfen und sich für die Alternative eines Zustimmungserfordernisses entschieden. Ohne Zustimmung des Pfandgläubigers ist die Aufhebung der verpfändeten Forderung schlechthin unwirksam. Für das Verständnis des Gesetzes ist es indes unverzichtbar, sich diesen Regelungshintergrund zu vergegenwärtigen. Das in § 1276 BGB enthaltene Zustimmungserfordernis ist lediglich das rechtstechnische Mittel, um den gebotenen Schutz des Rechtspfandgläubigers angesichts der Besonderheiten des Gegenstandes der Pfandhaftung zu realisieren. Im einzelnen wird allerdings nicht begründet, wie man sich die behauptete Aufhebung des Anwartschaftsrechts vorzustellen hat. Zunächst ließe sich daran denken, daß bei der Vereinigung des Anwartschaftsrechts mit dem verbliebenen Vorbehaltseigentum die dem Anwartschaftsrecht zugrundeliegende Bedingung des 269 Palandt/Bassenge, § 1276 Rn. 5; Soergel-Konzen, § 1120 Rn. 7; Baur-Stürner, Sachenrecht, § 59 V 2 d; Bayer, WM 1987, 1541 (1543 f.); Kollhosser, JA 1984, 1% (201); Marotzke, Anwartschaftsrecht, S. 38 f.; ders., AcP 186 (1986), 490 (494 ff.); G. Reinicke, Gesetzliche Pfandrechte, S. 42; M. Reinicke NJW 1986, 957 (961 ff.); Tiedtke, NJW 1985, 1305 (1306 ff.); Wieling, Sachenrecht, § 17 V c. 270 Wilhelm, NJW 1987,1785 (1788).
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
Vollrechtserwerbs ausfällt. Indes liegt bei begrifflich-konstruktiv genauer Betrachtung ein Bedingungsausfall gerade nicht vor. Nach allgemeiner Ansicht fällt eine Bedingung aus, wenn feststeht, daß der zur Bedingung erhobene Umstand nicht mehr eintreten kann. 271 Insoweit ist beim Eigentums vorbehält allerdings genau zwischen der Verfügung als bedingtem Geschäft und dem zum Bedingungsumstand erhobenen schuldrechtlichen Kausalgeschäft zu differenzieren. Da letzteres von dem dinglichen Geschäft unabhängig ist, kann die hieraus resultierende Kaufpreisforderung auch unabhängig von etwaigen Änderungen der dinglichen Rechtslage weiterhin erfüllt werden. Die Annahme eines Bedingungsausfalls ist also keine konstruktiv überzeugende Erklärung für die Aufhebung des Anwartschaftsrechts. Es liegt ohnehin näher, die »Aufhebung" des Anwartschaftsrechts als contrarius actus zu seiner Begründung zu konstruieren. Danach würde das Anwartschaftsrecht deshalb wegfallen, weil das aufgrund der Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung in seiner Geltung272 begrenzte Übereignungsgeschäft seinerseits durch die Aufhebung der dinglichen Einigung beseitigt wird. Bekanntlich versteht die herrschende Lehre jedenfalls die bei einem Eigentumsvorbehalt verwendete aufschiebende Bedingung als integrierenden, unselbständigen Bestandteil des Rechtsgeschäfts. 273 Dieser unselbständige Geschäftsbestandteil kann aber nach Wegfall des in seiner Geltung beschränkten Grundgeschäfts nicht isoliert fortbestehen. Deshalb muß die Aufhebung der dinglichen Einigung notwendig auch zum Wegfall der dieses Rechtsgeschäft beschränkenden Bedingung und damit des hierauf gegründeten Anwartschaftsrechts führen 274. Die dargestellten konstruktiven Schwierigkeiten sind Folge des zugrundegelegten Verständnisses des Anwartschaftsrechts und damit unvermeidbar. Jedoch sind die Einzelheiten letztlich nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, daß vom Ausgangspunkt der herrschenden Lehre die Annahme einer -wie auch immer im einzelnen zu konstruierenden - Aufhebung folgerichtig erscheint. Insoweit kann es auch keine Rolle spielen, ob die Beteiligten selbst nicht vielleicht eine Übertragung (und gerade keine Aufhebung) der Anwartschaft gewollt haben. Denn rechtlich besteht insoweit kein Unterschied. Die Übertragung wird nicht entgegen den Grundsätzen der Privatautonomie als Aufhebung qualifiziert. Vielmehr stellt sich die Übertragung der Anwartschaft an den Vorbehaltsverkäufer rechtlich als deren Aufhebung dar, ohne daß die von den Parteien gewählte Bezeichnung hieran etwas ändern könnte.
271 BGH v. 16. 10. 1974, VersR 1974, 1167 (1168); Palandt/Heinrichs, § 158 Rn. 3; Medicus, Allg. Teil, Rn. 833. 272 Zum Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts als Begrenzung der Geltung des Rechtsgeschäfts bereits oben Kapitel 3,1; Kapitel 3, III, 1) 273 Flume, Rechtsgeschäft, § 38, 4 c; Wilhelm, NJW 1990, 2857 (2861); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung I, S. 417. 274 Bayer, W M 1987, 1541 (1544); Tiedtke, NJW 1988, 28 (28); Lannz, Allg. Teil, § 25 II a 2; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung I, S. 417.
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte
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Der BGH geht demgegenüber in der Sache davon aus, daß die Aufhebung des Anwartschaftsrechts dessen Rückübertragung an den Vorbehaltsverkäufer und damit einen von § 1121 I BGB erfaßten Veräußerungsfall darstellt.275 Bei begrifflicher Betrachtung ist dies nicht unproblematisch. Denn eine Veräußerung im Sinne des § 1121 I BGB liegt nach einer gängigen Definition 276 nur bei Übereignung von Zubehörstücken vor; sie setzt mithin eine Verfügung über die mit einer Mobiliarhypothek oder einer Mobiliargrundschuld belasteten Sache voraus. Die Aufhebung des Anwartschaftsrechts führt zwar dazu, daß die durch die aufschiebend bedingte Übereignung begründete Rechtsposition des Käufers erlischt und das Vorbehaltseigentum des Verkäufers wieder zum „Volleigentum" erstarkt 277. Im praktischen Ergebnis steht die Aufhebung der Anwartschaft daher der Rückübertragung dieser Rechtsposition auf den Vorbehaltsverkäufer gleich 278 . Berücksichtigt man weiter, daß die Übertragung des Anwartschaftsrechts an einen Dritten unproblematisch als Veräußerung i. S. d. § 1121 I BGB angesehen werden muß 279 , liegt es nahe, auch die praktisch auf eine Rückübertragung hinauslaufende Aufhebung der Anwartschaft einer von § 1121 BGB erfaßten Veräußerung gleichzustellen.280 Da aber die Enthaftungsmöglichkeit der Zubehörhaftung von vornherein immanent sei, gehe es nicht an, entgegen der vorrangigen Wertung der §§ 1121 f. BGB den Grundpfandgläubiger in den Genuß des erweiterten Schutzes des § 1276 BGB kommen zu lassen.281 Indes ist gerade die Prämisse, daß die Veräußerung der Anwartschaft an den Vorbehaltsverkäufer der Übertragung an einen Dritten gleichsteht, problematisch und vom Bundesgerichtshof auch nicht näher begründet worden. Zutreffend ist zwar, daß der Anwartschaftsberechtigte seine Rechtsposition jeweils verliert und ein anderer den hierin verkörperten Vermögenswert erwirbt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt deshalb eine Übertragung vor. 282 Damit ist jedoch noch nicht entschieden, ob beide Fälle, die Übertragung an einen Dritten und die wirtschaftlich einer Übertragung an den Vorbehaltsverkäufer entsprechende Aufhebung, auch rechtlich gleichzubehandeln sind. Ob die Aufhebung der Anwartschaft als Aufhebung im Sinne des § 1276 BGB oder aber als Veräußerung im Sinne des § 1121 I 275 BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291 f.). 276 RG v. 27. 1. 1934, RGZ 143, 241 (246); MünchKomm BGB-Eickmann, § 1121 Rz. 13; Palandt/Bassenge § 1121 Rz. 1; Soergel/Konzen, § 1121 Rn. 5. 277 Tiedtke, NJW 1985, 1305 (1305); Wilhelm, NJW 1987,1785 (1788). 278 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 773; ders., NJW 1987, 1785 (1788); Marotzke, AcP 186 (1986), 490 (496). 279 Palandt/Bassenge, § 1120 Rn. 8; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 773; ders., NJW 1987, 1785 (1788); Bayer, WM 1987, 1541 (1544), Tiedtke, NJW 1988,28 (28). 280 BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 773; ders., NJW 1987, 1785(1788). 281 BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291 f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 773; ders., NJW 1987, 1785 (1788). 282 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 773; ders., NJW 1987, 1785 (1788).
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4. Kap.: Streitige Einzelflle im Grenzbereich
BGB anzusehen ist, hängt zunächst vom zugrundegelegten Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts ab. Denn nur dann, wenn durch die bedingte Übereignung eine selbständige Rechtsposition übertragen wird, kann ihre Rückübertragung als Veräußerung erfaßt werden. Begreift man hingegen die „Anwartschaft" des Vorbehaltskäufers dem Grunde nach nicht als selbständige Rechtsposition, sondern sieht hierin lediglich eine Vorwirkung der Übereignung, ist eine Rückübertragung nicht möglich. Sie stellte schlicht den actus contrarius zu ihrer Begründung und damit eine Aufhebung dar. Insofern erscheint die Ansicht des Schrifttums auf der Grundlage des auch vom BGH geteilten Verständnisses der Anwartschaft folgerichtiger. Auch dann, wenn die Rückübertragung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers an den Vorbehaltsverkäufer rechtlich als Veräußerung angesehen werden muß, ist über die Anwendbarkeit des § 1276 BGB noch nicht abschließend entschieden. 283 Eine entsprechende Anwendung des § 1276 BGB wäre nämlich auch in diesem Fall nur dann ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit, die Rechtsposition aus bedingter Übereignung durch deren Rückübertragung an den Vorbehaltsverkäufer dem Haftungsverband eines Grundpfandrechts zu entziehen, Ausdruck der eben nicht besonders stark ausgeprägten Zubehörhaftung ist. Falls diese Enthaftungsmöglichkeit durch Rückübertragung indes auf Besonderheiten gerade des Haftungsgegenstandes beruht, bleibt eine entsprechende Anwendung des § 1276 BGB möglich, wenn insoweit eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Grundpfandgläubigers besteht.
3. Haftung und Enthaftung von Erwerbsrechten: Die eigene Sichtweise a) Das Erwerbsrecht
als selbständiges Verfügungsobjekt
Nach dem hier vertretenen Ansatz ist die dem Vorbehaltskäufer zustehende Rechtsposition keine Reflex- oder Vorwirkung der bedingten Übereignung. Die bedingte Übereignung wird vielmehr als Verfügungsgeschäft verstanden, durch das unmittelbar ein selbständiges dingliches Recht, das hier sogenannte Erwerbsrecht, übertragen wird. Dessen Übertragung ist nicht Vor- oder Reflexwirkung eines als daneben bestehend gedachten unbedingten Geschäfts, sondern Hauptwirkung des bedingten Rechtsgeschäfts selbst. Stehen dem Grundstückseigentümer Erwerbsrechte an Zubehörstücken zu, fallen diese zwar grundsätzlich in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts, können aber auch nach den Vorschriften der §§ 1121 f. BGB enthaftet werden. Dies ist unproblematisch nicht nur für den Fall der Übertragung des hypotheken- oder grundschuldbelasteten Erwerbsrechts an einen Dritten. Auch die Rückübertragung 283 So aber BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291 f.) und Wilhelm, Rn. 773; ders., NJW 1987,1785 (1788).
Sachenrecht,
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte
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des Erwerbsrechts an den Vorbehaltsverkäufer kann als Veräußerungsfall erfaßt werden. Denn die Rückübertragung bedeutet als contrarius actus zur Übertragung ebenso wie diese eine Verfügung über das Erwerbsrecht und damit eine § 1121 I BGB unterfallende Veräußerung.
b) Die Enthaftung des Erwerbsrechts durch seine Rückübertragung als Ausdruck der strukturellen Schwäche der Zubehörhaftung Nach §§11921,11211 BGB ist der Grundstückseigentümer in der Lage, die Zubehörhaftung dadurch zum Erlöschen zu bringen, daß er die belastete Sache veräußert und vom Grundstück entfernt. Insoweit ist die Rechtsmacht des dinglichen Schuldners nicht beschränkt. Der Grundpfandgläubiger wird vielmehr selbst dann auf Unterlassungs- bzw. Schadensersatzansprüche verwiesen (§ 1135 BGB i.V.m. §§ 1133 f. BGB, § 823 I BGB bzw. § 823 Π BGB i.V.m. §§ 1133 ff. BGB), wenn die Enthaftung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widerspricht. 284 Insgesamt ist der Schutz von Mobiliargrundpfandrechten an Zubehörstücken nur sehr schwach ausgeprägt.285 Vor allem schränken solche Mobiliargrundpfandrechte die Verfügungsmacht des Grundstückseigentümers in keiner Weise ein 286 . Hierüber geht der Schutz des Rechtspfandgläubigers weit hinaus. Denn nach § 1276 BGB verfügt der Gläubiger der verpfändeten Forderung über diese stets als Nichtberechtigter, soweit durch die Verfügung das dem Pfandgläubiger an der Forderung zustehende Verwertungsrecht tangiert wird. 287 Im Gegensatz zu den nach §1120 BGB entstehenden Mobiliargrundpfandrechten an Zubehörstücken ist das Verwertungsrecht des Rechtspfandgläubigers nicht von vornherein durch eine Enthaftungsmöglichkeit beschränkt.288 Vor diesem Hintergrund ist es für die Anwendbarkeit des § 1276 BGB von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Vorbehaltskäufer bei der Rückübertragung des Erwerbsrechts an den Vorbehaltsverkäufer als Berechtigter verfügt. Das erscheint auf den ersten Blick als unproblematisch. Näheres Zusehen erweist die Rechtslage indes als weniger eindeutig. Der Vorbehaltskäufer verfügt uneingeschränkt als Berechtigter über das ihm zustehende Erwerbsrecht, wenn der Untergang der hierauf lastenden Mobiliarhypothek/Mobiliargrundschuld aufgrund der Enthaftungstatbe284 BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291); Wilhelm, NJW 1987, 1785 (1787); M. Rei nicke, JuS 1986, 957 (962). 285 BGH v. 10. 10. 84, BGHZ 92, 280 (291); Wilhelm, NJW 1987, 1785 (1787). 286 Wilhelm, NJW 1987, 1785 (1787). 287 Wilhelm, NJW 1987,1785 (1787). 288 Zutreffend BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291); Wilhelm, NJW 1987, 1785 (1787 f.).
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4. Kap.: Streitige Einzelfalle im Grenzbereich
stände der §§ 1121 f. BGB und nicht deshalb eintritt, weil sich das Erwerbsrecht in der Hand des Vorbehaltskäufers mit dessen Resteigentum vereinigt und als selbständiger Haftungsgegenstand erlischt. Denn der Inhaber des mit einem Mobiliargrundpfandrecht belasteten Erwerbsrechts ist hinsichtlich des Grundpfandrechts Nichtberechtigter. 289 Einer Aufhebung des Grundpfandrechts durch Beseitigung seines Belastungsgegenstandes steht aber die Wertung des § 1276 BGB entgegen: Die Vorschrift verbietet dem Verpfänder eines Rechts, obgleich er das verpfändete Recht inne hat, ohne Zustimmung des Pfandgläubigers durch Aufhebung über sein Recht zu verfügen, weil ihm angesichts des Pfandrechts insoweit die Berechtigung fehlt. Bei der Rückübertragung des Erwerbsrechts könnte nichts anderes gelten, wenn das Grundpfandrecht allein infolge der Vereinigung von Erwerbsrecht und Resteigentum erlöschen würde. In diesem Fall müßte die Rückübertragung einer Aufhebung gleichgestellt werden. Zwar geht das Erwerbsrecht infolge der Vereinigung mit dem Resteigentum des Vorbehaltsverkäufers als selbständiges Haftungsobjekt unter. Soweit jedoch zugleich ein Enthaftungstatbestand erfüllt ist, ist eine entsprechende Anwendung des § 12761 S. 1 BGB dennoch nicht gerechtfertigt. Ist doch die Möglichkeit der Enthaftung der Zubehörhaftung von vornherein immanent. Mit anderen Worten: Der Inhaber eines mit einem Grundpfandrecht belasteten Erwerbsrechts kann sein Recht auch dann veräußern und das Zubehörstück vom Grundstück entfernen, wenn die Veräußerung notwendig zum Erlöschen des Erwerbsrechts führt. Denn die Enthaftung beruht hier auf der Veräußerung und Entfernung des Zubehörstücks und gerade nicht allein auf dem Untergang des belasteten Erwerbsrechts.
c) Die Schwäche der herkömmlichen Sichtweise Solange nicht anerkannt wird, daß die bedingte Übereignung unmittelbar auf die Übertragung eines Erwerbsrechts gerichtet ist, kann die Rückübertragung der hieraus resultierenden Rechtsposition an den Vorbehaltsverkäufer nur als Aufhebung der bedingten Übereignung und nicht als Veräußerung erfaßt werden. Deshalb scheitert auch die zutreffende Einordnung der Rückübertragung der Anwartschaft in die Systematik der Zubehörhaftung und der Schutz des Grundpfandgläubigers wird zu stark ausgedehnt. Eine Enthaftung nach §§ 1121 f. BGB muß unabhängig davon möglich sein, ob dem Grundstückseigentümer das Eigentum oder nur ein Erwerbsrecht an dem fraglichen Zubehörstück zusteht. Ein Sachgrund, den Grundpfandgläubiger im letzteren Fall stärker zu schützen, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Problematisch ist allerdings das Merkmal der „Veräußerung". Es setzt voraus, daß über den grundpfandrechtsbelasteten Gegenstand selbst verfügt wird. Insoweit steht die herkömmliche Anwartschaftslehre vor unüberwindlichen Schwierigkeiten. Da sie das Anwart289 BGH v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 280 (291); Wilhelm, NJW 1987,1785 (1787 f.).
VI. Zur nachträglichen Einwirkung auf Erwerbsrechte
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schaftsrecht nur als Kehrseite des infolge der bedingten Übereignung durch die §§ 160 ff. BGB begründeten Schutzes begreift 290, ist eine Verfügung über die Anwartschaft zugunsten des Vorbehaltseigentümers nicht möglich. Vorbehaltsverkäufer und Vorbehaltskäufer können vielmehr nur über die Aufhebung des dinglichen Übereignungsvertrages und damit nur mittelbar auf die Anwartschaft einwirken. In diesem Verhältnis kann die Unselbständigkeit der Anwartschaft als bloßer Vorwirkung des bedingten Geschäfts nicht überwunden werden, ohne zugleich den eigenen Ausgangspunkt zu verlassen. Ließe man eine Rückübertragung der Anwartschaft zu, müßte man akzeptieren, daß es sich hier um ein selbständiges dingliches Recht handelt, das durch Verfügungsgeschäft begründet und folglich auch im Wege einer Verfügung zurückübertragen werden kann. Da es aber unabweislich ist, die Rückübertragung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers an den Vorbehalts Verkäufer im Rahmen der §§ 1121 f. BGB als Veräußerung erfassen zu können, zeigt sich auch hierin, daß die Anwartschaftslehre und das in ihr zum Ausdruck kommende Verständnis des bedingten Rechtsgeschäfts verfehlt ist. 4· Zusammenfassung Durch eine Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt erwirbt der Vorbehaltskäufer ein Erwerbsrecht an der Sache. Solche Erwerbsrechte fallen, soweit sie an Grundstückszubehör bestehen, nach § 1120 BGB in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts. Sie können allerdings nach allgemeinen Regeln durch Veräußerung und Entfernung enthaftet werden. Eine Enthaftung ist auch möglich durch Rückübertragung des Erwerbsrechts an den Vorbehaltsverkäufer. Diese Rückübertragung führt zwar zum Untergang des Erwerbsrechts. Doch erlischt das Mobiliargrundpfandrecht, wenn zugleich ein Enthaftungstatbestand erfüllt ist, nicht allein aus diesem Grund. Eine entsprechende Anwendung des § 1276 BGB kommt daher nicht in Betracht. Die herkömmliche Anwartschaftslehre kann die Rückübertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorbehaltsverkäufer nicht als Veräußerung, sondern nur als Aufhebung des Anwartschaftsrechts erfassen. Die Rückübertragung stellt sich in dieser Sichtweise als contrarius actus zur Begründung der Anwartschaft und damit als Aufhebung der dinglichen Einigung dar. Es ist daher konsequent, wenn die herrschende Lehre für eine entsprechende Anwendung des § 1276 BGB plädiert. Damit wird zwar dem dogmatischen Ansatz der Anwartschaftslehre Rechnung getragen, jedoch die gesetzliche Weitung der §§ 1121 f. BGB mißachtet. Legt man hingegen den hier vertretenen Ansatz zugrunde, kann die Rückübertragung des Erwerbsrecht ohne weiteres als Veräußerungsfall erfaßt werden. 290 Vgl. nur BGH v. 10. 4. 1961, BGHZ 35, 85 (89); Soergel/Mühl, Stürner, Sachenrecht, § 59 V 1. 11 Radke
§ 929 Rn. 29; Baur/
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Die Selbstbehauptung des klassischen Privatrechts gegen die Übermacht des Verfassungs-, Europa- und Verbraucherschutzrechts setzt zunächst „Selbstbewußtsein" voraus. Insoweit können gerade vermeintliche Randfragen einen wichtigen Beitrag zur Selbstbehauptung des Privatrechts leisten. Sie ermöglichen oftmals erst, einen Zugang zu den Grundlagen des Privatrechts zu finden. Das gilt in besonderem Maße für die in der vorliegenden Arbeit behandelten Fragen von Bedingungsrecht und Typenzwang. Hier besteht jeweils ein unmittelbarer Bezug sowohl zur rechtstechnischen Übersetzung der Parteiabrede in ein Rechtsgeschäft wie zu den generellen Rahmenbedingungen privatautonomer Gestaltung von Rechtsverhältnissen. Daß insoweit mitunter auch begriffsjuristische Überlegungen anzustellen sind, ist kein Nachteil. Im Gegenteil ermöglicht die heute oft auch zu Unrecht geringgeschätzte Begriffsjurisprudenz die Schaffung einer im Gesetz abgesicherten Grundlage für wertungsmäßig stimmige Entscheidungen. Trotz der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer umfassenden Privatautonomie können die Privatrechtssubjekte nicht durch Vereinbarung alle gewollten Rechtsfolgen herbeiführen. Bereits die Motive definieren daher das Rechtsgeschäft folgerichtig als Privatwillenserklärung, deren Folgen nach der Rechtsordnung deshalb eintreten, weil sie gewollt sind. Die hierin angelegte Dialektik kann nur durch eine konsequente Trennung des Geltungsgrundes eines Rechtsgeschäftes von seiner Anerkennung durch die Gesamtrechtsordnung aufgelöst werden. Ein Rechtsgeschäft gilt deshalb, weil es gewollt ist. Es wird aber nicht bereits aufgrund des (übereinstimmenden) Parteiwillens anerkannt. Der Parteiwille ist vielmehr lediglich Anlaß, seine Anerkennungsfähigkeit zu überprüfen. Maßstab der erforderlichen Anerkennungsprüfung ist die Richtigkeitsgewähr des Rechtsgeschäfts. Denn durch die Anerkennung wird die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der rechtsgeschäftlichen Regelung eröffnet. Sie muß aufgrund des damit hergestellten Bezuges zum Rechtsstaatsprinzip unter Gerechtigkeitsaspekten tragfähig sein. Die Richtigkeit einseitiger Rechtsgeschäfte wird, soweit nicht auf einem mehrseitigen Rechtsgeschäft aufgebaut werden kann, durch das Gesetz institutionell abgesichert. Ebenso wie keine Parteiabrede, die diesem Maßstab nicht genügt, als Rechtsgeschäft angesehen werden und Rechtsfolgen herbeiführen kann, ist umgekehrt auch jedes dem Anerkennungsmaßstab genügende Rechtsgeschäft umzusetzen. Eine Grenze bilden nur im Einzelfall überwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit. Demgegenüber besteht kein zusätzliches Erfordernis der Übereinstimmung der Parteiabrede mit einem präsumierten numerus clausus der Aktstypen.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
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Anerkennung und Geltungsgrund werden gleichermaßen durch einen bestehenden Typenzwang tangiert. Insoweit sind allerdings zwei unterschiedliche Erscheinungsformen des Typenzwanges zu unterscheiden. Von einem negativen Typenzwang ist dann zu sprechen, wenn rechtsgeschäftlichen Gestaltungen im überwiegenden Interesse Dritter oder der Allgemeinheit Schranken gesetzt werden. Sachlich handelt es sich hier um einen Verbotstatbestand im Sinne des § 134 BGB und nicht lediglich um eine Aktualisierung immanenter Schranken der Privatautonomie. Schon deshalb darf der negative Typenzwang nicht mit der ohnehin problematischen typologischen Rechtsfindungsmethode verwechselt werden. Denn eine bestimmte Methodenwahl ersetzt nicht das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung zur Einschränkung der Privatautonomie. In Abgrenzung zum negativen Typenzwang läßt sich von einem positiven Typenzwang sprechen, wenn zur Gewährleistung des Anknüpfungspunktes für zwingendes Recht ein Ersatzgeltungsgrund für eine rechtsgeschäftliche Regelung geschaffen wird. Es geht nicht nur um die richtige Zuordnung eines von den Beteiligten fehlerhaft bezeichneten Geschäfts. Beiden Erscheinungsformen des Typenzwanges gemeinsam sind der Bezug zur Durchsetzung zwingenden Rechts sowie zur Einschränkung der privatautonomen Gestaltungsfreiheit. Während der Typenzwang also der Privatautonomie Schranken setzt, ermöglicht das Setzen einer Bedingung die Erweiterung privatautonomer Gestaltungsmöglichkeiten. Denn die Beteiligten können hierdurch ihr Rechtsgeschäft flexibel an künftige Entwicklungen anpassen. Nicht von ungefähr ist die Bedingung daher das kautelaijuristische Gestaltungsmittel par excellence. Dennoch liegen die Grundlagen des Bedingungsrechts auch heute noch weitgehend im Dunkeln. Ausgehend von einem zu engen Verständnis des (vor allem sachenrechtlichen) Typenzwanges wird die Bedingungswirkung durchgehend aus der Perspektive des Bedingungseintritts erklärt. Sie erscheint danach als Vorwirkung oder Beschränkung des unbedingten Geschäfts. Erst die Überwindung des verfehlten Verständnisses des Typenzwangs ermöglicht die Erklärung der eigentlichen Bedingungswirkung. Insoweit ist ein Perspektivenwechsel geboten: Das bedingte Rechtsgeschäft ist aus der Perspektive seiner Vornahme heraus zu erklären. Danach ist das bedingte Rechtsgeschäft einheitlich als Verfügungsgeschäft zu begreifen. Verfügungsgegenstand ist ein Erwerbsrecht als Abspaltung aus dem oder den zu übertragenden Vollrechten. Es verbleibt entweder beim bisherigen Inhaber (auflösende Bedingung) oder wird auf den bedingt Berechtigten übertragen. Bei bedingten Verfügungen von Todes wegen wird das abgespaltene Recht auf Erwerb des Nachlasses hingegen notwendig auf einen Dritten übertragen. Der Dritte ist dann in der Regel Nacherbe. Der bedingt eingesetzte Erbe kann allerdings auch (zunächst) Vollerbe sein, wenn ihm zusätzlich das Erwerbsrecht eines Nacherben zugewiesen ist. Der aufschiebend bedingt eingesetzte Nacherbe erhält in einem solchen Fall lediglich ein Erwerbsrecht auf die Stellung eines Nacherben. Deshalb bedeutet nicht jede bedingte Verfügung von Todes wegen die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge. Diese kann vielmehr ihrerseits bedingt angeordnet werden. 11*
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Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen teils eine exaktere Begründung bereits anerkannter Ergebnisse, teils führen sie auch zu abweichenden Entscheidungen: - Die bedingte Sicherungsübertragung entspricht konstruktiv der Begründung akzessorischer Sicherungsrechte. Bedenken hinsichtlich des sachenrechtlichen Typenzwangs bestehen hier nicht. Der Rückgriff auf eine Ersatzakzessorietät wird so entbehrlich. - Bei nicht-akzessorischen Immobiliarsicherheiten können Bedingungen die Rechtsstellung des Sicherungsgebers stärken. Die insoweit unter Berufung auf den sachenrechtlichen Typenzwang erhobenen Bedenken sind nicht stichhaltig. Denn überwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit stehen der bedingten Bestellung von Grundschulden nicht entgegen. Auf die im Gesetz enthaltene Unterscheidung zwischen akzessorischen (Hypothek) und nicht-akzessorischen (Grundschuld) Immobiliarsicherheiten zur Begründung der Bedingungsfeindlichkeit der Grundschuldbestellung zu verweisen, führt nicht weiter und beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der sachenrechtlichen Typenordnung. - Wiederverheiratungsklauseln im gemeinschaftlichen Testament mit Einheitslösung (Berliner Testament) sind als doppelt bedingte Erbeinsetzung zu qualifizieren. Trotz der bedingten Erbeinsetzung liegt keine Anordnung einer Vorund Nacherbfolge vor. Denn die als Nacherbenanwartschaft umschriebene Rechtsposition ist bis zum Wiederverheiratungsfall noch dem längerlebenden Ehegatten und nicht den Schlußerben zugeordnet. - § 23061 1 BGB verhindert über die Verweisung in § 2306 Π BGB auch Verwirkungsklauseln in Form der Cautela Socini. Denn die hierin enthaltene aufschiebend bedingte Vorerbeneinsetzung des Pflichtteilsberechtigten macht diesen notwendig in dem Zeitraum bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung zum Nacherben. - Verfügungen der Art „Quos Titius voluerit, heredes sunto" stehen im Widerspruch zu der die Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung sichernden Vorschrift des § 2065 Π BGB. Das Regelungsziel, die Bestimmung des Erben einem Dritten anzuvertrauen, kann dennoch erreicht werden. Das geeignete Mittel ist die auflösend bedingte Einsetzung des Dritten zum Vorerben. Durch eine solche kaptatorische Verfügung wird diesem das Recht eingeräumt, sich durch eine bestimmte Verfügung von Todes wegen zum Vollerben zu machen. Ein Widerspruch zu § 2065 Π BGB besteht dann nicht. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil sich ein materialer Schutzzweck nicht aufweisen läßt, der durch diese Form letztwilliger Verfügungen unzulässigerweise umgangen würde. - Das durch die Veräußerung einer Sache unter Eigentumsvorbehalt übertragene Erwerbsrecht fällt in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts (§ 1120
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BGB). Es kann allerdings nach allgemeinen Regeln durch Veräußerung und Entfernung enthaftet werden. Enthaftung tritt auch bei Übertragung des Erwerbsrechts an den Vorbehaltsverkäufer ein. Die Entscheidung BGHZ 92, 280 ist daher im Ergebnisrichtig.Dogmatisch folgerichtig läßt sich dies allerdings auf der Grundlage der herrschenden Anwartschaftslehre nicht begründen. Denn das sog. Anwartschaftsrecht ist nur eine zusammenfassende Beschreibung der Rechtslage, die sich als Vorwirkung der aufschiebend bedingten Übereignung ergibt. Die Aufhebung der Anwartschaft ist danach konstruktiv als actus contrarius zu ihrer Begründung zu erfassen, d. h. als Aufhebung der dinglichen Einigung. Die Aufhebung eines Rechts ist aber im Gegensatz zu seiner Veräußerung von § 1276 BGB geregelt. Eine Enthaftung des ,Anwartschaftsrechts" kann daher durch seine Rückübertragung nicht erreicht werden, da es sich konstruktiv um die Aufhebung des Rechts handelt.
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arverzeichnis Abstraktionsprinzip 101 f.
Eigentumsvorbehalt 154,156 f.
Aktstypus - Bestehen eines numerus clausus der 38 ff.
Ersatzakzessorietät 108 ff. - Begriff der 112 f. - und Kautelarsicherheiten 109
Akzessorietät - Begriff der... 107 ff. - und Akzessorietätsersatz 107 ff., 111 ff. - und gesetzliche Typenordnung 111 ff., 117 f.
Erwerbsrecht 96 ff. - Begriff des 97 f. - als Erklärungsmodell bedingter Rechtsgeschäft 96 ff.
Anerkennung - Voraussetzungen der... einer Parteiabrede als Rechtsgeschäft 39 ff.
Formvorschriften 40 ff. - und Geltungsgrund 41 f.
Antichrese 56 Anwartschaftslehre 92 ff. Anwartschaftsrecht 153 - als subjektiv-dingliches Recht 154 f. - und Erwerbsrecht 158 ff. - und bedingtes Rechtsgeschäft 92 ff. Apothekenfall 137 f. Arbeitnehmerbegriff 50 f. - Diskussion über den 51 - und positiver Typenzwang 52 f. Bedingung - auflösende 100 f. - aufschiebende 100 f. Bedingungsrecht - und Erwerbsrecht 96 ff. - als Perspektivenfrage 77 ff. Begriffsjurisprudenz 18, 20 Bürgschaftsentscheidung 17 f. - des BVerfG (E 89, 214) 18 Cautela Socini 132 ff. - Begriff der 133 f. - die... als Pflichtteilsstrafklausel 134 ff. - im Apothekenfall (BGHZ 120,96) 142 - und Vor- und Nacherbfolge 135
Geltungsgrund - der... des Rechtsgeschäfts 26 f. - und Anerkennung 40 - und Wortformalismus im Römischen Recht 41 Gemeinschaftliches Testament 124 f. Genossenmiete 51 f. Geschäftsherrentheorie 91 - und Vertretertheorie 91 Grundschuld 153 ff. - das Anwartschaftsrecht im Haftungsverband der 154 ff. - Haftungsverband der 154 - als Grundpfandrecht 116 f. Haftungsverband - von Grundpfandrechten 154 Höchstpersönlichkeit - der Testamentserrichtung 147 ff., 149 f. - und Wortformalismus im Römischen Recht 41 Hypothek - bedingte ... und gesetzliche Typenordnung 118 ff. - bedingte ... und Grundschuld 118 f.
Sachwortverzeichnis Kautelarsicherheiten - und Ersatzakzessorietät 111 ff. - und gesetzliche Typenordnung 108 f.
Rückwirkungsdogma 82 ff. - Entstehung des 83 - Überwindung des 82
Nacherbschaft 125 ff.
Sicherungsübereignung 107 f. Sicherungszession 107 f.
Normentheorie 94 ff. - und Anwartschaftslehre 94 - und bedingtes Rechtsgeschäft 95 Numerus clausus - dinglicher Rechte 103
Parteiwille - und Anerkennung 40 - und Richtigkeitsgewähr 24,26,34 ff. Pendenztheorie 82 ff. Pflichtteilsrecht - Bedeutung des 35,132 ff. - und Richtigkeitsgewähr 35 Potestativbedingung 141,143 - Zulässigkeit letztwilliger 142 ff. Privatautonomie 15 f. 29 - und Typenzwang 46 f. - verfassungsrechtliche Verankerung der 15
Rechtsformzwang 47,64 f - Begriff des 64 - im Gesellschaftsrecht 64 f. Rechtsgeschäft - Begriff des bedingten 80 ff. - mehrfach bedingte 129 f. - und numerus clausus der Aktstypen 38 ff. - und Parteiabrede 22 ff. Richtigkeitsgewähr 46 f. - des Rechtsgeschäfts 46 ff. - und Anerkennung der Parteiabrede 22 ff., 46
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Tatbestandsteilung 92 ff. Typenordnung - gesetzliche ... im Erbrecht 141,146 ff. - gesetzliche ... im Sachenrecht 103 Typenzwang - negativer 53 - positiver 64 - positiver ... als Ersatzgeltungsgrund 65 ff. - als Verbotsgesetz 63 Typologie 49 ff. - und Eingriffslegitimation 52 f. Ultra-Vires-Geschäft 70 f. - und Typenzwang 71 Umgehungsgeschäft 54 ff. - und Typenzwang 56 Verfügungsbeschränkungen 59 - eines Vorerben 126 Verfügungsschutz - bei bedingten Rechtsgeschäften 59 - und Rechtsnachfolge 60 Vertragstypen 65 ff. - zur Auswahl unter verschiedenen ... im Schuldrecht 66 Vindikationslegat 62 f., 102 Vorerbschaft 126 Wiederverheiratungsklausel 125 ff. - Begriff der 125 - und bedingtes Rechtsgeschäft 125 f. - und Vor- und Nacherbfolge 125 f. Wortformalismus - der... im Römischen Recht 40 - und Geltungsgrund 41