Verbraucherschutz durch Transparenz?: Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Studie zur Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der beim Lebensmittel-Einzelhandel durchgeführten Lebensmittelkontrollen [1 ed.] 9783428550777, 9783428150779

Von 2007 bis 2014 wurden in verschiedenen deutschen Städten die Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen durch staatl

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 9783428550777, 9783428150779

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1336

Verbraucherschutz durch Transparenz? Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Studie zur Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der beim Lebensmittel-Einzelhandel durchgeführten Lebensmittelkontrollen

Von

Sophia Elena Abbé

Duncker & Humblot · Berlin

SOPHIA ELENA ABBÉ

Verbraucherschutz durch Transparenz?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1336

Verbraucherschutz durch Transparenz? Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Studie zur Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der beim Lebensmittel-Einzelhandel durchgeführten Lebensmittelkontrollen

Von

Sophia Elena Abbé

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15077-9 (Print) ISBN 978-3-428-55077-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85077-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im April 2015 eingereicht. Die bis dahin ergangene Rechtsprechung und Literatur wurde umfassend berücksichtigt. Vor Drucklegung wurden bis Mitte 2016 wesentliche Änderungen nachgetragen. Für die gute Betreuung des Dissertationsvorhabens danke ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Helge Sodan, für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Markus Heintzen. Die Voraussetzungen, um eine solche Arbeit überhaupt beginnen zu können, verdanke ich meinen Eltern Martina und Horst Abbé, die mich stets gefördert haben, sowie meiner Schwester Katharina Isabel, die mir jederzeit mit guten Ratschlägen zur Seite stand. Die Kraft, auch schwierige Schreibphasen zu überwinden, gab mir mein Mann Manuel, der für juristische – aber auch für alle anderen – Fragestellungen stets ein offenes Ohr hatte. Berlin, den 30. September 2016

Sophia Elena Abbé

Inhaltsübersicht Erstes Kapitel:

Verbraucherschutz durch Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Zweites Kapitel: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen . . 60 Drittes Kapitel: Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Viertes Kapitel: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Fünftes Kapitel: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Sechstes Kapitel: Anforderungen an ein verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Siebtes Kapitel: Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Zusammenfassung in Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel

Verbraucherschutz durch Transparenz 

19

A. Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Entwicklung des Transparenzgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Bedeutungsgewinn staatlicher Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Aufgabenverlagerung und Beeinflussung staatlicher Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Handlungsverlagerung zu weichen Steuerungsformen . . . . . . . . . . . . 30 3. Wandel zur Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Verbraucherschutz – ein Prinzip von Verfassungsrang? . . . . . . . . . . . . . 39 1. Herleitung aus dem Schutz für die körperliche Unversehrtheit und das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Herleitung aus der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Herleitung aus der Meinungs- und Informationsfreiheit . . . . . . . . . . 43 4. Herleitung aus dem Sozialstaatsprinzip als dem Recht der strukturell Schwächeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5. Herleitung aus dem Grundgesetz allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Verbraucherschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Funktionsfähigkeit von Verbraucherschutz durch Information . . . . . . . . 51 1. Das Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Vor- und Nachteile von Steuerung durch Information . . . . . . . . . . . . 53 E. Zusammenfassung zu Verbraucherschutz durch Transparenz . . . . . . . . . . . . . 58 Zweites Kapitel

Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen 

60

A. Amtliche Lebensmittelkontrollen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 B. Veröffentlichung der Ergebnisseamtlicher Lebensmittelkontrollen  . . . . . . . 63 I. Veröffentlichungsmodell in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Veröffentlichungsmodelle in Zwickau (Sachsen) und Offenbach (Hessen)  68

10 Inhaltsverzeichnis III. Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Modell des Berliner Bezirks Pankow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Berliner Transparenzmodell „Sicher essen“ und weitere Bezirksmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Veröffentlichungsüberlegungen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 V. Veröffentlichungsmodell des § 40 I a LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Drittes Kapitel Grundrechtseingriff 

77

A. Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Die Berufsfreiheit des Art. 12 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Besonderheit bei Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Berufsregelnde Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Ergebnis zur Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Art. 14 I 1 GG direkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . 92 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Strukturmerkmale des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als bloße Gewinnerwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Gefahr einer Schutzlücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Sinn und Zweck des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 f) Überstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 g) Ergebnis zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ergebnis zur Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Abgrenzung von Eigentums- und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Zwischenergebnis zur Eröffnung der Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Faktischer Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Übliche Merkmale des faktischen Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Subjektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Objektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Veröffentlichung der amtlichen Lebensmittelkontrollergebnisse als faktischer Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 C. Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG . . . . . . . . . . 138 I. Erstveröffentlichung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Inhaltsverzeichnis11 II. Risikobasierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Kurzfristige Nachkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 IV. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 V. Verhältnis zwischen Art. 3 I GG und den Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . 141 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Viertes Kapitel

Existenz einer Ermächtigungsgrundlage 

143

A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Handlungsform Warnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Begrifflichkeiten des Kommunikationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Schwäche der kommunikationsrechtlichen Begrifflichkeiten . . . . . . . 149 3. Lenkungswirkung der Veröffentlichung von Lebensmittelkontroll­ ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Gubernatives Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Rechtsprechung zu administrativem Informationshandeln . . . . . . . . . 153 2. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu gubernativem Handeln auf das der Administrative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Ansichten in der Literatur zu administrativem Informationshandeln  . 162 III. Zwischenergebnis zur Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung  . . . 164 B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Art. 10 BasisVO oder Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Sperrwirkung des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 und des Art. 10 BasisVO  . 168 1. Argumente für die Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Argumente gegen die Sperrwirkung von Art. 10 BasisVO . . . . . . . . 171 3. Entscheidung des EuGH zur Sperrwirkung des Art. 10 BasisVO . . . 172 4. Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 als Beschränkungsgründe . . . . . . . 173 III. § 40 LFGB als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. § 40 I 1 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. § 40 I 2 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. § 40 I a LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Produktbezogenheit des § 40 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. § 6 I 3 Hs. 1 VIG als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Daten, zu denen Zugang zu gewähren ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Anwendbarkeit des § 6 I 3 VIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Ausschluss- und Beschränkungsgründe des § 3 VIG . . . . . . . . . . . . . 191 a) § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG – Laufende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 191 (1) Verfassungsmäßigkeit der Rückausnahme bei unzulässigen Abweichungen vom Lebensmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

12 Inhaltsverzeichnis (2) Dauer des Veröffentlichungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (3) Sonderproblem Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) § 3 S. 1 Nr. 2 VIG – Der Information entgegenstehende private Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Ergebnis zu den Ausschlussgründen des § 3 VIG . . . . . . . . . . . . . 198 4. Zusammenfassung zu § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage . . . . 198 V. Polizeirechtliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . 199 VI. Ergebnis zur Frage der Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Fünftes Kapitel

Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung 

200

A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte . . . . . . . . . 201 I. Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen durch Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Klassische Maßnahmen als milderes Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Andere Ausgestaltung der Information als milderes Mittel . . . . . . . . 210 a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Veröffentlichungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Argumente für das Überwiegen des Unternehmerschutzes . . . . . . . . 221 2. Argumente für das Überwiegen des Verbraucherschutzes . . . . . . . . . 223 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Erstveröffentlichung nicht gleichzeitig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Risikobasierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Kurzfristige Nachkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IV. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Inhaltsverzeichnis13 Sechstes Kapitel Anforderungen an ein verfassungskonformes ­ Veröffentlichungsmodell 

231

A. Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Zuständigkeit für die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage . . . . . . 232 II. Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Zitiergebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren . . . . . . . . . . . 243 I. Die Veröffentlichung als Verwaltungsakt oder Realakt . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Konkludenter Verwaltungsakt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Zwischenergebnis zum Vorliegen eines Verwaltungsaktes . . . . . . . . . 248 3. Abwägung zwischen Verwaltungs- und Realakt . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Möglicher Klageweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 IV. Zwischenergebnis zum Grundrechtsschutz durch Verfahren . . . . . . . . . . 256 Siebtes Kapitel Fazit 

258

Zusammenfassung in Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Abkürzungsverzeichnis A. A.; a. A. andere Ansicht ABl. Amtsblatt a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung, alter Fassung AfP Archiv für Presserecht (Zeitschrift) AllgVerwR Allgemeines Verwaltungsrecht Anm. Anmerkung AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Art. Artikel ASOG Bln Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin Aufl. Auflage AVV Rüb Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung Az. Aktenzeichen AZG Bln Allgemeines Zuständigkeitsgesetz des Landes Berlin BaWü Baden-Württemberg Bay Bayern BayAGVwGO Bayerisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck Onlinekommentar BeckRS Beck Rechtssache, abrufbar unter www.beckonline.de Begr. Begründer Beschl. Beschluss BesVerwR Besonderes Verwaltungsrecht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHZ Bundesgerichtshof in Zivilsachen BLJ Bucerius Law Journal (Zeitschrift, abrufbar unter www.lawjournal.de)

Abkürzungsverzeichnis15 BLL Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BR-Drs. Bundesratsdrucksache BReg Bundesregierung BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in der amtlichen Sammlung BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in der amtlichen Sammlung BVV Bezirksverordnetenversammlung bzw. Beziehungsweise CR Computer und Recht (Zeitschrift) d. h. das heißt DÖV Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DRiZ Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Drs. Drucksache Dt. deutsch, deutsche, Deutschland DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) e. V. eingetragener Verein EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union EUGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) ff. folgende FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift GastG Gaststättengesetz GewArch Gewerbearchiv (Zeitschrift) GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber Gk Grundkurs

16 Abkürzungsverzeichnis GKV gesetzliche Krankenversicherung GR Grundrechte GRCh Grundrechtecharta der Europäischen Union GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil HACCP Hazard Analysis and Critical Control Points HdBStR Handbuch des Staatsrechts h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. d. S. in diesem Sinne i. E. im Ergebnis IFG Informationsfreiheitsgesetz i. R. d. im Rahmen des i. V. m. in Verbindung mit JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ JuristenZeitung (Zeitschrift) K u. R Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kap  Kapitel KJ Kritische Justiz KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung (Zeitschrift) LFGB Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch lit Litera, Buchstabe LMRR Lebensmittelrecht Rechtsprechung (Zeitschrift) LMuR Lebensmittel&Recht (Zeitschrift) LOG NRW Landesorganisationsgesetz NRW Lts. Leitsatz m. w. N. mit weiteren Nachweisen NATO North Atlantic Treaty Organization Nds. Niedersachsen NdsAGVwGO Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NRW JustG Justizgesetz Nordrhein-Westfalen NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

Abkürzungsverzeichnis17 NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz ProdSG Produktsicherheitsgesetz recht.

Recht. Die Zeitschrift für europäisches Lebensmittelrecht (Zeitschrift)

RGZ

Reichsgericht in Zivilsachen

Rheinl.-Pfalz Rheinland-Pfalz Rn. Randnummer S.

Seite, Satz

Slg. Sammlung sog.

sogenannte

StaatsR Staatsrecht StoffR

Stoffrecht (Zeitschrift)

StPO Strafprozessordnung StraFo

Strafverteidiger Forum (Zeitschrift)

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

TOP Tagesordnungspunkt u. Ä.

und Ähnliches

Unterabs. Unterabsatz Urt. Urteil v.

von, vom

VA Verwaltungsakt VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof Vgl. Vergleiche VIG Verbraucherinformationsgesetz VO (EG)

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates

Vol. Volume Vorb. Vorbemerkung VuR

Verbraucher und Recht (Zeitschrift)

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Zeitschrift)

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

WTO

World Trade Organization

18 Abkürzungsverzeichnis WuR Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht (Zeitschrift) z. B. zum Beispiel ZD Zeitschrift für Datenschutz ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff Ziffer ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZP Zusatzprotokoll ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZustKat Ord Bln Zuständigkeitskatalog Ordnungsaufgaben des Landes Berlin ZustVOVS NRW Zuständigkeitsverordnung Verbraucherschutz NRW

Erstes Kapitel

Verbraucherschutz durch Transparenz A. Einführung Verbraucherschutz durch Transparenz ist eine Formel mit Zukunft. Denn Verbraucherschutz wird durch die Unübersichtlichkeit des globalen und komplexen heutigen Marktes immer wichtiger. Dem Staat wird dabei eine wachsende Schutzpflicht zugeschrieben, die ihn zu immer mehr Verbraucherschutz treibt. Grob unterteilt gibt es dabei zwei Wege, um Verbraucherschutz zu erreichen: Einerseits staatliche Normierungen, die konkrete Anforderungen an Unternehmer stellen und damit durch den direkten Zwang der Unternehmer den Schutz der Verbraucher bewirken. Auf der anderen Seite kann den Verbrauchern die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst zu informieren, dadurch bewusste Entscheidungen treffen zu können und so indirekten Druck auf Unternehmer auszuüben. Dieser Druck kann zu rechtskonformem oder sogar zu ethisch korrektem Verhalten anregen. Solche indirekte staatliche Steuerung durch Information gewinnt derzeit an Bedeutung, da sie mehrere positive Effekte miteinander verbindet: Sie führt nicht zu einer noch weiter ansteigenden „Gesetzesflut“, kann in Ermangelung des Zwangsmoments zu erhöhter Akzeptanz führen und im Ergebnis gute Wirkungen erzielen. Daher gibt es immer mehr Ansätze zu Verbraucherschutz durch Information und damit zu Verbraucherschutz durch Transparenz, die allerdings auch sehr verschieden sind: von der Veröffentlichung von Prüfberichten der Heimaufsicht („Pflege-TÜVs“) über das Versicherungsvermittlerregister bis hin zu Portalen wie „lebensmittelklarheit.de“ und Tankstellen-Apps. Differenziert werden kann dabei zwischen jenen Informationsmöglichkeiten, bei denen der Staat als Informant nur mittelbar wirkt, etwa durch staatliche Finanzierung (Bsp. „Lebensmittelklarheit.de“) oder durch die Verpflichtung Privater, bestimmte Informationen zu übermitteln (Bsp. Tankstellen-App).1 Auf der anderen Seite stehen die Informationen, die der Staat abgibt, wie etwa in den Fällen des Pflege-TÜVs, des Versicherungs1  Ein sehr guter graphischer Überblick zu den genannten Beispielen aktuellen staatlichen Informationshandelns findet sich bei: Martini/Kühl, DÖV 2013, 573 (582).

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

vermittlerregisters nach § 11 a GewO oder der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung. An den vielen neuen Informationsinitiativen wird deutlich, dass Information als Instrument zur Transparenzschaffung, aber auch als modernes Steuerungsinstrument, nicht mehr hinwegzudenken ist. Verbraucherinformation trägt dabei zu Vertrauen in die Politik bei und ist damit eine „tragende Säule unseres Staatswesens“2. Zudem entspricht dies auch der gesellschaftlichen Entwicklung zur Informationsgesellschaft und dem politisch proklamierten Leitbild des „mündigen Verbrauchers“3. Dennoch gibt es auch Kritik an der wachsenden staatlichen Steuerung durch Information. Denn Information ist keineswegs so grundrechtsneutral, wie es dieser „sym­ pa­ thisch“4 und ungefährlich klingende Begriff nahelegt. Vielmehr kann Information mittelbar sogar zu besonders starken Beeinträchtigungen von Grundrechten bei den Unternehmern führen, deren Daten bei der Informationsabgabe veröffentlicht werden. Außerdem bedeutet mehr Information nicht unbedingt mehr Wissen und Handlungsbewusstsein, denn zu viele Informationen überfordern.5 Zudem ist Steuerung durch Information ungewiss. Im Gegensatz zu klassischen Maßnahmen funktioniert sie nur durch die Rezeption der Öffentlichkeit und die dadurch möglicherweise entstehenden mittelbaren Auswirkungen.6 Zu diesen Wirkungsmöglichkeiten staatlicher Information kommt hinzu, dass Schutzmöglichkeiten dagegen gering sind: Denn erstens bleibt Information, sobald sie einmal in der Welt ist, unwiderruflich in den Köpfen der Rezipienten. Zweitens wirkt einstweiliger Rechtsschutz gegen die Information, da in der Regel kein Verwaltungsakt vorliegt, nicht aufschiebend. Zum Dritten ist unklar, ob Information überhaupt ein Grundrechtseingriff ist. Man denke dafür nur an die Glykolwein-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die davon ausging, dass die Information über glykolhaltige Weine die Berufsfreiheit der betroffenen Hersteller nicht einmal beeinträchtige7. Der „Trend“, den Verbraucherschutz durch Information weiter auszubauen, ist jedoch politisch gewollt und nicht aufzuhalten.8 Denn grundsätzlich ist Verbraucherpolitik eben Politik und nicht die Entscheidung von juristi2  Frenz,

ZG 2002, 226 (227). 16/1408, S. 1. 4  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 5  Martell, in: FS für Horst, S. 19 (24), der sich dafür auf ausländische Statistiken beruft. Wustmann, BayVBl 2009, 5 (11), der dies mittlerweile auch für die Masse an bestehenden Informationszugangsansprüchen annimmt. 6  Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (4). 7  BVerfGE 105, 252 (265 ff.). 8  Vgl. Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 3  BT-Drs.



A. Einführung21

scher Literatur und Rechtsprechung.9 Daher muss das Recht sich fragen, wie es mit der staatlichen Steuerung durch Informationen umgehen will: Essentielle Punkte sind dabei die Eröffnung grundrechtlichen Schutzes, die Verhältnismäßigkeit und die verfahrensrechtliche Absicherung10. Dies kann natürlich nicht einheitlich für alle informationsrechtlichen Maßnahmen beurteilt werden. Daher wird hier lediglich ein sehr aktueller Bereich der staatlichen Information herausgegriffen: Die Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse von Lebensmittel abgebenden Betrieben. Damit geht es um Information im Lebensmittelrecht als besonderem Ordnungsrecht, dessen ganzes Wesen auf den Schutz von Verbrauchern und insbesondere deren Gesundheit ausgerichtet ist11. Seit 2007 gibt es in einigen Bundesländern Initiativen zur Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen. Gegenstand dieser Kontrollen sind die Betriebshygiene, die Verlässlichkeit der betrieblichen Eigenkon­ trollen und das bisherige Verhalten des Unternehmers, etwa die Durchführung von Mitarbeiterschulungen. Zunächst wurden lediglich positiv bewertete Betriebe durch entsprechende Auszeichnungen besonders hervorgehoben. Mittlerweile wird eher dazu tendiert, gute sowie schlechte Lebensmittelkontrollergebnisse umfassend im Internet zu veröffentlichen. Vorreiter der Veröffentlichung auch negativer Ergebnisse war im Frühjahr 2009 der Berliner Bezirk Pankow, der mit seiner sogenannten „Ekelliste“, die zusätzlich zu den Kontrollergebnissen mit Fotos zur Dokumentation der Unreinheiten versehen war, mediales Aufsehen erregte.12 Mehrere Berliner Bezirke folgten dem Beispiel der Veröffentlichung positiver und negativer Kontrollergebnisse, für kurze Zeit gab es zudem ein berlinweites Veröffentlichungsmodell. Sämtliche Berliner Veröffentlichungsformen unterlagen jedoch in gerichtlichen Auseinandersetzungen den klagenden Unternehmern. Aktuell abrufbar ist eine Veröffentlichung positver und negativer Lebensmittelkontrollergebnisse im Juni 2016 nur noch in Bielefeld und Duisburg im Rahmen eines Pilotprojekts. Die Informationsveröffentlichung erfolgt dort jedoch nicht unmittelbar durch eine staatliche Stelle, sondern durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, sodass insoweit andere rechtliche Anforderungen gelten13. Zudem sind im März 2015 auch gegen 9  Hahn,

in: FS für Horst, S. 1 (10). letzten beiden nennt auch Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 11  Demme, Lebensmittelrecht, S. 3. 12  Siehe Berichte im Internet und im Fernsehen: http://www.bz-berlin.de/bezirk/ pankow/pankows-schmutz-restaurants-article384821.html; http://www.tagesspiegel. de/berlin/gastronomie-pankower-ekelliste-jetzt-mit-fotos/1506336.html; http://www. stern.de/tv/sterntv/lebensmittelkontrollen-ekel-liste-stellt-restaurants-an-pranger-6574 60.html (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 13  Dazu ausführlich unten unter Kap. 2, B. I.; Kap. 3 B. II. 10  Die

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

dieses Projekt verwaltungsgerichtliche Urteile ergangen, die die Weitergabe der Betriebsbewertungen an die Verbraucherzentrale als rechtswidrig bewerten.14 Auf Bundesebene wurde 2009 von der Verbraucherschutzministerkonferenz ein bundesweites Veröffentlichungsmodell für Lebensmittelkontroll­ ergebnisse unter den Schlagworten „Kontrollbarometer“ / „Hygieneampel“ beschlossen, welches jedoch am Veto der Wirtschaftsministerkonferenz15 vorerst wieder gescheitert ist. Dennoch wird weiter an landes- und bundesweiten Veröffentlichungsmodellen gearbeitet16 sowie an deren europarechtlichen Grundlagen17. Als Vorbild wird überraschenderweise oft Dänemark herangezogen18, das landesweit seit 2001 Hygienekontrollergebnisse veröffentlicht. Dabei gibt es auch in anderen Ländern, vorneweg den USA, solche Veröffentlichungen. So gibt es beispielsweise in Los Angeles schon seit 15 Jahren Aushänge an Restaurants über deren Ergebnisse bei amtlichen Lebensmittelkontrollen und seit dem Erfolg des Internets auch viele Informationsportale zu Hygienekontrollergebnissen einzelner Orte oder ganzer Bundesstaaten im Internet. Ebenso gibt es Veröffentlichungen von Hygienekontrollergebnissen lebensmittelverarbeitender Betriebe in einigen Regionen Kanadas und Großbritanniens.19 Zweck der Veröffentlichung ist es, Verbraucher zu informieren, ihnen damit eine bewusste Entscheidung am Markt zu ermöglichen, und solche Betriebe zu unterstützen, bei denen es nichts zu beanstanden gibt.20 Ferner dient die neue Transparenz der Verhaltenslenkung der Betriebsinhaber, die 14  VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015 – 26 K 4876/13, 5494/13, 5722/13, 8686/13, einsehbar unter www.nrwe.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 15  Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011 auf Schloss Plön, TOP 14.3, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 16  Ergebnisprotokoll der 7. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16.9.2011, S. 12, abrufbar unter www.verbraucherschutzministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). Dies zeigt sich auch daran, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits an einer neuen Fassung des § 40 I a LFGB arbeitet, siehe dazu unten unter Kap. 2, B. V. 17  Konkret geht es dabei um die Novellierung der KontrollVO, näheres dazu unten, Kap. 4, B. II. 4., Fn. 201. 18  Schnall, in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 256. 19  Näheres zu den Veröffentlichungsformen außerhalb Deutschlands noch unten unter Kap. 2, B. 20  So zum Berliner Modell die ehemalige Berliner Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher, auf: http://www.berlin.de/landes pressestelle/archiv/2010/09/24/311917/index.html (Letzter Aufruf: 1.7.2016).



B. Gang der Untersuchung23

spezial- als auch generalpräventiv von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben abgehalten werden sollen.21 Hierbei ist nicht überraschend, dass ein Konflikt verschiedener Verfassungsgüter entsteht, die miteinander in Ausgleich zu bringen sind. Auf der einen Seite der Gesundheitsschutz aus Art. 2 II 1 GG, die Autonomie des Verbrauchers aus Art. 2 I GG, der Verbraucherschutz im weiteren Sinne sowie rechtsstaatliche Teilaspekte, etwa das aus Art. 20 III GG erwachsende Interesse, auf die Einhaltung geltender Gesetze präventiv hinzuwirken. Auf der anderen Seite stehen die Berufsfreiheit der Unternehmer aus Art. 12 I GG, die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 I GG, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I in Verbindung mit 1 I GG und der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Dabei ist – wie zumeist – entscheidendes Kriterium die Verhältnismäßigkeit beziehungsweise die Rechtfertigungsmöglichkeit. Denn Verbraucherschutz, und sei es „nur“ durch Information, steht in einem Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Bevormundung, Freiheit und Sicherheit.22 Wie löst das Grundgesetz diese Wertungsfrage? Welchen Stellenwert haben Transparenz und Verbraucherschutz in unserer Verfassung? Wie weit geht die unternehmerische Freiheit?

B. Gang der Untersuchung Zur Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen soll nun wie folgt vorgegangen werden: Im ersten Kapitel werden Verbraucherschutz und Transparenz in ihrem Bezug zum Grundgesetz und als Ziele der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen genauer beleuchtet, unter anderem ihr Stellenwert in unserer Rechtsordnung und weshalb gerade in der letzten Zeit ein verstärktes Bedürfnis nach Transparenz zu entstehen scheint. Nur so kann bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen ein dem Gewicht von Verbraucherschutz und Transparenz angemessenes Ergebnis gefunden werden. Danach soll im zweiten Kapitel ein kurzer Überblick über die Ausgestaltung und die deutschen und europäischen Rechtsgrundlagen von Lebensmittelkontrollen gegeben werden. Nachfolgend werden die verschiedenen Veröffentlichungsmodelle der Länder und des Bundes dargestellt, die teilweise auch während des Fertigstellungszeitraums dieser Arbeit entstanden und wieder abgeschafft wurden. 21  Vgl. Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (492); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (26, 42). 22  Vgl. Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357.

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

Im dritten Kapitel wird bewertet, ob die Veröffentlichung der Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen die Schutzbereiche von Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht berührt und ob ein Eingriff vorliegt. Auch das Vorliegen einer Ungleichbehandlung durch die konkreten Abläufe bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen wird untersucht. Anknüpfend daran wird im vierten Kapitel die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage diskutiert. Denn insbesondere grundrechtsrelevantes Staatshandeln bedarf einer solchen nach dem Vorbehalt des Gesetzes. Neben der allgemeinen Aufgabe zur Staatsleitung, die sich auf eine umfassende Rechtsprechung stützt, kommen spezielle Normen wie § 40 I Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch (LFGB) oder § 6 I 3 Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Betracht. Im fünften Kapitel wird die Verhältnismäßigkeit der für die Unternehmer zwingenden und unmittelbar durch den Staat ausgeführten Veröffentlichungsmodelle für Lebensmittelkontrollergebnisse untersucht. Dies soll insbesondere am Beispiel der Berliner Modelle geschehen. Die grundlegende Abwägung zwischen der Gewichtung von Unternehmerschutz auf der einen und Verbraucherschutz auf der anderen Seite kann dabei jedoch allgemein für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen verstanden werden. Zudem wird die Möglichkeit der Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Art. 3 I GG geprüft. Abschließend wird im sechsten Kapitel untersucht, welche Anforderungen in formeller und materieller Hinsicht an ein verfassungskonformes Modell zur Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen zu stellen wären. Da die Verhältnismäßigkeit bereits ausführlich im vorangegangenen Kapitel herausgearbeitet wurde, liegt der Schwerpunkt der materiellen Prüfung auf der Frage des Grundrechtsschutzes durch Verfahren. Dabei werden die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ergebnisveröffentlichung erörtert. Im siebten Kapitel rundet ein Fazit die Arbeit ab.

C. Transparenz Zweck der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist Verbraucherschutz durch Transparenz. Aber was genau meint eigentlich der derzeit viel beschworene Begriff „Transparenz“ und wie ist sein Stellenwert in unserer Verfassung und im europäischen Recht? Dies wird in der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen wichtig sein und soll daher vorab untersucht werden. Transparenz wird definiert als Durchsichtigkeit oder Durchschaubarkeit und oft auch im übertragenen Sinne verwendet für die Durchschaubarkeit



C. Transparenz25

politischer Vorgänge.23 Transparenz ist die Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Grundlagen, des Verfahrens und des Ergebnisses einer Entscheidung.24 Für die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses sorgen neben Verständlichkeit des Textes auch die Aufschlüsselung in Kategorien und Einzelergebnisse. Der für die Untersuchung relevante Transparenzbegriff ist im Sinne von Offenlegung von Informationen und der Nachvollziehbarkeit des in der Information gefundenen Ergebnisses zu verstehen. Transparenz durch Information kann zu Wissen und Vertrauen führen, allerdings kann zu viel Information auch zu einer Informationsüberflutung und somit eher zu Nichtwissen führen. Die rechtliche Relevanz des Begriffes scheint auf den ersten Blick gering, denn im Grundgesetz wird der Begriff „Transparenz“ nicht einmal genannt, geschweige denn als Verfassungsprinzip ausdrücklich festgelegt. Dennoch ist der Transparenzgedanke dem Grundgesetz immanent.25 Schon im Art. 1 I des Herrenchiemseer Entwurfs zum Grundgesetz stand: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“ Dies lässt sich auch auf die Verfassung übertragen: Das Grundgesetz stellt den Bürger in den Mittelpunkt seiner Regelungen, nicht den Staat und seine Organe.26 Folglich dienen alle Regelungen des Grundgesetzes über die Staatsorgane dem Menschen, indem sie Vertrauen schaffen durch Voraussehbarkeit und Verlässlichkeit und somit Transparenz staatlichen Handelns. So ist zum Beispiel in besonders hohem Maße die Regelung des Gesetzgebungsverfahrens auf Transparenz angelegt.27 Jedoch sind auch in vielen weiteren Verfassungsartikeln Bestandteile enthalten, die man mit Transparenz assoziiert28. Dies wird beispielhaft an Art. 20 GG deutlich. Nach Art. 20 II 1 GG geht, wie auch schon in der Präambel angelegt, die Herrschaft vom Volke aus. Um dies zu ermöglichen, muss das Grundgesetz für Transparenz sorgen, denn nur so kann das Volk die Handlungen der berufenen Volksvertreter, und damit der Änderungsbefugten des Grundgesetzes, nachvollziehen und mitbestimmen.29 Transparenz wird insgesamt aber auch durch die Einzelelemente des Rechtsstaatsprinzips bewirkt, unabhängig davon, wo man dieses normiert sieht30. So bewirken 23  Duden,

Herkunftswörterbuch, S. 860, 861. Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 7. 25  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 7. Transparenz als „maßgebliches verfassungsrechtliches Unterprinzip“ bezeichnend: Schoch, AfP 2010, 313 (321). 26  Schneider, NJW 1999, 1497 (1498). 27  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 7, 34. 28  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 34. 29  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 34. 30  Darstellung des Streits dazu bei Schnapp, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 20, Rn. 32. 24  Bröhmer,

26

1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

zum Beispiel das Rückwirkungsverbot, der Bestimmtheitsgrundsatz, die Gewaltentrennung sowie Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Klarheit und Verlässlichkeit und somit Transparenz.31 Der Verfassung liegt der Transparenzgedanke folglich zugrunde.32 Und auch auf europäischer Ebene wurde die Relevanz staatlicher Transparenz erkannt und in Art. 15 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV), dem „Grundsatz der Offenheit“, verankert. Zusätzlich legt Art. 42 der europäischen Grundrechte-Charta (GRCH) ein Recht auf Zugang zu Dokumenten fest. Auch im europäischen Recht ist Transparenz damit ein grundlegendes Prinzip.

I. Entwicklung des Transparenzgedankens Um einen umfassenden Eindruck zu erlangen, welchen Wert Transparenz in unserer Gesellschaft heutzutage hat und weshalb dieser hohe Stellenwert entstanden ist, muss auch die Entwicklung der Transparenz staatlichen Handelns beleuchtet werden. Nur so kann in der Verhältnismäßigkeit für die konkrete Informationsinitiative der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ein angemessenes Ergebnis gefunden werden. Der Ruf nach Transparenz staatlichen Handelns scheint eher ein neueres Phänomen zu sein. Dies zeigt sich an den vielen staatlichen „Informationsinitiativen“ der letzten Zeit33. In das Bewusstsein der Menschen gelangte die Transparenz staatlichen Handelns aber schon zur Zeit der Aufklärung ab dem Jahre 1720. Das Verhältnis von Geheimhaltung und Transparenz kehrte sich um, die Publizität staatlicher Tätigkeit sowie die Gleichsetzung von Öffentlichkeit und Wahrheit begann.34 Der Begriff Transparenz ist im Duden seit 1915 zu finden.35 Solange der deutsche Staat besteht, war dennoch die Geheimhaltung in der Verwaltung die Regel; erst durch die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern, von denen das erste 1998 in Brandenburg in Kraft trat, wurde die Geheimhaltung zur begründungsbedürftigen Ausnahme36. 31  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 7, 19, 34, 383. Vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 357. 32  Vgl. Stettner, in: FS für Knöpfle, S. 351 (362); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 357. 33  Siehe dazu oben, A. 34  Wegener, Der geheime Staat, S. 120–122. 35  Duden online, http://www.duden.de/rechtschreibung/Transparenz (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 36  Wegener, Der geheime Staat, S. 1.



C. Transparenz27

Mittlerweile ist in vielen Staaten der Welt die „größtmögliche Transparenz der öffentlichen Verwaltung ein allgemeingültiges Prinzip“.37 Dies ist nicht überraschend, denn die Transparenz des Staatshandelns fördert dessen Akzeptanz.38 Transparenz ermöglicht Selbstbestimmung, indem jeder selbstverantwortliches Glied der Rechtsgemeinschaft ist.39 Die Nachvollziehbarkeit der Handlungen der Volksvertreter macht eine Herrschaft des Volkes erst möglich.40 Dadurch wird das Staatshandeln vollends demokratisch legitimiert.

II. Bedeutungsgewinn staatlicher Transparenz Auch wenn Transparenz schon länger als wichtiger Teil staatlichen Handelns erkannt wurde, hat sich ihr Gewicht in letzter Zeit verändert.41 Dies ist einerseits durch eine Veränderung des Staates bedingt: Der nationale Gesetzgeber hat immer weniger die Rolle einer „prinzipalen politischen Gestaltungsinstanz“ aufgrund von Aufgabenverlagerungen und der Veränderung von innerstaatlichen Steuerungsformen.42 Andererseits wächst das Gewicht von Transparenz aber auch durch den gesellschaftlichen Wandel hin zur Informationsgesellschaft, sodass ein Rückzug des „klassischen Gesetzgebers“ insgesamt stattfindet. 1. Aufgabenverlagerung und Beeinflussung staatlicher Entscheidungsfindung Der nationale Gesetzgeber ist aufgrund vielfältiger Aufgabenverlagerungen nicht mehr autonom in seiner Funktion als Gesetzgeber. Das liegt zum einen an der Rolle, die das Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht gegeben hat: Das Grundgesetz ist weitgehend als offene, und damit als in starkem Maße auslegungsbedürftige Verfassung ausgestaltet.43 Dadurch er37  Z. B. in Kanada, den USA, Australien, der Schweiz, Schweden, Großbritannien, siehe: Wegener, Der geheime Staat, S. 422. 38  Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (214); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (26). 39  BVerfGE 44, 125 (147, 148). 40  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 34. 41  So auch Sauerbrey, Der Tagesspiegel v. 10.10.2012, S. 6: „Der Begriff Transparenz hat in den vergangenen Jahren erstaunlich Karriere gemacht“. Gassner, in: FS für R. Schmidt, S. 61 (74): „vom Schlagwort zur vielfältig konkretisierten regulativen Leitidee“. Ausführlich unter soziologischen Gesichtspunkten dazu: Han, Transparenzgesellschaft. 42  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 8 ff., 367 ff. 43  Scholz, APuZ 1999 (16), 3 (4, 5).

28

1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

hielt das Bundesverfassungsgericht weite Gestaltungsspielräume. Darüber hinaus übertritt es bei der nötigen Auslegung zunehmend die Grenze bloßer Kontrolle der Gesetzgebung44, wie zum Beispiel im Urteil zum negativen Stimmgewicht aus dem Jahre 200845. Hier erklärte das Gericht, neben der Setzung einer Frist für eine Regelung durch den Gesetzgeber, wie eine verfassungskonforme Regelung ausgestaltet werden könnte46. Ähnlich handelte es im Urteil über die Nichtraucherschutzgesetze verschiedener Bundesländer47. Dort setzte es eine Übergangsregelung in Kraft, die eine vom Gesetzgeber gerade nicht geplante weitere Ausnahmeregelung zum Nichtraucherschutz enthielt.48 Dafür stützte sich das Bundesverfassungsgericht auf § 35 BVerfGG, der seinem Wortlaut nach lediglich dazu ermächtigt, die „Art und Weise“ der Vollstreckung seiner Entscheidungen selbst zu regeln.49 In eine ähnliche Richtung ging auch eine Entscheidung, die unter anderem das Zitiergebot betraf: Darin stellte das Bundesverfassungsgericht zwar fest, dass die Verletzung des Zitiergebots eigentlich zur Nichtigkeit des Gesetzes führen müsste. Im konkreten Fall gelte dies aber nicht, da keiner wissen konnte, dass das Bundesverfassungsgericht so entscheiden würde und ähnliches daher erst in Zukunft zur Nichtigkeit eines Gesetzes führen würde.50 Dies soll keine Bewertung der politischen Richtigkeit dieser Entscheidungen sein. Es geht lediglich um die Übertretung der bloßen Kontrolle der Gesetzgebung anhand des geltenden Rechts. Zudem nimmt seit einiger Zeit die Prognostizierbarkeit bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen ab, da sich die Verfassungsrichter teilweise weniger an der gängigen juristischen Dogmatik orientieren.51 Das Bundesverfassungsgericht wird so nahezu selber zum Rechtssetzenden52, wobei sein Urteil gesamtgesellschaftlich äußerst hohe Akzeptanz findet53. 44  Scholz, APuZ 1999 (16), 3 (7). Vgl. Schneider, NJW 1999, 1497 (1500). Hält diese Kritik für systemimmanent, sobald ein Verfassungsgericht besteht: Wahl, in: FS für Stern, S. 233 (252). 45  BVerfG 121, 266. 46  BVerfG 121, 266 (296, 307, 315; für Frist: Lts. 3). 47  BVerfGE 121, 317. 48  BVerfGE 121, 317 (376). 49  BVerfGE 121, 317 (376). 50  BVerfGE 113, 348 (367). 51  Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165; von Münch/Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19, Rn. 6; Schlink, JZ 2007, 157 (162). Vgl. auch Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (41); Schoch, NVwZ 2011, 193 (198). Näheres dazu noch unten unter Kap. 4, A. II. 2. 52  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S.  11; Schneider, NJW 1999, 1497 (1501). 53  Wahl, in: FS für Stern, S. 233 (252).



C. Transparenz29

Oft weicht sogar der Gesetzgeber bei politischen Entscheidungen selbst aus und wartet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab54, da sonst ohnehin die Gefahr droht, an einer Kontrolle durch das Bundesverfassungsgerichts zu scheitern55. Beispielhaft ist dafür die Diskussion um die steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Frühjahr 2013. Diese endete damit, dass die Regierungskoalition, statt zu handeln, das damals „bald fällige“ Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwartete56. Der Gesetzgeber büßt dadurch seine autonome Gestaltungsfunktion teilweise ein. Zum anderen nimmt die Gestaltungsfreiheit des einzelnen Staates ab durch die steigende Zahl global zu lösender Probleme und daraus folgender Aufgabenübertragungen auf internationale Organisationen, wie die NATO oder die WTO.57 Zusätzlich findet eine Aufgabenübertragung auf überstaatliche Gerichte wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) statt, die teilweise auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts korrigieren können58. Parallel wird immer mehr Entscheidungsmacht auf die Ebene der Europäischen Union übertragen, deren Recht dem der Mitgliedstaaten grundsätzlich vorgeht59. Diese Rechtssetzung und -anwendung kann dann in der Regel nicht einmal mehr vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden, da das höchste deutsche Gericht nach eigener Entscheidung europäische Rechtsakte nur noch prüft, wenn kein gleichwertiger Schutz auf europäischer Ebene erlangt werden kann.60 Zunehmend wird staatliches Handeln auch durch den verstärkten Standortwettbewerb beeinflusst61, da sich Unternehmen eher dort niederlassen, wo günstige Wettbewerbsbedingungen für sie bestehen. Und selbst die Verwaltung funktioniert immer häufiger durch mittelbares Einwirken und 54  Scholz,

APuZ 1999 (16), 3 (8). NJW 1989, 3202 (3203): „Karlsruhe“ als Ende politischer Wege. 56  Vgl. dazu Denkler, Abschied von der Glaubwürdigkeit, 4.3.2013, http://www. sueddeutsche.de/politik/cdu-nein-zur-gleichstellung-der-homo-ehe-abschied-von-derglaubwuerdigkeit-1.1615313 (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 57  Pitschas, in: Hilterhaus/Scholz, Rechtsstaat, Finanzverfassung, Globalisierung, S. 55. 58  Schlink, JZ 2007, 157 (158). 59  BVerfGE 73, 339 (375). 60  BVerfGE 73, 339 (387). 61  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 13; Scholz, in: Hilterhaus/ Scholz, Rechtsstaat, Finanzverfassung, Globalisierung, S. 14 (16). Vgl. Blum, in: Hilterhaus/Scholz, Rechtsstaat, Finanzverfassung, Globalisierung, S. 45 (48); Leisner, in: FS für Kriele, S. 253 (256). 55  Vgl.  Maier,

30

1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

wird durch Einschaltung Dritter in die Entscheidungsprozesse verstärkt mehrstufig.62 Durch diese vielfältigen Entscheidungsbeeinflussungen und -verlagerungen steigt insgesamt die Komplexität63, die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns verringert sich64 durch viele Faktoren, die unübersichtlich miteinander zusammenhängen und Wechselwirkungen entfalten65. Entscheidungen werden in wachsender Entfernung vom Bürger getroffen66, der sich durch diese nicht mehr vertreten fühlen könnte. Um diesem Gefühl Einhalt zu gebieten, ist Transparenz unerlässlich. Der Staat gilt zunehmend als intransparent, weil Bürger erwarten, dass der Staat alles steuern könnte, was in der komplexen Gesellschaft, die aus einem Zusammenspiel vieler verschiedener Akteure besteht, jedoch nicht mehr möglich ist.67 Um im Rahmen dieser komplexen Vorgänge ein Mindestmaß an Verständlichkeit zu erreichen, wird daher Transparenz immer wichtiger. 2. Handlungsverlagerung zu weichen Steuerungsformen Der soeben beschriebene Verlust staatlicher Steuerungsfähigkeit erfolgt parallel zu einer Veränderung der Steuerungsformen, die ebenfalls zu einer Entfernung von den Bürgern, so zu weniger Nachvollziehbarkeit und folglich einem verstärkten Bedürfnis nach Transparenz führt: die Verlagerung auf weiche Handlungsformen. Diese charakterisiert, dass sie informal sind und nicht imperativ regelnd.68 Darunter fällt etwa die zunehmend stattfindende Selbstregulierung69; Beispiel dafür ist bislang noch die Frauenquote in Aufsichtsräten oder auch die Kooperation mit Privaten. Aushängeschild der sogenannten weichen Steuerungsformen ist aber das indirekte Handeln des Staates durch Gewinn von Akzeptanz für die eine oder andere Seite oder das Setzen positiver oder negativer Verhaltensanreize.70 Die Rolle des 62  Ritter,

in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (72). Normierungskonzepte im Lebensmittelrecht, S. 25. 64  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 10, 14. 65  Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (71). 66  Scholz, in: Hilterhaus/Scholz, Rechtsstaat, Finanzverfassung, Globalisierung, S. 14 (17, 18). 67  Willke, Ironie des Staates, S. 143. 68  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357. 69  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357; Schuppert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65 (92). Ausführlich zu kooperativer Aufgabenwahrnehmung: Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, S. 823 (854 ff.). 70  Kloepfer, Informationsrecht, §  5, Rn.  23; Schuppert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65 (92). 63  Holle,



C. Transparenz31

Staates wandelt sich durch die weichen Handlungsformen zu der eines Vermittlers71 oder sogar eines Zuschauers, der über die „Ausnutzung gesellschaftlicher Zwänge“72 wirkt. Staatliche Steuerung findet durch die Nutzung dieser weichen Steuerungsformen immer weniger durch staatliche Entscheidung statt.73 Diese Verlagerung hin zu weichen Steuerungsmitteln liegt an veränderten Grundbedingungen: Der Zunahme an sachlicher Komplexität, der „Emanzipation gesellschaftlicher Teilsysteme“, wie Parteien, Konzerne, Gewerkschaften oder Großbanken, und insgesamt der Zunahme staatlicher Aufgaben.74 Dieses komplexe System lässt immer weniger staatliche Steuerung durch einfaches Handeln zu, sondern reagiert nur noch auf ebenso komplexe Steuerungsinstrumente, die gerade für diese vielschichtigen Verhältnisse geschaffen sind.75 Und je weniger das Recht es schafft, aktuellen Gefahren entgegen zu steuern, umso geringer wird seine Bedeutung.76 Neue tatsächliche Bedingungen führen somit zur „Krise des regulativen Rechts“77 und in der Folge zu neuen Steuerungsformen. Der Staat schafft heutzutage auch selber eine hohe Erwartungshaltung an staatliche Tätigkeit, indem er nicht nur Gefahren abwehren will, sondern dem Bürger gleich ein besseres und gesünderes Leben aufzeigen will. Über gesetzliche Normierungen lässt sich dies aber nicht erreichen. Das ist das Phänomen des „präzeptoralen Staates“, also dem erziehenden, mahnenden, informierenden, warnenden Staat78, der „Anreize setzt, Alternativen gibt und Gewichte verschiebt“79. Ob dies Aufgabe des Staates ist80, soll hier außer Acht bleiben. Diesen selbst geschaffenen Anforderungen versucht der Nachweise zum Anstieg staatlichen Informationshandelns bei Schoch, NVwZ 2011, 193 (197). 71  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 13. 72  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357. Vgl. Gramm, Der Staat 30 (1991), 51. 73  Becker/Blackstein, NJW 2011, 490; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357. 74  Willke, Entzauberung des Staates, S. 49, 50, 58. Für die Zunahme staatlicher Aufgaben insgesamt siehe Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 9. 75  Willke, Entzauberung des Staates, S. 52–54. 76  Heckmann, NJW 2012, 2631 (2631). 77  Günther, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (40); Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69. 78  Di Fabio, JZ 1993, 689 (690). 79  Willke, Ironie des Staates, S. 167. 80  Dies fragt sich von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 57. Vgl. Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2712); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Wiemers, ZLR 2009, 413 (429). Zur Legitimität staatlicher Bewertung siehe unten unter D. I.

32

1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

Staat – unter anderem durch immer mehr Informationen – gerecht zu werden, um das Vertrauen der Bürger nicht zu verlieren81 oder möglicherweise neues Vertrauen zu schaffen. So fordert auch der Wandel von Gefahrenabwehr zu immer mehr Vorsorge weiche Steuerungsformen.82 Aufgrund deren Undurchsichtigkeit für den Bürger erfordert weiche Steuerung wiederum mehr Transparenz, um staatliches Handeln verständlich zu machen. 3. Wandel zur Informationsgesellschaft Das Gewicht von Transparenz wächst zusätzlich durch den Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, in der der größte Teil der Beschäftigten in Informationsberufen, also Arbeit mit Signalen, Symbolen, Zeichen oder Bildern sowie wenig Umgang mit Kraft und Stoff, arbeitet und dadurch Kommunikationsmöglichkeiten und -bedürfnisse in hohem Maße zunehmen83. Die heutigen einfachen Informationstechniken verändern Wirtschaft und Gesellschaft dahingehend, dass die Informationen nahezu sämtliche Lebensbereiche beeinflussen84 und „wirtschaftlich, kulturell und sozial prägen“85. Wissen und Informationen werden deshalb in starkem Maße kommerzialisiert.86 Das Erlangen von Informationen ist wesentlich, sodass Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verstärkt von Informationen abhängig sind und folglich Information eine Ware, eine „wirtschaftliche Ressource“87, ein Faktor für Einfluss und Macht ist.88 Dadurch ist auch der einzelne Bürger als Voraussetzung selbstbestimmter Handlungen immer stärker auf Informationen und Transparenz angewiesen.89 Informationen bestimmen wesentlich seine Position in der Gesellschaft.90 Daher steigt auch das Interesse der Bürger an Information. Dies wird zum Beispiel 81  Augsberg,

DVBl. 2007, 733 (735). Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 162. 83  Kloepfer, in: Kloepfer, Transparente Verwaltung, S. 9 (11); Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 219 (233). 84  Vgl. BT-Drs. 13/4000. 85  Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S. 15. 86  BT-Drs. 13/4000, S. 15. Zur Kommerzialisierung von Informationen siehe Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 219 (229 ff.). 87  Kloepfer, in: Kloepfer, Transparente Verwaltung, S. 9 (10); Püschel, Informationen des Staates als Wirtschaftsgut, S. 49. 88  Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (214). Vgl. Stettner, in FS für Knöpfle, S. 351. 89  Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (214). 90  BVerfGE 27, 71 (81). 82  Bauschke,



C. Transparenz33

deutlich anhand der Auskunftsanträge im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes, die im Jahr 2011 gegenüber 2010 um fünfzig Prozent angestiegen sind.91 Interessant ist dabei jedoch eines: Es werden viele Informationen gewünscht, sogar mit einer gewissen Anspruchshaltung, etwa wenn es um die Empfänger von EU-Agrarsubventionen oder um die Einführung von Lobbyregistern bei den Parlamenten92 geht; andererseits ist das Inte­ resse am Schutz eigener Daten relativ hoch, wenn man etwa an die Kritik bezüglich des Fotografierens von Wohnhäusern durch Google Street-View denkt.93 Auch aus diesem Ungleichgewicht heraus ist es nicht überraschend, dass Transparenz gegenüber dem Bürger auch kritisch gesehen wird: Transparenz lasse Bürger nicht staatsverantwortlicher, sondern sensationslustiger handeln, Bürger nutzten ihre vielfältigen Informationsmöglichkeiten ohnehin nicht und zu viel Transparenz würde sie überfordern.94 Auch könnte zu viel Information eher entscheidungshemmend95 und daher entgegen marktwirtschaftlicher Interessen wirken. Richtig daran ist, dass nicht jede Information zu Wissen beim Adressaten führt: Denn Information ist heutzutage oft unbegrenzt und massenhaft vorhanden und schnell zu erlangen, was zu einer Informationsüberflutung führen kann, die in der Regel keinen Wissenszuwachs bewirkt.96 Daher beruht Transparenz nicht nur auf der Quantität, sondern auch auf der Qualität von Informationen.97 Der Staat hat hierbei eine herausragende Rolle: Er ist der größte Informationsbesitzer und hat zum Teil sogar ein Informations-„Monopol“.98 Er muss entscheiden, wie viele und welche Informationen er abgibt, und dafür sorgen, dass diese nicht zu einer Informationsüberflutung führen. Diese für Partizipation der Bürger nötige99 Informationsabgabe findet im „Schatten der Hierarchie“ statt, denn ohne seine Autorität würde der Staat die Infor-

A.

91  Evaluation 92  Zu

193.

des IFG, siehe Bundestag Innenausschuss, Ausschuss-Drs. 17[4]522

den verfassungsrechtlichen Grenzen dessen ausführlich Sodan, LKV 2012,

93  Becker,

in: FS für Stern, S. 1233 (1239). in: Kubicek, Multimedia@Verwaltung, S. 301 (303). 95  Gruber, Verbraucherinformation durch Gütezeichen, S. 41. 96  Kloepfer, Informationsrecht, § 1, Rn. 1, 65. Vgl. Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft, Zwischenbericht Verbraucherschutz, BT-Drs. 17/12540, S. 47. 97  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 377. Vgl. Kühnle, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 5 (6). 98  Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S.  19. Vgl. Knitsch, ZRP 2003, 113 (117). 99  Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S. 18. 94  Burkert,

34

1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

mationen oftmals selber nicht erlangen.100 Information wird so zur „Staatsaufgabe“101, die der Staat nicht völlig frei ausüben darf, sondern nur unter Berücksichtigung der Verfassung, insbesondere des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips102. Diese Bindungen werden bei der zunehmenden Nutzung von Informationen immer stärker zum Problem. Zwar ist das Informieren keine neue Handlungsform der Verwaltung, sondern in Form von Regierungserklärungen und ähnlichem schon Tradition.103 Jedoch wird Information heute verstärkt neben den klassischen ordnungsrechtlichen Instrumentarien, und somit als Zusatz zur Gefahrenabwehr, angewendet104 und auch in immer größer werdender Zahl105. Die Vorteile dabei liegen auf der Hand: Informationsabgabe ist ein preiswertes und nur mit geringem Aufwand verbundenes Ins­ trument.106 Die Frage nach der Berechtigung des Staates für die Informationsabgabe wird aufgrund der massenhaften Informationen durch den Staat oft gar nicht mehr gestellt.107 Der Staat „informiert ja nur“.108 Selbst das Bundesverfassungsgericht ließ diese gefährliche Wertung in seinem Urteil zum glykolhaltigen Wein anklingen: Denn Unternehmen setzten sich der Kritik am Markt freiwillig aus und könnten sich dieser mit den Mechanismen des Marktes erwehren.109 Damit impliziert das Gericht, dass sich staatliche Informationen nicht von denen „gesellschaftlicher Akteure“ unterschieden.110 Dies wird auch in der Literatur zum Teil so gesehen und damit begründet, dass auch staatliche Angaben nicht in blindem Vertrauen befolgt würden.111 Diese Wertung entsteht dadurch, dass Informieren kein exklusives Recht des Staates ist.112 Er scheint deshalb nicht an die ihm vorbehaltenen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen gebunden zu sein. Zudem wirkt der Begriff „Informati100  Becker/Blackstein,

NJW 2011, 490. VVDStRL 57 (1998), 7 (49); Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (594). 102  von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 61. So für die Öffenlichkeit von Gerichtsverhandlungen: BVerfGE 103, 44 (61). 103  Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 78; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362). Vgl. auch Girnau/Sieber, in: FS für Horst, S. 241. 104  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362). 105  Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 78. 106  Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 285. 107  von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 58. 108  Becker/Blackstein, NJW 2011, 490. 109  BVerfGE 105, 252 (266). 110  von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 59. 111  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (347). 112  Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 289; Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (60, 70); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (347). 101  Bethge,



D. Verbraucherschutz35

on“ erst einmal positiv und „ungefährlich“113, sodass die Idee fern erscheint, dass jemand vor Informationen geschützt werden müsste. Jedoch kann der Staat durch Informationsabgabe erhebliche indirekte Steuerungswirkung erzielen.114 Gerade den Informationen des Staates wird eine besondere Objektivität und Richtigkeit beigemessen und außerdem besonderer Sachverstand.115 Die vorhandene Informationsmenge wirkt derart auf die Informationsqualität ein, dass für Informationsrezipienten insbesondere die „Filter-Souveränität“ des Informationssenders wichtig ist.116 Dies führt zu einem hohen Befolgungsgrad staatlicher Informationen.117 Durch die Verwendung des Internets wird das Wirtschaftsgut Information zudem in seinem Wert noch einmal erheblich gesteigert.118 Denn Information über das Internet ist schnell, leicht zugänglich und verknüpfbar, kaum wieder zu löschen und enorm breitenwirksam.119 Aufgrund dieses stark gestiegenen Wertes von Informationen in unserer Gesellschaft ist das Erlangen derselben, und somit die Transparenz bezüglich der Informationen, von zunehmender Relevanz. Daher, und wegen der oben aufgeführten Veränderungen staatlicher Aufgaben und Handlungen, wird das Bedürfnis der Bevölkerung nach Transparenz größer. Der Stellenwert von Transparenz wächst daher.

D. Verbraucherschutz Transparenz ist unter anderem ein Mittel des Verbraucherschutzes. Bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen erfolgt Verbraucherschutz durch Transparenz. Verbraucherschutz ist neben Transparenz damit ebenfalls ein Ziel der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse. Ebenso wie Transparenz ist Verbraucherschutz in der Verhältnismäßigkeit staatlichen Informationshandelns allgemein und der Veröffentlichung von Le113  Ossenbühl,

NVwZ 2011, 1357 (1358). Informationsrecht, § 10, Rn. 14. Vgl. Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (72); Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft, Zwischenbericht Verbraucherschutz, BT-Drs. 17/12540, S. 39. 115  Püschel, Informationen des Staates als Wirtschaftsgut, S. 50; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 30. Die besondere Bedeutung staatlicher Informationen hervorhebend: OVG Münster, BeckRS 2010, 46235. 116  Hill, Die Veränderung juristischer Arbeit durch neue Medien, DRiZ 2012, 165 (167). 117  von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 59, 60; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 118  Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S. 20. 119  Peifer, JZ 2012, 851 (852). 114  Kloepfer,

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

bensmittelkontrollergebnissen im Besonderen von entscheidender Relevanz und wird eines der widerstreitenden Interessen sein, die miteinander abzuwägen sind. Daher müssen der Stellenwert von Verbraucherschutz im Grundgesetz sowie auf europäischer Ebene und im Speziellen von Verbraucherschutz durch Information untersucht werden. Vorab ist zu klären, was Verbraucherschutz ist und warum er überhaupt nötig ist. Verbraucher sind keine Bevölkerungsgruppe. Es handelt sich vielmehr um eine Situation, in der sich jeder von Zeit zu Zeit befindet: Verbraucher ist man in dem Moment, wo man für seinen privaten Gebrauch Waren oder Dienstleistungen erwirbt.120 Oder mit § 13 BGB: Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Verbraucherrechte forderte erstmals John F. Kennedy in einer Rede vor dem US-Kongress im März 1962. Er erwartete sich durch sie eine Stärkung der Wettbewerbswirtschaft und die Aufrechterhaltung des amerikanischen Lebensstandards und der Gesundheit.121 Heute bezeichnet man alle Maßnahmen, die zur Sicherung von Verbraucherrechten beitragen, unabhängig vom Rechtsgebiet als Verbraucherschutz.122 Dieser kann auch als Gefahrenabwehr im weitesten Sinne bezeichnet werden.123 Jedoch geht Verbraucherschutz zumeist der konkreten Gefahr voraus und drängt „rechtlich zwar erlaubte aber gleichwohl unerwünschte“ Risiken zurück.124 Die Schutzgüter sind Vermögen, Freiheit, Sicherheit und Gesundheit.125 Ziel ist aber auch die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Verbraucher durch Transparenz.126 Verbraucherschutz hat dabei sehr viele Facetten: Er kann vorsorgend, reaktiv oder bewahrend sein127. Er kann beim Produzenten, beim Händler oder beim Verbraucher selbst ansetzen und durch Verbote, Gebote, Erlaubnispflichten, Anzeige-, Melde- und Auskunftspflichten von Unternehmen oder durch bloße Infor120  Henke,

Grundfragen rechtlichen Verbraucherschutzes, S. 44. F. Kennedy, Rede vor dem US-Kongress am 15.3.1962, abgedruckt bei von Hippel, Verbraucherschutz, S.  281 ff. 122  Vgl. Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 1. Zur historischen Entwicklung des Verbraucherschutzes siehe Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S.  22 ff. 123  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 19. Vgl. Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 124. 124  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 9, 10. 125  Henke, Grundfragen rechtlichen Verbraucherschutzes, S. 45. 126  Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 1. Vgl. BVerfGE 105, 252 (269) – Glykolwein. Dies als vorrangiges Ziel bewertend: Pfeiffer, NJW 2012, 2609 (2612). 127  Frank, in: Graf/Paschke/Stober, Staatlicher Verbraucherschutz und private Unternehmerverantwortung, S. 27 (31 ff.). 121  John



D. Verbraucherschutz37

mationen wirken.128 Als Instrument soll im Verbraucherschutz Rechtssetzung nur als letztes Mittel herangezogen werden, grundsätzlich sollen Lösungen eher durch Dialog und Freiwilligkeit gefunden werden.129 Ein wesentlicher Teil des Verbraucherschutzes130 und wichtiger Punkt dieser Arbeit ist daher Transparenz durch Information. Die Notwendigkeit des Schutzes der Verbraucher resultiert daraus, dass der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer typischerweise weniger Wissen über ein Produkt im weitesten Sinne hat131. Der an Umsatz interessierte Unternehmer kann dies aktiv oder passiv ausnutzen, während der Verbraucher oftmals gar keine Möglichkeit hat, sich die nötigen Informationen zu beschaffen132, um eine mündige, bewusste und für sich „richtige“ Entscheidung zu treffen. Der Verbraucher ist in diesem System grundsätzlich der Schwächere. Dies ist trotz der zahlreichen verbraucherschützenden Maßnahmen der vergangenen Jahre noch so. Denn parallel zu vermehrtem Schutz, wächst auch die Undurchsichtigkeit des Marktes durch die Globalisierung, durch komplizierte Unternehmensstrukturen und Verknüpfungen, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Unübersichtlichkeit des Angebots, die Komplexität neuer Produktionsformen sowie weniger Beratung aufgrund neuer Betriebsformen.133 Aus diesem „Informationsungleichgewicht“134 können Unsicherheiten entstehen.135 Der Vorteil des informierten Verbrauchers ist, dass er sich selber besser schützen und verantwortliche Entscheidungen treffen kann. So wird, wenn der Verbraucher die Informationen nutzt und sich entsprechend verhält, der Staat entlastet.136 Wenn der Verbraucher ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erkennen kann, kann er dieses „Regulativ des Marktes“ in Gang setzen und so eine gute Qualität der Produkte am Markt zu angemessenen Preisen be128  Henke,

Grundfragen rechtlichen Verbraucherschutzes, S. 46–48. Bericht der Bundesregierung 2012, S. 8; Pfeiffer, NJW 2012, 2609 (2610). 130  BVerfGE 105, 252 (267) – Glykolwein. 131  Becker/Blackstein, NJW 2011, 490. Eher soziologische Betrachtung bei Dichtl, Schutzwürdigkeit des Verbrauchers, in: Dichtl, Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, § 2. 132  Vgl. Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 18. 133  Vgl. von Hippel, Verbraucherschutz, S. 3,4. 134  Zur Problematik dieses Begriffs von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 70, 71. 135  Augsberg, DVBl. 2007, 733 (734). Vgl. Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 10. 136  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 163. 129  Verbraucherpolitischer

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

wirken.137 Dies ist insbesondere in einem vergleichsweise liberalen Markt zunehmend138 wichtig. Der Verbraucherschutz wird damit durch funktionierenden Wettbewerb verwirklicht139, ist dabei aber auch notwendige Voraussetzung für das „Funktionieren der Märkte“140. Dem Bundesrat zufolge können mangelnde Informationen sogar zum „weitgehenden Zusammenbruch von Märkten“ führen.141 Daher versucht der Staat teilweise das Informationsdefizit der Verbraucher auszugleichen.142 Staatliche Information birgt allerdings auch die Gefahr, die Entscheidungsfreiheit der Bürger zu beschneiden, indem ein bestimmtes, vermeintlich vernünftiges, Verhalten nahegelegt wird.143 Dennoch kann der Bürger durch Informationshandeln eher zu einer selbstbestimmten Entscheidung gelangen als ohne oder im Falle von klassischem Staatshandeln. Der Staat wirkt somit im tripolaren Verhältnis Staat – Verbraucher – Unternehmer über das Verhalten der Verbraucher auf das der Unternehmer ein. Dies geschieht unter anderem durch Transparentmachung, entweder durch Veröffentlichung von Informationen oder auch durch die Reduktion der Komplexität vorhandener Informationen144, und so durch die Ermöglichung von Selbstbestimmung145 und demokratischer Teilhabe der Bürger146. Die Politik sieht dies nicht nur als Dienst am Verbraucher, sondern auch am Unternehmer: Der informierte und geschützte Verbraucher kann in den Markt und die Produkte vertrauen, was ihn zu Konsum anregt. Dies wiederum stärkt die Volkswirtschaft und fördert den Wettbewerb.147 Verbraucherschutz allgemein, aber auch speziell in Form von Information und Transparenz, gewinnt zunehmend an Bedeutung, in vielen verschiede137  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 30, 32. Vgl. BR-Drs. 273/07, S. 12; Kühnle, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 5 (19). 138  Vgl. gesamte Darstellung in: Bauschke/Korte, NVwZ 2003, 60. 139  Ott, in: Graf/Paschke/Stober, Staatlicher Verbraucherschutz und private Unternehmerverantwortung, S. 5. 140  BT-Drs. 16/5404, S. 7; BGHZ 65, 325 (332); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (348). Vgl. Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2711). 141  BR-Drs. 273/07, S. 12. 142  Verbraucherpolitischer Bericht der Bundesregierung 2012, S. 4. Vgl. Paschke, AfP 1990, 89. 143  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 10. Phänomen des präzeptoralen Staates, siehe oben C. II. 2. 144  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18. 145  Verbraucherpolitischer Bericht der Bundesregierung 2012, S. 4. 146  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (41). 147  Verbraucherpolitischer Bericht der Bundesregierung 2012, S. 8. Im Ansatz so schon John F. Kennedy, Rede vor dem US-Kongress am 15.3.1962, abgedruckt bei von Hippel, Verbraucherschutz, S.  281 ff.



D. Verbraucherschutz39

nen Bereichen. So wurde zum Beispiel im Juni 2012 vom Hamburger Landtag ein Transparenzgesetz beschlossen, das Behörden verpflichtet, gewisse Informationen antragslos ins Internet zu stellen.148 Zudem wurde der § 40 I a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch geschaffen, der eine antragslose Veröffentlichung von Informationen über lebensmittelrechtliche Verstöße in bestimmten Fällen festschreibt. Außerdem gab es in den Jahren 2011 und 2012 bereits drei verschiedene Gesetzesinitiativen auf Bundesebene bezüglich des Schutzes des Verbrauchers vor Versicherungs- und Finanzmarktprodukten149. Der Bundestag beschäftigte sich darüber hinaus auch ganz allgemein mit dem Thema und evaluierte von 2012 bis 2013 in einer „Projektgruppe Verbraucherschutz“ den bisherigen Verbraucherschutz mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen auszusprechen.150 Als informatorische Maßnahmen wurden 2009 unter anderem Transparenzberichte zur Altenpflege und 2011 die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziell stark geförderte151 Seite „Lebensmittelklarheit.de“ im Internet ins Leben gerufen. Auch die Einteilung der Zuständigkeiten der Bundesministerien zeigt den Bedeutungsgewinn des Verbraucherschutzes: So gab es bis 2001 noch kein Bundesministerium, das namentlich für Verbraucherschutz zuständig gewesen ist152, seit 2001 jedoch durchgängig. Im Jahr 2002 erklärte die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz Renate Künast den Verbraucherschutz durch Information sogar zu einem grundlegenden Menschenrecht153.

I. Verbraucherschutz – ein Prinzip von Verfassungsrang? Der Stellenwert, den die Politik dem Verbraucherschutz beimisst, besagt jedoch noch nichts über dessen verfassungsrechtliche Relevanz.154 In einigen Gesetzen, beispielsweise den §§ 312 ff. BGB, wurden zwar einzelne Ansprüche der Verbraucher geschaffen. Auch Gerichte benennen Informa­ dazu: Caspar, ZD 2012, 445. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz; 2011/2012: Finanzanlagenvermittlergesetz; 2012: Regierungsentwurf zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften. 150  BT-Drs. 17/12540, Zwischenbricht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ vom 14.3.2013. 151  Initiative Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln – Übersicht zu Handlungsbedarf, Zielen und Maßnahmen, S. 9, abrufbar unter http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/KlarheitUndWahr heitInitiativeZusammenstellung.pdf?__blob=publicationFile (Letzter Aufruf: 1.7. 2016). 152  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 57. 153  Künast, in: Kloepfer, Transparente Verwaltung, S. 33 (38). 154  Vgl. Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 4, 5. 148  Ausführlich 149  2011:

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

tion als „schutzwürdige[s] Allgemeininteresse“.155 Das deutsche Grundgesetz nennt „Verbraucher“ und „Verbraucherschutz“ hingegen nicht ausdrücklich. Die Grundrechte sind klassischerweise Abwehrrechte gegen den Staat156 und nicht darauf gerichtet, dem Staat Schutz- oder Teilhabepflichten aufzuerlegen. Dennoch beinhalten nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts einige Grundrechte Schutzpflichten des Staates, so beispielsweise Art. 2 II 1 GG157. Zumindest in seiner Dimension, die Gesundheit der Bürger schützen zu wollen, könnte so der Verbraucherschutz verfassungsrechtlich geboten sein.158 Zudem könnte der Verbraucherschutz auch Teil der objektiven Werteordnung sein, die das Grundgesetz verkörpert159. Im Folgenden wird daher die Herleitung des Verbraucherschutzes aus der Verfassung untersucht. Vorab ist es aber wichtig, sich die Funktionsweise der Verfassung genauer anzusehen. Denn ansonsten könnte man aus der Nichtnennung des Verbraucherschutzes schnell folgern, dass der Verbraucher im Grundgesetz eben nicht speziell geschützt ist. Oft wird eine weite Interpretation des Grundgesetzes als unberechenbar und intransparent abgelehnt. Allerdings muss man sich als Vertreter dieser Ansicht auch überlegen, wozu eine nur am Wortlaut ausgerichtete Auslegung führen würde: Alles, was verfassungsrechtlich geschützt sein soll, müsste ausdrücklich in der Verfassung stehen. Dies würde das Grundgesetz zu einem sehr langen und unübersichtlichen – und in der Folge wiederum intransparenten – Werk machen. Deshalb wird Verfassungsrecht typischerweise durch interpretative Auslegung verstärkt und ausgeweitet.160 Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass das Grundgesetz seit mehr als 60 Jahren gilt und daher in einem anderen gesellschaftlichen Kontext entstanden ist. Die relative Unbestimmtheit der Verfassungsartikel hilft, dass die Verfassung auch noch auf die heutigen Lebensweisen und Wertvorstellungen passt. Wäre das Grundgesetz auf seinen Wortlaut beschränkt, müsste es nach jeder gesellschaftlichen Veränderung neu geschaffen werden, um sich den neuen Umständen anzupassen. Dadurch würde jedoch kaum mehr Rechtssicherheit geschaffen werden als durch die Offenheit der Formulierungen. Daher kann das Grundgesetz den Staat zu Verbraucherschutz trotz Nichtnennung desselben verpflichten.

155  OLG

Hamburg, CR 2012, 183 (184). 7, 198 – Lüth. 157  BVerfGE 39, 1; 53, 30 (57); 77, 170 (214); 88, 203 (251 ff.); 115, 118 (152). 158  Vgl. Bethge, Jura 2003, 327 (329). 159  BVerfGE 7, 198. 160  Vgl. Wahl, in: FS für Stern, S. 233 (243). 156  BVerfGE



D. Verbraucherschutz41

1. Herleitung aus dem Schutz für die körperliche Unversehrtheit und das Leben Eine staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 II 1 GG, dem Schutz für die körperliche Unversehrtheit und das Leben, hat das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahre 1975 in einem Urteil zum Schwangerschaftsabbruch hergeleitet.161 Art. 2 II 1 GG ist daher grundsätzlich geeignet, dem Staat Schutzpflichten aufzuerlegen. Nach Wollenschläger und Bauschke enthält diese Schutzpflicht für Leib und Leben auch eine Pflicht zum Verbraucherschutz.162 Allerdings könne diese Schutzpflicht aufgrund der Ausrichtung des Grundgesetzes auf Freiheit nicht bedeuten, dass der Staat alle möglichen Risiken beseitigen muss163. Der Gesetzgeber muss einen weiten Gestaltungsspielraum behalten, sodass er seine Schutzpflicht erst verletzt, wenn er gar keine Schutzvorkehrungen ergreift oder nur vollständig ungeeignete.164 Gegen die Erfassung von Verbraucherschutz im Rahmen der Schutzpflicht für Leib und Leben spricht jedoch, dass Verbraucherschutz nicht lediglich den Schutz vor gesundheitlichen Gefahren beinhaltet. Verbraucherschutz ist auch die Information auf einer Fleischverpackung, wo das Tier herkam und wo es geschlachtet wurde. Oder die Kennzeichnung am Ei, ob das entsprechende Huhn in Bio-, Freiland- oder Bodenhaltung gelebt hat. Dies sind keine Fragen des Gesundheitsschutzes, sondern eher solche des persönlichen Empfindens jedes einzelnen Verbrauchers und somit nicht unter den Lebens- und Gesundheitsschutz des Art. 2 II 1 GG zu subsumieren. Eine allgemeine Pflicht zum Verbraucherschutz in seinem umfassenden Sinne kann der Schutz für Leib und Leben somit nicht umfassen, eine Schutzpflicht vor konkreten Gesundheitsbeeinträchtigungen allerdings schon. Art. 2 II 1 GG beinhaltet somit zumindest einen Teilaspekt des Verbraucherschutzes. 2. Herleitung aus der Privatautonomie Eine weitere Möglichkeit zur Herleitung des Verbraucherschutzes aus der Verfassung stellt nach Ansicht Wollenschlägers die Privatautonomie aus 161  BVerfGE

39, 1. Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 95; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (41). Zumindest eine Pflicht zur Information des Verbrauchers leitet Kube, ZLR 2007, 165 (183) aus Art. 2 II 1 GG ab. Vgl. auch Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 143. 163  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 96. 164  So allgemein zur Schutzpflicht aus Art. 2 II 1 GG: BVerfGE 77, 170 (214, 215); 88, 203 (262); 96, 56 (64). 162  Bauschke,

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

Art. 2 I GG dar.165 Denn nur ein informierter Verbraucher könne eine wirklich bewusste freie Entscheidung treffen und somit auch seine Vertragsfreiheit verwirklichen.166 Markttransparenz durch Verbraucherschutz sei daher eine Voraussetzung für die Vertragsfreiheit der Verbraucher167. Auch das Bundesverfassungsgericht hat aus der Privatautonomie und dem Sozialstaatsprinzip hergeleitet, dass – zumindest im Zivilrecht – „nicht das Recht des Stärkeren“ gelte.168 Eine Schutzpflicht, die wie oben festgestellt169 eine begründungsbedürftige Ausnahme ist, ergibt dies zwar nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht. Es zeigt jedoch einen gewissen Stellenwert des Verbraucherschutzes in der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes. Man könnte aber auch annehmen, dass die Privatautonomie dem Verbraucherschutz gerade diametral entgegenstünde. Denn durch Verbraucherschutz wird auch der Verbraucher in seiner Vertragsfreiheit teilweise eingeschränkt.170 So kann der Verbraucher etwa auf sein Widerrufsrecht aus §§ 355 ff. BGB in der Regel nicht wirksam verzichten171, um beispielsweise einen besseren Preis zu erzielen. Zudem schützt die Privatautonomie auch Unternehmer, die etwa die Widerrufsmöglichkeit nach § 355 BGB grundsätzlich nicht abbedingen können.172 Dieser Schutz gilt in Verbindung mit Art. 19 III GG selbst dann, wenn es sich um juristische Personen handelt.173 Verbraucherschutz steht folglich jedenfalls dann der Privatautonomie entgegen, wenn es um den Schutz der Privatautonomie der Unternehmer geht. Deshalb ist es richtig, Verbraucherschutz als Ausfluss der Privatautonomie nur in einem engen Rahmen anzunehmen. Somit ist Verbraucherschutz ebenfalls nicht umfassend durch die Privatautonomie geboten, sondern höchstens im Rahmen einer Kontrolle „fundamentalen Ungleichgewichts“174

165  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (41). Ähnlich Kube, ZLR 2007, 165 (183), der zumindest das Informationsinteresse des Verbrauchers in Art. 2 I GG geschützt sieht. 166  Vgl. Ott, in: Graf/Paschke/Stober, Staatlicher Verbraucherschutz und private Unternehmerverantwortung, S. 5. 167  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (41). 168  BVerfG-Beschl., NJW 1994, 2749. 169  Siehe oben, I. 170  Vgl. Paschke, in: Graf/Paschke/Stober, Staatlicher Verbraucherschutz und private Unternehmerverantwortung, S. 39 (43). 171  Von § 355 BGB darf nur „zu Gunsten“ des Verbrauchers abgewichen werden, siehe dazu Stadler, in: Jauernig, BGB, § 355, Rn. 3. 172  Stadler, in: Jauernig, BGB, § 355, Rn. 3. 173  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 8. 174  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 23.



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oder missbräuchlichen Verhaltens175. Folglich wird höchstens ein kleiner Bereich des Verbraucherschutzes durch die Privatautonomie erfasst. 3. Herleitung aus der Meinungs- und Informationsfreiheit Auch Art. 5 I 1 GG, als Garantie der Meinungs- und Informationsfreiheit, könnte zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Verbraucherschutzes dienen. Die Meinungsfreiheit schützt die Freiheit der Teilnahme am Kommunikationsprozess.176 Dieser Schutz ist allerdings nur sinnvoll, wenn man die für den Kommunikationsprozess nötigen Informationen hat. Daher könnte man davon ausgehen, dass die für die Meinungsbildung notwen­ dige Verteilung von Informationen durch den Staat von der Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 Hs. 2 GG als Voraussetzung der Meinungsfreiheit mit umfasst ist. Denn die Informationsfreiheit soll gerade gewährleisten, dass eine gut informierte Öffentlichkeit besteht, die dadurch auch in der Lage ist, ihre „persönlichen und politischen“ Aufgaben zu bewältigen.177 Jeder soll sich „so weit wie möglich selbst informieren“ können, denn nur so kann die für eine Demokratie äußerst wichtige öffentliche Meinung entstehen.178 Daher erwächst nach Ansicht Bröhmers – entgegen der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts179 – eine dahingehende Schutzpflicht des Staates aus Art. 5 I 1 GG, dass der Staat ihm vorliegende Informationen in allgemein zugänglichen Quellen zur Verfügung stellen muss, wenn dies ohne nennenswerten ressourcenverzehrenden Aufwand möglich ist.180 Schwerdtfeger geht dabei sogar so weit, dass gerade auch bewertende Verbraucheraufklärung erfasst sei.181 Die „Herstellergrundreche“, beispielsweise Art. 12 und 14 GG, fänden in verbraucherschützenden Informationen ihre verfassungsimmanenten Grenzen.182 Für diesen Ansatz könnte sprechen, dass der 175  Paschke, in: Graf/Paschke/Stober, Staatlicher Verbraucherschutz und private Unternehmerverantwortung, S. 39 (43). 176  Vgl. Schemmer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5 I, Rn. 1. 177  BVerfGE 27, 71 (81). 178  Herzog, in: Maunz/Dürig, 67. Ergänzungslieferung, GG, Art. 5, Rn. 4, 9. 179  BVerfGE 103, 44 (59 ff.); BVerfG-Beschl., NJW 1986, 1243. 180  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 386, 387. 181  Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (725). 182  Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (724). Die verbraucherschützenden Informationen eher durch entgegenstehende Rechte Dritter begrenzt sehend: Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 241. Ein „in Ausgleich bringen“ der Interessen fordert: Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (600).

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

Staat vom Volk legitimiert ist, also auch das vom Staat gesammelte Wissen dem Volk „gehört“.183 Gegen eine Pflicht des Staates zur Eröffnung bestimmter ihm vorliegender Informationen spricht aber, dass der Kern der Informationsfreiheit abwehrrechtlich ist.184 Die Meinungs- und Informationsfreiheit soll primär vor Eingriffen des Staates in die Meinungsäußerung, -bildung und Informationsbeschaffung der Bürger schützen, nicht aber Ansprüche des Bürgers auf staatliche Informationen schaffen. Zudem sind die Datensammlungen von Behörden keine allgemein zugänglichen Quellen im Sinne des Art. 5 I GG.185 Dies werden sie erst durch entsprechende Bestimmung durch die zuständige Behörde.186 Auch daher kann kein Anspruch auf die Veröffentlichung dieser Daten bestehen. Darüber hinaus ist es gerade nicht Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit, einer bestimmten Sachpolitik, wie etwa dem Verbraucherschutz, Geltung zu verschaffen oder andere Grundrechte in ihrem Schutzbereich zu verengen.187 Deshalb gibt nach vielfach vertretener Auffassung die Meinungs- und Informationsfreiheit grundsätzlich keinen Anspruch auf Zugänglichmachung behördlicher Informationen.188 Und auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 10 I EMRK, der bei Auslegung des Grundgesetzes zu beachten ist189, muss die Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 Hs. 2 GG nicht anders ausgelegt werden: Denn Art. 10 I EMRK gewährt ebenfalls kein Recht darauf, dass der Staat seine gesammelten Daten veröffentlicht.190 Aufgrund des besonderen Gewichts des Verbraucherschutzes gibt es jedoch eine im Vordringen befindliche Meinung, die ein Mindestmaß an Informatio183  Wegener,

Der geheime Staat, S. 429. Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 103. Vgl. BVerwG, NJW 1983, 2954; OVG Münster, NJW 2000, 1968 (1969). 185  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 103; Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S. 270; Wendt, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn.  25. m. w. N.; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 60; Püschel, Informationen des Staates als Wirtschaftsgut, S. 138; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 340 m. w. N.; BVerwGE 47, 247 (252). Vgl. BVerfG, NJW 1986, 1243. 186  Trosch, Kommerzialisierung von Informationen, S. 270. 187  Vgl. BVerwGE 71, 183 (196). 188  VVDStRL 57 (1998), Aussprache, 274 (291); Schemmer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 32 m. w. N.; Püschel, Informationen des Staates als Wirtschaftsgut, S. 136, 137. I. E. ebenso: Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 103; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 60. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Herleitung von Informationsansprüchen: Gurlit, DVBl. 2003, 1119 (1121 ff.). 189  Vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 344. 190  EGMR, NVwZ 1999, 57 (58). 184  Bauschke,



D. Verbraucherschutz45

nen vom Staat auf Grundlage von Art. 5 I GG fordert.191 So sah der Bundesgerichtshof – und hierin folgte ihm selbst das Bundesverfassungsgericht192 – in seiner Entscheidung zur Stiftung Warentest die Verbraucheraufklärung als „aus volkswirtschaftlichen Gründen unerlässlich“ an.193 Dies ist im Wandel hin zur Informationsgesellschaft begründet194, in der der Bürger zunehmend auf Informationen angewiesen ist195. Die Grenze zur Informationspflicht sei insbesondere erreicht, wenn die Verwirklichung anderer Grundrechte von den Informationen abhängt196 oder bei „demokratiegefährdenden Defiziten des Informationsmarktes“197. Die Herleitung erfolgt dann oft nicht allein aus Art. 5 I 1 GG, sondern im Zusammenspiel mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip.198 Auch das Bundesverfassungsgericht verankerte einst einen „Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind“199 im Demokratieprinzip des Art. 20 I GG. Allein am Wortlaut des Art. 5 I 1 GG gemessen wäre die Verpflichtung des Staates, ein Mindestmaß an Informationen zu geben, eine sehr weite Auslegung. Mit der Untermauerung durch das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip ist die Anknüpfung an ein Mindestmaß jedoch eine Lösung, die im Zweck der Meinungs- und Informationsfreiheit auch schon angelegt ist. Ohne die Zugänglichmachung von Informationen hat die Garantie, bei der Informationsbeschaffung und der Meinungsbildung nicht beeinträchtigt zu werden, keinen Sinn. Die Zugänglichmachung muss unter anderem durch den Staat als größtem Informationsbesitzer erfolgen. Selbst wenn man jedoch ein Mindestmaß an staatlichen Informationen durch die Informationsfreiheit in Verbindung mit dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip als verbürgt ansieht, ist daraus noch kein umfassendes Verfassungsrecht auf Verbraucherschutz ableitbar. Denn das Mindestmaß 191  Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 424; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II, Rn. 221; Ähnlich: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 24; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (215); von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 70; Wendt, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 28. 192  BVerfGE 60, 234 (241). 193  BGHZ 65, 325 (332). 194  Vgl. Gröschner, VVdStRL 63 (2003), 344 (364); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II, Rn. 221. 195  Wie oben festgestellt unter C. II. 3. 196  Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 348. 197  Grote, KritV 1999, 27 (54). Ähnlich Herzog, in: Maunz/Dürig, 67. Ergänzungslieferung, GG, Art. 5, Rn. 101. 198  Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 354. Ähnlich Wendt, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 25. Eher das Demokratieprinzip für einschlägig haltend Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 24. 199  BVerfGE 103, 44 (65).

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

garantiert lediglich besonders „wichtige“ Informationen200. Dies kann bei Verbraucheraufklärung nicht allgemein angenommen werden. Zudem besteht Verbraucherschutz, wie oben schon festgestellt, auch nicht nur aus Information. Ein Teil der Verbraucheraufklärung, nämlich die demokratisch essentielle Information, ist jedoch über Art. 5 I 1 GG verbürgt.201 4. Herleitung aus dem Sozialstaatsprinzip als dem Recht der strukturell Schwächeren Teilweise wird auch versucht, den Verbraucherschutz aus dem Sozialstaatsprinzip herzuleiten202. Nach heutigem Verständnis des Sozialstaats sei der Verbraucherschutz eine „notwendige Ergänzung“ zu den klassischen staatlichen Aufgaben.203 Das Sozialstaatsprinzip soll für einen „gerechten Interessenausgleich“ sorgen, insbesondere bei strukturell Schwächeren wie den Verbrauchern204. Hierbei hat sich die im Rahmen des Sozialstaatsprinzips anerkannte Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers hin verlagert zu der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers.205 Das Sozialstaatprinzip beinhaltet auch das Schaffen von Markttransparenz206 und garantiert so einen großen Anteil von Information. Wenn zwischen Unternehmern und Verbrauchern ein „soziales Ungleichgewicht“ besteht, wäre somit die Folgerung möglich, dass der Staat die Pflicht hat, dieses auszugleichen.207 Dies kann auch durch Information geschehen.208 Allerdings ist das Sozialstaatsprinzip sehr offen gestaltet, sodass es viele Wege der Beeinflussung des Wirtschaftsgeschehens ermöglicht und nur unter anderem die Information der Verbraucher.209 So sind sozialstaatlich motivierte Maßnahmen in der Regel politische Entscheidungen.210 Konkrete Einzelelemente der Wirtschaftsordnung können daher nicht aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet werden211. Wendt, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 28. ähnlich: Windsheimer, Die „Information“ als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, S. 41. 202  Vgl. Schricker, GRUR Int. 1970, S. 40; Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 4; Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 37. 203  Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 20, Rn. 33. 204  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 139. Vgl. Breuer, in: HdBStR VIII, § 171, Rn. 34. 205  Bauschke/Korte, NVwZ 2003, 60. 206  Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (720). 207  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 112. 208  Vgl. Gurlit, DVBl. 2003, 1119 (1126). 209  Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (605). 210  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 113. 200  Vgl. 201  I. E.



D. Verbraucherschutz47

5. Herleitung aus dem Grundgesetz allgemein Der Verbraucherschutz kann dennoch aus den Grundrechten sowie verfassungsrechtlichen Prinzipien in Einzelaspekten hergeleitet werden. Denn neben den bislang angesprochenen typischen Aspekten des Verbraucherschutzes, die tatsächlich gewisse Teile des Verbraucherschutzes beinhalten, dienen auch fast alle anderen Grundrechte den Verbrauchern, da sich vielfach die rechtlichen Positionen der Konsumenten gegenüber dem Staat in ihnen widerspiegeln.212 So darf zum Beispiel nach Art. 1 I GG auch der Verbraucher nicht zum Objekt staatlichen Handelns degradiert werden, da der Verbraucher Teil der Gruppe „Mensch“ ist.213 Art. 2 I GG gewährt auch dem Verbraucher Handlungsfreiheit214, der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG löst verbraucherrechtliche Fragen215. Art. 14 GG schützt auch das Eigentum des Verbrauchers.216 Sogar das Rechtsstaatsprinzip enthält verbraucherrelevante Prinzipien, zum Beispiel die Rechtssicherheit und den Bestimmtheitsgrundsatz.217 Gerade weil Verbraucher keine bestimmte Bevölkerungsgruppe sind, sondern jeder temporär Verbraucher ist, können alle Grundrechte in der entsprechenden Situation dem Schutz des Verbrauchers dienen. Konkrete Verbraucherrechte wären in unserer Verfassung auch überraschend: Denn Verbraucherinteressen sind typischerweise diffus, da sie auf ganz verschiedene Güter und Leistungen gerichtet sind. Deshalb nützt es auch nicht viel, den Verbraucherschutz einzeln festzuschreiben218. Den konkreteren und im Einzelfall besseren Schutz können die einzelnen Grundrechte bieten, ohne den Verbraucher selbst dabei zu nennen. Im Ergebnis wird der Verbraucherschutz im Grundgesetz nicht als Spezifikum gewährleistet, weder als umfassende staatliche Schutzpflicht noch in Form konkreter Rechte.219 Aus der vorangehenden Betrachtung wurde aber deutlich, dass aus mehreren Verfassungsnormen einzelne Aspekte des Ver211  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 112; Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (604). 212  Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (598); Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 37. 213  Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (598). 214  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 140. 215  Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (599). 216  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 1. 217  Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 114. 218  Vgl. Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 38, 183. 219  I. E. ebenso: Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 89; Stober, in: FS für Lukes, S. 591 (596, 598). Vgl. Becker, ZLR 2011, 391 (415); Püschel, Informationen des Staates als Wirtschaftsgut, S. 152.

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

braucherschutzes abgeleitet werden können. Zusammen ergeben diese Einzelaspekte ein stimmiges Bild des Verbraucherschutzes: Art. 2 II 1 GG garantiert den Schutz von Leben und Gesundheit, Art. 2 I GG gewährleistet die Freiheit der Verbraucher zu selbstbestimmten Entscheidungen, Art. 5 I 1 GG garantiert die hinreichende Information der Verbraucher. Zudem be­ inhalten auch andere Grundrechte und Verfassungsprinzipien den Schutz des Verbrauchers, da dieser Teil der Gruppe „Mensch“ ist. In der Gesamtschau ist der Verbraucherschutz damit als grundlegendes Prinzip vom Grundgesetz geschützt220 und kann als verfassungsimmanentes Pendant oder sogar Korrektiv zum Schutz der Unternehmer aus Art. 12 I GG gesehen werden. Damit ist der Verbraucherschutz trotz nicht vorhandener Nennung desselben aus dem Grundgesetz herleitbar. Obwohl diese Herleitung auf den ersten Blick etwas unbestimmt und extensiv erscheinen mag, ist es nicht erstrebenswert, den Verbraucher(-schutz) ins Grundgesetz aufzunehmen. Denn einerseits würde dies nicht mehr als einen allgemeinen Programmsatz und damit nicht mehr Schutz für die Verbraucher schaffen, als durch die einzelnen Artikel des Grundgesetzes sowieso schon besteht. Und andererseits wäre es nicht sinnvoll, bei jeder aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung das Grundgesetz dahin gehend zu ändern oder zu erweitern, da dies zu Unübersichtlichkeit und somit letztlich zu weniger Transparenz führen würde. Weniger Transparenz wiederum würde weniger Schutz des Verbrauchers bedeuten.

II. Verbraucherschutz auf europäischer Ebene Der verfassungsrechtliche Stellenwert von Verbraucherschutz könnte aus dem europäischen Recht eine zusätzliche Stütze erhalten. Denn europäisches Primärrecht hat gegenüber dem innerstaatlichen Recht Anwendungsvorrang221 und kann damit richtungsweisend sein. Zudem ist das Grundgesetz europarechtsfreundlich auszulegen.222 Auch daher ist der Stellenwert des Verbraucherschutzes im europäischen Recht auf deutscher verfassungsrechtlicher Ebene zu beachten. Auf europäischer Ebene ist – nach dem Vorbild anderer Verfassungen Europas223 – seit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1993 der Verbrau220  I. E. ebenso: Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 145, 183; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (41). A. A. Wiemers, ZLR 2009, 413 (421); Becker, ZLR 2011, 391 (415). 221  BVerfGE 73, 339 (375) – Solange II. Unklar ggü. dem GG, ausführlich dazu Schweitzer, StaatsR III, Rn. 69 ff. 222  BVerfGE 123, 267 (347) – Lissabon. 223  Z. B. Art. 97 der Verfassung der Schweiz (seit 1981 als eigener Artikel) oder Art. 51 der Spanischen Verfassung.



D. Verbraucherschutz49

cherschutz ausdrücklich festgeschrieben. Im AEUV ist dem Verbraucherschutz mittlerweile sogar ein eigener Titel XV mit einem einzigen Artikel (169 AEUV) gewidmet. Dieser besagt, dass die Union einen Beitrag zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet. Genannt wird Verbraucherschutz zusätzlich in Art. 12 AEUV, wonach der Verbraucherschutz bei der Festlegung der Unionspolitiken zu beachten ist, und in Art. 114 III AEUV, der ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes als Ausgangspunkt festschreibt. Ebenfalls erwähnt wird der Verbraucher, so etwa in Art. 39 I lit e) und 40 II Unterabs. II AEUV im Rahmen der Agrarpolitik sowie in Art. 101 III ­AEUV, wo es um Vereinbarungen von Unternehmen geht, die den Binnenmarkt gefährden können. Dennoch gehen die Verbürgungen des Verbraucherschutzes auf europäischer Ebene nicht ganz so weit, wie es aufgrund dieser Begriffsnennungen zunächst scheint. So legt Art. 12 AEUV fest, dass den „Erfordernissen des Verbraucherschutzes […] Rechnung getragen“ werden muss. Damit ist aus Art. 12 AEUV kein besonders hochwertiger Verbraucherschutz ableitbar, er wird nur zu einem Aspekt, der mit anderen abzuwägen ist.224 „Rechnung tragen“ ist dabei nur ein geringer Verpflichtungsgrad225, der Handlungsspielraum bleibt groß226. Immerhin legt er als sogenannte Querschnittsklausel aber fest, dass der Verbraucherschutz gerade auch in anderen Politikbereichen, die nicht den Verbraucherschutz primär betreffen, zu beachten ist.227 Art. 169 AEUV bewirkt darüber hinaus, dass die EU Verbraucherschutz als Hauptziel einer Maßnahme bestimmen kann.228 Dies ist aber kein eigener Kompetenztitel der EU für den Erlass europäischer Regelungen, sondern zeigt nur die Unterstützungs- und Ergänzungsfunktion der Union gegenüber den Mitgliedstaaten im Bereich des Verbraucherschutzes.229 Dies ist auf einen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes begrenzt.230 Auch Art. 169 AEUV ist daher vor allem eine Optimierungs- und Abwägungspflicht, ein konkretes Schutzniveau bestimmt er nicht.231 Er legt Verbrau224  Calliess/Krebber,

in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 12, Rn. 1. in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 12, Rn. 2. 226  I. E. so auch Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 9. 227  Zum Verhältnis der Verbraucherschutznormen des EU-Rechts: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 169, Rn. 2. 228  Krebber, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 169, Rn. 2. 229  Krebber, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 169, Rn. 3. 230  Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV, Art. 169, Rn. 7; Krebber, in: Calliess/ Ruffert, AEUV, Art. 169, Rn. 10. 231  Ähnlich Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 7. 225  Calliess/Krebber,

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

cherschutz eher als Ziel fest, das unter anderem beinhaltet, die Voraussetzungen der Privatautonomie der Verbraucher zu sichern232. Ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes fordert aber Art. 114 III AEUV, in dem es um die Angleichung von Normen der Mitgliedstaaten geht, zumindest für die Kommission bei ihren Richtlinien-Vorschlägen. Zusätzlich legt auch die Europäische Grundrechtecharta, die nach Art. 6 I 1 EUV mittlerweile als primäres Unionsrecht festgeschrieben ist, in Art. 38 GRCh die Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch die Politik der Union fest. Dies hat gegenüber Art. 169 AEUV einen leicht erweiterten Schutzumfang und ist bei der Auslegung des AEUV zu beachten233. Da Art. 169 AEUV bloße Aufgaben- und Befugnisnorm ist, wird Art. 38 GRCh benötigt, um Eingriffe, etwa in die Unternehmerfreiheit, zu rechtfertigen.234 Dennoch beinhaltet Art. 38 GRCh keinerlei Anspruch235, sondern hat hauptsächlich Auslegungs- und Abwägungsfunktion236. Die Einhaltung dessen kann damit nur im Rahmen einer Inzidentkontrolle überprüft werden.237 Diese mittelbare Überprüfungsmöglichkeit kann so ebenfalls indirekt zur Verstärkung von Verbraucherrechten führen.238 Jedoch besteht auch hier ein großer Gestaltungsspielraum.239 Nach dem Wortlaut des Art. 38 GRCh muss dem Verbraucherschutz aber zumindest in der Abwägung ein hohes Gewicht zukommen.240 Trotz dieser Einwände gegen einen allzu hoch verstandenen Bedeutungsgehalt der Vorschriften für ein hohes Maß an Verbraucherschutz wird an der vergleichsweise häufigen Nennung des Verbraucherschutzes im europäischen Primärrecht deutlich, dass der Verbraucherschutz ein „zentrales Anliegen“ ist241 und sogar ein „eigenständiges Ziel der Unionspolitik“ ist242. Neben den offensichtlichen Gewährleistungen des Verbraucherschutzes im EU232  Krebber,

in: Calliess/Ruffert, GRCh, Art. 38, Rn. 2. in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 8. 234  Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 9. Vgl. Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 3. 235  Folz, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, GRCh, Art. 38, Rn. 3; Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 3. 236  Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 24. 237  Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 3. 238  Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 9. 239  Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 10,14. Dennoch Bezeichnung als Schutzgewährleistung bei: Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 2. 240  I. E. ebenso: Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 9. 241  Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 2. 242  Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 169, Rn. 3. 233  Pielow,



D. Verbraucherschutz51

Recht kann dieser außerdem – wie auch im deutschen Grundgesetz – aus vielen Einzelnormen in seinen Einzelaspekten hergeleitet werden, etwa aus Art. 3 I GRCh die Verbrauchergesundheit243. Zwar fehlt es für den Verbraucherschutz an konkreten Bestimmungen des Maßes. Festzuhalten ist jedoch, dass Verbraucherschutz im geschriebenen EU-Primärrecht eine Rolle spielt und in der Abwägung widerstreitender Interessen insbesondere aufgrund des Art. 38 GRCh als „hohes Gut“ gewürdigt werden muss. Auch auf europäischer Ebene kann damit von einem hohen Stellenwert des Verbraucherschutzes ausgegangen werden. Dies unterstützt den Stellenwert des Verbraucherschutzes in der deutschen Verfassung.

III. Funktionsfähigkeit von Verbraucherschutz durch Information Da es im Folgenden nicht allgemein um Verbraucherschutz gehen soll, sondern ganz speziell um Verbraucherschutz durch Information, ist noch zu klären, ob Information tatsächlich Verbraucherschutz bewirken kann und ob dies grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung der klassischen Steuerungsmittel darstellt. Ist dem nicht so, müsste der Wert von Verbraucherschutz durch Information und damit der Wert der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen in der später zu prüfenden Verhältnismäßigkeit trotz der verfassungs- und europarechtlichen Verankerung des Verbraucherschutzes im Allgemeinen niedriger angesetzt werden. 1. Das Verbraucherleitbild Um festzustellen, was für wirksamen Verbraucherschutz notwendig ist und ob Verbraucherschutz durch Information die gewünschten Wirkungen erzielen kann, muss man sich fragen, von welchem Verbrauchertypus man ausgeht. Das „Verbraucherleitbild“ zeigt deshalb die Sorgfalt an, mit der der Durchschnittsverbraucher konsumiert.244 Geht man von sehr geringer Sorgfalt aus, kann der Verbraucher durch Information kaum geschützt werden, da er sie vermutlich gar nicht zur Kenntnis nimmt. Von diesem Bild des „flüchtigen Durchschnittsverbrauchers“ gingen die deutschen Gerichte lange aus, nachdem einmal eine Verbraucherbefragung dazu stattgefunden hatte.245 Ganz anders sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Verbraucher: Er 243  Jarass,

GRCh, Art. 38, Rn. 5. Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 20. 245  Heck, Paradigmenwechsel im Lebensmittelrecht, S. 80. 244  Bauschke,

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

geht größtenteils246 von einer durchaus interessierten und verständigen Person aus, der die Rezeption von Information zugetraut werden kann.247 Teilweise wird zwar eine schleichende Abkehr von diesem europäischen Verbraucherleitbild erwogen, da sich im europäischen Recht auch viele paternalistische Ansätze zeigten.248 Überwiegend wird jedoch nach wie vor vom Bild des mündigen Verbrauchers auf europäischer Ebene ausgegangen.249 Im Lichte des Bildes eines mündigen Verbrauchers sind gerade solche Maßnahmen wichtig, die dem Verbraucher ermöglichen, sich selbst zu schützen, statt ihn zu bevormunden und ihn im Endeffekt sogar entgegen seinem Interesse einzuschränken.250 Auch das deutsche Verständnis des Verbrauchers wandelt sich langsam. Dies zeigt sich daran, in welchem Maße mittlerweile Verbraucherschutz durch Information betrieben wird251. Viele deutsche Gerichte gehen daher mittlerweile auch vom europäischen Verbraucherleitbild aus.252 Ein tatsächlich einheitliches Verbraucherleitbild gibt es auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene bislang nicht.253 Sinnvoll ist daher eine differenzierte Herangehensweise: Je nach Situation und Relevanz der anstehenden Entscheidung (Kosten-Nutzen-Abwägung) ist der heutige typische Verbraucher manchmal ein flüchtiger Verbraucher und manchmal ein mündiger Verbraucher.254 Information kann daher Teil eines funktionierenden Verbraucherschutzes sein, erreicht aber nicht jeden Verbraucher in jeder Situation. Daher darf Information für einen wirksamen Verbraucherschutz immer nur ein Zusatzinstrument sein. Information muss die verschiedenen 246  Eine Ausnahme benennt Hahn, in: FS für Horst, S. 1 (3), und schließt deshalb auf ein heterogenes europäisches Verbraucherleitbild. 247  Näheres dazu bei Grube, Verbraucherschutz durch Lebensmittelkennzeichnung?, S.  99 ff. 248  Meisterernst/Muffler, ZLR 2013, 25 (36); Streinz, in: FS für Horst, S. 45 (47, 51 ff.). 249  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 7, Rn. 18; Khan/Eisenhut, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, AEUV, Art. 169, Rn. 5; Pfeiffer, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 169, Rn. 22. 250  So auch Heck, Paradigmenwechsel im Lebensmittelrecht, S. 95. 251  Ein weiteres Beispiel neben dem Lebensmittelrecht ist etwa das Pflege- und Heimrecht. 252  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 7, Rn. 18. Nachweise aus der Rechtsprechung bei Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht, S. 22. Vgl. aktuell auch BGH, Urt. v. 12.2.2015  – I ZR 36/11, juris, Rn. 22 ff. 253  Pielow, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 38, Rn. 13. 254  Grube, Verbraucherschutz durch Lebensmittelkennzeichnung?, S. 112, 113. Ähnlich zum europäischen Verbraucherleitbild: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 169, Rn. 22.



D. Verbraucherschutz53

Verbrauchergruppen berücksichtigen255, dem interessierten und konsumgeschulten Verbraucher hinreichend viele Informationen geben, diese aber auch für den weniger interessierten Verbraucher so aufbereiten, dass das Wesentliche der Information sofort erkennbar ist. Dafür können verschiedene Informationsebenen geschaffen werden, wie etwa beim noch zu erläuternden Pankower Smiley-Modell256. Im Hinblick auf den typischen Verbraucher ist Information damit grundsätzlich eine gute Ergänzung zu klassischem staatlichen Handeln. 2. Vor- und Nachteile von Steuerung durch Information Steuerung durch Information wird jedoch insgesamt vielfach kritisiert. Folgte man dieser Kritik, müsste dies ebenfalls den Wert von Verbraucherschutz durch Information vermindern. Beim Handeln durch informelle Steuerung besteht die Gefahr, dass der Staat sich rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Bindungen entziehen könnte257. Denn unsere Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien passen von ihrer Struktur und Systematik nicht auf informatorisches Handeln, sondern sind auf den klassischen Eingriff ausgerichtet.258 Beispielhaft ist dafür etwa das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage. Auch die Kategorien Verwaltungsakt und Realakt, an denen sich im Verwaltungsrecht die Verfahrensvorschriften orientieren, passen nicht recht. Da gerade informales Verwaltungshandeln zu schweren Eingriffen führen kann, die in ihrer Wirkung kaum absehbar sind,259 ist dies problematisch. Dem kann jedoch entgegengewirkt werden, indem man Information als Grundrechtseingriff anerkennt oder staatliche Information gesetzlich als Realakt ausgestaltet und insgesamt gerade bei Informationshandeln in starkem Maße auf Anforderungen wie die Verhältnismäßigkeit oder auch den möglichen Rechtsschutz achtet.260 Gerade bei weichen Steuerungsformen ist damit ein gewisser „Rahmen“ nötig261, aber auch ausrei255  Günther, VuR 2003, 25 (30); Grube, Verbraucherschutz durch Lebensmittelkennzeichnung?, S. 124. 256  Erläuterungen und Abbildung unter Kap. 2, B. III. 1. 257  Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), ZLR 2009, 767 (769); Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (439); von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 58. Diese Gefahr, insbesondere bezüglich des möglichen Rechtsschutzes, sieht auch: Theis, DVBl. 2013, 627. 258  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357. 259  Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 288. Dazu näher unter Kap. 3, B. II. bei „Bagatellgrenze“. 260  Vgl. Hassemer, in: FS für Achenbach, S. 107 (112). 261  Vgl. Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (87, 88); Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 287, 294, der von einer Rationalisierung des

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

chend, um rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Kritisiert wird an Steuerung durch Information des Weiteren, dass eine staatliche Aufgabe auf die Bürger abgewälzt werden würde.262 Dies ist so nicht richtig, denn die Verantwortung für die konkrete Gefahrenabwehr trägt weiterhin der Staat durch Anwendung klassischen Ordnungsrechts. Zudem hat der negativ besetzte Begriff „Abwälzen“ auch eine positive Seite: die Einbeziehung der Bürger, die ohnehin mehr Beteiligung fordern und weniger handeln „von oben herab“263. Dies kann in Ermangelung des Zwangsmoments eine bessere Akzeptanz schaffen.264 Mit dieser Beteiligung der Informationsrezipienten kann es allerdings zu weniger staatlicher Autorität265 und zu noch mehr Undurchsichtigkeit staatlichen Handelns kommen, da dies außerhalb der üblichen Handlungsbahnen liegt und damit nicht so leicht nachvollziehbar ist.266 Andererseits wird gerade für das Wissen der Bürger über mögliche Beteiligungsformen sehr viel Information betrieben. Dies müsste für die Transparenz der weichen Steuerungsmittel selber genügen. Zumindest die Steuerung durch Informationen ist vielfach effektiver als klassisches Ordnungsrecht. So können darüber Ziele erreicht werden, die über Normierungen nicht hätten erreicht werden können, weil sie über das gesetzlich Gebotene hinausgehen267 oder aufgrund der sinkenden Steuerungsfähigkeit des Rechts durch traditionelle Steuerungsmittel einfach nicht mehr erreichbar sind268. Dies kann an einigen Zahlen verdeutlicht werden: In Deutschland ist die Beanstandungsquote bei Lebensmittelkontrollen seit den (Informations-)„Prangers“ durch die Aufnahme in den Kanon rechtsstaatlicher Handlungsformen ausgeht. 262  Vgl. Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284 (307). 263  Dies wird beispielhaft daran deutlich, dass nach einer Emnid-Umfrage von 2013 87 % der Befragten Volksentscheide auch auf Bundesebene forderten; Statistik einsehbar unter https://www.volksentscheid.de/emnid-umfrage-volksabstimmungen. html (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 264  Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 23; Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (79); Willke, Entzauberung des Staates, S. 67. 265  Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (79). 266  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 14; Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 23. 267  Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (79). An einem Beispielsfall verbildlicht von der Fachgruppe Nord der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Lebensmittelrecht, ZLR 1995, 532 ff. 268  Augsberg, DVBl. 2007, 733 (734). Vgl. Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band  I, S. 823 (854).



D. Verbraucherschutz55

neunziger Jahren etwa gleichbleibend hoch269, obwohl etwa durch die Verwendung eines risikobasierten Ansatzes die Kontrollen effektiver gestaltet wurden. Die Beanstandungsquote in Dänemark, Toronto und New York hingegen ist seit Einführung eines Informationssystems über die Kontrollergebnisse deutlich zurückgegangen.270 Möglicherweise ist weiche Steuerung das einzige adäquate Mittel, der neuen Komplexität und den daraus erwachsenden Gefahren entgegenzutreten. Diesen Zweck weicher Handlungsmittel hat man auch in Deutschland schon seit einiger Zeit erkannt: Schon 1999 schrieb Ritter, dass man teilweise auf den „öffentlichen Druck“ weicher Sanktionsmittel baue271. Damit ist auch die Wirkung von Steuerung durch Information beschrieben. Sie funktioniert über Personen, die die Information zur Kenntnis nehmen und daraufhin in einer bestimmten Richtung handeln. Dies wird im Verwaltungsrecht vielfach als „Naming and Shaming“ abgelehnt; im Strafrecht hingegen sowie im ausländischen Recht wird es als „erstaunlich wirksames“ Sanktionsmittel diskutiert.272 Nach Waldhoff könnte dadurch eine interessante „Erweiterung der Sanktionspalette“ bevorstehen.273 Aus der Wirkungsweise von Information, die nur durch das Verhalten der Infomationsrezipienten entsteht, ergibt sich aber zugleich ein Problem der Steuerung durch Information. Weiche und harte Steuerung nur alternativ einzusetzen, scheidet aus; denn nur klassisches Ordnungsrecht kann verlässlich konkrete Gefahrenlagen beseitigen.274 Information hingegen wirkt nicht absolut verlässlich, da die Wirkung immer nur durch die Rezeption der Information durch den Verbraucher entsteht, dem es dann frei steht, wie er handelt.275 Zudem braucht Information auch Zeit, bis sie die entsprechenden Personen erreicht hat und diese dann handeln, beispielsweise indem sie ein bestimmtes Restaurant nicht mehr aufsuchen. Deshalb darf gerade im Hinblick auf verlässlichen Verbraucherschutz Information nie klassische Maßnahmen substituieren.276 Daher soll die Information lediglich zusätzlich zu 269  Zahlen einsehbar unter: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­ sicherheit, BVL Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2006, S. 62. Ausführlich zu den Zahlen siehe unter Kap. 5, A. III. 1. 270  Ausführlich dazu siehe unter Kap. 5, A. II. 1. 271  Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, 69 (82). 272  Waldhoff, JuS 2013, 860 (862) m. w. N. 273  Waldhoff, JuS 2013, 860 (862). 274  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1361). Vgl. BVerfGE 105, 279 (308); Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (52). 275  Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 23. Holzner, DVBl. 2012, 17 (19) befürchtet auch unverhältnismäßige Folgen, bspw. bei der vollständigen Veröffent­ lichung von Lebensmittelkontrollergebnissen mancher Betriebe. 276  Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), ZLR 2009, 767 (768, 769, 771); Rabe, in: FS für Horst, S. 289 (293).

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

konkreten Gefahrenabwehrmaßnahmen verwendet werden, um deren Schlagkraft zu verstärken.277 So kann beispielsweise neben der Verbraucher­ information noch ein Bußgeld verhängt oder sogar ein Strafverfahren eingeleitet werden. Im Fall grober oder wiederholter Verstöße greift nach derzeitiger Rechtslage ohnehin klassisches Ordnungsrecht, etwa die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO.278 Damit kann jedoch der Eindruck einer „Doppelbestrafung“ entstehen.279 Dennoch sind weiche Steuerungsmittel neben den klassischen Maßnahmen wichtig, da sie langfristig und abgesehen von konkreter Gefahrenabwehr effektiv sind. Art. 17 II, Unterabsatz 3, Satz  2 VO (EG) 178 / 2002 (sogenannte BasisVO)280 und Art. 55 I S. 2 VO EG 882 / 2004281 verpflichten die EU-Mitgliedstaaten sogar, für Maßnahmen zu sorgen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. Andererseits müssen nach § 17 AVV Rahmen-Überwachung282 bei ernsten Risiken für die menschliche Gesundheit283 unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, was zumeist klassisches Ordnungsrecht sein wird. Dasselbe gilt dort, wo der Staat verfassungsrechtliche Schutzpflichten hat.284 Sinnvoll erscheint damit ein Nebeneinander weicher und harter Steuerungsmechanismen.285 Aufgrund dieses Nebeneinanders ist auch keine Relativierung gesetzlicher Regelungen286, die Abkehr von staatlicher Kontrolle287 oder ein Vertrauensverlust in die staatliche Lebensmittelüberwachung288 zu befürchten. Ganz 277  Schink,

Rechtsgutachten, S. 34. BLJ 2013, 8 (13). 279  Diese Gefahr sieht Wiemers, ZLR 2009, 413 (423). 280  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.  Januar 2002, ABl. 2002, L 31/1. 281  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kon­ trollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29. April 2004, ABl. 2004, L 191/1. 282  Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften. 283  Das Vorliegen dieser bestimmt sich ebenfalls nach EU-Recht, siehe Art. 50 BasisVO. 284  Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 23. 285  Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 23. Ebenso von einem Nebeneinander ausgehend: VG München, Beschl. v. 17.1.2013 – M 18 E 12.5870, juris, Rn. 49. 286  So schon vor 27 Jahren die Befürchtung bei: Bauer, VerwArch 78 (1987), 241. 287  Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 124. 288  So meint es wohl Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (435). 278  Raspé,



D. Verbraucherschutz57

im Gegenteil hat es sogar noch den Effekt, die bestehende „Gesetzesflut“ nicht noch ausufern zu lassen. Denn diese führt ebenfalls zu Intransparenz. Staatliche Steuerung durch Information birgt damit die Gefahr der Umgehung rechtsstaatlicher Anforderungen. Dies bedeutet aber nicht, dass weiche Handlungsformen generell nicht mehr genutzt werden sollten. Das gilt gerade aufgrund der schon angesprochenen offenen Ausgestaltung des Grundgesetzes, die ermöglichen soll, auch mit aktuellen Entwicklungen „mitzu­ge­ hen“289. Aus der Entwicklung hin zu weichen Steuerungsmodellen, ist auch ein gewisses Bedürfnis danach abzulesen. Schon jetzt bestehen mehr informationsrechtliche Folgen bei Lebensmittelverstößen, neben den Auskünften nach LFGB und VIG etwa durch das europäische Schnellwarnsystem RASSF290, als es klassische Sanktionsmaßnahmen, wie Bußgeld- oder Strafverfahren und Verwaltungsmaßnahmen, beispielsweise die Änderung der Risikoeinstufung, gibt.291 Regelmäßig wird die weitreichende Verrechtlichung in Deutschland kritisiert292, die Wirksamkeit gerade von Verbraucherschutzinstrumenten bezweifelt293, rein staatliche Lenkung „misstrauisch beäugt“294 und neue Steuerungsformen gefordert295. Die Bürger fordern Beteiligung und fühlen sich von den Entscheidern verlassen.296 Klassische verwaltungsrechtliche Maßnahmen passen daher kaum noch auf den derzeitigen „Steuerungsbedarf“ in der Gesellschaft.297 Durch weiche Steuerungsformen könnte eine neue Form des Verhältnisses zwischen Bürgern und Staat entstehen. Sie können aber auch zu schweren Grundrechtseingriffen führen und bedürfen daher einer guten rechtsstaatlichen Einbettung. Zudem dürfen sie nicht zu mehr Undurchsichtigkeit staatlichen Handelns führen und erfordern deshalb als Ausgleich ein hohes Maß an Transparenz. Aufgrund der Bedeutung weicher Handlungsformen muss dieser Transparenzverlust jedoch akzeptiert und durch hinreichend Informationen so gut wie möglich ausgeglichen werden. Festgehalten werden kann daher, dass Informationsabgabe eine sinnvolle Ergänzung klassischen staatlichen Handelns ist. Sofern man dem dargestellten differenzierenden Verbraucherleitbild oder sogar dem Leitbild des münScholz, APuZ 1999 (16), 3 (5). Alert System Food and Feed. 291  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 3, Rn. 6. 292  Vgl.  Maier, NJW 1989, 3202 (3204); Hill, in: Hilterhaus/Scholz, Rechtsstaat, Finanzverfassung, Globalisierung, S. 129. 293  Pfeiffer, NJW 2012, 2609 (2612). 294  Frenz, ZG 2002, 226 (227). 295  Di Fabio, JZ 1993, 689 (690). 296  Stichwort „Volksentscheide auf Bundesebene“, siehe oben Fn. 263. 297  Holle, Normierungskonzepte im Lebensmittelrecht, S. 24. 289  Vgl.

290  Rapid

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1. Kap.: Verbraucherschutz durch Transparenz

digen Verbrauchers folgt, kann durch Information ein Schutz des Verbrauchers erreicht werden. Der Stellenwert von Verbraucherschutz durch Information wird damit durch die starke Kritik daran nicht geschmälert, da die Vorteile die Nachteile überwiegen.

E. Zusammenfassung zu Verbraucherschutz durch Transparenz Zweck der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist Verbraucherschutz durch Transparenz. Daher wurde der Stellenwert dieser beiden Ziele insbesondere in Bezug auf das Grundgesetz einleitend untersucht. Transparenz staatlichen Handelns ist der Grundgedanke zahlreicher Bestimmungen des Grundgesetzes, wie zum Beispiel der Regelungen zum Gesetzgebungsverfahren und der Einzelelemente des Rechtsstaatsprinzips wie Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes oder des Rückwirkungsverbots, und liegt unserer Verfassung somit zugrunde. Transparenz staatlichen Handelns gewinnt in letzter Zeit an Relevanz. Dies liegt an mannigfaltigen Aufgabenverlagerungen vom Parlament weg, zum Beispiel hin zu überstaatlichen Organisationen, aber auch zu Gerichten, und so an einem Verlust staatlicher Steuerungsfähigkeit. Hinzu kommen innerstaatliche Handlungsverlagerungen zu weichen Steuerungsformen und der gesellschaftliche Wandel zur Informationsgesellschaft. Dies führt insgesamt zu immer mehr Komplexität staatlicher Handlungen und immer weniger Nachvollziehbarkeit und infolgedessen zu Politikverdrossenheit und einer Demokratieverringerung. Mehr Transparenz kann hier Abhilfe schaffen. Auch Verbraucherschutz, der, sofern er durch Information stattfindet, Transparenz bewirkt, gewinnt an Bedeutung. Dies kann ebenfalls auf die zunehmende gesellschaftliche Komplexität zurückgeführt werden. Denn in einem zusammenwachsenden globalen Markt entsteht für den Verbraucher immer mehr Unübersichtlichkeit. Diese führt zu Unsicherheit beim Verbraucher, was wiederum bewirkt, dass der Staat die Steuerungsfähigkeit eines mündigen, bewusst anhand des Preis-Leistungs-Verhältnisses entscheidenden Verbrauchers nicht nutzen kann. Für funktionsfähigen Wettbewerb ist der Verbraucher und somit auch sein Schutz sehr wichtig. Deshalb ist es richtig, dass Verbraucherschutz auch verfassungsrechtliches Gewicht hat. Zwar wird der Verbraucherschutz im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt. Jedoch spricht eine Zusammenschau von Art. 2 II 1, 2 I, 5 I 1 GG durch Verbürgung der jeweiligen Einzelaspekte für einen Verbraucherschutz. Zusätzlich kann der Verbraucherschutz aus zahlreichen anderen Bestimmungen der Verfassung abgeleitet werden, die unter anderem auch den Konsu-



E. Zusammenfassung zu Verbraucherschutz durch Transparenz 59

menten schützen. Insgesamt ergibt dies einen umfassenden Verbraucherschutz. Auch auf der supranationalen europäischen Ebene ist der Verbraucherschutz ein wichtiges Abwägungsgut und wird sogar konkret als solcher in den Verträgen genannt. Dies unterstützt aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes die Herleitung des Verbraucherschutzes aus dem Grundgesetz. Im Rahmen des Verbraucherschutzes ist von einem differenzierenden Verbraucherleitbild auszugehen, bei dem jeder manchmal mündiger und manchmal flüchtiger Verbraucher ist. Für diesen Verbrauchertypus ist Information sinnvoll und kann zum Schutz der Verbraucher beitragen. Verbraucherschutz durch Information ist daher ein wirkungsvolles Mittel, dessen Vorteile die Nachteile überwiegen. Dies zeigt insgesamt den hohen Stellenwert von Verbraucherschutz allgemein einschließlich des Verbraucherschutzes durch Information innerhalb unserer Werteordnung. Damit ist nun die Voraussetzung geschaffen, um die Veröffentlichung von Lebensmittelkon­ trollergebnissen als eine Form des Verbraucherschutzes durch Information genauer untersuchen zu können.

Zweites Kapitel

Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen Im lebensmittelrechtlichen Bereich wird vorsorgende Gefahrenabwehr und damit auch Verbraucherschutz unter anderem über die Durchführung amtlicher Lebensmittelkontrollen erreicht. Um die Verfassungsmäßigkeit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen bewerten zu können, soll zunächst ein kurzer Überblick über die Kontrollinhalte und ihre rechtlichen Grundlagen gegeben werden. Denn die Kontrollen sind notwendige Grundlage der Lebensmittelkontrollergebnisse und können daher auch für die Verfassungsmäßigkeit relevant werden. Danach werden die verschiedenen Möglichkeiten der Ausgestaltung der Veröffentlichung dargestellt, da die Verfassungsmäßigkeit nur anhand konkreter Veröffentlichungsmodelle und nicht allgemein untersucht werden kann.

A. Amtliche Lebensmittelkontrollen Amtliche Lebensmittelkontrollen im hier interessierenden Sinne sind regelmäßig stattfindende, von der zuständigen Behörde durchgeführte Überwachungsmaßnahmen, bei denen die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften überprüft wird.1 Sie gehören zum Bereich des Lebensmittelrechts, also den Rechtssätzen, die den Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsschäden oder Täuschung im Lebensmittelbereich bezwecken.2 Kon­ trolliert werden im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrollen nach Nr. 1.2.2. Anlage I zur AVV-Rahmen-Überwachung3 mindestens: 1. Das Verhalten des Lebensmittelunternehmers; unter diesem Punkt kann zum Beispiel geprüft werden: – Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen, 1  Vgl.

Art. 2 Nr. 1 VO (EG) 882/2004; § 2 II Nr. 1, 2 AVV RÜb. Lebensmittelsicherheit als Aufgabe des Veterinär- und Lebensmittelrechts, S. 72. Siehe auch Definition in Art. 3 Nr. 1 VO (EG) 178/2002. 3  Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften, kurz AVV RÜb. 2  Knipschild,



A. Amtliche Lebensmittelkontrollen 61

– Rückverfolgbarkeit der Lieferwege von Lebensmitteln – Mitarbeiterschulung. 2. Die Verlässlichkeit der Eigenkontrollen; unter diesem Punkt kann zum Beispiel geprüft werden: – Nutzung von HACCP-Verfahren (= Hazard Analysis and Critical Control Points4) – Untersuchung von Produkten / Wareneingangskontrollen – Temperatureinhaltung bei der Warenlagerung. 3. Das Hygienemanagement; unter diesem Punkt kann zum Beispiel geprüft werden: – Bauliche und gerätetechnische Beschaffenheit – Reinigung und Desinfektion – Produktionshygiene – Schädlingsbekämpfung. Nach Anlage 2 zur AVV-Rahmen-Überwachung müssen hierbei die verschiedenen Kontrollaspekte je nach ihrer Bedeutung gewichtet werden. Die Beurteilungsmerkmale sind von den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften ableitbar5, sodass der Lebensmittelunternehmer seine diesbezüglichen Pflichten erkennen kann. Zur Aufklärung der Unternehmer über ihre lebensmittelrechtlichen Pflichten gibt es zudem zahlreiches, kostenloses und gut aufbereitetes Informationsmaterial etwa auf der Internetpräsenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft oder des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das Lebensmittelrecht ist stark von europäischen Vorschriften, insbesondere den unmittelbar geltenden Verordnungen, geprägt. So ist zum Beispiel die regelmäßige amtliche Kontrolle von Lebensmittelbetrieben nach risikobasiertem Ansatz über Art. 3 I VO (EG) 882 / 2004 vorgeschrieben. Risikobasiert bedeutet, dass eine Einstufung in Risikogruppen erfolgt und sich daran die Kontrollhäufigkeit orientiert.6 Nach Art. 8 IV VO (EG) 882 / 2004 kann die Europäische Kommission auch Leitlinien für die amtliche Überwachung festlegen. Art. 5 VO EG 852 / 2004 schreibt vor, dass Lebensmittelunternehmer HACCP-Verfahren einzurichten haben. Art. 14 I VO EG 178 / 2002 bestimmt allgemein, dass in den Verkehr gebrachte Lebensmittel sicher sein müssen. 4  Gefahrenanalyse und Festlegung kritischer Kontrollpunkte (durch den Unternehmer selbst). 5  Dies ist gemäß 1.2.1. lit a) der Anlage 1 zur AVV RÜb erforderlich. 6  Zur näheren Ausgestaltung dessen siehe Nr. 2 ff. Anlage 1 AVV RÜb.

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

Auch die Aufgabe des Lebensmittelrechts, Verbrauchern eine sachkundige Entscheidung bezüglich der Lebensmittel, die sie verzehren, zu ermöglichen, ist auf europäischer Ebene, in Art. 8 I VO (EG) 178 / 2002, geregelt. Aufgrund der ohnehin zahlreichen und zusätzlich europäischen Regelungen handelt es sich beim Lebensmittelrecht insgesamt um eine für den Bürger sehr unübersichtliche Materie. Zur Erleichterung des Verständnisses, und teilweise als Auslegungshilfe für den Unternehmer, bestehen zusätzlich noch Normen des Deutschen Instituts für Normung7 und Leitlinien8. Einige Bereiche, und dazu gehört die Sanktionierung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen, sind national geregelt. Zuständig für lebensmittelrechtliche Überwachungsmaßnahmen sind grundsätzlich die Bundesländer gemäß Art. 83 GG9 und § 38 I 1 LFGB. Die zuständige Behörde im Sinne des § 39 I 1 LFGB kann daher je nach Bundesland variieren, in der Regel aber obliegt in den Flächenstaaten die tatsächliche Ausführung der Überwachung den unteren Verwaltungsbehörden, was zumeist Ordnungs- und Polizeibehörden sind, während die oberste Landesbehörde die Lebensmittelüberwachung koordiniert und organisiert.10 So sind zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen die Kreisordnungsbehörde sowie die kreisfreien Städte zuständig für die Überwachungsmaßnahmen11, in Berlin die Lebensmittelaufsichtsämter der Bezirke12. Die Ermächtigungsgrundlagen für die einzelnen Aspekte der Betriebskontrollen in Lebensmittelbetrieben finden sich in den §§ 39 ff. LFGB, so etwa in § 42 II LFGB die Betretungsbefugnis oder die Probennahme. Die konkrete Durchführung ist in der AVV-Rahmen-Überwachung geregelt. Das im Rahmen von Lebensmittelkontrollen bewertete Verhalten ist größtenteils in Art. 4 II VO EG 852 / 2004 in Verbindung mit der Anlage II zu dieser Verordnung vorgeschrieben. Die dort aufgeführten Verhaltensweisen, die vom Lebensmittelunternehmer einzuhalten sind, sind jedoch nicht alle Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten13. Folglich sind ebenfalls nicht alle im 7  Z. B.: Din 10508 (Temperaturen für Lebensmittel), 10514 (Hygieneschulung), 10516 (Reinigung und Desinfektion), 10523 (Schädlingsbekämfpung), 10524 (Arbeitskleidung). 8  Z. B. vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband zu Basishygiene. 9  Vgl. Gatz/Peschau/Berner-Peschau, Ordnungsrecht für die kommunale Praxis, S. 194, Rn. 348. 10  Weck, Lebensmittelrecht, S. 49. 11  Nach § 5 III 1 LOG NRW i. V. m. § 1 I Nr. 1 ZustVOVS NRW. 12  Nach § 4 II AZG Bln, § 2 IV 1 ASOG Bln i. V. m. Nr. 16 II lit a)–e) ZustKat Ord Bln. 13  Die nationale Straf-/Bußgeldbewehrung ergibt sich über § 2 Verordnung zur Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte der euorpäischen Gemeinschaft (sog. Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung), erlassen vom BMELV.



B. Veröffentlichung der Ergebnisse63

Kontrollergebnis negativ bewerteten Zustände bußgeld- oder strafbewehrt. Dies ist relevant, da strafbare oder ordnungswidrige Tätigkeiten von manchen Schutznormen für den betroffenen Unternehmer möglicherweise nicht erfasst sein könnten. Wenn eine Gesundheitsgefahr des Verbrauchers gegeben ist, liegen aber in der Regel Straftaten vor, siehe §§ 58, 59 LFGB.14 Ordnungswidrigkeiten, geregelt in § 60 LFGB, die mit mehr als 200 € Bußgeld geahndet werden, folgt dabei nach § 149 II 1 Nr. 3 GewO eine Eintragung ins Gewerbezentralregister, was gewerberechtliche Maßnahmen ermöglicht. Die amtlichen Lebensmittelkontrollen betreffen alle Lebensmittelunternehmen, also auch die Produzenten von Lebensmitteln15. Lebensmittelunternehmer ist dabei jeder, der dafür verantwortlich ist, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem seiner Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden16. Im Folgenden soll es allerdings nur um den Lebensmittel-Einzelhandel gehen, also nur um solche Betriebe, die die Lebensmittel handhaben, be- oder verarbeiten und sie am Ort des Verkaufs oder der Abgabe an den Endverbraucher lagern; hierzu gehören Betriebskantinen, Großküchen, Verpflegungsvorgänge, Restaurants und ähnliche Einrichtungen der Lebensmittelversorgung, Läden, Supermarkt-Vertriebszentren und Großhandelsverkaufsstellen.17

B. Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen Die Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen wurden in Deutschland vor der Jahrtausendwende lediglich zur Einleitung klassischer verwaltungsrechtlicher Maßnahmen genutzt. Anders in den USA: Dort wurden in einzelnen Bundesstaaten oder Kommunen schon zuvor Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen öffentlich gemacht, in Los Angeles etwa durch Aushängung direkt in den Restaurants. Diesem Beispiel folgten in den gesamten Vereinigten Staaten von Amerika viele Kommunen und Bundesstaaten. Dabei bestehen viele verschiedene Veröffentlichungsformen. Neben der Aushängung von Bewertungskarten vor Ort gibt es auch Informationen im Internet beispielsweise in Form von Ampelfarben18, konkreter Kritik ohne 14  Kulow,

Hygiene-Vorschriften, S. 50. des „Lebensmittelunternehmens“ gemäß Art. 3 Nr. 2 VO (EG)

15  Definition

178/2002. 16  Definition gemäß Art. 3 Nr. 3 VO (EG) 178/2002. 17  Definition gemäß Art. 3 Nr. 7 VO (EG) 178/2002. 18  So bis Mitte 2013 in New Hampshire, derzeit hat das Veröffentlichungsmodell allerdings technische Probleme, Informationen zum Modell einsehbar unter: http:// www.dhhs.nh.gov/dphs/fp/inspectionresults.htm (Letzter Aufruf: 24.6.2016).

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

ein Gesamtbewertungsergebnis19, oder bloßer Angabe, ob gröbere Verstöße bei der Kontrolle vorlagen20. Mittlerweile ist die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen weit verbreitet: In Nordamerika findet etwa auch in vielen Landesteilen Kanadas eine Veröffentlichung statt21. In Europa veröffentlichen Dänemark und Großbritannien die Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen. So gibt es in Großbritannien landesweit die sogenannten „scores on the doors“, eine Bewertung an der Tür des Unternehmens und eine zusätzliche Veröffentlichung im Internet. Die Veröffentlichung enthält jeweils nur ein Gesamtergebnis und drei grobe Unterkategorien.22 Die Teilnahme der einzelnen Regionen an diesem Modell ist freiwillig. Als Vorbild der Veröffentlichung in Deutschland wird regelmäßig Dänemark herangezogen. Dort gibt es seit 2001 das sogenannte Smiley-Modell23: Hierbei wird – je nach Ergebnis der Kontrolle – einer von fünf Smileys mit unterschiedlich positiven Gesichtsausdrücken vergeben. Dieser muss mit der Punktzahl des Ergebnisses und einer Übersicht mit einer genauen Aufschlüsselung über das Abschneiden in den einzelnen Bewertungskategorien im Betrieb ausgehängt werden. Die Übersicht enthält außerdem das Abschneiden bei vergangenen Kontrollen. Die Ergebnisse werden zusätzlich im Internet veröffentlicht24. Bezüglich der Betriebsarten geht Dänemark dabei relativ weit und erfasst zum Beispiel auch Bäcker oder Fleischer. In Deutschland gibt es zur Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen des Lebensmittel-Einzelhandels bislang verschiedene Ausgestaltungen. Zunächst entstanden 2007 in Nordrhein-Westfalen und Zwickau freiwillige Systeme, bei denen positive Kontrollergebnisse durch einen Smiley veröffentlicht wurden. Im Frühjahr 2009 folgte dann ein Smiley-Pilotprojekt im Berliner Bezirk Pankow, der zunächst eine Positivund eine bebilderte Negativliste veröffentlichte, dann aber zu einer neutraleren Darstellung in einer einheitlichen Liste wechselte. Das Zwickauer 19  So etwa in Clay County in Missouri, einsehbar unter http://www.clayhealth. com/152/Food (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 20  So in Santa Barbara in Californien, einsehbar unter http://www.countyofsb. org/phd/environmentalhealth.aspx?id=20102&terms=inspection %20results (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 21  Beispielsweise in den Northwest Territories, wo man die Bewertungsbögen mit handschriftlicher Gesamtbewertung des Lebensmittelkontrolleurs einsehen kann, siehe unter: http://www.hss.gov.nt.ca/health/environment-and-your-health/food-estab lishment-inspection-results (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 22  Http://www.scoresonthedoors.org.uk/ (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 23  Modell einsehbar unter: http://www.foedevarestyrelsen.dk/english/Inspection/In spection_reports_food_establishments/Pages/default.aspx (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 24  Unter http://www.findsmiley.dk/en-US/Forside.htm (Letzter Aufruf: 1.7.2016).



B. Veröffentlichung der Ergebnisse65

Smiley-System wurde unterdessen schon wieder eingestellt. Im Sommer 2011 sollte ein berlinweites Transparenzmodell das Pankower Smiley-Modell ablösen. Dies geschah allerdings nur partiell, da mehrere Bezirke das leicht abweichende Pankower Modell oder den Verzicht auf eine solche Veröffentlichung präferierten. Auch das berlinweite Modell ist mittlerweile nicht mehr in Betrieb. Auch alle Bezirke, die nach dem Ende der berlinweiten Liste bezirkseigene Veröffentlichungslisten betrieben, haben diese mittlerweile eingestellt, zuletzt Lichtenberg im März 2014. Seit 2010 erwägt zudem der Bund ein deutschlandweit einheitliches Veröffentlichungsmodell von Lebensmittelkontrollergebnissen zu schaffen.

I. Veröffentlichungsmodell in Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen wurde von 2007 bis 2013 ein freiwilliges Smiley-System praktiziert, an dem Gaststätten und Betriebe zur Gemeinschaftsverpflegung, wie Betriebs- und Krankenhauskantinen, kostenlos teilnehmen konnten. Sofern sie bei den amtlichen Betriebskontrollen mindestens mit „gut“ bewertet wurden, erfolgte die Auszeichnung mit einem Smiley in einer PDF-Datei auf der Internetseite des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Verbraucherschutz. Eine Darstellung der genauen Bewertung („gut“ oder „sehr gut“) oder sogar eine Aufschlüsselung derselben wurde nicht veröffentlicht. Die einzelnen Prüfparameter wurden mit Noten von 1 für „sehr gut“ bis 5 für „nicht ausreichend“ bewertet. Eine Gesamtbewertung mit „gut“ und somit eine Smiley-Auszeichnung erfolgte, wenn kein Einzelpunkt mit „4“ oder „5“ bewertet werden musste und bei den Prüfungspunkten insgesamt ein Durchschnitt von „2“ erreicht wurde, wobei die Bewertung der Hygieneanforderungen für das Ergebnis doppelt gewichtet wurde. Sofern ein Betrieb die Kriterien für die Smiley-Auszeichnung nicht erfüllte, hatte er erst bei der nächsten Regelkontrolle wieder die Möglichkeit dazu. Die Feststellung, ob die Smiley-Auszeichnung erteilt wurde, war nicht rechtsbehelfsfähig. Dies ist möglich, da die Teilnahme am Smiley-Modell auf einem kooperativen statt eingreifenden Verhältnis beruhte. Ausgezeichnete Betriebe erhielten eine Bescheinigung mit ihrem Gesamtergebnis zur Aushängung in Ihrem Geschäft. Die Auszeichnung durfte bis zur nächsten amtlichen Kontrolle getragen werden und wurde dann entweder entzogen oder um das aktuelle Kontrolldatum ergänzt. Sofern keine aktuellen Kon­ trollergebnisse vorlagen, wurden die Ergebnisse der vergangenen zwei Kontrollen im Zeitraum der letzten drei Jahre zugrunde gelegt. Dieses Modell wurde 2008 ausgeweitet auf Betriebe, die „unverpackte und schnell verderbliche Lebensmittel“ an Endverbraucher verkaufen, beispielsweise

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

Bäckereien und Metzgereien.25 2013 wurde das freiwillige Smiley-Projekt jedoch beendet. An der freiwilligen Transparenz gab es zu wenig „Teilnehmer“, weshalb das Modell nicht zu einem nennenswerten Rückgang der Beanstandungen geführt habe.26 Daher gibt es seit Dezember 2013 ein gemeinsames Pilotprojekt in den Kommunen Duisburg und Bielefeld, das verpflichtend die Lebensmittelkontrollergebnisse veröffentlicht.27 Die Veröffentlichung erfolgt dabei nicht direkt durch staatliche Stellen, sondern durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Diese wird dabei allerdings vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz gefördert28. Die veröffentlichten Daten erlangt die Verbraucherzentrale durch Abfrage bei den zuständigen Stellen. Die Veröffentlichung erfolgt im Internet auf der Seite der Verbraucherzentrale oder mithilfe einer aufs Mobiltelefon geladenen Anwendung (App). Die Kontroll­ ergebnisveröffentlichung erfasst bislang nur Cafés, Imbisse, Restaurants und Hotels / Pensionen garni29, soll aber nach Beendigung der Pilotphase auf andere Betriebsarten erweitert werden. Inhalt der Veröffentlichung sind der Name und die Adresse des Betriebes, das Datum der Kontrolle und das Kontrollergebnis. Das Ergebnis wird dreifach dargestellt: mithilfe eines farbigen Kontrollbarometers, der Zahl der erlangten Minuspunkte sowie sprachlich durch die Aussage „Anforderungen erfüllt / teilweise erfüllt / nicht erfüllt“. Eine Aufschlüsselung in einzelne Unterergebnisse erfolgt dabei jedoch nicht, sodass der Informationsrezipient nicht weiß, was genau kontrolliert wurde und wie das Unternehmen dabei jeweils abgeschnitten hat. Im Einleitungstext zur Veröffentlichung – auf einer Seite, die man in der Regel vor der Seite mit den Ergebnisveröffentlichungen erreicht – heißt es immerhin, dass Hygienemanagement, Eigenkontrollen und Betriebsführung kon­ trolliert wurden. Einbezogen werden die seit dem 1. Juli 2012 gewonnenen Daten. Dem Einleitungstext nach findet eine regelmäßige wöchentliche Aktualisierung der Daten stattfinden. Bis Ende 2014 wurden in Duisburg 769 und in Bielefeld 497 Gastronomen erfasst, wobei sich 96 Prozent der 25  Zum gesamten Modell damals unter http://www.umwelt.nrw.de/verbraucher schutz/lebensmittel/smiley/index.php (Letzter Aufruf: 10.3.2014). 26  So die damalige Erklärung des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in NRW unter http://www.umwelt.nrw.de/ verbraucherschutz/lebensmittel/smiley/ (Letzter Aufruf: 10.3.2014). 27  Einsehbar unter http://www.vz-nrw.de/kontrollbarometer (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 28  Kritisch zu dieser Umgehung direkten staatlichen Handelns: Immel, ZLR 2014, 771. 29  Diese bieten neben der Beherbergung Frühstück, Getränke und höchstens kleine Speisen an.



B. Veröffentlichung der Ergebnisse67

Betriebe in Bielefeld und 92 Prozent in Duisburg im grünen Bereich befanden.30 Veröffentlicht wurden bislang allerdings nur die Ergebnisse der Betriebe, die keinen Widerspruch eingelegt haben.31 Künftig soll das Barometer neben der aktuellen Bewertung auch die drei vorangegangenen enthalten, im April 2015 lag teilweise bereits auch ein zurückliegendes Ergebnis pro Betrieb vor. Insgesamt ist das Veröffentlichungsmodell an dem auf Bundesebene entwickelten Modell32 orientiert. Die derzeitige Veröffentlichung des „Gastro-Kontrollbarometers“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht wie folgt aus:

Abb. 1: Veröffentlichungsmodell für Bielefeld und Duisburg 2014 (www.vz-nrw.de / appetitlich)

30  http://www.vz-nrw.de/appetitlich-app-auf-erfolgskurs--ein-jahr-gastronomiekontrollbarometer-fuer-duisburg-und-bielefeld (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 31  http://www.sueddeutsche.de/panorama/streit-ueber-lebensmittel-pranger-rich ter-stoppen-gastro-ampel-in-nrw-1.2391680 (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 32  Dazu näheres noch unter IV.

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

II. Veröffentlichungsmodelle in Zwickau (Sachsen) und Offenbach (Hessen) In Zwickau gab es von 2007 bis 2009 den sogenannten Hygienepass. Die Abschaffung „trotz der guten Resonanz“ wird mit dem Wechsel der Zuständigkeit für die Lebensmittelüberwachung vom Landratsamt Zwickau auf den Kreis Zwickau begründet. Es handelte sich ebenfalls um ein Freiwilligenmodell, bei dem positiv ausgezeichnet wurde, wer mindestens einen von fünf Bewertungspunkten erreichte. Es erfolgte keine Veröffentlichung im Internet, sondern lediglich ein Aushang in den Betrieben selbst.33 In Offenbach, Hessen, gibt es seit dem Frühjahr 2011 ebenfalls ein Modellprojekt mit einer freiwilligen Positiv-Auszeichnung, die Unternehmer beantragen und im Betrieb aufhängen können; zusätzlich waren die PositivAuszeichnungen im Internet einsehbar34. Die Stadt Offenbach bezeichnet dies als die „erste Stufe in der Einführung eines amtlichen Bewertungs­ systems“.35 Im April 2015 enthielt die Internetveröffentlichung jedoch lediglich neun Ergebnisse, die aus den Jahren 2011 und 2013 stammten.36

III. Berlin Äußerst aktiv bezüglich der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung war Berlin. Vorreiter war der Bezirk Pankow. Seither war die Veröffentlichungspraxis von einem gewissen „Hinund Her“ gekennzeichnet. Schon daran zeigte sich die Sorge vor der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung. 1. Modell des Berliner Bezirks Pankow Das Pankower Smiley-Modell bestand vom Frühjahr 2009 bis Ende 2010 aus einer zum Teil mit „Ekelfotos“ illustrierten Negativliste und einer auf Verträgen mit den Gaststätten beruhenden freiwilligen Positivliste. Die auf der Positivliste genannten Unternehmen konnten einen lächelnden Smiley in 33  Zum gesamten Modell siehe http://www.zwickau.de/de/hygienepass/hygiene pass.php (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 34  Bis 2015 unter: http://www.offenbach.de/offenbach/themen/rathaus/aemter-undgesellschaften/amt-fuer-veterinaerwesen-und-verbraucherschutz/offenbacher-smiley/ article/smiley-einfuehrung.html (Letzter Aufruf: 8.4.2015). 35  http://www.offenbach.de/vv/oe/185010100000006448.php (Letzter Aufruf: 1.7. 2016). 36  Damals unter http://www.offenbach.de/stepone/data/pdf/12/26/00/liste-der-smi ley-speisegaststaetten-im-internet.pdf (Letzter Aufruf: 8.4.2015).



B. Veröffentlichung der Ergebnisse69

ihrem Unternehmen aufhängen. Dieser „Positiv-Smiley“ ähnelte dem von Offenbach und dem mittlerweile abgeschafften Freiwilligen-Modell aus Nordrhein-Westfalen. Die Pankower Negativliste wurde jedoch stark kritisiert, insbesondere die Verknüpfung mit „Ekelfotos“.37 Aufgrund dessen wurde das Modell ab 2011 geändert. Es wurden nicht mehr nur besonders gute oder schlechte Ergebnisse veröffentlicht, sondern alle. Die neue Veröffentlichungsform war eine einheitliche Liste ohne Bebilderung, auch wenn die Bilder losgelöst von den Bewertungen konkreter Betriebe weiterhin auf der Internetseite des Ordnungsamtes einsehbar waren und dies auch im April 2015 immer noch waren. Die Pankower Liste wurde für den Bezirk Pankow neben dem berlineinheitlichen Modell weiter betrieben, da das berlineinheitliche Modell von Pankows zuständigem Bezirksstadtrat als ungenügend und „nicht rechtssicher“ erachtet wurde.38 Die Pankower Liste gebe ein detaillierteres Bild ab, da auch einzelne Punktevergaben eingesehen werden konnten.39 Zudem erfasste sie sämtliche Lebensmittelbetriebe, also zum Beispiel auch Bäcker, Fleischer, Kioske und Cafés.40 Auch war die Liste nicht unmittelbar in das Internet eingestellt, sondern wurde immer erst über einen Link als PDFDatei neu geladen (sogenannte ad-hoc Generierung). Dies führt dazu, dass einzelne Inhalte der Liste über eine Suche im Internet nach eigener Recherche der Verfasserin nicht auffindbar sind. Dies nimmt der Veröffentlichung einen Teil ihrer starken Belastungswirkung, da die Informationen so nicht dauerhaft im Internet gespeichert sind und es auch an der leichten Verknüpfbarkeit und Archivierbarkeit von Internetinformationen fehlt. Möglich ist allerdings, die Liste komplett auf dem eigenen Computer abzuspeichern. Da Verbraucher diese Möglichkeit vermutlich kaum nutzen, weil eine abgespeicherte Liste schnell nicht mehr aktuell ist und auch das Interesse am Abspeichern fehlen dürfte, führt die ad-hoc-Generierung insgesamt zu einer besseren Möglichkeit des „Zurückholens“ der Bewertungsergebnisse. Die Ergebnisse der Pankower Liste waren sehr aktuell. Bei einer Durchsicht der Ergebnisse im Oktober 2013 lag kein Ergebnis länger zurück als sechs Monate. Die Liste wurde zudem ständig weiterentwickelt und ging auf immer mehr der Anforderungen ein, die in Literatur und Rechtspre37  Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), ZLR 2009, 767; Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201); Holzner, NVwZ 2010, 489; Mettke, ZLR 2009, 399; Wallau, ZLR 2010, 382 (385, 386). 38  Flatau, Berliner Morgenpost vom 3.1.2012, S. 12. Zum berlinweiten Modell siehe unten unter 2. 39  Flatau, Berliner Morgenpost vom 3.1.2012, S. 12. 40  Liste damals veröffentlicht unter http://www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/ ordnung/smiley.html (Letzter Aufruf: 10.4.2014).

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

chung bisher an Veröffentlichungen dieser oder ähnlicher Art gestellt wurden. So wurden mit einer Änderung des Layouts im Sommer 2013 neue Informationen aufgenommen, wie etwa die von den Mängeln betroffenen Lebensmittel (wenn auch nur in Oberkategorien) oder der Überblick zu den vergangenen drei Kontrollergebnissen.41 Gegen die Pankower Veröffentlichung erging am 19. März 2014 ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz durch das Verwaltungsgericht Berlin, in dem die Veröffentlichung als rechtswidrig eingestuft wird.42 Die Liste ist im Internet mittlerweile nicht mehr abrufbar. Die letzte Pankower Veröffentlichungsform sah wie folgt aus (siehe gegenüberliegende Seite): 2. Berliner Transparenzmodell „Sicher essen“ und weitere Bezirksmodelle Zum 1. Juli 2011 wurde das berlinweite Modell der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, „Sicher essen“, eingeführt. Dieses sollte das Pankower Modell ablösen. Dafür wurde auf der Internetseite des Berliner Senats eine Liste kontrollierter Betriebe und für jeden Betrieb ein Gesamtergebnis veröffentlicht. Die Bezirke sollten dafür die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung aus ihrem Zuständigkeitsbereich der Senatsverwaltung mitteilen. Die Veröffentlichung erfolgte unter Angabe des Datums der Kontrolle, einer Note von „sehr gut“ bis „nicht ausreichend“, der Punktzahl und der Adresse des Unternehmens. Eine Aushängung der Ergebnisse in den Gaststätten selber erfolgte nicht.43 Per Umkreissuche, nach Bewertungsgesichtspunkten, Betriebsarten oder Postleitzahlen konnten Schank- und Speisebetriebe gesucht und deren Kontrollergebnisse seit Entstehung des Portals angesehen werden. Unklar blieb, für welche konkreten Verstöße die Minuspunkte vergeben wurden. Die Liste wurde nicht erst über eine separate PDF-Datei generiert, sondern war direkt im Internet auffindbar44. Die Unternehmer wurden über das Kontrollergebnis und dessen Veröffentlichung schriftlich informiert und erhielten eine Frist von vier Wochen zur Stellungnahme. Erst nach Fristablauf wurde das Ergebnis veröffentlicht. Die Teilnahme der Bezirke an der berlinweiten Veröffentlichung war freiwillig. So ist es nicht überraschend, dass nicht alle Bezirke teilnahmen, so etwa der Bezirk Pankow, der an der überarbeiteten Version seines Smiley41  Zu

diesen und weiteren Anforderungen siehe unter Kap. 5, A. III. Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris. 43  Erläuterungen zum gesamten Projekt damals unter http://www.berlin.de/sen/ verbraucherschutz/lebensmittel-ernaehrung/kontrollergebnisse/index.de.html (Letzter Aufruf: 7.3.2014). 44  Im Vergleich dazu siehe Vorgehensweise des Bezirks Pankow, Kap. 2, B. III. 1. 42  VG

Abb. 2: Pankower Veröffentlichungsmodell 2014 (http: /  / www.berlin.de / ba-pankow / verwaltung / ordnung / smiley.html)

B. Veröffentlichung der Ergebnisse71

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

Modells festhielt. Im Rahmen des berlinweiten Modells wurden in der Hochphase des Projekts Ergebnisse der Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick veröffentlicht. Die Bezirke Mitte, Spandau und Pankow nahmen wegen rechtlicher Bedenken, insbesondere aufgrund ungeklärter Fragen über das Verfahren und den Rechtsschutz dagegen, nicht teil.45 Nach und nach sind weitere Bezirke zu eigenen Veröffentlichungsmodellen übergegangen oder haben das Pankower Modell übernommen, so etwa Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Charlottenburg-Wilmersdorf46. Kurz vor dem Ende der Veröffentlichung über das Portal „Sicher essen“ nahmen nur noch vier der zwölf Berliner Bezirke teil. Seit Ende Februar 2013 werden auf der Berliner Veröffentlichungsplattform „Sicher essen“ keine Kontrollergebnisse mehr veröffentlicht. Dies geschah infolge eines Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Veröffentlichung in der bei „Sicher essen“ praktizierten Weise auf die Klage eines betroffenen Gastwirts hin als rechtswidrig einstufte.47 Daraufhin haben auch einige Bezirke ihre jeweiligen Veröffentlichungsseiten aus dem Internet genommen. Im Oktober 2013 bestanden lediglich noch Veröffentlichungsseiten der Bezirke Pankow, Lichtenberg, Tempelhof-Schöneberg. Die Liste von Lichtenberg entsprach dabei der oben abgebildeten von Pankow. Am 17. März 2014 ist gegen die Veröffentlichungsliste von Lichtenberg, die seitdem nicht mehr abrufbar ist, ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz durch das Verwaltungsgerichts Berlin ergangen. Die Veröffentlichungspraxis wurde darin parallel zum Fall der Pankower Veröffentlichung als rechtswidrig eingestuft.48 Tempelhof-Schöneberg hatte eine ähnliche Liste, die jedoch aufgrund eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung vom Oktober 2013 aufgrund fehlender Rechtsgrundlage ebenfalls nicht mehr existiert.49 Die Tempelhof-Schöneberger Liste besaß nicht die Feinheiten der aktuellen Pankower Liste, etwa die Aufzählung der betroffenen Lebensmittel, und sah wie folgt aus:

45  Flatau,

Berliner Morgenpost vom 3.1.2012, S. 12. http://www.berlin.de/ba-pankow/presse/archiv/20120416.1120.368787.html (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 47  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris. 48  VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris. Das Urteil zur Pankower Veröffentlichungsliste erging nur zwei Tage später und ist in weiten Teilen identisch. 49  Drs. Nr. 0811/XIX der BVV Tempelhof-Schöneberg vom Februar 2014. 46 

Abb. 3: Tempelhof-Schöneberger Veröffentlichungsmodell 2013 (http: /  / www.berlin.de / ba-tempelhof-schoeneberg / organisationseinheit / vetleb / smiley.html)

B. Veröffentlichung der Ergebnisse73

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

IV. Veröffentlichungsüberlegungen des Bundes Auch auf Bundesebene gab es Überlegungen für ein bundesweit einheitliches Veröffentlichungsmodell. Die 6. Verbraucherschutzministerkonferenz hat bereits im September 2010 die Einführung eines gemeinsamen und verbindlichen Transparenzmodells in Bezug auf Lebensmittelkontrollergebnisse beschlossen. Daraufhin haben die Landesarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, bestehend aus Ländervertretern aus Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Hessen, Sachsen und Thüringen, sowie das damalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz50, ein entsprechendes Modell entwickelt. Im Mai 2011 wurde dieses Modell von der Verbraucherschutzministerkonferenz angenommen.51 Die Einführung sollte möglichst zum 1.1.2012 erfolgen. Die Wirtschaftsministerkonferenz lehnte den Vorschlag im Juni 2011 allerdings ab.52 Von der 7. Verbraucherschutzministerkonferenz wurde ihr Entschluss zur Transparentmachung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelkontrolle im September 2011 noch einmal einstimmig und in Übereinstimmung mit dem Bun­ desministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestätigt53. Wiederum wurde eine Arbeitsgruppe zur Herstellung eines ­Konsenses eingesetzt, diesmal unter Einbeziehung der Wirtschaftsministerkonferenz.54 Eine Klärung mit der Wirtschaftsministerkonferenz sollte bis Januar 2012 erfolgen.55 Bislang wurde jedoch lediglich eine Bund-LänderProjektgruppe zur Frage der Öffentlichkeitsinformation bezüglich Lebensmittelkontrollergebnissen ins Leben gerufen, denn es ist unklar, ob eine einheitliche Regelung auf Bundesebene überhaupt möglich wäre.56 Zumindest nach Ansicht der Bundesregierung ist die Einführung eines Veröffentlichungssystems für Lebensmittelkontrollergebnisse in der Kompetenz der Länder, sodass der Bund lediglich den Rechtsrahmen schaffen könnte.57 50  So

der Ressortzuschnitt in der 17. Wahlperiode. der Sondersitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz am 19.5.2011, S.  12,13, abrufbar unter www.verbraucherschutzministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 52  Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011, TOP 14.3, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 53  Ergebnisprotokoll der 7. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16.9.2011, S. 12, abrufbar unter www.verbraucherschutzministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 54  Ergebnisprotokoll der 7. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16.9.2011, S. 12. 55  Ergebnisprotokoll der 7. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16.9.2011, S. 12. 56  Vgl. BT-Drs. 17/3994, S. 5. 57  So die CDU/CSU-Fraktion in BT-Drs. 17/3994, S. 5. 51  Protokoll



B. Veröffentlichung der Ergebnisse75

Die Verbraucherschutzministerkonferenz fordert weiterhin eine „gesetzliche Gesamtkonzeption“ für ein bundesweit abgestimmtes Veröffentlichungsmodell.58 Das bislang von der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz erarbeitete Modell sollte zur öffentlichen Aushängung eines farbigen Kontrollbarometers vor Ort verpflichten, zudem sollten die Bundesländer die Ergebnisse zusätzlich im Internet veröffentlichen können. Die Einführung sollte gestaffelt erfolgen: 1. Gastronomie, 2. Bäcker / Metzger, 3. Gemeinschaftsverpflegung, Caterer, 4. Einzelhandel, 5. Andere Betriebe mit direkter Abgabe, 6. Andere Betriebe ohne direkte Abgabe an Verbraucher, 7. Wochenmärkte. Um eine bundesweit zeitgleiche Veröffentlichung zu ermöglichen, sollten auch ältere Kontrolldaten zugrunde gelegt werden können.

V. Veröffentlichungsmodell des § 40 I a LFGB Nicht zu verwechseln sind die Veröffentlichungslisten aller Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle mit der seit September 2012 nach § 40 I a LFGB verpflichtenden Veröffentlichung von Unternehmensinformationen inklusive Nennung des Unternehmers, wenn ein durch Tatsachen begründeter Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und andere in dessen Anwendungsbereich liegende Normen verstoßen wurde und mindestens 350 € Bußgeld zu erwarten sind oder ein Grenzwert überschritten wurde. Zu dieser Norm hat insbesondere der Skandal um Dioxin in Futtermittel geführt59. Zweck dessen ist der Gesetzesbegründung zufolge eine Anwendungshilfe und Rechtsklarheit für die Behörden, die bisher vielfach unsicher sind, in welchen Fällen sie Lebensmittelkontrollergebnisse veröffentliche dürfen oder sogar müssen; außerdem soll dies der verlässlichen Information von Verbrauchern dienen.60 Diese Veröffentlichung erfolgt nur bei einer gewissen Schwere des Normverstoßes. Die Veröffentlichungsmodelle, um die es hier vorwiegend gehen soll, beinhalten jedoch alle Ergebnisse unabhängig davon, ob diese positiv oder negativ sind. Die Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB wird bei der Frage nach der Rechtsgrundlage für eine umfassende Veröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung dennoch diskutiert61. Auch diese Veröffentlichungen finden zurzeit aber nur noch in wenigen 58  Ergebnisprotokoll der 9. Verbraucherschutzministerkonferenz am 17.5.2013, S. 19, abrufbar unter www.verbraucherschutzministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 59  BT-Drs. 17/7374, S. 1, 20. 60  BT-Drs. 17/7374, S. 19, 20. 61  Siehe unter Kap. 4, B. III. 3.

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2. Kap.: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen

Bundesländern beziehungsweise Kommunen tatsächlich statt62, da es massive verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Seit August 2013 liegt dem Bundesverfassungsgericht diesbezüglich ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle des Bundeslandes Niedersachsen63 vor. An der Novellierung des § 40 I a LFGB wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft derzeit bereits gearbeitet.64

VI. Zusammenfassung Wie in diesem Kapitel deutlich wurde, findet eine starke Auseinandersetzung mit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen statt. Die Unsicherheit über die konkreten Veröffentlichungsmodelle zeigt sich dabei insbesondere anhand der häufigen Änderungen in Berlin und seinen Bezirken. Insgesamt sind die Modelle sehr unterschiedlich. Sie lassen sich jedoch gruppieren in die Modelle in Zwickau und Nordrhein-Westfalen auf der einen Seite, bei denen die Teilnahme freiwillig ist und nur positive Ergebnisse veröffentlicht wurden. Auf der anderen Seite stehen die Berliner Bezirksmodelle und das des Bundes, die eine Teilnahme erzwingen. Das Pilotprojekt in Duisburg und Bielefeld ist damit nur schwer vergleichbar, denn es basiert auf dem gravierenden Unterschied, dass die Veröffentlichung nicht durch ein staatliches Organ direkt erfolgt, sondern durch einen Verein, der lediglich staatlich gefördert wird. Dies ist ein anderes Problemfeld, es soll daher nur dort Erwähnung finden, wo sich die darauf beruhenden Probleme entfalten würden. Auch bei den freiwilligen Positiv-Listen ergeben sich juristische Fragen, etwa die des Rechtsschutzes für Betriebe, die unberechtigt nicht in die Positiv-Liste aufgenommen wurden. Die größere Beeinträchtigungsintensität für die Unternehmer und die höhere Schutzfunktion für die Verbraucher haben aber die zwingenden Modelle, bei denen die Veröffentlichung direkt durch staatliche Organe erfolgt. Daher sollen nur diese Gegenstände der weiteren Ausführungen sein.

62  Nach Recherche der Verfasserin veröffentlicht lediglich das Saarland Verstöße, am 10.3.2014 waren es neun, am 30.3.2015 nur noch drei, am 1.7.2016 elf, siehe http://www.saarland.de/dokumente/dienststelle_LGV/Par40_LFGB_SonstigeVer stoesse.pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 63  Der Antrag wird beim Bundesverfassungsgericht geführt unter dem Az. 1 BvF 1/13. 64  Möstl, GewArch 2015, 1 (2).

Drittes Kapitel

Grundrechtseingriff Bei den Modellen mit zwingender Veröffentlichung der amtlichen Kon­ trollergebnisse von Lebensmittelunternehmern ist unklar, ob sie verfassungskonform sind. Da die Teilnahme nicht freiwillig ist und nicht nur positive Ergebnisse veröffentlicht werden, stellen sie eine starke Belastung dar und könnten daher in die Grundrechte der betroffenen Unternehmer mittelbar eingreifen.

A. Schutzbereiche In Betracht kommen Art. 12 I 1 GG, Art. 14 I 1 GG, Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG und Art. 3 I GG.

I. Die Berufsfreiheit des Art. 12 I 1 GG Für die Eröffnung des Schutzbereichs muss eine Beeinträchtigung durch die Veröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelkontrolle von Unternehmern des Lebensmittel-Einzelhandels zumindest möglich erscheinen. Durch die resultierende Reaktion potenzieller Kunden könnten Beeinträchtigungen des Unternehmensrufs erfolgen und folglich erhebliche Umsatzeinbußen1 und sogar Existenzgefährdungen für Unternehmen entstehen.2 Dies gilt allerdings nicht für sehr gute Ergebnisse, da diese einen „guten Ruf“ in der Regel nicht beeinträchtigen können. Das ändert sich bei den nur „guten“ und schlechteren Ergebnissen (im Folgenden: negative Ergebnisse). Auch „gute“ Ergebnisse können bei einem zuvor hervorragenden Ruf beziehungsweise im Vergleich mit anderen, „sehr gut“ bewerteten Einrichtungen, negativ und damit beeinträchtigend sein.3 Auch möglicher1  Dies für möglich haltend auch VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 20, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 22. 2  VGH Mannheim, NVwZ 2011, 443 (444). 3  Ebenso bei „gutem“ Ergebnis einen Grundrechtseingriff annehmend: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, beide juris.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

weise geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse könnten betroffen sein. Dies würde für alle Kontrollergebnisse gelten. Die Berufsfreiheit schützt auf personeller Ebene neben natürlichen auch juristische Personen des Privatrechts, sofern diese sich genau wie natürliche Personen wirtschaftlich betätigen.4 Zudem ist der Begriff der juristischen Person in Art. 19 III GG umfassender zu verstehen als der des Privatrechts und erfasst auch (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften.5 Damit sind auch die bei der Veröffentlichung erfassten Betriebe, bei denen es sich um juristische Personen oder Personengesellschaften handelt, geschützt. Die Berufsfreiheit ist allerdings ihrem Wortlaut nach auf Deutsche beschränkt. Ausländer können sich auf den Auffangtatbestand des Art. 2 I GG berufen.6 Auf sachlicher Ebene schützt Art. 12 I 1 GG seinem Wortlaut nach die freie Wahl eines Berufs, unterstellt die Regelung der Ausübung des Berufs aber dem Gesetzgeber. Ein Beruf im Sinne des Art. 12 I 1 GG ist „auf Erwerb gerichtet, auf Dauer angelegt und der Schaffung einer Lebensgrundlage“ dienend.7 Dass die Vielzahl der betroffenen Unternehmer die Merkmale des „Berufs“ erfüllt, ist eindeutig. Zur besseren Erfassung des Schutzbereichs werden in Rechtsprechung und Literatur manche „Teilgarantien“ mit eigenen Begriffen benannt, so etwa die Wettbewerbsfreiheit8, die sich gerade auf die Teilnahme am Wettbewerb durch Vertrieb und Absatz von Produkten erstreckt und den Schutz vor „Funktionsstörungen des Wettbewerbs“ gebietet, oder die Unternehmer-9 und Unternehmensfreiheit bis hin zur Gewerbe-10 und Organisationsfreiheit.11 Diese Teilfreiheiten enthalten jedoch keinen über Art. 12 I 1 GG hinausgehenden Schutz, sondern dienen lediglich der Beschreibung des Schutzbereichs.12 Da diese Begrifflichkeiten jedoch leicht als gegenüber den Grundrechten verselbstständigte Garantien verstanden werden kön4  BVerfGE 97, 228 (253); 105, 252 (265); 115, 205 (229) st. Rspr. Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 106; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 268. 5  Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 23, Rn. 12. 6  Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 40, Rn. 21. 7  BVerfGE 7, 377 (397) – Apothekenurteil; 105, 252 (265); Ruffert, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 40 m. w. N. 8  BVerfGE 32, 311 (317), 46, 120 (137); Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 79; Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12, Rn. 44; Philipp, Staatliche Verbraucher­ informationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 132. 9  BVerfGE 50, 290 (363). 10  BVerfGE 50, 290 (362). 11  Vgl. Breuer, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 147, Rn. 61–63. 12  Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 53. Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 71.



A. Schutzbereiche79

nen13 – was auch dadurch deutlich wird, dass etwa die Wettbewerbsfreiheit teilweise aus Art. 12 und 14 GG zusammen hergeleitet wird14 – soll im Weiteren auf sie verzichtet werden. Ebenso wenig wird nach den durch den Wortlaut nahegelegten Abschnitten freie Wahl der Ausbildungsstätte, freie Wahl des Berufs, freie Wahl des Arbeitslatzes und freie Ausübung des Berufs differenziert.15 Der sachliche Schutzbereich des Art. 12 I 1 GG erfasst die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht.16 Gewährleistet wird das „ungestörte Funktionieren des Betriebsorganismus“17, das „berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt“18 sowie das Recht, Art und Qualität der angebotenen Leistung selbst festzulegen und damit den „Kreis der angesprochenen Interessenten selbst auszuwählen“19. Der Schutz dient der „individuellen Leistung“ und der „Existenzerhaltung“ und zielt auf eine „möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab“.20 Dabei schützt Art. 12 I 1 GG jedoch nur die Teilnahme am Wettbewerb, nicht aber gegen den Wettbewerb als solchen.21 In den geschützten Bereich fallen aufgrund ihres Bezuges zur Existenz­ erhaltung auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.22 Diese werden als alle im Zusammenhang mit einem Betrieb stehenden Tatsachen definiert, die nicht offenkundig sind, sondern nur einem bestimmten Personenkreis bekannt sind, und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht.23 Allerdings wird die Definition durch das Bundesverfassungsgericht dadurch ergänzt, dass vornehmlich technisches oder kaufmännisches Wissen umfasst 13  Dies ebenfalls anmerkend: Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 71. 14  Beispielsweise von Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 145. 15  Breuer, in: HdBStR VIII, § 170, Rn. 56. 16  BVerfGE 7, 377 (402) – Apothekenurteil; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 77. 17  Manssen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 134. 18  BVerfGE 115, 205 (229). 19  BVerfGE 121, 317 (345) – Nichtraucherschutzgesetze. 20  BVerfGE 110, 226 (251). 21  Mannsen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 102. 22  BVerfGE 115, 205 (229); 128, 1 (56); OVG NRW, Beschl. v. 27.5.09 – 13aF 13/09, juris, Rn. 23; VG Düsseldorf, LMRR 2010, 54; Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, § 2, Rn. 125; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 225; Grube/ Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 160, Rn. 47; Hömig, in: Hömig, GG, Art. 12, Rn. 6; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 10; Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12, Rn. 27; Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1499); Sodan, in; Sodan, GG, Art. 12, Rn. 14; von Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600). Vgl. VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 20; Becker, ZLR 2011, 391 (408), die den Schutz aus Art. 12 und 14 GG herleiten. 23  BVerfGE 115, 205 (230).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

sei24. Es geht damit um Wissen über Betriebsprozesse und -strategien, wie etwa Bezugsquellen, Konditionen oder Kalkulationsunterlagen25. Grund für diesen Schutz ist, innovatives unternehmerisches Handeln zu schützen und zu unterstützen.26 Geschützt wäre etwa das Wissen über ein spezielles Mischungsverhältnis bestimmter Inhaltsstoffe.27 Insbesondere Sachverhalte mit strafrechtlicher Relevanz oder Ordnungswidrigkeiten sind keine Betriebsund Geschäftsgeheimnisse.28 Die Bewertung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften ist kein besonderes „Betriebswissen“. Dies wird gerade in Hinblick auf den Zweck deutlich, dass Betriebswissen geschützt ist, um innovatives Handeln zu schützen. Zusätzlich gehen negative Bewertungen oftmals mit dem Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit einher. Hierüber schützt Art. 12 GG damit nicht vor der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen.29 Deutlich berührt wird durch die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse aber der „gute Ruf“ eines Unternehmens. Unklar ist nur, ob Art. 12 I 1 GG diesen schützt. Nach einer früheren Einschätzung von Spaeth schützte ein Großteil der Literatur den geschäftlichen Ruf über den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Rahmen des Art. 14 GG, während der überwiegende Teil der Rechtsprechung ihn aus Art. 12 GG herleitete.30 Heute wird der „gute Ruf“ in den einschlägigen Kommentaren in der Regel zu keinem der beiden Artikel erwähnt.31 Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach gibt es zudem kein Recht eines Unternehmers aus Art. 12 GG nur so dargestellt zu werden, wie das Unternehmen es möchte.32 Und auch Art. 14 GG schützt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nur „normativ zugeordnete Rechtspositionen, nicht aber das 24  BVerfGE 115, 205 (230); Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 148 (154). 25  BVerfGE 115, 205 (231). 26  Vgl. BVerfGE 115, 205 (230). 27  Vgl. im Umkehrschluss: VGH München, Beschl.v. 22.12.2009 – G 09. 1, juris, Rn. 24. 28  OVG NRW, Beschl. v. 27.5.09  – 13aF 13/09, juris, Rn. 25, 27. 29  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (36). Vgl. von Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600 ff.). A. A. VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 20. 30  Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 112. 31  Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14; Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12, 14; Hömig, in: Hömig, GG, Art. 12, 14; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12; Sodan, in; Sodan, GG, Art. 12, 14; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12. Ausnahme: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 21; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 61. 32  BVerfGE 105, 252 (266).



A. Schutzbereiche81

Ergebnis situativer Einschätzungen der Marktbeteiligten“.33 Das Bundesverwaltungsgericht fordert sogar, dass die wirtschaftliche Betätigung selbst unmöglich wird.34 Damit schließen Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht den „Ruf“ offenbar aus. Andererseits sieht das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Art. 12 GG als eröffnet an, wenn „durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dadurch behindert wird“.35 Eine solche Beeinträchtigung des Wettbewerbs kann gerade auch durch eine Beeinträchtigung des „guten Rufs“ erfolgen. Dies ist besonders in der heutigen Zeit mit dem bestehenden großen Angebot wichtig, da der Verbraucher zumeist unkompliziert zu einem anderen Unternehmen mit ähnlichem Angebot wechseln kann. Der Ruf ist daher für viele Betriebe das, was sie ausmacht. Zudem zielt die Berufsfreiheit darauf ab, die Bedingungen für die Berufsausübung möglichst unberührt zu lassen.36 Darauf stützte auch das Bundesverfassungsgericht einmal seine Argumentation für den Schutz der Berufsehre.37 In der obergerichtlichen Rechtsprechung genannt wird als Schutzgut des Art. 12 GG die Freiheit der beruflichen Außendarstellung38, ebenso wie die wirtschaftliche Verwertung der erbrachten Leistung39, außerdem das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb40. Dem unternehmerischen Verhalten ist aber die Erlangung und Nutzung eines geschäftlichen Rufes immanent. Der Ruf ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Betätigung.41 Will man Betriebe sinnvoll schützen, ist daher auch der Schutz des erlangten Rufs unerlässlich. Der geschäftliche „gute Ruf“ ist daher durch die Berufsfreiheit geschützt.42 Nicht erfasst ist davon 33  BVerfGE

105, 252 (278). NJW 1983, 1810 (1811). Nicht einmal hoheitliches Handeln, das Konkurrenten einen Wettbewerbsvorsprung verschafft, unter Art. 12 GG fassend: BVerwGE 65, 167 (173). 35  BVerfGE 82, 209 (223); 86, 28 (37). 36  BVerfGE 110, 226 (251). 37  BVerfGE 50, 16 (27). 38  BVerfGE 95, 173 (181); 106, 181 (192); 112, 255 (262); BVerwGE 124, 26. 39  BVerfGE 97, 228 (253). 40  BVerfGE 32, 311 (317), 46, 120 (137). 41  Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 107, 108. 42  So BVerfGE 50, 16 (27); BVerwGE 71, 183 (194); BVerwG, NJW 1996, 3161; Gusy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, S. 235 (312); Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 59; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 199; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 111, 116. 34  BVerwG-Beschl.,

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

aber das Fortbestehen von Erwerbsmöglichkeiten43 oder gleichbleibender Umsätze44. Eher vereinzelt wird vertreten, dass der geschäftliche „Ruf“ über Art. 14 I GG45 geschützt wird. Etwas anderes gilt, sofern man den „Ruf“ mit der Marktstellung gleichsetzte. Diese wird vielfach als vom eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb im Rahmen des Art. 14 GG als geschützt angesehen.46 Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs wird jedoch unten als Ausfluss von Art. 14 GG diskutiert. Festzuhalten bleibt daher, dass der Gewährleistungsbereich des Art. 12 GG aufgrund seines Schutzes des „guten Rufs“ berührt ist. Teilen der Rechtsprechung zufolge werden unerlaubte gewerbliche Betätigungen vom Schutzbereich des Art. 12 GG ausgenommen.47 Damit könnten die Lebensmittelunternehmer, die dauerhaft und in großem Maße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßen, eventuell aus dem Schutzbereich herausfallen. Allerdings ginge so der verfassungsrechtlichen Bewertung immer erst eine einfachrechtliche voraus, der Schutzbereich des Grundrechts würde so durch allgemeine Gesetze verengt.48 Dies könnte den Grundrechtsschutz gefährden. Daher fordert das Bundesverfassungsgericht die Erlaubtheit des Berufs in den letzten Jahren nicht mehr49. Weiterhin sei aber zumindest den schlechthin gemeinschädlichen Betätigungen, wie Auftragsmördern und Drogenhändlern, der Grundrechtsschutz aufgrund der „Einheit der Verfassung“ zu versagen.50 Die negativ bewerteten Lebensmittel-Einzelhändler verstoßen im Verhältnis dazu nur geringfügig gegen Rechtsnormen und han43  BVerfG-Beschl., NJW 2008, 358 (359); Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (719). Vgl. Depenheuer, in: v.  Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, S. 109 (180). 44  BVerfG-Beschl., NJW 2008, 358 (359); Gröschner, WuR 1991, 71 (76). 45  LG Stuttgart, NJW 1989, 2257 (2258, 2263) – Birkelnudeln. Vgl. BGH, NJW 1987, 2746; Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (346); Lerche, Werbung und Verfassung, S.  73. A. A. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 21; Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 224; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 61. Ebenfalls ablehnend, soweit es sich beim Ruf um Chancen und günstige Gelegenheiten handelt: BVerfGE 105, 252 (278). 46  Beispielsweise von Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 49. 47  OVG Münster, NJW 1986, 2783 – Glykolwein; BVerwGE 71, 183 (189) – Arzneimitteltransparenzliste; 87, 37 – Glykolwein. 48  BVerwGE 22, 286 (288); Breuer, in: HdBStR VIII, § 170, Rn. 69; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 8; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 43; Robbers, AfP 1990, 84 (86). Vgl. Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 9; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 198. 49  Siehe BVerfGE 102, 197 (212); 110, 141 (156); 115, 205 (229), 115, 276 (301). 50  Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 9. Vgl. BVerfGE 115, 276 (301).



A. Schutzbereiche83

deln daher in der Regel nicht schlechthin gemeinschädlich.51 Sie sind somit nicht vom Schutzbereich der Berufsfreiheit ausgenommen. 1. Besonderheit bei Information Diskutiert wird zudem, ob Art. 12 GG auch vor sachlich richtigen Informationen schützt. Wenn sich ein betroffener Unternehmer gegen sachlich richtige Informationen auf den Schutz des Art. 12 GG berufen und sich damit gegen die Veröffentlichung dieser Information wehren könnte, würde nämlich der Sinn des Art. 12 GG in sein Gegenteil verkehrt.52 Denn das Grundgesetz und somit auch Art. 12 GG bezweckt einen funktionierenden Wettbewerb, was wiederum Transparenz voraussetzt.53 Diese notwendige Transparenz wird durch sachlich richtige Information geschaffen. Wenn die Berufsfreiheit ein Vorgehen gegen diese Transparenz durch sachliche Information ermöglichte, widerspräche sie damit dem Grundgesetz und so auch sich selbst. Sachlich richtige Informationen müssten folglich aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG herausfallen.54 Eine solche Ausgrenzung schon auf Schutzbereichsebene durchzuführen birgt jedoch Risiken. Denn die Bewertung, ob eine Information richtig oder falsch ist, würde über den Schutz des Betroffenen entscheiden. Um diese abzumildern, wird teilweise zusätzlich daran angeknüpft, ob es für die Information einen legitimen Zweck gibt. Wenn dem so ist, wäre das einzig Hoheitliche an der sachlich richtigen Information der Autor; dies sei keine Berührung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit.55 Das ist – wenn überhaupt – nur richtig, wenn der Staat nicht seine hoheitliche Autorität einsetzen musste, um selber an die Informationen zu gelangen. Daher wird zusätzlich nach der Erlangung der Information differenziert: musste der Staat dafür seine hoheitliche Autorität nutzen, hätte er trotz Richtigkeit der Information „spezielle Pflichten“.56 51  Dies in vergleichbaren Fällen ebenso beurteilend: A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 199. 52  Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2711). Vgl. Wolf, KJ 28 (1995), 340 (348). 53  Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2711). Zum Ordnungsziel des Art. 12 GG vgl. auch Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 282. Die Herstellung von Markttransparenz als verfassungsrechtlich nicht relevant ansehend: Becker, ZLR 2011, 391 (415). 54  Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2711). Dem folgen Gröschner, WuR 1991, 71 (76); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (349). Ähnlich OVG Berlin, Pharma-Recht 1980, 139 (144); BGH, NJW 1987, 2746. Überzeugendes Gegenbeispiel mit der Meinungsfreiheit bei W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 386, Fn. 235. 55  Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 281. 56  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (349).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

Die Diskussion zur Relevanz der Richtigkeit der Informationen wird bei staatlichen Informationen zu Produkten oder Unternehmen an verschiedenen Stellen geführt: zum Teil als Voraussetzung des Schutzbereichs, zum Teil als Eingriffsbeschränkung. Daher gibt es auch Argumente gegen das Erfordernis der sachlichen Richtigkeit der Information, die eher an die Eingriffskriterien anknüpfen: Argumentiert wird dann mit der fehlenden Ursächlichkeit des Staatshandelns für die Grundrechtsbeeinträchtigung, wenn der Staat lediglich sachlich richtige Informationen veröffentlicht. Sachlich richtige Informationen seien dann nicht ursächlich für eine Beeinträchtigung, wenn ein Unternehmen durch objektive Umstände selber die Ursache für das Informationsbedürfnis gesetzt hat.57 Ähnlich einschränkend bewertete das Bundesverfassungsgericht in seiner viel kritisierten58 Glykolwein-Entscheidung den Schutzbereich des Art. 12 GG. Zwar wird in dem Urteil selber nicht ganz klar, ob das Gericht mit seinen Ausführungen die Eröffnung des Schutzbereichs oder den Eingriff ablehnen will. Nach der gängigen Dogmatik muss es jedoch mit seinen näheren Erläuterungen den Schutzbereich meinen, da es mangels Eröffnung des Schutzbereichs gar nicht zur Frage des Eingriffs kommen dürfte. Daher gehören folgende Argumente in die Schutzbereichsdiskussion: Unternehmen könnten sich gegen (staatliche) Informationen im Rahmen der Mechanismen des Marktes wehren; zu den marktgestaltenden Regeln gehöre auch die Information der Verbraucher.59 Die Berufsfreiheit müsse ihre Grenzen in den Regeln finden, die sie ausgestalten, „ermöglichen und begrenzen“.60 Ein den Markt für sich freiwillig nutzendes Unternehmen müsse auch die daraus gegebenenfalls resultierenden negativen Folgen, wie zum Beispiel öffentliche Kritik, in Kauf nehmen.61 Staatliche Informationstätigkeit dürfte die Marktverhältnisse lediglich nicht verzerren.62 Anders entschied das Bundesverwaltungsgericht zu Arzneimitteltransparenzlisten. Bei diesen handele es sich um eine wirtschaftslenkende Maßnahme, die gerade auch „zu spürbaren Veränderungen der Marktbedingungen“ führen

57  Sprißler, Öffentlich-rechtlicher Verbraucherschutz, S. 114. Ähnlich, sich auf gesetzeswidrige Produkte beziehend: Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 31. 58  Hellmann, NVwZ 2005, 163; Kube, ZLR 2007, 165 (180); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2); Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 61; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 24. 59  BVerfGE 105, 252 (266, 267). 60  BVerfGE 105, 252 (265). Ebenso: BVerfGE 115, 205 (229). 61  BVerfGE 105, 252 (266). 62  BVerfGE 105, 252 (268). Ähnlich Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (723).



A. Schutzbereiche85

soll63. Dies sei kein bloßer „Reflex“, sondern eine „grundrechtsspezifische Maßnahme“.64 Staatliche Informationen als Schutzgut des Art. 12 GG werden also sehr unterschiedlich bewertet. Zuzustimmen ist dem Bundesverfassungsgericht hier insoweit, dass transparenter Wettbewerb solcher im Sinne des Grundgesetzes ist, da das Grundgesetz auf Transparenz angelegt ist65. Daraus zu folgern, dass sachlich richtige Informationen den grundrechtlichen Schutz und damit rechtsstaatliche Anforderungen gar nicht auslösen, wäre jedoch vorschnell. Denn im Sinne des Grundgesetzes ist es ebenso, staatliches Handeln – und sei es auch noch so sehr im Sinne der Verfassung – gewissen Bindungen zu unterwerfen. Dies ergibt sich aus Art. 1 III GG. Zur Frage, ob diese Bindungen eingehalten wurden, kommt man nicht mehr, wenn schon der Schutzbereich nicht eröffnet ist. Dies könnte dazu führen, dass sich der Staat Verfahrensanforderungen und zusätzlich auch dem Gebot verhältnismäßigen Handelns entzieht.66 Zudem enthält schon die Auswahl und Veröffentlichung bestimmter Informationen eine gewisse Bewertung und erfordert daher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung67. Auch dogmatisch ist das Erfordernis der Falschheit einer Information für deren Erfassung im Schutzbereich oder für die Eingriffsqualität nur schwer begründbar. Zu den marktimmanenten Risiken gehört außerdem nur Warenkritik anderer Privater, nicht aber Kritik des Staates, da dieser ein übergeordneter „Kommunikationsteilnehmer“ ist.68 Dies entspricht auch dem Gewicht des Art. 12 GG im Kanon der Grundrechte: Denn Art. 12 GG hängt eng mit der Persönlichkeitsentfaltung zusammen und ist von „größter Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung“.69 Daher ist es besonders wichtig, die Berufsfreiheit hinreichend zur Geltung zu bringen. Die Beseitigung von Marktintransparenz durch staatliche Informationen, auch wenn diese sachlich richtig sind70, kann somit den Schutzbereich des Art. 12 GG berühren. 63  BVerwGE 71, 183 (190) – Arzneimitteltransparenzliste. Ebenso entschied zur Berliner „Sicher essen“-Liste: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 50. 64  BVerwGE 71, 183 (193, 194). 65  BVerfGE 105, 252 (267) – Glykolwein. Siehe zu Transparenz im Grundgesetz auch oben unter Kap. 1 C. 66  Ähnlich Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 24. 67  Di Fabio, JZ 1993, 689 (697). Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 61. 68  Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 239. Vgl. oben unter Kap. 1, C. II. 3. 69  BVerfGE 7, 377 (400) – Apothekenurteil. Vgl. auch Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 9, 6. 70  I. E. ebenso: Di Fabio, JZ 1993, 689 (697), Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 50. Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

2. Berufsregelnde Tendenz Allerdings ist der Rechtsprechung nach zusätzlich eine objektiv berufsregelnde Tendenz nötig, wenn sich eine Regelung nicht unmittelbar auf den Beruf bezieht und somit keine subjektiv berufsregelnde Tendenz besteht.71 Die im Jahre 1961 vom Bundesverfassungsgericht72 geschaffene Voraussetzung der „objektiv berufsregelnden Tendenz“ diente damals dazu, den Schutzbereich des Art. 12 GG nicht zu eng werden zu lassen, wird heute aber herangezogen, um die Berufsfreiheit nicht zu weit ausufern zu lassen73. Die berufsregelnde Tendenz wird zum Teil als Schutzbereichsverengung74, zum Teil als spezielle Eingriffsvoraussetzung75 des Art. 12 I GG herangezogen. Vereinzelt wird dieses Erfordernis auch ganz abgelehnt, da kein Grund für eine solche Einschränkung der Berufsfreiheit bestehe.76 Schon aus der unterschiedlichen Anwendung, früher als Erweiterung, heute als Verengung des Schutzbereichs, ergibt sich, dass auch der Inhalt dieser Voraussetzung nicht eindeutig festgelegt ist.77 Nach der ursprünglichen Bundesverfassungsgerichtsentscheidung braucht eine Regelung die berufliche Betätigung „nicht unmittelbar zum Gegenstand haben“, sondern es genügt, wenn die tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, den Beruf zu beeinträchtigen; dabei muss jedoch ein enger Zusammenhang mit der Berufsausübung bestehen.78 Im Rahmen der Subsumtion wird darauf abgestellt, ob es Ziel der Maßnahme ist, einen Beruf zu regeln.79 Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Arzneimitteltransparenzlisten zufolge liegt eine objektiv berufsregelnde Tendenz hingegen dann vor, wenn eine Regelung „gerade auf die berufliche Tätigkeit bezogen“ ist, und nicht nur „unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufsfreiheit entfaltet“, wobei aber Veränderungen von Rahmenbedingungen für den Beruf genügen, sofern ein enger Zusammenhang zur und Empfehlungen, S. 61. Zumindest implizit: Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 126. 71  BVerfGE 113, 29 (48). Vgl. BVerfGE 13, 181 (185, 186); 97, 228 (253). 72  BVerfGE 13, 181 (185). 73  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 15. 74  BVerfGE 81, 108 (121). 75  Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 71. 76  Manssen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 75. 77  Vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 401. Zur unterschiedlichen Rechtsprechung zu diesem Kriterium siehe ausführlich Koch, Der Grundrechtschutz des Drittbetroffenen, S.  265 ff. 78  BVerfGE 13, 181 (185, 186); vgl. BVerfGE 16, 147 (162); 37, 1 (18); 82, 209 (223); 95, 267 (302). 79  BVerfGE 13, 181 (187).



A. Schutzbereiche87

Berufsausübung besteht.80 Nach anderen Entscheidungen81 liegt eine berufsregelnde Tendenz vor, wenn die Beeinträchtigung das Ziel hat, den Beruf zu beeinflussen. Was hier sehr verschieden klingt, kann aber in derselben Richtung ausgelegt werden: Es geht jeweils um Fälle, in denen ein Beruf nicht direkt geregelt wird, also beispielweise kein Gaststättengesetz geschaffen wird, sondern eine neue Steuer für Gaststättenbetreiber. Eigentlich ist der Beruf nicht Gegenstand der Regelung, diese ist aber geeignet, tatsächliche Auswirkungen auf den Beruf zu entfalten und soll gegebenenfalls sogar zielgerichtet die berufliche Tätigkeit von Gastwirten beeinträchtigen. Eine berufsregelnde Tendenz erfordert somit eine entsprechende Zielsetzung (subjektive berufsregelnde Tendenz) oder die Eignung zu einer tatsächlichen Auswirkung auf den Beruf (objektive berufsregelnde Tendenz). Zu überprüfen ist daher, ob die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Unternehmer kausal auf der staatlichen Information beruhen kann oder final ist. Finalität und Kausalität sind jedoch Fragen des Eingriffs, sie werden daher dort behandelt. 3. Ergebnis zur Berufsfreiheit Die nicht „sehr gut“ bewerteten Unternehmer sind vor der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen durch die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG geschützt, da die Veröffentlichung möglicherweise ihren guten Ruf berührt und so die Funktionsfähigkeit des Unternehmens und die wirtschaftliche Existenz beeinträchtigt werden kann.82 80  BVerfG-Beschl., NJW 1999, 3404 (3404, 3405) – Arzneimitteltransparenzliste. Dies ebenfalls heranziehend: BVerfG-Beschl., NVwZ 2009, 1486, Lts.1. 81  BVerfGE 16, 147 (162). „Zielsetzung und Wirkung“ als Kriterien nennend, aber nicht ganz klar, ob hier berufsregelnde Tendenz gemeint ist oder der faktische Eingriff im Allgemeinen: BVerfGE 116, 202 (222); BVerfG-Beschl., NVwZ 2009, 1486, Lts.1, 2. 82  Den Schutzbereich von Art. 12 GG als eröffnet ansehend auch: Für das Pankower/Lichtenberger Smiley-Modell: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, beide juris; Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 136. Für die Veröffentlichung nach § 40 I LFGB: OVG Nds., Beschl. v. 14.6.2013  – 13 ME 18/13, juris, Rn. 4; VGH Bayern, Beschl. v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80, juris, Rn. 15; VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10; VG Osnabrück, Beschl. v. 8.5.2013 – 6B 18/13, juris, Rn. 13; VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 20; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013 – 19L1730/12, juris, Rn. 4; VG Saarland, Beschl. v. 25.1.2013 – 3 L 76/13, juris, Rn. 3; VG Trier, Beschl. v. 29.11.2012  – 1 L 1339/12.TR, juris, Rn. 22; Dannecker, JZ 2013, 924 (925). Für vergleichbare Fälle/staatliche Informationen allgemein: VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015 – 26 K 5722/13, Rn. 35, einseh-

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

II. Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 I 1 GG Auch die Eigentumsfreiheit des Art. 14 I 1 GG und als Ausfluss dessen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb könnten durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse betroffen sein, da die Lebensmittelunternehmen durch Beeinträchtigung ihres Rufs in ihrer wirtschaftlichen Existenz beeinträchtigt werden können. So kann ein Verlust vermögenswerter Positionen entstehen. Diese mögliche Berührung der Eigentumsfreiheit besteht jedoch lediglich bei negativen Ergebnissen, da nur solche geeignet sind, den Ruf und damit die Vermögensposition „Unternehmen“ zu beeinträchtigen.83 Bevor der Schutz durch das in seinem Schutzumfang äußert umstrittene Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb untersucht wird, wird der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit direkt näher untersucht. 1. Art. 14 I 1 GG direkt Art. 14 I 1 GG schützt – zusammen mit Art. 12 I 1 GG – die allgemeine Handlungsfreiheit „auf wirtschaftlichem Gebiet“.84 Die Eigentumsgarantie schützt dabei grundsätzlich „alle vermögenswerten Rechte des privaten Rechts“85 vor Beschränkungen der privatnützigen Verfügung86. Der personelle Schutzbereich ist dabei unproblematisch eröffnet, denn er ist denkbar weit und umfasst als Menschenrecht auch Ausländer. Über Art. 19 III GG sind zudem auch inländische juristische Personen des Privatrechts geschützt.87 Für den sachlichen Schutzbereich gibt der Wortlaut hingegen wenig her. Denn die Eigentumsfreiheit ist ein normgeprägtes Grundrecht88, der Schutzbereich wird somit vor allem durch einfache Gesetze bestimmt. Es gibt grundsätzlich kein „natürliches“ Eigentum, sondern nur solches, das zuvor durch Rechtssetzung als „Rechtsposition“ bestimmt wurde.89 Art. 14 I 1 GG schützt somit das Eigentum so wie es das Bürgerliche Gesetzbuch und die bar unter www.nrwe.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016); Becker/Blackstein, NJW 2010, 490 (491); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359); Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Porsch, ZLR 2003, 175 (177). 83  Dazu auch schon oben, I. 84  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 100. 85  Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (214). 86  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 99. 87  Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 8; Depenheuer, in: v.  Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 186. 88  Epping, Grundrechte, Rn. 435. 89  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 30.



A. Schutzbereiche89

gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben.90 Vereinfachend lässt sich sagen, dass die Eigentumsfreiheit alle „vermögenswerten Rechte“ schützt. Da sich verfassungsrechtliche Begriffe trotz Normgeprägtheit aus sich selber heraus bestimmen müssen91, kann für die genauere Definition des Eigentums nicht sofort auf die einfachen Gesetze zurückgegriffen werden. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes würde in ihrer Bedeutung vermindert, wenn sie ihren Inhalt nicht selbst bestimmen könnte; zudem würde Art. 14 I 1 GG in diesem Fall nur besagen, dass einmal als Eigentum vom Gesetzgeber anerkannte Positionen nicht so leicht wieder entzogen werden könnten.92 Orientieren kann man sich für die Begriffsbestimmung zunächst am Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie sowie an der „Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung“.93 Zweck des Eigentums ist es, einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich“94 und zudem Rechtssicherheit durch die in der Rechtsordnung anerkannten Vermögensrechte95 zu schaffen. Kernelemente der Eigentumsfreiheit sind die freiheitssichernde und rechtsbewahrende Funktion. Eigentum ermöglicht die eigenverantwortliche Lebensgestaltung96 und die Schaffung von Wohlstand, sodass sich aus der Eigentumsgarantie letztlich Unabhängigkeit vom Staat ergibt und damit persönliche Freiheit.97 Die Eigentumsfreiheit hat damit rechtsstaatlich besonders hohe Relevanz.98 Aus dem Zweck des Eigentums ergeben sich als seine wesentlichen Merkmale Privatnützigkeit99 und Verfügungsbefugnis100. Um diese Merkmale zu erreichen, hat Eigentum eine zuordnende Funktion. Diese wird realisiert durch einfache Gesetze. Daher wird es teilweise101 als Merkmal 90  BVerfGE

1, 264; 83, 201 (208). BVerfGE 58, 300 (335) – Naßauskiesung. 92  Engel, AöR 118 (1993), 169 (195). 93  BVerfGE 83, 201 (208); BVerfG-Beschl., NJW 1992, 36 (37). 94  BVerfGE 83, 201 (208). 95  Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 4. 96  BVerfGE 83, 201 (208). 97  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 1. 98  Dies wird auch an der zahlreichen Rechtsprechung dazu deutlich, siehe dazu die Statistik bei: Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14, Rn. 23. 99  BVerfGE 24, 367 (389); 79, 292 (303); 83, 201 (209); 95, 267 (300) st. Rspr.; BVerwGE 81, 49 (55); Brammsen, DÖV 2007, 10 (14); Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 44; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 5. 100  BVerfGE 79, 292 (303); 83, 201 (209); 95, 267 (300) st. Rspr.; Brammsen, DÖV 2007, 10 (14); Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 100; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 5. 101  So Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 128; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden 91  Vgl.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

des Eigentums angesehen, dass etwas in den einfachen Gesetzen als eigentumsfähig anerkannt ist. Damit würde aber das einfache Recht den Inhalt der Verfassung bestimmen. Partiell wird auch auf das Entstehen aus eigener Leistung abgestellt102. Dies würde allerdings ererbtes Vermögen ausschließen und ist daher zu eng. Auch die Einbringung eigenen Kapitals103 oder die Anschaffung zur Existenzsicherung104 wird als relevant bewertet. Andere Stimmen in der Literatur meinen, dass die Qualifikation als Eigentum nahe läge, sobald es für etwas einen Markt gibt.105 Keines der genannten Merkmale wird jedoch einheitlich als konstitutiv für das Eigentum angesehen.106 Eine unstrittige Definition zu finden, die konkreter wird als „alle vermögenswerten Rechte“, ist daher kaum möglich. Anerkanntermaßen geschützt ist aber das klassische Eigentum im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, vielfach jedoch auch Rechte und Ansprüche.107 Als Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel kann ein Unternehmen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Eigentum darstellen.108 Dessen vorhandene Substanz kann durch die Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Beispielsweise dann, wenn durch Information und folgenden Mangel an Kunden schon angeschaffte Lebensmittel nicht abgesetzt werden können109 und ein Betrieb somit direkt in seinem Sacheigentum betroffen ist. Denn Art. 14 I 1 GG schützt die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis, die auch die wirtschaftliche Veräußerung umfasst110. Auf einen ähnlichen Aspekt weist Ossenbühl hin: Durch die Veröffentlichung der LebensmittelkontrollergebnisProdukten, S. 100. Von „gesetzlicher Zuordnung“ sprechend: BVerfGE 83, 201 (209); 95, 267 (300) st. Rspr. 102  BVerfGE 16, 94 (134); BVerwGE 3, 254 (257); Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 100. Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 32. 103  BVerfGE 1, 264 (277); BVerwGE 3, 254 (257). 104  BVerfGE 1, 264 (278); Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 109. 105  So Engel, AöR 118 (1993), 169 (202). Ähnlich BVerfGE 1, 264 (278); Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 24; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (214). 106  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 74; Engel, AöR 118 (1993), 169 (201). Sogar gegen die Verfügungsbefugnis als konstitutiv: BVerfGE 83, 201 (209). 107  Sodan, in: Sodan, GG, Art. 14, Rn. 10 ff. 108  Dies ergibt sich aus Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 453, Rn. 7. 109  Ähnlicher Gedanke bei von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 82. 110  BVerfGE 98, 17 (35); 104, 1 (8); BVerwGE 92, 322 (327); Epping, Grundrechte, Rn. 455; Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 98.



A. Schutzbereiche91

se sei die „Betriebsinfrastruktur“ berührt.111 Damit könnten die sachlichen Grundlagen der Arbeitsabläufe eines Unternehmens gemeint sein, etwa die Räumlichkeiten112. Jedoch geschieht es in der Regel nicht von heute auf morgen, dass die Kunden wegbleiben, sondern dies ist eher ein schleichender Prozess aufgrund der erst nach und nach erfolgenden Rezeption der Information. So könnte sich das Unternehmen auf die Veränderung einstellen und große Warenverluste vermeiden. Allerdings ist eine solche Anpassung an die Veränderung in Hinblick auf die Betriebsräume oder andere laufende Verträge, etwa mit Mitarbeitern oder über regelmäßige Warenlieferungen, eher nicht möglich. Dies ist je nach Einzelfall zu beurteilen.113 Daher könnte Art. 14 I 1 GG durch die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse berührt sein, indem die Nutzung angeschaffter „Positionen“ beeinträchtigt wird. Wie auch bei Art. 12 I 1 GG – wird jedoch erwogen, ob der Schutz des Art. 14 I 1 GG nur rechtmäßig Erworbenes und damit auch nur rechtmäßig eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetriebe erfasst.114 Diese Einschränkung des Schutzbereiches muss mit denselben Argumenten wie schon oben zum Schutzbereich der Berufsfreiheit abgelehnt werden.115 Ebenfalls parallel zum Problemkreis um Art. 12 I 1 GG kann bei Art. 14 GG über mögliche Besonderheiten bei Beeinträchtigungen durch Informationen nachgedacht werden, da Information in einem gewissen Maß zum Markt gehört. Die Anforderungen an den Schutzbereich für staatliche Information entsprechend zu erhöhen, wäre dennoch verfehlt. Denn wie oben für Art. 12 GG schon festgestellt116, gehört Information zwar zu den Risiken des Marktes, nicht aber die Information des Staates als übergeordnetem Kommunika­ tionsteilnehmer. Auch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird im Rahmen des Eigentumsschutzes diskutiert117. Denn es handelt sich bei BetriebsOssenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359) für die Pankower Negativliste. Beispiel für „Betriebsinfrastruktur“ nennt der BGH, Beschl. v. 5.12.2012 – 2 StR 629/11, juris, Rn. 3. 113  Vgl. i. E.: Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 109. 114  Für Beschränkung auf Erlaubtes: BVerwGE 71, 193 (195,198) – Glykolwein; Engel, AöR 118 (1993), 169 (228); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 9 m. w. N.; Kellenberger, Der verfassungsrechtliche Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 127; Kimminich, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 14, Rn. 80; Wolf, KJ 28 (1995), 340 (348). Ausführlich zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb siehe unten, 1. 115  Siehe Kap. 3, A. I. 116  Siehe Kap. 3, A. I. 1. 117  Den Schutz bejahend: Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, § 2, Rn. 125; Brammsen, DÖV 2007, 10 (12); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 225; 111  So

112  Dieses

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

und Geschäftsgeheimnissen zumindest um einen Vermögenswert und Äquivalent eigener Leistung.118 Wissen, und somit auch Information, könnte daher Eigentum darstellen. In der überwiegenden Literatur wird der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dennoch nicht angesprochen und damit offenbar abgelehnt119. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Frage und löste sie in einem neueren Urteil kurz und knapp, indem der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 GG nicht weiter reiche als bei Art. 12 GG und daher dahinstehen könne120. Dies muss für den vorliegenden Fall nicht näher untersucht werden. Denn wie schon zu Art. 12 GG festgestellt, fällt die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse ohnehin nicht unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, da diese kein besonderes „Betriebswissen“ darstellen.121 Damit ist festzuhalten, dass die Eigentumsfreiheit durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse aufgrund einer Beeinträchtigung des Rufs und folglich mangelnder Ausnutzbarkeit bereits angeschaffter Sachsubstanz beeinträchtigt werden kann. 2. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Umstritten ist in Literatur und Rechtsprechung die Erfassung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs im Eigentumsschutz des Art. 14 I 1 GG122. Dieses Recht ist bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen und ihren möglichen Auswirkungen auf den Kundenstamm eines Betriebs und den Unternehmensruf aber von entscheidender Relevanz für den Schutz durch die Eigentumsfreiheit, sofern noch keine Beeinträchtigung der Sachsubstanz des Unternehmens entstanden ist. Gurlit, DVBl. 2003, 1119 (1123); Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 160, Rn. 47; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 99; Philipp, Staatliche Verbraucherinformation im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 240; Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1499); von Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600). Auf Art. 12 bzw. 14 GG abstellend: Dannecker, JZ 2013, 924 (925). 118  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 160, Rn. 47. 119  Siehe dazu in den gängigen Kommentaren zum Schutzbereich des Art. 14 GG. 120  BVerfGE 115, 205 (248). 121  Zur genaueren Begründung siehe oben unter Kap. 3, A. I. 122  Dennoch die Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als herrschende Meinung ansehend: Hagen, GewArch, 2005, 402 (403). Haussühl, Die Produktwarnung im System des öffentlichen Rechts, 1999, S. 64; Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, 1989, S. 124; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 273; Friauf/ Wendt, Eigentum am Unternehmen, 1977, S. 29.



A. Schutzbereiche93

Entwickelt wurde das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Judikatur des Bundesgerichtshofs, der damit auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts aufbaute.123 Demnach sei alles von Art. 14 I 1 GG geschützt, was den wirtschaftlichen Wert eines Gewerbes ausmacht, also auch der Kundenstamm oder geschäftliche Beziehungen.124 Die Beeinträchtigung muss sich nicht einmal „unmittelbar gegen den Bestand des Gewerbebetriebs“ richten.125 Unstreitig ist, dass die Gesamtheit der einzelnen Teile eines Gewerbebetriebs, die „Substanz der Sach- und Rechtsgesamtheit“126, über Art. 14 I 1 GG geschützt ist. Die Sach- und Rechtsgesamtheit ist die „tatsächliche […] Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte“127, anders gefasst der „konkrete Bestand an Rechten und Gütern“128. Das Problem beginnt dort, wo der Betrieb als „funktionsfähige Einheit“ geschützt werden soll, also auch die Marktstellung, der Kundenstamm oder der Ruf des Unternehmens. Diese Gruppe „immaterieller Qualitäten“ wird oft auch als der sogenannte „good will“ bezeichnet oder als „Ausstrahlungen eines Unternehmens“ und macht in der Regel einen erheblichen – deutlich über den bloßen Sachwert hinausgehenden129 – Teil des Werts eines Unternehmens aus.130 Das Schutzinteresse am „good will“ ist daher verständlich.131 Problematisch ist bei dieser Diskussion, dass die Begrifflichkeit „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ teilweise für den Schutz der bloßen „Sach- und Rechtsgesamtheit“ verwendet wird. Diese ist ohnehin über die Eigentumsfreiheit geschützt. Ebenso wird derselbe Begriff aber auch für den Schutz des sogenannten „good will“ verwendet. Im Folgenden wird untersucht, ob Art. 14 I 1 GG den Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beziehungsweise den „good will“ erfasst. Dazu sollen diese beiden Begriffe synonym verwendet werden für einen umfassenden Schutz des Betriebs als Funktionseinheit.

123  Wieland,

in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 62. 23, 157 (163); 45, 150 (155). 125  BGHZ 23, 157 (161). 126  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 21. 127  BVerfGE 51, 193 (221, 222). Vgl. BVerwG-Beschl., NVwZ 1993, 63 (64). 128  BVerfGE 68, 193 (223); BVerwGE 95, 341 (348). 129  Vgl. Leisner, in: HdBStR VIII, § 173, Rn. 200. Dies erkannte auch das BVerfG implizit an in: BVerfGE 80, 40 (50). 130  Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (693). 131  Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (215). 124  BGHZ

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

a) Rechtsprechung Nach frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stand das wirtschaftliche Unternehmen mit seinen personellen und gegenständlichen Grundlagen unter dem Schutz des Art. 14 I 1 GG.132 Lediglich bloße Chancen sollten nicht erfasst sein.133 In aktuelleren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht den Kundenstamm, die Marktstellung und Geschäftsverbindungen ausdrücklich aus dem Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG herausgenommen.134 Der Schutz des Gewerbebetriebs solle nicht weiter reichen als der Schutz seiner Grundlagen135, erfasst seien nur „normativ zugeordnete Rechtspositionen, nicht aber das Ergebnis situativer Einschätzungen der Marktbeteiligten“136. Auch hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwerts fielen daher in der Regel nicht unter Art. 14 I 1 GG.137 Wenn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aber nur den Bestand an Rechten und Gütern schützt, braucht man es im Rahmen des Art. 14 I 1 GG nicht extra zu erwähnen, sodass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf hinaus läuft, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überflüssig zu machen.138 Zuletzt ließ das Bundesverfassungsgericht die Geltung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb offen139. Der Bundesgerichtshof, der die Ausstrahlungswirkungen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs früher ausdrücklich erfasst hatte, folgt neuerdings dem Bundesverfassungsgericht und nimmt an, dass der Schutz nicht weiter gehen könne als der der wirtschaftlichen Grundlagen.140 Andererseits sieht der Bundesgerichtshof weiterhin das Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang als geschützt an, sofern ein im Betrieb be132  So

BVerfGE 13, 225 (229); 45, 142 (173). 45, 142 (173); 68, 193 (222). 134  BVerfGE 77, 84 (118). Zweifel am Schutz des „good will“ hegte es schon in: BVerfGE 51, 193 (221); 68, 193 (222). 135  Vgl. BVerfGE 15 193 (221); 58, 300 (358); 68, 193 (223); BVerfG-Beschl., NJW 1992, 36 (37); BVerfG-Beschl., NZS 2008, 588 (589). Ebenso: BayVerfGH, NJW 1983, 325 (327). 136  BVerfGE 105, 252 (278). 137  BVerfGE 105, 17 (30). 138  Kellenberger, Der verfassungsrechtliche Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 131, 139. Vgl. Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14, Rn. 52. 139  BVerfGE 105, 252 (278); BVerfGK 18, 33 (41) – Genmilch. 140  BGHZ 84, 223 (227); 94, 373 (378); 98, 341 (353) jeweils unter Verweis auf das BVerfG. 133  BVerfGE



A. Schutzbereiche95

reits „wirkender Wert“ betroffen ist.141 Darunter könnten auch Ruf, Kundenstamm und Marktstellung gefasst werden. Eine Beeinträchtigung bloßer wirtschaftlicher Interessen genügt nicht.142 Das Bundesverwaltungsgericht brauchte sich – soweit ersichtlich – bislang nicht mit dem konkreten Schutzgehalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auseinandersetzen.143 Es stellte lediglich fest, dass die Eigentumsfreiheit nur die Sach- und Rechtsgesamtheit schützt, nicht aber Chancen.144 Auch eine bloß mögliche Erschwerung des Geschäfts des Unternehmers genügt nicht, denn so würde sich Art. 14 I 1 GG als eine „Erstarrung wirtschaftlicher Ausgangspositionen auswirken“.145 Einmalig erkannte es den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zwar an und meint damit auch implizit etwas über die Substanz hinausgehendes; der konkrete Schutzgehalt musste dann aber nicht geklärt werden, da die Beeinträchtigung ohnehin auf den konkreten Sachbestand durchschlug.146 Die verwaltungs- und zivilrechtlichen Obergerichte gehen zwar vom Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs über Art. 14 I 1 GG aus147, äußern sich jedoch größtenteils nicht zu seinem konkreten Inhalt148. Daher ist auch möglich, dass sie letztlich nur die Substanz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs meinen. Die Rechtsprechung steht dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb daher insgesamt eher ablehnend gegenüber, lässt aber keine eindeutige Bewertung zu. b) Strukturmerkmale des Eigentums Eher gegen die Erfassung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs durch Art. 14 I 1 GG sprechen die Strukturmerkmale des Eigentums. 141  BGHZ

98, 341 (351). 98, 341 (352). 143  BVerwGE 3, 254 (257); 81, 49 (54) befassen sich zwar mit den Merkmalen eines solchen Rechts, nicht aber mit dem Schutzumfang. BVerwGE 124, 47 (59) bennennt es als „anerkanntes Rahmenrecht“, geht aber nicht darauf ein. 144  BVerwG-Beschl., NJW 1983, 1810 (1811). Vgl. BVerwGE 65, 167 (173). 145  BVerwGE 17, 306 (314). 146  BVerwGE 81, 49 (54). 147  OVG Lüneburg NVwZ-RR 1993, 354; BayOLG, NVwZ 1990, 799; OLG Köln, NVwZ 1994, 410; OVG Münster, GewArch 2004, 112. 148  Mit Ausnahme von: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10; OLG München, NJW-RR 1994, 1054. Diese erkennen den Schutz des „good will“ an. 142  BGHZ

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

Bereits rein sprachlich passt der „ausgeübte“ Gewerbetrieb durch seinen Bezug zum „Tätigwerden“ nur bedingt unter den Begriff „Eigentum“. Zwar verkörpert „eingerichtet“ das Innehaben und damit das Eigentum, „ausgeübt“ hat aber eher Tätigkeitsbezug und passt daher mehr zur Berufsfreiheit. Denn die Eigentumsfreiheit schützt nach gängiger Formel des Bundesverfassungsgerichts „das Erworbene“, der Erwerb als Tätigkeit wird durch die Berufsfreiheit geschützt149. Diese Abgrenzung legt Besonderheiten beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nahe, der auf beiden Seiten steht. Dies macht auch gerade die Abgrenzung zu Art. 12 I GG besonders schwierig.150 Bei Subsumtion unter die oben genannten Merkmale des Eigentums, kann man die Entstehung aus Leistung151 sowie die Privatnützigkeit in der Regel noch bejahen. Auch die Existenzsicherung152 sowie die Schaffung aus eigenem Kapital153 liegen meist vor. Ein Problem kann jedoch die fehlende Normierung des „good will“ als Eigentum im einfachen Recht darstellen.154 Man könnte es aber auch als genügend erachten, dass der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und später des Bundesgerichtshofs in Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 BGB anerkannt wurde.155 Andererseits ist zu überlegen, ob es für die Erfassung als Eigentum des Art. 14 GG tatsächlich immer ein entsprechendes einfaches Gesetz geben muss, das etwas als „Eigentum“ ausweist.156 Selbst wenn man entgegen der obigen Argumentation die Normierung zur Bestimmung verfassungsrechtlicher Schutzbereiche157 für notwendig hält, kann dagegen eingewendet werden, dass die Anerkennung nicht unbedingt eine Kodifizierung sein muss, da sich das Eigentum ebenso nach den gesellschaftlichen Anschauungen bestimmt, die nicht immer normiert sind. Kritisiert wird an der Erfassung des „good will“ auch, dass es dabei nicht um einen bestimmten Zuweisungsgehalt eines Rechts an jemanden geht, 149  Vgl.

BVerfGE 30, 292 (335). zur Besonderheit des Gewerbebetriebs so bei Engel, AöR 118 (1993), 169 (191). 151  BVerfGE 1, 264 (277); Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 109. 152  Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 109. 153  BVerfGE 1, 264 (277). 154  So Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 128; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 63. 155  RGZ 58, 24 (29, 30); 65, 210 (213); 94, 248 (249) st. Rspr.; BGHZ 3, 270 (278); 8,142 (144). 156  Dieses Erfordernis als „formal“ und realitätsfern bezeichnend: Hagen, Gew­ Arch 2005, 402 (407). 157  Siehe unter Kap. 3, A. II. 150  Gedankengang



A. Schutzbereiche97

sondern um die Abwehr von Beeinträchtigungen, sodass das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kein subjektives Recht sein könne.158 Dem ist entgegenzuhalten, dass es bei den Grundrechten, auch wenn sie zusätzlich Institutsgarantien enthalten, gerade um die Abwehr von Beeinträchtigungen geht.159 Zudem ist das Vorliegen eines subjektiven Rechts auch kein konstitutives Merkmal des Eigentums.160 Gegen die Erfassung der Ausstrahlungswirkungen eines Unternehmens könnte sprechen, dass das Bundesverfassungsgericht für die Qualifikation als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG unter anderem darauf abstellt, ob „ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur Verfügung zugeordnet ist“161. So müsste grundsätzlich jede „neuartige Rechtsposition“, um unter Art. 14 GG zu fallen, strukturkompatibel mit dem Sacheigentum sein.162 Dies kann aber lediglich ein Indiz für die Kategorisierung als Eigentum sein.163 Denn das Bundesverfassungsgericht hat beispielsweise auch ein Vorkaufsrecht164 oder sozialversicherungsrechtliche Ansprüche165 unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff subsumiert und ist somit von der Voraussetzung der Strukturkompatibilität mit dem Sacheigentum selbst abgewichen166. Eine zu enge Koppelung an die Vergegenständlichung wäre zudem nicht zeitgemäß, wenn man bedenkt, dass es virtuelle Unternehmen gibt, deren Substanz lediglich Computer und Software sind, die aber durch digitale Datenverarbeitung erheblichen wirtschaftlichen Wert haben können und auch Gegenstand von Unternehmenskaufverträgen sein können.167 Damit würde eine strikte „Sachnähe“ auch die Lücke zwischen Verfassungsund Zivilrecht vergrößern.168 158  Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 130. 159  Vgl. Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 12. 160  Waschull, Das Unternehmen im engeren Sinne als verfassungsrechtliches Eigentum, S. 429. 161  BVerfGE 78, 58 (71); 83, 201 (208); 91, 207 (220); Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 33. 162  BVerfGE 95, 267 (300); Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 33. Vgl. Brammsen, DÖV 2007, 10 (14). 163  Engel, AöR 118 (1993), 169 (202). 164  BVerfGE 83, 201 (210). 165  BVerfGE 53, 257 (293). 166  Depenheuer, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 I, Rn. 53, 54. Siehe auch BVerfGE 95, 267 (300). 167  Beispiel so bei Hagen, GewArch 2005, 402 (407). 168  Hagen, GewArch 2005, 402 (407). Vgl. Leisner, in: HdBStR VIII, § 173, Rn. 200.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

Und auch die Anknüpfung an eine körperliche Sache durch den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff an sich schafft eine gewisse Entfernung von Verfassungs- und Zivilrecht. Denn im Zivilrecht ist anerkannt, dass nicht nur Sachentzug und Substanzverletzungen das Eigentum beeinträchtigen; der Schutzbereich des zivilrechtlichen Eigentums wird hingegen eher „funktional“ gesehen, das heißt „in Bezug auf seine Umwelt“.169 Wenn man dies auch im Verfassungsrecht so sähe, wäre der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb vom Eigentum erfasst, denn er ist gerade die Beziehung des konkreten Sacheigentums zur Umwelt, etwa zu den Kunden oder auch zum gesamten Markt. Festzuhalten bleibt somit, dass die Strukturmerkmale des Eigentums selbst so unklar sind, dass man daran nur schwerlich die Weite seines Schutzbereichs festmachen kann. Andererseits kann die Loslösung von den Strukturmerkmalen des Eigentums – sofern es denn tatsächlich welche gibt – zu dem Problem einer generalklauselartigen Ausuferung des geschützten Eigentums unter anderem über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb führen170. Denn gerade die „Ausstrahlungen“ eines Betriebs sind schwer zu fassen. Jedoch ist Art. 14 GG ebenso schwer eingrenzbar, was anhand der Schwierigkeit, eine Definition zu finden, deutlich wurde171. Außerdem beschränkt das Grundgesetz das Eigentum auch nicht auf eine bestimmte Kategorie172, daher kann nicht einfach ausgeschlossen werden, was Probleme aufwirft. Als Argument gegen die Erfassung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs im Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG greift die Anknüpfung an Strukturmerkmale des Eigentums daher nicht. c) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als bloße Gewinnerwartung Gegen die Einbeziehung der Ausstrahlungswirkungen eines Gewerbebetriebs in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit spricht, dass diese Ausstrahlungen vor allem den zu erwartenden Verkaufspreis beeinflussen173. 169  Dies wird deutlich bei den Beschreibungen des Tatbestandsmerkmals Eigentum bei § 823 BGB, siehe: Förster, in Bamberger/Roth, BGB, § 823, Rn. 120 ff.; Wagner, in: Säcker/Rixecker, BGB, § 823, Rn. 177 ff. 170  Vgl. Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 18. Der Gefahr einer Ausuferung durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb meint BVerwGE 3, 254 (257) durch das Merkmal der Einbringung eigenen Kapitals begegnen zu können. 171  Siehe oben, II. 1. 172  Hagen, GewArch 2005, 402 (407). 173  Vgl. Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 99; Kellenberger, Der verfassungsrechtliche Schutz des einge-



A. Schutzbereiche99

Der zu erwartende Verkaufspreis ist aber nur eine Vermögensposition, welche Art. 14 I 1 GG nicht schützt174. Die Eigentumsfreiheit schützt ein Recht und nicht, was am Markt für Vermögenswerte daraus realisierbar sind175. Dies gilt selbst dann, wenn man mit Hagen176 davon ausgeht, dass der Wert des „good will“ nicht nur spekulativ, sondern von Wirtschaftsprüfern nachvollziehbar und klar berechenbar ist. Die in der Zukunft liegende Gewinnmöglichkeit ist für eine Rechtsposition nicht konkret genug.177 Zudem stellen Kundenstamm und Ruf eines Unternehmens tatsächlich bloße Erwartungen in die Zukunft dar, dass das Unternehmen weiterhin „Zuspruch“ findet.178 Erwartungen sind ebenfalls nicht über Art. 14 I 1 GG geschützt.179 Dies ändert sich erst, wenn die Erwartungen sich zu anerkannten Vermögensbestandteilen verdichtet haben.180 Andererseits kann man mit Engel aber davon ausgehen, dass der Kundenstamm keine Erwartung ist, sondern die „gewinnträchtige Ausrichtung des Unternehmens“, die sich der Unternehmer selbst erarbeitet hat“181. Dabei muss man sich allerdings fragen, wo der Unterschied zwischen einer „gewinnträchtigen Ausrichtung“ und einer Erwartung besteht. Implizit erkennt auch Engel dies begrifflich an und stellt fest, dass durch den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs „Gewinnerwartungen kapitalisiert“182 werden. Die Gewinnerwartung nicht gänzlich schutzlos zu lassen, legt jedoch gerade der heutige Markt mit seinem Überangebot an fast allem nahe. Denn in einem solchen Markt sind für die künftige Gewinnerzielung gerade Kundenstamm, Marktstellung und Ruf absolut wesentlich. Auch hier ist also die entscheidende Frage, wann sich Erwartungen richteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 136, 137; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 104. 174  BVerfGE 4, 7 (17); 91, 207 (220); 95, 267 (300) st. Rspr.; BVerwGE 87, 324 (330); Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 23. Vgl. Kimminich, in: Kahl/ Waldhoff/Walter, GG, Art. 14, Rn. 84. A. A. Sieckmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 14, Rn. 53. 175  Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 63. Vgl. Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art.  14, Rn.  24 m. w. N. 176  Hagen, GewArch 2005, 402 (407). 177  Kellenberger, Der verfassungsrechtliche Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 142. Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 20. 178  So für den Kundenstamm auch Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 107. 179  BVerfGE 97, 67 (77); 110, 274 (290) st. Rspr.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 21; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 47. 180  Vgl. BVerfGE 28, 119 (142); 68, 193 (222); 74, 129 (148). 181  Engel, AöR 118 (1993), 169 (190). 182  Engel, AöR 118 (1993), 169 (191).

100

3. Kap.: Grundrechtseingriff

hinreichend verdichtet haben. Allerdings ist eine Abgrenzung schwierig, wo Chancen schon hinreichend verdichtet sind zu konkreten Aussichten und wo nicht.183 Um die Abgrenzung zu vermeiden, kann als geschütztes Gut der „gewinnbringende Einsatz des Unternehmens“ oder die „Funktionalität des Gewerbebetriebs“ bezeichnet werden184 oder auch die „betriebsfähige, organisierte“ Einheit185. Auch diese Begriffe helfen jedoch nicht wirklich weiter, da sich mit ihnen neue Abgrenzungsfragen ergeben, etwa was zur „Funktionalität“ eines Gewerbebetriebs gehört. Papier macht auf dieser Ebene zur Eingrenzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb folgende Einschränkung: Nicht erfasst seien solche Vorteile, die sich aus den konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten ergeben und damit eher zufällig sind, ohne dass diese Chance sich als Teil eines Gewerbebetriebs versteht; diese Vorteile sind nicht geschützt, denn sie sind Teil des Unternehmerrisikos.186 Genau dieser Fall liegt jedoch in der Beeinträchtigung, die die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen hervorruft. Denn der Betrieb ist nur bei ­ schlechten Kontrollergebnissen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt. Diese hat er, weil er nicht dem geltenden Recht entsprechend wirtschaftet. Dies wiederum ist möglich, weil tatsächlich zu selten Kontrollen stattfinden, um Verstöße gegen das Lebensmittelrecht umfänglich zu unterbinden. Der Vorteil, den der Unternehmer ohne die Veröffentlichung hätte, ist damit nicht selbst erarbeitet, sondern durch ein Verhalten des Staates erlangt, was der Unternehmer zufällig zu seinem Vorteil nutzen kann. Papier knüpft damit im Ergebnis in umgekehrter Weise daran an, ob es sich bei dem Vorteil um ein Äquivalent eigener Leistung handelt. Wenn nicht, ist der Vorteil zufällig. Damit blieben vom Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kundenstamm, die Marktstellung oder auch der Ruf geschützt, nicht aber ein Lagevorteil an einer bestimmten Straße187 oder die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen. Oben wurde jedoch festgestellt188, dass die Äquivalenz zur eigenen Leistung kein konstitutives Merkmal des Eigentums sein kann. Es wäre damit widersprüchlich, im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entscheidend darauf abzustellen, während es bei der Bestimmung sonstigen 183  Vgl. Sodan, in: Sodan, GG, Art. 14, Rn. 12; Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 303. Für unmöglich hält eine solche Abgrenzung: Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 48; vgl. Kellenberger, Der verfassungsrechtliche Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 143. 184  Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 48, 49. 185  Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14, Rn. 51. 186  Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 101. 187  Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 104. 188  Siehe oben b).



A. Schutzbereiche101

Eigentums höchstens ein Indiz ist. Zudem bringt auch die Frage, welcher Vorteil „zufällig“ ist und welcher nicht, neue Abgrenzungsschwierigkeiten. Damit besteht bei Anerkennung des „good will“ die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen hinreichend verdichteten Erwartungen und bloßen Chancen. Dies muss je nach dem konkreten Einzelfall gelöst werden. Ein grundsätzlicher Ausschluss des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist dafür aber nicht nötig. Leisner erwägte früher, aufgrund des Vorliegens bloßer Aussichten, eine Art „Risikoabschlag“ abzuziehen, um dem gerecht zu werden, dass eine Aussicht oder auch der künftige „gewinnbringende Einsatz“ eben nie zu hundert Prozent sicher ist und es deshalb immer bei einer gewissen Anzahl der Fälle zu erwarten ist, dass sie nicht eintritt.189 Dies erscheint zunächst überzeugend. Doch ist fraglich, wie das praktisch funktionieren soll. Entweder ist der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen oder nicht. Eine halbe Eröffnung des Schutzbereichs ist hingegen nach der bisher gängigen Dogmatik nicht möglich. d) Gefahr einer Schutzlücke Ohne den Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb könnte eine Schutzlücke entstehen oder – aufgrund der ablehnenden Haltung der Rechtsprechung – schon bestehen.190 Gerade für wirtschaftspolitische Maßnahmen entstünden große „kontrollfreie“ Räume, da Art. 12 GG bei bloßen Berufsausübungsregelungen geringe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit stelle, schon „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“191 genügen; wenn man hingegen an Art. 14 GG misst, müsse meist auch die Angemessenheit im Einzelfall bewertet werden.192 Dem Wortlaut von Art. 12 I 2 und 14 I 2 GG nach, ist ein solcher Unterschied allerdings nicht zu erkennen, denn beide sind durch Gesetz regel- beziehungsweise einschränkbar. Richtig ist zwar, dass bei Eingriffen in die Berufsausübung nach der 3-Stufen-Theorie193 keine sehr hohen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen sind. Dies ist jedoch lediglich eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit bei weniger starken Eingriffen in das Eigentum im Ergebnis ebenso, wenn auch ohne 3-Stufen-Formel. Damit besteht kein allzu großer Unterschied zwischen den Einschränkungsmög189  Vgl. Leisner, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 14, Rn. 110. Im Jahr 2010 griff er dies jedoch selbst nicht mehr auf, siehe Leisner, in: HdBStR VIII, § 173, Rn. 199 ff. 190  Vgl. Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S. 95. 191  BVerfGE 7, 377 (378). 192  Engel, AöR 118 (1993), 169 (235). 193  BVerfGE 7, 377 (378).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

lichkeiten von Art. 12 I und 14 I GG. Selbst wenn aufgrund der Einschränkungsmöglichkeiten eine Schutzlücke bestünde, könnte diese durch eine weite Auslegung des Art. 12 I 1 GG194 und strenge Anforderungen bei der Verhältnismäßigkeit geschlossen werden.195 Für ein höheres Maß an Rechtssicherheit wäre die Erfassung über Art. 14 GG jedoch dienlich aufgrund der in Rechtsprechung und Literatur bestehenden Unklarheiten, wann eine Beeinträchtigung des Art. 12 GG durch staatliche Informationen gegeben ist.196 Andererseits sollte die Bestimmung eines Schutzbereiches nicht entscheidend durch die Auslegung eines anderen grundrechtlichen Schutzbereiches bestimmt werden. Damit hilft die Frage einer möglichen Schutzlücke für den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs nicht weiter. e) Sinn und Zweck des Art. 14 I 1 GG Für die Erfassung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs spricht der schon zu Beginn dargestellte Sinn des Art. 14 I 1 GG.197 Zwar soll die Eigentumsfreiheit keine „unveränderten Umsätze“ garantieren.198 Der Eigentumsschutz soll aber „freiheitssichernd und rechtsbewahrend“ wirken.199 Der Schutz der Freiheit muss sich daher in einer auf privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgerichteten Gesellschaft auch auf deren Schutz erstrecken.200 Das Unternehmen ist dabei gerade als „lebendige Einheit“ und nicht in Bezug auf seine versachlichten Werte in besonderem Maße verletzbar und bedarf daher, nach Ansicht Hagens sogar ähnlich einer natürlichen Person, eines Integritätsschutzes.201 So weit muss man jedoch gar nicht gehen: Es genügt zur Freiheitssicherung, wenn man sich auf das Erarbeitete insoweit verlassen kann, dass es zwar durch die Mechanismen des Marktes gegebenenfalls beeinträchtigt wird, nicht aber durch den Staat – jedenfalls solange sich der Unternehmer selbst rechtmäßig verhält. Zum Erarbeiteten gehören gerade auch Marktstellung, Kundenstamm und Ruf. Die rechtsbewahrende und freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie 194  So

wie oben geschehen unter Kap. 3, A. I. Haussühl, Die Produktwarnung im System des öffentlichen Rechts, S. 66; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 107. 196  Siehe zu diesen Unklarheiten ausführlich: Für die Schutzbereichsebene Kap. 3 A. I.; für die Eingriffsebene: Kap. 3 B.; für das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage: Kap. 4 A. 197  Di Fabio, JZ 1993, 689 (693). 198  Gröschner, WuR 1991, 71 (76) m. w. N. 199  Siehe oben unter Kap. 3 A. II. 200  Vgl. Hagen, GewArch 2005, 402 (408). 201  Vgl. Hagen, GewArch 2005, 402. 195  Vgl.



A. Schutzbereiche103

kann somit nur erreicht werden, wenn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb erfasst wird. f) Überstaatliches Recht Auch das überstaatliche Recht kann für die Erfassung des „good will“ im Rahmen des Art. 14 GG herangezogen werden. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) schützt das Eigentum in Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls und erfasst den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beziehungsweise den „good will“, also Verhältnisse und Beziehungen des Unternehmens, die seinen Wert beeinflussen.202 Dies gilt, obwohl Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls ebenfalls nicht das Vermögen als solches schützt.203 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) knüpft für die Auslegung des Eigentums der EMRK vor allem an den Vermögenswert eines Rechts an, weshalb er auch den „good will“ als geschützt ansieht.204 So entschied der EGMR grundlegend in seinem Urteil „Van Marle“205, in dem er den „good will“ zwar nicht direkt nennt, aber den Kundenstamm vom Eigentumsrecht geschützt sieht206 und sich zudem der Kommissionsentscheidung207 anschließt, welche den „good will“ als vom Eigentumsrecht erfasst ansieht. Zukünftiges Einkommen, das noch nicht in einem Anspruch oder Ähnlichem verfestigt ist, fällt aber nicht darunter.208 Obwohl der EGMR zumindest einmalig feststellte, geschützt seien die wirtschaftliche Ressource der Beschwerdeführer und auch deren Ertrag.209 Sicher erfasst sind aber berechtigte Erwartungen, sofern geltend gemacht werden kann, dass man in

202  Kaiser, in: Karpenstein/Mayer, Art. 1 ZP 1, Rn. 22; Meyer-Ladewig, EMRK, ZP 1 Art. 1, Rn. 10,21. 203  Kaiser, in: Karpenstein/Mayer, Art. 1 ZP 1, Rn. 4. Sieht dies noch als offene Frage an: von Danwitz, in: v.  Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, S. 215 (233). 204  Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 12 m. w. N. 205  EGMR v. 26.6.1986 – van Marle, A Vol. 101, Ziff 41. 206  Entscheidung erging mit 16 zu 2 Stimmen. Daher besteht ein Sondervotum der Richter Evans und Gersing, nach deren Ansicht die Anerkennung des good will und gerade des bestehenden Kundenstamms als Eigentum über Gegenstand und Sinn des Eigentumsschutzes hinausgeht. 207  EGMR v. 26.6.1986 – van Marle, A Vol. 101, Bericht der Kommission, Ziff 123. 208  Kaiser, in: Karpenstein/Mayer, Art. 1 ZP 1, Rn. 23. 209  EGMR v. 29.6.2004 – Dogan, Slg. 2004-VI, S. 81 (84, 118).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

deren effektiven Genuss gelangen wird.210 Der EGMR hat diese Rechtsprechung mittlerweile mehrfach bestätigt.211 Zwar gibt es daran auch Kritik, da die Gefahr bestünde, dass die Eigentumsfreiheit bei so weiter Auslegung konturenlos würde.212 Diese Kritik hat der EGMR in seiner Rechtsprechung bislang aber nicht berücksichtigt. In der neueren Rechtsprechung versuchte der EGMR lediglich eine Eingrenzung des „good will“ durch Abgrenzung zu ungeschütztem „künftigen Einkommen“.213 Damit schränkt der EGMR zumindest seine vorige Rechtsprechung ein, bei der er bereits bei noch nicht durchsetzbaren Ansprüchen Eigentum annahm.214 Allerdings steht der weiten Anerkennung von Eigentumsbestandteilen auch eine weite Anerkennung von Eingriffsbefugnissen gegenüber, sodass im Ergebnis kaum ein Eingriff als konventionswidrig angesehen wurde.215 Dennoch ist festzuhalten: Die EMRK erfasst den Schutz des „good will“. Bei der Auslegung des Grundgesetzes sind die EMRK und ihre Zusatzprotokolle sowie die Rechtsprechung des EGMR aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zu beachten, obwohl die EMRK in Deutschland nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes einnimmt.216 Bei der Beachtung der Rechtsprechung des EGMR geht es allerdings nicht um eine „Parallelisierung“ von Grundgesetz und EMRK, sondern um ein „Aufnehmen der Wertungen“ durch Heranziehung als Auslegungshilfe.217 Sinn dessen ist es, Konflikte des Grundgesetzes mit dem Völkerrecht von vorn210  Cremer, in: Grote/Marauhn, Kap. 22, Rn. 30. Vgl. EGMR v. 29.11.1991  – Pine Valley Developments Ltd, A 222, Ziff 51. Zu erwarteten Ansprüchen: EGMR v. 20.11.1995 – Pressos Compania Navier S. A. u. a., A Vol. 332, Ziff 31; EGMR v. 27.9.2001  – Lenz/Germany, Slg. 2001- XI, S. 361 (363, 364). Sogar Chancen als geschützt ansehend: Meyer-Ladewig, EMRK, ZP 1 Art. 1, Rn. 10. 211  EGMR v. 7.7.1989 – Tre Traktörer AB, A Vol. 159, Ziff 53; von Danwitz, in: v.  Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, S. 215 (231). Für den Kundenstamm: EGMR v. 20.04.1999  – Hörner Bank GmbH/Germany, Slg. 1999-V, S. 281 (283); EGMR v. 9.11.1999  – Döring/Germany, Slg. 1999-VIII, S. 373 (375); EGMR v. 25.5.1999  – Olbertz/Germany, Slg. 1999-V, S. 425 (427). 212  von Danwitz, in: v.  Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, S. 215 (233). Vgl. dazu auch die abweichende Auffassung der Richter Evans und Gersing, in: EGMR v. 26.6.1986 – van Marle, A Vol. 101, Ziff 4 des Sondervotums. 213  EGMR v. 21.10.1998 – Pinnacle Meat Processors Company and others, abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 214  EGMR v. 20.11.1995 – Pressos Compania Navier S. A. u. a., A Vol. 332, Ziff 29 ff. 215  Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 304. 216  BVerfGE 111, 307 (317, 319) – Görgülü; 128, 326 (367) – Sicherungsverwahrung; vgl. Breuer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 46, Rn. 48. 217  BVerfGE 128, 326 (367 ff., 370).



A. Schutzbereiche105

herein zu vermeiden.218 Allerdings soll die völkerrechtsfreundliche Auslegung nicht angewendet werden, wenn sie zu Systemwidrigkeiten im deutschen Recht führt.219 Systemwidrigkeit kann mit Blick auf die breite Anerkennung des „good will“ in der Literatur220 und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer obergerichtlicher Rechtsprechung verneint werden. Daher muss Art. 14 I 1 GG nach völkerrechtskonformer Auslegung ebenfalls die Ausstrahlungen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erfassen. Der Rechtsschutz der EMRK beeinflusst auch den EU-Rechtsschutz.221 In der Europäischen Union ist das Eigentum über Art. 17 GRCh geschützt, der in seinem Gehalt im Wesentlichen dem von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK entspricht222. Auch der durch den EuGH ausgeformte Eigentumsschutz erfasst mit dem Unternehmen „eng verbundene Vermögensrechte“, nicht aber bloße Aussichten223, solange noch kein schutzwürdiges Vertrauen begründet wurde.224 Nach dem EuGH erfasst Eigentum nicht den Marktanteil, den ein Unternehmer einmal hatte, da dieser immer nur eine augenblickliche wirtschaftliche Position darstellt.225 Auch Beeinträchtigungen des Absatzes eines Produkts226 oder des Vermögens als solchem227 genügen nicht. Zudem gibt es kein Recht auf Beibehaltung eines bestimmten rechtlichen oder tatsächlichen Vorteils.228 Dennoch ist die Position des ­EuGH zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht klar ableh218  BVerfGE

111, 307 (318). 128, 326 (371). 220  Belege siehe unten bei g). 221  EuGHE v. 13.12. 1979 – Lieselotte Hauer, Slg. 1979-III, 3727 (3745); Basedow/Bulst, in: FS für R. Schmidt, S. 3 (16). Vgl. Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 16, Rn. 3, Art. 17, Rn. 1; Jarass, GRCh, Art. 17, Rn. 1. 222  Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 20a; Rengeling, DVBl. 2004, 453 (459). Vgl. Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 97. 223  EuGHE v. 9.9.2008 – Fiamm u.  a., Slg. 2008-I, 6513 (6610); EuGHE v. 14.5.1974 – Nold, Slg. 1974, 491 (508). Vgl. EuGHE v. 6.12.1984 – Biovilac, Slg. 1984-IV, 4057 (4079). 224  Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 20b. 225  EuGHE v. 9.9.2008 – Fiamm u.  a., Slg. 2008-I, 6513 (6610); EuGHE v. 12.7.2005 – Alliance for natural health u. a., Slg. 2005-I, 6451 (6523); EuGHE v. 30.6.2005 – Alessandrini u. a., Slg. 2005-I, 5673 (5740); EuGHE v. 5.10.1994 – Bananenmarktordnung, Slg. 1994-I, 4973 (5065); EuGHE v. 18.3.1980 – Valsabbia, Slg. 1980, 907 (1010) st. Rspr. 226  Vgl. EuGHE v. 6.12.1984 – Biovilac, Slg. 1984-IV, 4057 (4079). 227  Cremer, in: Grote/Marauhn, Kap. 22, Rn. 50. Dies als noch offene Frage ansehend: Rengeling, DVBl. 2004, 453 (460). 228  Vgl. EuGHE v. 6.12.1984 – Biovilac, Slg. 1984-IV, 4057 (4080); EuGHE v. 9.9.2008 – Fiamm u. a., Slg. 2008-I, 6513 (6610); EuGHE v. 12.7. 2005 – Alliance for natural health u. a., Slg. 2005-I, 6451 (6523); EuGHE v. 30.6.2005 – Alessandri219  BVerfGE

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

nend229, da er zwar vielfach den Schutzbereich abgelehnt hat, ihn oft aber auch offen ließ und direkt dazu überging, dass ein möglicher Eingriff ohnehin gerechtfertigt wäre.230 Im Ergebnis eignen sich die Urteile des EuGH damit eher für Aussagen, was nicht unter das Eigentum im Sinne des EURechts fällt, nicht aber dafür, was genau darunter fällt.231 Dies ist auch nicht überraschend, denn der EuGH schöpft sein Grundrechte-Verständnis auch aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten. Dabei ergibt sich zum „good will“ ebenfalls ein uneinheitliches Bild: In Luxemburg etwa ist dieser nicht als Schutzgut anerkannt, in Großbritannien zumindest der unternehmerische Ruf.232 Somit ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb dem EGMR nach geschützt, dem EuGH nach ist der Schutz zweifelhaft. Die EMRK, und damit auch die Rechtsprechung des EGMR, bildet allerdings nach Art. 52 III GRCh den „materiellen Mindeststandard“, den der EuGH bei Auslegung der Unionsgrundrechte zu beachten hat.233 Folglich müsste das überstaatliche Recht zur Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb tendieren. g) Ergebnis zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist somit maßgeblich aufgrund des Zwecks des Art. 14 GG, das Erarbeitete zu schützen, und wegen der Anerkennung durch die EMRK und den EGMR, als „moderner Eigentumsschutz“234 anzuerkennen.235 Es schützt immaterielle ni u. a., Slg. 2005-I, 5673 (5740); EuGHE v. 5.10.1994 – Bananenmarktordnung, Slg. 1994-I, 4973 (5065) st. Rspr. 229  Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1091); Rengeling, DVBl. 2004, 453 (460); Calliess, in: Calliess/Ruffert, GRCh, Art. 17, Rn. 9 m. w. N. Vgl. BVerwGE 124, 47 (59). 230  Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 304. 231  F. Schmidt, Die unternehmerische Freiheit im Unionsrecht, S. 191. 232  Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 147 m. w. N. 233  Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 6, Rn. 27. 234  Hufen, in: FS für Horst, S. 85 (87). 235  I. E. ebenso: Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14, Rn. 52; Engel, AöR 118 (1993), 169 (202); Di Fabio, JZ 1993, 689 (693); Depenheuer, in: v.  Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 132; Hagen, GewArch 2005, 402 (406 ff.); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 14, Rn. 16; Hufen, in: FS für Horst, S. 85 (87); Kimminich, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 14, Rn. 77 ff.; Leidinger, DÖV 1993, 925 (927); Leisner, in: HdBStR VIII, § 173, Rn. 200; Lerche, Werbung und Verfassung, S. 74; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 95;



A. Schutzbereiche107

Werte, wie den Kundenstamm, den Ruf und die Marktstellung, vor staatlichen Beeinträchtigungen. Auch ein „altbewährtes“ Grundrecht kann sich in seinen Schutzgehalten damit neuen Gefährdungen stellen.236 3. Ergebnis zur Eigentumsfreiheit Durch die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse können Ruf, Marktstellung und Kundenstamm und somit das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berührt werden; der Schutzbereich von Art. 14 I 1 GG ist diesbezüglich eröffnet237. Auch durch Art. 14 I 1 GG direkt sind Unternehmen vor der Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse geschützt, sofern bereits die Sachsubstanz derselben betroffen ist.

III. Abgrenzung von Eigentums- und Berufsfreiheit Da sowohl die Eigentums- als auch die Berufsfreiheit einschlägig ist, muss gefragt werden, ob beide nebeneinander gelten können oder eines der beiden Grundrechte im konkreten Fall hinter dem anderen zurücktritt. Eine solche Grundrechtskonkurrenz kann im Wege der Gesetzeskonkurrenz gelöst werden, wenn ein Grundrecht spezieller und somit vorrangig ist, oder im Wege der Idealkonkurrenz, wenn sich die Grundrechte inhaltlich ergänzen und parallel gelten.238 Diese Abgrenzung hat im Fall der Einschlägigkeit der Eigentums- und der Berufsfreiheit unter anderem deshalb Bedeutung, weil Eingriffe in Art. 12 GG keine Entschädigungsansprüche aus enteigPorsch, Warnungen und kritische Äußerungen als Mittel gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit, S. 119; Sieckmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 14, Rn. 45; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 47; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 49. Ablehnend: BVerfGE 68, 193 (223); 77, 84 (118); 95, 173 (187, 188); Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14, Rn. 146; Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 58; Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 18; Gröpl, in: Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, Art. 14, Rn. 26; Gröschner, WuR 1991, 71 (76); Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 131, 240; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 198; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 107; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 62. 236  So Hufen, in: FS 50 Jahre Bundesverfasusnsgericht II, S. 105 (120). Dies zeige auch die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. 237  Ebenso i. E. zur Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB: VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 20; VG Aachen, Beschl. v. 4.2.2013  – 7 L 569/12, juris, Rn. 9. 238  Breuer, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 147, Rn. 96.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

nungsgleichem Eingriff auslösen können239 und auch der personelle Schutzbereich ein anderer ist.240 Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Einschlägigkeit von Art. 12 I 1 GG an, wenn die Erwerbsmöglichkeit eingeschränkt wird und die Eigentumsbeeinträchtigung nur „mittelbare Folge“ ist. In diesem Fall wird Art. 14 I 1 GG verdrängt.241 Teilweise spricht es das weniger Einschlägige dennoch kurz an.242 Somit nimmt es entweder ein Spezialverhältnis an243, oder Ideal­ konkurrenz244, bei der dann trotzdem eines der Grundrechte als im Vordergrund stehendes geprüft wird245. Grundsätzlich schützt Art. 12 I 1 GG den Erwerb, also die Freiheit der individuellen Leistungstätigkeit, Art. 14 I 1 GG das Erworbene und so das Innehaben und die Verwendung vorhandener Vermögensgüter.246 Dies ist jedoch keine gelungene Abgrenzungsformel.247 Denn schwierig wird es mit dieser Abgrenzung, wenn es um die Nutzung des Erworbenen zum weiteren Erwerb geht. Betrachtet man Marktposition und Kundenstamm als das bereits Erworbene, was wiederum zum weiteren Erwerb genutzt wird, liegt in der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse genau die Nutzung des Erworbenen zum Erwerb. Diese „Weiterverwendung“ wird teilweise als von Art. 12 I 1 und 14 I 1 GG248 erfasst angesehen, teilweise aber auch von Art. 12 I 1 GG alleine249. Nach der genannten Definition ist hier keine Entscheidung des Streits möglich, da die „Nutzung des Erworbenen“ aber auch „Erwerb“ passen. Hierbei wird deutlich, dass die lediglich „zeitlichphasenmäßige“250 Abgrenzung vielfach nicht weiter hilft. Zudem zeigt sich, wie eng Berufs- und Eigentumsfreiheit miteinander verwoben sind – gerade 239  Hömig,

in: Hömig, GG, Art. 12, Rn. 3. Rechtfertigungsmaßstab hingegen ist sehr ähnlich, siehe dazu oben, II. 1. d). 241  BVerfG-Beschl., NVwZ 2010, 1212 (1214); BVerfGE 121, 317 (345). Vgl. BVerfGE 30, 292 (335); 84, 133 (157); 102, 26 (40); 121, 317 (345). Ebenso: VG Köln, NVwZ 1999, 912. 242  BVerfGE 22, 380 (386); 115, 205 (248). 243  So BVerfGE 30, 292 (335); 31, 8 (32); 65, 237 (248); 82, 209 (234); 84 133 (157). 244  BVerfGE 8, 71 (79, 81); 21, 150 (160); 50, 290 (361); 128, 1 (36); BVerfGBeschl., NVwZ 2010, 435 (440). 245  Zu dieser etwas fragwürdigen Vorgehensweise: Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 25, Rn. 3. 246  Auf Erwerb – Erworbenes abstellend: BVerfGE 30, 292 (335); 84, 133 (157); 102, 26 (40). Vgl. Lerche, in: FS für R. Schmidt, S. 377. 247  Sodan, in: Sodan, GG, Art. 14, Rn. 21. 248  Sieckmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 14, Rn. 99. 249  Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 202. 250  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 147. 240  Der



A. Schutzbereiche109

dann, wenn man die Existenz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bejaht. Dieses Problem löst Kellenberger, indem er das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von Art. 14 I 1 GG in Verbindung mit Art. 12 I 1 GG geschützt sieht. Dies ist bislang jedoch eine Einzelansicht. Weiterhin wird daher versucht, zu Abgrenzungen zu gelangen, um das „sachnähere“ Grundrecht zu finden: Die Berufsfreiheit sei personenbezogen und zukunftsgerichtet, die Eigentumsfreiheit objektbezogen und als Bestandsschutz vergangenheitsgerichtet.251 Zudem sei Art. 12 GG tätigkeitsbezogen und Art. 14 GG mehr auf das Ergebnis der Betätigung, das Innehaben und Verwenden, gerichtet.252 Dies liefe darauf hinaus, dass die weitere Nutzung des bereits Erworbenen unter Art. 12 I 1 GG fiele. Allerdings ist die – anerkanntermaßen von der Eigentumsfreiheit geschützte253 –„Verwendung“ des Eigentums auch tätigkeitsbezogen, sodass auch dies keine geeignete Abgrenzung zur ebenfalls tätigkeitsbezogenen Berufsfreiheit darstellt.254 Somit ist oftmals schwer feststellbar, welches Grundrecht das sachnähere ist.255 Darüber hinaus ist das Abstellen auf das eine, sachnähere Grundrecht auch für den Fall problematisch, dass die Eigentumsfreiheit das verdrängte Grundrecht ist, denn der Schutz der Berufsfreiheit ist ihrem Wortlaut nach auf Deutsche beschränkt. Nach Lerche wäre für Ausländer dann nicht einmal ein Rückgriff auf Art. 2 I GG möglich, da der „verdrängende Vorrang sich nur auf die Spezialaussage des spezielleren Grundrechts bezieht“.256 Die Feststellung des sachnäheren Grundrechts birgt auch deshalb die Gefahr einer zu frühen Aussonderung und muss daher restriktiv angewendet werden.257 Daher nehmen vor allem Stimmen in der Literatur258 Idealkonkurrenz an, bei der sich die Normen entweder ergänzen und geradezu miteinander „ver251  BVerfGE 252  BVerfGE

(345).

253  Siehe

30, 292 ( 335). 30, 292 (335); 84, 133 (157); 102, 26 (40). Vgl. BVerfGE 121, 317

oben II. 2. Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 15. 255  Nimmt Idealkonkurrenz an, wenn das sachnähere Grundrecht nicht feststellbar ist: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 3. Dennoch auf das sachnähere Grundrecht abstellend: Hömig, in: Hömig, GG, Art. 12, Rn. 3. 256  Lerche, in: FS für R. Schmidt, S. 377 (384). 257  Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 25, Rn. 3. 258  Dies feststellend auch: Bryde, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 104; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 99; Engel, AöR 118 (1993), 169 (192). Anhaltspunkte dazu aber auch in der Rspr: BVerfGE 50, 290 (365). Idealkonkurrenz annehmend: Breuer, in: HdBStR VIII, § 170, Rn. 130; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 197; F. Schmidt, Die unternehmerische Freiheit im Unionsrecht, 254  Vgl.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

schmolzen“ sind (verbundene Idealkonkurrenz) oder mit gesondertem Inhalt nebeneinander stehen und „ihren eigenen Schranken“ unterliegen (unverbundene Idealkonkurrenz).259 Eine solche parallele Geltung, wie es bei der Idealkonkurrenz der Fall ist, muss zumindest für den Fall der Nutzung des Erworbenen zum weiteren Erwerb gelten.260 Denn unter Annahme der Erfassung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Rahmen des Art. 14 I 1 GG wurde schon deutlich, dass sich Art. 12 GG und Art. 14 GG in ihren Schutzbereichen ergänzen und nur schwer voneinander trennen lassen; gerade, wenn die Nutzung des Eigentums beruflichen Zielen dient und in dieses Eigentumsrecht eingegriffen wird oder wenn in eine berufliche Tätigkeit eingegriffen wird, die notwendig mit der Nutzung eines bestimmten Eigentumsrechts verbunden ist261. Zudem spricht auch der Sinn der Grundrechte insgesamt dafür, bei solchen in unserer Gesellschaft zentralen Grundrechten eher ein „Nebeneinander“ anzunehmen. Denn Zweck der Grundrechte ist der Schutz der Grundrechtsträger sowie die „Zügelung“ des Staates. Um dies zu erreichen, ist es sinnvoll, dem Grundrechtsträger mehrere ihn schützende Grundrechte zu eröffnen. Somit stehen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie für den Fall der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen in gegenseitiger Ergänzung beziehungsweise verbundener Idealkonkurrenz nebeneinander.

IV. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG könnte durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontroll­ ergebnisse betroffen sein. Als Summe in der Rechtsprechung entwickelter teilweise unbenannter Rechte262 schützt es als konkretere Ausgestaltung der Menschenwürde insgesamt die „engere persönliche Lebenssphäre“263 vor abträglichen Verlautbarungen264 sowie vor der Nutzung personenbezogener Daten als solchen265. Die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontroll­ ergebnisse könnte dabei einerseits eine „abträgliche Verlautbarung“ sein, andererseits auch die Nutzung personenbezogener Daten. S. 192. Vgl. Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14, Rn. 27; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 186; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 130. 259  Breuer, in: HdBStR VI, Aufl. 2, § 147, Rn. 96. 260  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 146. 261  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 146. 262  Lang, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 2, Rn. 34. 263  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 36. 264  Schoch, NVwZ 2011, 193 (195). 265  BVerfGE 128, 1 (43).



A. Schutzbereiche111

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zunächst sehr weit und unterteilt sich daher in verschiedene Ausprägungen. Eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der Schutz der persönlichen Ehre. Schon am Begriff zeigt sich, dass davon nur besonders individuelle, höchstpersönliche Merkmale erfasst sind, sodass der Ehrschutz auf das wirtschaftliche Unternehmen einer Person nicht anwendbar ist.266 Dem Bundesverfassungsgericht nach besteht zudem kein Schutz vor wahren Tatsachenbehauptungen267 und kein Anspruch nur so dargestellt zu werden, wie man es möchte268. Der Schutz der persönlichen Ehre als ein Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse somit nicht. Eine weitere vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – und damit kein von Art. 2 I GG verselbstständigtes Grundrecht269 – ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.270 Dieses aufgrund der Gefahren moderner Datenverarbeitung im Volkszählungsurteil271 entwickelte Schutzgut zielt speziell auf die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten und ist dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüber als dessen speziellere Ausprägung vorrangig.272 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt das Recht des Einzelnen „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.273 Anknüpfungspunkt für die Betroffenheit des Schutzbereichs ist damit die Frage, ob der Betroffene noch überschauen und wissen kann, wer was wann über ihn weiß.274 Das gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um besonders sensible Daten handelt oder nicht.275 Geschützt werden alle Daten, die über die betreffende Person etwas aussagen können, etwa auch Name und Anschrift.276 Umfasst sind persönliche und personenbezogene Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 69. NJW 2002, 3458 – Chick Korea. 268  BVerfGE 99, 185 (194). 269  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 173; Hufen, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht II, S. 105 (120). 270  BVerfGE 118, 168 (183, 184). Vgl. BVerfGE 128, 1 (57). Ausführlich zu den Problemen der informationellen Selbstbestimmung im Informationszeitalter: Schoch, in: FS für Stern, S. 1491 ff. 271  BVerfGE 65, 1. 272  Schoch, JURA 2008, 352 (355). 273  BVerfGE 115, 320 (341) – Rasterfahndung, m. w. N. BVerfGE 128, 1 (42) – Gentechnikgesetz. 274  Zumpe, Öffentlichkeit staatlicher Informationen, S. 175. 275  BVerfGE 118, 168 (184, 185) – Kontostammdaten. 276  BVerfGE 128, 1 (44) – Gentechnikgesetz. 266  Vgl.

267  BVerfG-Beschl.,

112

3. Kap.: Grundrechtseingriff

Daten277, wobei es genügt, wenn die Daten individualisierbar sind.278 Personenbezogene Daten sind dem Bundesverfassungsgericht nach Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person.279 Der Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fällt auch nicht schon dadurch weg, dass der Betroffene sich gegebenenfalls nicht rechtskonform verhalten hat.280 Die Gewährleistung hängt auch nicht davon ab, welchem Lebensbereich die Daten entstammen. So ist auch die berufliche und geschäftliche Sphäre der Person vom Schutz erfasst.281 Damit fallen auch wirtschaftliche Daten, etwa Einkommensverhältnisse, darunter.282 Hingegen sind unternehmensbezogene Daten nach vielfach vertretener Ansicht nicht geschützt.283 Dadurch entsteht ein Abgrenzungsproblem: Wirtschaftliche Daten, die Rückschlüsse auf konkrete Personen ermöglichen, fallen unter personenbezogene Daten und sind geschützt.284 Beispielhaft dafür ist der Alleingesellschafter, der eins zu eins für sein Unternehmen steht.285 Wird etwa seine gewerberecht277  BVerfGE 128, 1 (43). Vgl. BVerfGE 65, 1 (43); 113, 29 (46); 115, 166 (190); 118, 168 (184, 185). 278  BVerfGE 128, 1 (42) – Gentechnikgesetz; 115, 320 (341) – Rasterfahndung, m. w. N. 279  BVerfGE 128, 1 (43). Ebenso definiert in § 3 I BDSG. 280  Vgl. BVerwGE 128, 295, Rn. 35, das auch die bei einem Disziplinarverfahren anfallenden personenbezogenen Daten als geschützt ansieht; BVerfGK 14, 472 (474), das die Gewährung von Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten als geschützt ansieht. 281  Dammann, in: Simitis, BDSG, § 3, Rn. 7, 11. Vgl. Weichert, in: Däubler/ Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, § 3, Rn. 2. Sich direkt auf das Recht zur informationellen Selbstbestimmung beziehend: Schoch, JURA 2008, 352 (355, 356). 282  Vgl. VG Wiesbaden, NVwZ-RR 2008, 617; Starck, in: v.  Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 2, Rn. 114. 283  Lehnt dies mit Hinweis auf den Schutz durch Art. 12 GG ab: Schoch, JURA 2008, 352 (356). Ablehnend, aber mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen mit personalem Bezug: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 43. Vgl. Becker, ZLR 2011, 391 (407); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 225; Grube/Immel/ Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 227, Rn. 41. A. A. VG Sigmaringen, Urt. v. 30.11.2011  – K 2307/10, BeckRS 2011, 56418. 284  Vgl. VG Wiesbaden, NVwZ-RR 2008, 617; Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, § 2, Rn. 74; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2, GG, Rn. 43; Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 226, 227, Rn. 40, 41. A. A. Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, § 56, Rn. 76; Schoch, JURA 2008, 352 (356). Dies erkennt sogar der EuGH mittlerweile für den parallelen Art. 8 I GRCh, der bislang wg. des Bezugs zum „Privaten“ sehr eng verstanden wurde, an: EuGH v. 9.11.2010 – Agrarsubventionsempfänger Schecke und Eifert, Slg. 2010-11 (A., I-11063 (11144, Rn. 53). Dies auch vor dem EuGH-Urteil schon annehmend: Mehde, in: Heselhaus, HdbEU-GR, § 21, Rn. 22, 23. 285  Vgl. VG Wiesbaden, NVwZ-RR 2008, 617; Beck, Verbraucherinformationsgesetz, § 2 VIG, S. 44. Nimmt einen hinreichenden Personenbezug auch bei zwei



A. Schutzbereiche113

liche Zuverlässigkeit öffentlich bezweifelt, fällt dies direkt auf ihn zurück. Dieser Personenbezug im weiteren Sinne genügt. Was kann dann noch unter den Begriff „unternehmensbezogenen Daten“ fallen? Alle Daten jedes Unternehmens können davon nicht erfasst sein, da diese auch zum Teil personenbezogen sind. Um einen Gegenpol zu personenbezogenen Daten zu bilden, darf man unter die unternehmensbezogenen Daten nur solche fassen, die nur Rückschlüsse auf das Unternehmen ermöglichen, nicht aber auf Einzelpersonen. Den Schutz dieser unternehmensbezogenen Daten gilt es zu untersuchen, da Lebensmittelkontrollergebnisse auch Daten großer Unternehmen sein können, bei denen keine direkte Zuordnung zu natürlichen Personen möglich ist. Auf den ersten Blick scheinen rein unternehmensbezogene Daten nicht geschützt, da sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herleitet und dieses an die private Lebensgestaltung des Individuums anknüpft. Die Frage des Schutzes unternehmensbezogener Daten ist jedoch eng verknüpft mit dem personellen Schutzbereich und aufgrund dessen gegebenenfalls anders zu beurteilen. Wenn nämlich juristische Personen in den personellen Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung fielen, müssten auf sachlicher Ebene auch unternehmensbezogene Daten geschützt sein, ansonsten hätte der personelle Schutzbereich an dieser Stelle keine sachliche Entsprechung286. Der Schutz juristischer Personen liefe leer, wenn nicht auch ihre spezifischen Daten geschützt wären. Der Schutz juristischer Personen ist für das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch problematisch aufgrund der engen Verbindung des Persönlichkeitsrechts mit der Menschenwürde.287 Letztere kann eine juristische Person nicht haben, die bezüglich ihres Schutzbedürfnisses vollkommen anders ist.288 Man könnte das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber auch insgesamt als stärker verankert in Art. 2 I GG sehen, es folglich auf juristische Personen anwenden und ein lediglich vermindertes Schutzniveau annehmen, da der besondere Schutz gerade durch Art. 1 I GG entsteht.289 Das Bundesverfassungsgericht löst dies je nach Einzelfall der konkret betroffenen AuspräGesellschaftern an: VG Sigmaringen, Urt. v. 30.11.2011 – K 2307/10, BeckRS 2011, 56418. 286  Im Umkehrschluss so auch bei: Becker, ZLR 2011, 391 (407). Vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 30.11.2011  – K 2307/10, BeckRS 2011, 56418. 287  Kunig, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 2, Rn. 39. 288  So Dammann, in: Simitis, BDSG, § 3, Rn. 18, zum BDSG, das nach Taeger/ Schmidt, in: Taeger/Gabel, BDSG, Teil  1, Einführung, Rn. 27, Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist. 289  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 224.

114

3. Kap.: Grundrechtseingriff

gung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.290 Damit ist die Erfassung juristischer Personen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Konkreten zu ermitteln. Der Schutz juristischer Personen im Rahmen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung war lange umstritten.291 Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Abfrage von Kontostammdaten im Jahr 2007 sind jedoch auch juristische Personen einzubeziehen, soweit der Schutzbereich auf Art. 2 I GG gestützt ist.292 Bezüglich möglicher Beeinträchtigungen durch staatliche Informationsmaßnahmen bestehe ein dem Schutz natürlicher Personen entsprechendes Schutzbedürfnis.293 Das Unternehmen kann in seiner „Unternehmerpersönlichkeit“ etwa durch die Veröffentlichung seines Kontostandes ebenso schwer beeinträchtigt sein, wie die Privatperson, und – im Gegensatz zur Privatperson – daran sogar aufgrund von Insolvenz „sterben“.294 Die Unterschiede zwischen juristischen und natürlichen Personen seien im Schutzbereich jedoch zu beachten, denn juristischen Personen geht es vorrangig um ihre wirtschaftliche Tätigkeit.295 Damit entsteht zwar auch ein verminderter Schutzumfang.296 Eine juristische Person ist aber durch staatliche Informationsmaßnahmen in ihrer informationellen Selbstbestimmung betroffen, wenn eine entsprechende „Bedeutung der Information für den grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis“ besteht297. Im Fall der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse handelt es sich um die gastronomische Betätigung. Der Schutz für juristische Personen entsteht von vornherein nicht über Art. 2 I in Verbindung mit 1 I GG, sondern über Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Grundrecht, das die entsprechende Tätigkeit des Unternehmens schützt, etwa Art. 12 GG.298 Das Bundesverfassungsgericht macht den Schutz der juristischen Person 290  BVerfGE 118, 168 (203) – Kontostammdaten. Vgl. Lang, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 2, Rn. 50. 291  Und so ist er es noch für die Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Europäischen GRCh, siehe Folz, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, GRCh, Art. 8, Rn. 4; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, GRCh, Art. 8, Rn. 11. 292  BVerfGE 118, 168 (203 ff.) – Kontostammdaten. Vgl. BVerfGE 128, 1 (43) – Gentechnikgesetz; Becker, ZLR 2011, 391 (407); Grube/Immel/Wallau, Verbraucher­ informationsrecht, S. 160, Rn. 47; Rudolf, in: HdbGR IV, § 90, Rn. 37; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 2, Rn. 9. A. A. Beck, Verbraucherinformationsgesetz, § 2 VIG, S. 44; Schoch, JURA 2008, 352 (356). 293  Vgl. BVerfGE 118, 168 (203, 204). 294  Beispiel so bei Becker, in: FS für Stern, S. 1233 (1246). 295  BVerfGE 118, 168 (204). 296  BVerfGE 118, 168 (203 ff.) – Kontostammdaten. Vgl. BVerfGE 128, 1 (43); OVG Lüneburg, NJW 2009, 2697; Rudolf, in: HdbGR IV, § 90, Rn. 37. 297  BVerfGE 118, 168 (204). 298  Becker, in: FS für Stern, S. 1233 (1241).



A. Schutzbereiche115

damit von der Relevanz der Beeinträchtigung eines anderen Grundrechts abhängig. Die Möglichkeit, Rückschlüsse auf natürliche Personen ziehen zu können, ist nicht mehr nötig.299 Denn, wenn kein Menschenwürdegehalt mehr im Recht auf informationelle Selbstbestimmung für juristische Personen steckt und der Schutz vielmehr in Verbindung mit einem weiteren Grundrecht entsteht, gibt es keinen Grund mehr für diese Beschränkung. Folglich sind juristische Personen vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Die mittlerweile sehr weite Auslegung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wird auch kritisiert. Der Unternehmer sei in seiner beruflichen Betätigung schon über Art. 12 GG geschützt.300 Dies ist jedoch eine Frage der Grundrechtskonkurrenzen. Die Erfassung auf Schutzbereichsebene ist jedenfalls höchstrichterlich festgelegt und zudem richtig, gerade da bei dem Schutz von Unternehmen das Vorliegen der schwer greifbaren faktischen Eingriffe erhebliche Begründungsschwierigkeiten schafft.301 Deshalb ist es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch die Funktion des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, Schutzlücken, die durch neue Gefährdungen entstehen, zu schließen und den Schutz der Freiheitsrechte durch Erfassen der Gefährdungsebene zu erweitern.302 Abschließend lässt sich festhalten: Der personelle Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfasst auch juristische Personen. Folglich müssen im sachlichen Schutzbereich auch unternehmensbezogene Daten geschützt sein. Damit ist die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt.303 Denn die Lebensmittelkontrollergebnisse sind, je nach konkretem Fall, unternehmens- oder sogar personenbezogene Daten. Auch wenn es sich bei den Unternehmern um juristische Personen handelt, sind diese geschützt. Zwar wird bei Veröfauch Becker, in: FS für Stern, S. 1233 (1238). Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, § 56, Rn. 76, der die Geheimhaltungsinteressen juristischer Personen im Rahmen des Geschäftsgeheimnisses bei Art. 12 GG diskutieren will. 301  Den Schutz durch Art. 12, 14 und 2 I GG diesbezüglich ebenfalls nicht als genügend ansehend: Becker, in: FS für Stern, S. 1233 (1247). 302  BVerfGE 118, 168 (183). 303  Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen nach § 40 I a LFGB zumindest in der summarischen Prüfung des Eilverfahrens als einschlägig ansehend: OVG Nds., Beschl. v. 14.6.2013  – 13 ME 18/13, juris, Rn. 4, 6; OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, juris, Rn. 21; VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10; VG Osnabrück, Beschl. v. 8.5.2013  – 6B 18/13, juris, Rn. 13; VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013 – 6 L 47/13, juris, Rn. 20. I. E. ebenso: Dannecker, JZ 2013, 924 (925); Teufer, K u. R 2013, 629 (632). Vgl. für das für den Bund angedachte Modell: Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (7). 299  So 300  So

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

fentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse der Name des Unternehmers nicht genannt, dieser lässt sich aber ohne großen Aufwand über die angegebenen Daten ermitteln. Doch dies ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht einmal mehr nötig. Für die Eröffnung des Schutzbereichs genügt die Veröffentlichung unternehmensbezogener Daten durch eine staatliche Stelle. Von diesem Schutzbereich sind alle Lebensmittelunternehmen erfasst, nicht nur solche mit negativen Ergebnissen. Denn hierbei geht es nicht um die ungünstige Auswirkung, die nur bei einem negativen Ergebnis zu erwarten wäre, sondern bereits um die bloße Verwendung der Daten. Damit ist der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontroll­ ergebnisse berührt. Er leitet sich für die Fälle, in denen es sich um personenbezogene Daten handelt, aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG her. Der Schutz rein unternehmensbezogener Daten ergibt sich dabei aus Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 12 GG. Für die Betriebe mit negativen Kontrollergebnissen sind damit mehrere grundrechtliche Schutzbereiche einschlägig, weshalb deren Verhältnis zueinander untersucht werden muss. Grundsätzlich ist Art. 12 I GG als spezielleres Grundrecht vorrangig.304 Eigenständige Bedeutung hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber der Berufsfreiheit nur, wenn es nicht nur um den berufsrelevanten Teil aus Art. 2 I GG geht, sondern gerade um den persönlichen Bereich aus Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG.305 Zwar wird teilweise auch Idealkonkurrenz angenommen.306 Das Bundesverfassungsgericht ließ dabei sogar Art. 12 GG zuweilen dahinstehen, da der Schutz vor staatlichen Informationsmaßnahmen dort jedenfalls nicht weiter reiche als der des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.307 Bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse geht es aber gerade um den Schutz des beruflichen Aspekts, weshalb es höchstens in Betracht käme, beide Grundrechte gleichberechtigt nebeneinander stehen zu lassen. Ein solcher paralleler Schutz durch Art. 2 I GG ist jedoch nicht nötig, da die freie Entfaltung der Persönlichkeit im beruflichen Bereich hinreichend durch die Berufsfreiheit geschützt ist308 und das Recht auf informationelle Selbst304  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 224. Vgl. BVerfGE 105, 252 (279) – Glykolwein; OVG Nds., NJW 2009, 2697; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 I, Rn. 99. Vgl. Lang, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 2, Rn. 54. 305  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 124. 306  Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 274, 275. BVerfGE 118, 168 (205) – Kontostammdaten. Allgemeine Erklärung zur Idealkonkurrenz siehe oben bei III. 307  BVerfGE 118, 168 (205) – Kontostammdaten. Ebenso: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 12; Becker, ZLR 2013, 496. 308  Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 122.



B. Eingriff117

bestimmung in seinem Gehalt für den konkreten Fall nicht darüber hinausgeht. Zudem geht es den Betroffenen nicht primär um den Schutz ihrer Daten, sondern eher um den Schutz ihrer Freiheit des Wirtschaftens und damit um einen Schutzinhalt des Art. 12 I 1 GG. Demnach tritt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinter der Berufsfreiheit zurück. Aufgrund der oben dargelegten engen Verknüpfung von Art. 12 I 1 GG mit Art. 14 I 1 GG in verbundener Idealkonkurrenz muss Art. 2 I GG auch gegenüber Art. 14 I GG zurückstehen309.

V. Zwischenergebnis zur Eröffnung der Schutzbereiche Art. 12 I 1 GG ist durch die Veröffentlichung negativer Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen in seinem Schutzbereich berührt. Gleiches gilt für Art. 14 I 1 GG, wobei dieser insbesondere in seiner Ausprägung als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen ist, in seiner Grundaussage jedoch nur im Einzelfall. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG beziehungsweise für juristische Personen aus Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 12 GG ist ebenfalls berührt. Dies gilt für alle Lebensmittelkontrollergebnisse und damit auch die „sehr guten“. Im Fall negativer Kontrollergebnisse muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedoch hinter Art. 12 I 1 GG und Art. 14 I 1 GG zurückstehen.

B. Eingriff In die Schutzbereiche müsste eingegriffen worden sein. Der „klassische“ Eingriff erforderte Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmigkeit und Imperativität.310 Durch die Veränderungen staatlichen Handelns311 passt diese Eingriffsdefinition vielfach nicht mehr. Deshalb wird auf die Rechtsförmigkeit und die Imperativität heutzutage nicht mehr abgestellt312. Als Kriterien ergeben sich damit nur noch Finalität und Unmittelbarkeit313. Somit muss 309  Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 101; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 137. 310  BVerfGE 105, 279 (300) – Osho; von Münch/Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19, Rn. 34; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 44. 311  Siehe oben unter Kap. 1, B. II. 312  BVerfGE 86, 28 (37); vgl. 113, 63 – Junge Freiheit; Hufen, Staatsrecht II, § 8, Rn. 6. Vgl. Discher, JuS 1993, 463 (467). 313  BVerfGE 46, 120 (137).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

die Beeinträchtigung eine beabsichtigte Folge der staatlichen Handlung sein314 und es dürfen keine wesentlichen Zwischenakte mehr nötig sein315. Durch die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen werden Daten der Lebensmittel-Einzelhändler gespeichert, verwendet und sogar veröffentlicht. Dies geschieht direkt durch behördliches Handeln. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt damit vor.316 Auf die Berufs- und Eigentumsfreiheit der betroffenen Unternehmer wirkt die Veröffentlichung hingegen nicht unmittelbar ein, da zwischen dem staatlichen Handeln und der Beeinträchtigung der Unternehmer noch die Entscheidung des Verbrauchers steht. Nach dem klassischen Maßstab läge somit kein Eingriff vor.

I. Faktischer Eingriff Es könnte jedoch ein faktischer, also „tatsächlicher“317, Eingriff vorliegen. Für den Fall der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse ist die Frage des Vorliegens eines faktischen Eingriffs entscheidend dafür, ob ein Eingriff in die Berufs- und die Eigentumsfreiheit besteht. Daher muss zunächst genau bestimmt werden, wann ein faktischer Eingriff vorliegt. Der Begriff wird jedoch nicht einheitlich verwendet318, eine genaue Definition ist schwierig. Zum Teil wird von ihm noch der bloß mittelbare Eingriff unterschieden. Hier soll der faktische Eingriff den mittelbaren Eingriff umfassen und insgesamt als Gegenstück zum klassischen Eingriff verwendet werden. Einig ist man darin, dass ein Eingriff auch bei bloß faktischen Beeinträchtigungen, zum Beispiel schlichtem Verwaltungshandeln319, vorliegen kann320. Nur so kann der Zweck der Abwehrrechte erreicht werden.321 An314  Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher,

GR/StaatsR II, Rn. 264, 266. in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 47. 316  I. E. ebenso zum Pankower/Lichtenberger Modell: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 22, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 24. Ebenso zur Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10. VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 192/13, juris, Rn. 21. 317  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Das Herkunftswörterbuch, S. 202. 318  Vgl. Albers, DVBl. 1996, 233. 319  Gusy, NJW 2000, 977 (983); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (343). 320  BVerfGE 113, 63 (77); 116, 202 (222); BVerwGE 131, 171 (174); Zippelius/ Würtenberger § 19, Rn. 26; Huber, ZLR 2004, 241 (243). Grundlegend dazu Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte. 321  Vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Band  III/2, S. 179. 315  Sodan,



B. Eingriff119

derenfalls könnte der Schutz der Grundrechte durch die Wahl bestimmter Handlungsformen umgangen werden.322 Zudem enthalten die Grundrechte, an die der Staat nach Art. 1 III GG gebunden ist, keine entsprechende Beschränkung, sodass eine solche auch nicht vorgenommen werden darf.323 Dennoch können nicht alle faktischen Beeinträchtigungen mit Grundrechtsrelevanz einen Eingriff darstellen, da so fast jedes Realhandeln dem Vorbehalt des Gesetzes unterläge. Staatliches Handeln würde nahezu unmöglich.324 Zur Eingrenzung des faktischen Eingriffs haben sich in Literatur und Rechtsprechung daher verschiedene Kriterien herausgebildet. Die Vielzahl dieser Kriterien liegt daran, dass der Eingriffsbegriff im Grundgesetz nicht näher bestimmt ist und die Herleitung einzelner Kriterien entsprechend schwierig ist325. Wichtigster Anhaltspunkt für die Ermittlung von Eingriffsmerkmalen ist, wie der Schutz der Grundrechtsträger als Sinn und Zweck der Grundrechte am besten erreicht werden kann. Denn der Eingriff bestimmt die Reichweite der Grundrechte und somit ihren Schutzbereich mit. Er ist mit den Worten Bethges der „Verteilungsschlüssel zwischen gesellschaftlicher Freiheitssphäre einerseits und Staatsgewalt andererseits“326. Die Eingriffsdefinition bestimmt, welche Beeinträchtigungen dem Staat zugerechnet werden können und damit letztlich auch, ob eine Ermächtigungsgrundlage nach dem Vorbehalt des Gesetzes nötig ist. Aufgrund der Fülle der Kriterien ist eine vollständige Übersicht hier nicht angestrebt.327 Die Merkmale aus Literatur und Rechtsprechung sollen lediglich überblicksartig und so kurz wie möglich dargestellt werden, um dann zu einer Begriffsdefinition zu gelangen, mit der im Folgenden gearbeitet werden kann. 1. Übliche Merkmale des faktischen Eingriffs Das Bundesverfassungsgericht forderte für den faktischen Eingriff zuletzt eine „in Zielsetzung und Wirkung“ einem klassischen Eingriff entsprechen322  Friauf, DVBl 1971, 674 (681); Sodan, DÖV 1987, 858 (863). Vgl. Manssen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 75. 323  Vgl. Albers, DVBl. 1996, 233 (234). 324  Vgl. Sodan, DÖV 1987, 858 (863). 325  Die Herleitbarkeit aus dem Grundgesetz beispielsweise für das Merkmal der Finalität verneinend: Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 39; Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (1998); Schulte, in: Heckmann/ Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 213 (224); Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 523. 326  Bethge, in: HdbGR III, § 58, Rn. 13. 327  Recht umfassend bei W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S.  33 ff.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

de Beeinträchtigung, bei der die mittelbare Folge nicht bloß ungewollter Reflex ist.328 Es setzt also Finalität und Intensität voraus. Diese Kriterien sind jedoch nicht unproblematisch. Daher wurde eine Vielzahl weiterer Kriterien entwickelt. Alle Kriterien von Rechtsprechung und Literatur sollen im Folgenden auf ihre Dienlichkeit hin überprüft werden. Unterteilen kann man die Kriterien in subjektive und objektive. a) Subjektive Kriterien Subjektive Kriterien knüpfen an die Perspektive des Handelnden an. Als wichtigstes subjektives Merkmal des faktischen Eingriffs gilt die Finalität329, also die Ziel- oder Zweckgerichtetheit330. Finalität wird zumeist als hinreichendes331 Merkmal des faktischen Eingriffs genannt. Gegen das Erfordernis der Finalität in der Begriffsbestimmung des faktischen Eingriffs spricht ihre relative Unbestimmtheit: Ist es die staatliche Absicht oder der objektive Zweck?332 Genügen auch bloße Nebenzwecke?333 Solche offenen Kriterien bürgen die Gefahr ergebnisorientierter, nicht nachvollziehbarer Entscheidungen.334 Finalität als „staatliche Absicht“ bewirkt eine Subjektivierung des faktischen Eingriffs und folglich eine nicht an objektiven Kriterien messbare Bewertung des Handelns durch den Han328  BVerfGE 116, 202 (222); 118,1 (20); BVerfG-Beschl., NVwZ 2009, 1486 (Lts. 2). Vgl. BVerfGE 113, 63 (76). 329  Als Kriterium nennend: BVerwG, NJW 1992, 2496 (2499), 1989, 2272 (2273); Discher, JuS 1993, 463 (467); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 29; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 79; MüllerFranken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 45; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 31; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 58; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (37). Vgl. Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5). Ebenso BVerwGE 71, 183 (190, 193), das die Finalität aber eher wie „Vorhersehbarkeit“ verwendet. 330  Vgl. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 23; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (37). 331  Allein genügend, aber nicht unbedingt notwendig. So Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 29; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 70. 332  Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (98). 333  Dies wird selbst durch den 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts unterschiedlich bewertet: In BVerwGE 87, 37 (43) – Glykolwein wird nur auf den Hauptzweck abgestellt, bei BVerwGE 71, 183 (194) – Arzneimitteltransparenzliste genügt auch ein Nebenzweck. „Finalität“ jedenfalls als zu unbestimmt bewertend auch Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 52. Ausführlich zur unterschiedlichen Auslegung des Begriffs auch Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 131 ff. 334  Vgl. Albers, DVBl. 1996, 233 (236).



B. Eingriff121

delnden selbst.335 Zweck der Grundrechte ist es aber, einen entsprechenden Freiheitsbereich zu gewährleisten, nicht „schlechte Absichten“ zu verhindern336. Zudem würden unabsichtliche staatliche „Fehlleistungen“ so nicht von den Grundrechten geschützt337, was dem Zweck der Grundrechte diametral entgegenstünde. Die Grundrechte knüpfen außerdem an die Auswirkungen staatlichen Handelns an, nicht an die Entstehung der Beeinträchtigung. Ein gegenüber der Finalität etwas schwächeres Kriterium ist die Vorhersehbarkeit338. Bei dennoch erfolgender Handlung wird dies als „Inkaufnahme“ bezeichnet. Die Vorhersehbarkeit, die mit dem Fahrlässigkeitsvorwurf im Zivil- und Strafrecht korrespondiert, erscheint aus einer ganzheitlichen Sicht des Rechts sinnvoll, da auch im Zivil- und Strafrecht eine Haftung in der Regel zumindest an Fahrlässigkeit geknüpft ist.339 Die Vorhersehbarkeit müsste allerdings aus objektiver ex-ante Sicht geprüft werden, da es ansonsten wiederum ein zu subjektives Kriterium wäre und sich der Staat durch das Einsetzen wenig vorausschauender Beamter seiner grundrechtlichen Bindung entziehen könnte.340 Außerdem könnte man die Vorhersehbarkeit als bloße Verschiebung des Problems zu der Frage sehen, wie wahrscheinlich der Erfolg ist.341 Die Wahrscheinlichkeit wäre wiederum sehr unbestimmt. Die Vorhersehbarkeit wird zudem als bloßes „Minimalkriterium“ kritisiert, da sowieso nur das Vorhersehbare geregelt werden könne und daher auch nur das Vorhersehbare dem Vorbehalt des Gesetzes unterfallen dürfe.342 Diesem Ansatz zufolge ist die Vorhersehbarkeit ein notwendiges, aber gegebenenfalls zu schwaches343 Kriterium. Gegen die Notwendigkeit 335  Vorgeführt an zwei die Finalität staatlichen Informationshandeln verschieden bewertenden Urteilen bei Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710). Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (695); Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (90). 336  Robbers, AfP 1990, 84 (86). Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (695), der die Finalität dennoch als Hauptkriterium heranzieht. 337  Sachs, Verfassungsrecht II, A 8, Rn. 20. 338  Als Kriterium nennend: BVerfGE 30, 227 (243); BVerwGE 87, 37 (43) – Glykolwein; BVerwG, NJW 1996, 3161 – Warentest der Landwirtschaftskammer; Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 72; Discher, JuS 1993, 463 (465); Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 50; Schulte, in: Heckmann/Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 213 (226); Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (98). 339  Vgl. W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 139. 340  C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 71, 72. Vgl. Klement, DÖV 2005, 507 (511). 341  Koch, Der Grundrechtschutz des Drittbetroffenen, S. 283. 342  Zu diesem Argumentationsansatz vgl. Discher, JuS 1993, 463 (465). 343  Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 247. Vgl. Robbers, AfP 1990, 84 (86); A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 316.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

der Vorhersehbarkeit spricht allerdings, dass das Problem mit der Ermächtigungsgrundlage auch über das parallele Kriterium des Ausschlusses atypischer Kausalverläufe gelöst werden kann. Dies hat den Vorteil, dass es sich um ein objektives Kriterium handelt und daher mehr Verlässlichkeit für den Grundrechtsträger bietet. Zu den subjektiven Kriterien kann daher festgehalten werden, dass sie nicht geeignet sind, den faktischen Eingriff näher zu bestimmen.344 b) Objektive Kriterien Daher muss nach objektiven Kriterien gesucht werden. Nach Gusy und Di Fabio ist das – bereits abgelehnte – Finalitätskriterium durch Unmittelbarkeit zu ergänzen, sodass zumindest eines der beiden Kriterien vorliegen muss.345 Dies beseitigt das Problem der Subjektivität des Finalitätsbegriffs jedoch nicht. Unmittelbarkeit ist daher höchstens als von der Finalität unabhängiges Kriterium sinnvoll. Aber auch die Unmittelbarkeit ist relativ unbestimmt.346 Nach dem Wortverständnis scheint zwar klar, dass Unmittelbarkeit das Fehlen weiterer Zwischenakte bedeutet und somit beispielsweise staatliches Informationshandeln, was sich über die Verbraucherentscheidung auf die Unternehmer auswirkt, ausschließt. Es ist jedoch die Aufgabe des Staates, die Grundrechte aktiv zu schützen, folglich kann er nicht von dieser Aufgabe entbunden sein, wenn er durch sein Handeln eine letztlich beeinträchtigende Kausalkette ausgelöst hat.347 Dazu würde jedoch Unmittelbarkeit ihrem Wortverständnis nach führen. In der Literatur wird das Merkmal daher teilweise so gehandhabt, dass sogar tripolare, also gerade über einen Zwischenakt ablaufende, Beeinträchtigungen noch unmittelbar sein sollen; lediglich atypisches solle über die Unmittelbarkeit ausgeschlossen werden.348 Diese Erweiterung des Unmittelbarkeitsbegriffs sei gerade aufgrund der verstärkten Nutzung von Information zur Steuerung nötig.349 Dann ist 344  Vgl. i. E.: A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 297, 383. 345  BVerfGE 76, 1 (42). Vgl. 51, 386 (395); Di Fabio, JZ 1993, 689 (695); Gusy, NJW 2000, 977 (983). Kritisch zu Unmittelbarkeit: Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 24. 346  Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (88, 98); Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 52; (Un-)Mittelbarkeit als „sinnvariabel“ bezeichnend: Bethge, in: HdbGR III, § 58, Rn. 29. 347  Robbers, AfP 1990, 84 (86). 348  Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (88, 98). Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (697); Robbers, AfP 1990, 84 (87). 349  Di Fabio, JZ 1993, 689 (697).



B. Eingriff123

die Bezeichnung „Unmittelbarkeit“ jedoch irreführend. Denn bei dieser Auslegung könnte man sich von vornherein auf ein Negativmerkmal wie „keine atypischen oder über mehrere freie Zwischenentscheidungen ablaufenden Kausalverläufe“ festlegen.350 Somit ist – positiv formuliert – statt der Unmittelbarkeit die Typizität der Auswirkung staatlichen Handelns nötig351, die Grundrechtsbeeinträchtigung muss damit eine typische Folge des staatlichen Handelns sein. Zusätzlich könnte eine gewisse Intensität352 der Beeinträchtigung erforderlich sein. Doch auch die Intensität ist ein sehr unbestimmtes353, zudem grundrechts-354 und einzelfallabhängiges Merkmal355 und daher wenig rechtssicher. So wird beispielsweise anhand des Begriffs nicht deutlich, ob die tatsächliche Intensität der Auswirkung abgewartet werden muss oder auf die zu erwartende Intensität – und so auf eine Prognose – abgestellt wird.356 Ein Abwarten tatsächlicher schwerer Nachteile kann aber unzumutbar sein, wenn Nachteile entstehen, die nicht rückgängig gemacht werden können. Bei der Prognose ist fraglich, aus wessen Perspektive sie erfolgen soll. Auch wäre die schwierige Frage zu beantworten, welche Intensität genügt und ob dies für alle Grundrechte gemeinsam festgelegt werden kann. Zudem könnte es den Grundrechtsschutz zu stark beschränken, da auch geringe Beeinträchtigungen die Grundrechtspositionen des Betroffenen berüh350  Di

Fabio, JZ 1993, 689 (697). ebenso: BVerfGE 30, 227 (243); Discher, JuS 1993, 463 (466). Vgl. Robbers, AfP 1990, 84 (87). 352  Intensität als Kriterium nennend: BVerwGE 82, 76 – Transzendentale Meditation; 87, 37 (44) – Glykolwein; BVerwG, NJW 1996, 3161 – Warentest der Landwirtschaftskammer; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S.  300 ff.; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 29; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 58; Starck, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1, Rn. 265; Stern, in: Stern, Staatsrecht, Band  III/1, S. 1207. Intensität sogar als wichtigstes Kriterium: A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 326. Als Zusatzkriterium bejahend: Discher, JuS 1993, 463 (467); Manssen, in: v.  Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 79; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 45; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 30; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 76; Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 49; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (37). Vgl. Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5). 353  C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 76; Schulte, in: Heckmann/Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 213 (224). 354  Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 253. 355  Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (695, 696). 356  C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 73. 351  I.  E.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

ren.357 Diese Begrenzung des Grundrechtsschutzes ist im Grundgesetz außerdem nicht vorgesehen.358 Lösung dessen könnte eine bloße Bagatellgrenze359 sein, die unten näher problematisiert wird. Oft wird zur Abgrenzung zusätzlich auf die tatsächliche Auswirkung im Einzelfall abgestellt, wobei es nicht um die Intensität der Beeinträchtigung gehen soll, sondern um den tatsächlichen Eintritt der Beeinträchtigung.360 Dieses Merkmal bedeutet allerdings, dass sich die Materie in den „Untiefen der Einzelfalljudikatur“ verliert.361 Zudem ist an diesem Abgrenzungskriterium ungünstig, dass sich Auswirkungen typischerweise erst im Nachhinein herausstellen.362 Außerdem kann, wie schon bei der Intensität, ein Abwarten einer tatsächlichen Auswirkung unter Umständen unzumutbar sein.363 Deshalb kann es kein zwingendes Kriterium sein. Das Abstellen auf den Einzelfall ist zudem für eine möglichst abstrakt-generelle Definition nicht dienlich. Aufgrund dieser Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Kriterien für einen faktischen Eingriff könnten die Voraussetzungen für einen faktischen Eingriff anhand des normativen Gehalts jedes Grundrechts zu bestimmen sein.364 Dies erscheint zunächst sinnvoll, denn die Schutzbereiche sind verschieden und der Eingriffsbegriff bestimmt, wie einleitend festgestellt, auch den Schutzbereich mit. So liegt zum Beispiel nach einer Entscheidung des OVG Münster365 ein faktischer Eingriff in Art. 12 GG dann vor, wenn der Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz erfolgt. Diese Orientierung am Schutzbereich des betroffenen Grundrechts wird auch als „grundrechtsspezifisch“ bezeichnet. Ein grundrechtsspezifischer Eingriff soll vorliegen, wenn die Beeinträchtigung gerade die Gefahr widerspiegelt, gegen die das 357  Sachs, 358  Vgl.

Verfassungsrecht II, A 8, Rn. 20. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (87). Vgl. Discher, JuS 1993,

463 (465). 359  Für dieses plädiert Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 138. 360  So implizit C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 44. Vgl. BVerwG 87, 37 (39, 44) – Glykolwein; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 103. 361  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (347). 362  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 215. Vgl. A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 251. 363  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 215. 364  So als Erster Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 44; Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 52. Vgl. Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (722). 365  OVG Münster, NJW 1986, 2783 – Glykolwein.



B. Eingriff125

Grundrecht schützen soll.366 Dieser Ansatz bewirkt entweder eine ausführliche Diskussion des Schutzbereichs im Prüfungspunkt „Eingriff“ oder – im Wissen um das beim Eingriff auftauchende Problem – bereits im Schutzbereich. Ob in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird, soll bei der Frage des faktischen Eingriffs aber gerade geklärt werden.367 So findet eher eine Verlagerung des Problems statt als eine Lösung. Bei der Diskussion auf Schutzbereichsebene wird die Frage nicht einfacher zu lösen sein, denn kein Grundrecht schützt anerkanntermaßen nur vor klassischen Eingriffen. Die Frage, ob die konkrete Beeinträchtigung einen Eingriff in ein Grundrecht darstellt, ist Inhalt der gesamten Prüfung eines Grundrechts. Muss dies nun schon im Schutzbereich entschieden werden, verlagert sich die gesamte Fallprüfung, unter anderem die Verhältnismäßigkeit, in den Schutzbereich beziehungsweise in den Eingri ff. Dies widerspricht dem klassischen und sinnvollen Aufbau einer Grundrechtsprüfung. Wenn man eine solche umfassende Prüfung hingegen nicht anstellen würde, bestünde die Gefahr unausgewogener Ergebnisse und gegebenenfalls einer Verengung des Grundrechtsschutzes. Daher ist diese Ansicht zur Grundrechtsspezifität abzulehnen. Schulte knüpft für die Grundrechtsspezifität, die er als „Schutzzweck der Grundrechte“368 bezeichnet, an die Normzwecktheorie aus dem Zivilrecht an369, nach der eine Norm nicht gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko schützen soll, sondern nur vor bestimmten Gefahren370. Um herauszufinden, wo das allgemeine Lebensrisiko aufhört, muss allerdings wieder auf bestimmte Kriterien zurückgegriffen werden, wobei die Dichte der Erfolgsbeziehung anhand von Unmittelbarkeit und Zielgerichtetheit, Beeinträchtigungsintensität und Grundrechtsbezogenheit ausschlaggebend sein soll.371 So hilft auch die Normzwecktheorie letztlich nicht weiter.372 Außerdem sei die 366  R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln und Grundrechtseingriff, S. 20. Vgl. Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (722). So meint offenbar auch das BVerwGE 71, 183 (193 ff.) die Grundrechtsspezifität. 367  Leidinger, DÖV 1993, 925 (928). Vgl. Oebbecke, DVBl. 1988, 66. 368  Dies als Merkmal ebenfalls heranziehend: BVerwGE 71, 183 (194); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 29; Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 48; Discher, JuS 1993, 463 (467). 369  Schulte, in: Heckmann/Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, S. 213 (224). 370  A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 312. 371  A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 313. Vgl. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (102 ff.). 372  A.  A. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (103), der dies als praktikabelste Möglichkeit ansieht, jedoch eingesteht, dass die Ermittlung des Schutzbereichs eines

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

Interessenlage im öffentlichen Recht nicht mit der im Privatrecht vergleichbar.373 Zudem wird angemerkt, dass Beeinträchtigungen durch den Staat nie Ausdruck eines allgemeinen Lebensrisikos sein könnten, dass die Feststellung, wogegen ein Grundrecht schützen soll, die Gefahr subjektiver beliebiger Wertungen bürge und, dass das Abstellen auf den Schutzzweck des konkreten Grundrechts zu verstärkter Rechtsunsicherheit führe.374 Daher kann die Grundrechtsspezifität nicht zur Definition faktischer Eingriffe dienen.375 Auch die Kausalität wird als Abgrenzungskriterium herangezogen.376 Diese liegt vor, wenn der Träger staatlicher Gewalt zumindest den Anstoß für den Beeinträchtigungserfolg gegeben hat.377 Fraglich ist jedoch, wo eine Fernwirkung dem Staat nicht mehr zurechenbar ist; denn der Freiheitsgedanke des Grundgesetzes beinhaltet gerade auch, dass man eigenverantwortliche Entscheidungen anderer Bürger akzeptieren muss.378 Diese Zurechnungsproblematik wird auch bei der Betrachtung obergerichtlicher Entscheidungen deutlich: Das Bundesverwaltungsgericht stellte zum Glykolwein und zur Arzneimitteltransparenzliste379 ebenfalls auf die Kausalität ab. Dafür ließ es einmal genügen, dass die staatliche Information zu einem vorhersehbaren Absatzrückgang führen würde380. Das andere Mal knüpfte es die Kausalität an eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ des Beeinträchtigungserfolgs381. In der Literatur werden hingegen zum Teil ganz konkrete Hinweise auf erhebliche Umsatzeinbußen seit Veröffentlichung der Information gefordert.382 Dagegen konkreten Grundrechts im Rahmen der Normzwecktheorie zu „erheblichen“ Schwierigkeiten führen kann. 373  Schulte, in: Heckmann/Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, S. 213 (225). 374  A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 315. 375  I. E. ebenso: Di Fabio, JZ 1993, 689 (697); C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 77. Grundrechtsspezifität dennoch heranziehend: BVerwGE 71, 183 (192). 376  BVerfGE 105, 252 (265) – Glykolwein; BVerwGE 87, 37 – Glykolwein; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 29; Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 49; Stern, in: Stern, Staatsrecht, Band  III/1, S. 1207; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (37). Vgl. BVerfGE 66, 39 (62); BVerwGE 71, 183 (190); Manssen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 I, Rn. 79. Sogar als alleiniges Merkmal bei Sachs, Verfassungsrecht II, A 8, Rn. 33; als entscheidendes Merkmal bei Robbers, AfP 1990, 84 (86). 377  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 301: sog. Gefahrschaffung. 378  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 302. 379  Dazu auch unten unter Kap. 4, A. II. 1. 380  Vgl. BVerwGE 87, 37 (44) – Glykolwein. 381  BVerwGE 71, 183 (190) – Arzneimitteltransparenzliste. 382  So Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 525.



B. Eingriff127

kann jedoch eingewendet werden, dass so zuerst die Auswirkungen abgewartet werden müssten, was unzumutbar sein kann; soll dem nicht so sein, kann nur mit einer Prognose gearbeitet werden.383 Daran wird deutlich, dass man auch bei der Kausalität weitere Kriterien heranziehen oder die Kausalität selbst eingrenzen muss. Zur Eingrenzung der Kausalität gerade bei mittelbaren Beeinträchtigungen hilft, ob das Schaffen der Beeinträchtigung in der vom Staat zuvor geschaffenen Situation vernünftig war.384 Denn ansonsten verwirklicht sich die Gefahr der Unvernunft des Einzelnen und somit ein allgemeines Lebensrisiko.385 So hängt das Vorliegen von Kausalität an der Frage der Vernünftigkeit einer Entscheidung, was wiederum eine schwierige Wertungsfrage ist. Die genannten Kriterien taugen daher als einzelne nicht, und im Zusammenspiel mit anderen nur teilweise, um den faktischen Eingriff einzugrenzen. Ein einheitlicher Begriff des faktischen Eingriffs scheint nicht möglich.386 Auch eine Einzelfallbetrachtung hilft aber nicht, da für ein nachvollziehbares Ergebnis wieder bestimmte Kriterien herangezogen werden müssten.387 Ebenso ist eine Gesamtschau der untersuchten Merkmale, zu der es auch bei der Einzelfallbetrachtung letztlich kommen würde, unbefriedigend: Zwar könnte man bei Verwendung aller Kriterien und deren Gewichtung je nach dem konkreten Fall den verschiedenen Grundrechten gerecht zu werden versuchen. Dadurch könnte das Fehlen bestimmter Merkmale je nach Einzelfall durch andere besonders stark vorliegende Kriterien ausgeglichen werden. Dies würde jedoch relativ wenig Rechtssicherheit bedeuten.388 Daher wird in der Regel und trotz der starken Kritik auf die dargestellten Kriterien in den unterschiedlichsten Kombinationen abgestellt. Insbesondere wird die Finalität – wie oben erwähnt – oft als hinreichendes Kriterium für einen faktischen Eingriff genannt389. Sofern Finalität 383  A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 251; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 215. 384  Mit ausführlicher Herleitung dieser Anforderung: W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 315, 381; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 143. 385  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 314. 386  So BVerwGE 71, 183 (192) – Arzneimitteltransparenzliste; Bethge, in: HdbGR III, § 58, Rn. 55; Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 52; Peine, in: HdbGR III, § 57, Rn. 32; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 168; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1, Rn. 265. Vgl. Kloepfer, VerfR II, § 51, Rn. 33. 387  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 47. 388  Zu Gesamtschau der Kriterien i. E. ebenso: A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 317. 389  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 29; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 70.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

nicht gegeben ist390, wird dann vielfach auf mehrere der anderen Kriterien abgestellt391. 2. Eigener Ansatz Aufgrund der dargestellten Kritik an den einzelnen Merkmalen könnte man es mit einer allgemeineren Definition versuchen: Ein faktischer Eingriff ist danach jedes Staatshandeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.392 Dies soll unabhängig davon gelten, ob die Beeinträchtigung unbeabsichtigt, mittelbar, nur tatsächlich und / oder ohne Befehl und Zwang erfolgt; lediglich bloße Bagatellen sind hiervon ausgeschlossen.393 Für die Anwendung dieser Definition benötigt man allerdings weitere Kriterien: Denn wie weit reicht der Begriff „jedes Staatshandeln“? Fallen auch völlig atypische Kausalverläufe darunter? Und wo endet das „teilweise unmöglich machen“, wo beginnt die Bagatelle? Muss der Staat auch für Beeinträchtigungen eintreten, die er nicht vorhersehen konnte? So endet man auch bei dieser Definition des faktischen Eingriffs wieder bei den angesprochenen Kriterien. Damit kommt man um die Festlegung bestimmter Kriterien nicht herum394. Um herauszufinden, welche Kriterien für die Bestimmung des faktischen Eingriffs wirklich nötig sind, ist eine Besinnung auf den Ausgangspunkt des Problems notwendig: Die Eingriffsdefinition bestimmt letztlich den Schutzbereich der Grundrechte. Aufgrund der Veränderung staatlicher Handlungsformen395 sollen neuere Formen der Grundrechtsbeein390  Einen Eingriff ohne Finalität für möglich haltend: BVerwGE 87, 37 (43); Albers, DVBl. 1996, 233; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90, Rn. 356 b; Manssen, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG Art. 12, Rn. 86; Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 29; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Band  III/2, S. 179; Sodan, DÖV 1987, 858 (864); Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 71. 391  Albers, DVBl. 1996, 235 m. w. N.; Discher, JuS 1993, 463 (466); A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 384; C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 202. Vgl. Di Fabio, JZ 1993, 689 (697). 392  Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, GR/StaatsR II, Rn. 261; Peine, in: HdbGR III, § 57, Rn. 31; Kloepfer, VerfR II, § 51, Rn. 31. Diese Definition zumindest für staatliche Warnungen und Empfehlungen vorschlagend: Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 168. Noch weitere Definition bei Isensee, in: HdbStR IX, § 191, Rn. 106. 393  Kloepfer, VerfR II, § 51, Rn. 31. Dies als offenbar hM referierend: Pieroth/ Schlink/Kingreen/Poscher, GR/StaatsR II, Rn. 253, 260. 394  I. E. ebenso: Di Fabio, JZ 1993, 689 (695). 395  Siehe dazu oben unter Kap. 1, C. II.



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trächtigung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, da es beim Grundrechtsschutz nicht um die Form des Eingriffshandelns geht, sondern um die Auswirkung im Freiheitsbereich des Betroffenen. Wann aber ist der Freiheitsbereich betroffen? Dann, wenn eine Beeinträchtigung beim Betroffenen entstanden ist oder die Gefahrrealisierung zumindest möglich erscheint, also die Wahrscheinlichkeit größer Null ist396. Dies geht sehr weit. Daher ist eine Bagatellgrenze nötig397, die solche Beeinträchtigungen aus der Eingriffsdefinition herausfallen lässt, die offensichtlich keine Relevanz im Rahmen der Werteordnung unseres Grundgesetzes haben. Darunter fallen sozialadäquates Verhalten oder bloße subjektive Empfindlichkeiten; als Maßstab können die herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen, die Intensität der Gefahr und das Gewicht des Schutzgutes herangezogen werden.398 Wo die Bagatellgrenze verläuft, muss je nach Einzelfall bestimmt werden. Allerdings sollte dabei in unklaren Konstellationen eher ein Eingriff angenommen werden, um die differenzierte Lösung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Denn auch geringe Beeinträchtigungen müssen verhältnismäßig sein.399 Ebenso möglich wäre es zwar, Bagatellen auf dieser Ebene noch nicht auszuschließen, sondern erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Allerdings würde dies für jede geringste Beeinträchtigung eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich machen, was die Handlungsfähigkeit des Staates erschweren würde. Zudem muss auch an die praktischen Auswirkungen gedacht werden: Jede Überprüfung eines Grundrechtseingriffs ist aufwändig. Diesen Aufwand bei absolut deutlichen Bagatellen so gering wie möglich zu halten, ist legitim. Auf prozessualer Ebene könnte man solche Fälle sogar schon am Rechtsschutzbedürfnis scheitern lassen.400 Des Weiteren ist Kausalität erforderlich, um die Auswirkungen staatlichen Handelns von denen durch private Dritte abzugrenzen. Denn die Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat, sodass der Staat auch die Ursache für die Beeinträchtigung gesetzt haben muss. Die Kausalität sollte entfallen, wenn mehrere freie Zwischenentscheidungen zwischen dem staatlichen Handeln und der Beeinträchtigung stehen. Eine einzige, nach außen hin zwar freie, aber doch vernünftige und damit wahrscheinliche Entscheidung genügt dabei nicht, bei zwei Entscheidungen hingegen wird der Kausalverauch W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 154. ebenso: Kloepfer, VerfR II, § 51, Rn. 35, 36. 398  So auch R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln und Grundrechtseingriff, S. 65. 399  I. E. ebenso: Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 45. 400  Vgl. zu diesem Gedankengang: Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 278. 396  So

397  I. E.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

lauf schon in einem solchen Maße beeinträchtigt, dass die Kausalität nicht mehr gegeben ist. Zu überlegen ist außerdem, ob atypische Kausalverläufe ausgeschlossen werden sollen. Der Staat hat die Ursache gesetzt, konnte jedoch den Eintritt der Beeinträchtigung bei einem atypischen Verlauf nicht erkennen. Wer soll die Last für den Erkennbarkeitsmangel tragen? Im Strafrecht wird hier zugunsten des Angeklagten entschieden, was hier der Träger staatlicher Hoheitsgewalt wäre. Doch bei den Grundrechten geht es darum, den Freiheitsbereich des Betroffenen zu schützen und der Staat hat aufgrund seiner weitreichenden Möglichkeiten einem höheren „Sorgfalts- und Erkenntnismaßstab“ gerecht zu werden als der einzelne Bürger.401 Die den Staat treffenden Nachteile treffen zudem letztlich alle Bürger des Staates und werden insofern „sozialisiert“, was zunächst gerechter erscheint, als den zufällig betroffenen Einzelnen mit dem vollen Nachteil zu belasten.402 Demnach müssten auch atypische Kausalverläufe dem Staat zugerechnet werden. Ein atypischer Kausalverlauf ist aber nichts anderes als das allgemeine Lebensrisiko. Dieses muss auch ansonsten der einzelne Betroffene tragen und nicht die Allgemeinheit. Der Bürger, dessen allgemeines Lebensrisiko sich völlig ohne Zutun staatlicher Hoheitsgewalt realisiert hat, würde sonst benachteiligt gegenüber demjenigen, dessen allgemeines Lebensrisiko sich zwar ebenfalls durch einen völlig atypischen Kausalverlauf, aber mit dem Setzen der Erstursache durch den Staat, ereignet hat. Deshalb muss ein atypischer Kausalverlauf zu Lasten des betroffenen Bürgers gehen. Nun könnte angenommen werden, dass beim Ausschluss atypischer Kausalverläufe aus dem Zurechnungsbereich des Staates auch das subjektive Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung gelten müsste, denn das Typische ist typischerweise auch vorhersehbar.403 Allerdings führt die Vorhersehbarkeit nicht zu einer Steigerung der Rechtssicherheit in Bezug auf faktische Eingriffe: Denn das nicht Vorhersehbare ist über den Ausschluss atypischer Verläufe sowieso ausgeschlossen. Und das Typische ist, gerade wenn man auf eine objektive ex-ante Perspektive abstellt404, ohnehin das, was ein ordentlicher Beamter oder Angestellter hätte vorhersehen müssen. Daher kann auf das Kriterium der Vorhersehbarkeit verzichtet werden.405 401  W.

Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 143, Fn. 67. so auch bei W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 142, der sich dabei jedoch auf die Vorhersehbarkeit bezieht. 403  Hierbei wird ein weiteres Problem der Diskussion um die Kriterien deutlich: Sie verschwimmen ineinander, sind aber nicht deckungsgleich. 404  Dazu oben 1. a). 405  Ebenso: Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 247; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 297, 383. 402  Gedanke



B. Eingriff131

Notwendig ist hingegen, dass die Handlung des staatlichen Hoheitsträgers unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität erfolgt, um kritische Äußerungen von Hoheitsträgern im Rahmen des politischen Diskurses, beispielsweise in Talkshows, nicht unter Gesetzesvorbehalt zu stellen.406 Fraglich bleibt schlussendlich noch, ob Finalität alleine, anstatt der gefundenen Kriterien, genügt. Dies erscheint auf den ersten Blick nicht falsch und einfach in der Handhabung. Dagegen spricht jedoch, dass auch eine finale Handlung möglicherweise nur eine Beeinträchtigung unterhalb der Bagatellgrenze bewirkt oder auch ohne die Inanspruchnahme staatlicher Autorität erfolgen kann. Daher wäre die Finalität alleine nie ausreichend, sodass Finalität als einzelnes Kriterium weder sinnvoll noch nötig ist. Somit ergibt sich folgende Definition: Ein faktischer Eingriff in Grundrechte liegt vor, wenn 1. unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität 2. eine tatsächliche Beeinträchtigung entstanden ist oder zumindest die Wahrscheinlichkeit407 des Eintritts größer Null ist, 3. die Beeinträchtigung kausal auf der Handlung des Staates beruht, ohne dass mehrere freie Entscheidungen anderer zwischen der Beeinträchtigung und dem staatlichen Handeln standen, und 4. weder ein atypischer Kausalverlauf noch eine Bagatelle vorliegt. Sofern bei Anwendung dieser Kriterien Auslegungsschwierigkeiten entstehen, sollen die einzelnen Kriterien so gehandhabt werden, dass der Zweck, den Wertungen des Grundgesetzes widersprechende Beeinträchtigungen abzuwehren, erreicht werden kann408. Dies bedeutet, dass die Hürden für einen Eingriff nicht überhöht werden sollten409. Dennoch müssen diese Kriterien verpflichtend erfüllt sein. Auf Eingriffsebene wird keine Betrachtung am konkreten Fall vorgenommen, da dieser ausführlich in der Verhältnismäßigkeit untersucht wird. Zu beachten ist, dass diese Kriterien ein eher grobes Raster sind, was aber auch sinnvoll ist, da eine differenzier406  C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 68, 202. I. E. ebenso: Porsch, ZLR 2003, 175 (178); Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 143. 407  Das Abstellen auf die Wahrscheinlichkeit ist in der Juristerei eher ungewöhnlich, dies aber ebenfalls dennoch tuend: BVerfGE 113, 63 (78) – Junge Freiheit. Vgl. BVerfGE 132, 195 (228, Rn. 77) – ESM-Vertrag. 408  Ähnlicher Gedanke bei A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 291, der im Zweifelsfall die Auslegung wählen will, bei der sich die Wirkung des Grundrechts am besten entfaltet. Vgl. allgemein zur Grundrechtsauslegung BVerfGE 7, 377 (397) – Apothekenurteil. 409  Ähnlicher Gedanke bei Di Fabio, JZ 1993, 689 (697); Martini/Kühl, DÖV 2013, 573 (583); Wieland, in: Dreier, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 128.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

te Lösung innerhalb der Verhältnismäßigkeit besser möglich ist. Anhand dieser Voraussetzungen für den faktischen Eingriff kann nun die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse auf ihre Eingriffsqualität hin untersucht werden.

II. Veröffentlichung der amtlichen Lebensmittelkontrollergebnisse als faktischer Eingriff Die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse erfolgte bei den Berliner Modellen sowie beim avisierten Bundesmodell unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität. Anders ist es beim Pilotprojekt in Duisburg und Bielefeld, wo die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Kontrollergebnisse veröffentlicht. Bei Untersuchung dieses Modells ergäbe sich hier Stelle damit ein spezielles Problem der Zurechenbarkeit.410 Dies muss jedoch dahinstehen, da nur die staatliche Informationsveröffentlichung untersucht werden soll. Auch die Kausalität zwischen den Veröffentlichungen und der Grundrechtsbeeinträchtigung ist gegeben.411 Denn grundsätzlich kann eine längere Kausalkette für einen faktischen Eingriff genügen; dadurch wird es lediglich schwieriger, den Beweis für die Kausalität zu erbringen.412 Dieses Nachweisproblem besteht hier. Zwar sind rückläufige Kundenzahlen und demnach zurückgehender Umsatz als typische Folge einer solchen Veröffentlichung gerade zu erwarten. Allerdings bleibt die Zurechnung der Entscheidung des Verbrauchers als Folge der staatlichen Information schwierig.413 Der Verbraucher entscheidet trotz der Information autonom.414 Aufgrund der großen Fülle verhaltensbestimmender Variablen beim Konsumenten415 scheint das Konsumverhalten schwer auf bestimmte Kriterien rückführbar. Allerdings ist der Verbraucher aufgrund mangelnder eigener Informa­ tionsmöglichkeiten auf die Information des Staates und das Vertrauen in 410  Sieht die Zurechenbarkeit unproblematisch gegeben, da es sich bei der Veröffentlichung um ein „gemeinsames Projekt“ mit dem zuständigen Ministerium handelt: VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015  – 26 K 5722/13, Rn. 36, einsehbar unter www.nrwe.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 411  Vgl. i. E.: Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (38). 412  Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 49. 413  Di Fabio, JuS 1997, 1 (3); Gusy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, S. 235 (309); Schink, Rechtsgutachten, S. 17. Vgl. Eggers, ZLR 2010, 145 (158). 414  Eggers, ZLR 2010, 145 (159). Vgl. Gramm, NJW 1989, 2917 (2925); Philipp, Staatliche Verbraucherinformation im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 239. 415  Gruber, Verbraucherinformation durch Gütezeichen, S. 42.



B. Eingriff133

diese angewiesen416 und berücksichtigt sie daher auch. Hierfür spricht eine Befragung der Berliner Lokalzeitung BZ bezüglich des Pankower „SmileyModells“: 84 Prozent der Befragten gaben an, dass die Pankower Liste ihren nächsten Restaurantbesuch beeinflussen würde.417 Als Indiz für die – wenn auch mittelbare – Wirkung kann zudem auf dänische Statistiken zurückgegriffen werden, nach denen lediglich 21 Prozent der Dänen ein Restaurant mit negativer Bewertung besuchen würden.418 Das Verhalten der Verbraucher im europäischen Nachbarland legt nahe, dass ausbleibende Kunden und folgend Umsatzeinbußen bei negativ bewerteten Betrieben auch in Deutschland in der Regel auf der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse beruhen könnten. Ebenfalls herangezogen werden können die Erfolge mit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen aus anderen Ländern: So führten in den USA, in Dänemark und in Kanada die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse zu einem spürbaren Rückgang schlechter Kontrollergebnisse.419 Eine Wirkung dieser Veröffentlichung muss damit auf jeden Fall bestehen. Und etwas ferner liegende Beispiele sprechen für die Kausalität: Nach einer Warnung des Umweltbundesamtes, dass p-DCB-haltige Toilettensteine umweltschädlich und überflüssig seien, ging ihr Verkauf um 50 Prozent zurück420. Im Rahmen des sogenannten Gammelfleisch-Skandals, wo vor Produkten bestimmter Hersteller öffentlich gewarnt wurde, ging ein Fleischproduzent kurz nach der Veröffentlichung insolvent.421 Ebenso ging das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Veröffentlichung eines Warentests der Landwirtschaftskammer von einer „gravierenden rufschädigenden Wirkung“ für die negativ Bewerteten aus422, und bei der Veröffentlichung der Glykolwein-Liste davon, dass die Verbraucherentscheidung zwar frei, aber doch auf die Liste zurückzuführen sei423. Das Bundesverfassungsgericht ließ im Fall der Nennung eines Verlags im Landesverfassungsschutzbericht für einen Eingriff sogar genügen, dass die Möglichkeit besteht, dass sich Leser aufgrund der nachteiligen Beeinflussung abwenden könnten.424 416  Vgl.

S. 32.

Gramm, NJW 1989, 2917 (2925); Knipschild, Lebensmittelsicherheit,

417  http://www.bz-berlin.de/bezirk/pankow/pankows-schmutz-restaurants-article 384821.html (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 418  Schink, Rechtsgutachten, S. 6. 419  Ausführlich zu den Zahlen unten unter Kap. 5, A. II. 1. 420  Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S.  2 m. w. N. 421  Fall der Berger Wild GmbH, näheres dazu noch unten unter Kap. 4, B. II. 3. 422  BVerwG, NJW 1996, 3161 – Warentest der Landwirtschaftskammer. 423  BVerwGE 87, 37 (44) – Glykolwein. 424  BVerfGE 113, 63 (78) – Junge Freiheit.

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

In der aktuellen Literatur und Rechtsprechung wird von der Kausalität zwischen Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen und wirtschaftlichen Nachteilen bis hin zur Existenzvernichtung, unter anderem durch den Verlust von Ansehen, selbstverständlich ausgegangen.425 Auch die im Bundestag in der 17. Legislaturperiode vorübergehend eingerichtete Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ nahm die Möglichkeit einer Existenzgefährdung und -vernichtung durch Information an.426 Und Phillip formulierte dazu treffend: „Eine gute Aufklärungsarbeit ohne Auswirkungen auf das Käuferverhalten wäre eine Widerspruch in sich“427. Obwohl daher nicht für jeden einzelnen Verbraucher prognostizierbar ist, wie er sich nach Einsicht in die Lebensmittelkontrollergebnisse entscheiden wird, kann festgehalten werden, dass die Mehrheit der Verbraucher nach allgemeiner Lebenserfahrung wahrscheinlich eher kein deutlich negativ bewertetes Restaurant besuchen.428 Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse kann daher als entscheidender Anstoß für mögliche Beeinträchtigungen der Unternehmer angenommen werden429. Es ist auch nicht atypisch, wenn Verbraucher einen schlecht bewerteten Lebensmittel-Einzelhandel weniger besuchen. Dies legen die genannten Zahlen nahe. Des Weiteren scheitert es ebenfalls nicht an der Kenntnisnahme der Kontrollergebnisse durch den Verbraucher, wenn ein etabliertes Veröffentlichungssystem besteht. Dies belegen die Erfolge aus anderen Ländern ebenfalls.430 Auch die Anklickzahlen der ehemaligen berlinweiten Veröffentlichungsliste „Sicher essen“ belegen zumindest zu Beginn des Projekts ein großes Interesse: Im August 2011 wurde die Internetseite mehr als 100.000 425  VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 6; OVG Rheinl.Pfalz, Beschl. v. 13.2.2013  – 6 B 10035/13, juris, Rn. 16; VG Aachen, Beschl. v. 4.2.2013 – 7 L 569/12, juris, Rn. 15; VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 50 ff.; VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 53; Pache, ZLR 2013, 139. Vgl. OVG Nds., Beschl. v. 14.6.2013 – 13 ME 18/13, juris, Rn. 21; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 9.1.2013 – 2 K 4346/12, juris, Rn. 4; VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 12; VG Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012  – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 62; Pache/Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, § 40, Rn. 25; Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (9). 426  Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft, Zwischenbericht Verbraucherschutz, BT-Drs. 17/12540, S. 39. 427  Phillip, Staatliche Verbraucherinformationen, S. 78. 428  Von einer generell verhaltensändernden Wirkung von Information ausgehend auch: Gusy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, S. 235 (309). Die handlungsleitende Funktion von Information grundsätzlich bejahend auch Gurlit, DVBl. 2003, 1119. 429  Dies lässt genügen: Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (77). 430  Ausführlich zu den Zahlen unten unter Kap. 5, A. II. 1.



B. Eingriff135

Mal aufgerufen.431 Das Interesse in Duisburg und Bielefeld geht sogar noch darüber hinaus. Dort gab es innerhalb eines Jahres 280.000 Klicks auf die Ergebnisveröffentlichung im Internet und 25.000 Downloads der entsprechenden App.432 Aus diesen punktuellen Zahlen lässt sich zwar kein abschließendes Ergebnis zur Kenntnisnahme der Lebensmittelkontrollergebnisse durch die Verbraucher ziehen. Das wachsende Interesse von Verbrauchern an Information grundsätzlich433 und speziell für Lebensmittelkontroll­ ergebnisse zeigt aber eine von Foodwatch in Auftrag gegebene EmnidUmfrage. Diese im Jahr 2010 deutschlandweit durchgeführte Untersuchung besagt, dass 93 Prozent der Befragten die Einführung eines Systems zur Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ähnlich wie in Dänemark befürworten würden.434 Dieses Interesse legt auch die Kenntnisnahme nahe. Zudem geht offenbar die Verbraucherschutzministerkonferenz ebenfalls von der Kenntnisnahme der Ergebnisse aus, sonst würde sie keine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung fordern und insgesamt nicht die Einführung der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse. Denn nur wenn diese entsprechend wirkt – und Information wirkt nur über deren Rezeption – ist der Aufwand aus staatlicher Sicht sinnvoll. Für einen faktischen Eingriff müsste zudem durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse eine Beeinträchtigung eingetreten sein beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit des Eintritts zumindest größer Null sein. Da es hier nicht um die Prüfung eines einzelnen Grundrechtseingriffs in die Rechte eines einzelnen Unternehmers geht, sondern allgemein die Verfassungsmäßigkeit der Veröffentlichung der Ergebnisse untersucht wird, kann nicht auf bei Einzelnen eingetretene Beeinträchtigungen abgestellt werden. Stattdessen muss eine allgemeine Beeinträchtigung festgestellt werden. Da der tatsächliche Eintritt einer Beeinträchtigung nicht für alle Unternehmer, deren Bewertungsergebnisse bereits veröffentlicht wurden, angenommen werden kann, muss mit der Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung gearbeitet werden. Nach den oben dargestellten Zahlen liegt diese jedoch vor, da nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass durch die Rezeption negativer Lebensmittelkontrollergebnisse eine Verschlechterung des Rufs eines Unternehmens entsteht und durch weniger Besucher dann ein Umsatzrückgang. Dies ist jedoch auf die Kontrollergebnisse begrenzt, die nicht mindestens „gut“ sind. Hier geht es aber auch nur 431  Flatau,

Berliner Morgenpost vom 3.1.2012, S. 12.

432  http://www.vz-nrw.de/appetitlich-app-auf-erfolgskurs--ein-jahr-gastronomie-

kontrollbarometer-fuer-duisburg-und-bielefeld (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 433  Siehe dazu oben unter Kap. 1, C. II. 3. 434  Einsehbar unter: http://www.foodwatch.org/uploads/media/Emnid-Umfrage_ Smileys_April_2010_01.pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016).

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3. Kap.: Grundrechtseingriff

um diese, da bei sehr guten Kontrollergebnissen bereits die Schutzbereiche der Art. 12 und 14 GG nicht berührt werden.435 Die Veröffentlichung negativer Kontrollergebnisse geht auch über die Bagatellgrenze, also über sozialadäquates Verhalten oder bloße subjektive Empfindlichkeiten, hinaus. Die dadurch mögliche Verschlechterung von Ruf und Umsatz eines Unternehmens hat in unserer Werteordnung Relevanz.436 Zudem wirken staatliche Informationen sogar vielfach noch stärker als klassische ordnungsrechtliche Instrumentarien437 und entwickeln durch Aufgreifen durch die Medien oft eigene Dynamik438. Die Wirkung von Information ist daher unvorhersehbar.439 Darüber hinaus erfolgt die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse bei den Berliner Modellen vollständig und beim bundesweit angedachten Modell je nach Bundesland im Internet. Dies bewirkt eine extrem schnelle440 und weite Verbreitung der Information, lässt sie immer aktuell erscheinen und macht Zugangsbeschränkungen441 oder eine Rücknahme nahezu unmöglich.442 Zudem eröffnen sich im Internet besonders leicht Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Informationen.443 Die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse kann daher in besonders starkem Maße rufschädigend, geschäftsschädigend oder sogar existenzgefährdend444 und damit besonders intensiv wirken, sodass die Bagatellgrenze deutlich überschritten ist. Die für den faktischen Eingriff bei allen Grundrechten erforderlichen Kriterien sind somit erfüllt.445 Da es hier jedoch unter anderem um einen Eingriff in die Berufsfreiheit geht, muss, wie oben im Rahmen des Schutzbereichs festgestellt446, zusätzlich eine berufsregelnde Tendenz vorliegen. 435  Siehe

dazu oben, A. I. und II. dazu oben in den Schutzbereichen der Grundrechte, Kap. 3, A. 437  Vgl. Kloepfer, Informationsrecht, § 5, Rn. 26; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358); Schoch, ZLR 2010, 121; Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 7. 438  Schnall, in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 200. 439  Di Fabio, JZ 1993, 689 (691). 440  Schnall, in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 200. 441  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (43). 442  Becker/Blackstein, NJW 2010, 490 (493, 494). 443  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (43). 444  Diese Gefahr allgemein bei Schädigungen des Rufes von Unternehmen sehend: Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 159. 445  Ebenso den faktischen Eingriff bejahend: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 252, Rn. 136 für das „Pankower Smiley Modell 2011“ und S. 260, Rn. 168 für das bundesweite Modell; Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5) für bundesweites Modell. Vgl. Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 241. 446  Siehe oben unter Kap. 3, A. I. 2. 436  Siehe



B. Eingriff137

Daher muss entweder eine berufsregelnde Zielsetzung, also Finalität, oder zumindest die Eignung der Maßnahme zu tatsächlichen Auswirkungen auf die Berufsfreiheit bestehen. An den aufgeführten statistischen Daten und vergleichbaren Beispielen wird deutlich, dass die Eignung zu tatsächlichen Auswirkungen besteht. Eine berufsregelnde Tendenz liegt vor. Selbst wenn es auf die Finalität ankäme und man damit der Ansicht der Verfasserin, dass Finalität ein zu subjektives Kriterium ist, um den Geltungsbereich von Grundrechten zu begrenzen447, nicht folgt, könnte eine berufsregelnde Tendenz bejaht werden. Zwar steht – zumindest nach der Angabe der Berliner Senatsverwaltung – die Information der Verbraucher und die Unterstützung von positiv bewerteten Betrieben im Vordergrund448. Jedoch soll es auch darum gehen, „minder gute Zustände zu verbessern“449. Somit hat die Veröffentlichung neben der bloßen Information der Verbraucher insgesamt das Ziel, die „Hygiene“ im Lebensmittel-Einzelhandel zu verbessern und die lebensmittelrechtliche Vorschriften befolgenden Betriebe zu „belohnen“. Diese Verbesserung kann aber nur entstehen, indem die Betriebe aufgrund des Drucks der Veröffentlichung ihr Verhalten verändern. Druck entsteht nur dadurch, dass die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass Verbraucher schlecht bewertete Betriebe nicht mehr besuchen werden. Und die Belohnung kann nur erreicht werden, wenn die Verbraucher auf die Veröffentlichung reagieren. Hätte die Veröffentlichung keine Auswirkungen, würde weder das Ziel der Belohnung der gut bewerteten Betriebe noch das Ziel, die negativ Bewerteten zur Besserung anzuhalten, erreichbar erscheinen. Staatliche Informationen sind nur aufgrund dieser Sensibilität der Öffentlichkeit, und gerade weil sie wirken, sinnvoll.450 Die Durchführung von Kontrollen und Mitteilung der Bewertung an die Betriebe hat diese Ziele offenbar nicht erreicht. Der einzige Unterschied zum jetzigen Ablauf ist die Veröffentlichung. Daher ist in den formulierten Zielen als notwendiges Zwischenziel enthalten, dass sich die Verbraucher danach richten. Dies schließt ein, dass negativ bewertete Betriebe durch entsprechende Verbraucherentscheidungen beeinträchtigt werden. Die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse ist daher in Form eines notwendigen Zwischenziels sogar auf die Beeinträchtigung negativ bewerteter Betriebe ausgerichtet und somit final.451 Eine berufsregelnde Ten447  Siehe

dazu oben, I. 1. a).

448  http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2010/09/24/311917/index.html

(Letzter Aufruf: 1.7.2016). 449  So noch 2015 das Bezirksamt Tempelhof Schöneberg auf http://www.berlin. de/ba-tempelhof-schoeneberg/organisationseinheit/vetleb/smiley.html (Letzter Aufruf: 8.4.2015). 450  Di Fabio, JZ 1993, 689 (697). 451  Vgl. i. E.: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 136; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359); Schink, DVBl. 2011, 253 (257); Wollenschlä-

138

3. Kap.: Grundrechtseingriff

denz liegt auch deshalb vor. In Art. 12 I GG wird durch die zwingende Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse und somit durch die in Berlin ausprobierten Modelle sowie das durch den Bund avisierte, eingegriffen.452 Ebenfalls eingegriffen wird in Art. 14 I 1 GG und dort insbesondere in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.453

C. Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG Betroffen sein könnte außerdem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Anknüpfungspunkt kann dabei die nicht gleichzeitig erfolgende Erstveröffentlichung für alle Betriebe sein, sodass die Ergebnisse verschieden lange „wirken“ können. Zudem kann auch durch den risikobasierten Ansatz454 eine Ungleichbehandlung entstehen oder durch eine fehlende Gleichmäßigkeit bei der Anwendung des Kontrollschemas. Diese möglichen Ungleichbehandlungen können alle Betriebe betreffen, unabhängig von einer negativen Bewertung. Die Unternehmen sind dabei taugliche Grundrechtsträger des Art. 3 I GG, da dieser auch auf juristische Personen des Privatrechts wesensmäßig anwendbar ist.455

I. Erstveröffentlichung Nicht alle Unternehmen können zur gleichen Zeit kontrolliert beziehungsweise nachkontrolliert werden. Die Kontrollergebnisse wurden daher „nach und nach“ veröffentlicht, so etwa auch bei den Berliner Bezirksmodellen von Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg. Gravierenderes Bespiel ist allerdings die ehemalige Gesamt-Berliner Liste „Sicher Essen“: ger, VerwArch 2011, 20 (37). Für im Internet veröffentlichte Prüfberichte der Heimaufsicht: BayVGH, NZS 2012, 227 (Rn. 1). Grundsätzlich Lenkungsintention staatlicher Informationen bejahend: Di Fabio, JZ 1993, 689 (690); Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5); Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 237; Porsch, ZLR 2003, 175 (176). 452  Vgl. i. E.: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 22, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 24; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (37). So für die Berliner „Sicher essen“-Liste: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 50 ff. Für im Internet veröffentlichte Prüfberichte der Heimaufsicht: BayVGH, NZS 2012, 227 (Rn. 1). 453  I. E. ebenso zur Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 10. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 192/13, juris, Rn. 21. 454  Näheres dazu unten, II. 455  Sodan, in: Sodan, GG, Art. 3, Rn. 8, m. w. N.



C. Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG 139

Dort gab es im Januar 2012 zum Beispiel nur eine Ergebnisveröffentlichung in der Kategorie Hotel / Pension, acht für Imbisse für ganz Berlin und aus dem Bezirk Neukölln nur einen Eintrag, der zudem noch vom August 2011 stammte. Durch die fortlaufende Veröffentlichung der jeweils neu erlangten Ergebnisse entsteht zwangsläufig die Situation, dass die Ergebnisse mancher Betriebe schon veröffentlicht sind und bereits das Verhalten der Verbraucher beeinflussen, die Ergebnisse anderer Betriebe, die in dieselbe Kategorie gehören würden, hingegen noch nicht.456 Vergleichspaare sind somit die Unternehmen, deren Kontrollergebnisse bereits veröffentlicht wurden, und die, deren Ergebnisse noch veröffentlicht werden können. Damit Art. 3 I GG einschlägig ist, müsste es sich bei den Unternehmen um wesentlich Gleiches handeln. Entscheidend ist hierfür der Anlass, aus dem die Ungleichbehandlung entsteht, nicht aber eine umfassende Gleichheit.457 Für die Ungleichbehandlung maßgebend ist die Einstufung als Unternehmen, dessen Lebensmittelkontrollergebnisse im Internet veröffentlicht werden, also als Schank- und Speisewirtschaft, Imbiss, Hotel oder Pension. Bezüglich der Veröffentlichung der Ergebnisse sind die betroffenen Unternehmen, die jeweils in dieselbe Kategorie gehören würden (Imbiss / Imbiss; Hotel / Hotel), wesentlich gleich. Diese vergleichbaren Unternehmen werden ungleich behandelt, wenn die publizierten Kontrollergebnisse unterschiedlich lange auf die Verbraucher wirken können. Daraus kann mittelbar ein Nachteil oder zumindest eine Interessenbeeinträchtigung458 der Betriebe entstehen. Somit liegt eine Beeinträchtigung des Gleichheitsgebotes vor.

II. Risikobasierter Ansatz Eine weitere Ungleichbehandlung kann in der grundsätzlichen Anwendung des risikobasierten459 Ansatzes liegen. Dessen Anwendung ist über Art. 3 I VO (EG) 882 / 2004 vorgeschrieben. Dies führt dazu, dass Betriebe je nach Risikoklassifizierung – die sich nach dem Risiko des Betriebs, dem vorangegangenen Kontrollergebnis und dem Risiko des Produktes richtet460 – bereits am Folgetag oder gegebenenfalls erst nach drei Jahren461 turnusgemäß erneut kontrolliert werden. Damit werden die nach risikobasiertem Ansatz öfter kontrollierten Betriebe bevorteilt, da ihnen ein schlechWiemers, ZLR 2009, 413 (424). in: Sodan/Ziekow, Gk, § 30, Rn. 9. 458  Dies genügt nach Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 11. 459  D. h. Einstufung in Risikogruppen und daran orientierte Kontrollhäufighkeit, siehe Nr. 2 ff. der Anlage 1 zur AVV RÜb. 460  Siehe Nr. 2, 3, 5.3.3 der Anlage I zur AVV RÜb. 461  Siehe 5.3.5 der Anlage I zur AVV RÜb. 456  Vgl.

457  Sodan,

140

3. Kap.: Grundrechtseingriff

tes Ergebnis nicht so lange anhaftet.462 Andererseits bedeutet dies ebenso, dass Betriebe ein gutes Ergebnis schneller wieder verlieren können und ist damit auch nachteilig. Zudem handelt es sich nicht um wesentlich Gleiches. Denn die Einstufung in Risikokategorien erfolgt anhand der Differenzen der verschiedenen Betriebe und dem daher von ihnen ausgehenden unterschiedlichen Gefahrenpotential. Einer unterschiedlichen Risikoklassifizierung und damit der unterschiedlichen Kontrollfrequenz liegt damit eine Anknüpfung gerade an die Unterschiede der Betriebe zugrunde. Damit liegt keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor. Problematisch ist, dass es nicht auszuschließen ist, dass vergleichbare Betriebe in verschiedene Risikoklassen eingestuft werden, da die Einstufung in Risikoklassen teilweise im Ermessen der Lebensmittelüberwachung liegt und damit zwischen Behörden und Bundesländern differieren kann.463 Davor schützt Art. 3 I GG jedoch nicht, da das Gleichheitsgebot zwar vor einer ungleichmäßigen Verwaltungspraxis schützt, dies aber nur für denselben Verwaltungsträger gilt.464

III. Kurzfristige Nachkontrolle Auch bei den kurzfristigen Nachkontrollen außerhalb des üblichen Kon­ trollturnus, die zwar das Ergebnis nicht ändern, aber einen Eintrag über das Abstellen / nicht Abstellen der Mängel bewirken, bestehen möglicherweise Ungleichheiten.465 So stellten Joh / Krämer / Teufer / Unland466 bei der Pan­ kower Liste fest, dass teilweise gut bewertete Betriebe nach 14 Tagen nachkontrolliert wurden, schlecht bewertete aber seit einem Jahr nicht. Ein ähnliches Ergebnis ergab sich bei der Durchsicht durch die Verfasserin dieser Arbeit zu Beginn des Jahres 2014 für die Pankower als auch für die Lichtenberger Veröffentlichung. Soweit dies durch den risikobasierten Ansatz entsteht, fehlt es jedoch an einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, da die Ungleichbehandlung dann gerade an die Unterschiedlichkeit der Unternehmen anknüpft. Sofern dies auf ungleichmäßigem Verwaltungshandeln beruht, greift Art. 3 I GG in Verbindung mit der Verwaltungspraxis. Dies schützt vor ungleicher 462  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S.  253, Rn. 145. Diese Ungleichbehalndlung verkennt: Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 29 (37). 463  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 263, Fn. 196. 464  Ausführlich dazu Boysen, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 3, Rn. 67. 465  Vgl. Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201); Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 466  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (438).



C. Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG 141

Entscheidungspraxis der Verwaltung in vergleichbaren Fällen.467 Eine ungleichmäßige Verwaltungspraxis ist jedoch kein spezielles Problem der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen, sondern ein allgemeines der Verwaltung und vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Das Vorliegen einer solchen Ungleichbehandlung kann daher hier nicht näher untersucht werden.

IV. Zwischenergebnis Neben der planmäßig ungleichmäßig erfolgenden Erstveröffentlichung können Ungleichbehandlungen aus der Ungleichmäßigkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis resultieren. Damit ist der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG durch die Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle betroffen, unabhängig davon, ob es sich im konkreten Fall um positive oder negative Ergebnisse handelt.

V. Verhältnis zwischen Art. 3 I GG und den Freiheitsrechten Art. 3 I GG tritt im Verhältnis zu den einschlägigen Freiheitsrechten nicht zurück, denn aus dem prinzipiell verschiedenen Schutzansatz von Freiheitsund Gleichheitsrechten ergibt sich grundsätzlich Idealkonkurrenz und damit ein Nebeneinander der Schutzbereiche.468 Teilweise469 wird zwar auch auf das sachnähere Grundrecht abgestellt. Dieses festzustellen ist jedoch, aufgrund des unterschiedlichen Schutzansatzes, oftmals nicht leicht möglich. Zudem werden dann im Rahmen des sachnäheren Grundrechts die „spezifischen Gehalte des verdrängten Grundrechts mitberücksichtigt“470, sodass der Unterschied zur Annahme von Idealkonkurrenz nicht allzu groß ist. Sofern kein sachnäheres Grundrecht feststellbar ist, soll ebenfalls Idealkonkurrenz gelten.471 Damit steht Art. 3 I GG für die Veröffentlichung negativer Kontrollergebnisse neben Berufs- und Eigentumsfreiheit in unverbundener472 467  Boysen,

in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 3, Rn. 37. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 152. Vgl. BVerfGE 82, 60 (80 ff.); 97, 169 (175, 180); Boysen, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 3, Rn. 203; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 140; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3, Rn. 93. 469  BVerfGE 64, 229 (238); 65, 104 (112); 75, 382 (393); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3, Rn. 11. 470  BVerfGE 65, 104 (113); 75, 382 (393); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 3. 471  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 3. 472  Erklärend dazu oben, A. III. 468  Scholz,

142

3. Kap.: Grundrechtseingriff

Idealkonkurrenz. Für die Veröffentlichung der sehr guten Ergebnisse steht Art. 3 I GG neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ebenfalls in unverbundener Idealkonkurrenz.

D. Ergebnis Die Veröffentlichung negativer amtlicher Kontrollergebnisse von Lebensmittelunternehmen stellt einen Eingriff in Art. 12 I 1, 14 I 1 GG dar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung muss dahinter zurücktreten. Zudem liegt eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG vor, die neben den einschlägigen Freiheitsrechten steht. Durch die Veröffentlichung der „sehr guten“ Kontrollergebnisse wird in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In unverbundener Idealkonkurrenz daneben steht die durch Art. 3 I GG geschützte Ungleichbehandlung.

Viertes Kapitel

Existenz einer Ermächtigungsgrundlage So ergibt sich die grundlegende Frage, ob die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen einer Rechtsgrundlage bedarf und ob eine solche besteht. Grundsätzlich bedarf das Handeln der Exekutive einer Ermächtigungsgrundlage aufgrund des sogenannten Vorbehalts des Gesetzes. Die Herleitung dieses Grundsatzes ist umstritten, seine grundsätzliche Geltung jedoch allgemein anerkannt.1 Der Anwendungsbereich bestimmt sich anhand der Wesentlichkeitstheorie, nach der der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss.2 Somit ist für alles Wesentliche eine Ermächtigungsgrundlage nötig. Wesentlich ist zumindest das, was Grundrechte berührt.3 Da ein Eingriff in Berufs-, Eigentumsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt, ist aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnissen erforderlich.4 Dasselbe gilt für die Veröffentlichung der „sehr guten“ Kontrollergebnisse, da deren Veröffentlichung in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Eine umfassende Ermächtigungsgrundlage, die die Veröffentlichung aller Ergebnisse erfasst, ist damit erforderlich. Sie kann sich aus der Aufgabe der Staatsleitung im Allgemeinen oder aus speziellen Normen des Lebensmittel- und Informationsrechts ergeben.

Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 7, Rn. 25, 27. die ganz herrschende Meinung, siehe BVerfGE 49, 89 (126); 116, 24 (58); Epping, Grundrechte, Rn. 405; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 71. 3  BVerfGE 101, 1 (34), 49, 89 (126); 98, 218 (251) st. Rspr.; Gröpl, StaatsR I, Rn. 488, 489; Leisner, in: Sodan, GG, Art. 20, Rn. 49a; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 117; Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Stark, GG, Art. 20, Rn. 276. 4  Vgl. i. E.: Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360). 1  Vgl. 2  So

144

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung Aufgabeneröffnung und die Befugnis zum Handeln sind streng voneinander zu trennen.5 Daher kann eine allgemeine Aufgabeneröffnung grundsätzlich keine Ermächtigungsgrundlage darstellen. Für staatliches Informationshandeln müssen jedoch möglicherweise andere Maßstäbe herangezogen werden.6 Denn dem Bundesverfassungsgericht nach ist eine Ermächtigungsgrundlage für staatliches Informieren aufgrund der Vielschichtigkeit der Materie schwer zu realisieren.7 Es könnte ihr an der erforderlichen Bestimmtheit mangeln, weshalb grundsätzlich eine Aufgabenzuweisung genüge.8 Dies bringt Schröder auf den Punkt: „Niemals können alle Aspekte des Regierens im Voraus geregelt und bedacht werden“9. Die Rechtsprechung, in der sich das Bundesverfassungsgericht auf die fehlende Normierbarkeit berief, betraf jedoch gubernatives, also regierungsamtliches, Handeln, das zudem als „Warnung“ kategorisiert wurde. Um diese Rechtsprechung auf die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen übertragen zu können, muss geprüft werden, ob in der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse eine „Warnung“ gesehen werden kann. Danach wird untersucht, ob die Handelnden vergleichbar sind. Sofern Handlungsform als auch Handelnder vergleichbar sind, ist die allgemeine Aufgabe der Staatsleitung möglicherweise als Ermächtigungsgrundlage ausreichend.

I. Handlungsform Warnung Bei den sogenannten Jugendsektenentscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Ermächtigungsgrundlage für nicht realisierbar hielt, warnte die Bundesregierung vor einer Jugendsekte10 und förderte einen 5  Vgl. C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 140. 6  BVerwGE 87, 37 – Glykolwein. Diese Möglichkeit sieht auch VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 52 ff. Das VG führt dies mangels Vorliegen gubernativen Handelns jedoch nicht weiter aus. 7  Vgl. BVerfGE 105, 279 (304, 305) – Warnung vor Jugendsekten. A. A. Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (537); Klement, DÖV 2005, 507; Schoch, AfP 2010, 313 (322); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (343); vgl. Hummel-Liljegren, ZLR 18 (1991), 126 (131). 8  Vgl. BVerfGE 105, 279 (305) – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. Klement, DÖV 2005, 507 (511) meint, eine Generalklausel wäre besser als nichts. 9  Schröder, in: HdbStR III, Aufl. 2, § 67, Rn. 4, 16. 10  BVerfGE 105, 279; BVerfG-Beschl., NJW 1989, 3269; BVerwGE 82, 76; BVerwG-Beschl., NJW 1991, 1770.



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 145

Verein, der über Jugendsekten aufklärte und warnte11. Dieses Verhalten wurde in der Rechtsprechung und in der Literatur klar als Warnung bewertet. Auch in der Entscheidung zu glykolhaltigem Wein, über den durch Veröffentlichung einer Liste mit dem Namen des Produkts und des Abfüllers informiert wurde, hatte das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der Staatsleitung als ausreichend erachtet.12 Dies wurde ebenfalls, zumindest in der Literatur, vielfach als Warnung eingeordnet13. Für den Verzicht auf eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage scheint diese Kategorisierung daher von Bedeutung zu sein. Dies ist gewissermaßen verständlich, da Warnungen meist auf Gefahrenlagen reagieren14 und daher schnell und flexibel geschehen müssen. Im Folgenden wird deshalb untersucht, was eine Warnung ausmacht und ob die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse unter diese Kategorie subsumiert werden kann. 1. Begrifflichkeiten des Kommunikationsrechts Informationsrecht ist Kommunikationsrecht.15 Daher können die Begrifflichkeiten aus dem Kommunikationsrecht zur Abgrenzung verschiedenen Informationshandelns herangezogen werden, etwa die Begriffe Warnung, Werturteil, Appell, Empfehlung, Hinweis, Information. Für alle diese Begriffe fehlt es an Legaldefinitionen oder zumindest anerkannten Definitionen. Um dennoch eine Einordnung der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse in eine dieser Kategorien zu ermöglichen, sind zunächst die Begriffe voneinander abzugrenzen. Information wird im weiteren Sinne als Oberbegriff zu Warnungen und Empfehlungen genutzt16 oder – wie hier im Einleitungsteil – sogar als Oberbegriff für alle kommunikativen Mitteilungsprozesse. Im engeren Sinne ist Information rein objektiv17, dem Beweis zugänglich und erfolgt durch Tatsachenbehauptungen, welche sich dadurch auszeichnen, dass eine Aussage über deren Wahrheit oder Unwahrheit möglich ist.18 Darunter fiele bei11  BVerwGE

90, 112. 105, 252. Näheres zu diesem Urteil unten, II. 2. 13  Bei den Glykolweinurteilen wird der Begriff vom BVerwG sparsam, vom BVerfG gar nicht verwendet. In der Literatur wird für die Glykolentscheidungen dennoch „Warnung“ verwendet, siehe z. B. Holzner, DVBl. 2012, 17 (18); Klement, DÖV 2005, 507 (509). 14  Ausführlich dazu unten, II. 2. 15  Gusy, KritV 2000, 52 (59). 16  Siehe Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 211. 17  Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 26. 18  Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 58. 12  BVerfGE

146

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

spielsweise die Äußerung, dass die Schließung des Betriebs X verfügt wurde. Aber auch die Lebensmittelkontrollergebnisse könnten darunter passen: Denn sie entstehen aus den Tatsachen, die der Kontrolleur in einem Betrieb vorfindet. Er schöpft aus diesen Tatsachen kein beliebiges Ergebnis, da relativ genau festgelegt ist, welche Kriterien zu welcher Bewertung führen. Damit könnte es sich um eine Tatsachenmitteilung, eine bloße Information, handeln. Im Folgenden wird aber deutlich, dass andere Begriffe ebenfalls auf die Kontrollergebnisse anwendbar sind. Öffentlichkeitsarbeit liegt vor, wenn der Staat die Bürger über seine eigene Tätigkeit unterrichtet.19 Die Verwaltung hat – aus dem Grundsatz der Publizität der Verwaltung – die Pflicht und daher auch das Recht, die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben zu informieren, sodass solche Informationen keiner besonderen gesetzlichen Kompetenzzuweisung bedürfen.20 Unter Öffentlichkeitsarbeit fiele die allgemeine Information über die Durchführung amtlicher Lebensmittelkontrollen. Bei einer Auskunft hingegen geht die Initiative vom Adressaten aus.21 Zudem beabsichtigt der Staat keine Verhaltenssteuerung. Mangels Initiative ist das Vorliegen einer Auskunft bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ausgeschlossen. Hinweise sind „verhaltenssteuernde Wissenserklärungen“, die aber keine bestimmte Verhaltensweise aufzeigen wollen.22 Hierunter könnten die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen ebenfalls zu subsumieren sein, wenn man davon ausginge, dass sie keine bestimmte Verhaltensweise aufzeigen sollten. Noch stärker einschlägig ist die Aufklärung. Diese zielt auf allgemeine Bewusstseinssteuerung ab, auf die Einhaltung „sozial-moralischer Verhaltensstandards“, die auch zu Rechtsnormen erstarkt sein können,23 und so auf die Einhaltung der Rechtsordnung. Dabei fehlt noch jedes Zwangselement24, die vom Staat präferierte Verhaltensalternative wird aber deutlich. Sofern man in der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse eine Verhaltens­ präferenz des Staates erkennt, würde die Aufklärung als Kategorie passen. 19  Philipp, Staatliche Verbraucherinformation im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 237. 20  Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 40. 21  C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 19. 22  Vgl. Franzius, Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 157; Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 17. 23  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 15. 24  Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 283.



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 147

Die Empfehlung kommt der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ebenso nahe: Die Empfehlung soll die Auswahl zwischen mehreren ungefährlichen Handlungsalternativen erleichtern und gegebenenfalls in einer bestimmten Richtung beeinflussen.25 Hierbei verbleibt für den Betroffenen ein Entscheidungsspielraum26, es handelt sich eher um einen Vorschlag oder Rat27. Ob solche Empfehlungen überhaupt Aufgabe des Staates sind, ist umstritten.28 Die Lebensmittelkontrollergebnisse würden ebenfalls in diese „Schublade“ passen. Allerdings ist eine Abgrenzung zur Aufklärung sehr schwierig. Als einziger Unterschied ist vom Wortverständnis her die Präferenz des Staates bei der Empfehlung deutlicher zu erkennen. Auch dies könnte man in den Lebensmittelkontrollergebnissen sehen. Die Unterscheidung zur nächsten Kategorie ist nur eine Nuance bezüglich der Präferenz und Aufforderungshaltung des Staates: Ein Appell ist die Aufforderung, aus einer behaupteten Tatsache ein bestimmtes Verhalten abzuleiten.29 Ein Appell kann jedoch Teil verschiedener Äußerungsformen sein. So enthält die Empfehlung einen schwachen Appell, eine Warnung einen starken Appell. Der „Appell“ gehört daher eher zu einer übergeordneten Begriffsgruppe. Ein Werturteil ist die subjektive Sicht eines Einzelnen30 ohne appellativen Charakter. Auch dies liegt den Kontrollergebnissen nicht allzu fern, da man Kontrollergebnisse immer ein wenig als subjektive „Bewertung“31 sehen kann, allein schon durch die Auswahl bestimmter Informationen für die Veröffentlichung32. Keinerlei Appell in der Veröffentlichung der Kontroll­ ergebnisse zu sehen, ist allerdings etwas schwierig, da ohne jeglichen Appell die Ziele der Veröffentlichung unerreichbar sind33. Abschließend ist auf die Warnung einzugehen, die grundsätzlich aus einer Information entsteht. Mit Warnungen will der Staat ohne Zwang den Bürger 25  Heintzen, in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/Schwanenflügel, Wandel der Hand­ lungs­formen im Öffentlichen Recht, S. 167 (176). 26  Franzius, Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 157. 27  Duden online, http://www.duden.de/rechtschreibung/Empfehlung (Letzter Aufruf: 13.4.2016). 28  Heintzen, in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/Schwanenflügel, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 167 (176). 29  Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 26. 30  Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 15. Vgl. Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 26. 31  So das VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 68. 32  Di Fabio, JZ 1993, 689 (697). 33  Vgl. dazu unten, 3.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

zu einem bestimmten Verhalten bringen.34 Die Warnung als Information plus Wertung und Appellationsanteil passt zunächst auf die Kontrollergebnisse. Warnungen sind aber ebenso ein Hinweis auf eine Gefahr35 und die stärkste Form der Willensbeeinflussung, den Adressaten wird nach Ansicht Franzius’ und Kloepfers sogar kaum eine andere Wahl gelassen36. Eine Warnung liegt vor, wenn mit einem bestimmten Verhalten verbundene Risiken aufgezeigt werden37, sich die Information vor einer konkreten Gefahr dem Betroffenen geradezu aufdrängt und es um den Schutz konkreter Rechtsgüter wie Leib, Leben, Gesundheit geht38. Dies ist bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse nicht der Fall: Zwar geht es abstrakt um den Schutz der genannten Rechtsgüter. Ebenfalls soll ein bestimmtes Verhalten aufgezeigt werden.39 Allerdings geht es dabei nicht um eine konkrete Gefahr, vor der so dringend geschützt werden muss, dass die Information dem Rezipienten über jegliche Medien aufgedrängt wird. Denn zum Zeitpunkt der Informationsveröffentlichung ist seit der Betriebskontrolle bereits einige Zeit vergangen, da zumeist erst nach einer Anhörungsfrist40 informiert wird. Sofern also zum Kontrollzeitpunkt eine konkrete Gefahr bestand, wurden in der Regel bereits sofort wirkende Abwehrmaßnahmen, etwa die Gewerbeuntersagung nach § 35 I 1 GewO, getroffen. Zum Zeitpunkt der Informationsveröffentlichung besteht daher regelmäßig keine konkrete Gefahr. Eine Warnung liegt in der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse somit nicht41, sodass eine Vergleichbarkeit mit der Rechtsprechung zu Jugendsekten schwierig erscheint.

34  Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 15, 16. 35  Duden online, http://www.duden.de/rechtschreibung/Warnung (Letzter Aufruf: 13.4.2016). 36  Franzius, Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 157; Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 17. 37  Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1995, 611 (612). 38  Heintzen, in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/Schwanenflügel, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 167 (176). Vgl. BVerwGE 82, 76 (Lts. 2). 39  Argumentation dazu siehe oben unter Kap. 3, B. II. a.  E. zur Finalität der Veröffentlichung. 40  Dies legt etwa auch § 6 I 3 i. V. m. § 5 I 2 VIG nahe, auf den sich der Berliner Bezirk Pankow stützt. 41  So zu Informationen nach § 40 I a LFGB das Landratsamt Bodenseekreis, http://www.bodenseekreis.de/ordnung-sicherheit/lebensmittelueberwachung/hygiene verstoesse/weitere-informationen.html (Letzter Aufruf: 1.7.2016). A. A.: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 51.



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2. Schwäche der kommunikationsrechtlichen Begrifflichkeiten Allerdings fällt bei der Einteilung staatlichen Informationshandelns in die dargestellten Kategorien auf, dass die Begrifflichkeiten sich teilweise nur in Nuancen unterscheiden, was eine trennscharfe Subsumtion schwierig macht, und sie zudem unterschiedlich verwendet werden.42 Grundsätzlich wäre die Einordnung in eine Kategorie dennoch wünschenswert, da so eine gewisse Vereinheitlichung erreicht wird, die es zulässt, weitere Fälle wieder unter die festgelegten Kriterien zu subsumieren und damit Verlässlichkeit und Rechtssicherheit zu erreichen. Allerdings stellt sich dieses Ergebnis nicht ein, wenn man den konkreten Fall mit den richtigen Argumenten unter jeden der Begriffe subsumieren kann. Dies ist bei den Einordnungsversuchen der Lebensmittelkontrollergebnisse unter die informationsrechtlichen Begrifflichkeiten deutlich geworden. Daher ist es am besten, verschiedene Maßnahmen an bestimmten grundlegenden Kriterien zu messen, um festzustellen, ob sie vergleichbar sind. Infrage kommen dafür etwa der Appellationsaspekt oder der Grad der Wertung.43 Problematisch ist daran jedoch, dass auch eine Information ohne Appell genau wie ein Appell wirken kann. Bloße Informationen können so gegeben werden, dass sie Appellcharakter haben, ohne dass dieser tatsächlich angesprochen ist.44 Und eine absolut sachlich gegebene Information kann dem Rezipienten ebenso wie eine Warnung erscheinen. Erinnert sei dafür an die Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart über die mikrobielle Verunreinigung von Birkel-Nudeln, die für das Unternehmen zu erheblichen Umsatzeinbußen führte.45 Oder an die Reaktion potenzieller Kunden auf die lebensmittelrechtliche Bewertung „mangelhaft“ für ein Res­ taurant. Ein Appell ist daher oftmals gar nicht nötig. Daher führt die Unterscheidung anhand Appellationsaspekt oder Wertungsgrad nicht weiter.46 Hier hilft es, das Pferd von hinten aufzuzäumen: Was macht eigentlich die staatliche Warnung so schwerwiegend? Dass sie Grundrechtspositionen beeinträchtigt. Dies geschieht, indem sie Dritte zu einem bestimmten Verhalten bewegt. Dasselbe macht die Grundrechtsrelevanz der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse aus, auch wenn deren Auswirkung verdazu Böhm, JA 1997, 794. Schnall in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 202 ff. 44  Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, S. 15. Ähnlich Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 27; Porsch, ZLR 2003, 175 (176); Schoch, AfP 2010, 313 (314). 45  OLG Stuttgart, NJW 1990, 2690. 46  Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 57. 42  Ähnlich 43  Vgl.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

mutlich etwas geringer ist als die einer öffentlichen Warnung. Somit ist nach der Lenkungsqualität staatlicher Maßnahmen zu unterscheiden.47 Es gibt also „nur mitteilendes Informationshandeln“, beispielsweise gesetzlich geregelte Auskünfte, und solches, das Verhalten lenken soll oder tatsächlich lenkt.48 Lenkung durch Information ist dabei nicht negativ und kein „Fremdkörper“ in unserer Rechtsordnung: Recht ist immer auch eine Lenkung durch Information, denn nur dadurch, dass man weiß, was verboten / erlaubt ist, verhalten wir uns danach und werden daher durch diese Information in unserem Verhalten gelenkt.49 Es ist somit am Begriff der Verhaltenslenkung festzumachen, ob die Rechtsprechung zu Jugendsekten mit der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse vergleichbar ist. 3. Lenkungswirkung der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen Damit stellt sich die Frage nach der Lenkungswirkung der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen. Die Veröffentlichung soll – nach Aussage der zuständigen Lebensmittelämter50 – die Betriebe belohnen, die sich gesetzeskonform verhalten. Der Verbraucher hat dabei rein tatsächlich denselben Handlungsspielraum wie ohne die Veröffentlichung. Selbst wenn dies so ist und die Veröffentlichung nicht vor allem dazu dienen soll, schlecht bewertete Betriebe mittelbar zu benachteiligen und infolgedessen ihr Verhalten zu verändern, hat die Veröffentlichung Lenkungswirkung. Denn selbst der Effekt, die „guten“ Betriebe zu belohnen, kann nur durch Verhaltenslenkung bei den Kunden erreicht werden. Den Betrieben bringt es nicht viel, eine gute Bewertung zu haben. Die Belohnung ist eher, dass sie so gute Chancen haben, noch mehr Kunden zu gewinnen beziehungsweise zumindest ihren Kundenstamm beizubehalten. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Kunden nach der guten Bewertung richten und gerade diese Einrichtungen aufsuchen. Ebenso wirkt die Liste auf die schlecht bewerteten Betriebe ein: nur durch die Gefahr, dass die potenziellen Kunden auf die negativen Ergebnisse reagieren und wegbleiben, entsteht für sie der Druck, 47  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S.  16. Ebenso: C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 17. 48  Vgl. C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 17. 49  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 35. 50  So beispielsweise beim Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg: http://www. berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/organisationseinheit/vetleb/smiley.html; ebenso äußerte sich im Jahr 2010 die damalige Berliner Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Katrin Lompscher, http://www.berlin.de/landespressestelle/ archiv/2010/09/24/311917/index.html (Letzter Aufruf jeweils: 13.4.2015).



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den gesetzlichen Anforderungen künftig zu entsprechen. Die Wirkungskraft der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse liegt somit gerade in ihrer Lenkungskraft.51 Gäbe es diese nicht, bestünde für die Lebensmittelaufsicht kein Grund, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ist aufgrund ihrer Lenkungswirkung daher mit einer Warnung vergleichbar.52 Unter diesem Aspekt erscheint die Rechtsprechung zu Jugendsekten, die auf eine konkrete Ermächtigungsgrundlage für die staatliche „Information“ verzichtet, übertragbar.

II. Gubernatives Handeln Allerdings handelte es sich bei den Jugendsekten-Entscheidungen zusätzlich um gubernatives Informationshandeln, was die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse gegebenenfalls nicht ist. Falls kein gubernatives Handeln vorliegt, muss – wie schon bei der Warnung – nach der Vergleichbarkeit der Kategorien „gubernativ“ und „administrativ“ gefragt werden. Für die Zuordnung zu gubernativem Handeln müssen zunächst die Begrifflichkeiten geklärt werden: Die vollziehende Gewalt (Exekutive) spaltet sich auf Bundes- und auf Länderebene jeweils in die Regierung (Gubernative) und die Verwaltung (Administrative). Staatliche Informationen können dabei von beiden ausgehen. Wer eine Information gibt, kann einen erheblichen rechtlichen Unterschied bewirken. Denn für das Informieren der Gubernative wird oft die bloße Aufgabeneröffnung statt einer konkreten Ermächtigungsgrundlage als ausreichend erachtet, da die Regierung die Flexibilität benötigt, auf neue Situationen reagieren zu können53. In Hinblick auf plötzlich eintretende Gefahrensituationen, in denen Warnungen von Seiten des Bundes erwartet werden, ist dies nachvollziehbar.54 Denn der Bund verfügt – im Gegensatz zu den Bundesländern – nicht über eine polizeirechtliche Generalklausel, die überraschend notwendige Warnungen, wie beispielsweise bei der EHEC-Krise im Sommer 2011, rechtfertigen könnte. Dass die Bundesregierung neben 51  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 231, Rn. 56. Die Lenkungswirkung bejahend: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 24, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 25; VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015  – 26 K 5722/13, Rn. 35, einsehbar unter www.nrwe.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). Die Lenkungswirkung bejahen sogar Befürworter der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse, siehe: Schink, Rechtsgutachten, S. 28. Zur Lenkungswirkung siehe auch oben unter Kap. 3, B. II. 52  I.  E. zur Pankower Negativliste ebenso: Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359). Vgl. i. E.: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 51, das mit der Einordnung als Warnung auch gleich noch die Geltung des Gesetzesvorbehalts belegt. 53  Bleckmann, StaatsR I, Rn. 1787. 54  Vgl. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (40); Wolf, KJ 28 (1995), 340 (341).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

den Landesregierungen in solchen Fällen zu Warnungen befugt sein muss, ist für einen erfolgreichen Schutz der Bevölkerung richtig. Für Informationshandeln der Administrative hingegen ist strittig, ob diese sich ebenfalls auf die bloße Aufgabeneröffnungen berufen kann.55 Administratives und gubernatives Handeln sind nur schwer voneinander zu trennen, konkrete Definitionen kaum zu finden. Teilweise wird sogar angenommen eine Unterscheidung wäre nicht möglich.56 Die Unterscheidung zwischen Regierungs- und Verwaltungshandeln ist dennoch sinnvoll.57 Auf den ersten Blick sind beide Bereiche grundlegend verschieden58: Regierungshandeln ist flexibel und dynamisch59, die „zusammenfassende Leitung des Staatsganzen“60 mit „selbständiger politischer Entscheidungsund Handlungsvollmacht“61. Die Verwaltung hingegen hat eine ausführende und dienende Funktion62. Dennoch ist es nicht zu leugnen, dass die Abgrenzung im konkreten Fall oft tückisch ist. Bei der Verwaltung liegt dies daran, dass es sich um ein sehr weites und facettenreiches Feld handelt.63 Regierungshandeln wird zumeist durch enumerative Aufzählungen näher bestimmt oder auch allgemein als staatsleitende und politische Tätigkeit umschrieben64, die Verwaltung negativ als Exekutive ohne die Regierungstätigkeit. Dabei kann auch Verwaltungstätigkeit zu Regierungstätigkeit werden, wenn beispielsweise ein Bezug zur Staatsleitung entsteht; ebenso kann aber auch eine Weisung eines Ministers rein administrativ sein.65 Die Übergänge sind fließend. Dies wird besonders deutlich an den Ministern, die einerseits Teil der Regierung sind, andererseits aber auch Spitze eines Verwaltungsapparats.66 Um im Folgenden auch in Grenzfällen zu Abgrenzungen zu finden, soll daher auf mehrere Kriterien abgestellt werden: 55  von

Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 64. in: HdBStR III, Aufl. 2, § 67, Rn. 29 m. w. N. 57  Vgl. Schnall in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 215; von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 83; implizit BTDrs. 14/8738, S. 7. A. A. BVerwG-Beschl., NVwZ 1994, 162 (163). 58  Vgl. von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 64 m. w. N. 59  Hermes, in: Dreier, GG, Art. 62, Rn. 26. 60  Scheuner, in: FS für Smend, S. 278. 61  Badura, StaatsR, S. 574, Rn. 18. 62  Badura, StaatsR, S. 574, Rn. 18. 63  Vgl. Maurer, AllgVerwR, § 1, Rn. 8. 64  Bleckmann, StaatsR I, Rn. 1772, 1777; Maurer, Staatsrecht I, § 18, Rn. 5, 6; vgl. Schröder, in: HdBStR III, § 64, Rn. 1. 65  Stern, Staatsrecht, Band II, S. 696. 66  Maurer, Staatsrecht I, § 18, Rn. 8. Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 62, Rn. 27, 28. 56  Schröder,



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1. Wer ist Handelnder / Organ67 (dies kann allerdings aufgrund des zuvor Festgestellten nur ein Indiz sein), 2. um was für eine Maßnahme handelt es sich und in welcher Form ergeht sie (wobei Richtungsentscheidungen gubernativ und ausführende Tätigkeiten administrativ sind), 3. wie hoch ist die Bedeutung der Materie in unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Werteordnung68 (dabei sollte dieses Kriterium angelehnt an den „hochpolitischen Vertrag“ des Art. 59 II 1 GG eng ausgelegt werden, da es sonst leicht seine Konturen verliert69)? Die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen erfolgt demzufolge administrativ: Die berlinweite Liste „Sicher essen“ wurde durch die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz veröffentlicht, also durch die Administrative.70 Die Pankower Liste gab die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht heraus, eine Untereinheit der Bezirksverwaltung, und so ebenfalls die Administrative.71 Bei den Bezirken, die sich am Pankower Modell orientierten (Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg), wurde die Ergebnisliste ebenfalls von der Administrative herausgegeben. Form der Maßnahme war jeweils eine Informationsliste. Die Materie „Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle“ als solche ist nicht staatsleitend. Auch die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse durch den Bund wäre administrativ, da die Materie nicht von staatstragender Bedeutung ist. Bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen handelt es sich also um administratives Handeln.72 Daher ist zu untersuchen, welche Anforderungen bezüglich des Gesetzesvorbehalts bei administrativem Handeln zu stellen sind und ob diese eventuell den für gubernatives Informieren aufgestellten Anforderungen entsprechen. 1. Rechtsprechung zu administrativem Informationshandeln Die Rechtsprechung zu administrativem Informationshandeln ist bezüglich des Erfordernisses einer Ermächtigungsgrundlage uneinheitlich. Um 67  Danach abgrenzend: von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 113, 114. 68  Bedeutung und Gewicht des „Geschäfts“ erwägt auch Stern, Staatsrecht, Band II, S. 696. 69  So Argumentation zu Art. 59 II 1 GG bei Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 59, Rn. 71 m. w. N. 70  I. E. ebenso: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 55. 71  Zu diesem Ergebnis kommt auch Holzner, NVwZ 2010, 489 (490). 72  I.  E. ebenso zu Prüfberichten der Heimaufsicht: BayVGH, NZS 2012, 227 (228, Rn. 9, 11).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

1990 hatte das Bundesverwaltungsgericht mehrfach eine Ermächtigungsgrundlage gefordert. So entschieden hat es – 1985 zur sogenannten Arzneimitteltransparenzliste73, die verschiedene Informationen zu Medikamenten enthielt, durch den Bundesminister für Gesundheit herausgeben wurde und keinerlei staatstragende Bedeutung hat, – zur Förderung eines Vereins zur Sektenbekämpfung im Jahr 1992; das Bundesverwaltungsgericht stellte hier ausdrücklich fest, dass es sich um „eine (echte) Verwaltungstätigkeit des Bundes handelt“74, – 1995 zum Warentest einer Landwirtschaftskammer75, welche als Körperschaft des öffentlichen Rechts Teil der mittelbaren Landesverwaltung ist. Auch inhaltlich hat ein Warentest keine staatstragende Bedeutung. Ebenso lich einer kartons.76 von einer

entschied der Verwaltungsgerichtshof Kassel im Jahr 1994 bezügPlakatkampagne einer Gemeinde zur Vermeidung von GetränkeNur vereinzelt77 wurde damals für administratives Informieren Ermächtigungsgrundlage abgesehen.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1990 in seiner Glykolwein-Entscheidung78 ebenfalls vom Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage abgesehen, obwohl es dabei um administratives Handeln gehen könnte. Handelnder war der Bundesminister für Gesundheit, also gerade die „Schnittstelle“ zwischen Gubernative und Administrative. Die Herausgabe einer Liste mit glykolhaltigem Wein war eine Maßnahme der Gefahrenabwehr und somit grundsätzlich Aufgabe der Administrative. Staatstragende Bedeutung bestand nicht. Folglich läge administratives Handeln vor.79 Jedoch handelte es sich hierbei nach dem Urteil selbst um gubernatives Handeln, da das Gericht die Handlung mit dem Schutzauftrag der Bundesregierung rechtfertigte. Selbst wenn man dies vom Urteil abweichend als administrativ einordnen würde, kann die Entscheidung hier nicht vergleichend herangezogen werden, da das Bundesverwaltungsgericht von der Prämisse 73  BVerwGE 71, 183. Dem in einem Beschluss zur selben Sache folgend: BVerfG-Beschl., NJW 1999, 3404. 74  BVerwGE 90, 112 (123). 75  BVerwG, NJW 1996, 3161. 76  VGH Kassel, NVwZ 1995, 611. 77  So z. B. das OLG Stuttgart, NJW 1990, 2690 – Birkel-Nudeln. 78  BVerwGE 87, 37. Ähnlich zum selben Fall: BVerfGE 105, 252. 79  Dennoch für die Einordnung als gubernativ: Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S.  63. Vgl. Schnall, in: Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, III. D., Rn. 209, 215.



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 155

gubernativen Handelns ausging. Damit bleibt es dabei, dass das Absehen vom Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage bei administrativem Handeln um 1990 eine Ausnahme war. Zu gubernativem Informationshandeln entschieden Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht hingegen schon damals, dass statt einer Ermächtigungsgrundlage die Aufgabeneröffnung genüge.80 Sogar nach Teilen dieser Rechtsprechung ist aber eine Ermächtigungsgrundlage nötig, sofern die Beeinträchtigung das „funktionale Äquivalent“ eines Eingriffs darstellt81. Ein „funktionales Äquivalent“ liegt vor, wenn eine Handlung in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre.82 Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs sollten die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden können.83 Eine Abgrenzung zwischen funktionalem Äquivalent und zulässiger „marktrelevanter Information“ ist jedoch schwierig.84 Für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen liegt die Annahme eines funktionalen Äquivalents relativ nahe85. Denn die Veröffentlichung zielt, wie sonst vor allem ordnungsrechtliche Instrumente, auf die Beseitigung rechtswidrigen Verhaltens86 ab, hat zumindest auch sanktionierenden Charakter87 und damit die Wirkung eines ordnungsrechtlichen Instruments. Vom Bundesver80  Siehe BVerwGE 82, 76 – TM; BVerwG-Beschl., NJW 1991, 1770 – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. Ebenso BVerfG-Beschl., NJW 1989, 3269 –TM. Ab dem Jahr 2000 ebenso: BVerfGE 105, 279 – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte; BVerfGE 105, 252 –Glykolwein; BVerfG-Beschl., NJW 2002, 3458 – Chick Korea; vgl. BVerfG-Beschl., NJW 2003, 1305 – Broschüre u. a. zu TM. Ebenso BVerwG, NJW 2006, 1303 (1304), bei dem die Einordnung als gubernativ nach den oben genannten Kriterien zwar fraglich ist, was sich aber auf die Aufgabe der Staatsleitung stützt und somit vom BVerwG als gubernativ eingeordnet wurde. 81  BVerfGE 105, 252 (273); BVerfGE 105, 279 – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. Unter Verweis auf Glykolwein und Osho: BVerfG-Beschl., NJW 2003, 1305; BVerwG, NJW 2006, 1303 (1304). Ähnlich BVerwGE 87, 37 (42, 43). 82  BVerfGE 105, 252 (273); VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 55. 83  BVerfGE 105, 252 (273) – Glykolwein; BVerfGE 105, 279 – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. 84  Ohler, ZLR 2002, 631 (634); Porsch, ZLR 2003, 175 (181). 85  Das Vorliegen eines funktionalen Äquivalents bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen bejahend: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 55; Holzner, NVwZ 2010, 489 (491); Raspé, BLJ 2013, 8 (10). Ebenso zur Veröffentlichung von Prüfberichten der Heimaufsicht: BayVGH, NZS 2012, 227 (228, Rn. 9, 11). 86  Siehe oben die Argumentation zur Lenkungswirkung der Ergebnisveröffent­ lichung, I. 3. Ebenso: BayVGH, NZS 2012, 227 (228, Rn. 11). 87  Holzner, NVwZ 2010, 489 (491); Raspé, BLJ 2013, 8 (10).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

fassungsgericht wurde das Vorliegen eines funktionalen Äquivalents selten bejaht88, nicht einmal im Falle des Glykolweins89. Daher soll nicht entscheidend auf das Vorliegen eines solchen abgestellt werden. Festzuhalten ist in Abgrenzung zu administrativem Handeln, dass für solches der Gubernative schon seit den 1990er Jahren in der Regel die Aufgabe zur Staatsleitung als Ermächtigungsgrundlage als genügend betrachtet wurde. Selbst davon gab es aber die Ausnahme des zumindest in der Theorie wichtigen funktionalen Äquivalents. Damit müsste das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für administratives Handeln „erst recht“ eindeutig zu bejahen sein. Seit der Jahrtausendwende entschieden dennoch Fachgerichte in verschiedenen Bundesländern, dass eine Ermächtigungsgrundlage für administratives Informationshandeln nicht notwendig sei und stattdessen – wie für gubernatives Informieren – die Aufgabeneröffnung, Sachlichkeit und Richtigkeit der Information genügten. So entschieden – das Oberverwaltungsgericht Münster im Jahr 2006 zu Äußerungen einer Gemeinde gegen als verfassungsfeindlich angesehene Bestrebungen eines Vereins90, – das Oberverwaltungsgericht Bremen im Jahr 2010 zu Äußerungen des Pressesprechers einer Behörde91 und – das Verwaltungsgericht Stuttgart im Jahr 2011 zu den Äußerungen einer Gemeinde auf ihrer Homepage zu einer als fremdenfeindlich bewerteten Versammlung92. Dies ist jeweils administrativ, da die Verwaltung handelt und dies ohne jegliche staatstragende Bedeutung geschieht. Dabei gingen die Fachgerichte noch über die Glykol-Entscheidungen von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht hinaus, indem sie jeweils den Eingriff bejahen, aber von einer Rechtfertigung über die Aufgabenzuweisung ausgehen. Somit wird die Rückausnahme der GlykolweinRechtsprechung, eine Ermächtigungsgrundlage zumindest dann zu fordern, wenn die Information das Äquivalent eines staatlichen Eingriffs darstellt, nicht angewendet. Sehr aktuelle Entscheidungen aus den Jahren 2012 und 2013 gehen jedoch wiederum vom Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage auch für administratives Handeln aus und erkennen auch das „funktionale Äquivalent“ an. So urteilten etwa das VG Berlin zur Veröffentlichung 88  Ausnahmen: BVerfGE 113, 63 (78); BVerwG, NJW 2006, 1303 (1304). Um einen Wandel der Rechtsprechung seit dem Jahr 2005 anzunehmen, ist dies jedoch noch zu wenig. 89  BVerfGE 105, 252 (273). 90  OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 273. 91  OVG Bremen, NJW 2010, 3738. 92  VG Stuttgart, NVwZ-RR 2011, 615.



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von Lebensmittelkontrollergebnissen und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur Veröffentlichung von Prüfberichten der Heimaufsicht.93 Die aktuellere Rechtsprechung der Fachgerichte ist folglich äußerst uneinheitlich bezüglich des Erfordernisses einer konkreten Ermächtigungsgrundlage für administratives Informieren. Das Bundesverfassungsgericht zeigt ebenfalls in neuerer Zeit keine einheitliche Linie dazu. In seiner Entscheidung zur Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ im Jahr 2005 forderte es für administratives Informationshandeln eine Ermächtigungsgrundlage. In der Nennung der „Jungen Freiheit“ im Verfassungsschutzbericht sah das höchste Gericht einen Eingriff in die Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG.94 Der Verfassungsschutzbericht habe den Zweck aufzuklären und die „im Rahmen dieser Zielsetzung […] ausgelösten Wirkungen kommen einem Eingriff gleich“.95 Aufgrund der Besonderheiten eines Verfassungsschutzberichts – auf Gefahrenabwehr gerichtet, von spezialisierter Stelle mit besonderen Befugnissen ausgehend – ginge die Wirkung über „die Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger […] hinaus“.96 Eine Auswirkung auf die Leserschaft sei „nicht unwahrscheinlich“.97 Die staatliche Information bedürfe daher der Rechtfertigung.98 Die Rechtfertigung erfordert aber, auch wenn dies im Urteil so nicht benannt wird, grundsätzlich das Vorliegen einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage99. Nach diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts genügt also administratives Informieren für das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage, eine Ausnahme aufgrund des Vorliegens staatlichen Informationshandelns wird nicht gemacht. Im konkreten Fall stand die Handlung sogar unter dem speziellen Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG. Daraus könnte man schließen, dass dieses Urteil zur Geltung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts, auf den sich das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage stützt, nichts aussagt. Andererseits kann man ebenso davon ausgehen, dass es ein „Weniger“ ist, wenn das Grundgesetz Eingriffe vorsieht, als wenn es diese nicht vorsieht, sodass für Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt mindestens dieselben Anforderungen gelten müssen.100 Ebenso bewertete implizit das Bundesverwaltungsgericht das Urteil zur „Jungen Freiheit“ und sah, mit 93  BayVGH, NZS 2012, 227 (228, Rn. 12); VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 50, 55. 94  BVerfGE 113, 63 (Lts. 1). 95  BVerfGE 113, 63 (77). 96  BVerfGE 113, 63 (77). 97  BVerfGE 113, 63 (78). 98  BVerfGE 113, 63 (78). 99  Vgl. Ipsen, StaatsR II, Rn. 171, 172. 100  Gedanke so bei Germann, in: Epping/Hillgruber, Art. 4, GG, Rn. 49.1.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Jungen Freiheit“, eine Ermächtigungsgrundlage für eine grundrechtsbeeinträchtigende Äußerung im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht als notwendig an.101 Damit ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Jungen Freiheit“ und nach der sich darauf beziehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine Ermächtigungsgrundlage nötig, wenn eine Information einem Grundrechtseingriff gleichkommt und somit ein funktionales Äquivalent darstellt. Dies belegt, dass bezüglich der Geltung des Gesetzesvorbehalts kein Sonderweg für administratives Informationshandeln gelten soll und zumindest wieder die in den GlykolweinEntscheidungen aufgestellten Voraussetzungen gelten, also das Vorliegen eines Eingriffs bei Vorliegen eines funktionalen Äquivalents. Der zuvor genannten Rechtsprechung der Fachgerichte, die einen Eingriff bejaht haben und dennoch auf eine Ermächtigungsgrundlage verzichtet haben, ist damit abzulehnen. Auch außerhalb des Informationsrechts bekräftigte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung im Jahr 2009 und erklärte, dass für einen faktischen Eingriff eine Ermächtigungsgrundlage notwendig sei.102 Im August 2012 wich das Bundesverfassungsgericht jedoch in seinem Löw-Beschluss103 von seiner Rechtsprechung und der des Bundesverwaltungsgerichts ab und verzichtete auch für administratives Handeln auf eine Ermächtigungsgrundlage. Ausgangspunkt war ein Artikel des emeritierten Professors Konrad Löw, der unter anderem von einer „deutsch-jüdischen Symbiose unter dem Hakenkreuz“ spricht. Diesen Artikel veröffentlichte ein Verlag im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren steht104. Nach Veröffentlichung des Artikels richtete die Bundeszentrale für politische Bildung eine Entschuldigung an die Leser, die sich durch den Beitrag verunglimpft sehen könnten. Das Bundesverfassungsgericht sah hierin einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Konrad Löws aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG, der der Rechtfertigung bedarf.105 Soweit entspricht dies noch der Entscheidung zur „Jungen Freiheit“. Als Rechtsgrundlage für die Entschuldigung an die Leser sah das oberste Gericht jedoch eine Art Annexkompetenz zum in der Aufgabe der Staatsleitung fußenden Recht der Bundesregierung eine Bundeszentrale für politische Bildung zu unterhalten.106 Somit soll die Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in das allge101  BVerwG,

NVwZ 2008, 1371 (1373). NVwZ 2009, 1486 (Lts.1). 103  BVerfG-Beschl., NJW 2011, 511. 104  Schoch, NVwZ 2011, 193 (197). 105  BVerfG-Beschl., ZUM 2010, 957 (959). 106  BVerfG-Beschl., ZUM 2010, 957 (959). 102  BVerfG-Beschl.,



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 159

meine Persönlichkeitsrecht von Konrad Löw hier nicht einmal die Aufgabe zur Staatsleitung selbst sein, sondern sogar nur ein Annex zu dieser. Diese Abweichung von der Entscheidung zur „Jungen Freiheit“, in der das Bundesverfassungsgericht ein allgemeines Gesetz als Ermächtigungsgrundlage forderte, begründet es auch nicht. Im Ergebnis scheitert die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs zwar an der Unverhältnismäßigkeit der Entschuldigung, die weder erforderlich noch angemessen sei.107 Die fehlende konkrete Ermächtigungsgrundlage stellte für das Bundesverfassungsgericht aber kein Problem dar. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte zum Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage bei administrativem Informationshandeln ist somit äußerst wechselhaft. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen fordert eine Ermächtigungsgrundlage. 2. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu gubernativem Handeln auf das der Administrative Die Rechtsprechung, die sich auf administratives Informieren bezieht, hilft aufgrund ihres uneinheitlichen Ergebnisses nicht abschließend weiter. Daher ist zu überlegen, ob nicht die Rechtsprechung zu gubernativem Infomieren übertragbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich vielfach zu gubernativem Infomieren geäußert. Obwohl es schon vor den bekannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Glykolwein und Warnungen vor Jugendsekten aus dem Jahre 2002 Rechtsprechung zu staatlichem Informationshandeln gab, ist gubernatives Informieren erst durch diese Entscheidungen besonders präsent geworden. Dies liegt daran, dass statt einer Ermächtigungsgrundlage eine Aufgabenzuweisung als ausreichend angesehen wurde, aber ebenso an der fragwürdigen Grundrechtsdogmatik, die das Bundesverfassungsgericht im Glykolwein-Urteil aufzeigte. Im Glykolwein-Urteil ging es um die Veröffentlichung einer Liste glykolhaltiger Weine durch einen Bundesminister. Die Karlsruher Verfassungsrichter nahmen eine Berührung des Schutzbereiches von Art. 12 I 1 GG an, dem Wortlaut der Entscheidung zufolge jedoch keinen Eingriff108. Denn ein den Markt für sich freiwillig nutzendes Unternehmen müsse auch die daraus gegebenenfalls resultierenden negativen Folgen, wie zum Beispiel öffentliche Kritik, in Kauf nehmen; hiergegen könne es sich im Rahmen der Mechanismen des Marktes wehren.109 Zu den marktgestaltenden 107  BVerfG-Beschl.,

ZUM 2010, 957 (960). 105, 252 – Glykolwein. 109  BVerfGE 105, 252 (266). 108  BVerfGE

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Regeln gehöre auch die Information der Verbraucher.110 Ein Eingriff läge nur vor, wenn die staatliche Informationstätigkeit die Marktverhältnisse verzerren würde.111 Trotzdem erfolgte eine Prüfung der Rechtfertigung. Dabei knüpfte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Information an deren Rechtmäßigkeit, also die Aufgabeneröffnung, Zuständigkeit sowie Sachlichkeit und Richtigkeit der Information.112 Die Zuständigkeit und gleichzeitig die Ermächtigung der Bundesregierung für die Warnung beruhe auf deren Aufgabe zur Staatsleitung.113 Dieses Urteil wurde stark kritisiert.114 Fraglich ist zwar, ob dies überhaupt gubernatives Handeln darstellt, denn es handelt sich um Gefahrenabwehr ohne staatlich richtungsweisende Bedeutung, von einem Bundesminister, der in dieser Funktion aber gleichzeitig Spitze eines Verwaltungsapparats ist.115 Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht den Sachverhalt offenbar als gubernativ eingeordnet, da die „Aufgabe der Staatsleitung“ ansonsten nicht als Argument passt. Damit gehört der vom höchsten Gericht verwendete Argumentationsansatz zu gubernativem Handeln, da auch das Gericht von dieser Prämisse ausging. In der am selben Tag verkündeten Osho-Entscheidung ging es um mehrere Äußerungen durch die Bundesregierung, die die Osho-Bewegung als pseudoreligiös und als Sekte bezeichneten. Hier hat das Bundesverfassungsgericht einen faktischen Eingriff in Art. 4 I GG zwar bejaht116. Einer Ermächtigungsgrundlage bedürfe staatliches Informieren, selbst wenn es einen mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff darstellt, jedoch nicht.117 Eine Aufgabeneröffnung, hier die Aufgabe der Staatsleitung, würde genügen.118 Diese Rechtsprechung, dass, selbst wenn ein faktischer Eingriff vorliegt, bei gubernativem Informieren keine Ermächtigungsgrundlage notwendig sei und stattdessen eine Aufgabenzuweisung genüge, hat das Bundesverfassungsgericht in einigen Kammerentscheidungen119 fortgesetzt. 110  BVerfGE

105, 252 (266, 267). 105, 252 (268). 112  BVerfGE 105, 252 (268). 113  BVerfGE 105, 252 (268). 114  Hellmann, NVwZ 2005, 163 (166); Kube, ZLR 2007, 165 (180); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2, 3); Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 61; R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln und Grundrechtseingriff, S. 96; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 12, Rn. 24. 115  Dazu schon oben, 1. 116  BVerfGE 105, 279 (300, 301). 117  BVerfGE 105, 279 (305) – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. 118  BVerfGE 105, 279 (301, 305) – Warnung durch BReg vor Osho-Sekte. 119  BVerfG-Beschl., NVwZ-RR 2002, 801; BVerfG-Beschl., NJW 2002, 3458 (3459). Vgl. BVerfG-Beschl., NJW 2003, 1305 (1306). 111  BVerfGE



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 161

Nur wenn diese Rechtsprechung auf administratives Handeln übertragbar ist, hilft sie für den vorliegenden Fall weiter. In seinen Urteilen zu Glykolwein und Osho hat das Bundesverfassungsgericht sehr allgemeingültige Obersätze formuliert und über den Sachverhalt Hinausgehendes behandelt, etwa die Funktionsfähigkeit des Marktes; deshalb erscheint eine Übertragbarkeit zunächst möglich.120 Oft wird allgemein von staatlicher (Informations-)Tätigkeit121, einem Träger von Staatsgewalt122 und „staatliche[n] Ver­ant­wortungsträger[n]“123 statt von der Gubernative gesprochen124. Allerdings wird hauptsächlich mit der „Aufgabe der Staatsleitung“ argumentiert, die für die Verwaltung nicht bestehen kann.125 Außerdem fehlt es an der Notwendigkeit der Übertragung der Rechtsprechung. Zwar ist für gubernative Warnungen der Verzicht auf eine Ermächtigungsgrundlage vor (Gesundheits-)Gefahren wie beim Glykolwein gewissermaßen verständlich, da eine Gefahr meistens nicht langfristig vorhersehbar ist und daher vielleicht nur schwer eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden könnte, die dem Bestimmtheitsgebot gerecht wird. Richtig ist aber auch, dass der Vorbehalt des Gesetzes als äußerst wichtiger Teil des Rechtsstaats nicht ohne Not eingeschränkt werden darf. Das Grundgesetz bindet die Verwaltung, aber eben auch die Regierung, in Art. 20 II GG an Recht und Gesetz. Grundsätzlich ist daher von der Geltung des allgemein anerkannten Vorbehalts des Gesetzes auszugehen. Eine Ausnahme sollte nur gemacht werden, wenn diese unumgänglich ist, das heißt, ein Bereich tatsächlich nicht sinnvoll im Vorhinein geregelt werden kann. Dies ist jedoch nur bei Regierungshandeln der Fall, da nur dieses spontan, dynamisch und flexibel reagieren können muss, selbst wenn es um Grundrechtseingriffe geht. Für das Informationshandeln der Administrative greifen daher die für Informationshandeln der Gubernative herangezogenen Argumente nicht. Die Administrative informiert nicht spontan, auf unerwartete Gefahren reagierend. Für administratives Handeln ist es daher möglich, entsprechende Ermächtigungsgrundlagen zu schaffen, wie man etwa am Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) oder dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) sieht.126 Das Erfordernis staatlichen Informationshandelns ist in diesem 120  von

Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 63. 105, 252 (273). 122  BVerfGE 105, 252 (272). 123  BVerfGE 105, 279 (294). 124  von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 63. 125  Vgl. von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 63. 126  Vgl. VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 55 ff. Näheres zu diesen Ermächtigungsgrundlagen unten, B. Weitere Beispiele sind auch: § 69 I 3 121  BVerfGE

162

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Bereich vorhersehbar, kalkulierbar und insbesondere normierbar.127 Auch das Bundesverwaltungsgericht überträgt die Rechtsprechung zu gubernativem Handeln nicht auf solches der Administrative.128 Die Rechtsprechung zu gubernativem Informieren ist damit nicht auf administratives Informieren, wie die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen, übertragbar.129 Damit ist weiterhin unklar, ob für administratives Informieren eine Ermächtigungsgrundlage notwendig ist. 3. Ansichten in der Literatur zu administrativem Informationshandeln In der informationsrechtlichen Literatur werden vor allem gubernatives Informationshandeln und die dazu ergangenen Entscheidungen diskutiert, nur wenige grenzen es zu administrativem Handeln ab130 oder besprechen letzteres gar131. Das kann einerseits daran liegen, dass stillschweigend von einer Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu gubernativem Handeln auf das der Administrative ausgegangen wird, die Abgrenzung für nicht dienlich gehalten wird oder dass vom Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für administratives Informieren selbstverständlich ausgegangen wird. Für letztere Einschätzung spricht dabei neben den obigen Ergebnissen zur Frage der Übertragbarkeit und der Dienlichkeit der Abgrenzung auch eine Aussage aus der aktuellen informationsrechtlichen Literatur: Danach werde wohl i. V. m. IV AMG; § 31 I, II ProdSG; § 28 a I GenTG; 10 IV UIG; zur vorbeugenden Aufklärung: § 10 I UIG; § 46 a BImSchG. 127  Vgl. i. E.: Raspé, BLJ 2013, 8 (11); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (40). 128  Als gubernativ einordnend und keine Ermächtigungsgrundlage fordernd: BVerwGE 87, 37 – Glykolwein; NJW 1991, 1770 – Warnung durch Bundesregierung durch Osho-Sekte. Als administrativ einordnend und eine Ermächtigungsgrundlage fordernd: BVerwGE 71, 183 – Arzneimitteltransparenzliste; 90, 112 – Finanzielle Förderung eines Vereins gegen Sekten; NJW 1996, 3161 – Warentest der Landwirtschaftskammer. Siehe BVerwGE 90, 112 (123) – Finanzielle Förderung eines Vereins gegen Osho. Gubernatives und administratives Handeln hingegen implizit gleichsetzend: BVerwG, NJW 2006, 1303. 129  So i. E. für das Pankower Veröffentlichungsmodell Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360); Raspé, BLJ 2013, 8 (11); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (40). Vgl. Knitsch, ZRP 2003, 113 (117). 130  Zumindest kurz die Frage aufwerfend, ob die Rechtsprechung zu gubernativem Handeln auch für solches der Administrative gilt: Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360); Raspé, BLJ 2013, 8 (11); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (39). 131  Dies tut von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S.  63 ff.



A. Allgemeine Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung 163

„heute nicht mehr ernsthaft diskutiert“, dass administratives Informieren keiner Ermächtigungsgrundlage bedürfe.132 Bis zur Jahrtausendwende wurde vereinzelt die Ansicht vertreten, dass man aufgrund der Ausweitung des Eingriffsbegriffs auch die Geltung des Ge-setzesvorbehalts in Frage stellen müsste, da dieser nur auf finale Eingriffe passe.133 Dem kann unter Hinweis auf die oben geführte Diskussion zu den Kriterien des faktischen Eingriffs, insbesondere dem Ausschluss staatlicher Verantwortlichkeit für atypische Kausalverläufe und dem Ausschluss von Bagatellen,134 widersprochen werden. Denn durch die sinnvolle Festlegung der Merkmale des faktischen Eingriffs wird auch die Geltung des Gesetzesvorbehalts hinreichend begrenzt. Diskutiert wurde auch, Information als bloßen Annex zur Sachkompetenz135 zu sehen, sodass für Information keine spezielle Ermächtigungsgrundlage nötig wäre. Diese Annahme genügt bei einem Grundrechtseingriff durch die Information aber nicht der Wesentlichkeitstheorie, denn die Voraussetzungen für das Informationshandeln blieben völlig ungewiss136. Zum Teil wurde auch ein Sonderweg für Information angenommen.137 So müssten nach Wolf die Besonderheiten von Kommunikation bei der Frage, ob eine Information einen Eingriff darstellt, beachtet werden.138 Im Ergebnis stellt er fest, dass der Gesetzesvorbehalt gilt, Information jedoch keinen Eingriff darstelle.139 So umgeht er den Gesetzesvorbehalt für Informationshandeln, ohne am Grundsatz des Gesetzesvorbehalts zu rütteln. Dem folgt der Großteil der Literatur allerdings nicht und stellt für staatliches Informationshandeln dieselben Anforderungen wie bei anderen faktischen Eingriffen.140 Zudem besteht nach der hier vertretenen Ansicht für den konkreten 132  Grube/Immel/Wallau,

Verbraucherinformationsrecht, S. 232, Rn. 57. Frage anreißend: BVerfGE 105, 279 (303). Erwägend, i. E. aber ablehnend: Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (41, 50). Auch im Jahr 2011 dies noch erwägend: Isensee, in: HdbStR IX, § 191, Rn. 117. 134  Siehe oben unter Kap. 3, B. I. 135  Bejahend: Böhm, JA 1997, 794 (797); Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2707). Ablehnend: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 236, Rn. 75. 136  Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1995, 611 (612). 137  Wie auch schon für die Schutzbereiche von Art. 12 und 14 GG, siehe oben unter Kap. 3, A. I. und II. 138  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (349). 139  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (350). 140  Vgl. Darstellung zum faktischen Eingriff bei: Hufen, Staatsrecht II, § 8, Rn. 10, 11; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 45; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, GR/StaatsR II, Rn. 266; lediglich die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage verringernd: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 73; Klement, DÖV 2005, 507 (513, 514). 133  Diese

164

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Fall der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse auch ein Grundrechtseingriff141, sodass der Gesetzesvorbehalt greift. Aber auch schon um die Jahrtausendwende wurde in der Literatur vielfach – selbst für gubernatives Handeln – eine Ermächtigungsgrundlage als erforderlich angesehen142, denn der Vorbehalt des Gesetzes gehört zum „rechtsstaatlichen Gesamtsystem“143 und sollte nicht ohne Not eingeschränkt werden, da er zu Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit von Entscheidungen führt. Der Schluss von der Aufgabe auf eine Befugnis ist daher nur statthaft, wenn das Handeln nicht in Grundrechte eingreift; daher ist, immer wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt, auch eine Ermächtigungsgrundlage nötig.144 Soweit in der Literatur zwischen gubernativem und administrativem Handeln differenziert wird – dies geschieht vor allem in neueren Veröffentlichungen – hält man zumindest für administratives Handeln eine Ermächtigungsgrundlage für nötig.145 Eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist demnach notwendig.146

III. Zwischenergebnis zur Aufgabe der Staatsleitung als Ermächtigung Zwar liegt in der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse eine Warnung im weiteren Sinne. Die Rechtsprechung zu gubernativem Informieren, die eine Aufgabeneröffnung für gubernative Warnungen als Ermächtigung genügen ließ, ist dennoch nicht auf das Informationshandeln der Administrative übertragbar. Dies liegt am grundlegenden Unterschied zwischen gubernativem und administrativem Handeln. Zum Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für administratives Informationshandeln gibt in 141  Siehe

oben unter Kap. 3, B. II. Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (537). Vgl. in der neueren Lit. Germann, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 4, Rn. 49.1; Huber, JZ 2003, 290 (295). Implizit: W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 601; Schwerdtfeger, in: FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 715 (722). 143  Di Fabio, JuS 1997, 1 (5). 144  Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 142. I.  E. ebenso: Germann, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 4, Rn. 49.1; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (533, 537). 145  So Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201); Dolde, Behördliche Warnungen vor nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln, S. 21; Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 232, Rn. 57; Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360); Schoch, AfP 2010, 313 (322); Raspé, BLJ 2013, 8 (11); von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 64. 146  I. E. ebenso: VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 24, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 25. 142  So



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen165

der Rechtsprechung lediglich das Bundesverwaltungsgericht eine klare Antwort und fordert eine Ermächtigungsgrundlage. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte führt zu keinem klaren Ergebnis. In der Literatur wird ganz überwiegend vom Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage ausgegangen. Ein eindeutiges Ergebnis liefern zudem das Rechtsstaatsprinzip und der daraus erwachsende Vorbehalt des Gesetzes. Dieser darf nur im äußersten Notfall eingeschränkt werden. Damit ist eine allgemeine Aufgabeneröffnung in Form der Aufgabe zur Staatsleitung für administratives Informieren nicht ausreichend. Mit der Literatur und dem Bundesverwaltungsgericht muss daher die Notwendigkeit einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bejaht werden.

B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen Als spezielle Ermächtigungsgrundlagen kommen § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), § 6 I 3 Verbraucherinformationsgesetz147 (VIG) sowie die polizeirechtliche Generalklausel in Betracht. Diese können jedoch nur greifen, wenn nicht schon auf europäischer und damit vorrangiger Ebene148 eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen oder zumindest eine abschließende Regelung getroffen wurde durch Art. 7 VO (EG) 882 / 2004149 und Art. 10 VO (EG) 178 / 2002 (sogenannte BasisVO)150.

I. Art. 10 BasisVO oder Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 als Ermächtigungsgrundlage Europäische Verordnungen gelten in Deutschland nach Art. 288 II AEUV unmittelbar und können daher als innerstaatlich anwendbares Recht Ermächtigungsgrundlagen für behördliches Handeln darstellen151. Als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung genügen Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 oder Art. 10 BasisVO direkt dennoch nicht. 147  Entspricht

§ 5 I 2 VIG a. F. StaatsR III, Rn. 49, 343a. 149  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kon­ trollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29. April 2004, ABl. 2004, L 191/1. 150  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.  Januar 2002, ABl. 2002, L 31/1. 151  Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 43; Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 114. 148  Schweitzer,

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

In der Rechtsfolge ermöglicht Art. 10 BasisVO zwar geeignete Schritte, um die Öffentlichkeit aufzuklären. Dabei darf die Information nur so weit gehen, wie nationale Vorschriften Zugang zu der Information und Veröffentlichung derselben erlauben. Der Zugang zu den Lebensmittelkontrollergebnissen ist auf Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) aber im Regelfall für jeden möglich. Art. 10 BasisVO passt damit von der Rechtsfolge auf die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse. Tatbestandlich wird ein hinreichender Verdacht bezüglich eines „Risiko[s] für die Gesundheit von Menschen“ vorausgesetzt. Ein hinreichender Verdacht erfordert die Wahrscheinlichkeit, dass Tatsachen vorliegen, die bei ihrem tatsächlichen Vorliegen zu einem Gesundheitsrisiko führen können.152 Ein „Risiko“ im Sinne des europäischen Lebensmittelrechts ist in Art. 3 Nr. 9 BasisVO legaldefiniert und knüpft an eine abstrakte Gefährdung an. Teilweise wird allerdings angenommen, diese Definition gelte nicht für Art. 10 BasisVO, da Art. 3 Nr. 9 BasisVO einen abstrakt-generellen Regelungsbereich betreffe, es bei Art. 10 BasisVO hingegen um Einzelfallmaßnahmen gehe.153 Unabhängig davon, ob man die Legaldefinition des Art. 3 Nr. 9 BasisVO für das „Risiko“ des Art. 10 BasisVO als einschlägig betrachtet, besteht jedoch im Ergebnis Einigkeit: das „Risiko“ des Art. 10 BasisVO entspricht weitgehend dem Gefahrbegriff des deutschen Polizeirechts.154 Die Gefahr des deutschen Polizeirechts liegt vor, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintritt.155 Der Begriff fordert somit eine im Einzelfall bestehende und damit konkrete Gefahr156. Je höherrangiger dabei das gefährdete Rechtsgut ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. Eine konkrete Gefahr liegt im Falle der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse aber nicht vor, da seit dem Zeitpunkt der Kontrolle bis zur Informationsveröffentlichung bereits einige Zeit vergangen ist.157 Sofern zum Kontrollzeitpunkt eine konkrete Gefahr bestand, wurden in der Regel sofort wirkende Abwehrmaßnahmen getroffen.158 152  Grube,

LMuR 2011, 21 (27). meinen Grube, LMuR 2011, 21 (24); Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 15. 154  Boch, LFGB, § 40, Rn. 5; Grube, LMuR 2011, 21 (24); Pache/Meyer, in: Meyer/Streinz, § 40 LFGB, Rn. 14; Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 15. Diesen Vergleich völlig außer Acht lassend: Rathke, in: Zipfel/Rathke, C101 (BasisVO), Art. 10, Rn.  3 ff. 155  Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, BesVerwR, § 69, Rn. 232. Vgl. Tettinger/Erbguth/Mann, BesVerwR, Rn. 464. 156  Schoch, in: Schoch, BesVerwR, S. 125 (186); Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, BesVerwR, § 69, Rn. 232; Tettinger/Erbguth/Mann, BesVerwR, Rn. 464. 157  Dazu ausführlicher bereits oben, A. I. 1. 158  Vgl. Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (492). 153  Dies



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen167

Da auch die guten und sehr guten Ergebnisse veröffentlicht werden und somit bei vielen Ergebnissen keinerlei lebensmittelrechtliche Beanstandungen vorliegen, bestünde selbst eine abstrakte Gefahr nicht in allen Fällen der Veröffentlichung. Denn diese ist nur gegeben, wenn nach allgemeiner Erfahrung bei bestimmten Situationen Gefahren im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aufzutreten pflegen159. Daher kann eine ein Gesundheitsrisiko voraussetzende Norm wie Art. 10 BasisVO nicht die Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Lebensmittelkontroll­ ergebnisse sein. Art. 7 I lit b) VO (EG) 882 / 2004 regelt unter Verweis auf Art. 10 BasisVO ebenso die Veröffentlichung von Informationen im Lebensmittelrecht und erlegt Behörden die Pflicht auf, Informationen über den Verdacht, dass von einem Lebensmittel ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgehen könnte, öffentlich zu machen. Da dafür wieder der Tatbestand des Art. 10 BasisVO erfüllt sein müsste, ist auch dies keine passende Ermächtigungsgrundlage. Über Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 sind zusätzlich Informationen „über die Kontrolltätigkeiten der zuständigen Behörden und ihre Wirksamkeit“ von der Pflicht zur Veröffentlichung umfasst. Dies muss sich aber nicht unbedingt auf deren Ergebnisse beziehen. Denn wenn sich lit a) ebenfalls auf Ergebnisse beziehen würde, könnte lit b), der sich auf Informationen nach Art. 10 BasisVO und damit ebenfalls auf Ergebnisse bezieht, unnötig sein.160 Allerdings liefe, ohne Bezug des Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 auf konkrete Kontrollergebnisse, der Ausschlussgrund des Art. 7 II VO (EG) 882 / 2004 im Prinzip leer.161 Dies spricht wiederum für die Erfassung von Ergebnissen durch Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004. Andererseits zeigt der sprachliche Vergleich mit Art. 7 II lit e) RL 2003 / 4 / EG162, der Informationen „aus der Überwachung“ nennt, den Unterschied zu Informationen „über Kontrolltätigkeiten“ und spricht damit gegen die Erfassung konkreter und einzelfallbezogener Untersuchungsergebnisse.163 Dagegen lässt sich einwenden, dass die europarechtlichen Normen Übersetzungen sind und es damit an der sprachlichen Genauigkeit zuweilen hapert. Somit könnte man Untersuchungsergebnisse von Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 erfasst sehen. Dieser Auslegung folgt offenbar auch der EuGH. Dieser stellte in seinem Urteil zur Berger-Wild GmbH164 fest, dass Information über ein konkretes 159  Würtenberger,

in: Ehlers/Fehling/Pünder, BesVerwR, § 69, Rn. 366. Verbraucherinformationsrecht, S. 31, Rn. 58. 161  Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 31, Rn. 58. 162  Diese regelt den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. 163  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 31, Rn. 58. 164  Dazu näher noch unten, II. 3. 160  Grube/Immel/Wallau,

168

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Kontrollergebnis grundsätzlich auch ohne Vorliegen einer Gesundheitsgefahr möglich ist. Die Vorgaben von Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 seien dabei aber zu beachten. Wenn Art. 7 I VO (EG) 882 / 2004 jedoch nur Informationen ermöglichen würde, wenn nach lit b) entweder eine Gesundheitsgefahr vorliegt oder nach lit a) eine allgemeine Information über Kontrolltätigkeiten, könnte der EuGH nicht zu dem Ergebnis kommen, dass die Information im Fall von konkreten Kontrollergebnissen, jedoch ohne Vorliegen einer Gesundheitsgefahr, möglich ist. Demnach muss Art. 7 I lit a) auch einzelne Ergebnisse von Kontrolltätigkeiten umfassen.165 Trotzdem kann Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 nicht die Ermächtigungsgrundlage sein. Denn dem EuGH nach sind die Vorgaben des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 im Rahmen der nationalen Informationsveröffent­ lichungsvorschriften lediglich „zu beachten“166. Wäre Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 eine eigene Ermächtigungsgrundlage, hätte der EuGH dies in seinem Urteil klarstellen können. Zudem fehlt es möglicherweise auch an einer hinreichenden Bestimmtheit für eine Ermächtigungsgrundlage.167 Somit stellt weder Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 noch Art. 10 BasisVO eine geeignete Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen dar.

II. Sperrwirkung des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 und des Art. 10 BasisVO Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 und Art. 10 BasisVO regeln, auch wenn sie hier als Ermächtigungsgrundlage nicht einschlägig sind, die Information der Öffentlichkeit im lebensmittelrechtlichen Bereich. Als europarechtlich vorrangige Regelungen ist daher zu erwägen, ob sie tatbestandlich weiter gefasste nationale Regelungen sperren. Art. 10 BasisVO setzt mindestens einen hinreichenden Verdacht eines Gesundheitsrisikos für den Menschen voraus; Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 erfordert für die Veröffentlichung in lit a) eine Information über die Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörden und ihre Wirksamkeit oder – in lit b) – eine Information gemäß Art. 10 BasisVO. Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 soll durch seine konkretere Ausgestaltung Art. 10 BasisVO dienen.168 Beide Normen hängen damit untrennbar zusammen. 165  So auch implizit die Auslegung bei OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013 – 13 B 215/13, juris, Rn. 17. 166  EuGH v. 11.4.2013  – RS C-636/11 (Vorabentscheidungsverfahren Karl Berger/Freistaat Bayern), juris, Rn. 37. 167  Ausführlich zur erforderlichen Bestimmtheit unten unter Kap. 6, A. II. 168  Vgl. VO (EG) 882/2004, ABl. 2004, L 191/1, S. 1.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen169

Der für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommende § 40 LFGB ist tatbestandlich weiter gefasst. Er fordert für die Information der Öffentlichkeit beispielsweise nach § 40 I 2 Nr. 4 LFGB kein Gesundheitsrisiko, sondern lässt zum Verzehr Ungeeignetes, insbesondere Ekelerregendes, genügen. Für Informationen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 genügt sogar schon jeder Verstoß gegen Gesetze, die dem Schutz vor Gesundheitsrisiken dienen. § 40 LFGB setzt damit nicht zwingend ein Gesundheitsrisiko voraus. Ebenso fordert § 6 I 2 VIG, der ebenfalls als allgemeine Ermächtigungsgrundlage für Informationsgewährung später diskutiert wird, für die Informationsveröffentlichung kein Gesundheitsrisiko. Nach deutschem Recht sind somit derzeit mehr lebensmittelrechtliche Informationen möglich als im Europarecht. Dies könnte bedeuten, dass wie in dem im Jahr 2010 vom BGH entschiedenen Fall zu § 2 III LFGB a. F.169 die jeweilige deutsche Vorschrift nicht angewendet werden kann. So ging bislang die herrschende Meinung in der deutschen Literatur von der Sperrwirkung des Art. 10 BasisVO aus.170 1. Argumente für die Sperrwirkung Für eine abschließende europarechtliche Regelung sprechen die relativ detaillierten Ausführungen des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004.171 So werden in Absatz 1 die von der Informationspflicht erfassten Informationen genau benannt und in den Absätzen 2 und 3 Ausschlussgründe der Informationsgewährung als Sicherstellung der verhältnismäßigen Anwendung der Vorschrift. Das Ziel der Verordnung (EG) 882 / 2004, Erwägungsgrund 7, und der BasisVO, Erwägungsgrund 5, ist zudem die Harmonisierung der Konzepte amtlicher Kontrolle in den Mitgliedstaaten. Allerdings wird in der Begründung zur genannten Verordnung ebenfalls deutlich, dass sie vorwiegend das Verfahren der Kontrollen regeln soll, nicht aber primär die Informationsveröffentlichung172. Für eine Sperrwirkung wird des Weiteren vorgebacht, dass nur so Art. 7 III VO (EG) 882 / 2004 mit seiner Geheimhaltungspflicht seinen Schutzzweck zugunsten des von der Information negativ Betroffenen erfüllen könne.173 Andererseits würde hierfür auch das Übertragen der Wertungen von Art. 7 III VO (EG) 882 / 2004 auf andere durch ihn nicht geregelte 169  Galt bis zum 04.08.2011 und wurde in Folge des Urteils vom BGH v. 15.7.2010  – I ZR 99/09, juris, Rn. 12, geändert. 170  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 27, Rn. 47. 171  Vgl. Tsambikakis/Wallau, StraFo 2010, 177 (178). 172  Siehe VO (EG) 882/2004, ABl. 2004, L 191/1, S. 1 ff. 173  Vgl. Grube/Immel, ZLR 2009, 649 (652).

170

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Fälle genügen. Die Beschränkung von Informationen der Öffentlichkeit auf „Risiko-Fälle“ hätte jedenfalls einen triftigen Grund: Die Aufmerksamkeit für alles inflationär Vorhandene sinkt.174 Diese Erwägung ist nachvollziehbar, entfernt sich jedoch zu weit vom normierten Recht. Denn dafür fehlt jeglicher Anhaltspunkt in Art. 10 BasisVO175, der BasisVO insgesamt und ihren Erwägungsgründen. Vielmehr lässt Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 sogar ausdrücklich auch Informationen ohne Vorliegen eines Risikos zu. Auch die Wahl des Regelungsmittels, eine Verordnung, die in jedem Mitgliedsstaat unmittelbar Anwendung findet und dem dortigen Recht vorgeht, kann implizieren, dass hier ein in sich stimmiges und abschließendes Wertungssystem geschaffen werden sollte. Allerdings vollzieht sich im gesamten europäischen Recht ein Wandel von der Richtlinie zur Verordnung176. Konkret für die BasisVO war zudem auschlaggebender Grund für die Fassung als Verordnung, dass in einem umfassenden Rechtsakt für das Lebensmittelrecht zusätzlich die Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit festgeschrieben werden sollte; die Errichtung einer Behörde erfordert aber eine Rechtsform mit unmittelbarer Wirkung, eine Richtlinie wäre daher nicht ausreichend gewesen.177 Die BasisVO wurde daher als sogenannte „hinkende Verordnung“ mit Verordnungs- und Richtlinienelementen konzipiert.178 Die Wahl der Verordnung taugt damit nicht als Begründung für eine Sperrwirkung. Jedoch könnte Art. 19 I 2 BasisVO für die Sperrwirkung sprechen. Dieser regelt den Fall eines Produktrückrufs, wenn das Produkt den Verbraucher schon erreicht haben kann. Danach muss eine Information plus Rückruf nur erfolgen, wenn andere Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Verbraucher nicht ausreichen. Daraus könnte man folgern, dass eine Gesundheitsgefahr für einen solchen Rückruf nötig wäre und damit auch andere „Warnungen“ restriktiv anzuwenden seien179. Dies setzt folgenden Schluss voraus: wenn Schutz nötig ist, muss eine Gefahr vorhanden sein. Allerdings kann Schutz ebenfalls vor sehr abstrakten oder erst später entstehenden Gefahren nötig sein. Daher ist das Erfordernis einer Gesundheitsgefahr bei Art. 19 I 2 BasisVO schon ein sehr weitgehender Umkehrschluss. Zöge man diese Schlussfolgerung dennoch, erforderte der für den Unternehmer vielleicht weniger belastende Rückruf eine Gesundheitsgefahr, die sogar stärker belas174  Grube, LMuR 2011, 21 (23). Ohne empirischen für Leible/Schäfer, GewArch 2013, 189 (191). 175  Gundel, ZLR 2013, 303 (306). 176  Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen 177  Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen 178  Rösch, Zur Rechtsformenwahl des europäischen 179  Grube, LMuR 2011, 21 (22, 23).

Nachweis nicht überzeugend Gesetzgebers, S. 25. Gesetzgebers, S. 222. Gesetzgebers, S. 264.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen171

tende Information nach § 40 I LFGB jedoch nicht. Das könnte man als widersprüchlich bewerten und davon ausgehen, dass ebenso die behördliche Information eine Gesundheitsgefahr erfordert, was über die Sperrwirkung des Art. 10 BasisVO zu erreichen wäre. Allerdings sind in dieser Logik zwei Fehler enthalten. Denn es ist nicht hinreichend klar, ob eine Information durch eine Behörde wirklich das belastendere Mittel ist als eine Information der Verbraucher plus Rückruf durch den Unternehmer selbst. Zudem ist auch das Gefahrerfordernis für Art. 19 I 2 BasisVO nicht eindeutig. Auch dies ist daher kein Argument für die Sperrwirkung. Um Informationen der Öffentlichkeit im Lebensmittelrecht mit Sperrwirkung für nationales Recht zu regeln, müsste eine europarechtliche abschließende Gesamtwertung bestehen. Für eine solche Wertung spricht Art. 4 II BasisVO, der besagt, dass Art. 5–10 BasisVO einen „horizontalen Gesamtrahmen“ bilden, „der einzuhalten ist, wenn Maßnahmen getroffen werden“. Dies legt nahe, dass das Europarecht für Informationen der Öffentlichkeit alle Anforderungen und Grenzen bestimmt. Allerdings kann der Begriff „Rahmen“ ebenso anders verstanden werden. Man denke dabei nur an die frühere „Rahmengesetzgebung“ des Bundes, die die Länder ausgestalten konnten. Zudem könnte man auch annehmen, dass selbst ein festgelegter Gesamtrahmen noch keine Sperrwirkung gegenüber anderen Vorschriften impliziert180. 2. Argumente gegen die Sperrwirkung von Art. 10 BasisVO Gegen eine Sperrwirkung sprechen die Wortlaute von Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 und Art. 10 BasisVO. Darin befindet sich jeweils kein Hinweis auf eine abschließende Regelung. Art. 10 BasisVO gilt sogar „unbeschadet der nationalen […] Bestimmungen über den Zugang zu Dokumenten“ und lässt somit ausdrücklich nationales Recht neben sich zu181. Daraus – ebenso wie aus dem Sinnzusammenhang oder den allgemeinen Erwägungsgründen für die BasisVO – ein Verbot abzuleiten, ist eine sehr weitgehende Interpretation.182 Auch die Annahme, der EU-Gesetzgeber hätte alle Inte­ ressen abschließend in Ausgleich gebracht, ist zu abstrakt, um eine konkrete Sperrwirkung zu begründen183, und zudem auch ungewiss. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 3d. auch als Argument heranziehend: Schoch, ZLR 2010, 121 (136). Vgl. Seemann, Behördliche Produktinformation, S. 82. 182  Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 3c. 183  Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 3c. A. A. Michl/Meyer, ZLR 2012, 557 (560, 565) mit ausführlicher Argumentation zum abschließenden Charakter des Art. 10 BasisVO. 180  So

181  Dies

172

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

Sinn des Art. 10 BasisVO ist es, eine transparente Entwicklung des Lebensmittelrechts sowie ein hohes Gesundheits- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen184. Somit kann eine Auslegung des Art. 10 BasisVO als abschließend gerade ihrem eigenen Zweck, dem Verbraucherschutz, zuwiderlaufen. Denn durch eine abschließende Regelung würden für den Verbraucherschutz noch weitergehende Regelungen, wie etwa § 40 LFGB, unanwendbar. Geht man hingegen davon aus, dass die europarechtlichen Verordnungen lediglich die unterste Grenze des Informationsmaßes festlegen, wird das Ziel eines möglichst hohen Verbraucherschutzes optimal erreicht. Zudem bestimmt Art. 17 II BasisVO, dass die Mitgliedstaaten das Lebensmittelrecht durchsetzen, überwachen und überprüfen. Dazu treffen sie dem Wortlaut nach „angemessene Maßnahmen“, einschließlich der Informationsabgabe. Andererseits lässt dies offen, ob nur Information im Sinne der Art. 10 BasisVO und Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 möglich ist. Ein eindeutiges Ergebnis für oder gegen die Sperrwirkung ist damit noch nicht gefunden. 3. Entscheidung des EuGH zur Sperrwirkung des Art. 10 BasisVO Die Frage einer Sperrwirkung, allerdings auf Art. 10 BasisVO begrenzt, sah auch das Landgericht München im Fall der Berger-Wild GmbH und legte diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vor. Der EuGH entschied zugunsten des nationalen Rechts der EU-Mitgliedstaaten. Art. 10 BasisVO stehe dem nicht entgegen, es seien jedoch die Vorgaben des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 zu beachten. Art. 10 BasisVO schafft eine Informationspflicht bei Gesundheitsrisiken. Darauf beschränkt diese Norm sich allerdings auch und belässt so den Nationalstaaten ihr eigenes Recht in den von Art. 10 BasisVO nicht geregelten Fällen. Dies zeige sich an Art. 17 II Unterabs. 2 BasisVO. Danach betreiben die Mitgliedstaaten selber ein System amtlicher Kontrollen und treffen andere angemessene Maßnahmen, einschließlich der Information über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln. Nach Art. 7 I VO (EG) 882 / 2004 hat die Öffentlichkeit generell Zugang zu Informationen über Kontrolltätigkeiten. Nach Art. 14 II lit b) BasisVO ist ein Lebensmittel „nicht sicher“, wenn es für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist. Solche Lebensmittel können die Verbraucherinteressen, die das Lebensmittelrecht gemäß Art. 5 I BasisVO schützen soll, beeinträchtigen. Art. 17 II Unterabs. 2 lässt auch bei „nicht sicheren Lebensmitteln“ eine Information durch die nationalstaatlichen Behörden zu. Somit können nationale Stellen über den 184  Siehe

Erwägungsgrund 22, Art. 5 I und 8 I VO (EG) 178/2002 (BasisVO).



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen173

Art. 10 BasisVO hinausgehende Rechtsgrundlagen für die Informationsveröffentlichung schaffen.185 Somit sperrt Art. 10 BasisVO nicht allgemein die Existenz oder Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für Informationen der Öffentlichkeit unterhalb der Gefahrenschwelle. Jedoch gelten die Beschränkungen des Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 auch als Beschränkungen der Informationsbefugnisse im Rahmen des deutschen Rechts.186 4. Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 als Beschränkungsgründe Folglich sind die Geheimhaltungsgründe des Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 auf ihre Auswirkung für nationalstaatliche Informationsregelungen unterhalb der Gefahrenschwelle zu untersuchen. Beide Absätze der Norm gehen insbesondere für personenbezogene Daten oder laufende rechtliche Verfahren von einer Geheimhaltungspflicht aus. Fraglich ist, ob mit diesen Beschränkungen überhaupt eine nationalstaatliche Regelung möglich wäre, die zu einer umfassenden Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ermächtigt. Wäre keine entsprechende Regelung mög­lich, entstünde so doch eine Art „Sperrwirkung“ für bestimmte Informa­ tionen. Bei den Veröffentlichungen von Lebensmittelkontrollergebnissen werden letztere zusammen mit den Kontaktdaten eines Unternehmens veröffentlicht. Folglich liegen, wie oben bereits festgestellt187, personenbezogene Daten im Sinne des deutschen Verfassungsrechts vor. Dies ist auch unter Zugrundelegung des europäischen Begriffs personenbezogener Daten des Art. 8 I GRCh nicht anders zu beurteilen, da auch dort die Möglichkeit genügt, dass Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können.188 Damit handelt es sich bei den Lebensmittelkontrollergebnissen um durch Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 von einer Veröffentlichung ausgeschlossene Daten, sofern kontrollierter Betrieb nicht eine juristische Person ist, die so viele Gesellschafter hat, dass ein schlechtes Kontrollergebnis nicht auf eine oder eine kleine Zahl natürlicher Personen rückführbar ist. Folglich wäre eine Vielzahl 185  EuGH v. 11.4.2013  – RS C-636/11 (Vorabentscheidungsverfahren Karl Berger/Freistaat Bayern), juris, Rn. 29 ff. Ausführlich zu diesem Urteil: Abbé, recht. 2013, 111 ff. 186  So hatte vor der Berger-Entsch. des EuGH auch schon entschieden: VGH Bayern, ZLR 2010, 219 (227). 187  Siehe unter Kap. 3, A. IV. 188  EuGH v. 9.11.2010 – Agrarsubventionsempfänger Schecke und Eifert, Slg. 2010-11 (A., I-11063 (11144, Rn. 53). Dies auch vor dem EuGH-Urteil schon annehmend: Mehde, in: Heselhaus, HdbEU-GR, § 21, Rn. 22, 23.

174

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

der Lebensmittelkontrollergebnisse von der Veröffentlichung ausgeschlossen, von einer umfassenden Veröffentlichung aller Lebensmittelkontroll­ ergeb­ nisse des Lebensmittel-Einzelhandels könnte nicht mehr gesprochen werden. Ähnliches kann der Ausschlussgrund der laufenden rechtlichen Verfahren bewirken. Denn Verstöße gegen das Lebensmittelrecht sind in der Regel ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant189, siehe § 60 LFGB, oder sogar strafrechtlich nach §§ 58, 59 LFGB. Zur Eröffnung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist die zuständige Behörde zumindest bei erheblichen Verstößen sogar verpflichtet,190 ihr Ermessen auf Null reduziert191. Eine fehlende oder verzögerte Einleitung eines Strafverfahrens kann gegen das Legalitätsprinzip verstoßen192, denn gemäß § 152 II StPO ist die Staatsanwaltschaft in der Regel verpflichtet, „wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten“. Ebenso läge es im konkret vom EuGH entschiedenen Fall der Berger-Wild GmbH. Dort müsste nach § 59 II Nr. 1 a LFGB in Verbindung mit Art. 14 I, II lit b) BasisVO ein Strafverfahren eingeleitet worden sein. Offenbar ist die Geltung der Geheimhaltungsgründe des Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 vom EuGH aber nicht derart weitgehend gemeint. Die Berger-Wild Entscheidung besagt zwar, dass „unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens[…] die Vorgaben des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 zu beachten sind“. Unter dieser Annahme hätte im Ausgangsfall jedoch nicht informiert werden dürfen. Denn zumindest personenbezogene Daten liegen im Falle des Herrn Berger, der Geschäftsführer der Berger-Wild GmbH war, vor, sodass ein Geheimhaltungsgrund nach Art. 7 III VO (EG) 882 / 2004 bestand. Dass die Information über das Produkt des Herrn Berger unzulässig gewesen wäre, lässt der EuGH in seiner Entscheidung aber in keiner Weise anklingen. Dies könnte sich zwar auch dadurch erklären, dass der EuGH nicht über die Rechtmäßigkeit der Information zu entscheiden hatte, sondern nur über die Vorlagefrage, ob Art. 10 BasisVO weitergehende nationale Ermächtigungen sperrt. Es wäre jedoch widersprüchlich, wenn er einerseits Informationen über nicht gesundheitsschädliche Lebensmittel für zulässig erklärt hätte193, in Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 aber so weit 189  Becker,

ZLR 2011, 391 (421). i. E.: Holzner, NVwZ 2010, 489 (491); Schink, Rechtsgutachten, S. 48. 191  Holzner, NVwZ 2010, 489 (491). 192  Vgl. auch Raspé, BLJ 2013, 8 (12), die das Offizialprinzip bemüht und Holzner, NVwZ 2010, 489 (491), der sich auf das Opportunitätsprinzip bezieht. Zur Abgrenzung dieser Prinzipen untereinander siehe: Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 152, Rn. 1, 2, 7; Gercke, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, § 152, Rn. 1 ff. 193  Dies hat er aber explizit: EuGH v. 11.4.2013  – RS C-636/11 (Vorabentscheidungsverfahren Karl Berger/Freistaat Bayern), juris, Rn. Rn. 36. 190  So



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen175

gehende Beschränkungsgründe sähe, dass eine Informationsveröffentlichung im Regelfall nicht möglich wäre. Dies würde zudem zu einem Leerlaufen des Transparenzgebots des Art. 7 I VO (EG) 882 / 2004 führen.194 Dementsprechend wurde das Urteil des EuGH allgemein dahingehend verstanden, dass es Information unter der Gefahrenschwelle grundsätzlich ermöglicht.195 Dem wäre aber nicht so, wenn die Ausschlussgründe des Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 eng zu verstehen wären. Daher ist Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 als Hinweis auf die vor einer Veröffentlichung notwendige Abwägung und die dabei zu beachtenden entgegenstehenden Schutzgüter zu sehen196. Diese Lesart kann auch aus Absatz 2 der Norm abgeleitet werden, der besagt, dass Informationen „ihrer Art nach in hinreichend begründeten Fällen der Geheimhaltungspflicht unterliegen“. Dies zeigt, dass nicht die Art einer Information allein schon genügt, sondern erst, wenn die Geheimhaltung auch im Einzelfall hinreichend begründet ist, dies der Informationsveröffentlichung entgegensteht.197 Wenn man dies anders beurteilt198, ist die umfassende Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen, wie sie das Pankower aber auch das avisierte Bundesmodell vorsehen, derzeit nicht möglich. Denn europäische Verordnungen haben Anwendungsvorrang, sodass entgegenstehendes nationales Recht nicht angewendet werden dürfte.199 Wirft man einen Blick in die Zukunft, würde auch dies aber nicht zwingend einer künftigen umfassenden Veröffentlichung von Lebensmittelkon­ trollergebnissen entgegenstehen. Denn derzeit wird auf europäischer Ebene aufgrund eines Vorschlags der EU-Kommission eine grundlegende Änderung des Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 beraten200, die ausdrücklich die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse gestattet, sofern eine Anhörung des Betroffenen stattfindet und diese in die veröffentlichten Daten mit 194  Wollenschläger,

EuZW 2013, 419 (422). ZLR 2013, 240; Gundel, ZLR 2013, 662 (666, 667); Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). 196  I. E. ähnlich Gundel, ZLR 2013, 662 (666, 667); Teufer, K u. R 2013, 629 (631); Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). Vgl. auch Pache, ZLR 2013, 139 (151). 197  Vgl. Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). 198  So wohl Theis, DVBl. 2013, 627 (631). Dahinstehen lassend: VG Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 33. 199  Schweitzer, StaatsR III, Rn. 343. 200  Wohlwollend dazu bereits die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 412/13 (Beschluss), S. 2, Nr. 5. Überblicksartig zur Änderung Möstl, GewArch 2015, 1 (6) m. w. N. 195  Elsing/Rosenow,

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

einfließt.201 Damit wird auch die grundlegende Intention der EU-Kommission zu mehr Transparenz und weniger Geheimhaltung deutlich.

III. § 40 LFGB als Ermächtigungsgrundlage Mangels Sperrwirkung des Europarechts kann § 40 LFGB somit als Ermächtigungsgrundlage geprüft werden. In Betracht kommen dabei Absatz 1 Satz 1 und 2, sowie Absatz 1a, der zum 1. September 2012 neu in das LFGB eingefügt wurde. § 40 LFGB trägt die Überschrift „Information der Öffentlichkeit“, greift ausweislich des Gesetzestitels als Spezialvorschrift bezüglich Futter- und Lebensmitteln und ermächtigt die zuständige Behörde in Absatz 1 zu Warnungen vor Erzeugnissen jeglicher Art202. 1. § 40 I 1 LFGB § 40 I 1 LFGB ist eine Ermessensvorschrift, die keine eigenen Tatbestandsmerkmale enthält, sondern einen Verweis auf Art. 10 BasisVO. Vo­ raussetzung für § 40 I 1 LFGB ist daher der hinreichende Verdacht auf ein Risiko für die Gesundheit des Menschen, den Art. 10 BasisVO vorgibt. Zu Art. 10 BasisVO wurde schon festgestellt, dass dieser eine Gefahr im Sinne 201  COM (2013) 265 final v. 6.5.2013: Artikel 7: Verschwiegenheitspflicht des Personals der zuständigen Behörden  Die zuständigen Behörden sorgen dafür, dass ihr Personal keine Informationen 1. 

weitergibt, die es bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben im Zusammenhang mit amtlichen Kontrollen und anderen amtlichen Tätigkeiten erworben hat und die ihrer Art nach vorbehaltlich Absatz 2 der Geheimhaltungspflicht unterliegen. 2.  Sofern kein übergeordnetes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung besteht, unterliegen diejenigen Informationen der Geheimhaltungspflicht gemäß Absatz 1, deren Verbreitung Folgendes beeinträchtigen würde: (a)  den Zweck von Inspektionen, Untersuchungen oder Audits; (b) den Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person; (c)  den Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung. 3.  Unbeschadet der Absätze 1 und 2 können die zuständigen Behörden Informationen über das Ergebnis amtlicher Kontrollen, die einzelne Unternehmer betreffen, unter folgenden Bedingungen veröffentlichen oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich machen: (a)  Der betreffende Unternehmer erhält Gelegenheit, sich vor der Veröffentlichung oder Freigabe zu den Informationen zu äußern, die die zuständigen Behörden veröffentlichen oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich machen möchten; (b)  die veröffentlichten oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich gemachten Informationen berücksichtigen die Bemerkungen des betroffenen Unternehmers oder werden mit diesen zusammen veröffentlicht oder freigegeben. 202  Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 4.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen177

des deutschen Polizeirechts und damit eine konkrete Gefahr erfordert. Da­ran fehlt es bei der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse, da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund der seit der Kontrolle vergangenen Zeit und der Anwendung sofort wirkender klassischer Gefahrenabwehrmittel eine konkrete Gefahr in der Regel nicht mehr besteht.203 Informationen zu „allgemein unzulässigen hygienischen Zuständen“ können auf dieser Grundlage somit nicht erfolgen.204 2. § 40 I 2 LFGB Auch § 40 I 2 LFGB kommt als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung in Betracht. Dieser besagt, dass eine Information nach „der in Satz 1 genannten Art und Weise“ auch erfolgen soll, wenn die konkreten Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Unterpunkte von Satz 2 vorliegen. Dieser Verweis auf Satz 1 soll jedoch nicht Art. 10 BasisVO mit einbeziehen und betrifft daher nur, wer und was genannt werden soll.205 Das Vorliegen eines „gesundheitlichen Risikos“ ist damit nicht erforderlich.206 Denn nur ohne Verweis auf Art. 10 BasisVO hat § 40 I 2 LFGB eigenständige Bedeutung. Einschlägig sein könnte daher § 40 I 2 Nr. 2 LFGB. Hiernach soll auch dann eine Information der Öffentlichkeit erfolgen, wenn der „hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes [des LFGB], die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde“. Fraglich ist damit, ob hier alle lebensmittelrechtlichen Normen gemeint sind oder nur Normen des LFGB und der daraufhin erlassenen Rechtsverordnungen. Dies ist relevant, da das Lebensmittelrecht stark durch europäisches Recht beeinflusst ist und teilweise sogar durch dieses ersetzt207. Konkrete hygienerechtliche Anforderungen finden sich daher vor allem auch im europäischen Recht, etwa in der VO (EG) 852 / 2004, die Vorschriften für Reinigung, Produktionshygiene, Lagerungstemperaturen und Ähnliches bestimmt, oder in der VO (EG) 2074 / 2005, die betriebseigene Kontrollen regelt. Diese Verordnungen gelten ebenso wie deutsches Bundesrecht unmittelbar in Deutschland. Daher ist auch das LFGB stark mit dem europäischen Lebensmittelrecht verschränkt208. Es besteht damit kein Grund, weshalb beim hinreichenden Verdacht auf Ver203  Siehe

oben, I. ebenso: Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (492). 205  Implizit: Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 9. 206  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 39, Rn. 48. 207  Vgl. oben unter Kap. 2, A. 208  Wehlau, LFGB, Einleitung, LIX. 204  I. E.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

stöße dagegen nicht ebenfalls die Informationsmöglichkeit des § 40 I 2 Nr. 2 LFGB zum Tragen kommen sollte. Denn Zweck des § 40 ist die Gefahrenabwehr im Lebensmittelbereich und die Schaffung und Aufrechterhaltung des Verbrauchervertrauens.209 Diesem Zweck dient es ebenso, wenn bei Verdacht auf Verstöße gegen europäische Schutznormen informiert wird. Daher sind neben den Vorschriften des LFGB und der daraufhin erlassenen Rechtsverordnungen auch unmittelbar geltende lebensmittelrechtliche Vorschriften des europäischen Rechts von § 40 I 2 Nr. 2 LFGB erfasst.210 Diese Normen müssen allerdings dem Wortlaut des § 40 I 2 Nr. 2 LFGB nach „dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen“. Wann eine Norm dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dient, lässt sich dabei eng oder weit verstehen. Indirekt dient sicherlich jede Norm des Lebensmittelrechts dem Gesundheitsschutz, da dies der Hauptzweck lebensmittelrechtlicher Normierungen ist211. Damit wären sehr weitreichende Informationsmöglichkeiten gegeben. Da es sich um eine Soll-Vorschrift handelt, wären auch Ausnahmen in Fällen besonders schwerer Beeinträchtigungen eines Unternehmers möglich. Da es sich bei der Informationsveröffentlichung jedoch im Regelfall um einen schweren Eingriff in die Grundrechte von Unternehmern handelt212, kann man die Norm auch so verstehen, dass nur solche Normen genügen, bei denen im Falle eines Verstoßes eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit zu erwarten ist213. Das scheint als Ausgleich für die Vorverlagerung der Information auf den bloßen „hinreichenden Verdacht einer Vorschriftsverletzung“ und damit letztlich, um die Interessen des Unternehmers hinreichend zu wahren, richtig. Es korrespondiert zudem mit dem systematischen Zusammenhang im Rahmen des § 40 LFGB und dem Zweck der Norm, der auf Gefahrenabwehr ausgerichtet ist. In eine ähnliche Richtung tendiert die Ansicht, die die Frage in Anlehnung an die Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB löst.214 Ein solches Schutzgesetz liegt vor, wenn der Individualschutz nicht bloßer „Reflex“ ist, sondern im Aufgabenbereich der Norm und somit in deren Inhalt und Zweck liegt.215 Pache/Meyer, in: Meyer/Streinz, § 40 LFGB, Rn. 2. ebenso Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 12, Vorb. §§ 38–49, Rn. 14. Vgl. Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284 (290). Zumindest die BasisVO explizit mit einbeziehend: Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, L52, § 40 LFGB, Rn. 10. 211  Dies wird u. a. deutlich an § 1 I Nr. 1 LFGB, der dies als „ersten“ Zweck des LFGB nennt. Vgl. auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), Vorb., Rn. 1; Voß, Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, S. 19. 212  Siehe dazu oben unter Kap. 3, B. II. 213  Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 34. 214  Pache/Meyer, in: Meyer/Streinz, § 40 LFGB, Rn. 17. 215  BGH v. 9.11.2004  – VI ZR 311/03, juris, Rn. 7. 209  Implizit: 210  I. E.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen179

Allerdings ist der Wortlaut von § 40 I 2 Nr. 2 LFGB eindeutig nicht auf eine unmittelbare Gefahr für den Einzelnen angelegt, sondern lässt ausdrücklich den Verdacht ausreichen, dass gegen Normen verstoßen wurde, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen lediglich „dienen“ müssen. Zudem lässt sich aus der Entwicklung des § 40 LFGB in den letzten Jahren216 schließen, dass bei § 40 LFGB insgesamt nicht mehr nur die Gefahrenabwehr im Vordergrund steht. Denn gerade § 40 I 2 LFGB ermöglicht Informationen im der Gefahr weit vorgelagerten Bereich. Ähnlich ist es mit der neueren Informationsbefugnis nach Absatz 1 a: Dort handelt es sich um gröbere Verstöße gegen das Lebensmittelrecht, bei denen in der Regel auch ein Bußgeldverfahren oder andere klassische gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen stattfinden. Die der Gefahr in der Regel erst deutlich nachgelagerte Information über diese Verstöße kann damit nicht mehr der Abwehr der konkreten Gefahr dienen. Damit ist neben den Zweck der Gefahrenabwehr der Zweck der Schaffung von Verbrauchervertrauen und Markttransparenz durch Information getreten. Daher tendiert § 40 LFGB in seiner Entwicklung von der Gefahrenabwehr zur Schaffung von Transparenz durch Information. Folglich ist davon auszugehen, dass § 40 I 2 Nr. 2 LFGB nicht nur an die unmittelbare Gefahrenabwehr anknüpft, sondern eine präventive und mittelbare Gefahrenabwehr durch Schaffung von Transparenz durch Information genügen lässt. Im Ergebnis ist damit für § 40 I 2 Nr. 2 LFGB die Möglichkeit einer unmittelbaren Gefahr oder gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht erforderlich.217 Es genügt der Verdacht eines Verstoßes gegen nahezu jede lebensmittelrechtliche Normierung, insbesondere etwa Normen zu Hygieneanforderungen in Betrieben, Eigenkontrollsystemen der Unternehmer und Ähnlichem. Die Lebensmittelkontrollergebnisse beruhen auf der Überprüfung der dort gestellten Anforderungen. § 40 I 2 Nr. 2 LFGB könnte damit als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen dienen. Zu klären ist aber noch, ob der gesamte § 40 LFGB nur Informationen mit konkretem Bezug zu einem Produkt erfasst. Dies ist jedoch an dieser Stelle noch nicht zwingend nötig, da § 40 I 2 Nr. 2 LFGB als Ermächtigungsgrundlage derzeit bereits an den Anforderungen des § 40 II LFGB scheitert, der einen Vorrang der Informationserteilung durch den Unternehmer selbst vorsieht. Somit kann § 40 I 2 Nr. 2 LFGB nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Ergebnisveröffentlichung herangezogen werden. Ohne die Einschränkung des § 40 II LFGB käme des Weiteren § 40 I 2 Nr. 4 LFGB in Betracht. Dieser ermöglicht Information über „nicht gesund216  § 40 217  Vgl.

LFGB wurde von 2011 bis 2013 vier Mal geändert. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 40, Rn. 9.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

heitsschädliche aber […] ekelerregende Lebensmittel“, die in „nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt“ sind. Das Lebensmittel muss daher schon den Herrschaftsbereich des Unternehmers verlassen haben. Zu überlegen ist, ob es sich noch auf dem Markt befinden muss. Dafür spricht, dass Information in der Regel ein sehr stark wirkender Eingriff in Grundrechte ist.218 Wenn aufgrund eines nicht einmal gesundheitsschädlichen Lebensmittels informiert wird, müssen daher gewisse Beschränkungen gelten, die der Wortlaut mit „in den Verkehr gelangt“ auch anlegt.219 Das Abstellen auf in den Verkehr gelangte Produkte zeigt dabei, dass die Möglichkeit bestehen muss, dass Verbraucher mit dem Produkt in Berührung kommen. Dies wird bei den kontrollierten Unternehmen, die auf den Verstoß vermutlich während der Kontrolle hingewiesen worden sind, in der Regel nicht der Fall sein. § 40 I 2 Nr. 4 LFGB kann somit, auch ohne den Ausschluss über § 40 II LFGB, nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden. 3. § 40 I a LFGB Als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse in Betracht kommt § 40 I a LFGB, neu eingeführt zum 1.9.2012 in Folge des Dioxin-Skandals220. Die spezielle Anforderung des § 40 II LFGB gilt ihrem Wortlaut nach für § 40 I a LFGB nicht, sodass die Information durch den Unternehmer selbst hier nicht vorrangig wäre. Als Voraussetzungen für die Information der Öffentlichkeit nennt § 40 I a LFGB die Überschreitung von Grenz- oder Höchstwerten (Nr. 1) oder die nicht nur unerhebliche Verletzung sonstiger Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, für die ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist (Nr. 2). Dabei geht es nicht mehr nur um Transparenz durch Information.221 Die Norm soll vor allem künftige Konsumentscheidungen erleichtern.222 § 40 I a LFGB ist jedoch sehr umstritten und Angelpunkt zahlreicher gerichtlicher Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Veröffentlichungen, die sich ausdrücklich auf § 40 I a LFGB als Ermächtigungsgrundlage stützen, finden daher momentan kaum noch statt.223 Teilweise wird dabei neben al218  Siehe

dazu Kap. 3. für ein Erfordernis der „Verhältnismäßigkeit“ haltend: Wehlau, LFGB, § 40, Rn. 37. 220  BT-Drs. 17/7374, S. 19, 20. 221  Vgl. Sieber, recht. 2012, 105 (108); Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (9). 222  Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (9). 223  Lediglich das Saarland veröffentlicht Verstöße, am 10.3.2014 waren es neun, am 30.3.2015 nur noch drei, 2016 wieder elf, siehe http://www.saarland.de/doku mente/dienststelle_LGV/Par40_LFGB_SonstigeVerstoesse.pdf (Letzter Aufruf: 1.7. 2016). Bestätigend dazu auch der umfassende Bericht von Foodwatch „Von Maden 219  Dies



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen181

lerlei Auslegungsfragen224 an der Verfassungsmäßigkeit gezweifelt225. Seit August 2013 liegt dem Bundesverfassungsgericht diesbezüglich ein Antrag des Bundeslandes Niedersachsen auf abstrakte Normenkontrolle vor. Grund für die Kritik sind insbesondere die Verhältnismäßigkeit, etwa mangels Löschungsfristen und behördlichem Ermessen, sowie die Normenklarheit,226 aber auch die gegebenenfalls fehlende Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung227. Außerdem ist die Vereinbarkeit mit europäischem Recht in der Diskussion.228 Aufgrund der im April 2013 ergangenen Entscheidung des EuGH im Fall Berger229 kann davon ausgegangen werden, dass die Europarechtskonformität des § 40 I a LFGB bestätigt ist, zumindest soweit es um die Sperrwirkung des Europarechts geht.230 Noch unklar bleibt aber, ob § 40 I a LFGB den Abwägungsgründen des Art. 7 III VO (EG) 882 / 2004 hinreichend Rechnung trägt.231 Und auch zur Grundrechtskonformität des § 40 I a LFGB ist damit noch nichts entschieden, weder in Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten, soweit aus dem Ausland eingeführte Lebensmittel betroffen sind, noch bezüglich der deutschen verfassungsrechtlichen Seite.232 Dies bedarf jedoch nur der Klärung, sofern § 40 I a LFGB überhaupt einschlägig ist: § 40 I a LFGB ist eine Rechtsgrundlage für Informationen über lebensmittelrechtliche Verstöße. Die Veröffentlichung guter Lebensmittelkontrollergebnisse wird hiervon jedoch erkennbar nicht erfasst. § 40 I a LFGB erlaubt nur die Veröffentlichung sehr negativer Kontrollergebnisse und diese auch nur, sofern sie die konkreten Anforderungen der Norm erfüllen. Damit kann § 40 I a LFGB keine umfassende Ermächtigungsgrundund Mäusen“, S. 68, einsehbar unter: http://www.foodwatch.org/uploads/media/201312-12_foodwatch-Report_Lebensmittelueberwachung.pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 224  Ausführlich dazu Pitzer, StoffR 2013, 44 ff. 225  OVG Nds., Beschl. v. 14.6.13  – 13 ME 18/13, juris, Lts.1; OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013 – 13 B 215/13, juris, Rn. 28; VG Osnabrück, Beschl. v. 8.5.2013 – 6 B 18/13, juris, Rn. 14. 226  Anstatt vieler: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn.  23 ff. 227  Schoene, ZLR 2013, 65 (70 ff.). Sehr ausführlich zu diesem Problem: Dannecker, JZ 2013, 924. 228  Nach Einschätzung von Pache, ZLR 2013, 139 (141), war bislang sogar die Europarechtswidrigkeit des § 40 I a LFGB hM in der Literatur. Ausführlich auch Michl/Meyer, ZLR 2012, 557. Auch noch nach der Entscheidung des EuGH von der Europarechtswidrigkeit ausgehend: Teufer, K u. R 2013, 629 (632). 229  Siehe oben unter Kap. 4, B. II. 3. Urteilsanmerkung bei Abbé, recht. 2013, 111 ff. 230  Elsing/Rosenow, ZLR 2013, 240, Mitwirkende im BMELV am damaligen Regierungsentwurfs zu § 40 I a LFGB. 231  Verneinend: Theis, DVBl. 2013, 627 (631). 232  Vgl. Gundel, ZLR 2013, 303 (309).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

lage für die Veröffentlichung aller Kontrollergebnisse sein. Auch für die sehr schlechten Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle kommt § 40 I a LFGB im Ergebnis jedoch nicht in Betracht, da § 40 LFGB insgesamt nur produktbezogene Informationen ermöglicht. 4. Produktbezogenheit des § 40 LFGB Ganz grundsätzlich Bedenken bei der Anwendung des gesamten § 40 LFGB auf die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen bewirkt dessen „Produktbezug“. Der Wortlaut des § 40 I LFGB und des diesbezüglich nahezu identisch lautenden § 40 I a LFGB bezieht sich auf ein bestimmtes Produkt, also ein konkretes Lebensmittel: „… unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- und Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt oder behandelt wurde …“. Bei den Kontrollergebnissen geht es jedoch größtenteils um allgemein unhygienische Zustände, oder sogar nur um fehlende Eigenkontrollen oder Mitarbeiterschulungen, und nicht um einzelne Produkte. Dagegen half auch die Nennung der betroffenen Produkte in der Pankower233 als auch der Lichtenberger Veröffentlichung nicht, da auch Eigenkontrollen und Mitarbeiterschulungen bewertet wurden. Dies sahen auch die Gerichte in den Fällen zu § 40 I a LFGB. Dabei wurde es höchst unterschiedlich beurteilt, ob § 40 I a LFGB dennoch für die Veröffentlichung allgemeiner Betriebszustände greifen kann oder nicht. Aus dem Wortlaut „unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels“ folgt, dass zumindest ersichtlich sein muss, welche Lebensmittel durch einen Verstoß betroffen sind.234 Der Wortlaut ist damit auf konkrete Produkte beschränkt.235 Gegen die Produktbezogenheit spricht jedoch der Schutzzweck des LFGB insgesamt, der die Gesundheit der Verbraucher in den Vordergrund rückt, vergleiche § 1 I Nr. 1 LFGB. Schon ein unsauberes Umfeld und somit schlechte Hygiene im Allgemeinen genügt damit für ein erhöhtes Risiko und für eine „nachteilige Beeinflussung“ über Raumluft und Handhygiene.236 Neben dem Schutz der Gesundheit ist der Täuschungsschutz maßgebend im Lebensmittelrecht, siehe § 1 I Nr. 2 und 3 LFGB.237 Dieser kann unter anderem durch Transparenz gewährleistet werden. Sofern 233  Siehe

Abbildung oben unter Kap. 2, B. III. 1. Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 56; VG Saarland, Beschl. v. 25.1.2013  – 3 L 76/13, juris, Rn. 10. 235  VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 14. Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 10. 236  OVG Rheinl.-Pfalz, Beschl. v. 13.2.2013  – 6 B 10035/13, juris, Rn. 19. Vgl. OVG Nds. Beschl.v. 18.1.2013,  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 14. 237  Rathke, in: Zipfel/Rathke, C102 (LFGB), § 1, Rn. 16. 234  VG



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen183

der Schutzzweck von § 40 LFGB auch Verbraucherschutz durch Transparenz ist, würde ein unsauberes Umfeld für die Veröffentlichung genügen, denn diese Information verschafft Transparenz. Selbst wenn ein Transparenzzweck verfolgt wird, geht es allerdings nicht um eine „vollständige Transparenz“; stattdessen soll der Verbraucher eben gerade die Informationen erhalten, die er für seine Entscheidung benötigt und somit solche über die hygienischen Umstände bei der Herstellung bestimmter Lebensmittel, aber nicht Informationen über abstrakte Gesetzesverstöße.238 Der Zweck „Transparenz“ kann damit auch für die Produktbezogenheit ins Feld geführt werden. Darüber hinaus ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 40 LFGB mit Art. 10 BasisVO die Produktbezogenheit, da § 40 LFGB sich auf Art. 10 BasisVO bezieht und dieser die Nennung des Lebensmittels beziehungsweise der Art des Lebensmittels erfordert.239 Die Entstehungsgeschichte spricht zusätzlich für den konkreten Produktbezug.240 Denn abgesehen von der Umsetzungspflicht europäischer Vorgaben ist § 40 LFGB insbesondere Ausfluss zahlreicher konkrete Lebensmittel betreffender Skandale, angefangen bei Dioxin in Futtermitteln über Käseimitate bis hin zu Analogschinken.241 So wird insgesamt deutlich, dass § 40 LFGB nicht für die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse von Gaststätten fungieren sollte, sondern gegen das Inverkehrbringen gefährdender, konkret benennbarer Produkte. Daher müssen sich Informationen nach § 40 LFGB auf konkrete Lebensmittel beziehen.242 Zu überlegen ist aber, ob nicht ebenfalls dann Produktbezogenheit vorliegt, wenn die allgemeine Hygiene sehr schlecht ist, 238  VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 44. Fragt sich, ob die allgemeine Hygiene eine notwendige Information ist: VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 14. 239  VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 45. 240  VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 11; VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 16 ff. 241  BT-Drs. 17/7374, S. 19. 242  Für § 40 I LFGB: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 73; VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015  – 26 K 5722/13, Rn. 25, einsehbar unter www.nrwe.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016); Schink, Rechtsgutachten, S. 34; Implizit: Grube, LMuR 2011, 21 (31); Pache, ZLR 2013, 139 (154); Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, L52, § 40 LFGB, Rn. 3; BT-Drs. 17/7374, S. 11, 12. Für § 40 I a LFGB: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 192/13, juris, Rn. 39; VG Trier, Beschl. v. 29.11.2012  – 1 L 1339/12.TR, juris, Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 21.12.2012 – RN 5 E 12.1895, juris, Rn. 91; VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 39; VG Stuttgart, Beschl. v. 11.12.2012  – 4 K 3720/12, juris, Rn. 10. So meint es i. E. wohl auch: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013 – 13 B 215/13, juris, Rn. 41 ff., 50. A. A. VGH Bayern, Beschl. v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80,

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

denn dann besteht die Gefahr, dass konkrete Lebensmittel beeinträchtigt werden.243 Diese Auslegung schießt aber über das Ziel des § 40 LFGB hinaus. Denn die Situation bei Produkten ist anders, da diese möglicherweise schon beim Verbraucher zu Hause sind und damit nicht mehr beeinflussbar durch den Unternehmer; die Betriebshygiene hingegen kann sich durch Einwirkung des Unternehmers mittlerweile verändert haben und nicht aus seinem Herrschaftsbereich entschwinden.244 Im Ergebnis bietet § 40 LFGB damit keine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen.245

IV. § 6 I 3 Hs. 1 VIG als Ermächtigungsgrundlage Jedoch könnte § 6 I 3 VIG (entspricht § 5 I 2 VIG a. F.) als Ermächtigungsgrundlage greifen.246 Hierauf zogen sich das Bezirksamt Pankow für seine „Negativliste“ aus dem Jahr 2009247, die Berliner Senatsverwaltung für ihr Modell „Sicher essen“248 als auch das OVG Saarlouis in einem vergleichbaren Fall249 zurück. Ebenso stützten sich die im Jahr 2014 für rechtswidrig erklärten Veröffentlichungsmodelle von Pankow und Lichtenberg darauf.250 § 6 I 3 VIG ist als allgemeine Vorschrift außerhalb des Anwendungsbereichs von Spezialgesetzen einschlägig und gerade unterhalb der Schwelle der Gefahrenabwehr und des Gesundheitsschutzes relevant.251 Die Norm regelt ausdrücklich die aktive antraglose Information durch die zuständige Behörde über das Internet.

juris, Rn. 21; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschl. v.13.2.2013 – 6 B 10035/13, juris, Rn. 19: „unhygienisches Umfeld“ genügt. 243  VG Sigmaringen, Beschl. v. 9.1.2013  – 2 K 4346/12, juris, Rn. 9 ohne das Eingeklammerte. 244  VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 20. 245  Ähnlich i. E. auch Raspé, BLJ 2013, 8 (11), die zumindest nur einen kleinen Teil der Veröffentlichungen des Pankower Smiley-Modells von § 40 LFGB als Ermächtigungsgrundlage erfasst sieht. 246  So VG Saarlouis, Urt. v. 24.8.2010  – 3 K 228/10, juris, Rn. 22 ff. 247  Damals unter http://www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/ordnung/smiley. html (Letzter Aufruf: 22.3.2014). 248  Damals unter http://www.berlin.de/sen/verbraucherschutz/lebensmittel-ernaeh rung/kontrollergebnisse/recht.de.html (Letzter Aufruf: 13.4.2015). 249  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633). 250  VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 9, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 10. 251  Schoch, NJW 2010, 2241 (2246).



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen185

1. Daten, zu denen Zugang zu gewähren ist Eine Information nach dem VIG setzt voraus, dass es um Daten geht, zu denen „Zugang zu gewähren ist“. Welche Daten über das VIG veröffentlicht werden dürfen, ist in § 2 VIG geregelt. Allerdings geht es darin um den „Anspruch auf Zugang“ zu bestimmten Informationen. Da es bei § 6 I 3 VIG aber um antraglose Informationen geht, könnte § 2 VIG nicht einschlägig und eine Veröffentlichung somit völlig unbegrenzt möglich sein.252 Dieses Verständnis ist allerdings zu eng. Zwar passt der Wortlaut des § 2 VIG durch seinen Bezug auf einen Anspruch nicht optimal auf die antragslose Veröffentlichung von Daten. § 6 I 3 VIG bezieht sich allerdings direkt auf die Regelung des § 2 VIG über die Daten, zu denen Zugang zu gewähren ist, sodass § 2 VIG auch auf die antraglosen Veröffentlichungen angewendet werden kann.253 § 2 I Nr. 1 lit a) bis c) VIG erfasst Daten über „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen“ des LFGB, daraufhin erlassener Rechtsakte und unmittelbar geltendem europäischen Recht. Eine „unzulässige Abweichung“ in diesem Sinne liegt vor, wenn Straf- oder Bußgeldtatbestände erfüllt sind oder anderweitig ein Handeln der Behörde angezeigt ist.254 Dass dies eben nicht auf Straf- oder Bußgeldtatbestände beschränkt ist, stellte der Gesetzgeber klar, indem er statt des in der vorigen Fassung des VIG verwendeten Begriffs „Verstoß“255 nun „Abweichungen“256 verwendet. Dafür ist kein vorwerfbares Verhalten erforderlich.257 Nach dem VG Berlin fällt die Veröffentlichung reiner Minuspunkte und daraus errechneter Gesamtbewertungen nicht unter „nicht zulässige Abweichungen“, da nicht jeder Minuspunkt auf einen Verstoß rückführbar ist.258 Allerdings ist die Minuspunkteangabe insgesamt dennoch eine Angabe über eine nicht zulässige Abweichung vom Lebensmittelrecht, da in der Gesamtschau doch die meisten Minuspunkte auf einer solchen beruhen. Zumindest ist die Veröffentlichung der Minuspunkte und der Gesamtbewertung aber eine „Maßnahme […], die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a bis c genannten nicht zulässigen Abweichungen getroffen worden“ ist, § 2 I Nr. 1 a. E. meint es wohl Raspé, BLJ 2013, 8 (11). auch Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 124. 254  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 130, Rn. 19. 255  Diese Fassung galt bis zum 31.8.2012. 256  Zu den dennoch fortbestehenden Auslegungsschwierigkeiten Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1498). 257  BT-Drs. 17/7374, S. 15; BR-Drs. 454/11, S. 21. 258  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 70. Dieses Argument jedoch nicht mehr für relevant haltend in: VG Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 40. 252  So 253  So

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VIG. Der Begriff „Maßnahme“ muss, um den Gesetzeszweck der Schaffung von Transparenz für den Bürger zu erreichen, weit ausgelegt werden und damit auch schlichthoheitliches Handeln erfassen.259 Allerding greift § 2 I Nr. 1 a. E. VIG nicht für alle veröffentlichten Kontrollergebnisse, da viele Unternehmen auch „sehr gut“ bewertetet wurden und somit in diesen Fällen keine Abweichungen festgestellt sind. Zu diesen Daten ist damit kein Zugang über § 2 I Nr. 1 VIG möglich und damit auch keine antraglose Veröffentlichung nach § 6 I 3 VIG. „Zugang zu gewähren“ ist aber auch zu Daten im Sinne des § 2 I 1 Nr. 7 VIG. Darüber eröffnet das Verbraucherinformationsgesetz und somit auch § 6 I 3 VIG gerade Zugang zu Daten über „Überwachungsmaßnahmen oder andere behördlichen Tätigkeiten […] zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten“. Die Informationen über die Kontrollergebnisse bewahren Verbraucher davor, Entscheidungen ohne die nötigen Informationen treffen zu müssen und dienen so deren Schutz.260 Zudem schützen sie die Verbraucher dadurch, dass die Unternehmer zur Einhaltung lebensmittelrechtlicher Normen angehalten werden.261 „Überwachungsmaßnahmen“ sind die Tätigkeiten im Sinne der §§  38 ff.  LFGB262, sodass die Lebensmittelkontrollen erfasst scheinen.263 Allerdings ist wie bei Art. 7 I lit a) VO (EG) 882 / 2004 zu erwägen, ob auch die Ergebnisse von Kontrollen von der Informationspflicht erfasst sein sollen.264 Da § 2 I 1 Nr. 7 VIG aber wortlautgemäß auch die Auswertung der Kontrolltätigkeiten erfasst, sind die Kontrollergebnisse, egal wie sie letztlich veranschaulicht werden, erfasst. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass mit der Auswertung von Überwachungsmaßnahmen lediglich Bewertungen von Häufigkeit und Folgen der Überwachungsmaßnahmen gemeint ist. Dennoch hält das VG Berlin die Norm nicht für einschlägig: Sollte § 2 I 1 Nr. 7 VIG einschlägig sein, hätte bei der Veröffentlichung darauf hingewiesen werden müssen265. Jedoch handelt es sich bei § 2 I 1 Nr. 7 VIG ohnehin 259  Vgl. Schulz, Verbraucherinformationsgesetz, S. 26. Zur Diskussion um die Rechtsnatur der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen siehe unten unter Kap. 6, B. I. 260  Vgl. OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (634). 261  Zu dieser Lenkungswirkung der Veröffentlichung siehe oben unter Kap 3, A. II. 2. a. E. und B. I. 1. c). 262  Domeier/Matthes, Verbraucherinformationsgesetz, S. 25; Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 50. 263  Zur Ermächtigungsgrundlage für amtliche Kontrollen im Lebensmittelbereich siehe Kap. 2, A. 264  Dies meint wohl auch das VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 72. Zur Diskussion zu Art. 7 I lit a) VO (EG) 882/2004 siehe oben unter Kap. 4, B. II. 265  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 72.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen187

nicht um die Ermächtigungsgrundlage, diese bliebe bei Einschlägigkeit § 6 I 3 VIG. Auf das VIG wurde für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen aber im konkreten Fall des berlinweiten Transparenzmodells „Sicher essen“, über den das VG Berlin zu entscheiden hatte, hingewiesen. An einem Hinweis fehlte es somit nicht. Der Zugang nach § 2 I 1 Nr. 7 VIG zu konkreten Kontrollergebnissen scheitert im Endeffekt aber trotzdem: Denn Nr. 7 erfasst keine Informationen über konkrete Einzelfälle.266 Der Wortlaut lässt davon zwar nichts erahnen. Die Systematik überzeugt jedoch: Denn ohne eine enge Auslegung des Nr. 7 entsteht eine Überschneidung mit § 2 I 1 Nr. 1 VIG, der ein Recht auf Zugang zu konkreten Verstößen verbürgt.267 Diese Überschneidung ist praktisch aber nicht handhabbar, da die Rechtsfolgen sich „erheblich unterscheiden“, etwa bezüglich der Kostentragung, der Möglichkeit des sofortigen Vollzugs und Beteiligungsrechten Dritter.268 Daher ist eine enge Auslegung des Nr. 7 zur Abgrenzung zu Nr. 1 nötig.269 Die konkreten Lebensmittelkontrollergebnisse sind somit keine Daten, zu denen nach § 2 I 1 Nr. 7 VIG Zugang zu gewähren ist.270 Immerhin zu den negativen Kontrollergebnissen wäre aber nach § 2 I Nr. 1 a. E. VIG Zugang zu gewähren. Somit scheitert die Möglichkeit einer Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontroll­ ergebnissen aus dem VIG nicht bereits an der Zugangseröffnung des § 2 VIG, zumindest sofern es um negative Ergebnisse geht. Lediglich für die Veröffentlichung positiver Kontrollergebnisse scheitert eine Ermächtigungsgrundlage aus dem VIG bereits an § 2 VIG. 2. Anwendbarkeit des § 6 I 3 VIG Als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse müsste § 6 I 3 VIG anwendbar sein und eine hinreichende Bestimmtheit aufweisen. An beidem bestehen Zweifel. Die Anwendbarkeit des § 6 I 3 VIG könnte durch den spezielleren § 40 LFGB gesperrt sein. Denn bei Anwendung des § 6 VIG auf lebensmittelrechtliche Informationen würden die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 LFGB ausgehebelt. Das VIG ist gemäß § 2 IV VIG subsidiär gegenüber 266  Nach Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 50, ist dies in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. 267  VG Frankfurt a. M., Urt. v. 25.1.2012  – 7 K 2119/11, juris, Rn. 20. 268  Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 43. 269  VG Wiesbaden, Urt. v. 12.7.2012  – 1 K 910/11.WI, juris, Rn. 16. 270  I. E. ebenso: VG Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 35; VG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2015  – 26 K 5722/13, Rn. 32, einsehbar unter www.nrwe. de (Letzter Aufruf: 1.7.2016).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

weitergehenden Vorschriften.271 Das VIG könnte trotzdem anwendbar sein, sofern § 40 LFGB nur dann abschließend regelt, wenn er im konkreten Fall tatsächlich greift. Aufgrund seiner Produktbezogenheit passt § 40 LFGB auf den untersuchten Fall aber in letzter Konsequenz nicht.272 Zu klären ist daher, ob dann das VIG greifen kann, oder ob § 40 LFGB dennoch die aktive Verbraucherinformation im lebensmittelrechtlichen Bereich abschließend regelt. Für eine abschließende Regelung durch § 40 LFGB spricht, dass dieser in seiner Differenziertheit gerade als Ermächtigungsgrundlage für aktive Verbraucherinformation im lebensmittelrechtlichen Bereich ausgestaltet ist.273 So stellt § 40 LFGB in Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgebots konkrete Anforderungen bezüglich der Interessenabwägung in Absatz 1 Satz 3, des Selbsteintrittsrechts des Unternehmers in Absatz 2, Anhörungserfordernissen in Absatz 3 und der „Rücknahme“ der Information in Absatz 5. Jedoch gilt auch bei der Anwendung des § 6 I 3 VIG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, was ebenfalls zu einem differenzierten Ergebnis führt.274 Die Gesetzesmaterialien zu den Änderungen von § 6 VIG und § 40 LFGB weisen ebenfalls auf eine abschließende Regelung in § 40 LFGB hin: Zwar wird einleitend statuiert, dass durch die Änderungen eine Ausweitung aktiver Verbraucherinformation stattfinden soll.275 Unter dem Punkt „Informa­ tion der Öffentlichkeit“ wird in der Gesetzesbegründung jedoch nur § 40 LFGB genannt.276 Zudem wird in der Begründung zu § 6 I 3 VIG lediglich auf die dadurch verfolgte Verfahrensökonomie und Kostenverringerung durch Zusammenfassung gebündelter Veröffentlichung von beantragten Informationen verwiesen.277 Dem entgegen steht jedoch der eindeutige Wortlaut des § 6 I 3 VIG, der der Behörde antraglose Information erlaubt.278 Zudem spricht der Zweck des VIG, nämlich die Unterstützung und Förderung des gestiegenen Verbraucherinteresses durch Schaffung von Transparenz279, für eine unkomplizierte Möglichkeit aktiver Verbraucherinformation durch die Behörde gerade durch das VIG. Außerdem haben das VIG als 271  So geregelt seit dem 1.9.2011. Dies kritisiert Schulz, Verbraucherinforma­ tionsgesetz, S. 30 ff. Positiv dazu Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 62. 272  Dazu siehe oben unter Kap. 4, B. III. 4. 273  Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (492). Vgl. Zilkens, NVwZ 2009, 1465 (1467, 1468). 274  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633). 275  BT-Drs. 16/5404, S. 1. 276  BT-Drs. 16/5404, S. 8. 277  BT-Drs. 16/5404, S. 13; Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 148 (166). 278  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633); Schink, Rechtsgutachten, S. 37. 279  BT-Drs. 16/5404, S. 7; Schoch, NJW 2010, 2241.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen189

Informationsgesetz und das LFGB als Gesetz zur Gefahrenabwehr verschiedene Schutzrichtungen, sodass sie sich gegenseitig nicht ausschließen dürften.280 Dies kann aufgrund der Anordnung der Subsidiarität durch § 2 IV VIG nicht allgemein gelten, aber zumindest dann, wenn das speziellere Gesetz nicht eingreift. Von einer abschließenden Regelung kann daher bei § 40 LFGB nicht ausgegangen werden.281 Die Existenz des § 40 LFGB steht der Anwendung des VIG hier somit nicht entgegen.282 Für Informationen, die auch den Anwendungsbereich des Art. 10 BasisVO berühren, wurde zudem diskutiert, ob nicht Art. 10 BasisVO diesbezüglich § 6 I 3 VIG sperrt.283 Mit der Entscheidung des EuGH zur Vorlage des LG München284 ist dies aber zugunsten des Rechts der EU-Mitgliedstaaten entschieden, sodass keine Sperrwirkung besteht. Die Formulierung des § 6 I 3 VIG selbst könnte aber seiner Anwendbarkeit als Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe entgegenstehen.285 Denn je wesentlicher etwas ist und je stärker Grundrechte betroffen sind, desto genauer muss es geregelt werden.286 Gerade für wertende Verbraucherinformationen sind, aufgrund der großen Eingriffsintensität, hohe Anforderungen an die inhaltliche Klarheit zu stellen.287 § 6 I 3 VIG aber enthält nicht einmal konkrete Bestimmungen des Tatbestandes und der Rechtsfolge. Zum Beispiel fehlen Anforderungen, wann welche Information veröffentlicht werden darf, was in die Interessenabwägung einzubeziehen ist und wie das Verfahren ausgestaltet sein muss.288 Trotz des Wissens um die Diskussion zur mangelnden Bestimmtheit des § 6 I 3 VIG, sofern man ihn als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse heranziehen will, hat der Gesetzgeber im Rahmen der VIG-Änderungen im August 2013 und im September 2012 daran nichts geändert.289 Dies legt 280  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633); Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Kube, ZLR 2007, 165 (179, 180); Schoch, ZLR 2010, 121 (136). 281  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633). A. A. wohl Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 148 (166). 282  I. E. ebenso: VG Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 32; A. A. wohl Theis, DVBl. 2013, 627 (633). 283  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 28, Rn. 51. Vgl. Becker, ZLR 2011, 391 (403). 284  Siehe oben unter Kap. 4, B. II. 3. 285  Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (493). Dieses Problem dahinstehen lassend: VG Berlin, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 33. 286  BVerfGE 101,1 (34); Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20, Rn. 179. 287  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 244, Rn. 103. 288  Vgl. Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 (493); Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz durch Information im Lebensmittelrecht, S. 148 (166). 289  So auch Raspé, BLJ 2013, 8 (11).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

den Schluss nahe, dass man hier keine Ermächtigungsgrundlage schaffen wollte. Nach Ossenbühl stellt eine Norm bei begründetem Zweifel an ihrem Charakter als Ermächtigungsgrundlage keine Ermächtigungsgrundlage dar.290 Dies kann – gerade wegen der Grundrechtsrelevanz – auch nicht durch eine konsistente Verwaltungspraxis hinreichend ausgeglichen werden291, denn diese ist für die Grundrechtsberechtigten nur schwer einschätzbar. Eine differenzierte Ausgestaltung des Veröffentlichungssystems kann Mängel der Ermächtigungsgrundlage nicht kompensieren.292 Mangels der erforderlichen Bestimmtheit greift somit auch § 6 I 3 VIG nicht als Ermächtigungsgrundlage für die umfassende Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen293. Selbst wenn man dies anders bewertet, kommt man jedoch nicht viel weiter: So ließ das VG Berlin etwa § 6 VIG daran scheitern, dass dieser sich laut § 1 VIG und nach der Gesetzesbegründung auf Informationen zu konkreten Erzeugnissen beziehe und somit – ebenso wie § 40 LFGB – einen Produktbezug hätte.294 Zudem erfasse § 6 VIG seinem Wortlaut nach nur objektive Informationen, nicht aber subjektive Bewertungen wie etwa eine Gesamtpunktzahl und daraus folgende Benotungen.295 Des Weiteren wird die Anwendbarkeit des § 6 VIG auf „Benotungen“ auch deshalb abgelehnt, weil es um „bei der Behörde vorhandene“ Informationen gehe, der wertende und vergleichende Aspekt der Kontrollergebnisse aber bei der Behörde nicht vorhanden sei, da dieser nicht „im Auftrag der Überwachungstätigkeit stehe“.296 § 6 I 3 VIG greift daher nicht.

290  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1557 (1560). A.  A. Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1054). 291  So aber Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053). 292  Dies erwägen aber Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 235, Rn. 71. 293  I. E. ebenso für die Pankower Smiley-Liste 2013: Raspé, BLJ 2013, 8 (11). Implizit auch Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360). 294  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 58, 61; Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, Rn. 41. Ähnlich i. E.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.010 – 26 L 683/10, Rn. 31. Diskussion zu Produktbezug des § 40 LFGB siehe oben unter Kap. 4, B. III. 4. 295  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 68. Ebenso: Grube/ Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 137. 296  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 137, S. 245, Rn. 110, 111.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen191

3. Ausschluss- und Beschränkungsgründe des § 3 VIG Ebenfalls stünden § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von amtlichen Lebensmittelkontrollergebnissen über die Ausschluss- und Beschränkungsgründe297 des § 3 VIG Hindernisse entgegen. Diese begrenzen den Zugangsanspruch nach § 2 VIG, der Voraussetzung für die Informationsgewährung nach § 6 I 3 VIG ist. a) § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG – Laufende Verfahren Nach § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG besteht kein Anspruch auf Zugang zu Informationen, die gerade Teil eines Verwaltungs-, ordnungswidrigkeitenrechtlichen oder gerichtlichen Verfahrens sind, aber wiederum doch, wenn es sich um unzulässige Abweichungen vom Lebensmittelrecht298 handelt. Dies dient dazu, in laufenden Verfahren noch kein Ergebnis „vorwegzunehmen“ und damit gegebenenfalls einen Zustand unwiederbringlich zu verändern, andererseits aber auch dem Informationsinteresse bei „schwerwiegenden Rechtsverstößen“ gerecht zu werden299. Die Rückausnahme für lebensmittelrechtliche Verstöße schützt dabei vor möglichen akuten Gesundheitsgefahren300, bei denen mit öffentlichen „Warnungen“ reagiert werden muss, um vor im Umlauf befindlichen Produkten zu schützen. Das Vorliegen von Verwaltungs-, ordnungswidrigkeitenrechtlichen oder gerichtlichen Verfahren wäre – wie bereits festgestellt301 – bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse vielfach einschlägig. Allerdings beruht die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen größtenteils302 auf unzulässigen Abweichungen vom Lebensmittel- und Futtermittelrecht, sodass die Veröffentlichung über die Rückausnahme oftmals trotzdem möglich wäre.

297  Näheres

S. 34.

zu dieser Differenzierung bei Schulz, Verbraucherinformationsgesetz,

298  Dies meint hier das LFGB, das ProdSG, die aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechts-verordnungen und unmittelbar geltende Rechtsakte der EU im Anwendungsbereich der genannten Gesetze. 299  BT-Drs. 17/7374, S. 15. 300  BT-Drs. 17/7374, S. 23. 301  Siehe oben, II. 4. 302  Bei den oben angegebenen Prüfungspunkten der Lebensmittelkontrolleure, siehe Kap. 2 A., sind lediglich die bauliche und gerätetechnische Beschaffenheit sowie die Produktionshygiene nicht zumindest teilweise bußgeldbewährt. Zudem ist nach obigem Ergebnis zur Zugänglichkeit von Daten der alleinig einschlägige § 2 I 1 Nr. 1 VIG auf unzulässige Abweichungen beschränkt, siehe oben, 1.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

(1) Verfassungsmäßigkeit der Rückausnahme bei unzulässigen Abweichungen vom Lebensmittelrecht Bei dieser Rückausnahme ist allerdings zu überlegen, ob sie rechtmäßig ist, denn bei Veröffentlichungen aus laufenden Ermittlungsverfahren können die Unschuldsvermutung aus dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 6 II EMRK sowie die Schutzrechte aus § 475 StPO und § 49 b OWiG303 tangiert sein. Auch das Recht auf effektiven Rechtsschutz muss in die Überlegungen einbezogen werden. Zwar macht § 3 S. 3 VIG von der Ausnahme, dass Informationen über lebensmittelrechtliche Abweichungen aus laufenden Verfahren veröffentlicht werden dürfen, wiederum eine Ausnahme: Die Veröffentlichung von unzulässigen Abweichungen vom Lebensmittelrecht darf danach nur dann erfolgen „solange der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck nicht gefährdet wird“ und das „Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Gericht“ hergestellt wurde. Dies gilt aber lediglich für das Strafverfahren und geht auch inhaltlich nicht sehr weit.304 Sofern man die Rückausnahme, die die Veröffentlichung von Informationen über lebensmittelrechtliche Abweichungen ermöglicht, als verfassungswidrig einordnen würde und sie damit unangewendet ließe, würde der Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG greifen und die Veröffentlichung – ungeachtet der ohnehin mangelnden Bestimmtheit des § 6 I 3 VIG – nicht über das Verbraucherinformationsgesetz möglich sein. Weitere Bedenken an der Rückausnahme bei lebensmittelrechtlichen „Verstößen“ ergeben sich aus der StPO und der Unschuldsvermutung. Ausdruck der Unschuldsvermutung im Strafverfahren ist § 475 I S. 2, IV ­StPO305, der besagt, dass im Strafverfahren Auskünfte aus Akten versagt werden müssen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Nach § 49 b OWiG ist dies im Ordnungswidrigkeitenverfahren entsprechend anwendbar. Einen Ausschluss der Informationsabgabe bei schutzwürdigem Interesse des Betroffenen nennt § 3 S. 3 VIG nicht. Lediglich durch das „Benehmen“ mit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht werden eventuell die schutzwürdigen Belange des Betroffenen berücksichtigt. Dies schreibt das VIG aber nicht konkret vor. Den Anforderungen von StPO und OWiG wird das VIG damit nicht gerecht. Da dies jedoch nur einfaches Bundesrecht ist, führt dies allerdings nicht zur Verfassungswidrigkeit, sondern höchstens dazu, dass eine der Normen nicht angewendet 303  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 151, Rn. 19,20. Dies sah auch der Gesetzgeber, BT-Drs. 17/7374, S. 23, hielt aber seine Rückausnahme über § 3 S. 3 VIG offenbar für ausreichend, um der Unschuldsvermutung zu genügen. 304  Prommer/Rossi, GewArch 2013, 97 (100). 305  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 264, Rn. 178.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen193

werden kann nach den Kollisionsregeln.306 Aufschlussreicher ist es daher, die verfassungsrechtliche Grundlage der gerade besprochenen StPO- und OWiG-Normen anzusehen. Die Unschuldsvermutung wird zumeist aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird307 und ist damit mit Verfassungsrang ausgestattet308. Zusätzlich ist sie über Art. 6 II EMRK garantiert und gewährt verdächtigten Personen, dass ihnen ihre mögliche Schuld im Rechtsverkehr bis zum Nachweis derselben nicht vorgehalten wird; sie schützt vor Nachteilen, die einem Schuldspruch gleichkommen, ohne ein entsprechendes „prozessordnungsgemäßes“ Verfahren.309 Dies gilt nicht nur für Straf-, sondern auch für Ordnungswidrigkeitenverfahren.310 Durch eine Veröffentlichung von Informationen noch während eines laufenden Verfahrens wird die Unschuldsvermutung beeinträchtigt, da die Information ab diesem Zeitpunkt ihre möglicherweise existenzgefährdenden Wirkungen entfalten kann, obwohl das entsprechende Verfahren noch nicht beendet wurde.311 Zur Abwehr akuter Gefahren ist die Unschuldsvermutung zwar einschränkbar312, nicht jedoch bei bloßem „öffentlichen Interesse“ an Information313. Bei der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse liegt allerdings in der Regel keine akute Gefahr mehr vor, da zur Abwehr dieser sofort nach Feststellung der Gefahrenlage schon mit klassischen verwaltungsrechtlichen Mitteln reagiert worden sein muss. Folglich beeinträchtigt § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG durch die Veröffentlichungsmöglichkeit aus laufenden Verfahren die Unschuldsvermutung.314 Bevor man die Rückausnahme des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG aufgrund der Verletzung der Unschuldsvermutung als verfassungswidrig einstuft, muss eine verfassungskonforme Auslegung der Norm versucht werden. Dafür könnte man das Benehmenserfordernis mit der Staatsanwaltschaft, das § 3 S. 3 VIG für das Strafverfahren anordnet, analog auch auf andere Verfahrensarten, etwa das Ordnungswidrigkeitenverfahren, anwenden.315 Zudem 306  Nach Tsambikakis/Wallau, Strafo 2010, 177 (179) tritt dabei das VIG hinter der spezielleren StPO zurück. Nach Becker, in: FS für Horst, S. 73 (83) geht hingegen das VIG als lex specialis und lex posterior der StPO vor. 307  BVerfGE 74, 358; 82, 106 (114). Vgl. Kindhäuser, StPO, § 18, Rn. 3. Sich zusätzlich auf Art. 1 I und 2 I GG beziehend: BVerfGE 110, 1 (13). 308  BVerfG-Beschl., NJW 2002, 3231; Schoene, ZLR 2013, 65 (70). 309  Vgl. BVerfGE 74, 358 (371) m. w. N. 310  Schoene, ZLR 2013, 65 (70). 311  Zu Information als Verletzung der Unschuldsvermutung ausführlich Schoene, ZLR 2013, 65 (71 ff.). 312  Becker, ZLR 2011, 391 (421); BR-Drs. 454/1/11, S. 6. 313  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 152, Rn. 21. 314  Becker, ZLR 2011, 391 (422). 315  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 153, Rn. 28.

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

müsste die Abwägung, die § 3 S. 3 VIG zulässt, immer zugunsten des durch das Verfahren Betroffenen gewertet werden. Der Informationsanspruch wäre dann nur nicht ausgeschlossen, wenn es sich um bloße „präventive Verwaltungstätigkeit“ ohne Sanktionscharakter handelt, da bei Vorliegen eines Sanktionscharakters die Unschuldsvermutung wieder greifen würde.316 Eine verfassungskonforme Auslegung ist damit möglich. Eine Veröffentlichung von Informationen aus laufenden Verfahren mit Sanktionscharakter ist nach dieser aber nicht zulässig. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 IV GG317 ist hingegen nicht verletzt.318 Es gewährleistet die Prüfung aller tatsächlichen und rechtlichen Aspekte sowie eine verbindliche Entscheidung319 und rechtzeitigen Rechtsschutz320. Zwar kann durch eine frühzeitige Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen Rechtsschutz sinnlos und damit ineffektiv werden, da eine einmal veröffentlichte Information irreversibel ist. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz kann daher auch „Vorwirkungen“ auf das vorangehende Verwaltungsverfahren entfalten oder sogar vorbeugend vor Eintritt der Rechtsverletzung eingreifen, sofern effektiver Rechtsschutz anderenfalls nicht mehr erreicht werden kann.321 Dafür gibt es grundsätzlich den vorbeugenden Rechtsschutz, den Art. 19 IV GG für diese Fälle gebieten kann322. Andere Vorwirkungen durch Art. 19 IV GG auf das Verwaltungsverfahren dürfen aufgrund der Gewaltenteilung nur in einem sehr engen Rahmen geschehen.323 Das Recht auf effektiven Rechtsschutz ist daher hier nicht verletzt, da die Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes besteht. In die Abwägung für die Veröffentlichung sollte Art. 19 IV GG jedoch mit einbezogen werden324. Diese Abwägung findet in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse statt.325 Damit ist die Rückausnahme, dass bei unzulässigen Abweichungen vom Lebensmittel- und Futtermittelrecht auch eine Veröffentlichung von Infor316  Grube/Immel/Wallau,

Verbraucherinformationsrecht, S. 154, Rn. 30. Garantie des Art. 19 IV GG: Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 20, Rn. 59; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 19, Rn. 31. Zur Differenzierung, wann die Herleitung aus Art. 19 IV GG und wann aus Art. 20 III GG erfolgt: BVerfGE 112, 185 (207). 318  Dies erwägen aber Prommer/Rossi, GewArch 2013, 97 (100). 319  BVerfGE 54, 277 (291). 320  Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rn. 273. 321  Krebs, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rn. 72. 322  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rn. 278. 323  Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rn. 278. 324  So Prommer/Rossi, GewArch 2013, 97 (100). 325  Dazu unten unter Kap. 6, B. III. 317  Zur



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mationen aus laufenden Verfahren möglich ist, verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Veröffentlichung nur bei Verwaltungstätigkeit ohne Sanktionscharakter möglich ist. Die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse hat allerdings Sanktionscharakter, die Veröffentlichung positiver Ergebnisse über das VIG ist bereits an § 2 VIG gescheitert. Daher ist die Veröffentlichung nach § 6 I 3 VIG durch § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG ausgeschlossen, sofern man diese nicht bereits aufgrund der mangelnden Bestimmtheit des § 6 I 3 VIG abgelehnt hat. (2) Dauer des Veröffentlichungsausschlusses Es stellt sich allerdings die Frage, wie lange der Veröffentlichungsausschlusses nach § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG andauert. Der Wortlaut besagt, dass der Ausschluss „während der Dauer“ des entsprechenden Verfahrens gilt. So könnte die Verwaltung diese Einschränkung allerdings durch spätere Einleitung der Verfahren umgehen. Nach Wallau muss daher die Schranke des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG auch schon vor Beginn der entsprechenden Verfahren gelten.326 Ebenso löst Holzner dieses Problem, zumindest für das Ordnungswidrigkeitenverfahren; dieses beginne nämlich schon mit den entsprechenden Erforschungsmaßnahmen, die bei Vorliegen von lebensmittelrechtlichen Verstößen Teil der standardmäßigen Kontrollen sind.327 Für die „Vorverlagerung“ des Schutzes des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG spricht der Zweck der Norm, eine Vorverurteilung des Betroffenen zu verhindern, und damit den Anforderungen der Unschuldsvermutung zu entsprechen. Könnte eine Veröffentlichung vor Verfahrenseinleitung stattfinden, würde dieser Zweck nicht erreicht. Andererseits hat § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG ebenso den Sinn, dass die zuständige Behörde bei Risiken und Gefahren sofort informieren kann. Dies legt die Rückausnahme für unzulässige Abweichungen vom Lebensmittelrecht nahe. Schnelles Informieren durch die Behörde wird grundsätzlich dann erreicht, wenn die Ausschlussgründe eng oder zumindest dem Wortlaut entsprechend ausgelegt werden. Eine eher restriktive Auslegung legt auch der Blick auf die Historie nahe. Denn in seiner ersten Fassung, die bis Mitte 2012 galt, umfasste die Rückausnahme für unzulässige Abweichungen vom Lebensmittelrecht nur das Verwaltungsverfahren. Diese Rückausnahme wurde dann auf alle in der Norm angesprochenen Verfahrensarten erweitert und somit wurden insgesamt weniger Fälle von der Veröffentlichung ausge326  Wallau, ZLR 2010, 382 (384, 385). Zu einer eher weiten Auslegung des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG tendiert wohl auch Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (32). Enge Auslegung ohne Diskussion: Schulz, Verbraucherinformationsgesetz, S. 35. 327  Holzner, NVwZ 2010, 489 (491).

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4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

schlossen. Wollte man dies als Gesamttendenz sehen, müssten Ausschlüsse von der Veröffentlichung restriktiv ausgelegt werden. Das Ergebnis muss dennoch anders ausfallen: Denn wichtiges und im öffentlichen Interesse liegendes Ziel des Veröffentlichungsausschlusses während laufender Verfahren ist, diese nicht durch die Warnung von „Tätern“ zu gefährden.328 Eine Information vor Beginn der entsprechenden Verfahren würde damit die Funktionsfähigkeit der Verfahren torpedieren. Dies trifft zwar nicht auf jedes Verfahren, so etwa nicht auf die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen, zu. Die Norm muss jedoch für alle betroffenen Fälle einheitlich und nicht je nach konkretem Sachverhalt ausgelegt werden. § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG ist daher extensiv dahingehend zu verstehen, dass eine Veröffentlichung nicht nur während des Verfahrens ausgeschlossen ist, sondern auch davor. (3) Sonderproblem Verwaltungsverfahren Ein spezielles Problem ergibt sich bei § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG noch aus dem Terminus „Verwaltungsverfahren“. Dieses könnte, unter der Prämisse der verfassungskonformen Auslegung der Rückausnahme des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) a. E. VIG, ebenfalls die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ausschließen. Allerdings ist ein Verwaltungsverfahren, sofern man sich nach der Definition des § 9 VwVfG richtet,329 auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet. Ob die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse beziehungsweise die Information über die Veröffentlichung einen Verwaltungsakt darstellt, bedarf jedoch noch einer eingehenden Prüfung.330 Unabhängig von der Einschlägigkeit des Begriffes „Verwaltungsverfahren“ für die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse, ist umstritten, ob die Unschuldsvermutung, die für Sanktionsverfahren im Ordnungswidrigkeitenund Strafrecht zur Notwendigkeit der verfassungskonformen Auslegung geführt hat, im Verwaltungsverfahren überhaupt gilt331. Sofern die Geltung abzulehnen ist, kann es aber an der Verhältnismäßigkeit fehlen332, sodass darüber das Erfordernis einer verengenden verfassungskonformen Ausle328  Vgl.

VIG.

BT-Drs. 17/7374, S. 23. Dies zeigt auch die Rückausnahme des § 3 S. 3

329  Dies tun Domeier/Matthes, Verbraucherinformationsgesetz, S. 32; Schulz, Verbraucherinformationsgesetz, S. 35. 330  Dazu ausführlich unten unter Kap. 6, B. I. 331  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 84, Rn. 17. 332  So Zilkens, NVwZ 2009, 1465 (1468) für alle noch nicht abgeschlossenen behördlichen Verfahren.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen197

gung nötig wird. Denn zum Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens sei die Information noch nicht hinreichend gesichert und daher – gerade ohne entsprechende Interessenabwägung – gegebenenfalls nicht angemessen333 aufgrund der möglichen schweren Eingriffswirkung von Informationen.334 Die Verhältnismäßigkeit der Informationsveröffentlichung ist, ebenso wie die Frage nach der Verwaltungsaktqualität, aber ein ausführlich zu behandelnder Punkt.335 An dieser Stelle muss es somit dahinstehen, ob für das Verwaltungsverfahren § 3 S. 1 Nr. 1 lit) b VIG ebenfalls verengend ausgelegt werden muss. Da die Veröffentlichung über § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage nach der hier vertretenen Ansicht ohnehin schon an dessen mangelnder Bestimmtheit scheitert und während laufender Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren auch nicht möglich wäre, kann dies offen gelassen werden. b) § 3 S. 1 Nr. 2 VIG – Der Information entgegenstehende private Belange Private Belange, wie personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, können ebenfalls die Veröffentlichung von Informationen gemäß § 3 S. 1 Nr. 2 VIG ausschließen. § 3 S. 1 Nr. 2 lit c) VIG schließt die Informationsveröffentlichung aus, wenn die Kontrollergebnisse Betriebsund Geschäftsgeheimnisse wären. Dies ist jedoch nicht der Fall.336 Einschlägig gewesen wären die „sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen, die in ihrer Bedeutung mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind“, die aus § 3 S. 1 Nr. 2 lit c) VIG aber – wohl mangels eigenständiger Bedeutung337 – zum 1.9.2012 gestrichen wurden. Darunter sollten dem Gesetzgeber nach etwa ungünstige Untersuchungsergebnisse fallen, allerdings auch nur, solange sie keine Rechtsverstöße darstellen.338 § 3 S. 1 Nr. 2 lit c) VIG greift damit nicht als Ausschlussgrund. Auch der Ausschlusstatbestand des § 3 S. 1 Nr. 2 lit a) VIG für personenbezogene Daten ist nicht einschlägig.339 Zwar können in den Lebensmittelkontroll­ ergebnissen personenbezogene Daten liegen.340 Allerdings fallen darunter 333  Girnau, ZLR 2006, 651 (660). Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 153, Rn. 29. 334  Zilkens, NVwZ 2009, 1465 (1468). 335  Ausführlich unten unter Kap. 5, A. 336  Dazu siehe oben unter Kap. 3, A. I. 337  BT-Drs. 17/7374, S. 16. 338  BT-Drs. 16/5404, S. 12. 339  A. A. OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (634). 340  Ausführlich dazu schon beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung oben unter Kap. 3, A. IV.

198

4. Kap.: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage

keine Rechtsverstöße, da diesbezüglich kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht.341 Dies steht zwar in Widerspruch zu der Auslegung personenbezogener Daten beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung, trägt aber der einheitlichen Auslegung von lit a) und lit c) Rechnung. c) Ergebnis zu den Ausschlussgründen des § 3 VIG Als Ausschlussgrund greift somit nur § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG aufgrund der Eröffnung von ordnungswidrigkeitenrechtlichen oder gerichtlichen Verfahren. Dieser muss verfassungskonform so ausgelegt werden, dass Veröffentlichungen aus laufenden Sanktionsverfahren nicht stattfinden dürfen. So würde über § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage eine Veröffentlichung negativer Kontrollergebnisse teilweise zumindest zeitweilig verhindert.342 Damit würde § 6 I 3 VIG auch ohne seine mangelnde Bestimmtheit für die Veröffentlichung negativer Lebensmittekontrollergebnisse nicht immer greifen. 4. Zusammenfassung zu § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage Das VIG käme nur für solche Kontrollergebnisse in Betracht, die auf „nicht zulässigen Abweichungen“ von lebensmittelrechtlichen Vorschriften beruhen, da nur diese nach § 2 I Nr. 1 VIG vom Anspruch auf Zugang erfasst sind. Damit würden nur solche Kontrollergebnisse veröffentlicht werden dürfen, die auf unzulässigen Abweichungen beruhen und dennoch nicht Gegenstand eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens sind. Damit müsste entweder der Fall vorliegen, dass die zuständige Behörde kein klassisches Sanktionsverfahren einleitet, um die Ergebnisse stattdessen veröffentlichen zu können, oder ein solches Verfahren bereits abgeschlossen ist, was jedoch eine sehr späte Informationsveröffentlichung bedeuten würde. Folglich würde das VIG nur zu einem sehr kleinen Teil die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ermöglichen343. § 6 I 3 VIG als Ermächtigungsgrundlage scheitert aber ohnehin wegen seiner mangelnden Bestimmtheit. Das VIG stellt somit keine Ermächtigungsgrundlage für die aktive Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen dar.344 341  VG Düsseldorf, LMRR 2010, 54; Elsing, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 9 (18). 342  Schink, Rechtsgutachten, S. 47, 50. 343  Vgl. i. E.: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris; Elsing, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 29 (40). 344  VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 34, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 34.



B. Spezielle Ermächtigungsgrundlagen199

V. Polizeirechtliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage Die Veröffentlichung von Informationen kann in Einzelfällen auch auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel erfolgen.345 Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die die polizeirechtlichen Generalklauseln der Bundesländer fordern, liegt schon bei jeder Verletzung der objektiven Rechtsordnung vor.346 Dennoch ist die polizeirechtliche Generalklausel keine geeignete Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung aller Kontrollergebnisse. Denn nicht bei jedem Minuspunkt auf den Veröffentlichungslisten von Lebensmittelkontrollergebnissen liegt schon ein Rechtsverstoß vor. Außerdem ist in diesem Fall auch grundsätzlich die Anwendbarkeit des Polizeirechts gesperrt.347 Denn die Anwendung dieser sehr generellen Norm würde die Tatbestandsvoraussetzungen, die in Spezialgesetzen wie dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch für Informationen bestehen, leer laufen lassen. Daher sind die Polizeigesetze beziehungsweise die allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetze subsidiär gegenüber speziellen Gefahrenabwehrgesetzen und speziellem Ordnungsrecht von Bund oder Ländern. Dafür ist es nicht erforderlich, dass das speziellere Gesetz tatsächlich einschlägig ist. Es genügt eine „besondere Nähe“ zu einem geregelten Tatbestand, denn auch bei absichtlicher Nichterfassung eines bestimmten Verhaltens soll diese Wertung nicht durch die Anwendung einer allgemeineren Norm umgangen werden können; dies liefe dem Zweck der Generalklauseln, gerade atypisches und unerwartetes Verhalten zu regeln, zuwider.348 Somit sperrt die Nähe der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen zu § 40 LFGB und § 6 I 3 VIG349, auch wenn diese letztlich nicht einschlägig sind, die Anwendbarkeit des Polizeirechts.

VI. Ergebnis zur Frage der Ermächtigungsgrundlage Derzeit ist die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen mangels Ermächtigungsgrundlage verfassungswidrig. 345  Vgl. Böhm, JA 1997, 794 (796); Dolde, Behördliche Warnungen vor nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln, S. 26; Porsch, Warnungen und kritische Äußerungen als Mittel gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit, S. 20, 21. 346  Tettinger/Erbguth/Mann, BesVerwR, S. 193. 347  Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, S. 254, Rn. 3; S. 255, Rn. 5, 6. So implizit auch: Porsch, ZLR 2003, 175 (178). 348  Vgl. zu diesem Gedanken Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, S. 255, Rn. 5, 6. 349  Das VIG ist nicht das klassische spezielle Ordnungsrecht. Für den konkreten Sachverhalt der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist es dennoch spezielleres Recht ggü. dem Polizeirecht.

Fünftes Kapitel

Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung Eine rechtmäßige Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse scheitert derzeit schon an der fehlenden Ermächtigungsgrundlage. Eine solche könnte vom Gesetzgeber bei entsprechender Intention aber schnell geschaffen werden. Daher ist nun noch zu klären, ob eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung möglich wäre, wenn eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage bestünde. Für die betroffenen Freiheitsrechte ist daher die Verhältnismäßigkeit zu untersuchen, für Art. 3 GG die Rechtfertigungsmöglichkeit. Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung können jedoch nicht allgemein bewertet werden. Vielmehr ist eine Prüfung im Einzelfall und anhand der konkreten Veröffentlichung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Aspekte notwendig.1 Daher soll die Verhältnismäßigkeit nun anhand des einzigen Ende März 2014 noch existenten staatlichen und zwingenden Veröffentlichungsmodells untersucht werden, auch wenn dessen Verfassungsmäßigkeit bisher an der fehlenden Ermächtigungsgrundlage scheiterte. Untersuchungsgegenstand ist damit das Veröffentlichungsmodell des Berliner Bezirks Pankow. Bezug genommen wird zusätzlich auf die seit Frühjahr 2013 nicht mehr existente Berliner Sicher-Essen-Liste, das erst seit Februar 2014 nicht mehr existente Modell von Tempelhof-Schöneberg und das für den Bund erarbeitete Modell der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz. Ebenso Erwähnung findet die Veröffentlichungsform des Pilotprojekts in Bielefeld und Duisburg. Denn unabhängig davon, dass dieses als Information durch einen Verein anderen Anforderungen genügen müsste als staatliche Informationen, stellt es in seiner konkreten Ausgestaltung, die zudem dem angedachten Bundesmodell sehr ähnelt, einen interessanten Vergleichsmaßstab dar. Unbeachtet bleiben freiwillige Ausgestaltungen.

1  Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 249, Rn. 124. Eine differenzierte Diskussion wünscht sich auch Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1361).



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 201

A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte Verhältnismäßigkeit heißt, dass die Freiheit der Bürger nur so weit beschränkt werden darf, wie es für den Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.2 Die Möglichkeit einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen wird zum Teil bezweifelt.3

I. Legitimer Zweck Zur verhältnismäßigen Ausgestaltung gehört zunächst ein legitimer Zweck. Zweck der Veröffentlichung ist die Beeinflussung des Verbraucherverhaltens und indirekt damit die Beeinflussung des Verhaltens der Unternehmer, die zur stärkeren Einhaltung des Lebensmittel- und Hygienerechts angehalten werden sollen.4 Dies ist eine mittelbare Sanktion5, die der Abwehr von (Gesundheits-)Gefahren im weiteren Sinne dient und so dem Verbraucherschutz. Es ist legitim, dieses Ziel mittelbar durch die Beeinflussung der Verbraucher6 und durch die Erkennbarmachung von Ungleichheiten am Markt erreichen zu wollen. Denn der Markt ist ein „Raum natürlicher Ungleichheiten“7. Erster legitimer Zweck ist damit die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer. Weiterer Zweck der Veröffentlichung ist die Information der Verbraucher, um diesen eigenverantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen. Dies gibt den Verbrauchern die Möglichkeit, ihre Vertragsfreiheit aus Art. 2 I GG zu verwirklichen und aktiv durch ihre Entscheidung am Angebot des Marktes teilzuhaben und dieses mitzugestalten. Die Information der Verbraucher trägt zudem zur Markttransparenz bei. Information ist im Rechtsstaat eine staatliche Aufgabe8, deren Relevanz durch den Wandel zur Informationsgesellschaft und den dadurch enorm gestiegenen Wert von Information sehr hoch ist.9 Die Information der Verbraucher ist daher ein legitimer Zweck.10 2  BVerfGE

19, 342 (347, 348). NVwZ 2011, 1357 (1361). A. A. Wollenschläger, VerwArch 2011,

3  Ossenbühl,

20 (48). 4  Siehe oben unter Kap. 4, A. I. 3. 5  Raspé, BLJ 2013, 8 (12). 6  Vgl. zur Verbraucherbeeinflussung im Umweltschutzrecht: Lübbe-Wolf, NJW 1987, 2705 (2712). 7  Leisner, Wettbewerb als Verfassungsprinzip, S. 171, 172. 8  Schoch, AfP 2010, 313 (321). 9  Siehe dazu oben unter Kap. 1, C. II. 3. 10  So auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13).

202

5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

Auch die konkrete Gefahrenabwehr wäre an sich ein legitimer Zweck, wird jedoch durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse nicht verfolgt.11 Der Grund dafür zeigt sich in der fehlenden Geeignetheit. Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse verfolgt somit die legitimen Ziele, die Unternehmer durch öffentlichen Druck zur Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zu bringen und durch Information Eigenverantwortung bei den Verbrauchern zu ermöglichen.

II. Geeignetheit Die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse muss außerdem geeignet sein, diese Ziele zu erreichen. Dafür muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass durch die Maßnahme der angestrebte Zweck erreicht12 beziehungsweise gefördert13 wird. Hier scheidet die konkrete Gefahrenabwehr aus, da die umfassende Veröffentlichung der Lebensmittelkontroll­ ergebnisse dafür offensichtlich ungeeignet ist und ein klassisches einschreitendes Handeln des Staates nötig wäre.14 Denn weder ist sicherzustellen, dass jeder die Information zur Kenntnis nimmt und sich nach ihr verhält; noch besteht bei allen Verstößen eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut, so etwa bei mangelhafter Mitarbeiterschulung.15 Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse muss daher der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer dienen sowie der Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen. 1. Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer Zur besseren Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften durch die Unternehmer führt die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen. Dazu liegt zwar bislang wenig belastbares Zahlenmaterial vor, da die Veröffentlichungsmodelle in ihrer derzeitigen Form alle noch relativ neu sind. Der Blick nach Dänemark und Toronto, wo die Ergebnisse neben der Veröffentlichung im Internet an den Türen der Betriebe ausgehängt werden, zeigt aber, dass die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse dort zu weniger Beanstandungen führt. In Dänemark 11  Dazu

bereits oben unter Kap. 4, B. I. 121, 317 (354) m. w. N. 13  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 118. 14  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 238, Rn. 81. 15  Raspé, BLJ 2013, 8 (12). 12  BVerfGE



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 203

wurden kurz nach Einführung des Hygiene-Smileys im Jahr 2002 in 70 Prozent der Kontrollen der beste Smiley vergeben, im Jahr 2010 in nahezu 87 Prozent.16 In Toronto sank mit dem Beginn der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse im Jahr 2001 die Rate der Beanstandungen um fast 30 Prozent; mittlerweile halten sich rund 90 Prozent der kontrollierten Betriebe an Hygienevorschriften.17 Ähnliche Verbesserungen wurden in New York festgestellt: Während sechs Monate nach Einführung der Ergebnisveröffentlichungen nur 27 Prozent der Betriebe bei Erstinspektionen die Bestnote erhielten, waren es 18 Monate nach Beginn der Veröffentlichung bereits 41 Prozent.18 Auch beim Pilotprojekt in Duisburg und Bielefeld zeichneten sich nach gut einem Jahr bereits positive Entwicklungen ab: So haben sich dort über 70 Prozent der Betriebe bei der zweiten Kontrolle verbessert; von Ende Juni 2014 bis Januar 2015 haben sich zudem die grünen Bewertungen um 2 Prozent erhöht.19 Grundsätzlich kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Veröffentlichung von Verstößen geeignet ist, weiteren Verstößen vorzubeugen.20 Die Veröffentlichung ist dabei einerseits spezialpräventiv geeignet, indem sie den einzelnen betroffenen Unternehmer beeinflusst, aber auch generalpräventiv durch allgemeine Abschreckung vor Verstößen gegen die Anforderungen des Lebensmittelrechts. Gerade auch die Veröffentlichung bereits vergangener Verstöße dient dabei der Spezial- als auch der Generalprävention, da es besonders abschreckend wirkt, wenn man durch die Mängelbehebung im Nachhinein die negative Veröffentlichung nicht mehr beeinflussen kann.21 Dies ist ein starker Anreiz, schon vor einer entsprechenden Kontrolle die lebensmittelrechtlichen Anforderungen einzuhalten.

16  Daten abrufbar unter: http://www.findsmiley.dk/en-US/Forside.htm (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 17  Daten abrufbar unter: http://www.toronto.ca/legdocs/mmis/2010/hl/bgrd/back groundfile-27180.pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 18  Daten abrufbar unter: http://www1.nyc.gov/assets/doh/downloads/pdf/rii/restau rant-grading-18-month-report.pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 19  http://www.vz-nrw.de/appetitlich-app-auf-erfolgskurs--ein-jahr-gastronomiekontrollbarometer-fuer-duisburg-und-bielefeld (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 20  OVG Nds., Beschl v.18.1.2013  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 9; VGH München, Beschl.v. 22.12.2009 – G 09. 1, juris, Rn. 22; OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (635); VG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.010  – 26 L 683/10, juris, Rn. 39. Ebenso die Bewertung bei Elsing, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 9 (18); Raspé, BLJ 2013, 8 (12). 21  So i. E. zur Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB auch: OVG Nds. Beschl. v. 18.1.2013  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 9.

204

5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

2. Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen durch Information Die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist ebenfalls geeignet, eigenverantwortliche Entscheidungen der Verbraucher zu ermöglichen. Dagegen wird eingewendet, dass die Informationslage der Verbraucher dafür tatsächlich verbessert werden müsste, was aus mehreren Gründen nicht der Fall sei22: Erstens sei die Veröffentlichung eher irreführend als informativ. So hätten die Veröffentlichungen einen zu pauschalen Charakter, sofern sie nur ein Ergebnis durch Punkte oder ähnliches mitteilen, wie das Pilotprojekt Bielefeld / Duisburg oder die ehemalige berlinweite Veröffentlichungsliste „Sicher essen“.23 Dies ist richtig, da der Verbraucher bei bloßem Ergebnis nicht selbst gewichten kann, welche Teilaspekte ihm besonders wichtig sind. Ebenso wenig kann er dann für sich eher unwichtiges, beispielsweise die bauliche Beschaffenheit einer Gaststätte, ignorieren. Als besonders pauschal fällt dabei die Veröffentlichung in Bielefeld / Duisburg auf: Dort wird nicht einmal der genaue Kontrollmaßstab angegeben, sondern im Einleitungstext lediglich die Oberkategorien Hygienemanagement, Eigenkontrollen, Betriebsführung.24 Nicht zu folgen ist daher Haussühl, der eine Aufschlüsselung nicht für nötig hält, da die Informationsrezeption der Verbraucher ohnehin „in aller Regel nur flüchtig“ sei.25 In dieselbe Richtung geht Becker: Information würde vom Verbraucher generell als Warnung „(miss)verstanden“, daher sei Information nur bei Vorliegen einer Gesundheitsgefahr ein verhältnismäßiges Mittel.26 Diesem Ansatz liegt das frühere Verständnis vom eher unkundigen und unaufmerksamen Verbraucher zugrunde. Dieses wird nach und nach durch das Verbraucherleitbild des EuGH, der dem Verbraucher beispielsweise die Rezeption und das Umsetzen von Informationen zutraut27, ersetzt. Dieser Wandel zeigt sich beispielhaft daran, dass in Deutschland Verbraucherschutz auch durch Information stattfindet, was wiederum nur sinnvoll ist, wenn man von der Rezep­tion der Informationen durch den Verbraucher ausgeht. 22  Grube/Immel/Wallau,

Verbraucherinformationsrecht, S. 238, Rn. 82. für die Berliner „Sicher essen“-Liste: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 238, Rn. 83. Vgl. Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, Vorwort. 24  Veröffentlichungsmodell ist oben abgebildet unter Kap. 2, B. I. 25  Haussühl, Die Produktwarnung im System des Öffentlichen Rechts, S. 58. Zum Verbraucherleitbild in Deutschland siehe auch Grube, Verbraucherschutz durch Lebensmittelkennzeichnung?, S.  99 ff. 26  Becker, ZLR 2011, 391 (417). 27  Näheres dazu bei Grube, Verbraucherschutz durch Lebensmittelkennzeichnung?, S. 100. Zum Verbraucherleitbild ausführlich oben unter Kap. 1, D. III. 1. 23  So



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 205

Wenn jedoch mehr Details angegeben werden, wie etwa bei der Veröffentlichung des Berliner Bezirks Pankow aus dem Jahr 201428, ist ebenfalls unklar, ob sie tatsächlich zu mehr Informiertheit der Verbraucher führen. Denn eine Informationsüberflutung birgt die Gefahr der Überforderung, statt zu mehr Wissen zu führen.29 Unter Details wie der „baulichen Beschaffenheit“ oder „Schädlingsbekämpfung“ könne sich der Verbraucher zudem nichts vorstellen.30 Dem trat die Pankower Liste in ihrer letzten Form mit jeweils „erklärenden“ Begriffen entgegen, „baulichen Beschaffenheit“ ergänzt sie mit „Instandhaltung“, „Schädlingsbekämpfung“ mit „Befallskontrolle“. Zu viele Informationen würden aber auch zu einer Abstumpfung der Rezipienten führen.31 Unabhängig von der Menge und der Verständlichkeit der veröffentlichten Details würde daher die Informationslage nicht verbessert. Eingewendet werden könnte gegen die tatsächliche Verbesserung der Informationslage der Verbraucher ebenso, dass die Verbraucher die Information größtenteils nicht zur Kenntnis nähmen.32 Dies wurde allerdings bereits widerlegt.33 Ohnehin kann Sorge vor Überforderung oder fehlender Kenntnisnahme jedoch nicht ausschlaggebend sein. Denn Information ist nur durch Information möglich. Das muss auch in unserem Umfeld massenhafter Information weiter gelten. Gerade die Informationen des Staates stechen dabei heraus als besonders verlässlich. Vom eigenverantwortlich entscheidenden Verbraucher kann erwartet werden, dass er diese Informationen selektieren kann, zumindest sofern sie entsprechend aufbereitet und vorgefiltert34 sind. Relevant ist, dass die Informationen überhaupt zur Verfügung stehen und der Interessierte Kenntnis nehmen kann.35 Dafür ist eine gewisse Zahl an Details notwendig, denn Information ohne ihren Kontext ist „Desinfor­mation“36. Zur Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen ist daher die Veröffentlichungsform in Bielefeld / Duisburg mangels konkreter Angaben über den Kontrollmaßstab und entsprechender Einzelergebnisse ungeeignet. 28  Veröffentlichungsmodell

ist oben abgebildet unter Kap. 2, B. III. 1. siehe oben unter Kap. 1, C. II. 3. Diese Gefahr sieht auch Falck, Verbraucherinformationsgesetz, S. 124. 30  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (434, 439). 31  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (434, 439). 32  Vgl. Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284 (308), die widersprüchlich einerseits mangelndes Interesse befürchten, andererseits aber von der Gefahr gravierender Folgen der Veröffentlichung ausgehen. 33  Siehe oben unter Kap. 3, B. II. 34  Dies fordern auch: Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (434). 35  BVerfG, Beschl. v. 25.2.08  – 1 BvR 3255/07, juris, Rn. 27  – Vorstandsvergütungen GKV. 36  Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 294. 29  Dazu

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

Auch die Veröffentlichung unter dem Schlagwort „Hygienekontrollergebnisse“ – wie es etwa bei der Berliner Liste „Sicher essen“ der Fall war – wird als eher irreführend kritisiert, da es eben nicht nur um Hygiene geht, sondern beispielsweise auch um Betriebsorganisation, Schulungen oder Baumängel, und die Hygieneanforderungen nur einer von drei großen Prüfbestandteilen sind.37 Dieser Einwand ist richtig. Allerdings führt er nicht dazu, dass die Information in Gänze ungeeignet wäre. Das zuletzt aktive Pankower Modell verwendete den Begriff nicht, ebensowenig das Bielefelder / Duisburger Pilotprojekt. Eine solche Bezeichnung wurde vielmehr vor allem durch die Presse benutzt.38 Eine bessere Aufklärung über den Inhalt der Kontrollen könnte Abhilfe gegen solcherlei Irreführung schaffen. Dies geschah bereits teilweise. So wies die ehemalige Veröffentlichungsform vom Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg etwa direkt neben jedem einzelnen Ergebnis darauf hin, dass es sich beim Überprüften nicht nur um den hygienischen Zustand eines Betriebes handelt.39 Auch die Veröffentlichung von Pankow beinhaltete den Hinweis, dass die hygienische Qualität in der Unterrubrik „Hygienemanagement“ zu finden ist. Dies geschah zwar nicht direkt auf den Seiten, die das Kontrollergebnis anzeigen, aber auf der dazu „einleitenden“ Seite mit allgemeinen Informationen. Eine Irreführung durch das Schlagwort „Hygienekontrollergebnisse“ entsteht damit höchstens durch die Presseberichterstattung, die nach Art. 5 I 2 GG aber frei ist40. Damit trägt die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse zur Verbesserung der Information der Verbraucher bei, wenn hinreichend viele Details gegeben werden, ohne unter pauschalen Schlagworten zu firmieren. Dem wird lediglich die Veröffentlichung von Bielefeld / Duisburg nicht gerecht. Zweiter Kritikpunkt an der Geeignetheit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ist deren fehlende Aktualität.41 Denn die Ergebnisse spiegeln immer nur die Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Kontrolle wieder, die auch schon über ein Jahr zurückliegen kann. So hatte nach eigener Recherche der Verfasserin etwa die Veröffentlichungsliste vom Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg im Januar 2014 den Aktualisierungs37  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 261, Rn. 170 ff., S. 247, 248, Rn. 120. Vgl. VG München, Beschl. v. 17.1.2013 – M 18 E 12.5870, juris, Rn. 47. 38  So auch Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 262, Rn. 173. 39  Veröffentlichungsmodell ist abgebildet oben unter Kap. 2, B. III. 2. 40  Vgl. Wendt, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 31. 41  Sehen die Veröffentlichung daher als ungeeignet an, sofern diese nicht aktuell ist: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 144; Raspé, BLJ 2013, 8 (13).



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 207

stand Juni 2012.42 Es könnte jedoch kein Informationsbedürfnis mehr bestehen, wenn die Mängel behoben sind.43 Mettke sieht dies sogar noch enger: So sei das Kontrollergebnis schon im Moment der Veröffentlichung nicht mehr aktuell und damit ungeeignet.44 Eine sachkundige Entscheidung würde so nicht befördert.45 Dem ist nicht zu folgen. Auch die Einhaltung des Lebensmittelrechts in der jüngeren Vergangenheit ist für die Konsumentscheidung eine relevante Ttsache.46 Eine Nachkontrolle hat nicht mehr den Charakter einer überraschenden Kontrolle und kann daher nicht allzu stark ins Gewicht fallen47; ihre Nennung als kleine Notiz muss daher genügen. Gerade dann, wenn auch ältere Ergebnisse desselben Betriebes mit veröffentlicht werden, kann der Verbraucher aus nicht ganz aktuellen Ergebnissen eine Gesamttendenz erkennen.48 Selbst wenn dem jedoch nicht so ist, geben ältere Kontrollergebnisse Aufschluss über das Verhalten des Unternehmers und ermöglichen zumindest eine eher eigenverantwortliche Verbraucherentscheidung als ohne die Veröffentlichung möglich wäre. Zudem wird bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung auch überprüft, ob Managementsysteme (etwa das HACCP-Verfahren, Mitarbeiterschulungen oder Ähnliches) etabliert sind, um innerbetriebliche Fehler gar nicht erst entstehen zu lassen beziehungsweise selber schnell zu erkennen; dies gibt dem Kontrollergebnis eine gewisse Dauerhaftigkeit.49 Dennoch muss differenziert werden: Grundsätzlich dient auch eine Information über das zurückliegende Verhalten eines Unternehmers dem Informationsbedürfnis der Verbraucher. Allerdings sollte gerade bei länger als einem Jahr zurückliegenden Kontrollergebnissen absolut deutlich werden, dass diese einen „früheren“ Zustand betreffen. Dies besagt zwar auch schon das Kontrolldatum. Wirklich auffällig wird es aber erst, wenn das ältere Kontrollergebnis nicht mehr den Platz des „aktuellen“ Ergebnisses einnimmt, sondern einen etwas weniger augenfälligen in der Historie50. Zu42  Die Liste war bis Februar einsehbar unter http://www.berlin.de/ba-tempelhofschoeneberg/organisationseinheit/vetleb/smiley.html (Letzter Aufruf: 9.1.2014). 43  Vgl. Riemer, ZLR 2013, 223 (226). 44  Mettke, ZLR 2009, 399 (400). Zweifeln an der Geeignetheit zumindest, wenn die Kontrolle „länger zurückliegt“: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 253, Rn. 144. 45  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (439). 46  OVG Nds. Beschl.v. 18.1.2013,  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 9; VG Saarland, Beschl. v. 25.1.2013 – 3 L 76/13, juris, Rn. 14. Vgl. Schink, Rechtsgutachten, S. 55. 47  Vgl. Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (437). 48  Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 239, Rn. 85. 49  Wiemers, LMuR 2010, 169 (174). 50  Beispielhaft ist dafür die Darstellungsform der Pankower Liste 2014, abgebildet unter Kap. 2, B. III. 1.

208

5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

dem wurde teilweise auch bei kürzer zurückliegenden Kontrollzeitpunkten – ebenfalls bei dem Veröffentlichungsmodell des Berliner Bezirks TempelhofSchöneberg – nicht angegeben, ob die festgestellten Mängel beseitigt wurden oder nicht. Damit kann sich ein falscher Eindruck ergeben, insbesondere auch im Zusammenhang mit einem lange zurückliegenden Kontrollergebnis. Die ehemalige Veröffentlichungsform von Tempelhof-Schöneberg ist daher nicht geeignet, eigenverantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen, da sie aufgrund der sehr lange zurückliegenden Kontrollergebnisse plus fehlender Information über ein mögliches Abstellen der Mängel keine ausreichende Informationsgrundlage ist. Damit wären die Veröffentlichungsformen des Pilotprojekts in Bielefeld / Duisburg sowie des Berliner Bezirks TempelhofSchöneberg nicht geeignet, eigenverantwortliche Entscheidungen der Konsumenten zu ermöglichen. Gegen die Geeignetheit der Veröffentlichung des Berliner Bezirks Pankow von 2014 bestehen hingegen keine Bedenken.

III. Erforderlichkeit Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse muss zudem erforderlich sein, das heißt zur Zielerreichung notwendig. Es darf keine milderen Mittel geben, die zum selben Erfolg führen würden und damit gleich geeignet wären. Solche Mittel könnten in einem gänzlich anderen Konzept liegen, etwa der bloßen Anwendung klassischer Steuerungsmaßnahmen (dazu unter a), oder in zumindest kleinen Änderungen an den derzeitigen Veröffentlichungsmodellen (dazu unter b). 1. Klassische Maßnahmen als milderes Mittel Zur Erreichung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften durch die Unternehmer sind die klassischen Maßnahmen, wie etwa ein Bußgeld oder in gravierenden Fällen die vorübergehende Betriebsschließung, gegebenenfalls milder51. Diese ermöglichen den Verbrauchern jedoch keine eigenverantwortliche Entscheidung und sind schon von daher nicht ebenso effektiv.52 51  So für Informationen nach § 40 I a LFGB: OVG Rheinl.-Pfalz, Beschl. v. 13.2.2013  – 6 B 10035/13, juris, Rn. 17; VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 33. Vgl. Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358, 1361). Vgl. zur Berliner „Sicher essen“-Liste: VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 55; zur Arzneimitteltransparenzliste: BVerwGE 71, 183 (196). Nach Raspé, BLJ 2013, 8 (12) ist bei hohem Bußgeld ggf. auch die Information milder. Diese sei dann aber eher nicht angemessen, da sie dauerhaft sanktioniere und damit nicht verhältnismäßig sei. 52  Vgl. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (42).



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 209

Und auch zur Erreichung der Einhaltung des Lebensmittelrechts sind klassischen Maßnahme offenbar nicht effektiv genug.53 Denn der Anteil der kontrollierten Betriebe, die gegen das Lebensmittelrecht verstoßen, ist seit Ende der neunziger Jahre stetig gestiegen von 21 Prozent im Jahr 1998 über 23 Prozent im Jahr 200654 auf 27 Prozent im Jahr 201155, bei stetig zurückgehender Zahl der überhaupt kontrollierten Betriebe. Es wurden somit immer mehr Verstöße in immer weniger Betrieben festgestellt. Diese Entwicklung kann an dem risikoorientierten Ansatz der Kontrolle liegen.56 Das bedeutet aber auch, dass die Beanstandungsquote in Deutschland bereinigt von den Veränderungen durch die Risikobasiertheit zumindest etwa gleichbleibend hoch ist.57 Effektiv abschreckende Maßnahmen gegen die Verstöße müssten jedoch eher einen stetigen Rückgang bewirken. Auch das OVG Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass klassische ordnungsrechtliche Maßnahmen die Befolgung des Lebensmittelrechts nicht hinreichend gewährleisten.58 Zum gleichen Ergebnis kam auch das OVG Niedersachsen in einem Fall, in dem im Jahr 2012 so große Hygienemängel festgestellt wurden, dass 500 € Bußgeld verhängt wurden; gleichartige Verstöße waren in diesem Betrieb schon 2009 festgestellt worden und ebenfalls mit einem Bußgeld in Höhe von 500 € geahndet worden.59 Die Erforderlichkeit der Information neben klassischen Maßnahmen zeigt sich auch in einer Datenanalyse der Stadt Offenbach in Hessen. Diese wertete im Vorhinein der Einführung eines „Positiv-Smileys“60 die Kontrollergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung aus. Von 430 gastronomischen Betrieben hätten danach nur 40 Betriebe ein gut bis sehr gut und damit die Vergabe des positiven Smileys sofort beantragen können. 120 Betriebe wiesen eine mittlere Bewertung auf. Weit mehr als die Hälfte der

53  A. A. Raspé, BLJ 2013, 8 (12), die spezial- und generalpräventiven Zweck dadurch erfüllt sieht. 54  Daten einsehbar unter: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­ sicherheit, BVL Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2006, S. 62. 55  Siehe: http://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten/01_ Presse_und_Hintergrundinformationen/01_Lebensmittel/2012/2012_11_08_hi_jahres pressekonferenz.html?nn=1535210 (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 56  Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2006, S. 62. 57  I. E. von einer gleichbleibenden Beanstandungsquote ausgehend auch: Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 29. 58  OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 192/13, juris, Rn. 53, und  –13 B 215/13, juris, Rn. 55. 59  OVG Nds., Beschl v.18.1.2013  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 13. 60  Näheres dazu oben unter Kap. 2, B. II.

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

Betriebe hatten ein deutlich negatives Ergebnis.61 Damit ist es offenbar richtig, dass die Veröffentlichung der Ergebnisse im Gegensatz zu den derzeitigen klassischen ordnungsrechtlichen Maßnahmen die einzig effektive Möglichkeit ist, um die Einhaltung des Lebensmittelrechts zu verbessern.62 Daher ist die Information auch neben den möglichen klassischen ordnungsrechtlichen Instrumenten erforderlich, selbst um das Ziel der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zu erreichen. Eine mildere Alternative wäre es dabei nicht, wenn man im Rahmen der klassischen ordnungsrechtlichen Maßnahmen höhere Geldbußen gesetzlich ermöglichen würde, um die Schlagkraft des klassischen Ordnungsrechts zu erhöhen. Denn die gesetzlich festgelegte Obergrenze, die je nach Schwere des Falles gemäß § 60 V LFGB bei zwanzig- bis hunderttausend Euro liegt, ist bereits abschreckend. Verändert werden könnte höchstens die Ausschöpfung dieses Rahmens durch die Verwaltung. Fände aber eine so starke Ausnutzung der möglichen Geldbußen statt, dass diese eine ebensolche Schlagkraft hätten, wie die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse, wäre dies kein gegenüber der Information milderes Mittel mehr. 2. Andere Ausgestaltung der Information als milderes Mittel Ein milderes Mittel könnte jedoch eine solche Ausgestaltung der Information darstellen, die die Unternehmer etwas weniger stark belastet. Angeknüpft werden kann dabei an die Form, den Inhalt, die Dauer oder das Objekt der Veröffentlichung. a) Form Ein milderes Mittel könnte, anstatt einer Veröffentlichung im Internet, die Aushängung der Kontrollergebnisse am entsprechenden Betrieb sein. Denn die Veröffentlichung über das Internet bewirkt besondere Belastungen: sie ist schnell, breitenwirksam, durch Suchmaschinen leicht auffindbar, durch Geo- und Trackingdienste verknüpfbar und durch Archivdienste dauerhaft.63 Dadurch entsteht eine sehr starke Eingriffswirkung64, sodass besondere Vor61  So damals unter: http://www.offenbach.de/offenbach/themen/rathaus/aemterund-gesellschaften/amt-fuer-veterinaerwesen-und-verbraucherschutz/offenbachersmiley/article/smiley-einfuehrung.html (Letzter Aufruf: 13.4.2015). 62  So Pankows Bezirksstadtrat Kirchner in http://www.taz.de/!31229/(Letzter Aufruf: 1.7.2016). Vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 60. 63  Peifer, JZ 2012, 851 (851, 852). 64  OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 192/13, Rn. 25.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 211

sicht angezeigt ist65. Jedoch besteht die Möglichkeit, die Veröffentlichungslisten „ad hoc“ zu generieren.66 Das bedeutet, dass sie nicht im Internet selbst gespeichert, sondern auf einem Server, von dem sie bei jedem Aufruf, in der Regel als PDF-Dokument, neu geladen werden. Das bewirkt, dass die Inhalte der Listen etwa durch Suchmaschinen nicht gefunden werden können. Auch in das „kollektive Gedächtnis“ des Internets gehen die einzelnen Daten auf der Liste so nicht ein. Bei den Veröffentlichungsmodellen der Berliner Bezirke wurde dies bereits so gehandhabt. Auch die Veröffentlichungen nach § 40 I a LFGB wurden größtenteils so ausgestaltet, bis entsprechende Gerichtsbeschlüsse zum vorzeitigen Ende der Veröffentlichungen führten67. Allerdings kann man sich die Listen auf dem eigenen Computer herunterladen und dauerhaft abspeichern. Dennoch bleibt die „ad hoc“-Generierung aber das mildere Mittel gegenüber einer „normalen“ Internetveröffentlichung, wie sie etwa in Dänemark stattfindet. Ein Absehen von der Internetveröffentlichung in Gänze und stattdessen eine bloße Aushängung am Betrieb könnte jedoch nochmals milder sein. Ebenso wäre es jedoch möglich, dass sogar eine stärkere Beeinträchtigung entstünde, da die Kenntnisnahme eventuell erleichtert wäre. Dies legen die Zahlen68 aus Dänemark und Toronto nahe, die einen starken Anstieg der positiven Kontrollergebnisse verzeichnen konnten, wobei die Veröffentlichung zumindest auch an den Betriebstüren erfolgt. Andererseits würde dies, sofern der Aushang durch den Unternehmer selbst erfolgt, auch die Möglichkeit eröffnen, dass Betriebe die Ergebnisse dann geschickt so aufhängen, dass mit der Kenntnisnahme durch die Verbraucher eher nicht zu rechnen ist oder eine Kenntnisnahme erst erfolgt, wenn der Verbraucher seine Konsum-entscheidung schon getroffen hat69. Um dies zu vermeiden, müsste die Aushängung dann zusätzlich kontrolliert werden, was einen zusätzlichen Personalaufwand bedeutet und damit gegebenenfalls nicht ausreichend umgesetzt werden könnte. Dies wäre wiederum nicht gleich geeignet. Auch die Veröffentlichung der Ergebnisse im Internet durch den Betrieb selbst wäre nicht gleich geeignet70, denn so könnte jeder durch Darstellung, Auffindbarkeit und ähnliches die Rezeption beeinflussen. So wären die Informationen wohl nicht an zentraler Stelle gebündelt und somit 65  BVerfGE

104, 65 (72) – Schuldnerspiegel im Internet. Möglichkeit nutzte von Beginn an der Bezirk Pankow. 67  Näheres dazu oben unter Kap. 4, B. III. 3. 68  Siehe oben, II. 1. 69  Schink, Rechtsgutachten, S. 54. 70  A. A. Holzner, NVwZ 2010, 489 (493). 66  Diese

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

schlechter auffindbar. Zudem bliebe fraglich, wer überprüft, ob die Informationen tatsächlich gegeben wurden und sachlich richtig sind.71 Milder, aber nicht ebenso effektiv, ist die Informationspreisgabe auf Antrag.72 Die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen, wird von Bürgern nach den Erfahrungen aus der Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes „eher zurückhaltend“ genutzt73, die Information betrifft in der Regel nur einzelne Betriebe und wird zumeist nicht veröffentlicht. Dies kann die gewünschten Ziele, Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen und eine effektivere Durchsetzung des Lebensmittelrechts, nicht ebenso effektiv erreichen. Ein milderes Mittel zur Erreichung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Normen wäre es ebenso wenig, wenn die Betriebe ihre veröffentlichten Ergebnisse kommentieren und kritisieren könnten. Denn dies vermindert die Nachteile des Betriebes eher nicht und kann sogar zusätzlich negativ gedeutet werden als renitentes und uneinsichtiges Verhalten74. b) Inhalt Eine mildere Alternative könnte eine zurückhaltendere Darstellung der Ergebnisse sein. So stellte die Veröffentlichung des Berliner Bezirks Pankow das Ergebnis etwa anhand der Farben grün, rot, gelb, einem lachenden bis traurig schauenden Smiley, einem Wort (sehr gut bis nicht ausreichend) und der Angabe einer Gesamtzahl der Minuspunkte dar. Ebenso verdeutlicht das Pilotmodell von Bielefeld / Duisburg das Ergebnis farblich, in Form einer Punktzahl und in Worten. Milder wäre etwa, das Gesamt­ ergebnis nur als Zahl der Minuspunkte oder als Wort darzustellen. Dem Bundesverfassungsgericht nach muss staatliche Information vor allem sachlich richtig und neutral sein, die Form darf weder unsachlich noch herabsetzend sein.75 Dies gebiete auch eine „zurückhaltende Präsentation“ staatlicher Informationen.76 An der sachlichen Darstellung könnte es bei einer emotionalisierenden Darstellung anhand von Farben und Symbolen fehlen. Grube / Immel / Wallau kritisieren dabei auch, dass eine Diskrepanz bestünde zwischen dem verwendeten Wort und der Symbolisierung, etwa „zufriedenstellend“ und ein Smiley mit geradem Strich als Mund.77 Der gerade Strich 71  Grube/Immel/Wallau,

Verbraucherinformationsrecht, S. 240, Rn. 89. Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (634). 73  Siehe BT-Drs. 17/7374, S. 12. 74  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 249, Rn. 122. 75  BVerfGE 105, 252 (268, 272) – Glykolwein. 76  Wolf, KJ 28 (1995), 340 (350). 77  Siehe Abbildung dazu oben unter Kap. 2, B. III, 1. 72  OVG



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 213

würde nämlich als „grimmig“ und damit als negativ empfunden, was das Wort zufriedenstellend jedoch nicht nahelegt; dies sei keine sachlich richtige Information.78 Andererseits ist es auch wichtig, für Verständlichkeit der Information zu sorgen. Wie oben festgestellt79, ist es heutzutage vor allem ein Problem, aus den massenhaft vorhandenen Informationen das Verlässliche und Interessierende herauszufiltern. Mit einer überdeutlichen Ergebnisdarstellung wird dem Verbraucher die Bewertung sofort klar, um ihm eine genaue Rezeption des Ergebnisses zu ersparen. Die Details werden aber dennoch präsentiert, sodass der daran interessierte Verbraucher auch diese unproblematisch wahrnehmen kann. Dies wird ihm durch Teilnoten, also die erlangte Zahl an Minuspunkten in jedem Bereich, erleichtert. Damit wird genau der Mittelweg beschritten, den der „Kompromiss“ aus europäischem und deutschem Verbraucherleitbild nahelegt80: Nämlich auf verschieden stark interessierte Verbraucher einzugehen und allen die Rezeption der sie interessierenden Information zu ermöglichen. Denn nur durch auf das Informationsinteresse der Verbraucher abgestimmte Informationen können Transparenz und Verbraucherschutz tatsächlich erreicht werden.81 Wichtig ist eine transparente und objektive Darstellung, die auf Fakten beruht.82 Bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse handelt es sich, trotz der Farben und der Symbolisierung, um ein auf Tatsachen beruhendes Ergebnis. Dieses wurde durch ein neutrales Verfahren gewonnen, bei dem Kontrollvorgang und -Bewertung vorab bestimmt und für jeden gleich sind. Dies für einen flüchtig rezipierenden Verbraucher ebenfalls prägnant darzustellen, muss möglich sein. Eine Verdeutlichung des Ergebnisses durch Farben und Symbole ist somit noch eine neutrale Darstellung.83 Anders wäre es hingegen bei Verknüpfung des Ergebnisses mit zusätzlichen Fotos der Verstöße, wie es bei der ursprünglichen Negativliste von Pankow der Fall war. Dies rief beim Verbraucher zwangsläufig Ekel und damit eine emotionale Eigenbewertung hervor. Anders zu bewerten wäre auch eine Ergebnisdarstellung, die nur mit der farblichen Einstufung zu grün-gelb-rot 78  Grube/Immel/Wallau,

Verbraucherinformationsrecht, S. 252, Rn. 139, 140. oben unter Kap. 1, C. II. 3. 80  Dazu oben unter Kap. 1, D. III. 1. 81  Vgl. Gruber, Verbraucherinformation durch Gütezeichen, S. 65, 89. 82  Vgl. Streinz, in: FS für Horst, S. 45 (53). 83  A. A. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 261, Rn. 169. Für zumindest fraglich hält dies Raspé, BLJ 2013, 8 (11). Die 7. VSMK geht bei Smileys von einer Emotionalisierung aus, bei den Farben rot-grün hingegen nicht, so Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 29 (34). 79  Siehe

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

arbeitet, ohne zusätzlich Punktzahlen anzugeben, da diese Information nicht hinreichend viele Details enthielte.84 Auf eine nur farbliche Kennzeichnung des Ergebnisses setzt aber keines der hier untersuchten Modelle. Festzuhalten ist, dass Ergebnisse ohne Farben oder Symbole die Information aller Verbraucher, und damit auch der „flüchtigen“ Verbraucher, nicht ebenso gut erreichen könnten wie eine Darstellung, die auch Farben und Symbole nutzt. Wie stark die Abmilderung der Wirkung für die Lebensmittelunternehmer wäre, ist zudem unklar. Dies wäre damit kein milderes und zugleich ebenso geeignetes Mittel. Die Information ohne zusätzliche Bewertung durch eine Gesamtnote wäre eventuell etwas milder, nicht aber gleich geeignet. Denn es ist fraglich, ob der Verbraucher diese Menge an Informationen, die sich dann nicht auf ein klares Ergebnis reduzieren ließen, überblicken und verarbeiten könnte. Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Information könnten damit verloren gehen. Dies würde – gerade im Hinblick auf die massenhafte Verfügbarkeit von Information im Informationszeitalter85– keinen Wissenszuwachs bewirken und damit keine Verhaltensänderung beim Verbraucher, welche wiederum das Verhalten der Unternehmer beeinflussen könnte.86 Zudem sind auch der Glykolwein-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge Wertungen möglich, sofern diese nicht auf „sachfremden Erwägungen“ beruhen.87 Sachfremde Erwägungen liegen hier jedoch nicht vor. Ein milderes Mittel für die Einhaltung des Lebensmittelrechts wie für die Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen ist es, wenn in der Veröffentlichung mitgeteilt wird, ob mittlerweile eine Mängelbeseitigung erfolgt ist.88 Dies erfordert bereits die notwendige sachliche Richtigkeit der Information89 und ist daher breiter Konsens bei den gerichtlichen Eilentscheidungen zu der Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB90. Die Mängelbeseitigung wurde bei der Veröffentlichungsliste des Berliner Bezirks Pankow 84  Vgl. Streinz, in: FS für Horst, S. 45 (53), der deshalb auch eine „NährstoffAmpel“ an Lebensmittelverpackungen ablehnt. 85  Dazu siehe oben unter Kap. 1, C. II. 3. 86  Dieser Gedanke findet sich auch bei: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 248, Rn. 121. 87  BVerfGE 105, 252 (272) – Glykolwein. 88  Hüpers, GewArch 2013, 161 (162). 89  Schink, Rechtsgutachten, S. 55. 90  OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013 – 13 B 215/13, Rn. 70; VGH BaWü, ­Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 26, 33; OVG Nds. Beschl.v. 18.1.2013  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 9; VG Minden, Beschl. v. 8.4.2013  – 7 L 157/13, juris, Rn. 37; VG Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 62. Näheres zu § 40 I a LFGB siehe oben unter Kap. 4, B. III. 3.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 215

erwähnt, wenn auch nur in Form einer kleinen Randnotiz; die Liste von Tempelhof-Schöneberg teilte dies nicht mit. Die Veröffentlichungsform von Tempelhof-Schöneberg war damit neben ihrer fehlenden Geeignetheit auch nicht erforderlich und somit nicht verhältnismäßig. Das Übermaßverbot hindert jedoch grundsätzlich nicht daran, über den früheren Zustand zu informieren91; diese Wertung des Gesetzgebers wurde am ab dem Jahr 2005 geltenden § 40 IV LFGB deutlich, der die Veröffentlichung vergangener Verstöße im Regelfall untersagte, 2007 aber ersatzlos gestrichen wurde. Auch § 3 Nr. 1 lit e) VIG legt diese gesetzgeberische Wertung nahe, indem er Informationen von einer Veröffentlichung ausschließt, die vor mehr als fünf Jahren entstanden sind. So alt waren die Informationen über die Kontrollergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung aber in keinem Fall. Mit der Veröffentlichung vergangener Verstöße hat der Gesetzgeber daher offenbar kein Problem. Dies ist auch notwendig. Denn die abschreckende Wirkung der Veröffentlichung funktioniert nur, wenn diese nach Mängelbeseitigung bestehen bleiben kann.92 In den Veröffentlichungen wird deutlich, dass es lediglich um die Situation zum jeweiligen Kontrollzeitpunkt geht, allein schon durch die Mitteilung des Kon­ trolldatums93. Zusätzlich wiesen aber noch die jeweils einleitenden Texte, die die Berliner Modelle entweder direkt neben dem Kontrollergebnis oder auf der dem PDF-Dokument vorgeschalteten Seite enthielten, auf das Vorliegen einer Momentaufnahme hin. Milder wäre es aber, zuerst die Rechts- beziehungsweise Bestandskraft des Ergebnisses der amtlichen Lebensmittelüberwachung abzuwarten, um so die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses sicherzustellen.94 Nicht einmal das Bundesverfassungsgericht fordert aber hundertprozentige Richtigkeit: Sorgsame, so gut wie mögliche Aufklärung reicht aus; wenn dann noch Unklarheiten bestehen, geht das öffentliche Interesse, wenn es denn besteht, vor.95 Eine „so gut wie mögliche“ Aufklärung ist bei der Durchführung einer Kontrolle mit entsprechender Probennahme, die dann aufgrund der üblichen Kriterien ausgewertet und bewertet wird, gegeben. Ein Abwarten der Bestandskraft wäre zudem nicht ebenso effektiv, da sich die Veröffent91  Schoch, NJW 2012, 2844 (2848) m. w. N. Eher zweifelnd dazu: Leible/Schäfer, WRP 2013, 265 (271). 92  VG Sigmaringen, Beschl. v. 9.1.2013  – 2 K 4346/12, juris, Rn. 11; Schink, Rechtsgutachten, S. 55. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 72, 74. So auch schon zur Geeignetheit oben unter Kap. 5, A. II. 2. 93  Dies zur Kenntlichmachung für absolut ausreichend haltend: VG Sigmaringen, Beschl. v. 9.1.2013  – 2 K 43469/12, juris, Rn. 11. 94  Vgl. Raspé, BLJ 2013, 8 (12). 95  BVerfGE 105, 252 (272) – Glykolwein.

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

lichung des Ergebnisses so durch die Einlegung von Rechtsbehelfen stark verzögern würde. Damit wäre die Veröffentlichung nicht mehr so aktuell; bei wirklich berechtigtem Interesse des Betroffenen kann dieser außerdem auch einstweiligen Rechtsschutz einlegen.96 Bis zur gerichtlichen Entscheidung veröffentlichen die Behörden dann in der Regel noch nicht.97 Dies ist damit ebenfalls kein gleich geeignetes Mittel. c) Dauer Als Ansatzpunkt für eine weniger in die Rechte der Unternehmer einschneidende Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse kommt auch die Veröffentlichungsdauer in Betracht. Ein milderes Mittel könnte es zwar sein, wenn ein Antragsverfahren für die Löschung der Informationen über behobene Mängel bestünde.98 Dies würde die Dauer der Belastung mit einem schlechten Ergebnis teilweise verkürzen, wäre jedoch nicht ebenso effektiv. Denn die Abschreckung der Lebensmittelunternehmer fiele logischerweise geringer aus, wenn sie nach einer Kontrolle die Mängel nur schnell beheben müssten und die negative Veröffentlichung dann gelöscht würde. Und auch die Information der Verbraucher würde nicht ebenso gut erreicht. Denn aus dem bisherigen Verhalten eines Betriebsinhabers können ebenfalls relevante Schlüsse für die eigenverantwortliche Entscheidung des Verbrauchers gezogen werden.99 Eine weniger in die Grundrechte der Unternehmer einschneidende Alternative wäre gegebenenfalls auch die Möglichkeit, eine Nachkontrolle beantragen zu können100, damit das Ergebnis dieser dann das vorangegangene Bewertungsergebnis ersetzt. So würden Betriebe, sofern es ihnen wichtig ist, nicht so lange gezwungenermaßen mit dem negativen Ergebnis belastet. Eine Nachkontrolle auf Antrag wäre jedoch schon rein praktisch vermutlich schwierig. Denn ein solcher Anspruch wäre personalmäßig kaum zu bewältigen, wenn man sich vor Augen führt, dass schon die eigentlich durchzuführenden Kontrollen vielfach nicht vollständig geschafft werden; so werden etwa in Berlin im Schnitt nur knapp die Hälfte der zu kontrollierenden Betriebe 96  Schink,

Rechtsgutachten, S. 56, 57. Stillhaltezusage, siehe Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (11, 12) m. w. N. 98  Dies forderte für die von 2009 bis 2011 existente Pankower „Negativliste“: Schink, Rechtsgutachten, S. 55. 99  Vgl. OVG Nds. Beschl.v. 18.1.2013,  – 13 ME 267/12, juris, Rn. 9; Schink, Rechtsgutachten, S. 55. Siehe ausführlich unter Kap. 5, A. II. 2. a. E. 100  Vgl. Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011, TOP 14.3, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 97  Sog.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 217

auch tatsächlich kontrolliert101. Selbst bei Außerachtlassung dieses praktischen Gesichtspunktes wäre die Möglichkeit, eine Nachkontrolle zu beantragen und damit das schlechte Ergebnis zu beseitigen, aber auch nicht gerecht: Denn eine Nachkontrolle wäre eine angemeldete Kontrolle und sollte daher das Ergebnis der unangemeldeten Kontrolle nicht beeinflussen.102 Die würde dem von Beginn an dem Lebensmittelrecht entsprechend Handelnden nicht gerecht. Zudem würde auch der starke Anreiz, sich schon vor der Kontrolle möglichst gesetzeskonform zu verhalten, gemindert. Die Möglichkeit einer Nachkontrolle auf Antrag ist damit kein gleich geeignetes Mittel. Milder wäre allerdings, wenn die Nachkontrolle gleichmäßiger, nach nachvollziehbaren Kriterien und gerade bei negativem Ergebnis relativ schnell stattfinden würde. In Dänemark erfolgen Nachkontrollen bei negativer Bewertung wohl innerhalb von höchstens Wochen; bei der Pankower Liste von 2014 haben Joh / Krämer / Teufer / Unland hingegen festgestellt, dass teilweise gut bewertete Betriebe nach 14 Tagen nachkontrolliert werden, schlecht bewertete aber seit einem Jahr nicht.103 Ein ähnlicher Eindruck ergab sich bei einer eigenen Durchsicht der Liste durch die Verfasserin dieser Arbeit. Da es sich dabei vor allem um eine Frage der Gleichbehandlung handelt und damit als Problem zu Art. 3 GG gehört, kann dies aber vorerst dahinstehen.104 Ein milderes Mittel, das die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften und auch die Ermöglichung eigenverantwortlicher Verbraucherentscheidungen erzielen würde, könnte zudem eine zeitlich begrenzte Veröffentlichung sein, beispielsweise für sechs Monate oder ein Jahr. Diese gesetzliche Festlegung der Veröffentlichungsdauer forderten auch mehrere Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz zu § 40 I a LFGB.105 Gerade aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes und der Einschätzbarkeit für den Bürger dürfe die Veröffentlichungsdauer nicht der Exekutive überlassen bleiben.106 Auch im Hinblick auf die ebenfalls zeitlich begrenzte Veröffentlichung erheblicher Bußgelder und Geldstrafen im Gewerbezentralregister nach § 153 GewO wäre die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ansonsten nicht verhältnis101  Vgl. dazu den Jahresbericht zur Lebensmittelsicherheit in Berlin von 2013, S. 6, 9; abrufbar unter: http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-verbraucher schutz/lebensmittelueberwachung/lebensmittelsicherheitsbericht_2013__dat_2012. pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 102  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (437). 103  Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (438). 104  Dazu ausführlich unter Kap. 5, B. II. 105  So zu § 40 I a LFGB: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 24; VG Minden, Beschl. v. 8.4.2013 – 7 L 157/13, juris, Rn. 35. Vgl. OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (635); Schoch, NJW 2012, 2844 (2845). 106  OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 29.

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

mäßig.107 Das VG Regensburg hält es allerdings für schwierig, per Gesetz starre Löschungsfristen festzulegen.108 Dies wäre zudem nicht gleich geeignet. Denn wie schon oben festgestellt, geben auch ältere Daten dem Verbraucher einen Einblick in das Verhalten und gerade auch in die Entwicklung des Unternehmers.109 Gerade auch der Einblick in ältere Kontroll­ ergebnisse vermittelt damit eine gute Grundlage für eine eigenverantwortliche Entscheidung, in die der Verbraucher die ihn interessierenden Aspekte einbeziehen kann. Eine Beschränkung der Veröffentlichungsdauer auf etwa ein Jahr wäre damit nicht gleich geeignet. Eine zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre oder mehr, die den umfassenden Einblick für den Konsumenten ermöglichen würde, wäre hingegen nicht deutlich milder. d) Veröffentlichungsobjekt Letzte Anknüpfungsmöglichkeit für eine mildere Ausgestaltung ist das Veröffentlichungsobjekt, also die Frage, welche Betriebe mit ihren Ergebnissen in die Veröffentlichung aufgenommen werden. Es wäre insgesamt ein milderes Mittel, ein negatives Ergebnis nicht beim „ersten Mal“ zu veröffentlichen, sondern erst im Wiederholungsfall.110 Zwar würde es dem Gedanken widerstreben, alle Ergebnisse, egal ob gut oder schlecht, zu veröffentlichen und würde daher zwangsläufig zu einem völlig anderen Veröffentlichungsmodell führen. Dies würde aber gegebenenfalls einen gewissen Druck auf den Unternehmer aufbauen, sich rechtskonform zu verhalten, wenn auch nicht so stark wie eine sofortige Veröffentlichung. Es würde jedoch, solange keine Ergebnisse veröffentlicht sind, keine eigenverantwortliche Entscheidung der Konsumenten ermöglichen und wäre daher nicht gleich geeignet. Ob es sich bei den negativ Bewerteten um Wiederholungsfälle handelt, wurde zudem in den Veröffentlichungen des Berliner Bezirks Pankow langfristig durch die Mitteilung auch der drei vergangenen Kon­ trollergebnisse deutlich. Gleiches gilt für die Veröffentlichung von Bielefeld / Duisburg. Die Veröffentlichungsliste von Tempelhof-Schöneberg war diesbezüglich nicht erforderlich. Durch Nennung vergangener Kontrollergeb­ nisse neben dem aktuellen hätte sie milder ausgestaltet werden können. Denkbar wäre auch eine Klausel für die Berücksichtigung von Härtefällen oder die Einräumung von Ermessen,111 sodass Unternehmer, die nachvoll107  Joh/Krämer/Teufer/Unland,

ZLR 2012, 420 (437). Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 57. 109  Dazu siehe oben unter Kap. 5, A. II. 2. und III. 2. b). 110  Vgl. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47). 111  Dies fordern für § 40 I a LFGB: VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12, juris, Rn. 27, 29; VG Minden, Beschl. v. 8.4.2013 – 7 L 157/13, juris, Rn. 40. 108  VG



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 219

ziehbare und unverschuldete Gründe für einen Verstoß vorbringen können, von der Veröffentlichung verschont bleiben. Es ist jedoch möglich, dass dies schon praktiziert wird, da die Verwaltung ohnehin verhältnismäßig Handeln muss. Da bislang aber keine Rechtsgrundlage besteht, gibt es derzeit auch keinen Ort für eine Härtefallklausel oder die Einräumung von Ermessen. e) Zwischenergebnis Insgesamt besteht damit kein milderes Mittel als die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse im Internet und die dadurch entstehende Transparenz, um Verbrauchern eigenverantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen.112 Nur durch die Erkennbarmachung von Ungleichheiten kann Freiheit der Konsumentscheidung der Verbraucher erreicht werden.113 Zwar reguliert der Markt sich grundsätzlich selbst. Dies kann er aber dann nicht, wenn die Kräfte des Marktes, hier die Verbraucher, bestimmte Informationen nicht haben. In der konkreten Ausgestaltung gäbe es jedoch Maßnahmen, durch die die Veröffentlichung etwas abgemildert werden könnte. Dies wäre für die ehemalige Tempelhof-Schöneberger-Veröffentlichung die Angabe, ob die Mängel beseitigt wurden, und eine Übersicht über frühere Kontrollergebnisse, um „Ausrutscher“ zu erkennen. Für das Pankower Modell läge ein milderes Mittel in gleichmäßigen Kontrollen und insgesamt relativ schnellen Nachkontrollen bei negativen Ergebnissen sowie in der Schaffung von Härtefallregelungen. Keine der bislang genutzten zwingenden Veröffentlichungsformen ist damit verhältnismäßig.114 Dennoch soll noch die Angemessenheit untersucht werden. Diese bezieht sich als etwas allgemeinere Abwägung ohnehin nicht nur auf die hier erläuterten Veröffentlichungsmodelle im Konkreten, sondern ist zugleich allgemein Indikator, ob die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung einer Angemessenheitsprüfung standhalten könnte. Nur wenn dies zu bejahen ist, ist es sinnvoll, sich über konkrete verhältnismäßige Ausgestaltungsformen Gedanken zu machen.

112  So i. E. auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13). Ebenso zu § 40 I a LFGB: VG Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 60. 113  Leisner, Wettbewerb als Verfassungsprinzip, S. 172. 114  I. E. ebenso mildere Mittel für die Ausgestaltung vorschlagend: Raspé, BLJ 2013, 8 (13). Unverhältnismäßigkeit des Pankower Modells annehmend auch: Joh/ Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (440).

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

IV. Angemessenheit Im Rahmen der Angemessenheit müssen die widerstreitenden Interessen miteinander abgewogen werden. Die Grundrechtsbeschränkung muss „für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen“115. Dabei ist die Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 II GG zu beachten, sodass die jeweiligen Grundrechtssubstanzen nicht angetastet werden dürfen.116 Daher muss „unter Umständen der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen […], wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde“.117 Die Veröffentlichung negativer Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelkontrolle ist eine Berufsausübungsregelung118, da lediglich bestimmt wird, „in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben“119. Berufsausübungsregelungen können „durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert“120 sein. Dabei sind die Anforderungen an die Dringlichkeit der öffentlichen Interessen umso höher, je stärker die Berufsausübungsfreiheit verengt wird.121 Letztlich ist dies aber nur eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Deshalb kann die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne trotz dieser Besonderheit bei der Berufsfreiheit für alle durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse betroffenen Freiheitsrechte gemeinsam geprüft werden. Die negativ bewerteten Unternehmer können sich auf ihre Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG und ihre Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG berufen; die sehr gut bewerteten Betriebe können sich auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I in Verbindung mit 1 I GG beziehungsweise für juristische Personen in Verbindung mit Art. 12 GG berufen.122 Auf der anderen Seite steht der Verbraucherschutz im weiteren Sinne, der zwar nicht in einer Verfassungsnorm ausdrücklich gewährleistet ist, aber in seinen Einzelaspekten in vielen Verfassungsnormen zum Ausdruck kommt.123 Außerdem steht 115  BVerfGE

90, 145 (185). BVerfGE 61, 82 (113). 117  BVerfGE 90, 145 (185). 118  I. E. ebenso: Raspé, BLJ 2013, 8 (13); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (42). Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 8. 119  BVerfGE 7, 377 (405) – Apothekenurteil. 120  BVerfGE 7, 377 (378, 405); 61, 291 (299); 68, 272 (282); 121, 317 (346); 122, 190 (206) st. Rspr. 121  BVerfGE 11, 30 (43). 122  Ausführlich dazu Kap. 3. 123  Siehe oben unter Kap. 1, D. I. 116  Vgl.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 221

auf Seiten der Verbraucher der Gesundheitsschutz aus Art. 2 II 1 GG, der grundlegendes Ziel aller lebensmittelrechtlichen Normierungen ist124 und auch dadurch erreicht wird, dass Gefahrenpotential schon in seinen Anfängen geahndet wird125. Ebenso werden die Vertragsfreiheit der Verbraucher und die Freiheit selbstbestimmter Entscheidungen aus Art. 2 I GG durch die Ermöglichung informationsbasierter Entscheidungen erreicht. Durch Transparenz ist zudem die demokratische Teilhabe des Einzelnen, die Art. 20 II 1 GG vorsieht, besser möglich; zusätzlich besteht ein rechtsstaatliches und damit aus Art. 20 III GG erwachsendes Interesse, auf die Einhaltung geltender Gesetze präventiv hinzuwirken.126 Die Informationen über amtliche Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle kann sich der geneigte Verbraucher außerdem nicht ohne weiteres selbst, ohne staatliche „Hilfe“, verschaffen.127 All dies sind „vernünftige Gründe des Allgemeinwohls“; sie genügen grundsätzlich zumindest für die Angemessenheit einer Berufsausübungsregelung.128 Ebenso genügen sie für die Einschränkung der Eigentumsfreiheit und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das grundsätzlich ebenfalls bei überwiegendem Allgemeininteresse eingeschränkt werden kann129. Jedoch muss bei jeder verhältnismäßigen Regelung, auch bei einer Berufsausübungsregelung, die „Grenze des Zumutbaren“ gewahrt werden130. Das ist hier fraglich, da es sich zumindest bei der Veröffentlichung der negativen Ergebnisse um einen besonders schweren Eingriff handelt, der bis zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen kann.131 Daher muss insbesondere für die Veröffentlichung negativer Kontrollergebnisse die Angemessenheit genauer untersucht werden. 1. Argumente für das Überwiegen des Unternehmerschutzes Vielfach wird das Unternehmerinteresse als vorrangig erachtet, so etwa in den meisten Beschlüssen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen § 40 I a LFGB.132 Allerdings handelte es sich eben um einstweiligen Rechtsschutz, 124  Vgl. Dannecker, Entsanktionierung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Lebensmittelrechts, S. 14, 17; Demme, Lebensmittelrecht, S. 3. 125  So auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 126  Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (14). 127  Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (14). 128  I. E. ebenso: Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 129  BVerfGE 65, 1 (44). 130  BVerfGE 121, 317 (355). 131  Siehe dazu oben unter Kap. 3, B. II. Ebenso auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 132  So OVG Nds. Beschl. v. 14.6.2013  – 13 ME 18/13, juris, Rn. 21; OVG Rheinl-Pfalz, Beschl. v. 13.2.2013  – 6 B 10035/13, juris, Rn. 15; VGH BaWü, ­Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 31; VG Würzburg, Beschl. v.

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

in dem viele Fragen nicht eingehend geprüft werden konnten und die Gerichte sich zur Begründung vielfach auf die zahlreichen offenen Rechtsfragen, wie die Verfassungs- oder Europarechtskonformität des § 40 I a LFGB, stützten.133 Aus den Beschlüssen spricht daher noch keine abschließende Interessenbewertung. Für das Überwiegen des Unternehmerinteresses spricht die grundsätzlich starke Eingriffswirkung von Information. So sind die Auswirkungen irreversibel134 und gerade staatliche Informationen haben einen besonders hohen Befolgungsgrad135. Die Verbreitung erfolgt durch das Internet sehr schnell und weltweit, selbst wenn Maßnahmen ergriffen werden, die die dauerhafte zukünftige Auffindbarkeit der einmal veröffentlichten Information unterbinden.136 Außerdem perpetuiert die unbegrenzte Dauer der Veröffentlichung die anprangernde Wirkung. Dies legt eine besondere Schwere des Eingriffs nahe. Für das überwiegende Gewicht des Unternehmerschutzes wird zudem damit argumentiert, dass der Verbraucherschutz, der nicht gleichzeitig Gesundheitsschutz ist, kein entsprechendes verfassungsrechtliches Gewicht habe.137 Denn das Informationsinteresse der Verbraucher sowie die Markttransparenz seien keine grundrechtsgeschützten Positionen.138 Dem ist jedoch in dreierlei Hinsicht nicht zu folgen. Zum einen hat der Verbraucherschutz verfassungsrechtliche Relevanz.139 Verbraucherinformation führt dabei zu Markttransparenz, die auch dem Bundesverfassungsgericht nach ein hohes Gewicht hat140, und ist eine „Funktionsbedingung des 12.12.2012 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 53; VG Trier, Beschl. v. 28.11.2012 – 1 L 1339/12.TR, juris; VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012 – 2 K 2430/12, juris, Rn. 12. 133  OVG Nds. Beschl. v. 14.6.2013  – 13 ME 18/13, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, juris, Rn. 28; VG Osnabrück, Beschl. v. 8.5.2013  – 6 B 18/13; VG Sigmaringen, Beschl. v. 9.1.2013  – 2 K 4346/12, juris, Rn. 18. 134  VGH Mannheim, NVwZ 2011, 443 (444); Schoch, NJW 2012, 2844 (2845). 135  Siehe dazu oben unter Kap. I, B. II. 3. Ebenso auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 136  Stichwort Ad-hoc-Generierung. Näheres dazu siehe oben unter Kap. 5, A. III. 2. a). 137  OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.6.2005  – 4 LB 30/04, juris, Lts. 4; VG Minden, Beschl. v. 8.4.2013  – 7 L 157/13, juris, Rn. 40. Vgl. Joh/Krämer/ Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (429). Ebenso, die Frage der Angemessenheit der Pankower Smileyliste i. E. aber dennoch offen lassend: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 147, Rn. 4, S. 240, Rn. 91. 138  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 240, Rn. 90. Vgl. Joh/ Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (427). 139  Siehe oben unter Kap. 1, D. I. 140  OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 53. Vgl. zum Gewicht von Transparenz bei steigendem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit: BVerfGE 128, 1 (48); BVerfGK 13, 336 (343) – Vorstandsvergütungen GKV.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 223

marktwirtschaftlichen Wettbewerbs“141. Zum anderen ist die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse Gesundheitsschutz, wenn auch nur in einem weiteren Sinne. Denn alle lebensmittelrechtlichen Normen bezwecken letztlich den Gesundheitsschutz.142 Außerdem kann die unternehmerische Freiheit nur dann dem Verbraucherschutz vorgehen, wenn sie nicht missbraucht wird.143 Gerade ein solcher Missbrauch der gegebenen Freiheit liegt aber in der Missachtung der lebensmittelrechtlichen Anforderungen und damit in den negativen Kontrollergebnissen. Als Argument für das Überwiegen der Unternehmerinteressen wird zusätzlich angeführt, dass die Information der Verbraucher Arbeitsplätze gefährden kann und demgegenüber der Verbraucher „solidarisch und rücksichtsvoll“ sein sollte.144 Dies kann aber kein Argument sein, Rechtsverstöße nicht entsprechend einschneidend zu ahnden. 2. Argumente für das Überwiegen des Verbraucherschutzes Andererseits gibt es ebenso Argumente, die die Eingriffswirkung der Veröffentlichung abmildern und damit für ein Überwiegen der Verbraucherschutzinteressen sprechen. Erstens hat zu den veröffentlichten Daten nach § 2 I Nr. 1 VIG a. E. sowieso jeder Zugang – zumindest zu den negativen145; daran ist schon erkennbar, welches Interesse hier dem Gesetz und dem Gesetzgeber nach überwiegen soll.146 Allerdings kann man daraus nicht folgern, dass eine ähnliche Belastung ohne Veröffentlichungslisten gegeben sein könnte. Da eher wenige Verbraucher einen entsprechenden Antrag auf Informationszugang stellen und die Daten dann in der Regel nicht allgemein öffentlich zugänglich gemacht werden, entsteht keine Breitenwirksamkeit.147 Die gesetzgeberische Wertung des § 2 I Nr. 1 VIG zugunsten von Datenveröffentlichungen, insbesondere über Rechtsverstöße, besteht jedoch. Zweitens hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative und kann daher in Abwägung der Berufsausübungsfreiheit Einzelner mit dem Trans­ parenzinteresse der Öffentlichkeit auch dem Transparenz- und Verbraucher141  Wolf,

test.

KJ 28 (1995), 340 (348). Vgl. BGHZ 65, 325 (332) – Stiftung Waren-

Demme, Lebensmittelrecht, S. 3. Joh/Krämer/Teufer/Unland, ZLR 2012, 420 (430). 144  Hummel-Liljegren, ZLR 18 (1991), 126 (136). 145  Dazu siehe oben unter Kap. 4, B. IV. 1. 146  VG Saarlouis, Urt. v. 24.8.2010  – 3 K 228/10, juris, Rn. 24. 147  Siehe dazu auch schon oben, III. 2. a). 142  Vgl. 143  Vgl.

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

schutzinteresse den Vorrang geben.148 Sicherheit von Lebensmitteln ist aufgrund von Lebensmittelskandalen in der letzten Zeit vielfach Inhalt gesellschaftlichen Diskurses. Daher wurden von Bundesregierung und Gesetzgeber verstärkt Initiativen ergriffen, um das Vertrauen in die Lebensmittelwirtschaft wieder herzustellen (frühzeitige Warnungen, etwa in der EHEC-Krise 2011 oder das Internetportal Lebensmittelwarnung.de) und effektive Kontrolle zu ermöglichen (etwa durch das europäische Schnellwarnsystem). Dabei kann der Lebensmittel-Einzelhandel als ein Versorger der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht ausgenommen werden.149 Der Gesetzgeber hat zwar den konkreten Fall der Veröffentlichung aller Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle noch nicht gesetzlich geregelt. Er hat jedoch dem Verbraucherschutz durch Information zuletzt durch die Schaffung zahlreicher Informationspflichten einen hohen Stellenwert eingeräumt: So wurden durch gesetzliche Regelung in letzter Zeit eine Vielzahl von Veröffentlichungsregistern im Internet geschaffen: Neben der Veröffentlichungspflicht bestimmter lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 I a LFGB das Unternehmensregister nach § 8 Handelsgesetzbuch, das Arzneimittelzulassungsregister nach § 34 I a Arzneimittelgesetz, das Standortregister für gentechnisch veränderte Organismen nach § 16a Gentechnikgesetz, das Register für Agrarsubven­ tionsempfänger150, die Qualitätsberichte über Pflegeeinrichtungen nach § 115 I a Sozialgesetzbuch XI sowie das Vermittlerregister nach § 11a Gewerbeordnung.151 Daneben entstanden vielfach Informationsansprüche, etwa die des Verbraucherinformationsgesetzes, des Umwelt-informationsgesetzes oder der Informationsfreiheitsgesetze. Insgesamt ist damit deutlich erkennbar, dass der Gesetzgeber derzeit die Information der Bürger und die dadurch mögliche Transparenz des Marktes in der Regel höher bewertet als die betroffenen Unternehmerinteressen. Dies kann auch daran liegen, dass jedenfalls bei „rein wirtschaftlicher Betrachtung“ hier absolut ebenbürtige Interessen gegenüberstehen: Das wirtschaftliche Interesse der Verbraucher und das wirtschaftliche Interesse der Unternehmer152. Der Staat hat sich dabei in letzter Zeit offenbar entschlossen, die Schwächeren in diesem Verhältnis, die gleichzeitig diejeni148  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.08  – 1 BvR 3255/07, juris, Rn. 42  – Vorstandsvergütungen GKV. Darauf verweisen für die Angemessenheit des § 40 I a LFGB auch: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 58; VG Würzburg, ­Beschl. v. 12.12.2012 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 51. 149  Paralleler Gedankengang zu: BVerfG, Beschl. v. 25.2.08  – 1 BvR 3255/07, juris, Rn. 39–41 – Vorstandsvergütungen GKV. 150  Dieses wurde zwar vom EuGH (Urt. v. 9.11.2010  – RS C 92/09) als teilweise rechtswidrig erklärt, ein neues, den Anforderungen des EuGH entsprechendes Format wird im Rahmen einer EU-VO derzeit aber erneut vorbereitet. 151  Martini/Kühl, DÖV 2013, 573 (577). 152  Gedanke der „wirtschaftlichen Gleichwertigkeit“ so bei: Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 57, Rn. 62.



A. Verhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Freiheitsrechte 225

gen mit der schwächeren „Lobby“ sind153, zu stärken. Dieses Argument für das Überwiegen des Verbraucherschutzes gilt auch für die sehr guten Lebensmittelkontrollergebnisse. Drittens ist für die Gewichtung des Eingriffs wichtig, dass die Informationen nicht der engeren Privatsphäre, sondern dem beruflichen Bereich der Betroffenen entstammen.154 Dabei ist das Gewicht der Unternehmerinteressen dadurch verringert, dass die negative Wirkung der Veröffentlichung vom Unternehmer selbst zu verantworten ist durch seine Abweichung von lebensmittelrechtlichen Vorgaben.155 Eine solche Abweichung liegt bei negativer Bewertung durch die Lebensmittelkontrolleure vor. Denn nach der Anlage 2 zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung müssen die Beurteilungskriterien aus den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften ableitbar sein. Bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Normen muss der Unternehmer dafür auch Verantwortung in der Öffentlichkeit übernehmen156, insbesondere wenn das Fehlverhalten einen Drittbezug hat157. Andererseits muss sich der Rechtsstaat aber gerade in seinem Umgang mit dem „Gesetzesbrecher“ bewähren.158 Daher darf das eigene Verschulden der Unternehmer den Grundrechtsschutz nicht verringern, es kann lediglich in der Abwägung mit berücksichtigt werden.159 Damit ist dieses Argument hier an der richtigen Stelle – in der Abwägung – und darf berücksichtigt werden. Dem Einwand besonders hoher rechtsstaatlicher Anforderungen gegenüber dem Gesetzesbrecher kann dabei mit entsprechenden Verfahrensvorschriften begegnet werden. 3. Zwischenergebnis Verbraucherinformation und Markttransparenz überwiegen daher im Fall der Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelüberwachung 153  Dies wurde bei Durchsicht der Fachbeiträge zum untersuchten Thema und Durchsicht der beruflichen Betätigungen der Autoren deutlich. Ähnlich der Eindruck von Schink, Rechtsgutachten, S. 59. 154  Vgl. BVerfGK 13, 336 (342) – Vorstandsvergütungen GKV. 155  OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (634). Diesen Gedanken berücksichtigen auch: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 60, 62; Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 163; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 551; Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (14). 156  Reimer, Adverse Publizität, JöR 58 (2010), S. 286. 157  Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (44). 158  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). Vgl. auch Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 159  Raspé, BLJ 2013, 8 (13).

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5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

das Einzelinteresse des Unternehmers, der durch sein Verhalten gegen geltendes Lebensmittelrecht verstößt.160 Dies gilt erst recht im Falle der Veröffentlichung sehr guter Ergebnisse, da die Eingriffsintensität hier im Vergleich zu den negativen Ergebnissen geringer ist und dennoch die hoch zu gewichtenden Aspekte Verbraucherinformation und Markttransparenz gegenüberstehen. In Bezug auf die negativen Kontrollergebnisse muss aber auch bedacht werden, dass sich der Rechtsstaat gerade im Umgang mit dem Rechtsmissachtenden bewähren muss. Daher muss bei der Veröffentlichung gerade negativer Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen stark auf die konkrete Ausgestaltung sowie die genaue Einhaltung von Verfahrensrechten geachtet werden. Wichtige und noch zu klärende Frage ist daher, wie dies am besten sichergestellt werden kann.161

B. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Art. 3 I GG Durch die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse liegt zusätzlich eine Beeinträchtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor. Die Beeinträchtigungen des Art. 3 I GG liegen einerseits in der nicht gleichzeitig erfolgenden Erstveröffentlichung, sodass die Ergebnisse verschieden lange „wirken“ können, andererseits an der tatsächlich ungleichmäßigen Verwaltungspraxis bei den Routine- sowie den Nachkontrollen.162 In der Anwendung des risikobasierten Ansatzes liegt nach oben gefundener Bewertung hingegen keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem.163 Da dies jedoch nicht einhellig164 so beurteilt wird, soll hier dennoch kurz die Rechtfertigung geprüft werden. Aufgrund der anderen Prüfungsstruktur von Gleichheitsrechten gegenüber Freiheitsrechten fällt die Prüfung der Rechtfertigung der Beeinträchtigungen von Art. 3 I GG nicht unter die klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Rechtfertigung bei Gleichheitsrechten ist jedoch eine Art „Pendant“ zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Freiheitsrechten. Maßstab für eine Recht160  Vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 24.8.2010  – 3 K 228/10, juris, Rn. 25; OVG NRW, Urt. v. 1.4.2014 – 8 A 654/12, juris, Rn. 242. Ebenso in der Interessengewichtung OLG Hamburg, CR 2012, 183 (184) in Bezug auf ein Hotelbewertungsportal. Dem Verbraucherinteresse den Vorrang gebend auch Schink, Rechtsgutachten, S. 68. 161  Dazu unter Kap. 6, B. 162  Siehe dazu oben unter Kap. 3, C. 163  Siehe ausführlich dazu oben unter Kap. 3, C. II. 164  A. A. Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (4).



B. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Art. 3 I GG 227

fertigung war früher das Vorliegen von Willkür165, später wurde nach der „Neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts zum Teil auch die Verhältnismäßigkeit als Maß herangezogen.166 Die neue Formel griff insbesondere bei intensiven Ungleichbehandlungen.167 Die Intensität bestimmt sich danach wie stark personenbezogen die Ungleichbehandlung ist und inwiefern Grundrechte durch sie betroffen sind.168 Im Rahmen der Willkürkontrolle genügt schon die Verwaltungspraktikabilität zur Rechtfertigung oder sich „aus der Natur der Sache“ ergebende vernünftige Erwägungen169. Mittlerweile werden beide Kriterien als Teil eines einheitlichen Rechtfertigungsmaßstabes herangezogen, wobei die Anforderungen umso höher sind, je intensiver die Ungleichbehandlung ist.170 Noch unklar ist allerdings, welcher Maßstab bei bloß mittelbaren Nachteilen gilt.171 Dies muss hier jedoch nur entschieden werden, sofern die Ungleichbehandlungen nicht auch nach dem strengeren Maßstab gerechtfertigt sind.

I. Erstveröffentlichung nicht gleichzeitig Im Rahmen einer bloßen Willkürkontrolle ist die nicht gleichzeitig erfolgende Erstveröffentlichung unproblematisch zu rechtfertigen. Denn es ist für die Verwaltung praktikabler, die Ergebnisse immer dann einzustellen, wenn sie entstehen, statt die Ergebnisse erst lange zu sammeln, abzulegen und dann in einem großen Veröffentlichungsakt gleichzeitig zu veröffentlichen. Dass die Kontrollergebnisse erst nach und nach entstehen, liegt zudem in der Natur der Sache der fortlaufenden Lebensmittelkontrollen. Dem strengeren Maßstab der Neuen Formel zufolge müsste die Beeinträchtigung verhältnismäßig sein. Die erst nach und nach erfolgende Veröf165  BVerfGE 1, 14 (52); 4, 144 (155); 25,101 (105); 83, 1 (23); 98, 365 (385) st. Rspr. 166  BVerfGE 88, 87 (96); 93, 99 (111); 99, 367 (388) st. Rspr. Kritik an der Rspr. bei Wendt, in: FS für Stern, S. 1553 (1568). 167  Vgl. Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 26; Pieroth/Schlink/ Kingreen/Poscher, GR/StaatsR II, Rn. 493. 168  BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 111, 160 (169,170). 169  Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3, Rn. 16 m. w. N. 170  Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 26. Vgl. Pieroth/Schlink/ Kingreen/Poscher, GR/StaatsR II, Rn. 493. 171  Vgl. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3, Rn.  17 m. w. N.; a. A. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3, Rn. 33, die mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption auch bei mittelbaren Nachteilen die Stärke des Personenbezuges als entscheidend ansieht.

228

5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

fentlichung verfolgt das legitime Ziel, so schnell wie möglich für Verbraucherschutz zu sorgen und ist dafür auch geeignet. Aber ist die Veröffentlichung in zeitlichen Abständen auch erforderlich? Eine andere Möglichkeit wäre, dass alle Betriebe kontrolliert und erst am Ende alle Ergebnisse veröffentlicht werden. Dies würde allerdings sehr lange dauern, der Verbraucherschutzeffekt würde so maßgeblich verzögert. Zudem könnte man die Ergebnisse der zuerst Kontrollierten als veraltet bezeichnen und diese Betriebe so wiederum in ihrem Gleichbehandlungsrecht verletzt sehen. Daher würde dies nicht unbedingt ein milderes Mittel darstellen und wäre darüber hinaus für baldigen Verbraucherschutz auch nicht gleich geeignet. Der Verbraucherschutz könnte ohne die Ungleichbehandlung in dieser Form nicht stattfinden, da selbst bei oben beschriebener alternativer Vorgehensweise der gleichzeitigen Veröffentlichung aller Ergebnisse wieder eine Ungleichbehandlung entstünde172. Daher ist zwischen dem den Gleichheitsgrundsatz belastenden Verbraucherschutz durch Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse in zeitlichen Intervallen oder gar keinem Verbraucherschutz durch Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen zu entscheiden. Damit ist wieder die allgemeine Interessenabwägung zwischen dem Unternehmer- und dem Verbraucherinteresse ausschlaggebend. Diese wurde oben schon durchgeführt mit dem Ergebnis, dass der Verbraucherschutz im Fall der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse grundsätzlich höher wiegt.173 Besonders ist für die ungleichmäßige Erstveröffentlichung in dieser Abwägung zu berücksichtigen, dass eine früher als bei anderen erfolgte Kontrolle und Ergebnisveröffentlichung nur bei negativem Ergebnis schadet und somit nur den Betrieben, die sowieso gegen geltende Vorschriften verstoßen. Das Schutzbedürfnis der einzelnen Unternehmer ist somit gering. Dem gegenüber steht das allgemeine Interesse wohl jeden Verbrauchers an Marktinformationen und Schutz vor Gefahren. Daher ist das Verhältnis zwischen Zweck und Beeinträchtigung angemessen und der Eingriff ebenfalls nach dem strengeren Maßstab der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

II. Risikobasierter Ansatz Bei der Ungleichbehandlung durch Anwendung des risikobasierten Ansatzes fehlt es bereits am wesentlich Gleichen. Die aufgrund der Risikobasiertheit öfter kontrollierten Betriebe können zwar durch den risikobasierten Ansatz bevorteilt werden, da ihnen ein schlechtes Ergebnis nicht so lange 172  Siehe 173  Siehe

oben im selben Gliederungspunkt. oben, A. IV.



B. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Art. 3 I GG 229

anhaftet.174 Allerdings können sie ebenso ein gutes Ergebnis schneller wieder verlieren. Damit hebt sich die darin liegende Benachteiligung der seltener Kontrollierten auch wieder auf. Zudem ist eine Ungleichbehandlung der nach risikobasiertem Ansatz verschieden kategorisierten Betriebe auch gerechtfertigt, da von ihnen ein unterschiedliches Gefahrenpotenzial für die menschliche Gesundheit ausgeht.175 Der Gesundheitsschutz kann durch die risikobasierten Kontrollen am effektivsten verwirklicht werden, da so bei der Kontrollintensität auch das Gefahrenpotenzial einbezogen wird. Eine Einschränkung von Unternehmerrechten zugunsten des Gesundheitsschutzes der Allgemeinheit ist – nach obiger Interessengewichtung176 – angemessen. Der risikobasierte Ansatz ist daher im Rahmen des Gleichheitssatzes gerechtfertigt.177 Ungleichbehandlungen können aber ebenso durch eine ungleichmäßige Ausführung eigentlich gleichmäßiger risikobasierter Kontrollschemata entstehen. Die Anwendung dessen muss aber aufgrund der Selbstbindung der Behörde gleichmäßig erfolgen; Abweichungen dürfen nicht grundlos erfolgen.178 Ohnehin muss die Behörde insgesamt eine, wenn auch risikobasierte, „gleichmäßige“, flächendeckende179 und funktionierende Kontrollpraxis gewährleisten.180 Kann sie dies nicht, kann darin ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegen. Eine inkonsistente Verwaltungspraxis ist damit eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Wie bereits festgestellt, ist dies jedoch ein allgemeines verwaltungsrechtliches Problem und zudem höchst einzelfallabhängig, sodass eine nähere Prüfung hier dahinstehen muss.181

III. Kurzfristige Nachkontrollen Auch bei den kurzfristigen Nachkontrollen, die zwar das Ergebnis nicht ändern, aber beim Pankower Veröffentlichungsmodell einen Eintrag über das Abstellen / nicht Abstellen der Mängel bewirkten, bestehen möglicherweise Ungleichbehandlungen.182 Dies kann am risikobasierten Ansatz oder 174  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S.  253, Rn. 145. Diese Ungleichbehandlung verkennt: Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 29 (37). 175  Schink, Rechtsgutachten, S. 52. 176  Siehe oben unter Angemessenheit, Kap. 5, A. IV. 177  Schink, Rechtsgutachten, S. 52. 178  Schink, Rechtsgutachten, S. 52. 179  Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201); Raspé, BLJ 2013, 8 (13). 180  Schink, Rechtsgutachten, S. 69; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47). 181  Vgl. dazu oben unter Kap. 3, C. III. 182  Vgl. Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201); Raspé, BLJ 2013, 8 (13).

230

5. Kap.: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung

nachlässigem ungleichmäßigem Verwaltungshandeln liegen. Ein milderes, zu mehr Gleichmäßigkeit führendes Mittel könnte es sein, dass bei einer bestimmten Ergebnisspanne eine kurzfristige Nachkontrolle innerhalb einer bestimmten Zeit (beispielsweise zwei bis vier Wochen183) stattfinden muss, um die Gleichbehandlung sicherzustellen. Problematisch ist daran allerdings, dass auch dies nicht überraschend erfolgen kann und damit seinen Wert einer unangekündigten Kontrolle verliert. Damit ist dieses Mittel nicht gleich geeignet. Die Ungleichbehandlung ist nach obiger Interessenabwägung dabei auch angemessen, sodass die strengen Anforderungen für die Rechtfertigung bei Art. 3 I GG erfüllt sind. Bezüglich der kurzfristigen Nachkontrollen kann aber, wie bereits bei den Routinekontrollen nach risikobasiertem Ansatz, eine inkonsistente Verwaltungspraxis bestehen und damit eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung.

IV. Zwischenergebnis Selbst nach dem strengeren Maßstab der Verhältnismäßigkeit, sind die Ungleichbehandlungen bei der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse größtenteils gerechtfertigt. Lediglich eine inkonsistente Verwaltungspraxis, die rein tatsächlich zu Ungleichbehandlungen führt, ist nicht gerechtfertigt.184 Letzteres ist zwar kein spezifisches Problem der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen, spricht aber im Ergebnis ebenfalls dafür, dass bei künftigen Veröffentlichungsmodellen stark auf die tatsächliche Einhaltung eines festgelegten Verfahrens geachtet werden muss185.

183  In Dänemark erfolgen Nachkontrollen bei negativer Bewertung wohl innerhalb von höchstens Wochen. 184  Die „Gleichbehandlung aller kontrollrelevanten Betriebe“ forderte deshalb auch die Wirtschaftsministerkonferenz, siehe Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011 auf Schloss Plön, TOP 14.3, abrufbar unter www. wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 185  Vgl. dazu oben, IV. a. E.

Sechstes Kapitel

Anforderungen an ein verfassungskonformes ­Veröffentlichungsmodell Es könnten jedoch für die Zukunft verfassungsgemäße Zustände bei der Veröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung hergestellt werden. Dafür müsste eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, die den formellen als auch materiellen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird.1 Fraglich ist, wer für die Schaffung einer solchen Ermächtigungsgrundlage zuständig wäre. Als formelle Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage sind dabei die Bestimmtheit und gegebenenfalls das Zitiergebot zu beachten. Auf materieller Ebene ist vor allem die Verhältnismäßigkeit relevant, die oben schon diskutiert und grundsätzlich bejaht wurde. Offen ist allerdings noch, inwiefern auch das Verfahrensrecht, etwa der mögliche Rechtsschutz oder Anhörungserfordernisse, zu einem besseren Schutz der tangierten Grundrechte führen könnten. Denn Verfahrensrechte sind für einen effektiven Grundrechtsschutz von äußerster Relevanz2, wie oben festgestellt gerade im Umgang mit dem Rechtsmissachtenden3. Teil dessen ist außerdem die Frage der Einstufung der Mitteilung über die Bewertung und die Veröffentlichung als Verwaltungsakt.

A. Formelle Anforderungen Gerade informelles Handeln birgt die Gefahr, die Schranken der rechtlichen Ordnung zu umgehen.4 Deshalb sind bei staatlichen Informationen, und damit nicht der klassischen Formenlehre entsprechendem Handeln, formelle Anforderungen genau einzuhalten. Da bislang allerdings keine Ermächtigungsgrundlage besteht, können dabei nur diejenigen Punkte überprüft werden, die ohne die konkrete Norm und das entsprechende Gesetz1  Siehe allgemein zu den Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 43–47. 2  BVerfGE 128, 1 (46); vgl. BVerfGE 53, 30 (65); 69, 315 (355); 90, 60 (96). Für Art. 12 GG: BVerfGE 39, 276 (294). Für Art. 14 GG: 37, 132 (147, 148). 3  Siehe oben unter Kap. 5, A. IV. 2. und 3. 4  Vgl. Schoch, in: HdbStR III, § 37, Rn. 129.

232 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

gebungsverfahren überprüfbar sind. Prüfungsgegenstand sind daher die Zuständigkeit, die notwendige Bestimmtheit und die Einhaltung des Zitiergebots.

I. Zuständigkeit für die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage Am Anfang steht die Zuständigkeitsfrage. Nur ein kompetenzgemäß erlassenes Gesetz kann eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage sein.5 Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage obliegt dem zuständigen Gesetzgeber und somit dem Bund oder den Ländern. Wer nun aber tatsächlich zuständig ist, ist bislang unklar. Die Bundesregierung sah sich bislang als nicht zuständig an und meinte, ihre Aufgabe durch Einführung der BundLänder-Projektgruppe zur Frage der Öffentlichkeitsinformation bezüglich Lebensmittelkontrollergebnissen erfüllt zu haben.6 Für die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes spricht aber Art. 74 I Nr. 20 GG, „das Recht der Lebensmittel“. Versteht man dies weit, könnte darunter auch die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse amtlicher Lebensmittelüberwachung im Lebensmittel-Einzelhandel fallen. Ein umfassendes Informationszugangsgesetz kann der Bund grundsätzlich zwar nicht regeln, da ihm dafür die ausdrückliche Kompetenz fehlt.7 Eine Veröffentlichungspflicht lebensmittelrechtlicher Informationen sieht der Bundesgesetzgeber jedoch offenbar von Art. 74 I Nr. 20 GG erfasst.8 Dies zeigt beispielsweise auch die vom Bund neu geschaffene Informationspflicht über besonders grobe oder gefährdende Verstöße gegen das geltende Lebensmittelrecht in § 40 I a LFGB. Von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Informationen im Lebensmittelrecht hat der Bund somit schon Gebrauch gemacht. Selbst wenn man aber die Informationsabgabe als nicht vom „Recht der Lebensmittel“ erfasst sieht, könnte man zur Bundeszuständigkeit gelangen, indem man die Datenveröffentlichung im Lebensmittelrecht als Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zum Regelungsbereich „Lebensmittelrecht“ sähe.9 Zusätzlich ist bei der Bundeszuständigkeit über Art. 74 I Nr. 20 GG die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II GG zu beachten. Beim Verbraucherinformationsgesetz – die Regelung dessen war möglich, weil sich die Informationen nur auf Lebens- und Futtermittel und Verbraucherprodukte bezie5  BVerfGE

121, 317 (347). dazu oben unter Kap. 2, B. IV. 7  Vgl. BT-Drs. 17/3994, S. 2. 8  Vgl. BT-Drs. 17/3994, S. 13. 9  Gedanke so auch bei: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 32. 6  Ausführlich



A. Formelle Anforderungen233

hen – hatte der Bundesgesetzgeber die Erforderlichkeit nach Art. 72 II GG aber bejaht: Denn ein unterschiedliches Informationsniveau kann sich auf das Nachfrageverhalten und damit auf Vermarktungschancen auswirken, zudem könne das Verbrauchervertrauen sinken10. Mit derselben Argumentation könnte man die Erforderlichkeit des Art. 72 II GG auch für eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung aller amtlichen Lebensmittelkontrollergebnisse bejahen. Der Bund ist zur Regelung der Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Informationen damit befugt. Für die Kompetenz der Länder hingegen spricht deren Gesetzgebungskompetenz für das Gaststättenrecht und ihre Zuständigkeit im Gefahrenabwehrrecht aufgrund des Art. 70 I GG. Letztere greift allerdings nur in einem engen Rahmen, denn würde man die Zuständigkeit im Gefahrenabwehrrecht weit auslegen, hätten die Länder darüber äußerst weitreichende Kompetenzen, da vieles Gefahrenabwehr in einem weiten Sinne ist. Dies würde einer relativ gleichmäßigen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern daher widerstreben. Offenbar wird es so auch nicht gehandhabt, da tatsächlich mehr Gesetzgebung durch den Bund stattfindet als durch die Länder.11 Die Abwehr abstrakter Gefahren ist damit in der Regel nicht, zumindest nicht über den Kompetenzbereich „Gefahrenabwehr“, von der Zuständigkeit der Länder erfasst. Um die Abwehr konkreter Gefahren geht es bei der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse jedoch nicht.12 Damit greift als geeignete Kompetenz der Länder nicht die Gefahrenabwehr, sondern nur das Gaststättenrecht. Dies ist zwar ebenfalls im weiteren Sinne Gefahrenabwehrrecht, aber den Ländern eindeutig als Aufgabe zugewiesen gemäß Art. 70 I, 74 I Nr. 11 GG. Das Gaststättenrecht dient insgesamt der Wahrung gesundheitlicher Belange13 sowie der Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung und ist folglich gegen alle Rechtsverstöße gerichtet.14 Es soll vor allem Gefahren für Leben und Gesundheit schützen15, und damit auch vor unhygienischen Zuständen.16 Die Veröffentlichung von auch nur geringfügig negativen Kontrollergebnissen wäre damit landesrechtlich regelbar. Dies ginge damit deutlich weiter als die von § 40 LFGB erfassten Kontrollergebnisse. Zudem könnte man sogar dafür argumentieren, dass auch die guten Kontrollergebnisse von einer landes10  BT-Drs.

17/7374, S. 13. in: Sodan, GG, Art. 70, Rn. 10. 12  Siehe dazu oben unter Kap. 4 B. I. 13  Vgl. Pauly, in: Michel/Kienzle, GastG, Einleitung, Rn. 13. 14  Pöltl, Gaststättenrecht, Vor § 1, Rn. 14. 15  Pauly, in: Michel/Kienzle, GastG, Einleitung, Rn. 13. 16  Pöltl, Gaststättenrecht, Vor § 1, Rn. 15. Ausführliche Argumentation dazu bei Schink, Rechtsgutachten, S. 62, die sich allerdings nur auf die frühere Pankower Negativliste bezieht und damit nur auf negative Kontrollergebnisse. 11  Haratsch,

234 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

rechtlichen Veröffentlichungsregelung erfasst werden könnten. Denn dem Schutz vor unhygienischen Zuständen dient durch den dadurch bestehenden Druck die Veröffentlichung aller Lebensmittelkontrollergebnisse. Diese Regelungskompetenz muss trotz der vom Bund in Anspruch genommenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 20 GG fortbestehen. Zwar bewirkt die Regelung eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund eine Sperrung in sachlicher Hinsicht, allerdings nur so weit, wie der Bund tatsächlich geregelt hat.17 Die bisherigen Regelungen durch den Bund, etwa § 40 I, I a LFGB oder § 6 VIG, erfassen die umfassende Veröffentlichung aller negativen Lebensmittelkontrollergebnisse des Lebensmittel-Einzelhandels jedoch nicht. Eine sachliche Sperrwirkung besteht damit nicht. Auch die Länder sind folglich regelungsbefugt. Die Regelungskompetenz richtet sich bei Zuständigkeitskollisionen nach dem Schwerpunkt der beabsichtigten Regelung.18 Je nach deren genauer Ausgestaltung können Rechtsgrundlagen für die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen somit Bund und Länder gleichermaßen schaffen.19 Die Länder wären hierbei allerdings auf den vom Gaststättenrecht erfassten Bereich beschränkt und könnten daher nur Gaststätten und Imbisse, nicht aber auch andere Stellen der Lebensmittelabgabe, wie Fleischer oder Kioske, erfassen.20 Auf den Rechtsunkundigen hätte dies möglicherweise den Eindruck des wahllosen Herausgreifens von Gaststätten und Imbissen und deren Benachteiligung gegenüber anderen Lebensmittelbetrieben, von denen dieselbe Gefahr ausgeht. Das Informationsinteresse besteht zudem auch für alle lebensmittelverarbeitenden Unternehmen.21 Damit könnte eine insgesamt schlechtere Annahme der Informationsveröffentlichung einhergehen. Eine Regelung aus Bundesebene ist daher vorzuziehen.22 Die Aufgabe des Vollzugs einer entsprechenden Regelung läge nach Art. 30, 83 GG aber eindeutig bei den Ländern.23

17  Maurer,

StaatsR I, § 17, Rn. 32. in: Sodan, GG, Art. 70, Rn. 15. Vgl. BVerfGE 98, 265 (299); 106,

18  Haratsch,

62 (110). 19  Vgl. im Ergebnis: Schink, Rechtsgutachten, S. 60, 61; nur die Zuständigkeit der Länder bejahend: CDU/CSU-Fraktion in BT-Drs. 17/3994, S. 5. 20  Schink, Rechtsgutachten, S. 69. 21  Schink, Rechtsgutachten, S. 63, 64. 22  So i. E. auch Schink, Rechtsgutachten, S. 64. 23  Streinz, in: Lebensmittelrechts-Handbuch, IV A, Rn. 14.



A. Formelle Anforderungen235

II. Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage Die zu schaffende Ermächtigungsgrundlage müsste zudem hinreichend bestimmt sein. Dies besagt einerseits der im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG24 wurzelnde Bestimmtheitsgrundsatz25, andererseits aber auch der sich ebenfalls aus Art. 20 III GG ergebende Vorbehalt des Gesetzes26, der leer liefe, wenn er an das ermächtigende Gesetz keinerlei Anforderungen stellte. Dabei betrifft der Vorbehalt des Gesetzes die Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen an Parlamentsgesetze zu stellen sind, das allgemeine Bestimmtheitsgebot hingegen die Anforderungen an Rechtsvorschriften im Allgemeinen; inhaltlich sind die gestellten Anforderungen jedoch relativ parallel, beide Grundsätze richten sich für die Frage der Bestimmtheit nach der Grundrechtsrelevanz und den Eigenheiten des betroffenen Regelungsbereichs.27 Die Anforderungen durch den Vorbehalt des Gesetzes können dabei über die des allgemeinen Bestimmtheitsgebots noch hinausgehen.28 Die Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle berührt Grundrechte und muss daher nach dem Vorbehalt des Gesetzes vom Gesetzgeber selber in Form eines Parlamentsgesetzes geregelt werden. Da es hier damit um ein Parlamentsgesetz geht, gelten bezüglich der Bestimmtheit die Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes. Für den Regelungsumfang richtet sich das Bundesverfassungsgericht beim Vorbehalt des Gesetzes ebenfalls nach der Wesentlichkeitstheorie.29 Daher muss etwas umso genauer geregelt werden, je wesentlicher und je grundrechtsrelevanter es ist.30 Bei belastenden Maßnahmen können sogar konkrete Verfahrensregelungen erforderlich sein.31 Insgesamt muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung deutlich werden, sodass staatliches Handeln kalkulierbar und vorhersehbar ist.32 Der Vorbehalt des Gesetzes darf jedoch nicht so verstanden werden, dass er impraktikabel ist, daher genügen grundsätzlich auch Generalklauseln; es gilt: so bestimmt wie möglich, so 24  Herleitung aus Art. 20 III GG als hL einordnend: Sodan, in: Sodan, GG, Art. 20, Rn. 34 ff. Darstellung des Streits zur Verortung des Rechtsstaatsprinzips bei Schnapp, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 20, Rn. 32. 25  BVerwG, Urt. v. 27.6.2013  – 3 C 7/12, juris, Rn. 15. 26  Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20, Rn. 172, 173. Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 III, Rn. 75. 27  Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20, Rn. 182. 28  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 III, Rn. 75. 29  Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20, Rn. 179. 30  Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 58. Vgl. Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360). Zur Wesentlichkeitstheorie siehe auch oben unter Kap. 4. 31  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 79. 32  BVerfGE 56, 1 (12); BVerwGE 100, 230 (236).

236 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

unbestimmt wie nötig.33 Die Praktikabilität im Vordergrund sehen dabei Elsing / Rosenow, die eine umfängliche Festlegung von Inhalt und Umfang der Veröffentlichungen im Vorhinein eher ablehnen, um diese Einzelfragen dem Gesetzesvollzug zu überlassen.34 Allerdings darf eine Ermächtigungsgrundlage wiederum nicht so unbestimmt sein, dass der Zweck des Gesetzesvorbehalts dadurch nicht mehr erreicht werden kann.35 Zudem ist bei einer Normierung der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen zu berücksichtigen, ob dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe angelegt werden können, wie dies bei klassischen ordnungsrechtlichen Maßnahmen der Fall wäre.36 Die erforderliche Regelungsdichte ist auch bei faktischen und mittelbaren Eingriffen von der Eingriffsintensität abhängig.37 Von einer geringeren Wirkung des Eingriffs kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Eine Information kann eine sehr stark wirkende Maßnahme sein.38 Hohe Anforderungen an die Bestimmtheit müssen daher gerade für faktische Eingriffe gelten, denn je weniger vorhersehbar und „diffuser“ staatliche Risikovorsorge ist, desto wichtiger ist die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.39 Die Eingriffsintensität durch die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen ist sehr hoch, da ungewisse Wirkungen bis zu einer Existenzvernichtung die Folge sein können. Damit sind die Anforderungen an die Regelungsdichte ebenfalls hoch. Es sollte daher Folgendes in der Ermächtigungsgrundlage geregelt werden: •• Wer: die zuständige Behörde •• darf was: – Kontrollergebnisse der letzten vier amtlichen Lebensmittelkontrollen (mit der zahlenmäßigen Begrenzung ergibt sich sogleich auch eine Art „Löschfrist“) – des Lebensmittel-Einzelhandels40 – mit einem farblich oder symbolisch verdeutlichten Gesamtergebnis 33  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 613. Vgl. Faber, Der Schutz der Ehre und des Rufes vor herabsetzenden Äußerungen des Staates, S. 110, 111. 34  Elsing/Rosenow, VuR 2013, 77 (80). 35  W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 552. 36  Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359). Geringere Anforderungen für faktischmittelbare Eingriffe erwägt Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 73. 37  BVerfGE 120, 378 (401 ff.); OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 19; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 III, Rn. 113. 38  Böhm/Lingenfelder/Voit, NVwZ 2011, 198 (201). 39  Vgl. Hufen, in: FS für Horst, S. 85 (90). 40  Definition siehe oben unter Kap. 2, A.



A. Formelle Anforderungen237

– unter Nennung des konkreten Betriebs, – des Kontrolldatums sowie der Mängelabstellung bei einer möglichen Nachkontrolle, – im Internet und alternativ oder zusätzlich „an der Ladentür“ (die Mitteilung über eine Aushangpflicht ist dann jedoch ein Verwaltungsakt41), – zusätzlich zu den klassischen abwehrrechtlichen Maßnahmen veröffentlichen, •• wann: – nach erfolgter Anhörung, – schriftlicher Mitteilung über die Veröffentlichung und – zusätzlicher Wartefrist danach zur Einlegung von Rechtsmitteln, •• wie lange: beispielsweise bis zum Vorliegen von mehr als vier Kontrollergebnissen, wenn ein fünftes Ergebnis vorliegt, wird das älteste entfernt, •• in welchen Fällen nicht: Härtefallregelung oder intendiertes Ermessen42, sodass die Verwaltung im atypischen Einzelfall von der Veröffentlichung absehen kann, •• zu welchem Zweck: Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer und Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen für die Verbraucher. Diese Regelungsanforderungen sind erfüllbar, ohne dass die Anforderungen an den Gesetzgeber überspannt würden, da es sich um eine gut vorhersehbare Materie handelt. Die Anforderungen wurden dabei in den verschiedenen „Modellen“ schon vielfach ausgelotet, sodass die Problemstellungen relativ eindeutig sind. So können Nachvollziehbarkeit und Rückführbarkeit der staatlichen Entscheidung als Element des Rechtsstaatsbegriffs gerade in einem so grundrechtssensiblen Bereich sichergestellt werden. Näheres zur Risikoeinstufung und zum Kontrollinhalt, und damit den Grundlagen der zu veröffentlichenden Informationen, sind bereits in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung (AVV RÜb) geregelt. Diese binden grundsätzlich nur die Behörden43; dies genügt jedoch, da die Risikoeinstufung und die Durchführung der Kontrollen durch die Behörden erfolgt. So enthält etwa die Anlage 1 zur AVV RÜb zur Ermittlung der Risikokategorie Kriterien, die zu beachten sind; zusätzlich gibt es einen beispielhaften Beurteilungsbogen zur Einstufung in die Risikokatego41  Näheres 42  Näheres

dazu siehe unten, B. I. zum intendierten Ermessen bei Ziekow, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 69,

Rn. 2. 43  Ziekow, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 64, Rn. 1, 4 ff.

238 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

rien sowie ein Schema mit den sich daraus ergebenden Kontrollintervallen. Auch der Inhalt der Kontrollen ist zumindest in Oberpunkten (Betriebsart, Verhalten des Lebensmittelunternehmers, Verlässlichkeit der Eigenkontrollen, Hygienemanagement) darin festgelegt. Um aber eine einheitliche Ausgestaltung sicherzustellen, könnte, je nach Ausgestaltung des Veröffentlichungsmodells, ebenfalls durch die Exekutive des Bundes oder der Länder im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift, näheres •• zur Punktevergabe, •• zu konkreten Kontrollinhalten, •• zu den Anforderungen, damit die Mängel bei einer Nachkontrolle als abgestellt / überwiegend / teilweise / nicht abgestellt gelten, geregelt werden.44 Eine hinreichende Bestimmtheit der zu schaffenden Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung amtlicher Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle könnte bei Einhaltung dieser Anforderungen, insbesondere derer an die Regelung auf Gesetzesebene, sichergestellt werden.

III. Zitiergebot Neben der Bestimmtheit ist als formelle Anforderung an den Inhalt der Ermächtigungsgrundlage auch an das Zitiergebot des Art. 19 I 2 GG zu denken, da die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse Grundrechte berührt. Das Zitiergebot hat vor allem Hinweis-, Informations-, Warn- und Besinnungsfunktion.45 Es wird vom Bundesverfassungsgericht jedoch sehr eng ausgelegt und in seinem Anwendungsbereich auf den des Art. 19 I 1 GG beschränkt.46 Satz 1 erfasst nur die Fälle, in denen ein Grundrecht durch oder aufgrund eines Gesetzes „eingeschränkt“ werden kann. Statt sich nach der „allgemeinen Grundrechtsdogmatik“ zu richten, hat dies das Bundesverfassungsgericht zu einer sehr engen Auslegung geführt.47 Danach knüpft sich die Zitierpflicht daran, ob ein Grundrecht einen „Einschränkungsvorbehalt“ in seinem Wortlaut enthält, einen sogenannten „echten Gesetzesvorbehalt“. Art. 12 I und 14 I GG beispielsweise beinhalten jedoch Regelungsvorbehalte, das heißt, dass das grundrechtliche Schutzgut durch einfache Gesetze erzeugt Holzner, DVBl. 2012, 17 (21). in: Dreier, GG, Art. 19 I, Rn. 19. Für die Warn- und Besinnungsfunktion: BVerfGE 64, 72 (80). 46  BVerfGE 28, 36 (46); 64, 72 (80) st. Rspr. Ausführlich zur Entwicklung der einschränkenden Auslegung: Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 28 ff. 47  Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 189 (Drittbearbeitung). 44  Vgl.

45  Dreier,



A. Formelle Anforderungen239

wird.48 Da sie also nicht „einschränken“, wie es Art. 19 I 1 GG fordert, sondern „regeln“, müssen diese Grundrechte der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge nicht zitiert werden.49 Und auch Art. 2 I GG ist danach nicht vom Zitiergebot erfasst, da dieser „von vornherein nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist“50 und damit als Schrankenziehung eben keine Einschränkung ist. Eine Anwendung des Zitiergebots auf Normen ohne Einschränkungsvorbehalt sei auch nicht nötig, da sich der Gesetzgeber der Einschränkung von Grundrechten bei Schranken- und Regelungsvorbehalten ohnehin bewusst sei.51 So würde der Gesetzgeber etwa bei der Berufs- und Eigentumsfreiheit ohnehin erkennen, dass er sich im grundrechtlich geschützten Bereich befindet, oder sowieso immer damit rechnen, etwa bei dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit.52 Das bedeutet, dass gerade die für einen Großteil der Bevölkerung Deutschlands im Alltag besonders präsenten grundrechtsgeschützten Bereiche, vorneweg Beruf und Eigentum, vom besonderen Schutz durch das Zitiergebot ausgenommen sind.53 Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass ansonsten das Zitiergebot zu einer „leeren Förmlichkeit“ würde, die den Gesetzgeber behindere.54 Über diese restriktive Auslegung noch hinaus, hat das Bundesverfassungsgericht noch mehrere weitere Ausnahmen entwickelt, wann das Zitiergebot ebenfalls nicht angewendet werden müsste, so etwa bei nicht finalen Eingriffen55 oder bei Gesetzesänderungen, bei denen zwar ein vertiefender Grundrechtseinschnitt entsteht, das geänderte Gesetz aber bereits zitiert wird56. In Anbetracht aller Ausnahmen gilt das Zitiergebot für Art. 2 II 3, 6 III, 8 II, 10 II, 11 II, 13 VII, 16 I 2 GG.57 Seine Bedeutung ist aufgrund dieser engen Handhabung entsprechend gering.58 48  Ipsen,

StaatsR II, Rn. 181. 13, 97 (122); 21, 92 (93); 24, 367 (396); 28, 36 (46); 64, 72 (79); 83, 130 (154) st. Rspr.; dies kritisierend: Sodan, in: Sodan, GG, Art. 19, Rn. 6; a. A. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rn. 29. Zweifelnd auch Epping, Grundrechte, Rn. 403. 50  BVerfGE 10, 89 (99); vgl. 28, 36 (46). 51  BVerfGE 64, 72 (80). A. A. Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 35, 36. 52  Denninger, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, GG, Art. 19 I, Rn. 18. 53  Ähnlicher Gedanke bei Katz, StaatsR, Rn. 660. 54  BVerfGE 28, 36 (46); 64, 72 (80) st. Rspr. 55  BVerfG-Beschl., NJW 1999, 3399 (3400). 56  BVerfGE 5, 13 (16); 15, 288 (293); 35, 185 (188) st. Rspr.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 77; Krebs, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rn. 17. 57  Über die genauen Absätze innerhalb der einzelnen Grundrechte besteht dabei eine gewisse Uneinigkeit, vgl. bei Antoni, in: Hömig, GG, Art. 19, Rn. 2; Huber, in: 49  BVerfGE

240 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Ansicht dazu in letzter Zeit jedoch ein wenig gewandelt. So nahm es für die Änderung eines bereits eine Zitiervorschrift enthaltenden Gesetzes bei Einfügung einer weiteren Grundrechtseinschränkung die Geltung des Zitiergebots ebenfalls für das ändernde Gesetz an.59 Andererseits verwies es zusätzlich auf eine ältere Entscheidung60, die besagt, dass nur im Fall von Einschränkungsvorbehalten zitiert werden muss.61 Damit hat das Bundesverfassungsgericht nur eine Ausnahme, die es selbst gemacht hatte, nicht mehr angewendet. Etwas weiter ging das Bundesverfassungsgericht einige Jahre später und erklärte eine Norm mangels Zitierung sogar für nichtig.62 Dabei ging es jedoch um Art. 10 GG, also eine Norm, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitiert werden muss. Daher ist fraglich, ob dies außerordentlich ist, da es den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung entspricht, wenn keine der zahlreichen Ausnahmen einschlägig ist. Dennoch werden diese beiden Entscheidungen in der Literatur63 schon als „Umdenken“ hin zu einer strengeren Anwendung des Zitiergebots erkannt. Eine Abwendung von der strengen Handhabung ist darin höchstens in sehr kleinen Schritten zu sehen. Auch die Kommentierung von wissenschaftlichen Mitarbeitern des Bundesverfassungsgerichts hält eine Abkehr von der engen Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht für unwahrscheinlich: Denn viel zu zitieren provoziere politisch Aufmerksamkeit und Unmut, zudem könnte sich das Bundesverfassungsgericht „präjudiziert fühlen“.64 Insgesamt blieb das Bundesverfassungsgericht bislang damit eher bei seiner Aussage von 1983, nach der „kein Anlass“ bestünde, von der Rechtsprechung zum Zitiergebot abzuweichen, denn die Staatspraxis habe sich an die enge Handhabung gewöhnt und Nachteile für den Grundrechtsschutz seien dadurch nicht entstanden.65 Die Literatur folgt dem vielfach.66 Mittlerweile wenden sich jedoch immer mehr Stimmen gegen diesen engen Anwendungsbereich.67 Das ist v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 72, 73; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 I, Rn. 53 ff.; Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 28. 58  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 I, Rn. 26; Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 63. 59  BVerfGE 113, 348 (366). 60  BVerfGE 64, 72 (79). 61  BVerfGE 113, 348 (366). 62  BVerfGE 120, 274 (343). 63  Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 77, 78 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rn. 27. A. A. De Wall, in: Friauf/Höfling, GG, Art, 19 I, II, Rn. 53. 64  Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 19 I-III, Rn. 43. 65  BVerfGE 64, 72 (80).



A. Formelle Anforderungen241

richtig. Denn statt eine „leere Förmelei“ oder eine „wahllose vorsorgliche“ Zitierung ganzer Grundrechtskataloge68 anzunehmen, könnte man auch erwägen, ob die verstärkte Anwendung des Zitiergebotes nicht dazu führen würde, dass das Zitiergebot erst ernst genommen würde.69 Eine Entwertung erfolgt doch eher dadurch, dass man ihm so gut wie keinen Anwendungsbereich gibt. De Wall wendet dagegen ein, dass das Zitiergebot seine Funktionen ohnehin nicht erreichen könne: Diese Formalie könnte unabhängig von einem weit oder eng gefassten Anwendungsbereich nicht von großer Bedeutung sein für die Besinnung auf Grundrechtsbeeinträchtigungen neben der politischen Diskussion, kompetenter juristischer Vorbereitung von Gesetzesentwürfen, Anhörungen in Bundestagsausschüssen oder drohenden verfassungsgerichtlichen Verfahren im Falle von Grundrechtsverletzungen.70 Das überzeugt jedoch nicht. Denn gerade bei weniger offensichtlichen Grundrechtsbeschränkungen oder wenig Aufmerksamkeit erregenden Gesetzesentwürfen kann durch das Zitiergebot tatsächlich in sinnvoller Weise dafür gesorgt werden, dass Bundestagsabgeordnete, aber auch inte­ ressierte Bürger, Grundrechtsbeschränkungen erkennen. Denn in der Ausführlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens, der Komplexität vieler Gesetze und in der Vielzahl der Beteiligten liegt gerade auch die Gefahr, dass manches „unter den Tisch“ fällt. Ausnahmen von der Zitierpflicht sind daher nur angebracht, wenn die Zitierpflicht im konkreten Fall funktionslos wäre.71 Nach Huber hätte mehr Grundrechtssensibilität durchaus manche Grundrechtsbeschränkung verhindert.72 Dazu hätte das Zitiergebot bei entsprechender Anwendung beitragen können. Außerdem hätte dies einen langsameren Gesetzgebungsprozess zur Folge, was zu begrüßen wäre, da ohnehin eine Normenflut mit oft geringer „Überlebensdauer“ vorherrsche.73 Die enge Handhabung wird daher den Funktionen des Zitiergebots, die das 66  Antoni, in: Hömig, GG, Art. 19, Rn. 2, 4; Krebs, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rn. 16; Denninger, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, Art. 19 I, Rn. 17, 18; De Wall, in: Friauf/Höfling, GG, Art, 19 I, II, Rn. 49; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 19, Rn. 12 ff.; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 19, Rn. 4, 5. Größtenteils aber nur darstellend, ohne eigene Bewertung, im Detail teilweise auch mit Kritik an der Rechtsprechung. 67  So schon im Jahr 2002 Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 31 m. w. N.; im Jahr 2012 Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 202 (Drittbearbeitung). 68  Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 I, Rn. 57. 69  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 45. 70  De Wall, in: Friauf/Höfling, GG, Art, 19 I, II, Rn. 46. 71  Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 214 (Drittbearbeitung). 72  Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 93. 73  Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 95.

242 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

Bundesverfassungsgericht selbst ausgearbeitet hat, nicht gerecht.74 Deshalb müssen grundsätzlich alle Freiheitsrechte zitiert werden.75 Für manche Grundrechte könnten jedoch Ausnahmen nötig sein. Diskutiert wird auch unter den Befürwortern eines weiten Anwendungsbereiches des Zitiergebots die Anwendbarkeit auf die allgemeine Handlungsfreiheit aufgrund des sehr weiten Schutzbereichs. Die Anwendung darauf könnte tatsächlich zu einer leeren Förmelei führen.76 Andererseits ist die allgemeine Handlungsfreiheit subsidiär gegenüber speziellen Grundrechten. Wenn man dies auch im Rahmen des Zitiergebots beachtet, also die Zitierpflicht der allgemeinen Handlungsfreiheit nur annimmt, wenn keine spezielleren Freiheitsrechte einschlägig sind, entstünde diesbezüglich keine ausufernde Zitierpflicht.77 Für die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen müsste die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG somit nicht zitiert werden, unabhängig davon, welcher Ansicht man hierbei folgt. Auch bei Art. 14 I GG ergeben sich Anwendungsschwierigkeiten. Denn die Inhaltsbestimmungen, die Art. 14 GG zulässt, gestalten den Schutzbereich erst aus und können nicht deshalb gleichzeitig als Einschränkung des Schutzbereiches die Zitierpflicht auslösen. Im Gegensatz zur Berufsfreiheit etwa, ist „Eigentum“ ohne gesetzliche Ausgestaltung völlig konturenlos.78 Andererseits sind Eingriffe in Art. 14 GG ebenfalls möglich, sodass es einen Schutzbereich geben muss, der dann beeinträchtigt ist. Sofern es einen Schutzbereich – bei Art. 14 GG „der konkrete Bestand an vermögenswerten Gütern in der Hand des Eigentümers“79 – gibt, besteht aber auch ein Anknüpfungspunkt für das Zitiergebot. Über die Anwendbarkeit bei Freiheitsrechten hinaus, wird vereinzelt die Anwendbarkeit auf Gleichheitsrechte diskutiert. Für die Vertreter der Ansicht, dass das Zitiergebot nur auf durch Gesetzesvorbehalt einschränkbare Grundrechte anzuwenden ist, ergibt sich diese Frage gar nicht, da ein Gesetzesvorbehalt bei Gleichheitsrechten nicht in Betracht kommt.80 Auch bei denen, die diese Frage diskutieren, ergibt sich kein einhelliges Bild. Nach 74  Roellecke,

in: Umbach/Clemens, GG, Art. 19 I-III, Rn. 34. in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 95; Hufeld, in: Kahl/ Waldhoff/Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 213 (Drittbearbeitung); Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 41. 76  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 I, Rn. 22, 23; Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 189 (Drittbearbeitung); Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 19 I-III, Rn. 38; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rn. 29. 77  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 44. 78  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 49. 79  BVerfGE 68, 193 (222); 74, 264 (281). 80  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 59. 75  Huber,



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 243

Huber muss jedes Gesetz, selbst wenn es nur ein Gleichheitsgebot betrifft, zitieren.81 Nach Dreier ist die Zitierpflicht für Gleichheitsrechte jedoch aufgrund ihrer besonderen dogmatischen Struktur problematisch.82 Gegen das Struktur-Argument spricht aber, dass selbst das Bundesverfassungsgericht mittlerweile Freiheits- und Gleichheitsrechte ähnlich prüft, insbesondere bei den Gleichheitsrechten vielfach auf die Verhältnismäßigkeit statt der Willkürkontrolle abstellt.83 Zudem kann bei den meisten Gleichheitsrechten ebenso von einer Art „Schutzbereich“, an den der Schutz anknüpft, ausgegangen werden; dies ist lediglich bei Art. 3 I GG anders, bei dem es tatsächlich an konkreten Anknüpfungsmerkmalen fehlt.84 Eine Anwendung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG wäre im Gegensatz zu den spezielleren Gleichheitsrechten daher ausufernd, da fast immer irgendwelche Ungleichbehandlungen durch Gesetze entstehen.85 Im Falle des Art. 3 I GG muss daher eine Ausnahme von der Zitierpflicht gemacht werden, da das Zitieren in diesem Fall tatsächlich sinnlos wäre. Berufs- und Eigentumsfreiheit als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als durch die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse berührte Grundrechte86 müssen daher zitiert werden, Art. 3 I GG nicht.

B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren Neben den formellen Anforderungen muss eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage auch materiellen Anforderungen entsprechen, insbesondere der Verhältnismäßigkeit. In der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse haben sich einige konkrete Ausgestaltungen bereits als nicht erforderlich herausgestellt.87 Durch relativ kleine Änderungen, etwa Angaben zur Mängelbeseitigung in der Veröffentlichung, ließe sich dies jedoch ändern. Eine verhältnismäßige Ausgestaltung könnte dann möglich sein. Dies gibt Anlass, noch 81  Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 I, Rn. 94. A. A. wg. „Funktionslosigkeit“ des Zitiergebots bei Gleichheitsrechten: Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, GG, Art. 19 I 2, Rn. 214 (Drittbearbeitung). A. A. ohne nähere Begründung: Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 19 I–III, Rn. 30. 82  Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 151; Art. 19 I, Rn. 23. 83  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 61. 84  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 64, 65. Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 I, Rn. 23. 85  Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, S. 65. Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 I, Rn. 23. 86  Siehe oben unter B. I. 2. d). 87  Siehe dazu oben unter Kap. 5, A. III.

244 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

grundlegendere Erwägungen dazu anzustellen, wie die Veröffentlichung so austarierend gestaltet werden könnte, dass sie allseits gesellschaftliche Akzeptanz findet und auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben kann. Näher zu beleuchten ist die Frage des möglichen Rechtsschutzes für den Betroffenen. Dafür ist maßgeblich, ob es sich bei der Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen um einen Verwaltungsakt handelt. Denn dies entscheidet über die Klageart und die Möglichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens sowie über Verfahrensanforderungen, wie etwa die Anhörung nach § 28 VwVfG.

I. Die Veröffentlichung als Verwaltungsakt oder Realakt Bei den Kontrollergebnissen kann differenziert werden in das amtliche Schreiben, das den Betroffenen über die Veröffentlichung informiert, und in den tatsächlichen Akt des Einstellens der Ergebnisse in die Liste, die dann im Internet auffindbar ist. Bei dem möglichen Bundesmodell, das von einer Ergebnisveröffentlichung „an der Ladentür“ ausgeht, kommt dabei zur Information über die Veröffentlichung noch die Aufforderung hinzu, das Ergebnis auszuhängen. Der tatsächliche Akt des Einstellens ins Internet stellt ersichtlich keine Regelung dar. Fraglich ist die Regelungswirkung jedoch bei dem Schreiben, dass die Veröffentlichung des amtlichen Kontrollergebnisses mitteilt.88 Ein Verwaltungsakt setzt nach § 35 VwVfG eine hoheitliche Maßnahme voraus, die „eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“. Eine Regelung ist eine Entscheidung über die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten oder rechts­ erheblichen Tatsachen.89 Diese muss nach objektiver Betrachtung verbind­ liche unmittelbare Rechtsfolgen setzen, also einen Verpflichtungs- oder Berechtigungsteil enthalten; bloße tatsächliche Auswirkungen genügen nicht.90 Die Rechtsfolge muss dabei außerdem durch den Verwaltungsakt selbst gesetzt werden, nicht erst durch einen weiteren Akt.91 Absichtserklärungen fehlen dabei grundsätzlich diese Unmittelbarkeit sowie der Rege88  Unsicherheit darüber bestand für die berlinweite Liste „Sicher essen“ auch in den Rechtsämtern der Berliner Bezirke, vgl. Flatau, Berliner Morgenpost vom 3.1.2012, S. 12. 89  Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 42, Rn. 23. 90  Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35, Rn. 89; Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 124 b. Vgl. Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 35, Rn. 146. Im Umkehrschluss Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 142. 91  Wolff, in: Wolff/Decker, VwVfG, § 35, Rn. 44.



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 245

lungswille.92 Danach wäre bei der Mitteilung der Veröffentlichung nicht von einem Verwaltungsakt auszugehen. Andererseits ist ein Verwaltungsakt aber eine Willenserklärung und damit nach §§ 157, 133 BGB (analog) auszulegen.93 Ausschlaggebend ist daher auch, wie der Bürger den Inhalt verstehen durfte und musste, also der objektive Erklärungswert, der sich durch Form, Abfassung, Begründung, Vorhandensein einer Rechtsbehelfsbelehrung und allen anderen erkennbaren Umständen zeigt.94 Dies hängt damit vom jeweiligen Behördenschreiben im Einzelfall ab. Ob die Behörde überhaupt in der Form eines Verwaltungsaktes handeln durfte, ist dabei nicht entscheidend.95 Ermittelbar ist mangels tatsächlich vorliegendem Schreiben der Verwaltung in diesem Rahmen nur der objektive Sinngehalt der Mitteilung. Dieser dürfte als Ankündigung eines tatsächlich bevorstehenden Handelns zu verstehen sein und somit ebenfalls nicht auf einen Verwaltungsakt hindeuten.96 1. Konkludenter Verwaltungsakt Jedoch könnte man, gäbe es für die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen eine Ermächtigungsgrundlage, in der Mitteilung über die Veröffentlichung gerade die Einzelfallentscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Einstellens der Information ins Internet sehen. Dies wäre ein sogenannter vorgeschalteter konkludenter Verwaltungsakt, der vor einem Realakt ergeht, um diesen vorzubereiten. Dies wurde vor allem in der älteren Rechtsprechung vielfach angenommen.97 Heute ist diese Zerstückelung natürlicher Lebensabläufe und die Auflösung der klaren Handlungsformenlehre nicht mehr erforderlich, da gegen Realakte Rechtsschutz möglich ist. Zu überlegen ist zudem, was die „Regelungswirkung“ des vorgeschalteten Verwaltungsaktes ist98. Sofern die Regelung ist, ob oder wie der Realakt stattfindet, ist dies eine bloß tatsächliche Auswirkung. Diese genügt jedoch 92  Schwarz,

in: Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, § 35, Rn. 95. in: Huck/Müller, VwVfG, § 35, Rn. 20; VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 6. 94  Müller, in: Huck/Müller, VwVfG, § 35, Rn. 20. Vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 5. So für das Bundesmodell: Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (8). 95  Müller, in: Huck/Müller, VwVfG, § 35, Rn. 21. 96  Vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 7. 97  BVerwGE 31, 301 (306). 98  Diese bei einer Entscheidung über eine Akteneinsicht auch ablehnend: VGH München, NVwZ 1990, 775 (776). 93  Müller,

246 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

für eine Regelung grundsätzlich nicht.99 Dennoch wird heute der vorgeschaltete Verwaltungsakt noch anerkannt, wenn eine besondere Prüfung100 vor dem Realakt nötig war. Dies ist allerdings lediglich in absoluten Ausnahmefällen zu bejahen, um der klaren Abgrenzbarkeit der verschiedenen Handlungsformen Rechnung zu tragen. Der vorgeschaltete „Verwaltungsakt“ ist daher grundsätzlich abzulehnen101 und eher ein „Notwehrakt“ der Rechtsprechung102. Ansonsten wäre nahezu jedes behördliche Handeln ein Verwaltungsakt.103 Teilweise – insbesondere im Informationsrecht – ist das Vorliegen eines vorgeschalteten Verwaltungsaktes aber gesetzlich vorgesehen, obwohl das eigentliche Handeln ein Realakt ist, etwa bei §§ 7, 9 IFG oder § 6 VIG.104 In diesen Fällen muss es den vorgeschalteten Verwaltungsakt somit geben. Die eigentliche Informationserteilung ist ein Realakt. Ob ein Verwaltungsakt vorliegt, richtet sich damit nach der konkreten Ermächtigungsgrundlage, die bestimmen kann, ob dem Realakt ein Verwaltungsakt vorgeschaltet sein soll105. In der Regel ist die Übermittlung von Informationen aber kein Verwaltungsakt.106 Auch für Informationsansprüche ist die Ausgestaltung mit einem vorgeschalteten Verwaltungsakt daher nicht zwingend notwendig. Die Informationserteilung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch etwa ist nicht als Verwaltungsakt ausgestaltet. Denn sollte die Information nach § 40 LFGB einen Verwaltungsakt darstellen, müsste § 40 II LFGB die Anhörung nicht explizit anordnen, da bei einem Verwaltungsakt diese nach § 28 I VwVfG ohnehin zu erfolgen hat.107 Eine einheitliche Ausgestaltung der Handlungsform behördlicher Informationsmaßnahmen besteht damit nicht.108 99  Siehe

oben im selben Unterpunkt. in: Sodan/Ziekow, Gk, § 74, Rn. 10. Vgl. OVG Münster, NJW 1995,

100  Ziekow,

2741.

i. E. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 74, Rn. 10. in: FG 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 551 (554). 103  Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 42, Rn. 37. 104  Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35, Rn. 44; Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 42, Rn. 37. Für das IFG auch Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (10, 11). Für das VIG auch Becker, ZLR 2011, 391 (418); Mühlbauer, DVBl. 2009, 354 (355); Wustmann, BayVBl. 2009, 5 (9). 105  Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 42, Rn. 37. 106  Bull/Mehde, AllgVerwR, Rn. 696; Maurer, AllgVerwR, § 9, Rn. 62; OVG Münster, NJW 1995, 2741. 107  Gedanke so auch bei Elsing, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 9 (26). 108  Ähnlich schon BVerwGE 31, 301: ob eine behördliche Auskunft bzw. Entscheidung über eine Auskunft ein Verwaltungsakt ist, kann nicht allgemein beatwortet werden. 101  Vgl.

102  Meyer,



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 247

Ähnlich wie der vorgeschaltete Verwaltungsakt wurde früher mangels Rechtsschutz gegen Realakte das Vorliegen konkludenter Duldungsverfügungen als Verwaltungsakt anerkannt.109 Dies wurde ebenfalls insbesondere dann angenommen, wenn einem Realakt eine komplizierte Entscheidung zur Sachund Rechtslage vorausging.110 Die Regelungswirkung liegt darin, den Realakt dulden zu müssen. Heute wird dies zum Beispiel bei Vollstreckungsmaßnahmen noch angenommen.111 Dies erscheint zunächst plausibel, da eine Duldungspflicht ebenso eine Regelung im weiteren Sinne ist. Die konkludente Duldungsverfügung ist aber – parallel zum vorgeschalteten Verwaltungsakt – mit der Zerstückelung natürlicher Lebensabläufe, mangelnder Erforderlichkeit dieser Konstruktion und der Auflösung der klaren Handlungsformenlehre abzulehnen. Die konkludente Duldungspflicht genügt damit nicht. Zu einem anderen Ergebnis führt es auch nicht, dass es sich bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse um behördliche Eintragungen in eine Liste mit Außenwirkung handelt. Zwar ist die Verwaltungsaktsqualität bei Eintragung in manche Listen, etwa bei der Mitteilung über die Absicht der Eintragung in die Handwerksrolle, anerkannt.112 Eintragungen in Listen dürfen aber nicht zu weitgehend als Verwaltungsakt eingestuft werden, da dies der Abgrenzungsfunktion zuwiderläuft und die verfahrensrechtlichen Folgen davon gar nicht immer sinnvoll sind.113 Die Handwerksrolle muss daher eine Ausnahme bleiben.114 Die Eintragung ins Verkehrszentralregister wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht nicht als Verwaltungsakt eingestuft115, ebenso die Arzneimitteltransparenzliste116. Listeneintragungen stellen nur dann einen Verwaltungsakt dar, sofern sie selbst Rechte und Pflichten begründen, die Eintragung also konstitutiv ist.117 Dies wäre hier nicht der 109  Ausführlich zur konkludenten Duldungsverfügung: Widmann, Abgrenzung zwischen Verwaltungsakt und eingreifendem Realakt, S.  100 ff. 110  Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 126, 127; Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 35, Rn. 148. 111  Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, § 35, Rn. 94. 112  BVerwGE 95, 363 (364); Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 121. Vgl. Müller, in: Huck/Müller, VwVfG, § 35, Rn. 42. Kritisch dazu: Maurer, AllgVerwR, § 9, Rn. 8. Lediglich die Bescheinigung über die Eintragung für einen VA haltend: Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35, Rn. 57. 113  Lässig, JuS 1990, 459 (463). 114  Vgl. Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 35, Rn. 160. 115  BVerwGE 77, 268 (274). A. A. dazu Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 35, Rn. 57. 116  BVerwGE 71, 183 (186, 187). Ebenso die Vorinstanz OVG Berlin, PharmaRecht, 1980, 139 (141). 117  Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35, Rn. 102 m. w. N.; Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 140.

248 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

Fall, da die Eintragung nur tatsächliche Wirkungen hat. Somit spricht auch dies nicht für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. 2. Zwischenergebnis zum Vorliegen eines Verwaltungsaktes Die Tendenz der Rechtsprechung ist es heutzutage, die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt eher streng zu handhaben.118 So ist etwa die frühere Annahme, die Verwaltungsaktqualität ergebe sich bereits aus einer bestehenden Eingriffsqualität,119 heute seltener zu finden.120 Dies gibt auch die Legaldefinition des § 35 VwVfG nicht her. Grundsätzlich ist die strengere Handhabung richtig, denn sie führt zu dogmatischer Klarheit und Verlässlichkeit.121 Dies ist besonders wichtig, weil Verwaltungsakte die Rechtslage gestalten122 und Bestandskraft entfalten123. Dieser strengeren Ansicht scheint ebenfalls die Lehre in der letzten Zeit zu folgen. Vertreten wird lediglich für Datensammlungen oder Eintragungen in öffentliche Register, dass diese Verwaltungsaktqualität hätten, sofern sie unmittelbar den Rechtskreis des Bürgers berührten.124 Dies wird ebenfalls auf die Eingriffsintensität dieser Maßnahmen zurückgeführt.125 Derlei Konstruktionen sind allerdings nicht mehr notwendig aufgrund der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen schlicht-hoheitliches Handeln.126 Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte ist auch für den Bürger nicht der per se bessere.127 Damit handelt es sich bei der Veröffentlichung der Ergebnisse Wolff, in: Wolff/Decker, VwVfG, § 35, Rn. 36. Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 13, 14; zumindest im besonderen Gewaltverhältnis auf die Eingriffsqualität abstellend: Henneke, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35, Rn. 59. Beispiele dazu aus der Rechtsprechung der 1950er Jahre bei Stern, BayVBl 1957, 86 (87). 120  Dies ebenso bewertend: Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 145. In Rn. 117 verweist er im Einzelfall dennoch selbst auf die Eingriffsintensität zur Begründung der Verwaltungsaktsqualität. Ähnlich noch Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 35, Rn. 152; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, § 35, Rn. 93. Die Eingriffsqualität nicht erwähnend: Bull/Mehde, AllgVerwR, Rn. 696; Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 35; Wolff, in: Wolff/Decker, VwVfG, § 35. 121  Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Edition 21, § 35, Rn. 144. 122  Remmert, JURA 2007, 736 (738). 123  Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 42, Rn. 37. 124  Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition21, VwVfG, § 35, Rn. 117. 125  Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 117. 126  Vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 42, Rn. 100. Extensiv aber noch BVerwGE 18, 154 (155). 127  Dazu noch in diesem Abschnitt unten, 3. 118  So

119  Vgl.



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 249

amtlicher Lebensmittelkontrollen mangels Regelung128 grundsätzlich nicht um einen Verwaltungsakt.129 Vielmehr ist es die Ankündigung eines schlichthoheitlichen Handelns.130 Anders ist dies nur bei einer Aushangpflicht des Kontrollergebnisses im jeweiligen Geschäft zu bewerten, so wie es etwa das Bundesmodell der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz vorsah. Die behördliche Mitteilung, dass das Ergebnis ausgehängt werden muss, legt dem Unternehmer die Pflicht auf, dies zu tun. An einer Regelung fehlt es in diesem Fall daher nicht.131 Auch die anderen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG sind unproblematisch erfüllt. Für die Veröffentlichung im Internet hingegen, könnte eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage bestimmen, dass es sich bei der Mitteilung über die Veröffentlichung des Kontrollergebnisses um einen Verwaltungsakt handelt. 3. Abwägung zwischen Verwaltungs- und Realakt Da eine Ausgestaltung als Verwaltungs- oder als Realakt möglich ist, wird nun untersucht, welche Ausgestaltung die empfehlenswertere wäre. Die Wirtschaftsministerkonferenz forderte gegenüber der Verbraucherschutzmi128  VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013 – 6 L 47/13, juris, Rn. 15; VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 46; Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502); Waldhoff, JuS 2013, 860 (861). Vgl. Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35, Rn. 73; Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 52 (59). 129  I. E. ebenso: VGH Bayern, Beschl. v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80, juris, Rn. 10; VGH BaWü, Beschl. v. 28.1.2013  – 9 S 2423/12, juris, Rn. 5; VG Berlin, Beschl. v. 17.3.2014 – 14 L 410.13, juris, Rn. 18, Beschl. v. 19.3.2014 – 14 L 35.14, juris, Rn. 20; VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 15; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013  – 19L1730/12, juris, Rn. 4; VG Aachen, Beschl. v. 4.2.2013  – 7 L 569/12, juris, Rn. 9; VG Hannover, Beschl. v. 29.1.2013  – 9 B 264/13, juris, Rn. 20; VG Saarland, Beschl. v. 25.1.2013  – 3 L 76/13, juris, Rn. 3; VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 35. Implizit auch: VG Osnabrück, Beschl. v. 8.5.2013  – 6B 18/13, juris, Rn. 13; VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 46; VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012 – 2 K 2430/12, juris, Rn. 4; Hufen, siehe Darstellung in Armbrock/Karcher, NVwZ 2011, 1371 (1372); Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502); Waldhoff, JuS 2013, 860 (861); Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (10, 11). So i. E. auch für die Veröffentlichung der Arzneimitteltransparenzliste: BVerwGE 71, 183 (186, 187); OVG Berlin, Pharma-Recht, 1980, 139 (141). A. A.: OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 632 (633); VG Saarlouis, Urt. v. 24.8.2010 – 3 K 228/10, juris, Rn. 16; Preuß, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß, LFGB, § 39 Rn. 59. 130  So zu § 40 I a LFGB: VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012  – 2 K 2430/12, juris, Rn. 7. 131  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 264, Rn. 179; Kügel/ Plaßmann, LMuR 2012, 1 (8). Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, LFGB, § 40, Rn. 3i.

250 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

nisterkonferenz unter anderem die Ausgestaltung als Verwaltungsakt, bevor sie dem avisierten Bundesmodell zustimmt.132 Grundsätzlich entspräche dies aber nicht der verwaltungsrechtlichen „Handlungsformenlehre“.133 Zwar hätte der Verwaltungsakt für die betroffenen Unternehmer den Vorteil, dass das kostengünstige Widerspruchsverfahren134 möglich wäre und durch Einlegung von Widerspruch und Anfechtungsklage eine aufschiebende Wirkung entstünde. Ohne die Deklaration als Verwaltungsakt wäre hingegen nur Eilrechtsschutz möglich, sofern die Veröffentlichung im Vorhinein verhindert werden soll, das heißt ein summarisches, nicht aufschiebend wirkendes Verfahren. Ob dies ein ausreichender Rechtsschutz ist, wird bezweifelt.135 Andererseits läuft die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse bei Ausgestaltung als Verwaltungsakt Gefahr, in weiten Teilen nicht stattzufinden, da der kostengünstige, vergleichsweise unkomplizierte und aufschiebend wirkende Widerspruch eine geringere Hürde ist als eine Klageerhebung. So könnte eine allgemeine Veröffentlichung gegebenenfalls konterkariert werden. Zudem ist der Rechtsschutz für den Betroffenen gegen einen Realakt sogar „leichter“ als gegen einen Verwaltungsakt; denn beim Vorgehen gegen einen Verwaltungsakt ist der Betroffene an die Einhaltung der Klagefrist des § 74 I 1 VwGO und teilweise an die Durchführung des Widerspruchsverfahrens gebunden.136 Damit ist keine eindeutig bessere Ausgestaltungsweise erkennbar. Deshalb sollte kein Sonderweg beschritten werden, sondern an der übliche Handlungsformenlehre auch für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen festgehalten werden und eine Ausgestaltung als bloßer Realakt gewählt werden. Im Weiteren soll daher von der Ausgestaltung als Realakt ausgegangen werden.

132  Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011 auf Schloss Plön, TOP 14.3, Unterpunkt 6, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkon ferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 133  Siehe dazu im vorangegangenen Unterpunkt a). 134  Eher als Belastung sieht es: Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Edition 21, VwVfG, § 35, Rn. 144. Das Widerspruchserfahren wird derzeit tendenziell ohnehin eher abgeschafft, siehe etwa Art. 15 II BayAGVwGO, § 8 a I NdsAGVwGO, § 110 I 1 NRWJustG. Auch in Berlin muss in sehr vielen Fällen kein Vorverfahren mehr durchgeführt werden, siehe insbesondere §§ 63, 70 VwVfG des Bundes i. V. m. § 4 VwVfGBln i. V. m. § 1 FormVfVO und diesbezüglicher Anlage. 135  So zum angedachten Bundesmodell: Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 1 (8). 136  Vgl. BVerwGE 31, 301 (305); Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 42, Rn. 101.



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 251

II. Anhörung Eine Anhörung wäre nach § 28 VwVfG vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes nötig, für Realakte gilt die Norm ihrem Wortlaut nach nicht. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und ordnet den Anspruch auf Gehör daher vielfach an, etwa in § 40 III LFGB oder § 5 I 2 VIG.137 Auch ohne entsprechende Regelung könnte im Falle des Realaktes aber eine vorherige Anhörung notwendig sein. Ein Anspruch darauf kann sich aus dem Grundgesetz oder aus einer analogen Anwendung des § 28 VwVfG ergeben. Für die Herleitung aus dem Grundgesetz kommt Art. 103 I GG in Betracht, der in Bezug auf die Anhörung das Rechtsstaatsprinzip konkretisiert,138 jedoch nur im gerichtlichen Verfahren gilt. Er kann, aufgrund der verschiedenen Zwecksetzung von gerichtlichem Verfahren und Verwaltungsverfahren139, nicht analog auf das Verwaltungsverfahren angewendet werden.140 Wurzel eines Anhörungsrechts kann aber das Rechtsstaatsprinzip sein141, das sich inhaltlich auf die „Normbindungen der Staatsgewalten“ in materieller sowie formeller Hinsicht bezieht142 und vor allem in Art. 20 III GG verankert wird143. Es gebietet unter anderem ein rechtsstaatliches, faires Verfahren,144 wozu auch das Anhörungserfordernis zu rechnen ist.145 Vielfach wird das Rechtsstaatsprinzip dabei in Verbindung mit Art. 1 I GG und der sich daraus ergebenden Objektformel herangezogen.146 Ebenfalls wird die Herleitung aus 137  Schoch,

AfP 2010, 313 (323). 9, 89 (95). 139  Nolte, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 I, Rn. 19. 140  BVerfGE 101, 397 (404); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103, Rn. 8; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 I, Rn. 19; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 103, Rn. 8. Vgl. BVerfGE 27, 88 (103); 36, 321 (330). 141  Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S.  148; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103, Rn. 8; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 375; Nolte, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 I, Rn. 19; Ritgen, in: Knack/Henneke, ­VwVfG, § 28, Rn. 12; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 103, Rn. 8; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 I, Rn. 62. A. A. Schnapp, in: v.  Münch/Kunig, GG, Art. 20, Rn. 38. 142  Sodan, in: Sodan, GG, Art. 20, Rn. 36. 143  BVerfGE 35, 41 (47); 39, 128 (143). Ausführliche Diskussion der verfassungsrechtlichen Herleitung: Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. 144  BVerfGE 65, 171 (174); 110, 339 (342); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 42. 145  BVerfGE 101, 397 (404); Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 12. 146  BVerfGE 7, 275 (279); 9, 89 (95); 65, 171 (174); 101, 397 (405); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103, Rn. 8; Grünewald, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 28, Rn. 2; Hochhuth, NVwZ 2003, 30 (32); Nolte, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 I, Rn. 19; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 I, Rn. 62; 138  BVerfGE

252 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

einer Gesamtschau der Grundrechte erwogen.147 Einen Grundrechtsschutz durch eine angemessene Verfahrensgestaltung erkennt grundsätzlich ebenfalls das Bundesverfassungsgericht an.148 Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Grundlage wird vielfach von einer analogen Anwendbarkeit des § 28 VwVfG auf Realakte ausgegangen.149 Die Anwendung auf jedes schlicht-hoheitliche Handeln würde die Verwaltung jedoch lähmen. Zumindest wenn Realakte unmittelbar in Grundrechte eingreifen150 oder sich eine mit dem Verwaltungsakt-Erlass vergleichbare Entscheidungssituation stellt151, ist in der Literatur die Geltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verankerung aber anerkannt152. Dies muss gerade bei informatorischem Handeln gelten, da dieses besonders schwer rückgängig zu machen ist und die Anhörung die Fehleranfälligkeit verringert.153 Die Rechtsprechung ist bezüglich eines Anspruchs auf Gehör bei Realhandeln aber „eher zurückhaltend“.154 Zudem wird diskutiert, ob § 28 VwVfG nicht aufgrund europäischer Vorschriften ohnehin weitgehend dahin ausgelegt werden muss, dass vor jedem belastenden staatlichen Handeln grundsätzlich angehört werden muss.155 In Art. 41 II lit a) GRCh ist die Anhörung als (Verfahrens-)Grundsatz156 ausgeformt. Dort setzt die Anhörung nur eine nachteilige individuelle Maßnahme voraus,157 nicht aber einen Verwaltungsakt. Die europäische GrundSodan, in: Sodan, GG, Art. 103, Rn. 8; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, ­VwVfG, § 28, Rn. 8. Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 2. Dies für die hM haltend: Kopp/Ramsauer, § 28, Rn. 3. 147  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 I, Rn. 62. Vgl. Herrmann, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 28, Rn. 5; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 13. 148  BVerfGE 128, 1 (55). 149  Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 4a; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 27; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, § 28, Rn. 8. Ausführliche Diskussion bei Hochhuth, NVwZ 2003, 30. 150  Becker, ZLR 2011, 391 (418); Herrmann, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 28, Rn. 5; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 375; Schwarz, in: Fehling/Kastner/ Störmer, VwVfG, § 28, Rn. 8. Vgl. Hochhuth, NVwZ 2003, 30 (32). 151  Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 4a; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 27. 152  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 243, Rn. 64. 153  Hochhuth, NVwZ 2003, 30 (31, 32). 154  Bzgl. staatlichen Informationshandelns so Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 28. 155  Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 16 m. w. N. 156  Zur Unterscheidung zwischen Grundrechten und Grundsätzen siehe Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV, Art. 6, Rn. 15. 157  Galetta/Grzeszick, in: Tettinger/Stern, EUGRCh, Art. 41, Rn. 46.



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 253

rechtecharta ist als europäisches Primärrecht nach Art. 6 I EUV bei der Auslegung nationalen Rechts zu berücksichtigen.158 Grundsätzlich hat europäisches Primärrecht sogar Anwendungsvorrang.159 Dies wird durch Art. 51 I 1 GRCh, der die Geltung der Charta „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“ vorschreibt, für die Charta scheinbar eingeschränkt. Inwiefern dies aber eine tatsächliche Einschränkung der Anwendung bewirken kann, ist bislang unklar.160 Probleme ergeben sich etwa dann, wenn eine Richtlinie angewendet wird, die bereits in deutsches Recht umgesetzt wurde.161 Unabhängig davon greift Art. 41 II lit a) GRCh jedenfalls zumindest als Auslegungshilfe. Aufgrund der verfassungs- und europarechtlichen Verankerung, die nicht auf Verwaltungsakte beschränkt ist, muss auch ohne die Ausgestaltung als Verwaltungsakt vor der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse eine Anhörung des Betroffenen stattfinden.162 Dies sollte gesetzlich festgelegt werden, um Rechtssicherheit zu erreichen. Die Möglichkeit, auf eine Anhörung zu verzichten, sollte dabei möglichst selten bestehen.163 Unzureichend wäre es, wenn die Anhörung zur Überwachungsmaßnahme gleichzeitig die zur Veröffentlichung ist, da Überwachung und Veröffentlichung zwei verschiedene Verfahrensschritte sind164 und der Betroffene die Veröffentlichung kurz nach der Kontrolle noch nicht hinreichend „im Blick“ hat165. Daher sollte eine schriftliche Mitteilung der Veröffentlichungsabsicht und der Frist für eine Anhörung erfolgen.166 Mit der Veröffentlichung müsste bis zum Verstreichen dieser Anhörungsfrist gewartet werden.167

158  Vgl. Schweitzer, StaatsR III, Rn. 324. Vgl. für Art. 38 GRCh: Jarass, GRCh, Art. 38, Rn. 4. 159  Schweitzer, StaatsR III, Rn. 68a. Zum Verhältnis zum GG siehe Sodan, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 5, Rn. 12, 22. 160  Folz, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, GR-Charta, Art. 51, Rn. 5 ff. Vgl. Bergmann, Handlexikon der EU, unter „Grundrechtecharta der EU“, V. mit übersichtlicher Streitdarstellung. 161  Bergmann, Handlexikon der EU, unter „Grundrechtecharta der EU“, V. 162  Dies fordern für Informationen des Staates im Allgemeinen: Brandt, Umweltaufklärung und Verfassungsrecht, S. 148; Knipschild, Lebensmittelsicherheit, S. 113; Knitsch, ZRP 2003, 113 (118); Schoch, AfP 2010, 313 (322); Sprißler, Öffentlichrechtlicher Verbraucherschutz, S. 104. 163  Vgl. Prommer/Rossi, GewArch 2013, 97 (104); von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, S. 113. 164  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 236, Rn. 75; Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502). 165  Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 237, Rn. 77. 166  Schink, Rechtsgutachten, S. 59. 167  Vgl. Schink, Rechtsgutachten, S. 64.

254 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

III. Möglicher Klageweg Unter der Prämisse, dass keine Sondergestaltung der Information durch die Festlegung derselben als Verwaltungsakt vorgenommen wird, wird nun der mögliche Klageweg beleuchtet. Dieser sollte ausreichend Möglichkeiten für den Betroffenen geben, sich effektiv gegen die Veröffentlichung zu wehren. Allerdings sollte er auch keine zu geringe Hürde sein, um die grundsätzlich begrüßenswerte Veröffentlichung nicht zu konterkarieren. Als Klageart gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle beziehungsweise dem Mitteilungsschreiben darüber steht mangels Verwaltungsaktsqualität die allgemeine Leistungsklage168, vgl. §§ 43 II, 111, 113 IV VwGO, zur Verfügung. Diese greift dann, wenn ein anderes Verhalten als der Erlass eines Verwaltungsaktes begehrt wird.169 Dies ist hier der Fall, denn Begehr ist entweder das (vorbeugende) Unterlassen der Veröffentlichung der Information oder die nachträgliche Löschung der Information aus der öffentlichen Liste. Auch die Löschung der Information ist dabei als actus contrarius zur Veröffentlichung ein Realakt.170 Die allgemeine Leistungsklage kann nach herrschender Meinung auch vorbeugend erfolgen.171 Problematisch daran ist aber, dass die allgemeine Leistungsklage keine besonders zeitnahe Entscheidung bewirkt und auch keine aufschiebende Wirkung auslöst. Gerade bei Information bedeutet das, dass sich der gegebenenfalls rechtswidrige Zustand vertieft, da die Wirkungen von Information auch durch Löschung der Eintragung nicht vollständig rückgängig zu machen sind.172 Um dies abzuwenden, kann der Betroffene einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO beantragen.173 Dabei wird der Hauptsacheantrag summarisch geprüft und gegebenenfalls der status quo so lange gesichert, bis das Hauptverfahren abgeschlossen ist. Zwar hat § 123 VwGO ebenfalls keine aufschiebende Wirkung. Solange das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes läuft, kann somit weiterhin eine Informationsveröffentlichung erfolgen. In der Regel macht die Verwaltung in solchen Fällen jedoch eine Stillhaltezusage bis zum Abschluss des Eilverfahrens.174 Gibt sie eine solche Zusage nicht, ist über die Statthaftigkeit 168  VG

Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 46. in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42 I, Rn. 150. 170  VG Berlin, Urt. v. 28.11.2012, VG 14 K 79.12, juris, Rn. 46. 171  Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 52 (61). 172  Vgl. VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 17. 173  Vgl. Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (9, 11). 174  Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (11, 12) m. w. N. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 3. 169  Pietzcker,



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 255

eines sogenannten „Hängebeschlusses“ nachzudenken, wie er im Verfahren nach § 80 V VwGO in einem solchen Fall möglich wäre.175 Dann könnte das Gericht die Verpflichtung der Behörde aussprechen, die Maßnahme bis zur Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu unterlassen.176 Voraussetzung des § 123 VwGO ist ein zu sicherndes subjektives öffentliches Recht (Anordnungsanspruch), das ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung, die auf Sicherung oder Regelung des Status quo gerichtet ist, vereitelt beziehungsweise wesentlich erschwert würde (Anordnungsgrund).177 Dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund vorliegen, muss gemäß § 123 VwGO in Verbindung mit § 920 II ZPO glaubhaft gemacht werden. In summarischer Prüfung der Klage in der Hauptsache wird dann der Verlust der Reputation oder gar der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmers mit dem Transparenzinteresse des Verbrauchers abgewogen.178 Der der Klage zugrunde liegende Anspruch ergibt sich dabei aus dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch.179 Dieser ist in seiner Herleitung über § 1004 BGB analog oder aus der Abwehrfunktion der Grundrechte zwar umstritten, in seiner Existenz jedoch allgemein anerkannt.180 Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist auf Unterlassung eines bevorstehenden oder andauernden rechtswidrigen Eingriffs gerichtet. Ein solcher liegt zumindest in den bisherigen Modellen zur Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse schon mangels einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage. Problematisch ist beim einstweiligen Rechtsschutz im konkreten Fall, dass grundsätzlich die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen werden soll, das heißt, nicht diejenige Rechtsposition schon gegeben werden darf, die 175  Kopp/Schenke,

VwGO, § 80, Rn. 170. Kopp/Schenke, VwGO, § 80, Rn. 170. 177  Ziekow, in: Sodan/Ziekow, Gk, § 107, Rn. 6, 7. 178  Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 52 (59). 179  So im Eilrechtsschutz gegen § 40 I a LFGB: VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.2.2013 – 19L1730/12, juris, Rn. 8; VG Aachen, Beschl. v. 4.2.2013 – 7 L 569/12, juris, Rn. 9; VG Hannover, Beschl. v. 29.1.2013  – 9 B 264/13, juris, Rn. 20; VG Saarland, Beschl. v. 25.1.2013  – 3 L 76/13, juris, Rn. 3; VG Trier, Beschl. v. 18.12.2012  – 1 L 1543/12.TR, juris, Rn. 6; VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013  – W 6 E 12.994, juris, Rn. 35. 180  Siehe VG Hannover, Beschl. v. 29.1.2013  – 9 B 264/13, juris, Rn. 20; VG Trier, Beschl. v. 18.12.2012  – 1 L 1543/12.TR, juris, Rn. 6; VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2013 – W 6 E 12.994, juris, Rn. 35. Auf die Abwehrfunktion der Grundrechte stützt sich VG Dresden, Beschl. v. 22.4.2013  – 6 L 47/13, juris, Rn. 21. Vgl. BVerwGE 79, 254 (257). 176  Vgl.

256 6. Kap.: Anforderungen an verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell

auch im Hauptsacheverfahren begehrt wird.181 Wenn das Unterbleiben der Veröffentlichung oder die Löschung der Information im einstweiligen Rechtsschutz begehrt wird, wäre dies eine solche Vorwegnahme. Eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache muss jedoch wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG dann gemacht werden, wenn unzumutbare und schwerwiegende Nachteile drohen, wenn die Hauptsache nicht vorweg genommen würde.182 Dies wäre bei der Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse der Fall, denn die mögliche Existenzgefährdung ist ein schwerwiegender Nachteil, der nicht einmal durch eine spätere Rücknahme der Information wieder aufhebbar wäre. Denn je länger eine Information in der Öffentlichkeit wirken kann, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich die entsprechenden Beeinträchtigungen ergeben.183 Es wäre daher in Form des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 ­VwGO ein schnell stattfindendes Klageverfahren möglich. Zwar wirkt es nicht aufschiebend. Dies ist im Fall von Information wesentlich, da eine einmal veröffentlichte Information kaum zurückgeholt werden kann. Jedoch hilft dagegen in der Regel die Stillhaltezusage der Verwaltung. Eine Ausgestaltung von § 123 VwGO als aufschiebend für den Fall informatorischen Handelns ist daher nicht erforderlich.184 Jedoch müsste eine kurze Wartefrist vor der Veröffentlichung eingehalten werden, um die Einlegung einstweiligen Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen zu ermög­ lichen.185 Ansonsten würde die Rechtsschutzmöglichkeit der Sicherungs­ anordnung des § 123 I 1 VwGO ins Leere laufen.

IV. Zwischenergebnis zum Grundrechtsschutz durch Verfahren Statthafte Klageart wäre daher die allgemeine Leistungsklage, zudem müsste vor Veröffentlichung der Kontrollergebnisse eine Anhörung stattfinden. In der Literatur wird dies vielfach als nicht ausreichender Rechtsschutz gesehen186, teilweise sogar vermutet, dass die Umgehung des Rechtsschut181  Ziekow,

in: Sodan/Ziekow, Gk, § 107, Rn. 9. § 123 VwGO, Rn. 14. Im einstweiligen Rechtsschutz zu § 40 I a LFGB so auch: VG Hannover, Beschl. v. 29.1.2013  – 9 B 264/13, juris, Rn. 15. 183  Vgl. i. E. zu Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB: VG Regensburg, Beschl. v. 23.10.2012 – RO 5 E 12.1580, juris, Rn. 45. 184  Vgl. A. A. Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 52 (66). 185  Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, S. 237, Rn. 78. 186  Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 19; Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, S. 52 (66). 182  Kopp/Schenke,



B. Materielle Anforderungen: Grundrechtsschutz durch Verfahren 257

zes gerade die Intention sein könnte187. Auch die Wirtschaftsministerkonferenz forderte für einen ausreichenden Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen die Ausgestaltung der Bewertung als Verwaltungsakt und die Durchführung einer Anhörung.188 Nach Ansicht der Verfasserin wird dabei jedoch zu wenig berücksichtigt, dass die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse die Entscheidung des Gesetzgebers ist, sobald es eine Ermächtigungsgrundlage dafür gibt. Der Gesetzgeber kann Interessen gewichten und den ihm vorzugswürdig erscheinenden den Vorrang geben. Bei der Ausgestaltung der Veröffentlichung als Verwaltungsakt und der damit folgenden Widerspruchsmöglichkeit bestünde die Gefahr, dass der gesetzgeberische Wille, den Verbraucher zeitnah zu informieren, vielfach leer läuft. Zudem ist Rechtsschutz möglich, es fehlt nur an dem sehr einfachen und kostengünstigen Widerspruchsverfahren und der aufschiebenden Wirkung. Die Wahrung der Interessen vor der gerichtlichen Entscheidung wird in der Regel aber über eine Stillhaltezusage der Verwaltung bewirkt. Um von vornherein Fehler zu vermeiden, muss zudem eine Anhörung gewährt werden, sowie eine Mitteilung über die Veröffentlichung der Information und eine Wartefrist zur Einlegung einstweiligen Rechtsschutzes.189 Dies ist ein angemessener Schutz.190

187  Kloepfer,

Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 20. der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011 auf Schloss Plön, TOP 14.3, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 189  Vgl. Wollenschläger, DÖV 2013, 8 (11 ff.). 190  So i. E. bei Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB: OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2013  – 13 B 215/13, Rn. 65, 67. 188  Beschluss-Sammlung

Siebtes Kapitel

Fazit Verfassungsrechtlich ist die Veröffentlichung von Lebensmittelkontroll­ ergebnissen nicht zu beanstanden, sofern es eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage gibt. Der „Grat zwischen sachgerechtem Verbraucherschutz und unzulässigem staatlichen Pranger“ ist dabei aber schmal.1 Auf beiden Seiten stehen gewichtige Verfassungsgüter: einerseits der Gesundheitsschutz aus Art. 2 II 1 GG, die Autonomie des Verbrauchers aus Art. 2 I GG, der Verbraucherschutz im weiteren Sinne sowie rechtsstaatliche Teilaspekte, etwa das aus Art. 20 III GG erwachsende Interesse, auf die Einhaltung geltender Gesetze präventiv hinzuwirken; andererseits die Berufsfreiheit der Unternehmer aus Art. 12 I GG, die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 I GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I in Verbindung mit 1 I GG beziehungsweise einem anderen Grundrecht bei juristischen Personen. Daher ist in jedem Detail der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen auf eine verhältnismäßige Ausgestaltung zu achten, etwa bei der konkreten Darstellung des Kontrollergebnisses oder in Verfahrensfragen wie der Anhörung. Probleme ergeben sich vielfach aber auch auf tatsächlicher Ebene, wenn es um die Erreichung von Verbraucherschutz durch Transparenz geht: So ist die eigentliche Markttransparenz für Verbraucher durch die uneinheitlichen Veröffentlichungsmodelle bislang beeinträchtigt, da sehr unübersichtlich ist, wo welche Informationen aufgefunden werden können. Noch verstärkt war dieses Problem der schwierigen Auffindbarkeit bei den Landesveröffentlichungen nach § 40 I a LFGB, als diese kurzzeitig „aktiv“ waren: Dort erfolgte die Veröffentlichung teilweise auf Landes- und teilweise auf kommunale Ebene, teilweise auf den Seiten der jeweiligen Ämter, teilweise auf ausgelagerten Seiten. Zusätzlich gibt es die Seiten „lebensmittelklarheit.de“ und „lebensmittelwarnung.de“, die ebenfalls zu lebensmittelrechtlichen Fragen informieren. Die damit grundsätzlich recht gute Informationslage ist durch die verschiedenen Anlaufpunkte in ihren Wirkungsmöglichkeiten vermindert. Auch die Nutzerfreundlichkeit der einzelnen Listen war teilweise suboptimal. Je nach Aktualität des eigenen Browsers fehlte zum Beispiel bei der Pankower Liste eine Suchfunktion, die das unkomplizierte Auffinden 1  Martini/Kühl,

DÖV 2013, 573 (584).



7. Kap.: Fazit259

einzelner Betriebe aus den im März 2014 knapp 650 veröffentlichten Ergebnissen ermöglicht. Solche Uneinheitlichkeiten benannte Günther bereits vor mehr als zehn Jahren als Charakteristikum der derzeitigen Verbraucherinformation.2 Deshalb befürchten auch Kühne / Preuß bezüglich der Veröffentlichungen nach § 40 I a LFGB, dass durch die Veröffentlichung der in Deutschland jährlich festgestellten mehreren zehntausend Höchstwertüberschreitungen eine Desinformation entsteht.3 Das ist richtig, gerade wenn man zusätzlich die uneinheitliche Veröffentlichungspraxis mit einbezieht. Dennoch ist Verbraucherinformation für den Markt einerseits und für den Verbraucher selbst andererseits wesentlich. Die Lösung kann daher nur sein, ein hohes Maß an Informationen zu geben und diese dabei so gut wie möglich aufzubereiten, durch eine verständliche Gestaltung und leichte Auffindbarkeit. Daher ist es richtig, alle Kontrollergebnisse zu veröffentlichen, sodass der Verbraucher zu jedem lebensmittelabgebenden Betrieb Informationen findet. Dies darf aber nicht nur punktuell für einzelne Länder, Städte oder Kommunen geschehen, sondern sollte möglichst deutschlandweit einheitlich stattfinden, damit tatsächlich Transparenz und Verbraucherschutz als übergeordnete Ziele erreicht werden können. Dies spart zusätzlich Aufwand, da ein verhältnismäßiges einheitliches Veröffentlichungsmodell dafür nur einmal entwickelt werden müsste. Lebensmittelrecht und damit auch die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen hängt zudem maßgeblich von funktionierender Über­ wachung ab. Diese wird derzeit teilweise bemängelt. Nach der Bewertung durch Engels müssten etwa die Eigenkontrollergebnisse aufgewertet werden und einheitliche Bewertungssysteme für die Risikobeurteilung geschaffen werden, da zur Zeit stark uneinheitliche Kontrollfrequenzen bestünden; die bundesweite Überwachungsqualität sei insgesamt unzureichend und sehr unterschiedlich.4 Vor der Einführung eines bundesweiten Veröffentlichungsmodells wäre daher wünschenswert, dass an der Vereinheitlichung der Kontrollen gearbeitet würde, damit alle Unternehmer gleichermaßen belastet und alle Verbraucher gleichermaßen geschützt werden. Ein weiteres ganz praktisches Problem der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse ist, dass eine solche Neuerung typischerweise erst einmal zusätzlichen Aufwand bedeutet. Neben dem Einstellen der Ergebnisse ins Internet müssen neue Bescheide erstellt werden, die über die Veröf2  Günther,

VuR 2003, 25 (26). ZLR 2012, 284 (307). 4  Preuß, recht. 2012, 142 (143), der darin die Meinung von Engels, Präsident des Bundesrechnungshofes und Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, wiedergibt. 3  Kühne/Preuß,

260

7. Kap.: Fazit

fentlichung informieren, und die Informationen müssen so aufbereitet werden, dass sie veröffentlicht werden können, etwa durch Zuordnung eines Smileys oder einer Punktzahl. Dies könnte aufgrund der Unterbesetzung der Lebensmittelüberwachung5 zu einem Problem werden. Denn die Kernaufgabe der „Gefahrenabwehr“ durch klassisches Ordnungsrecht darf aufgrund seiner Funktion, vor konkreten Gefahrenlagen zu schützen, nicht dezimiert werden, um Ressourcen für die Öffentlichkeitsinformation zu schaffen.6 Die Information darf daher für die Kontrolleure nicht mehr Aufwand bedeuten, etwa durch die Erstellung einer Punktzahl oder Ähnlichem. Das Wirtschaftsministerium forderte daher „kosten- und bürokratieneutralere“ Wege zu finden, als die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen.7 Auf lange Sicht gesehen, könnte sich dies aber amortisieren. Denn wenn mehr Betriebe nach und nach „sauber“ arbeiten, müssten sie nach dem risikobasierten Ansatz, der auch auf die vergangenen Kontrollergebnisse abstellt, seltener kontrolliert werden.8 Die Kontrolleure würden damit entlastet. Den Mehraufwand durch Einstellen der Ergebnisse ins Internet könnten moderne EDV-Systeme, in die die Einspeisung der Informationen direkt bei den Kontrollen vor Ort erfolgt, auffangen. Gemäß Art. 17 II BasisVO und Art. 55 VO EG 882 / 2004 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für wirksame und abschreckende Maßnahmen zu sorgen. Dies ist richtig. Denn ein demokratisches System ist strukturell auf Wettbewerb ausgerichtet.9 Wettbewerb wiederum ist auf einen verlässlichen rechtlichen Rahmen angewiesen, dessen „Lauterkeit“ der Staat sicherstellen muss,10 indem er die Einhaltung der von ihm geschaffenen Anforderungen sicherstellt. Dass klassische Maßnahmen alleine nicht genügen, zeigt die gleichbleibend hohe Beanstandungsquote in Deutschland, während sie in Dänemark, Toronto und New York seit Einführung eines Veröffentlichungssystems sinkt.11 Keine Abhilfe schaffen die in Deutschland derzeit vorhandenen Informationsmöglichkeiten, etwa die nach § 40 LFGB oder 5  So wurden etwa im Jahr 2012 in Berlin nur 52  % der nötigen Kontrollen geschafft, siehe Schiemann, Hygienemängel in jedem dritten Betrieb, Die Welt kompakt, vom 3.9.2013. 6  So zu § 40 I a LFGB: Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284 (306). 7  Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7.6.2011 auf Schloss Plön, TOP 14.3, abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 8  So auch der Bericht von Foodwatch, S. 80, einsehbar unter: http://www.food watch.org/uploads/media/2013-12-12_foodwatch-Report_Lebensmittelueberwachung. pdf (Letzter Aufruf: 1.7.2016). 9  Würtenberger, in: FS für R. Schmidt, S. 645 (654). 10  Vgl. Kirchhof, in: FS für R. Schmidt, S. 263 (280). 11  Zahlen dazu siehe oben unter Kap. 5, A. II. 1. und III. 1.



7. Kap.: Fazit261

nach § 6 I VIG. Denn diese sind zu vereinzelt und tragen daher nicht zu einem klaren überschaubaren Bild bei. Lösung dessen ist die umfassende Einbeziehung der Verbraucher. Diese können als Regulativ des Marktes wirken, wenn sie die entsprechenden Informationen haben. Derzeit steht die Literatur dem noch sehr kritisch gegenüber. Dies kann sich nach und nach ändern. Auch das Ermessen der Verwaltung schien bei dessen Einführung wie der „Niedergang des Rechtsstaats“12 und ist nun nicht mehr hinwegzudenken. Im Ergebnis ist die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen ganz konkret und Steuerung durch Information im Allgemeinen eine politische Frage. Sofern sich der Gesetzgeber dafür entscheidet – und dies hat er bezüglich Verbraucherschutz durch Transparenz in letzter Zeit verstärkt getan – kann und muss dieses bislang informale Handeln in die Bahnen unseres Rechtssystems eingebettet werden. Die Frage von mehr oder weniger Verbraucherschutz ist dabei eine Frage des Verhältnisses von Sicherheit und Freiheit zueinander, bei der die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zu akzeptieren ist.

12  Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, S. 179 (183).

Zusammenfassung in Leitsätzen Kapitel 1: Verbraucherschutz durch Transparenz 1. Transparenz ist ein dem Grundgesetz immanentes Prinzip, denn das Grundgesetz stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Um dies zu erreichen, schafft es durch seine Regelungen Verlässlichkeit und Vertrauen durch Transparenz staatlichen Handelns. Auch im europäischen Recht ist Transparenz ein grundlegendes Prinzip. 2.  Staatliches Handeln verändert sich. So bestehen heutzutage vielfältige Aufgabenverlagerungen, zum Beispiel hin zu überstaatlichen Organisationen, aber auch zu Gerichten, und Beeinflussungen der nationalstaatlichen Entscheidungen. Insgesamt findet damit ein „Rückzug des klassischen Gesetzgebers“ statt. 3. Zudem befinden sich sogenannte weiche Steuerungsformen im Vordringen, die parallel zu klassischen Ordnungsmaßnahmen stattfinden. Das staatliche Handeln erfolgt dabei durch das Setzen von Verhaltensanreizen statt durch eine unmittelbare staatliche Entscheidung. Eine Ursache dieser Veränderung liegt in der Entwicklung zu immer mehr staatlicher Vorsorge statt bloßer Abwehr konkreter Gefahren. 4. Durch die Veränderung des staatlichen Handelns nimmt die Komplexität der Entscheidungsvorgänge insgesamt zu, die Nachvollziehbarkeit nimmt ab. Dies führt zu immer mehr Verdrossenheit der Bürger gegenüber den staatlichen Organen. Transparenz staatlichen Handelns gewinnt daher an Bedeutung, um diesen Trend umzukehren. 5. Das Gewicht von Transparenz wächst zusätzlich durch den Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, in der der einzelne Bürger als Voraussetzung selbstbestimmter Handlungen immer stärker auf Informationen und Transparenz angewiesen ist. 6. Auch das Gewicht von Verbraucherschutz wächst, denn informierte Verbraucherentscheidungen sind ein wichtiger Steuerungsfaktor des Wirtschaftssystems. 7.  Die Nichtnennung des Terminus „Verbraucherschutz“ im Grundgesetz bedeutet nicht, dass Verbraucherschutz keinen Verfassungsrang besäße. Wäre das Grundgesetz auf seinen Wortlaut beschränkt, müsste es nach jeder



Zusammenfassung in Leitsätzen263

gesellschaftlichen Veränderung neu geschaffen werden, um sich den veränderten Umständen anzupassen. 8.  Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens aus Art. 2 II 1 GG, die Privatautonomie aus Art. 2 I GG, sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG gewährleisten jeweils entsprechende Teilaspekte des Verbraucherschutzes. Zudem kann der Verbraucherschutz auch aus zahlreichen anderen Bestimmungen der Verfassung abgeleitet werden, die unter anderem auch den Konsumenten schützen. Verbraucherschutz hat damit Verfassungsrang. Kapitel 2: Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen 1.  Im lebensmittelrechtlichen Bereich wird Verbraucherschutz unter anderem über die Durchführung amtlicher Lebensmittelkontrollen erreicht. Amtliche Lebensmittelkontrollen im hier interessierenden Sinne sind regelmäßig stattfindende, von der zuständigen Behörde durchgeführte Überwachungsmaßnahmen, bei denen die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften überprüft wird. 2.  Kontrolliert werden im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrollen das Verhalten des Lebensmittelunternehmers, die Verlässlichkeit der unternehmerischen Eigenkontrollen sowie das Hygienemanagement. Die verschiedenen Kontrollaspekte werden je nach ihrer Bedeutung gewichtet. 3.  Die kontrollierten Verhaltensweisen sind nicht alle Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten. Folglich sind ebenfalls nicht alle im Kontrollergebnis negativ bewerteten Zustände bußgeld- oder strafbewehrt. Wenn eine Gesundheitsgefahr des Verbrauchers gegeben ist, liegen aber in der Regel Straftaten vor, siehe §§ 58, 59 LFGB. 4. Das Lebensmittelrecht ist stark von europäischen Vorschriften, insbesondere den unmittelbar geltenden Verordnungen, geprägt. Einige Bereiche, und dazu gehört die Sanktionierung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen, sind national geregelt. Zuständig für lebensmittelrechtliche Überwachungsmaßnahmen sind grundsätzlich die Bundesländer gemäß Art. 83 GG und § 38 I 1 LFGB. 5.  Im Bearbeitungszeitraum dieser Dissertation gab es verschiedene Modelle zur Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen in einzelnen Städten. Bis auf ein Pilotprojekt in Duisburg und Bielefeld fand im Juni 2016 jedoch keine Veröffentlichung mehr statt aufgrund entsprechender Gerichtsentscheidungen.

264

Zusammenfassung in Leitsätzen

6.  Die verschiedenen Veröffentlichungsmodelle lassen sich gruppieren in die Modelle, bei denen die Teilnahme freiwillig ist und nur positive Ergebnisse veröffentlicht werden. Auf der anderen Seite stehen die Modelle, die eine Teilnahme erzwingen. Nur mit diesen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit näher. Das Pilotprojekt in Duisburg und Bielefeld ist damit nur schwer vergleichbar, denn es basiert auf dem gravierenden Unterschied, dass die Veröffentlichung nicht durch ein staatliches Organ direkt erfolgt, sondern durch einen Verein, der lediglich staatlich gefördert wird. Kapitel 3: Grundrechtseingriff 1. Durch die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse ist der Schutzbereich von Art. 12 I 1 GG berührt, denn der „gute Ruf“ der Unternehmer sowie die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens und damit die wirtschaftliche Existenz werden möglicherweise beeinträchtigt. 2. Art. 14 I 1 GG ist durch die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse in Form des durch ihn gewährten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ebenfalls berührt. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist als moderner Eigentumsschutz anzuerkennen und schützt den geschäftlichen Ruf, die Marktstellung und den Kundenstamm. Art. 14 I 1 GG direkt kann ebenso betroffen sein, aufgrund einer Beeinträchtigung des Rufs und folglich mangelnder Ausnutzbarkeit bereits angeschaffter Sachsubstanz. 3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG ist in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Veröffentlichung aller Lebensmittelkontrollergebnisse betroffen. Für juristische Personen leitet es sich aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 12 GG her, da dieser die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens schützt. 4.  Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG liegt ebenfalls vor, da nicht alle Unternehmen zur gleichen Zeit erstmals kontrolliert werden können und tatsächliche Ungleichmäßigkeiten bei der Anwendung des Kontrollschemas, insbesondere auch bei den Nachkontrollen, stattfinden. Ungleichmäßiges Verwaltungshandeln ist allerdings kein spezifisches Problem der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontroll­ ergebnisse. 5. Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie stehen für die Veröffentlichung negativer Lebensmittelkontrollergebnisse in verbundener Idealkonkurrenz nebeneinander. Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG tritt dahinter zurück.



Zusammenfassung in Leitsätzen265

Art. 3 I GG steht aufgrund des anderen Schutzansatzes von Gleichheitsrechten neben Berufs- und Eigentumsfreiheit. Durch die Veröffentlichung der „sehr guten“ Lebensmittelkontrollergebnisse sind lediglich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der allgemeine Gleichheitssatz betroffen. Diese stehen in unverbundener Idealkonkurrenz nebeneinander. 6.  Ein faktischer Eingriff in Grundrechte liegt vor, wenn •• unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität •• eine tatsächliche Beeinträchtigung entstanden ist oder zumindest die Wahrscheinlichkeit des Eintritts größer Null ist, •• die Beeinträchtigung kausal auf der Handlung des Staates beruht, ohne dass mehrere freie Entscheidungen anderer zwischen der Beeinträchtigung und dem staatlichen Handeln standen, und •• weder ein atypischer Kausalverlauf noch eine Bagatelle vorliegt. 7.  Nach diesen Kriterien liegt in der Veröffentlichung negativer Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle ein faktischer Eingriff in die Berufsund Eigentumsfreiheit. In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Unternehmer wird bereits den klassischen Eingriffskriterien zufolge eingegriffen. Kapitel 4: Existenz einer Ermächtigungsgrundlage 1. Die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse bedarf als Grundrechtseingriff aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage. 2.  Bei der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse handelt es sich ihrem Gehalt nach um eine Warnung. Die Aufgabe der Staatsleitung genügt als Ermächtigungsgrundlage aber nicht. Denn es geht nicht um unerwartete Informationen der Gubernative, deren Normierbarkeit möglicherweise schwer fällt, sondern um vorhersehbares Handeln der Administrative. 3.  Art. 10 BasisVO oder Art. 7 VO (EG) 882 / 2004 sperren umfassendere nationale Regelungen nicht. Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004 ist als Hinweis auf die vor einer Veröffentlichung notwendige Abwägung und die dabei zu beachtenden entgegenstehenden Schutzgüter zu verstehen. 4. § 40 I LFGB ist keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse. Neben dem Produktbezug der Norm scheitert die Anwendbarkeit auch an § 40 II LFGB, der einen Vorrang der Informationserteilung durch den Unternehmer selbst vorsieht. Der neu geschaffene § 40 I a LFGB greift aufgrund seiner engen

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Zusammenfassung in Leitsätzen

Anforderungen nicht für die Veröffentlichung aller negativen Lebensmittelkontrollergebnisse. Zudem ermöglicht § 40 LFGB insgesamt nur produktbezogene Informationen, nicht aber solche zu allgemeinen Hygienemängeln. 5. § 6 I 3 VIG ist mangels hinreichender Bestimmtheit keine geeignete Ermächtigungsgrundlage. Ohnehin würde eine Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollergebnisse aber vielfach an dem Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG scheitern. Dieser muss verfassungskonform so ausgelegt werden, dass Veröffentlichungen zumindest aus laufenden Sanktionsverfahren nicht stattfinden dürfen. Für die Veröffentlichung positiver Kontroll­ ergebnisse scheitert eine Ermächtigungsgrundlage aus dem VIG zusätzlich an § 2 VIG. 6. Die Nähe der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen zu § 40 LFGB und § 6 I 3 VIG, auch wenn diese letztlich nicht einschlägig sind, sperrt die Anwendbarkeit der polizeirechtlichen Generalklauseln. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse ist somit nicht existent. Kapitel 5: Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung 1. Die legitimen Zwecke der Veröffentlichung sind die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen durch die Lebensmittelunternehmer und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Entscheidungen der Verbraucher. Die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet. 2. Es kommen viele mildere Mittel in Betracht, die jedoch größtenteils nicht gleich geeignet sind. Zwar scheitern die untersuchten Modelle damit an der Erforderlichkeit, jedoch lediglich aufgrund kleiner Fragen der Ausgestaltung, die leicht zu beheben wären. 3.  Die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen ist grundsätzlich angemessen. Die Verfassungsgüter der Verbraucher aus Art. 2 II 1, 2 I GG und der Verbraucherschutz im Allgemeinen überwiegen die Schutzgüter der Unternehmer aus Art. 12, 14, 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG / 12 GG. 4. Der Gesetzgeber hat eine Einschätzungsprärogative, welches Verfassungsgut er im konkreten Fall höher gewichtet. Dass er derzeit dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit den Vorzug gibt, zeigt sich an zahlreichen Transparenzvorschriften in den letzten Jahren, die Unternehmer belasten und Verbraucher begünstigen.



Zusammenfassung in Leitsätzen267

5.  Die Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG ist bei der Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse auch nach dem strengeren Maßstab der Verhältnismäßigkeit größtenteils gerechtfertigt. Lediglich eine inkonsistente Verwaltungspraxis, die rein tatsächlich zu Ungleichbehandlungen führt, ist nicht gerechtfertigt. Kapitel 6: Anforderungen an ein verfassungskonformes Veröffentlichungsmodell 1. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse könnte der Bund aufgrund seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 74 I Nr. 20 GG für das „Recht der Lebensmittel“ schaffen. Die Erforderlichkeit der Regelung nach Art. 72 II GG könnte mit dem Erfordernis eines einheitlichen Informationsniveaus begründet werden. 2. Die Länder könnten aufgrund ihrer Kompetenz für das Gaststättenrecht ebenfalls tätig werden, die Ermächtigungsgrundlage wäre dann allerdings auch auf den Bereich des Gaststättenrechts beschränkt. Eine Regelung durch den Bund ist daher vorzuziehen. 3.  Der Vorbehalt des Gesetzes fordert neben der Existenz einer Ermächtigungsgrundlage auch eine gewisse Bestimmtheit derselben. Geregelt werden müsste daher: Wer darf was, wann, wie lange, in welchen Fällen nicht und zu welchem Zweck? 4. Durch untergesetzliche Regelung sollte zudem Genaueres zu den Grundlagen der zu veröffentlichenden Informationen festgelegt werden (Kontrollinhalte, Zeitrahmen der Nachkontrolle u. Ä.), um einheitliche Abläufe sicherzustellen. 5.  Das Zitiergebot des Art. 19 I 2 GG ist umfassend zu verstehen, sodass grundsätzlich jede Beeinträchtigung von Grundrechten zitiert werden muss. Art. 12 I, 14 I und 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG / 12 GG als durch die Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse berührte Grundrechte müssen daher zitiert werden. Eine Ausnahme gilt für Art. 3 I GG. Die allgemeine Handlungsfreiheit muss nur zitiert werden, wenn keine spezielleren Freiheitsrechte einschlägig sind. 6. Um der starken Eingriffswirkung der Veröffentlichung insbesondere negativer Lebensmittelkontrollergebnisse Genüge zu tun, muss in besonderem Maße auf die Einhaltung von Verfahrensrechten geachtet werden. 7. Die Informationsveröffentlichung oder die Mitteilung über die Veröffentlichung von Information ist grundsätzlich kein Verwaltungsakt, es sei

268

Zusammenfassung in Leitsätzen

denn, dies ist gesetzlich so bestimmt. Der Gesetzgeber könnte die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen damit als Verwaltungsakt ausgestalten. Dies entspricht jedoch nicht der gängigen Handlungsformenlehre und ist auch aus Rechtsschutzerwägungen nicht nötig. 8. Selbst ohne Ausgestaltung der Information als Verwaltungsakt muss aufgrund der verfassungs- und europarechtlichen Verankerung des Anhörungserfordernisses vor der Informationsveröffentlichung angehört werden. 9. Der Eilrechtsschutz des § 123 VwGO bietet hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Interessen vor der gerichtlichen Entscheidung können durch eine Stillhaltezusage der Verwaltung gewahrt werden.

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Sachwortverzeichnis § 2 I 1 Nr. 7 VIG  186 § 2 VIG  112, 114, 185, 187, 191, 195, 266 § 3 S. 1 Nr. 1 lit b) VIG  191–193, 195, 196, 198, 266 § 3 S. 3 VIG  192, 193, 196 3-Stufen-Theorie  101 § 5 I 2 VIG aF  184 § 6 I 3 Hs.1 VIG  184 § 6 I 3 VIG  184–192, 195, 197–199, 266 § 28 I VwVfG  246 § 35 I 1 GewO  148 § 35 VwVfG  244, 248 §§ 38 ff. LFGB  186 § 40 I 1 LFGB  176 § 40 I 2 LFGB  177, 179 § 40 I a LFGB  39, 75, 76, 180 § 40 II LFGB  179, 180, 246, 265 § 80 V VwGO  255 § 123 VwGO  254–256, 268 § 153 GewO  217 § 475 StPO  192 Abgrenzung von Eigentums- und Berufsfreiheit  107 abstrakte Gefahr  167 abstrakte Normenkontrolle  76, 181 ad-hoc-Generierung  69, 211 administrativ  151–154, 156 Administrative  152, 153, 159, 161, 162 allgemeine Leistungsklage  254, 256 allgemeines Persönlichkeitsrecht  110, 111, 113, 116, 159, 264 allgemein zugängliche Quellen  43, 44 ältere Ergebnisse  207 Ampel  214

Ampelfarben  63 Angemessenheit  101, 219–222, 224, 229 Anhörung  175, 237, 244, 246, 251, 252, 253, 256–258 Anklickzahlen  134 Anordnungsanspruch  255 Anordnungsgrund  255 Appell  147, 149 Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls  103, 105 Art. 1 I GG  47, 110, 113, 251 Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG  77, 116 Art. 3 I GG  23, 24, 77, 138–142, 226, 230, 243, 264, 265, 267 Art. 5 I 1 Hs. 1 GG  43 Art. 5 I 2 GG  157 Art. 6 I EUV  253 Art. 6 II EMRK  192, 193 Art. 7 II, III VO (EG) 882 / 2004  173–175, 265 Art. 7 III VO (EG) 882 / 2004  169, 174, 181 Art. 7 I lit b) VO (EG) 882 / 2004  165, 167 Art. 10 BasisVO  165–168, 170–173, 176, 177, 265 Art. 10 I EMRK  44 Art. 12 I GG  23, 48, 77, 78, 80, 86, 116, 117, 138, 143, 159, 258 Art. 14  47, 61, 77, 79, 80, 82, 88–103, 105–110, 117, 172 Art. 17 II BasisVO  172, 260 Art. 19 III GG  42, 78, 88 Art. 19 IV GG  194, 256 Art. 20 III GG  23, 194, 221, 235, 251, 258

Sachwortverzeichnis289 Art. 41 II lit a) GRCh  252 Art. 51 I 1 GRCh  253 Art. 74  232, 234, 267 Art. 74 I Nr. 20 GG  232, 234, 267 Art. 103 I GG  251 Arzneimitteltransparenzliste  82, 84, 85, 86, 120, 126, 154, 208 atypische Kausalverläufe  128, 130, 163 Auffindbarkeit  211, 222, 258, 259 Aufgabe der Staatsleitung  143, 144, 145, 158, 160 Aufgabeneröffnungen  152 Aufgabenverlagerungen  27, 58 Aufklärung  26, 140, 146, 147, 204, 209, 213, 229, 249, 254–256 Ausgestaltung der Veröffentlichung  60, 201, 257 Aushang  68, 211 Aushangpflicht des Kontrollergebnisses  249 Aushängung am Betrieb  211 Auskunft  146 Ausschluss- und Beschränkungsgründe  191 Auswirkungen  20, 86, 87, 92, 121, 124, 127, 129, 134, 137, 222, 244 AVV-Rahmen-Überwachung  60, 61 Bagatellgrenze  124, 129, 131, 136 BasisVO  56, 165–172, 176–178, 183, 189 Beanstandungsquote  54, 209, 260 Beeinflussung des Verbraucher­ verhaltens  201 behördliche Listeneintragungen  245 Berger-Wild GmbH  167, 172, 174 berlinweites Transparenzmodell  65 Beruf  78, 86, 87, 239 Berufsausübung  81, 86, 87 Berufsausübungsfreiheit  220, 223 Berufsfreiheit  20, 23, 24, 77–79, 81, 83–87, 91, 96, 107, 109, 110, 116, 136, 220, 242, 258, 264, 280

berufsregelnde Tendenz  86, 87, 136, 137, 138 Bestandskraft  215, 248 Bestimmtheit  144, 163, 187, 189, 192, 195, 197, 198, 231, 232, 235, 236, 238, 266, 267 Bestimmtheitsanforderungen  235 Betretungsbefugnis  62 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse  78, 80, 91, 92, 197 Betriebshygiene  184 Betriebsschließung  208 Betriebswissen  80, 92 Beurteilungsmerkmale  61 Bewertungen  69, 80, 186, 190 Bielefeld  21, 66, 67, 76, 132, 200, 204, 205, 206, 208, 212, 218 Birkel-Nudeln  149, 154 Bund  15, 26, 53, 55, 65, 69, 74, 115, 138, 151, 153, 199, 200, 232–234, 267, 271 Bundesgerichtshof  14, 45, 94 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz  61 Bundesmodell  132, 175, 200, 244, 245, 249, 250 Bundesverfassungsgericht  27, 29, 34, 41, 42, 45, 81, 82, 84, 86, 92, 94, 97, 108, 111, 113, 119, 144, 155, 157–161 Bund-Länder-Projektgruppe  74, 232 Bußgeld  56, 57, 63, 75, 180, 208, 209, 263 Dänemark  22, 55, 64, 133, 135, 202, 211, 217, 230, 260 Darstellung der Ergebnisse  212 Daten  20, 33, 44, 66, 110–113, 116–118, 137, 173, 175, 185, 186, 191, 197, 203, 209, 211, 218, 223, 282 Dauer  78, 195, 210, 216, 222 Demokratie  34, 43, 45, 283 Demokratieprinzip  45 Details  205, 206, 213, 214

290 Sachwortverzeichnis Deutsches Institut für Normung  62 Dioxin  183 Doppelbestrafung  56 Duisburg  21, 66, 67, 76, 132, 200, 204–206, 208, 212, 218, 264 Durchschnittsverbraucher  51 effektiver Rechtsschutz  256 EGMR  29, 44, 103, 104 EHEC-Krise  151, 224 Eigentumsfreiheit  23, 24, 88, 89, 92, 93, 95, 96, 98, 102, 104, 107–109, 118, 141, 143, 220, 239, 243, 258, 265, 278 eigenverantwortliche Entscheidungen  126, 201, 204, 208, 219 Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen  60, 201, 202, 237, 266 Einschätzungsprärogative  223, 261, 266 Einzelaspekte  48, 58 Einzelfallbetrachtung  127 Empfehlung  145, 147 EMRK  44, 103, 104, 105 Erforderlichkeit  208, 209, 233, 247, 266, 267 Erforderlichkeitsklausel  232 Ermächtigungsgrundlage  24, 53, 102, 119, 122, 129, 135, 143, 144, 151, 153–165, 167–169, 173, 176, 177, 179, 180, 182, 184, 186–188, 190, 191, 197–200, 231–233, 235, 236, 238, 243, 245, 246, 249, 255, 257, 258, 265–267 Ermessen  140, 174, 181, 218, 237, 261 Ermessen auf Null reduziert  174 Erstveröffentlichung  138, 141, 226–228 EuGH  189 EU-Kommission  175 EU-Primärrecht  51 Europäischer Gerichtshof  51, 103 Existenzgefährdungen  77

Faktischer Eingriff  87, 118 Farben  212, 213 Finalität  87, 117, 119–122, 127, 128, 131, 137 flüchtiger Verbraucher  52, 59 freiwillig  66, 68, 76 Frist  28, 70, 253 funktionales Äquivalent  155, 158 Gaststättenrecht  233, 234, 267, 280 geeignet  41, 86–88, 122, 202–204, 208, 211, 214, 218, 228, 230, 266 Geeignetheit  202, 206–208, 215 Gefahren  193 Gefahrenabwehr  32, 34, 36, 54, 56, 60, 154, 157, 160, 178, 179, 184, 189, 202, 233, 260, 262, 263 Geheimhaltung  26, 79, 175, 176 Geldbußen  210 Gesamtergebnis  64, 65, 70, 212, 236 geschäftlicher Ruf  80 Geschäftsverbindungen  94 Gesetzesbegründung  190 Gesetzesflut  19, 57 Gesetzgebungskompetenz  232–234 Gesundheitsbeeinträchtigungen  41 Gesundheitsgefahr  63, 168, 170, 204, 263 Gesundheitsschutz  23, 41, 170, 178, 221, 222, 229, 258 Gewerbezentralregister  63, 217 Gewinnmöglichkeit  99 Gleichbehandlungsgrundsatz  47 Glykol-Wein  34 Glykolwein-Entscheidung  84, 154 Glykolwein-Urteil  159 good will  93, 94, 96, 99, 103, 105 Großbritannien  27, 64, 106 Grundrechtseingriff  20, 35, 53, 77, 80, 81, 102, 107, 121, 123, 125, 127–130, 155, 158, 160, 163, 164, 189, 264, 265, 270, 272, 280, 282, 284, 286 grundrechtsspezifisch  124

Sachwortverzeichnis291 Grundrechtsspezifität  125, 126 gubernativ  151, 153 HACCP  61 HACCP-Verfahren  61, 207 Handeln der Exekutive  143 Handlungsspielraum  49, 150 Härtefallklausel  219 Härtefallregelung  237 Hinweise  126, 146, 171 hoheitliche Maßnahme  244 Hygiene  182, 183 Hygienekontrollen  22–24, 60, 62–64, 137, 146, 263 hygienerechtliche Anforderungen  177 Idealkonkurrenz  108, 109, 110 Inanspruchnahme staatlicher Autorität  131, 265 Information  23, 25, 32–35, 37–41, 46, 48, 55, 58, 80, 81, 83–85, 87, 90, 91, 102, 107, 114, 122, 126–128, 132, 134, 136, 137, 145–147, 149, 151, 156, 157, 160, 163, 166–172, 176, 177, 179, 180, 184, 188, 189 Informationsfreiheit  43–45, 263, 271 Informationsgesellschaft  27, 32, 45, 58, 262 Informationsmaterial  61 informelles Handeln  231 inkonsistente Verwaltungspraxis  229, 230, 267 Institutsgarantien  97 Intensität  120, 123, 124, 129, 227 Internet  21, 22, 33, 35, 39, 63, 64, 66, 68–70, 72, 75, 134, 136, 138, 139, 184, 202, 210, 211, 219, 222, 224, 237, 244, 245, 249, 259, 270, 271, 274, 275, 280, 281 Intransparenz  57 Jugendsektenentscheidungen  144 juristische Personen  42, 78, 88, 113, 114, 115, 117, 138, 220, 264

Kausalität  87, 126, 129, 132–134 Kenntnisnahme  134, 205, 211 Klagefrist  250 klassischer Eingriff  117 klassische Maßnahmen  208 klassisches Ordnungsrecht  54–56, 260 Kompetenz kraft Sachzusammenhangs  232 Komplexität  30, 31, 37, 38, 55, 58, 241, 262 konkludente Duldungsverfügungen  247 konkrete Gefahr  148, 166, 177, 202 Kontostammdaten  111, 114, 116 Kontrollbarometer  66 Kontrolldatum  65, 207 Kontrollen  21, 55, 56, 60, 64, 65, 100, 165, 169, 172, 176, 177, 180, 186, 195, 203, 206, 216, 219, 229, 237, 259, 260 Kontrollergebnisse  65 Kontrollfrequenz  140, 259 Kontrollhäufigkeit  61 Kontrollmaßstab  204, 205 körperliche Sache  98 körperliche Unversehrtheit  41 Kundenstamm  92, 93, 94, 95, 99, 100, 102, 103, 104, 107, 108, 150, 264 kurzfristige Nachkontrollen  140, 229 Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz  75, 200, 249 Lebensmittelaufsichtsämter  62 Lebensmittelbetriebe  61, 62, 234 Lebensmittel-Einzelhandel  63, 134, 137, 224, 232 lebensmittelklarheit.de  19, 258 Lebensmittelrecht  30, 33, 38, 57, 61, 62, 80, 167, 171, 172, 188, 189, 263 lebensmittelrechtliche Vorschriften  61, 198, 225 Lebensmittelunternehmer  61, 62, 82 lebensmittelwarnung.de  224, 258 Legitimer Zweck  201

292 Sachwortverzeichnis Leitlinien  61 Lichtenberg  65, 72, 138, 153, 184 Löschungsfristen  181, 218 Mängelbeseitigung  214, 215, 243 Marktstellung  82, 93, 94, 95, 99, 100, 102, 107, 264 Markttransparenz  42, 46, 83, 179, 201, 222, 225, 258, 269 Meinungsfreiheit  43, 44, 83 Minuspunkte  66, 70, 185, 212 Mitteilung der Veröffentlichungsabsicht  253 Mitteilung über die Veröffentlichung  237, 245, 249, 257, 267 Modellprojekt  68 Nachkontrolle  140, 207, 216, 217, 230, 237, 238, 267 Nachweisproblem  132 Naming and Shaming  55 negative Ergebnisse  77, 141, 187 Neue Formel  227, 286 Nordrhein-Westfalen  62, 64, 65, 76 Normgeprägtheit  89 Normzwecktheorie  125, 126 Nutzung des Erworbenen  108, 110 Oberkategorien  70, 204 objektive Werteordnung  40, 42 Offenbach  68, 69, 209 öffentliche Kritik  84, 159 Öffentlichkeitsarbeit  83, 107, 146 öffentlich-rechtlicher Unterlassungs­ anspruch  255 Ordnungswidrigkeitenverfahren  193 OWiG  17, 192 Pankow  21, 64, 68–70, 72, 138, 148, 184, 200, 205, 206, 208, 211–214, 218, 278, 285, 286 Pankower Negativliste  69, 91, 151, 233, 271 Pankower Smiley Modell  65 paternalistisch  52

PDF-Datei  65, 69, 70 personenbezogene Daten  110–112, 115, 173, 174, 197, 198 persönliche Ehre  111 politische Entscheidungen  46 polizeirechtliche Generalklausel  199 Privatautonomie  41, 42, 50, 263 Privatsphäre  225 Probennahme  62, 215 Produktbezogenheit  182 Prüfberichte der Heimaufsicht  19, 153, 155, 157 Realakt  53, 244–247, 249, 250, 254, 286 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb  92–94, 98, 101, 106, 109 Recht auf effektiven Rechtschutz  194 Recht auf informationelle Selbstbestimmung  23, 111, 113–115, 117, 118, 142, 143, 197, 198, 220, 243, 258, 264, 265, 281–283 Rechtfertigung  24, 156–158, 160, 200, 226, 230, 266 Rechtsgrundlage  77, 143, 181 Rechtsprechung  16, 17, 20, 21, 24, 42, 44, 52, 70, 78, 80–82, 86, 89, 92–96, 101–104, 106, 110, 116, 119, 120, 134, 144, 145, 148, 150, 151, 153, 155, 156, 158–162, 164, 187, 214, 239, 240, 241, 245, 246, 248, 252, 273, 276, 278–280, 286 Rechtsschutz  16, 20, 53, 70, 72, 105, 180, 192, 194, 216, 217, 221, 231, 245, 247, 248, 250, 254–257, 279, 286, 287 Rechtsstaat  29, 30, 57, 201, 225, 226, 270, 275, 280, 283 Rechtsstaatsprinzip  45, 47, 165, 192, 193, 235, 251, 252, 277 Reflex  85, 120, 178 Regelkontrolle  65 Regelung  25, 28, 74, 78, 86, 87, 165, 169, 171–173, 185, 188, 221, 224,

Sachwortverzeichnis293 232, 234, 235, 238, 244, 245, 247, 249, 251, 255, 267 Richtigkeit der Informationen  84 Risiken des Marktes  91 Risiko  139, 166, 167, 170, 176, 182 risikobasiert  55, 138, 139, 140, 226, 228, 229, 260 Risikoeinstufung  57, 237 Risikogruppen  61, 139 Ruf eines Unternehmens  99 Sacheigentum  90, 97 Sachlich richtige Informationen  83, 84 Sach- und Rechtsgesamtheit  93 Sanktionsmittel  55 schlechthin gemeinschädlich  83 schlicht-hoheitliches Handeln  249 Schnellwarnsystem RASSF  57 Schutz der Gesundheit  182 Schutz der Unternehmer  48 Schutzpflichten  40, 41, 56 Schutz von Leben und Gesundheit  48 Selbstbindung der Behörde  229 Sicher essen  70, 72, 85, 134, 138, 153, 184, 187, 204, 206, 208, 244, 272 Smiley-Modell  53, 64, 65, 68, 87 Smileys  64, 135, 203, 209, 213, 260, 282 Sozialstaatsprinzip  42, 46 Sperrwirkung  168–173, 176, 181, 189, 234, 279 Spezialverhältnis  108 staatliche Steuerungsfähigkeit  30, 58 Staatstragende Bedeutung  154 Stellenwert von Verbraucherschutz  36, 48, 58, 59 Stiftung Warentest  45, 223 Stillhaltezusage  216, 254, 256, 257, 268 StPO  17, 174, 192, 193 Straftaten  62, 174, 263 Strafverfahren  56, 57, 174, 192, 193 Strukturmerkmale des Eigentums  95, 98

Subsidiarität  189 Symbole  213 tatsächliche Auswirkung im Einzelfall  124 Täuschungsschutz  182 Tempelhof-Schöneberg  72, 138, 150, 153, 200, 206, 208, 215, 218 Transparenz  22–33, 35, 36, 38, 43, 48, 54, 58, 85, 188, 262 Typizität  123 Überwachungsqualität  259, 281 Überwiegen der Verbraucherschutz­ interessen  223 Überwiegen des Unternehmerschutzes  221 Umsatzeinbußen  77, 126, 133, 149 Ungleichbehandlung  24, 138–142, 226, 227–230, 264, 267 Unmittelbarkeit  117, 122, 125 Unschuldsvermutung  181, 192–196, 271 Unterkategorien  64 unternehmensbezogene Daten  112, 113, 115 Unternehmensrufs  77 USA  22, 27, 63, 133 Van Marle  103 Verbraucheraufklärung  43, 45, 46 Verbraucherleitbild  51, 52, 57, 59, 204, 213 Verbraucherrechte  36, 47 Verbraucherschutz  15, 18–20, 22–24, 32, 33, 35–53, 55, 58–60, 65, 66, 70, 74, 80, 84, 134, 150, 153, 172, 183, 188, 189, 201, 204, 209, 213, 220, 222, 224, 228, 253, 258, 259, 261–263, 266, 269, 271, 272, 274–280, 283–285, 287 Verbraucherschutzministerkonferenz  22, 74, 75 Verbraucherzentrale  66, 132 Verfahrensanforderungen  85, 244

294 Sachwortverzeichnis Verfahrensrechte  231 Vergleichspaare  139 Verhalten des Lebensmittelunternehmers  60, 238, 263 Verhaltenslenkung  22, 150 Verhältnismäßigkeit  23, 101, 125, 129, 131, 227, 228 Vermögen als solches  103 Vermögensposition  88, 99 Veröffentlichungsdauer  216–218 Veröffentlichungsobjekt  218 Verständlichkeit  25, 30, 205, 213, 214 Verstoß  169, 180, 182, 185, 219, 229 Vertragsfreiheit  42, 201, 221 Verwaltungsakt  53, 196, 231, 237, 244–248, 250, 252–254, 257, 267, 268, 279, 286 Verwaltungspraktikabilität  227 Verwaltungspraxis  140, 141, 190, 226 Verwaltungsrecht  14, 16, 53, 55, 271, 272, 278, 280–282, 284–287 virtuelle Unternehmen  97 VO EG 852 / 2004  61, 62 Volkszählungsurteil  111 Vorbehalt des Gesetzes  24, 26, 58, 119, 121, 143, 161, 164, 165, 217, 235, 265, 267, 277 vorbeugender Rechtsschutz  194 vorgeschalteter Verwaltungsakt  246 Vorhersehbarkeit  120, 121, 130 Vorverurteilung  195 vorwerfbares Verhalten  185

Wahrscheinlichkeit  121, 126, 129, 131, 135, 137, 166, 167, 265 Wandel  27, 32, 45, 58, 147, 148, 156, 170, 201, 204, 262, 274, 275, 282, 285 Warnung  84, 133, 144, 145, 147–149, 151, 155, 159, 160 Wartefrist  237, 256, 257 weiche Steuerung  32, 55 Werturteil  145, 147 Wesentlichkeitstheorie  143 Wettbewerb  38, 58, 78, 81, 85, 201, 219 Wettbewerbsfreiheit  78, 278 Widerspruchsverfahren  250, 257 Willkür  227 Wirkung  53, 55, 87, 119, 131, 133, 134, 136, 155, 157, 170, 214, 215, 222, 225, 236, 250, 254, 257 Wirtschaftsministerkonferenz  22, 74, 216, 230, 257, 260 Wirtschaftsordnung  46 Wissen  20, 25, 32, 33, 37, 44, 54, 79, 92, 125, 205, 270 Zahlenmaterial  202 Zitiergebot  28, 231, 238–242, 267 Zivilrecht  42, 97, 98, 125 Zurechnung  132 Zuständig  62, 263 Zuständigkeit  68, 160, 232–234 Zwickau  64, 65, 68, 76