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German Pages 433 Year 1996
PETER BAUMEISTER
Das Rechtswidrigwerden von Normen
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 693
Das Rechtswidrigwerden von Normen Eine rechtsdogmatische Untersuchung zu den Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen Probleme des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit
Von
Peter Baumeister
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Baumeister, Peter: Das Rechtswidrigwerden von Normen : eine rechtsdogmatische Untersuchung zu den Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen ; Probleme des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit / von Peter Baumeister. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 693) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08665-1 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08665-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Meinen Eltern und meiner Frau
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1994/1995 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie nochmals aktualisiert und geringfügig geändert Rechtsprechung und Literatur sind - soweit möglich - bis Ende 1994 und in Einzelfällen darüber hinaus berücksichtigt. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, habe ich nicht nur für seine stets wohlwollende, konstruktiv-kritische Begleitung der Entstehung dieser Arbeit, die durch erhebliche Änderungen des Untersuchungsgegenstandes geprägt war, zu danken. Durch ihn habe ich auch eine vielfältige persönliche Förderung erfahren. Herr Professor Dr. Eibe Riedel hat dankenswerterweise die - undankbare - Aufgabe des Zweitgutachters trotz zahlreicher anderer Verpflichtungen in bemerkenswert kurzer Zeit bewältigt. Dank sagen darf ich auch meiner Schwester, Frau Rechtsreferendarin Ute Deutsch, die einen Schwerpunkt der Arbeit kritisch durchgearbeitet und mir wichtige Hinweise zur Verbesserung gegeben hat. Zu Dank verpflichtet bin ich schließlich der Konrad-Adenauer Stiftung e. V. und dem Land Baden-Württemberg, die durch die Gewährung von Stipendien für die finanzielle Absicherung während der Zeit der Entstehung der Untersuchung gesorgt haben. Ausgezeichnet wurde die Arbeit durch einen Preis der Stiftung Sparkasse Mannheim.
Mannheim, im August 1995
Peter Baumeister
Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1 Einführung und Problemstellung A. Probleme aus dem Spektrum des Verhältnisses von Recht und Zeit
21 21
B. Der Zusammenhang mit den Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen 28 I. Erste Fallbeispiele 1. Wasserschutzgebiet ohne Trinkwasser
29 29
2. Spielplatz ohne Platz
30
3. Die fragliche Kirchturmbaulast
30
4. Zweckentfremdungsveibot ohne Wohnraumnot
31
5. Die betagte Baulinienfestsetzung
31
Π. Die Problematik sachgerechter Lösungsansätze
32
1. Kasuistik in Rechtsprechung und Literatur
32
2. Denkbare Folgen des Wandels von Umständen
34
3. Denkbare Ursachen dieser Folgen und ihre Konsequenzen für die folgende Untersuchung 35 4. Der Titel der Arbeit C. Die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands I. Die "umgekehrte" Entwicklung Π. Probleme des Rechtsschutzes D. Aufbau der Untersuchung I. Methodischer Aufbau Π. Inhaltlicher Aufbau
36 36 36 37 38 38 39
§ 2 Begriffserläuterungen
41
A. Der Begriff der Norm
41
B. Die Bezeichnungen der unterschiedlichen Auswirkungen eines Wandels der Verhältnisse
42
Inhaltsverzeichnis
10
I. Wirksamkeit und Unwirksamwerden Π. Anwendbarkeit und Unanwendbarwerden ΙΠ. Geltung und Geltungswegfall IV. Rechtmäßigkeit, Rechtswidrigwerden und Verfassungswidrigwerden
43 43 43 46
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
47
A. Einführung
47
B. Die denkbaren Folgen eines Wandels im Oberblick
48
I. Die möglichen Fälle einer unanwendbar gewordenen Norm
48
1. Einführung
48
2. Die Voraussetzungen der Unanwendbarkeit nach wohl allgemeiner Ansicht
49
Π. Die möglichen Fälle des Geltungswegfalls einer Norm
50
1. Die Fallgmppen von Wolfl/Bachof
51
2. Die Fallgmppen nach § 2 Abs. 2 BRSammlG
52
3. Sonstige in der Literatur diskutierte Fallgruppen
53
4. Zusammenfassung der denkbaren Gründe für einen Geltungswegfall 5. Erste Folgerungen
54 55
ΙΠ. Die möglichen Fälle eines Unwirksamwerdens aufgrund nachträglicher Rechtswidrigkeit
55
1. Die Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
55
2. Denkbare Fallgmppen des Verfassungswidrigwerdens von Normen
56
IV. Die Entstehung einer Aufhebungspflicht ohne Unwiiksamwerden oder Unanwendbarwerden
58
C. Ergebnis des Überblicks
59
D. Der Gang der Untersuchung
60 Teill
Das Rechtswidrigwerden von Normen § 4 Ausgangsüberlegungen zur Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen A. Das Rechtswidrigwerden als begriffliches Problem
61 61
Inhaltsverzeichnis
Β. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Norm
65
C. Die Untersuchung der begrifflichen Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Nonnen unter Berücksichtigung der Diskussion des Parallelproblems bei Verwaltungsakten 69 D. Die Anknüpfungspunkte für die Annahme eines Rechtswidrigwerdens rechtmäßig erlassener Normen
75
I. Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit
76
Π. Rechtswidrigwerden der Norm selbst
78
E. Erste rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden von Normen I. Die Normenkontrolle Π. Die Fälle der grandrechtlichen Beseitigungspflicht des Staates gegenüber rechtmäßig erlassenen Normen
78 78 81
1. Die Anerkennung von Beseitigungspflichten gegenüber staatlichen Eingriffen
81
2. Die Herleitung und das Verhältnis von Unterlassungs- und Beseitigungspflicht
82
3. Ergänzende Hinweise zu Inhalt und Reichweite der Beseitigungspflicht
85
a) Ausnahme von der Beseitigungspflicht in Fällen bloßer Unvereinbarerklärangen? 85 b) Inhalt des Beseitigungsansprachs
86
c) Die zeitlich begrenzte Reichweite des Beseitigungsanspruchs
87
4. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung für eine grandrechtliche Beseitigungspflicht
88
5. Konsequenzen für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen
88
ΙΠ. Der Folgenbeseitigungsanspruch
89
F. Fortgang der Untersuchung
90
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung der Norm
91
A. Kritik der Annahme der Identität
91
B. Kritik der Annahme der logischen Folge
93
I. Die Umkehrang von Ursache und Wirkung
94
12
Inhaltsverzeichnis
1. Ursache der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung im Fall der Eingriffsnonn
94
2. Ursache der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung bei Leistungsoder Schutznormen
96
Π. Kein Eingriff durch das Unterlassen der Aufhebung ΙΠ. Fazit
97 98
C. Kritik der wertenden Gleichbehandlung I. Denkbare Gründe für eine Gleichbehandlung Π. Kritische Betrachtung der herkömmlichen Stellungnahmen 1. Kritikpunkte in der Literatur mit Stellungnahme
98 98 99 99
a) Diverse Einwände gegen das Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten
99
b) Erste Auseinandersetzung mit der Ansicht von Rupp
100
aa) Die verschiedenen Unrechtslehren
101
bb) Eine denkbare Argumentation
103
cc) Bedeutung der Argumente für die These der wertenden Gleichbehandlung 2. Kritische Betrachtung der Auffassung von Hans Schneider
105 105
a) Die Ansicht Schneiders
105
b) Kritische Betrachtung
107
aa) Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG
108
bb) Labilität der Geltung der Gesetze
108
cc) Bindung an frühere Entscheidungen
109
dd) Zufällige Ergebnisse 109 ee) Forderung nach eindeutiger Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses 109 ff) Vergleich zum Verwaltungsrecht und dem Verwaltungsakt
109
gg) Handlungs- und nicht Erfolgsunrecht
110
hh) Keine Prüfung vorkonstitutioneller Gesetze
110
ii) Zusätzliche Einwände gegen die Auffassung Schneiders
110
3. Mögliche weitere Einwände D. Fazit
113 114
Inhaltsverzeichnis
§ 6 Rechtswidrigwerden allein aufgrund eines nachtraglichen Widerspruchs zum höherrangigen Recht
115
A. Einleitung
115
B. Der Rechtswidrigkeitsbegriff als Gegenstand verschiedener Teilbereiche der Rechtswissenschaft
118
C. Die Untersuchung des Rechtswidrigkeitsbegriffs
121
I. These: Rechtswidrigkeit ausschließlich als Beurteilung menschlichen Verhaltens
121
1. Der Sprachgebrauch
122
2. Die geschichtliche Entwicklung der Begriffsverwendung
124
3. Die Imperativentheorien und die Lehre vom Bestimmungssatz a) Recht als Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen
125 125
b) Die Imperativentheorien
126
c) Die Lehre vom Bestimmungssatz
130
4. Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit
131
5. Bindings Normentheorie
133
6. Rechtswidrigkeit und Stufenbau der Rechtsordnung
134
Π. Antithese: Rechtswidrigkeit als von menschlichem Verhalten unabhängige rechtliche Beurteilung
134
1. Erforderliche Reduzierung des Rechtswidrigkeitsbegriffs auf seine sachlichen Inhalte
135
2. Widerspruch der Imperativentheorien zur herkömmlichen und sinnvollen Betrachtung des Rechts
137
a) Widerspruch zum objektiven Erscheinungsbild des Rechts b) Widerspruch zum Sprachgebrauch
138 139
3. Das Recht als Bewertungs- und Bestimmungsnorm
139
4. Erlaubnisse und Freistellungen
140
5. Ermächtigungen
141
ΙΠ. Abwägung der Gesichtspunkte und Versuch der Synthese für einen rechtstheoretischen Rechtswidrigkeitsbegriff.
142
1. Ausgangspunkt des Meinungsstreits
142
2. Der Sprachgebrauch
144
3. Das Recht als Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen
145
4. Die Existenz von Erlaubnissen und Freistellungen 146 5. Die Ermächtigungen und ihre Abgrenzung von den Verhaltensnormen. 149
14
Inhaltsverzeichnis
6. Das Verhältnis von Recht und Pflicht
156
7. Rechtswidrigkeit gleich Pflichtwidrigkeit? - Kritische Auseinandersetzung vor allem mit den Thesen von Rupp 161 8. Rechtswidrigkeit, Stufenbau der Rechtsordnung und Derogation
166
9. Das Recht als Bewertungsnorm und Bestimmungsnonn
168
10. Zustände als sinnvoller Gegenstand rechtlicher Beurteilung?
169
11. Versuch der Synthese
170
IV. Erinnerung an die rechtsdogmatischen Argumente
172
1. Unbestrittene Entstehung von Aufhebungs- oder Änderungspflichten bei rechtmäßig erlassenen Normen
173
2. Der Prüfungsgegenstand bei der Normenkontrolle
174
3. Hinweis auf Tatbestandsmeikmale "rechtswidrige Zustände"
174
V. Fazit
175
D. Exkurs: Keine Möglichkeit des Rechtmäßigwerdens
175
E. Das Ergebnis der §§ 4 - 6
177
I. Die Konstruktion des Rechtswidrigwerdens Π. Konsequenzen aus der Anerkennung des Rechtswidrigwerdens für die Prüfung von Normen ΙΠ. Rechtswidrigwerden ex nunc
177 179 180
IV. Die Bedeutung der nachfolgenden Untersuchung der Fälle des Rechtswidrigwerdens von Normen bei Ablehnung der hier vertretenen Ansicht zum Rechtswidrigkeitsbegriff 180
§ 7 Ursachen und Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Normen
181
A. Ansätze zur Strukturierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts .181 I. Der Ausgangspunkt
181
Π. Erste Erläuterungen zu den Begriffen Eingriffs-, Leistungs- und Schutznorm 184 ΙΠ. Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1. Rechtsanwaltsgebühren: Beispiel für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens einer Eingriffsnorm bei rechtlichen Veränderungen
187 187
2. Wahlkreiseinteilung: Eingriffsnorm und tatsächliche Veränderungen.... 189 3. Werkfemverkehr: Eingriffsnorm und Fehlprognose
190
4. Ruhegehalt: Leistungsnorm und tatsächliche Veränderungen
192
Inhaltsverzeichnis
5. Fluglärm: Schutznorm und tatsächliche Veränderungen 6. Kalkar: Schutznorm und Fehlprognose IV. Problembeschreibungen B. Abgrenzung zu diversen "Rechtsfiguren" in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts I. Die Abgrenzung zu sog. Appellentscheidungen Π. Die rechtswidrig gewordene und die "noch verfassungsmäßige" Norm ΙΠ. Die Abgrenzung zur gesetzgeberischen "Nachbesserungspflicht"
193 194 196 197 198 200 201
1. Begriff und Inhalt der Nachbesserungspflicht
201
2. Verbindungslinien zum Rechtswidrigwerden
205
IV. Rechtswidrigwerden und gesetzgeberische Prognoseentscheidungen C. Die Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Normen I. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse zum Rechtswidrigwerden
206 207 207
Π. Ansatzpunkte zum Verständnis des Phänomens des Rechtswidrigwerdens von Nonnen 209 ΙΠ. Die materiellrechtlichen Anforderungen des höherrangigen Rechts als Grenzen der fortbestehenden Rechtmäßigkeit einer Norm IV. Eingriffs-, Leistungs- und Schutznoimen als Hauptfölle des Rechtswidrigwerdens von Normen 1. Die Ausgangsüberlegungen
211 214 214
2. Die Eingriffsnoim und der Wegfall des den Eingriff rechtfertigenden Grundes 216 3. Nicht mehr ausreichende Erfüllung von Leistungs- und Schutzpflichten 217 4. Sonstige denkbare Fallkonstellationen
218
V. Überlegungen zur Art der Veränderungen
221
1. Allgemeines
221
2. Normative Veränderungen als Ursache für ein Rechtswidrigwerden? ....222 a) Änderung der niederrangigen Norm
222
b) Änderung des höherrangigen Rechts
223
c) Änderung sonstiger Rechtsnormen "aus dem Umfeld"
225
3. Neue Erkenntnisse über tatsächliche Zusammenhänge 4. Wandel der Rechtsauffassung und Rechtsprechungsänderungen
227 229
VI. Zusätzliche Voraussetzungen für ein Rechtswidrigwerden
232
1. Evidenz des Widerspruchs zum höherrangigen Recht
233
Inhaltsverzeichnis
16
2. Rechtswidrigwerden nur nach Anpassungsfrist?
238
3. Längerdauemde oder dauerhafte Veränderung
252
4. Bekräftigung des Ergebnisses durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 254 VII. Ergebnis: Die Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens
255
D. Sonderfall: "Neuentscheidungspflicht" des Normgebers
256
E. Betrachtung der AusgangsMe
261
I. Rechtsanwaltsgebühren
261
Π. Wahlkreiseinteilung
264
m. Werkfemverkehr
264
IV. Ruhegehalt
265
V. Fluglärm
267
VI. Kalkar
269
F. Folgen der nachträglichen Rechtswidrigkeit
269
Teil 2 Der Geltungswegfall § 8 Die "regulären" Grenzen der Normgeltung
272
A. Die Begriffe Aufhebung und Derogation
273
B. Die ausdrückliche Aufhebung (formelle Derogation)
273
C. Die konkludente Aufhebung (materielle Derogation)
274
D. Befristungen und Bedingungen
279
I. Die rechtliche Bedeutung von Befristungen und Bedingungen
279
Π. Die ausdrückliche Bestimmung der zeitlichen Geltungsgrenze
280
ΙΠ. Die Regelung der zeitlichen Geltungsgrenze in einer höherrangigen Norm ..281 IV. Konkludente Befristungen und Bedingungen E. Gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit
283 284
§ 9 Die außergewöhnlichen Grenzen der Normgeltung: Geltungswegfall bei einem Wandel oder Wegfall der der Norm zugrundeliegenden Verhältnisse?..287 A. Der Stand der Diskussion I. Einführung in die Problematik
287 287
Inhaltsverzeichnis
Π. Die Begründungsversuche
288
1. Die Offensichtlichkeit
288
2. Der Hinweis auf die angeblich unbestrittene Rechtsauffassung
289
3. Der Eintritt grundlegender Veränderungen als konkludente Bedingung .289 4. Clausula rebus sie stantibus oder Wegfall der Geschäftsgrundlage
289
5. Normative Kraft des Faktischen
290
6. Cessante ratione legis cessât lex ipsa
290
7. Verstoß gegen höherrangiges Recht oder Rechtsprinzipien
291
ΙΠ. Erste kritische Hinweise
291
IV. Gang der Untersuchung
293
B. Die Fallvarianten
293
I. Der endgültige Wegfall des durch die Norm geregelten Sachverhalts ("Gegenstandsloswerden") Π. Der Wegfall der der Norm zugrundeliegenden Verhältnisse m.
293 295
Sonderfälle
296
1. Der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage
296
2. Der Untergang des Normgebers
296
C. Zwei Hauptanwendungsfälle I. Die Kirchenbaulast Π. Der "funktionslos gewordene" Bebauungsplan
297 297 297
D. Kritik der herrschenden Meinung und Darlegung des eigenen Lösungsansatzes... 299 I. Der Wegfall des geregelten Sachverhalts 1. Logische Folgerungen und die gegenteilige Rechtsprechung a) Das Urteü des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 31.5.1955
299 299 301
b) Das Urteil des OVG Münster vom 22.12.1958
303
c) Die in den Entscheidungen zitierten Belegstellen
305
2. Konsequenzen aus der Analyse der Rechtsprechung
305
3. Zusätzliche Gründe gegen den Geltungswegfall
307
4. Ergebnis Π. Der Wegfall oder Wandel der Verhältnisse 1. Kritische Betrachtung der Begründungsversuche a) Der Hinweis auf die unbestrittene Rechtsauffassung
2 Baumeister
308 308 308 309
Inhaltsverzeichnis
b) Offensichtlichkeit, clausula, Wegfall der Geschäftsgrundlage und normative Kraft des Faktischen 309 c) Die konkludente auflösende Bedingung
312
d) "Cessante ratione legis cessât lex ipsa"
312
aa) Die historische Entwicklung bb) Die Auffassungen zur heutigen Bedeutung der Rechtsregei cc) Ergebnis: Unanwendbarkeit der Cessante-Regel 2. Die eigene Lösung ΙΠ. Sonstige Veränderungen
312 316 318 321 324
1. Wegfall der Ermächtigungsgrundlage
324
2. Untergang des Nonngebers
325
E. Lösung der HauptMe
326
I. Die Kirchenbaulast
326
1. Einleitung
326
2. Die Rechtsgrundlage der Kirchenbaulasten
327
3. Die Fallgestaltungen
329
4. Die Entwicklung der Rechtsprechung
330
a) Das OVG Münster
330
b) Das Bundesverwaltungsgericht
333
5. Die Auffassungen in der (vor allem) kirchenrechtlichen Literatur
336
6. Die eigene Lösung
338
II. Der "funktionslos gewordene" Bebauungsplan
340
1. Die Begründung der Rechtsprechung
340
2. Die Stellungnahmen in der Literatur
342
a) Grooterhorst
342
aa) Geltungswegfall infolge objektiver Undurchführbarkeit des Plans (Wegfall des vom Plan geregelten Lebenssachverhalts).. 343 bb) Nachträglicher Verstoß gegen Art. 14 GG
344
b) Zeiler
344
c) Osthof
345
4. Kritik der bisherigen Lösungsversuche
346
a) Rechtsprechung
346
b) Literatur
347
Inhaltsverzeichnis
19
aa) Geltungswegfall infolge objektiver UndurchfÜhibaikeit des Plans
347
bb) Anspruch auf Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB cc) Lockerung der Planbindung dd) Nachträglicher Verstoß gegen Ait. 14 GG 5. Eigene Lösung zum funktionslos gewordenen Bebauungsplan
349 352 357 358
a) Die Möglichkeit eines nachträglichen Verstoßes gegen höherrangiges Recht 359 b) Denkbare Einwände gegen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen 361 aa) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens wegen des besonderen Charakters des Bebauungsplans? 362 bb) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 2 Abs. 3,4 BauGB?
362
cc) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB? 364 dd) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB?
366
ee) Unzumutbaikeit einer ständigen Kontrollpflicht?
367
c) Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen. 368
Teil 3 Das Unanwendbarwerden und die fortdauernde Beachtlichkeit der Norm trotz Aufhebungspflicht § 10 Das Unanwendbarwerden von Normen
371
A. Unanwendbarwerden infolge eines Rechtswidrigwerdens
371
B. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden?
372
I. Die grundsätzliche Möglichkeit eines verbleibenden Anwendungsbereichs. 372 Π. Erste kritische Überlegungen zu den möglichen Fallkonstellationen ΠΙ. Zusätzliche Bedenken
2*
373 376
20
Inhaltsverzeichnis
§ 11 Fortdauernde Beachtlichkeit der Norm trotz Aufhebungspflicht
380
A. Anwendbarkeit der Norm trotz Rechtswidrigwerdens
380
B. Aufhebungspflicht ohne Rechtswidrigwerden?
381
Schluß § 12 Schlußbemerkungen mit Anmerkungen zu den Einfuhrangsfällen
384
A. Hinweise zu den EinftihrungsMen
384
I. Wasserschutzgebiet ohne Trinkwasser Π. Spielplatz ohne Platz
384 385
ΙΠ. Diefragliche Kirchturmbaulast
387
IV. Zweckentfremdungsverbot ohne Wohnraumnot
389
V. Die betagte Baulinienfestsetzung
390
B. Fazit
392
Zusammenfassung
399
Literaturverzeichnis
407
Sachregister
428
Es wurden nur die üblichen Abkürzungen verwendet In ZweifelsMen vgl. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl., Berlin 1993.
Einleitung
§ 1 Einführung und Problemstellung
A. Probleme aus dem Spektrum des Verhältnisses von Recht und Zeit Wer kennt es nicht, das vielzitierte und entsprechend strapazierte Schlagwort von der Schnellebigkeit unserer heutigen Zeit? Und doch handelt es sich um mehr als nur um ein Schlagwort Es besitzt einen durchaus realen Hintergrund. Ein plakativer Indikator sind dafür beispielsweise die verschiedentlich publizierten Erkenntnisse (oder Vermutungen?) über die sog. "Halbwertzeit des Wissens"1. Danach hatte sich das gesamte Wissen der Menschheit noch zu Beginn unseres Jahrhunderts in Zeitabständen von etwa 50 Jahren verdoppelt Seit 1960 sollen sich die Abstände dagegen auf sechs, seit 1966 gar auf fünf Jahre verkürzt haben Allein seit 1960 hätte sich damit das damalige Wissen bis heute mehr als verhundertfacht Unter Berücksichtigung aller denbaren und wohl auch begründeten Zweifel an den konkreten Zahlen belegen sie doch zumindest eine Tendenz des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts, die auch rechtliche Probleme aufwirft. Der beschleunigte Wandel der Verhältnisse fuhrt zu einer Zuspitzung des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit. Manche Normen werden durch die Veränderungen "überholt", "passen" nicht mehr angesichts gewandelter Verhältnisse. Andere Regelungen, im Zeitpunkt ihres Erlasses noch als sinnvolle Steuerungsinstrumente angesehen, erweisen sich aufgrund fortgeschrittener Kenntnisse im nachhinein als nicht ausreichend, unbrauchbar oder gar unsinnig. Einen mittlerweile besonders problematischen Teilbereich betreffen solche Normen, die dem Schutz von Grundrechtsträgern vor Gefahren dienen, die diesen etwa aufgrund neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Entwicklungen durch Dritte drohea Durch die Zunahme neuer Erkenntnisse, gerade in den Bereichen der Naturwissenschaften und damit verbunden auch der Technik, ergeben sich immer neue Möglichkeiten des Menschen zur Gestaltung
Vgl. etwa Hartmut Volk, Weiterbildung ist auch eine Frage der Zeit, in: Blick durch die Wirtschaft v. 24.8.1988; als Graphik (imu - 920905) abgedruckt auch in: Staat-Gesellschaft-Wirtschaft, hrsg. v. Informationsdienst Marktwirtschaft Baden-Württemberg e. V., Ausgabe 1992, S. 135.
§ 1 Einführung und Problemstellung
22
seiner Umwelt Die Entwicklung neuer Technologien bietet große Chancen, beinhaltet aber auf der anderen Seite auch enorme, weitgehend unbekannte und zunehmend unberechenbarere Gefahren und Risiken2. Man denke nur an die (friedliche) Nutzung der Kernenergie oder die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Gentechnik. Nicht ganz zufällig geht mit einer Zunahme des Machbaren auch die Entwicklung und der Ausbau der aus den Grundrechten abgeleiteten Figur der Schutzpflichten des Staates einher. Durch das mit fortschreitender Erkenntnis glücklicherweise auch regelmäßig verbundene Bewußtsein für mögliche Gefahren haben sich die Forderungen nach staatlichem Schutz vor diesen Risiken gemehrt. Auf rechtsdogmatischem Gebiet hat sich dies in der verstärkten Herausarbeitung und Beachtung (grundrechtlich abzuleitender) staatlicher Pflichten zum Schutz der Grundrechtsträger niedergeschlagen3. Verschärft wird das Spannungsverhältnis von Recht und Zeit durch den zunehmenden Zeitdruck, unter dem alle staatlichen Gewalten stehen Deutlich zeigt sich dies etwa an den aktuellen Problemen um den "Wirtschaftsstandort Deutschland". Zu seiner Sicherung wurden und werden nicht nur eine Vielzahl von Beschleunigungsmaßnahmen auf allen Ebenen ergriffen 4, sondern wird gerade auch der Gesetzgeber zu besonderer Eile angetrieben. Für die Normgeber besteht aufgrund der mitunter rasanten Entwicklung, der Komplexität der Materien sowie der eigenen Überlastung heute in besonderem Maße die Gefahr, in vielen Bereichen den Anschluß an wichtige Entwicklungen 2
S. allgemein dazu auch die Einleitung (§1) bei Murswieck, Die staatliche Verantwortung, S. 19 ff. Vgl. dazu Stellv. Alexy, Theorie, S. 410ff.; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 43 ff., 187 ff, 268 ff ; Wahl/Masing, JZ 1990, 553ff. Ober die Reichweite solcher Schutzpflichten ist damit aber noch nichts gesagt Gerade auf diese Frage werden sich in Zukunft die weiteren Diskussionen konzentrieren, da insoweit natürlich - auch bestimmt durch die jeweilige Interessenlage - immer kontroverse Ansichten bestehen werden. Als Beispiel kann dafür und für die Diskussion um den Standort Deutschland die Frage des Abbaus von Hemmnissen beim Betrieb gentechnischer Anlagen herangezogen werden. Nach dem Beschluß des Bundestages vom 12.11.1992, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, das Gentechnikgesetz zu novellieren, hat die Bundesregierung nach dem Kabinettsbeschluß vom 27.5.1993 (BR-Drs. 357/93; s. dazu ζ. B. Handelsblatt v. 28./29.5.1993, Nr. 102, S. 6; Frankfurter Rundschau v. 28.5.1993, Nr. 122, S. 4) einen Gesetzentwurf zur Vereinfachung des Gentechnikgesetzes vorgelegt Die Zeit bis zur Entstehung dieses Entwurfs hat die chemische Industrie mit - auch nach außen erkennbaren - "flankierenden Maßnahmen" begleitet, siehe etwa die Anzeigenkampagne der "Deutschen Chemischen Industrie - Initiative Pro Gentechnik" (ζ. B. in: Die Zeit v. 22.1.1993, Nr. 4/93, S. 18). In konjunkturschwachen Zeiten und ständiger Diskussion um den "Standort Deutschland" besteht natürlich die Tendenz zum Abbau von "Fesseln und Fallstricke(n)" (so der Titel des Beitrags von Horst König, Die Zeit v. 17.12.1993, Nr. 51/93, S. 28, einem "Plädoyer gegen die Genehmigungsverfahren in der Bundesrepublik") für die Wirtschaft. Zum Ergebnis der Neufassung des GenTG vom 16.12.1993 vgl. BGBl. I S. 2066. 4 Vgl. näher dazu jüngst Schulze-Fielitz, Zeitoffene Gesetzgebung, S. 139 (144 ff).
Α. Probleme des Verhältnisses von Recht und Zeit
23
zu verpassen. Damit begäben sich vor allem die Parlamente ihrer durch die Verfassungen vorgegebenen Führungsfunktion. Will die Rechtsordnung wirksame und auch sinnvolle Steuerungsfunktionen für das Gemeinwesen erfüllen, so muß ein Auseinanderfallen von Norm und Wirklichkeit trotz zweifellos häufiger Überforderung verhindert werden. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen. Entweder besitzen die Regelungen selbst von vornherein eine gewisse Anpassungsfähigkeit an fortschreitende Veränderungen oder die Anpassung muß nachträglich durch Veränderungen des Normtextes herbeigeführt werden. Der Gesetzgeber ist jedoch oft angesichts der angesprochenen Geschwindigkeit der Entwicklung und vor allem aufgrund der Komplexität der Materien kaum in der Lage, auch nur annähernd alle wesentlichen zukünftigen Entwicklungen vorausschauend zu berücksichtigen und die erforderlichen Normen zu erlassen. Allein die erforderlichen Änderungen rechtzeitig vorzunehmen, ist er häufig überfordert. Dies hat unter anderem dazu geführt, daß das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen, die an die Verfassungsmäßigkeit von Normen gestellt werden, in einigen Punkten zurückgeschraubt hat. Zunehmend wird dem Gesetzgeber zur Neuregelung komplizierter (oder dazu erklärter) Sachverhalte ein großer zeitlicher Anpassungsspielraum zuerkannt, in dem sich der Bürger u. U. auch mit "grobtypisierendenNormen" begnügen muß5. Hand in Hand geht damit die Befugnis des Normgebers zu gesetzgeberischen Experimenten einher. Soweit komplexe Materien differenzierte Regelungen erfordern, die der Gesetzgeber zumindest inrichtungsweisendenFragen kaum mehr - jedenfalls nicht in einem Schritt - zu bewerkstelligen vermag, ist eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung verfassungsrechtlicher Anforderungen an etwaige Neuregelungen wohl auch angezeigt6. Hinkt der Gesetzgeber den Veränderungen hinterher7, müssen für die Zeit bis zu einer (Neu-)Regelung der Materie die bestehenden Normen die Antworten 5 Vgl. nur BVerfGE 85, 80 (91) - Rechtsweg Nichtehelichen-Unterhalt; 83, 1 (21 f.) - Rechtsanwaltsgebühren; 80, 1 (26); 78, 249 (288) - Fehlbelegerabgabe; 75, 108 (162); 71, 364 (393) Versorgungsausgleich; 70,1 (34); 68,155 (174) - Schwerbehindertenbeförderung; 59, 1 (21) - Studienplatzvergabe; 56, 54 (82) - Fluglärm; 54, 173 (202); 54, 11 (37) - Rentenbesteuerung; 46, 55 (66) - Pfändung Arbeitslosengeld; 43, 291 (321); 40, 121 (140); 39, 169 (194) - Witwerrente; 37, 104 (118); 33,171 (189 f.). Ansätze dazu schon in BVerfGE 18,315 (332) - Ausgleichsabgabe. 6 Angesichts der zunehmenden Gefahren und des hohen Risikos mancher Regelungen fordert H. D. Horn, Experimentelle Gesetzgebung, S. 298, eine experimentelle Gesetzgebung i. S. eines milderen oder geringeren Eingriffs (etwa in der Form einer zeitlich oder räumlich befristeten Geltung der Norm). 7
In BVerfGE 18,315 (332) heißt es: "gewisses zeitliches 'Nachhinken' der Gesetzgebung". Vor einem "Hinterherhinken" wurde gerade in Zusammenhang mit der technischen Entwicklung vielfach gewarnt; vgl. etwa die Nachw. bei Berg, JZ 1985, 401 in Fußn. 2 u. 3. In gewissem Maße ist das Hinterherhinken aber nicht vermeidbar, so schon Th. Süss, Geheimsphäre und moderne Technik, in: Festschrift für Heinrich Lehmann, Bd. I, 1956, S. 190: "Es besteht höchste Gefahr, daß die Techniker rascher sind wie die Juristen, denn das Recht hinkt stets hinter dem Leben, sei es Wirt-
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auf teilweise völlig veränderte Fragen gebea Im Grundsatz ist es gerade die Aufgabe des Rechts, zukünftige, noch nicht feststehende Sachverhalte zu regeln . Schließlich ist das Recht auch ein wichtiges Instrument zur Gestaltung zukünftiger Entwicklungea Normen bieten daher trotz der ihnen eigenen Statik in der Regel auch Lösungen fur sich verändernde Situationen aa Ein Spannungsverhältnis entsteht dadurch, daß Normen wie auch andere Hoheitsakte in gewisser Weise situationsbedingt und damit auch situationsabhängig sind. Die Umstände im Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Regelung wirken immer auch auf den Inhalt der Norm zurück. Dies gilt nicht nur für sog. Maßnahmegesetze oder spezielle Lenkungsnormen, sondern auch, wenn auch natürlich in geringerem Maße, für die "klassischen" Gesetze. Bei Regelungen, die eine Entscheidung über in der Vergangenheit hegende Sachverhalte treffen, wie dies etwa für die Mehrzahl der Verwaltungsakte gilt, mag eine enge Verknüpfung mit der jeweiligen konkreten Situation häufig keine weiteren Probleme aufwerfen. Anderes gilt jedoch bei Normen, die Tatbestände in der Zukunft erfassen und rechtliche Beziehungen für die Zukunft bestimmen sollen. Insbesondere beim Versuch einer aktiven Gestaltung zukünftiger Verhältnisse muß der Normgeber vorausschauend Entscheidungen treffen, Prognosen abgeben und versuchen, sein Ziel mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Hier setzen die nach wie vor sehr beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Menschen natürliche Grenzen. Der Normgeber handelt immer situationsgebunden auf der Grundlage und aus der Sicht der im jeweiligen Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände. Doch bei aller Statik darf auch die Dynamik des Rechts nicht übersehen werden. Das Recht wird nicht nur durch die Umstände beim Erlaß, sondern ebenso durch außernormative Veränderungen während der Dauer der Geltung geprägt9. Gerhart Husserl hat dies so zum Ausdruck gebracht: "Rechtsnormen werden nicht hineingestellt in den Fluß der Geschichte als 'fertige Produkte' des menschlichen Geistes, die, einmal erzeugt, bleiben, was sie ihrer Idee nach von jeher waren. Die Rechtsnorm tritt ein in die geschichtliche Zeit. Die Zeit steht nicht still, und die Rechtsnorm geht sozusagen mit."10 Auch das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach in ähnlicher Form zum Verhältnis von Recht und Zeit bzw. zu dem von Husserl als "geschichtliche
schaft, Technik oder Ideologie, nach." (Der Hinweis auf dieses Zitat findet sich bei Berg, JZ 1985, 401gbei Fußn. 1).
Zu der sich aus einem sozialen Wandel ergebenden Problematik für die Gesetzgebung s. Schreckenberger, VerwArch. 68 (1977), 28 ff.
9 Vgl. nur den Titel der Abhandlung von Schenke, AöR 103 (1978), 566 ff. ("Verfassung und Zeit - von der 'entzeiteten' zur zeitgeprägten Verfassung"). 10
Husserl Recht und Zeit, S. 23.
Α. Probleme des Verhältnisses von Recht und Zeit
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Zeitstruktur der Normen des Rechts"11 bezeichneten Phänomen Stellung bezogen. Ein bekanntes und besonders markantes Beispiel ist der Soraya-Beschluß. Dort heißt es u. a.: "Die Norm steht ständig im Kontext der sozialen Verhältnisse und der gesellschaftlich-politischen Anschauungen, auf die sie wirken soll; ihr Inhalt kann und muß sich unter Umständen mit ihnen wandeln. Das gilt besonders, wenn sich zwischen Entstehung und Anwendung eines Gesetzes die Lebensverhältnisse und Rechtsanschauungen so tiefgreifend geändert haben wie in diesem Jahrhundert"12 Zu der Fage, welche Aufgabe den Gerichten in den Fällen grundlegender Veränderungen zukommt, hat ζ. B. das Bundesarbeitsgericht schon sehr früh folgende These aufgestellt: "Nach neuerer Rechtsprechung ist es Aufgabe der Gerichte, gesetzliche Bestimmungen den in tatsächlicher Hinsicht veränderten wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnissen anzupassen, ihnen, wenn die bisherige Auslegung damit nicht mehr im Einklang steht, einen den neuen Verhältnissen entsprechenden Inhalt zu gebea Sie sind auch befugt, dabei von dem Wortlaut der Gesetzesbestimmungen abzuweichen, da höher als der Wortlaut der Sinn und Zweck der Bestimmung selbst steht"13 Diese in wenigen Sätzen angedeuteten Fragestellungen aus dem Verhältnis von "Recht und Zeit" gehören zu den Generalthemen des Rechts überhaupt. Gleichwohl haben sie bislang nicht die ihrer Bedeutung entsprechende Beachtung erfahren. Insofern soll diese Untersuchimg ein kleiner Beitrag zur Behebung dieses Defizits darstellen, wiewohl sich der Verfasser durchaus bewußt ist, daß eine Arbeit auf dem Gebiet des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit immer den Charakter eines Essays behalten wird 14. Bei einem ersten Versuch zur Beschreibung des Verhältnisses von Recht und Zeit läßt sich festhalten, daß das Recht einerseits kein unmittelbares Abbild der jeweiligen Zeit darstellt Ein Wandel von Situationen und Anschauungen fuhrt nicht automatisch zu einem Wandel des Rechts. Das Recht ist keinereineKopie der Wirklichkeit Als solche wäre es auch gar kein Recht15. Andererseits verlangen eine Reihe von Veränderungen doch Beachtung. Das Recht bzw. der Rechtsanwender muß dann in irgendeiner Form reagieren. Die auf die Statik rechtlicher Regelungen gründende Rechtssicherheit stellt deshalb nur einen relevanten Gesichtspunkt unter mehreren dar.
12
BVerfGE 34,269 (288 f.). Dieses Zitatfindet sich auch bei Löwer, Cessante, S. 20.
13
BAGE 3,159 (161). Siehe dazu auch Ramm, AuR 1962,353 (354).
14
S. Düng, Zeit und Rechtsgleichheit, S. 21. Dennoch hofft der Verf., daß diese Arbeit "mehr als ein Zitat wert ist" (bezogen auf Steinlechner, ZRP 1993, 312, nach dessen Ansicht seine eigene wie "(fast) alle Dissertationen ... nicht das Zitat wert" sei). 15 Vgl. Düng, Zeit und Rechtsgleichheit, S. 28.
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§ 1 Einführung und Problemstellung
Die Zeitstruktur des Rechts wurde bisher vor allem im Hinblick auf Veränderungen bei der Auslegung des Inhalts einer Norm erkannt16. Dabei kann ein Wandel der Verhältnisse eine Vielzahl unterschiedlicher Auswirkungen für Normen hervorrufen Auswirkungen auf die Auslegung bilden nur einen Teil der Möglichkeiten, wenngleich sicherlich den zahlenmäßig umfangreichsten. Der erforderliche Auslegungswandel ist nur die erste und unmittelbare Reaktion des Rechts (und des Rechtsanwenders) auf einen beachtlichen Wandel der Verhältnisse. Es gibt jedoch auch Veränderungen, denen mittels eines Auslegungswandels nicht mehr Rechnung getragen werden kann. In diesem Fall sind grundsätzlich verschiedene "Lösungen" denkbar, von denen im folgenden zwei Stellungnahmen zu den jeweiligen Extremen, gewissermaßen als "Repräsentanten", angeführt werdea Bei der ersten handelt es sich um einen der - zumindest für Juristen - bekanntesten Ausschnitte aus Goethes Faust. In der Studierzimmerszene bringt Goethe durch Mephisto sein Ungemach über bestimmte "Eigenschaften" des Rechts zum Ausdruck. In der konkreten Passage antwortet Mephisto auf die Aussage des Schülers ("Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemea"17): "Ich kann es Euch so sehr nicht übelnehmen, Ich weiß, wie es um diese Lehre steht Es erben sich Gesetz' und Rechte Wie eine ew*ge Krankheit fort; Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte Und rücken sacht von Ort zu Ort Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh dir, daß du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist Von dem ist, leider! nie die Frage." 18
Wenngleich die Verse allgemein bekannt sind, dürfte nur eine kleine Zahl von Juristen über ihren Zusammenhang mit dem Thema "Recht und Zeit" schon einmal nachgedacht habea Bereits im ausgehenden 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert scheint nach diesen Zeilen Goethes 19 das Problem sich wandelnder
16 Der Abschnitt "Der Wandel der Normsituation" bei Lorenz, Methodenlehre, S. 350 ff., ist dafür nur ein Beispiel; weitere finden sich bei ihm auf S. 115 f., 314 f., 377 f. 17 18 Johann Wolfgang Goethe, Faust, Der Tragödie erster Teil, Studierzimmer, Vers 1969.
Ebd., Verse 1970 - 1979. Erwähnt wird diese Passage in Ähnlichem Zusammenhang wie hier schon von Löwer, Cessante, S. 7; vorher ζ. Β. Kilian, Mephistophelisches in der Jurisprudenz, S. 34 (38); 19näher zu den Hintergründen G. Müller, Das Recht in Goethes Faust, 1912, S. 57 ff. Daß Goethe sie von Mephisto sprechen läßt, ändert nichts daran, daß er eben diese Auffassung selbst vertritt, wie sich auch einem überlieferten Gespräch vom 9.8.1827 mit dem Kanzler v. Müller entnehmen läßt: "Die Gesetze veijähren ja alle in mehr oder weniger Jahren, das ist be-
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Verhältnisse und den sich daraus ergebenden Fragen fur die Anwendung alter Gesetze virulent. Mephistos Äußerung ist aber zu entnehmen, daß Goethe - wie später noch zu sehen, wohl entsprechend der damals mitderweile herrschenden Rechtsauffassung 20 - von Fortbestand und Fortgeltung auch jener Gesetze ausgeht, die "Unsinn und Plage" geworden sind. Einen Gegensatz dazu bilden Ausführungen von Husserl:
"In der Regel sprechen Gesetze so, als ob sie Geltung für alle Zeiten besäßen. Auch dann, wenn eine Rechtsnorm kein rechtlich definiertes Ende hat, besteht für ihr Dasein eine, wenn auch nicht eindeutig vorauszubestimmende Zeitgrenze. Indem der Gesetzgeber Verhaltensnonnen aufstellt, nimmt er eine Vorausverfügung über die Zukunft der Menschen vor, die diese Nonnen angehen. Er antizipiert ein Stück Zukunft. Alle Zukunft ist, was sie ist, gesehen vom Boden einer bestimmten Gegenwart. Ein Hinübergreifen in die Zukunft (wie das der Gesetzgeber tut) heißt Wertungen und Stellungnahmen der Gegenwart zeitlich nach vorwärts projizieren. Wesentliche Strukturwandlungen der sozialen Wirklichkeit, auf deren Boden stehend der Geset geber handelt, entziehen seinem Werk die Grundlage. Der Arm des Gesetzgebers, mit dem er in die Zukunft vorgreift, hat eine endliche Länge."21
Beide "Stellungnahmen" zu diesem Teilgebiet des Verhältnisses von Recht und Zeit lassen zahlreiche Fragen offea Sie sind sicherlich auch nicht als abschließende Beurteüung des Problems gedacht gewesen, zumal für Goethe die Auffassung der strikten Fortgeltung unsinnig gewordener Normen als ärgerliche, unumgängliche Ausgangsposition erschien, von der aus sinnvolle Lösungen im Einzelfall gesucht werden mußten22. Jede Aussage deutet eine Extremposition an: Theoretisch denkbar erscheint es, Normen auch dann noch - bis zur Aufhebung durch den Normgeber - Geltung beizumessen, wenn sie aufgrund von Wandlungen der Wirklichkeit ihren Sinn völlig verloren haben (zu Unsinn und Plage geworden sind), oder ihnen diese Geltung schon dann abzusprechen, wenn die Grundlage für ihren Erlaß entfallen ist.
kannt Der praktische Jurist muß sich über die einzelnen Fälle geschickt und mit Wohlwollen hinaus zu helfen versuchen." Zit. nach G. Müller, Das Recht in Goethes Faust, S. 59 (Fußn. 135). 2 0 Vgl. dazu noch § 9 D II 1 a. 21 Husserl, Recht und Zeit, S. 27 (nur die erste Hervorhebung im Original). 22 S. seine Aussage gegenüber dem Kanzler von Müller, oben Fußn. 19.
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§ 1 Einführung und Problemstellung
B. Der Zusammenhang mit den Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen Damit nähern wir uns der Themenstellung dieser Arbeit Wenn Husserl 23 sagt, der Arm des Gesetzgebers habe nur eine endliche Länge, so dürfte dies auf allgemeine Zustimmung stoßen24. Mephistos hämischen Worten über das Recht sind wir dagegen - im allgemeinen - weniger zugeneigt. Nachvollziehbar erscheint da eher auch Husserls weitere Aussage, die Zeitgrenzen der Normgeltung seien - abgesehen von bestimmten Ausnahmen durch Regelungen der Geltungsdauer in der Norm selbst - nicht eindeutig vorauszubestimmen. Das trifft wohl - zu, sofern diese Feststellung jeweils auf eine einzelne Norm zu beziehen ist Allgemeine Aussagen über Zeitgrenzen von Normen dürften sich dagegen durchaus treffen lassea In dieser Arbeit soll der Versuch gemacht werden, diese Grenzen allgemein zu bestimmea Scheuner hat bereits vor mehr als 20 Jahren als Vernachlässigung der Lehre vom Gesetz angemahnt, "daß eine Theorie der Beendigung der Gesetzesgeltung"25 fehle. An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. Die vorliegende Untersuchung soll hier erste Ansätze fur eine gewisse Abhilfe bieten. Der mit der Materie nicht näher vertraute Leser dürfte hinter dieser, insbesondere im Untertitel der Arbeit zum Ausdruck kommenden Themenstellung einen reinen Beitrag zur akademischen Gelehrsamkeit ohne jede praktische Bedeutung vermutea In der Tat erschließt sich die Tragweite der Fragestellung erst auf den zweiten, wenn nicht gar dritten Blick. Die Arbeit zählt damit zu denjenigen, deren Existenzberechtigung sich nicht schon aus dem Titel ergibt, sondern begründet werden muß. An Stelle einer umfangreichen - theoretischen - Begründung soll hier die Bedeutung des Themas kurz anhand verschiedener realer, wenn auch nicht alltäglicher Fallbeispiele demonstriert werden. Auch wenn die aufgeführten Fälle reichlich ungewöhnlich erscheinen, ließe sich die Zahl fast beliebig erweitern, weil in der Rechtsprechungspraxis der Verwaltungsgerichte hunderte von Entscheidungen zu finden sind, die im Kern dieselbe Problematik zum Gegenstand haben. Bei der Auswahl wurden keine Beispiele aus der - umfangreichen - Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts 16, sondern nur solche aus der der Fachgerichte im Bereich des (besonderen) Verwaltungsrechts berücksichtigt, um so gerade auch die Bedeutung fur die "tägliche" Rechtspraxis
2 3
24 2 5
26
Vgl. Husserl Recht und Zeit, S. 27. So z. B. bei Löwer, Cessante, S. 7 f. Scheuner, FG Flatten, 1973, S. 394. Zu dieser noch ausführlich in § 7.
29
Β. Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit
zu dokumentierea Der Leser wird anhand der Beispiele schneller die praktische Bedeutung der vorliegenden Untersuchung einschätzen können. Zuvor ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß - wie vielleicht gemutmaßt werden könnte - ein direkter Zusammenhang der hier behandelten Thematik mit den rechtlichen Fragen der deutschen Wiedervereinigung nicht besteht Die vorliegende Arbeit enthält nur gelegentlich Berührungspunkte mit den Problemen der Vereinigung oder Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Diese Untersuchung ist daher weder durch das (zweifellos herausragende) Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte angeregt worden, noch behandelt es die damit in Verbindung stehenden Rechtsfragen. L Erste Fallbeispiele27 7. Wasserschutzgebiet ohne Trinkwasser
1
*
Auf Antrag der Stadt X wird ein bestimmtes Gemeindegebiet durch Rechtsverordnung des Landratsamts zum Wasserschutzgebiet erklärt 29. Die Rechtsverordnung enthält eine Reihe von Pflichten für die betroffenen Grundstückseigentümer, insbesondere ein allgemeines Verbot von Handlungen, die geeignet sind, Gewässer in dem geschützten Gebiet zu beeinträchtigen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung hatte das dort vorkommende Grundwasser noch Trinkwasserqualität, zu dessen Schutz die Rechtsverordnung erlassen wurde. Im Laufe der Jahre hat sich die Wasserqualität jedoch so stark verschlechtert, daß auch mit Hilfe einer kostspieligen Wasseraufbereitung kein Trinkwasser mehr gewonnen werden kana Der Grund für diese Verunreinigung ist ungeklärt Vermutungen sprechen allerdings für einen oder mehrere Verursacher aus dem schon vor der Erklärung zum Schutzgebiet dort angesiedelten größeren Gewerbegebiet Welche Konsequenzen hat die nachträgliche Verschlechterung der Wasserqualität für die Rechtsverordnung und die in ihr aufgestellten Pflichten?
27
Im Laufe dieser Arbeit werden noch zahllose unterschiedlichste Fälle und Entscheidungen behandelt Die hier zur Illustration vorangestellten Beispiele können daher auch nicht als repräsentativ angesehen werden. Die meisten der Fälle sind eher außergewöhnlich, aber nicht zuletzt deshalb 28zur Verdeutlichung der Problematik geeignet Der Fall ist - mit wesentlichen Abweichungen - dem Sachverhalt in der Entscheidung des VGH Mannheim, NVwZ 1987,241, (angeführt auch bei Huber, ZG 1988,363 (379)) nachgebildet Im Original-Fall stand nicht fest, ob die Verunreinigung des Grundwassers zur Unbrauchbaikeit des gesamten Wasservorkommens führen wird oder schon geführt hat 2 9 Gem. §§ 24 Bad.-Württ. WassG, 19 WassHG.
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§ 1 Einführung und Problemstellung
2. Spielplatz ohne Platz 30
In einem Bebauungsplan der Gemeinde X war ein bestimmtes Areal als "Spielplatz" ausgewiesen. Ein Teil dieser Fläche wurde später in einer Änderung des Bebauungsplans als örtliche Verkehrsfläche ("Wendehammer") festgesetzt. Die gesamte Umgebung des "Spielplatzes" war im Bebauungsplan zuvor bereits wesentlich verändert worden. So wurde beispielsweise die vorgesehene viergeschossige Wohnbebauung am "Spielplatz" in eine Reihenhausbebauung umgewandelt. Ein weiterer Teil der als Spielplatz vorgesehenen Fläche wurde schließlich als Fahrgasse für mehrere PKW-Einstellplätze verwendet. Alle vorgesehenen Baumaßnahmen sind mit Ausnahme des "Spielplatzes" ausgeführt worden. Gemessen an der ursprünglich geplanten Fläche ist der nunmehr als Spielplatz noch in Frage kommende Teil nicht einmal halb so groß. In den 20 Jahren seit der Festsetzung des "Spielplatzes" im Bebauungsplan hat die Gemeinde keine Anstalten gemacht, die für den Spielplatz vorgesehene Grundstücksfläche zu erwerben. Kann einem Bauwilligen, der u. a. einen weiteren Teil des "Spielplatzes" für den Bau eines Wohnhauses in Anspruch nehmen will, die Genehmigung noch unter Hinweis auf die bauplanerische Festsetzung "Spielplatz" verweigert werden?
3. Die fragliche Kirchturmbaulast
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Die Kirchengemeinde Y in der Stadt X verlangt von "ihrer" Stadt Ersatz der Kosten für eine notwendige Instandsetzung des Kirchturms. Zur Begründung beruft sie sich insbesondere auf Gewohnheitsrecht. So hat die politische Gemeinde bislang (seit Beginn des 19. Jahrhunderts) alle Kosten für Bau und Instandsetzung des Kirchturms getragen. Erst seit 1966 behauptet sie, wegen einer völligen Änderung der Verhältnisse nicht mehr verpflichtet zu sein. Als Veränderungen werden genannt: a) Eigene ausreichende Finanzmittel der Kirchengemeinde aufgrund des Kirchensteueraufkommens, b) Wegfall der Identität der politischen mit der kirchlichen Gemeinde ("konfessionelle Mischung"), c) Wegfall der früheren öffentlichen Zwecke des Kirchturms (ζ. B. Glockengeläut als Alarmsignal und Turmuhr als Zeitanzeige).
3 0 3 1
Fall nach VGH Mannheim, Urt. v. 23.2.1983, VB1BW 1983,371.
Fall (mit einigen Abweichungen) nach OVG Koblenz, ZevKR 25 (1980), 407 ff. m. Anm. Sperling-, BVerwG, ZevKR 27 (1982), 400 ff.
31
Β. Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit
Ist die auf Gewohnheitsrecht basierende Baulast weggefallen oder hat sich ihr Inhalt möglicherweise verändert?
4. Zweckentfremdungsverbot
ohne WohnraumnoP
2
Das sog. Bundesmietrechtsveibesserungsgesetz (MRVeibG)33 ermächtigt in Art 6 § 1 die Landesregierungen, unter bestimmten Voraussetzungen durch Rechtsverordnung Gemeinden zu bestimmen, in denen eine Zweckentfremdung von Wohnraum nur mit besonderer Genehmigung zulässig ist Auf Grund dieser Ermächtigung erließ die Bayerische Staatsregierung eine Zweckentfremdungsverordnung3 , die am 1.1.1972 in Kraft getreten ist. In § 1 der Verordnimg wird auch die Stadt München der Regelung unterworfea Dagegen wenden sich die Antragsteller 1986 im Wege einer Popularklage nach Art. 98 S. 4 Bay Verf. Sie tragen vor, eine solche Verordnung sei nur dann mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie zu vereinbaren, wenn die Voraussetzungen der Ermächtigung gem. Art. 6 § 1 MRVerbG vorlägen. Auch wenn bei Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverordnung am 1.1.1972 auf dem Wohnungsmarkt der Landeshauptstadt München eine Mangellage i. S. d. Art 6 § 1 MRVerbG bestanden habe, sei diese inzwischen beseitigt. Spätestens seit Ende des Jahres 1985 sei in München eine allgemein ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen nicht mehr besonders gefährdet. Es sei unterstellt, die tatsächlichen Angaben der Antragsteller sind zutreffend. Hätte dies Konsequenzen für die Wirksamkeit der Zweckentfremdungsverordnung? 35
5. Die betagte Baulinienfestsetzung
In einem Ortsbauplan (Bebauungsplan) der Stadt Β aus dem Jahre 1878 ist nördlich der E.-Straße eine Baulinie festgesetzt. Zu einer Bebauung ist es hier bis heute nicht gekommen; die bisherige Bebauung endet südlich der E.-Straße. Nördlich der Straße hegen Wiesen mit vereinzelten Obstbäumen. 3 2
33
Fall nach BayVfGH, Uit. v. 13.7.1988, BayVfGHE 41,69 ff.
Bundesgesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur34 Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4.11.1971, BGBl. IS. 1745. Erste Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 23.12.1971 (BayGVBl. S. 478), geändert durch § 1 der Verordnung vom 9.12.1975 (BayGVBl. S. 393). 3 5 Fall nachgebildet VGH Mannheim, Beschl. v. 29.8.1989, UPR 1990,308.
§ 1 Einführung und Problemstellung
32
Kann sich der Eigentümer eines dieser Wiesengrundstücke bei der Antragstellung für eine Baugenehmigung eines Wohnhauses an der Straße auf die Festsetzungen des Bebauungsplanes berufen? 36
EL Die Problematik sachgerechter LSsungsansätze In diesen und zahlreichen anderen - von der Thematik, wenn auch nicht vom Sachverhalt her ähnlich gelagerten - Fällen kommen unterschiedlichste Lösungen in Betracht Allen ist allerdings gemeinsam, daß mittels eines Wandels der Auslegung der Norm den Veränderungen nicht mehr Rechnung getragen werden kann
1. Kasuistik in Rechtsprechung und Literatur
Aufgrund der bislang fehlenden dogmatischen Grundlegung ist das Meinungsspektrum in Rechtsprechimg und Literatur vollkommen unübersichtlich. Eine einheitliche Grundlinie zur Lösung der Probleme fehlt ganz. Unbefriedigend ist aber nicht nur, daß sich die Lösungsversuche in den diversen Einzelfällen "ohne jeden Blick über den Tellerrand hinaus" immer stärker verselbständigen Auch in den einzelnen Fällen und Fallgruppen zeichnen sich regelmäßig keine eindeutigen und vor allem keine einheitlichen Ergebnisse ab. Symptomatisch fur den Zustand sind die terminologischen Unsicherheiten und die Vielzahl von - regelmäßig nicht näher durchdachten - Begründungsversuchen für die Annahme bestimmter Auswirkungen von Veränderungen auf die Wirksamkeit einer Norm Zur Begründung der Unwirksamkeit ist mitunter die Rede von den "Grundsätzen des Obsoletwerdens", der Anwendung der "Grundsätze der clausula rebus sie stantibus", der Anwendbarkeit des Satzes "cessante ratione legis cessât lex ipsa" oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Gerade auch die terminologische Verwirrung zeigt sich in dem undifferenzierten Nebeneinander von Obsoletwerden, Funktionslosigkeit, Unwirksamkeit, Geltungsverlust, Rechtswidrigwerden und ähnlichem. So werden allein in dem dem obigen Beispiel 1 zum Wasserschutzgebiet zugrundeliegenden Beschluß des VGH Mannheim folgende Begriffe und Formulierungen - offenbar gleichbedeutend - nebeneinder verwendet: "infolge der zwischenzeitlichen Entwicklung obsolet geworden", "wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten", "Fortgeltung", "eine dem Rechtsdenken fremde Derogation von Recht durch eine diesem gerade un36
Die Fragestellung des Ausgangsfalles war - bei entsprechendem Sachverhalt - allerdings eine andere.
Β. Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit
33
terworfene Entwicklung", "ob eine solche nachträgliche Veränderung der Umstände die Verordnung selbst ungültig werden läßt" und "unmittelbar rechtswidrig und damit nichtig geworden" . Über diesen Einzelfall hinaus ist auch sonst nur selten zu erkennen, mit welchem Inhalt die Begriffe verwendet werden und ob zwischen ihnen differenziert wird. Eine einheitliche Linie verfolgt dabei noch am ehesten das Bundesverfassungsgericht Es konzentriert sich in Fällen der vorliegenden Art allein auf die Möglichkeit des Rechts- bzw. Verfassungswidrigwerdens. Zu einem Geltungswegfall durch Funktionslosigkeit oder ähnlichem hat es sich bisher noch nicht näher geäußert38. Von einer auch dogmatisch befriedigenden Lösung der Problemfälle ist das Gericht allerdings ebenso entfernt 39. Die Literatur hat bislang meist nur punktuell Stellung genommen und die Rechtsprechimg bei der Suche nach dogmatisch fundierten Lösungen weitgehend allein gelassen. Angesichts der großen Zahl höchst- und obergerichtlicher einschlägiger Entscheidungen ist dieser Befund doch recht überraschend. Sämtliche Ansätze sind - zumindest im Ausgangspunkt - der Rechtsprechung zu verdankea Übergreifende Überlegungen fehlen beinahe ganz40. Interessanterweise stellt gerade die hier aufgeworfene Fragestellung (Offenlegung der Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen) eine ganz unübliche Betrachtung des Verhältnisses von Recht und Zeit dar. Für das Gebiet der Methodenlehre ist dieser Umstand leicht zu erklären, in seiner Gesamtheit jedoch erstaunlich. So steht die Problematik aus dem Blickwinkel der Methodenlehre offenbar unter ganz anderen "Vorzeichen". Wenn sich die Methodenlehre mit der Auslegung von Normen oder (allgemeiner) mit der Methode der Rechtsfindung befaßt, so geht es in Zusammenhang mit den hier relevanten Fällen darum, welche Konsequenzen der Normanwender aus den veränderten Umständen ziehen muß, konkret: ob die Rechtsfolgenanordnung einer Norm beachtet werden muß oder nicht. Aus welchen Gründen und aufgrund welcher dogmatischen Konstruktion die Nichtbeachtlichkeit anzunehmen ist, ist dann eine Frage von nachrangiger Bedeutung. Insofern ist auch verständlich, wenn das Augenmerk der - meist aus zivilrechtlicher Sicht verfaßten - Literatur zur Methodenlehre nicht auf diese, hier dagegen im Zentrum stehenden Fragen der Abgrenzung gerichtet ist. 3 7
38
Alle Beispiele aus VGH Mannheim, NVwZ 1987,241 (243) unter b).
Eher beiläufige Ausnahmen mit Bemerkungen zum Gegenstandsloswerden finden sich in den39Entscheidungen BVerfGE 4,7 (18 f.); 10, 89 (108); 25,1 (14); 78, 133 (144). Die nflhere Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Konsequenzen des Rechtswidrigwerdens einer Norm werden diese Defizite belegen, vgl. dazu § 7. 40 Ansätze dazu finden sich höchstens bei Löwer, Cessante, passim, und Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), 395 (405 ff.). 3 Baumeister
§ 1 Einführung und Problemstellung
34
Bedenklich wird die Vernachlässigung der Abgrenzung allerdings, wenn eine Untersuchung unter der Thematik "Rechtsfindung contra legem" diese Frage völlig ausblendet, obwohl es doch gerade nicht um "Rechtsfindung contra legem" gehen kann, wenn eine unwirksam gewordene Norm außer Acht gelassen wird4 Wenn man so will, wird deshalb mit dieser Arbeit zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung und Begrenzung der Problematik der Rechtsfindung contra legem geleistet.
2. Denkbare Folgen des Wandels von Umständen
Normen haben wie alle von Menschen bewirkten Ereignisse ihre Basis in den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Entstehung. Sie sind das Ergebnis der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Auffassungen, Verhältnisse und Umstände. Doch die Zeit steht nicht still und die Norm muß sozusagen mitgehen42. Daher kann die Norm nicht statisch allein von ihrem Ausgangspunkt her betrachtet und verstanden werden. Sie muß sich - in Grenzen - mitwandeln. In Konsequenz dessen führt auch nicht jede Veränderung von Umständen zum Wegfall der unter einer anderen Situation erlassenen Regelung. Anderenfalls hätte die überwiegende Zahl von Normen schon nach kurzer Zeit ihre rechtliche Wirksamkeit verloren. Es ist daher im Gegenteü davon auszugehen, daß der Norm regelmäßig nicht nur in der konkreten Lage im Erlaßzeitpunkt, sondern grundsätzlich auch in Fällen zukünftiger Veränderungen der Rechts- oder Sachlage rechtliche Geltung zukommt. Genauso sicher ist aber, daß von diesem Grundsatz auch Ausnahmen zugelassen werden müssen, wenn man den Fall der Aufhebung einer Norm in den Blick nimmt. Wie weit aber darüber hinaus Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Norm anzuerkennen sind, erweist sich bereits als sehr problematisch. Wer könnte schon auf Anhieb sämtliche Lösungen der geschilderten Beispielsfalle präsentieren?
41
So aber etwa Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, S. 138 ff. Diese aus zivilrechtlicher Perspektive verfaßte Dissertation setzt damit aber zunächst nur eine Tradition der Methodenlehre fort. Zusätzlich wird jedoch von Neuner (in den Fällen des Unwirksamwerdens infolge Rechtswidrigwerdens oder Geltungswegfalls) die methodologisch sicherlich nicht einfache Problematik, ob der Richter gegen das Gesetz entscheiden darf oder sogar muß, künstlich überhöht, da sie zumindest in diesem Umfang gar nicht existiert; siehe auch noch § 10. Sehr deutlich zeigt sich die Verkennung der Zusammenhänge, wenn Neuner ζ. T. selbst vom Rechtswidrigwerden bestimmter Regelungen ausgeht (so z. B. S. 142) und auch die Frage der Anwendbarkeit des Art. 100 Abs. 1 GG diskutiert (S. 178 ff.). 42 So eine leicht abgewandelte Aussage von Husserl , Recht und Zeit, S. 23; s. auch Lorenz, Methodenlehre, S. 115; Arthur Kaufmann, FS Engisch, S. 243 ff.
Β. Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit
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Bei einer Betrachtung der möglichen Folgen von Veränderungen im Überblick lassen sich - abgesehen von dem Fall, daß den Veränderungen keine rechtliche Bedeutung zukommt - neben dem von dieser Untersuchung nicht erfaßten Auslegungswandel schematisch drei mögliche weitere Auswirkungen unterscheiden: (1) Die gravierendste Auswirkung stellt das Unwirksamwerden der Norm dar. Die Annahme, eine Norm habe ihre rechtliche Wirksamkeit verloren, stellt einen deutlichen Eingriff in den jeder Norm eigenen Geltungsanspruch dar. (2) Denkbar ist zum zweiten, daß die Norm weiter wirksam bleibt, jedoch derzeit aus rechtlichen Gründen nicht mehr anwendbar ist (Unanwendbarwerden).
(3) Schließlich kann die Norm weiter wirksam und anwendbar bleiben und "nur" eine Pflicht des Normgebers zur Aufhebung der Norm entstehea
Wenngleich in aller Regel zumindest zwischen den ersten beiden Varianten nicht exakt getrennt wird, kann jedoch festgestellt werden, daß sämtliche dieser drei Möglichkeiten in Literatur und Rechtsprechung (wenn auch ohne Behandlung der jeweils übrigen) in Erwägung gezogen und in zahlreichen Fällen auch befürwortet werden.
3. Denkbare Ursachen dieser Folgen und ihre Konsequenzen flir die folgende Untersuchung
Bei den Stellungnahmen zu diesen Auswirkungen können im Grunde zwei dogmatische "Hauptkonstruktionen" unterschieden werdea Das Unwirksamwerden läßt sich entweder auf ein unmittelbares Außerkrafttreten (einen unmittelbaren Geltungswegfall) oder auf ein Rechtswidrigwerden mit der Folge des Nichtigwerdens zurückführen. Gleiches gilt für das Unanwendbarwerden und für die Aufhebungspflicht (bei fortbestehender Wirksamkeit und Anwendbarkeit). Auch dafür könnte die Ursache in einem Rechtswidrigwerden der Norm wie auch in einem vom Rechtswidrigwerden völlig unabhängigen Eintritt dieser Wirkungen zu suchen seia Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung der Möglichkeiten und Ursachen für ein Unwirksamwerden, ein Unanwendbarwerden oder eine "einfache" Aufhebungs- oder Änderungspflicht des Normgebers ist damit zunächst die Klärung der Möglichkeit (und bejahendenfalls der Voraussetzungen und Folgen) des Rechtswidrigwerdens von Normen. Das so gewonnene Ergebnis enthält unmittelbare Konsequenzen für alle anderen Möglichkeiten, die - soviel kann angesichts der allgemeinen grundsätzlichen Anerkennung des Rechtswidrigwerdens bereits jetzt gesagt werden - zum Teil sogar eine nähere Untersuchung der Varianten erübrigen wird. Erst daran kann sich die Untersuchung der An3*
§ 1 Einführung und Problemstellung
36
nähme eines unmittelbaren (d. h. ohne Rechtswidrigwerden anzunehmenden) Unwirksamwerdens (oder Geltungswegfalls), eines Unanwendbarwerdens sowie der schlichten Entstehung von Aufhebungspflichten anschließen Die bisherige Behandlung des hier untersuchten Ausschnitts aus dem Verhältnis von Recht und Zeit zeichnet sich meines Erachtens durch eine Reihe von Defiziten aus, die eine angemessene systematische Lösung verhindert haben. So fehlt es nicht nur an einer sämtliche Fragestellungen zusammenfassenden Betrachtung im Überblick. Die bestehenden, bei dem hier gewählten Ausgangspunkt eigentlich unverkennbaren Berührungspunkte und das sich daraus zwingend ergebende Abgrenzungserfordernis etwa zwischen dem Unwirksamwerden aufgrund eines Rechtswidrigwerdens und einem Geltungswegfall wurden bisher höchstens andeutungsweise gesehen43. Von einer aufeinander abgestimmten Lösung der Einzelfälle kann erst recht keine Rede sein. Äußerst negativ bemerkbar macht sich auch die fehlende Trennung der denkbaren Folgen von Veränderungea Schließlich fehlt bisher noch jede nähere Untersuchung der Möglichkeiten und Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Normen
4. Der Titel der Arbeit
Die bisherigen Ausführungen deuten bereits an, daß der Untersuchungsgegenstand erheblich weiter ist, als dies der Haupttitel ("Das Rechtswidrigwerden von Normen") zum Ausdruck bringt Der gewählte Titel hat jedoch im Gegensatz zum umfassenderen Untertitel den Vorteil, den im Zentrum der Gesamtlösung des Problems stehenden Gegenstand konkret zu bezeichnea
C Die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands L Die "umgekehrte Entwicklung" Nicht angesprochen wurde bisher, daß theoretisch nicht nur eine Art, sondern zwei Arten von Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder Anwendbarkeit, die Geltung oder die Rechtmäßigkeitsbeurteilung einer Norm denkbar sind: Zum einen könnte, wovon bisher allein die Rede war, eine zunächst wirksame Norm 43 Als Negativbeispiel für eine fehlende Abgrenzung von Geltungswegfall, Unwirksamwerden infolge Rechtswidrigwerdens und Unanwendbarwerden sind insoweit die Ausführungen von Canaris, WM 1978,686 (691), anzusehen, obwohl gerade in diesem Beitrag - und insofern geschieht Canaris hier mit der Erwähnung seines Aufsatzes Unrecht - in der Sache weitgehend treffende Überlegungen angestellt wurden. Bei den meisten anderen fehlt dagegen schon jedes Problembewußtsein.
C. Die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
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unwirksam, eine anwendbare unanwendbar, eine geltende (gültige) ungültig und eine rechtmäßige rechtswidrig werden. Zum anderen ist aber auch - zunächst ebenfalls theoretisch - die umgekehrte Entwicklung, also etwa das Wirksamwerden einer unwirksamen Norm, denkbar. Für eine an praktischen Problemen orientierte Untersuchung können diese beiden "Richtungen" von Auswirkungen allerdings nicht denselben Stellenwert haben. Sofern ein Wirksam-, Anwendbar-, Gültig- oder Rechtmäßigwerden von Normen überhaupt in Frage kommt, kommt diesen Fallkonstellationen keine praktische Bedeutung zu. Von daher lag es nahe, Veränderungen, die derartige Auswirkungen herbeiführen könnten, bei der systematischen Untersuchimg auszuklammern. Damit erklärt sich auch die Beschränkung des Titels auf die Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit. Deshalb bleibt die Möglichkeit der "umgekehrten Entwicklung" aber keineswegs konsequent unberücksichtigt. So wird zur Frage, ob ein Rechtmäßigwerden rechtsdogmatisch und rechtstheoretisch überhaupt denkbar ist, kurz Stellung genommen44. Eine Aussage dazu hegt schon deshalb nahe, weil das Rechtmäßigwerden als Spiegelbild zum Rechtswidrigwerden erscheinen könnte45. Aber auch an diversen anderen Stellen wird - nebenbei - auf Fragen zur gegenläufigen Entwicklung eingegangen.
Π. Probleme des Rechtsschutzes An die Untersuchung der Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen schließen sich eine Vielzahl von Einzelfragen dazu an, auf welchem Wege die materiellrechtlichen Auswirkungen, die regelmäßig auch subjektive Rechte berühren, prozessual durchset2bar sind. Der Rechtsschutz wirft eine Reihe interessanter Probleme auf, die einer näheren Untersuchung bedürften und über den Charakter eines kurzen Annexes zu den materiellrechtlichen Erörterungen weit hinausgingen. Aufgrund des ohnedies nicht geringen Untersuchungsstoffs und der vorrangigen Bedeutung der materiellrechtlichen Fragen schien es jedoch vertretbar, an dieser Stelle auf die Erörterung der Rechtsschutzfragen weitestgehend zu verzichten.
4 4
§ 6 D.
45
So ζ. B. Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (428).
38
§ 1 Einführung und Problemstellung
D. Aufbau der Untersuchung L Methodischer Aufbau Der Aufbau und die Gedankenfuhrung der Arbeit werden durch den Zweck der Untersuchung vorbestimmt Ziel ist es, ein System (oder besser: ein rechtsdogmatisches Gerüst) zu entwickeln, nach dem sich die Bedeutung von Veränderungen fur Normen rational nachvollziehbar bestimmen läßt Mit diesem für die Arbeit wesentlichen Bezug zur praktischen Handhabimg realer Fallgestaltungen setzt sich diese Untersuchung in bewußten Gegensatz zu rechtstheoretischen Überlegungen ohne (direkten) Nutzen für die Rechtsanwendung. Aufgrund des angestrebten Praxisbezugs finden konkrete Fälle aus der Rechtsprechung nicht nur untergeordnete Berücksichtigung. Ihnen kommt im Gegenteil eine herausragende Stellung zu, indem an ihnen die Probleme illustriert und die Lösungen schließlich auf ihre Tauglichkeit überprüft werden können46. Die Hauptschwierigkeit besteht nun darin, trotz der Vielzahl denkbarer Veränderungen und auch unterschiedlichster normativer Regelungen ein System herauszuarbeiten, in das sich möglichst alle Fälle widerspruchsfrei einordnen lassen. Eine solche Aufgabe kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten angegangen werden. Zum einen kann das mögliche System thesenartig eingeführt und dann anhand der konkreten Einzelfälle überprüft bzw. dargestellt werdea In diesem Fall beginnt die Untersuchung im Grunde mit ihrem Ergebnis. Zum anderen könnte anhand der Analyse verschiedener Einzelfälle der Versuch eines "Schlusses" auf eine dahinterstehende Gesamtstruktur unternommen werdea Die angestrebte Untersuchung eignet sich jedoch nicht für eine durchgehende Anwendung einer der beiden Verfahrensweisen. Die konsequente Durchführung der ersten Alternative muß bei einer Untersuchung der vorhegenden Art schon daran scheitern, daß im Zentrum der Bemühungen gerade die Suche nach einem solchen System steht. Zwar könnte theoretisch das fertige Ergebnis der Arbeit vorangestellt werden. Auf diese Weise gingen jedoch sämtliche Überlegungen auf dem Weg zu diesem Ergebnis verlorea Sie könnten nur als Begründung der These angefügt werden, ohne freilich in ähnlichem Maße nachvollziehbar zu seia Der Leser hätte gar nicht die Chance, während der Entwicklung des Ergebnisses eigene Gedanken über eine mögliche Lösung anzustellen und diese mit den hier dargelegten zu vergleichen. Für umfangreichere Untersuchungen eignet sich daher grundsätzlich eine Darstellung besser, bei der der Leser schrittweise an die Lösung herangeführt 46
Dies geschieht natürlich in dem Bewußtsein, daß eine Tauglichkeitsprüfung anhand selbst gewählter Beispiele wenig "Beweiskraft" besitzt.
D. Aufbau der Untersuchung
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wird. Will man wie hier an konkrete Fallbeispiele anknüpfen, so ist im Grundsatz ein induktives Vorgehen sinnvoll. Doch kann eine solche Methode wohl kaum je ganz konsequent durchgehalten werden. Schon die einleitenden Ausführungen mit der Aufzählung der verschiedenen Auswirkungen stellen einen Bruch dieser Darstellungsweise dar. Im Ergebnis werden daher beide Arten der Darstellung miteinander kombiniert und jeweüs diejenige bevorzugt, die sich für eine spezielle Frage gerade anbietet Die hier vorgestellte Methode der Darstellung steht in keinem direkten Zusammenhang mit den wissenschaftstheoretischen Vorstellungen des In- oder Deduktivismus oder des sog. Falsifikationismus. So wird auch keineswegs der These angehangen, es ließen sich auf induktivem Weg logische Schlüsse ziehen und damit Ergebnisse beweisen. Ohne die Annahme der Richtigkeit bestimmter Prämissen ist ein Beweis von vornherein unmöglich. Wie die Vertreter des kritischen Rationalismus erkannt haben, ist nicht der Beweis einer Behauptung, also die Verifikation möglich, sondern allenfalls ihre Falsifikation47, wobei selbst das im Bereich der Rechtswissenschaft oft schon ausgeschlossen sein dürfte 48. Das Schwergewicht juristischer Argumentation muß daher vor allem auf dem Versuch der Darlegung überzeugender Lösungen und Lösungswege hegen49. Auch wenn sich die Herausbildung von juristischen Überzeugungen faktisch häufig nicht an der sachlichen Überzeugungskraft einer widerspruchsfreien Lösung orientiert50, so sollte das wissenschaftliche Bestreben doch immer auf die Erarbeitung derartiger Lösungen gerichtet sein. Dazu bedarf es einer nachvollziehbaren Entwicklung und Begründung des Ergebnisses, zwei Aspekte, die in vielen Fällen ineinander übergehen.
IL Inhaltlicher Aufbau Das Gerüst der Untersuchung bildet die Trennung der Untersuchung des Rechtswidrigwerdens von Normen und deren Konsequenzen von der des Geltungswegfalls, Unanwendbarwerdens oder der Entstehung einer "bloßen" Aufhebungspflicht. Im ersten Teü der Arbeit (§§ 4 - 7 ) wird dementsprechend auf 47 Nicht ganz überzeugend sind dagegen die Ausführungen von Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, S. 375 (381 f.), der offenbar für den Bereich der Naturwissenschaften von der Möglichkeit einer Verifikation von Theorien oder Thesen ausgeht Diese These hat jedoch insbesondere der kritische Rationalismus von Popper und Albert eindeutig falsifiziert. 4 8 Vgl. Canaris, , JZ 1993,377. 49 Zur zweifellos notwendigen Begründung auch Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, S. 382. 5 0 S. nur den kritischen Hinweis zur Entstehung der "herrschenden Meinung" von Uwe Wesel, Über die Verfassungswidrigkeit unserer Autos, in: Die Zeit, Nr. 20, v. 14.5.1993, S. 36 (1. Sp.).
40
§ 1 Einführung und Problemstellung
die Fragen nach der Möglichkeit und den Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens eine Antwort zu geben versucht Daran schließt sich der 2. Teil der Arbeit an (§§ 8, 9), in dem zu den Voraussetzungen und Grenzen des Geltungswegfalls (ohne Rechtswidrigwerden) Stellung genommen wird. Schließlich werden in einem kurzen 3. Teil die Konsequenzen für die Annahme des Unanwendbarwerdens (§ 10) und der weiteren Beachtlichkeit der Norm trotz Aufhebungspflicht (§ 11) gezogea Die den Schluß bildende Gesamtbetrachtung (§ 12) enthält u. a. einige Hinweise zur Lösung der oben aufgeführten Beispielsfälle auf der Basis der vorausgehenden Untersuchungsergebnisse. Den Abschluß macht eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit Die Einleitung setzt zunächst in § 2 mit einer Begriffsklärung fort In § 3 folgt als Einstieg in die konkrete Erörterung ein Überbück über die Fallvarianten.
§ 2 Begriffserläuterungen Vor einem Einstieg in die inhaltliche Erörterung bedarf es der Klärung und Darlegung der Bedeutung der im folgenden verwendeten Begriffe.
A. Der Begriff der Norm Objekt der Untersuchung aus dem Bereich des Verhältnisses von Recht und Zeit sind die Normea Unter Normen werden hier Gesetze im materiellen Sinne verstanden, also die Verfassung, förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen. Um geschriebenes Recht muß es sich nicht handeln; auch das Gewohnheitsrecht wird in die Untersuchung einbezogen, wie bereits das obige Beispiel 3 in § 1 zur Kirchenbaulast nahegelegt hat Nicht Untersuchungsgegenstand, da es sich dabei nicht um "Normen" im hier verstandenen Sinne handelt, sind beispielsweise Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsakte. Zudem findet eine Beschränkung auf Formen staatlicher Normsetzung statt Nicht berücksichtigt werden deshalb etwa die normativen Teüe von Tarifverträgen, also Normen, die als private Rechtssetzung anzusehen sind1. Im Rahmen der folgenden Untersuchimg wird mitunter aus verschiedenen Gründen nur von Gesetzen statt allgemeiner von Normen gesprochen. Sofern sich dort aus zusätzlichen Hinweisen oder aus dem Zusammenhang nicht ergibt, daß die betreffenden Aussagen nur auf formelle Gesetze Anwendung finden sollen, ist der Gesetzesbegriff ein materieller Begriff, der auch Rechtsverordnungen und Satzungen miterfaßt.
1 Vgl. zur Rechtsnatur der Tarifverträge BVerfGE 34, 307 (317); 64, 208 (214 ff.); IV. Zöllner, Die Rechtsnatur der Tarifnormen nach deutschem Recht, Wien 1966; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1278 ff.; damit bleibt auch das vor allem 1993 für Ostdeutschland aktuelle und interessante Problem ausgeklammert, ob und wann Veränderungen der zunächst angenommenen wirtschaftlichen Gesamtentwicklung einem TarifVertragspartner gestatten, Tarifverträge vorzeitig zu kündigen oder gar unbeachtet zu lassen. Lösungsansätze für diese Fragestellung können jedoch nur im Vertragsrecht zu suchen sein, womit sich bereits entscheidende grundsätzliche Unterschiede zu staaüichen Rechtsvorschriften andeuten.
42
§ 2 Begriffserläuterungen
Β. Die Bezeichnungen der unterschiedlichen Auswirkungen eines Wandels der Verhältnisse Der bisherige Sprachgebrauch in Zusammenhang mit den hier relevanten Fragestellungen ist oft mehrdeutig und deshalb der Klärung der dogmatischen Grundfragen abträglich. Hinzu kommt die Vielzahl von Bezeichnungen, die teils mit gleicher Bedeutung, teils in Abgrenzung zueinander Anwendung findea Genannt werden ζ. B. Außerkrafttreten 2, Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit3, Gegenstandsloswerden4, Derogation5, Ungültigwerden6, Obsoletwerden7, Geltungsverlust8, Funktionsverlust9, Rechtswidrig- und Nichtigwerden10 oder Unanwendbarwerden11. Inwieweit diese Begriffe bewußt oder mehr zufällig gewählt werden, ist meist nur schwer zu ermitteln. Über Sinn und Unsinn der Verwendung bestimmter Begriffe läßt sich - wie so oft - auch hier trefflich streiten. Begriffe haben lediglich funktionellen Charakter. Sie sollen den mit ihnen verbundenen Inhalt möglichst eindeutig zum Ausdruck bringen. Angesichts des verbreiteten unterschiedlichen Gebrauchs der Mehrzahl der Begriffe erweist sich dies im vorhegenden Fall als recht problematisch. Wie sich aus den einleitenden Darlegungen ergibt, ist hier die Wahl - neben dem zwingend vorgegebenen Begriff des Rechtswidrigwerdens - auf die Begriffe des Unwirksamwerdens, des Geltungswegfalls und des Unanwendbarwerdens gefallen. Sie schienen für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung von Auswirkungen mit und ohne (vorausgehende) Rechtswidrigkeit noch am ehesten geeignet1 . 2 Vgl. ζ. B. Wolff/Bachof, tungsR I, § 27 Rdnr. 3. 3
VerwaltungsR I, § 27 I b (S. 143 f.); Wolff/BachofStober,
Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1987,241 (243).
4
S. ζ. B. BVerfGE 4,7 (18 f.); 78,133 (144).
5
Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1987,241 (243).
6
Ebd.
7
Verwal-
Vgl. ζ. Β. Η. H. Klein, FS Geiger, S. 132 (137); Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 83; Robbers, FS Benda, S. 209 ff; Rottmann, FS Zeidler, Bd. 2, S. 1097 (1099); Stüer, Städte- und Gemeinderat 1982, 61 (63); Wehrhahn, VVDStRL 15 (1957), 35 (57); BVerwGE 38, 76 (83); VGH Mannheim, NVwZ 1987,241 (243) u. UPR 1990,308; OVG Münster, BRS 29, Nr. 17, S. 41 f. g So schon im Titel bei Grooterhorst, Geltungsverlust von Bebauungsplänen; Degenhart, BayVBl. 1990,71 ff.; Gronemeyer„ DVB1.1977,756 ff. 9
Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 588.
10
S. VGH Mannheim, NVwZ 1987,241 (243).
11
S. Rottmann, FS Zeidler, Bd. 2, S. 1097 (1099).
12
Es versteht sich freilich von selbst, daß auch die hier gewählten Begriffsverwendungen und auslegungen nicht den Anspruch einer "rechtswissenschaftlichen Wahrheit" erheben. Die Begriffe
Β. Die Bezeichnungen der unterschiedlichen Auswirkungen
43
L Wirksamkeit und Unwirksamwerden Ausgangspunkt der Begriffsauswahl ist der Begriff der Wirksamkeit der Norm. Als Wirksamkeit einer Norm wird hier die durch die Rechtsordnimg begründete Beachtlichkeit der Norm verstanden Zu unterscheiden ist diese rechtliche Wirksamkeit von der faktischen Wirksamkeit der Norm. Wirksamkeit im hier gebrauchten Sinne meint nicht die tatsächliche Befolgung oder die tatsächlichen Wirkungen der Norm 13. Mit dem Unwirksamwerden werden daher zusammenfassend die Auswirkungen bezeichnet, in denen eine Norm - aus welchen Gründen auch immer - ihre rechtliche Wirksamkeit verliert Das Unwirksamwerden büdet damit einen zentralen Oberbegriff für eine Art der Auswirkungen von Veränderungen.
Π. Anwendbarkeit und Unanwendbarwerden Die Bedeutung des zweiten zentralen Oberbegriffs, dem Unanwendbarwerden, läßt sich aus der Abgrenzung zum Unwirksamwerden ableiten. Die unanwendbare Norm ist gültig und rechtlich wirksam. Sie ist nur aufgrund einer grundlegenden Änderung derzeit nicht anzuwenden, ohne daß damit zugleich die (zumindest theoretische) Möglichkeit einer Anwendung auch für die Zukunft verneint wäre. In Zusammenhang mit den Fällen eines möglichen Unanwendbarwerdens ist zusätzlich darauf hinzuweisen, daß sich der Problemkreis der Anwendbarkeit einer Norm nicht auf eine Veränderung im (tatsächlichen) Anwendungsbereich der Norm bezieht, sondern ausschließlich auf die Frage, ob die Norm aus Rechtsgründen überhaupt (noch) anwendbar ist oder nicht
HL Geltung und Geltungswegfall In einem zweiten Schritt war ein Begriff zufinden, der die Fälle repräsentieren soll, in denen die Wirksamkeit einer Norm entfällt, ohne daß dieses Unwirkhaben insoweit zunächst nur einen funktionellen Charakter: sie sollen der Verständigung dienen. Eine andere Funktion kommt ihnen natürlich als Tatbestandsmerkmale von Normen zu. 13 Auf das Problem des Zusammenhangs zwischen der faktischen und der rechtlichen Wirkung muß hier nicht eingegangen werden, da mit der vorgenommenen Trennung nicht mögliche Verbindungen bestritten werden. So kommt einer Norm möglicherweise nur dann rechtliche Wirkung zu, wenn sie zumindest ein Mindestmaß an tatsächlicher Beachtung erfährt, so ζ. B. die Auffassung von Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 112 f.; ders., Reine Rechtslehre, S. 10, zur Geltung.
44
§ 2 Begriffserläuterungen
samwerden auf ein Rechtswidrigwerden zurückzuführen ist Als Bezeichnung wurde hier der Geltungswegfall ausgewählt Schon von daher wird deutlich, daß hier nicht zwischen der Geltung und der Wirksamkeit von Normen unterschieden wird. Entsprechend hat hier auch die Aussage, daß eine Norm rechtlich güt, die Bedeutung eines "Sein-Sollens"14. Insofern geht es um einen Geltungsbegriff, der mit rechtstheoretischen oder philosophischen Überlegungen zur Geltung des Rechts regelmäßig nicht übereinstimmt15. Die Untersuchung unternimmt daher keineswegs den Versuch, zu rechtstheoretischen Fragen der Geltung Stellung zu nehmen, wie dies etwa von Alexy jüngst getan wurde16. Unter der Geltung einer Norm ist hier allein ihre rechtliche Wirksamkeit zu verstehen. Nach der Terminologie von Alexy entspricht dies dem Begriff der "rechtlichen Geltung im engeren Sinne"17, nach der Begrifflichkeit von Rupert Schreiber der "verfassungsmäßigen Geltung"18. Diese Gleichsetzung von Geltung und Wirksamkeit deckt sich mit der üblicherweise anzutreffenden synonymen Verwendung. Sie steht - wie schon der hier verwendete Normbegriff - jedoch im Gegensatz zu der Begriffsbildung durch die Anhänger der "Reinen Rechtslehre". Dort wird zwischen den Begriffen Geltung und Wirksamkeit unterschieden19. Kelsen definiert Geltung als "spezifische Existenz der Norm"20 und Wirksamkeit als "Tatsache der tatsächlichen Anwendung und Befolgung der Norm"21. Diese Trennung zwischen der Geltung als Existenz und der Wirksamkeit als faktische Befolgung mag zwar bei rechtstheoretischen oder rechtsphilosophischen Überlegungen ihre Berechtigung haben, rechtsdogmatische Betrachtungen jedoch haben an bestehende gesetzliche Regelungen anzuknüpfen22. Auch wenn es sich hier um eine Untersuchung 14
So wohl auch Lorenz, Methodenlehre, S. 187, der allerdings mit seiner Definition eine deutliche Beschränkung auf Verhaltensnormen vornimmt, die hier vermieden werden soll. 15 S. dazu etwa auch Rehbinder, Einführung in die Rechtswissenschaft, § 24 (S. 182 ff.). 16
Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992.
17
S. Alexy, Begriff und Geltung, S. 139 f. 18 19 R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 64. Vgl. dazu Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 22 f.; 136 ff.; ders., Reine Rechtslehre, S. 9 f.; Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463 ff.; Rudolf Thienel, Geltung und Wirksamkeit, S. 20 ff., in: Untersuchungen zur Reinen Rechtslehre, hrsg. v. Stanley L. Paulson u. Robert Walter, Wien 1986; wiederum anders Hoerster, GS Marcie, S. 585 ff. 20
Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 22 f. Entsprechend ist nach Marcic, Verfassung und Verfassungsgericht, S. 27, Geltung synonym mit Rechtmäßigkeit 21 Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 111; ders., Reine Rechtslehre, S. 10, 219; abweichend Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 468; wiederum anders Hoerster, GS Marcic, S. 589 f. Von der sich daran anschließenden Frage, ob der rechtsdogmatische Begriff nicht Auswirkungen auf die rechtstheoretische Begrifflichkeit haben muß, soll hier ganz abgesehen werden, da das bislang weitgehend ungeklärte Verhältnis von Rechtsdogmatik und Rechtstheorie nicht in wenigen Sätzen aufgearbeitet werden kann, vgl. auch unten § 6 B.
Β. Die Bezeichnungen der unterschiedlichen Auswirkungen
45
über Normen handelt, kann aus Gründen der einheitlichen Terminologie insoweit auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zurückgegriffen werden. Nach § 43 VwVfG ist der Begriff der Wirksamkeit des Verwaltungsakts im Sinne der Geltung des Verwaltungsakts zu verstehen23. Aus diesem Grunde werden die Begriffe der Geltung und der Wirksamkeit in Übereinstimmung mit ihrem rechtsdogmatisch üblichem Gebrauch synonym in der Weise verwendet, daß sie das Bestehen von Rechtswirkungen dokumentieren. Nur die Norm, die rechtliche Wirkungen zeigt, güt und ist in diesem Sinne wirksam24. Die denkbaren Alternativen zum Geltungswegfall ("Geltungsverlust", "Funktionsverlust", "Gegenstandsloswerden", "Obsoletwerden" oder "Außerkrafttreten") vermochten die hier gesuchte Funktion nicht oder nicht vollständig zu erfüllen: Die Termini "Geltungsverlust" und "Funktionsverlust" erscheinen vor allem deshalb für den vorhegenden Zweck ungeeignet, weü sie über die Fälle des vollständigen Wegfalls der Geltung bzw. der Funktion hinaus auch diejenigen erfassen, in denen noch eine eingeschränkte Geltung oder Funktion fortbesteht. Derartige Konstellationen werden aus dieser Untersuchung aber ausgeklammert. Gegen den Gebrauch der Begriffe des Funktionsverlusts und der Funktionslosigkeit spricht auch die unklare Bedeutung des Funktionsbegriffs. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Geltung, nicht um eine wie auch immer zu verstehende Funktion. Die Begriffe Gegenstandslos- oder Obsoletwerden werden zwar oft in einem umfassenderen, mit dem hier gesuchten Oberbegriff vergleichbaren Sinn verwendet, nach ihrer Wortbedeutung beziehen sie sich aber nur auf ganz bestimmte Fallkonstellationen von Veränderungen. Danach kann der Begriff "Gegenstandsloswerden" im Grunde nur auf Fälle Anwendung finden, in denen der "Gegenstand" der Regelung weggefallen ist. Wie die spätere Beschäftigung mit diesen speziellen Fällen zeigen wird, stellt das Gegenstandsloswerden nur einen unter zahlreichen Fällen dar. Knüpft man bei der Betrachtung der Begriffsauslegung an den Wortsinn an, so bezeichnet der Begriff des Obsoletwerdens Fälle, in denen etwas ungebräuchlich wird oder veraltet ist. Dies deutet die in der Rechtswissenschaft bestehende Unsicherheit über den Sinn dessen an, was damit gemeint ist, wenn zu 23
Auch Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 469, weist daraufhin, daß der Wirksamkeitsbegriff im VwVfG von seiner eigenen Definition abweiche. Seiner Annahme, der Begriff habe dort die Bedeutung von Rechtskraft, muß allerdings entschieden widersprochen werden, auch wenn die Überschrift zum Abschnitt 2 des VwVfG, der durch § 43 angeführt wird, "Bestandskraft des Verwaltungsaktes" lautet. 24 Der Begriff der Existenz einer Norm soll dagegen keine Anwendung finden, da auch die nichtige Norm im Gegensatz zur Nicht-Norm "existiert" und mit rechtlichen Mitteln angegriffen werden kann.
46
§ 2 Begriffserläuterungen
lesen ist, daß eine Norm obsolet geworden sei. Es kann zum einen bedeuten, daß die betreffende Regelung in der Praxis nicht (mehr) angewendet wird und sie deshalb als veraltet anzusehen ist. Zum anderen kann es aber auch heißen, daß die Norm unwirksam geworden ist, weil sie veraltet ist und durch die Zeit überholt wurde. Der Unterschied zwischen beiden Deutungsweisen besteht darin, daß im ersten Fall das Fortbestehen der rechtlichen Anordnung der Wirksamkeit der Regelung nicht bestritten und nur die faktische Wirksamkeit verneint wird. Dagegen bedeutet das Obsoletwerden in der zweiten Alternative ein Unwirksamwerden der Regelung. Schon aufgrund dieser auch in einzelnen Stellungnahmen erkennbaren unterschiedlichen Begriffsverwendungen erscheint der Begriff des Obsoletwerdens ungeeignet. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde auch der Begriff des Außerkrafttretens. Gerade dieser Begriff wird in Literatur und Rechtsprechung mit überaus wechselnder Bedeutung und oft als Sammelbezeichnung verwendet. Bei einer Übernahme dieses oft verwendeten Begriffs wäre für einen ganz speziellen Gebrauch, etwa im Sinne eines Unwirksamwerdens ohne vorausgehendes Rechtswidrigwerden, das vorhandene, sehr unterschiedliche Verständnis hinderlich.
IV· Rechtmäßigkeit, Rechtswidrigwerden und Verfassungswidrigwerden
Der zentrale Begriff der nachfolgenden Untersuchung ist das Rechtswidrigwerden. Im Rahmen der Begriffserläuterungen, die einen ersten Aufschluß über den mit den hier verwendeten Begriffen verbundenen Inhalt geben sollen, bedarf der Rechtswidrigkeitsbegriff wohl keiner näheren Erläuterung. Er wird noch Gegenstand eingehender Betrachtungen sein. Die dort erörterten Probleme verhindern aber in keiner Weise die Verwendung des Begriffs bis zu seiner näheren Bestimmung. Der Rechtswidrigkeitsbegriff ist auch ohne diese Klärung im einzelnen zunächst bestimmt genug. Sofern von einem ,,RechtswidrigwerdenM die Rede ist, wird damit der "Umschlag" von einer rechtmäßigen in eine rechtswidrige Norm bezeichnet Dieselbe Bedeutung hat auch die im folgenden desöfteren verwendete Bezeichnung der "nachträglichen Rechtswidrigkeit". Der Begriff des Verfassungswidrigwerdens hat denselben Inhalt. Hier wird der Maßstab lediglich auf die Verfassung beschränkt, während der Begriff der Rechtswidrigkeit einen weitergehenden Inhalt aufweist25.
25
Näher zur Abgrenzung mittelbarer und unmittelbarer Verfassungswidrigkeit und Rechtswidrigkeit s. J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 147 f.
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
Α. Einführung Schon eine kurze Beschäftigung mit der hier im Mittelpunkt stehenden Frage, wann eine Norm unwirksam wird und worauf diese Wirkung zurückzuführen ist (auf einen unmittelbaren Geltungswegfall oder ein Rechtswidrigwerden), zeigt, daß dem Versuch einer erschöpfenden Erfassung und Lösung aller Einzelfälle durch die Vielfalt der Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Im Vordergrund der Bemühungen steht - trotz der großen Fallorientierung der Untersuchung - aber ohnehin nicht die Einzelfallösung, sondern eine systematische Behandlung der Probleme, um so eine dogmatische Gesamtkonzeption zu ermöghchea Die erste Illustration der bisherigen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur soll im folgenden anhand einer Beschreibung der verschiedenen "Fallgruppen" erfolgen. Bereits durch diese Zusammenschau der Fälle und Lösungsaltemativen ergeben sich erste Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Mehrzahl der für einzelne Fälle bisher ganz herrschenden Lösungen hervorrufen. Auch wenn die Nähe der Varianten zueinander eigentlich "auf der Hand zu hegen" scheint, werden die verschiedenen Auswirkungen regelmäßig mit wenigen Ausnahmen in der Literatur1 - gar nicht in Zusammenhang gebracht Dies hatte zur Folge, daß die sich eigentlich aufdrängenden Abgrenzungsfragen und die derzeit vorhandenen offensichtlichen Widersprüche bislang kaum gesehen wurden2. Entsprechend dem Schwergewicht der Problematik im Bereich der Untersuchung des Rechtswidrigwerdens und des Geltungswegfalls hegt auch bei dem nachfolgenden Überbück die Betonung auf diesen beiden möglichen Fällen des Unwirksamwerdens von Normen. Zugleich soll diese Zusammenschau von Fällen auch als Sammlung des nachfolgenden Untersuchungsstoffs dienen. Gerade zur Überprüfung der Widerspruchsfreiheit und Praktikabilität der eigenen Lösung ist im Laufe der Arbeit auf eine Vielzahl verschiedener Fälle einzugehen. 1 Vgl. Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), 395 (405 f.); einige Ansätze dazu klingen auch bei Gronemeyer, DVB1. 1977,756 ff., und Löwer, Cessante, an. 2 Allein Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), 405 f., hat sich - wenn auch sehr knapp bisher um eine Abgrenzung bemüht.
48
§ 3 Überblick Ober die Fallvarianten
B. Die denkbaren Folgen eines Wandels im Überblick L Die möglichen Fälle einer unanwendbar gewordenen Norm 1. Einföhrung
Die Unanwendbaikeit einer Norm als Folge von Veränderungen im "Umfeld" der Norm findet - soweit ersichtlich - allgemein Zustimmung3, auch wenn sich bislang wohl noch niemand näher mit dieser Frage beschäftigt hat4. Da sich die einschlägigen Ausführungen aus ihrer methodologischen Sicht nicht zugleich mit den Parallelfällen des Unwirksamwerdens (Geltungswegfall oder infolge eines Rechtswidrigwerdens) auseinandersetzen, trennen sie auch nicht genau zwischen den verschiedenen denkbaren Auswirkungen5. Diese Defizite in der Behandlung des Geflechts von Problemen haben eine lange Tradition, die den (Miß-)Stand der heutigen Diskussion belegt. In Zusammenhang mit der aus dem kanonischen Recht stammenden Rechtsregel "Cessante ratione legis cessât lex ipsa"6 wurden die Möglichkeiten eines Geltungswegfalls und der Unanwendbarkeit einer Norm etwa seit dem 13. Jahrhundert diskutiert Seit Beginn der Beschäftigung mit dieser Frage und der Entstehung der Regel wurde aber nicht zwischen der Unanwendbarkeit der Norm und dem endgültigen Geltungswegfall unterschieden7. Mit der Anerkennung der Möglichkeit einer unterschiedlichen Rangordnung von Gesetzen (ζ. B. Verfassung und einfaches Recht) - diese reicht in Deutschland weit vor die grundle-
3
Vgl. z. B. Larenz, Methodenlehre, S. 35\\Bydlinski, Methodenlehre, S. 588. Auch Löwer, Cessante, erfaßt die Unanwendbarkeit nicht direkt und ausdrücklich, da er nicht deutlich zwischen der Unanwendbarkeit, dem Geltungswegfall und dem Rechtswidrigwerden unterscheidet 4
5
Dies kann seine Ursache im Hinblick auf das Rechtswidrigwerden auch nicht darin haben, daß die nachträgliche Rechtswidrigkeit allgemein abgelehnt würde. Das Rechtswidrigwerden von Normen ist - im Gegensatz zu dem von Verwaltungsakten - im Gegenteil zumindest dem Grundsatz nach allgemein anerkannt 6
Im folgenden oft auch kurz als "Cessante-Regel" bezeichnet; zu dieser vgl. Krause, ZRG Kan. 77 (1960), 81 ff; kurz auch Canaris, , WM 1978,686 (689 ff.); ausführlich dazu unten § 9 D II 1 d aa. 7 Vgl. auch Krause, ZRG Kan. 77 (1960), 95, der die Frage nach der Bedeutung des "cessât lex" allerdings auf die Abgrenzung zwischen der Nichtanwendung des Gesetzes im Einzelfall und dem generellen Außerkrafttreten beschränkt Zwischen genereller Unanwendbarkeit und Außerkrafttreten (Geltungswegfall) unterscheidet wohl auch Krause nicht Im Sinne einer schlichten Unanwendbarkeit gebrauchen Engisch, Einführung, S. 83 m. Anm. 82a und S. 179 m. Anm. 242, und Bydlinski, Methodenlehre, S. 588, die Cessante-Regel.
Β. Die denkbaren Folgen eines Wandels
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gende Entscheidung des Reichsgerichts vom 4.11.19258 zur Frage einer gerichtlichen Normenkontrollbefugnis zurück, ist aber auch erst eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts9 - ist ein weiterer Fall der "Nichtanwendung" von Normen hinzugetreten. Die Möglichkeit der Unwirksamkeit einer Norm aufgrund ihrer Rechts- oder Verfassungswidrigkeit bildet neben der Unanwendbarkeit und dem Geltungswegfall die dritte Alternative, um das Außerachtlassen einer Norm zu begründen.
2. Die Voraussetzungen der Unanwendbarkeit nach wohl allgemeiner Ansicht
Allein in den meist aus zivilrechtlicher Sicht verfaßten Lehrbüchern zur Methodenlehre finden sich regelmäßig Hinweise auf die Möglichkeit des Eintritts der Unanwendbarkeit einer Norm . Der Eintritt der Unanwendbarkeit wird dort auf einen Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, einen "Wandel der Normsituation"11 zurückgeführt. Die Unanwendbarkeit stelle jedoch nur einen Extremfall der Auswirkungen von Veränderungen dar. Vor allem könne nur eine solche tatsächliche Veränderung überhaupt Auswirkungen auf Normen haben, aufgrund derer die Norm auf die geänderten Verhältnisse nicht mehr paßt, weil das bisherige Gesetzesverständnis evidentermaßen unzulänglich geworden sei12. Eine derartige Veränderung wirke sich zunächst aber nur auf die Auslegung eines Gesetzes aus. Solange den Veränderungen durch eine gewandelte Auslegung Rechnung getragen werden könne, scheide die Nichtanwendung der Norm aus. Erst wenn mit einer Norm für die veränderten Verhältnisse kein ver nünßger Zweck mehr verbunden werden könne, die Anwendung der Norm also unter den veränderten Verhältnissen zu einem zweck- und sinnlosen Ergebnis führte, sei die Norm unanwendbar. Nach Larenz kann der Fall der Unanwendbarkeit der Norm ζ. B. dann eintreten, "wenn eine Norm gerade nur im Hinblick auf bestimmte, zeitweilig vorhegende Verhältnisse erlassen ist und diese mm nicht mehr bestehen"13. In diesem Zusammenhang wird wiederholt auf die Cessante-Regel hingewiesen14.
8
RGZ 111, 320 (322 f.); Hinweise darauffinden sich ζ. B. bei Maurer, FS Bachof, S. 215 (221); Schenke, Rechtsschutz, S. 1; ders., NJW 1979,1322. 9
Vgl. dazu ζ. B. Bettermann, FS Eichenberger, S. 593 (596 f.).
10
Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 351; Bydlinski, Methodenlehre, S. 588.
11
Larenz, Methodenlehre, S. 350; ebenso Bydlinski, Methodenlehre, S. 588.
12
Vgl. dazu und zum folgenden Larenz, Methodenlehre, S. 350 f.
13
14 Larenz, Methodenlehre, S. 351. Vgl. neben Larenz ζ. B. Säcker, in: Münchener Kommentar, BGB, AT, Bd. 1, Einleitung Rdnr. 129. 4 Baumeister
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
50
Bedenken gegenüber der Zulässigkeit der vollständigen Nichtanwendung einer Norm trotz einschlägigen Wortlauts hat Canaris vorgetragen. Sie zielen auf das grundlegende Problem des Verhältnisses zwischen Judikative und Gesetzgebimg. Canaris vertritt die Auffassung, die gänzliche Derogierung sei nicht Aufgabe des Richters, sondern des Gesetzgebers. Anderes "müßte schwerste Erschütterungen der Rechtssicherheit zur Folge haben"16. Die Auseinandersetzung mit diesen Überlegungen bleibt der folgenden Untersuchung vorbehalten17. Für den hier angestrebten Überblick steht allein die von Larenz genannte Voraussetzung für einen Eintritt der Unanwendbarkeit einer Norm im Vordergrund. Danach ist eine Norm unanwendbar geworden, wenn sie für veränderte Verhältnisse durch keinen vernünftigen Zweck mehr getragen wird. Die Unanwendbarkeit stellt sich damit als der Extremfall dar, bei dem der Veränderung durch einen Auslegungswandel der Norm nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Π. Die möglichen Fälle des Geltungswegfalls einer Norm Einer in Teilbereichen regen Diskussion erfreut sich mittlerweüe der Geltungswegfall von Normen. Der Geltungswegfall wird dabei in einer Vielzahl von unterschiedlichen Fallgestaltungen in Betracht gezogen, die es hier zunächst in einem Überbück darzustellen gilt. Ein erster beachtlicher Versuch zu einer systematischen Erfassung sämtlicher Fälle findet sich aus der Perspektive des öffentlichen Rechts bei Wolff/Bachof Eine im Prinzip ähnliche Zusammenstellung enthält auch §2 Abs. 2 BRSammlG19, auf die gleichfalls zurückzugreifen ist. Der Überbück wird vervollständigt durch die Berücksichtigung diverser sonstiger Stellungnahmen. Die aus dieser Zusammenfassung sämtlicher Überlegungen gewonnene Übersicht zu den
15 16 17
18
8
.
Die Feststellung von Lücken, S. 189 (§ 181). Ebd. Vgl. § 10.
VerwaltungsR I, §27 I b (S. 143 f.); fast wörtlich identisch beibehalten in Wolff/Bachof Stober, VerwaltungsR I, §27 Rdnrn. 3-5; diese Übersicht bzw. diejenige der 5. Auflage (1963) nimmt auch OVG Münster, DVB1. 1964, 882 (884), zum Ausgangspunkt. Ähnlich - vor allem ohne inhaltliche Unterschiede - die ältere (zivilistische) Zusammenstellung bei Enneccerus/Nipperdey, Bürgerl. Recht, AT, 1. Halbbd., § 45, S. 286 ff. 19 Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (BGBl. I S. 437); einen Rechtsstreit über dessen Anwendung betrifft OVG Münster, DVB1. 1964, 882.
Β. Die denkbaren Folgen eines Wandels
51
möglichen Gründen für ein "Außerkrafttreten" 20 von Normen wird den Ausgangspunkt für die spätere Prüfung der Geltungsgrenzen der Norm büden.
1. Die Fallgmppen von Wolff/Bachof
Wolff/Bachof unterscheiden in ihrem Verwaltungsrechtslehrbuch (seit der Mitarbeit von Bachof in der neunten Auflage 21) fünf verschiedene Fälle, in denen ein Rechtssatz außer Kraft treten soll: (1) (2) (3) (4) (5)
Zeitablauf (bei einer Befristung) (ausdrückliche) Aufhebung Gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit Ersetzung durch späteren (ranggleichen oder ranghöheren) Rechtssatz Endgültiger Fortfall des geregelten Sachverhalts
In den (unter alleiniger Autorenschaft von Wolff entstandenen) Vorauflagen wies die Aufstellung insofern Abweichungen auf, als die Fallgruppe 3 nicht enthalten und zudem der Sonderfall des Außerkrafttretens einer gesetzesergänzenden oder gesetzesdurchführenden Verordnung infolge des Wegfalls des betreffenden Gesetzes (akzessorische Verordnung22) aufgeführt war. Durch das Weglassen des letzten Falles ergeben sich aber keine inhaltlichen Unterschiede. Vielmehr dürfte dieser Fall ohnehin von der Fallgruppe des endgültigen Fortfalls des geregelten Sachverhalts (oben Nr. 5) erfaßt sein. Die frühere ausdrückliche Erwähnimg weist lediglich - und darin hegt die Bedeutung für diese Untersuchung - auf einen Spezialfall hin, der noch näher zu untersuchen sein wird. Daß Wolff/Bachof damit einer inhaltlichen Änderung ihrer Auffassung Ausdruck geben wollten, ist also nicht anzunehmen. Neu ist dagegen die Erwähnung der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit, die in der übrigen Literatur bisher nicht mit einem Geltungswegfall von Normen in Verbindung gebracht wurde.
2 0 In § 2 wurde bereits die Verwendung des Begriffs des Außerkrafttretens in unserem Problemzusammenhang als weitgehend unbrauchbar eingestuft. Diese Kritik am Begriff ändert aber nichts daran, daß sich die Zusammenstellung der "Außerkrafttretensgründe" von Wolff/Bachof gut als Einstieg in die Erörterung der verschiedenen Möglichkeiten von Geltungsgrenzen eignet.
Beibehalten durch Stober in der 10. Aufl. 2 2
Vgl. dazu ζ. B. BVerwGE 1, 239 (241) sowie Forsthoff, Fußn. 4).
4*
Verwaltungsrecht, S. 151 (bei
§ 3 berblick ber die Fallvarianten
52
2. Die Fallgruppen
nach § 2 Abs. 2
BRSammlG 23
Das BRSammlG sollte zur Bereinigung des Bundesrechts durch Aufnahme grundsätzlich 24 aller - möglicherweise 25 - noch geltenden Bundesrechtsnormen in einen besonderen Teil des Bundesgesetzblattes (BGBl. I I I ) beitragen. § 2 Abs. 2 führt die Vorschriften auf, die nicht aufzunehmen waren: "Nicht aufzunehmen sind Vorschriften oder Teile von Vorschriften, wenn und soweit sie 1. aufgehoben sind, 2. ausdrücklich oder gegenständlich befristet sind und wenn diese Frist abgelaufen ist, 3. durch Neuregelung ersetzt sind, 4. von einer nicht mehr geltenden Vorschrift abhängig sind, 5. einen überholten Tatbestand oder ein überholtes Rechtsverhältnis voraussetzen, 6. vollzogen sind." Diese Liste ist von besonderem Interesse, weü hier der Gesetzgeber seine Rechtsauffassung kundgetan hat, in welchen Fällen nach seiner Ansicht eine Norm keine Geltung mehr besitzt. Während die unter den Ziffern 1 - 3 aufgeführten Fälle von ihrem Inhalt her recht eindeutig sind, erschließt sich die Bedeutung der übrigen Fallgruppen nicht unmittelbar. So hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu § 2 Abs. 2 des Entwurfs des B R S a m m l G 2 6 die Ansicht vertreten, in Ziffer 5 "sind offenbar Fälle vollständigen Vollzugs oder endgültigen Wegfalls des Anwendungsbereichs einer Vorschrift" 27 gemeint. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenstellungnahme dazu ausgeführt, daß unter "überholter Tatbestand oder überholtes Rechtsverhältnis" der Vollzug einer Vorschrift nicht zu verstehen sei, sondern Ziffer 5 vielmehr die Tatbestände und 2 3 In Ähnlicher, allerdings nicht so differenzierter Form enthält ζ. B. auch das 1. BayRBerG (Erstes Gesetz zur Bereinigung des bayerischen Landesrechts vom 12.5.1956, BayGVBl. S. 91) eine Art Aufzählung von Fällen, in denen von der nachträglichen Ungültigkeit einer Norm ausgegangen wird. Nach Art 2 Abs. 1 S. 2 BayRBerG werden Gesetze und Verordnungen für ungültig erachtet, die "ausdrücklich aufgehoben worden oder durch Ablauf einer Befristung, durch inhaltlichen Widerspruch mit späteren Vorschriften, durch vollständigen Vollzug oder durch endgültigen Wegfall des Anwendungsbereichs ungültig geworden sind". 2 4 2 5
Die Ausnahmen führt § 1 Abs. 3 BRSammlG auf.
Daß auch die Vorschriften in die Sammlung aufzunehmen sind, deren Geltung zweifelhaft ist, war zumindest die Ansicht der Bundesregierung, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3, BT-Drucks. 3/278, S. 5; dazu auch Medicus, Erläuterungen zum Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts, in: Das Deutsche Bundesrecht (Gesetzessammlung), I A 13 S. 3, Baden-Baden. Ifl Der Entwurf hatte insoweit einen etwas anderen Wortlaut; § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 4 und 5 sind unverändert, Nr. 3 lautete: "neugefaßt oder durch Neuregelung ersetzt sind" und Nr. 6 war im Entwurf noch nicht enthalten, vgl. BT-Drucks. 3/278, S. 2. 2 7 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 3/278, S. 7 (unter 6 b)); vgl. die Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayRBerG (oben Fußn. 23).
Β. Die denkbaren Folgen eines Wandels
53
Rechtsverhältnisse betreffe, die in Zukunft nicht mehr entstehen könnten28. Daraus, aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 5 BRSammlG und aus der Angabe, daß es sich bei dem Gesetz um die Bereinigung des Rechts von Vorschriften handelt, "die durch Zeitablauf, Nachfolgevorschriften, grundlegende Änderung der Verhältnisse oder auf sonstige oder ähnliche Art und Weise gegenstandslos geworden sind"29, muß geschlossen werden, daß § 2 Abs. 2 Nr. 5 BRSammlG mit der von Wolff/Bachof angeführten Fallgruppe des endgültigen Fortfalls des geregelten Sachverhalts übereinstimmt. Ob bei Wolff/Bachof darunter auch vollzogene Normen erfaßt werden sollen, ist nicht ganz eindeutig. Dafür spricht ihr Verweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs 30. Der Gesetzgeber hat die vollzogenen Normen - aufgrund der Kritik des Bundesrats -jedenfalls gesondert in einer eigenen Fallgruppe erfaßt. Über den Inhalt der Ziffer 4 geben die Gesetzgebungsmaterialien keine Auskunft. Daraus wird man folgern können, daß der Anwendungsbereich insofern eindeutig erschien31. Auch wenn der genaue Anwendungsbereich tatsächlich jedoch weitgehend unklar ist, da wohl nicht nur Ausführungsbestimmungen zu nicht mehr geltenden Gesetzen erfaßt werden sollten, bedarf es hier dennoch keiner Erörterung im einzelnen. Diese Fallgruppe läßt sich nämlich dem endgültigen Wegfall des geregelten Sachverhalts oder zumindest der umfassenden Fallgruppe der Veränderung der Verhältnisse zuordnen.
3. Sonstige in der Literatur diskutierte Fallgruppen
Insbesondere in Verbindung mit den Fällen der Fortgeltung von Kirchenbaulasten und des "funktionslos gewordenen" Bebauungsplans ist vielfach ausdrücklich oder der Sache nach eine Erweiterung der Fallgruppe des Wegfalls des geregelten Sachverhalts befürwortet worden32. Danach soll nicht nur der Wegfall des Anwendungsbereichs einer Norm, sondern (im Grundsatz) jede grundlegende, völlige oder wesentliche Veränderung der Verhältnisse zur UnwirksamStellungnahme der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 3/278, S. 11 (zu 6.a) und 6.b)). 2 9
Begründung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung, BT-Drucks. 3/278, S. 3; diese Formulierung stimmt wörtlich überein mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion vom 20.10.1954 (BT-Drucks. 2/908, unter 1.) auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der u. a. die Möglichkeit der Rechtsbereinigung überprüfen sollte. 3 0
BayVfGHE 8,25; dazu näher unten § 9 D II 1 a.
3 1
Die Bundesregierung hielt die Fallgruppen des § 2 Abs. 2 - trotz der Regelung der Ziffer 5 ohnehin für eng begrenzt, vgl. BT-Drucks. 3/278, S. 5 (zu § 3), was angesichts der allgemein verbreiteten Unsicherheit bei der Anwendung dieses Grundes für ein Unwirksamwerden der Norm schon verwundem muß. 3 2
Vgl. zu diesen Fällen näher unter § 9 Ε I, II.
54
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
keit der Norm fuhren. Viele - wenn nicht gar alle - Normen stünden gewissermaßen unter dem Vorbehalt des Fortbestehens der zugrundeliegenden Verhältnisse. Diese Ansichtfindet sich in gewisser Weise auch schon in der Begründung des Entwurfs des BRSammlG33. In direktem Zusammenhang mit der Problematik der Auswirkungen von "Veränderungen der Verhältnisse" stehen auch die mitunter angeführten Einzelfälle des Wegfalls der Ermächtigungsgrundlage34 und des Untergangs des Normgebers35, etwa die Auflösung einer Gemeinde oder eines Landes. Sämtliche dieser Fälle lassen sich den Veränderungen der Verhältnisse zuordnen.
4. Zusammenfassung der denkbaren Gründe für einen Geltungswegfall
Unter Berücksichtigung sämtlicher angesprochenen möglichen Gründe für den Geltungswegfall einer Norm ergibt sich insgesamt folgender, für die spätere Untersuchung maßgeblicher Überbück: (1) (2) (3) (4) (5)
Ausdrückliche Aufhebung (formelle Derogation) Materielle Derogation Befristungen und Bedingungen Gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit Wegfall oder Veränderung der Verhältnisse (a) Wegfall des geregelten Sachverhalts (inkl. vollständiger Vollzug, überholter Tatbestand, überholtes Rechtsverhältnis, gegenstandslose Norm, Wegfall des Gesetzes bei abhängiger Verordnung) (b) Wegfall des Gesetzeszwecks und des Gesetzesanlasses, Veränderung der grundlegenden Verhältnisse (c) Wegfall der Ermächtigungsgrundlage (d) Untergang des Normgebers
5. Erste Folgerungen
Dieser Überbück kennzeichnet die mögliche Reichweite des Geltungswegfalls. Besondere Probleme ergeben sich hinsichtlich einer exakten Bestimmung 3 3
Vgl. dazu oben bei Fußn. 29.
3 4
Kritisch dazu Forsthoff,
3 5
Verwaltungsrecht, § 8,1 (S. 151).
Der hier zur Diskussion oder besser zur Prüfung gestellte "Untergang des Normgebers" wird von Forsthoff, Verwaltungsrecht, §8, 1 (S. 150 f.), nur für den Fall des "Untergangs des Verwaltungsträgers", ζ. B. einer Gemeinde, deren Satzungen nach Auflösung der Gemeinde ihre Geltung verlieren sollen, befürwortet.
Β. Die denkbaren Folgen eines Wandels
55
von Umfang und Grenzen eines Geltungswegfalls vor allem in Zusammenhang mit der Annahme eines Geltungswegfalls bei Wegfall oder Veränderung von Verhältnissen (oben Ziffer 5). Zu dieser Fallgruppe fehlen bislang trotz einer seit etwa 25 Jahren bestehenden und weiter zunehmenden überwiegenden Anerkennung eines Geltungswegfalls in diesen Fällen eingehende Stellungnahmen. Ohne jede nähere Betrachtung der Probleme zeigen sich schon jetzt die Abgrenzungsschwierigkeiten zum Fall des Unanwendbarwerdens von Normen. Man vergleiche nur die von Larenz genannte Voraussetzung des Zweckfortfalls mit der unter Ziffer 5 b genannten Alternative des Geltungswegfalls. Diese hier erkennbaren Unsicherheiten werden noch deutlicher, wenn der Bück auf die in Folge eines Rechtswidrigwerdens als unwirksam geworden angesehenen Normen gerichtet wird.
HL Die möglichen Fälle eines Unwirksamwerdens aufgrund nachträglicher Rechtswidrigkeit 1. Die Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Neben dem unmittelbaren Geltungswegfall kommt als Ursache für ein Unwirksamwerden nach veibreiteter Ansicht auch ein Rechtswidrigwerden der Norm in Betracht. Im Gegensatz zum Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten kann die Möglichkeit eines Rechtswidrig- oder Verfassungswidrigwerdens von Normen heute wohl im Grundsatz als allgemein anerkannt bezeichnet werden36. Aufgrund des allgemein anerkannten Grundsatzes der ipso-iureNichtigkeit rechtswidriger Normen hat dieses Rechtswidrigwerden grundsätzlich auch das Unwirksamwerden der Norm zur Folge37. Betrachtet man die Stellungnahmen einmal nur für den Bereich des Verfassungswidrigwerdens, so wird schnell die grundlegende Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die allgemeine Anerkennung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens deutlich. Hinzu kommt, daß die dogmatische Durchdringung der Problematik durch die Literatur mit der Entwicklung der Rechtsprechung bislang nicht Schritt gehalten hat. Neuere eingehende Un3 6 Schon in seinem Urteil v. 14.7.1979 hat etwa der StGH Bad.-Württ., BWVPr. 1979,182 (184 mittl. Sp.), diesen Grundsatz zu Recht als "in der Rechtsprechung und ganz überwiegend auch in der Literatur anerkannt" angesehen. Davon geht wohl auch der SaarlVerfGH, DÖV 1993, 910, aus. Inwieweit diese Annahme der Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswidrigkeit einer Norm rechtstheoretisch und rechtsdogmatisch haltbar ist, wird noch ausführlich zu erörtern sein, vgl. unten §§ 5,6. 3 7
Diese Feststellung ändert nichts daran, daß das Rechtswidrigwerden durchaus auch Ursache für ein Unanwendbarwerden oder die Entstehung von Aufhebungspflichten sein könnte. Welche Konsequenzen ein Rechtswidrigwerden nach sich zieht, wird noch zu untersuchen sein.
§ 3 berblick über die Fallvarianten
56
tersuchungen zum Verfassungswidrigwerden von Normen fehlen nach einer einzelnen älteren Arbeit38 völlig. Aus diesen Gründen erscheint es ratsam, anhand der Rechtsprechimg des Bundesverfassungsgerichts mit Hilfe einer eigenen Fallgruppenbüdung den sich stellenden Fragen nachzugehen.
2. Denkbare Fallgruppen des Verfassungswidrigwerdens
von Normen
Das Bundesverfassungsgericht erklärt in zahlreichen Entscheidungen das Verfassungswidrigwerden 39 von Normen für denkbar. Zumeist bleibt es in diesen Entscheidungen aber auch bei der Feststellung einer solchen Möglichkeit. Die Feststellung, die betreffende Norm sei bereits verfassungswidrig geworden, wurde bislang auf wenige Fälle beschränkt. Die bisherige und vor allem die jüngere Rechtsprechung ist insoweit durch große Zurückhaltung gekennzeichnet. Regelmäßig werden dem Gesetzgeber Anpassungsfristen eingeräumt, zuweüen auch eine besondere "Evidenz" des Verfassungsverstoßes gefordert. Der Frage, ob sich eine derartige Entscheidungspraxis rechtfertigen läßt, ist später nachzugehen. Für den hier angestrebten ersten Überblick über mögliche Fälle eines Unwirksamwerdens von Normen (infolge eines Rechtswidrigwerdens) ist es durchaus möglich, die damit verbundene Problematik, die auch das Verhältnis von Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit betrifft, zunächst auszublenden. Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts muß auch wenn es dies regelmäßig nicht ausdrücklich sagt - jedenfalls davon ausgegangen werden, daß nach Ablauf der Frist, die der Gesetzgeber ungenutzt hat verstreichen lassen, und infolge der durch die jeweüige gerichtliche Entscheidung zugleich geschaffenen Evidenz des Verfassungsverstoßes eine solche Norm verfassungswidrig und nichtig geworden ist. Untersucht man die einschlägige Rechtsprechung daraufhin, ob sich aus ihr bestimmte Fallgruppen ableiten lassen, die näheren Aufschluß darüber geben, wann das Bundesverfassungsgericht eine Norm für rechtswidrig geworden hält oder zumindest von der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens ausgeht, so zeigt sich, daß die Rechtsprechung in der Tat einer gewissen Systematisierung zugänglich ist. Den einschlägigen Entscheidungen hegen immer wieder dieselben IO Vgl. Krause-P alfner, Das Verfassungswidrigwerden von Gesetzen (1973). In dieser Arbeit wird die Rechtsprechung jedoch nur nachvollzogen, ohne auch nur ansatzweise den Versuch einer dogmatischen Grundlegung zu unternehmen. -ÎQ Seit Band 53 der amtlichen Entscheidungssammlung enthält sogar das Sachregister den Begriff "Verfassungswidrigwerden". Zuvor wurden die Fälle durch das Stichwort "Verfassungswidrigkeit" miterfaßt. Das Verfassungswidrigwerden stellt aber gerade den wichtigsten Ausschnitt aus dem Bereich rechtswidrig gewordener Normen dar.
Β. Die denkbaren Folgen eines Wandels
57
Arten von Fällen zugrunde. Danach können zwei "Fallgruppen" unterschieden werden. Zum einen kommt ein Rechtswidrigwerden in Betracht bei einer "Eingriffsnorm", bei der der im Zeitpunkt des Normerlasses rechtmäßige Eingriff in ein subjektives Recht später nicht mehr gerechtfertigt ist. Zum anderen kann bei Normen, die Leistungen gewähren ("Leistungsnormen"), sowie solchen, die dem Schutz bestimmter Rechtsgüter dienen sollen ("Schutznormen"), von einem Rechtswidrigwerden ausgegangen werden, wenn die durch die Norm gewährte Leistung oder der gewährte Schutz den Anforderungen der zugrundeliegenden staatlichen Leistungs- oder Schutzpflichten nicht mehr genügt. Im Gegensatz zu dieser Systematisierung nach der Art der Norm kann aufgrund der Vielzahl der denkbaren Möglichkeiten hinsichtlich der Art der Veränderung kaum eine nähere Angabe gemacht werden. Allgemein ließe sich nur sagen, daß der Eintritt der nachträglichen Rechtswidrigkeit einer Norm denkbar ist bei einer Veränderung der der Norm zugrundeliegenden Verhältnisse tatsächlicher und rechtlicher Art 40 , bei abweichenden neuen Erkenntnissen über tatsächliche Zusammenhänge (Fehlprognose)41 und möglicherweise auch bei einer gewandelten Verfassungsinterpretation (auch Rechtsprechungsänderung)42»43. Wie erwähnt steht diesem Versuch der Zusammenfassung nicht entgegen, daß das Bundesverfassungsgericht (aus verschiedenen Gründen) bisher eher selten
4 0 Vgl. dazu ζ. B. BVerfGE 8, 1 (18, 23, 26 f.) - Besoldung; 12, 341 (353 ff.) - Umsatzsteuer, 16, 130 - Wahlkreiseinteilung; 21, 292 (304 f.) - Rabattgesetz; 25, 216 (226) - Einheitswert; 26, 116 (139) - Besoldung; 39, 169 (193 f.) - Witwerrente; 41, 360 - Nachtbackverbot (aber auch nach BVerfGE 87, 363 ff., weiterhin verfassungsmäßig); 54, 11 (34, 36 ff.) - Rentenbesteuerung; 56, 54 (78 ff.) - Fluglärm; 58, 202 (207 f.) - Wahlrecht von EG-Beamten; 59, 336 (356 f.) - Ladenschluß für Friseure; 68, 287 (309) - Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen; 83, 1 (16 ff.) - Rechtsanwaltsgebühren im Sozialgerichtsverfahren. 4 1 Vgl. ζ. B. BVerfGE 16, 147 - Werkfernverkehr, 25, 1 (12 f.) - Mühlenstrukturgesetz (Zuordnung aber nicht eindeutig, möglich auch unter vorausgehender Fallgruppe, vgl. BVerfGE 25,1 (13 ff., 23)); 43,291 (321); 49, 89 (130 f.) - Kalkar (auch wenn LS 3 für "echte" Veränderung spricht); 50, 290 (335 f.) - MitbestimmungsG (hier wird nur - unter Bezugnahme auf BVerfGE 25, 1 und 49, 89 - die Möglichkeit einer Kontrollpflicht des Gesetzgebers erwähnt); 59, 119 (127) Briefwahl; 78,249 (287 ff.) - Fehlbelegungsabgabe; 84,239 (272 ff.) - Besteuerungsgleichheit. 4 2 Vgl. ζ. B. BVerfGE 33, 1 (12 f.); 33, 303 (347); 51, 268 (288 ff.); 58, 257 (280 f.) - VersetzungsVO Schule. Die hier angeführten Beispiele betreffen allerdings nicht verfassungswidrig gewordene Normen, da es in diesen Fällen gerade an einer normativen Regelung gefehlt hat und das gewandelte Verfassungsverständnis auch für diese Bereiche eine gesetzliche Grundlage fordert. 4 3
In der jüngsten Entscheidung zum Schwangerschafìsabbruch ν. 28.5.1993 heißt es: "wenn ein bei Erlaß verfassungsmäßiges Gesetz nachträglich verfassungswidrig wird, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf die es einwirkt, grundlegend gewandelt haben oder sich die beim Erlaß des Gesetzes verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung seiner künftigen Wirkungen später als ganz oder teilweise falsch erweist..." (Gründe EIV 1 a, BVerfGE 88,203 (309 f.)).
58
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
die nachträgliche Rechtswidrigkeit auch wirklich festgestellt hat44. Auch in den übrigen genannten Fällen hat es zu erkennen gegeben, daß es von der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens der Norm unter genau umschriebenen Voraussetzungen ausgeht.
IV. Die Entstehung einer Aufhebungspflicht ohne Unwirksamwerden oder Unanwendbarwerden Einem Wandel der der Norm zugrundehegenden Verhältnisse wird mitunter auch lediglich die Bedeutung der Entstehung einer Aufhebungspflicht für den Normgeber zugeschrieben45. Mit Vehemenz hat sich frühzeitig Hans Schneider gegen das Unwirksamwerden ohne ausdrückliche Aufhebung durch den Gesetzgeber ausgesprochen46. In Zusammenhang mit Rechtsverordnungen sieht auch Ossenbühl nur Aufhebungspflichten des Verordnungsgebers und möglicherweise korrespondierende Ansprüche des Normbetroffenen auf Aufhebung47. Als Ursache dieser Verpflichtung zur Aufhebung verweist er auf das jeweilige Ermächtigungsgesetz, das zu einer Aufhebung verpflichte, "wenn die tatsächlichen Umstände, die nach dem Ermächtigungsgesetz zum Erlaß einer Rechtsverordnung vorhegen müssen, zwischenzeitlich entfallen sind"48. Als Beispiel nennt er den Fall des Vorliegens eines erhöhten Wohnbedarfs nach § 5a WoBindG und die dazu ergangene Rechtsprechung49. Unter diesen Voraussetzungen wäre konsequenterweise auch im Fall des Wegfalls jedes sinnvollen Zwecks der Regelung von einer Entstehung der Aufhebungspflicht ohne Unwirksamwerden auszugehen.
4 4
Vgl. ζ. B. BVerfGE 8,1; 16,130.
4 5
Vgl. H. Schneider, FS Jahrreiß, S. 385 (392 f.); ebenso dürften auch die kurzen Hinweise von Ossenbühl t HbdStR III, § 64 Rdnr. 44, zu verstehen sein; wohl auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 201; ob daneben noch weitere Stimmen diese Auffassung vertreten, ist angesichts der zumeist fehlenden eindeutigen Stellungnahmen unter Abgrenzung zum Unwirksamwerden unklar, kann aber bei einigen nicht ausgeschlossen werden. 4 6 4 7 4 8
H. Schneider, FS Jahrreiß, S. 393; ders., Gesetzgebung, Rdnrn. 559 ff. Ossenbühl HbdStR III, § 64 Rdnm. 44 f. Ebd., Rdnr. 44; zur Polizeiverordnung insoweit auch H. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr.
562. 4 9 Mit Hinweis auf BayVGH, BayVBl. 1987, 557; Hess VGH, ZMR 1987, 75; OVG Münster, DWW 1986,47.
C. Ergebnis des Überblicks
59
C· Ergebnis des Überblicks Schon dieser erste Überbück über die Fallgruppen des Unanwendbarwerdens, des Unwirksamwerdens infolge eines unmittelbaren Geltungswegfalls oder eines Rechtswidrigwerdens und der schlichten Entstehung einer Aufhebungspflicht für den Normgeber mitsamt ihren denkbaren und weitgehend befürworteten Voraussetzungen macht das Problem deutlich. In zentralen Bereichen decken sich die Voraussetzungen der Fallgruppen, deren Unterscheidung und Abgrenzung doch so wichtig ist. Undenkbar ist es jedenfalls, wenn nach der herrschenden Auffassung ζ. B. im Fall des Zweckfortfalls eines Gesetzes dieses gleichzeitig unanwendbar werden, unmittelbar seine Geltung verlieren, infolge eines Rechtswidrigwerdens unwirksam werden oder bei fortbestehender Wirksamkeit lediglich eine Aufhebungspflicht entstehen soll50. Die naheliegende Frage, wie derart widersprüchliche Ansichten miteinander in Einklang zu bringen sind, hat sich erstaunlicherweise noch niemand gestellt. Lediglich Löwer betrachtet die Fälle - unter der durch sein Thema51 vorgegebenen Beschränkung auf den Zweckfortfall - in Zusammenhang. Bei ihm wird aber nicht klar, ob er die - nach hier vertretener Ansicht - strikt zu unterscheidenden Fallgruppen (Unanwendbarwerden, Unwirksamwerden infolge eines Geltungswegfalls oder eines Rechtswidrigwerdens) ebenfalls trennt. Eher scheint er keine wesentlichen Unterschiede zu erkennen, da es ihm vor allem um eine Begründung dafür geht, daß die betreffenden Normen auf den Einzelfall keine Anwendung mehr finden sollen. Damit erfüllen seine - ansonsten sehr interessanten - Ausführungen nicht annähernd die hier gestellte Aufgabe einer Bestimmung der Voraussetzungen für den Eintritt der verschiedenen Auswirkungen unter ihrer gleichzeitigen Abgrenzung. Das Fazit seiner Überlegungen besteht im Grunde nur darin, daß bei Fortfall des Zwecks einer Norm diese keine Beachtung mehrfinden dürfe und in diesem Sinne die Cessante-Regel Geltung beanspruchen kann52. Die verschiedenen möglichen Auswirkungen stehen in vielfältiger Beziehung zueinander. Ausgangspunkt der Untersuchung kann - wie erwähnt - nur die Prüfung der Möglichkeit, der Voraussetzungen und der Folgen des Rechtswidrigwerdens sein. Stellt sich heraus, daß entsprechend der weitgehend unbestrittenen Ansicht ein Rechtswidrigwerden von Normen denkbar ist, so ergeben sich aus 5 0 Was für den Fall des Zweckfortfalls bereits auf den ersten Blick erkennbar wird, ließe sich auch für andere Veränderungen nachweisen. 51 Löwer beschäftigt sich mit der Frage, ob der aus dem kanonischen Recht stammende Grundsatz "cessante ratione legis cessât lex ipsa" auch heute noch gilt oder gar als Verfassungsgebot anzusehen ist, vgl. Löwer, Cessante, passim.
Hier handelt es sich mehr um eine zusammenfassend wertende als eine wiedergebende Darstellung der Ausführungen von Löwer.
§ 3 Überblick über die Fallvarianten
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den Voraussetzungen und Folgen des Rechtswidrigwerdens immittelbar Rückwirkungen für die nicht einschlägigen Wirkungen, gleich ob es sich um das Unwirksamwerden, das Unanwendbarwerden oder die schlichte Aufhebungspflicht handelt. Unabhängig von der Bedeutung des Rechtswidrigwerdens kann hinsichtlich des Verhältnisses von Unwirksamwerden, Unanwendbarwerden und bloßer Aufhebungspflicht schon jetzt auf das hier erkennbare Stufenverhältnis hingewiesen werden. Aus sachlogischen Gründen ergibt sich nämlich, daß die Annahme eines Unwirksamwerdens die Möglichkeiten des Unanwendbarwerdens und der bloßen Aufhebungspflicht bei identischen Fallgestaltungen ausschließt, da die beiden letzteren Möglichkeiten schon von ihrem Inhalt her von der fortbestehenden Wirksamkeit der Norm ausgehen53. Dasselbe Verhältnis besteht auch zwischen dem Unanwendbarwerden und der bloßen Aufhebungspflicht, da die letzte Alternative gerade auch von der fortdauernden Anwendbarkeit ausgeht.
D. Der Gang der Untersuchung Wie erwähnt steht im Zentrum der Arbeit die Untersuchung der Möglichkeit, der Voraussetzungen und der Folgen des Rechtswidrigwerdens von Normen. Alle weiteren Fragen stehen mit den dabei zu erzielenden Ergebnissen in unmittelbarem Zusammenhang. Die eigentliche Untersuchung beginnt daher in ihrem ersten Hauptteü mit der Prüfung des Rechtswidrigwerdens von Normen (im folgenden §§ 4 - 7). Ein weitgehend eigenständiger Charakter kommt daneben nur noch der kritischen Analyse der Fälle des Geltungswegfalls von Normen im 2. Teü der Arbeit (§§ 8, 9) zu. Auf der Grundlage dieser beiden Teüe kann sich dann die Beschäftigung mit dem Unanwendbarwerden und der schlichten Entstehung der Aufhebungspflicht im kurzen 3. Teü (§§ 10, 11) im wesentlichen auf die Darlegung der Konsequenzen aus den vorausgehenden Überlegungen beschränken.
5 3
Das gilt natürlich nicht für die Aufhebungspflicht allgemein, sondern nur für die hier so bezeichnete "bloße" Aufhebungspflicht.
Teil I
Das Rechtswidrigwerden von Normen
§ 4 Ausgangsüberlegungen zur Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen Die Frage, in welcher Weise das Rechtswidrigwerden der Geltung der Norm Grenzen setzt, hängt von den Wirkungen des Rechtswidrigwerdens ab. Denkbar ist ein Nichtigwerden, ein Unanwendbarwerden sowie als geringste Reaktion (bei Fortgeltung der Norm) das Entstehen einer Verpflichtung des Normgebers zur Aufhebung oder Änderung der rechtswidrig gewordenen Norm. Auch in diesem letzten Fall wäre mit dem Rechtswidrigwerden zumindest der entscheidende Auslöser verbunden, der unweigerlich zur Beendigung der Geltung hinführen müßte. Bevor eine Antwort auf die Frage nach den Folgen des Rechtswidrigwerdens gegeben werden kann, ist zunächst erst einmal festzustellen, ob ein Rechtswidrigwerden, also ein "Umschlag" von der rechtmäßigen zu einer rechtswidrigen Norm überhaupt denkbar ist. Erst daran kann sich dann die Untersuchung der Voraussetzungen und Folgen des Rechtswidrigwerdens von Normen anschließen. Wie die folgenden Darlegungen mitunter erkennen lassen, schließt diese durch die Logik vorgegebene Trennung und Prüfungsreihenfolge freilich nicht aus, daß die Argumente und Überlegungen, die für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen angeführt werden können, auch in Zusammenhang mit der Suche nach den Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens Bedeutung besitzen können.
A. Das Rechtswidrigwerden als begriffliches Problem Dem Juristen sind (insbesondere im Bereich des Strafrechts und des öffentlichen Rechts) die Begriffe rechtmäßig und rechtswidrig überaus geläufig. Immer wieder hat er eine Beurteilung vorzunehmen, ob etwas rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Vermutlich gerade deshalb beschleicht die meisten ein eher unbehag-
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§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
liches Gefühl, wenn von einem Rechtswidrigwerden eines Staatsakts (also ζ. B. einer Norm oder eines Verwaltungsakts) die Rede ist. Dieses Entwickeln vom Rechtmäßigen zum Rechtswidrigen paßt nicht in das herkömmliche Denkschema und ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Dabei können die weitaus meisten Juristen dieses Unbehagen gar nicht näher beschreiben. Man ist es einfach gewohnt, zeitlich punktueüe Betrachtungen vorzunehmen. Entwicklungen in die Beurteüung mit einzubeziehen, M t sichtlich schwerer. An dieser SteUe bereits sei die These gewagt, daß das unterschwellige Unbehagen über den Begriff des Rechtswidrigwerdens entscheidenden Anteü daran hat, daß in Bezug auf Verwaltungsakte die überwiegende Literaturmeinung die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens ablehnt. Der Gedanke, ein Verwaltungsakt könne rechtswidrig werden, fügt sich nicht in die traditionellen Vorstellungen ein, nach der ein Staatsakt entweder rechtmäßig oder rechtswidrig ist und sich diese Beurteüung nicht im Laufe der Zeit durch irgendwelche Umstände ändern kann. Dertiefergehende Grund für diese Ansicht hegt freilich im Begriff der Rechtswidrigkeit begründet und ist von keineswegs zu unterschätzender Bedeutung, wie die nachfolgende Erörterung zeigen wird. Die Annahme eines Rechtswidrigwerdens von Normen stößt dagegen bei weitem nicht auf dieselbe Ablehnung im Schrifttum. Im Gegenteü darf die Anerkennung des Rechtswidrigwerdens hier - anders als bei den Verwaltungsakten - als herrschend bezeichnet werden1. Schon diese FeststeUung muß angesichts der Parallelität der Problematik - zumindest was den Begriff des Rechtswidrigwerdens betrifft - doch einigermaßen überraschen Sie ist aberrechteinfach zu erklären: Das Bundesverfassungsgericht hat schon sehr früh die Möglichkeit des Rechts- bzw. Verfassungswidrigwerdens von Normen anerkannt2. Dies blieb vom Schrifttum zunächst weitgehend unbeachtet3. Später haben sich, wohl auch, 1 Vgl. Stellv. Badura, FS Eichenberger, S. 481 if.; H. P. Ipsen, Panzer im Naturschutzpark, S. 28 f., 66 f.; J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 133 ff; Löwer, Cessante, S. 29, 33 ff.; der s., HbdStR II, § 56 Rdnr. 109; Murswieck, Staatliche Verantwortung, S. 187 f.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rdnm. 109,125; Schiaich, BVerfG, Rdnr. 400; Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), 395 (405 f.); Steinberg, Der Staat 26 (1987), 161 (169 ff.); nur indirekt kritisch etwa Gusy, ZRP 1985, 291 (294). Gegen eine - vermeintlich? - a.A. hat sich jüngst Meyer, KritV 1994, 312 (334), gar zu folgender Aussage hingerissen gefühlt: "Nun mag dieser Kinderglaube 'einmal verfassungsmäßig immer verfassungsmäßig' für die ersten zwei Semester ja noch notwendig sein, um sie nicht allzusehr zu verwirren, für den Eingeweihten,..., ist es aber ein Spruch, dem man ... die Einschränkung voranschicken muß: 'in der Regel'. Denn selbstverständlich gibt es Gesetzesnormen ..., die also beim Wegfall der Voraussetzungen verfassungswidrig werden." 2 Ausdrücklich zum ersten Mal wohl in BVerfGE 12, 341 (353) - Umsatzsteuer; indirekt auch schon BVerfGE 8, 1 - Besoldung; ausdrücklich später ζ. B. BVerfGE 59, 337 (357) - Ladenschluß für Friseure, unter Hinweis auf BVerfGE 39,169 - Witwerrente; 41,360 - Nachtbackverbot; 54, 11 - Rentenbesteuerung; 56, 54 - Fluglärm; s. auch schon 25, 216 (226) - Einheitswert; 26, 116 (LS 1) - Besoldung; auf eine Vielzahl anderer einschlägiger Entscheidungen wird später noch ausführlich eingegangen.
Α. Das Rechtswidrigwerden ab begriffliches Problem
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weil es keine eingehende Untersuchung der Problematik gibt4, keine Gegenstimmen mehr zu Wort gemeldet Heute ist die Ansicht, Normen könnten infolge von Veränderungen verfassungswidrig werden, als absolut gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen5. Dennoch ist hier kein Anlaß gegeben, in ähnlicher Weise wie das ganz überwiegende Schrifttum zu verfahren und die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen erst gar nicht zu stellen. Dafür spricht keineswegs nur ein übertriebenes Interesse an dogmatischen Grundfragen. Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis gar nicht widerlegt werden sollte, so sind nur durch eine genaue Prüfung der Voraussetzungen für die grundsätzlich mögliche Anerkennung des Rechtswidrigwerdens einige andere offene Fragen zu lösen. So ist beispielsweise der Anknüpfungspunkt für das Urteil des Rechtswidrigwerdens in den Entscheidungen des Verfassungsgerichts noch überaus unklar. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich nicht genau entnehmen, ob es die Annahme des Rechtswidrigwerdens allein auf den tatsächlichen Wandel der Verhältnisse stützt6 oder zusätzlich ein rechtswidriges und möglicherweise sogar schuldhaftes (vorwerfbares) Unterlassen der Aufhebung oder Änderung der Norm, also ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten des Normgebers fordert Sicher ist nur, daß es in vielen Fällen die Feststellung des Verfassungswidrigwerdens der Norm aufgrund fehlender Evidenz oder einer noch nicht abgelaufenen Anpassungsfrist für den Normgeber nicht für möglich gehalten hat. Gerade diese Frage nach dem Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteüs steht zunächst im Mittelpunkt der nachfolgenden Prüfung. Zur Verdeutlichung der nach wie vor bestehenden Unklarheiten bei der Annahme des Rechtswidrigwerdens einer Norm sei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kurz skizziert. Auch wenn die einschlägigen Passagen der Entscheidungen nicht immer ganz eindeutig sind, läßt sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wohl folgendermaßen verstehen: Immer dann, wenn das Bundesverfassungsgericht eine bestehende, rechtmäßig erlassene Norm oder ihre Rechtfertigung aufgrund bestimmter Veränderungen nicht mehr für ausreichend hält, geht es - zumindest in seiner neueren Rechtsprechung - von einem Rechtswidrigwerden der
3 Die erste und bisher einzige grundlegende Kritik stammt von H. Schneider, FS Jahrreiß (1964), 4 S. 385 ff. Die Arbeit von Krause-Palfher, Das Verfassungswidrigwerden von Gesetzen (1973), beschränkt sich weitgehend auf die Wiedergabe der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts. 5 In jüngster Zeit ausdrücklich etwa im Urteil zum Schwangerschaftsabbruch v. 28.5.1993, BVerfGE 88, 203 (309 f.); so bereits die Einschätzung des StGH Bad.-Württ., BWVPr. 1979, 182 (184). 6
So scheinbar BVerfGE 88,203 (309 f.).
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Norm regelmäßig7 nur dann aus, wenn der Normgeber trotz der fur ihn offenkundigen Unzulänglichkeit der Regelung auch innerhalb einer großzügigen Frist nicht gehandelt, d. h die Norm aufgehoben oder geändert hat. Danach scheint es zumindest so, als könne nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts eine Rechtsnorm nur aufgrund einer Rechtspflichtverletzung des Normgebers und erst nach Verstreichen einer Nachbesserungsfrist9 für verfassungswidrig geworden erklärt werden. Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit oft von einem zeitlichen Anpassungsspielraum. Ansatzpunkt für das Rechtswidrigwerden dürfte hier, auch wenn dies noch nicht ausdrücklich bestätigt wurde, die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung einer rechtmäßig erlassenen Norm sein. Mitunter scheint das Gericht sogar so weit gehen zu wollen, ein Rechtswidrigwerden nur dann anzunehmen, wenn die bislang versäumte Rechtsänderung (also die Aufrechterhaltung) dem Normgeber subjektiv vorgeworfen werden kann10. Damit ginge das Bundesverfassungsgericht über sämtliche dogmatischen Vorstellungen zum Rechtswidrigkeitsbegriff hinaus und griffe zur Feststellung der Rechtswidrigkeit auf ein Schuldmerkmal zurück. Im Gegensatz dazu stehen verschiedene Entscheidungen, in denen derartige Voraussetzungen nicht verlangt werden Anknüpfungspunkt für das nachträgliche Rechtswidrigkeitsurteü scheint in diesen Fällen allein der Widerspruch zwischen der Norm und der Verfassimg zu sein11.
7 Einen atypischen Ausnahmefall stellt der Sachverhalt in BVerfGE 89, 15 (27), dar. Hier wurde eine steuerrechtliche Regelung bei einer Gesetzesnovellierungemeut erlassen und war zumindest seit dem Neuerlaß verfassungswidrig, so daß die Rechtswidrigkeit bereits im Zeitpunkt des (Neu-)Erlasses gegeben war. In der Entscheidung wurde dem Gesetzgeber keine Anpassungsfrist zuerkannt 8 BVerfGE 26, 116 (139); 39, 169 (194 f.); 46, 55 (63, 66); 53, 257 (312 f.); 53, 362 (365); 54, 11 (37); 54, 173 (202); 55, 274 (308); 56, 54 (81 f.); 59, 1 (21); 70, 1 (34); 73, 118 (121); 75, 108 (162); 78,249 (251,265,288); 80,1 (31 - 33); 83,1 (LS 2,21 f.); 84,239 (272). 9 Zu den Nachbesserungspflichten und Fristen vgl. § 7 Β III, C VI ausführlich mit zahlr. Nachw. 10 BVerfGE 56, 54 (73): "Selbst wenn der Gesetzgeber aufgrund der aus Art 2 Abs. 2 GG herzuleitenden Schutzpflichten gehalten war, seine ursprünglich getroffenen Lärmschutzvorkehrungen nachzubessern, führt die materiellrechtliche Prüfung zu dem Ergebnis, daß dem Gesetzgeber eine verfassungsgerichtlich zu beanstandende Verletzung dieser Pflicht nicht zur Last gelegt werden kann." In dieselbe Richtung auch BVerfGE 84, 239 (272): "Die Zurechnung setzt weiter voraus, daß sich dem Gesetzgeber - sei es auch nachträglich - die Erkenntnis aufdrängen mußte, daß für die in Frage stehende Steuer... das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell nicht zu erreichen ist und er sich dieser Erkenntnis daher nicht verschließen durfte. Drängt sich ein struktureller Erhebungsmangel dem Gesetzgeber erst nachträglich auf, so trifft ihn die verfassungsrechtliche Pflicht, diesen Mangel binnen angemessener Frist zu beseitigen." 11
BVerfGE 21,292 (305); 68,155 (174 f.); 71,364 (393 f.).
Β. Maßgeblicher Zeitpunkt
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Β. Maßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Norm Dem mit der Problematik des Rechtswidrigwerdens von Verwaltungsakten vertrauten Leser könnte sich bei einer Untersuchung des Rechtswidrigwerdens von Normen die Frage aufdrängen, ob denn der hier angestrebte Klärungsversuch der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens nicht schon deshalb scheitern muß, weil es prozessual für die Beurteüung der Rechtmäßigkeit einer Norm möglicherweise ohnehin - wie im Grundsatz nach der noch immer überwiegenden Literaturmeinimg bei der Anfechtungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gegenüber Verwaltungsakten - auf den Zeitpunkt des Normerlasses ankommen könnte. Was auch für den aügemeinen Vergleich von Normen und Verwaltungsakten für die hier interessierenden Fragen güt, ein solcher Gedanke ist ebenso ungewöhnlich wie nahehegend. Eine Durchsicht der Literatur zu § 47 VwGO zeigt, daß das hier auftretende Problem im Gegensatz zu der schier endlosen Diskussion bei Verwaltungsakten bisher kaum gesehen und diskutiert wurde, obwohl doch in einer Vielzahl von FäUen die Rechtsprechung späteren Veränderungen Bedeutung zumindest für die Wirksamkeit von Normen zugemessen hat Andererseits vertreten die vereinzelt vorhandenen Steüungnahmen aus der Literatur zu dieser Frage wie selbstverständlich die Ansicht, bei untergesetzlichen Normen sei für die Beurteüung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich die Sachund Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Verkündung bzw. Bekanntmachung maßgeblich12. Abgesehen von der insoweit vorhandenen Besonderheit hinsichtlich des Zeitpunkts der Verkündung (statt des bei Verwaltungsakten regelmäßig genannten Zeitpunkts des Erlasses) scheinen die Probleme hier ganz paraüel zu liegea Zunächst ist festzustehen, daß auch bei Verwaltungsakten die Richtigkeit dieses lange Zeit völlig unangefochtenen Grundsatzes nicht nur umstritten ist, sondern mittlerweüe gar nicht mehr dem aktueüen Stand der Diskussion entspricht13. So hat die nach wie vor überwiegende Meinung in der Literatur die in den vergangenen Jahren vollzogene Kehrtwendung der Rechtsprechimg noch gar nicht voü erfaßt Typisch für die weiterhin beinahe unverändert anzutreffenden Steüungnahmen der Literatur ist etwa die Äußerung von Bosch/Schmidt, nach denen sich in der Rechtsprechung und Lehre seit langem die Faustregel bewährt habe, daß bei Anfechtungsklagen auf die Sach- und Rechtslage beim 12
Vgl. Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 (S. 251); Kopp, VwGO, § 47 Rdnr. 87;13 a. A. dagegen Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 913. S. dazu näher Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnrn. 782 ff.; eingehend ζ. B. auch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, 1994. 5 Baumeister
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Erlaß des Verwaltungsakts abzustellen sei14. Derartige Stellungnahmen lassen neben der heutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 15, nach der es sich bei der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts um ein materiellrechtliches und kein prozessuales Problem handelt, auch die Auseinandersetzung mit der ausführlichen Erörterung dieser Frage vor allem durch Schenke 16 vermissea Es erscheint gerade auch angesichts der heutigen Rechtsprechung müßig, die Argumentation gegen die früher herrschende und heute noch ganz überwiegende Auffassung in der Literatur zu wiederholea Selbst wenn man mit durchaus beachtlichen Gründen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Verwaltungsakten in Zweifel ziehen kann, die Frage, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig wird oder geworden ist, ist eine materiellrechtliche und keine prozessuale. Prozeßrechtlich maßgeblich dafür, ob ein Verwaltungsakt i. S. d. §113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtswidrig ist, ist daher immer der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dies güt für alle Klagearten und jeden Streitgegenstand. Wie Schenke überzeugend nachgewiesen hat, beruht jede andere Auffassung auf einer Vermengung materiellrechtlicher Probleme mit prozeßrechtlichen Fragestellungen Angesichts der heutigen Rechtsprechung dürfte es sich nur noch um eine Frage der Zeit handeln, bis dieser Gesichtspunkt auch allgemeine Anerkennung gefunden hat. Inhaltliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Auffassungen ergeben sich im Ergebnis schon deshalb in aller Regel nicht weil in den bedeutsamen Fällen - wie beim Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - regelmäßig Ausnahmen vom Grundsatz gemacht werden17. Will man die Überlegungen zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Anfechtungsklage auf die Normenkontrolle übertragen, so könnte dies im Ergebnis auch nur dazu führen, einen prozeßrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt, der vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hegen soll, von vornherein abzulehnen. Für einen solchen prozeßrechtlichen Grundsatz gibt es keine Rechtfertigung. Die einzig zutreffende Frage wäre, ob eine rechtmäßig erlassene Norm überhaupt rechtswidrig und im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für ungültig erklärt werden kann. Dies ist jedoch ein rein materiellrechtliches Problem18. 14
Bosch/Schmidt, Praktische Einführung, § 39 II 1 (S. 237).
15
Vgl. ζ. B. BVerwGE 82,98; NVwZ 1990,653; NVwZ 1990,654; NVwZ 1991,360; NVwZRR 1992, 52; w. Nachw. auch bei Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, 1 (7 - Fußn. 39); Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 786. 16 NVwZ 1986, 522 ff. 17
18
Vgl. etwa die Hinweise bei Kopp, VwGO, § 113 Rdnrn. 25 ff.; ders., FS Menger, S. 693 ff.
Die hier vertretene Auffassung zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Normenkontrolle wird durch die gesamte Rechtsprechung zum Rechtswidrigwerden gestützt, wenn auch dort das Problem des maßgeblichen Zeitpunkts - eben weil es nicht existiert - nicht ausdrücklich angesprochen wird.
Β. Maßgeblicher Zeitpunkt
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Zur Klarstellung soll hier zusätzlich noch darauf hingewiesen werden, daß auch die materielle Frage, ob ein Verwaltungsakt oder eine Norm rechtswidrig geworden ist, sofern man dies überhaupt für mögüch hält, immer nach dem aktuellen Stand der Sach- und Rechtslage zu beantworten ist Auch für diese Beurteüung ist immer der letztmögliche Zeitpunkt entscheidend. Diese Regel ohne Ausnahme mag auf den ersten Bück überraschend erscheinea Die Überraschung beruht jedoch auf einem Mißverständnis. Es ist der Sache nach dasselbe Mißverständnis, das auch die (noch) überwiegende Literaturmeinung bis heute hindert, von der Auffassung abzulassen, im Rahmen der Anfechtungsklage sei grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich. Hinter diesem Festhalten veAirgt sich die Meinung, anderenfaüs, d. h. bei Befürwortung der Gegenauffassung, müßte jeder Verwaltungsakt, in bezug auf den sich die Rechts- oder Sachlage geändert hat und der darum heute (so) nicht mehr erlassen werden könnte, als rechtswidrig angesehen und deshalb aufgehoben werdea Diese Auffassung beruht auf dem Fehlverständnis, jede Veränderung, die einen Erlaß des Verwaltungsakts heute nicht mehr zuläßt, würde die RechtmäßigkeitsbeurteUung des Verwaltungsakts verändern. In gleicher Weise besagt der hier aufgesteüte Satz, daß auch materiellrechtlich eine Norm oder ein Verwaltungsakt immer nach dem letztmöglichen Zeitpunkt zu beurteüen ist, nicht, daß jede Veränderung bei jeder Art von Normen oder Verwaltungsakten eine Änderung des Rechtmäßigkeitsurteils bewirkt. Im Gegenteü wird diese Änderung gemessen an sämtlichen Veränderungen der Rechts- oder Sachlage und sämtlichen Arten von Normen und Verwaltungsakten die Ausnahme sein. Um aber beurteilen zu können, ob eine nachträgliche Veränderung zu einem Rechtswidrigwerden geführt hat bzw. überhaupt flihren konnte, ist diese Veränderung zunächst einmal auf ihre Wirkung hin zu untersuchen und insofern auch zu berücksichtigen.
Im Ergebnis unterscheidet sich der hier aufgesteüte Satz nicht von der Meinung, daß es sich bei der Beurteüung der Rechtmäßigkeit eines Staatsakts um erne materiellrechtliche Frage handelt. Mit der hier vertretenen Auffassung soü nur herausgesteüt werden, daß anhand der heutigen Rechts- und Sachlage zu prüfen ist, ob ein früher rechtmäßig erlassener Staatsakt in der Folgezeit rechtswidrig geworden ist In aüer Regel wird zwar das heutige Recht sagen, daß die Veränderung der Rechts- oder Sachlage keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit gehabt hat bzw. haben konnte. Diese Auskunft gibt aber nur das im Zeitpunkt der Beurteüung geltende Recht selbst, nicht irgendein dogmatischer Grundsatz über Beurteüungszeitpunkte. Die Antwort auf die Frage der Relevanz der VerBesonders deutlich ist noch BayVfGHE 41,69 (72 f.); hier wird nach der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erlasses der Norm ausdrücklich in einem zweiten Schritt geprüft, ob die Norm möglicherweise rechtswidrig geworden ist.
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änderung ist nur der aktuellen Rechts- und Sachlage in Veibindung mit der bei Erlaß bestehenden Sach- und Rechtslage zu entnehmen. Um allen Mißverständnissen vorzubeugen: es wird damit keineswegs behauptet, daß etwa die Rechtmäßigkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts an einem Recht und einer Sachlage geprüft werden soll, die zum Zeitpunkt des Erlasses gar nicht bestandea Die Frage der Rechtmäßigkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts ist immer an dem zum Erlaßzeitpunkt geltenden Recht und auf der Grundlage der dort bestehenden Sachlage zu beurteilea Dagegen kommt es für die Frage, ob eine spätere Veränderung der Rechts- oder Sachlage von Einfluß auf die Rechtmäßigkeitsbeurteüung des Verwaltungsakts war, immer zugleich auch auf die neueste Rechts- und Sachlage aa Das heißt freilich nicht, und hier hegt ein weitverbreiteter Irrtum, daß die Frage der Rechtmäßigkeit tatsächlich stets nach der letzten Sach- und Rechtslage zu entscheiden wäre . Es geht nämlich nicht darum zu prüfen, ob der Verwaltungsakt auf der Grundlage der neuen Sach- und Rechtslage nochmals erlassen werden könnte. Allein aus der Tatsache, daß ein Neuerlaß des rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakts rechtswidrig wäre, kann nicht auf ein Rechtswidrigwerden des Verwaltungsakts geschlossen werdea Neben der Parallele zu den angeblich bei Verwaltungsakten bestehenden maßgeblichen Zeitpunkten spricht im übrigen auch die etwa von Kopp anerkannte abweichende Behandlung von Normen, die auf Prognosen beruhen20, für den hier als selbstverständlich befürworteten maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. (im Fall des Beschlusses) der Verkündung der Entscheidung bei Normea Hier zeigt sich dieselbe Inkonsequenz wie beispielsweise gegenüber Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt nach ganz überwiegender Literaturmeinung abweichend von der Grundregel doch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sein soll21. Im Ergebnis zeigt sich damit, daß die Frage der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen nicht schon durch eine vorgelagerte Annahme der prozessualen Unbeachtlichkeit von Veränderungen nach dem Erlaß oder der Verkündung der Norm abgeschnitten wird.
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Zu diesem Irrtum bereits Schenke, DVB1. 1989, 433 (436); BayVBl. 1990, 107 (108), zu Kopp, BayVBl. 1989,652 ff. 20 Kopp, VwGO (9. Aufl.), § 47 Rdnr. 84: "Sie (die Prognosenormen) werden jedoch von dem Zeitpunkt an für die Zukunft fehlerhaft, in dem der Verordnungsgeber den Mangel erkennen konnte und trotz ausreichender Erfahrungen und Erkenntnisse nicht innerhalb eines angemessenen Anpassungsspielraums eine sachgerechte Lösung trifft" - aus nicht erkennbaren Gründen nur noch abgeschwächt in der 10. Aufl. 21 S. die Nachweise bei Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 25.
C. Das Parallelproblem bei Verwaltungsakten
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C. Die Untersuchung der begrifflichen Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen unter Berücksichtigung der Diskussion des Parallelproblems bei Verwaltungsakten Angesichts der Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts hegt die Bedeutung einer exakten Untersuchung des Rechtswidrigkeitsbegriffs auf der Hand. Mit einem pauschalen Hinweis auf die verbreitete Anerkennung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen ist der nachfolgenden Untersuchung der Voraussetzungen für ein Rechtswidrigwerden nicht gedient Im übrigen kann die ausführliche Analyse des Rechtswidrigkeitsbegriffs auch als Basis für die äußerst umstrittenen Fragen zum Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten dienen. Insofern geht der Nutzen dieses Untersuchungsteüs sogar über den eigentlichen Gegenstand der Arbeit hinaus. Um dieser Bedeutung Rechnung zu tragen, ist im folgenden an zahlreichen Steüen vom Rechtswidrigwerden eines Staatsakts die Rede. Dies soü die Paraüehtät der Problematik bei Normen und Verwaltungsakten deutlich machen. Die Bezeichnung "Staatsakt" bezieht sich aüerdings nur auf diese beiden Formen von Staatsakten. Richteriiche Entscheidungen etwa werden hier ausgeklammert22. Mit dieser gemeinsamen Betrachtung von Normen und Verwaltungsakten soü aber auch die Problemsteüung des Rechtswidrigwerdens von Normen deutlicher gemacht werden. Bei den Verwaltungsakten wird die Frage der Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens seit langem diskutiert. Ein solches Problembewußtsein fehlt hinsichtlich der Normen noch weitgehend. Durch die gemeinsame Betrachtung können zugleich auch eine Reihe von Argumenten, die in Zusammenhang mit der Thematik bei Verwaltungsakten Verwendungfinden und die auch für die Frage des Rechtswidrigwerdens von Normen wichtig sind, erfaßt werden. Die Erörterung beschränkt sich aüerdings ausschheßüch auf solche Überlegungen, die für die Frage des Rechtswidrigwerdens von Normen konkrete Bedeutung haben. Die hier gewählte Vorgehensweise dürfte auf spontane Bedenken - die Vergleichbarkeit von Normen und Verwaltungsakten betreffend - stoßen. Es muß deshalb darauf hingewiesen werden, daß es hier keinesfaüs um die (abwegige) völlige Gleichsetzung der Strukturen von Normen und Verwaltungsakten geht. Die gemeinsame Behandlung betrifft hier nur die begrifflichen Voraussetzungen für die Annahme ernes Rechtswidrigwerdens. Insoweit besteht aber eine Paraüehtät, die auch in der grundsätzlichen Existenz einer Beseitigungspflicht23 gegenüber jeder rechtswidrigen Norm 24 und jedem rechtswidrigem Verwaltungsakt25 2 2
Anders dagegen bei Bettermann, FS Huber, S. 25 (36 f.).
23
Dazu sogleich noch näher unter § 4 Ε II.
2 4
Vgl. dazu Schenke, Rechtsschutz, S. 146ff.; dem folgend Stern, Staatsrecht III/l, S. 677 ff.
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zum Ausdruck kommt Die grundsätzlich unterschiedlichen Folgen der Rechtswidrigkeit (Nichtigkeit der Norm, Vernichtbaikeit des Verwaltungsakts) sind hier ohne Bedeutung und können nicht zu einer abweichenden Beurteilung Veranlassung gebea So ist es durchaus auch möglich, beispielsweise von der Aufrechterhaltung einer rechtswidrig gewordenen Norm zu sprechen, selbst wenn diese Norm infolge der nachträglichen Rechtswidrigkeit nichtig sein sollte. Angesichts der Problematik der einheitlichen Untersuchung ist aber auf zwei grundlegende Einwände einzugehen, denen die Annahme von der Parallelität ausgesetzt ist bzw. sein könnte. Zum einen wird vielfach auf den besonderen Charakter des Verwaltungsakts gegenüber den Normen verwiesen, der durch den in jedem Verwaltungsakt innewohnenden Subsumtionsschluß zum Ausdruck komme26. Scherzberg verweist auf "die Funktion des Verwaltungsakts als eines Instruments zur Konkretisierung der im Erlaßzeitpunkt geltenden Rechtslage"27. Auch daraus wird regelmäßig28 abgeleitet, ein Rechtswidrigwerden des Verwaltungsakts komme nicht in Betracht. Der zweite, gegen die hier geplante parallele Betrachtung konkret vorgebrachte Einwand wird von Hans Heinrich Rupp formuliert. Er spricht die Frage der Parallelität unmittelbar an29. In seinen äußerst anregenden, leider aber sehr knappen und zuweüen nur aus Andeutungen bestehenden Ausführungen versucht er die fundamentalen Unterschiede zwischen der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten und der "Rechtswidrigkeit" von Normen zu begründen. Zunächst wird die Frage nach einer Parallelität von Norm und Verwaltungsakt auf diesem Gebiet als ebenso nahehegend wie ungewöhnlich und gefährlich bezeichnet. Schließlich sei das "Rechtswidrigwerden" einer Norm gekennzeichnet durch eine - auch nach seiner Ansicht durchaus mögliche - nachträgliche Divergenz der Norm mit höherrangigem Recht. Dabei handele es sich jedoch keineswegs um eine Rechtswidrigkeit im Sinne von Pflichtwidrigkeit, welche den einzigen Maßstab für die Rechtmäßigkeitsbeurteüung von Verwaltungsakten darstelle. Nach seiner Meinung müssen die beiden unter dem Begriff der Rechtswidrigkeitfirmierenden Phänomene, "die Pflichtwidrigkeit einerseits und Rang2 5 Jüngst wieder Schenke, NVwZ 1993, 718 (721 ff.); zuvor bereits ders., DÖV 1986, 305 (310, 313 ff.); Horn, DÖV 1990, 864 (866); vor allem bei Verwaltungsakten ist natürlich die formelle Bestandskraft zu beachten, s. auch Schenke, NVwZ 1993,722 (bei Fußn. 37). 2 6
Vgl. etwa Kleinlein, VerwArch. 81 (1990), 149 (158).
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Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (428).
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Die Ansicht von Kleinlein macht hier eine Ausnahme. Er hält zwar ebenso ein Rechtswidrigwerden für ausgeschlossen, geht dafür aber in den betreffenden Fällen von einer von Anfang an bestehenden Teilrechtswidrigkeit aus, VerwArch. 81 (1990), 149 (170). 2 9 Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 183 ff.
C. Das Parallelproblem bei Verwaltungsakten
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derogation in der Hierarchie der Rechtsnormen andererseits"30, scharf getrennt werden. Damit bringt Rupp gravierende Einwände gegen die hier gezogene Parallele vor, zumal er für die gegenteilige Auffassung die Gefahr sieht, das Problem durch Häufung von Widerspruch auf Widerspruch zu einem gordischen Knoten zu verknüpfe!? 1. Zur Begründung stützt er sich im wesentlichen auf die unterschiedliche Struktur von Rechtssatz und Verwaltungsakt32. Ein Verwaltungsakt habe eben keine rechtserzeugende Funktion und folglich keine eigenständige Normwirkung33. Im Versuch einer Replik auf diese Einwände ist zunächst festzuhalten, daß Rupp bei seiner Argumentation verschiedene Prämissen setzt, die einer genauen Überprüfung bedürfen. So geht er erstens von der Annahme aus, Rechtswidrigkeit sei gleichbedeutend mit Pflichtwidrigkeit Auf diese (rechtstheoretische) These wird im Laufe der Untersuchung in § 6 noch näher eingegangen. Dort steüt sich auch die Frage nach der Möglichkeit einer Rechtswidrigkeit unabhängig von Pflichtwidrigkeit Rupp stützt sich weiter auf die Annahme, das "Rechtswidrigwerden" von Normen habe nichts mit einer Pflichtwidrigkeit zu tun, sondern sei nichts anderes als Ausdruck für eine Rangderogatioa Das Bundesverfassungsgericht geht aüerdings - wie erwähnt - wohl davon aus, daß die Feststeüung des Rechtswidrigwerdens von Normen an ein pflichtwidriges Unterlassen des Normgebers gebunden ist Ob diese Rechtsprechung Zustimmung verdient, wird sich erst im folgenden zeigea Vorab kann aber schon darauf hingewiesen werden, daß der von Rupp angeführte Beleg einer Überprüfung nicht standhält. Rupp verweist für seine These auf das bundesrechtmäßige, aber völkerrechtswidrige Gesetz, das also pflichtwidrig erlassen wurde und dennoch als rechtmäßig anzusehen ist. Wenn Rupp damit die Sondersteüung der Normen gegenüber den Verwaltungsakten dokumentieren wül, so ist sein Beispiel untaugüch. Ein vergleichbares Beispiel läßt sich nämlich ebenso für Verwaltungsakte konstruieren: So ist ein Verwaltungsakt, dessen Erlaß gegen Verwaltungsvorschriften oder eine innerdienstliche Weisung verstößt (und damit pflichtwidrig ist), im Faüe der Erfüllimg der gesetzlichen Voraussetzungen als rechtmäßig anzusehen. Wenn von Pflichtwidrigkeit in Übereinstimmung mit Rechtswidrigkeit gesprochen werden soü, kann es sich immer nur um eine durch das (Außen-) Recht gesetzte Pflicht 30 3 1
Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 184. Ebd.
32 33 Vgl. dazu und zum folgenden ebd., S. 185 f. Insoweit zeigt sich zugleich die gedankliche Verbindung mit dem zuvor genannten Einwand, daß der Verwaltungsakt als Subsumtionsschluß einen besonderen Rechtscharakter aufweise.
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handeln. Analog dazu muß aber "Gleiches" auch für den völkerrechtswidrigen Erlaß geltea Dieser Erlaß ist eben nicht bundesrechtspflichtwidrig. Wenn Rupp die Parallele zu den Amtspflichten beim Erlaß eines Verwaltungsakts dadurch zu verhindern sucht, daß er für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des Verwaltungsakts nur auf die "dem Staat gegenüber seinen Bürgern obliegenden Rechtspflichten" 34 abstellt, mißt er nicht mit gleichem Maß. Somit bleibt von den Einwänden Rupps zunächst nur der Hinweis auf die strukturellen Unterschiede zwischen Rechtssatz und Verwaltungsakt, ein Hinweis, der beispielsweise auch in den Überlegungen von Kleinlein grundlegend ist Sicherlich hegt einem Verwaltungsakt sehr häufig ein einfacher Subsumtionsschluß zugrunde35. Von daher ergeben sich fraglos auch strukturelle Unterschiede zu Normea Nur sagt das noch nichts darüber aus, ob diese Unterschiede für den Bereich der Rechtmäßigkeitsbeurteilung im Hinblick auf die Möglichkeit eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens von ausschlaggebender Bedeutung sind. Alle Rechtswidrigkeitsbeurteüungen, die sich an dem Erlaßzeitpunkt festklammern, beachten m. E. zu wenig, daß ein Verwaltungsakt (ebenso wie eine Norm) keineswegs nur als "Akt der Verwaltung" (oder "Akt des Normgebers") beim Erlaß aufzufassen ist. Eine solche Sicht der Dinge verkürzt die Bedeutung des Verwaltungsakts entscheidend. Schon 1955 hat Lerche 36 zutreffend darauf hingewiesen, daß bei einem Verwaltungsakt (dies güt wiederum ebenso für die Norm) zwischen dem Regelungsvorgang (dem Erlaß) und dem Regelungsinhalt zu unterscheiden sei. Diese Unterscheidung beinhaltet einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens. Die Norm oder der Verwaltungsakt muß danach keineswegs mit dem Vorgang des Erlasses gleichgesetzt werden. Auf dieser Abgrenzung bauen auch die Überlegungen von Bettermann 37 auf. Auch er trennt zwischen Entstehung und Inhalt, zwischen Produktion und Produkt, dem Regeln und der Regelung, dem Werden und dem Sein38. Diese Trennbarkeit belegt zugleich die insoweit bestehende Vergleichbarkeit von Norm und Verwaltungsakt. Wird die Bedeutung des Verwaltungsakts erst einmal nicht mehr allein auf seinen Erlaßvorgang verkürzt, so sind nicht mehr nur strukturelle Unterschiede, sondern auf einmal auch strukturelle Gemeinsam34 35 Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 186. Diese Tatsache darf allerdings nicht dazu verleiten, jedem Verwaltungsakt eine schlichte Subsumtion zu unterstellen. Eine solche Annahme entspräche einem gesetzespositivistischen Subsumtionsmodell, das davon ausgeht, bei gebundenen Verwaltungsakten könne es nur eine "richtige" Entscheidung geben; kritisch dazu ζ. B. Schenke, DÖV 1986, 305 (316). 3 6 DVB1. 1955, 755. Die Begriffe finden sich auch bei Rupp, DVB1. 1959, 211, Bachof y JZ 1958,301 (302), und Schenke, NVwZ 1986, 522 (524). 3 7
FS Huber, S. 25 (34).
C. Das Parallelproblem bei Verwaltungsakten
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keiten zwischen Norm und Verwaltungsakt ersichtlich. Zwischen dem Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts39, der Regelung selbst, und einer Regelung durch eine Norm bestehen nämlich durchaus manche Gemeinsamkeiten. Zur Klarstellung: Es geht hier nicht um eine schlichte Gleichsetzung von Norm und Verwaltungsakt. Auch enthält die Parallelisierung keine Aussage für oder gegen den Rechtssatzcharakter von Verwaltungsakten Für eme unvoreingenommene Betrachtung ist es jedoch entscheidend, die Struktur des Verwaltungsakts umfassend zu berücksichtigea Vergleicht man Regelungsinhalte von Normen und Verwaltungsakten miteinander, so lassen sich manche Gemeinsamkeiten nicht leugnen. Als Beispiel sei eine Polizeiverfügung genannt, nach der - wegen Bestehens einer bestimmten Gefahr - fortan dem Adressaten aufgegeben wird, ein bestimmtes Tun zu unterlassen Im Vergleich dieses Verwaltungsakts mit einer Polizeiverordnung, die dieselbe Unterlassungspflicht aus demselben Grund für die gesamte Bevölkerung im räumlichen Geltungsbereich der Verordnimg aufsteüt, finden sich mehr struktureüe Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Den wenigen Andeutungen, die Rupp im Hinblick auf Dauerverfügungen äußert40, sind insoweit kerne durchscWagenden Gegeneinwände zu entnehmen. Die Frage der grundsätzlichen Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens hat jedenfaüs nichts mit dem Umfang der rechtlichen Bindung beim Erlaß einer Regelung zu tua Gerade aus diesem Aspekt scheinen jedoch die struktureüen Unterschiede abgeleitet zu werdea Zweifeüos ist das Parlament in qualitativ anderer Weise bei seinen Gesetzesbeschlüssen an das höherrangige Recht gebunden als die Verwaltung beim Erlaß ernes Verwaltungsakts, bei dem sich die Voraussetzungen für semen Erlaß aus der Ermächtigungsnorm ergebea Diese Bindung ist jedoch nur entscheidend für die Frage, ob der Verwaltungsakt oder die Norm rechtmäßig erlassen wurdea Über die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens geben diese Strukturunterschiede kerne Auskunft. Wendet man den Bück noch einmal zurück auf das Beispiel der Polizeiverfügung und der Polizeiverordnung, so zeigt sich - und dies ist ganz h. M. -, daß beide Staatsakte bei (endgültigem) Wegfaü der Gefahr, die zu ihrem Erlaß berechtigte, aufzuheben sind. Hier führt dieselbe Veränderung zur identischen Folge, der Entstehung der Aufhebungspflicht. Wo insoweit - bezogen auf die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens - die grundlegenden Unterschiede in der 39
Auch nach der Legaldefinition in § 35 VwVfG steht gerade die "Regelung" im Zentrum der Betrachtung. 40 Vgl. Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 186: "Die weit verbreitete Lehre, daß für Verwaltungsakte mit 'Dauerwirkung' das Zeitpunktproblem besondere Aspekte besitze, bedürfte also erst noch der Präzisierung, wie jene Dauerwirkung rechtlich beschaffen und zu qualifizieren sei."
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Struktur bestehen sollen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, ist nicht ersichtlich. Auch der von Rupp angeführte Hinweis, daß ein Verwaltungsakt kein Rechtssatz sei und ihm dementsprechend keine rechtserzeugende Funktion und Normwirkung zukomme41, vermag die aufgezeigten Gemeinsamkeiten zwischen Verwaltungsakten und Normen nicht zu entwerten. Seine Bemerkungen zum fehlenden Rechtssatzcharakter des Verwaltungsakts basieren auf eher theoretischen Überlegungen aus der Rechtsquellenlehre. Ihre rechtsdogmatische und praktische Bedeutung ist dagegen begrenzt, weil sie zu sehr im allgemeinen bleibea Zudem steht die Ablehnung des Rechtssatzcharakters in engem Zusammenhang mit dem früher ganz herrschenden Subsumtionsdogma, nach dem der Erlaß eines (gebundenen) Verwaltungsakts nichts anderes als eine Subsumtion der einschlägigen gesetzlichen Rechtsgrundlage darstellen sollte42. Nicht allein in den Fällen von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen, sondern auch bei sog. gebundenen Verwaltungsakten, soweit nicht allein der Begriffskern eines geseztlichen Tatbestandsmerkmals betroffen ist, entbehrt diese Auffassung einer tragfähigen Grundlage. Unbestritten dürfte im übrigen sein, daß jeder Verwaltungsakt allein durch seine Existenz neues Recht schafft Nicht umsonst büdet ein gültiger Verwaltungsakt, der ζ. B. eine Leistungspflicht des Staates gegenüber einem Bürger festsetzt, einen eigenständigen, vom Gesetz unabhängigen Rechtsgrund für die in ihm festgesetzte Leistung. Das güt selbst dann, wenn der Verwaltungsakt gegenüber der Norm keine neue, eigene Regelung enthält, sondern allein den im Gesetz festgesetzten und deshalb schon bestehenden Anspruch rein deklaratorisch feststellt. Im übrigen erscheint es mehr als fraglich, ob sich mit der Ablehnung des Rechtssatzcharakters von Verwaltungsakten für die hier maßgebliche Frage der parallelen Betrachtung von Normen und Verwaltungsakten für das Problem des Rechtswidrigwerdens überhaupt Konsequenzen ergeben. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die nachträgliche Rechtswidrigkeit, von der man bei Normen ausgeht, als Fall der Rangderogation im Sinne des Stufenbaus der Rechtsordnung darstellte. Inwieweit hier Verbindungen bestehen, wird sich erst bei der näheren Betrachtung in § 6 erweisen. Auf der Basis dieser Eingangsüberlegungen, die an verschiedenen Stellen der nachfolgenden Erörterung noch vertieft werden, scheint es jedenfalls nicht zu gewagt, die Problematik der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen 41 4 2
Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 186. S. dazu näher Schenke, DÖV 1986,305 (316).
D. Die Anknüpfungspunkte des Rechtswidrigwerdens
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gerade auch unter Bezugnahme auf die Argumentation in Zusammenhang mit den Verwaltungsakten und damit in gewisser Hinsicht gemeinsam zu erörtern.
D. Die Anknüpfungspunkte für die Annahme eines Rechtswidrigwerdens rechtmäßig erlassener Normen Das Rechtswidrigkeitsurteil kann sich bei einem Staatsakt (gleich ob Norm oder Verwaltungsakt) entweder auf dessen Erlaß und/oder den Regelungsinhalt beziehen. Der "Staatsakt" läßt sich damit zum einen als "Akt des Staates (bzw. seiner Organe)" bei Erlaß der Regelung und zum anderen als Regelung selbst auffassen. Um von einem Rechtswidrigwerden des Staatsakts als Folge einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage ausgehen zu können, kann sich das Rechtswidrigkeitsurteil nur noch auf den Inhalt der Regelung beziehen. Der Erlaß selbst ist eindeutig abgeschlossen und muß hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeitsbeurteilung durch keine spätere Veränderung mehr revidiert werden43. Folglich stellt sich die Frage, mit welcher dogmatischen Konstruktion das Rechtswidrigwerden begründet werden könnte. AUe Überlegungen zu dieser Frage müssen beim Rechtswidrigkeitsbegriff ansetzen. Zum Rechtswidrigkeitsbegriff stehen sich zwei grundlegend abweichende Auffassungen gegenüber. Nach wohl überwiegender Auffassung ist der Rechtswidrigkeitsbegriff untrennbar mit Pflichtwidrigkeit verbunden. Danach ist Rechtswidrigkeit nur in Verbindung mit einem rechtswidrigen Verhalten denkbar. Anderer Ansicht zufolge bedarf es ernes solchen rechtswidrigen Verhaltens nicht unbedingt. Hier reicht ein Widerspruch zwischen dem Staatsakt und dem höherrangigen Recht aus. Auf der Basis dieser beiden Grundauffassungen zum Rechtswidrigkeitsbegriff lassen sich die beiden folgenden Ansatzpunkte für ein Rechtswidrigwerden unterscheiden.
Der Fall der rückwirkenden Rechtsänderung, die zumindest bis zum Erlaßzeitpunkt zurückwirkt, kann hier außer Betracht bleiben. Die rechtliche Fiktion der Rückwirkung bewirkt die Fiktion eines rechtswidrigen Erlasses. Eine tatsächliche Wirkung hat das zum Zeitpunkt des Handelns noch nicht existierende Gesetz in der Vergangenheit nämlich nicht gehabt. Im Fall der echten Rückwirkung gilt dann das Handeln als von Anfang an rechtmäßig oder rechtswidrig; es ist also auch nicht etwa rechtmäßig oder rechtswidrig geworden. Als Beispiel einer echt rückwirkenden Rechts- oder Sachlageveränderung för einen Verwaltungsakt siehe BVerwGE 84, 111; s. dazu die Entscheidungsrezension von Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 ff.
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L Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit Knüpft das Rechtswidrigkeitsurteü an ein rechtswidriges Verhalten an, so könnte der Ansatz für ein Rechtswidrigwerden eines rechtmäßig erlassenen Staatsakts nur darin bestehen, angesichts einer rechtswidrigen Aufrechterhaltung des Aktes eine Verbindung zur Regelung selbst herzustellen und so ein Rechtswidrigwerden des Staatsakts zu begründea Ohne Zweifel gibt es zahllose Fälle, in denen Pflichten zur Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Staatsakts nach dessen Erlaß entstehen44. Zum einen ist hier an eine Pflicht zur Aufhebung nach Eintritt eines Widerspruchs zum höherrangigen Recht zu denken. Bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Aufhebung wäre das für das Rechtswidrigkeitsurteü erforderliche rechtswidrige Verhalten vorhanden. Das Problem besteht dann nur noch in der Konstruktion eines Zusammenhangs mit der Rechtmäßigkeitsbeurteüung des Staatsakts selbst. Zum anderen könnte das nachträgliche Rechtswidrigkeitsurteü an dem Verstoß gegen die Pflicht festgemacht werden, es nicht zu einem nachträglichen Widerspruch zum höherrangigen Recht kommen zu lassen und folglich die Norm vor dem Eintritt des Widerspruchs aufzuheben oder abzuändern. Auch insoweit könnte von einer rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Norm gesprochen werdea Die beiden Fälle unterscheiden sich nur dadurch, daß unterschiedliche Entstehungszeitpunkte für die Pflicht zur Aufhebung oder Änderung anzunehmen sind. Geht man von einer Pflicht des Normgebers aus, einen sich anbahnenden Widerspruch zu verhindern45, so kann aber im Ergebnis auch hier erst dann von der Pflichtwidrigkeit der Nichtaufhebung ausgegangen werden, wenn es bereits zum Widerspruch gekommen ist Bis zu diesem Zeitpunkt kann die Pflicht noch (rechtmäßig) erfüllt werden, so daß ein pflichtwidriges Unterlassen noch nicht vorliegt Wenn aber erst nach Eintritt des Widerspruchs zwischen der Norm und dem höherrangigen Recht von der Pflichtwidrigkeit ausgegangen werden kann, so besteht zur ersten Begründungsalternative, dem Pflichtverstoß der fehlenden Aufhebung oder Änderung nach Eintritt des Widerspruchs, kein Unterschied 4 4
Vgl. ζ. B. Ossenbühl, HbdStR III, § 64 Rdnr. 44, für den Fall der Rechtsverordnung; für Verwaltungsakte vgl. Schenke,, DVB1. 1989,433 (434 bei Fußn. 14 f.). 4 5 Ansätze zur Begründung einer derartigen Pflicht finden sich in neueren Überlegungen der Gesetzgebungslehre, vgl. ζ. B. Karpen, Gesetzgebungslehre, S. 29 (47), der feststellt, daß folgende Pflichten des Gesetzgebers ζ. B. auch vom BVerfG (E 65, 1, 65) konstatiert werden: Pflicht zur Tatsachenfeststellung, Prognosepflicht, Abwägungspflicht, Beobachtungspflicht, Nachbesserungspflicht Mit der Anerkennung einer Pflicht, die Wirkungen einer Norm im Laufe ihrer Geltung zu beobachten, dürfte auch die Pflicht zur Anerkennung einer Pflicht zur Aufhebung oder Änderung in den Fällen naheliegen, in denen sich ein Widerspruch anbahnt
D. Die Anknüpfungspunkte des Rechtswidrigwerdens
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mehr, soweit beide als Anknüpfungspunkte für das nachträgüche Rechtswidrigkeitsurteü dienen soüen. Wenn deshalb im folgenden regelmäßig nicht zwischen diesen beiden Arten von Pflichtverstößen differenziert wird, werden beide auch nach einheitlichen Gesichtspunkten behandelt So soü auch die im weiteren häufig verwendete Bezeichnung "Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung der Norm" beide Arten von Pflichtverletzungen erfassen. Bestehen hinsichtlich der Existenz von Verhaltenspflichten (zur Aufhebung oder Änderung ernes rechtmäßig erlassenen Staatsakts) keine Bedenken, so konzentriert sich das Problem auf die Konstruktion einer Verbindung zwischen der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Staatsakts und der Rechtswidrigkeit des Staatsakts selbst. Warum mit dem Rechtswidrigwerden der Aufrechterhaltung des rechtmäßig erlassenen Staatsakts zugleich ein Rechtswidrigwerden des Staatsakts selbst verbunden ist, üeße sich auf unterschiedliche Weise begründen. Zum einen ist hier denkbar, daß die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung gewissermaßen nur als erne abweichende Bezeichnung für eine bestimmte Art der Rechtswidrigkeit des Staatsakts anzusehen ist, also nur einen Sonderfaü der Rechtswidrigkeit bezeichnet Die Feststeüung eines Verstoßes gegen eine Aufhebungsverpflichtung in bezug auf einen rechtmäßig erlassenen Staatsakt wäre danach identisch mit der Feststeüung des nachträgüchen Rechtswidrigwerdens dieses Akts. Zum zweiten käme eine Art logischer Folge in Betracht, bei der die Rechtswidrigkeit des Staatsakts aus der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des rechtmäßig erlassenen Staatsakts im Sinne einer naturgesetzlichen Bedingung abzuleiten ist46. Neben diesen Möglichkeiten der Identität oder der logischen Folge der Rechtswidrigkeit des Staatsakts aus der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Staatsakts kommt als dritte Mögüchkeit eine wertende Gleichbehandlung des rechtswidrig erlassenen Staatsakts mit dem rechtmäßig erlassenen Staatsakt, dessen Aufrechterhaltung rechtswidrig geworden ist, in Betracht47. Für den Faü eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Verhinderung von Normwidersprüchen ergeben sich dieselben Begründungsalternativen, so daß es keiner eigenen Erörterung der Mögüchkeiten bedarf. 46
In eine dieser beiden, schwer voneinander zu trennenden Richtungen zunächst wohl Schenke, NVwZ 1986, 522 (524 f.); DVB1. 1989, 433 (434 f.); ablehnend Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (428 bei Fußn. 22), der hinsichtlich der zweiten Variante vom Versuch einer rechtslogischen Begründung der Gleichsetzung spricht 4 7 Vgl. die Ansätze dazu bei Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (548); die Möglichkeit der "normativen Gleichsetzung" erwägend, aber im Ergebnis ablehnend Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (428 f.), der allerdings den vorgenannten Beitrag nicht berücksichtigt hat.
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IL Rechtswidrigwerden der Norm selbst Nach dem zweiten Begründungsansatz muß das Rechtswidrigkeitsurteü beim Rechtswidrigwerden an kein rechtswidriges Verhalten anknüpfen48. Denkbar wäre danach ebenso, einen rechtmäßig erlassenen Staatsakt als rechtswidrig geworden anzusehen, wenn und weü er infolge einer Veränderung der Rechtsoder Sachlage nicht mehr mit höherrangigem Recht in Einklang zu bringen ist. Zwar hegt auch hier ein rechtswidriges Verhalten vor (Verstoß gegen die Aufhebungspflicht), doch handelt es sich bei diesem Verhalten nicht um eines, aufgrund dessen - mit welcher Begründung auch immer - der Staatsakt nunmehr als rechtswidrig geworden zu bezeichnen wäre. Vielmehr bedingt nach dieser Ansicht das Rechtswidrigwerden des Staatsakts umgekehrt erst die Aufhebungsverpflichtung und diese wiederum ein rechtswidriges Unterlassen im Fall des Verstoßes gegen diese Pflicht.
E. Erste rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden von Normen Bevor der Frage nach dem denkbaren Ansatz für das nachträgliche Rechtswidrigkeitsurteü nachgegangen und anhand dessen auch Schlußfolgerungen für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen gezogen werden, sollen zunächst einige rechtsdogmatische Argumente genannt werden, die für die generelle Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen sprechen. In diesem Zusammenhang wird auch das Grundgerüst der dogmatischen Konstruktion des Rechtswidrigwerdens von Normen erkennbar werden.
L Die Normenkontrolle Ein erster wesentlicher Ansatzpunkt zur rechtsdogmatischen Begründung eines Rechtswidrigwerdens findet sich in der Art der gerichtlichen Kontrolle, der Normen unterliegen. Im Rahmen der bundesverfassungsrechtlichen Normenkontrollverfahren büdet die Norm selbst, nicht das Verhalten des Erlasses oder der Nichtaufhebung durch den Normgeber den Gegenstand des Verfahrens 49.
48 Daß bei Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens auch der daraus resultierende Erfolg als rechtswidrig anzusehen ist, wird natürlich auch von dieser Auffassung nicht in Zweifel gezogen. 4 9 Murswieck, Staatliche Verantwortung, S. 188; Schiaich, BVerfG, Rdnrn. 118 f., 133,205; v. Mutius, Jura 1987, 534 (536).
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E. Rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden
Bei der Normenkontrolle geht es um die Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht. In den Fällen der sog. abstrakten und konkreten Normenkontrolle nach Art 93 Abs. 1 Nr. 2 , 100 Abs. 1 GG ist dies auch beinahe einhellige Auffassung50. Aufgrund dieser allgemeinen Interpretation der Regelungen sieht sich das Bundesverfassungsgericht z. B. in Organstreitverfahren 5 , in denen mittelbar um die Rechtmäßigkeit einer Norm gestritten wird, gezwungen, auf die Abweichungen gegenüber dem Prüfungsgegenstand bei Normenkontroüverfahren ausdrücklich hinzuweisen52. Während (und wenn) es im Organstreit um die Rechtsverletzung durch den Erlaß oder die Aufrechterhaltung
einer Norm geht,
betreffen die Verfahren der Normenkontroüe die Rechtmäßigkeit bzw. die Rechtsgültigkeit der Norm Verfahrenseegenstand ist also nur beim Organstreit die Pflichtwidrigkeit des Normgebers. Insofern kann darin auch ein beachtlicher Unterschied für den Ausgang des Verfahrens üegea Gerade in den hier interessierenden Fäüen des Rechtswidrigwerdens von Normen kann das Bundesverfassungsgericht im Organstreitverfahren aüenfaüs die Pflichtwidrigkeit der Nichtaufhebung oder Nichtänderung einer Norm feststehen. Ein Rechtswidrigwerden und eine infolgedessen möglicherweise eingetretene Nichtigkeit der Norm wären unbeachtlich. Daß die Normenkontroüverfahren demgegenüber einen anderen Prüfungsgegenstand auf weisen, dürfte denn auch von Rupp gar nicht bestritten werdea Auf der Grundlage semer wenigen Andeutungen üeße sich jedoch gegen das angeführte Beispiel der Normenkontroüe als Beleg für die (rechtdogmatische) Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen folgendermaßen argumentieren: Das Beispiel der Normenkontroüe sei untaugüch, da es bei der Kontroüe der Vereinbarkeit einer Norm mit höherrangigem Recht gar nicht um eine Rechtmäßigkeitskontroüe im eigentüchen Suine gehe. Rechtswidrigkeit bedeute schüeßüch Pflichtwidrigkeit und eine solche sei in diesen Fäüen des nachträgüchen Widerspruch zu höherrangigem Recht nicht vorhanden. Vielmehr werde hier von Rechtswidrigkeit im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsordnung gesprochen. Zwar könne man auch einen solchen Widerspruch zu höherrangigem Recht als rechtswidrig bezeichnen, doch müsse man sich in diesem
5 0
Anders lediglich Schneider, FS Jahrreiß, S. 385 (392 f.); vgl. zur Ansicht von Schneider noch ausführlich in § 5 C II 2 a. 51
52
Ait. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5,63 ff. BVerfGG.
BVerfGE 20, 134 (141): " ... der Antrag im... Organstreit bezieht sich nicht auf die Norm als solche, sondern auf die Maßnahme, die in dem Erlaß der Norm durch die Gesetzgebungsorgane zu sehen ist." S. dazu m. w. Nachw. auch Clemens, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, §§ 63, 64 Rdnr. 139; 53für § 72 BVerfGG s. Umbach, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 72 Rdnr. 10. Natürlich nur, sofern es überhaupt um eine Rechtsverletzung durch Normgebung geht.
§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
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Fall der Differenz zum Rechtswidrigkeitsbegriff als Pflichtwidrigkeit bewußt sein. Eine solche Argumentation wäre vom Standpunkt Rupps ausgehend durchaus konsequent. Sie müßte genau genommen allerdings dazu fuhren, daß entweder von der Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit einer Norm oder eines anderen Staatsakts gar nicht mehr gesprochen werden könnte, weil sich der Rechtmäßigkeitsmaßstab nicht auf die Norm, sondern auf den Normerlaß beziehen würde, oder zwischen der - so verstandenen - Rechtmäßigkeit der Norm und ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht getrennt werden müßte bzw. zwischen verschiedenen Rechtswidrigkeitsbegriffen zu trennen wäre. Die erste Alternative zieht Rupp selbst nicht in Betracht, so daß hier das Augenmerk auf die Möglichkeit der Trennung verschiedener Rechtswidrigkeitsbegriffe gerichtet werden kann. Eine solche theoretisch denkbare Trennung widerspräche bereits der Gesetzesterminologie. Das Grundgesetz und das BVerfGG sprechen an verschiedenen Stellen von der Vereinbarkeit von Normen mit anderen Normen54. Regelmäßig wird der Begriff der Rechtmäßigkeit oder der Verfassungsmäßigkeit nicht verwendet. Eine Ausnahmefindet sich allerdings in § 95 Abs. 3 S. 2 BVerfGG, wo ausdrücklich von einem "verfassungswidrigen Gesetz" die Rede ist. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, was bislang auch nicht angezweifelt wurde: Das Gesetz verwendet die Begriffe Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit gleichbedeutend55. Dieser Befund kann auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß die Verwendimg des Begriffs Verfassungswidrigkeit (nur) in Zusammenhang mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren steht. Zwar könnten die Regelungen der §§ 92, 95 Abs. 1 BVerfGG bei Verfassungsbeschwerden gegen Normen nach ihrem Wortlaut so verstanden werden, daß sie für die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde gegen Normen immer ein pflichtwidriges Verhalten des Normgebers vorschrieben56. Da sich diese Überlegung jedoch nicht auf die Normenkontrollverfahren der Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 100 Abs. 1 GG übertragen läßt57, käme es bei einer solchen Interpretation der §§ 92, 95 Abs. 1 BVerfGG zu einer merkwürdigen Divergenz zwischen verschiedenen Verfahren der Normenkontrolle. Mit der ganz überwiegenden Auffassung sind diese Regelungen zum Verfassungsbeschwerdeverfahren in Übereinstimmung mit den sonstigen 5 4 Art. 93 Abs. 1 Nr. 2,100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 6 u. 11,31 Abs. 2 S. 2 u. 3,76 Nr. 1 u. 2, 78, 79 Abs. 1, 80 Abs. 2,93 b Abs. 2 S. 3 BVerfGG. 55
Zur Terminologie vgl. auch die Anmerkung von Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rdnr. 8 (Fußn. 15). 5 6 So Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 184 (Fußn. 25), wonach es sich bei der Verfassungsbeschwerde um eine Rüge der Pflicht- und Grundrechtsverletzung unmittelbar durch den Normsetzer handele. 57 Zu diesen äußerst sich Rupp (vorausgehende Fußn.) bezeichnenderweise auch gar nicht.
E. Rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden
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Regeln zur Normenkontrolle auszulegen. Folglich hat das Gericht auch nachträgliche Veränderungen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und kann die Kontroüe nicht nur auf den Erlaß der Norm beschränken, wie dies Rupp fordert.
IL Die Fäüe der grundrechtlichen Beseitigungspflicht des Staates gegenüber rechtmäßig erlassenen Normen L Die Anerkennung von Beseitigungspflichten
gegenüber staatlichen Eingriffen
Ein zusätzliches (im Grunde: das entscheidende rechtsdogmatische) Argument für die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen ergibt sich aus der Analyse der aügemein anerkannten Beseitigungspflicht des Staates gegenüber rechtswidrigen Eingriffen in subjektive Rechte. Derartige Beseitigungspflichten sind für aüe Arten staatlicher Eingriffe unter der Voraussetzung anzuerkennen, daß das subjektive Recht durch den Eingriff rechtswidrig beeinträchtigt wird. Aufgrund des durch die Grundrechte gewährleisteten Abwehrrechtsschutzes gegenüber jeder Art staatüchen Handelns güt diese Beseitigungspfücht auch für rechtswidrige Normen58. Wie zahlreichen Beispielsfäüen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen ist, werden staatliche Pflichten zur Änderung oder Aufhebung (also Beseitigungspflichten) nicht nur bei rechtswidrig erlassenen, also von Anfang an rechtswidrigen Normen anerkannt, sondern auch bei solchen, die trotz ihres rechtmäßigen Erlasses zu einem späteren Zeitpunkt rechtswidrig in subjektive Rechte (Grundrechte) eingreifen 59. Schenke, Rechtsschutz, S. 58 ff., 77 ff., 146 ff.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 673 ff. m. w. Nachw. Eine Ablehnung der Beseitigungspflicht und des damit korrespondierenden Anspruchs auf Beseitigung der mit der Norm einhergehenden Beeinträchtigung unter Hinweis auf die ohnehin bestehende Nichtigkeit der Norm stellte sich als eine naturalistische Betrachtungsweise dar, die die Rechtsscheinwirkungen nichtiger Staatsakte nicht hinreichend berücksichtigt (vgl. auch Schenke, Rechtsschutz, S. 79 f., mit Hinweis auf die Abhandlung von Kipp, Doppelwirkungen im Recht, in: Festschrift für Martitz (1911), S. 211 ff.). Konsequenterweise müßte die Leugnung derartiger Beseitigungspflichten auch zur Ablehnung der Möglichkeit normativer Rechtsverletzungen überhaupt führen. 5 9
Beispiele finden sich etwa in BVerfGE 16, 130; 16, 147; 83, 1; in § 7 A III 1-3 sind diese Fälle näher dargestellt. Schon an dieser Stelle soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß ein Rechtswidrigwerden von Normen, sofern es generell anzuerkennen ist, keineswegs immer mit der Existenz von Beseitigungspflichten gegenüber der rechtswidrig gewordenen Norm einhergehen muß. Beseitigungspflichten sind nur denkbar in Verbindung mit Eingriffsnormen. Ein Rechtswidrigwerden von Normen kommt aber nicht nur bei Eingriffsnormen, sondern auch bei Leistungsund Schutznormen in den Fällen in Betracht, in denen die durch das höherrangige Recht geforderte Leistung sowie der geforderte Schutz durch die Norm nicht mehr ausreichend gewährt wird. Hier handelt es sich gewissermaßen um das Gegenstück zur Eingriffsnorm. Während dort der Eingriff zu weit reicht (nicht mehr gerechtfertigt ist), ist hier der Schutz oder die Leistung nicht mehr aus6 Baumeister
§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
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Die Konstruktion von Beseitigungspflichten und damit korrespondierenden Beseitigungsansprüchen basiert auf der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte. Auf dieser Grundlage gebieten die Grundrechte staatliche Beachtung der in Urnen gewährten Freiheiten. Damit begründen sie zugleich eine Pflicht des Staates zum Unterlassen von Beeinträchtigungen des jeweiligen subjektiven Rechts sowie zur Beseitigung nicht gerechtfertigter Beeinträchtigungen, die dem Staat zuzurechnen sind. Im Grundsatz werden die Grundrechte als absolute Abwehrrechte60 oder als Beherrschungsrechte61 flankiert durch sog. Hilfsrechte in Form von Unterlassungs- und Beseitigungsaflsprüchen, ohne die das absolute Recht gar nicht wirksam geschützt wäre. Hinsichtlich der Unterlassungspflichten des Normgebers dürfte es zwar regelmäßig am Pendant des Unterlassungsanspruchs fehlen 62. Doch ändert sich damit nichts am grundsätzlichen Verhältnis zwischen Unterlassungs- und Beseitigungspflichten und die hier zu untersuchende Frage nach den Voraussetzungen der Entstehung der Beseitigungspflicht bzw. des Beseitigungsanspruchs.
2. Die Herleitung und das Verhältnis von Unterlassungs- und Beseitigungspflicht
Das Bestehen derflankierenden Unterlassungs- und Beseitigungspflichten und -ansprüche ist im Grundsatz heute wohl weitgehend unbestritten63. Trotz zahlreicher Stellungnahmen noch nicht abschließend geklärt ist bislang ihre genaue Herleitung und vor allem das Verhältnis der Hilfsrechte zueinander. Die Unterlassungspflichten des Staates werden regelmäßig unmittelbar aus dem subjektiven Abwehrrecht abgeleitet, da der Schutz eines absoluten Rechts nur durch derartige Hilfsrechte erreicht werden kann. Ohne Anerkennung der Unterlassungspflichten könnten die Grundrechte kaum mehr als subjektive Rechte angesehen werden64. Sofern unmittelbar die Verletzung einer Unterlasreichend. Zu den damit verbundenen Fragestellungen vgl. § 5 Β I 2 und ausführlich in § 7. Hier kam es nur darauf an, einem möglicherweise entstehenden falschen Eindruck vorzubeugen. 6 0
Stern, Staatsrecht III/l, S. 673 m. w. Nachw.
6 1
Schenke, Rechtsschutz, S. 58 ff., 77 ff., 146 ff.
6 2
Zu den Gründen näher Schenke, Rechtsschutz, S. 127 ff.
OJ
Vgl. neben den in den vorausgehenden Fußn. genannten ζ. B. Isensee, HbdStR V, § 111 Rdnr. 76; mitunter werden die Unterlassungsansprüche allerdings nicht verfassungsrechtlich verankert, s. ζ. B. Laubinger, VerwArch. 80 (1989), 261 (292 f.), was angesichts der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte aber unausweichlich erscheint. Gegen Laubinger deshalb zu Recht auch Schenke, Polizeirecht, Rdnr. 84. 6 4
Für die Auffassung von Schoch y VerwArch. 79 (1988), 1 (35 f.), daß damit die Unterlassungspflichten nicht logisch, sondern teleologisch aus den Grundrechten abzuleiten sind, spricht deshalb einiges. Nach Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 14, liefe ein Recht ohne Abwehrbe-
E. Rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden
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sungspflicht droht und damit eine unmittelbare Gefährdung eines Grundrechts eingetreten ist, korrespondiert mit der betreffenden Unterlassungspflicht - jedenfalls außerhalb des Bereichs der Normen - auch ein Unterlassungsanspruch65. Mehr Probleme bereitet dagegen die Herleitung von grundrechtlichen Beseitigungspflichten und -ansprachen. Nach einer in jüngster Zeit weiter im Vordringen begriffenen Ansicht wird das Bestehen von Beseitigungspflichten als Sanktion einer Verletzung von Unterlassungspflichten angesehen. So hat schon Weyreuther im Beseitigungsanspruch einen umgewandelten, der geschehenen Rechtsverletzung angepaßten Unterlassungsanspruch gesehen66. Nach Ansicht von M Redeker ist in diesem Faü der Unterlassungsanspruch untergegangen und an seme Steüe der Abwehranspruch als Hauptanspruch getreten67. Th. Horn sieht mit dem Eintritt der Rechtsverletzung den Unterlassungsanspruch als unerfüübar geworden an, weshalb sich das Abwehrrecht nur noch durch einen Anspruch auf Befreiung von dem geschehenen Eingriff realisieren lasse68. Nach Schoch entsteht der Beseitigungsanspruch zwar ebenfaüs mit der Verletzung der Unterlassungspflicht, aüerdings ohne daß der Unterlassungsanspruch deshalb untergegangen sei69. Vielmehr sei im Beseitigungsanspruch gerade das Mittel zur Erfüüung der Unterlassungspflicht zu sehen. Soweit diese Auffassungen von einem Stufenverhältnis zwischen der Unterlassungs- und der Beseitigungspflicht ausgehen, scheint dies auf den ersten Blick erne nachvollziehbare, tragfähige Basis für die Ableitung der Beseitigungspflichten aus dem jeweiügen Abwehrrecht zu bieten. Bei dieser Art der Herleitung der Beseitigungpflicht wird an das Vorüegen einer Beseitigungspflicht die Voraussetzung geknüpft, daß der Staat (zuvor) gegen seine Pflicht, fugnis inhaltlich leer. Eine sich bei manchen Autoren andeutende Gleichsetzung des absoluten Rechts mit dem Anspruch auf Unterlassen wird dagegen der eigenständigen Bedeutung des absoluten Rechts nicht gerecht. In ähnliche Richtung, allerdings unter Leugnung der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte selbst, tendiert auch die Status-Lehre von Rupp, Grundfragen, S. 161 ff.; kritisch dazu Schenke, Rechtsschutz, S. 62 ff. 6 5 Schenke, AöR 95 (1970), 223 (231 ff.); ders., Rechtsschutz, S. 68 (Fußn. 170); so auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 36,1 (S. 254). Anders dagegen z. B. Wey reuther, Gutachten Β zum 47. DJT, S. 82, und Schwabe, Gnindrechtsdogmatik, S. 20, die im Ergebnis davon ausgehen, daß jeder Unterlassungspflicht auch ein Unterlassungsanspruch korrespondiert. Eine solche Konstruktion, die zu einer maßlosen Ausweitung von Ansprüchen und damit zur Verwässerung des Anspruchsbegriffs führen würde, läßt sich mit dem herkömmlichen Anspruchsbegriff nicht in Einklang bringen. 6 6 Weyreuther, Gutachten Β zum 47. DJT, S. 85; so wohl auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 35 (S. 252), der den Unterlassungsanspruch aber zugleich als "eine Variante des Störungsabwehranspruchs" begreift. 6 7
M. Redeker, DÖV 1987,194 (197).
6 8
Th. Horn, Die Aufhebung, S. 52; zum Aufhebungsanspruch s. ders., DÖV 1990, 864 (866 f.). 6 9
6*
Schoch, VerwArch. 79 (1988), 1 (36).
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rechtswidrige Eingriffe zu unterlassen, verstoßen hat Auch wenn diese Voraussetzung auf den ersten Blick durchaus akzeptabel erscheinen mag, so gilt dies jedoch nur für den Normalfall der Entstehung einer Beseitigungspflicht Gerade in dem hier interessierenden Fall des nachträglichen Wegfalls der Rechtfertigung eines normativen Eingriffs fehlt es nämlich an einer solchen vorausgehenden Unterlassungspflichtverletzung durch den Normgeber. Wollte man auch in diesem (Sonder-)Fall das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs an eine Unterlassungspflichtverletzung koppeln, so müßte der Beseitigungsanspruch wohl verneint werdea Dies verdeutlichen folgende Überlegungen: Ist die Eingriffsnorm im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig, so kann in ihrem Erlaß auch keine Unterlassungspflichtverletzung gesehen werdea Fällt die Rechtfertigung für diese Norm später weg, so kann die Begründung des damit entstehenden Beseitigungsanspruchs nicht in einer Unterlassungspflichtverletzung zu suchen sein. Hier käme als vorausgehende Pflichtverletzung durch den Normgeber allenfalls ein Verstoß gegen eine Pflicht in Betracht, die Entstehung eines sich aufgrund von Veränderungen andeutenden Widerspruchs zwischen der Eingriffsnorm und dem Grundrecht zu verhindern. Bei einer solchen Pflichtverletzung handelte es sich jedoch um eine Handlungs-, nicht um eine Unterlassungspflichtverletzung. Ein Stufenverhältnis zwischen Unterlassungs- und Beseitigungspflicht kann deshalb zumindest in diesen Fällen nicht anerkannt werdea Vielmehr ist von einer Art gleichberechtigtem Nebeneinander der beiden Hilfsrechte auszugehen70. Die untragbare Konsequenz, anderenfalls in den hier relevanten Fällen des nachträglichen Wegfalls der Rechtfertigung eines Eingriffs einen Beseitigungsanspruch ablehnen zu müssen, dürfte von den oben genannten Stimmen aus der Literatur kaum bedacht worden sein. Sie entspricht wohl auch nicht der Auffassung von Schoch. Seine Ausführungen zu der Frage, ob auch ein nachträglicher Wegfall der Rechtfertigung einer Norm einen (Folgen-) Beseitigungsanspruch auslösen kann, sind nicht ganz eindeutig, dürften aber wohl im Ergebnis im Sinne einer Bejahung dieser Frage zu verstehen sein. So weist er in seinen Bemerkungen zum grundrechtlichen Integritätsanspruch (als Zusammenfassung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen) darauf hin, daß dieser "weder einen rechtswidrigen Eingriffsakt noch einen rechtswidrigen Zustand duldet"71. Nicht ganz deckungsgleich erscheint dagegen seine Aussage, dem Streit um den richtigen Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit sei der Boden entzogen, "weil sich die verschiedenen (Beseitigungs-) Ansprüche nur als Mittel zur Erfüllung des 70 Eine solche Gleichstellung ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn man das subjektive Abwehrrecht als absolutes Recht nicht mit dem seinen Schutz dienenden Unterlassungsanspruch identifiziert, vgl. bereits Fußn. 64; in diese Richtung deuten auch die Ausführungen von Th. Horn, Die7 Aufhebung, S. 50 ff. 1 Schock, VerwArch. 79 (1988), 38.
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ursprünglichen Unterlassungsanspruchs darsteüen"72. Ob im Faü der nachträglichen Entstehung einer Beseitigungspflicht ebenfaüs eine vorausgehende Verletzung einer Unterlassungspflicht gefordert wird und worin eine solche Verletzung bestehen könnte, läßt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen. Wie schon die Ableitung der Unterlassungspflicht als eine dem Schutz des absoluten Rechts dienende und wesensnotwendige Pflicht gezeigt hat, muß demnach auch die Beseitigungspflicht in der Notwendigkeit des Schutzes der Grundrechte ihre Grundlagefinden. Ohne die Existenz der Beseitigungspflicht wäre bei eingetretener Verletzung des subjektiven Rechts kern Schutz mehr vorhanden. Wie die Praxis zeigt, lassen sich zahlreiche Rechtsverletzungen trotz Anerkennung der Unterlassungsansprüche nicht verhindern. Ein effektiver Grundrechtsschutz läßt sich daher meist nur aufgrund der Anerkennung von Beseitigungsansprüchen realisieren. Dies entspricht auch unserem Rechtsschutzsystem, das in wesentlichen Teüen aUein den repressiven Schutz subjektiver Rechte kennt. Woüte man Beseitigungspflicht und -anspruch nicht anerkennen, so üefe die Abwehrrechtsfunktion der Grundrechte in weiten Teüen leer 73. Die Ableitung der Beseitigungsansprüche erweist sich damit weniger als konstruktiv-logische, wie dies im Schrifttum mittlerweüe überwiegend gesehen wird, als vielmehr als eine teleologische74. Konsequenterweise wird damit das absolute Recht neben der Unterlassungspflicht auch durch die Pflicht zur Beseitigung rechtswidriger Beeinträchtigungen flankiert. Erst durch die damit korrespondierenden Hilfsrechte wird dem absoluten Recht zur Wirksamkeit verholfen. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche stehen dabei in keinem irgendwie gerarteten Stufenoder Rangverhältnis, da die Entstehung beider Pflichten jeweüs nicht mit der Aktuaüsierung der jeweüs anderen Pflicht in Zusammenhang stehen muß.
3. Ergänzende Hinweise zu Inhalt und Reichweite der Beseitigungspflicht
a) Ausnahme von der Beseitigungspflicht in Fäüen bloßer Unvereinbarerklärungen? Auch wenn die grundrechtliche Beseitigungspflicht mittlerweüe überwiegend Anerkennung gefunden hat, soü noch kurz auf eine Besonderheit hingewiesen werden, die mit dem gerichtüchen Rechtsschutzverfahren zusammenhängt und 7 2
Ebd., S. 42 f.
7 3
So auch W. Martens, FS Schack, S. 85 (95); siehe Schoch, VerwArch. 79 (1988), 35 (Fußn.
200). 7 4
Vgl. bereits im Hinblick auf die Unterlassungsansprüche Fußn. 64.
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§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
die auf den ersten Blick die Existenz von Beseitigungsansprüchen in Frage stellen könnte. In gerichtlichen und vor allem verfassungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren dürfte der Fall der Nichtigerklärung einer Norm wegen ihrer Verfassungswidrigkeit mittlerweüe seltener geworden sein als die bloße Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm ohne Nichtigerklärung75. In diesen Fällen wird das Bestehen einer Beseitigungspflicht aber keineswegs bestritten, wie es zunächst den Anschein haben könnte. Ohne daß hier näher auf die Problematik der Unvereinbarerklärung eingegangen werden kann und muß, läßt sich folgendes festhalten: In diesen Fallkonstellationen kommt, soweit sie anerkannt werden, eine Nichtigerklärung deshalb nicht in Betracht, weü dieses dem Gericht einzig zur Verfugung stehende Mittel der Beseitigung der Normwirkung der gesamten rechtlichen Situation nicht adäquat Rechnung trägt. Hier bedürfte es einer Ersetzung der verfassungswidrigen Norm durch eine andere rechtmäßige Regelung. Dies kann aber das Gericht nicht leisten. Insofern ist hier die Erfüllung der Pflicht zur Beseitigung ausnahmsweise dem Normgeber allein vorbehalten. Es geht also nicht darum, eine staatliche Pflicht zur Aufhebung der rechtswidrigen Norm zu verneinen; der Normgeber ist, ganz unabhängig von einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Aufhebung oder Änderung (Beseitigung) der Norm verpflichtet 76. Eine Besonderheit ergibt sich lediglich dadurch, daß dem Normgeber regelmäßig noch eine Frist zur Neuregelung gewährt wird. In diesem Fall ist die (vorübergehende) Aufrechterhaltung trotz bestehender Beseitigungspflicht als rechtmäßig anzusehen.
b) Inhalt des Beseitigungsanspruchs Wenn bisher von der staatlichen Beseitigungspflicht gegenüber rechtswidrigen Normen und von dem korrespondierenden Anspruch des betroffenen Grundrechtsträgers die Rede war, so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, welchen Inhalt der Beseitigungsanspruch hat. Zunächst wäre daran zu denken, daß der Betroffene die Beseitigung der Norm insgesamt, also nicht nur ihm gegenüber, sondern allgemeinverbindlich, verlangen kann. Wie Schenke im Hinblick auf die Frage des erforderlichen Rechtsschutzes nachgewiesen hat77, bedarf es für den Schutz des betroffenen Grundrechtes aber regelmäßig gerade keiner generellen, sondern lediglich einer individuellen Beseitigung einer sol-
7 5 7 6 7 7
Vgl. die Nachw. in § 7 ΒI. Ähnlich zu dieser Problematik bereits Schenke, Rechtsschutz, S. 80 (Fußn. 217). Schenke, Rechtsschutz, S. 147 ff.
E. Rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden
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chen Nona Der materielle Anspruch des einzelnen auf Beseitigung der Norm hat daher immer nur die individuelle Beseitigung zum Inhalt78. Betrachtet man die Frage, worauf die Beseitigung gerichtet ist, aber aus der Perspektive der Beseitigungspflicht, so bleibt dem Staat nur die Mögüchkeit einer genereüen Aufhebung oder Änderung der Norm Die "partieUe" Aufhebung, d. h. die ledigüch inzidente Feststeüung der Nichtigkeit der Norm mit Wirkung nur für den einzelnen Betroffenen, ist erne Besonderheit des auf subjektiven Rechtsschutz zielenden gerichtüchen Verfahrens und scheidet als Handlungsalternative für den zur Aufhebung verpflichteten Staat als Gesetzgebungsorgan aus. Die Verpflichtung zur genereüen Beseitigung erklärt sich aber auch aus dem Umstand, daß dieser Pflicht eine (fast unbegrenzte) Vielzahl von subjektiven Rechten auf (individueüe) Beseitigung gegenübersteht. Diesem Bündel von Ansprüchen entspricht auf der Pflichtenseite aUein eine genereüe Beseitigungspflicht.
c) Die zeitlich begrenzte Reichweite des Beseitigungsanspruchs Zuletzt bleibt noch kurz darauf hinzuweisen, daß u. U. die Beseitigungspflicht begrenzt sein kann. Denkbar ist zum einen, die Beseitigungspflicht von der Geltendmachung des Anspruchs innerhalb einer bestimmten Frist abhängig zu machen. Bekanntes Beispiel ist die Bestandskraft von Verwaltungsakten. In gewisser Hinsicht vergleichbar sind für den Bereich der Normen solche Regelungen, die Einwände gegen die Rechtmäßigkeit von Satzungen nur innerhalb einer bestimmten Frist für beachtlich erklären79. In diesen Fäüen handelt es sich um eine einfachgesetzliche Abwägung zweier widerstreitender Verfassungsgrundsätze: die verfassungsrechtliche Beseitigungspflicht und das ebenfaüs verfassungsrechtlich verankerte Prinzip der Rechtssicherheit. Soweit die Abwägung des Gesetzgebers durch die Verfassung gedeckt wird, ist es dem Normgeber auch möglich, zugunsten der Rechtssicherheit bestimmte Fristen vorzusehen80. 78 Im Rahmen des Rechtsschutzes hat dies zur Konsequenz, daß keineswegs immer eine, zur allgemeinverbindlichen Nichtigerklärung führende prinzipale Normenkontrolle erforderlich ist, sondern auch eine inzidente Rechtsschutzmöglichkeit ausreichen kann, vgl. nfiher Schenke, Rechtsschutz, S. 150. In vielen Fällen wird gleichwohl nur eine allgemeinverbindliche Nichtigerklärung in Betracht kommen, da hier inzidente Rechtsschutzmöglichkeiten keinen effektiven Rechtsschutz bewirken. 79 Die bekanntesten Beispiele stammen hier aus dem Baurecht, s. § 215 Abs. 1 BauGB. Ähnliche Regelungen gibt es im Bereich des Landeskommunalrechts, s. z. B. §§ 4 Abs. 4, 18 Abs. 6 S. 2 GemO 80 Bad.-Württ.; vgl. zu dieser "Bestandskraft von Satzungen" Maurer, FS Bachof, S. 215 ff. Für den Fall des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (Sieben- Jahres-Frist bei materiellen Abwägungsfehlem) ist nach ganz Oberwiegender Ansicht im Schrifttum diese Grenze allerdings Oberschritten, vgl. Stellv. Battis , in: Battis/Krautzberger/Löhr, Vorbem. §§214-216 Rdnr. 7.
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§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
Den Ausfluß einer anderen Fallgestaltung, in der der grundrechtlich fundierte Beseitigungsanspruch durch gleichrangige verfassungsrechtliche Prinzipien überlagert wird, stellt die Regelung des § 46 VwVfG dar. Hier wird - ohne jede Frist - die Aufhebung eines lediglich an einem formellen Fehler leidenden Verwaltungsakts aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeschlossen81.
4. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung für eine grundrechtliche Beseitigungspflicht
Von grundlegender Bedeutung für die Frage der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen wie von Verwaltungsakten ist die Erkenntnis, daß ein grundrechtlicher Beseitigungsanspruch notwendigerweise die Rechtswidrigkeit des zu beseitigenden Eingriffs voraussetzt. Für den Bereich des Folgenbeseitigungsanspruchs wird dieser Voraussetzung durch das allgemein anerkannte Erfordernis eines rechtswidrigen Zustands Rechnung getragen. So einleuchtend und selbstverständlich diese Voraussetzung auch sein mag, so wenig wird sie im Ergebnis jedoch beachtet. Aufgrund der Ablehnung des mittlerweile fast allgemein befürworteten Stufenverhältnisses von Unterlassungs- und Beseitigungspflicht ist die Rechtswidrigkeit des Staatsakts im Zeitpunkt seines Erlasses nicht zwingende Voraussetzung für die Entstehung der Beseitigungspflicht. Allein entscheidend ist das Vorhegen einer Rechtsverletzung. Diese ist zu bejahen, sofern der Eingriffsakt im Zeitpunkt seiner Vornahme als rechtswidrig zu qualifizieren ist oder bei fortdauerndem, zunächst rechtmäßigem Eingriff die Rechtfertigung des Eingriffs nachträglich entfällt.
5. Konsequenzen fur die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
von Normen
Mit der Anerkennung der Beseitigungspflichten und ihrer Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs liegt es mehr als nahe, den Staatsakt, zu dessen Beseitigung der Staat verpflichtet ist, selbst als rechtswidrig zu bezeichnen. In den Fällen des rechtswidrigen Erlasses des Staatsakts versteht sich dies von selbst. Bedenken könnten nur dann bestehen, wenn der Staatsakt rechtmäßig erlassen wurde. Ist in diesen Fällen eine Beseitigungspflicht anzuerkennen82, so ist der mit der Existenz des Staatsakts verbundene Eingriff zwingend als rechtswid81
Vgl. dazu grundlegend Schenke, DÖV 1986,305 (314).
Allgemein anerkannte Beispiele dafür aus der Rechtsprechung wurden bereits genannt, vgl. oben Fußn. 59.
E. Rechtsdogmatische Überlegungen zum Rechtswidrigwerden
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rig anzusehen. In diesem Fall erscheint es beinahe ebenso zwingend, zumindest aber einzig konsequent, den Staatsakt, der den Eingriff darstellt, ebenfalls als rechtswidrig zu bezeichnen. Anderenfalls wäre ein Beseitigungsanspruch aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs anzuerkennen, der seinerseits durch einen rechtmäßigen (!) Staatsakt ausgelöst worden wäre. Die Pflicht zur Aufhebung oder Änderung (Beseitigungspflicht) eines Staatsakts geht daher richtigerweise mit der Rechtswidrigkeit des Staatsakts einher. Eine Pflicht zur Aufhebung eines rechtmäßigen Staatsakts muß zumindest erhebliche Bedenken hervorrufea In Konsequenz dieser Überlegungen sprechen die in bestimmten Fällen allgemein anerkannten Beseitigungspflichten gegenüber rechtmäßig erlassenen Normen und Verwaltungsakten für die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Staatsakten aügemeia
HL Der Folgenbeseitigungsanspruch Von den Überlegungen zum grundrechtlich fundierten Beseitigungsanspruch ist der Weg zum Folgenbeseitigungsanspruch, der im Grunde nur eine spezieUe Ausprägung des aUgemeinen Beseitigungsanspruchs darsteüt, nicht weit . Was für den aügememen Beseitigungsanspruch güt, güt in gleicher Weise auch für den Folgenbeseitigungsanspruch. Auch zu seiner Entstehung bedarf es keines rechtswidrigen Verhaltens, sondern nur ernes "rechtswidrigen Zustands"84. Ausdrücklich anerkannt wurde demgemäß die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens im Staatshaftungsgesetz 198185. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 StHG soüte ein Folgenbeseitigungsanspruch auch dann bestehen, "wenn ein durch die öffentliche Gewalt herbeigeführter Zustand nachträglich rechtswidrig wird, diese Folgen ihr als fortwirkender Eingriff zuzurechnen und nicht schon nach anderen Rechtsvorschriften zu beseitigen sind". Auch wenn diese Regelung nie Geltung erlangt hat, so spiegelt sich in ihr nicht nur die aügemeine Meinung zu den Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs wider, sondern auch die Ansicht des Gesetzgebers über die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Zuständen. Solche Zustände können zweifeüos auf Normen oder Verwaltungsakte bezogen sein.
83
84 Hinweise auf diese Verbindung finden sich etwa auch bei Schenke, DVB1. 1990,328 (330). Vgl. z. B. Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 26; Weyreuther, Gutachten Β zum 47. DJT 1968, S. 70; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 37, le (S. 262); Köckerbauer, JuS 1988,784 f.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 382. 85 Gesetz v. 26.6.1981, BGBl. I, S. 553; wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz durch das BVerfG (BVerfGE 61,149 (151)) für nichtig erklärt.
§ 4 Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens
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F. Fortgang der Untersuchung Um die Frage der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen klären zu können, muß die Untersuchung mit der Klärung des Ansatzpunktes für ein nachträgliches Rechtswidrigkeitsurteü fortsetzea In Betracht kommen - wie dargelegt86 - die Anknüpfung des nachträglichen Rechtswidrigkeitsurteüs an die pflichtwidrige Aufrechterhaltung sowie der Widerspruch zum höherrangigen Recht ohne vorausgehendes pflichtwidriges Verhaltea Da der zweite Ansatz, bei dem es zu einer Abkoppelung des Rechtswidrigkeitsbegriffs von einer Pflichtwidrigkeit kommt, rechtsgrundsätzlichen und auch rechtstheoretischen Einwänden ausgesetzt ist, erscheint zunächst die erste Möglichkeit der Begründung des Rechtswidrigwerdens näherliegend. Bei näherer Hinsicht ergeben sich aber auch hier erhebliche Bedenken. Dies hat die h. M., ohne daß diese Bedenken immer ausreichend reflektiert worden sind, dazu veranlaßt, die Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens eines Verwaltungsakts generell abzulehnen und lediglich ein Rechtswidrigwerden der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts für möglich zu halten. Da allerdings bisher kaum Bedenken gegen die Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens von Normen vorgebracht wurden, kommen aufgrund der hier erkennbaren Inkonsequenz allerdings schon insoweit Zweifel an der Richtigkeit der Bedenken der h. M. auf. Zunächst sollen in § 5 die Bedenken gegen den ersten Begründungsansatz näher überprüft werden, bevor der zweite Ansatz in § 6 auf seine Haltbarkeit eingehend untersucht wird.
8 6
S. oben § 4 D.
§ S Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung der Norm Auf der Grundlage der Auffassung, Rechtswidrigkeit sei nicht ohne Pflichtwidrigkeit denkbar, kommen - wie gesehen1 - theoretisch drei Begründungsvarianten für ein Rechtswidrigwerden einer Norm in Betracht. Sämtliche Begründungen müssen, da sie ihren Ausgangspunkt in einem pflichtwidrigen Verhalten nehmen müssen, bei der pflichtwidrigen Aufrechterhaltung der betreffenden, rechtmäßig erlassenen Norm anknüpfen. Gleich, ob die Rechtswidrigkeit des Staatsakts und die Rechtswidrigkeit seiner Aufrechterhaltung als identisch, als logische Folge oder unter wertenden Gesichtspunkten als gleichartig angesehen werden, immer wird das nachträgliche Rechtswidrigkeitsurteü an ein rechtswidriges Verhalten, den Verstoß gegen die Aufhebungsverpflichtung, geknüpft. Damit scheinen die Anforderungen der überwiegenden Auffassung erfüllt, nach der sich ein Rechtswidrigkeitsurteü ausschließlich auf menschliches Verhalten beziehen kann. Ob sich diese Art der Begründimg eines Rechtswidrigwerdens tatsächlich in den Bahnen der herrschenden Ansicht zum Rechtswidrigkeitsbegriff bewegt, ist bei näherer Hinsicht aber keineswegs so eindeutig, wie es zunächst scheinen mag.
A. Kritik der Annahme der Identität Mit der Begründimg des Rechtswidrigwerdens des Staatsaktes durch die Annahme der identischen Bedeutung der Bezeichnungen "Rechtswidrigkeit des Staatsaktes" und "Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Staatsaktes" wird - ζ. B. bezogen auf Verwaltungsakte - die Behauptung aufgestellt, "der Terminus 'Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts' ist nur eine andere Bezeichnung für den Verstoß der Verwaltung gegen die Verpflichtung, einen Verwaltungsakt nicht zu erlassen bzw. zu beseitigen"2. Diese Überlegungen ließen sich wohl auch auf die Norm übertragen. Ist diese Aussage im Sinne der Behauptung einer wirklichen Identität zwischen der Rechtswidrigkeit des Staatsakts und der Rechtswidrigkeit seiner Aufrechterhaltung zu begreifen, so kann dem nicht zugestimmt werden. Zweifellos existieren Zusammenhänge zwischen der Rechtswidrigkeit eines Staatsakts und 1 2
§4 DI. Schenke, NVwZ 1986, 522 (524); ebenso ders., Beamtenrecht, Fall 22 b (II 2), S. 159.
92
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
möglichen Aufhebungsverpfüchtungea Die Annahme einer Identität muß dagegen ausscheiden3. So ist es keineswegs nur eine terminologische Frage, ob die Bezeichnung rechtswidriger Staatsakt oder rechtswidrige Aufrechterhaltung verwendet wird. Die These der Identität läßt sich sehr leicht durch einen näheren Bück auf die Verwaltungsakte4 widerlegea Keineswegs bei aüen rechtswidrigen Verwaltungsakten existiert auch eine Aufhebungsverpflichtung. So ist die Aufrechterhaltung ernes rechtswidrig erlassenen belastenden Verwaltungsakts nach Ablauf der Anfechtungsfrist regelmäßig rechtmäßig. Die Aufrechterhaltung steht hier gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde5. Von einem Rechtmäßigwerden des rechtswidrigen Verwaltungsakts nach Ablauf der Anfechtungsfristen wird aber zutreffend nicht ausgegangen. In den Fäüen rechtswidrig erlassener begünstigender Verwaltungsakte steht die Aufhebung nur in einem sehr eingeschränkten Ermessen der Behörde; ihre Aufrechterhaltung ist somit eigentlich immer rechtmäßig. Die Divergenz zwischen der Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung und der des Verwaltungsakts zeigt sich auch an den Beispielen der §§ 46 VwVfG, 42 SGB-X, 128 AO. Hier ist die Aufrechterhaltung sogar zwingend vorgeschriebea Die Auslegung des § 46 VwVfG und seiner wortgleichen Paraüelregelungen ist zwar noch immer in der Literatur umstritten, doch hat die Diskussion nach den Darlegungen von Schenke 6 nachgelassen. In konsequenter Fortführung des Grundgedankens, daß es sich bei § 46 VwVfG um den - verfassungsrechtlich zulässigen - Ausschluß des Aufhebungsanspruchs trotz Rechtswidrigkeit und subjektiver Rechtsverletzung handelt, geht Schenke davon aus, daß die Aufhebung des Verwaltungsakts auch nicht im Ermessen der Behörde steht7. Trotz der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist daher einzig die Aufrechterhaltung dieses Verwaltungsakts rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeitsbeurteüung des Verwaltungsakts und seiner Aufrechterhaltung faüen auch in diesem Faü auseinander8. Von einer Identität 3 So im Ergebnis bereits Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (548); ebenfalls ablehnend Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (428). 4 Bei Normen stellt sich das Problem ebenso, wenn auch beschränkt auf Ausnahmefölle, vgl. noch im folgenden. 5 Anderes gilt - von möglichen Sonderregelungen in Spezialgesetzen abgesehen - nur im Fall der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB-X. Danach besteht ein Aufhebungsanspruch (auch für die Vergangenheit, wenn auch mit den Besonderheiten des § 44 Abs. 4), selbst wenn der Verwaltungsakt mittlerweile unanfechtbar geworden ist. Die Aufrechterhaltung ist und bleibt daher rechtswidrig. 6
Schenke, DÖV 1986,305 ff.; angeschlossen hat sich ζ. B. Kopp, VwVfG, § 46 Rdnr. 7.
7
Vgl. Schenke, DÖV 1986, 311; im Anschluß daran auch Kopp, VwVfG, § 46 Rdnr. 8 m. w. Nachw.
g
Ob dies auch auch für den Fall des § 45 VwVfG gilt, hängt davon ab, ob man den rechtswidrigen Verwaltungsakt zumindest für die Zukunft als geheilt und damit rechtmäßig geworden ansieht, vgl. Kopp, VwVfG, § 45 Rdnr. 6; Ule/Laubinger, Verwaltungsverf., § 58 I 1, und Klappstein, in: Knack, VwVfG, § 45, Anm. 2.5, gehen beide von einer Heilung "ex tunc" aus.
Β. Kritik der Annahme der logischen Folge
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zwischen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts kann daher nicht gesprochen werden. Diese ausschließlich auf Verwaltungsakte zugeschnittene Begründung läßt sich in gewisser Weise auch auf Normen übertragen. Sieht man einmal von durchaus nicht unbedenklichen Regelungen wie § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB9 ab, so bleiben als Parallele die Fälle, in denen eine Norm trotz ihrer Rechtswidrigkeit ausnahmsweise nicht nichtig und zudem für eine gewisse Übergangszeit hinzunehmen ist Hier wird die grundsätzlich bestehende Aufhebungspflicht modifiziert durch eine Frist zur rechtlichen Neugestaltung, auch wenn damit das Bestehen der Beseitigungspflicht nicht bestritten wird 10. Deshalb erscheint es auch gerechtfertigt, in diesen Fällen bis zum Ablauf der Frist von der Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Norm zu sprechen. Erst mit Fristablauf wird die Aufrechterhaltung ebenfalls rechtswidrig. Im Grundsatz güt daher für die Norm nichts anderes als für den Verwaltungsakt. Rechtswidrigkeit des Staatsakts und Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Staatsakts können nicht gleichgesetzt werden.
B. Kritik der Annahme der logischen Folge Gleichfalls nicht überzeugend erscheint die Ableitung des Rechtswidrigwerdens aus dem Rechtswidrigwerden der Aufrechterhaltung unter der Prämisse, daß das Rechtswidrigwerden der Aufrechterhaltung die Pflichtverletzung des zur Aufhebung Verpflichteten bewirke und diese zum Rechtswidrigwerden des Staatsaktes führe. Diese Ansicht, die in der Form einer Art naturwissenschaftlichen Bedingungskette den Zusammenhang herzustellen versucht, scheitert gerade an einem fehlenden Bedingungszusammenhang und läßt sich nicht mit der Ausgangsthese, nach der Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit zu begreifen ist, vereinbaren11. Dies läßt sich anhand verschiedener Überlegungen erhärten. Vor der Darlegung der Argumente ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, daß sich die nachfolgende Kritik ausschließlich auf den Versuch der Konstruktion einer logischen Verbindung zwischen der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Staatsakts und der Rechtswidrigkeit des Staatsakts bezieht. Nur diese, nicht die im Anschluß daran noch zu prüfende Möglichkeit einer werten9 Vgl. dazu ζ. B. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Vorb. §§214 - 216, Rdnr. 7 m. zahlr. Nachw. 10 11
Vgl. dazu bereits § 4 Ε II 3 a.
So wiederholt zutreffend Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 182 ff.; auch Bettermann, FS Huber, S. 35, weist darauf hin, daß als Ursache des Rechtswidrigwerdens eines Staatsakts kein Verhaltensunrecht denkbar ist.
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§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
den Gleichbehandlung, ist Gegenstand der Kritik. Im folgenden wird daher nur der Versuch unternommen, die Unterschiede zwischen zwei Fällen deutlich zu machen, die nach der Ansicht der logischen Folge keine Unterschiede aufweisen: Nach dieser Begründungsvariante soü zwischen dem Unterlassen der Aufhebung und der Rechtswidrigkeit des Staatsakts derselbe Zusammenhang bestehen, wie zwischen dem rechtswidrigen Erlaß des Staatsakts und der Rechtswidrigkeit des Staatsakts selbst.
L Die Umkehrung von Ursache und Wirkung Die Frage, ob die Rechtswidrigkeit des Staatsaktes als Folge oder als Ursache der Rechtswidrigkeit seiner Aufrechterhaltung anzusehen ist, mag manchem vieüeicht wie der Streit erscheinen, ob zuerst das Huhn oder das Ei dagewesen sei. Die vorüegende Untersuchung kann bei diesem Eindruck jedoch nicht stehen bleiben und die Frage von Ursache und Wirkung unbeantwortet lassen, da ja gerade bei der hier kritisierten These, nach der die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung die Rechtswidrigkeit des Staatsakts bedingen soü, von einer bestimmten zeitüchen oder zumindest rechtslogischen Reihenfolge ausgegangen wird. Ausgangspunkt der Überlegungen muß sein, daß in bestimmten Fäüen nach wohl unumstrittener Auffassung eine Pflicht des Staates besteht, einen rechtmäßig erlassenen Staatsakt aufzuheben oder zumindest abzuändern. Da der Staat seinen Hoheitsakt in diesen Fällen - zumindest mit dem konkreten Inhalt - nicht weiter aufrechterhalten darf, wird davon gesprochen, daß hier die Aufrechterhaltung des Staatsakts rechtswidrig geworden sei. Grundlage der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung ist daher erne Pflicht zur Aufhebung oder Änderung des Staatsakts.
1. Ursache der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung im Fall der Eingriffsnorm
Um die Frage nach Ursache und Wirkung der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung beantworten zu können, muß der Hintergrund der Aufhebungspflicht geklärt werden. Dazu kann zum Teü auf die rechtsdogmatischen Argumente für die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens zurückgegriffen werden12. Die dort angesprochene grundrechtliche Beseitigungspflicht bildet nämlich gerade einen Unterfaü der hier insgesamt betrachteten Pfücht zur Aufhebung oder 12
Vgl. § 4 E II.
Β. Kritik der Annahme der logischen Folge
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Änderung eines Staatsakts. Diese Pflicht hat bei Staatsakten, die in subjektive Rechte des einzelnen eingreifen, also bei Eingriffsnormen und belastenden Verwaltungsakten, ihre Grundlage in der verfassungsrechtlich fundierten Beseitigungspflicht bzw. ist mit dieser identisch. Folglich gelten in den Fällen von eingreifenden Staatsakten die Überlegungen, die zur Beseitigungspflicht angestellt wurden. Der korrespondierende Beseitigungsanspruch hat als sog. Hilfs- oder Schutzrecht den Eintritt einer Rechtsverletzung eines absoluten Rechts, hier eines Grundrechts, zur Voraussetzung. Die Existenz des Beseitigungsanspruchs verlangt damit in diesen Fällen eine durch einen rechtmäßig erlassenen Staatsakt eingetretene Rechtsverletzung. Eine solche Rechtsverletzung ist nur denkbar, wenn der durch den Staatsakt bewirkte rechtmäßige Eingriff später als rechtswidrig geworden anzusehen ist Voraussetzung für den Beseitigungsanspruch ist die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, da anderenfalls kaum von einer Rechtsverletzung gesprochen werden kann. Der Eingriff ist aber nichts anderes als eine andere Bezeichnung des Staatsakts selbst, bezogen auf dessen Wirkungen für ein absolutes Recht. Damit ist auch eine Differenzierung hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsbeurteüung (etwa: rechtswidriger Eingriff durch einen rechtmäßigen Staatsakt) notwendigerweise ausgeschlossen. Konsequenterweise kann in den Fällen eingreifender Staatsakte nur aufgrund des Rechtswidrigwerdens des Staatsakts die Pflicht zur Aufhebung oder Änderung entstehea Entsprechend ließe sich zwar anhand der Feststellung einer Pflicht zur Aufhebung oder Änderung auf das Rechtswidrigwerden des Staatsakts schließen, aber immer nur in dem Sinne, daß die Rechtswidrigkeit des Staatsakts notwendige Voraussetzung (und keineswegs Folge) der Aufhebungspflicht ist13. Damit erweist sich die These der logischen Folge im Hinbück auf die Eingriffsnormen als Umkehrung von Ursache und Wirkung.
13 Von diesem Verhältnis von Ursache und Wirkung geht - in anderem Zusammenhang - auch Schenke, DÖV 1986, 305 (310, 313), aus: "... daß ein in die Freiheitssphäre eingreifender belastender rechtswidriger Verwaltungsakt grundsätzlich einen verfassungsrechtlich garantierten Beseitigungsanspruch auslöst." und "Bei Verletzung der durch die Freiheitsgrundrechte umfassend geschützten Freiheitssphäre des Bürgers entstehen sonst grundsätzlich verfassungsrechtlich garantierte Beseitigungsansprüche." (Hervorhebungen nicht im Original). Eine derartige Verbindung sehen auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverf., § 63 I, S. 452; auch die später, § 65 IV 1 b bb (Fußn. 102, S. 495), getroffene Äußerung, daß die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts letztlich auf dasselbe hinauslaufe, wird man nicht anders zu verstehen haben. Die hier aufgezeigten Zusammenhänge werden von der h. M. im Verwaltungsrecht nicht beachtet, die zwar die Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens der Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts anerkennt, gleichzeitig aber die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens des Verwaltungsakts ablehnt.
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§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
2. Ursache der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung bei Leistungs- oder Schutznormen
Der für den Faü ernes eingreifenden Staatsakts dargelegte Zusammenhang güt bei den übrigen Staatsakten, bei denen trotz rechtmäßigen Erlasses von einer später entstandenen Pflicht zur Aufhebung oder Änderung ausgegangen wird, nur mit gewissen Abweichungen. Wie oben bereits kurz angedeutet14 kommen bei den Normen als zweite große Gruppe neben den Eingriffsnormen die sog. Leistungs- oder Schutznormen für ein Rechtswidrigwerden in Betracht. In diesen Fäüen verlangt das höherrangige Recht, also vor aüem die Verfassungsnormen, eine bestimmte (Mindest-)Leistung oder einen gewissen (Mindest-)Schutz für einzelne, aüe oder eine bestimmte Gruppe von Bürgern. Faüen Leistung oder Schutz, die durch eine nachrangige Norm gewährt werden, später aus irgendwelchen Gründen hinter diese Mindestanforderungen des höherrangigen Rechts zurück, so werden die Anforderungen durch die betreffende nachrangige Norm nicht mehr erfüüt 15. Die aus dem höherrangigen Recht abzuleitende Erfullungspflicht fordert deshalb eme Änderung oder Ergänzung der gewährten Leistung oder des bewirkten Schutzes. Die in diesem Faü aügemein anerkannte Pflicht zur Änderung bzw. Ergänzung der Norm hat ihre Grundlage hier also in der durch das höherrangige Recht ausdrücklich aufgesteüten oder durch Auslegung zu ermittelnden Pflicht zur Gewährung ernes Mindestmaßes an Leistung oder Schutz. Diese Leistungs- oder Schutzpflicht ist daher zugleich Maßstab für die Rechtmäßigkeitsbeurteüung der Norm und Grundlage für die Pflicht zur Ergänzung oder Erweiterung der unzureichend gewordenen Leistung oder des nunmehr unzureichenden Schutzes. Im Unterschied zur Eingriffsnorm, bei der aus der Rechtswidrigkeit die Beseitigungspflicht folgt, faüen damit Rechtswidrigkeit und Pflicht zur Änderung bei der Leistungs- oder Schutznorm zusammen; beide haben hier denselben Ursprung. Ein Bedingungszusammenhang läßt sich in diesem Faü in keine Richtung hersteüen. Da die Entstehung der Rechtswidrigkeit und die Entstehung der Pflicht zur Änderung dieselbe Grundlage haben, ist es aber auch nicht möglich, etwa eine logische Sekunde zwischen der Entstehung der Pflicht und dem Rechtswidrigwerden einzuschieben. Beide Phänomene treten auch unter rechtlichen Gesichtspunkten absolut "zeitgleich" auf. Damit lassen sich aus der besonderen Konstellation bei Leistungs- und Schutznormen keine Argumente für eme 14
Vgl. § 4 Ε II 1 (Fußn. 57).
^ Um möglichen Mißverständnissen und Bedenken schon an dieser Stelle vorzubeugen, ist unter Vorgriff auf spätere Ausführungen darauf hinzuweisen, daß ein Zurückbleiben einer Schutzoder Leistungsnorm hinter den höherrangigen Mindestanforderungen nicht zu einem Rechtswidrigwerden der Norm insgesamt, sondern nur ihres abschließenden, die Mehrleistung nicht gewährenden Teils führt.
Β. Kritik der Annahme der logischen Folge
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logische Verknüpfung zwischen der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung und der Rechtswidrigkeit der Norm im Sinne von Ursache und Wirkung ableitea
IL Kein Eingriff durch das Unterlassen der Aufhebung Unter nochmaliger Rückbesinnung auf die Überlegungen zur Beseitigungspflicht und dem damit korrespondierenden Beseitigungsanspruch läßt sich die hier vertretene Auffassung noch unter anderem Bückwinkel begründen. Ansatzpunkt ist wieder die Gruppe der Eingriffsnormen. Sofern man sich erneut vergegenwärtigt, daß Voraussetzung für die Beseitigungspflicht ein vorausgehender Eingriff ist, so wird schneü deutlich, daß dieser Eingriff auch aus anderen Gründen als den bislang genannten nicht in dem Unterlassen der Aufhebung zu sehen sein kana So scheidet ein Eingriff durch ein Unterlassen bei einer Verankerung des Beseitigungsanspruchs in der Abwehrrechtsqualität der Grundrechte notwendigerweise aus . Das Unterlassen ist bei einer Rechtspflicht zum Handeln zwar als Verletzung der auf die betreffende Handlung zielenden Pflicht anzusehen, doch ein Eingriff in subjektive Abwehrrechte ist damit nicht verbunden. Nur der Staatsakt selbst stellt den Eingriff dar, der zunächst d. h. bei seinem Erlaß, als rechtmäßig anzusehen war. Eine nachträgliche Veränderung, die in eine Beseitigungspflicht mündet, führt daher lediglich zu einem späteren Wegfall der Rechtfertigung des bereits bestehenden Eingriffs. Der Eingriff ist also schon vorhanden und wird nicht etwa erst durch das - zweifeüos vorhandene - Unterlassen der Aufhebung begründet17. Die Abwehransprüche zielen gerade auf den bereits vorhandenen Eingriff. Mit Wegfall der Rechtfertigung wird der Eingriff rechtswidrig und es entsteht die Pflicht zur Aufhebung. Erst dann kann das Unterlassen der Aufhebung als rechtswidrig bezeichnet werden. Diese Überlegungen gelten auch für den Fall des gesetzlichen präventiven Verbots. Hier greift die Norm in das subjektive Recht ein, nicht ein - späteres mögliches Unterlassen der Erlaubniserteüung. Der - denkbare - Anspruch auf Stellv. fòr diese wohl ganz überwiegende Auffassung Lübbe-IVolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 33 f.; Isensee, HbdStR V, § 111 Rdnr. 60; verschiedene Irritationen wurden ausgelöst durch BVerwGE 69, 366 (367), dazu Schock, VerwArch. 79 (1988), 39 ff. m. zahlr. w. Nachw. Auf die interessante Problematik, ob nicht zumindest das qualifizierte (Verwaltungs-) Unterlassen, das nach der Rechtsprechung für einen Aufopferungsanspruch ausreicht, konsequenterweise als Eingriff angesehen werden muß, kann hier nicht eingegangen werden. Die Erörterung ist im übrigen entbehrlich, da es sich bei den Fällen der Nichtaufhebung einer Eingriffsnorm nicht um solche eines qualifizierten Unterlassens handelt Für ein Scheinproblem hält Roth, Faktische Eingriffe, S. 103, die Diskussion um den 'Eingriff durch Unterlassen' in Zusammenhang mit Abwehrrechten. 17 Als einleuchtendes Beispiel für einen derartigen Fall kann auf den der BVerfG-Entscheidung vom 22.5.1963 zum Werkfernverkehr (E 16, 147 ff.) zugrundeliegenden Fall verwiesen werden; dazu ausführlich mit Darstellung des wesentlichen Sachverhalts § 7 Β II 3. 7 Baumeister
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§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
Erlaubnis leitet sich über die spezieüe gesetzliche Norm aus dem höherrangigen subjektiven Recht ab, das ein präventives Verbot genereü nur in Verbindung mit einer Genehmigungsmöglichkeit zuläßt. Insofern steüt sich der Genehmigungsanspruch als Anspruch auf individueüe Beseitigung des gesetzgeberischen Eingriffs, seme Nichterfüüung konsequenterweise auch nicht selbst als Eingriff dar.
m . Fazit Die These, nach der das Rechtswidrigwerden des rechtmäßig erlassenen Staatsakts aus der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung logisch folgt, kann nach den vorausgehenden Erörterungen als nicht überzeugend zurückgewiesen werden. Die Annahme der logischen Folge scheitert schon an dem regelmäßig bestehenden Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Rechtswidrigkeit des Staatsakts und der Rechtswidrigkeit semer Aufrechterhaltung.
C. Kritik der wertenden Gleichbehandlung L Denkbare Gründe für eine Gleichbehandlung Mit der Ablehnung der Begründungsvarianten "Identität" und "logische Folge" ist noch nichts über die Mögüchkeit einer wertenden Gleichbehandlung der Fäüe des rechtswidrig erlassenen Staatsakts mit den Staatsakten gesagt, deren Aufrechterhaltung nachträgüch rechtswidrig geworden ist. Die Gleichsetzung dieser beiden Fäüe üeße sich vor aüem auf folgende Überlegungen stützen: Es entspricht durchaus herkömnüicher Rechtsdogmatik, die Fäüe eines positiven Tuns und emes Unterlassens (im Faüe einer Rechtspflicht zum Handeln) gleich zu behandeln. Im Faü des Rechtswidrigwerdens der Aufrechterhaltung hegt ein solches rechtswidriges Unterlassen in der Nichtaufhebung der betreffenden Regelung. Positives Tun und Unterlassen haben hier unter wertenden Gesichtspunkten den gleichen Erfolg, zum einen die Schaffung, zum anderen die Fortexistenz einer Regelung. In beiden Fäüen existiert bei Eingriffsnormen zudem eme verfassungsrechtlich verankerte (Folgen-) Beseitigungspflicht18.
18
Vgl. insoweit schon Schenke/Baumeister,
JuS 1991,547 (548).
C. Kritik der wertenden Gleichbehandlung
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Π. Kritische Betrachtung der herkömmlichen Stellungnahmen 1. Kritikpunkte
in der Literatur mit Stellungnahme
a) Diverse Einwände gegen das Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten Heikömmlicherweise werden in der Literatur, die sich mit der Frage der Mögüchkeit eines Rechtswidrigwerdens von Verwaltungsakten beschäftigt, diverse Gründe gegen die Annahme des Rechtswidrigwerdens genannt Zumeist sind sie so spezieü auf Verwaltungsakte zugeschnitten und stehen zudem mit der Frage der Anwendbarkeit des § 48 VwVfG in Zusammenhang, daß sie für die vorüegende Erörterung ohne Bedeutung sind19. Es gibt aber auch einige Versuche der Begründung mit aügemeinerer Bedeutung. Ganz entfernt zählt dazu auch die immer wieder genannte Behauptung, daß sich die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach den Verhältnissen und Regelungen im Zeitpunkt des Erlasses bestimme20. Sofern in diesem Zusammenhang auf die Regierungsbegründung zum heutigen § 48 VwVfG 21 oder zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen wird 23, scheint ein Irrtum vorzuhegea In der betreffenden Regierungsbegründung heißt es: "Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig ergangen, wenn das im Zeitpunkt seines Erlasses geltende Recht unrichtig angewendet oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen wird, der sich als unrichtig erweist."24 Diese Feststellung dürfte aügemein unwidersprochen bleiben. Von niemandem wird sie bisher in Zweifel gezogea Merkwürdigerweise wird sie aüerdings durch zahlreiche Autoren so ausgelegt, als ob es hieße, "ein Verwaltungsakt ist nur dann rechtswidrig, wenn ... ft2 5 . Doch wird in dem zutreffenden Satz der Regierungsbegründung, der den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts entlehnt ist, nur festgesteüt, wann ein Verwaltungsakt rechtswidrig erlassen wurde. 19 Zu den diversen Gründen vgl. Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 ff.; auch Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (428 f.), bringt keine neuen Überlegungen. Leider ganz ohne dogmatische Begründungsversuche geht das BVerwG von der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Verwaltungsakten aus, so ausdrücklich BVerwG, Beschl. v. 2.11.1987 - 2 Β 100/87 -, η. veröff. 2 0 Vgl. ζ. B. Erichs**, Allg. VerwR, § 17 Rdnr. 5; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 394 (nach Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rdnr. 22 (Fußn. 69): "umfassend zum Begriff der Rechtswidrigkeit"). 2 1
BT-Drucks. 7/910, S. 68 (zu § 44 EVwVfG).
2 2
BVerwGE 31,222 (223); 45,235 (243).
2 3
So ζ. B. bei Erichsen, Allg. VerwR, § 17 Rdnr. 5; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 394 (mit zusätzlichem Hinweis auf BVerwGE 13,28 (31) in Fußn. 9). 2 4 2 5
BT-Drucks. 7/910, S. 68 (Hervorhebung nicht im Original).
Vgl. die oben genannten; Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (429), verkürzt und verfälscht das Zitat ausdrücklich in dieser Weise sogar für seine Zwecke.
7»
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§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
Über die Möglichkeiten und die Voraussetzungen einer nachträglichen Rechtswidrigkeit sind darin beim besten Willen keine Aussagen enthalten26. Entsprechend können die zitierten Judikate auch gar nicht belegen, daß sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ausschließlich auf den Zeitpunkt seines Erlasses bezieht27. Ein andersartiger Einwand von grundsätzlicher Bedeutungfindet sich ebenfalls bei ErichserP*. Er wendet sich gegen die Ansicht, aus der zum Erlaß ermächtigenden Norm sei regelmäßig zu entnehmen, ob der Verwaltungsakt bei Veränderungen rechtswidrig werde. Nach seiner Ansicht ist der Ermächtigungsnorm - in den betreffenden Fällen - aber "lediglich das Gebot zu entnehmen, einen Verwaltungsakt dieses Inhalts nicht mehr zu erlassen". Dagegen ergreife der Normbefehl nicht einen bereits ergangenen Verwaltungsakt Warum einer Ermächtigungsnorm nicht die Regelung innewohnen kann, daß ein auf ihrer Grundlage erlassener Verwaltungsakt ζ. B. nur unter bestimmten inhaltlichen Voraussetzungen fortbestehen bleiben darf, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise veibergen sich aber hinter dem Einwand von Erichsen ähnliche Überlegungen, wie sie von Rupp vorgebracht wurden. Von seinem Ausgangspunkt (Rechtswidrigkeit = Pflichtwidrigkeit 29) aus glaubt er, jede Möglichkeit einer nachträglichen Beeinflussung der Rechtmäßigkeit eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakts ablehnen zu müssen. Wie seme Ausführungen belegen, sieht er im Verwaltungsakt nur einen Vorgang, nämlich den Erlaß des Verwaltungsakts durch die Verwaltung. Für die Regelimg selbst scheint keine Rechtmäßigkeitsbeurteüung mehr möglich zu sein, auch dann nicht, wenn die Beurteüung auf das Unterlassen der Aufhebung gerichtet wäre.
b) Erste Auseinandersetzung mit der Ansicht von Rupp Die Stellungnahme von Rupp steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der von ihm befürworteten Verhaltensunrechtslehre. Damit greifen seine Ausführungen sehr weit in die Rechtstheorie zurück. Um einen ersten Eindruck vom Hintergrund dieser Ansicht zu bekommen, bedarf es zunächst einer ersten kurzen Darlegung des Streits zwischen der Verhaltens- und der Zustandsunrechtslehre.
2 6
2 8
2Q
So schon Schenke,, DVB1.1989,433 (441). Darauf wurde bereits hingewiesen, Schenke/Baumeister, Allg. VerwR, § 17 Rdnr. 5 a. E.
JuS 1991, 547 (Fußn. 5).
Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 181: "Es kann also nur eine einzige Form der Rechtswidrigkeit geben, nämlich die Pflichtwidrigkeit."
C. Kritik der weitenden Gleichbehandlung
101
aa) Die verschiedenen Unrechtslehren In der Literatur werden für die voneinander abzugrenzenden Unrechtslehren die Begriffe Handlungs-, Erfolgs-, Verhaltens- und Zustandsunrechtslehre verwendet Die Terminologie ist nicht immer einheitlich Das erschwert die Diskussion und vor allem den wissenschaftlichen Fortschritt erheblich Unter MZustandsunrechtM wird im folgenden in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur der in "rechtswidrigen Zuständen" enthaltene Widerspruch zum Recht verstandea Bei der Auffassung oder "Lehre vom Zustandsunrecht" handelt es sich um die Meinung, die die Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitsbeurteilung (zumindest auch) an einen tatsächlichen Zustand knüpft. Das Gegenstück zur Lehre vom Zustandsunrecht büdet die Verhaltensunrechtslehre. Die Bezeichnung "Verhaltensunrecht" steht für ein in einem menschlichen Verhalten enthaltenes Unrecht Nicht ein tatsächlicher Zustand, sondern nur ein menschliches Verhalten läßt sich nach der "Lehre vom Verhaltensunrecht" als rechtmäßig oder rechtswidrig beurteüea Die Bezeichnung Verhaltensunrechtslehre für den hier vorgesehenen Bereich hat allerdings den nicht vermeidbaren - Nachteü, daß sie mitunter30 als Pendant zur Lehre vom Erfolgsunrecht verwendet wird. Dieses Pendant soü hier jedoch - im Einklang mit der überwiegenden Verwendung - durch den Begriff der Handlungsunrechtslehre bezeichnet werdea Gerade die verbreitete Begriffsverwirrung führt oft zu der fehlenden Abgrenzung der Frage nach Verhaltens- oder Zustandsunrecht zum Streit um Handlungs- oder Erfolgsunrechtslehre. Beide Streitfragen stehen jedoch auf verschiedenen Stufen 31. Beim Streit zwischen der Handlungs- und der Erfolgsunrechtslehre geht es um die Frage, in welchen Fällen ein menschliches Verhalten als rechtswidrig eingestuft werden kann. Nach der Erfolgsunrechtslehre, deren Bezeichnung fälschlicherweise eine Verbindung zum Zustandsunrecht suggeriert, ist jedes Verhalten, das adäquat kausal ein absolutes Recht oder ein Rechtsgut verletzt, aUein wegen dieses Erfolgs als rechtswidrig zu bezeichnen. Hier wird vom mißbilligten Erfolg auf die rechtswidrige (und damit auch pflichtwidrige) Handlung geschlossen. AUein der Erfolg des Verhaltens bedingt das Rechtswidrigkeitsur'ÎO
Vgl. ζ. B. Wolf, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 276 Rdnr. 22, der gleichwohl inhaltlich beide Komplexe klar trennt 31 Vgl. nur Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 183; Olivet , Handlungs- und Erfolgsunrechtslehre im öffentlichen Recht, S. 8; Larenz, FS Dölle I, S. 169 ff. (insbes. 180, 198 f, 200); nicht klar dagegen ζ. B. bei Jeschek, Strafrecht AT, § 24 III 1, S. 215.
102
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
teil (über das Verhalten). Anders nach der Handlungsunrechtslehre: Hier bedarf es für das Rechtswidrigkeitsurteil eines Verstoßes gegen eine konkrete Verhaltenspflicht Der durch die Handlung bewirkte Erfolg ist dagegen grundsätzlich "unbeachtüch". Dies mag in aller Kürze zur Abgrenzung unseres Problems vom Streit um Handlungs- und Erfolgsunrechtslehre genügen. Festzuhalten bleibt, daß die (hier so bezeichneten) Gegensatzpaare "Verhaltensunrecht - Zustandsunrecht" sowie "Handlungsunrecht - Erfolgsunrecht" in keiner inhaltlichen Verbindung stehen müssen. Sie stehen vielmehr auf verschiedenen Stufen. So ist es durchaus denkbar und gar nicht widersprüchlich, wenn deijenige, der davon ausgeht, daß auch Zustände dem Rechtswidrigkeitsurteü unterfallen können (Zustandsunrechtslehre), sich beim Streit über die Voraussetzungen für ein rechtswidriges menschliches Verhalten für die Handlungsunrechtslehre entscheidet, die einen Verstoß gegen ein Ge- oder Verbot verlangt Umgekehrt zeigen zahlreiche Beispiele, daß sich auch Verhaltens- und Erfolgsunrechtslehre kombinieren lassen32. Mit diesen Beispielen soüen keineswegs die Zusammenhänge der beiden Themenkreise geleugnet werdea Gerade die ζ. T. komplizierten Verbindungslinien sind - in Zusammenhang mit den terminologischen Unklarheiten - Ursache für die verbreiteten Abgrenzungsprobleme. Verbindungen ergeben sich zwangsläufig für denjenigen, der das Rechtswidrigkeitsurteü ausschließlich auf Zustände und nicht (auch) auf menschliches Verhalten beziehen wül 33 . Hier entfäüt der Streit um Handlungs- und Erfolgsunrecht ganz. Auch für die, die aufgrund ihrer Befürwortung der Imperativentheorie34 der Handlungsunrechtslehre anhängen, verschließt sich die Mögüchkeit, die These der Zustandsunrechtslehre zu vertreten35; dies hegt aber nicht daran, daß sich Handlungs- und Zustandsunrechtslehre gegenseitig ausschlössen, sondern an dem besonderen Ausgangspunkt in der Imperativentheorie. Diese Beispiele belegen die vorhandenen Verbindungslinien trotz der unbedingt erforderüchen Trennung36. 3 2
Vgl. ζ. B. sehr deutlich bei Larenz, FS Dölle I, S. 163 ff. (insbes. 176, 180,192 f., 198 ff.); ebenso Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 630. Allein Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, S. 34, will strikte Verbindungslinien erkennen; gegen ihn richtigerweise Larenz, FS Dölle I, S. 180 (Fußn. 28). 33 Diese Möglichkeit ist aber wohl nur theoretischer Natur, Vertreter einer derartigen Auffassung dürften kaum existieren. Vgl. dazu unten § 6 C13 b. 35 Die mitunter anzutreffende Verbindung zur Imperativentheorie ist in etwas anderem Zusammenhang bei Larenz, FS Dölle I, S. 181 f., erwähnt. 36
Leider wird diese Trennung aufgrund der unterschiedlichen Themenkreise nur sehr selten ausdrücklich vollzogen. Am ehesten bei Larenz, FS Dölle I, S. 169 ff., der u. a. auch das Verhältnis zur finalen Handlungslehre herausarbeitet. Zur neueren Entwicklung des zivilrechtlichen Streits um Handlungs- und Erfolgsunrecht vgl. auch Hager, FS Wolf, S. 133 ff.; Hanau, Münchener Kommentar, BOB, § 276 Rdnrn. 23 ff.
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
103
bb) Eine denkbare Argumentation Vor dem Hintergrund der kurzen Erläuterung der verschiedenen Unrechtslehren sollen nunmehr auf der Basis der Verhaltensunrechtslehre die möglichen Argumente gegen die Annahme eines Rechtswidrigwerdens ausgeführt werdea Diese Gesichtspunkte wurden bisher in dieser Form - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich vorgetragen, dürften aber wohl ganz im Sinne von Rupp hegen37. Im Kern zielen die Überlegungen von Rupp auf die FeststeUung, daß auch ein Anknüpfen an den Erfolg "Norm" auf der Basis der Verhaltens-unrechtslehre nicht zu einer echten Abtrennung von einem zugrundehegenden Verhalten führen kana Wenn im Rahmen der Erfolgsunrechtslehre mittels eines mißbilligten Erfolgs auf die Rechtswidrigkeit der den Erfolg herbeiführenden Handlung geschlossen werde, so bestehe immer eine Verknüpfung zu einem ursächlichen und damit vorausgehenden Verhalten. Eine völlig vom vorausgehenden Verhalten abgetrennte und ohne Rückschluß auf dieses Verhalten erfolgende Betrachtung sei nur auf der Grundlage der sog. Zustandsunrechtslehre möglich38. Wenn die Verhaltensunrechtslehre sage, alles Rechtswidrige sei nur Verhalten, dann könne die Feststellung der rechtswidrigen Handlung zum einen aus einem Handlungspflichtverstoß, zum anderen aus einem zurechenbaren Eintritt eines mißbilligten Erfolges herrühren. Gerade die Betrachtung eines Erfolges diene also dazu, nicht den Erfolg selbst, d. h losgelöst vom herbeiführenden Verhalten, sondern vielmehr die dahinterstehende Handlung als rechtswidrig zu bezeichnen. Nach der Verhaltensunrechtslehre sei die Bezeichnung eines Erfolges als rechtswidrig undenkbar, wenn seine "Grundlage" nicht in einem früheren menschlichen Verhalten zu suchen ist Der mißbilligte Erfolg müsse also einem Verhalten zugerechnet werden können. Das Rechtswidrigkeitsurteü über eine Norm erweise sich damit auf der Basis der Verhaltensunrechtslehre als ein Urteü über das die Norm herbeißhrende hoheitliche Handela Beziehe sich das Rechtmäßigkeits- bzw. Rechtswidrigkeitsurteü ausschließlich auf das Handeln des Normgebers, so sei es aber ausgeschlossen, daß eine nach Abschluß des Handelns eintretende Veränderung der für das frühere Handeln maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Situation zu einer Veränderung des Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitsurteüs führt. 37 Die wenigen, oft auch nur andeutenden Bemerkungen von Rupp (Maßgebender Zeitpunkt, S. 183 ff.) lassen in manchen Punkten nur Vermutungen zu seinen Überlegungen zu. Um eine allgemeinverständliche Darstellung seiner Ansicht zu erreichen, wurde im folgenden versucht, seine Thesen in seinem Sinne "anzureichern" und auszuführen. Auch wenn es sich daher nur ganz begrenzt um die Worte von Rupp handelt, stehen die nachfolgenden Ausführungen im Konjunktiv, um38 so deutlich zu machen, daß es sich nicht um die hier vertretene Auffassung handelt. Davon geht auch Münzberg, Verhalten und Erfolg, aus, ohne daß es dort, weil gar nicht Gegenstand, ausdrücklich dargelegt wäre, s. aber z. B. S. 5 o. S. 197 f.
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§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
Spätere Änderungen könnten naturgemäß für das abgeschlossene Handeln selbst kerne Bedeutung mehr haben Gerade ausgehend von den Unrechtslehren üeße sich daher erklären, daß zur Begründung des Rechtswidrigwerdens nicht auf ein (u. U. wirklich bestehendes rechtswidriges) Unterlassen der Änderung oder Aufhebung der Norm zurückgegriffen werden kann. Führte eine Lageänderung zu einer Verpflichtung des Normgebers, die rechtmäßig erlassene Norm aufzuheben, dann heiße dies nicht, daß die Norm damit als "rechtswidrig geworden" bezeichnet werden dürfte, da das Rechtswidrigkeitsurteü nur ein Urteü über menschliches Verhalten sein könne. Das hier feststellbare rechtswidrige Verhalten (Unterlassen) hege nicht nur zeitlich nach dem (rechtmäßigen) Erlaß der Norm, vor aüem handele es sich um zwei voneinander zu trennende Verhaltensweisen, die damit grundsätzüch auch getrennte Rechtmäßigkeitsbeurteüungen erforderten. Ein späteres Unterlassungsunrecht könne aber auch schon wegen seiner fehlenden kausalen Verknüpfung mit der Norm diese nicht rechtswidrig machen. Die Norm verändere sich nicht, sie bleibe vollkommen gleich39. Das Unterlassen wirke nicht auf die Norm und damit auch nicht auf ihre Rechtmäßigkeit eût Der zentrale Gedanke, aus dem die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung abgeleitet werde, sei gerade die Pflicht zur Aufhebung. Folgüch könne das Unterlassen, das nur für die Aufrechterhaltung kausal ist, auch nicht als Ursache des Rechtswidrigwerdens des Staatsakts angesehen werden40. Verlange die Rechtsordnung im Anschluß an die Veränderung der Rechtsoder Sachlage die Aufhebung der Norm, so könne bei einer Anknüpfung an ein Verhaltensunrecht die Norm selbst nicht als rechtswidrig bezeichnet werden. Ledigüch die Aufrechterhaltung der Norm, also das spätere Verhalten der "Aufrechterhaltung" sei dann im Gegensatz zum bisherigen Verhalten der Aufrechterhaltung rechtswidrig geworden, niemals jedoch der frühere, abgeschlossene Akt des Normgebers. Im Faü eines positiven Tuns, ζ. B. der Änderung einer rechtmäßig erlassenen Norm, das rechtswidrig sei, bestehe zwar eme solche kausale Beziehung, doch auch hier ist nicht der damaüge Akt des Normgebers rechtswidrig geworden, sondern nur der jetzige Akt des Erlasses rechtswidrig. Bei einer nachträglichen Änderung handele es sich deshalb um einen neuen Akt des Normgebers, eine in diesem Sinne neue Norm. 39 dar.40
Hier kehrt das oben angeführte Argument wieder, das Unterlassen stelle nicht den Eingriff
Ebenso für die insoweit parallele Frage in Zusammenhang mit § 1004 BGB Picker, Beseitigungsanspruch, S. 38 (Fußn. 71: "Daß das Unterlassen für das Andauern 'ursächlich* ist, reicht nicht aus, denn ob die Störung zu unterbinden ist, ist gerade die entscheidende Frage."); so ist wohl auch BGH, NJW 1976,416, zu verstehen.
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
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Die scharfe Trennung zwischen der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Norm und ihrer Aufrechterhaltung diene der Präzisierung der Probleme und trage auch dem vielfach im Verwaltungsrecht anzutreffenden Unterscheidungserfordernis in den Fällen Rechnung, in denen die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtmäßig ist (ζ. B. in Fällen der Bestandskraft rechtswidriger Verwaltungsakte). Im Ergebnis sei es daher auf der Basis des Verhaltensunrechts nicht möglich, mittels eines vorausgehenden Unterlassungsunrechts zu einem Rechtswidrigwerden einer Norm zu gelangen. Das Urteil des Unterlassungsunrechts basiere auf der Feststellung der Verletzung von Handlungspflichten. Derartige Pflichten könnten durch eine Rechts- oder Sachlageänderung begründet werden, eine Verletzung führte aber niemals zu einer Änderung des über früheres Verhalten getroffenen Urteüs, das mit der Bezeichnimg "rechtmäßiger oder rechtswidriger Staatsakt" zum Ausdruck gebracht werde41.
cc) Bedeutung der Argumente für die These der wertenden Gleichbehandlung So hintergründig die genannten Argumente gegen die Annahme des Rechtswidrigwerdens auch sind, so offenbar ist doch ihre Untauglichkeit, die Möglichkeit der wertenden Gleichbehandlung bestreiten zu können. Die von Rupp in Bezug genommene Verhaltensunrechtslehre spricht zwar gegen die beiden erstgenannten Begründungsvarianten ("Identität" und "logische Folge"), sie vermag aber die wertende Gleichbehandlung nicht zu treffen. Die Gesichtspunkte, die sich für die Gleichbehandlung der Staatsakte, die rechtswidrig erlassen wurden, mit den rechtmäßig erlassenen Staatsakten, deren Aufrechterhaltung rechtswidrig wurde, anführen lassen, werden auch nicht ansatzweise berührt.
2. Kritische Betrachtung der Auffassung von Hans Schneider
a) Die Ansicht Schneiders Auf eine andere, fast ausschließlich rechtsdogmatisch begründete Weise wendet sich Hans Schneider in einem - scheinbar weitgehend unbeachtet gebliebenen - Festschriftenbeitrag aus dem Jahre 1964 gegen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen42. In diesem instruktiven Aufsatz vertritt H Schneider im Grundsatz die These, daß das Bundesverfassungsgericht die Normenkontroüe lediglich darauf zu erstrecken habe, "ob der Erlaß einer beanstan4 1
So ausdrücklich Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 183.
4 2
FS Jahrreiß, S. 385 ff.
106
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
deten Norm mit dem Grundgesetz in Einklang steht"43, wobei allein auf den Zeitpunkt des Erlasses der Norm bzw. auf den Zeitpunkt der Inkraftsetzung abzustellen sei. Es sei also keine Kontrolle der Fortgeltung der Norm vorzunehmen, sondern vielmehr der Rechtmäßigkeit der Tätigkeit des Gesetzgebers44. Insoweit dient ihm als Beleg die Fristregelung des § 93 BVerfGG 45 (aa). Für seme Ansicht führt Schneider aber noch eme Vielzahl weiterer Gründe an. So sei bei gegenteüiger Auffassung der Geltung der Gesetze eine sonderbare Labüität eigen, wenn ein und dieselbe Norm in Abhängigkeit von den tatsächüchen Verhältnissen einmal verfassungsmäßig, ein anderes Mal verfassungswidrig wäre46. Dies zwänge Bundesverfassungsgericht zu einer Situations-Jurisprudenz mit dem Ergebnis einer Art von "social engineering"47 (bb). Komplikationen ergäben sich auch durch die Bindungswirkung der Normenkontroüentscheidungen, da auch das Gericht selbst bei zwischenzeitüchen Tatsacherrveränderungen an seine früheren Entscheidungsgründe gebunden sei48 (cc). Weiter wären bei gegenteüiger Auffassung je nach Länge des verfassungsgerichtüchen Verfahrens neue Umstände zu berücksichtigen oder nicht. Dies führe zu zufälligen Ergebnissen49 (dd). Außerdem müßten die Kriterien, nach denen sich die Verfassungsmäßigkeit einer Norm bestimmt, schon im Zeitpunkt des Erlasses zu überprüfen sein. "Schon in diesem Augenbück muß die verfassungsrechtüche Lage eindeutig zu bestimmen sein."50 (ee) Interessanterweise zieht er außerdem einen Vergleich zum Verwaltungsrecht. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestimme sich schüeßüch ebenfalls nach der Lage, die beim Erlaß bestand51. Sogar der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung büebe nach einer Veränderung weiterhin gültig52 (ff). Auch sei auf das Handlungsunrecht und nicht das Erfolgsunrecht abzusteüen (gg). Als letztes Argument findet sich in seinen Ausführungen der Hinweis auf das Fehlen einer verfassungsgerichtüchen Kontroüe vorkonstitutioneüer Gesetze. Dies führt er darauf zurück, daß Gegenstand
4 3
Ebd., S. 392.
4 4
Ebd., S. 391.
45
Dieselbe Sicht hat - bezogen auf die Verfassungsbeschwerde - auch Rupp, Maßgebender Zeitpunkt, S. 184 (Fußn. 25); ders., Grundfragen, S. 73 (Fußn. 154). 4 6 H. Schneider, FS Jahrreiß, S. 389. 4 7 Ebd., S. 392. 4 8
Ebd., S. 389 f.
4 9
Ebd., S. 390.
5 0
Ebd.
51
Ebd.
5 2
Vgl. ebd., S. 392 f.
5 3
Ebd., S. 390.
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
107
der verfassungsgerichtlichen Prüfung das Verhalten des Gesetzgebers unter der Herrschaft des Grundgesetzes sei54 (hh). Bevor auf diese Vielzahl von Argumenten im einzelnen eingegangen wird, muß zuerst darauf hingewiesen werden, daß auch Schneider nicht umhinkommt, eine Art Ausnahme von seinen so vehement vertretenen Grundsätzen anzuerkennen. Um nicht Blindheit gegenüber sich ändernden Lebensverhältnissen vorgeworfen zu bekommen, müßte das Verfassungsgericht in Ausnahmefällen Veränderungen berücksichtigen. "Die in der Clausula-rebus-sic-stantibus-Lehre entwickelte Forderung nach Anpassung von Rechtsverhältnissen an wesentliche Veränderungen macht auch vor Gesetzen nicht halt."55 Sogleich schwächt er diese Ausnahme aber auf interessante Weise ab: Auch in diesen besonderen Fällen dürfte die Frage "nicht dahin gehen, ob ein Gesetz nachträglich verfassungswidrig und daher nichtig geworden ist."56 Vielmehr sei nur zu prüfen, "ob es der Gesetzgeber pflichtwidrig unterlassen hat, eine Norm aufzuheben oder anzupassen. Diese Sichtweise scheint mit der Rechtsprechimg des Bundesverfassungsgerichts 58 übereinzustimmen. Angesichts der fehlenden Rezeption des Aufsatzes von Schneider im Schrifttum und der im Grunde ungesicherten Position des Verfassungsgerichts dürfte es sich insoweit aber aUenfalls um eine unbewußte Übereinstimmung handeln.
b) Kritische Betrachtung Mit diesem Ausweg aus seiner zunächst sehr strikten Position verfolgt Schneider eine konsequente Linie, auch oder gerade weü seme zunächst dargelegten Argumente ihn nicht daran gehindert haben, Aufhebungs- und Anpassungspflichten des Normgebers zu befürworten. Der eigentliche Grund für seine Ablehnung des Rechtswidrigwerdens der Normen besteht danach - ähnlich wie bei Rupp - wohl in der Annahme, bei konsequenter Bejahung der Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit müsse ein Rechtswidrigwerden ausscheiden. Betrachtet man die genannten Argumente, so zeigt sich, daß sie sich wohl auch gegen die von ihm selbst vertretene Auffassung anführen ließea Die zunächst propagierte Nichtberücksichtigung von Veränderungen erweist sich 54 5 5
Vgl. ebd., S. 391, auch zum folgenden. Ebd., S. 393.
5 6
Ebd.
5 7
Ebd.
5 8
Vgl. dazu bereits naher § 3 Β III 2.
108
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
vor dem Hintergrund der eigenen Lösung als undurchführbar. Sie widerspräche zudem den aügemein anerkannten Auslegungsregeln, nach denen sich der Sinn einer Norm aufgrund von Veränderungen der Verhältnisse grundlegend ändern kann. Ein derartiger Wandel ist selbstverständlich zu berücksichtigen. Im Ergebnis zieht Schneider dies auch gar nicht in Zweifel. Insofern zielt seine Kritik auch im Kern gegen die herrschende Praxis der Normenkontroüe und des darin zum Ausdruck kommenden Umfangs der Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Bevor zu diesem Punkt noch nähere Ausführungen gemacht werden (ü), soü zunächst kurz auf die verschiedenen Argumente eingegangen werden.
aa) Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG Auch wenn man den beachtlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Schenke gegen diese Norm vorgetragen hat59, nicht folgen woüte, ist zumindest eme verfassungskonforme Auslegung in Form einer teüweisen Reduktion des Anwendungsbereichs zwingend geboten. Das führt konsequenterweise zu der Annahme der Nichtanwendbarkeit der Regelung auf nachträgüche Veränderungen Aüenfaüs könnte noch eine Anwendung der Jahresfrist mit Beginn des sicheren Eintritts der nachträgüchen Veränderung erwogen werdea Eine solche scheitert jedoch an dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ("binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes"). Woüte man im übrigen § 93 Abs. 2 BVerfGG als Argument anerkennen, so hätte dies die merkwürdige Konsequenz, daß beim Eintritt einer Veränderung binnen Jahresfrist diese - zumindest was § 93 BVerfGG anginge - noch geltend gemacht werden könnte, was der Auffassung von Schneider gerade widerspräche. Daher läßt sich aus § 93 Abs. 2 BVerfGG kein Argument für die von Schneider vertretene Auffassung ableiten.
bb) Labilität der Geltung der Gesetze Der Vorwurf der Labüität der Gesetze geht völüg fehl. Auch nach der von der ganz herrschenden Auffassung vertretenen Meinung ist den Gesetzen weder eine ungewöhnüche Labüität eigen, noch handelt es sich bei der Rechtsprechung um Situationsjurisprudenz. Die Rechtsprechung trägt in diesen Fäüen aüein dem Vorrang der Verfassung Rechnung. Die Normen haben deren Anforderungen 5 9
Schenke, Rechtsschutz, S. 314,317 ff.
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
109
eben über die gesamte Dauer ihrer Geltung zu erfüüea Im übrigen führt auch die von Schneider befürwortete "Unterlassungsklage" zu derselben "Labilität".
cc) Bindung an frühere Entscheidungen Eine Bindung gegenüber früheren Entscheidungen kann naturgemäß nicht weiter als die Rechtskraft reichen. Diese entfällt jedoch, sofern und soweit nach der Entscheidung Veränderungen eingetreten sind.
dd) Zufällige Ergebnisse Die Entscheidungen sind nicht zufälliger als in anderen Rechtsschutzverfahren auch. Die Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen bei unterschiedlichen Entscheidungszeitpunkten hegt in der Natur der Sache und tritt selbstverständlich auch in dem von Schneider vorgeschlagenen Verfahren auf.
ee) Forderung nach eindeutiger Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses Auch hier unterliegt Schneider einem Irrtum. Zu jedem Zeitpunkt steht fest, ob die Norm rechtmäßig oder rechtswidrig ist60.
ff) Vergleich zum Verwaltungsrecht und dem Verwaltungsakt Die Behauptung, daß sich die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ebenfalls nach dem Zeitpunkt seines Erlasses bestimme, müßte, auch wenn es sich hier um die herrschende Auffassung handelt, erst noch bewiesen werdea Wenn Schneider dann aber auf den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung verweist, der schließlich auch gültig bleibe, so werden die Vergleichsmaßstäbe durcheinander geworfea Schließlich ist auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt in der Regel gültig. Das güt aber für die Norm gerade nicht. Wiü man schon den - an sich ungewöhnlichen, aber nach hier vertretener Ansicht keineswegs unzutreffenden - Vergleich zum Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ziehen, so spräche dies geAnders ist dies beispielsweise bei der von Kleinlein, VerwArch. 81 (1990), 149 (170), in Zusammenhang mit Verwaltungsakten vorgeschlagenen Lösung. Gerade dieser undenkbare Zustand war bereits Anlaß für entsprechende Kritik, Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (548 - Fußn. 18).
110
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
rade gegen die Ansicht von Schneider, weil hier den Veränderungen durchaus Bedeutung beigemessen und der Verwaltungsakt im Anfechtungsverfahren nach §113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufgehoben wird.
gg) Handlungs- und nicht Erfolgsunrecht Daß bei dieser Frage der Streit zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht keine Bedeutung hat, wurde bereits dargelegt61. Dem Hinweis könnte nur insofern Bedeutung zukommen, als man unterstellt statt der Lehre vom Erfolgsunrecht sei die Lehre vom Zustandsunrecht gemeint gewesen. Wie im übrigen den kurzen Bemerkungen zur Ansicht von Rupp zu entnehmen ist, steht die Verhaltensunrechtslehre der wertenden Gleichsetzung nicht zwingend entgegen.
hh) Kerne Prüfung vorkonstitutioneüer Gesetze Zum einen werden vorkonstìtutìoneUe Gesetze durchaus - auch vom Bundesverfassungsgericht - auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundgesetz überprüft. Eine verfassungsgerichtüche Kontroüe ist gegeben; es besteht nur kein Verwerfungsmonopol. Dies hat seinen Grund darin, daß die Verfassungswidrigkeitsfeststeüung als eine Desavouierung des Normgebers (des Parlaments) aufgefaßt werden kann, die für voikonstitutioneüe Normen ausscheidet, soweit sie nicht durch den Gesetzgeber des Grundgesetzes rezipiert wurden.
ü) Zusätzliche Einwände gegen die Auffassung Schneiders Gegen die Aufassung von Schneider und die damit verbundenen Konsequenzen bestehen im übrigen grundlegende Einwände. So führt die Lösung, nach der nur das Unterlassen der Aufhebung oder Änderung durch den Normgeber gerügt werden kann, zu einer nicht unbeträchtlichen Abkehr vom Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Verfassung. Entsteht aufgrund einer Veränderung ein nachträglicher Widerspruch zwischen der fragüchen Norm und der Verfassung, so wäre die Geltung der Verfassung für geraume Zeit, deren Dauer im wesentlichen vom Wülen des Gesetzgebers abhinge, insoweit suspendiert. Für diesen Zeitraum könnte sich auch niemand, wie dies sonst bei verfassungswidrigen Normen der Faü ist, auf die Nichtigkeit der Norm infolge nachträglicher Rechtswidrigkeit berufen. Trotz des Widerspruchs und der Beseitigungspflicht 6 1
S. oben §5 BUI(S. 98ff.).
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
111
wäre die Norm weiterhin gültig, und zwar nicht nur bis zur Entscheidung des Gerichts, sondern bis zu einer Reaktion des Normgebers. Insoweit kann auch keine Parallele zur bloßen Unvereinbareiklärung von Normen gezogen werden, da die unvereinbaren Normen in aller Regel als unanwendbar anzusehen sind62. Könnte man die insoweit bestehende Inkongruenz noch durch eine Pflicht zur Aufhebung ab dem Zeitpunkt des wesentlichen Wandels und der Entstehung des Widerspruchs (also teüweise rückwirkend) ausgleichen, so wären die Folgen keineswegs dieselbea Im Falle der rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts und der mit dem Erlaß und der möglichen Vollziehung verbundenen Folgen erleidet der Betroffene keine Nachteüe. Anderes güt dagegen bei der nachträglichen (rückwirkenden) Aufhebung einer Norm. Selbst wenn sich der Betroffene unverzüglich gegen mögüche, auf der Norm basierende Verwaltungsakte zur Wehr setzte, hätte er mit dem Vorbringen, die zugrundeliegende Norm sei nachträglich mit der Verfassung in Widerspruch geraten und deshalb aufzuheben, keinerlei Erfolg. Da es für die Rechtmässigkeit des Verwaltungsakts allein auf die Gültigkeit der Norm ankäme, wäre seine Klage gegen den Verwaltungsakt solange abzuweisen, bis es zu einer rückwirkenden Aufhebung der Norm gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der Verwaltungsakt in aller Regel längst unanfechtbar geworden, so daß er nur über den Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG 63 und die Verpflichtungsklage auf Aufhebung des Verwaltungsakts zum Erfolg käme64. Wer diesen Weg für gleichwertig gegenüber der Annahme der Nichtigkeit der Norm bei nachträglicher Rechtswidrigkeit erachtet, übersieht die für einen effektiven Rechtsschutz wesentliche zeitliche Komponente. Während der Betroffene im Falle der Nichtigkeit diese sofort im Verfahren gegen den Verwaltungsakt vorbringen kann, muß er nach der Lösimg von Schneider bis zu einer Änderung durch den Gesetzgeber (gegebenenfalls nach "Aufforderung" durch das Bundesverfassungsgericht) warten. Die hier auftretenden zeitlichen Verzögerungen können den Rechtsschutz unter Umständen, man denke nur an ein Wirtschaftslenkungsgesetz, völlig entwerten. Darüber hinaus hätte die Lösung von Schneider in anderer Hinsicht eine weitere bedenkliche Konsequenz. So müßten bei einer nachträglich in Widerspruch zur Verfassung geratenen Norm u. U. viele tausend Verwaltungsakte aufgehoben werden, unabhängig davon, ob die Adressaten der Verwaltungsakte diese
62
63
S. dazu noch § 7 F.
Oder gem. entsprechenden Bestimmungen in Spezialgesetzen wie der AO oder dem SGB-X. 6 4 Die rückwirkende Aufhebung der Norm müßte in Konsequenz der Auffassung von Schneider zweifellos als Rechtsflnderung aufgefaßt werden.
112
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
vor der Rechtsänderung bereits angefochten und damit den Eintritt der Bestandskraft verhindert hätten. Anders hingegen im Fall einer Nichtigerklärung wegen nachträglicher Rechtswidrigkeit: Hier wäre - wenn auch nach nicht unumstrittener Auffassung - "nur" ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne (gem §§ 48, 49 VwVfG) entstanden65. § 79 Abs. 2 BVerfGG stünde dem nicht entgegen66. Dieser Anspruch auf das Wiederaufgreifen im weiteren Sinne bewirkte aber nicht per se eme Aufhebungspflicht Vielmehr wäre im Anschluß an ein Wiederaufgreifen unter Abwägung der Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit über die Aufhebung gem § 48 VwVfG zu entscheiden Im Faü der rechtswidrigen Norm, die Tausenden von Verwaltungsakten als Grundlage diente, bestünde ein wesentücher Abwägungsgesichtspunkt in der mit einer Aufhebung entstehenden tausendfachen Gleichbehandlungspflicht. Gegenüber der Anwendung des § 51 VwVfG bietet das Wiederaufgreifen im weiteren Sinn gem. §§ 48,49 VwVfG hier den Vorteü der flexibleren Lösung. So wäre bei einem Einzelfaüunrecht sicherüch auch gem §§ 48,49 VwVfG das grundsätzlich bestehende Aufhebungsermessen "auf Null reduziert". Die einzig zulässige Reaktion der Verwaltung bestünde dann in der Aufhebung des unanfechtbaren rechtswidrigen Verwaltungsakts. Neben diesen Konsequenzen für den Rechtsschutz und das Verwaltungsrecht, letztere werden bei einer aüein staatsrechtlich orientierten Lösung schneü übersehen, kann der Lösung von Schneider auch noch eine gewisse Verschiebung des Verhältnisses von Parlament und Verfassungsgericht angelastet werden. Die Ansicht, nur die Pflichtwidrigkeit des Gesetzgebers könne Gegenstand der Entscheidung sein, nimmt die eigenständige Roüe des Verfassungsgerichts gegenüber dem Parlament zu stark zurück. Sie läßt sich auch nicht damit begründen, dem Parlament müsse eine Art "Recht zur Erstentscheidung" zugestanden werden, wie dies bei Verwaltungsakten und dem Streit um den maßgebüchen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteüung bei der Anfechtungsklage mitunter gefordert wird 67. An der Kompetenz des Parlaments zur jederzeitigen Änderung der betreffenden Norm besteht keinerlei Zweifel. Im Faü der gerichtlichen Feststellung der nachträgüchen Rechtswidrigkeit einer Norm hätte das Parlament diese Mögüchkeit schon seit geraumer Zeit nicht genutzt Die Lösung von Schneider üefe im Ergebnis darauf hinaus, daß der Gesetzgeber in Ruhe zunächst die verfassungsgerichtliche Feststeüung einer wesentlichen Veränderung abwarten 6 5
Vgl. dazu näher Baumeister, VerwArch. 83 (1992), 374 (381 ff., 390); die überwiegende Auffassung dürfte sogar das Wiederaufgreifen in das Ermessen der Behörde stellen. 6 6 Noch eindeutiger wäre der Nachteil der Lösung von Schneider im übrigen, wenn man mit der - allerdings abzulehnenden - Auffassung der h. M. im Schrifttum in diesen Fällen ohnehin jeden Wiederaufgreifensanspruch verneinen wollte, näher dazu ebd., S. 379 ff., 388 ff. 6 7
Vgl. zu diesem Argument Schenke, NVwZ 1986, 522 (525 f.).
C. Kritik der wetenden Gleichbehandlung
113
könnte, um erst dann tätig zu werdea Sanktionslose Pflichten zur Aufhebung werden den Gesetzgeber in seinen Anstrengungen sicherlich nicht beflügeln. Steht dagegen die Nichtigerklärung von Gesetzen wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen zu befürchten, wird das Parlament dazu gezwungen, derartige Tendenzen ständig zu verfolgen und bei Bedarf zu handela
3. Mögliche weitere Einwände
Angesichts dieser Bestandsaufnahme haben die bisher angeführten Argumente gegen die Möglichkeit einer wertenden Gleichsetzung der Rechtswidrigkeit des Staatsaktes mit dem Rechtswidrigwerden der Aufrechterhaltung nicht zu überzeugen vermocht Auch die bereits gegen die beiden ersten Begründungsvarianten vorgebrachten Argumente lassen sich nicht zugleich gegen die wertende Gleichbehandlung anführen. Dies güt auch für das oben herausgearbeitete Verhältnis zwischen der Rechtswidrigkeit des Staatsakts und den korrespondierenden Beseitigungspflichtea Zwar greift ein belastender Staatsakt, dessen Aufrechterhaltung rechtswidrig geworden ist, rechtswidrig in subjektive Rechte ein und ist dieser Eingriff rechtslogische Voraussetzung der Beseitigungspflicht, doch selbst aus diesem Verhältnis von Ursache und Wirkung lassen sich im Ergebnis keine wirklich stichhaltigen Argumente gegen eine wertende Gleichbehandlung ableiten. Dies mag zusätzlich ein kurzer Seitenblick auf die Zurechnungsproblematik zwischen einem Erfolg und einem Unterlassen verdeutlichen68. Eindeutig besteht zwischen dem Unterlassen und dem zuzurechnenden Erfolg kein Kausalzusammenhang im ontologisch-naturwissenschafthchen Sina Dennoch ist das Recht nicht gehindert, die Verbindung zwischen einem Unterlassen und dem Eintritt eines bestimmten Erfolgs als ursächlichen Zusammenhang aufzufassen und dem Untätigen zuzurechnea Wichtiger ist dabei noch folgendes: Bei der Suche nach der - etwa im Strafrecht über § 13 StGB hinausgehenden - Ursache oder den Hintergründen für die Entstehimg der Handlungspflicht, gegen die beim Unterlassen verstoßen wird, stößt man auf eine wesentliche Erkenntnis. Das Recht steht Handlungsgebote auf, wenn z. B. Gefahren für Rechtsgüter Dritter bestehea Folgüch steht hinter der Handlungspflicht die drohende Verletzung subjektiver Rechte69. 68
Für das Strafrecht vgl. dazu etwa J. Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, 23. Aufl. 1993, S. 47 (§6 I l a . E.). 69 Die Gefahr der - unmittelbar bevorstehenden - Rechtsverletzung muß nicht einmal durch den Handlungspflichtigen verursacht worden sein. Positives Tun und Unterlassen werden in jedem Fall gleichgestellt. 8 Baumeister
114
§ 5 Rechtswidrigwerden aufgrund pflichtwidriger Aufrechterhaltung
Nicht anders stellt sich die Situation im Fall der rechtswidrigen Aufrechterhaltung eines rechtmäßig erlassenen Staatsakts dar.
D. Fazit Auch vor dem Hintergrund einer Gleichsetzung von Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit erscheint die Anerkennung der Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Staatsakten keineswegs ausgeschlossen Erforderlich ist in diesem Faü eine wertende Gleichbehandlung der Staatsakte, die rechtswidrig erlassen wurden, mit denjenigen, deren Aufrechterhaltung rechtswidrig geworden ist Da in beiden Fäüen ein pflichtwidriges Verhalten (Erlaß des Staatsakts bzw. Unterlassen der Aufhebung oder Änderung) nachweisbar ist muß das Rechtswidrigkeitsurteü nicht notwendigerweise von der Pflichtwidrigkeit menschlichen Verhaltens gelöst werdea
§ 6 Rechtswidrigwerden allein aufgrund eines nachträglichen Widerspruchs zum höherrangigen Recht A. Einleitung Nach der kritischen Prüfung der Begründungsmöglichkeiten eines Rechtswidrigwerdens auf der Basis der Annahme einer notwendigen Veibindung zwischen dem Rechtswidrigwerden und einem pflichtwidrigen Verhalten scheint sich ein Eingehen auf die Begründungsalternative, die für ein Rechtswidrigwerden allein einen nachträglichen Widerspruch zum höherrangigen Recht ausreichen läßt, zu erübrigea Wie dargelegt, vermag die These von der wertenden Gleichbehandlung zumindest eine kaum zu widerlegende Grundlage für die Anerkennung des Rechtswidrigwerdens von Staatsakten zu hefern. Angesichts dieses Befundes ließe sich sicherlich vertreten, den Grundlagen des Rechtswidrigkeitsurteils nicht weiter nachzuspüren und sich nunmehr den konkreten Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens zuzuwendea In Fortführung dieses Gedankens stößt man jedoch fast unweigerlich auf die Überlegung, daß der Ausgangspunkt jeder Aufhebungs- oder Änderungspflicht, aus der nach dem zuvor Dargelegten das Rechtswidrigwerden "abzuleiten" ist, im Widerspruch des Staatsakts mit höherrangigem Recht zu sehen ist. Damit drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt des "Umwegs" bei der Begründung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens über die Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung bedarf oder die Pflichtwidrigkeit nicht möglicherweise nur als eine Begleiterscheinung des Rechtswidrigwerdens anzusehen ist, ohne daß dem pflichtwidrigen Verhalten konstitutive Bedeutung für das Rechtswidrigkeitsurteü zugesprochen werden müßte. Wie die Ausführungen zu den rechtsdogmatischen Argumenten für das Rechtswidrigwerden gezeigt haben, steht selbst im FaU der Ableitung des Rechtswidrigwerdens aus der rechtswidrigen Aufrechterhaltung des Staatsakts der nachträgliche Widerspruch zum höherrangigen Recht im Zentrum des Rechtswidrigwerdens. Auch dann, wenn man der in § 5 als haltbar angesehenen These folgte, im FaUe der pflichtwidrigen Aufrechterhaltung eines rechtmäßig erlassenen Staatsakts sei dieser Staatsakt als rechtswidrig geworden zu bezeichnen und unter Beachtung der unterschiedlichen "Rechtswidrigkeitszeitpunkte" einem rechtswidrig erlassenen Staatsakt gleichzubehandeln, konzentriert sich die weitere Prüfimg auf die Suche nach einem nachträglichen Widerspruch zum höherrangigen Recht. 8*
§ 6 Nachträglicher Widerspruch zum höherrangigen Recht
116
Ob es sich deshalb bei diesem Ansatz um einen "Umweg" handelt, kann nur eine nähere Auseinandersetzung mit dem Rechtswidrigkeitsbegriff ermitteln. Der Aufwand einer derartigen Erörterung scheint angesichts der damit verbundenen - möglichen - Klärung der Hintergründe auch zu vertretea Im folgenden geht es daher um die oben1 als zweiten Begründungsansatz bezeichnete Ansicht, nach der der Rechtswidrigkeitsbegriff nicht in einem notwendigen, unauflöslichen Zusammenhang zur Pfüchtwidrigkeit stehen muß. Anders als bei der vorausgehenden Erörterung steht nunmehr nicht zur Diskussion, ob das Rechtswidrigwerden auf der Basis der Zustandsunrechtslehre überhaupt mögüch ist Daran kann ernstlich nicht gezweifelt werdea Es geht vielmehr um die Frage, ob die Zustandsunrechtslehre überhaupt anzuerkennen ist also Ausnahmen vom Grundsatz "Rechtswidrigkeit = Pfüchtwidrigkeit" zugelassen werden können. Wenn es um die Berechtigung der Zustandsunrechtslehre geht kann Ansatzpunkt der Erörterung nur der Rechtswidrigkeitsbegriff seia Dieser Begriff der Rechtswidrigkeit scheint nun auf den ersten Bück insbesondere im öffentlichen Recht keine großen Schwierigkeiten zu bereiten. Rechtswidrigkeit ist nach aügemeiner Meinung (und wie der Begriff schon sagt) die Bezeichnung für einen Widerspruch zum Recht2. Etwas ist "wider das Recht", steht in "Widerspruch zu Normen des Rechts"3 oder in "Widerspruch zur Rechtsordnung"4. Weiter reicht die Übereinstimmung beim Rechtswidrigkeitsbegriff aüerdings nicht Schon die Definition "Rechtswidrig ist was gegen Rechtsnormen verstößt"5, dürfte nicht mehr auf ungeteüte Zustimmung treffen. Wie die vorausgehenden Ausführungen bereits gezeigt haben, ist neben vielen anderen Punkten gerade die Beantwortung der Frage streitig, was dieses "etwas" sein kann, das in Widerspruch zum Recht steht Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob die Bezeichnung "rechtswidrig" nur in bezug auf menschliches Verhalten oder auch in bezug auf tatsächüche Zustände verwendet werden kann.
1
2
§ 4 D II.
Nach Jescheck, Strafrecht AT, § 241 (S. 209), bedeutet Rechtswidrigkeit "Widerspruch gegen das Recht"; s. auch den Hinweis auf Nagler, Festgabe für Reinhard Frank, Band 1, 1930, S. 339 (343). 3 Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 5; nur scheinbar ähnlich Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 1: "Rechtswidrig ist, was gegen Rechtsnormen verstößt". Nicht zutreffend, wenn J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 147, als Auffassung von Kirchhof angibt, Rechtswidrigkeit bedeute Nichtübereinstimmung staatlichen oder privaten Handelns mit dem geltenden Recht 4 Kitzinger, Zur Lehre von der Rechtswidrigkeit im Strafrecht, GerSaal 55 (1898), 1 (15); ebenso Deutsch, Haftungsrecht I, S. 190 m. w. Nachw.; wich Münchener Rechts-Lexikon (Horst Tilch), Bd. 3,1987, Stichwort: Rechtswidrigkeit, S. 80. 5
Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 1.
Α. Einleitung
117
Dies läßt sich den ersten Versuchen zur Inhaltsbestimmung nämlich nicht entnehmen6. Hier setzt der seit über einhundert Jahren bestehende Streit um Verhaltensund Zustandsunrecht ein, der bis heute nicht abgeklungen ist Dabei schien sich seit den sechziger Jahren endgültig die Meinung durchgesetzt zu haben, daß der Gebrauch der Begriffe ,,rechtswi
276.
OVG Münster, KirchE 8,32 (Leitsatz).
333
E. Lösung der Hauptfälle
b) Das Bundesverwaltungsgericht Die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
188
hat das Ergeb-
nis des OVG Münster mit einer sehr knappen, im wesentlichen gleichlautenden Begründimg gehalten. "Der Wegfall der Verhältnisse als Grund für das Außerkrafttreten von Rechtssätzen ist in der Literatur (...) und in der Rechtsprechung (...) anerkannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich hiermit noch nicht befaßt. Bei dieser Art des Außerkrafttretens von Normen handelt es sich um einen Fall der normativen Kraft des Faktischen. Wenn es Rechtens ist, daß Rechtssätze nach einer gewonnenen Revolution oder einem verlorenen Krieg außer Kraft treten können, dann ist es nicht zu beanstanden, daß 250 Jahre alte Vorschriften wegen völliger Veränderung der Verhältnisse als außer Kraft getreten behandelt werden. Gewiß ist die Aufhebung von Normen grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Doch gibt es hiervon Ausnahmen. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Falle eine solche Ausnahme angenommen hat, so Hegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) vor. Der gegenteiligen Auffassung der Klägerin kann nicht gefolgt werden. " 1 8 9
Wenn die Begründung hier in vollem Umfang zitiert wird, soll damit belegt werden, auf welch "schwankendem Grund" die Entscheidung beruht. Darauf, daß hier dem Bundesverwaltungsgericht wie auch der übrigen Rechtsprechung angesichts der bis heute (und damals erst recht) in der Literatur fehlenden dogmatischen Durchdringung der Probleme eigentlich kein Vorwurf gemacht werden kann, hat schon Scheuner hingewiesen190. Bezeichnend ist der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf die normative Kraft des Faktischen, eine Figur, die - wie gezeigt - einen Geltungswegfall nicht im Entferntesten zu begründen geeignet ist. An der Möglichkeit eines Wegfalls der Geltung einer Norm infolge "Wegfalls der Verhältnisse", worunter die Verhältnisse zu verstehen sind, die zur Entstehung der Norm geführt, d. h. die sie bezweckt oder veranlaßt haben, hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner weiteren Rechtsprechung im vorhegenden Zusammenhang immer festgehalten191.
188
Urt. v. 3.11.1967 - VII C 68.66 -, BVerwGE 28,179; mit gleichem Datum erging ein in den Gründen identisches Urteil - VII C 69.66 189 190
BVerwGE 28,179(182). Scheuner, FG Flatten, S. 381 (394).
191 BVerwG, DVBl. 1969, 32 f.; BVerwGE 38, 76 (81 ff.); VerwRspr. 26, 75 (Nr. 14); KirchE 13, 330 (331); DVBl. 1979,116 (118); ZevKR 27 (1982), 400 (401 f.); 29 (1984), 626 f.
334
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Allerdings wurde seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 23.4.1971192 die vom OVG Münster gewählte Begründung in wesentiichen Punkten nicht mehr anerkannt. So wurde der zwischenzeitüch vom OVG Münster vertretenen Ansicht, die Kirchenbaulasten verstießen gegen das Neutralitätsgebot und den Grundsatz der Parität 193, die Anerkennung verweigert. Auch der Erlaß der Kirchensteuergesetze und die damit für die Kirchengemeinden verbundene bessere finanzieUe Ausstattung führt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu einem die Geltung der Baulast beseitigenden Wegfaü der Verhältnisse. Im Ergebnis beschränkt sich die Mögüchkeit des Geltungswegfaüs damit auf besondere Ausnahmefäüe. Unter Berufung auf die Auffassung von Scheuner 194 geht das Bundesverwaltungsgericht aber davon aus, daß eine Norm ihre Geltung verüeren könne, wenn bestimmte Voraussetzungen weggefaüen sind, auf denen die Norm im wesentiichen beruhte und durch die sie bestimmt und bedingt ist 195 . Als eine solche mögüche Voraussetzung sieht das Gericht die konfessioneüe Bevölkerungsstruktur in der poütischen Gemeinde an. Für den Faü einer starken konfessionellen Mischung der Bevölkerung zieht es bei einer zunächst (im Zeitpunkt der Entstehung der Kirchenbaulast) eindeutig katholischen oder protestantischen Gemeinde eme Veränderung der Verhältnisse in Betracht, "durch welche die alten Kirchenbaulasten obsolet geworden sein könnten"196. Als Folge dieser Entscheidung ging man zuweüen davon aus, daß nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts wohl nur konfessioneüe Vermischungen zum Wegfaü der Kirchenbaulasten führen könnten197. Im Beschluß vom 192
BVerwGE 38, 76 ff.
193
Vgl. OVG Münster, ZevKR 15 (1970), 275.
1 9 4 ZevKR 14 (1968/69), 353 (356); ob diese Ansicht tatsächlich der Auffassung von Scheuner entspricht, ist nicht ganz eindeutig. Auch wenn er an der vom BVerwG zitierten Textstelle nicht unmittelbar seine eigene Auffassung, sondern die des Pandektenlehrbuchs von Carl Georg von Wächter wiedergibt (darauf weist auch Wiesenberger, Kirchenbaulasten, S. 206 f., hin), so erscheint es doch keinesfalls ausgeschlossen, daß er mit dieser Ansicht übereinstimmt (a. A. aber Wiesenberger, ebd.). Scheuner versucht nämlich gerade die Fallgestaltungen in Zusammenhang mit den Kirchenbaulasten von den durch von Wächter aufgestellten Grundsätzen über den Geltungswegfall von Normen abzugrenzen. Möglicherweise wollte Scheuner aber auch aus taktischen Gründen eine Auseinandersetzung mit der - vermeintlich - h. M., wie sie bei von Wächter angelegt ist, vermeiden, um sich mit seiner Argumentation als Interessenvertreter der Kirchengemeinden (Scheuner hat im Auftrag von Kirchengemeinden Gutachten erstellt, in denen er sich für die Fortgeltung der Baulasten ausgesprochen hat) nicht zu sehr von den üblichen Thesen zu entfernen. Jedenfalls hat er aber ausdrücklich die Entscheidung des OVG Münster (OVGE 14, 276), die von einem Wegfall der Gesetzesgeltung infolge eines Wegfalls des geregelten Sachverhalts ausgeht, gutgeheißen (ZevKR 14 (1968/69), 353 (358); FG Flatten, S. 381 (393). 195
BVerwGE 38,76 (82).
1 9 6
BVerwGE 38,76 (83).
1 9 7
Vgl. ζ. B. Sperling, ZevKR 27 (1982), 384 (385), zu der gegenteiligen Ansicht des OVG Koblenz, ZevKR 25 (1980), 407 m. Anm. Sperling, mit der - im Ergebnis unzutreffenden - An-
E. Lösung der Hauptfälle
335
25.3.1981 hat das Bundesverwaltungsgericht dieser Ansicht eine Absage erteilt und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nicht allein die Änderung der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung einer Gemeinde geeignet sei, den Wegfall einer Kirchenbaulast zu rechtfertigen 198. Ob es sich bei dieser Entscheidung tatsächlich nur um eine Klarstellung oder nicht doch um eine stillschweigende Änderung der Rechtsprechung gehandelt hat, ist nicht genau zu sagen, im Ergebnis aber auch nicht von entscheidender Bedeutung. Der Beschluß vom 25.3.1981 weist eine andere Besonderheit auf, auf die unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OVG Koblenz199, des VGH Kassel200 und des VG Kassel201 kurz einzugehen ist In sämtlichen Entscheidungen wurde die Auffassung vertreten, daß die betreffenden Kirchenbaulasten infolge des Rechtsgrundsatzes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. der clausula rebus sie stantibus in eine Verpflichtung, nur noch die Hälfte der Reparatuikosten zu tragen, umzuwandeln sind. Sperling hat dieses Ergebnis des Urteils des OVG Koblenz vom 18.12.1979 zwar als auf den ersten Bück billig, verständnisvoll und einleuchtend angesehen, letztlich aufgrund der vorausgehenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht gutgeheißen202. Seine Kritik läßt jedoch von vornherein einen Umstand außer Betracht, der auch in der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht angesprochen wird. Im Gegensatz zu den zuvor vom Bundesverwaltungsgericht und auch vom OVG Münster entschiedenen Fällen, in denen die Kirchenbaulasten jeweils auf einer normativen Grundlage beruhten (zumeist Ortsgewohnheitsrecht/Observanz), verdankten die Baulasten in den genannten Fällen des OVG Koblenz und des VGH Kassel ihre Entstehimg einem Heikommen bzw. einer Übung, also einer einem Vertrag gleichstehenden Anspruchsgrundlage. Auf Verträge oder gleichstehende Grundlagen sind jedoch zweifellos die im Vertragsrecht entwickelten Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben, der Wegfall der Geschäftsgrundlage oder die clausula rebus sie stantibus, anzuwenden. Daß dies grundsätzlich für normativ begründete Pflichten nicht gilt, wurde bereits oben ausgeführt 203. Diese obergerichtliche Rechtsprechung ist
nähme, die Entscheidung des OVG Koblenz werde vor dem BVerwG keinen Bestand haben. Im gleichen Heft wurde auf S. 400 ff. der gegenteilige Beschluß des BVerwG, vgl. im folgenden, abgedruckt 198 i1Q yQ y
BVerwG, ZevKR 27 (1982), 400 (402).
Zum einen das dem Beschluß zugrundeliegende Berufungsurteil vom 18.12.1979, ZevKR 25 (1980), 407; außerdem das Urteil vom 18.9.1968, ZevKR 14 (1968/69), 382 (rechtskräftig). 2 0 0
ZevKR 9 (1962/63), 418; KirchE 7,165; ZevKR 19 (1974), 166.
2 0 1
ZevKR 16 (1971), 306; 25 (1980), 413.
2 0 2
Sperling, ZevKR 25 (1980), 412 f.; 27 (1982), 385.
2 0 3
S. oben D II 1 b (S. 310).
336
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
daher einer Kritik auf der Basis der Bundesverwaltungsgerichts-Entscheidungen weitgehend entzogen. Kritisch angemerkt werden muß allerdings, daß ζ. B. das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 18.9.1968204 die Frage nach dem konkreten Rechtsgrund für die Entstehung der betreffenden Kirchenbaulast weitgehend offen gelassen und lediglich dahingehend beantwortet hat, daß diese "jedenfalls auf Grund langjähriger Übung bestanden"205 hätte. Aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Folgen der Veränderung von Verhältnissen, je nachdem, ob die Baulast eine normative oder eine vertragliche Grundlage hat, kann die Frage nach dem Rechtsgrund die Verpflichtung eigentlich nicht dahinstehen. Zumindest hätte das OVG Koblenz in diesem Fall die Gleichbehandlung vertragücher und normativer Baulasten begründen müssen. Im übrigen ist es jedoch - entgegen der Ansicht von Sperling 206 - aufgrund der hier bestehenden vertragüchen Rechtsgrundlage nicht verwunderlich, daß das Bundesverwaltungsgericht das Urteü des OVG Koblenz gebilügt hat. Nicht ganz erklärhch ist nur, warum das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht auf diese Differenzierung eingegangen ist. Es ist deshalb in der Tat nicht auszuschüeßen, daß das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, eine Reduzierung einer Kirchenbaulast auch in Fäüen denkbar sei, in denen die Baulast gewohnheitsrechtlich begründet ist. Daß eine solche Reduzierung u. U. eine angemessene Lösung darsteüen kann, wird nicht verkannt. Die Frage ist nur, wie sich eine Ermäßigung, d. h. ein teüweiser Wegfaü der Verpflichtung und damit der Normgeltung, rechtsdogmatisch begründen üeße207.
J. Die Auffassungen in der (vor allem) kirchenrechtlichen
Literatur
Auch wenn man aügemein aufgrund der oben zitierten Steüungnahmen grundsätzüch von der aügememen Anerkennung eines Geltungswegfaüs von Normen bei Wegfaü der Verhältnisse ausgeht, neigt die Literaturmeinung - u. a. schon deshalb, weü sich zumeist "kirchenfreundhche" Stimmen zu Wort gemeldet haben - eindeutig einer sehr restriktiven Auffassung zu. So kritisiert Scheuner die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, von der Möglichkeit des Geltungswegfaüs infolge einer Veränderung der kon2 0 4
ZevKR 14 (1968/69), 382 (383); anders jedoch in ZevKR 25 (1980), 407 (408).
2 0 5
ZevKR 14 (1968/69), 383; ebenso VGH Kassel, ZevKR 9 (1962/63), 418 (412); in beiden Fällen kam es allerdings im Ergebnis nicht entscheidend darauf an, da auch die Anwendung der clausula rebus sie stantibus abgelehnt wurde. 2 0 6
ZevKR 27 (1982), 385.
2 0 7
S. dazu sogleich unter 6.
das
E. Lösung der HauptfìUle
337
fessionellen Zusammensetzung der Gemeindebevölkerung ausgeht, mit dem Argument, "daß öffentliche Leistungen aus allgemeinen Mitteln von allen Bürgern ohne Unterschied (nach) ihrer politischen oder weltanschaulichen Haltung zu tragen sind"208. Zum gleichen Ergebnis kommt - vor allem aus Praktikabilitätsgründen - auch Wiesenberger 209, der den Wegfall einer Norm nur in zwei Fällen für gerechtfertigt hält: Entweder regelt die Norm einen Sachverhalt, der gar nicht existieren kann, oder der geregelte Sachverhalt, den es in der Vergangenheit gegeben hat, kann zuküfüg nicht mehr eintreten.
Dieselbe Tendenz weisen auch verschiedene Äußerungen von Sperling und H. Weidemann auf, die jedoch beide nicht in Zweifel ziehen, daß Veränderungen der konfessionellen Zusammensetzung u. U. zu einem Wegfall der Baulast führen können210. Eher kritisch gegenüber der Fortgeltung der Kirchenbaulasten äußert sich dagegen Krebs, der diese Frage aber ebenso wie das von ihm besprochene Urteü des Verfassungsgerichtshofs ßr Nordrhein-Westfalen trotz angesprochener Zweifel offen läßt 211 . Für eine erweiterte Anwendung des Grundsatzes vom Wegfall der Norm infolge von Veränderungen der Verhältnisse spricht sich einzig Jung in seiner Dissertation aus dem Jahre 1986 aus212. Nach seiner Ansicht erscheint "allein schon aus rechtssystematischen Gründen eine erweiterte Anwendung des Rechtsgrundsatzes vom Wegfall der Norm im Wegerichterlicher Rechtsfortbüdung geboten."213 Die Lehre vom Obsoletwerden der Norm müsse neben dem völligen Wegfall der Verhältnisse auch auf die Fälle der wesentlichen bzw. grundsätzlichen Änderung der Verhältnisse angewendet werden. Dann bestünde auch nicht die Gefahr einer Gleichsetzung mit der Lehre von der normativen Kraft des Faktischen214. Die Folgen der Anwendung des Obsoletwerdens bestehen nach Jung allerdings nicht im Wegfall der Norm. Vielmehr sei entsprechend den Grundsätzen der clausula rebus sie stantibus und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zunächst eine Anpassung an die neue Lage zu versuchen215. Für diese
2 0 8
Scheuner, FG Flatten, S. 396. In dieselbe Richtung auch Isensee, HbdStKirchR I, S. 1047.
2 0 9
Kirchenbaulasten, S. 209,216.
2 1 0
Vgl. Sperling/H. Weidemann, DÖV 1973, 269 ff.; Sperling, ZevKR 23 (1978), 305 ff.; 25 (1980), 412 f., 417 f.; 27 (1982), 384 ff. 2 1 1
Vgl. VerfGH NW, DVBl. 1982, 1042 m. Anm. Krebs, S. 1044 (1047); demgegenüber die Kritik von Rüfher, DÖV 1983,30 f., an den Andeutungen des VerfGH. 2 1 2 Jung, Baulast und Patronat, S. 266 ff.; kritisch dazu etwa Böttcher, Rezension, ZevKR 34 (1989), 488 (495 ff.). 2 1 3 2 1 4 2 1 5
Jung, Baulast und Patronat, S. 267. Ebd. Ebd., S. 269.
22 Haumeister
338
§ 9 Getungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Ansicht beruft er sich auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts 17.12.1973216.
vom
6. Die eigene Lösung
Wie den vorausgehenden Bemeikungen bereits zu entnehmen ist, muß ein Geltungswegfall der Kirchenbaulasten infolge der verschiedenen Veränderungen abgelehnt werdea Die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung hat gezeigt, daß es für die Annahme des Geltungswegfalls an jeder Grundlage fehlt. Bereits die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des OVG Münster hatten einer kritischen Prüfung nicht standgehaltea Hier zeigte sich, daß die rechtstheoretisch vieüeicht mögliche Anerkennung eines Geltungswegfaüs bei Wegfaü des geregelten Sachverhalts in der Praxis zu erhebüchen Gefahren einer unsachgemäßen, weü ausgeweiteten Anwendung dieser "Regel" fuhren kann. Rechtsdogmatisch ist die Annahme des Geltungswegfaüs in diesen Fäüen ohnehin unnötig, da bei Wegfaü des geregelten Sachverhalts die betreffende Norm unter gar keinen Umständen in irgendeinem konkreten Faü von Bedeutung sein kann, da ihr Anwendungsbereich gerade weggefaüen ist Aber selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung den Geltungswegfaü in den Fäüen des Wegfalls des geregelten Sachverhalts anerkennen woüte, so üeße sich dennoch kein Zusammenhang mit den Fäüen der Kirchenbaulast hersteüea Hier handelt es sich um Veränderungen, die zwar Grundlagen und Zweck der Baulasten betreffen können, nicht jedoch den geregelten Sachverhalt selbst entfaüen lassen. Wie oben ausgeführt kann einem Geltungswegfaü in diesen Fäüen nicht zugestimmt werdea Eine nachträgüche Unwirksamkeit könnte hier nur aufgrund eines nachträgüchen Verstoßes gegen höherrangiges Recht, also infolge eines Rechtswidrigwerdens, eintreten. Im Faü der Kirchenbaulasten fehlt es dazu an jedem Anhaltspunkt. Wie das Bundesverwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat, scheidet ein nachträgücher Verstoß gegen den Neutraütätsgrundsatz und das Paritätsgebot aus217. Mit diesen Überlegungen endet die Prüfung der Geltung einer Norm im Regelfaü. Aüerdings bestehen in den Fäüen der gewohnheitsrechtlich begründeten Kirchenbaulasten Besonderheiten, die zu einer außergewöhnlichen Lösung zwingen. Durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 WRV werden die sog. Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften in besonderer Weise geschützt, die über 2 1 6
Ebd., Fußn. 1 mit dem Verweis auf BVerwG, KirchE 13,419 (421).
2 1 7
BVerwGE 38,76 (78 f., 80).
E. Lösung der Hauptf&lle
339
den Schutz nach Art 14 GG hinausreicht Der durch Art 138 Abs. 1 WRV zusätzlich gewährleistete Schutz besteht in besonderen Erfordernissen zum Verfahren, die bewirken, daß - anders als bei einer Enteignung nach Art 14 Abs. 3 GG - die Staatsleistungen nur im Einvernehmen mit den Kirchen beseitigt bzw. abgelöst werden können. Nach Art 138 Abs. 1 S. 1 WRV sind die Landesgesetzgeber zu einer Ablösung aufgerufea Gem Art. 138 Abs.l S. 2 WRV bedarf es dazu allerdings zunächst eines Bundesgesetzes, das die Grundsätze der Ablösung aufstellt Ein solches Gesetz hat es weder in der Zeit der Weimarer Republik noch unter der Geltung des Grundgesetzes bis heute gegeben. Soweit es um Leistungen an die katholische Kirche geht, bedarf es zudem aufgrund Art 18 Reichskonkordat218 vor einer solchen bundesgesetzlichen Regelung eines "freundschaftlichen Einvernehmens" zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich. Infolge der Paritätsgrundsatzes dürfte dasselbe auch für die evangeüsche Kirche gelten219. Landesgesetzüchen Ablösungsregeln stehen daher - zumindest für den Landesgesetzgeber - unüberwindbare Hindernisse entgegea Somit büeb und bleibt nur die Mögüchkeit, Ablösungen auf vertraglichem Wege zu erreichea Einseitige hoheitliche Akte scheiden aus. Dies güt nicht nur für Staatsleistungen auf Landesebene, sondern auch für die wesentlich zahlreicheren kommunalen Leistungen Zwar ist hier umstritten, ob die Leistungen der Kommunen ebenfaüs von Art 138 Abs. 1 WRV erfaßt werden 220 , doch auch von den ablehnenden Auffassungen wird eine einseitige Beendigung der Leistungen nicht fur mögüch gehalten221. Damit sind auch die gemeindlichen Kirchenbaulasten dem einseitigen hoheitiichen Zugriff völüg entzogen, gleich welche Änderungen der Verhältnisse auch immer eintreten mögen. Basieren die Baulasten auf einer vertragüchen Grundlage, also auf Vertrag, unvordenklicher Verjährung oder Herkommen, so sind auf grundlegende Veränderungen die Grundsätze der clausularebussie stantibus bzw. des Wegfaüs der Geschäftsgrundlage anzuwenden222. Dies kann z. B. zu einem vertragüchen 2 1 8
V. 20.7.1933 (RGBl. II S. 679); siehe dazu auch Höllerbach, HbdStR VI, § 138 Rdnrn.
50fT. 2 1 9 Wohl unbestritten: Hollerbach, HbdStR VI, § 139 Rdnr. 56; W. Hofmann, EvStL, Sp. 3435; Schlief, Staatslexikon, Sp. 201. 2 2 0 Dafür z. B. Isensee, HbdStKirchR I, S. 1009 (1033); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 194; dagegen Hollerbach, HbdStR VI, § 139 Rdnr. 61. 2 2 1 2 2 2
Hollerbach, HbdStR VI, § 139 Rdnr. 61.
Aufgrund der heute im Privatrecht allein befürworteten Anwendung des Grundsatzes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dürfte dieser auch im vorliegenden Zusammenhang allein einschlägig sein.
22*
340
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Anspruch (aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben) für das Land oder die Gemeinde gegen die Kirche führen, die Vertragsbedingungen an die veränderten Verhältnisse anzupassen, gegebenenfalls sogar die Verpflichtungen aufzuheben. Eine andere Situation ergibt sich dagegen zunächst bei einer gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Grundlage der Baulast. Hier führen die besonderen rechtlichen Bindungen der öffentlichen Gewalt zum Ausschluß jedes Zugriffsrechts. Auf dem normativen Gebiet, auf dem die öffentliche Gewalt regelmäßig einseitige Regelungskompetenz besitzt, sind hier nur vertragliche Lösungen möghch. Darin zeigt sich die zwischen dem Land bzw. der Gemeinde und der Kirche bestehende vertragsähnliche Beziehung auch bei Baulastverpflichtungen auf normativer (nicht vertraglicher) Grundlage. Diese besondere rechtliche Lage rechtfertigt auch hier die Anwendung der vertragsrechtlichen Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Nur auf diesem Wege läßt sich eine angemessene Lösimg erreichen. Schließlich ist nicht erklärlich, warum die politische Gemeinde, die Baulastverpflichtungen aufgrund einer Observanz ausgesetzt ist, schlechter gestellt sein soll als die Gemeinde, in der die Baulasten auf einem Herkommen basieren. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß die Feststellung, ob die Verpflichtung auf Gewohnheitsrecht oder einem Herkommen basiert, in der Regel mehr als schwierig, in manchen Fällen sogar ausgeschlossen ist. Im Ergebnis verliert also die gewohnheitsrechtliche Kirchenbaulast in keinem Fall ihre Geltung und wird auch nicht rechtswidrig. Das verpflichtete Land oder die verpflichtete Gemeinde hat jedoch unter denselben Voraussetzungen wie bei einer vertraglichen Verpflichtung Ansprüche auf Vertragsanpassung an veränderte Umstände. Auf diese Weise ist auch ein angemessener Interessenausgleich gewährleistet.
IL Der "funktionslos gewordene" Bebauungsplan 1. Die Begründung der Rechtsprechung
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 10.3.1967223 noch eine restriktive Ansicht vertreten: "Bebauungspläne können durch eine von ihren Festsetzungen abweichende tatsächliche Entwicklung nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn diese Entwicklung zur Entstehung von Gewohnheitsrecht führt." 224 Die Begründung dafür lieferten folgende Erwägungen: Die Annahme 2 2 3
BVerwGE 26,282 ff.
2 2 4
BVerwGE 26,282 (LS 1. Satz).
£. Lösung der Hauptfälle
341
einer Änderung des Plans durch die tatsächliche Entwicklung "widerspricht dem Wesen des Rechtssatzes und den Formalien des Rechtssetzungsverfahrens. Sie widerspricht unter den hier gegebenen Umständen ferner Art. 20 Abs. 3 GG. Angesichts der strikten Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht kann ihr nicht die Möglichkeit eröffnet sein, einen bindenden Rechtssatz dadurch außer Kraft zu setzen, daß sie sich nicht an diesen Rechtssatz hält und dadurch einen mit ihm nicht übereinstimmenden tatsächlichen Zustand schafft." 225 Von dieser Auffassung ist der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im 226 227 Urteü vom 29.4.1977 , dem das Urteü des OVG Münster vom 25.3.1975 vorausging, abgerückt. Der Fall des Gewohnheitsrechts wird darin nicht mehr als einziger Fall einer rechtsbüdenden Wirkung von Tatsachen angesehen. Die sich anschließende maßgebende Passage aus den Urteilsgründen lautet wörtlich: "Tatsachen können vielmehr unter bestimmten Umständen auch dann von rechtsbildender Wirkung sein, wenn es an einer langandauernden Übung fehlt. Das gilt zumindest - nur das ist hier von Interesse - für die Fähigkeit von Tatsachen, einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft zu setzen. Zu dieser Folgerung zwingt die Stellung und Aufgabe des Rechts als 'Ordnungsfaktor des gesellschaftlichen Raumes' (...). Kraft dieser Aufgabe steht das Recht in einer Grundbeziehung zu den vorgegebenen - von ihm zu ordnenden oder in Ordnung zu haltenden - Sozialsituationen. Das Recht ist um seiner Ordnungsfunktion willen außerstande, etwas zu bestimmen, das etwa überhaupt keinen sinnvollen Gegenstand oder keinen denkbaren Adressaten hat oder eine schlechthin unmögliche Regelung trifft. Recht mit derart funktionslosem Inhalt kann nicht in Kraft treten, und es tritt außer Kraft, wenn sich der Mangel der Funktionslosigkeit nachträglich einstellt. Über diesen Ansatz kann ernstlich kein Streit sein (,..)." 228
In ähnlicher Form, aber ohne den Bruch mit der früheren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
so offenzulegen, hatte schon das OVG Münster die
Möglichkeit des Obsoletwerdens einer Norm wegen Wegfalls der Normengrundlage begründet229. Unter Bezugnahme auf die erste Bundesverwaltungsgerichts-Entscheidung zum Geltungswegfall von Kirchenbaulasten230 hat es zugleich darauf hingewiesen, daß es sich hier um einen Fall der normativen Kraft des Faktischen handele. 2 2 5
BVerwGE 26,282 (284).
2 2 6
BVerwGE 54,5.
2 2 7
BRS 29, 41 (Nr. 17). 228 BVerwGE 54, 5 (8); schon angesichts dieser Begründung in der Rechtsprechung zeigt sich, daß die Ansicht von Wolff/Bachof/Stober, VerwaltungsR I, § 25 Rdnr. 14, die Funktionslosigkeit von Rechtsnormen sei ein Sonderfall der Derogation, unzutreffend ist. 2 2 9
OVG Münster, BRS 29,41 f.
2 3 0
BVerwGE 28,179.
342
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Das Bundesverwaltungsgericht vertritt seither in ständiger Rechtsprechung231 folgende in einem Leitsatz festgehaltene Ansicht: "Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächüchen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirküchung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt" 232
2. Die Stellungnahmen in der Literatur
Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist ganz überwiegend auf Zustimmung gestoßen233. Die Bemühungen gehen zumeist dahin, die Voraussetzungen für den Geltungswegfaü mögüchst eng zu fassen, um das Außerkrafttreten auf extreme Ausnahmefäüe zu begrenzea Eine rechtsdogmatische Begründung, die über die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts hinausgeht, wird für den Geltungswegfaü jedoch nicht geüefert Die Ansichten der wenigen Autoren, die weiteneichende und inhaltüch abweichende Ansätze vertreten, soüen näher betrachtet werdea
a) Grooterhorst Eine in gewisser Hinsicht neuartige Auffassung vertritt U. Grooterhorst in ihrer Dissertation aus dem Jahre 1988. In dieser aüein dem Thema des Geltungsverlusts von Bebauungsplänen gewidmeten Untersuchung macht sie darauf aufmerksam, daß die Mögüchkeit eines Außerkrafttretens von Bebauungsplänen auch unter dem Gesichtspunkt ernes nachträgüchen Verfassungswidrigwerdens 2 3 1 BVerwG, NJW 1984, 138 (insoweit in E 67, 334 nicht abgedruckt); NJW 1979, 64 (67); ZfBR 1984, 87 (89); NVwZ-RR 1990, 121; BVerwGE 85, 273 (282 f.); VB1BW 1993, 464 (465); NVwZ-RR 1994, 236; dem folgend BGHZ 84, 292 (295); ZMR 1984, 177 (178); JZ 1990, 641 (642); auch die Oberverwaltungsgerichte z. B.: OVG Berlin, BauR 1980, 239; OVG Lüneburg, NuR 1995, 369 (370); VGH München, BayVBl. 1987, 210 (212); VGH Mannheim, VB1BW 1983, 371; NVwZ 1987,241 (243); Urt. v. 24.2.1988 - 3 S 2978/87 -; Uit v. 18.6.1993 - 8 S 1063/93 -, S. 6; s. auch Grooterhorst, Geltungsverlust, S. 12. 2 3 2 2 3 3
BVerwGE 54, 5 (Leitsatz).
Vgl. z. B. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, §2 Rdnr. 9; Bielenberg, in: Emst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 2 Rdnr. 88; Degenhart, BayVBl. 1990, 71 ff.; Gronemeyer, DVB1. 1977, 756 (757); Grooterhorst, Geltungsverlust, S. 95 fif. (Ergebnis); Hoppe, in: Ernst/Hoppe, Öffentliches Baurecht, Rdnr. 281; Kopp, VwGO, § 47 Rdnr. 87; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 135 f.; krit. offenbar nur Krebs, Baurecht, 4. Abschnitt, Rdnr. 120.
. Lösung der Hauptflle
343
des Plans betrachtet werden muß. Allerdings geht sie aufgrund der teilweise unkritischen Übernahme der Rechtsprechung nicht auf das Verhältnis des (unmittelbaren) Geltungswegfalls zum Außerkrafttreten wegen nachträglicher Rechtswidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit des Bebauungsplans ein. Sie stellt vielmehr zwei Gründe für ein Außerkrafttreten des Plans nebeneinander. Ein Bebauungsplan tritt danach zum einen "außer Kraft, wenn die in ihm festgesetzte Nutzbarkeit infolge einer Tatsachenveränderung objektiv undurchführbar wird" 234 , zum anderen, "wenn die vom Plan betroffenen Grundstückseigentümer durch den Fortbestand eines Bebauungsplanes trotz veränderter tatsächlicher Verhältnisse in ihrem Eigentumsrecht aus Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt werden"235.
aa) Geltungswegfall infolge objektiver Undurchführbarkeit des Plans (Wegfall des vom Plan geregelten Lebenssachverhalts) Grooterhorst versucht diese erste Möglichkeit des Geltungswegfalls in Anknüpfung an das oben bereits ausfuhrlich erörterte Urteil des OVG Münster vom 22.12.1958236 zu begründea Für den Fall des Wegfalls des vom Bebauungsplan geregelten Lebenssachverhalts kommt sie trotz dieser Anknüpfung zum gleichen Ergebnis wie das Bundesverwaltungsgericht 2* 1. Für weggefallen hält sie den Lebenssachverhalt, "wenn der Norm keine Ordnungsfunktion mehr zukommt"238, d. h., "wenn die vom Bebauungsplan festgesetzte Nutzbarkeit objektiv nicht mehr zu verwirklichen ist" 239 . Dies sei der Fall, "wenn die Bebauung wegen eines Naturereignisses unmöglich wird oder wenn aufgrund einer dem Plan zuwiderlaufenden Bebauung das Planziel auf unabsehbare Zeit nicht mehr erreicht werden kann"240. In Übereinstimmung mit der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts soll der Geltungswegfall des Bebauungsplans schon eintreten, "wenn auf den meisten der beplanten Grundstücke eine andere tatsächliche Entwicklung erfolgt ist, als sie durch den Bebauungsplan beabsichtigt war" 241 .
2 3 4
So in der Zusammenfassung, Grooterhorst,
2 3 5
Ebd., S. 257 (unter 16.).
2 3 6
OVGE 14,276; dazu vgl. oben D11 b (S. 303 ff.).
2 3 7
Vgl. Grooterhorst,
2 3 8
Ebd., S. 114.
2 3 9
Ebd., S. 115.
2 4 0
Ebd., S. 117. Ebd., S. 120.
24 1
Geltungsverlust, S. 253 (unter 9.).
Geltungsverlust, S. 111 ff.
344
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
bb) Nachträglicher Verstoß gegen Art. 14 GG Als zweite denkbare Variante für ein Außerkrafttreten von Bebauungsplänen nimmt Grooterhorst die Möglichkeit einer nachträglichen Verletzung des Eigentumsgrundrechts durch den Bebauungsplan an. Unter Übertragung der Grundsätze für die bei Normen anerkannte Mögüchkeit einer nachträgüchen Verfassungswidrigkeit wird dies auch für den Faü des nachträgüch unverhältnismäßig gewordenen Bebauungsplans bejaht, bei dem die Eigentümerinteressen im Verhältnis zu den übrigen Interessen nicht (mehr) gerecht gewichtet sind 242 . Der Annahme der nachträgüchen Verfassungswidrigkeit stünde auch die Regelung des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB nicht entgegen243.
b) Zeüer Eine andere Lösung bietet Zeiler 244 an. In kritischer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.4.1977245 kommt er zu der Auffassung, daß die Annahme des Geltungswegfaüs infolge Funktionslosigkeit dogmatisch nicht überzeuge. Vielmehr habe der durch die jeweiüge Festsetzung des Bebauungsplans Betroffene über Art. 3 Abs. 1 GG (Selbstbindung der Verwaltung) einen Anspruch auf Befreiung von der Festsetzung gem. § 31 Abs. 2 BBauG (BauGB), wenn auch in den Fäüen der bereits bebauten Grundstücke derartige Befreiungen erteüt wurden. Dies gelte auch für den Faü, daß die früheren Befreiungen rechtswidrig waren. Zur Begründung stützt sich Zeiler "auf das auf dem Gleichheitsgrundsatz basierende Rechtsinstitut der Selbstbindung der Verwaltung"246 sowie auf den Vertrauensschutzgedanken247. Im Hinblick auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung sieht Zeiler den Konflikt mit dem Meiksatz "Keine Gleichheit im Unrecht". Unter Berufung auf Götz 248 glaubt er jedoch, daß dieser fast aügemein anerkannte Grundsatz nicht ausnahmslos gelten könne249. Gerade im vorhegenden Fall gebiete der Gleichheitsgrundsatz die Genehmigung des Bauwerks im Wege der Befreiung 2 4 2
Ebd., S. 222 ff.
2 4 3
Ebd., S. 234 ff.
2 4 4
BayVBl. 1978,626 ff.
2 4 5
BVerwGE 54, 5.
2 4 6
Zeiler, BayVBl. 1978,626.
2 4 7
Ebd., S. 627 f.
2 4 8 DÖV 1968, 92; DVB1. 1972, 188; weitere Darlegungen von Götz dazu in FG BVerwG, S. 245 ff., und NJW 1979, 1478 ff. 2 4 9
Zeiler, BayVBl. 1978,627.
£. Lösung der Hauptfälle
345
gem. § 31 Abs. 2 BBauG (BauGB). Für die Herleitung seines Ergebnisses (Anspruch auf eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB) aus dem Vertrauensschutzprinzip verweist er u. a. auf Ausführungen von Randelzhofer 25°. Außerdem zeige § 48 Abs. 2 VwVfG, daß das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vom Vertrauensschutzgedanken durchbrochen werden kann. Vor allem im Hinblick auf mögliche Dispositionen des Betroffenen aufgrund der vorausgehenden - wenn auch rechtswidrigen - Verwaltungspraxis sei nicht einzusehen, warum dieser schlechter gestellt sein dürfe, als derjenige, "demgegenüber die Verwaltung bereits tätig geworden ist" 251 . Der Gedanke des Vertrauensschutzes finde sich schließlich auch in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 252.
c) Osthof Eine weitere, von den bislang vertretenen Auffassungen abweichende Meinung vertritt Osthof 253. Sein Ansatz zur Lösung der Problematik der Plangeltung des "funktionslos gewordenen" Bebauungsplans läßt sich als eine Mittelmeinung zwischen den "Extremen" des Geltungswegfalls der bauplanerischen Festsetzung und der Fortgeltung bei gleichzeitigem Anspruch des durch die Festsetzung Belasteten auf Erteüung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB begreifen. Osthof geht davon aus, daß die betreffende Festsetzung ihre Geltung aufgrund der entgegenstehenden Bebauung nicht verliert Gleichzeitig soll aber die Planbindung eine Lockerung in der Weise erfahren, daß die betreffende Festsetzung (im Augenblick) nicht anzuwenden ist. Gestützt wird diese Ansicht auf eine Analogie zu §§ 31 Abs. 2, 33, 37, 125 Abs. 1 a BBauG 254 (jetzt §§ 31 Abs. 2, 33, 37, 125 Abs. 3 BauGB). Die funktionslosen Festsetzungen bleiben danach gültig, nur die Planbindung wird eingeschränkt. Auf diese Weise will Osthof den von ihm dargelegten Problemen der Annahme eines Geltungswegfalls begegnen. Ändern sich nämlich nach Eintritt der "Funktionslosigkeit" - völlig unvorhergesehen255 - die Verhältnisse derart, daß die betreffende Festsetzung wieder sinn-
2 5 0
JZ 1973, 536 ff.
25 1
Zeiler, BayVBl. 1978,627 f.
2 5 2
Ebd., S. 628 mit Hinweis auf BVerwG, NJW 1977,2325 (2326) (= BVerwGE 54, 5)
2 5 3
Nutzungsgehalt, S. 191 ff.
2 5 4
Osthof, Nutzungsgehalt, S. 212 ff.
2 5 5
Dieser Zusatz ist erforderlich, weil nach den Kriterien für den Eintritt der Funktionslosigkeit die Ordnungsfunktion auf unabsehbare Zeit entfallen sein muß, vgl. BVerwGE 54,5 (8).
346
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
voll angewendet werden könnte256, so wäre es seiner Ansicht nach rechtstheoretisch nicht zu erklären, wie die Festsetzung wieder gültig geworden sein soü 257 Der Annahme des Geltungswegfaüs infolge der Funktionslosigkeit steht nach Osthof auch entgegen, daß mit dem Geltungswegfaü die durch den Bebauungsplan vermittelten subjektiven Rechte zur Grundstücksnutzung entfaüen können. Im Gegensatz zur Änderung oder Aufhebung der zulässigen Nutzung im Wege der Planänderung, die gem § 44 BBauG (§ 42 BauGB) eine Entschädigungspflicht auslösen kann, gelte dies für den Geltungswegfaü infolge Funktionslosigkeit grundsätzüch nicht. Schüeßüch setzt nach Osthof die Annahme eines Geltungswegfalls die Bejahung einer Planverwerfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde voraus, die jedoch nach überwiegender Ansicht abzulehnen sei 259 . Daher müsse die Behörde, wenn sie vom Geltungswegfaü der bauplanerischen Festsetzung ausgeht, zunächst das Genehmigungsverfahren aussetzen und eine Planänderung anregen bzw. einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO steüea Das führe aber zu Verzögerungen des Genehmigungsverfahrens 260. Aüe diese Probleme steüten sich bei seiner Lösung der Lockerung der Planbindung analog §§ 31 Abs. 2, 33, 37, 125 Abs. 1 a BBauG dagegen nicht.
4. Kritik der bisherigen Lösungsversuche
a) Rechtsprechung Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergerichte verdient nur im Ergebnis insoweit Zustimmung, als in den Fäüen des "funktionslos gewordenen" Bebauungsplans den von den Veränderungen betroffenen Festsetzungen keine Bedeutung für die Frage der Zulässigkeit eines 256 Als Beispiel führt Osthof, Nutzungsgehalt, S. 203, den freiwilligen Abriß der planwidrigen Gebäude an; denkbar sind natürlich auch andere (glücklicherweise seltene) Fälle, wie etwa der Einsturz von Gebäuden infolge von Naturkatastrophen oder Kriegsereignissen. 257 Osthof Nutzungsgehalt, S. 203. 258 Osthof Nutzungsgehalt, S. 205 (Fußn. 42), meint aber, daß nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine Entschädigungspflicht in den Fällen begründet sein müßte, in denen die Funktionslosigkeit aufgrund einer rechtswidrigen Genehmigungspraxis entstanden ist (mit Hinweis auf BGH, DVB1. 1976,165 m. zust. Anm. Schmidt-Aßmann). Diese Annahme von Osthof ist sicherlich zutreffend, auch wenn die Entscheidung des BGH keinen funktionslos gewordenen Bebauungsplan zum Gegenstand hatte, wie man nach der Bemerkung von Osthof vermuten könnte. 259 Osthof Nutzungsgehalt, S. 207 ff. 2 6 0 Ebd., S. 212.
E. Lösung der Hauptfälle
347
Bauvorhabens mehr zukommen soll. Nicht überzeugend ist dagegen die Herleitung des Ergebnisses. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die nachträgliche Funktionslosigkeit als einen Fall der rechtsbüdenden Wirkung von Tatsachen ansieht und auf die Ordnungsfunktion des Rechts zurückführt, so erscheint dies als Ausweichen auf dunkle Formuherungea Der darin enthaltene Versuch einer Phänomenbeschreibung kann nicht wirklich überzeugen, solange eine dogmatische Grundlage nicht genannt wird. Den einzigen (möglicherweise inhaltlichen) Begründungsansatz stellt der Vergleich zwischen der Unmöglichkeit eines Erlasses von "Recht mit derart funktionslosem Inhalt" und dem nachträglichen Eintritt der Funktionslosigkeit dar. Doch bleibt das Bundesverwaltungsgericht eine nähere Erläuterung schuldig. So fragt sich zum einen, ob und gegebenenfalls weshalb ein Inkrafttreten eines "funktionslosen" Rechts ausgeschlossen ist, sowie zum anderen, ob dieser Fall mit der nachträglichen Funktionslosigkeit überhaupt vergleichbar ist und zudem zur Annahme des nachträglichen Geltungswegfalls zwingt261. Die Darlegungen des Bundesverwaltungsgerichts können jedenfalls nicht als überzeugend angesehen werden, auch wenn das Ergebnis billigenswert erscheint
b) Literatur Da die gängige Kommentarliteratur die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts ohne zusätzliche Überlegungen übernimmt, konzentriert sich die kritische Überprüfung der bislang vertretenen Lösungen auf die drei erwähnten, von der Ansicht der Rechtsprechung zumindest teilweise abweichenden Stellungnahmen von Grooterhorst, Zeiler und Osthof.
aa) Geltungswegfall infolge objektiver Undurchführbarkeit des Plans Der von Grooterhorst aufgestellte Ansatz ist ein Versuch, die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dogmatisch zu untermauern. Der Versuch muß jedoch als fehlgeschlagen bewertet werdea Grooterhorst versucht an die "allgemein anerkannten" Grundsätze für ein Außerkrafttreten anzuknüpfen und ermittelt zwei Anwendungsfälle, in denen bei völliger Veränderung der Verhältnisse eine Norm ihre Geltung verlieren soll. Voraussetzung sei, daß "entweder der von der Norm geregelte Lebenssachverhalt infolge einer Tatsachenveränderung weg2 6 1 Dieser Vergleich, der im Grunde nichts weiter als eine Behauptung darstellt, führt jedoch bei genauerer Betrachtung zur eigentlichen Begründung hin. Auf diesen Gedanken wird im Rahmen der eigenen Lösung noch eingegangen.
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§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
gefallen ist oder... eine Tatsachenveränderung aufgrund eines erheblichen Zeitablaufs seit Inkrafttreten der Norm vorliegt"262. Die erste Alternative wird aus dem oben ausführlich erörterten Urteil des OVG Münster vom 22.12.1958263, die zweite aus der Rechtsprechung zu den Kirchenbaulasten264 abgeleitet. Beide Ansatzpunkte sind zur Begründung des Geltungswegfaüs funktionslos gewordener Bebauungspläne nicht geeignet. Sehr erstaunüch ist, daß der Faü des funktionslos gewordenen Bebauungsplans von Grooterhorst offenbar zu den Fäüen gerechnet wird, in denen eine Norm wegen Wegfaüs des geregelten Lebenssachverhalts unmittelbar ihre Geltung verloren haben soü. Offensichtüch weicht ihr Verständnis von der Bedeutung der Bezeichnung "Wegfaü des geregelten Sachverhalts" erheblich von dem aügememen Verständnis ab, obwohl sie das Kriterium gerade aus dem Urteü des OVG Münster abgeleitet hat. Eine konsequente Übertragung könnte nur dann zu dem Ergebnis des Geltungswegfaüs führen, wenn das Plangebiet selbst entfaüen wäre. Ob ein solcher Extremfaü überhaupt vorsteübar ist, bedarf hier keiner Erörterung. Jedenfaüs erscheint es ausgeschlossen, eine planwidrige Bebauung als Wegfaü des geregelten Sachverhalts aufzufassen. Der geregelte Sachverhalt ist die Bebauung bzw. Nutzung sowie die Bebaubarkeit bzw. Nutzungsmögüchkeit von Grundstücken des Plangebiets. Dieser Sachverhalt kann nicht entfaüen, solange das Plangebiet noch existiert und in irgendeiner Weise noch bauüch nutzbar ist. Ob die konkrete Bebauung dem Plan widerspricht und er deshalb seine Lenkungs- und Ordnungsfunktionen nicht mehr ausüben kann, ist eine andere Frage. Selbst wenn man die Faügruppe des Wegfaüs des geregelten Sachverhalts anerkennen woüte, scheidet also auf ihrer Basis die Annahme eines Geltungswegfaüs bei Funktionslosigkeit aus. Wie die oben zitierten Entscheidungen belegen, hat sich die Rechtsprechung in den verschiedenen Urteüen, ausgehend von der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs über die Urteüe des OVG Münster und des Bundesverwaltungsgerichts (letztere zu den Kirchenbaulasten) bis hin zur Entscheidung zum funktionslos gewordenen Bebauungsplan, immer weiter von ihrem Ausgangspunkt entfernt. Die jeweiügen Leitsätze oder wesentüchen Entscheidungsinhalte werden durch die vorausgehenden Entscheidungen nicht gestützt. Nicht ohne Grund hat die einschlägige Rechtsprechung nie unmittelbar auf die "Ausgangsurteüe" des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des ÖVG Münster Bezug genommen. Sie vermögen die Entscheidungen nicht zu tragen.
2 6 2
Grooterhorst,
2 6 3
OVGE 14,276, vgl. oben D11 b (S. 303 ff.).
2 6 4
Vgl. ζ. B. BVerwGE 38,76; dazu oben E14 b (S. 334 f.).
Geltungsverlust, S. 94.
. Lösung der Hauptflle
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Daß ein "erheblicher Zeitablauf seit Inkrafttreten einer Norm" (2. Alt.) für sich genommen keine Tatsachenveränderung darstellt und deshalb allein niemals ein Außerkrafttreten begründen kann, bedarf keiner näheren Erörterung 265. Die Rechtsprechung zu den Kirchenbaulasten dürfte insoweit auch mißverstanden worden sein. Nicht die Tatsache der langen Geltungsdauer der Baulasten, sondern die völlige Veränderung der Verhältnisse seit der Entstehung ist danach entscheidend. Eine solche gravierende Veränderung mag zwar bei extrem langer Geltungsdauer wahrscheinlicher sein, sie ist aber auch bei noch sehr "jungen" Normen möglich.
bb) Anspruch auf Befreiungen gem. § 31 Abs. 2 BauGB Den gewissermaßen entgegengesetzten Weg zur Lösung des Widerspruchs zwischen den tatsächlichen Verhältnissen und den Festsetzungen des Bebauungsplans verfolgt Zeiler mit der Anerkennung von Ansprüchen auf die Erteilung von Befreiungen gem. § 31 Abs. 2 BauGB266. Seine Lösung vermag jedoch allenfalls Randbereiche der Fallgestaltungen zu erfassen und ist als Gesamtlösung unbrauchbar. Beide von Zeiler dargelegten Begründungsversuche überzeugen nicht. So gerät die erste Alternative, die einen Anspruch auf eine rechtswidrige Befreiung über das Institut der Selbstbindung der Verwaltung zu begründen versucht, mit dem weithin anerkannten, wenn auch nicht unumstrittenen Grundsatz "Keine Gleichheit im Unrecht" in Konflikt, wie Zeiler ja selbst einräumt267. Sicherlich lassen sich diverse Argumente für Abweichungen von diesem Grundsatz im Einzelfall finden. Aber auch ohne Einstieg in diese vielschichtige Problematik zeigt sich sehr schnell, daß die von Zeiler befürworteten Ausnahmen eindeutig zu weit führen. Dabei soll gar nicht näher darauf eingegangen werden, daß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen von Götz, auf den sich Zeiler beruft 268, ausdrücklich anerkannt wird, obwohl er sie in Zusammenhang mit dem Problem "Keine Gleichheit im Unrecht" sieht269. Die Auffassung von Zeiler vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weü eine vorausgehende rechtswidrige Befreiungspraxis als 2 6 5 Insofern allerdings a. A. VGH Mannheim, UPR 1990,308; vgl. dazu noch § 1 Β15, § 12 A V (EinfÜhrungsfall "Die betagte Baulinienfestsetzung" mit Lösungshinweisen). 2 6 6
Zeiler, BayVBl. 1978,626 ff.; s. dazu oben E II 2 b (S. 344 f.).
2 6 7
Ebd., S. 627.
2 6 8 2 6 9
Ebd. Götz, NJW 1979,1478 (1482).
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§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Befreiung (oder auch nur eine Pflicht der Behörde dazu) nur dann ausreichte, wenn es sich tatsächüch um eine aügemeine Verwaltungsübung handelte. Aüein die mehrfache rechtswidrige Erteüung von Befreiungen genügt auch nach Götz nicht270. Damit sind aber die Fäüe, in denen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung ausgegangen werden muß, bereits in der Mehrzahl nicht erfaßt Aber auch im übrigen kann die Selbstbindung der Verwaltung das Recht und die Pflicht zur Erteüung (rechtswidriger) Befreiungen auch nach Götz nicht begründen, wenn es um die Genehmigungspraxis in der Zukunft geht Ein Anspruch auf Fehlerwiederholung ist nach allgemeiner, völüg unbestrittener Auffassung ausgeschlossen271. Einer kritischen Überprüfung hält auch die zweite Begründung nicht stand. Es besteht kein rechtüch geschütztes Vertrauen auf die Fortsetzung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis272. Der Verweis auf die Regelung des § 48 Abs. 2 VwVfG, der auch einen Vertrauensschutz für das Behaltendürfen einer rechtswidrig zuerkannten Leistung anerkennt, verfängt nicht Die Fallkonstellationen, in denen zum einen eine Leistung bereits (rechtswidrig) zugesprochen und zum anderen nur auf die Fortsetzung einer bisherigen (rechtswidrigen) Verwaltungspraxis vertraut und damit auf die Erteüung der Genehmigung gehofft wurde, sind erkennbar unterschiedlich. Daß in beiden Fäüen eine gewisse Art von tatsächüchem Vertrauen bei dem Betroffenen vorhanden sein kann, heißt noch nicht, daß es sich hier um ein rechtlich geschütztes Vertrauen handelt Wenn ein Bauantragsteüer auf eine Gleichbehandlung - und damit auf die Erteüung einer Baugenehmigung trotz eines Verstoßes gegen bauplanerische Festsetzungen, von denen rechtmäßig keine Befreiung erteüt werden kann - vertraut (oder besser gehofft) hat, so wird dieses Vertrauen durch das Recht nicht geschützt Das rechtüch geschützte Vertrauen kann sich immer nur darauf beziehen, daß das durch eine (ausdrücldiche oder konkludente) behördüche Entscheidung Zuerkannte nicht zurückgefordert oder genommen wird. Ein Unterschied besteht damit auch zu Regelungen wie §§ 38,48 VwVfG dadurch, daß hier die Begünstigung, auf deren Behaltendürfen vertraut wird, gerade gegenüber dem mit Vertrauensschutz ausgestatteten Adressaten des Verwaltungsakts ergangen ist 273 . 2 7 0
Götz, DVB1.1968,93 (96).
2 7 1
Dazu mehrfach Götz, NJW 1979,1478 (1479 ff.); nach vielfacher Kritik schon angedeutet in DVB1.1972,188 (189 a. E.); dann in FG BVerwG, S. 245 (253,255). 2 7 2 So auch Götz, NJW 1979, 1478 (1479 ff.), der wiederholt ausführt, daß die rechtswidrig handelnde Behörde jederzeit ihre rechtswidrige Praxis ändern kann, genauer gesagt: ändern muß. 2 7 3 Dies erkennt ausdrücklich auch Götz, NJW 1979, 1481, an. Wenn er als Versuch der Rechtfertigung eines Vertrauensschutzes für unbeteiligte Dritte dann aber auf den "Komplex Vertrauensschutz und Gesetzgebung" verweist, so wird übersehen, daß auch die Norm, auf die sich das
E. Lösung der Hauptfälle
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Aber selbst wenn der betroffene Bauantragsteller als Eigentümer auch der umhegenden Grundstücke zuvor bereits zahlreiche Baugenehmigungen durch rechtswidrige Befreiungen erhalten hätte, bezöge sich das rechtlich geschützte Vertrauen nur auf diese Baugenehmigungen, keinesfalls auf die Fortsetzung des rechtswidrigen Behördenhandelns. Für die hier relevanten Fälle, in denen anderen Grundstückeigentümern Befreiungen gem. § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wurden, gilt dies natürlich zumindest ebenso. Im übrigen begründete selbst ein geschütztes Vertrauen, das sich auf eine dem Antragsteller gegenüber erteilte rechtswidrige behördliche Zusage auf Erteilung einer Befreiung stützte, weder ein Recht noch die Pflicht der Behörde zur Erteilung der Baugenehmigung unter der zugesagten Befreiung. Ist die Zusage rechtswidrig, so kann sie rechtmäßig gar nicht erfüllt werdea Sofern das Vertrauen auf die Zusage schutzwürdig ist, besteht nur ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Wenig überzeugend und eher symptomatisch für die gesamte Konzeption ist schließlich auch der Hinweis von Zeiler auf die Urteilsgründe des Bundesverwaltungsgerichts, in denen der Grundsatz des Vertrauensschutzes ebenfalls Erwähnung gefunden habe. Richtig ist, daß auch das Bundesverwaltungsgericht den Vertrauensschutzgedanken berücksichtigt hat 274 . Doch ging es hier um das Vertrauen auf die im Bebauungsplan enthaltenen Festsetzungen, die möglicherweise funktionslos geworden seien. Nicht auf die frühere rechtswidrige Genehmigungspraxis bezieht sich deshalb der Vertrauensschutz, sondern auf die Fortgeltung der Festsetzungen im Bebauungsplan. Insofern stützen die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts die Überlegungen von Zeiler nicht einmal im Ansatz275. Der Gedanke des Vertrauensschutzes weist zuletzt noch auf einen Aspekt hin, der von Zeiler völlig beiseite gelassen wird. Die Problematik der Genehmigungserteilung unter Befreiungen zeichnet sich nicht allein durch ein zweiseitiges Verhältnis zwischen Antragsteller und Genehmigungsbehörde aus. In allen diesen Fällen existiert ein Dreiecksverhältnis. Der durch die Befreiung ebenfalls betroffene Nachbar darf keinesfalls ausgeblendet werdea Will Zeiler nun die Lösung über eine Pflicht zur Erteilung der Befreiung erreichen, so muß dabei berücksichtigt werden, daß damit zugleich Rechte des betroffenen Nachbarn betroffen sein könnea Damit würde nicht nur über Art 3 Abs. 1 GG eine gesetzeswidrige Begünstigung erwirkt, sondern zugleich mit Hilfe des Gleichheitssatzes ein zusätzlicher Eingriff in die Rechte Dritter begründet Derartige AusVertrauen bezieht, zwar nicht "individuell konkretisiert", aber doch ebenfalls an den Vertrauenden adressiert sein muß. 2 7 4
BVerwGE 54, 5 (11).
2 7 5
So auch BlümeVHannig, BayVBl. 1978,628(629).
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§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Wirkungen überschreiten aber in jedem Faüe die Grenzen der Wirkung des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach diesen Überlegungen scheidet eine Lösung der Problematik über die Erteüung von Befreiungen gem. § 31 Abs. 2 BauGB aus. Der Frage, ob Fäüe denkbar sind, in denen eine Baugenehmigung aufgrund einer rechtmäßigen Erteüung einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB erteüt werden kann, kann hier nicht weiter nachgegangen werden276. Geht man von einer solchen Mögüchkeit aus, dann muß in diesen Fäüen die Befreiimg als (Sonder-)Faü der Zulässigkeit des Vorhabens trotz Planabweichung jeder anderen Alternative zur Lösung der Problematik vorgehea Hier güt der Plan und auch die konkrete Festsetzung, von der die Befreiung erteüt werden kann, genereü fort und hindert dennoch nicht die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. § 31 Abs. 2 BauGB steüt damit die gesetzüch angeordnete Kompetenz für die Genehmigungsbehörde dar, die betreffende Festsetzung im konkreten Faü außer Anwendung zu lassen. Dies güt aüerdings nur, soweit die Erteüung der Befreiung noch rechtmäßig ist. Die Fäüe, in denen die Rechtsprechung von der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans ausgegangen ist, dürften deshalb kaum in Betracht kommen.
cc) Lockerung der Planbindung Einen interessanten neuen Ansatz verfolgt Osthof mit der Annahme einer Lockerung der Planbindung in den Fäüen, in denen die Rechtsprechung von der Funktionslosigkeit ausgeht. Seine auf den ersten Blick bestechende Lösung, einerseits weiter von der Geltung der bauplanerischen Festsetzungen auszugehen und andererseits zugleich die Bindung an die Festsetzungen zu verneinen, die mit den tatsächüchen Gegebenheiten nicht mehr in Einklang zu bringen sind, steüt jedoch eine Durchbrechung des bestehenden Systems der Geltung und Wirksamkeit von Normen dar und muß deshalb abgelehnt werden. Zum ersten bestehen schon methodische Bedenken gegenüber der von Osthof vorgeschlagenen Gesamt- oder Rechtsanalogie277. Bei dieser Art der Analogie wird mehreren gesetzüchen Bestimmungen (hier §§31 Abs. 2, 33, 37,125 Abs. 3 BauGB), die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge knüpfen, ein aügemeiner Rechtsgrundsatz entnommen, der auf einen im Gesetz nicht
x
Bedenken ergeben sich bereits aus dem Umstand, daß die Befreiung nur zu einer Planabweichung im Einzelfall berechtigt. Befreiungen, die nach und nach für das gesamte Plangebiet erteilt werden, stellen eine echte Planänderung dar, die unzulässig ist, vgl. dazu ζ. B. Begründung des Reg.-Entw., BT-Drucks. 10/4630, S. %5\Löhr t in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rdnr. 35. 2 7 7 Zu diesen Begriffen vgl. z. B. Larenz, Methodenlehre, S. 383 ff.
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geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft wie auf die geregelten Tatbestände. Zunächst erscheint es schon fraglich, ob überhaupt eine Regelungslücke besteht Die Lücke könnte hier nur darin bestehen, daß das BauGB keine Regelung darüber enthält, welche Wirkungen bauplanerischen Festsetzungen zukommen, denen die tatsächlichen Gegebenheiten (etwa die vorhandene Bebauung) im Plangebiet aufgrund nachträglicher Veränderungen entgegenstehen. Ob deshalb aber eine Lücke vorhegt, ist zweifelhaft. So enthält eine höherrangige Norm regelmäßig keine (ausdrücklichen) Angaben darüber, welche Konsequenzen nachträgliche Veränderungen für eine nachrangige Norm haben. Sieht man über diesen Umstand hinweg, bleibt in den Ausführungen von Osthof auch unklar, welchen allgemeinen Rechtsgrundsatz er aus den genannten Bestimmungen ableiten will. Um z. B. auch in den Fällen nachträglich von den Festsetzungen abweichender Bebauung von einer Lockerung der Planbindung ausgehen zu können, müßte den Einzelbestimmungen der allgemeine Grundsatz zu entnehmen sein, daß bei Widersprüchen zwischen Plan und Wirklichkeit das BauGB stets von einer Lockerung der Planbindung ausgeht. Den einzelnen Normen hegen jedoch ganz andere Grundgedanken zugrunde, wie sich auch den Überlegungen von Osthof zu der zunächst geprüften Einzelanalogie entnehmen läßt. § 33 BauGB lockert die Planbindung zugunsten einer Bindung an einen künftigen Plan, der bereits eine gewisse Konkretisierung erfahren hat. Hier wird also dem Umstand Rechnung getragen, daß ein Planaufstellungs- oder Planänderungsverfahren u. U. eine geraume Zeit in Anspruch nehmen kann und dem Bauantragsteller ein Abwarten des Inkrafttretens der für sein Vorhaben günstigeren Voraussetzungen nicht zugemutet werden soll. Damit entspricht § 33 BauGB von seiner Grundidee gerade nicht der in den Fällen der Funktionslosigkeit vorhegenden Situation. Dort geht es allein um die Nichtbeachtung planerischer Festsetzungen, bei § 33 BauGB run die Nichtbeachtung unter Beachtung der künftigen Festsetzungen. Ein Zusammenhang ließe sich nur dann ziehen, wenn man von einer Planänderungspflicht aufgrund der Funktionslosigkeit ausginge und die Zulässigkeit des Vorhabens vom Inhalt der zulässigen Planänderung abhängig machte. Osthof sieht jedoch diese Möglichkeiten nicht. § 37 BauGB läßt eine Planabweichung für bestimmte Vorhaben, etwa für die Landesverteidigung oder den Zivilschutz, zu. Damit wird die Planabweichung durch ein außerordentliches öffentliches Interesse getragen. Insofern kann daraus kein allgemeines Rechtsprinzip abgeleitet werden.
2
Baumeister
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§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Wie Osthof selbst ausführt, betrifft schließlich § 125 Abs. 3 BauGB nur unwesentliche Abweichungen von den Festsetzungen278. Im übrigen ist auch fragüch, ob es sich hier um eine Lockerung der Planbindung handelt, wie sie im Faü der Funktionslosigkeit OrtAo/vorschwebt Im Faü des § 125 Abs. 3 BauGB geht es nur darum, die rechtswidrige Hersteüung der Erschüeßungsanlage als rechtmäßig zu fingieren, um so Erschließungsbeiträge erheben zu können279. Nach diesen Ausführungen, die sich mit den Überlegungen von Osthof dekken, zeigt sich, daß das BauGB nur eine Planabweichung in Sonderfäüen und vor aüem nur im Rahmen der Planordnung zuläßt Die Fäüe der Funktionslosigkeit können dagegen die Planordnung zerstören Hier wäre eine andere Qualität von Planlockerung erforderlich, für die kerne Anlagen im BauGB enthalten sind. Der Versuch Osthofs, ehi ihm günstig erscheinendes Prinzip anzuerkennen, findet damit im BauGB keine Grundlage. Neben diesen methodischen Bedenken ist die Lösung von Osthof auch den Einwänden ausgesetzt, die er selbst gegen die Auffassung vom Geltungswegfaü infolge Funktionslosigkeit anführt So steüt sich zwar nicht formal, aber doch inhaltüch die Frage der behördlichen Verwerfungskompetenz auch in seinem Ansatz. Problematisch ist dabei, daß Osthof die Relevanz dieser Frage für seine eigene Lösung leugnet. Dabei steüt seme Auffassung nichts anderes als eine Umgehung des Problems auf vermeintüch dogmatisch gesichertem Wege dar. Da nach Osthof die betreffende bauplanerische Festsetzung nicht für ungültig erklärt werden muß, steüt sich formal das Problem der Ungültigerklärung nicht Doch wenn Osthof - wie es den Anschein hat - glaubt, damit wäre das Problem auch inhaltüch entfaüen, so irrt er. Gerade dieser Punkt macht seine Ansicht besonders bedenklich. Indem nämüch die Baugenehmigungsbehörde den Eintritt der Funktionslosigkeit und damit auch den Eintritt der Lockerung der Planbindung feststeht, "verwirft" sie inhaltüch gleichfalls die entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan. Somit läßt sich sein Kritikpunkt an der h. M. nicht nur ebenfalls gegen ihn selbst verwenden, sondern führt sogar zu einem echten inhaltlichen Mangel seiner Konstniktioa Osthof meint, weü nach der h M. die Behörden eine von der Funktionslosigkeit betroffene Festsetzung im Bebauungsplan wegen ernes Geltungswegfalls nicht selbst unangewendet lassen (und damit "verwerfen") dürften, sondern erst über eine Normenkontroüe gem. § 47 Abs. 1 S. 1 VwGO die Ungültigkeit gerichtlich feststeüen lassen müßten, käme es zu unerträgüchen Verzögerungen des Genehmigungsverfahrens 280. Diese Nachteüe seien bei der Annahme der Lockerung der Planbindung ausgeschlossen, da
2 7 8
Osthof, Nutzungsgehalt, S. 215.
2 7 9
Vgl. dazu z. B. Kregel, NVwZ 1988,1102 (1105).
2 8 0
Osthof Nutzungsgehalt, S. 207 ff.
E. Lösung der Hauptfälle
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hier die Behörde selbstverständlich die Kompetenz zur Entscheidung über die Lockerung habe. Geht man mit der h. M. davon aus, daß eine behördliche Verwerfungskompetenz abzulehnen ist 281 , so fragt es sich, ob die in der Lösung von Osthof htgende Umgehung der gerichtlichen Kontrolle wirklich dem Problem angemessen ist Entweder hält man die Gründe, die gegen eine behördliche Verwerfungskompetenz sprechen, auch auf die Fälle der Funktionslosigkeit für anwendbar oder eben nicht Im ersteren Fall stellt die Ansicht von Osthof eine ungerechtfertigte Umgehung der fehlenden Verwerfungsbefugnis dar. Im letzteren Fall bedarf es auch bei der Annahme eines Geltungswegfalls infolge Funktionslosigkeit keiner gerichtlichen Entscheidung. Bestenfalls lassen sich daher aus dem Problemkreis der Verwerfungsbefugnis weder Argumente für noch gegen einen Geltungswegfall ableitea Bei Anerkennung der h. M. stellt die Ansicht von Osthof sogar eine bedenkliche Umgehung der fehlenden Verwerfungskompetenz dar. Nicht vollständig überzeugend sind auch seine Ausführungen zu einem Verlust subjektiver Rechte, der nach Ansicht der Rechtsprechung unvermeidlich, nach seiner Lösung jedoch verhindert sein soll. Zwar kann es zutreffen, daß die Annahme des Geltungswegfalls gekoppelt ist mit einem Rechtsverlust für diejenigen, die aus der - nicht mehr gültigen - Festsetzung subjektive Rechte ableiten konntea Doch trifft diese Annahme keinesfalls für den Regelfall zu und ist - im Falle des Eintretens - auch sachlich gerechtfertigt So ist mit der Feststellung des Geltungswegfalls einer bestimmten Festsetzung keinesfalls automatisch die Folge verbunden, daß eine Bebauung auf der Grundlage dieser Festsetzung auf den verbleibenden Grundstücken ausgeschlossen ist Fällt eine einzelne Festsetzung weg, so kommt es für die Frage der Zulässigkeit eines Vorhabens in diesem Punkt darauf an, ob man eine ergänzende Heranziehung der Grundsätze der §§ 34, 35 BauGB befürwortet 282 oder nicht Lehnt man sie ab, ist in der die "weggefallene11 Festsetzung betreffenden Frage die Bebauimg zulässig, die mit den Rechten der Nachbarn vereinbar ist Bei Anwendung des § 34 BauGB muß 2 8 1
Diese Frage ist umstritten; für die Verwerfungskompetenz z. B. Kopp, DVBl. 1983, 823 ff.; dagegen etwa Pietzcker, DVBl. 1986,806 ff., jew. m. w. Nachw.; an dieser Stelle muß natürlich auf eine Auseinandersetzung verzichtet werden. Für die Argumentation gegen Osthof ist aber auch keine Entscheidung in die eine oder die andere Richtung notwendig. 2 8 2 Gegen eine Heranziehung in den Fällen, in denen der Bebauungsplan von vornherein zu einem bestimmten Punkt keine Angaben enthält, aber gleichwohl noch als qualifizierter Plan anzusehen ist, Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 30 Rdnr. 24. Selbst wenn man sich der Ansicht von Löhr anschlösse, so heißt das natürlich noch nicht, daß auch bei einem nachträglichen Wegfall einer einzelnen Festsetzung keine Anwendung der §§ 34,35 BauGB in Betracht käme. Für eine solche Anwendung spräche im übrigen, daß der Grund für die Nichtanwendung, der nach Löhr darin zu sehen ist, daß es sich beim Fehlen einer Festsetzung um den bewußten Verzicht auf eine Regelung handelt, gerade nicht auf den Fall des nachträglichen Wegfalls zutrifft
23*
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sich das Vorhaben in die vorhandene Bebauung einfügen. Zu einem Wegfall subjektiver Rechte kann es daher nur in diesem Fall kommen. Fügt sich das Bauwerk aber gerade nicht mehr in die Umgebungsbebauung ein (§ 34 Abs. 1 BauGB), so spricht dies doch eindeutig dafür, die ursprüngüch vorgesehene Bebauung nicht mehr für zulässig zu halten. Die Problematik des Wegfaüs subjektiver Rechte und des Vertrauens in den Fortbestand der bauplanerischen Festsetzungen zeigt sich noch in einer weiteren Fallkonstellation, die in Verbindung mit der hier diskutierten Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen unberücksichtigt bleiben mußte, gleichwohl aber erst das Gesamtbüd von mögüchen Veränderungen und ihren Auswirkungen abrunden. In den Fäüen der Funktionslosigkeit geht es ausschließlich um planabweichende Bebauungen und Nutzungen der Grundstücke. Ganz anderer Art ist dagegen folgender Faü: Angenommen, ein Bebauungsplan bestimmt für ein bislang unbebautes, als aügemeines Wohngebiet festgesetztes Plangebiet gem. § 16 Abs. 2 Nr. 3, 4 BauNVO die Zahl der Voügeschosse auf drei und die maximale Traufhöhe auf 10 Meter, gebaut werden in diesem Gebiet jedoch zunächst nur Einfamüienhäuser mit einem Voügeschoß. Auch kommt es nicht zur Ansiedelung von Läden, Schänk- und Speisewirtschaften oder Handwerksbetrieben. Nachdem das Gebiet fast voüständig mit niedrigen Einfamilienhäusern bebaut ist, wird für eine der wenigen freien Flächen ein Bauantrag für ehi Gebäude gesteüt, das das Maß der bauüchen Nutzung bis an die Grenze des nach dem Bebauungsplan Zulässigen ausschöpfen will. Zugleich soü im Erdgeschoß und im Keüer eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn untergebracht werden283. Auch hier steüt sich die Frage, ob die Festsetzungen im Bebauungsplan noch gelten und das beantragte Vorhaben zulässig ist 284 . Das Beispiel dürfte belegen, daß die Mögüchkeit eines Unwirksamwerdens von bauplanerischen Festsetzungen - und der mit ihnen verbundenen Rechtsverluste - durchaus auch dann zumindest denkbar ist, wenn es zu gar keiner Planabweichung gekommen ist. Käme man im obigen Beispiel zu der Ansicht, daß eine derartige - nach dem Bebauungsplan zulässige - Bebauung aufgrund der unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarn und des Erscheinungsbüdes des Plangebiets nicht mehr zulässig ist, wäre auch hier ein Wegfaü der mit den Festsetzungen verbundenen subjektiven Rechte unvermeidbar. Dasselbe güt auch für den in Zusammenhang mit der Funktionslosigkeit diskutierten Faü, in dem eine planabweichende Bebauung entgegen den Festsetzungen einige Meter von der öffentüchen Erschüeßungsstraße entfernt entsteht, obwohl die zulässige Bautiefe deutüch überschritten wird. Wül beispielsweise der Eigentümer des letzten freien Grundstücks 2 8 3
Zu einem vergleichbaren Fall s. OVG Lüneburg, ZfBR 1986,49, das hier ebenfalls den Fall der Funktionslosigkeit erkennen will. 2 8 4 Ob dies im konkreten Fall so ist, soll vorerst nicht weiter diskutiert werden, da die Diskussion von der Auseinandersetzung mit der Auffassung Osthofs wegführen müßte.
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planmäßig fast unmittelbar an der Straße bauen, so würde sein Haus aus der übrigen Häuserfront gewissermaßen hervorspringen. Es erscheint auch hier jedenfalls vertretbar, die Berechtigung zu einer derartigen Bebauung zu verneinen. Auch in diesem Fall wäre ein subjektives Recht weggefallen. Wie Osthof derartige Fallkonstellationen lösen will, sagt er nicht. Nach seinem Ansatz wären derartige Entwicklungen auch nicht erklärbar. Als einziges tragfähiges Argument bleibt Osthof damit nur noch der Hinweis auf die größere Flexibilität der Lockerung der Plaribindung gegenüber gegenläufigen Entwicklungen. Abgesehen davon, daß es sich hier angesichts der Tatsache, daß schon die Fälle der Funktionslosigkeit nicht die Regel im Baurecht bilden dürften, um eine wenig relevante Fallgestaltung handelt, erweckt diese Flexibilität den Eindruck, als sei die Planbindung einer gewissen Beliebigkeit und Zufälligkeit ausgesetzt. Auch wenn die Planbindung nicht mit der sonstigen Normbindung identisch ist, wie die (Ausnahme-) Regelungen der §§31 Abs. 2, 33, 37, 125 Abs. 3 BauGB zeigen, so bleibt der Bebauungsplan als Satzung doch im System der für Normen geltenden Geltungsgrenzen. Die Anerkennung einer neuen Figur der begrenzten Geltung oder Anwendbarkeit ist nicht erforderlich und auch nicht sachgerecht.
dd) Nachträglicher Verstoß gegen Art. 14 GG Ansätze zu einer völligen Neuorientierung in der Frage der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen sind im Grunde in mehreren Stellungnahmen in der Literatur 285 und sogar in der einschlägigen Rechtsprechung bereits angelegt Es geht um die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen. Grooterhorst, die diesem Grundgedanken in einem Teü ihrer Arbeit bereits sehr nahe kommt, verstellt sich jedoch einen grundlegenden Neuansatz schon durch ihre Problem- und Aufgabenstellung. In Anbetracht der dogmatischen Begründungsschwäche des Ergebnisses des Geltungswegfalls (oder -verlusts) in der Rechtsprechung untersucht Grooterhorst, "unter welchen genauen Voraussetzungen eine nach Inkraftreten eines Bebauungsplanes erfolgte Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zum Geltungsverlust des Bebauungsplanes führen kann"286. Damit fehlt es leider schon im Ansatz an einer kritischen Betrachtung der "Institution" des Geltungswegfalls, die sich in der gesamten Arbeit fortsetzt.
2 8 5 Gronemeyer, DVBl. 1977, 756 (758); Grooterhorst, Degenhart, BayVBl. 1990,71 ff. 2 8 6
Grooterhorst,
Geltungsverlust, S. 2.
Geltungsverlust, S. 176 ff. (220 ff.);
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§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Auch wenn durch die fehlende Trennung des Geltungswegfalls vom Rechtswidrigwerden m E. wichtige Grundstrukturen verdeckt bleiben, kommt Grooterhorst aber doch das Verdienst zu, zumindest auf die Möglichkeit des nachträglichen Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen aufmerksam gemacht zu habea In der Tat ist hier - und nur hier - der Schlüssel zur Lösung der Fälle der Funktionslosigkeit zu suchea
5. Eigene Lösung zum fiinktionslos gewordenen Bebauungsplan
Vor dem Hintergrund der vorausgehenden allgemeinen Überlegungen zum Geltungswegfall kann auch die Ansicht, der - z. B. infolge abweichender Bebauung - funktionslos gewordene Bebauungsplan habe, soweit er nicht mehr verwirklicht werden kann, unmittelbar seine Geltung verloren, nicht überzeugen. Ein Geltungswegfall einer Norm ist nur in den in § 8 genannten Fällen der ausdrücklichen Aufhebung, der ausdrücklichen (auflösenden) Befristung oder Bedingung und der Derogation anzuerkennen Alle übrigen Fälle lassen sich adäquat auf andere Weise lösea Ein weiteneichender Geltungswegfall scheidet aus. Das heißt allerdings noch nicht, daß das Ergebnis der h. M., die Nichtanwendbarkeit der betroffenen Festsetzungen im Bebauungsplan, ebenso abzulehnen ist Die Lösung im Fall des funktionslos gewordenen Bebauungsplans muß danach differenzieren, ob eine rechtmäßige Genehmigungserteilung auch unter der Fortgeltung der Festsetzungen des Bebauungsplans z. B. im Wege einer Befreiimg gem. § 31 Abs. 2 BauGB noch in Betracht kommt oder nicht Scheidet sie aus, wie dies zumindest im Regelfall zutreffen dürfte, ist zu prüfen, ob die planerischen Festsetzungen noch mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die von der Rechtsprechung entwickelte Figur der Funktionslosigkeit bezieht sich darauf, daß der Bebauungsplan aufgrund der Veränderungen seiner Funktion als bestimmender Faktor der baulichen Entwicklung im Plangebiet beraubt ist Weist die überwiegende Zahl der Grundstücke z. B. eine planwidrige Bebauung auf, so ist auch bei Verwirklichung der Planvorgaben auf den restlichen Grundstücken eine Gesamtentwicklung im Sinne des Plans ausgeschlossea Der Bebauungsplan hat damit seine Funktion eingebüßt Da jedoch nicht alle Grundstücke bereits bebaut sind, käme auf den unbebauten theoretisch durchaus die Durchsetzung der Bestimmungen des Plans noch in Betracht, auch wenn damit die Steuerungsfunktion des Plans insgesamt nicht mehr erfüllbar wäre. Die Konstellation ist daher nicht mit dem Wegfall des geregelten Sachverhalts vergleichbar, bei dem - wie erwähnt - die Nichtanwendbarkeit der Norm zwingend vorgegeben ist, da gar kein Anwendungsfall mehr vorhanden ist Ein funktionslos gewordener Bebauungsplan könnte theoretisch weiter angewendet werden. Bei
E. Lösung der Hauptfìllle
359
einem Plan, der funktionslos geworden ist, ist folglich nur der mit dem Plan verfolgte Zweck, z. B. die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in der vom Plan vorgegebenen Weise, nachträgüch entfaüen. Es steüt sich also nicht die Frage, ob es infolge einer gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans veränderten Sach- oder Rechtslage zu dem besonderen "Außerkraftsetzungsgrund" des Geltungswegfalls gekommen ist. Vielmehr ist nach Feststeüung des rechtmäßigen Erlasses und des Fehlens der "regulären" Gründe für einen Geltungswegfaü287 zu prüfen, ob der Bebauungsplan durch die Veränderung rechtswidrig geworden ist Diese Auffassung dürfte auf einen erheblichen Widerspruch durch die ganz herrschende Meinung im Schrifttum stoßen Bei genauerer Hinsicht gibt es in der Tat im Faü des Bebauungsplans eme Reihe von Anhaltspunkten, vor aüem aus Regelungen des BauGB, die die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen zumindest in Zweifel ziehen könntea Bevor die Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen dargelegt werden können (b), ist daher zunächst darzulegen, daß auch bei Bebauungsplänen - wie bei aüen anderen Normen - die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens gegeben ist.
a) Die Mögüchkeit eines nachträgüchen Verstoßes gegen höherrangiges Recht Wie die Ausführungen zum Rechtswidrigwerden288 gezeigt haben, gelten die an den Inhalt einer Regelung durch das höherrangige Recht gesteüten Voraussetzungen auch nach dem Erlaß der Norm fort Immer steüt sich die Frage, ob die Norm auch nach der Veränderung noch in materieller Hinsicht den Anforderungen des höherrangigen Rechts entspricht Die niederrangige Norm muß also die z. B. durch das Verfassungsrecht aufgesteüten Anforderungen auch später, d. h auch nach mögüchen Veränderungen erfüüea Konkret auf den Faü des Bebauungsplans bezogen, läßt sich die Möglichkeit des nachträgüchen Widerspruchs zu höherrangigem Recht so begründen: Der Bebauungsplan steüt sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts gem. Art 14 Abs. 1 S. 2 GG dar 289 . Auch wenn eine Inhaltsund Schrankenbestimmung gerade "Inhalt und Schranken" des Eigentums erst näher definiert, so sind doch dem Normgeber Grenzen bei dieser Bestimmung gesetzt Diese ergeben sich durch die Eigentumsgewährleistung sowie die Er2 8 7
Gemeint sind die in § 8 dargelegten Fälle.
288 g 7 C 2 8 9
28.
S. z. B. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rdnr. 95; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art 14 Rdnr.
360
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
fordernisse des Übermaßveibots290. Diese Anforderungen an den Inhalt des Bebauungsplans gelten über den Zeitpunkt semes Erlasses (bzw. der Bekanntmachung gem. § 12 BauGB) hinaus. Für formeüe Gesetze hat dies das Bundesverfassungsgericht durch die Anerkennung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens zum Ausdruck gebracht. In Zusammenhang mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wurde das Erfordernis des Fortbestehens der materieüen Anforderungen in der Entscheidung zum Kleingartenpachtgesetz indirekt dadurch bestätigt, daß die Norm u. a. aufgrund von Veränderungen nach ihrem Inkraftreten für verfassungswidrig erklärt wurde 291. Diese Feststeüungen sind für den Bereich der übrigen Normen völüg unbestritten292. Dennoch bestehen für die Fäüe des Bebauungsplanes scheinbar zahüose Vorbehalte, obwohl gleichzeitig die Mögüchkeit des "Funktionsloswerdens" mit der Folge des Geltungswegfaüs aügemeine Anerkennung findet. Woüte man die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens rigoros ablehnen, wäre auch der Eintritt der Funktionslosigkeit unerklärlich. Dabei ist auf den Zusammenhang zwischen der nachträglichen Funktionslosigkeit und dem Rechtswidrigwerden vom Bundesverwaltungsgericht bereits einmal ausdrücküch im Urteü vom 7.7.1978 hingewiesen worden, wenngleich es dort tun einen Planfeststeüungsbeschluß, also einen Verwaltungsakt ging 293 . Aüerdings spielte die Frage der Funktionslosigkeit gerade in dieser Entscheidung keine Roüe. Soweit ersichtlich wurde in späteren einschlägigen Entscheidungen der Zusammenhang zwischen nachträglicher Funktionslosigkeit und nachträglicher Rechtswidrigkeit nicht mehr angesprochen. Eine Tendenz in dieselbe Richtung könnte aüenfaüs dem Urteü des 7. Senats vom 3.8.1990294 entnommen werden. Der entscheidende, auch für die Frage nach den Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens äußerst interessante Satz lautet: "Als Kontrollfrage für ein Funktionsloswerden des Plans kann die Frage dienen, ob ein solcher Bebauungsplan einschüeßüch der auf den Schutz der Wohnnutzung gerichteten Festsetzungen an2 9 0 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rdnrn. 50, 59ff.;Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 Rdnrn. 30 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rdnrn. 252 ff. 2 9 1
292
BVerfGE 52,1 (LS 2 u. 30).
Auch die Auffassungen, die die Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens von Normen ablehnen, bezeifeln keinesfalls, daß das niederrangige Recht mit dem höherrangigen fortlaufend in Einklang stehen muß. Statt von einem Rechtswidrigwerden wird in den Fällen des nachträchlichen Widerspruchs nur von einer Pflicht zur Änderung oder Aufhebung der niederrangigen Norm ausgegangen. 2 9 3 BVerwG, NJW 1979, 64 (67): "In solchen Fällen, in denen infolge unvorhersehbarer Ereignisse die tatsächliche Entwicklung von einer im hier verstandenen Sinn - zutreffend - aufgestellten Prognose in extremer Weise abweicht, mag die Frage zu stellen sein, ob der Planfeststellungsbeschluß dadurch funktionslos und deshalb rechtswidrig geworden ist (vgl. BVerwGE 54, 5 (9) = NJW 1977, 2325 zum Bebauungsplan)." Das Urteil stammt - wie die Ausgangsentscheidung BVerwGE 54, 5 - ebenfalls vom 4. Senat. 2 9 4
BVerwGE 85, 273 (281 ff.).
. Lösung der Hauptflle
361
gesichts der inzwischen eingetretenen Verhältnisse für den Bereich jetzt schlechterdings, nämlich nach den in § 1 des Baugesetzbuchs geltenden Maßstäben, nicht mehr aufgestellt werden könnte ..." 295 . Ob damit die Funktionslosigkeit dem Bereich des Rechtswidrigwerdens von Normen zugeordnet werden sollte, bleibt jedoch offea Daß eine solche Zuordnung einzig konsequent ist, zeigt auch die Auseinandersetzung mit möglichen Bedenkea
b) Denkbare Einwände gegen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen Mögliche Bedenken gegen das Rechtswidrigwerden von Bebauungsplänen lassen sich auf verschiedene Überlegungen stützen. Zum einen könnte der Bebauungsplan gegenüber sonstigen Normen einen besonderen Charakter auf weisen, der auch zu einer abweichenden Beurteüung bei der Frage des Rechtswidrigwerdens zwingt. Zusätzlich könnten Besonderheiten des Baurechts ein Rechtswidrigwerden verhindern. Nach § 2 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BauGB könnten Ansprüche auf Änderung eines Bebauungsplans wegen nachträglicher, von Festsetzungen des Bebauungsplans abweichender tatsächlicher Bebauimg oder Nutzung der Grundstücke ausgeschlossen sein. Die auch ein nachträgliches Rechtswidrigwerden von Normen kennzeichnenden Beseitigungsansprüche wären dann zu verneinen, was dafür sprechen könnte, daß gerade kein rechtswidrig gewordener Bebauungsplan vorhegt. Desweiteren könnte die Annahme des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen mit § 214 Abs. 3 S. 1 ("Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bauleitplan maßgebend.") sowie § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (Unbeachtlichkeit von Abwägungsmängeln nach Ablauf einer Sieben-Jahres-Frist) in Widerspruch stehen. Schließlich wird gegen die Möglichkeit eines Rechtswidrigwerdens auch eingewandt, es könne nichtrichtigsein, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit eine ständige Kontrolle und Prüfung der Bebauungspläne auf ihre jeweilige Übereinstimmung mit dem Abwägungsgebot aufzuerlegen 296. Damit würde auch das Gebot der Kontinuität der einmal gesetzten Ordnung unterschätzt.
2 9 5
BVerwGE 85,282.
2 9 6
So etwa Gronemeyer, DVBl. 1977,756 (758).
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
362
aa) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens wegen des besonderen Charakters des Bebauungsplans? An verschiedenen Stellen in der Literatur und Rechtsprechung wird zur Begründung der - im Gegensatz zu sonstigen Normen völlig atypischen - Möglichkeit des Funktionsloswerdens auf den besonderen Charakter des Bebauungsplans hingewiesea Dort heißt es, der Plan sei im Gegensatz zur abstrakt-generellen Norm in besonderer Weise auf den Vollzug ausgerichtet und angewiesen297. Wird der Plan nicht in die Wirklichkeit umgesetzt, so verliere er seine Funktion als Ordnungsfaktor des beplanten Gebiets. Diese im Grundsatz zutreffenden Erwägungen rechtfertigen jedoch keinen besonderen Außerkraftsetzungsgrund. Sie können allenfalls eine mögliche gesteigerte Anfälligkeit der Rechtmäßigkeit der Bebauungspläne gegenüber Abweichungen von der beabsichtigten Bebauung rechtfertigen 298. Aus diesen Besonderheiten den Ausschluß der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens ableiten zu wollen, stünde dazu in krassem Widerspruch. Die allgemeine Anerkennung der Funktionslosigkeit zeigt geradezu das Bedürfnis zur Berücksichtigung auch nachträglicher Veränderungea
bb) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 2 Abs. 3,4 BauGB? Im Baurecht wird regelmäßig die Auffassung vertreten, aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BauGB sei ein Anspruch auf Änderung oder (Teil-)Aufhebung eines Bebauungsplans ausgeschlossen299. Träfe diese Ansicht zu, so wäre die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens damit indirekt ausgeschlossea Schließlich ist jeder rechtswidrige und auch rechtswidrig gewordene Eingriff in subjektive Rechte (ein solcher Eingriff läge bei einem rechtswidrig gewordenen Bebauungsplan zumindest regelmäßig300 vor) mit einem Beseitigungsanspruch verbundea Fehlt es trotz eines Eingriffs in subjektive Rechte an 2 9 7
9QR
Vgl. nur Gronemeyer, DVBl. 1977,756 f., m. w. Nachw. in Fußn. 8,9.
Ob eine solche größere Anfälligkeit tatsächlich besteht, muß angesichts zahlreicher "Prognosenormen", die mit Erkennbarkeit der nachträglichen Fehlprognose rechtswidrig werden, mehr als bezweifelt werden. 2 9 9 S. Stellv. Battis , in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2 Rdnr. 10; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 2 Rdnr. 76, unter Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen des BVerwG. Zutreffend dagegen Westbomke, Der Anspruch auf Erlaß von Rechtsverordnunen und Satzungen, S. 118 f., der auch bei einen Wegfall öffentlicher Belane oder einer Zweckerreichung einen Anspruch auf Planändening bejaht (S. 119 unten). Für die Möglichkeit von Pflichten zur Planänderung auch Degenhart, BayVBl. 1979,289 (293 ff.); Zuck, Recht des Bebauungsplans, 2. Aufl., 1980, S. 87. 3 0 0
Auf eine mögliche Ausnahme wurde in § 7 CIV 4 hingewiesen.
. Lösung der Hauptflle
363
einem Beseitigungsanspruch und der damit korrespondierenden Pflicht zur Aufhebung, so läßt sich daraus regelmäßig301 auf die Rechtmäßigkeit des Eingriffs schheßea Eine grobe Verkennung dieser Zusammenhänge stellt die mitunter vertretene Ansicht dar, nach der das Bestehen einer Änderungspflicht (oder eines Anspruchs auf Änderung) der Annahme eines Rechtswidrigwerdens entgegenstünde302. Setzt man diese herrschende Ansicht zu § 2 Abs. 3,4 BauGB in Beziehung zu dem - in Verbindung mit rechtswidrigen und auch rechtswidrig gewordenen Eingriffen in subjektive Rechte entstehenden - aügememen grundrechtlich fundierten Beseitigungsanspruch, so zeigt sich eine dogmatische Diskrepanz, die mehr als Zweifel an der Richtigkeit der herrschenden Ansicht im Baurecht aufkommen läßt Greift ein Bebauungsplan bzw. genauer eine oder mehrere Festsetzungen des Bebauungsplans rechtswidrig in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG ein, so ist aus dem Abwehrrechtscharakter des Art 14 GG ein Beseitigungsanspruch abzuleitea Dieser Anspruch ist gerichtet auf Aufhebung oder Änderung der betreffenden Festsetzung für ein bestimmtes Grundstück. Mit ihm korrespondiert die Verpflichtung der Gemeinde zur entsprechenden Aufhebung oder Änderung. Vor diesem Hintergrund kann § 2 Abs. 3,4 BauGB verfassungskonform nur so verstanden werden, daß Ansprüche auf Aufhebung oder Änderung einer subjektive Rechte verletzenden Festsetzung dadurch keineswegs ausgeschlossen werden303.
3 0 1
Eine Besonderheit gilt z. B. bei Verwaltungsakten für die Verfahrensverstöße nach § 46 VwVfG, vgl. Schenke, DÖV 1986, 305 (313 ff.); bei Bebauungsplanen sind u. a. die §§ 214, 215 BauGB zu beachten. 302 vgl. z. B. Grooterhorst, Geltungsverlust, S. 177; wenn dort angenommen wird, eine Planänderungspflicht ließe Heine Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Gegebenheiten und dem bestehenden Bebauungsplan gar nicht entstehen", so wird verkannt, daß die Diskrepanz nur bei rechtzeitiger Änderung des Plans verhindert wird, nicht durch das Bestehen der bloßen Pflicht dazu. Ein etwas anderer Fehler liegt der Ansicht von Fackler, Individualanspruch auf Bauleitplanung, S. 140, zugrunde, der davon ausgeht, daß sich die Frage eines Individualanspruchs auf Planänderung in den Fällen, in denen der Bebauungsplan infolge Funktionslosigkeit außer Kraft getreten sei, nicht mehr stellen kann. Hier wird übersehen, daß Beseitigungsansprüche selbstverständlich auch gegen nichtige Normen anerkannt werden müssen, dazu schon oben § 4 Fußn. 56 und auch Schenke, Rechtsschutz gegen Normen, S. 79 f. o yßJ IM Für eine Planänderungspflicht bei einer zu großen Divergenz der planerischen und der wirklichen Entwicklung spricht sich Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 1 Rdnr. 27, aus. Bei dem hier befürworteten Anspruch auf Planänderung oder -aufhebung geht es auch nicht etwa um einen "Wandel im Verständnis der Grundrechte von einem Abwehrrecht hin zum 'Recht auf Teilhabe* an bestimmten Leistungen des Staates" (so Grauvogel, in: Brügelmann, BauGB, § 2 Rdnr. 60, bei der Diskussion um die Anerkennung eines Anspruchs auf Aufstellung eines Bebauungsplans). Der Anpassungs- bzw. Änderungsanspruch sowie die korrespondierenden Pflichten sind allein Ausprägungen des Eigentumsgrundrechts als Abwehrrecht Wie hier wohl auch Westbomke, Der Anspruch auf Erlaß von Rechtsverordnungen und Satzungen, S. 119 f. (Fußn. 288).
364
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
cc) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB? Die größte Hürde für die Anerkennung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen hegt wohl in § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB. Dies gilt vor allem, wenn man die Begründung der Bundesregierung bei Einführung des damaligen § 155 b Abs. 2 S. 1 BBauG mit der sog. Beschleunigungsnovelle 1979 einbezieht. Dort heißt es: "Absatz 2 Satz 1 legt fest, daß bei der Prüfung der Frage, ob die Anforderungen an die Abwägung (§ 1 Abs. 7) eingehalten sind, die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist, die im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bauleitplan bestanden hat. Dadurch wird vermieden, daß bei der Überprüfung von Bauleitplänen nachträgliche Änderungen der städtebaulichen Verhältnisse oder von Rechtsvorschriften zugrunde gelegt werden, die die Gemeinde bei der Beschlußfassung über den Bauleitplan noch nicht zu berücksichtigen hatte. Die Rechtsprechung, die in seltenen Ausnahmefällen auf den Zeitpunkt des Inkraftsetzens des Bauleitplans abhebt, soll hierdurch unberührt bleiben."304 Wenn darin auch deutlich wird, daß § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen der Normenkontrolle die Berücksichtigung von Veränderungen nach der Beschlußfassung über den Bebauungsplan verhindern soll, so enthält sowohl die Regelung selbst als auch ihre Begründimg einige Ungereimtheitea Vor allem ist unklar, wie der letzte zitierte Satz der Begründung zu verstehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet in ständiger Rechtsprechimg im Rahmen der Prüfung des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 6 BauGB zwischen der Kontrolle des Abwägungsvorgangs und der des Abwägungsergebnisses305. Diese Trennung entspricht auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum 306 . Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29.9.1978307 für die Frage der Rechtmäßigkeitsbeurteüung grundsätzlich den Zeitpunkt der abschließenden Bekanntmachung für maßgeblich gehalten308. 3 0 4
BT-Drucks. 8/2885, S. 46 (zu Nr. 22 a).
3 0 5
BVerwGE 45, 309 (312); 56, 283 (288); s. auch Krautzberger, Löhr, § 1 Rdnm. 95 ff.
in: Battis/Krautzberger/-
3 0 6 Krit demgegenüber (nicht ohne Überzeugungskraft) Koch, DVBl. 1983, 1125 ff.; ders., DVBl. 1989, 399 ff.; nach seiner Auffassung sind die beiden Kriterien des BVerwG als materielle Planbegründung und Begründbarkeit des Plans zu verstehen, die als Maßstäbe notwendig identisch seien, da der Plan nur dann begründbar sei, wenn er auch korrekt begründet ist. Nur für den Ausnahmefall der Überleitung alter Pläne sei eine kumulative Prüfung von Begründung und Begründbarkeit erforderlich. 3 0 7 3 0 8
BVerwGE 56,283 (288).
Daraus leitet sich auch die Kritik von Meyer, in: Brügelmann, BBauG, § 155 b Rdnr. 60, an der Begründung der Gesetzesänderung ab. Gaentzsch, Berliner Komm., § 214 Rdnr. 30 und § 1
E. Lösung der Hauptfälle
365
Diese Rechtsprechung läßt sich in der Tat nur dann mit dem Gesetzestext in Einklang bringen, wenn man § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB lediglich als Grundsatzregelung versteht309. Gerade eine solche Auslegung ließe die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens zu, auch wenn die Aufstellung eines prozessual maßgeblichen Zeitpunkts für die Rechtmäßigkeitskontrolle eigentlich unsinnig ist, wie die Diskussion um den maßgeblichen Zeitpunkt bei der Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte mittlerweile gezeigt hat 310 . In keinem Fall kann § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen und auch nicht die prozessuale Geltendmachung im Wege der (inzidenten oder prinzipalen) Normenkontrolle ausschließen. Dies ergibt sich aus den oben bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen. Die mit dem Bebauungsplan verbundene Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts der durch den Plan betroffenen Adressaten muß über den gesamten Zeitraum ihrer Geltung die verfassungsrechtüchen Grenzen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung beachten. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner (bereits erwähnten) grundlegenden Entscheidung vom 12.6.1979 zum KleingartenpachtG311 überzeugend dargelegt hat, sind bei der verfassungsrechtlichen Beurteüung von Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sämtüche Änderungen der Verhältnisse nach dem Erlaß der Norm zu berücksichtigen312. Für die Frage der Beurteüung von Eingriffsnormen kann es niemals aüein auf die Frage des rechtmäßigen Erlasses ankommen. Entgegen der Bestimmung des § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB und der mit ihr verfolgten Absicht werden diese Überlegungen gerade auch durch die Aneikennung der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen bestätigt. Im Ergebnis kann § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB daher im Wege verfassungskonformer Auslegung nur so verstanden werden, daß in ihm ledigüch eine Binsenweisheit zum Ausdruck gebracht wurde. Danach hat das Gericht bei der Prüfung des rechtmäßigen Zustandekommens des Bauleitplans nur die Informationen zu verwerten, die zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Satzungsgeber vorhanden waren. Der Satzungsgeber kann bei der Beschlußfassung nur die Verhältnisse berücksichti-
Rdnr. 68, sieht - wie die Gesetzesbegründung - den Zeitpunkt der Bekanntmachung nur ausnahmsweise als maßgebend an. 3 0 9 Dafür Schmaltz, in: Schrödter, § 214 Rdnr. 35; ebenso Battis , in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 214 Rdnr. 14; Gaentzsch, Berliner Komm., § 214 Rdnr. 30; ob allerdings der von Battis zitierte Beschluß des BVerwG, NVwZ 1988,916 (918), diese Ansicht bekräftigt, bleibt fraglich. 11Λ Zum Problem des maßgeblichen Zeitpunkts näher oben § 4 B. 3 1 1 BVerfGE 52,1 ff. 3 1 2 BVerfGE 52, 1 (LS 2 u. S. 30); hier handelte es sich um Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse.
366
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
gen, die zu diesem Zeitpunkt auch vorlagen bzw. schon abzusehen waren. Dies ergibt sich allerdings schon aus den Gesetzen der Logik. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Abwägungsergebnisses ausnahmsweise auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der abschließenden Bekanntmachung abzustellen sei 313 , bleibt daher auf halbem Wege stehea Maßgeblich für die Rechtmäßigkeitsprüfung einer Norm kann schon aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen - entgegen der "Ansicht" des § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB - immer nur der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sein314. Das OVG Lüneburg hat diesen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt durchaus zutreffend im Urteil vom 31.1.1980315 erkannt, ist jedoch - trotz des Hinweises auf die KleingartenpachtG-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - nicht über den völlig unzureichenden Zeitpunkt des Inkrafttretens hinausgegangen316.
dd) Ausschluß des Rechtswidrigwerdens durch § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB? Schließlich könnte das Rechtswidrigwerden von Bebauungsplänen zumindest dann ausgeschlossen sein, wenn die Veränderung, die zur Rechtswidrigkeit des rechtmäßig erlassenen Bebauungsplans führen könnte, entweder nicht innerhalb der Sieben-Jahres-Frist eingetreten ist oder zwar vorher vorlag, aber nicht innerhalb der Frist gerügt wurde. Sieht man einmal von den nicht unbeachtlichen Einwänden gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ab 317 , so ergeben sich bereits erhebliche Zweifel, ob die Norm überhaupt auf nachträglich auftretende Mängel anwendbar sein kann. Zum einen verkürzte sich in den Fällen, in denen die betreffenden Veränderungen vor Ablauf der Frist auftreten, die Rügefrist u. U. so erheblich, daß die nachträglichen Mängel kaum mehr geltend gemacht werden könnten. In den übrigen Fällen, dem Auftreten des Mangels nach Ablauf der Rügefrist wäre der verfassungsrechtlich verankerte Beseitigungsanspruch gar völlig beseitigt Diese 3 1 3
Vgl. BVerwGE 59,87 (105); s. auch Baffo, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 214 Rdnr. 14. 314 ygi Qgher z u r Diskussion um den maßgeblichen Zeitpunkt oben § 4 B. 3 1 5
ZfBR 1980,150.
3 1 6
Wenig überzeugend dazu Söfker, ZfBR 1980, 152 (153), der erst gar nicht auf den Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Beseitigungspflicht eingeht Dazu paßt auch seine Kommentierung zu § 1 BauGB, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Rdnr. 193. Dort geht er davon aus, daß nachträgliche Änderungen der Grundlagen von Prognosen in Bebauungsplänen grundsätzlich unbeachtlich seien. Es ist jedoch völlig unzureichend, in Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Planung auf die Möglichkeit der späteren Funktionslosigkeit zu verweisen (Rdnr. 217). 3 1 7
S. dazu z. B. die Nachw. bei Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Vorb §§ 214-216 Rdnr. 7.
E. Lösung der Hauptfälle
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Bestandsaufnahme kann nur dazu führen, auf die Fäüe nachträgüch rechtswidrig gewordener Bebauungspläne § 215 BauGB für nicht anwendbar zu halten. Die im Gegensatz dazu theoretisch denkbare Abwandlung des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse findet keine Grundlage in der bestehenden Regelung und steüte sich als Schaffung einer neuen Norm dar, die allein dem Gesetzgeber mögüch ist Das hier vertretene Ergebnis der Nichtanwendbarkeit des § 215 BauGB auf nachträgliche Veränderungen steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit Obwohl nach aügemeiner Meinung § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB - anders als § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB - nicht nur für Mängel im Abwägungsvorgang, sondern auch im Abwägungsergebnis gelten soü 318 , hat die Rechtsprechung in den Fäüen, in denen sie von der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans ausging, die Mögüchkeit der Anwendbarkeit des § 215 BauGB bisher nicht einmal in Erwägung gezogen.
ee) Unzumutbarkeit einer ständigen Kontroüpflicht? Auch die von Gronemeyer 319 vorgetragenen Argumente gegen die Annahme eines Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen können nicht überzeugen. Sie sind letztüch getragen von einem Versuch zur Eliminierung verfassungsrechtlicher Erfordernisse im Bereich des Baurechts. Welchen Inhalt demgegenüber das "Gebot der Kontinuität der einmal gesetzten Ordnung11 haben und woraus es abzuleiten sein soü, bleibt völüg unklar. Aüenfalls könnte damit der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit angesprochen sein. Die grundsätzüche Fortgeltung des bestehenden (rechtmäßig gesetzten) Rechts basiert aber nicht auf einem verfassungsrechtlichen Gebot, sondern lediglich auf dem Fehlen eines Grundes für die Annahme eines Rechtswidrigwerdens. Im übrigen könnte ein solches Prinzip niemals zu einer Unbeachtüchkeit der sonstigen Anforderungen des Verfassungsrechts führen. Fortgehen kann eine Norm daher nur, wenn sie sich in den durch das höhere Recht gesetzten Grenzen hält. Das Argument, die hier vertretene Auffassung müßte zu einer ständigen Kontroüpflicht des Normgebers führen, findet sich im übrigen auch bei der Diskussion um den maßgebüchen Zeitpunkt bei der gerichtüchen Beurteüung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts im Rahmen der Anfechtungsklage. Wie dort entbehrt dieser Hinweis jeder Überzeugungskraft für die Ablehnung der Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens. So erstaunüch es auf den ersten Bück Idingen mag: Die ständige Kontroüpflicht ist eme Folge der Anforderungen des 3 1 8
S. Stellv. Battis , in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 215 Rdnr. 7.
3 1 9
DVB1. 1977,756(758).
368
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte. Gerade an diesem Argumentationsbeispiel wird deutlich, wie notwendig die dogmatische Durchdringung dieser Fragen im Hinblick auf die Erfassimg der Struktur und Bedeutung der Grundrechte ist 320 . Auch sofern sich das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Frage einer ständigen Kontrollpflicht etwas zurückhaltender äußert321, belegen diese Ausführungen jedoch im Grunde die generelle Anerkennung von Beobachtungs- und Kontrollpflichten durch das Bundesverfassungsgericht.
c) Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen Nunmehr läge es nahe, bei der Frage nach den Voraussetzungen des nachträglichen Rechtswidrigwerdens auf die Voraussetzungen abzustellen, die das Bundesverwaltungsgericht für den Fall der Funktionslosigkeit abstellt. Ginge man von diesen Voraussetzungen aus, so wäre der Bebauungsplan rechtswidrig geworden, "wenn und soweit... die Verhältnisse, auf die sich eine bauplanerische Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt"322. Zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit der Norm sind diese Merkmale nicht geeignet. Dazu muß nicht einmal auf die diversen offenen Fragen bei der Anwendung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen im Einzelfall hingewiesen werden. Beim Rechtswidrigwerden geht es um die Divergenz zu den Anforderungen des höherrangigen Rechts. Ansatzpunkt für die Feststellung der Voraussetzungen können daher nur die bau-
32 ^ In Zusammenhang mit Verwaltungsakten wurde eine solche Kontrollpflicht sogar teilweise durch das einfache Recht anerkannt So hat früher § 43 PrPVG - und im Anschluß an diesen haben auch fast alle Polizeigesetze - bestimmt, daß Polizeiverfügungen aufzuheben sind, sobald ihr Zweck entfallen ist. Diese Ausprägung der heute grundrechtlichen gesicherten Beseitigungspflicht des Staates gegenüber fortdauernden Eingriffen, die ihre Rechtfertigung verloren haben, ist auch heute noch, obwohl die Polizeigesetze der Länder eine solche Bestimmung in der Regel nicht mehr enthalten (Ausnahmen stellen noch § 5 HambSOG und § 22 NWOBG dar, auf diese und andere Regelungen wurde bereits früher hingewiesen: Schenke/Baumeister, JuS 1991, 547 (552)), in der Fachliteratur unbestritten (vgl. etwa DrewsAVacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, §25, S. 491 (Fußn. 25); Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1982, § 2 Rdnr. 19). 3 2 1
Vgl. BVerfGE 88, 203 (310 - unter E IV 1 b) - Schwangerschaftsabbruch: "Die Nachbesserungspflicht schließt nicht generell eine fortlaufende Kontrolle der Gesetze durch den Gesetzgeber ein. Vielfach aktualisiert sie sich erst dann, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes erkannt oder doch deutlich erkennbar wird." 3 2 2
BVerwG, NJW 1984,138 (insoweit in BVerwGE 67,334 (336) nicht abgedruckt).
E. Lösung der Hauptfälle
369
rechtlichen Vorschriften zum Bebauungsplan, die Grundrechte sowie höherrangige Gemeinwohlinteressen sein. Häufig steht dabei natürlich Art. 14 GG im Vordergrund. Von erheblicher Relevanz ist freilich auch das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem anerkannt, daß das Abwägungsgebot als Ausdruck eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebots anzusehen ist 323 . Nicht konkret auf Bebauungspläne bezogen, aber doch sämtliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen betreffend haben diese die verschiedenen Interessen in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen324. In dieselbe Richtung des Interessenausgleichs führt auch die Anwendimg des Übermaßverbots. Fordert das Eigentumsrecht die Einhaltung dieser Grundsätze nicht nur im Zeitpunkt der Schaffung der Inhalts- und Schrankenbestimmung, sondern über den gesamten Zeitraum der Geltung der Regelung, so ist die logische Konsequenz, daß im Faü der nachträglich entstandenen Unausgewogenheit oder völüg einseitigen Belastung der Individualinteressen, die Norm nicht mehr als rechtmäßig angesehen werden kann. Maßstab für die Frage des Rechtswidrigwerdens sind demnach im Faü des Bebauungsplans die inhaltiichen Anforderungen an das Abwägungsergebnis325 und damit auch hier des Übermaßverbots. Vor diesem Hintergrund wird schneü deutüch, daß die erwähnten jüngsten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststeüung der Funktionslosigkeit in dierichtigeRichtung gehen. Die dort vorgeschlagene Kontrollfrage deckt sich zwar nicht genau mit der hier befürworteten 326, doch hat das Bundesverwaltungsgericht auf diese Weise das eigentüche Problem wohl schon im Auge, die Frage des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen. Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß ein Bebauungsplan (bzw. eine einzelne Festsetzung) rechtswidrig wird, wenn das Abwägungsergebnis nicht mehr den Anforderungen des § 1 BauGB genügt, mit anderen Worten der Bebauungsplan (bzw. die konkrete Festsetzung) nicht mehr begründbar ist. In diesen Fäüen entsteht mit dem (sicheren) Eintritt der Veränderung auch eine 3 2 3 BVerwGE 48, 56 (63); 59, 253 (257 f.); 64, 33 (35); s. dazu auch Gaentzsch, Berliner Komm., § 1 Rdnr. 66. 3 2 4
BVerfGE 31, 229 (242); 52, 1 (29); 58, 137 (147); 70, 191 (201 f.); 72, 66 (77 f.); s. dazu auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rdnr. 59\Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 Rdnr. 31. 3 2 5 Nach den Kategorien von Koch, DVB1. 1989, 399, käme es für das Fortdauern der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans auf die fortdauernde Begründbarkeit des Plans an. Wenn er deshalb meint, nur im Sonderfall der Oberleitung alter Pläne gem. § 173 Abs. 3 BBauG käme es bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen zu einer kumulativen Prüfung von Begründung und Begründbarkeit (S. 404 f.), so ist ihm nicht zuzustimmen. Der Fall des Rechtswidrigwerden der Norm belegt das Gegenteil. 3 2 6
S. dazu §7C VII.
24 Baumeister
370
§ 9 Geltungswegfall bei einem Wandel der Verhältnisse?
Planändemngs- oder -aufhebungspflicht des Satzungsgebers, gegebenenfalls korrespondierend mit einem entsprechenden Anspruch des Betroffenen. Die betreffende Festsetzung ist im Zeitpunkt des Widerspruchs zum "Abwägungsgebot" als nichtig anzusehen. Die übrigen Festsetzungen bleiben dagegen bestehen, sofern der Bebauungsplan im Hinblick auf den verbleibenden Teil noch eine sinnvolle, gleichfalls dem Begründbaikeitserfordernis Rechnung tragende Regelung darstellt Im Ergebnis geht diese Auffassung nicht wesentlich über die bereits bislang anerkannte Funktionslosigkeit hinaus. Die Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens sind jedoch im Unterschied dazu wesentlich präziser, weil im Einzelfall exakter zu prüfea Für die hier dargelegte Ansicht des Rechtswidrigwerdens spricht auch die Regelung des § 31 Abs. 2 BauGB. Die Möglichkeit der Befreiung als Fall der Lokkerung des Planmäßigkeitsprinzips dient in erster Linie der Einzelfallgerechtigkeit und damit dem Obermaßverbot327. Durch § 31 Abs. 2 BauGB lassen sich manche Konflikte im Einzelfall vermeidea Auf diese Weise kann die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit des Bebauungsplans u. U. verhindert werdea Dies güt sowohl für von Anfang an bestehende als auch für nachträglich eintretende Widersprüche zwischen den subjektiven Rechten des einzelnen und einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans. Sind allerdings im Fall eines solchen Widerspruchs die Möglichkeiten des § 31 Abs. 2 BauGB erschöpft, so bleibt nur das Urteil der Rechtswidrigkeit der betreffenden Festsetzung.
3 2 7 Vgl. ζ. B. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rdnr. 1 ;Dürr, in: Brügelmann, §31 Rdnr. 3; Schmidt-Aßmarm, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 171 ff.
Teil 3
Das Unanwendbarwerden und die fortdauernde Beachtlichkeit der Norm trotz Aufhebungspflicht § 10 Das Unanwendbarwerden von Normen A. Unanwendbarwerden infolge eines Rechtswidrigwerdens Aus der Untersuchung der Möglichkeiten und Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens und des Geltungswegfalls von Normen ergeben sich zugleich wesentliche Folgerungen fur den denkbaren Umfang und die Bedeutung der Fälle des Unanwendbarwerdens von Normen Bereits in den einleitenden Ausfuhrungen zu den drei Arten der "Unbeachtlichkeit" von rechtswirksam erlassenen Normen (Unwirksamwerden aufgrund des Rechtswidrigwerdens oder eines Geltungswegfalls und Unanwendbarwerden) wurde darauf hingewiesen, daß die nachträgliche Unwirksamkeit die Annahme eines Unanwendbarwerdens der Norm logisch ausschließt, weil das wesentliche Kennzeichen der Fälle des Unanwendbarwerdens gerade die Fortgeltung der betreffenden Norm ist1. Damit scheidet in den Fällen, in denen eine Norm aufgrund einer nachträgüchen Rechtswidrigkeit oder eines Geltungswegfalls unwirksam geworden ist, ein Unanwendbarwerden der Norm von vornherein aus. Gleichzeitig kann jedoch von einem Unanwendbarwerden der Norm ausgegangen werden, wenn diese Norm trotz des Rechtswidrigwerdens ausnahmsweise nicht unwirksam geworden ist Es sind dies die Fäüe, in denen aus übergeordneten Gründen (vor aüem bei Gleichheitsverstößen und in Fäüen der rechtswidrigen Normrelation - Art 3 Abs. 1 GG) der Grundsatz der ipso-iure-Nichtigkeit eine Ausnahme erfahren muß2. In diesen Fäüen müßte sich etwa die Rechtsprechung auf die Feststeüung der Unvereinbarkeit, eine sog. Unvereinbarkeitserklärung, beschränken. Sofern eine Norm rechtswidrig wird, kommt als Folge davon in bestimmten Ausnahmefäüen daher auch ein Unanwendbarwerden der Norm in Betracht Angesichts der obi1
§ 3 c.
2
S. dazu § 7 F.
24*
§ 10 Das Unanwendbarwerden von Normen
372
gen Darlegungen zu den Folgen des Rechtswidrigwerdens bedarf es keines weiteren Eingehens auf diese Fälle. Näher einzugehen ist hier vielmehr auf die davon zu trennende Frage, ob über die Fälle der unvereinbar gewordenen Normen hinaus ein Unanwendbarwerden anzuerkennen ist, ohne daß die Ursache dafür im Rechtswidrigwerden der Norm hegt.
B. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden? L Die grundsätzliche Möglichkeit eines verbleibenden Anwendungsbereichs Wie schon ausgeführt wurde3, gehen verschiedene Stellungnahmen in der Literatur vom Unanwendbarwerden einer Norm aus, wenn die Norm für veränderte Verhältnisse durch keinen vernünftigen Zweck mehr getragen wird. Diese Fälle werden in der Regel jedoch gerade durch die Fallgruppe des Rechtswidrigwerdens von Normen erfaßt. Ein davon unabhängiges Unanwendbarwerden erscheint nur dann nicht ausgeschlossen, wenn trotz eines Wegfalls jedes vernünftigen Sinns der betreffenden Norm ein Rechtswidrigwerden dieser Norm von vornherein ausscheidet, weü sie trotz des Zweckfortfalls nicht mit höherrangigem Recht in Konflikt geraten kann. Ein solcher Fall ist zumindest theoretisch vorstellbar bei öffentlichrechtlichen Organisationsnormen ohne subjektiv-rechtliche Bedeutung sowie möglicherweise bei Privatrechtsnormen. Entscheidend für die Prüfung, ob eine - weiterhin geltende - Norm unanwendbar geworden ist, ist damit die Frage, ob diese Norm grundsätzlich rechtswidrig werden kann oder dies aus strukturellen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht ausreichend erscheint dagegen, wenn das Rechtswidrigwerden der Norm nur im konkreten Fall abzulehnen ist. Anderenfalls wäre die vorausgehende Prüfung der Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens weitgehend sinnlos, wenn eine Norm auch infolge solcher Veränderungen für unanwendbar erklärt werden könnte, die gerade nicht für die Annahme des Rechtswidrigwerdens ausreichen. Der mit der Befürwortung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens zugleich verbundene Gewinn an Rechtssicherheit wäre in einem solchen Fall gänzlich verfehlt. Allein die Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens bieten Gewähr für die Achtung des Geltungs- und Befolgungsanspruchs der Norm und der Ent-
3
§ 3 ΒI.
Β. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden?
373
scheidungsprärogative des Normgebers insbesondere gegenüber den anderen Gewalten4. Kann danach eine Norm von vornherein nur dann in diesem Sinne unanwendbar werden, wenn sie nicht rechtswidrig werden kann, so ist ein solches Unanwendbarwerden gerade in den der Literatur wohl vor Augen stehenden Normen (bei Wegfaü des Gesetzeszwecks und unbilügem Ergebnis im Faü der Anwendung der Norm5) im aügememen ausgeschlossen. Nebenbei sei noch bemerkt, daß die Fäüe des Unanwendbarwerdens aber auch von dem vielfach zu beobachtenden tatsächüchen Unanwendbarwerden, dem Gegenstandsloswerden von Normen abzugrenzen sind. Wie in Zusammenhang mit den Ausführungen zum Geltungswegfaü schon dargelegt wurde, handelt es sich dabei nicht um Fäüe, in denen die rechtüche Wirksamkeit oder Anwendbarkeit der Norm in irgendeiner Weise betroffen wäre. Die tatsächüche Wirksamkeit bzw. Anwendbarkeit ist deshalb strikt von der rechtüchen zu trennen6
Π. Erste kritische Überlegungen zu den möglichen Fallkonstellationen Erweist sich die Faügruppe des vom Rechtswidrigwerden unabhängigen Unanwendbarwerdens schon aufgrund des dargelegten Verhältnisses zum Rechtswidrigwerden als ausgesprochen begrenzt, so erwecken die Schwierigkeiten, praktische Beispiele für derartige Fäüe zu nennen, zusätzüche Bedenken gegenüber der Annahme der Möglichkeit eines derartigen Unanwendbarwerdens von Normen. Bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur läßt sich nämüch kein einziges tragfähiges Beispiel ausfindig machen. Die Steüungnahmen, die von der Mögüchkeit des Unanwendbarwerdens im hier gebrauchten Sinne ausgehen7, nennen kernen einzigen konkreten Faü. Aüe übrigen Darsteüungen, die sich mit der "Nichtanwendung" von Normen trotz wirksamen Erlasses beschäftigen, trennen zum einen nicht zwischen dem Unwirksamwerden und dem Unanwendbarwerden und nennen zum anderen nur solche Faübeispiele, in denen von vornherein ein Rechtswidrigwerden der Normen in Betracht kommt.
4 Bei Normen der Exekutive natürlich nur gegenüber den normanwendenden Behörden und Gerichten. 5 Vgl. insoweit etwa die Ausführungen von Larenz, Methodenlehre, S. 350 f. 6
S. oben die Ausführungen zu § 9 Β I, D I; die dort genannten Argumente gelten in gleicher Weise auch für die Frage des Unanwendbarwerdens der Norm.
ι
Vgl. Engisch, Einführung, S. 83 m. Anm. 82a und S. 179 m. Anm. 242; Larenz, Methodenlehre, S. 350; Bydlinski, Methodenlehre, S. 588.
374
§ 10 Das Unanwendbarwerden von Normen
Ein bezeichnendes Beispiel für die bisherige Behandlung der Problematik stellt die 1992 erschienene Dissertation von Neuner mit dem Titel "Die Rechtsfindung contra legem" dar. Bei einer Untersuchung der "Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsfindung contra legem"8 sollte man vermuten, daß es auch um die Möglichkeiten und Grenzen derrichterlichen Nichtbeachtung von wirksamen Normen geht Entsprechend könnte es sich dann in den Fällen, in denen diese Möglichkeit bejaht wird, um solche Normen handeln, die im hier verstandenen Sinne als unanwendbar (geworden) anzusehen wärea Neuners diesbezüglichen Ausführungen enthalten jedoch erstaunlicherweise gerade keine Fälle möglicherweise unanwendbar gewordener Normea Daß er derartige Fälle offenbar gar nicht im Auge hat, zeigt bereits sein Ansatzpunkt bei der Lösung des Problems. Nur dann, wenn nach seiner Ansicht die "verfassungsrechtliche Legitimation" für dierichterliche Gesetzesbindung von vornherein fehlt oder nachträglich weggefallen ist, hält er den Richter für berechtigt, unter Außerachtlassung der betreffenden Norm zu entscheiden9. In sämtlichen der von ihm geg 9 Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 4. S. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 140 - 177; diese Sichtweise läßt sich auch nicht durch die'einerseits weite, andererseits enge Definition des "contra-legem-Judizierens" rechtfertigen, nach der eine "contra-legem-Entscheidung" nur vorliegt, "wenn die Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers mißachtet wird, sofern diese mit dem möglichen Wortsinn der Gesetzesnonn noch vereinbar ist oder im Wege der Analogie oder Restriktion durchgesetzt werden könnte" (S. 132). Darauf, daß nach hier vertretener Auffassung ein solches Vorgehen von vornherein als verfehlt erscheint, weil sich das Problem "contra legem" gar nicht stellt, wenn eine Norm rechtswidrig oder auf andere Weise unwirksam ist oder geworden ist, wurde bereits hingewiesen, vgl. oben § 1 Fußn. 41. Dies hat schon Hans Reichel, Gesetz und Richterspruch (1915) zumindest ansatzweise erkannt (auf ihn verweist Neuner an verschiedenen Stellen (S. 139 ff. Fußn. 2, 5,47,78, 175) sogar selbst). Bei Reichel, S. 130 Fußn. 1, heißt es u. a.: "Wenn nämlich feststeht, daß ein 'Gesetz' die Voraussetzungen eines rechtsgültigen Gesetzes nicht erfüllt, so kann die Nichtbefolgung dieses 'Gesetzes' nicht als Judizieren gegen dieses 'Gesetz' bezeichnet werden; denn das Gesetz selbst existiert nicht als solches." Auch Reichel gelangt freilich trotz dieses zutreffenden Ansatzes nicht zu einer vollständigen Klärung der Problematik, wohl vor allem deshalb, weil er entsprechend dem damaligen Stand der Dogmatik den Gedanken des Rechtswidrigwerdens nicht erwägt und die Fragen der Rechtswirksamkeit der Norm und der Prüfungskompetenz miteinander vermengt Um aber keinen falschen Eindruck zu erwecken: Neuner steht mit seiner Auffassung zum Problem der Rechtsfindung contra legem im wesentlichen in der Tradition der bisherigen Behandlung des Themas. Die gesamte (zivilistische) Methodenlehre scheint insoweit noch nicht wesentlich Ober die ersten Ansätze zur Bewältigung dieser Frage bei Reichel, S. 129 ff., hinausgelangt Dessen Antwort auf die Frage, wann ein Richter gegen das Gesetz zu entscheiden habe, entspricht im Grundsatz der noch heute - auch von Neuner - vertretenen allgemeinen Auffassung. Danach besteht die Pflicht zur Entscheidung gegen das Gesetz, wenn 1. "die gesetzliche Norm durch derogierendes Gewohnheitsrecht ausser Kraft gesetzt ist" (S. 131), 2. "die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlassung des Gesetzes sich dergestalt geändert haben, dass das Gesetz den vernünftigen Zweck, den es ehedem verfolgte und verfolgen konnte, nicht mehr zu erreichen vermag, dessen Anwendung vielmehr unter gegenwärtigen Zeitläuften zu offenbar unvernünftigen Ergebnissen führen würde" (S. 135) und 3. "jene Vorschrift mit dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit dergestalt in Widerspruch steht, dass durch Einhaltung derselben die Autorität von Recht und Gesetz erheblich ärger gefährdet sein würde als durch deren Ausserachtsetzung" (S. 142); gekürzt werden diese Grundsätze auch wiedergegeben von Löwer,
Β. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden?
375
nannten Beispiele könnte deshalb ein Unanwendbarwerden einer Norm allenfalls als Folge eines Rechtswidrigwerdens in Betracht kommen und damit nicht dem Mcontra-legem-judizieren,t unterfallen 10. Neuners eigene Argumentation geht immer in die Richtung der Begründung eines Widerspruchs zwischen der betreffenden Norm und dem höherrangigen Recht, der Verfassung 11. Prüft man die in der Literatur genannten Beispiele, in denen eme Veränderung zu einer vollständigen12 Nichtanwendung der Norm führen könnte13, ergibt sich immer dasselbe Büd. In aüen Fäüen geht es letztüch inhaltlich um die Frage, ob die betreffende Norm rechtswidrig geworden ist oder nicht Dies güt für § 18 LadenschlG14, Art. I l i a Abs. 2 Bay. Verfassung 15, § 1300 BGB , § 1 HausarbeitstagsG NRW 17 , §20 Abs. 2 HypothekenbankG18, §5 BäckereiArbZeitG19 und auch für die Faügruppe der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen20
nen . Cessante, S. 21. Daß die heutige Lehre das Problem der Rechtsfindung contra legem trotz der seitherigen Rechtsentwicklung noch aus derselben Blickrichtung angeht, muß schon erstaunen. 10
Zu seinen Beispielen siehe sogleich unten.
11
Vgl. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 142, 148 ff.; auf S. 142 ist bspw. in Zusammenhang mit dem Grundsatz "ultra posse nemo obligator" ausdrücklich von Rechtswidrigkeit die Rede (merkwürdigerweise erkennt Neuner selbst an dieser Stelle nicht, daß sich hier gar nicht die Frage der richterlichen Gesetzesbindung stellen kann). Der Fall der Entschädigung bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts (BVerfGE 34, 269 Soraya, s. dazu auch Löwer, Cessante, S. 19 f.) liegt insofern anders, als es hier nur um eine Teilaußerachtlassung und nicht um eine generelle Nichtanwendung des § 253 BGB geht; entsprechendes ^ilt auch für § 54 S. 1 BGB (s. dazu etwa Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 153 f.). 1 Zur Klarstellung muß nochmals betont werden, daß gewöhnlich nicht zwischen dem Unwirksamwerden und dem Unanwendbarwerden getrennt wird, so daß die im folgenden aufgeführten Beispiele in der Literatur auch nicht (ausdrücklich) als Fälle unanwendbar gewordener Normen dargestellt werden. 4
BVerfGE 59, 336 (356 ff); Löwer, Cessante, S. 14 f., mit der (zutreffenden) Bemerkung: "Recht muß geltungszeitlich immerfort verfassungsgemäß sein, weshalb ursprünglich verfassungsmäßiges Recht kraft Verhältnisänderung verfassungswidrig werden kann." (S. 15). BayVfGHE 39,96 (141), wo es (richtigerweise) heißt, "daß ein Wandel der Verhältnisse und Anschauungen zur Verfassungswidrigkeit einer ursprünglich verfassungsmäßigen Regelung führen kann"; s. auch Löwer, Cessante, S. 29; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 150. 16
Löwer, Cessante, S. 30 ff.
17
BAGE 13,1; Ramm, AuR 1962,353 ff ; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 118 f., 150.
18
BGHZ 106, 42 (48 f.); Canaris, NJW 1987, 609 (612 f.); Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 150 f. 19 Zum Nachtbackverbot s. BVerfGE 23, 50; 41, 360; 87, 363; DVB1. 1993, 252; auch BayVGH, GewArch. 1982, 87 (88); Löwer, Cessante, S. 33; immer geht es nur um die Frage einer möglichen (nachträglichen) Verfassungswidrigkeit der Norm; s. auch Steinberg/Lubberger, Nachtbackverbot, die ebenfalls die Frage der (nachträglichen) Verfassungswidrigkeit der Norm prüfen, auch wenn sie nur von der Möglichkeit "einer geänderten Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des § 5 BAZG" sprechen (S. 35). Sie verwenden einige Mühe auf die Darlegung der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (S. 16 - 35), um so den Wegfall der Bindungswirkung der 2. Entscheidung des BVerfG (E 41, 360) zu belegen. Die dort beschriebenen Veränderungen könnten theoretisch auch zur Verfassungswidrigkeit der Norm geführt haben. Im Ergebnis wird dies von Stein-
376
§ 10 Das Unanwendbarwerden von Normen
ΠΙ. Zusätzliche Bedenken Stellt sich auch in keinem dieser konkret genannten Fälle die Problematik des Unanwendbarwerdens von Normen, so kann die theoretische Möglichkeit des Unanwendbarwerdens gleichwohl nicht aus diesem Grund insgesamt verneint werden. Unter der genannten Voraussetzung, daß eine Norm nur dann (ohne gleichzeitiges Rechtswidrigwerden) unanwendbar werden kann, wenn bei ihr generell ein Rechtswidrigwerden ausgeschlossen ist, dürfte praktisch gesehen zwar nur ein unbedeutender Bereich von Normen verbleiben, doch zeigt dies nur die praktische Irrelevanz, nicht die rechtliche Unmöglichkeit des Unanwendbarwerdens. Gegen diese Art des Unanwendbarwerdens sind jedoch zusätzlich gewichtige Bedenken geltend gemacht worden21. Nach der Ansicht von Canaris ist die "gänzliche Derogierung"22 "nicht Aufgabe des Richters, sondern muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. So ist es etwa unzulässig, Wirtschaftsgesetze, die in Notzeiten erlassen wurden, nach einer Normalisierung der Verhältnisse wegen Wegfalls ihrer ratio einfach nicht mehr anzuwenden* das müßte schwerste Erschütterungen der Rechtssicherheit zur Folge haben" . Wenngleich den Ausführungen von Canaris im Hinblick auf die obigen Überlegungen zum Rechtswidrigwerden von Normen mit Vorbehalt zu begegnen ist, ist seine Argumentation in Zusammenhang mit der Frage des Unanwendbarwerdens von Normen ohne Rechtswidrigwerden von einigem Gewicht. Ohne Zweifel stellt jede Nichtbeachtung einer Norm einen Übergriff in den Kompetenzbereich der Legislative dar. Sofern die Nichtbeachtung auf eine (verfassungsrechtlich anerkannte) inzidente oder prinzipale Normenkontrolle, d. h. genauer auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle, zurückzuführen ist, bestehen - bei Beachtung des Art. 100 GG - dagegen grundsätzlich keine Bedenken. Anderes gilt jedoch in den Fällen der Nichtbeachtung unabhängig von einer Normenkontrolle. Hier wird nicht nur der inhaltliche Geltungsanspruch der Norm nicht beachtet, sondern auch auf Kriterien zurückgegriffen, die nicht durch das Verfassungsrecht gerechtfertigt sind, wie dies für die Rechtmäßigkeitskontrolle güt. berg/Lubberger im wesentlichen aufgrund der teilweise bestehenden Unsicherheiten in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse aber abgelehnt (s. u. a. S. 42 f.); im Ergebnis ebenso nunmehr BVerfG, DVBl. 1993, 252; BVerfGE 87,363 (382 ff). 20 21 Vgl. ausführlich oben § 9 E II; nur das Beispiel erwähnend Löwer, Cessante, S. 33. 22 S. Canaris , Die Feststellung von Lücken, S. 189. Der Begriff der Derogierung ist hier wohl nicht im Sinne einer Unwirksamkeit zu verstehen; siehe auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 588 (Fußn. 418), der ihn im Sinne von Unanwendbarkeit versteht. 23 Canaris , Die Feststellung von Lücken, S. 189.
Β. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden?
377
Das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzesfindet nämlich von vornherein seine Schranken etwa in der Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie im verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) 24 . Gleichzeitig werden zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und auch des Rechtswidrigwerdens eindeutige Kriterien verwandt, die auch dem von Canaris angesprochenen Grundsatz der Rechtssicherheit Rechnung tragen. Dies gilt für die Annahme eines vom Rechtswidrigwerden unabhängigen Unanwendbarwerdens nicht einmal ansatzweise. Gegen diese Argumentation könnte nur sprechen, daß die Mögüchkeit einer teleologischen Reduktion als Teilkorrektur eines zu weit gefaßten gesetzüchen Tatbestands aUgemein anerkannt ist und auch von Canaris selbst nicht in Zweifel gezogen wird 25. Da das Unanwendbarwerden einer Norm wegen vöüigen Wegfaüs des mit der Regelung veibundenen und zu verbindenden Zwecks als konsequente Anwendung der teleologischen Reduktion angesehen werden kann, dürften auch dagegen kerne durchgreifenden Bedenken bestehen26. In der Tat scheint die Befürwortung der teleologischen Auslegung die Konsequenz der Anerkennung eines Unanwendbarwerdens einer Norm nach sich zu ziehen. Eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung scheint nicht das völüge Fehlen eines Gesetzeszwecks unbeachtet lassen und die Norm dennoch anwenden zu können, wenn gleichzeitig das Fehlen des Gesetzeszwecks nur für einen Teübereich des durch den Wortlaut vorgegebenen Anwendungsbereichs insoweit zur Nichtanwendbarkeit der Norm fuhrt. Die Unanwendbarkeit steüte sich aus dieser Perspektive besehen nur als das Ergebnis einer umfassenden teleologischen Reduktion einer Norm dar. Diese sicherüch bedenkenswerten Überlegungen können im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. Zum einen unterscheidet sich die genereüe Unanwendbarkeit der Norm quaütativ und nicht nur quantitativ von der teleologischen Reduktion. Bezogen auf die nachträgüch infolge von Veränderungen erforderüche teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm besteht ein grundlegender Unterschied. Die Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm (entgegen ihrem weit gefaßten Wortlaut) ändert nichts an dem grundsätzüchen Respekt des 24 Dazu, daß entgegen einer noch immer weit verbreiteten Ansicht auch gegenüber Normen der Rechtsschutz garantiert wird, ζ. B. Schenke, Rechtsschutz, S. 28 ff.; ders., JuS 1981, 81 ff.; ders., VerwaltungsprozeßR, Rdnr. 1063; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn. 93 ff; a. A. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rdnr. 25 m. Nachw. aus der Rechtsprechung; bei untergesetzlichen Nonnen wird die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG mittlerweile vom BVerwG anerkannt, vgl. ζ. B. BVerwGE 80,355 (361); NVwZ 1990,162 (163). 25 Vgl. zur Verbindung der Cessante-Regel mit der Figur der teleologischen Reduktion Krause, ZRG 2677 (1960), 95; zur Verbindung auch Canaris , Die Feststellung von Lücken, S. 189 (§ 181). Auch Canaris , Die Feststellung von Lücken, S. 189, sagt: "Es ist bei der teleologischen Reduktion stets Bedacht darauf zu nehmen, daß eine Norm wirklich nur durch einen Ausnahmetatbestand eingeschränkt und nicht in Wahrheit in verkappter Form gänzlich außer Kraft gesetzt wird."
§ 10 Das Unanwendbarwerden von Normen
378
Normanwenders vor dem Geltungsanspruch der Regelung. Mit Hilfe der Reduktion wird nur der durch den historischen Gesetzgeber verfolgte Zweck durch einen anderen, objektiven Sinn ersetzt oder der teilweisen Sinnlosigkeit der Norm durch eine entsprechende Auslegung Rechnung getragea Anders im Fall des Unanwendbarwerdens: Hier wird über eine Begrenzung des Anwendungsbereichs hinaus der Anspruch der Norm auf Beachtung insgesamt in Frage gestellt. Die Kritik von Canaris führt deshalb zu dem nur vordergründig merkwürdigen Ergebnis, daß eine Norm, deren Sinn teilweise entfallen ist, nicht mehr auf die Fälle angewendet wird, die zuvor von dem umfassenderen Sinn noch miterfaßt wurden, und gleichzeitig eine andere Norm, die gar keinen Sinn mehr hat, weiterhin auf alle vom Wortlaut erfaßten Fälle anzuwenden ist. Dieser Differenzierung entspricht im übrigen die ganz herrschende Auffassung hinsichtlich der gerichtlichen Kompetenz zur verfassungskonformen Auslegung von Normen. Ist eine solche Auslegung mit einer Reduktion des Anwendungsbereichs gegenüber dem umfassenderen Wortlaut verbunden, so zeigen sich in der dennoch befürworteten Kompetenz jedes Richters zur Durchführung einer derartigen Reduktion ohne eine Vorlagepflicht nach Art 100 Abs. 1 GG die Unterschiede zur vollständigen Verwerfung einer Norm aufgrund der Verfassungswidrigkeit der Regelung. Eine Verwerfungskompetenz besitzt in diesen Fällen (bei nachkonstitutionellen Gesetzen) nur das Bundesverfassungsgericht. Auch daran zeigt sich, daß der völligen Außerachtlassung einer Norm eine qualitativ andere Bedeutung zugemessen wird als einer Teilreduktion ihres Anwendungsbereichs. Der Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung weist schließlich auf einen wichtigen, damit zusammenhängenden Aspekt hin. Die vermeintliche Widersprüchlichkeit der Anerkennung der teleologischen Reduktion unter gleichzeitiger Ablehnung der Kompetenz zur "vollständigen Reduktion" löst sich auf bei einer Berücksichtigung der Gründe für diese Reduktion. Die teleologische Reduktion aufgrund eines nachträglichen Wandels ist gerade auf einen teilweisen Zweckfortfall zurückzuführen. Der vollständige Zweckfortfall führt jedoch bei den insoweit relevanten Normen zum Rechtswidrigwerdea In diesen Fällen des teilweisen Zweckfortfalls stellt sich die teleologische Reduktion bei genauer Betrachtung daher als eine verfassungskonforme Auslegung der Norm dar. Die Norm ist dann genau genommen teilweise verfassungswidrig geworden, nur kann dem noch durch eine veränderte Auslegung Rechnung getragen werden. Dem entspricht auch das Verhältnis zwischen der teüweisen und der vollständigen Unbeachtlichkeit einer Norm nach der aus dem kanonischen Recht stammenden Rechtsregel "cessante ratione legis cessât lex ipsa". Wie erwähnt27 ent2 7
§ 9 D II 1 d aa.
B. Unanwendbarwerden ohne Rechtswidrigwerden?
379
hält diese Regel neben der Annahme des Unwirksamwerdens auch den Gedanken der teleologischen Reduktioa Diese Regel wird heute nach oben dargelegter Auffassung durch den Vorrang der Verfassung und das Prinzip der Rangstufen der verschiedenen Normarten vollständig verdrängt Der hier vertretenen Lösung kann schließlich nicht entgegengehalten werden, auf diese Weise bestünde die Gefahr "unbilüger" Ergebnisse. Gerade bei uribiüigen Ergebnissen Uegt eme Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Norm am höherrangigen Recht nahe. Ergeben sich hier keine Differenzen, so wird das "unbilüge" Ergebnis regelmäßig so unbilüg nicht sein, solange das höherrangige Recht seinerseits am Prinzip der Gerechtigkeit ausgerichtet ist, was für die derzeitige Rechtsordnung in Deutschland28 angesichts der geltenden Verfassung wohl unbestritten sein dürfte. Nur durch die hier befürwortete weitgehende Zurückdrängung von Mögüchkeiten des Außerachtlassens gültiger Normen kann dem Schutz der Rechtssicherheit und der Achtung der Entscheidung des verfassungsrechtüch legitimierten Normgebers Rechnung getragen werdea Deshalb sind auch mögücherweise unbequem gewordene Normen, solange sie nicht als als rechtswidrig geworden anzusehen sind oder der Normgeber keine Änderung vornimmt, in aüer Regel anzuwenden.
28
Um diese geht es bei der vorliegenden dogmatischen Untersuchung.
§11 Fortdauernde Beachtlichkeit der Norm trotz Aufhebungspflicht A. Anwendbarkeit der Norm trotz Rechtswidrigwerdens Auch im Rahmen der Prüfung der denkbaren Auswirkung der Entstehung einer Aufhebungspflicht bei gleichzeitig fortdauernder Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Norm muß zunächst danach unterschieden werden, ob diese Folge mit oder ohne Rechtswidrigwerden eingetreten sein soll. Für den Fall des Rechtswidrigwerdens unter gleichzeitig - vorübergehend fortbestehender - Wirksamkeit und Anwendbarkeit sind bereits alle wesentlichen Gesichtspunkte genannt worden1. Dieser Sonderfall ist auf Fälle begrenzt, in denen trotz Rechtswidrigkeit die Norm nicht nichtig ist. Da mit dem Rechtswidrigwerden ausnahmslos die Entstehung einer Aufhebungspflicht einhergeht2, kann in diesen Fällen der rechtmäßig erlassenen Normen auch die Wirkung der Entstehimg von Aufhebungspflichten bei fortbestehender Wirksamkeit und Anwendbarkeit bejaht werden. Diese Fallgruppe kann jedoch nicht mit der Überlegung erweitert werden, die Entscheidung des Normgebers genieße in jedem Fall Priorität vor der des Gerichts3, so daß generell zumindest von der weiteren Anwendbarkeit der rechtswidrig gewordenen Norm bis zur Aufhebung durch den Normgeber ausgegangen werden müsse. Die Ausführungen zu den vom Bundesverfassungsgericht aus ähnlichen Gründen befürworteten Voraussetzungen der Evidenz des Widerspruchs zum Recht und der Anpassungsfristen, mit denen schon die Feststellung des Rechtswidrigwerdens ausgeschlossen werden soll, haben das Fehlen einer tragfahigen Begründung für eine derartige "Zurückhaltung" erkennen lassen4. Das Recht und die Möglichkeit zur "Erstentscheidung" bei Eintritt der Veränderungen wird dem Normgeber schon aufgrund des sich regelmäßig in längeren Zeiträumen vollziehenden Wandels der Verhältnisse, aber auch noch während des Normenkontrollverfahrens nicht genommen. Zu einer Feststellung der 2
Gleich, ob man vom Rechtswidrigwerden erst aufgrund der Nichtaufhebung oder allein aufgrund des Widerspruchs zum höherrangigen Recht ausgeht. 3 Der Hinweis auf die Entscheidungsprärogative taucht im Schrifttum in vielfältigem Zusammenhang auf. Hier wird dieses Argument in ganz spezieller Hinsicht auf seine Tauglichkeit hin untersucht, auch wenn es - soweit ersichtlich - bisher nicht in exakt dieser Weise verwendet wurde. 4 S. §7CVI.
Β.
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ohne Rechtswidrigwerden?
381
Rechtswidrigkeit kommt es eben nur, wenn sich der Eintritt wesentlicher tatsächlicher (und in Ausnahmefällen auch rechtlicher) Veränderungen sicher feststellen läßt. Zeichnet sich in der "Zwischenphase", die - wie die verschiedenen Beispiele gezeigt haben - oftmals viele Jahre dauern kann, also noch vor dem Rechtswidrigwerden, eine bestimmte Entwicklung ab, so kann der Normgeber der späteren gerichtlichen Feststellung des Rechtswidrigwerdens jederzeit durch die Aufhebung oder Änderung der Norm zuvorkommen. Zusätzlich steht ihm dazu auch noch die Phase des gerichtlichen Verfahrens zur Verfügung, in der die Norm möglicherweise schon rechtswidrig geworden ist. Da in derartigen verfassungsgerichtlichen Verfahren Stellungnahmen von Bundestag und Regierung unabhängig davon eingeholt werden, ob diese Verfahrensbeteiligte sind, sind die maßgeblichen Organe spätestens in diesem Zeitpunkt über die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens der betreffenden Norm informiert. Schließlich kommt in den Fällen des Rechtswidrigwerdens im Rahmen der anerkannten Fallgruppen in der Rechtsprechung der vorübergehende Ausschluß der Nichtigkeit der rechtswidrigen Norm in Betracht5. Die Analyse der verschiedenen Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat auch gezeigt, daß durch die gewährten Anpassungsfristen und die mitunter geforderte Evidenz nur den rechtlichen Unsicherheiten in der Beurteüung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung Rechnimg getragen werden soll. Wie Rupp schon frühzeitig bemerkt hat ist das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht dazu da, "Künder unzweifelhafter und für jedermann 'evident* vorgegebener Eindeutigkeiten zu sein"6. Dem zweifellos anzuerkennenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers wird auf dem hier befürworteten Wege ausreichend Rechnung getragen. Die (verfassungs-)gerichtliche Feststellung des Rechtswidrigwerdens einer Norm greift in diese Kompetenz in keiner Weise ein. Auch der von Ossenbühl angeführte gewisse Beurteüungsspielraum des Gesetzgebers bei der Frage, ob ein Wandel der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist7, wird gerade dadurch berücksichtigt, daß die Feststellung der Rechtswidrigkeit nur dann möglich ist, wenn hinsichtlich der Tatsachen kein Beurteilungsspielraum mehr besteht.
B. Aufhebungspflicht ohne Rechtswidrigwerden? Die Stellungnahmen, die von einer Aufhebungspflicht trotz fortbestehender Anwendungspflicht ausgehen, haben jedoch gerade nicht diese besonderen Kon5
S. dazu näher § 7 F.
6
Rupp, JuS 1963, 469 (471).
7
Ossenbühl, HbdStR III, § 64 Rdnr. 44, wo es allerdings nur um den Verordnungsgeber ging.
§ 11 Fortdauernde Beachtlichkeit trotz Aufhebungspflicht
382
stellationen in Fällen der bloßen Verfassungswidrigkeit ohne Nichtigkeit im Auge. Ihnen geht es in aller Regel um die Anerkennung einer Aufhebungspflicht (und mögücherweise auch eines korrespondierenden Anspruchs der Normbetroffenen auf Aufhebung) gerade ohne die Anerkennimg des Rechtswidrigwerdens. Nähere Erklärungen, aus welchen Gründen diese Aufhebungspfücht ohne gleichzeitige Rechtswidrigkeit der Norm anzunehmen sei, werden nicht gegeben8. Soweit Κ Schneider eine echte Begründung gegen die Annahme der Unwirksamkeit durch den Hinweis auf den Gegenstand der nach semer Ansicht auf die Kontroüe des Verhaltens des Normgebers beschränkten Normenkontroüe gibt, wurden diese Gesichtspunkte bereits zurückgewiesen9. Selbst wenn man aber seine Überlegungen akzeptierte, so sprächen sie genau genommen aüein gegen die Annahme des Unwirksam- und Unanwendbarwerdens, nicht auch zwingend gegen das Rechtswidrigwerden als solches. Woüte man zu belegen versuchen, daß die Entstehung von Aufhebungspfüchten auch ohne Rechtswidrigwerden denkbar ist, so wäre bei den mögüchen Gründen der Aufhebungspfüchten anzusetzen und zu prüfen, ob sich hier Fäüe feststeüen lassen, die keine notwendige Verbindung zum Rechtswidrigwerden aufweisen. Die Betrachtung der denkbaren Gründe für eine Aufhebungspfücht ergibt jedoch im Ergebnis immer eine unmittelbare Verbindung zum Rechtswidrigwerdea Aufhebungspfüchten lassen sich feststehen bei Eingriffs-, Leistungs- oder Schutznormen . Hier steüen sie sich als Fäüe der grundrechtlichen Beseitigungspfücht dar oder haben ihre Ursache unmittelbar in den Leistungs- oder Schutzpflichten des höherrangigen Rechts. Zu diesen Faügruppen wurde bereits ausführüch Steüung genommen11. Deshalb ist hier nur kurz darauf zu verweisen, daß im Faü der Eingriffsnorm als inhaltüche Voraussetzung der Beseitigungspflicht das Vorüegen eines Eingriffs anzusehen ist, der nicht mehr gerechtfertigt ist Im Faü des rechtmäßigen Erlasses einer solchen Norm muß daher die Rechtfertigung des Eingriffs nachträgüch entfaüen sein, um einen Beseitigungsanspruch zur Entstehung zu bringen. Voraussetzung der Entstehung der Aufhebungspfücht ist folgüch in diesen Fäüen die Rechtswidrigkeit der Norm. g 9
S. zu den Begründungsansätzen oben § 3 ΒIV. S. oben § 5 C II 2.
^ Wie in § 7 C IV 4 ausgeführt wurde, kommt ein Rechtswidrigwerden ausnahmsweise auch bei nachträglich nicht mehr gerechtfertigten Eingriffen in Allgemeinwohlinteressen in Betracht Hinsichtlich der hier relevanten Fragestellung ergeben sich aber keine Besonderheiten, da die dort feststellbaren Aufhebungspflichten (ohne korrespondierende Ansprüche) - ebenso wie bei den Eingriffsnormen - immer mit dem Rechtswidrigwerden zusammenfallen. Aufgrund der untergeordneten Bedeutung dieser Fälle kann hier aber auf eine nähere Erwähnung verzichtet werden. 11
Vgl. vor allem § 4 Ε II 1 u. 4; § 5 Β11 u. 2.
Β.
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ohne Rechtswidrigwerden?
383
Aber auch im Fall der Leistungs- oder Schutznormen fällt die Entstehung der Aufhebungspflicht mit der Rechtswidrigkeit der Norm zusammen, auch wenn hier die Rechtswidrigkeit nicht die Voraussetzung für die Aufhebungspflicht darstellt Die Leistungs- oder Schutzpflichten des höherrangigen Rechts fordern ein Mindestmaß an Leistung oder Schutz und verbieten somit das Untermaß12. Ein solches Untermaß kann selbstverständlich auch nachträglich eintreten, wie etwa der Fall des unzureichenden Besoldungsgesetzes eindrücklich belegt13. Aus diesen Überlegungen ist zwingend abzuleiten, daß die Aufhebungs- oder Änderungspflichten entweder ihre Ursache in der Rechtswidrigkeit einer Norm haben (so bei Eingriffsnormen) oder mit der Rechtswidrigkeit der Norm zumindest rechtslogisch zusammenfallen (so bei Leistungs- oder Schutznormen). In Konsequenz dessen kann eine Auf hebungspflicht ohne gleichzeitige Rechtswidrigkeit nicht gedacht werdea Umgekehrt ist ein Rechtswidrigwerden ohne Entstehung einer Aufhebungspflicht ebenfalls undenkbar. Den verschiedenen Stellungnahmen, die mehr oder weniger deutlich diesen Zusammenhang nicht anerkennen oder gar nicht in Betracht ziehen, ist folglich zu widersprechen.
12
Zum Untermaßverbot vgl. oben § 7 CIV 1.
13
BVerfGE 8,1; dazu näher § 7 A III 4, EIV.
Schluß
§ 12 Schlußbemerkungen mit Anmerkungen zu den Einführungsfällen Nach Abschluß der Erörterung aller Einzelfragen gilt es ein kurzes Fazit zu ziehen (B). Diesem Resümee soüen noch einige kurze Anmerkungen zu den eingangs zur Iüustraüon der Problematik angeführten Beispielsfälle vor dem Hintergrund der vorausgehenden Darlegungen vorangesteüt werden (A).
A. Hinweise zu den Einführungsfällen L Wasserschutzgebiet ohne Trinkwasser1 Die durch Rechtsverordnung erfolgte Festsetzung zum Wasserschutzgebiet bestimmt gem. § 24 WassG Bad.-Württ., § 19 WassHG für die in dem betroffenen Gebiet üegenden Grundstücke diverse Nutzungsbeschränkungen. § 3 der Rechtsverordnung enthält ein aügemeines Verbot von Handlungen, die geeignet sind, Gewässer in dem geschützten Gebiet zu beeinträchtigen. In § 4 sind eine Reihe von spezieüen Verboten für die engere Zone des Wasserschutzgebiets enthalten. Derartige Belastungen treffen die außerhalb hegenden Grundstücke trotz aüer Pflichten zur Vermeidung von Umweltbelastungen und auch trotz der aügememen Sorgfaltspflicht nach § 1 a WassHG nicht. Die Rechtfertigung der zusätzüchen Beschränkungen durch die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets hegt (nach gegenwärtiger Rechtslage) gem. § 19 Abs. 1 WassHG aüein im Schutz des Trinkwasservorkommens. Ist ein solches Trinkwasservorkommen - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr vorhanden, so sind die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets gem. § 19 Abs. 1 WassHG nicht mehr erfüüt und der mit der Rechtsverordnung verbundene Eingriff auch nicht mehr gerechtfertigt. Die Rechtsverordnung ist daher wegen der nachträgüch eingetretenen Verletzung des Eigentumsgrundrechts (unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs.
1
Zum Beispiel vgl. oben § 1 Β11.
Α. Hinweise zu den EinfUhrungsfòllen
385
1 S. 2 GG) rechtswidrig und in Konsequenz dessen auch unwirksam geworden2. Gründe, die ein - vorübergehendes - Absehen von der Nichtigkeitsfolge erfordern, sind nicht ersichtlich. IL Spielplatz ohne Platz3 Auch die Bebauungsplanfestsetzungen stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Insofern ist das verfassungsrechtlich geforderte Abwägungsgebot4, das nicht nur einen verfahrensrechtlichen Inhalt eines angemessenen Abwägungsvorgaflgs beinhaltet, sondern auch die inhaltliche Komponente des Ab- oder Ausgewogenseins enthält, zu beachten. Aufgrund tatsächlicher Veränderungen kann sich das Gewicht der verschiedenen Belange so entscheidend wandeln, daß eine nachträgliche Ungleichgewichtung eintritt, die den Bebauungsplan rechtswidrig macht5. Der Bebauungsplan war mehrfach geändert worden. Die zunächst viergeschossige Wohnbebauung wurde in eine Reihenhausbebauung umgewandelt. Diese Reihenhäuser wurden auch errichtet. Zusätzlich wurde der Plan in anderen Festsetzungen geändert, die auch Teilgebiete des "Spielplatzes" betrafen. Um festzustellen, ob der Bebauungsplan unter diesen Voraussetzungen seine Wirksamkeit infolge eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens verloren hat, bedarf es zunächst der Feststellung, wann von einer nachträglichen Unausgewogenheit des Plans ausgegangen werden kann. Losgelöst von der konkreten Fallgestaltung läßt sich ein Rechtswidrigwerden eines Plans nur dann feststellen, wenn die konkrete Planung unter den veränderten Verhältnissen - mit welcher Begründung auch immer - im Ergebnis nicht mehr so ausfallen darf 6. 2
Dies ändert freilich nichts daran, daß gegen den Verursacher der Gewässerverschmutzung ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Der VGH konnte im konkreten Fall die Frage des Unwirksamwerdens offen lassen, da im Entscheidungszeitpunkt noch nicht feststand, ob das vorhandene Wasservorkommen als Trinkwasser endgültig unbrauchbar geworden ist. 3 Vgl. oben § 1 Β12. 4 Zum Abwägungsgebot als Ausdruck eines verfassungsrechtlichen Gebots s. etwa BVerwGE 48, 56 (63); 59, 253 (257 f.); 64, 33 (35); Gaentzsch, Berliner Kommentar, § 1 Rdnr. 66; Koch, DVBl. 1983, 1125. 5 S. dazu näher § 9 E II; die h. M. ginge in diesem Fall, auch wenn nicht exakt auf die genannten Voraussetzungen abgestellt wird, wohl von einer Funktionslosigkeit der bauplanerischen Festsetzung aus. 6 Wem diese Voraussetzung für ein Rechtswidrigwerden auf den ersten Blick zu weit erscheint, zeigt der konkrete Fall, daß diese Voraussetzung weitaus enger, zumindest aber wesentlich strikter ist als das von der Rechtsprechung befürwortete Funktionsloswerden. Der VGH Mannheim ist nämlich im konkreten Fall zu dem Ergebnis gekommen, die Festsetzung "Spielplatz" sei wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten, VGH Mannheim, VB1BW 1983, 371; nach der heutigen Rechtsprechung des BVerwG dürfte eine derartige Entscheidung aber wohl keinen Bestand mehr
25 Haumcisler
§12 Schlußbemerkungen
386
Geht man von diesem Prüfungsmaßstab der nachträgüchen Unausgewogenheit aus, so kommt es darauf an, ob die noch vorhandene Festsetzung "Spielplatz" mit den noch verbleibenden räumüchen Ausmaßen unter materiellen Gesichtspunkten weiterhin so festgesetzt werden könnte. Bei dieser Prüfung muß also auf die (materieüen) Kriterien, die auch sonst bei der Prüfung des Abwägungsgebots heranzuziehen sind, zurückgegriffen werden. Danach wäre die Rechtmäßigkeit der Festsetzung "Spielplatz" zum Beispiel zu verneinen, wenn etwa das Bedürfnis für die Anlegung eines öffentüchen Spielplatzes so eindeutig entfaüen wäre, daß eine solche Festsetzung gegenüber den Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer an einer andersartigen, mögücherweise gewinnbringenderen Nutzung keinen Bestand haben könnte. Ebenso wäre die Festsetzung rechtswidrig geworden, wenn ein Spielplatz auf der verbleibenden Fläche gar nicht mehr sinnvoü gebaut werden könnte . Anhaltspunkte für derartige Auswirkungen üegen hier jedoch nicht vor. Der Festsetzung "Spielplatz" hat daher weiterhin Gültigkeit und kann dem Bauwiüigen auch wirksam entgegengehalten werden. Anderes könnte nur gelten, wenn in den verschiedenen neuen Festsetzungen und Änderungen des Bebauungsplans (Wendehammer, Garagen, andere Bebauimg) zugleich die Aufhebung der Festsetzung "Spielplatz" zu sehen wäre. In diese Richtung tendiert im Grunde das Urteil des VGH Mannheim, wenn es am Ende heißt: "Das ursprüngüche Plankonzept des Gemeinderats, das der Festsetzung 'Spielplatz1 zugrunde gelegen hat, ist angesichts der tatsächüchen Verhältnisse nicht mehr vom Wülen des Gemeinderats getragen."8 Träfe diese Ansicht zu, wofür aber keinerlei Anhaltspunkte mitgeteüt wurden, so kann nur in einer der Planänderungen zugleich die Aufhebung der Festsetzung "Spielplatz" hegen. In diesem Faü wäre die Festsetzung aber nicht "funktionslos geworden", sondern schücht aufgehoben worden. Inkonsequent sind die Ausführungen des Gerichts, wenn zugleich behauptet wird, daß die Festsetzung "Spielplatz" "auch bezügüch der Restfläche einem Bürger nicht mehr als gerecht entgegengehalten werden kann"9. Wäre dies so, so bräuchte nicht auf den Gesichtspunkt des (mutmaßlichen?) Wülens des Gemeinderats zurückgegriffen werden. Unerklärüch ist im übrigen, wie das Gericht zu haben, weil das BVerwG - beim Bemühen um ein genaueres Kriterium zur Feststellung des Eintritts der Funktionslosigkeit · davon ausgeht, daß es wesentlich darauf ankommt, ob die Regelung auch unter den veränderten Verhältnissen noch so getroffen werden könnte; vgl. dazu näher § 9 E II. Auch wenn diese Kontrollfrage nicht ganz zutreffend ist (s. bereits § 7 C VII), geht der Ansatz zumindest in die richtige Richtung. 7 Der VGH Mannheim, VB1BW 1983, 371, hat gerade auch diesem Aspekt ausdrücklich keine Bedeutung beigemessen. 8
VB1BW 1983,371.
9
Ebd.
Α. Hinweise zu den Einführungsfällen
387
der Behauptung gelangt, die entscheidende Frage laute, "ob eine Verwirklichung der Festsetzung so oder zumindest annähernd so, wie sie ursprünglich getroffen worden ist, auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erscheint . Die ursprüngliche Festsetzung wurde ja gerade durch die verschiedenen Änderungen des Bebauungsplans teüweise aufgehoben Solange aber die Gemeinde die Festsetzung nicht auch für die verbleibenden Teüe aufhebt, muß - mangels anderer Anhaltspunkte - davon ausgegangen werden, daß die Festsetzung insoweit bestehen bleibt Eine andere Auslegung kommt nicht in Betracht Auf dieser Grundlage wäre dann zu prüfen gewesen, ob die Festsetzung rechtswidrig geworden ist Da jedoch wie erwähnt nach dem mitgeteilten Sachverhalt für den Restteil weiterhin im Ergebnis ein Spielplatz festgesetzt werden konnte, schied auch diese Möglichkeit des Unwirksamwerdens der Festsetzung aus.
HL Die fragliche Kirchturmbaulast 11 Für die Fälle der Kirchturmbaulasten mit normativer Grundlage wurde hier ein Geltungswegfall allgemein ausgeschlossen12. Die im vorhegenden Fall auf Gewohnheitsrecht basierende Baulast ist daher unter keinen Umständen "weggefallen". Andererseits können die baulastpflichtigen Gemeinden (oder die Länder) nicht trotz gravierender Veränderungen, wie des Verhältnisses zur Kirche, der Funktion der Kirchengebäude oder der konfessionellen Zusammensetzung der Gemeindebevölkerung zeitlich unbegrenzt gebunden bleiben. Der für die Gemeinden rechtlich einzig sinnvolle Weg ist die einvernehmliche Anpassung oder Ablösung im Wege von Verträgen13. In dem Beispielsfall, in dem eine solche zeitgerechte Anpassung noch nicht erfolgt war, fragt sich, welche Konsequenzen den grundlegenden Veränderungen zukommen. Angesichts der für die Gemeinde fehlenden Möglichkeiten zu einer einseitigen Regelung besteht trotz der hier gewohnheitsrechtlichen Grundlage der Baulast ausnahmsweise eine vertragsähnliche Beziehung. Dies legt zusätzlich die oftmals sehr schwierige und vom Zufall abhängige Abgrenzung zwischen Gewohnheitsrecht und einem Herkommen, das als echte vertragliche
Beispiel oben § 1 Β13. 12
13
§9 EI.
Dabei spielt es keine Rolle, ob man die kommunalen Lasten dem Art. 138 Abs. 1 WRV zurechnet oder nicht, vgl. zu diesem Streit oben § 9 E I (Fußn. 167). 25*
388
§12 Schlußbemerkungen
Grundlage anzusehen ist14, nahe. Es erscheint wenig sachgerecht, diese völlig parallel hegenden Sachverhalte abweichend zu lösen. Somit müssen für die Kirchenbaulasten, wenn sie auf Gewohnheitsrecht beruhen, dieselben Grundsätze wie bei vertragüchen Baulastpflichten gelten. Daher ist auch in diesem Faü der aus dem Prinzip von Treu und Glauben abzuleitende Grundsatz des Wegfaüs der Geschäftsgrundlage anzuwenden, wie dies das OVG Koblenz im konkreten Fall eines Herkommens getan hat15. Dies führt dazu, daß beide Beteüigten, die politische Gemeinde wie die Kirchengemeinde, einen Anspruch darauf haben, daß die Pflichten den veränderten Verhältnissen angepaßt werden. Welche Veränderungen hier beachtüch sein können, bedürfte einer eigenen ausführlichen Untersuchung. Nach Ansicht der Rechtsprechung vermögen sowohl die "konfessioneüe Mischung" als auch der Wegfaü der nicht-sakralen Funktionen des Kirchturms (Wehrturm, Zeitanzeige und Zeitläuten, Alarmglokken) eine Anpassung erforderüch zu machen. Dem ist grundsätzüch zuzustimmen. Aüerdings muß bei den "weltüchen" Funktionen der Gebäude heute auch ihre mögliche kulturhistorische Bedeutung oder Denkmaleigenschaft berücksichtigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteü vom 30.4.1992 hinsichtlich des Glockengeläuts ausgeführt: "Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß nach dem Selbstverständnis der Kirchen die mit dem Glockenschlag bezweckte Zeitansage gleichzeitig einen Hinweis auf die Zeitlichkeit des Menschen gibt, darf nicht übersehen werden, daß das Glockengeläut seine Funktion als Zeitansage unter den heutigen Lebensbedingungen praktisch verloren hat."16 Angesichts dieser eklatanten Veränderungen scheint ein Anspruch der poütischen Gemeinde auf - vertragüche - Reduzierung der Baulast (mögücherweise auf die Hälfte der Instandsetzungskosten) sachgemäß.
14 In dem Originalfall des OVG Koblenz, ZevKR (1980), 407; BVerwG, ZevKR 27 (1982), 400, lag ein solches Herkommen vor. 15 16
OVG Koblenz, ZevKR 25 (1980), 411 f.
BVerwG, NJW 1992, 2779; Laubinger, VerwArch. 84 (1993), 623 (651 - Fußn. 130), hat dagegen auf ein Urteil des VG Augsburg vom 31.3.1982 hingewiesen, in dem diese Frage etwas anders beurteilt wird: "Ein öffentliches Interesse am Stundenschlag von Kirchturmuhren während der Nachtzeit sei auch unter den heutigen Gegebenheiten noch zu bejahen. Insbesondere für Personen, die in ihrer optischen Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt sind, sei diese Form der akustischen Zeitangabe nach wie vor von praktischem Nutzen. 'Dies wird im vorliegenden Streitfall konkret bestätigt durch die Äußerung einer blinden Nachbarin der Stadtpfarrkirche Heilig Geist; die Nachbarin betonte gegenüber der Presse die Notwendigkeit des Glockenschlags wie folgt: Da sie nicht sehen könne, sei sie sehr dankbar, wenn die Turmuhr schlage, weil sie dann wisse, wie spät es sei'".
Α. Hinweise zu den Einfìlhrungsffcllen
389
IV. Zweckentfremdungsverbot ohne Wohnraumnot17 Der Wegfall der Rechtfertigung des durch die Zweckentfremdungsverordnung bewirkten Eingriffs stellt einen geradezu "klassischen" Fall des Rechtswidrigwerdens einer Norm dar. Diese Möglichkeit wird vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof im Ansatz18 mit vorzüglicher Klarheit auch erkannt, da es die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung (bzw. konkret der Einbeziehung des Stadt München) in zwei Schritten vollzieht. Zunächst prüft es, ob die Verordnung bei ihrem Erlaß gegen das Eigentumsgrundrecht verstieß19. Im zweiten Schritt wird sodann geprüft, ob die Regelung auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegen höherrangige Normen verstößt2 . Soweit dagegen das Bundesverwaltungsgericht bisher zu der Frage der Fortgeltung von Zweckentfremdungsverordnungen Stellung genommen hat, sind diese hinsichtlich der hier interessierenden Frage, ob bei einem Wegfall der Wohnraumnot von einem Rechtswidrigwerden mit Nichtigkeitsfolge, einem automatischen Geltungswegfall oder nur von einer Aufhebungsverpflichtung ausgegangen wird, nicht ganz eindeutig. Auch wenn es ζ. B. in der Entscheidung vom 12.12.1979 heißt: "Eine Verfassungswidrigkeit wäre ... in einem Falle wie dem vorliegenden nur dann gegeben, wenn die Entwicklung in dem Sinne abgeschlossen wäre, daß ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich in Erscheinung träte und das Zweckentfremdungsverbot daher offensichtlich entbehrlich geworden wäre"21, zeigt der gleichzeitige Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.10.197622, daß wohl der Richtung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt wird, nach dem das Verfassungswidrigwerden gerade von einem vorwerfbaren Unterlassen des Normgebers abhängt oder zumindest abzuhängen scheint23. 17 18 Beispiel oben § 1 Β14. Auch der BayVfGH knüpft jedoch leider im folgenden wohl ebenfalls an die m. E. dogmatisch fragwürdige Rechtsprechung des BVerfG an, nach der erst bei einem vorwerfbaren pflichtwidrigen Unterlassen der Änderung das Rechtswidrigwerden festgestellt werden kann. 19 BayVfGHE 41,75. 2 0 2 1 2 2 2 3
BayVfGHE 41, 76 ff. BVerwGE 59,195(198). BVerfGE 42,374 (395 f.).
Vgl. dazu § 7 C IV. In dem genannten Beschluß des BVerfG vom 12.10.1976 (BVerfGE 42, 374 (396)) heißt es denn auch: "Eine Verfassungswidrigkeit würde nur dann vorliegen, wenn der Verordnungsgeber untätig geblieben wäre, nachdem der Anpassungsvorgang in dem Sinne abgeschlossen wäre, daß die Gleichartigkeit der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse bei Pfandleihuntemehmen und Banken deutlich in Erscheinung getreten wäre." Im Urteil vom 11.3.1983 scheint das BVerwG, NJW 1983, 2893 (2895), dagegen von einem Geltungswegfall ausgehen zu wollen. Ebenso BVerwG, Urt. v. 25.6.1982, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 8, S. 12, das vom "Fortgelten der ZweckEVO" spricht.
§ 12 Schlußbemerkungen
390
Besteht die Wohnraumnot in der Stadt München nicht mehr fort, was sicher feststehen muß, so ist der mit den Nutzungsbeschränkungen verbundene Eingriff deshalb unzulässig geworden, weü es - unter Berücksichtigung des Übermaßveibots - schon an der Erforderüchkeit des Eingriffs fehlt, oder besser: die Erforderüchkeit des Eingriffs entfaüen ist. Infolge des nachträgüchen Rechtswidrigwerdens wäre die Nennung der Stadt München in der Verordnung damit nichtig geworden24. V. Die betagte Baulinienfestsetzung25 Der Ortsbauplan aus dem Jahre 1878 war im Zeitpunkt der Entscheidung des VGH Mannheim hinsichtüch der vorgesehenen Bebauung nördüch der E.-Straße (Baulinie) noch immer nicht verwiikücht worden. Das Gericht hat diesem Umstand folgende Bedeutung beigemessen: "Es spricht... vieles dafür, daß aüein schon wegen des seit 1878 vergangenen langen Zeitraumes die Festsetzung der Baulinie nördüch der E.-Straße unwirksam geworden ist."26 Dieses Ergebnis27 wird daraus abgeleitet, daß Bebauungspläne die städtebauüche Ordnung und Entwicklung gewährleisten soüen und auf einen baldigen Vollzug angelegt seiea Daraus und auch aus § 1 Abs. 3 BauGB, auf den zusätzüch verwiesen wird, kann aüerdings kaum ein Geltungswegfaü des Bebauungsplans abgeleitet werdea Die Annahme des Geltungswegfalls aufgrund der Tatsache der großen mitüerweüe vergangenen Zeitspanne entbehrt jeder dogmatischen Grundlage. Auch ein Zusammenhang mit der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit, auf die im Urteü verweisen wird, besteht nicht Daß eine Norm aufgrund reinen Zeitablaufs ihre Wirksamkeit soü vertieren können, erscheint ausgeschlossen28. Auch für Bebauungspläne gelten insoweit kerne Ausnahmen. Andeienfaüs 24 Im konkreten Fall (BayVfGHE 41, 69) war - entgegen der hier gebildeten Fallgestaltung nicht festzustellen, daß die Wohnraumnot entfallen war, so daß der BayVfOH völlig zutreffend von der2fortbestehenden Rechtmäßigkeit der ZweckentfremdungsVO ausgegangen ist. 5 S. den Fall oben § 1 Β15. 2 6
27
UPR 1990,308.
Auch wenn der VGH die Frage des Geltungswegfalls nach langem Zeitablauf letztlich offen gelassen hat, weil Hder Bebauungsplan jedenfalls deswegen obsolet geworden (ist), weil im Jahre 1942 eine Landschaftsschutzverordnung erlassen worden ist, die zumindest de facto eine Bebauung dieser Grundstücke ausgeschlossen hat", enthält der amtliche Leitsatz eine eindeutige Stellungnahme: "Die Festsetzung einer Baulinie in einem 1878 erlassenen Ortsbauplan ist obsolet und damit unwirksam geworden, wenn diese Festsetzung Ober 100 Jahre nicht verwirklicht worden ist"28 So auch v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 135, der den "Erlöschensgrund" der Funktionslosigkeit allerdings anerkennt.
Α. Hinweise zu den Einfhrungsfllen
391
müßte die Nichtvollziehung einer auf baldigen Vollzug angelegten anderen Norm ebenfalls zur Unwirksamkeit führen. Die Fragwürdigkeit einer solchen These ergibt sich schon daraus, daß gar kein Anhaltspunkt dafür besteht, nach welchem Zeitpunkt die Norm unwirksam geworden sein könnte. Der VGH Mannheim hat hier in freier Rechtsschöpfung in seinem Leitsatz eine Frist von 100 Jahren festgelegt29. Diese Frist erinnert ein wenig an die des früheren § 2 S. 1 PatentG30, wonach (erstaunlicherweise) im Ergebnis alles, was länger als hundert Jahre zurücklag, für die Frage der Neuheit der Erfindung unbeachtlich war 31. Was vor dieser Frist veröffentlicht wurde, war scheinbar zwingend - von Gesetzes wegen - in Vergessenheit geraten. Eine andere ähnliche Frist findet sich noch im Fall der sog. "unvordenklichen Vegährung"32. Die unvordenkliche Verjährung stellt einen Beweisgrund für das Bestehen eines Rechtes (Wasser- oder Wegerecht) dar. Sie "setzt ihrem Wesen nach einen über Menschengedenken hinausgehenden ohne Unterbrechung gebliebenen Besitzstand voraus. Gefordert wird, daß der Besitz während des letzten Menschenalters bestanden hat und daß keine Erinnerungen an einen entgegengesetzten Zustand aus dem vorletzten Zeitalter vorhanden sind."33 Danach gilt ζ. B. ein Wegerecht als nachgewiesen, wenn der Besitzstand in den letzten 40 Jahren, bevor das Recht erstmals bestritten wurde, bestand und aus den diesen vorausgehenden weiteren 40 Jahren keine gegenteiligen Erinnerungen vorhegen. Im Ergebnis ist damit der diesem Zeitraum von über 80 Jahren vorausgehende Rechtszustand unbeachtlich geworden. Daß derartigen Sonderfällen kein einheitliches Rechtsprinzip abzuleiten ist, nach dem alles rechtlich unbeachtlich ist, was etwa länger als 100 Jahre oder "seit Menschengedenken" zurückhegt, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Der einzig relevante Maßstab für ein Unwirksamwerden ist - neben dem Außerkrafttreten durch (ausdrückliche oder konkludente) Aufhebung oder durch ausdrückliche Befristungen oder Bedingungen34 - allein die Frage, ob die Norm weiterhin mit den Anforderungen des höherrangigen Rechts vereinbar ist. Wenn im vorliegenden Fall (von dem Erlaß der Landschaftsschutzverordnung abgese29
'to S. das Zitat in Fußn. 27. PatentG i. d. F. v. 2.1.1968 (BGBl. I S. 1); § 2 S. 1 lautete: "Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der Anmeldung (§ 26) in öffentlichen Druckschriften aus den letzten hundert Jahren bereits derart beschrieben oder im Inland bereits so offenkundig benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint" 31 Dazu auch Bock, in: Benkard, Patentgesetz/GebrauchsmusterG, Kommentar, 6. Aufl., München 1973, § 2 Rdnr. 21. 3 2 Vgl. Gröpper, DVBl. 1969,945 (947). 33 Gröpper, ebd. 3 4 Vgl. dazu näher § 8 A, B.
§ 12 Schlußbemerkungen
392
hen) der Bebauung nördüch der E.-Straße kerne höherrangigen rechtüchen Hindernisse im Wege stehen, besitzt die bauplanerische Festsetzung weiterhin Gültigkeit. Die gegenteiüge Ansicht des VGH Mannheim läßt sich mit gewaltenteilungsrechtlichen Grundsätzen, die auch gegenüber dem Ortsgesetzgeber" gelten, nicht in Einklang bringen. Allem der Ablauf einer langen Zeit kann nicht ausreichen, der Entscheidung des Satzungsgebers keine Beachtung mehr zu schenken.
B. Fazit Im Rahmen einer Schlußbetrachtung liegt es nahe, neben den Einführungsfällen auch die übrigen Eingangsüberlegungen wieder aufzugreifen. Erinnert sei insofern vor aüem an die dort vorangesteüten Passagen aus Goethes "Faust" und die grundlegenden Ausführungen von Husserl zum Thema Recht und Zeit35. Wie die Untersuchung im einzelnen gezeigt hat, bleibt es nicht ohne Folgen für die Wirksamkeit einer Norm, wenn aus den mit ihr verbundenen, zunächst vernünftigen Zielen Unsinn oder aus der Wohltat der normativen Regelung später eine Plage wird. In diesem Faü kommt der Norm nach hier vertretener Auffassung infolge eines Rechtswidrigwerdens in der Regel keine rechtüche Wirkung mehr zu 37 . Der herben Kritik Goethes am Recht und der Rechtswissenschaft wäre damit Rechnung getragen38. In gewisser Hinsicht hat sich folgüch die Ansicht von Husserl hinsichtlich der endüchen Länge des Arms des Gesetzgebers bestätigt. Untechnisch ausgedrückt entziehen wesentüche Strukturwandlungen der sozialen Wirküchkeit, auf deren Boden stehend der Gesetzgeber handelt, seinen Werken in der Tat die Grundlage. Wenn es um die konkrete Beurteilung der Folgen einer konkreten Veränderung geht, helfen derart aügemeine Aussagen jedoch nicht weiter. Einzig griffiger und auch aüein entscheidender Prüfungsmaßstab ist hier die Beurteüung der Rechtmäßigkeit der betreffenden Norm. Diese orientiert sich keineswegs aüein am Zeitpunkt des Erlasses, sondern immer auch an sämtlichen späteren Verände-
3 5
36
S. oben § 1 A.
Als Ausnahmen wurden die Fälle der bloßen Feststellung der Unvereinbarkeit genannt, vgl. oben 37§ 7 F. Nach Ansicht des BVerfG wäre von einem Unwirksamwerden dagegen wohl nur auszugehen, wenn der "Unsinn" auch evident war (sich also für den Normgeber gewissermaßen aufdrängen mußte) und gleichzeitig dem Normgeber auch eine angemessene Frist zur Neuregelung zur Verfügung stand. 38
Die gleichfalls kritisierte fehlende Beachtung der "Rechte, die mit uns geboren", wird angesichts des heutigen Grundrechtskatalogs ohnehin gewährleistet.
Β. Fazit
393
rangen. Dies erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung im Grandsatz an. Neben den regulären Geltungsgrenzen39 läßt nur das Rechtswidrigwerden die Wirksamkeit einer Norm im Ergebnis entfallen. Insbesondere sind die verbreitet anerkannten "Außerkrafttretensgründe" wegen Wegfalls oder Wandels der Verhältnisse abzulehnen. Alle in den dort genannten Fallgestaltungen angesprochenen Gesichtspunkte, die für einen Geltungswegfall sprechen sollen, können ausschließlich im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Normen Bedeutung erlangen. Insofern ist eine gewisse Neuorientierung erforderlich. Diese Neuorientierung erstreckt sich auch auf die Rechtmäßigkeitskontrolle von Normen. Daß sich diese Kontrolle grundsätzlich bei jeder Norm in zwei Schritten vollzieht, wenn zu prüfen ist, ob die Norm rechtmäßig erlassen und rechtmäßig gebheben ist, ist bisher alles andere als Allgemeingut40. Genau genommen betrifft die Neuorientierung sogar bereits die Anerkennung des Rechtswidrigwerdens überhaupt. Auch wenn die Möglichkeit des Rechts- oder Verfassungswidrigwerdens von Normen scheinbar fast "allgemeine Zustimmung" erfährt 41, fehlt es bei genauer Betrachtung noch immer an einer wirklichen Akzeptanz, vor allem auch an einer sicheren dogmatischen Basis für das nachträgliche Rechtswidrigkeitsurteü. Ein sicherlich nebensächliches, dennoch aber aussagekräftiges Anzeichen für die bislang fehlende "echte" Anerkennung dieser Möglichkeit stellt die Tatsache dar, daß die Begriffe 'Verfassungswidrigwerden' und 'Rechtswidrigwerden' mit Ausnahme der amtlichen Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts bisher noch in keinem Stichwortregister, Nachschlagewerk, Fundheft oder Datenbank zu finden sind. Die Ausführungen sollten auch den zur dogmatischen Erfassung der Problematik wesentlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und den (grandrechtlich fundierten) Beseitigungs-, Leistungs- oder Schutzpflichten deutlich gemacht haben42. Diese Erkenntnis hat weitreichende Folgen nicht nur für die Anerkennung von korrespondierenden Ansprüchen der Betroffenen, sondern unter Umständen auch für die damit verbundenen Haftungsfragen bei Nichterfüllung der Ansprüche. Auf die Entstehung der Pflichten folgt nämlich ganz unabhängig von irgendwelchen Anpassungsfristen - eine objektive Pflichtverletzung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein Verschulden des Norm-
39
40 S. dazu oben § 8. Soweit ersichtlich wird diese Art der Zweistufigkeit der Prüfung ausdrücklich wohl nur vom BayVfGH durchgeführt, vgl. oben AIV (S. 389). 4 1 S. etwa die Nachw. in § 7 Fußn. 2. 4 2
S. dazu §§ 4 Ε II, 5 ΒI.
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§12 Schlußbemerkungen
gebers vorliegt43. Die eigentlich unbestreitbare Existenz derartiger Pflichten scheint aber nicht nur durch die verschiedenen Normgeber, sondern auch durch die weitaus überwiegende Zahl der Steüungnahmen in der Literatur verdrängt worden zu sein44. Anders ist auch nicht zu erklären, daß das Abwarten (verfassungs-)gerichtücher Aufforderungen zur Nachbesserung durch den Normgeber im Schrifttum nicht moniert wird. In Konsequenz dessen drängt sich die Frage auf, wie die Pflichten zur Änderung oder Aufhebung rechtswidrig gewordener Normen in der Praxis ermittelt und rechtzeitig erfüüt werden könntea Angesichts der nicht unbedeutenden Zahl mögücherweise rechtswidrig werdender Normen kann die Lösung diese Problems nicht nur im Vertrauen auf Zufallsfunde bestehea Das systematische Auffinden der insofern gefährdeten Normen kann nur durch ein festes Verfahren gesichert werdea Insofern dürften die mitunter von der Gesetzgebungslehre45 und neuerdings ganz dezidiert auch durch das Bundesverfassungsgericht* 6 geforderten "Beobachtungspflichten" des Gesetzgebers, also die Annahme einer ständigen "Kontroüpflichf 47, in die richtige Richtung gehea Fraglich ist aüerdings, ob es sich dabei auch um echte Pflichten im Rechtssinne handelt oder ob darin nicht eher bloße Obüegenheiten zu sehen sind, da mit der Pflichtverletzung keine Sanktionen verknüpft sein dürften. Keinesfalls hat eine derartige Pflichtverletzung Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der betroffenen Norm. Die Beachtung der Kontroüpflicht erscheint zur Erfüüung der zweifeüos existierenden Pflichten der Beseitigung einer Eingriffsnorm oder der Gewährung einer größeren Leistung oder eines vermehrten Schutzes eher nur sinnvoü, nicht aber zwingend, weü es insoweit wohl nur auf das Ergebnis, die Erfüüung der verfassungsrechtüch geforderten Beseitigungs-, Leistungs- oder Schutzpflichten ankommen dürfte. 4 3 S. etwa § 6 E I; unter dem Gesichtspunkt des normativen enteignungsgleichen Eingriffs wurde dies bereits durch BGHZ 90,17 (28), anerkannt 4 4 Ein besonders bezeichnendes Beispiel ist hier das Baurecht Hier wird fast durchgängig die verfassungsrechtlich garantierten Beseitigungspflicht und der korrespondierende Anspruch mit bedenklichen Hinweisen auf Regelungen wie § 2 Abs. 3 BauGB abgelehnt; s. dazu bereits § 9 E II. 4 5
Vgl. die Hinweise bei Karpen, Gesetzgebungslehre, S. 29 (47).
4 6
Vgl. das jüngste Urteil zum Schwangerschaftsabbnich v. 28.5.1993 (BVerfGE 88, 203 (309 ff.)), in dem detaillierte Angaben zu den Beobachtungspflichten hinsichüich der Wirkung von Normen (hier Schutznormen von großer Bedeutung) und den sich daraus bspw. ergebenden Folgen für die Notwendigkeit einer aussagekräftigen und zuverlässigen Statistik über Schwangerschaftsabbrüche gemacht werden (vgl. Urteilsgründe EIV 1 b). 4 7 So auch die Begrifflichkeit in BVerfGE 88, 203 (309 - E IV 1 a); s. auch den Hinweis auf eine Beobachtungspflicht in BVerfGE 90, 226 (238). Zur Kontrollpflicht in ähnlichem Gesamtzusammenhang etwa Steinberg, Der Staat 26 (1987), 161 (174); sofern dort (S. 176) allerdings aus dem Verstoß gegen diese Kontrollpflicht irgendwelche Sanktionen etwa hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Regelung abgeleitet werden sollen, kann dem angesichts der anders gelagerten Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens nicht zugestimmt werden.
Β. Fazit
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Auf die mit der Anerkennung von MKontrollpflichtenM verbundenen Fragen können hier allerdings keine abschließenden Antworten angeboten werden. Eine solche ständige Kontrolle der bestehenden Normen auf ihren Sinn und ihre tatsächliche Wirksamkeit hin, auf neudeutsch könnte dies als Gesetzesevaluierung bezeichnet werden, führte aber in jedem Fall nicht nur zu einem bewußteren Umgang des Normgebers mit seinen "Werken", sondern verhinderte in großem Umfang auch die in dieser Arbeit behandelten Probleme des Rechtswidrigwerdens. Gleichzeitig könnten das Parlament und auch sonstige Normgeber auf diese Weise dem oftmals zu Recht bedauerten Wechsel der wirklichen Entscheidungsträger (statt des Gesetzgebers vielfach die Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht) wirksam begegnen. Daneben stellte auch die zuweilen vorgesehene zeitlich begrenzte Geltung von Normen (Zeitgesetze) ein wirksames Mittel dar. Insofern kann Hans Schneider bei seiner Kritik an den Hinweisen des Bundesjustizmirtisteriums aus dem Jahre 1979 zur Frage von befristeten Gesetzen48 nur zugestimmt werden. Gerade in den Fällen, in denen der Gesetzgeber nicht weiß, ob ein Gesetz auch in Zukunft benötigt wird, sollte von der Möglichkeit der Befristung der Geltung Gebrauch gemacht werden49. Dasselbe gilt im Grunde für alle Fälle, in denen dem Gesetz Prognosen über die mögliche Wirkung der Norm oder sonstige Entwicklungen zugrunde hegen. Auf diese Weise würde ein Mechanismus entwickelt, der zur Überprüfung der Regelungen in gewissen Zeitabständen zwänge. Im Zuge des allgemeinen und vor allem des technischen Fortschritts und der zunehmenden Probleme des Normgebers im Bemühen um eine sinntragende Lenkung und Steuerung der Wirklichkeit werden viele Normen zu Experimenten Entsprechend muß auch das Bewußtsein für die zunehmende Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen wachsen Schon aufgrund seiner Aufhebungs· und Änderungspflichten darf der Normgeber nicht darauf warten, bis etwa das Bundesverfassungsgericht das Verfassungswidrigwerden einer Norm andeutet oder ankündigt Die bisherige Rechtsprechimg des Gerichts gibt dem Gesetzgeber allerdings keinen Anlaß, von sich aus die Initiative zu ergreifea Auch von daher ergeben sich Kritikpunkte gegenüber dieser Rechtsprechung. Im Ergebnis hat die zurückhaltende Rechtsprechung, die die Entscheidungsprärogative des Parlaments respektieren will, gerade die diesem Ziel ganz entgegengesetzte Folge, daß ohne verfassungsgerichtliche Klärung das Parlament (bzw. die Regierung) erst gar nicht mehr tätig wird 50. Die hier vertretene Auf48 Nach H. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr. 551, heißt es darin: "Wenn das Ende des Regelungsbedarfs zweifelhaft ist, oder wenn gar von einem Fortbestehen des Regelungsbedarfs auszugehen 49 ist, kann eine Befristung nicht empfohlen werden". S. H. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr. 551. 5 0 Darauf weist auch Steinberg, Der Staat 26 (1987), 161 (185), hin.
§ 12 Schlußbemerkungen
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fassung, nach der das Rechtswidrigwerden ohne "Vorwarnung" ausgesprochen werden muß, wenn die maßgeblichen Tatsachen zweifelsfrei feststellbar sind, trägt dem Gedanken des Vorrangs der parlamentarischen vor einer gerichtlichen Entscheidung daher im Ergebnis sogar noch eher Rechnung. Will das Parlament oder ein sonstiger Normgeber das Urteil des Verfassungswidrigwerdens einer Norm und die damit verbundene konkludente Feststellung, daß der Normgeber ζ. B. seiner Beseitigungspflicht bisher nicht nachgekommen ist51, vermeiden, so ist es zur ständigen eigenen Prüfung der bestehenden Normen gezwungen. Diesen Forderungen könnte entgegengehalten werden, daß damit der Normgeber schon angesichts seiner personeüen und sachüchen Ausstattung völüg überfordert wäre. In der Tat deuten viele Beispiele aus der Gesetzgebungspraxis auf eine solche Überforderung hin. Zu denken ist etwa an die schleppende und oftmals nicht fristgemäße Umsetzung von Richtlinien der EG, aber auch an die fehlende Erfüüung von Gesetzgebungsaufträgen oder "Anweisungen" des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung einer bestimmten Materie52. Aber auch insofern enthalten die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteü zum Schwangerschaftsabbruch vom 28.5.1993 erste wichtige Ansätze. So heißt es dort: "Die Nachbesserungspflicht schließt nicht genereü eine fortlaufende Kontroüe der Gesetze durch den Gesetzgeber ein. Vielfach aktualisiert sie sich erst dann, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes erkannt oder doch jedenfaüs deutüch erkennbar wird (...). Aus der Schutzpfücht für das Leben, die eine dauernde Verpflichtung für aüe Staatsorgane darsteüt, ergeben sich jedoch besondere Anforderungen (...). Der hohe Rang des geschützten Rechtsgutes, die Art der Gefahrdung ungeborenen Lebens und der in diesem Bereich festzustellende Wandel der geseüschafthchen Verhältnisse und Anschauungen erfordern es, daß der Gesetzgeber beobachtet, wie sich sein gesetzliches Schutzkonzept in der geseüschafthchen Wirklichkeit auswirkt (Beobachtungspfücht)."53 51 Daß damit aber nicht zwangsläufig auch ein Vorwurf verbunden sein muß, ergibt sich schon aus der häufig insoweit anzuerkennenden Anpassungsfrist bei komplexen Sachverhalten. Hier taucht damit die vom BVerfG als Kriterium für die Verfassungswidrigkeit angenommene Anpassungsfrist wieder auf (vgl. auch § 7 C VI).
Stellvertretend kann hier etwa die Fristsetzung in der Entscheidung des BVerfG vom 30.5.1990 zum Verfassungswidrigwerden der ungleichen Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (BVerfGE 82, 126; BGBl. I S. 1727) angeführt werden. Die Entscheidung ist allerdings in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen wurde durch die Verfassungswidrigerklärung des § 622 Abs. 2 BGB konkludent ein Verfassungswidrigwerden ohne Evidenz und Anpassungsfrist befürwortet. Zum anderen wurde dem Gesetzgeber ausnahmsweise sogar ausdrücklich eine Frist zur Neuregelung bis zum 30.6.1993 gesetzt. Wie zögerlich selbst in diesem Fall der (rechtlich) einfachen Neuregelung der Gesetzgeber handelt, zeigt die Tatsache, daß erst am 30.3.1993 durch das Bundesarbeitsministerium ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, vgl. dazu ζ. B. die Zeitungsberichte in der Frankfurter Rundschau v. 31.3.1993, S. 1; FAZ v. 31.3.1993, S. 15 und v. 1.4.1993, S. 15; Handelsblatt v. 31.3.1993, S. 5. Verabschiedet wurde die Neufassung am 7.10.1993 (BGBl. IS. 1668). 53
BVerfGE 88,203 (310).
Β. Fazit
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Diese Ausführungen des Gerichts dürften über die Fälle bedeutender Schutzpflichten hinaus dahingehend erweiteAar sein, daß zumindest bei sämtlichen erheblich grundrechtsrelevanten Normen (neben den Schutzpflichten auch in Fällen bedeutender Eingriffe in Grundrechtspositionen) eine derartige ständige Nachkontrolle der Wirkung der Normen geboten ist54. Auch hier soll nicht die Ansicht vertreten werden, sämtliche Normen müßten in einem sich ständig wiederholenden Verfahren wirklich kontrolliert werden. Allerdings hat der Gesetzgeber im Fall des Rechtswidrigwerdens die regelmäßig aus den Grundrechten abzuleitende verfassungsrechtliche Pflicht zur Aufhebung oder Änderung der betreffenden Norm. Will der Normgeber dieser Pflicht zur Aufhebung oder Änderung rechtzeitig nachkommen, bleibt ihm nur die Möglichkeit einer dauernden Kontrolle der für ein Rechtswidrigwerden anfälligen Normen. Wie diese Kontrolle praktisch durchgeführt wird, bleibt dabei allerdings dem Gesetzgeber überlassen. Das vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagene Verfahren dürfte nur eine Möglichkeit unter vielen darstellen. Im übrigen war es nicht die Aufgabe dieser Arbeit, Vorschläge zur Bewältigung dieser für Parlament und Regierung zweifellos nicht leichten Aufgaben zu hefern. Hier galt es, die rechtlichen und vor allem die verfassungsrechtlichen Folgen eines - auf einzelne Normen bezogenen - Mißverhältnisses von Recht und Zeit deutlich zu machen. Sicherlich muß sich die Interpretation der Verfassung auch an dem praktisch Machbaren orientieren und kann nicht Unmögliches verlangen. Jedoch ist bereits äußerst fraglich, ob das Parlament (und die Regierung) durch die hier befürwortete Obliegenheit überfordert wäre. Jedenfalls dürften diese Aufgaben bei einer angemessenen Erhöhung der personellen und sachlichen Mittel ohne weiteres zu bewältigen sein. Derartige Maßnahmen erwiesen sich im übrigen aufgrund zahlloser anderer Einsparungen zumindest als kostenneutral. Doch auch wenn man von diesen Überlegungen einmal ganz absieht, wäre der Einwand der praktischen Undurchführbarkeit nicht stichhaltig. Mit der eindeutigen Klarstellung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen wie mit der (unmittelbaren) Rechtswidrig- und meist auch Nichtigerklärung von Normen im Falle eines nachträglichen Verstoßes gegen das höherrangige Recht werden nämlich keine zusätzlichen Anforderungen an die Leistungskraft des Gesetzgebers gestellt. Mit der ständigen Kontrolle könnte der Gesetzgeber nur der (gerichtlichen) Feststellung des Rechtswidrigwerdens zuvorkommen. Andererseits wird dem Gesetzgeber durch die Anerkennung von "Kontrollpflichten" bewußt gemacht, daß er nicht erst in Ruhe die gerichtliche Aufforderung zur "Nachbesserung" abwarten kann. Die eigentlich unbestreitbar bestehenden verPraktisch sieht das Gericht hier die Möglichkeit von turnusmäßigen Berichten der Regierung an das Parlament.
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§12 Schlußbemerkungen
fassungsrechtlich garantierten Pflichten zur Aufhebung oder Änderung der Normen entstehen nicht erst durch die gerichtlichen Judikate, auch wenn die Übergänge in manchen Fällen (wie bei den Schutzflichten) aufgrund der herausragenden Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts sicherlichfließend sind. Gerade insofern können die jüngsten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Kontroüpflicht der Sache (Eikennen der Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen und der damit verbundenen verfassungsrechtüchen Pflichten zur Aufhebung oder Änderung) überaus dienüch sein. Dadurch wird die bisher weit unterschätzte Zahl rechtswidrig gewordener oder werdender Normen vieüeicht ein wenig abnehmen. Das Rechtswidrigwerden von Normen wird jedoch auch in Zukunft als eine mögliche Konsequenz des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit feststellbar und zu beachten bleiben.
Zusammenfassung L Einleitung Der beschleunigte Wandel der Verhältnisse im ausgehenden 20. Jahrhundert fuhrt zu einer Zuspitzung des Spannungsverhältnisses von Recht und Zeit Manche Normen werden durch die Veränderungen "überholt", "passen" nicht mehr angesichts gewandelter Verhältnisse. Andere Regelungen, im Zeitpunkt ihres Erlasses noch als sinnvolle Steuerungsinstrumente angesehen, erweisen sich aufgrund fortgeschrittener Kenntnisse im nachhinein als nicht ausreichend, imbrauchbar oder gar unsinnig (§ 1 A). Derartige Veränderungen werfen die Frage nach ihrer Bedeutung für die rechtliche Wirksamkeit und Anwendbarkeit der betroffenen Normen auf. Neben einem Unwirksamwerden kommt in diesen Fällen die (u. U. nur vorübergehende) Unanwendbarkeit der Norm oder auch die bloße Entstehung von Aufhebungs» oder Änderungspflichten für den Normgeber bei gleichzeitiger Fortgeltung und Anwendbarkeit der Norm in Betracht (§ 1B). Für sämtliche dieser Möglichkeiten finden sich Befürworter in Rechtsprechung und Literatur. Die behandelte Thematik wird unter diversen Begriffen diskutiert Beispielhaft sind zu nennen: Außerkrafttreten, Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit, Gegenstandsloswerden, Derogation, Ungültigwerden, Obsoletwerden, Geltungsverlust, Funktionsverlust, Rechtswidrig- und Nichtigwerden oder Unanwendbarwerden. Wie ein Gesamtüberblick der einschlägigen Stellungnahmen zeigt, werden die verschiedenen Auswirkungen hinsichtlich Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Norm ζ. T. für identische Sachverhalte befürwortet (§ 3 B, C). Die Klärung und Abgrenzung der Folgen eines Wandels der Verhältnisse muß bei den Fragen nach der Möglichkeit, den Voraussetzungen und den Wirkungen des Rechtswidrigwerdens von Normen ansetzen. Die Antworten auf diese Fragen erweisen sich als Schlüssel zur Strukturierung und Erfassung der gesamten Problematik. Nur wenn Umfang und Bedeutung des Rechtswidrigwerdens von Normen geklärt sind, kann der Frage nachgegangen werden, welche anderen Grenzen der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Normen existieren. Im Bestreben nach einer derartigen Klärung ist die Arbeit auch als Versuch zu einer in der Literatur seit langem angemahnten "Theorie der Beendigung der Gesetzesgeltung" zu verstehen (§ 3 C).
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Zusammenfassung
Π. Das Rechtswidrigwerden von Normen 1. Das Rechtswidrigwerden von Normen (wie auch das anderer Staatsakte, etwa des Verwaltungsakts) ist theoretisch auf zweierlei Weise erklärbar: Zum einen könnte sich die Feststellung, eine rechtmäßig erlassene Norm sei rechtswidrig geworden, auf die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens des Normgebers stützen, die in Widerspruch zum höherrangigen Recht geratene Regelung nicht (bzw. nicht rechtzeitig) aufgehoben oder geändert zu haben. Zum anderen könnte aUein der Widerspruch zum höherrangigen Recht - unabhängig von einem pflichtwidrigen Verhalten - die Ursache für das nachträgüche Rechtswidrigkeitsurteü über die Norm darsteüen. In diesen Alternativen kommt zugleich der Streit zweier grundlegender rechtstheoretischer Anschauungen zum Rechtswidrigkeitsbegriff zum Ausdruck, die Verhaltens- und die Zustandsunrechtslehre. Nach der ersten denkbaren Alternative zur Erklärung des Rechtswidrigwerdens steht der Rechtswidrigkeitsbegriff in einem untrennbaren Zusammenhang zur Pfüchtwidrigkeit. Rechtswidrigkeit ohne Pflichtwidrigkeit ist nach der Verhaltensunrechtslehre nicht denkbar. Die zweite Alternative, die Zustandsunrechtslehre, sieht den Rechtswidrigkeitsbegriff dagegen nicht zwangsläufig oder begriffsnotwendig mit einem pflichtwidrigen Verhalten verbunden. Nach ihr können auch Zustände (und damit auch Normen) unabhängig von einem sie etwa herbeiführenden menschlichen Verhalten in den Kategorien rechtmäßig und rechtswidrig bewertet werden. Je nach Entscheidung dieses grundsätzlich eher theoretischen Streits beantwortet sich die Frage der dogmatischen Konstruktion des Rechtswidrigwerdens. Nach hier vertretener Auffassung kommt diesem Problem der dogmatischen Herleitung des Rechtswidrigkeitsurteüs im Gegensatz zu zum Teü in der Literatur vertretenen Ansichten für das Ergebnis der Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen aber kerne letzüich entscheidende Bedeutung zu. Auch im Faü der Anerkennung der notwendigen Verbindung von Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit besteht die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen. Anzuknüpfen ist in diesem Faü an das pflichtwidrige Unterlassen der (rechtzeitigen) Aufhebung. Zwar ist das Unterlassen der Aufhebung, also die Aufrechterhaltung der Norm, nicht mit der Norm selbst und deren Rechtmäßigkeitsbeurteüung identisch. So verdeutücht ein Vergleich mit dem Paraüelproblem bei Verwaltungsakten, daß die Rechtmäßigkeitsbeurteüung eines Staatsakts nicht mit der Rechtmäßigkeitsbeurteüung der Aufrechterhaltung des Staatsakts gleichgesetzt werden kann (§§ 4 D1,5 A). Ebenso ausgeschlossen ist die Annahme, daß das Urteil des Rechtswidrigwerdens logisch aus der Feststeüung der Pflichtwidrigkeit der Aufrechterhaltung
Zusammenfassung
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folge. Der zentrale Grund dafür ist in dem bei Eingriffsnormen erkennbaren umgekehrten Verhältnis von Ursache und Wirkung zu sehen. Da Ursache der Beseitigungspflicht, gegen die bei einem pflichtwidrigen Unterlassen verstoßen wird, gerade die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ist, kann aus dem rechtswidrigen Unterlassen nicht die Rechtswidrigkeit des Staatsakts selbst folgen (§ 5 B). Die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen (und auch Verwaltungsakten) kann aber dennoch auch unter der Prämisse "Rechtswidrigkeit = Pflichtwidrigkeit" anerkannt werden. Konstruktiv möglich erscheint dies mittels einer wertenden Gleichbehandlung der Fälle des rechtswidrig erlassenen Staatsakts mit solchen Staatsakten, deren Aufrechterhaltung nachträglich rechtswidrig geworden ist. So entspricht es herkömmlicher Rechtsdogmatik, die Fälle eines positiven Tuns und eines Unterlassens (im Falle einer Rechtspflicht zum Handeln) gleich zu behandeln (§ 5 C). Der zweiten konstruktiven Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens (Rechtswidrigkeit bei Widerspruch zum höherrangigen Recht ohne notwendigerweise vorausgehendes pflichtwidriges Verhalten) steht der erhebliche Widerstand einer verbreiteten rechtstheoretischen Betrachtung des Rechtswidrigkeitsbegriffs entgegen. Aus einer Betrachtung des Verhältnisses von Rechtstheorie und Rechtsdogmatik ergibt sich allerdings, daß - zunächst rein theoretisch behandelt - selbst ein entgegenstehender rechtstheoretischer Rechtswidrigkeitsbegriff die Anerkennung eines abweichenden rechtsdogmatischen Rechtswidrigkeitsbegriffs nicht verhindern könnte, da rechtstheoretische und rechtsdogmatische Begriffe nicht zwingend übereinstimmen müssen und vor allem eine rechtstheoretische "Wahrheit" kein rechtsdogmatisches Erfordernis zu beseitigen vermag. Im übrigen zeigt die Analyse des Hintergrunds der Ansicht der Verhaltensunrechtslehre, der Rechtswidrigkeitsbegriff sei aus rechtstheoretischen Gründen ausschließlich als Beurteilung eines pflichtwidrigen Verhaltens zu verstehen, daß ein anderes Verständnis des Rechtswidrigkeitsbegriffs (im Sinne der Zustandsunrechtslehre, nach der auch Zustände und damit auch Normen als solche, losgelöst von ihrem Entstehungsakt einer unabhängigen Rechtmäßigkeitsbeurteilung zugeführt werden können) gar nicht ausgeschlossen ist. Eine rechtstheoretische "Wahrheit" in die eine oder andere Richtung konnte nicht ermittelt werden, wiewohl natürlich eine völlige Lösung des Rechtswidrigkeitsbegriffs von der Pflichtwidrigkeit menschlichen Verhaltens in jedem Fall verfehlt wäre (§ 6 C,E). Die sich angesichts der beiden Begründungsalternativen stellende Frage, ob es einer Entscheidung zwischen den Varianten bedarf, ist zu verneinen. Die Entstehung der Aufhebungs- oder Änderungspflichten fällt zwangsläufig mit dem Widerspruch des Staatsakts zum höherrangigen Recht zusammen. Die fehlende Entscheidungsnotwendigkeit über die richtigeKonstruktion des Rechtswidrig-
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werdens hängt aber vor allem damit zusammen, daß aus beiden Ansätzen keine unterschiedlichen Voraussetzungen für ein Rechtswidrigwerden abzuleiten sind. Es bedarf dazu allerdings des Hinweises, daß an die Feststellung der Pfüchtwidrigkeit der Aufrechterhaltung über die Entstehung der Aufhebungspfücht hinaus keine zusätzüchen Voraussetzungen geknüpft werden dürfen. Alle weiteren Voraussetzungen, wie etwa das zusätzüche Verstreichen einer Anpassungsfrist, sind nicht akzeptabel, weü anderenfalls das Rechtswidrigkeitsurteü an das Vorüegen von Schuldmerkmalen geknüpft würde (§ 6 EI). Im Ergebnis ist ein Staatsakt danach rechtswidrig, wenn er rechtswidrig (und damit pflichtwidrig) erlassen wurde oder im Ergebnis trotz eines rechtmäßigen Erlasses nachträglich in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten ist, und damit zugleich pflichtwidrig aufrechterhalten wurde. Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontroüe von Normen ist konsequenterweise immer zu prüfen, ob die Norm rechtmäßig erlassen wurde und auch bis zum Zeitpunkt der Prüfung nicht rechtswidrig geworden ist (§ 6 E II). 2. Bei der Beschäftigung mit den Ursachen und Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens (§ 7), also warum und wann eine Norm als rechtswidrig geworden anzusehen ist, war es sinnvoü, mit der Analyse der Rechtsprechimg des Bundesverfassungsgerichts zu beginnea Das Bundesverfassungsgericht hat sich in ständiger Rechtsprechung für die Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens einer Norm ausgesprochen und mit einer Vielzahl konkreter Faügestaltungen auseinandergesetzt. Bei den von einem Rechtswidrigwerden betroffenen Normen in der Rechtsprechungspraxis handelt es sich ausschUeßüch um Eingriffs-, Leistungs- oder Schutznormea In den Fäüen der Eingriffsnorm ist die Rechtfertigung des Eingriffs nachträgüch entfaüen, bei den Leistungs- oder Schutznormen reicht die gesetzlich gewährte Leistung oder der Schutz nicht mehr aus. Die nähere Prüfung hat diese Mögüchkeit des Rechtswidrigwerdens bestätigt. Aügemeiner läßt sich sagen, daß das Rechtswidrigwerden einer Norm die Nichterfüüung der materieüen Anforderungen des höherrangigen Rechts verlangt Wesentüche Bedeutung erlangen insoweit die verfassungsrechtüchen Verbote von Übermaß und Untermaß sowie das Gebot des Gleichmaßes. In sämtüchen untersuchten Fäüen läßt sich eine nachträgüch entstandene Divergenz zu einem dieser Prinzipien feststeüen (§ 7 CIV1). Neben den für ein Rechtswidrigwerden besonders anfälügen Eingriffs-, Leistungs· und Schutznormen können in Ausnahmefäüen aber auch andere Normen rechtswidrig werden (§ 7 CIV 4). Sofern das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung neben den genannten Voraussetzungen zusätzüch noch die Evidenz des Widerspruchs, das Verstreichen einer angemessenen Anpassungsfrist für den Normgeber oder einen längerdauernden bzw. dauerhaften Wandel der Verhältnisse fordert, kann
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einer solchen Forderung aus einer Vielzahl von Gründen nicht zugestimmt werdea Mit derartigen Kriterien ließe sich zudem nur feststellen, ob dem Normgeber ein Vorwurf bezüglich seines Unterlassens gemacht weiden kamt Derartige Kriterien sind jedoch kein Maßstab für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung einer Norm (§ 7 C VI). Im Eigebnis hat sich die Kontrolle des Rechtmäßigbleibens einer Norm vergleichbar mit der der Rechtmäßigkeit des Normerlasses erwiesea In der Regel können die Fälle des Rechtswidrigwerdens von Normen daher mit Hilfe der Frage ermittelt weiden, ob die betreffende Norm auch im Zeitpunkt der Kontrolle, also nach der möglicherweise veränderten Sachlage, nach dem materiellen Recht erneut erlassen weiden könnte, es sei denn, das höherrangige Recht wurde zwischenzeitlich ausdrücklich geändert (§ 7 C VII). In besonderen Fällen erscheint es zumindest erwägenswert, daß eine Pflicht zur Neuentscheidung des Gesetzgebers über eine Regelung entstanden sein könnte, ohne daß es zu einem Rechtswidrigwerden der Norm gekommen ist Eine solche (verfahrensrechtliche) Neuentscheidungspflicht kommt in Betracht, wenn wesentliche tatsächliche Veränderungen einer früheren gesetzgeberischen Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung (etwa bei Gefährdung bedeutender Rechtsgüter) der Norm die Grundlage entzogen haben, gleichwohl aber die Norm im Ergebnis auch bei dieser veränderten Grundlage aufrechterhalten werden kann und deshalb nicht rechtswidrig geworden ist (§ 7 D). Im Ergebnis führt das Rechtswidrigwerden einer Norm grundsätzlich auch zur Nichtigkeit der Norm ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswidrigkeit Die rechtswidrig gewordenen Normen nehmen gegenüber den von Anfang an rechtswidrigen Nonnen aber auch insofern keine Sonderstellung ein, als bei diesen zahlreiche Ausnahmen vom Nichtigkeitsgrundsatz - jedenfalls durch das Bundesverfassungsgericht - anerkannt sind. Daher kann bei einer rechtswidrig gewordenen Nonn ebenso eine Nichtigkeit ausscheiden und nur eine bloße Unvereinbarkeit festgestellt werdea In der Regel sind diese Fälle dann auch mit der befristeten weiteren Anwendbaikeit der Norm veibundea Auf diese Weise läßt sich auch das Problem bewältigen, daß entsprechend der hier vertretenen Ansicht keine Anpassungsfristen als Voraussetzungen für ein Rechtswidrigwerden anzuerkennen sind. Der eigentliche Grund, warum solche Fristen auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, hegt gerade in den möglichen Folgen eines sofortigen Eintritts der Nichtigkeit Insofern ist diesen berechtigten Bedenken durch Anwendung der anerkannten Fallgruppen des vorläufigen Verzichts auf die Nichtigkeit Rechnung zu tragen (§ 7 F).
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IIL Der Geltungswegfall 1. Eine Norm verliert ihre Wirksamkeit selbstverständlich auch in den Fällen der Aufhebung (§ 8 B). Als (konkludente) Aufhebungen nachrangiger Normen sind auch Änderungen des höherrangigen Rechts anzusehen. Insofern stellt ein Normenkonflikt, der durch Änderung der an einem Normwiderspruch beteiligten höherrangigen Norm entstanden ist, kein Rechtswidrigwerden der niederrangigen Norm, sondern vielmehr deren Aufhebung dar (§§ 8 C, 7 C V 2 b). Die Geltung von Normen kann auch durch - ausdrücldiche - Bedingungen oder Befristungen in den betreffenden Normen oder den Ermächtigungsnormen begrenzt werden. Der Annahme konkludenter Bedingungen oder Befristungen stehen dagegen Gründe der Rechtssicherheit entgegen (§ 8 D). Die Geltung einer Norm wird ebenfaüs nicht durch die gerichtüche Feststellung der Nichtigkeit der Norm begrenzt. In Konsequenz der ipso-iure-Nichtigkeit einer verfassungswidrigen Norm besitzt die gerichtüche Feststeüung nur einen deklaratorischen Gehalt (§ 8 E). 2. Über die Fäüe der Aufhebung und der befristeten oder bedingten Geltung einer Norm hinaus, ist kein Geltungswegfaü bzw. kein Unwirksamwerden einer Norm ohne Rechtswidrigwerden anzuerkennen. Insbesondere ist auch der aügemein befürwortete Geltungswegfaü bei Wegfaü des geregelten Sachverhalts oder der überwiegend anerkannte Geltungswegfaü bei einem grundlegenden Wandel des Verhältnisse abzulehnen. Sämtliche Fäüe, in denen eine Beachtung der Norm aus übergeordneten Gesichtspunkten nicht mehr hingenommen werden kann, lassen sich über die Prüfung des Rechtswidrigwerdens der betreffenden Norm bewältigen. Neben dem Rechtswidrigwerden, das durch eindeutige Kriterien dem Rechtssicherheitsprinzip Rechnung trägt, ist für einen an diffusen Kriterien orientierten Geltungswegfaü kein Raum mehr. Die Anerkennung des Geltungswegfaüs in diesen Fäüen steüt mit ihrer eigentlichen historischen Grundlage, der Rechtsregel "cessante ratione legis cessât lex ipsa" ein Relikt aus einer vorrechtsstaatlichen Zeit dar, in der die Rangordnung von Normen und die gerichtliche Normenkontroüe nicht bekannt oder anerkannt waren. In der heutigen Rechtsordnung, die eine voüständige Nichtbeachtung von Normen nur im Faü ihrer Rechtswidrigkeit akzeptiert, steüt die Annahme eines derartigen Geltungswegfalls einen Fremdkörper dar, der aufgrund der fehlenden klaren Voraussetzungen zu einem unberechenbaren Instrument in der Hand des Rechtsanwenders (insbesondere der Gerichte) werden kann. Soweit der Cessante-Regel zutreffende Gesichtspunkte zugrunde üegen, wird diesen durch die Rechtswidrigkeitskontroüe in voüem Umfang Rechnung getragen (§ 9 D).
Zusammenfassung
Für die beiden vieldiskutierten Hauptfallgruppen, die Kirchenbaulasten und die sog. funktionslos gewordenen Bebauungspläne, ist damit die Notwendigkeit einer völligen Neuorientierung verbunden. Da die Kirchenbaulasten nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen bzw. durch dieses derogiert wurden, gelten sie prinzipiell uneingeschränkt fort. Aufgrund der besonderen Situation dieser Fälle (keine einseitige Aufhebungsmöghchkeit durch einen Normgeber) sind die normativen Kichenbaulasten im Ergebnis aber so stark einer vertraglichen Kirchenbaulast verwandt, daß auch auf sie die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abzuleitende Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden ist. Im Ergebnis führt das dazu, daß die Baulastpflichtigen (vor allem die politischen Gemeinden) bei einem grundlegenden Wandel oder Wegfall der Verhältnisse, die bei der Entstehung der Pflicht vorlagen, einen Anspruch gegen die begünstigten Kirchengemeinden auf eine angemessene vertragliche Reduzierung der Baulasten haben (§ 9 EI). In den Fällen des funktionslos gewordenen Bebauungsplans ist dagegen in der Regel von einem Rechtswidrigwerden der betroffenen Festsetzung des Bebauungsplans auszugehen. Auch hier treten damit die in der Praxis eingeübten Kriterien der Rechtmäßigkeitskontrolle an die Stelle von Kriterien, die keine eindeutigen und zuverlässigen Aussagen über die Wirksamkeit einer Festsetzung liefern können. Aufgrund der aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bestreitbaren Möglichkeit der Entstehung von Aufhebungspflichten und damit korrespondierenden Ansprüchen und der daraus folgenden Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens muß gerade im Baurecht eine erhebliche Umorientierung stattfinden. Im Gegensatz zu allen anderen Rechtsgebieten wird hier durch die h. M. die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens - bei einer dem eigentlich widersprechenden gleichzeitigen Anerkennung der Möglichkeit des Funktionsloswerdens - nicht einmal gesehen und in Erwägung gezogen. Die hier vorherrschende Auffassung, der für eine Rechtmäßigkeitskontrolle eines Bebauungsplans maßgebende Beurteilungszeitpunkt (§ 4 B) sei die Beschlußfassung (oder möglicherweise die Verkündung), läßt jegliche Beachtung der durch das Bundesverfassungsgericht anerkannten, völlig unstreitigen Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen vermissen (§ 9 E II).
IV« Das Unanwendbarwerden und die bloße Aufhebungspflicht l.Das vielfach anerkannte Unanwendbarwerden von Normen ist nur aufgrund eines Rechtswidrigwerdens und in den Ausnahmefallen anzunehmen, in denen die rechtswidrig gewordene Norm nicht auch als nichtig anzusehen ist
(§ 10).
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Zusammenfassung
2. Dasselbe gilt auch für die Entstehung von Aufhebungs- oder Änderungspflichten bei gleichzeitiger Wirksamkeit oder Anwendbarkeit der Norm (§11).
V. Schhiß Die sich aus der Anerkennung der Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Normen ergebenden Konsequenzen für den Normgeber (ständige Kontrolle mögücherweise betroffener Normen) steüen keine unerfüllbaren Anforderungen dar. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat Kontroü- und Beobachtungspflichten (zumindest in besonderen Fäüen) anerkannt Die aügemeine Anerkennung und Kenntnis der Mögüchkeit und der Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens von Normen erscheint nicht nur rechtsdogmatisch zwingend, sondern birgt auch die Chance, daß sich die Normgeber auf diesem Gebiet wieder mehr von ihrer derzeitigen passiven Roüe (Abwarten bis zu einer gerichtüchen Feststeüung einer Nachbesserungspflicht) lösen und die ihnen zukommende Führungsroüe für die Entwicklung des Gemeinwesens stärker wahrnehmen (§ 12 B).
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Sachregister Abwägungsgebot 385 Abwehrrecht 215,254,363 Anpassungsspielraum, zeitlicher 23, 189,205 f., 238 Anpassungspflicht, Aufhebungspflicht 35,247, 380,382 f., 394ff. (s. auch Beseitigungspflicht, Gesetzgeber) Anpassungsfrist 196, 231 f., 235, 238ff, 270 f. Anwendbarkeit 43,380 ff Appellentscheidung 198ff, 260 Aufhebung 223ff, 272 ff. Aufrechteihaltung, pflichtwidrige 91 ff. Außerkrafttreten (s. auch Geltungswegfall) - Begriff42 ff, 46 - ohne Unwirksam- o. Unanwendbarwerden, mögliche Fälle 50 ff - bei Veränderung der Verhältnisse 291ff, 299ff, 333,342ff, 386 Baulast, s. Kirchenbaulast Beaibeitungszeit, angemessene 246, 248 Bebauungsplan - funktionslos geworden 30 f., 32, 288,292,297 f., 324,340 ff, 385 f. - Voraussetzungen des Rechtswidrigwerdens 368 ff,385 Bedingung 279ff, 289,312 Befristung 279 ff. Beseitigungspflicht, -anspruch 81 ff, 85 ff, 203 f., 232, 242 ff, 247 f, 361,362 f., 366,380,382 f., 394 ff. - Verhältnis zur Unterlassungspflicht 83 ff.
- Inhalt 86 f. - zeitlich begrenzte Reichweite 87 f. Bestandskraft, Verwaltungsakt 229 f. Bestimmungssatz, Lehre vom 130 f., 139 f., 169 f. Bewertungsnorm 139 f., 169 f., 171 f. Bindings Normentheorie 133,162 ff. Bundesrecht bricht Landesrecht 224 f., 275 ff. Bundesverfassungsgericht, näher gewürdigte Entscheidungen - Fluglärm (E 56, 54ff.) 57, 62, 64, 185,193 f, 196, 201,202 f., 232 f., 235,238,240 f., 259,269 ff. - Kalkar (E 49,89ff.) 51,182,194 f., 201 f., 257ff, 269 - KleingartenpachtG (E 52,1ff.) 221, 360,365 - Rechtsanwaltsgebühren (E 83,1ff ) 57,64,187 f., 225 f, 232,238,243, 261 ff. - Ruhegehalt (E 8, Iff.) 57, 62, 192 f., 212 f., 237,266 f., 383 - Schwangerschaftsabbruch (E 88, 203ff.) 57, 63, 182, 186, 201, 202, 203, 205, 209, 215, 232, 247, 368, 394,396 - Wahlkreiseinteilung (E 16, 130 ff.) 57, 81, 182, 188 ff, 195, 199, 202, 213,232 f, 251 f,263f. - Werkfemverkehr (E 16, 147ff) 57, 81, 97, 190 ff, 196, 199, 202, 241 f, 252,264 f. cessante ratione legis cessât lex ipsa 48 f, 291,312 ff, 332 f, 378
Sachregister
clausula rebus sie stantibus 107,289 f, 310 f., 327,335 ff., 339 f. Daueiregelung 209 f., 212,218,255 Dauerwirkung, Verwaltungsakt 66,68, 73 Derogation 221 f., 223 ff., 272 ff. - formelle (s. Aufhebung) - materielle 167,274 ff. Eingriffsnonn 57, 81 f., 94 ff., 183 ff., 214 ff., 253,365,382 f. - Beispiele 187 f., 188 ff., 190 ff., 201 ff., 207,210 Erfolgsunrecht 101 ff. Erlaß voigang 210 f. Erlaubnis 140,145 ff, 150 f. Ermächtigung 140 f, 148 ff. Evidenz des (Verfassungs-)Rechtsverstoßes bzw. des Widerspruchs zum höherrangigen Recht 56, 196, 208 f., 233 ff. Experimentiergesetze 23 Fehlprognose - Begriff 206 - mit Rationalitätsdefizit 206 - nachträglich erkennbare 57, 183, 191,194 f, 205 ff. Folgenbeseitigungsanspruch (s. auch Beseitigungspflicht/-anspruch) 89, 203 f. Freistellung 140,145 ff. Frist (s. Anpassungsfrist) Funktionslosigkeit, Funktionsloswerden (s. auch Bebauungsplan) 42, 297 f., 340 ff. Funktionsverlust 42,45 Gegenstandsloswerden 42, 45, 293 ff, 299 ff, 310,372
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Geltung 43 fT. Geltungsgrenzen von Nonnen - reguläre 272 fT. - außergewöhnliche 287 ff. Geltungsverlust 42,45 Geltungswegfall - mögliche Fälle 50 ff, 272 ff, 287ff, 293 ff. - als Ursache für Unwirksam- o. Unanwendbarwerden 50 ff. - Begriff43 ff. Geschäftsgrundlage, Wegfall der (s. dort) Gesetz (s. Norm) Gesetzgeber - Beobachtungs- o. Kontrollpflicht 76,367 f. - Einschätzungsprärogative 214, 372, 381 - Nachbesserungspflicht 201 ff. - Nachhinken, Hinterherhinken 23 - Neuentscheidungspflicht 256 ff. - Prognoseentscheidungen 202 f, 205 ff. Gesetzgebungsauftrag 198 Gesetzgebungslehre 394 Gewohnheitsrecht 277ff, 328 Gleichheit im Unrecht 344,347 ff Handlungsunrechtslehre 101 ff. Herkommen 289,328,335,339 f, 388 Imperativentheorien 126 ff, 137 ff. Interessentheorie 156 ff Kenntnisfortschritt 226 ff. Kirchenbaulast 31, 296 f, 327 ff, 341, 348 f. Kombinationstheorie 156 ff. KontroUpflicht 367 f„ 394 ff.
430
Sachregister
Leistungsnorm, -pflicht 57, 96 f, 183 ff, 192, 205, 207, 210, 214 ff, 242,251,383 maßgeblicher Zeitpunkt 65 ff, 364 f, 367 f. Maßnahmegesetz 216 f. Nachbessemngspflicht (s. auch Aufhebungs- u. Ändeningspflicht, Beseitigungspflicht) 194 f, 201 ff, 240, 259,394 ff. Neuentscheidungspflicht des Normgebers 256 ff. Nichtigwerden 42, 240 f, 242 ff, 268 ff. Noch-Verfassungsmäßigkeit 198 f, 200 ff. Norm - Begriff 41 - Dynamik 24 ff. - Statik 24 ff. - mit Drittwirkung 185 normative Kraft des Faktischen 288, 310 f, 327,330 f, 337,341 Nonnenkontrolle - als Argument für ein Rechtswidrigwerden 78 ff - Ait der s bei Anerkennung des Rechtswidrigwerdens 178 f. Observanz 328,335,340 Obsoletwerden 42, 45 f, 293 ff, 334, 337,341 Pflicht (s. Recht und Pflicht Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit) Polizeiverordnung 281,283,326 Prognoseentscheidungen 202 f, 205ff, 220,227 f, 237,241,242
Rangordnung der Rechtsquellen ( s. auch Stufenbau) 311 Recht, subjektives 155 ff. Recht und Pflicht 155 ff. Recht und Zeit 21 Rechtmäßigwerden 37 f, 175 f. Rechtsänderungen 221 ff. Rechtsauffassungsänderungen 228 ff. Rechtsmacht (s. Kombinationstheorie) Rechtsprechungsänderung 57, 183, 228 ff. Rechtsreflex 159 Rechtsschutz 39,376 f. Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit 75ff, 91ff, 131ff, 161 ff. - Annahme der Identität 91 ff. - Annahme der logischen Folge 93 ff - wertende Gleichbehandlung 98 ff. Rechtswidrigkeitsbegriff 115 ff. Rechtswidrigwerden - als begriffliches Problem 61 ff, 69 ff. - als Ursache für Unwirksam- o. Unanwendbarwerden 36 f, 380 ff. - Anknüpfungspunkte 75 f. - Begriff 46 - ex nunc 179,269 - grundsätzliche Möglichkeit allein aufgrund eines nachträglichen Widerspruchs zum höherrangigen Recht 115 ff. - Fallgruppen, mögliche Fälle 55 ff, 183 - und Anpassungsfrist (s. dort) - und Eingriffsnorm (s. dort) - und Evidenz (s. dort) - und Gleichmaßgebot 214 ff. - und Leistungs-ZSchutznorm (s. dort) - und Nichtigwerden 240 f, 242 ff, 269 ff. - und noch verfassungsgemäße Norm 200 f.
Sachregister
-
und Rechtssicherheit 244 ff. und Obermaßverbot 214 ff. und Untermaßverbot 214 ff. und Verschulden 234 ff. Voraussetzungen (Ergebnis) 255 f. Wegfall der Eingriffsrechtfertigung 216 f.
Schutznorm 57, 183 ff, 193 f, 194 f, 205,207 f, 210,214ff, 382 Schutzpflicht 22 ff, 185 ff, 242, 253, 258 f. Selbstbindung der Verwaltung 349 f. Stufenbau der Rechtsordnung 134, 166 ff teleologische Reduktion 313 f, 315, 316 f. Treu und Glauben 290, 323, 335, 339, 388 Unanwendbarwerden 35, 42 f, 270, 370ff, 382 f. - mögliche Fälle 48 ff. Unrechtslehren 101 ff. Unterlassen 193, 196, 217 f, 233 f, 254 f. - als Anknüpfung für Rechtswidrigwerden 75ff, 91 ff. Unterlassungspflicht/-anspruch 82 ff. unvordenkliche Verjährung 328, 339, 391 Unwirksamwerden 35, 43, 370, 382, 392 f. Verfassungswidrigwerden (s. auch Rechtswidrigwerden) - Begriff 46 Verhältnisse (s. Wandel) Verhaltensunrechtslehre 101,170 Verwaltungsakt
431
- maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteüung der Rechtmäßigkeit 65 ff. - Rechtswidrigwerden als begriffliches Problem 61ff, 69 ff. • Einwände gegen Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens 99 ff. Verwerfungskompetenz, behördliche 346,354 Vorwurf gegenüber Gesetzgeber 234ff, 238 f, 254 Wandel (Veränderungen) der Verhältnisse - Änderung des Kenntnisstandes 226 ff. - Arten 221 ff. - Bezeichnungen der Auswirkungen 42 - Dauerhaftigkeit 208,251 ff. - denkbare Auswirkungen auf Normen 25 f, 35 f, 48 ff. - Geltungswegfall 308 ff. - Rechtsänderung 221 ff. - Rechtsauffassungsänderung 228 ff. - Rechtsprechungsänderung 228 ff. Wegfall - der Ermächtigungsgrundlage 211, 295 f, 324 f. - der Geschäftsgrundlage 289 f, 309ff, 327,335 f, 339 f, 388 - des geregelten Sachverhalts 293 ff, 298ff, 331 f, 343,347 f. - des Normanlasses oder -motivs 295,312 f. - des Normgebers 296,325 f. - des Normzwecks 290 f, 295, 306, 309,312 ff. Wiederaufgreifen 229 f. Willenstheorie 156 f. Wirksamkeit 43 Wirksamwerden 37 f.
432
Sachregister
Zweck, Wegfall des (s. Wegfall des Normzwecks)
Zustandsunrecht 101, 116 ff, 170 f., 177 Zustand, rechtswidriger 177