118 36 5MB
German Pages 410 Year 2020
Schriften zum Strafrecht Band 360
Untreue und Transparenz Eine Intervention zur Prozeduralisierung der lex lata (§ 266 StGB)
Von
Dominik Stefan Waldvogel
Duncker & Humblot · Berlin
DOMINIK STEFAN WALDVOGEL
Untreue und Transparenz
Schriften zum Strafrecht Band 360
Untreue und Transparenz Eine Intervention zur Prozedualisierung der lex lata (§ 266 StGB)
Von
Dominik Stefan Waldvogel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15856-0 (Print) ISBN 978-3-428-55856-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 vom Promotionsausschuss der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im August 2016 fertiggestellt; Rechtsprechung und Literatur konnten, von punktuellen Aktualisierungen vor Drucklegung abgesehen, bis August 2016 berücksichtigt werden. Das Promotionsverfahren wurde mit der mündlichen Prüfung am 26. Juni 2019 abgeschlossen. Mein Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Joachim Vogel, welcher bis zu seinem tragischen Unfalltod die Dissertation betreut hat und mir vor und während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in Tübingen und München stets für anregende und kritische Diskussionen zur Verfügung gestanden hat. Seiner Förderung verdanke ich sehr viel. Mein Dank gebührt daneben Herrn Prof. Dr. Helmut Satzger, der die Betreuung der Dissertation nach dem Tod von Prof. Dr. Joachim Vogel, RiOLG, übernommen hat und meinem bereits eingeschlagenem Weg und meinen Ideen stets offen gegenüber stand. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens bin ich außerdem Frau Prof. Dr. Petra Wittig verbunden. Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner danke ich für seine Anregungen und Diskussionen zum kriminologischen Teil der Arbeit. Prof. Frank Emmert bin ich zu Dank verpflichtet für die Ermöglichung und Betreuung meines Forschungsaufenthalts an der Indiana University Robert H. McKinney School of Law in Indianapolis, USA. Entscheidende Unterstützung erhielt ich auch von Prof. Dr. Christoph Burchard: Ohne die Diskussionen mit ihm wäre die Arbeit um viele Ideen ärmer. Ferner danke ich der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für die finanzielle und ideelle Unterstützung während meiner Promotionszeit. Schließlich gebührt besonderer Dank meinen Eltern, die meinen Weg bis hierhin ermöglicht und zu jedem Zeitpunkt uneingeschränkt unterstützt und begleitet haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, im September 2020
Dominik Waldvogel
Inhaltsverzeichnis Einführung: Forschungshypothese, Gang der Untersuchung und Transparenzmerkmal § 1 Die Wahl des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Obligatorisches zu § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 § 3 Die Forschungshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Kriminologischer und ökonomischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Analyse des § 266 StGB de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 4 Weitere Ziele der Untersuchung: Kriminologie, Prozeduralisierung und systemtheoretische Analyse des Wirtschaftsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 A. Kriminologische Untersuchung von Einzeltatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Prozeduralisierung und systemtheoretische Analyse des Wirtschaftsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 5 Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A. Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 C. Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 6 Begriffliche Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 A. Das Transparenzmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Etymologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Transparenz als naturwissenschaftlicher Begriff . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Transparenz in Politik und volkswirtschaftlichem Kontext . . . . . . 36 3. Transparenz in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Bezugspunkte der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Transparenz als doppelt relativer Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Akteure einer Untreuetat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Transparenz als eröffnete Informationsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Zur Frage, wer Transparenz herstellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 V. Transparenzhandlung vs. Transparenzerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
10
Inhaltsverzeichnis VI. Interne vs. externe Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 VII. Transparenz und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 VIII. Anforderungen an Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Untreue-Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Prozeduralitäts-Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Prozeduralität als Rechtskategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Hypothetische Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Kapitel 1 Grundlegung: Der Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz
44
§ 1 Die Grundlage der Forschungshypothese: Der Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 A. Begrifflichkeit: Wirkungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Die tatsächliche Prämisse eines Wirkungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Die inhaltliche Bestimmung des Wirkungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Wirkungszusammenhang und Untreueprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Wirkungszusammenhang als minus zur Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Multikausaler Erklärungsansatz und Wahrscheinlichkeitsaussage . . . . . . . . 47 IV. Wirkungszusammenhang als Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 D. Entscheidung für das Transparenzmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 § 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 A. Gesamthistorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Untreuetat als römisch-rechtliches furtum oder peculatus . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Art. 170 Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Das Zeitalter Matthias Berlichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. von Carpzov – eine dogmatische Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 V. Der Einfluss des Naturrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 VI. Der Kleinschrod’sche Diebstahlsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VII. Die Entwicklung der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . 61 VIII. Der Einfluss von Feuerbachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IX. Die Entwicklungen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. Bedeutung der historischen Entwicklung für den Wirkungszusammenhang . . . . . 65 I. Kompensation der Trennung von Vermögen und Verwaltung . . . . . . . . . . . 65 II. Opfermitverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Intransparenz als Strafschärfungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Gesamtergebnis der historischen Entwicklung der Untreue . . . . . . . . . . . . . 73
Inhaltsverzeichnis
11
C. Der heutige Tatbestand des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Kriminologische Erklärung des Wirkungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . 74 1. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Die Kriminologie der Untreue in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Untreue und die Systematisierung der Wirtschaftsstraftaten . . . . . . . . 77 4. Untreue als Wirtschaftskriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Die Begriffsbestimmung der Wirtschaftskriminalität . . . . . . . . . . . 80 aa) Wirtschaftskriminalität als Kriminalität und die Akzessorietät zum materiellen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Sutherland – white-collar crime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc) Die Systematik des Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 dd) § 74c Abs. 1 StGB und § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO . . . . . . . . . . . . 83 ee) Schadens- oder opferbezogene Begriffsbestimmung . . . . . . . . 84 ff) Kombination verschiedener Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 gg) Wirtschaftskriminalität im engeren und weiteren Sinne . . . . . 85 b) Eigene Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Funktionalität der Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) § 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Kriterium des Vertrauensbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 dd) Strafrechtsdogmatischer Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 88 ee) Wirtschaftsstraftat und Vermögensdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 ff) Korruptionskriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 gg) Prämissen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Erkenntnisse der täterbezogenen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) „Earning and burning money“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Neutralisierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Erkenntnisse der tatbezogenen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Das „fraud triangle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Der „routine activity approach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Schlussfolgerungen zum Wirkungszusammenhang . . . . . . . . . 95 ee) Der rational choice approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ff) Die principal agent theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 e) Erkenntnisse der opferbezogenen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Kontrollvakuum bei selbständigen Rechtspersönlichkeiten . . . 102 bb) Verflüchtigte Opfereigenschaft – Jedermannsrecht zur vorläufigen Festnahme bei der Untreue? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Scheinlegale Einkleidung der Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . 105
12
Inhaltsverzeichnis f) Eigener Ansatz: materiell-rechtliche Besonderheiten des Untreuetatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Zur Idiosynkrasie der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Schlussfolgerungen anhand der Idiosynkrasie der Untreue . . . 108 (1) Die Untreue als Kontaktdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Intransparenz als Kriterium einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (3) Indifferenz der Tathandlung der Untreue . . . . . . . . . . . . . . 110 (4) Indifferenz des Taterfolgs der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (5) Überindividuale Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (6) Rational choice theory trotz fehlender Bereicherungsabsicht als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (7) Untreue als special opportunity crime . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Systemtheoretischer Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Systemfunktionale Definition von Wirtschaftsstrafrecht
116
(2) Transparenz als transpersonale mediatisierte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (3) Das Untreuesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (4) Autopoiesis des Untreuesystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Praxis der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Hohe Latenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Komplexe Sachverhaltskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Metaebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 § 3 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Kapitel 2 Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB in Bezug auf prozedurale Elemente der Strafbarkeit
125
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 2 Zum Begriff prozeduralen Untreuerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Wortlaut „prozedural“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Prozeduralität im Alltagsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Vorläufige Arbeitshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 § 3 Prozedurales Strafrecht bei Andreas Eicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 A. Rechtstechnische Instrumente prozeduralen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Kritik an Eickers Konzeption prozeduralen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Inhaltsverzeichnis
13
§ 4 Das Konzept des „rechtsfreien Raums“ bei Arthur Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 A. Wertungspaare des Rechts als Disjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Prozedurales Recht als Rechtsanwendungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 C. Der Grund für den „rechtsfreien Raum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 5 Prozedurales Strafrecht bei Albin Eser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A. Das Unrecht als Prozeduralisierungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Prozeduralisierung als Substitution eines materialen Kriteriums . . . . . . . . . . . . . 134 C. Entmaterialisierung des Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Zum Nutzen prozeduralen Strafrechts bei Eser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Zusammenfassung: Esers Verständnis prozeduralen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . 136 § 6 Prozedurales Strafrecht bei Winfried Hassemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 A. Hassemers Standpunkt Mitte der 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 B. Der Einfluss Niklas Luhmanns auf Hassemers Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 C. Zu den Vorzügen prozeduralen Strafrechts bei Hassemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 D. Zusammenfassung der Konzeption prozeduralen Strafrechts Hassemers . . . . . . . 140 § 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei der Untreue . . . . . . . . . . . 140 A. Differenzierung zwischen „Ob“ und „Warum“ einer Prozeduralität . . . . . . . . . . . 141 B. Notwendigkeit einer eigenen Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C. Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Die Goldene Regel und der kategorische Imperativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Goldene Regel und kategorischer Imperativ als bloße Verhaltensanleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Verallgemeinerung der Prozeduralität der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . 145 II. Relativität der Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Das Prozeduralisierungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Prozeduralität des Entscheidungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Bestimmung der „Andersartigkeit“ des Entscheidungskriteriums . . . . 148 2. Zeitliche Entwicklung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Prozeduralisierung als Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Bezugspunkt als Voraussetzung für Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . 150 D. Das Untreuesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als Entscheidungsschema . . . . . . . . 150 II. Die Systemtheorie Luhmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Systemtheorie und Definition von prozeduralem Strafrecht . . . . . . . . 152 2. Intersystemische Einwirkungsmöglichkeiten und Prozeduralität . . . . 152 3. Im Rahmen der eigenen Definition von prozeduralem Untreuestrafrecht relevante Grundannahmen der Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Code und Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
14
Inhaltsverzeichnis c) Der Untreuecode und das Untreueprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. (Hypothetische) Prozeduralität als Veränderung der System-UmweltDifferenz auf Grund intersystemischer Irritationen . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Kriterien der Strafbarkeitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 E. Prozeduralisierungsindizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Dilemmasituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Tatbestandlich angelegte Prozeduralisierungstendenzen des § 266 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 F. Legitimität einer Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 G. Ergebnis: Definition prozeduralen Untreuerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
§ 8 Untersuchung des § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Zusammenfassung und wichtige Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Prozeduralisierungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Entscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Entscheidungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Strafbarkeitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 V. Arbeitsdefinition von Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 C. Geschützes Rechtsgut des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 D. Einzelne Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Risikogeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Die Business Judgment Rule im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Das ARAG/Garmenbeck-Urteil – unternehmerisches Ermessen . . 170 b) Die gesetzlich normierte Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . 171 c) Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule . . . . . . . 172 e) Die Rechtsfolge der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 f) Handlungsdirektive – Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 g) Die strafrechtliche Wirkung der Business Judgment Rule, limitierte Zivilrechtsakzessorietät der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 h) Prozeduralität der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Risikoüberwachungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Die Pflichtverletzung bei der Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Die Publizitätspflicht des § 18 S. 1 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Die Entscheidung BGHSt 46, 30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Zur (hypothetischen) Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Inhaltsverzeichnis
15
e) Die Entscheidung BGHSt 47, 148 (Fortführung von BGHSt 46, 30) 186 aa) Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Zur Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Materiale Voraussetzungen von Transparenz als prozedurales Entscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Spekulationsgeschäfte und Investitionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . 191 a) Investitionen in Asset-Backed-Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Fristentransformation als Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Unternehmensspenden/Sponsoring (gravierende Pflichtverletzung) . . . . . . 194 1. Die Entscheidung BGHSt 47, 187 („SSV Reutlingen“ – gravierende Pflichtverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Sachverhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Die rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . 196 c) Zur hypothetischen Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium der gravierenden Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Prozeduralität der „gravierenden Pflichtverletzung“: Die Entscheidungskriterien der privaten Präferenz und innerbetrieblichen Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Die Entscheidung BGHSt 50, 331 „Mannesmann-Urteil“ . . . . . . . . . . 201 a) Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Zur hypothetischen Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Schwarze Kassen als Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Entscheidung BGHSt 52, 323 („Siemens“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Sachverhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Das Urteil des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d) Zur hypothetischen Prozeduralität der Entscheidung des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Hypothetische Prozeduralisierung der Pflichtverletzung . . . . . 208 bb) Hypothetische Prozeduralisierung des Vermögensnachteils . . . 209 cc) Hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium: Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 IV. Vermögensentzug einer Gesellschaft mit Zustimmung der Gesellschafter – Verstoß gegen Buchführungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Die Entscheidung BGHSt 35, 333 – Normativierung des Schadensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Sachverhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Zur hypothetischen Prozeduralität von BGHSt 35, 333 . . . . . . . . . 213
16
Inhaltsverzeichnis 2. Die Entscheidung BGHSt 49, 147 – Bremer Vulkan . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Zur Problematik des Einverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Die Zustimmungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Die Wirkung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Aufgedrängter Vermögensschutz bei beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 dd) Argumentum a maiore ad minus: Gründungs- und Auflösungsfreiheit beschränkt haftender Rechtspersönlichkeiten . . . 222 ee) Strafrechtlicher Gläubigerschutz und Interessentheorie . . . . . . 223 b) Zur hypothetischen Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 V. Criminal Compliance und Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Untreuestrafbarkeit durch Compliance-Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Untreue durch Verstoß gegen unternehmensinterne ComplianceRegeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Repetierende Compliance-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Neue (verfahrensmäßige) Compliance-Regeln . . . . . . . . . . . . . 228 cc) Untreue durch unterlassene Etablierung eines ComplianceSystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) BGHSt 54, 44 – Garantenpflicht des Compliance Officers . . . . . . 231 2. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Vermögensnachteil bei der Verletzung von Compliance-Regeln . . . . . 234 4. Das Problem des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . 234 5. Compliance als Strafmilderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 7. Hypothetische Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 VI. Strafprozessuale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Die Verständigung im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Wege der vorzeitigen Beendigung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . 241 4. Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 VII. Die „Pflichtverletzung“ bei der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Das Problem des Wortlauts des § 266 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Einschränkung auf „gravierende Pflichtverletzungen“ . . . . . . . . . . . . 243 3. Entmaterialisierung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung; Vermögensbezug der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Die Verschleifung von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil . . . 245 5. Die hypothetische Prozeduralität des Tatbestandsmerkmals der „Pflichtverletzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 VIII. Der Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Die schadensgleiche Vermögensgefährdung als notwendige Konsequenz des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 248
Inhaltsverzeichnis
17
b) Inkonsequenzen der Anwendung der Lehre der schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Hypothetische Prozeduralität der schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Die Untreue als vermeintliches zeitliches Distanzdelikt . . . . . . . . . . . 251 a) Der Begriff des zeitlichen Distanzdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Entstehung eines effektuierten Vermögensnachteils als dynamischer Prozess? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Prozeduralisierung bei geringer zeitlicher Distanz zwischen Untreuehandlung und endgültigem Schadenseintritt . . . . . . . . . . . . . . 252 d) Konsequenz: Kritik an der Untreuerechtsprechung unter dem Topos der Vorverlagerung der Strafbarkeit bei fehlender Versuchsstrafbarkeit verfehlt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Hypothetische Prozeduralität des Nachteils bei der Untreue . . . . . . . . 256 IX. § 266 StGB als „Auffangtatbestand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Die Entwicklung im Siemens-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Strafprozessuale Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Der Schaden als Verdachtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Die Untreue als strafprozessualer „Türöffner“ . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Hypothetische Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 X. Der subjektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 E. Ergebnis: Hypothetische Prozeduralität der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 § 9 Ergebnis: Systematisierung der Kritik an der Untreue in Praxis und Theorie . . . . . . . 267
Kapitel 3 Vorschläge zu einer lex ferenda
268
§ 1 Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 § 2 US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 A. Einführung, US-amerikanisches Recht als Grundlage des Rechtsvergleichs . . . . 269 I. Transparenz in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Der Freedom of Information Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Dokumentation und externe Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Criminal Law Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Utilitarianism – John Rawls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. An Economic Theory of the Criminal Law – Richard Posner . . . . . . 274 3. Malum prohibitum und malum in se crimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4. Limitation to malum prohibitum crimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Amendment VIII – United States v. Bajakajian . . . . . . . . . . . . . . . 276
18
Inhaltsverzeichnis b) Amendment VIII – USA PATRIOT Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Amendment V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 d) Zur Prozeduralität von malum prohibitum crimes . . . . . . . . . . . . . 279 5. „Carrot and stick“ approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 6. Corporate criminal liability und criminal strict liability . . . . . . . . . . . 280 a) Corporate criminal liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Criminal strict liability – underlying concept . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Zur Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Transparency and white-collar crime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Sutherland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Die geschichtliche Entwicklung bis zur Weltfinanzkrise . . . . . . . . . . 283 3. Die großen „accounting scandals“ in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Sarbanes-Oxley Act 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 I. Die Ziele des Sarbanes-Oxley Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. Dogmatische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Strafbarkeit von inchoate behavior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Obstruction of justice offenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Zur Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Technische bzw. situative Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Trennung von Bilanzprüfung und Beratung – Buchprüfer als gatekeeper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Kontrolle der Kontrollsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Rechtsanwälte als gatekeeper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 d) Prävention durch (externe) Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 e) Zur Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 C. Transparenz als „defense“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Federal sentencing guidelines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. Compliance als Strafmilderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Zur Prozeduralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. „Safe harbor“ regulations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Corporate minutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3. Pretrial diversion agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 D. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
§ 3 Geldwäschestrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 A. Der Begriff der „Geldwäsche“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 B. Typologiebildung im Geldwäscherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Trade based money laundering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 II. Gatekeeper-Berufsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 III. Offshore Finanzplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
Inhaltsverzeichnis
19
IV. Informelle Geldtransfersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 V. Intransparente geschäftliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 VI. Finanzmarktprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 VII. Typologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Die EG-/EU-Geldwäscherichtlinien und das Geldwäschebekämpfungsgesetz . . . 305 D. Der risk based approach im Geldwäscherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Sinn der Typologiebildung im Geldwäscherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Novellierung des GwG und risk based approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Schlussfolgerungen für die lex ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 § 4 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, § 218a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 § 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung und Eignung des Transparenzmerkmals als prozedurales Entscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 A. Systemtheoretische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 B. Die Koppelung von Rechts- und Wirtschaftssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 C. BVerfGE 126, 170 als Prozeduralisierungsauftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Bedeutung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Grundlegender Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Zum Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Auslegung des § 266 StGB im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 III. Konkretisierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Intransparenz des Taterfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Entstehung des Vermögensnachteils als dynamischer Prozess . . . . . . 320 3. Tatbestandliche Unbestimmtheit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 320 a) Unbestimmtheit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Konsequenzen der Unbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 IV. Bildung von Fallgruppen (gefestigte komplexe Obersätze) . . . . . . . . . . . . . 322 V. Keine Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 VI. Die Pflichtverletzung als komplexes normatives Tatbestandsmerkmal . . . . 325 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Zur (hypothetischen) Prozeduralität der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Verfassungsmäßigkeit der hypothetisch prozeduralen Handhabung des § 266 StGB auf Grund beschränkten verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3. Verfassungsmäßigkeit im Sinne der Bestimmtheit des § 266 StGB durch hypothetisch prozedurale Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4. Prozeduralisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
20
Inhaltsverzeichnis
§ 6 Alternativkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 A. Lösung über Einwilligungs- bzw. Einverständnisdogmatik – antizipiertes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B. Zivilrechtlich-akzessorische Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Prozeduralität auf Rechtsfolgenseite: Strafrahmenverschiebung und Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Analoge Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Systematisierung der Delikte der tätigen Reue (im Wirtschaftsstrafrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Analoge Anwendung bei Transparenz bei § 266 StGB . . . . . . . . . . . . 333 III. Fazit zu einer Lösung auf Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 D. Berücksichtigung von Transparenz im Rahmen der Strafzumessung – sentencing guidelines auch in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 I. Strafzumessung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 II. Sentencing guidelines im deutschen Strafrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 E. Strafprozessuale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I. Die Möglichkeiten der Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153b StPO 341 II. Die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO . . . . . . 342 III. Lösung über Strafantragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 F. Zurechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Bei Transparenz: Erlaubtes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Risikoverringerungslehre – Risikoerhöhungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 G. Abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 § 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . 348 A. Herkömmliche Schranken des Strafrechtsgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 1. Strafe als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Nulla poena sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Nemo tenetur se ipsum accusare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 II. Strafrechtsimmanente Schranken – systemkritischer Rechtsgutsbegriff . . . 353 B. Utilitaristische Legitimation und strafrechtsdogmatische Konsequenzen . . . . . . . 354 I. Keine Entmaterialisierung des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 II. Utilitaristischer Ansatz – Transparenz als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 C. Grenzen von Transparenz – nicht: Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A. In strafbefreiender Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 B. In strafbegründender Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
Inhaltsverzeichnis
21
C. Detailfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Bestimmung des Prozeduralisierungsobjekts: Pflichtverletzung . . . . . . . . . 360 II. Transparenz bei natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 III. Transparenz bei juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Drittwirkung von Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 V. Inhaltliche Reichweite der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1. Relevante Informationen als Entscheidungsgrundlage . . . . . . . . . . . . 363 2. Beurteilungsmöglichkeit der Risiken und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . 363 3. Überprüfung der Entscheidungsgrundlage – „kreative Transparenz“ 363 VI. Vorherige Transparenz vs. nachträgliche Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 VII. Starre gesetzliche Anordnung vs. Entscheidung des Treugebers . . . . . . . . . 365 VIII. Eingeschränkte Zurechnung des Vermögensnachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 D. Formulierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 § 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Einführung: Forschungshypothese, Gang der Untersuchung und Transparenzmerkmal Die vorliegende Arbeit stellt eine Intervention zur Prozeduralisierung des Untreuetatbestands, § 266 StGB,1 anhand des Merkmals der Transparenz dar. Auf Grund einer historischen, kriminologischen und systemtheoretischen Analyse und nach Systematisierung der Kritik an der Untreue de lege lata stellt die Untersuchung ein Konzept eines prozeduralen Untreuestrafrechts im Rahmen einer lex ferenda vor und soll nicht zuletzt Vorbildfunktion für die Prozeduralisierung weiterer Delikte des Wirtschaftsstrafrechts haben.
§ 1 Die Wahl des Themas Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet das so genannte „Siemens-Urteil“2 des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008. Bei der Auseinandersetzung mit der Entscheidung stellten sich Fragen, zu denen die Besprechungsliteratur bislang schwieg. Im Wesentlichen war es die simple Frage, warum die Tatsache, dass es sich um „schwarze“3 Kassen handelte, im Ergebnis dafür ausschlaggebend sein konnte, eine vollendete Untreuestrafbarkeit durch die Nichtaufdeckung zu bejahen. Der Angeklagte hatte schwarze Kassen zu weiterverwalten, die andere eingerichtet hatten. Er unterließ es, diese aufzudecken. Alleine die Nichtaufdeckung der schwarzen Kassen reichte im Ergebnis für den Bundesgerichtshof aus, eine Strafbarkeit wegen vollendeter Untreue zu begründen. Warum kann die durchaus viel diskutierte Tatsache, dass es sich um schwarze Kassen handelte, ausschlaggebend sein, eine vollendete Untreuestrafbarkeit zu begründen; warum werden schwarze Kassen strafrechtlich anders beurteilt als offen (wem gegenüber?) geführte Kassen? Im besonderen Teil des Strafgesetzbuchs finden sich gerade keine Tatbestandsmerkmale, die die „Verborgenheit“, das „Verdecktsein“ oder „Verstecktsein“ von Vermögen explizit betreffen, insbesondere nicht im Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Auf der Suche nach Antworten, warum es offensichtlich dennoch strafrechtlich einen Unterschied macht, wenn 1 In der zur Zeit der Erstellung dieser Arbeit gültigen Fassung des 6. StrRG, verkündet am 26. Januar 1998 (BGBl. 1998 I 164), in Kraft getreten am 1. April 1998. 2 BGHSt 53, 323. 3 Im Folgenden ohne Anführungszeichen.
24
Einführung
Vermögen in schwarzen Kassen verwaltet wird, anstelle es in offen geführter Buchhaltung zu dokumentieren, fanden sich weitere Urteile in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine erste Hypothese zuließen: die Hypothese, dass Intransparenz – in irgendeiner Form – schon de lege lata einen starken Einfluss auf die Untreuestrafbarkeit haben könnte. Methodisch wurde dies – und als zweite Hypothese – als das Ergebnis einer fiktiven bzw. hypothetischen, de lege lata so nicht existierenden Prozeduralisierung des Untreuetatbestandes eingeordnet. Bei näherer Betrachtung der allgemein am Tatbestand des § 266 StGB geübten Kritik, insbesondere aber auch der Kritik an einzelnen Urteilen des Bundesgerichtshofes, ergab sich die dritte Hypothese dieser Arbeit: Ein Gutteil der Kritik könnte sich dahingehend systematisieren lassen, dass schon heute der Tatbestand der Untreue durch die Rechtsprechung (contra legem) hypothetisch prozedural, d. h. vom Ergebnis her betrachtet prozedural gehandhabt wird.
§ 2 Obligatorisches zu § 266 StGB Die Einführung dieser Arbeit beginnt fast schon selbstverständlich4 wie beinahe jede Monographie, wissenschaftliche Abhandlung, manches Urteil, nicht zuletzt auch wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zur Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestands,5 mit einer umfassenden Sammlung apodiktischer Kritiken, geflügelter Worte und Rechtsaphorismen zur – an dieser Stelle schon das erste Beispiel: wohl „rechtlich schwierigsten Norm im besonderen Teil des StGB“6. Begonnen wird zumeist mit dem ältesten diesbezüglichen Zitat, dem Diktum Mayers aus dem Jahre 1954: „Sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue7 vorliegt, weiß kein Gericht und keine Anklagebehörde, ob § 266 vorliegt oder nicht“8, gefolgt sogleich, jedoch seltener zitiert, von dessen Fortsetzung: „Man behilft sich meist damit, daß man § 266 mit heranzieht, wenn der Fall besonders schwerwiegend erscheint.“9 Laut Schünemann muss die Untreue „ohne Übertreibung als das dunkelste und verworrenste Kapitel des Besonderen Teils qualifiziert wer4 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563; Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183. 5 BVerfGE 126, 170 [176 f.]. 6 Dahs, § 266 StGB – allzuoft missverstanden, in: NJW 2002, 272 [273]. 7 Wohl gemeint sind die Fallgruppen des § 266 RStGB i. d. F. von 1871. 8 Mayer, Die Untreue, in: Materialien zur Strafrechtsreform, S. 333 [337]; dem zustimmend: Weber, Überlegungen zur Neugestaltung des Untreuestrafrechts, in: FS Dreher 1977, S. 555 [559]; Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534 [536] und Hillenkamp, Risikogeschäft und Untreue, in: NStZ 1981, 161 m.w.N.; ablehnend: Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [185 Fn. 19]. 9 Mayer, Die Untreue, in: Materialien zur Strafrechtsreform, S. 333 [337].
§ 2 Obligatorisches zu § 266 StGB
25
den“ und stelle im Bezug auf die Schädigung fremden Vermögens von innen heraus nicht ultima, sondern „sola ratio“ zum Rechtsgüterschutz dar.10 Seier spricht in Bezug auf die Untreue von einer „vielfach nicht nachvollziehbaren, ja fast willkürlich anmutenden Anwendungspraxis“ und „einer Norm von kaum zu überbietender Vagheit und Konturenlosigkeit“;11 er charakterisiert die Untreue als eine „Allzweckwaffe“.12 Dahs kritisiert, die Wurzeln der Untreue seien „einem Zeitgeist [verhaftet], zu dessen Grundelementen eine [später pervertierte] Gradlinigkeit und Redlichkeit des deutschen Menschen gehörte“.13 Matt spricht die seiner Meinung nach in der Praxis bestehenden „Missverhältnisse zur Untreue“ als einen „Übergriff der Moral“ auf den Bereich des Strafrechts an, der jeden „unangemessen empfundenen Umgang mit Geld und Vermögen“ in den Bereich des Untreuetatbestands rücke.14 Hamm ist der Meinung, dass § 266 StGB „wegen seiner Konturen- und Uferlosigkeit gefährlich nahe an die Unbestimmtheit einer Generalklausel heranreicht“.15 In diese Richtung geht auch das Urteil Lüderssens, für den die Untreue ein „Beispiel für die Ausreizung generalklauselartiger Straftatbestände“ bildet.16 Kiethe hält § 266 StGB für „bedenklich unbestimmt“;17 Perron ihn gar für „nicht tolerierbar“18 sowie für ein „breites Bett […] und eine Gans, die für Wissenschaft und Strafverteidiger goldene Eier beschert“.19 Rönnau bezeichnet den § 266 StGB als eine „Superverbotsnorm“.20 Albrecht beschert § 266 StGB das Etikett, „Ruine des Rechtsstaates“21 zu sein, sodass es letztlich nicht weiter verwundern kann, dass der Untreue wegen der Behauptung, dass § 266 StGB „immer passt“22 eine „Anwendungshypertrophie“23 oder „Mode“24 unterstellt wird.
10
Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1. Seier, Die Untreue in der Rechtspraxis, in: Geilen-Symposium 2001, S. 145. 12 Seier, Die Untreue als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann/Nestler/Seier/Walter/Walther/ Weigend, Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 105 f. 13 Dahs, § 266 StGB – allzuoft missverstanden, in: NJW 2002, 272 [273]. 14 Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389 f.; so auch: Lesch, Zweckwidrige Verwendung von Fraktionszuschüssen als Untreue?, in: ZRP 2002, 159 [161]. 15 Hamm, Kann der Verstoß gegen Treu und Glauben strafbar sein?, in: NJW 2005, 1993. 16 Lüderssen, Soziale Marktwirtschaft, Finanzmarktkrise und Wirtschaftsstrafrecht, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Die Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 21 [22]. 17 Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern eines Kreditinstituts für riskante Kreditgeschäfte, in: WM 2003, 861 [867]. 18 Perron, Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: Jahresband der Juristischen Studiengesellschaft 2008, 45 [64]. 19 Perron, Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: GA 2009, 219 [220]. 20 Rönnau, Einrichtung „schwarzer“ (Schmiergeld-)Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, in: FS Tiedemann 2008, S. 713 [719]. 21 Albrecht, In Treue gegen die Untreue, in: FS Hamm 2008, S. 1 [7]. 22 Ransiek, Risiko, Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil bei der Untreue, in: ZStW 2004, 634; bzw. Bernsmann, Alles Untreue?, in: GA 2007, 219. 11
26
Einführung
§ 3 Die Forschungshypothese Die Forschungshypothese lautet verkürzt gesprochen: scienti non fit iniuria25 und bezieht sich auf die Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB.
A. Kriminologischer und ökonomischer Hintergrund Vor dem ökonomischen und politischen Hintergrund der Globalisierung einer immer komplexer werdenden Wirtschaftswelt erfährt das bisherige Verständnis des Wirtschaftsstrafrechts zahlreiche Modifikationen. Vor allem kann bei Vorschlägen zu einer lex ferenda nicht mehr pauschal auf herkömmliche Strafzwecktheorien rekurriert werden, sondern es muss auch die Lösung neuer Probleme, die der Neoliberalismus mit sich bringt, in die Legitimationsdiskussion einbezogen werden. Staatliches Strafen kann im Wirtschaftsstrafrecht nicht mehr ausschließlich als Mittel der Konflikterledigung gesehen werden. Utilitarismus, Pragmatismus und Ökonomisierung des Strafrechts sind hier die Schlüsselworte. Die Komplexität heutigen globalen Wirtschaftshandelns erschwert den staatlichen Organen der Strafrechtspflege auch die Durchsetzung der bestehenden Strafrechtsordnung, wenn es um Wirtschaftskriminalität geht. Schon bei der Ermittlung des Sachverhalts stoßen Anklagebehörden allzu oft auf faktische oder sogar politische26 Hindernisse, falls sie überhaupt erst einen Anfangsverdacht haben, dem sie nachgehen können. Dies gilt besonders bei Verfolgung von Untreuestraftaten, die typischerweise im Verhältnis zwischen zwei im selben „Lager“, z. B. im selben Unternehmen, stehenden Subjekten stattfindet (Untreue als Vermögensschädigung „von innen heraus“27). 23 Beulke, Wirtschaftslenkung im Zeichen des Untreuetatbestandes, in: FS Eisenberg 2009, S. 245 [266]; Bernsmann, Untreue und Korruption, in: GA 2009, 296. 24 Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [184], wobei Schünemann zugleich dies eher auf eine „Mode ungetreuen Verhaltens“ (ibid. a.a.O.) zurückführt. 25 Angelehent an den Rechtsaphorismus „volenti non fit iniuria“, der wiederum von einer Ausführung von Ulpian (170 – 228 n. Chr.) in den Digesten abgeleitet ist, die heißt: „nulla iniuria est quae in volentam fiat“ (D. 47. 10. 1. 5), wobei Ohly herausgearbeitet hat, dass es diesen Grundsatz so nie als einen allgemeinen im römischen Recht gab, Ohly, „Volenti non fit iniuria“ – die Einwilligung im Privatrecht, S. 25. 26 Besonders im Bereich der Entlastungskorruption sind häufig ausländische Staaten als Nachfrager betroffen. Hier kann z. B. eine Auslandsbeweisaufnahme politisch untunlich sein; ein populäres Beispiel bietet das Verfahren im Zusammenhang mit Schmiergeld- und Provisionszahlungen des Kaufmanns Karlheinz Schreiber (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 – 5 StR 299/03), bei dem unklar blieb, ob etwa saudi-arabische Verantwortliche Empfänger eines Großteils der Schmiergelder waren: vgl. Vogel, Anm. zu BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 – 5 StR 299/03, in: JR 2005, 114 [125]. 27 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1 u. 20, Hervorh. d. Verf.
§ 3 Die Forschungshypothese
27
Andererseits wandern Entscheidungsträger in der Wirtschaft zunehmend auf einem immer schmaler werdenden Grat zwischen Straflosigkeit und Strafbarkeit ihres Handelns (vor allem gemäß § 266 Abs. 1 StGB). Je risikoreicher die Handlungen, desto schmäler der Grat.28 Doch: Ohne Risiko kein Gewinn, kein sharholder value, kein Unternehmenserfolg. Die Eingehung von spezifischen Risiken gehört geradezu zum Anforderungsprofil eines Entscheidungsträgers und wird explizit von ihm gefordert. Realisiert sich dann ein eingegangenes Risiko in einem Schaden, so wird oft der vorschnelle Schluss vom Vermögensnachteil auf die Pflichtverletzung, die Eingehung eines zu großen Risikos, gezogen. Diese praktisch bestehende Rechtsunsicherheit kann zu einer Überabschreckung (over deterrence) führen, welche als ökonomisch negative Auswirkung nach sich zöge, dass rechtmäßiges und wünschenswertes Verhalten sodann unterbliebe. Besonders bei der Gefahr einer Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB zwingt folglich die globale Ökonomie früher oder später die Strafrechtswissenschaft, eine Lösung der aufgezeigten Probleme zu finden.29 Die vorliegende Arbeit soll dazu einen Beitrag leisten: Durch die Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda. Denn die (prozedurale) Feststellung, dass Wirtschaftsabläufe genügend transparent ausgestaltet sind, ist für alle Beteiligten erheblich einfacher zu leisten, als die Beantwortung der Frage, ob eine untreuerelevante Pflichtverletzung samt hierdurch eingetretenen Nachteils vorliegt. Diese Trivialisierung durch Prozeduarlisierung der Strafbarkeitsentscheidung bei § 266 StGB könnte nach der rational choice theory30 zudem beitragen, Untreuestraftaten zu verhindern.
B. Analyse des § 266 StGB de lege lata Kern des Forschungsvorhabens ist die Untersuchung, welchen Einfluss Transparenz de lege lata und de lege ferenda auf eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB hat bzw. haben kann. Es soll beleuchtet werden, inwiefern Transparenz im Verhältnis zwischen Vermögensbetreuungspflichtigen und dem,
28 So ähnlich auch im Kontext der verfassungsrechtlichen Problematik des Schwangerschaftsabbruchs bzw. der sog. Beratungslösung: Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [745]: „[Die dem Recht gestellte Aufgabe,] Dilemmata aufzulösen, den Menschen Handlungssicherheit zu geben und die rechtlichen Problemlösungen in einen widerspruchsfreien Zusammenhang zu bringen“. 29 So verspricht sich Francusi insbesondere im Wirtschafsstraftrecht allgemein und bei der Untreue im Speziellen eine Verbesserung der Situation für die Akteure durch Anlegen prozeduraler safe harbor Regelungen, Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 173. 30 Auf dem Gedanken der klaren und einfachen Erkennbarkeit von strafbarem bzw. nicht strafbarem Handeln beruht die rational choice theory: Ein rational denkender Delinquent muss sodann erkennen, dass bei seiner Kosten-Nutzen-Rechnung der Kostenpunkt, d. h. das hohe Risiko einer Ahndung seiner Tat, erheblich den Nutzen überwiegt. Er wird – so die Theorie – die Tat nicht begehen. Vgl. dazu: Wittig, Der rationale Verbrecher.
28
Einführung
dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, konkrete Auswirkungen auf eine Strafbarkeit nach § 266 StGB hat, haben kann und haben sollte. Dies geschieht vor folgendem Hintergrund: Es soll zunächst geklärt werden, ob die Untreue de lege lata bereits vom hypothetisch-prozeduralen Ergebnis aus betrachtet – anhand des Merkmals der Transparenz – faktisch-prozedurale Züge zeigt, d. h. „prozeduralisierungsfreundlich“ ist. Strafrechtlich gesprochen bedeutet Prozeduralisierung nichts anderes, als dass über die Einhaltung/Nichteinhaltung bestimmter gesetzlich geregelter Prozeduren bzw. Kriterien31 (hier: Transparenz) Strafbarkeiten verhindert bzw. begründet werden können. In strafbefreiender Hinsicht bedeutet Prozeduralisierung rechtstechnisch, dass trotz vorliegenden (materialen) Handlungsunrechts das Erfolgsunrecht, wenn der prozedurale Grund für die Straflosigkeit vorliegt, entfällt. Der Vergleich mit der materialen Rechtslage würde zeigen, dass in diesen Fällen durchaus ein Erfolgsunrecht vorliegen kann, jedoch nicht zwingend vorliegen muss. Mit anderen Worten: Egal, ob nach materieller Rechtslage ein Erfolgsunrecht vorliegt oder nicht, ist jedenfalls prozedural beurteilt eine Strafbarkeit wegen prozedural bedingten Entfallens des Erfolgsunrechts zu verneinen. In strafbegründender Hinsicht bedeutet Prozeduralisierung rechtstechnisch, dass bei vorliegendem (prozeduralem) Handlungsunrechts und ohne Rücksicht auf ein Erfolgsunrecht, wenn der prozedurale Grund für die Strafbarkeit vorliegt, eine Strafbarkeit gegeben ist. Der Vergleich mit der materialen Rechtslage würde gleichfalls wie in strafbefreiender Hinsicht zeigen, dass in diesen Fällen ebenso ein Erfolgsunrecht vorliegen kann, jedoch nicht zwingend vorliegen muss. Mit anderen Worten: egal, ob nach materieller Rechtslage ein Erfolgsunrecht vorliegt oder nicht, ist jedenfalls prozedural beurteilt eine Strafbarkeit wegen prozedural bedingten, tatbestandsmäßigem Vorliegens eines (prozeduralen) Handlungsunrechts eine Strafbarkeit zu bejahen. Noch einfacher formuliert weist ein prozeduraler Untreuestraftatbestand folgende Charakteristika auf: Erstens: Das alleinige Handlungsunrecht liegt in der Nichteinhaltung der gesetzlich geregelten Prozedur bzw. des prozeduralen Kriteriums. Zweitens: Wird die Prozedur bzw. das prozedurale Kriterium eingehalten, liegt kein Handlungsunrecht vor. Drittens: Auf den Eintritt oder Nichteintritt eines Erfolgsunrechtes kommt es nicht an. Übertragen auf die Untreue und das prozedurale Kriterium der Transparenz bedeutet dies: Die in einer Treuebeziehung32 durch den Treunehmer vorgenommene vermögensrelevante Handlung begründet keine Untreuestrafbarkeit, sofern sie 31
Transparenz an sich stellt kein „Verfahren“, sondern einen Zustand dar. Jedoch spricht nichts dagegen, dies gleichzusetzen: Denn ein Verfahren setzt sich lediglich aus einer Vielzahl von Zuständen, den Verfahrensschritten, zusammen. Wird die Einhaltung vieler Verfahrensschritte per Strafrecht abgesichert, so könnte theoretisch die Anzahl der Verfahrensschritte auch bis auf einen (= Zustand) reduziert werden. 32 I.S.d. Vermögensbetreuungspflicht gemäß § 266 Abs. 1 StGB.
§ 3 Die Forschungshypothese
29
transparent vorgenommen wurde. Andererseits ist bereits dann eine Untreuestrafbarkeit zu bejahen, sofern die vermögensrelevante Handlung intransparent vorgenommen wurde. Auf den Eintritt eines Vermögensschadens kommt es in beiden Konstellationen nicht an. Dieses Ergebnis bezeichnet die Untersuchung als das hypothetisch prozedurale Ergebnis. Die Bezeichnung als hypothetisch prozedurales Ergebnis ist notwendig, um deutlich zu machen, dass eine tatsächliche Prozeduralisierung (anhand des Merkmals der Transparenz) gerade nicht de lege lata vorliegen kann, da die Untreue gemäß § 266 StGB de lege lata keine prozedurale Strafnorm darstellt: Das Ergebnis der materialen Rechtsanwendung kann im Einzelfall mit einem hypothetisch prozeduralen Ergebnis übereinstimmen, muss es aber nicht. Hierin liegt genau der Unterschied. Tatsächliche Prozeduralisierung kennt nur die Regel und keine Ausnahme und ist deshalb auch gesetzlich angeordnet, um einen ausnahmslosen Automatismus zu begründen. Dieser ausnahmslose Automatismus fehlt gerade dem hier so genannten hypothetisch prozeduralen Ergebnis. Mithin untersucht das Kapitel 2 dieser Arbeit folgende Konstellation: Unterstellt man in einem ersten Schritt den als lex ferenda vorgeschlagenen prozeduralen Untreuestraftatbestand (anhand des Merkmals der Transparenz) als Hypothese, so kann man hierunter einen Sachverhalt subsumieren und erhält damit das hypothetisch prozedurale Ergebnis. Dieses kann man dann in einem zweiten Schritt mit dem Ergebnis der materialen Anwendung und Auslegung des § 266 StGB de lege lata auf den identischen Sachverhalt vergleichen. Hierbei stellt die Untersuchung fest, dass das Ergebnis der materialen und das der hypothetisch prozeduralen Anwendung sehr oft übereinstimmt. Darüber hinaus stellt die Untersuchung fest, dass viele Urteile, die in der Literatur hinsichtlich ihrer materialen Auslegung des § 266 StGB Kritik erfahren, im Ergebnis dem hypothetisch prozeduralen Ergebnis entsprechen. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass sich ein Großteil der Kritik der Literatur an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 266 StGB dahingehend systematisieren lassen kann, dass das Ergebnis durch die Rechtsprechung „faktisch“ bzw. hypothetisch prozedural anhand des Transparenzmerkmals gebildet und material (nach Ansicht der Literatur: teilweise contra legem) begründet wurde. Diese Feststellung nimmt das Kapitel 3 der Arbeit zum Anlass, um die (unterstellt) ergebnisorientierte Auslegung und Anwendung des § 266 StGB anhand des Merkmals der Transparenz auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, um absolute Rechtssicherheit durch einen gesetzlich geregelten prozeduralen Untreuetatbestand als lex ferenda zu erreichen. Sowohl in der Art und Weise dieser Analyse und in der Systematisierung der bisherigen Rechtsprechung und Literaturkritik zu einem Straftatbestand als auch in der hieraus gezogenen Schlussfolgerung liegt die Einzigartigkeit dieser Untersuchung.
30
Einführung
C. Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda Die Untersuchung befasst sich notwendig auch mit den Fragen, die ein prozeduraler Untreuestraftatbestand aufwerfen wird. Hauptsächlich sind das Bedenken, die sich wegen der simplen Tatsache, dass die Prozeduralisierung des Untreuestrafrechts denknotwendig sowohl die (prozedurale) Kriminalisierung von (material) getreuem (im Sinne des § 266 StGB) Handeln (bei Intransparenz) als auch die (prozedurale) Entkriminalisierung von (material) ungetreuem Handeln (bei Transparenz) zur Folge haben kann. Die Rechtssicherheit, die eine prozedurale Strafnorm bietet, basiert darauf, dass gerade keine Ausnahmen bei abweichend materialem Ergebnis zugelassen werden. Insofern wird auch die zu beantwortende Legitimationsfrage in der Untersuchung beantwortet. Relativieren lassen sich diese Bedenken etwa, falls die Einhaltung der prozeduralen Entscheidungskriterien, also die Gewährleistung von Transparenz, es eo ipso „wert“ ist, strafbewehrt zu sein. Kurz: Es geht um die Frage, ob die Kriminalisierung von Intransparenz im Rahmen des § 266 StGB de lege ferenda legitimiert werden kann. Hierzu muss geklärt werden, ob etwa Transparenz selbst als schützenswertes Rechtsgut in den Diskurs eingeführt werden kann – möchte man an einer rechtsgutsbezogenen Legitimation von Strafe auch im „modernen“ prozeduralen Strafrecht festhalten.33 Es ist zu erörtern, warum transparente Beziehungen im Wirtschaftsleben allgemein erstrebenswert sind. Im Speziellen, warum Transparenz im Verhältnis zwischen Vermögensbetreuungspflichtigen und dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Zustand darstellt, der „in den Augen des Gesetzes als Bedingung gesunden Lebens der Rechtsgemeinschaft für diese von Wert [sein könnte]“34. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob jenseits der herkömmlichen Strafrechtstheorien eine im angloamerikanischen Rechtsraum wurzelnde Legitimationstheorie für ein dort so genanntes malum prohibitum,35 die sich sehr stark dem Utilitarismus verpflichtet, herangezogen werden kann. Die Untersuchung wird zum Ergebnis kommen, dass ein prozeduraler Untreuestraftatbestand legitimierbar ist und im Hinblick auf die stark erhöhte Rechtssicherheit und die Vereinfachung der Beurteilung sowohl für den Treugeber, den 33 Es geht um die Frage, ob ein Straftatbestand nur dann legitim ist, wenn er Rechtsgüter schützt; zur materiellen Legitimation des Strafrechts durch Rechtsgüterschutz siehe: Jakobs, Strafrecht-AT, 2. Abschnitt, Rn. 7 ff.; zur Kritik an der Lehre vom Rechtsgüterschutz siehe: Jakobs, Strafrecht-AT, 2. Abschnitt, Rn. 22 ff. 34 Binding, Handbuch des Strafrechts, Bd. I, S. 353 f.; zusammenfassende Darstellung und Kritik an der Rechtsgutslehre Bindings: Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 73 ff. 35 Weik, Objektive und subjektive Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 30 f.: Im Gegensatz zu Delikten, die aus sich heraus vorwerfbar sind (malum in se), bekommen die mala prohibita erst durch gesetzliche Normierung ihren Unrechtsgehalt verliehen. Dieser Deliktstypus wird durch den verstärkt präventiven Schutz gesellschaftlicher Interessen legitimiert und nicht durch persönliche Schuld und ist Ausdruck des in den USA stark vorherrschenden Utilitarismus.
§ 4 Weitere Ziele der Untersuchung
31
Treunehmer als auch für die Strafverfolgungsorgane erstrebenswert sein wird. Letztlich kommt die Untersuchung auch zu dem Schluss, dass die Prozeduralisierung des Untreuetatbestandes eo ipso (kriminologisch begründet) zur Untreueprävention beitragen kann.
§ 4 Weitere Ziele der Untersuchung: Kriminologie, Prozeduralisierung und systemtheoretische Analyse des Wirtschaftsstrafrechts Jenseits der Forschungshypothese, die den Kern dieser Untersuchung darstellt, werden weitere Ziele im Rahmen dieser Arbeit verfolgt. Diese weiteren Forschungsziele betreffen einerseits das Wirtschaftsstrafrecht allgemein und im Speziellen die Untreue gemäß § 266 StGB. Ausgangspunkt der Überlegung stellen die verschiedenen Methoden dar, die im Rahmen der Forschungshypothese zu § 266 StGB belastet wurden und die wohl einer Verallgemeinerung betreffend weiterer Delikte des Wirtschaftsstrafrechts zugänglich sind.
A. Kriminologische Untersuchung von Einzeltatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts Die kriminologische Forschung in Bezug auf konkrete Einzeltatbestände des Wirtschaftsstrafrechts steht noch am Anfang. Die in dieser Arbeit vorgelegte kriminologische Untersuchung des § 266 StGB im Kapitel 2 soll ein Beispiel darstellen und zeigen, dass kriminologische Erkenntnisse eine sehr konkrete Implikation auf die materiell-rechtliche Rechtsfortbildung haben und zur Lösung von materiellrechtlichen Problemen beitragen können. Die im Kapitel 3 dieser Arbeit vorgeschlagene lex ferenda exemplifiziert, wie Transparenz als u. a. kriminologisch begründetes Kriterium zur Untreueprävention materiell-rechtliche Auswirkungen haben kann. In dieser Untersuchung wird die Prozeduralisierung auch als Hebel zur Umsetzung kriminologischer Erkenntnisse in das materielle Untreuestrafrecht verstanden.
B. Prozeduralisierung und systemtheoretische Analyse des Wirtschaftsstrafrechts Des Weiteren stellt diese Arbeit eine Intervention zur Prozeduralisierung des Wirtschaftsstrafrechts dar, was neben den allgemeinen Vorteilen prozeduraler Rechtsnormen spezielle Vorteile für das Wirtschaftsstrafrecht bietet, die system-
32
Einführung
theoretisch begründet werden. Im Wesentlichen geht es darum, durch Prozeduralisierung die intersystemische Kommunikation zwischen dem Rechts- und dem Wirtschaftssystem zu renovieren. Prozeduralität ermöglicht es, systemtranszendent verstandene, neutrale bisystemische Codes zu etablieren, was in dieser Untersuchung in Form des Kriteriums der Transparenz im Rahmen der lex ferenda getan wird. Prozeduralisierung und systemtheoretische Analyse des Wirtschaftsstrafrechts haben viele Vorzüge, die bislang in der Wissenschaft noch zu geringe Aufmerksamkeit erfuhren.
§ 5 Der Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich in eine Einführung und die Kapitel 1 bis 3. Als Überblick dient folgende Einteilung: In den Kapiteln 1 und 2 werden die Grundlagen geschaffen, die es rechtfertigen, im Kapitel 3 zur lex ferenda – einer Prozeduralisierung des § 266 StGB – Stellung zu nehmen. Vor allem begriffliche Grundlagen klärt die Einführung.
A. Kapitel 1 Kapitel 1 dieser Arbeit nimmt Stellung, warum überhaupt sich diese Arbeit mit Untreue und Transparenz beschäftigt – es geht um den hier so genannten Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. Dieser Wirkungszusammenhang wird zunächst begrifflich definiert36 und als Wahrscheinlichkeitsaussage verstanden,37 was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Transparenz schon de lege lata auf eine Untreuestrafbarkeit einen Einfluss hat, größer ist, als dass kein Zusammenhang zwischen Transparenz und Untreue besteht. Die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz wird anhand der Struktur der Untreue belegt; zunächst anhand der gesamthistorischen Entwicklung der Untreue38 und sodann anhand der Deliktsstruktur des heutigen § 266 StGB. Die Hypothese des Wirkungszusammenhangs wird weiter in kriminologischer Hinsicht, bezogen auf den heutigen Straftatbestand der Untreue, überprüft.39 Es wird gezeigt, dass es nicht genügt, die Untreue im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftskriminologie zu behandeln, insbesondere nicht, um einen tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz nachzuweisen. Deshalb wird ein eigener kriminologischer Ansatz40 entwickelt, der die 36 37 38 39 40
Siehe unter: Kapitel 1, § 1, A. bis Kapitel 1, § 1, C. Siehe unter: Kapitel 1, § 1, C. III. Siehe unter: Kapitel 1, § 2, A. u. Kapitel 1, § 2, B. Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. I. Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f).
§ 5 Der Gang der Untersuchung
33
materiell-rechtliche Idiosynkrasie der Untreue berücksichtigt. Zur weiteren Untersuchung wird zur Bestätigung eines Wirkungszusammenhangs die Strafverfolgungspraxis41 untersucht sowie die (kriminologische) Metaebene42 betrachtet.
B. Kapitel 2 Das Kapitel 2 stellt die rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB de lege lata in Bezug auf Prozeduralität dar. Zunächst wird eine eigene Definition prozeduralen Untreuerechts entwickelt,43 die sich methodisch an der Systemtheorie Luhmanns orientiert. Die Untersuchung der Untreue de lege lata erfolgt zunächst anhand herausragender höchstrichterlicher Entscheidungen zu § 266 StGB, die sich in die Fallgruppen Risikogeschäfte,44 Unternehmensspenden,45 schwarze Kassen,46 Vermögensentzug in einer Gesellschaft47 und Criminal Compliance48 einordnen lassen. Weiter werden strafprozessuale Aspekte49 analysiert, um schließlich die beiden wichtigsten Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB, die Pflichtverletzung50 und den Vermögensnachteil51, isoliert zu behandeln. Letztlich wird auf die Rolle der Untreue als ein „Auffangtatbestand“52 und die Problematik des Vorsatzes53 eingegangen. Zudem geht es im Kapitel 2 der Arbeit darum, das Thema der Prozeduralisierung im Strafrecht auf § 266 StGB zu beziehen und weiterzuentwickeln. Vorsichtig wird einem oftmals so bezeichneten „Paradigmenwechsel“54 im Strafrecht entgegengetreten. Die Rechtsprechung zu § 266 StGB wird systematisch aufgearbeitet und nicht isolierter Einzelkritik gegenüber gestellt – es werden eine Systematisierung der Kritik an der Untreuerechtsprechung und die Gründe für diese Entwicklung untersucht. Am Ende des Kapitels steht das Fazit, dass ein Großteil der Kritik der Literatur an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Untreue als eine Kritik an einer contra legem erfolgten Auslegung verstanden und systematisiert 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. II. Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. III. Siehe unter: Kapitel 2, § 7. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. I. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. II. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. III. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. IV. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. V. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. VI. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. VII. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. VIII. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. IX. Siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. X. Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 54 ff.
34
Einführung
werden kann, welche jeweils das Ergebnis einer fiktiven Prozeduralisierung der Untreue anhand des Transparenzmerkmals (und ggf. weiterer anderer Merkmale) darstellt.
C. Kapitel 3 Im Kapitel 3 wird ein Alternativkonzept als lex ferenda vorgestellt, bei welchem die Untreue partiell anhand des Transparenzmerkmals prozeduralisiert ist. Hierdurch wird die paradigmatische Forderung nach mehr Transparenz!, deren materiellrechtliche Daseinsberechtigung im Kapitel 2 dargelegt wurde, direkt auf ein Delikt des besonderen Teils des StGB bezogen. Um Detailfragen der lex ferenda zu entwickeln, wird zunächst der rechtsvergleichende Blick auf das US-amerikanische Recht gerichtet. An dieser Stelle werden prozedurale Tendenzen im US-amerikanischen (Wirtschaftsstraf-)Recht in Bezug auf Transparenz als prozedurales Entscheidungskriterium beleuchtet, wobei im Mittelpunkt der Betrachtung die Gesetzgebung nach den großen Bilanzskandalen, vor allem der so genannte SarbanesOxley Act, steht. Ein zweiter Schwerpunkt bildet die Untersuchung von Möglichkeiten im US-amerikanischen Wirtschaftsstrafrecht, in denen Transparenz als Verteidigungsstrategie eine Rolle spielen kann, namentlich die Regelungen zur Strafzumessung, die so genannten federal sentencing guidelines, und weitere, so genannte safe harbor-Regelungen. Sodann werden im deutschen Strafrecht Konstellationen betrachtet, in denen schon de lege lata prozedurale Regelungen im Strafrecht existieren, namentlich das Geldwäschestrafrecht und die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs, um überzuleiten zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Prozeduralisierungen im Strafrecht grundsätzlich zulässig und legitimierbar sind. Weiter wird diskutiert, inwiefern bei der Untreue eine Notwendigkeit zur Prozeduralisierung besteht. Letztlich werden diverse Alternativkonzepte zu einer Prozeduralisierung der Untreue anhand des Transparenzmerkmals diskutiert, um schließlich ob der Defizite aller Alternativen einen konkreten Vorschlag einer prozeduralen lex ferenda im Bereich der Untreuestrafbarkeit darzulegen. Hierbei werden einzelne Detailfragen, die sich bei der Regelung und Anwendung der lex ferenda stellen werden, besprochen. Die Arbeit schließt endlich mit einem konkreten Formulierungsvorschlag in Gestalt eines § 266 Abs. 1a StGB und einer Zusammenfassung in Thesen ab.
D. Fazit Die Arbeit plädiert im Ergebnis für eine Prozeduralisierung des bestehenden Untreuestraftatbestands anhand des Transparenzmerkmals sowohl in strafbefreiender Hinsicht (nur bei § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) als auch in strafbegründender Hinsicht (ebenso nur im Rahmen des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB). Es soll jedoch nach
§ 6 Begriffliche Grundlegung
35
dem entwickelten Konzept dem Treugeber zu jeder Zeit seiner Wahl überlassen sein, ob er und inwieweit er die prozeduralen Rechtsfolgen (in Gänze) überhaupt eintreten lassen möchte. Daher wird kein allgemeiner Zwang für den Treugeber bestehen, die prozeduralen Rechtsfolgen tragen zu müssen (in strafbefreiender Hinsicht), wenn dies nicht gewünscht sein sollte. Dies macht nicht zuletzt auch den Untreuetatbestand de lege lata gerade nicht überflüssig sondern versteht die lex ferenda als Annex zum bestehenden und insoweit unveränderten § 266 StGB. Begründet wird die Notwendigkeit der lex ferenda einerseits durch die faktische Notwendigkeit einer Prozeduralisierung der Untreue wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensnachteils, die eine Situation der Rechtsunsicherheit für Treugeber und Treunehmer schaffen. Andererseits soll die hierdurch erreichte Utilität der Prozeduralisierung zur Legitimation dienen, die darin liegt, dass durch die Prozeduralisierung eine effektivere Untreueprävention durch Transparenz erreicht werden kann bei gleichzeitiger Verbesserung der Rechtssicherheit sowohl für den Treugeber als auch den Treunehmer, was nicht zuletzt auch die Justizbehörden zu entlasten in der Lage sein kann.
§ 6 Begriffliche Grundlegung Bevor zum eigentlichen Gang der Untersuchung Stellung genommen wird, soll die in dieser Arbeit verwendet Terminologie kurz einführend dargelegt werden. Dies dient dem Verständnis der Arbeit von Beginn an; die Begründungen der jeweiligen Definition bleiben weiterhin den entsprechenden Stellen in der Untersuchung vorbehalten. Insbesondere soll an dieser Stelle der erste Schlüsselbegriff, der Begriff der Transparenz, erläutert werden.
A. Das Transparenzmerkmal Der Begriff der Transparenz – und gegensätzlich dazu der Begriff der Intransparenz – nimmt eine zentrale Rolle im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein. Dementsprechend wichtig sind eine trennscharfe Konturierung einerseits und eine handhabbare Definition des Begriffs andererseits. Die rechtliche Signifikanz liegt vor allem darin, eine eigene Definition des Transparenzmerkmals im Rahmen der lex ferenda zu finden. I. Etymologie Etymologisch betrachtet geht das Wort der Transparenz auf das lateinische „trans parere“ bzw. das Partizip „trans parens“, später auch „transparens“ zurück und bedeutet sinngemäß „hindurchscheinen“ bzw. „durchsichtig sein“. Das deutsche
36
Einführung
Fremdwort „Transparenz“ ist somit von einem etymologischen Standpunkt aus betrachtet gleichbedeutend mit „Durchschaubarkeit“ oder „Durchsichtigkeit“. 1. Transparenz als naturwissenschaftlicher Begriff Transparenz als Fachausdruck in der Strahlenphysik bezieht sich auf das Phänomen der Fähigkeit eines Stoffes, Wellen hindurchzulassen.55 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Wellendurchlässigkeit eines Stoffes häufig auf den Bereich der Optik reduziert, also auf die Strahlung mit einer Wellenlänge im Bereich des für den Menschen sichtbaren Spektrums. Daher wird Transparenz häufig auch mit „Lichtdurchlässigkeit“ gleichgesetzt. Aber auch in anderen Bereichen wird der Begriff der Transparenz als terminus technicus verwendet. So z. B. in der Akustik bei der Erkennbarkeit zeitlich aufeinander folgender Töne.56 2. Transparenz in Politik und volkswirtschaftlichem Kontext Der in seinem Ursprung naturwissenschaftlich geprägte Begriff der Transparenz wurde später vor allem in den politischen und volkswirtschaftlichen Kontext übernommen. In der Politik wird der Begriff der Transparenz in Zusammenhang mit Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und der Kontrolle staatlichen Handelns gebraucht und als Ausprägung des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG verstanden. Im Bereich der Volkswirtschaftslehre spielt Transparenz hauptsächlich im Zusammenhang mit Marktmechanismen eine Rolle. Von „Markttransparenz“ wird gesprochen, wenn ausreichende Informationen in einem und über einen jeweiligen Markt vorhanden und zugänglich sind. 3. Transparenz in der Rechtswissenschaft Im juristischen Bereich wird das Thema Transparenz vornehmlich im Kapitalmarktrecht57 diskutiert, also in einem volkswirtschaftlichen Kontext des Öffentlichen Rechts. Im Strafrecht wird von Transparenz hauptsächlich im Umfeld von Korruption und deren Prävention gesprochen.58 Auf die Untreue bezogen wurde Transparenz als relevante Einflussgröße bisher noch nicht monographisch thematisiert. 55 „Transmission“: Durchlassung von Strahlung durch einen Stoff ohne Änderung der Frequenz; Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort „Transmission“. 56 Vgl.: Abdel, Abhängigkeit der Zeit- und Registerdurchsichtigkeit von raumakustischen Parametern bei Musikdarbietungen. 57 Hier vor allem im Bezug auf die Meldepflichten des WpHG. 58 Vgl. nur die Arbeit der Nichtregierungsorganisation „Transparency International“ zum Thema Korruption und Transparenz unter: www.transparency.org.
§ 6 Begriffliche Grundlegung
37
II. Bezugspunkte der Transparenz Der Begriff der Transparenz ist für sich genommen sehr indifferent und weitreichend – ein Alles oder Nichts. Daher stellt sich die Frage, was überhaupt in Bezug auf die Untreue gemäß § 266 StGB transparent bzw. intransparent sein kann. 1. Transparenz als doppelt relativer Begriff Transparenz ist in zwei Dimensionen zu definieren: Bezogen auf einen Sachverhalt und bezogen auf Personen, denen gegenüber der betreffende Sachverhalt transparent ausgestaltet ist. Transparenz ist insofern auch ein zweifach relativer Begriff. „Die Untreuetat“ per se kann nicht transparent bzw. intransparent sein – die für eine Untreuestrafbarkeit relevanten Tatsachen können nur gegenüber bestimmten Subjekten transparent bzw. intransparent sein. 2. Akteure einer Untreuetat Um definieren zu können, welcher bzw. welchen Personen gegenüber Transparenz in einer Untreuekonstellation überhaupt bestehen kann, muss man sich zunächst die potentiell beteiligten Akteure einer Untreuetat vergegenwärtigen. Im Normfall59 sind es nur zwei Personen, die in Frage kommen: nämlich einmal der Täter bzw. Beschuldigte („wer … missbraucht“, § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB/“wer … verletzt“, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) und andererseits das (potentielle) Opfer („dem, dessen Vermögensinteressen [der Täter] zu betreuen hat“, § 266 Abs. 1 a.E. StGB). Da nach Ansicht der Rechtsprechung60 und der h.L.61 beide Alternativen des § 266 Abs. 1 StGB eine identische Vermögensbetreuungspflicht des Täters erfordern, soll fortan beim Opfer auch vom Treugeber und beim Täter vom Treunehmer die Rede sein dürfen. Beim Normfall der Untreue kann Transparenz folglich ausschließlich zwischen Treugeber und Treunehmer bestehen. Eine Transparenz gegenüber Dritten, z. B. staatlichen oder gesellschaftlichen Institutionen, kommt grundsätzlich hier nicht in Frage und kann allenfalls unter dem Stichwort der externen Transparenz62 diskutiert werden. Diese Untreuesituation mit ihren Akteuren wird im Folgenden – was zu erläutern sein wird – als Kommunikationssystem63 verstanden. Das gebietet einerseits das geschützte Rechtsgut, welches nach h.A. und hier vertretener Meinung alleine das Vermögen des Treugebers darstellt,64 andererseits die Schutzrichtung bzw. die sanktionierte Angriffsmodalität, die in einem Angriff auf das Vermögen des 59 60 61 62 63 64
Zur sog. „Normfallmethode“ vgl. Haft, Juristische Lernschule. St. Rspr. seit BGHSt 24, 387. Stellvertretend für viele: Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 2 m.w.N. Siehe unter: Einführung, § 6, A. VI. Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) cc) und Kapitel 2, § 7, D. Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1.
38
Einführung
Treugebers von innen heraus liegt65. Schon Binding erkannte die Notwendigkeit eines Schutzes des Vermögens gegen „seinen Feind gerade in der Person, der es von Rechts wegen unterstellt ist“.66 Mehr Personen als der Treugeber und der Treunehmer können damit nicht relevant sein für die Frage, zwischen welchen Akteuren Transparenz bestehen kann. Ein faktisch anderes Bild kann sich dadurch ergeben, dass auf Seiten des Treugebers mehrere natürliche Personen, also eine Personengemeinschaft, steht. Auch denkbar ist, dass der Treugeber eine juristische Person darstellt. Die hauptsächlich im Bereich des Gesellschaftsrechts wurzelnden Fragen, welchem Organ bzw. Organwalter dann Transparenz gegenüber bestehen kann, behandelt das Kapitel 3 der Arbeit.67 III. Transparenz als eröffnete Informationsmöglichkeit In sachlicher Hinsicht soll Transparenz im hier verstandenen Sinne nur die abstrakte Möglichkeit, einen bestimmten Sachverhalt durchschauen zu können, bedeuten. Dem Wortlaut nach könnte Transparenz, verstanden als Durchsichtigkeit, auch die tatsächlich verstandene oder zumindest übermittelte Information sein. Der Wortlaut des Synonyms „Durchschaubarkeit“ jedoch deutet auf die bloß abstrakte Möglichkeit zum Durchschauen hin. Ein Stoff in der Strahlenphysik ist und bleibt auch dann Transparent, wenn ihn weder Strahlen aktuell durchdringen noch die Durchdringbarkeit aktuell wahrgenommen wird. In Ansehung der Prozeduralisierung der Untreue anhand eines Transparenzmerkmals im hier verstandenen Sinne, muss Transparenz schon aus Praktikabilitätsgründen68 als bloße nicht empfangsbedürftige aber potentiell empfangbare Information verstanden werden. Auch vor dem Hintergrund der Anforderungen der Rechtsprechung an das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht kann Transparenz nur die potentielle Informationsmöglichkeit bedeuten. Denn Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht ist gerade das omnipräsente Fehlen von Kontrolle.69 Wenn Transparenz sodann als verstandene vermögensrelevante Information begriffen würde, näherte sich dieses Verständnis von Transparenz so nahe an das Vorliegen des von der Rechtsprechung geforderten Kriteriums der Kontrolle (im Rahmen des Kontrollvakuums) an, dass als Reflex das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht in Frage gestellt werden könnte. Transparenz stellt nur eine Voraussetzung der Kontrollmöglichkeit dar,70 d. h. in erster Linie die Dokumentation von Informationen, die zur Wahrnehmung fixiert und zur Kenntnisnahme bereitgehalten werden. Wie weit inhaltlich der Begriff der Transparenz genau reichen soll, wird erst im Rahmen der 65 66 67 68 69 70
Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 2; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 3. Binding, Lehrbuch Strafrecht BT I, S. 397. Siehe unter: Kapitel 3, § 8, C. III. Siehe unter: Kapitel 3, § 8, C. V. BGHSt 41, 224 [229]. Siehe unter: Einführung, § 6, A. VII.
§ 6 Begriffliche Grundlegung
39
lex ferenda im dritten Teil der Arbeit erörtert.71 Soviel steht jedoch fest: Transparenz betrifft vermögensrelevante Informationen in der Treuebeziehung. Transparenz ist somit kurz gesprochen die eröffnete Möglichkeit zur vermögensrelevanten Information in der Treubeziehung. IV. Zur Frage, wer Transparenz herstellt Weiter muss zu der Frage, wer Transparenz herstellen kann, Stellung bezogen werden. Im Normalfall kommen einerseits der Treugeber und andererseits der Treunehmer in Betracht. Denkbar ist aber auch, dass beliebige Dritte einen bestimmten Sachverhalt, der die Vermögensbetreuungsbeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer betrifft, transparent werden lassen können,72 indem sie beispielsweise Informationen zur Verfügung stellen, die potentiell auch Treugeber oder Treunehmer zugänglich sind. Inwiefern diese Art der Herstellung von Transparenz eventuell Drittwirkung für oder gegen den Treunehmer bzw. Treugeber entfalten kann, also zur Frage der Zurechnung von Transparenz durch Dritte nimmt der dritte Teil der Arbeit Stellung.73 V. Transparenzhandlung vs. Transparenzerfolg Weiter hat die Frage Relevanz, ob bei der Schaffung von Transparenz, also bei der Eröffnung einer Möglichkeit zur vermögensrelevanten Information in der Treubeziehung, auf die Transparenzhandlung oder den Transparenzerfolg abzustellen ist. Anders formuliert geht es um Kausalitätsfragen, namentlich, ob Transparenz nur dann seine (prozeduralen) Wirkungen entfalten soll, wenn die Handlung des Transparenz-Schaffenden kausal für den Transparenzerfolg ist. Denn stellt man auf einen Transparenzerfolg ab, so kann dieser nur eintreten, sofern ohne den Transparenzerfolg Intransparenz geherrscht hat bzw. herrschen würde. Mit anderen Worten würde das Bestehen einer Informationssymmetrie die Herstellung von Transparenz limitieren bzw. die Herstellung von Transparenz eine Informationsasymmetrie voraussetzen: Nur wenn ohne den Transparenzerfolg ein Informationsgefälle zwischen Treugeber und Treunehmer zu Lasten des Treugebers bestand bzw. entstehen würde, kann der Treunehmer überhaupt erst Transparenz herstellen. VI. Interne vs. externe Transparenz Zu differenzieren ist weiterhin zwischen interner und externer Transparenz. Auf Grund der Tatsache, dass die Untreue in erster Linie nur das Verhältnis zwischen 71
Siehe unter: Kapitel 3, § 8, C. V. Nicht zu verwechseln mit hier so genannter externer Transparenz, also Transparenz gegenüber Dritten, vgl. hierzu unter Einführung, § 6, A. VI. 73 Siehe unter: Kapitel 3, § 8, C. IV. 72
40
Einführung
Treugeber und Treunehmer betreffen kann,74 beschäftigt sich diese Arbeit nur mit Konstellationen hier so genannter: interner Transparenz. Ein Beispiel für externe Transparenz, also Transparenz zu anderen Personen als dem Treugeber, wären z. B. die Regularien für die Finanzbranche, deren Einhaltung die Transparenz von geschäftlichen Vorgängen gegenüber außenstehenden Dritten erhöht.75 VII. Transparenz und Kontrolle Das dem Kapitel 3 dieser Arbeit, also das im Rahmen der lex ferenda zu Grunde gelegte Verständnis von Transparenz beruht auf dem einer einseitigen Bringschuld; Transparenz wird als eröffnete Möglichkeit zur vermögensrelevanten Information in der Treubeziehung verstanden.76 Um im Kapitel 1 und 2 – nicht jedoch im Kapitel 377 – den Untersuchungsgegenstand nicht unnötig einzuschränken, wird dort ein weiterer Transparenzbegriff zu Grunde gelegt, der Transparenz auch im Sinne einer Kontrollmöglichkeit versteht, wobei einerseits erst auf Grund der Kontrolle Transparenz geschaffen werden kann bzw. vice versa, auf Grund von Transparenz eine Kontrolle erst ermöglicht wird. Transparenz ist Grundlage für effektive Kontrolle. Transparenz schafft eine Kontrollmöglichkeit. VIII. Anforderungen an Transparenz Die einzelnen inhaltlichen Anforderungen an Transparenz können nach dem Verständnis dieser Arbeit autonom durch Treugeber bestimmt werden. Mangels einer besonderen Bestimmung beinhaltet Transparenz grundsätzlich sowohl eine Wahrheitspflicht als auch eine Pflicht zur Vollständigkeit.78 In zeitlicher Hinsicht ist Transparenz ein fortlaufend zu schaffender bzw. zu erhaltender Zustand. Ändern sich relevante Informationen, so sind diese fortlaufend transparent zu machen; die Pflicht zur Transparenz kann sich folglich dynamisch verändern. Mit der einmaligen Schaffung von Transparenz wird die Pflicht zur Transparenz folglich nur für diesen Moment bis zu einer Änderung der relevanten Informationen erfüllt. Die Transparenzpflicht kann somit als eine Dauerbringschuld verstanden werden. Grundsätzlich nicht genügend ist die nachträgliche Schaffung von Transparenz – im Sinne von nach dem relevanten Zeitpunkt der Feststellung der Untreuestrafbarkeit (z. B. im Rahmen von Kronzeugenregelungen).
74
Siehe unter: Einführung, § 6 A. II. 2. Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203 [205]. 76 Siehe unter: Einführung, § 6, A. III. 77 Siehe unter: Einführung, § 6, A. III. 78 Der BGH hat in einer zivilrechtlichen Entscheidung (BGH, in: NJW 1993, 2433 „Bond-Entscheidung“) das Wahrheitsgebot und das Transparenzgebot getrennt behandelt. 75
§ 6 Begriffliche Grundlegung
41
B. Untreue-Terminologie Im Rahmen dieser Arbeit wird vom Verfasser folgende einheitliche und so genannte „Untreueterminologie“ verwendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist: Soweit es im Rahmen der Untersuchung keinen Unterschied macht, wird einheitlich von der Vermögensbetreuungspflicht des Treunehmers im Sinne des § 266 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB gesprochen und nicht zwischen der Pflicht zur Vermögensbetreuung und Vermögensinteressenwahrnehmung79 unterschieden. So soll der sprachlichen Einfachheit halber auch nur von der Pflichtverletzung oder der Pflichtwidrigkeit80 im Rahmen des § 266 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB die Rede sein. Unter dem Treugeber ist derjenige zu verstehen, dessen Vermögensinteressen betreut werden und in Bezug auf dessen Vermögen die Vermögensbetreuungspflicht besteht. Der Treunehmer ist dagegen derjenige, der in Bezug auf das Vermögen des Treugebers treuepflichtig ist, d. h. der Adressat der Vermögensbetreuungspflicht. Im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB wäre der Treunehmer der Täter, der Treugeber das Opfer der Straftat. Gerade im Zusammenhang mit der Untreue81 wird die Besprechung der Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung einen großen Platz einnehmen. Hierbei werden die Begriffe der schadensgleichen Vermögensgefährdung und des Gefährdungsschadens synonym verwendet.82 Ebenfalls im Bereich der Diskussion der schadensgleichen Vermögensgefährdung wird zwischen dem wirtschaftlich betrachteten Nachteil (der auch in einer Gefährdung liegen kann) und dem „effektuierten“83, „endgültigen“, „vertieften“, „effektiven“84 bzw. „reellen“ Nachteil differenziert.
C. Prozeduralitäts-Terminologie I. Prozeduralität als Rechtskategorie Ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bereich der Prozeduralität vorwegzunehmen, soll die folgende Einführung rechtstechnischer Instrumente die Verständlichkeit dieser Arbeit von Beginn an erleichtern. Im Rahmen der vorlie79
Schramm, Untreue und Konsens, S. 34 ff. So auch das BVerfG: „Pflichtwidrigkeitsmerkmal“ bzw. „Pflichtverletzung“, BVerfGE 126, 170 [211]. 81 Jedoch nicht ausschließlich: so auch bei § 263 StGB. 82 So auch das BVerfG: BVerfGE 126, 170 [221]; zur unglücklichen Terminologie der „schadensgleichen Vermögensgefährung“ vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 549. 83 So z. B. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 551 im Rahmen der Argumentation zum Problematik des Eingehungsbetruges. 84 So Matt/Saliger, Straflosigkeit der versuchten Untreue, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, S. 217 [236] und Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389 [391]. 80
42
Einführung
genden Untersuchung wird von prozeduralem Recht gesprochen. Damit ist eine Kategorie Recht gemeint, die auf die Art und Weise einer Regelung Bezug nimmt. Vereinfacht gesprochen handelt es sich um die Kategorie von Recht, das durch die Einhaltung bestimmter Prozeduren im weiteren Sinne ein bestimmtes Ergebnis starr als Rechtsfolge bedingt. Im Strafrecht kann so z. B. durch die Einhaltung einer bestimmten Prozedur das Handlungsunrecht trotz bestehenden Erfolgsunrechts, und damit im Ergebnis die Strafbarkeit insgesamt entfallen. Der entscheidende Punkt ist, dass der Eintritt des Erfolgsunrechts irrelevant wird, sofern die Prozedur eingehalten ist. Jedes Recht anderer Kategorisierung (z. B. Prozessrecht vs. materielles Recht) kann zugleich auch prozedurales Recht sein. Daher ist insbesondere eine präzise Unterscheidung zwischen den Kategorien des prozeduralen, materiellen und prozessualen Rechts angezeigt. Als (noch zu definierenden) Gegensatz zu prozeduralem Recht wird die hier verwendete Bezeichnung des materialen Rechts gebraucht und damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um prozedurales Recht handelt. Zusammenfassend geht diese Arbeit von folgenden Rechtskategorien aus: Von prozeduralem und materialem Strafrecht in horizontaler Sichtweise und von prozessualem als auch materiellem Strafrecht in vertikaler Sichtweise. Prozessuales oder materielles Strafrecht kann jeweils zugleich prozedurales oder materiales Strafrecht sein. II. Hypothetische Prozeduralität Die zentrale Begrifflichkeit des Kapitel 2 ist die der hypothetischen Prozeduralität. Die Untersuchung der lex lata, § 266 StGB, erfolgt stark ergebnisorientiert auf mögliche hypothetisch prozedurale Elemente der Strafbarkeit hin. Das bedeutet, das materiale – und somit de lege lata einzig „real“ existierende Ergebnis einer Subsumption in Bezug auf die Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB wird mit dem hypothetisch prozeduralen Ergebnis in Relation gesetzt. Hypothetisch prozedural deshalb, weil dem Vergleich die Hypothese eines prozedural anhand des Merkmals der Transparenz ausgestalteten Untreuestraftatbestandes zu Grunde liegt. Der Unterschied zwischen einer prozeduralen und einer hypothetisch prozeduralen Regelung liegt hauptsächlich in der Tatsache, dass der hypothetischen Prozeduralität der gesetzlich angeordnete Automatismus fehlt und die materiale Auslegung nur empirisch höher wahrscheinlich kongruent mit dem hypothetisch prozeduralen Ergebnis ist. Die Hypothese bzw. die hypothetische Prozeduralität beschränkt sich nicht auf die im Kapitel 3 der Arbeit in concreto vorgeschlagene lex ferenda, sondern ihr soll einzig die Prämisse zu Grunde liegen, dass Transparenz als prozedurales Merkmal über eine Strafbarkeit nach § 266 StGB entscheidet – was vereinfacht gesagt dem Verständnis von prozeduralem Strafrecht dieser Arbeit entspricht.85 Keine Un85 Zum Begriff der hypothetischen Prozeduralität anhand der eigenen Definition prozeduralen Strafrechts, vgl. Kapitel 2, § 7.
§ 6 Begriffliche Grundlegung
43
treuestrafbarkeit bei Transparenz – eine Strafbarkeit bei Intransparenz. Sind materiales und hypothetisch prozedurales Ergebnis der Subsumption kongruent, so spricht die Arbeit von einer hypothetischen Prozeduralität.
Kapitel 1
Grundlegung: Der Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz § 1 Die Grundlage der Forschungshypothese: Der Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz A. Begrifflichkeit: Wirkungszusammenhang Im Folgenden wird von einem Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz als Grundlage der Forschungshypothese dieser Arbeit gesprochen. Der einfacheren Ausdrucksweise wegen soll damit einerseits der Zusammenhang zwischen Untreue und Intransparenz gemeint sein, andererseits – spiegelbildlich – der Zusammenhang zwischen getreuem Handeln und Transparenz. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz ist mithin die Frage eines Zusammenhangs zwischen der Untreuestrafbarkeit und einem Transparenzmerkmal. Ein Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, welchen Einfluss Transparenz auf eine Untreuestrafbarkeit nach § 266 StGB de lege lata hat und de lege ferenda haben kann. Dabei wird untersucht, ob und inwiefern Transparenz als prozedurales Element der Strafbarkeit belastet werden kann, einerseits ergebnisorientiert1 im Rahmen des bestehenden § 266 StGB, andererseits im Rahmen einer lex ferenda, jeweils sowohl in strafbegründender als auch in strafbefreiender Weise.
B. Die tatsächliche Prämisse eines Wirkungszusammenhangs Abseits der untersuchten rechtlichen Zusammenhänge zwischen Transparenz und Untreue im Gefüge des § 266 StGB, die im Kapitel 2 der Arbeit näher beleuchtet werden, basiert die Forschungshypothese auf einer wichtigen tatsächlichen Prämisse. Diese liegt in der Herleitung und Begründung des Transparenzmerkmals als prozeduraler „Hebel“ für eine Entscheidung über eine Untreuestrafbarkeit. Es geht 1 „Ergebnisorientiert“ soll heißen, dass das prozedurale Ergebnis kongruent zu dem Ergebnis der materialen Rechtsanwendung ist, um eine hypothetische Prozeduralisierung im hier verstandenen Sinne bei § 266 StGB zu untersuchen.
§ 1 Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz
45
um die Frage, warum gerade das Merkmal der Transparenz so geeignet sein soll, über Untreuestrafbarkeiten entscheiden zu können. Anders gesprochen geht es um den tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. Hierfür ist zu klären, warum gerade Intransparenz dazu führen kann, ungetreues Handeln hervorzubringen und gegensätzlich, warum transparente Beziehungen in der Tendenz wesentlich weniger anfällig für Untreuestrafbarkeiten sind. Mit der soeben gewählten Formulierung sei bereits an dieser Stelle vorweg genommen, dass die Untersuchung nicht ergeben wird – und auch nicht darauf angelegt ist, zu ergeben –, dass ein unbedingter, ausnahmsloser Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz bestehe. Ein Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz könnte sich einerseits empirisch feststellen lassen. Andererseits gibt es jedoch gerade beim Tatbestand der Untreue, auch in dessen geschichtlicher Entwicklung, wichtige Faktoren und Hinweise, die die Annahme eines Wirkungszusammenhangs rechtfertigen können. In der Rückschau könnte sogar behauptet werden, die gesamthistorische Entwicklung und der Tatbestand der Untreue selbst weisen deutlich in die Richtung, einen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz anzunehmen – wenigstens: ihn näher untersuchen zu müssen.
C. Die inhaltliche Bestimmung des Wirkungszusammenhangs Dieser Teil der Arbeit steht unter der Hypothese, dass zwischen Untreue und Transparenz ein Wirkungszusammenhang besteht. Hierbei ist zunächst näher zu erläutern, was genau unter einem Wirkungszusammenhang2 im Sinne dieser Arbeit zu verstehen ist. Die einzelnen Vorgaben, nach deren telos die genaue Bedeutung des namentlichen Wirkungszusammenhangs auszulegen ist, müssen den Prozeduralisierungsüberlegungen im letzten Teil der Arbeit entnommen werden. Genauer gesagt sind das die Anforderungen, die die Legitimation einer prozeduralen lex ferenda stellt.3 I. Wirkungszusammenhang und Untreueprävention Die Erforschung eines Wirkungszusammenhangs beschränkt die Untersuchung nicht alleine auf eine kriminologische Ursachenforschung der Untreue. Auch die Frage nach Bedingungen, die im Rahmen der Untreue kriminologische Relevanz haben, bleibt hinter der Frage nach einem Wirkungszusammenhang zurück. Das 2 Göppinger, Kriminologie, § 8 Rn. 16 spricht im Rahmen kriminologischer Theorien und Forschungsrichtungen von „Ursachen oder Bedingungszusammenhänge[n]; ibid. a.a.O. in § 9 Rn. 16 von „konkreten Bedingungen“; ibid. a.a.O. in Rn. 28 von „funktionale[n] Zusammenhänge[n]“. 3 Siehe unter: Kapitel 3, § 8, A.
46
Kap. 1: Grundlegung
Warum und das Wie einer Untreuestraftat sind zwei voneinander zu trennende Fragen.4 Auch stellen Prävention (in Bezug auf Transparenz vor allem primäre und sekundäre Prävention5) und Exploration von Untreuetaten zwei unterschiedliche Problemfelder dar, die jeweils nicht nur im Rahmen der Untersuchung der Gründe für eine Untreuestrafbarkeit zu bearbeiten wären. Die reine Beseitigung der Gründe für eine Untreuestrafbarkeit ist keineswegs gleichbedeutend mit Untreueprävention. Untreueprävention geht über die Beseitigung von Strafbarkeitsgründen hinaus und beinhaltet das proaktive Verhindern von Untreuestraftaten. II. Wirkungszusammenhang als minus zur Kausalität Andererseits soll unter einem Wirkungszusammenhang ein minus zur naturwissenschaftlichen Kausalität verstanden werden. Die Begehung oder Nichtbegehung einer Untreuetat ist nach moderner Verbrechenslehre menschliches Gebaren in Form von erfolgskausalen Handlungen6 (objektiver Unrechtstatbestand), subjektiven Regungen (subjektiver Unrechtstatbestand), persönlicher Schuld und eines Widerspruchs zur Rechtsordnung (Rechtswidrigkeit). Die Summe dieses Verhaltens von Menschen kann dann eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 StGB begründen oder, weil einzelne Elemente nicht vorliegen, auch nicht. Aus diesen Gründen ist bei der Frage des Zusammenhangs zwischen den personalen Elementen und dem Ergebnis einer Strafbarkeit der naturwissenschaftliche Begriff der causa fehl am Platz; Menschen pflegen auf Reize nicht in absolut vorhersehbarer Weise zu reagieren.7 Möchte man dennoch am Begriff der Ursache festhalten, wäre zwischen sog. Wirkursache (causa instrumentalis) und Endursache (causa finalis) zu differenzieren.8 Im Rahmen der vorliegenden Hypothese wäre auf Wirkursachen abzustellen, da man zwar nach einer Endursache fragen könnte, die Erkenntnis daraus jedoch im Rahmen der gesamten Arbeit gering wäre. Nur weil eine Ursache Endursache ist, heißt es nicht zugleich, dass diese Ursache auch die maßgeblich prägende Ursache eines Ergebnisses ist. Die Bezeichnung als Wirkungszusammenhang soll sich in diesem Sinne auch auf Wirkursachen erstrecken. Ist im Folgenden von Ursachen die Rede, so sollen damit Wirk- und Endursachen gemeint sein.
4
Benson/Madensen/Eck, White-Collar Crime from an Opportunity Perspective, in: Simpson/Weisburd, The Criminology of White-Collar Crime, S. 175 [176]. 5 Kube, Prävention von Wirtschaftskriminalität, in: BKA (Hrsg.): Berichte des Kriminalistischen Instituts 1984, S. 1 [13]; Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 3. 6 Handlung im strafrechtlichen Sinne, d. h. Tun oder Unterlassen (Kühl, Strafrecht AT, § 2 Rn. 1a; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 213 – 216; Puppe, in: NK-StGB, Vor § 13 Rn. 51 ff.) bei der Untreue lässt die h.A. echtes Unterlassen grundsätzlich (unter Differenzierungen) zu; im Einzelnen vgl. Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 53 f., 78, 106, 108, 202. 7 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 44. 8 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 44.
§ 1 Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz
47
III. Multikausaler Erklärungsansatz und Wahrscheinlichkeitsaussage Wenn man davon ausgeht, dass es mehrere Ursachen für das Ereignis einer Untreuestrafbarkeit oder keiner Untreuestrafbarkeit geben kann, also einen multikausalen Erklärungsansatz9 verfolgt, so ist die Bestimmung einer Wahrscheinlichkeit10 die notwendige Konsequenz. Je mehr bzw. je gewichtigere Faktoren vorliegen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses und umgekehrt. Bezogen auf die Arbeitshypothese ist jeweils zu fragen, ob Transparenz bzw. Intransparenz eine (von mehreren) Ursachen ist, die den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Untreuetat erhöht bzw. verringert. Je größer die Änderung dieser Ereigniswahrscheinlichkeit – die Untreuewahrscheinlichkeit – durch Transparenz beeinflusst wird, desto gewichtiger ist die Relevanz von Transparenz im Zusammenspiel vieler Faktoren, die zu einer Untreuetat führen.11 Die Frage nach einem Wirkungszusammenhang soll diese Wahrscheinlichkeitsaussage beinhalten. Eine hohe Wahrscheinlichkeit dient nicht zuletzt im Rahmen der Rechtfertigung einer lex ferenda; prozedurales Recht soll die Wahrscheinlichkeit einer materiell richtigen Entscheidung erhöhen und somit zu einem gesteigerten Maß an Rechtssicherheit führen. IV. Wirkungszusammenhang als Reziprozität Die Frage nach einem Wirkungszusammenhang soll überdies eine mögliche Wechselseitigkeit der Bedingungen in die Untersuchung einschließen. Das bedeutet, dass nicht nur von einem einseitigen Zusammenhang zwischen Transparenz und Untreue a priori ausgegangen wird – was die Bezeichnung als Bedingungszusammenhang z. B. suggerieren könnte –, sondern auch der Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz berücksichtig werden wird. Dies soll auch das Problem ausblenden, untersuchen zu müssen, ob zuerst die Intransparenz oder zuerst die Untreuestrafbarkeit vorhanden ist. Damit sollen auch Konstellationen erfasst werden können, in denen andere Faktoren als Intransparenz zur Untreuestrafbarkeit geführt haben können und sodann das Ereignis einer Untreuestrafbarkeit zu Intransparenz geführt haben kann. Diese Erkenntnis ist vor allem wichtig für die Zeitspanne nach Tatbegehung, in der Intransparenz z. B. die Taterkennung bzw. Aufklärung beeinflussen kann. Dies berücksichtigt die Bezeichnung als ein weit zu verstehender Wirkungszusammenhang.
9
Göppinger, Kriminologie, § 8 Rn. 10. „Je-desto-Aussagen“ stellen nichts anderes das als die Ermittlung eines Wahrscheinlichkeitsgrades; Göppinger, Kriminologie, § 8 Rn. 7. 11 Schweiger misst die Leistungsfähigkeit prozeduralen Strafrechts daher konsequent vor dem Hintergrund der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer gerechten Entscheidung (Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 98 f.). 10
48
Kap. 1: Grundlegung
D. Entscheidung für das Transparenzmerkmal Warum gerade das Merkmal der Transparenz auf einen Wirkungszusammenhang zur Untreue hin untersucht werden soll, bedarf dann keiner Erklärung, soweit im Ergebnis die Hypothese verifiziert werden kann – soweit die pragmatische Erklärung. Aussagen wie die des früheren U.S. Supreme Court-Richters Brandeis zu Transparenz: „sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman“12 bzw. die ubiquitäre politische und gesellschaftliche Forderung nach mehr Transparenz! in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, besonders im Bereich der Wirtschaft, provozieren auf Grund des so erzeugten Charmes eines Allheilmittels geradezu, die konkreten Auswirkungen von Transparenz in Einzelkonstellationen zu hinterfragen. Die Untreue gemäß § 266 StGB nimmt im Bereich des Wirtschaftslebens eine wichtige Rolle als eine universelle Strafnorm ein, die in einer Vielzahl unterschiedlicher Sachverhaltskonstellationen einschlägig sein kann. In einigen Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts wurde bereits die Behauptung erhoben, Transparenz könne sich positiv auf die betreffende Kriminalität auswirken. Populärstes Beispiel ist die Nichtregierungsorganisation Transparency International, die im Bereich der Korruption und Korruptionsstrafbarkeit Transparenz eine positive Wirkung attestiert. Auch im Bereich des Korruptionsstrafrechts stellt sich die Frage, inwiefern (Vorbereitungs-)Handlungen nicht auch den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllen können. Analog hierzu kann – exemplarisch dargestellt am Bereich der Korruptionsstraftaten – gefragt werden, inwiefern Transparenz nicht auch Einfluss auf eine Untreuestrafbarkeit haben kann. Allgemein sieht Francusi bei der Prozeduralisierung im Wirtschaftsstrafrecht immer dort, wo es um Entscheidungssituationen unter „spezifischen Nichtwissen“ geht (wozu sie auch explizit die Untreue zählt), drei Grundprinzipien prozeduraler Vorgaben: Wissensakkumulation, Transparenz, Diskurs.13
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes Viele Anhaltspunkte für die Annahme eines Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz ergeben sich aus der in Teilen besonderen Struktur des Untreuetatbestandes selbst.
A. Gesamthistorische Entwicklung In der rechtsgeschichtlichen Entwicklung ist die Untreuestrafbarkeit in der Form, wie wir sie heute kennen, eine vergleichsweise neue Erscheinung. Im römischen 12 13
Brandeis, Other People’s Money and How the Bankers Use it, S. 62. Francusi, Wirtschafsstrafrecht, S. 252 ff.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
49
Recht war noch kein dem heutigen Untreuedelikt ähnlicher Tatbestand normiert.14 Stattdessen wurden Untreuestraftaten teilweise als furtum15 oder peculatus bestraft.16 I. Untreuetat als römisch-rechtliches furtum oder peculatus Unter dem Begriff des Privatdeliktes17 des furtum wurde nach Paulus’ Definition18 jede contrectatio rei fraudulosa lucri feciendi gratia vel ipsius rei vel etiam usus eius possessionisve19 verstanden. Damit umfasste der Begriff des furtum ein sehr weites Feld;20 die Definition erfasste teilweise und unter anderem Handlungen, die heutzutage als Diebstahl, Unterschlagung, Untreue oder Betrug strafbar sind. Das öffentliche Delikt des peculatus als Entwendung beweglichen Staatsgutes im weiteren Sinne umfasste das sacrilegium bzw. das crimen scrilegii (das furtum bezogen auf Göttergut),21 den peculatus im engeren Sinne (als furtum am Staatsgut)22 und das crimen de residuis („Verbrechen am Restgeld“, d. h. die Verwendung anvertrauten öffentlichen Eigentums zu Privatzwecken durch Personen, die haftbar für
14 Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 735 ff.; Draheim, Untreue und Unterschlagung, S. 1. 15 Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 733 ff., 753 f.; Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 85; Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 15; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 vorRn. 1: Entstehungsgeschichte, Abs. 1. 16 Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 764 ff.; Draheim, Untreue und Unterschlagung, S. 1; Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 85; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 vor-Rn. 1: Entstehungsgeschichte, Abs. 1. 17 Es entsprach allgemeiner Meinung, dass die die römisch-rechtlichen Grundsätze über den Begriff und den Umfang des furtum in rein privatrechtlichen Beziehungen auch im gemeinen deutschen Recht vollkommene Geltung erlangt haben; in wieweit jedoch auch in strafrechtlicher Hinsicht das römische Recht hier seine subsidiäre Gültigkeit behauptet, ist gerade umstritten (Köstlin, System des deutschen Strafrechts, Bd. II: Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 194). 18 D. 47, 2, 1, 3. 19 Übersetzt: Das betrügerische Berühren der Sache des Gewinnerzielens wegen, entweder der (Gewinn) durch die Sache selbst oder auch bloß der (Gewinn) durch den Gebrauch oder Besitz der Sache. 20 Die weite Ausdehnung des Begriffs des furtum lässt sich dadurch erklären, dass man im römischen Recht hauptsächlich die private Genugtuung des Geschädigten im Blick hatte; der Täter musste dem Geschädigten eine private Geldstrafe zahlen; ausnahmsweise wurde auch das öffentliche Wohl durch eine Reihe von furta in bestimmten Konstellationen geschützt, hauptsächlich durch den peculatus und das crimen de residuis (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 32 m.w.N.). 21 Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 760 und 762 f. 22 Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 761 und 764 ff.
50
Kap. 1: Grundlegung
die Sache sind),23 wobei später das crimen de residuis als selbständiges Delikt verstanden wurde.24 Des Weiteren wurde an verschiedenen Stellen im römischen Recht eine Verletzung einer besonderen Treuepflicht als strafwürdiges Unrecht angesehen.25 Beispielsweise trat im Anschluss an die zivilrechtliche Verurteilung wegen Diebstahls, Raubes, Betruges, Beleidigung oder dubioser Pflichtverletzung als Vormund, Gesellschafter, Depositar oder Mandatar die sog. infamia ein, die den Verlust aller wichtigen Rechte zur Folge hatte.26 Außerdem waren bestimmte Fälle eines Treubruchs als delicta publica mit der poena extra ordinem belegt, so z. B. die praevaricatio (Begünstigung einer Prozesspartei durch den Prozessvertreter des Gegners).27 II. Art. 170 Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.28 Erstmals29 in Art. 17030 der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 findet sich eine Strafnorm, die als erster direkter Vorläufer der heutigen Un23 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 1 f. 24 Köstlin, System des deutschen Strafrechts, Bd. II: Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 207 ff. 25 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 86. 26 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 86. 27 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 86 m.w.N. 28 Constitutio Criminalis Carolina (CCC) von 1532 = eingedeutscht: Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (PGO). 29 Die Bestimmung des Art. 170 PGO geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Art. 196 („Straff derjhenen, die mit vertrawter habe vntrewlich handeln“) der von Johann Freiherr zu Schwarzenberg verfassten Bambergischen Halsgerichtsordnung von 1507 zurück. Wegen sprachlicher Ähnlichkeiten kann auch bei Art. 170 PGO von Schwarzenbergs Autorenschaft ausgegangen werden. Art. 196 der Bambergischen Halsgerichtsordnung ist wohl trotz einiger entgegenstehender Indizien unabhängig vom sieben Jahre älteren Tiroler Strafrecht entstanden („Gesatz vnd ordnungen der ynzichtigen Malefitz Rechten vnd annderer nottirftigen hendeln des lands der Graueschafft Tyroll“, Insprugg 1499). Vgl. zu diesen Fragen ausführlich: Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 21 ff.; für die Gesetzestexte siehe: Buschmann, Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 11 und 77. 30 Auch in Art. 115 PGO, wo die sog. „praevaricatio“, die es schon im römischen Recht gab, normiert ist, kommt zum Ausdruck, dass ein Treubruch als strafwürdiges Unrecht angesehen wurde. Da der Tatbestand nur den speziellen Fall eines „Parteiverrats“ im Prozess erfasste, soll er im Folgenden im Rahmen der Entstehungsgeschichte der Untreue nicht näher beleuchtet werden. Ebenfalls offengelassen, inwiefern Art. 115 PGO für die Entwicklung der
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
51
treuestrafbarkeit angesehen werden kann, indem sie eine begangene Treulosigkeit an anvertrauten Sachen bestrafte.31 Das ältere deutsche Recht sah im Wegführen oder Verheimlichen einer anvertrauten Sache kein strafwürdiges Unrecht, insbesondere kein diebisches Behalten32 und keine Unterschlagung33 – Untreuehandlungen im heutigen Sinn waren folglich nicht pönalisiert.34 Art. 170 PGO lautete: „Straff der jhenen so mit vertrawter oder hinderlegter habe vngetrewlich handeln. CLXX. Item welcher mit eyns andern güttern, die jm inn guttem glauben zu behalten vnd verwaren gegeben sein, williger vnd geuerlicher weiss, dem glaubiger zu schaden handelt, solch missethatt, ist eynem diebstall gleich zu straffen.“35
In Bezug auf die Strafandrohung wird nur auf die Strafe des Diebstahls („eynem diebstall gleich zu straffen“) verwiesen. Daraus könnte man eine systematische Nähe zum Diebstahl herleiten. Jedoch ist diese Verweisung im Lichte der damaligen Systematik der Tatbestände zu sehen: Die Systematik der Strafnormen wurde nämlich im Strafrecht dieser Zeit alleine an Art und Höhe der Bestrafung festgemacht, die man für wesentliche Charakteristika einer Straftat hielt.36 Aus diesem Grund ist die systematische Stellung im Gesetz (Art. 170 PGO neben Artt. 167, 168, 169, 171, 172 PGO als Diebstahlsalternativen) kein besonders starkes Indiz für eine auch materiell-rechtliche Nähebeziehung zum Diebstahl (sei es in Bezug auf Täter, Tatsituation oder geschütztes Rechtsgut) bzw. für eine Vergleichbarkeit der Tatbestände hinsichtlich der Vorstellungen vom Wesen des strafwürdigen Unrechts. Wenn der Gleichlauf der Bestrafung der innere Hauptgrund für eine Systematik ist, dann kann auch erst recht nicht aus einem bloßen Verweis auf eine Strafandrohung auf eine materielle Nähebeziehung geschlossen werden. Aus diesem Grunde verhindert nicht Untreue von Interesse sein könnte: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 88. 31 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 33 f.; Westphal, Untreue und Unterschlagung unter Berücksichtigung der Entwürfe zu einem allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch, S. 3. 32 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 3. 33 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 21. 34 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 87 m.w.N. 35 Zitiert nach: Zoepfl, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V.; zur Auslegung des Tatbestandes des Art. 170 PGO, insbesondere zur Frage, ob sich Art. 170 PGO nur auf das depositum bezog oder ob das Objekt des ungetreulichen Handelns weiter zu ziehen war und dazu, ob Art. 170 PGO im Vergleich zur Reichspolizeiordnung Titel XXXII § 3 doch nur die Strafbarkeit einer Unterschlagung geregelt war, vgl.: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 88 m.w.N. 36 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 22; ggf. ist innerhalb der Straftatbestände mit der gleichen Strafandrohung eine materiell-inhaltliche Systematik erkennbar, so z. B. innerhalb der verschiedenen Arten des Diebstahls in Art. 157 bis 168, 171 etc.
52
Kap. 1: Grundlegung
schon die Verweisung in Art. 170 PGO, „eynem diebstall gleich zu straffen“, in dem Tatbestand ein vom Diebstahl getrenntes Sonderverbrechen zu erkennen.37 Weiter weist Art. 170 PGO keine diebstahlstypischen Tatbestandsmerkmale bzw. diebstahlstypische Terminologie auf (so aber: „stelen“, Art. 157, 159, 161, 166 PGO oder „heymlich nehmen“, Art. 165, 167, 168 PGO oder „heymlich hinwegführen“, Art. 168 PGO). Letztlich wäre es ohnehin fragwürdig, das Wesen des Art. 170 PGO alleine aus apriorischen Systemkonstruktionen heraus zu bestimmen. Damit spricht vieles dafür, dass sehr wohl ein vom Diebstahl getrenntes Sonderverbrechen vorliegt; eine Strafvorschrift eigenen Wesens – eine frühe Untreuebestimmung.38 Hierfür spricht letztlich auch eine abstrakte Wortlautauslegung39 des Art. 170 PGO: In Formulierungen wie „vngetrewlich handeln“ und „mit eyns andern güttern […] dem glaubiger zu schaden gehandelt“ wird einerseits das ungetreue Handeln direkt angesprochen. Ungetreulich kann man jedoch schon dem Wortlaut nach nur dann handeln, wenn man Treue schuldet. Der Dieb jedoch handelt gegen allgemeine Verhaltensregeln und nicht aus einer Position heraus, die ihn zur Treue verpflichten würde. Auch die Formulierung „mit eyns andern güttern […] dem glaubiger zu schaden gehandelt“ bedingt eine Sonderbeziehung zwischen Täter und Opfer, zwischen Gläubiger und Schuldner, in der der Täter entgegen einer Schuldnerpflicht „dem glaubiger zu schaden gehandelt“ hat. Diese Sonderbeziehung zwischen Täter und Opfer ist gerade ein Charakteristikum der modernen Untreue.40 Andererseits spricht jedoch Art. 170 PGO von der „hinterlegte[n]“ und „zu behalten gegebene[n]“ Sache. Deshalb, und weil die Strafnorm wegen der Gleichheit der Strafe den Diebstahlsbestimmungen angereiht war – das bereits genannte Argument, dass die Systematik der Strafnormen im Strafrecht dieser Zeit ausschließlich an Art und Höhe der Bestrafung festgemacht wurde,41 könnte wiederum dadurch 37
Diese systematischen Erwägungen finden sich in ähnlicher Weise bei Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 22, zu Art. 196 PGO mit dem Hinweis, dass für Art. 170 PGO auch nichts anderes gelten könne (ibid. a.a.O., S. 25). 38 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 25; so auch Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 3 m.w.N. in Fn. 4 und ibid. a.a.O., S. 4 m.w.N. in Fn. 2. 39 In späterer Zeit war es durchaus üblich, die PGO als abstrakte Auslegungsgrundlage zu verwenden (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 31). 40 Nach st. Rspr. und h.L. ist die Untreue ein Sonderdelikt, das eine Sonderbeziehung zwischen Täter und Opfer in Gestalt einer Vermögensbetreuungspflicht voraussetzt (Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier-StGB, § 266 Rn. 6 m.w.N.); der gemeinsame Unrechtskern der beiden Tatbestandsalternativen des § 266 StGB wird nach h.A. viktimodogmatisch als „Schädigung fremden Vermögens von innen heraus“ angegeben (Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1); auch eine gesamthistorische Betrachtung kommt zu dem Ergebnis, dass Charakteristikum der Untreue die Verletzung eines besonderen Vertrauens ist: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 91. 41 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. II.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
53
entkräftet werden, indem auf eine gewisse inhaltliche Systematisierung innerhalb der Strafnormen mit gleicher Strafandrohung abgestellt wird –, wurde Art. 170 PGO in der folgenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung im 16. Jahrhundert als ein Fall des „furtum rei depositae“ verstanden und dargestellt.42 Damit wurde der in der Treulosigkeit liegende Sondercharakter außer Acht gelassen – auch ein Zeichen dafür, dass die Wissenschaft noch völlig dem römisch-rechtlichen Denken verhaftet war.43 Die systematische Sonderstellung der Untreue erkannten zwar einzelne Stimmen in der nach Einführung der Peinlichen Gerichtsordnung jüngeren Literatur. So zum Beispiel Rauchdorn, der Art. 170 PGO im Zusammenhang mit dem peculatus44 abhandelt.45 Auch Sawr behandelt Art. 170 PGO in seinem 1577 erschienenen Strafbuch vom furtum getrennt unter der Überschrift „Straff der Untreuw/in hinterlegten Guten“.46 Dieses Bild verklärte wieder. Erstmalig lässt sich 60 Jahre nach Entstehung der Peinlichen Gerichtsordnung bei Vigel eine eindeutige Einordnung des Art. 170 PGO unter den Begriff des römisch-rechtlichen furtum nachweisen.47 Die gleichaltrige lateinische Übersetzung des Art. 170 PGO durch Remus, in der er Art. 170 PGO als Fall des furtum darstellte und dies mit Pandektenstellen belegte, wurde im Laufe der Zeit herrschend und stellt exemplarisch den Stand der Literatur Ende des 16. Jahrhunderts dar.48 III. Das Zeitalter Matthias Berlichs49 Mitte des 16. Jahrhunderts bemüht sich Matthäus Wesenbec erstmals um eine Systematisierung und Verallgemeinerung des furtums, indem er zwischen der con-
42 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 34. 43 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 34. 44 Das peculat ist zwar furtum am beweglichen Staatsgut, weißt jedoch insofern eine große Nähe zum heutigen Untreuetatbestand auf, als dass vorzugsweise Beamte und andere Subalterne aus einer Sonderbeziehung heraus das Delikt begangen haben. Auch wurden Handlungen als peculatus angesehen, die nicht die eigentlichen Kriterien des furtum an sich tragen, so z. B. der widerrechtliche Erlass einer Gemeinde zustehenden Forderung durch den zur Einziehung zuständigen Beamten, die widerrechtliche Manipulation oder Beseitigung öffentlicher Kassenbücher u. a. (Mommsen, Römisches Strafrecht 1899, S. 764 ff.). 45 Rauchdorn, Practica und Process Peinlicher Halsgerichts Ordnung, 3. Teil, 14. Artikel. 46 Sauer, Fasciculus de Poenis vulgo, Straffbuch, S. 419. 47 Vigel, Constitutiones Carolinae Publicorum Judiciorum, Kapitel VIII, S. 301. 48 Vgl. hierzu: Gobler, Interpretationem constitutionis criminalis carolinae. 49 Zur Person Berlichs vgl. Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, S. 102 f. u. Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1. Abteilung, S. 736 f.
54
Kap. 1: Grundlegung
trectatio vera und ficta unterschied,50 obgleich er – römisch-rechtlich beeinflusst – nicht zwischen furtum und (deutsch-rechtlichem) Diebstahl differenzierte.51 Selbst damit ist Wesenbec allen anderen Juristen der damaligen Zeit voraus, die entweder nur die Personen aufzählen, die ein furtum begehen können oder die einzelnen fures nur den Definitionen der contrectatio rei, usus oder possessionis zuordnen.52 Für Wesenbec liegt eine contrectatio vera dann vor, falls cum res aufertur, aut ad alium usum quam in quem commodata est transfertur, aut abducitur. Eine contrectatio ficta hingegen liegt nach normativer Betrachtung dann vor, falls cum interpretatione juris res pro contrectata habetur.53 Auch bei Matthias Berlich findet sich keine Andeutung in die Richtung, Art. 170 PGO dem Diebstahl gegenüber zu stellen.54 Dennoch lässt sich erstmals ein gewisser deutsch-rechtlicher Einfluss in seinem 1618 erschienenen fünften Teil der Conclusiones Practicabiles55 erkennen, in dem Berlich unter dem Titel de crimine peculatus et pecunia concredita drei Fallgruppen zusammenfasst: Erstens die Anvertrauung fremder Sachen auf Grund eines Kontraktes oder Quasikontraktes ohne Verwaltung, die Berlich zwar begrifflich auch als furtum ansieht, jedoch für eine poena extraordinaria eintritt.56 Als Begründung führt er einerseits den Sachsenspiegel57 an: „Swer deme anderen lyet pherd oder cleider zu bescheidenen tagen, halt her iz uber den tach unde wirt her dâ umme beclaget, her sol iz al zu hant weder geben unde bezzeren, ob her iz ergeret hât. Dûve noch roubes ne mach men en nicht thîen dâ, went her iz yme lêch. Underwinden mût sech och wol eyn man sînes gûdes, swâ her iz siet, mit rechte, daz men yme mit unrechte vore halt uber bescheidene zît.“58
Andererseits führt er als Begründung den Gedanken, dass ein jeder es sich selbst zurechnen lassen müsse, wenn er die Beschaffenheit dessen, mit dem er kontrahiere, er nicht besser erforscht habe.59 Der Grund dieser milderen Bestrafung kann wohl darin gesehen werden, dass Berlich Zweifel an der selbst für damalige Zeit harten
50
Wesenbec, Paratitla in Pandectas juris civilis, Lib. 47, Tit. 2, Nr. 11. Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang 18. Jahrhunderts, S. 6. 52 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang 18. Jahrhunderts, S. 5. 53 Wesenbec, Paratitla in Pandectas juris civilis, Lib. 47, Tit. 2, Nr. 11. 54 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang 18. Jahrhunderts, S. 4. 55 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V. 56 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 44 Nr. 8, 9, 19; S. 57 Nr. 16, 20. 57 Sachsenspiegel III, 22 §§ 1 bis 3. 58 Für eine Übersetzung siehe: Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 9, Fn. 4. 59 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 44 Nr. 8, 9, 19; S. 57 Nr. 16, 20. 51
des des
des
der
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
55
Diebstahlsstrafe hatte, die wegen des Begriffes des furtum auf einen sehr weiten Bereich Anwendung fand.60 Als zweiten Fall unterschied Berlich die Privatverhältnisse, die Besitz und Verwaltung fremden Gutes gewährten.61 Eine Überschreitung des Besitzrechts lässt er ohne Begründung bei bestimmten Personen (socius, institor, factor, exactor, gestor, executor testamentorum) straflos,62 dagegen bei anderen (tutores und curatores, die Mündelgelder „animo furandi et non retinendi“) nicht, die er als fures ansieht.63 Den dritten Fall bilden bei Berlich die öffentlichen Ämter, die Verwaltungsbefugnisse beinhalten, wie z. B. die Schoesser, Verwalter, Voigte, Vorsteher, Geleitsleute, Bawmeister, Bawschreiber, Zöllner, Förster und andere.64 Auch in diesem Fall spricht sich Berlich nur für eine poena extraordinaria aus, wobei er sich zur Begründung auch auf Sachsenspiegel III, 22 § 1 bis 3 bezieht und darauf, dass die Gefahr eines scandalum eher von denen ausgehe, die sich erst noch durch Gewahrsamsbruch in den Besitz der zu entwendenden Sache setzen müssen, als von öffentlich Bediensteten, die sich bereits im Besitz der Sachen befänden.65 IV. von Carpzov – eine dogmatische Weiterentwicklung Eine gewisse dogmatische Trendwende – weniger stark ausgedrückt: Weiterentwicklung – zeichnete sich im 17. Jahrhundert ab, die vor allem von den Gedanken von Carpzovs66 vorangetrieben wurde: Zwar stellte auch Carpzov das Strafrecht weiterhin nach dem justinianischen Recht dar, erkannte also auch weiterhin (wahrscheinlich: unbewusst) die systematische Zuordnung der Untreue als furtum an, erblickte jedoch in der Untreue gewisse Sonderheiten.67 Diese, die Untreue vom furtum differenzierenden Merkmale, nahm er zum Anlass, Strafmilderungen zu rechtfertigen, welche wiederum aus einem eher praktischen Bedürfnis heraus geboren wurden. Das sächsische Strafrecht (Carpzov war sächsischer Strafrechtswis-
60 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 9. 61 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 22. 62 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 22 f. 63 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 24 f. 64 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 26. 65 Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 34 f. 66 Benedict von Carpzov (1595 – 1666) entstammt einer berühmten Gelehrtenfamilie, die viele Juristen und Theologen hervorbrachte; sein Werk „Practicae novae imperalis Saxonicae rerum criminalum in partes III divisa“ aus dem Jahre 1635 bildet die erste vollständiger Darstellung des sächsischen Strafrechts (Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2. Abteilung, S. 70); im Folgenden wird Benedict von Carpzov unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Carpzov genannt. 67 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 43.
56
Kap. 1: Grundlegung
senschaftler) bestrafte nämlich den Dieb sehr hart mit dem Tode durch den Strang.68 Weil auch die sächsische Strafrechtswissenschaft nicht zwischen dem deutschrechtlichen Diebstahlsbegriff und dem römisch-rechtlichen Begriff des furtum unterschied, hätte jeder, unter den weiten Begriff des furtum fallende Tatbestand, also auch die Untreue, die Todesstrafe zur Folge haben müssen. Diesem untragbaren Ergebnis wurde dadurch entgegengetreten, dass eine Vielzahl von Milderungsgründen aufgestellt wurde, bei denen nicht die Todesstrafe angedroht war.69 Damit schreitet Carpzov auf dem von Berlich eingeschlagenen Weg fort, übernimmt sogar teilweise Gründe für eine mildere Bestrafung wörtlich von Berlich, jedoch ohne ihn dabei zu zitieren.70 So nahm Carpzov vorhandene Gedankengänge Berlichs auf und bemühte sich in diesem Zusammenhang sehr um eine Systematisierung der Milderungsgründe – insbesondere trat auch er für eine mildere Bestrafung der Untreue ein, die ja grundsätzlich einen Fall des furtum darstellte.71 In der Hauptsache wollte Carpzov die heimliche Entziehung anvertrauter Sachen, egal ob diese in Verwaltung gegeben worden sind oder nicht, nicht mit der Diebstahlsstrafe, also der Todesstrafe, belegen.72 Systematisch begründete er das damit, dass er wie Berlich zwischen einer contrectatio vera und einer contrectatio ficta unterschied. Diese Unterscheidung war dem römischen Recht fremd. Laut Carpzov läge keine contrectatio (vera) vor, sondern nur eine contrectatio fica, ein treuloses, gegen vertragliche Pflichten verstoßendes Verhalten. Dies zeichne sich dadurch aus, dass der Täter keine Sache weggenommen hätte, die sich beim Eigentümer befand.73 Aus der Treuebeziehung bzw. dem eingeräumten Verwaltungsrecht, welches Carpzov als eigentümerähnliche Stellung (deshalb auch nur eine contrectatio ficta) ansah, schlussfolgerte er, dass das Delikt milder als ein Diebstahl zu bestrafen sei, bei dem die Sache dem Eigentümer direkt weggenommen würde (contrectatio vera).74 Durch die Unterscheidung zwischen contrectatio vera und ficta grenzte Carpzov die Untreue, die er zwar immer 68 Sachsenspiegel II, 13 § 1 S. 2: „Den dief sol men hengen.“; II, 28 § 3 S. 1: „Swer nachtes gohowen gras oder gehowen holt stelet, daz sol men richten mit der weden.“; II, 39 § 1: „Swer des nachtes korn stelet, die virschult des galgen […].“ (vgl. statt vieler die heute als maßgeblich angesehende Ausgabe des Sachsenspiegels: Eckhardt, Sachsenspiegel – Land- und Lehnrecht). 69 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 44. 70 Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, S. 104 f.; Wächter wirft Carpzov a.a.O. vor, sich in Gedanken und Ausführungen mit Berlichs Federn in einer das Plagiat übergehenden Weise zu schmücken. Nicht umsonst war daher zu jener Zeit das Sprichwort „nisi Berlichius Berlichizasset, Carpzovius non Carpzoviasset“ in Leipzig wohlbekannt. 71 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 1. 72 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 1. 73 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 8; 11, 12, 13, 14, 18, 39, 43, 44, 45, 65, 67. 74 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 12, 13, 14.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
57
noch im Rahmen des furtum behandelte, vom deutsch-rechtlichen Diebstahl ab, welcher durch die ablatio als contrectatio vera gekennzeichnet war.75 Die meisten Juristen dieser Zeit standen völlig unter dem Einfluss Carpozovs und übernahmen oftmals wortgetreu dessen Begründungen für eine mildere Bestrafung einer contrectatio ficta.76 Ausnahmsweise solle es jedoch bei ungetreuen Beamten bei der Todesstrafe bleiben, da neben den Treubruch ein Eidbruch trete – es sich mithin um ein Doppeldelikt handle. Dasselbe gelte bei tutores, factores, gestores, Quaestores, Praesides, Publicani und anderen (et similes).77 Durch die nicht abschließende Aufzählung öffnet Carpzov seine Ausnahmeregel und beschränkt sich gerade nicht auf einen festen Täterkreis. Weiter zitiert in diesem Zusammenhang Carpzov als zusätzliche Legitimation und Begründung für die Beibehaltung der Todesstrafe des ungetreuen Beamten78 die Eingangsworte der sächsischen Konstitution von 158479: „[…] daß man sich vor andern Dieben etlicher mussen hüten, und vorsehen, aber von untreuen falschen Dienern, welchen man vertrauen muß, nicht verwahren, noch ihnen ins Herz sehen kann, derohalben sie wohl billig ernsterer Strafe, als die gemeine Diebe würdig.“
In gleichem Kontext erwähnt Carpzov einen alten germanischen Reim80, der wie folgt lautet: „Förster und Häger, Amtsleute und Jäger, Rentmeister und Pfleger, Schöffer und Procurator, Verwalter und Curator, Haben nicht grossen Lohn, Werden doch bald reich davon: Rath, wie mag es zugahn, Ihre Rändte weiß nicht jederman.“
Das Begreifen der Untreue als contrectatio ficta, das Verständnis des gleichzeitigen Treu- und Eidesbruchs als strafschärfender Umstand und letztlich die zwei genannten Zitatstellen zeigen, dass Carpzov in Ansätzen begann, den Treubruchgedanken bei der Untreuestrafbarkeit als besonderes Charakteristikum hervorzuheben. Die zentrale Bedeutung des Treubruchsgedanken wurde von der übrigen Strafrechtswissenschaft des 17. Jahrhunderts übereinstimmend aufgegriffen und im Folgenden im Zusammenhang mit Art. 170 PGO verstanden.81
75
Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 16. Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 20 f. 77 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 19, 36, 65, 66. 78 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 19. 79 „Constitution Churfürst Augusts vom anvertrauten Gute“ vom 10. Oktober 1584, in: Fürst August Herzog zu Sachsen, Verordenungen und Constitutionen des rechtlichen Proces. 80 Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638, Quaestio 85, Nr. 21. 81 Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 46 f. 76
58
Kap. 1: Grundlegung
Bei Stryk findet sich zum Treubruch ein im Vergleich zu Carpzov neuer, konträrer Gedanke, der da lautet: „et m a j o r sine dubio ejus est malitia, qui rem ex alterius possessione aufert, quam illius, qui rem apud se jam existentem citra voluntatem Domini in suos usus convertit“.82 Dem schließt sich auch Ludovici, ein Schüler von Styrk, an; er sieht die atrocitas delicti im Treubruch, die ein Depositar dadurch begehe, dass er dem Deponierenden erst eine besondere Freundschaft vorspiegele, ihn dann jedoch hintergehe.83 V. Der Einfluss des Naturrechts Das Naturrecht gründet das Recht des Staates zu strafen – das ius puniendi – auf die seit Rousseau herrschende Theorie vom contrat social, die Beccaria84 auf das Strafrecht bezog: Ein sanktionierenswerter Bruch des Gesellschaftsvertrages, der beim Übergang aus dem Naturzustand in die staatsrechtliche Ordnung geschlossen wurde, liegt dann vor, wenn ein Mensch versucht, seinen vormals geopferten Freiheitsanteil ganz oder teilweise zurückzugewinnen. Insbesondere von von Sonnenfels85, von Sonden86 und von Hommel87 wurde im 18. Jahrhundert auch das Strafrecht verstärkt unter naturrechtlichen Gesichtspunkten beleuchtet. Die Grundtendenz des 17. Jahrhunderts lag darin, einerseits den römischrechtlichen Begriff des furtum aufzuspalten und zu systematisieren, andererseits darin, den eigentlichen Diebstahl als Wegnahme (furtum proprium; nach Carpcov die contrectatio vera) von allen Unterarten des furtum am härtesten zu bestrafen. Das bedeutete insbesondere für die Untreue eine grundsätzlich mildere Bestrafung als die für Diebstahl. Diese Entwicklung kehrte sich interessanter Weise Mitte des 18. Jahrhunderts unter zunehmendem Einfluss naturrechtlicher Gedanken genau ins Gegenteil um: Nach anfänglich vereinzelten Stimmen, die in diese Richtung wiesen,88 war es vor allem Sonden, der belegte, dass die Untreue nicht milder, sondern härter als der Diebstahl zu bestrafen wäre. Sonden sah im Diebstahl eine Entwendung 82
Stryk, Usus Modernus Pandectarum, Bd. IV, Lib. 47, Tit. 2 § 17 (gesperrte Hervorh. d. Verf.). 83 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 21 ohne Angabe einer Fundstelle. 84 Vgl.: Beccaria, Über Verbrechen und Strafen (Übersetzung Alff 1998), Kapitel 1, S. 51. 85 Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (Edition Moshamm 1820); im Folgenden wird Joseph von Sonnenfels unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Sonnenfels genannt. 86 Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands; im Folgenden wird Julius von Sonden unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Sonden genannt. 87 Hommel, Philosophische Gedanken über das Strafrecht. 88 Vgl. hierzu die Zusammenstellung bei: Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 51 f.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
59
einer fremden beweglichen Sache wider den Willen des Eigentümers.89 Die Untreue begriff er als systematischen Unterfall des Diebstahls, als eine Verschleuderung im eigenen Nutzen durch den Depositar an einer anvertrauten, geliehenen oder gemieteten Sache.90 Getreu naturrechtlichem Denken systematisierte Sonden die Straftatbestände nach ihrem objektiven Nachteil für den Staat und unterschied zwischen einer „moralischen Quantität des Verbrechens“ und einer „moralischen Qualität der Handlung“, also zwischen objektivem und subjektivem Nachteil der Handlung für das Wohl des Staates.91 Auf Basis dieser Unterscheidung kam Sonden zu dem Ergebnis, dass die Quantität und Qualität der Handlung bei der Untreue weit größer sei, als beim Diebstahl.92 Denn der Dieb nehme nur fremdes Eigentum und verletze damit die allgemeine Regel, fremdes Eigentum zu achten, während bei der Untreue der Täter sich nicht nur an den Eigentumsrechten verginge, sondern zugleich auch betröge, also auch gegen die Pflicht verstoße, die anvertraute Sache wieder zurückzugeben. Deshalb sei die moralische Qualität der Handlung größer als beim Diebstahl. Aber auch auf die moralische Quantität des Verbrechens träfe dies zu, denn vor dem Diebe könne man sich durch allgemeines Misstrauen gegen jeden Unbekannten schützen, nicht aber vor demjenigen, der Tugend heuchelte, um desto leichter stehlen zu können.93 In die gleiche Richtung geht die Forderung von Globigs94, die Untreue härter als den Diebstahl zu bestrafen, „weil man sich durch Verriegelung der Tür und Beobachtung der Taschen zwar vor dem Diebstahl, nicht aber vor der Veruntrauung schützen“ könne.95 Bemerkenswert ist hierbei, dass Globig noch einige Jahre zuvor in seiner Abhandlung von der Criminalgesetzgebung96 eine im Vergleich zum Diebstahl mildere Bestrafung der Untreue forderte, da der Täter im Gegensatz zum Diebstahl bei der Untreue gleich bekannt wäre.97 Unter dem Eindruck dieser naturrechtlichen Gedanken wurde dann endgültig das römisch-rechtliche Denken eines einheitlichen Begriffs des furtum aufgegeben und systematisch zwischen einem engen Begriff des furtum als ablatio rei mobilis und anderen Vermögensdelikten, die auch die Untreue umfassten, getrennt bzw. teilweise ganz vom Begriff des furtum Abstand genommen.98 89
Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, S. 346. Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, S. 347. 91 Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, S. 10. 92 Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, S. 347. 93 Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, S. 347. 94 Im Folgenden wird Hans Ernst von Globig unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Globig genannt. 95 Globig/Huster, Vier Zugaben zu der im Jahre 1782 von der ökonomischen Gesellschaft zu Bern gekrönten Schrift: von der Criminalgesetzgebung, S. 209. 96 Globig/Huster, Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung. 97 Globig/Huster, Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung, S. 216. 98 von Guistorp gab so den Begriff des römisch-rechtlichen furtum vollkommen auf (Quinstorp, Grundsätze des teutschen peinlichen Rechts, 7. Abschnitt); anders behielten 90
60
Kap. 1: Grundlegung
VI. Der Kleinschrod’sche Diebstahlsbegriff Die Dissertation von Kleinschrods99 mit dem Titel „De furti vere talis notis caracteristicis, consummatione atque supplicio“100 hat die Entwicklung der Untreuestrafbarkeit sehr stark beeinflusst. Die Dissertation beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Diebstahlsbegriff. Jedoch hat dessen systematische Stellung entscheidende Auswirkungen auf den Umfang und die Konturen eines Untreuetatbestandes. Kleinschrod geht in seiner Dissertation vom Diebstahl als Eigentumsdelikt101 und damit vom Zusammenhang zwischen furtum und dominum aus. Weiter definiert Kleinschrod den Diebstahl als Verletzung des Eigentums durch Besitzentziehung,102 wobei er von einem komplexen Besitzbegriff unter Zugrundelegung des justinianischen Rechts ausgeht, sodass zur Besitzergreifung nicht das Wegtragen vom Diebstahlstatort erforderlich war.103 Mit dieser Prämisse konnte Kleinschrod auch die Umwandlung von Fremd- in Eigenbesitz als Besitzergreifung, werten. Hierauf schlussfolgerte er, dass z. B. der Depositar, der den natürlichen Besitz hätte, wenn er die anvertraute Sache nun seiner Willkür unterwerfe und sie als eigene besäße, den Besitz dem bürgerlichen Besitzer ebenso gut entzöge als der Dieb es täte – folglich müsse diese Handlung wahrer Diebstahl sein.104 Liegt eine Besitzentziehung des bürgerlichen Besitzers durch den natürlichen Besitzer vor, so nannte dies Kleinschrod die „Unterschlagung anvertrauten Guts“, eine Unterart des Diebstahls.105 Die Zuordnung dieser Handlung zum Diebstahl und nicht zur Untreue liegt darin begründet, dass der von Kleinschrod entwickelte Diebstahlsbegriff als Eigentumsverletzung durch Besitzentziehung (unter Zugrundelegung des justinianischen Besitzrechts) zwischen dem engen deutsch-rechtlichen und dem weiten römischrechtlichen des furtum liegt. Gmelin (Gmelin, Grundsätze der Gesetzgebung über Verbrechen und Strafen, § 93, S. 189 f. und § 98) und Kramer (Kramer, Versuch einer systematischen Darstellung des peinlichen Rechts, §§ 239 f., 264 f.) den römisch-rechtlichen Begriff des furtum bei, zählten jedoch die Untreue nicht zur systematischen Kategorie des „eigentlichen“ Diebstahls als Entwendung einer fremden beweglichen Sache, die erst durch den Diebstahl in die Besitz des Handelnden gekommen ist. 99 Im Folgenden wird Gallus Aloys Kaspar von Kleinschrod unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Kleinschrod genannt. 100 In deutscher Übersetzung erschienen, in: Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, S. 61 ff. 101 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. I, § 2. 102 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. I, § 2. 103 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. I, § 2. 104 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. IV, § 1. 105 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. IV, § 1.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
61
Von der Unterschlagung anvertrauten Guts unterschied Kleinschrod die bloße Unterschlagung. Eine solche läge in den Fällen vor, in denen es keine Besitzentziehung gab, d. h. z. B. in den Fällen, in denen mangels bürgerlichem Besitz keine Umwandlung des natürlichen in den bürgerlichen Besitz vorliegt, die Sache aber dennoch in der Absicht unterworfen wurde, sie als eigene zu besitzen.106 Die besondere Strafbarkeit dieser Unterschlagung anvertrauten Guts ergebe sich daraus, dass der Täter nicht nur durch die Besitzentziehung fremdes Eigentum störe, sondern auch eine Untreue zeige und beweise, dass er ein Mensch sei, in den man kein Vertrauen haben könnte.107 Konsequenterweise muss für Kleinschrod die Bestrafung der (bloßen) Unterschlagung milder ausfallen als die des Diebstahls, da nur die Untreue ohne eine Besitzentziehung in Erscheinung tritt.108 Durch diese Konstruktion verlor die Untreue bei Kleinschrod ihre Daseinsberechtigung. Die Untreue ging in der Unterschlagung (anvertrauten Guts) auf. Damit war nach Kleinschrod nunmehr nicht mehr der Treubruch an sich strafbegründend, sondern nur noch der durch die Unterschlagung anvertrauten Guts begangene treulose Eigentumsangriff durch Besitzentzug (nach Art. 170 PGO als Diebstahl) bzw. ohne Besitzentziehung – dann als bloße Unterschlagung. VII. Die Entwicklung der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert Das zu damaliger Zeit maßgebliche preußische Strafrecht109 vermochte die neuesten Erkenntnisse der Literatur des 18. Jahrhunderts – insbesondere den Einfluss des Naturrechts und Kleinschrods Dissertation – noch nicht zu rezipieren. So unterschied das preußische Strafrecht systematisch zwischen dem Diebstahl und der Untreue. Der Diebstahl war im 14. Abschnitt des 20. Titels des II. Teils unter der Überschrift „Von Beschädigung des Vermögens überhaupt und von Entwendung insonderheit“ geregelt; die Untreue, erstmals nun legaldefiniert,110 als qualifizierter
106
Kleinschrod unterscheidet zwar begrifflich zwischen „Unterschlagung“ und „Unterschlagung anvertrauten Guts“. Fraglich ist jedoch, ob er dies wirklich bewusst getan hat oder doch nolens volens, da er den Begriff der (bloßen) Unterschlagung nicht im Einzelnen entwickelt, sondern ihn nur beiläufig nennt (Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. IV), so auch Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 61. 107 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. IV, § 6. 108 Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd. II, Abhandl. IV, § 8. 109 Das preußische Strafrecht war im 20. Titel des zweiten Teils des „Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten“ vom 5. Februar 1794 enthalten. 110 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 91.
62
Kap. 1: Grundlegung
Betrug im 15. Abschnitt unter dem Titel „Von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz und Betrug“. Der Tatbestand der Untreue gemäß § 1329 lautete: „Diese Strafe [§ 1328 – qualifizierter Betrug] trifft also denjenigen, welcher, außer der allgemeinen Verbindlichkeit, noch besondere Verpflichtungen, einen Andern mit Treue und Redlichkeit zu behandeln, auf sich hat, und denselben gleichwohl hintergeht.“
Im Folgenden zählt das Gesetz elf Einzeltatbestände auf, nämlich die Untreue der Beamten in § 1330, der Vormünder in § 1331, der Mäkler in § 1333, der Justizcommissarien und Consulenten in § 1334, der Privatverwalter in § 1345, des Gesindes in § 1350, bei Depositis in § 1353, durch Erbrechung fremder Briefe in § 1370, der Privatbevollmächtigten in § 1372, der Handlungsgesellschafter in § 1375 und bei Assecuranzverträgen in § 1376. Aus der Aufzählung dieser vielen Beispiele kann der Schluss gezogen werden, dass diese abschließend formuliert waren, sodass insgesamt gerade kein allgemeiner Untreuetatbestand normiert war.111 VIII. Der Einfluss von Feuerbachs Paul Anselm Ritter von Feuerbach112 gilt als der Ziehvater der modernen Strafrechtswissenschaften.113 Wichtigster Multiplikator von Feuerbachs Lehre ist sein in 14 Auflagen (Auflagen zwölf bis 14 post mortem) erschienenes „Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts“. Auf Grundlage der Kleinschrodschen Gedanken zum Begriff der Unterschlagung gelang es Feuerbach endgültig, eine trennscharfe Abgrenzung der Unterschlagung gegen die Untreue zu finden. So sollte (unter der Überschrift „Verletzung der Verträge auf Treue und Glauben“) die alleinige „selbst vorsätzliche Verletzung solcher Obligationenrechte nicht unter die Verbrechen aufgenommen [werden]“114. Dies sei damit zu rechtfertigen, dass die zivilrechtlichen Sanktionen, der „richterliche Zwang zur Leistung“, ausreichend für die Sicherung der Rechte aus den Verträgen sei.115 Von dieser Grundregel machte Feuerbach jedoch vier bemerkenswerte Ausnahmen, und zwar „wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes, teils wegen der Leichtigkeit, eine Verletzung zu begehen, oder der Schwierigkeit, sie zu entdecken und der Gefahr eines unersetzlichen Verlustes, teils aber auch wegen der Größe des zu Grunde liegenden Willens, die durch die Täuschung eines besonderen Vertrauens bewiesen 111
Draheim, Untreue und Unterschlagung, S. 8; Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 91 m.w.N. 112 Im Folgenden wird Paul Anselm Ritter von Feuerbach unter Außerachtlassung seines Adelsprädikats nur Feuerbach genannt. 113 Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, S. 543 ff.; Koch, Das Jahrhundert der Strafrechtskodifikation, in: ZStW 2010, 741. 114 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, § 370. 115 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, § 370.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
63
wird“116 : der Bevollmächtigungsvertrag, der Niederlegungsvertrag, der Quasikontrakt der Vormundschaft und der Gesellschaftsvertrag.117 In diesen vier Rechtsverhältnissen, deren Eingehung ein besonderes Vertrauen in die Redlichkeit des anderes voraussetzt, sollte der Treubruch strafbar sein.118 Dieses Verständnis der Strafbarkeit des Treubruchs legte Feuerbach dem von ihm entworfenen Allgemeinen Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern119 vom 16. Mai 1813 zu Grunde, wo es in Artikel 398 heißt: „Wer in einem besonderen Verhältnisse, wodurch er einem anderen zu besonderer Treue und Ergebenheit verpflichtet ist, seiner Verbindlichkeit vorsätzlich zuwider handelt, wird dieser Treulosigkeit wegen […] bestraft, wenn nicht seine Handlung zugleich ein Betrug, Unterschlagung oder eine schwerere Übertretung übergeht.“
Taugliche Täter können nur sein:120 „Bevollmächtigte, Verwalter, Geschäftsführer (negotorium gestores), Depositarien, Gesellschaftsgenossen, welche in dieser Eigenschaft absichtlich dem Andern zum Nachteil handeln“121
Die im Eigentumsangriff zu Tage tretende Untreue in Form der Unterschlagung anvertrauter Sachen wurde in Art. 229 bestraft: „Wer eine Sache für einen andern in Besitz oder Gewahrsam hat, und sich dieselbe rechtswidrig zueignet, ist der Unterschlagung der Anvertrauten schuldig.“
Eine Strafschärfung bestimmte Art. 231 für: „Furleute, Handwerker, Arbeitsleute, und andere Personen, welche an den ihnen zum Verführen, Unterbringen, Verarbeiten anvertrauten Sachen, desgleichen Pfandgläubiger, welche an den ihnen untergebenen Pfande eine solche Veruntreuung begehen.“
Damit wurde besonders der in der Eigentumsverletzung liegenden Untreue Gewicht beigemessen. Systematisch differenzierte man nun genau zwischen dem bloß vermögensrechtlichen Treubruch und dem durch einen Eigentumsangriff verübten Treubruch; der letztere wurde als Qualifikation der Unterschlagung gesehen (Unterschlagung anvertrauten Guts). Dieser Entwicklung, der partiellen Umwandlung der Untreue von einem Treubruchsdelikt in ein Eigentumsdelikt, wurde von der 116 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 1. Aufl. 1801, § 410. 117 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, § 371. 118 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, § 371. 119 Zu den Strafgesetzbüchern anderer Herzogtümer, freien Städte und Königreichen des späteren deutschen Staatsgebietes vgl.: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 92. 120 Allgemeines Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 16. Mai 1813, Art. 399. 121 Die Untreue der Vormünder und Kuratoren wird im Zusammenhang mit den „öffentlichen oder Staats-Verbrechen“ in Art. 295 behandelt.
64
Kap. 1: Grundlegung
zeitgenössischen Wissenschaft keine Beachtung geschenkt. Die von Feuerbach bezeichnete Untreue einer bestimmten Tätergruppe brachte er jedoch nicht in Zusammenhang mit Art. 170 PGO, sondern begründete die Strafbarkeit ausschließlich römisch-rechtlich.122 Die Situation stellte sich Ende des 19. Jahrhunderts folglich so dar, dass der vermögensrechtliche Treubruch, als Eigentumsangriff verübt, als (qualifizierte) Unterschlagung bestraft wurde; der vermögensrechtliche Treubruch, der ohne Eigentumsangriff geschah, in bestimmten Rechtsverhältnissen als Untreue strafbar sein sollte.123 IX. Die Entwicklungen im 19. Jahrhundert Als wichtiges Vorbild für ein späteres Reichsstrafgesetzbuch diente das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten vom 14. April 1851. Der Tatbestand der Untreue war in § 246 zusammengefasst: „Wegen Untreue werden mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, sowie mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft: 1) Vormünder, Kuratoren, Sequester, Testamentsexekutoren und Verwalter von Stiftungen, wenn sie vorsätzlich zum Nachteil der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln; 2) Makler, Güterbestätigter, Schaffner, und andere Gewerbetreibende, welche zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit besonders verpflichtet sind, wenn sie bei den ihnen übertragenen Geschäften vorsätzlich denjenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen. […]“
An das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten von 1851 knüpfte direkt das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund124 an. Dieses wiederum wurde schließlich mit geringen Modifikationen am 15. Mai 1871 als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich125 verkündet, dessen § 266 wie folgt lautete: „Wegen Untreue werden […] bestraft: Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequester, Massenverwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von Stiftungen, wenn sie absichtlich zum Nachteile der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln; Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachteile desselben verfügen; Feldmesser, Versteigerer, Makler, Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer, und andere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen, wenn sie bei den
122 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, Anm. zu § 371. 123 Diese Systematik findet sich angedeutet, in: Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 14. Aufl. 1847, § 315a; hieran schlossen sich an: Marezoll, Das gemeine deutsche Criminalrecht als Grundlage der neueren deutschen Strafgesetzgebungen; Berner, Lehrbuch des deutschen Strafrechts; Geib, Lehrbuch des deutschen Strafrechts; Hälschner, System des preußischen Strafrechts – Die Verbrechen gegen das Recht der Privatperson. 124 BGBl. für den Norddeutschen Bund, S. 195 ff. 125 RGBl. S. 127 ff. (1871).
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
65
ihnen übertragenen Geschäften absichtlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen.“
B. Bedeutung der historischen Entwicklung für den Wirkungszusammenhang Der gesamte geschichtliche Hintergrund und Ursprung der heutigen Untreue als § 266 StGB stellt sich als relative neue Entwicklung dar. Ein gewisser Sondercharakter lässt sich aus heutiger Sicht erstmalig im Art. 170 PGO aus dem Jahre 1532 erkennen, also vor ungefähr 500 Jahren. Die Auswertung der historischen Betrachtung soll sich deshalb auch auf die Zeit nach Entstehen der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. beschränken. Weil zu dieser Zeit das (straf-)rechtliche Denken stark römisch-rechtlich verhaftet war, beziehen sich viele der Argumente im 16. Jahrhundert und auch später auf römisch-rechtliche Rechtsinstitute, namentlich das Privatdelikt des furtum und das öffentliche Delikt des peculatus. Auf diese römisch-rechtlichen Ursprünge wird suo loco ebenfalls einzugehen sein, ohne dass die Auswertung den Anspruch erhebt, sich in extenso mit den römisch-rechtlichen Delikten auseinanderzusetzen. Zusammenfassend soll im Folgenden untersucht werden, wie sich die einzelnen Entwicklungsschritte vom Art. 170 PGO hin zu § 266 RStGB einerseits im Lichte der heutigen Untreue, andererseits im Lichte des zu untersuchenden Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz darstellen. Von besonderem Interesse wird die jeweilige Begründung eines strafwerten Unrechts im Vergleich zu Delikten ohne besondere Nähebeziehung bzw. Verletzung eines besonderen Vertrauens sein. I. Kompensation der Trennung von Vermögen und Verwaltung Zunächst stellt sich die Frage, warum die Untreue in der Entwicklung des Strafrechts eine so junge Geschichte hat und welche Erkenntnisse daraus für die vorliegende Arbeit zu ziehen sind. Bei der Untreue in ihrer Entwicklung handelt es sich stark abstrahiert um eine Strafnorm, die den Vermögensschutz innerhalb einer Sonderbeziehung126 bezweckt. Die Entwicklung der Straftaten auf dem Gebiet des Vermögensrechts im weiteren Sinne geht jedoch viel weiter zurück als die Entwicklung der Untreue. So zum Beispiel hat der Diebstahl, dessen Verbot im christlichen Glauben (schon im Dekalog wird das Verbot zu „stehlen“ erwähnt – scil. ohne eine Strafnorm im engeren Sinn zu sein, da keine Strafe unmittelbar ausge126 Die heutige h.A. stellt den gemeinsamen Unrechtskern der beiden Tatbestandsalternativen des § 266 StGB viktimodogmatisch als „Schädigung fremden Vermögens von innen heraus“ dar (Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1; BVerfGE 126, 179 [201]) und impliziert damit auch, dass der Täter aus einer gewissen Innenstellung heraus handelt. Der hier verwendete Begriff der „Sonderbeziehung“ soll diese aus der Innenstellung resultierende Täter-Opfer-Beziehung bezeichnen.
66
Kap. 1: Grundlegung
sprochen wird.127) und auch sozialethisch tief verankert ist,128 eine bei weitem ältere Historie. Zudem hat der Diebstahl weit zurückreichende konkrete strafrechtsgeschichtliche Wurzeln. Diese gehen zurück bis auf das römische Recht, von dessen „Generaltatbestand“129, dem Privatdelikt des furtum, in der Hauptsache Diebstahlshandlungen erfasst wurden. Parallel hierzu, d. h. zur Entwicklung der Vermögensstraftaten allgemein und der Entwicklung der Untreue, muss man die Entwicklung wirtschaftlicher Verhältnisse beobachteten. Hierbei kann in stark simplifizierter Form festgestellt werden, dass, von kurzfristigen gegenläufigen Tendenzen abgesehen, Qualität und Quantität wirtschaftlicher Vorgänge im Laufe der Zeit immer komplexere Volkswirtschaften entstehen ließen. Damit drängt sich die Schlossfolgerung auf, dass in Zeiten primitiver wirtschaftlicher Verhältnisse, kaum ein Bedürfnis nach untreueähnlichen Strafvorschriften bestand.130 Erst ein zunehmend entwickeltes und fortgeschrittenes Wirtschaftssystem und die Durchsetzung der Geldwirtschaft machte entsprechende zivilrechtliche Rechtsinstitute, vorweg die Treuhand, notwendig. Eigentum und Verwaltung lagen immer öfter bei verschiedenen Personen. Zunehmend waren Formen arbeitsteiligen Wirtschaftens üblich, bei denen es unumgänglich ist, Nichteigentümern die Sachherrschaft an für sie fremden Sachen einzuräumen. Eine deshalb zunehmende Zahl von zivilrechtlichen Sonderverhältnissen weckte ein kriminalpolitisches Bedürfnis, untreueähnliche Strafvorschriften zu entwickeln. Umgekehrt formuliert setzt die Untreue kompliziertere Verhältnisse und größere Vermögen voraus, die sich erst in späteren, reiferen Kulturepochen zeigten.131 In diesem Sinne wird konsequenter Weise heutzutage die Untreue auch als das „kennzeichnende Delikt“ „für die moderne Volkswirtschaft der Industriegesellschaft mit ihrem Auseinanderfallen von Eigentumszuständigkeit und Management“ angesehen.132 Das Auseinanderfallen von Vermögensinhaberschaft und Vermögensdispositionsmacht, auch versinnbildlicht als eine „Abtretung“ eines
127 Siebtes Gebot: „Du sollst nicht stehlen.“, Die Bibel, Einheitsübersetzung, 2 Mose (Exodus) 20, 15; 4 Mose (Numeri) 19. 128 Vogel, in: LK-StGB, Vor §§ 242 ff. Rn. 2. 129 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 32 Rn. 7. 130 Sauer, Kriminalsoziologie, S. 497; so auch ohne weitere Argumente: Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, S. 19; eine Abhängigkeit der Untreuestrafbarkeit von wirtschaftlichen und allgemeinen Zeiterscheinungen bejahen in anderem Zusammenhang: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 50 ff., Kohlrausch, Vermögensverbrechen im Wandel der Rechtsprechung und der Gesetzgebung, in: FS Schlegelberger 1936, S. 203 [215] und Zoller, Ausdehnung und Einschränkung des Untreuebegriffs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 407, S. 5. 131 Sauer, Kriminalsoziologie, S. 497. 132 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 2; Schünemann, Organuntreue, S. 7; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 3; BVerfGE 126, 170 [201]; Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183: „Zentraldelikt des modernen Wirtschaftsstrafrechts“.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
67
Teils der Privatautonomie des Vermögensinhabers,133 erfordert spiegelbildlich einen Ausgleich, der konsequenter Weise in der Sicherung der wirtschaftlichen Vermögenszuweisung liegen muss.134 Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Grund für die vergleichsweise kurze Entstehungsgeschichte der Untreue darin liegt, dass erst eine komplexere Wirtschaftsordnung ein Bedürfnis nach untreueähnlichen Strafnormen weckte. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit: So liegt der Grund einer zunehmend größeren Notwendigkeit für eine Untreuevorschrift nicht abstrakt in einer immer komplexeren Wirtschaftsordnung, sondern in der immer größeren Störanfälligkeit der untreuerelevanten Sonderbeziehungen einer komplexeren Wirtschaftsordnung. Denn wären diese Beziehungen gar nicht oder nur selten pathologisch gewesen, hätte insofern zumindest kein Bedürfnis bestanden, eine Strafnorm zu erschaffen, die nur in bestimmten Sonderbeziehungen wirkt. Denn umgekehrt stabilisiert eine Untreuestrafbarkeit auch Erwartungen und schafft somit Vertrauen als Mechanismus einer (systemtheoretischen135) Komplexitätsreduktion zwischen Treugeber und Treunehmer.136 Damit zeigt sich, dass es entscheidend darauf ankommt, die jeweiligen Sonderbeziehungen näher zu untersuchen, um die Frage zu klären, warum Transparenz und Untreue einander bedingen. II. Opfermitverantwortung Die soeben angesprochene Sonderstellung der Untreue auf Grund einer zwischen Täter und Opfer bestehenden Sonderbeziehung erkannten in der jüngeren Zeit nach Entstehung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl V. in der Literatur vereinzelte Stimmen – so z. B. Rauchdorn und Sawr.137 Dieses Bild verklärte jedoch vollends gegen Ende des 16. Jahrhunderts hin. Herrschend war zu dieser Zeit die lateinische Übersetzung des Art. 170 PGO durch Remus, die Art. 170 PGO klar als Fall des furtum darstellte und damit den Sondercharakter außer Acht lies.138 In der daraufhin folgenden Zeit war die Diskussion über das Recht des Diebstahls und der Unterschlagung vor allem durch miteinander konkurrierende römisch-rechtliche und deutsch-rechtliche Einflüsse geprägt.139 Diese Diskussion ist aus zwei Gründen zur Erkenntnisgewinnung in dieser Arbeit äußerst wertvoll: Erstens hat die Abgrenzung des furtum zum deutsch-rechtlichen Diebstahl mittelbar auch Einfluss auf die 133
Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 51. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 52. 135 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 4. 136 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 37: „Vermögensbezogenes Vertrauen als Komplexitätsreduktionsmechanismus arbeitsteiligen Wirtschaftens und das PrincipleAgent-Modell“; Luhmann, Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, S. 8 f. 137 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. II. 138 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. II. 139 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III.; so auch: Vogel, in: LK-StGB, Vor §§ 242 ff. Rn. 13. 134
68
Kap. 1: Grundlegung
Ausgestaltung der Untreue. Der Grund liegt darin, dass die zunehmende Einengung des weiten Begriffs des furtum dazu führte, die Untreue aus der Definition des furtum herauszunehmen, zum Diebstahl hin abzugrenzen und als eigenen Tatbestand zu konturieren. Zweitens lassen sich aus den Argumenten zur Abgrenzung der Untreue vom Diebstahl, insbesondere in Bezug auf Qualität und Quantität des strafwürdigen Unrechts bzw. der Strafandrohung, wichtige Erkenntnisse über das Wesen der Untreue und damit auch über den Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz gewinnen. Ohne den Art. 170 PGO dem Diebstahl gegenüberzustellen, bildet Berlich in seinem 1618 erschienen fünften Teil der Conclusiones Practabiles drei Fallgruppen140 innerhalb des furtums, bei denen er von der Anordnung der harten Diebstahlsstrafe absieht. In der ersten Fallgruppe, dem furtum auf Grund eines Kontraktes oder Quasikontraktes anvertrautet fremdet Sachen ohne Verwaltung tritt Berlich für eine poena extraordinaria ein. Die hierzu als Begründung angeführte Stelle des Sachsenspiegels141 drückt, untechnisch gesprochen, die „Mitverantwortung“ desjenigen aus, der die Entscheidung zur Besitzüberlassung an den Täter getroffen hat. Dahinter steht Berlichs Gedanke, dass ein jeder es sich selbst zurechnen lassen müsse, wenn er vor der Besitzüberlassung die Beschaffenheit dessen, mit dem er kontrahiert, nicht ausreichend erforscht hat.142 Die „Mitverantwortung“ des Opfers führt also für Berlich zu einer geringeren Strafwürdigkeit des Täters. Dieser Begründung einer milderen Strafe lässt sich bereits ein – unausgesprochener – wesentlicher Unterschied einer veruntreuenden Unterschlagung bzw. untreueähnlichen Handlung zum deutsch-rechtlichen Diebstahl entnehmen: Die andere Bewertung der Tat folgt nämlich für Berlich wohl aus der bestehenden Sonderbeziehung zwischen Täter und Opfer bzw. der Möglichkeit des Opfers, selbst Maßnahmen zu ergreifen, um sich zu schützen. Dies zeigt sich auch darin, dass Berlich die oben angesprochene Strafmilderung en detail nur dann zulassen will, „si depositarius fatetur se pecuniam recepisse, et in proprium usum non dolose, sed bona fide, vertisse“143 : Nur dann, falls sich der Wechsel in den Eigengebrauch der Sache nicht betrügerisch, sondern gutgläubig vollzieht, kommt dem Täter die poena extraordinaria zu Gute – d. h., gerade in dem Fall, in dem sich der Wechsel in Eigengebrauch durch List oder Tücke vollzieht, soll das Opfer konsequenter Weise keine „Mitverantwortung“ treffen. Sehr differenziert stellt Berlich damit Kriterien über das Strafmaß auf, die ausschließlich im Bereich der Täter-Opfer-Interaktion lozieren. Von einem höheren Abstraktionsgrad aus betrachtet, macht Berlich nichts anderes, als das Strafmaß von einer 140
Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. Sachsenspiegel III, 22 §§1 bis 3. 142 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. 143 Konsequent sieht sich Berlich wegen des Wortlauts des Art. 170 PGO („inn guttem glauben zu behalten vnd verwaren gegeben“) gezwungen, dem depositarius die poena ordinaria furti aufzuerlegen, „si negat vel manifestus ejus dolus conspicitur“ (Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 21), Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 10. 141
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
69
gewissen Transparenz im weiteren Sinne zwischen Täter und Opfer abhängig zu machen. Die Frage, wie gut der Depositor über den Depositar Bescheid weiß und ob der Depositar beim Wechsel zum Eigengebrauch hinterlistig oder tückisch vorgegangen ist, kann auch als Frage nach dem Grad an Transparenz in der Beziehung zwischen Täter und Opfer angesehen werden. In einer zweiten Fallgruppe144 sieht Berlich ohne nähere Begründung eine Besitzrechtsüberschreitung von tutores und curatores, die Mündelgelder „animo furandi et non retinendi“ behandeln, als fures an. Hingegen lässt er die Überschreitung des Besitzrechts bei einem socius, institor, factor, exactor, gestor oder executor testamentorum straflos. Auch hier könnten in der Entscheidung Berlichs die Selbstschutzmöglichkeiten über die Auswahl der Person (der der Besitz eingeräumt wird) durch das Opfer eine Rolle gespielt haben: Der genus proximum der beiden von ihm gewählten Personengruppen liegt zwar wiederum darin, dass einem Dritten die Zugriffsmöglichkeit auf für den Täter fremde Sachen eingeräumt wurde. Die differentia specifica besteht jedoch darin, dass im ersten Fall die Besitzverschaffung nicht unmittelbar bzw. normativ in der Opfersphäre liegt; das Mündel soll gerade nicht „mitverantwortlich“ sein, dass dem Täter die Einwirkungsmöglichkeit auf dessen Sachen eröffnet wurde. Letztlich wohl aus dem Grund, dass dem Mündel selbst gar keine Auswahlmöglichkeit hinsichtlich seiner tutores oder curatores zusteht. Hingegen kann die Personen der zweiten Kategorie sehr wohl ein Vorwurf treffen, sich nicht besser vor einer Besitzrechtsüberschreitung im Vorfeld geschützt zu haben – die Auswahl einer Person als socius, institor, factor, exactor, gestor oder executor testamentorum obliegt als privatautonome Entscheidung auch normativ ausschließlich dem (späteren) Opfer. Mithin kann die Qualität der Strafwürdigkeit der Täterhandlung auch von der Beziehung zwischen Täter und Opfer, also auch von der „Mitverantwortung“ des Opfers abhängen. Mit anderen Worten spricht vieles dafür, dass auch bei der Bildung der zweiten Fallgruppe Berlich maßgeblich die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Täter und Opfer im Blick hatte. In der dritten und letzten Fallgruppe145 spricht sich Berlich auch bei den öffentlichen Ämtern, die Verwaltungsbefugnisse beinhalten, nur für eine poena extraordinaria aus. Die Begründung in Gestalt der Behauptung, dass die Gefahr eines scandalum eher von denen ausgehe, die sich erst noch durch Gewahrsamsbruch in den Besitz der zu entwendeten Sache setzen müssen,146 erscheint eher aposteriorisch und inkonsistent zu den in den beiden ersten Fallgruppen angestellten Überlegungen. Mutmaßlich bestand ohnehin kein sehr großes Interesse an einer harten Diebstahlsstrafe für Beamte, da ein öffentlicher Bediensteter vor Antritt seiner Stellung Kaution leisten musste147 und somit dem Staat nur selten ein Schaden entstanden war. Trotz aller Unterschiede kann man auch bei der dritten Fallgruppe feststellen, dass 144 145 146 147
Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V, S. 57 Nr. 32.
70
Kap. 1: Grundlegung
Berlich wiederum – in weit schwächerem Maße jedoch – bei seinen Überlegungen zum Strafmaß sich von der Ausgestaltung der Sonderverbindung zwischen Täter und Opfer hat leiten lassen. Berlich war mit seinen Überlegungen über die Angemessenheit der Diebstahlsstrafe in bestimmten Fallgruppen ein Vorreiter. Vorangetrieben wurde diese Diskussion vor allem durch das Unbehagen, die harte Diebstahlsstrafe148 in allen Fällen, in denen ein furtum vorlag, anzuwenden.149 Der Grund liegt aus heutiger Sicht sicherlich an der unadaptierten Übernahme und Kombination römisch- wie deutschrechtlicher Rechtsinstitute. Die grundlegenden Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Auffassungen der beiden Völker über die Natur des furtum- bzw. Diebstahlsdeliktes150 wurden durch Reinharth151 1729 erst relativ spät genau herausgearbeitet.152 So führte die anfänglich unmodifizierte Übernahme des römischrechtlich weiten Tatbestandes des furtums (der im römischen Recht nur eine Strafe civilis zur Rechtsfolge hatte)153, in Kombination mit dem Beibehalten der harten deutsch-rechtlichen Diebstahlsstrafe,154 die vom engen deutsch-rechtlichen Diebstahl herrührt, dazu, über den Umweg der unangemessen hohen Strafe über die einzelnen relevanten Handlungen, die unter den Tatbestand des furtums fallen würden, nachzusinnen und zu diese zu systematisieren.155 Die auf Grund dieser Diskrepanz – weiter römisch-rechtlicher Begriff des furtums und harte Diebstahlsstrafe eines engen deutsch-rechtlichen Diebstahlsbegriffs – erfolgten Erwägungen zum strafwürdigen Unwert gewähren jedoch einen sehr guten Einblick in das damalige Verständnis der einzelnen unter den römisch-rechtlichen Tatbestand des furtums fallenden Handlungen, also auch der Untreue. 148 Nach germanischen Recht war der Diebstahl mit dem Tode bestraft worden (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 26); so z. B. im sächsischen Landrecht: „Den dief sol men hengen“ (Sachsenspiegel II, 13 § 1 S. 2). 149 So auch: Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 9. 150 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 32. 151 Zur Person vgl.: Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung, Halbb. 1, S. 261. 152 Reinharth, Dissertatio, § 12. 153 Die Urheber haben die Strafe des furtum deshalb nur mit der Strafe civils belegt, um eine größere Vertragstreue zu erreichen (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 26). 154 Eine wirkliche Ausnahme bildet Schilter, der in seinem 1675 – 1684 erschienenen Pandectenkommentar „Praxis Juris Romani in foro Germanico“ bereits auf diesen Widerspruch hingewiesen (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 26 ff. m.w.N.). 155 So machte Berlich darauf aufmerksam, dass das römische Recht nur eine Strafe civilis angedroht hätte und deshalb die römischen Gesetze dort keine Anwendung mehr finden könnten, wo auf dem furtum die Todesstrafe stehe (Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 9).
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
71
III. Intransparenz als Strafschärfungsgrund In diesem Sinne wurde der von Berlich eingeschlagene Weg weiter fortgesetzt, zunächst von Carpzov.156 Unter den gleichen Leitgedanken übernimmt Carpzov teilweise die Gründe für eine mildere Bestrafung bestimmter Handlungen, die unter den Begriff des furtum fallen, bemüht sich jedoch vor allem um eine Systematisierung der Milderungsgründe. Diese Systematisierungsanstrengungen geben weiteren Aufschluss über das damalige Verständnis der Untreue: Immer stärker wird auf das Merkmal einer Treuebeziehung bzw. eines eingeräumten Verwaltungsrechts abgestellt. Laut Carpzov entspreche dieses Verhältnis systematisch zwar einer eigentümerähnlichen Stellung (darum auch nur contrectatio ficta). Doch wurde aus normativen Gründen eine Verletzung dieser nur eigentümerähnlichen Stellung milder als der Diebstahl, bei dem die Sache dem Eigentümer direkt weggenommen werde, bestraft. Der Grund für die mildere Bestrafung könnte wiederum darin liegen, dass durch das Mitwirken des Opfers in Gestalt der Etablierung eines Sonderverhältnisses das Unrecht insgesamt abgemildert wird. Durch eine Ausnahmeregel hierzu (d. h. die Rückausnahme, was bedeutet: Beibehaltung der Todesstrafe) lässt sich bei Carpzov jedoch auch ein zusätzlicher Gedanke zur atrocitas delicti finden: Das Verständnis der Untreue in Form eines Doppeldeliktes von Treu- und Eidbruch. Flankierend begründet Carpzov die Todesstrafe interessanterweise rechtspolitisch bzw. kriminologisch damit, dass das Opfer sich vor Untreuetätern weit schwieriger nur schützen könne: „[…] aber von untreuen falschen Dienern, welchen man vertrauen muß, nicht verwahren, noch ihnen ins Herz sehen kann, derohalben sie wohl billig ernsterer Strafe, als die gemeine Diebe würdig.“157 In diesem Zitat ist eine Kombination zweier Faktoren enthalten, die nach Carpzov kumuliert dann doch eine schwerere Bestrafung rechtfertigen und die über die Natur des Deliktes viel aussagen: Einerseits die Treuebeziehung („vertrauen muß“), andererseits deren Kehrseite, die darin liegt, dass durch das Einräumen von Vertrauen das Sichtbarwerden einer (bevorstehenden) Rechtsverletzung stark abgenommen hat („noch ihnen ins Herz sehen kann“). Hierin zeigt sich retrospektiv, dass bereits damals die Intransparenz in einer Treuebeziehung als Kernproblem begriffen wurde. Aus diesem Grund wurde bei vorgespiegelter Treue (was natürlich erst im Nachhinein fest steht) und daraus resultierender Intransparenz die Strafe des Täters im Vergleich zum leichter zu erkennenden Diebstahl verschärft. In der Aussage von Styrk,158 der die atrocitas delicti im Treubruch erblickt, den ein Depositar dadurch begehe, dass er dem Depositor erst eine besondere Freundschaft vorspiegle und ihn dann hintergehe, liegt die Beschreibung eines Prozesses. An dessen Beginn liegt die Eingehung einer Treuebeziehung, dann die Hintergehung der Treue, die schließlich unerkannter Weise in die Rechtsgutsverletzung mündet. Der Teil des Prozesses, der zwischen Begründung der Treuebeziehung und Rechts156 157 158
Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. IV. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. IV. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. IV.
72
Kap. 1: Grundlegung
gutsverletzung liegt, geschieht zwangsläufig unerkannt, d. h. in intransparenter Weise. Gerade darum bedingen sich Intransparenz und Untreue. Beachtenswert ist weiter, dass die oben aufgezeigte geschichtliche Entwicklung Parallelen zu diesem Prozess aufweist: In früher Zeit wurde zuerst die bloße Begründung einer Treuebeziehung als minus in der atrocitas delicti im Vergleich zum Diebstahl angesehen; später jedoch wurde diese Betrachtung durch eine weitere Wertung korrigiert, nämlich um die der Erschleichung der Treue. Die erschwerte Erkennbarkeit eines Treubruchs aus einer Treubeziehung heraus wurde darum insgesamt als das größere Unrecht im Vergleich zum Diebstahl angesehen. Damit wird die sich auf Grund einer Treubeziehung ergebende Intransparenz als zentraler Strafschärfungsgrund angesehen. Als Vertreter des Naturrechts gelangt vor allem Sonden zu der Erkenntnis,159 dass sowohl die Qualität als auch die Quantität einer Untreuehandlung weit größer sei, als die eines Diebstahls.160 Den Grund dafür sieht er vor allem in einem „Betrug“ durch die Vortäuschung falscher Treue und in der Tatsache einer erschwerten Schutzmöglichkeit (vor dem Diebe könne man sich durch allgemeines Misstrauen gegen jeden Unbekannten schützen, nicht aber vor demjenigen, der Tugend heuchelte, um desto leichter stehlen zu können). Die erschwerte Schutzmöglichkeit bzw. der Treue„Betrug“ gründet darauf, die Verhältnisse nicht durchschaut zu haben bzw. nur sehr schwer durchschauen zu können – der Grund liegt damit wieder in der Intransparenz zwischen Treugeber und Treunehmer. Ebenso verlangt auch Globig die härtere Bestrafung der Untreue. Globig begründet diese aus Sicht des Diebstahls, vor dem man sich durch Maßnahmen wie „Verriegelung der Türe“ oder „Beobachtung der Taschen“ wesentlich besser schützen könne, als vor einer „Veruntrauung“, bei der dies seiner Meinung nach gerade nicht möglich ist. Globig stellt den Diebstahl in der Täter-Opfer-Beziehung als durchschaubares, transparentes Delikt dar und vor allem der Untreue gegenüber. Damit geht im Umkehrschluss auch Globigs Begründung von einem Wirkungszusammenhang zwischen Intransparenz und Untreue aus. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Globig dies erst später so gesehen hat. Anfänglich hat er noch der Sonderbeziehung zwischen Untreuetäter und Opfer einen höheren Grad an Transparenz zugeschrieben, weil der Täter dem Opfer im Gegensatz zum Diebstahl immer bekannt sei. Dass dies bei näherer Betrachtung nicht der Fall ist, dass der Grad an Intransparenz in einer Treuebeziehung realiter gar höher sein kann, zeigt sein späteres Umdenken. Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte der Untreue bildet die Einführung des § 1329 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794.161 Neben einer Begriffsbestimmung werden im Folgenden elf Einzeltatbestände aufgezählt. Sowohl die Begriffsbestimmung, welche die „besondere Verpflichtung“ zur Treue beinhaltet, als auch die Einzeltatbestände geben 159 160 161
Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. V. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. V. Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. VII.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
73
über die damalige Auffassung über den Charakter der Untreue eine Auskunft. Das Wesen der Untreue wurde in der Verletzung der Pflicht aus einem besonderen Treueverhältnis gesehen.162 Schließlich ist es Feuerbach gelungen, die Untreue trennscharf zur Unterschlagung abzugrenzen.163 In vier Ausnahmen wich er von seiner Grundregel ab, dass die selbst vorsätzliche Verletzung von Obligationenrechten nicht strafbar sein soll: Beim Bevollmächtigungs- und Niederlegungsvertrag, beim Quasikontrakt der Vormundschaft und beim Gesellschaftsvertrag. Die Erklärung Feuerbachs, warum gerade in diesen Verhältnissen, der Treubruch strafbar sein soll, weist deutlich in eine Richtung: „teils wegen […] der Schwierigkeit [eine Verletzung] zu entdecken […], teils aber auch wegen der Größe des zu Grunde liegenden Willens, die durch die Täuschung eines besonderen Vertrauens bewiesen wird“. Auch Feuerbach sieht die schwere Erkennbarkeit bzw. das Täuschungsmoment als maßgebliche Kriterien für den Strafgrund der Untreue an. Damit geht auch Feuerbach von einem Zusammenhang zwischen Intransparenz und Untreue aus. IV. Gesamtergebnis der historischen Entwicklung der Untreue Damit ergibt sich folgendes Gesamtergebnis der Auswertung der geschichtlichen Entwicklung der Untreue: Die Entwicklung der Untreue bietet sich besonders gut für eine Analyse hinsichtlich des Strafgrundes und des Strafbedürfnisses an. Der Grund liegt in den konkurrierenden römisch-rechtlichen und deutsch-rechtlichen Einflüssen. Insbesondere die Belegung des weiten römisch-rechtlichen Tatbestandes des furtum mit der harten deutsch-rechtlichen Diebstahlsstrafe führte zu Ergebnissen, die selbst in der damaligen Zeit als unangemessen angesehen wurden. Ausgehend von den Problemen, die durch die Kombination von römisch-rechtlichem Tatbestand und deutsch-rechtlicher Rechtsfolge entstanden sind, wurde intensiv über das Unrecht der Untreue diskutiert – darüber, ob die Untreue milder oder härter als ein Diebstahl zu bestrafen sei und über die Merkmale, die die Untreue vom Diebstahl abgrenzten. In dieser Abgrenzungs- und Strafmaßdebatte hat sich an vielen verschiedenen Stellen gezeigt, dass die Untreue als Treubruchdelikt vor allem deshalb so hart zu bestrafen ist, weil das Opfer sich trotz der (vorherigen) Kenntnis und (teilweise auch) der Auswahl des späteren Täters nur sehr begrenzt schützen kann. Der Grund hierfür wurde zumeist in der Intransparenz der Sonderbeziehung zwischen Täter und Opfer gesehen. Damit zeichnet schon die historische Entwicklung vor, dass die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz mühelos auch mit der geschichtlichen Entwicklung begründet werden kann.
162 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 91 m.w.N. 163 Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. VIII.
74
Kap. 1: Grundlegung
C. Der heutige Tatbestand des § 266 StGB I. Kriminologische Erklärung des Wirkungszusammenhangs Im folgenden Teil soll untersucht werden, ob sich mit Hilfe kriminologischer Theorien ein Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz nachweisen lassen kann. Die kriminologische Begründung des Wirkungszusammenhangs soll nur einen Aspekt im Rahmen eines Begründungsbündels liefern. Aus diesem Grund wird auf die empirische Unterlegung der Untersuchung verzichtet. Dies würde dem Rahmen der Arbeit nicht entsprechen, die ihren Schwerpunkt im materiellen Recht der Untreue hat. Daher soll dieser Teil der Arbeit auch nicht als kriminologischer Teil im engeren Sinne missverstanden werden164 bzw. es sei darauf hingewiesen, dass ausschließlich eine qualitative kriminologische Untersuchung durchgeführt wird. Auf eine Legitimationsfunktion165 der kriminologischen Ergebnisse im Rahmen der lex ferenda wird suo loco einzugehen sein.166 1. Vorgehensweise Ziel dieser Untersuchung soll nicht sein, den Tatbestand der Untreue insgesamt kriminologisch zu untersuchen. Der nachfolgende Teil beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, inwiefern eine kriminologische Betrachtung die eingangs aufgestellte Hypothese eines Wirkungszusammenhangs167 zwischen Untreue und Transparenz verifizieren bzw. falsifizieren kann. Eine derartige kriminologische Untersuchung, deren Zielsetzung nur auf einen kleinen Teilbereich beschränkt ist, entspricht durchaus dem modernen Selbstverständnis der Kriminologie, nach dem (bestehende) Theorien jeweils nur sachliche bzw. zeitliche Teilbereiche zu erklären in der Lage sein können.168 Die Untersuchung wird einerseits bestehende kriminologische Theorien zu Grunde legen, andererseits aber auch eigene Ansätze aufzeigen. In Bezug auf die verschiedenen Theorien wird ein multifaktorieller Ansatz169 verfolgt. So kann eine Hypothese durch mehrere und verschiedene Erklärungstheorien verifiziert werden, sofern diese sich nicht widersprechen.170 Letztlich soll auch die Metaebene in die 164 Dies vor dem Hintergrund, dass die h.L. die Kriminologie als „interdisziplinäre empirische Wissenschaft“ bezeichnet (Göppinger, Kriminologie, S. 2 m.w.N.). 165 Die Legitimität von Strafnormen in einem folgenorientierten Strafrecht sei nämlich von der Effektivität im Hinblick auf den präventiven Strafzweck abhängig, Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 22 ff. 166 Siehe unter Kapitel 3, § 5, B. I. 3. u. Kapitel 3, § 8, B. 167 Siehe unter Kapitel 1, § 1. 168 Göppinger, Kriminologie, § 8 Rn. 13. 169 Um die abwertende Bezeichnung als eklektizistischen Ansatz zu vermeiden. 170 Bzw. auch dann, falls die Grundannahmen sich widersprechen, aber zum gleichen Ergebnis kommen.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
75
Betrachtung einfließen. Das bedeutet, dass, falls in der bisherigen Literatur und Wissenschaft keine Anhaltspunkte zu finden sein werden, die die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs falsifizieren, dies nicht zuletzt auch für die Richtigkeit der Hypothese sprechen kann. 2. Die Kriminologie der Untreue in der Literatur Die Begriffe Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität sind nicht deckungsgleich.171 Die Wirtschaftskriminologie, d. h. der Teil der Kriminologie, der sich mit der kriminologischen Erforschung der Wirtschaftskriminalität befasst,172 zeigt sich insgesamt noch als schwächer entwickelt.173 Weiter sind in der wirtschaftskriminologischen Literatur nur äußerst vereinzelt speziell die Untreue bzw. einzelne Tatbestände,174 thematisiert worden; eine ganzheitliche monographische Untersuchung zur Kriminologie der Untreue z. B. existiert bis dato nicht. Die Untreue kann nicht umsonst als „blinder Fleck“175 der Kriminologie bezeichnet werden. Indes lassen sich einige, kriminologische Untersuchungen zum Themengebiet der Wirtschaftskriminalität176 finden. Inwiefern sich diese Ergebnisse in Bezug auf die gegenständliche Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz übertragen und anwenden lassen, kann aus mehreren Gründen problematisch sein. Das erste Problem ist ein definitorisches.177 Was Wirtschaftskriminalität ist, bzw. welche Tatbestände in welcher Erscheinungsform sie einschließt, ist alles andere als geklärt.178 Es existiert eine Unzahl von – teilweise scheinbar synonym verwendeten – Begrifflichkeiten: Wirtschaftskriminalität, Wirtschaftsdelikte, Unternehmenskriminalität, Betriebskriminalität, Korruptionsdelikte, Firmen171
Geerds, D., Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 13. Bussmann, Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 57 [81]. 173 So auch: Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [5]; Bussmann, Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 57 [81]; Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [340]; Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MschrKrim 2004, 1 [2]. 174 Kaiser, Kriminologie, § 73 Rn. 2. 175 Wirtschaftskriminologie als „blinder Fleck“: Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335. 176 Das Vorliegen aussagekräftiger Theorien zur Wirtschaftskriminologie wird jedoch teilweise verneint: Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391 [396]. 177 Definitorische Aspekte als Ursache für eine Erkenntnislücke im Bereich der Wirtschaftskriminologie: Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [556]. 178 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [894]; Grunst/Volk, in: Volk, Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 1 Rn. 4 ff. 172
76
Kap. 1: Grundlegung
kriminalität, Kriminalität der Mächtigen, white-collar crime, corporate crime, occupational crime, economic crime und einige mehr.179 Welche Verhaltensweisen jedoch unter den jeweiligen Begriff für das Phänomen der Wirtschaftskriminalität fallen sollen, bleibt bis heute ungeklärt.180 Verschärft wird diese Problematik noch durch die Tatsache, dass vor allem der Bereich der Wirtschaftskriminalität stark angloamerikanisch-international geprägt ist.181 So gehen schon die Ursprünge der Kriminologie der Wirtschaftskriminalität auf den erstmals 1939182 von dem US-amerikanischen Wissenschaftler Sutherland183 geprägten Begriff des „white-collar crime“ zurück. Diese Internationalität der Auseinandersetzung um eine Definition,184 die schon in der jeweiligen nationalen Diskussion umstritten ist, erschwert gerade die Frage, ob und inwiefern die Untreue als Wirtschaftskriminalität gelten und diskutiert werden kann. Ein Grund liegt letztlich auch darin, dass der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB kein Äquivalent im US-amerikanischen Strafrecht findet. Die Vermögensschädigung von innen heraus ist durch andere Tatbestände strafrechtlich erfasst, hauptsächlich durch die traditional theft offenses: embezzlement und false pretenses.185 In vielen Bundesstaaten wurden alle verschiedenen theft offenses unter einer single theft offense konsolidiert,186 die dann auch Untreuetaten erfasst; dieser Systematik folgt auch der Model Penal Code,187 der die verschiedenen forms of theft188 zu einer einzigen Tat vereinigt. Typischerweise wird die Untreue nach § 266 StGB deshalb auch als asset misappropriation (including embezzlement by employees) bezeichnet und als theft of company assets (including monetary assets/cash or supplies and equipment) by company directors, others in fiduciary positions or an employee definiert.189 Im Folgenden soll immer von „Wirtschaftskriminalität“ die Rede sein, als der wohl umfassendsten Oberdefinition, die sich auch in der Literatur etabliert zu haben 179
Unvollständige Aufzählung: Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MschrKrim 2004, 1 [9]. 180 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 4 m.w.N. in Fn. 18.; Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [894] m.w.N. 181 Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MschrKrim 2004, 1 [8 f.]; allgemein zum Problem einer materiell-strafrechtsakzessorischen Kriminologie im internationalen Kontext: Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 9. 182 Göppinger, Kriminologie, S. 420. 183 Zur Person vgl.: Geis, On White-Collar-Crime, S. 171 f. 184 Zur Integration des internationalen Forschungsstandes: Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [556]. 185 Dressler, Understanding Criminal Law, § 32.01; § 32.09; § 32.10. 186 Dressler, Understanding Criminal Law, § 32.11. 187 ALI, Model Penal Code, Part II, § 223.1. 188 ALI, Model Penal Code, Part II, § 223.2 bis § 223.9. 189 Bussmann/Werle, Addressing Crime in Companies, in: Brit. J. Criminol. (2006) 46, 1128 [1143].
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
77
scheint. Zudem präkludiert diese Definition nicht bestimmte wirtschaftskriminologische Theorien, wie z. B. die Bezeichnung als „white-collar crime“, die schon vom Wortlaut her eine täterbezogene Betrachtung voraussetzt, eben einen Täter mit „weißem Kragen“. Richtigerweise müssen einige Vorfragen geklärt werden, bevor über die Einordnung der Untreue als Wirtschaftskriminalität entschieden werden kann.190 Es ist zu fragen, was diese Einteilung überhaupt für einen Nutzen im Lichte der Untersuchung eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz haben kann. Auch muss geklärt werden, welche verschiedenen Möglichkeiten zur Einteilung und damit zur Systematisierung von Tatbeständen überhaupt in Frage kommen. In einem letzten Schritt ist dann erst über die konkrete Einordnung der Untreue als Wirtschaftsstraftat zu entscheiden. 3. Untreue und die Systematisierung der Wirtschaftsstraftaten Als Grund für die Systematisierung von Tatbeständen in der Kriminologie zur Gruppe der Wirtschaftskriminalität kommt zum einen die praktische Ordnung und Lenkung des wissenschaftlichen Diskurses191 in Betracht. Nur wenn geklärt ist, welche Tatbestände bzw. tatsächlichen Verhaltensweisen192 eindeutig unter einen Gruppenbegriff – z. B. unter den der Wirtschaftskriminalität – fallen, kann über diese Deliktsgruppe193 eine geordnete Auseinandersetzung stattfinden.194 Eine Definition soll ein Phänomen exakt beschreiben, um es identifizieren (Identifikationsfunktion) zu können und um darüber kommunizieren zu können (Kommunikationsfunktion).195 Fraglich ist jedoch, inwiefern es auch sinnvoll ist, die Untreue überhaupt kriminologisch im Rahmen der Systematik der Wirtschaftskriminalität zu untersuchen.196
190 So auch Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [556]. 191 Eine „praktische Arbeitserleichterung“ durch Systematisierung im materiellen Strafrecht: Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 39 f. 192 Zur Frage, ob Wirtschaftskriminalität tatbestandsbezogen oder anhand von tatsächlichen Gegebenheiten zu begreifen ist, siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. a) aa). 193 Was noch nichts mit der Frage zu tun hat, ob es sinnvoll ist, gerade diese bestimmten Delikte zu einer Obergruppe zusammenzufassen. 194 So auch Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 4; Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [556]. 195 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [900]. 196 Zur Frage, nach dem Sinn und der Möglichkeit einer kriminologischen Untersuchung der Wirtschaftskriminalität: Hefendehl, Neutralisationstechniken bis in die Unternehmensspitze, in: MschrKrim 2005, 444 [447].
78
Kap. 1: Grundlegung
Kein Grund kann in der deduktiven Analyse197 von tatbestandlich definierten Deliktsgruppen liegen, um Erkenntnisse über die Kriminologie bestimmter Lebenssachverhalte – hier: der Untreuehandlungen – zu gewinnen. Bei genauem Betrachten handelt es sich nämlich bei dieser Vorgehensweise um eine zirkelschlüssige Methode. Tatbestände sind die abstrakte Beschreibung von konkreten Lebenssachverhalten, die der Strafgesetzgeber bei der Strafbewehrung von Verhalten vor Augen hatte.198 Diese abstrakten Tatbestände werden in einem nächsten Schritt199 nun systematisiert und damit unweigerlich auch auf eine höhere Ebene abstrahiert. Systematisierung heißt Transpositivierung. Möchte man nun in einem letzten Schritt von der transpositiven Deliktsgruppe deduktiv Rückschlüsse auf die konkreten, tatbestandlichen Handlungen ziehen, schließt sich der Zirkel. Im methodischen „Umweg“ über eine höherstufige Abstraktion zurück zum konkreten Lebenssachverhalt kann nicht mehr Erkenntnisgewinn200 liegen als in der unmittelbaren201 Analyse der unter einen Tatbestand fallenden Lebenssachverhalte. Dieser Prozess wird allgemein auch als Gefahr einer Begriffsjurisprudenz verstanden. Dies ist mit anderen Worten die Gefahr, unbewusst eine Abstraktion als vermeintliche reale Wirklichkeit zu nehmen,202 bzw. durch zu hohe Abstraktion die unterschiedlichen Strukturen der konkreten Lebenswirklichkeit zu vernachlässigen und zu vergewaltigen.203 Besonders in der Kriminologie ist es jedoch wichtig, die konkreten Lebenssachverhalte als Ausgangspunkt von Untersuchungen zu belasten, da sich die Kriminologie als (selbständige204) Erfahrungswissenschaft mit den v. a. im menschlichen und sozialen Bereich liegenden Umständen – also konkreten Umständen – von Straftaten beschäftigt.205
197 Deduktion hier so verstanden, dass der Tatbestand die allgemeine Ebene, der Lebenssachverhalt den besonderen Fall darstellt. 198 Tatbestand verstanden im modernen Sinne einer neoklassisch-finalistischen Verbrechenslehre, d. h. „objektiver“ und „subjektiver“ Unrechtstatbestand: Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 23 bis 25. 199 Es wird dem Strafgesetzgeber hierdurch keineswegs unsystematisches Vorgehen vorgeworfen, sondern das Faktum akzeptiert, mit dem Strafrecht in der de lege lata vorgefundenden Gesamtheit umgehen zu müssen. 200 Lässt man die Tatsache außer Betracht, dass die durch Abstraktion und Deduktion eine intensivere Befassung und Auseinandersetzung unter verschiedenen Blickwinkeln erfolgen kann, durch die alleine neue Erkenntnisse zu Tage treten können. 201 Anders gesprochen kann aus einer transpositiven Systematisierung heraus kein unmittelbarer Rückschluss auf die einzelnen Systematisierungsobjekte gezogen werden. 202 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 107. 203 Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 51. 204 Die h.A. sieht Kriminologie als interdisziplinäre und damit unselbstständige Wissenschaft an: Schwind, Kriminologie, § 1 Rn. 14 ff. 205 Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 1.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
79
Die Vorzüge einer Systematisierung im materiellen Strafrecht,206 vor allem die Erleichterung der Fallprüfung durch bessere Handhabbarkeit des Rechts, die gleichmäßige und differenzierte Rechtsanwendung und die Rechtsfortbildung207 kommen in Bezug auf den kriminologisch zu untersuchenden Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz nicht zur Geltung. Es geht gerade nicht darum, einen Lebenssachverhalt unter gesetzlich normierte Regeln zu subsumieren; es handelt sich nicht um Rechtsanwendung, sondern um die Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen Tatbestandsverwirklichung (§ 266 StGB) und menschlichen und sozialen Umständen. Letztlich kann die kriminologische Diskussion der Untreue im Rahmen des Systems von Wirtschaftsstraftaten sogar eine unnötige Beschränkung darstellen, da systemisches Denken häufig die Gefahr birgt, systemexterne Faktoren zu vernachlässigen.208 Von einem praktischen Standpunkt aus betrachtet, kommt man jedoch kaum um eine systematische Einordnung der Untreue, mithin auch um eine Systematisierung der Wirtschaftsstraftaten in der Kriminologie herum. Die bisherige kriminologische Wissenschaft hat sich (noch) nicht detailliert mit der Untreue auseinandergesetzt.209 Zur Beantwortung der Frage eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz finden sich zu wenige vorhandene Anhaltspunkte im Bereich der Untreuekriminologie. Aus diesem Grund muss auch auf Erkenntnisse der Wirtschaftskriminologie zurückgegriffen werden, die dann systematisch auf die Untreue bezogen werden können – sofern man sich im Bereich der Kriminologie zur Einordnung der Untreue als Wirtschaftskriminalität positiv bekennt bzw. genauer gesagt, die den jeweiligen Erkenntnissen zu Grunde liegende Definition von Wirtschaftskriminalität auch die Untreue einschließt. Methodisch handelt es um eine Art der Analogie, bei der die Vergleichbarkeit der Sachverhalte, d. h. die Vergleichbarkeit der Untreue und sonstigen Wirtschaftskriminalität Voraussetzung ist. Gerade bei der Untersuchung der Kriminologie der Untreue, die a) nicht einheitlich nach allen Definitionen auch Wirtschaftskriminalität darstellt (Problem unterschiedlicher definitorischer Ansätze) und b) selbst bei Anwendung einer jeweiligen Definition je nach Lebenssachverhalt Wirtschaftskriminalität sein kann oder nicht (Problem der Inhomogenität der Untreue), sollte eine rein systematische Betrachtung als Wirtschaftskriminalität jedoch unterbleiben. Insofern erklärt sich die Notwendigkeit eines eigenen, autonomen Theorieansatzes. Auch stellt sich der Tatbestand der Untreue im Vergleich zu anderen Wirtschaftsstraftaten als idiosynkratisch dar, sodass diese Eigenarten in einer bloßen Analyse der Kriminologie der
206 Zur Systembildung im Besonderen Teil des Strafrechts vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 857 ff. 207 Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 38 bis 42. 208 So auch für das materielle Strafrecht: Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 47. 209 Siehe unter: Kapitel 1, § 2, C. I. 2. u. Kapiel 1, § 2, C. III.
80
Kap. 1: Grundlegung
Untreue als Wirtschaftskriminalität zu wenig Berücksichtigung finden würden. Dies gilt es im Folgenden aufzuzeigen. Es gibt mehrere Methoden, zu einer Systematik in der Kriminologie zu gelangen. Einerseits kann der Ausgangspunkt die Hypothese einer systematischen Gruppe selbst sein. Unweigerlich wird bei dieser Vorgehensweise einer systematischen Gruppe eine gewisse eigenständige Wirklichkeit als Hypothese zugeschrieben. Diese Hypothese wird dann überprüft. Eine andere Methode ist, im Rahmen einer Hypothese eine bestimmte Gruppe von Delikten auf Gemeinsamkeiten zu untersuchen; anhand gefundener Gemeinsamkeiten wird sodann die Beschaffenheit der systematischen Gruppe definiert. Letztlich kann im Erforschen verschiedener, theoretisch beliebiger Delikte, d. h. deren Gemeinsamkeiten, das Ergebnis eine Gruppensystematik sein, die dann definiert werden kann. Bei dieser Methode wird ohne vorherige Hypothese vorgegangen. Dies entspräche einer induktiven Entwicklung einer Deliktsgruppe (grounded theory)210, wobei das jeweilige Delikt als das Besondere und die Deliktsgruppe als das Allgemeine verstanden wird. Der Vorteil liegt in der Flexibilität und Effizienz der ergebnisoffenen Vorgehensweise. Zudem kann jeweils noch danach differenziert werden, ob der deliktische Bezugspunkt der abstrakte, gesetzlich normierte Tatbestand ist oder bestimmte Lebenssachverhalte, die sich unter bestimmte Tatbestände subsumieren lassen (müssen?) – eine Tatsache, die überhaupt Kriminalität im hier verstandenen Sinne211 auszeichnet. Wichtig ist vor allem, dass man sich der jeweils in Anspruch genommenen Methode bewusst ist. Probleme können dann entstehen, wenn verschiedene Definitionen einer Deliktsgruppe, die auf Grund unterschiedlichem Methoden entwickelt wurden, verglichen werden, ohne diese Tatsache zu berücksichtigen. Insbesondere bei Untreue ist diese Differenzierung wichtig, da nicht alle Theorien einheitlich die Untreue zur Wirtschaftskriminalität rechnen. 4. Untreue als Wirtschaftskriminalität a) Die Begriffsbestimmung der Wirtschaftskriminalität Es hieß schon 1963, dass wirtschaftskriminelles Verhalten seine endgültige begriffliche Erfassung noch nicht gefunden habe und es fraglich sei, ob eine abschließende Begriffsbestimmung überhaupt jemals möglich sein werde.212 Auch fast ein halbes Jahrhundert später hat sich an der Richtigkeit der Aussage wohl nichts geändert.213 210
Göppinger, Kriminologie, § 8 Rn. 9. Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. a) aa). 212 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 18. 213 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 8; Achenbach, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Schwind 2006, S. 177 ff. 211
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
81
aa) Wirtschaftskriminalität als Kriminalität und die Akzessorietät zum materiellen Strafrecht Bei Wirtschaftskriminalität muss es sich schon dem Wortlaut nach um Kriminalität handeln. Kriminalität ist Verhalten, das auf Grund vorheriger normativer Festlegung als kriminell eingestuft wurde.214 Kriminalität ist damit nur strafrechtlich relevantes Verhalten.215 Da Verhalten erst durch die Wertungen des Strafrechts zu kriminellem Verhalten wird,216 stellt Wirtschaftskriminalität die Summe aller Verhaltensweisen dar, die jeweils als Wirtschaftsstraftat strafbar sind. An dieser am Tatbestand einzelner Delikte orientierten Definition zeigt sich die oben bereits angesprochene Problematik des Verhältnisses zwischen Kriminologie und materiellem Strafrecht: die Akzessorietät der Kriminologie vom materiellen Strafrecht bei so verstandener Definition von Kriminalität. Zeigt der materiell-strafrechtliche Tatbestand der Untreue eine gewisse Unschärfe und Wandlungen,217 hat dies zwangsläufig Implikationen für die Kriminologie der Untreue.218 Dies geht einher mit der Erforschung einer Phänomenologie der Untreue.219 Nur dann kann die kriminologische Bearbeitung vollständig und weniger gesetzespositivistisch erfolgen. Denn der Tatbestand der Untreue wurde eingedenk bestimmter typischer konkreter Lebenssachverhalte SV1, SV2, SV3, …, SVx abstrakt formuliert, diese zu umfassen, ist aber gleichzeitig auch auf unbestimmt viele konkrete Lebenssachverhalte SVn anwendbar, wobei M = {SV1, SV2, SV3, …, SVn} gerade von der Anwendung und Auslegung der abstrakten Strafvorschrift des § 266 StGB abhängt. Es kann eine an konkreten Lebenssachverhalten orientierte Definition von Wirtschaftskriminalität nur dann richtig und vor allem theoretisch vollständig sein, wenn alle Erscheinungen, die unter den Begriff fallen sollen auch bekannt und berücksichtigt sind.220 Hierin zeigt sich auch der Nachteil einer solchen Definition. Besser ist daher eine an Tatbeständen orientierte Definition, mit der unter Berücksichtigung der Phänomenologie der jeweiligen Tatbestände operiert wird. Ob die Untreue eine Wirtschafts-
214
Göppinger, Kriminologie, § 23 Rn. 1; abgesehen von den aktuell gültigen Verbrechensnormen, dem „Zentrum“, muss sich die Kriminologie auch mit der erweitert verstandenen Form von Kriminalität beschäftigen – so z. B. dem Wandel der materiellen Strafrechtsnormen (Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 9); Kaiser spricht von einer „verwirrend bunten Palette der Wirtschaftskriminalität“ (Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 2). 215 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 18.; Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 7. 216 So auch der sog. „labeling approach“, demzufolge Verhalten erst auf Grund eines gesellschaftlichen Definitionsprozesses die Eigenschaft „kriminell“ zugeschrieben (labled) werden kann (Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 6 und § 10 Rn. 51 ff.). 217 Worauf detailliert im Kapitel 2 dieser Arbeit eingegangen wird. 218 Zum umgekehrten Fall, dass die Kriminologie Auswirkungen auf das materielle Strafrecht (de lege lata) haben kann, siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. b) dd). 219 So für den Betrugstatbestand: Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 36. 220 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 36.
82
Kap. 1: Grundlegung
straftat ist, ist mithin gleichbedeutend mit der Frage, ob die Untreue Wirtschaftskriminalität221 darstellt. Dabei bleiben Phänomene unberücksichtigt, die als strafwürdig angesehen werden, jedoch nicht unter den Tatbestand des § 266 StGB subsumiert werden können. Eine Diskussion dieses Problemfeldes kann folglich nicht unter dem Topos der Wirtschaftskriminalität im hier verstandenen Sinne erfolgen. Bei einem zum materiellen Strafrecht akzessorischen Kriminalitätsbegriff ist folglich die richtige Stelle der Diskussion im Rahmen einer lex ferenda im materiellen Strafrecht zu verorten. bb) Sutherland – white-collar crime Am Anfang stand der Sutherland’sche Begriff des „white-collar crime“222, der sich in seiner ursprünglichen Form als bloßer Gegensatz zum „blue-collar crime“ auf die Verbrechen jener Täter bezieht, die den „höheren sozialökonomischen Klassen“ angehören.223 Es handelte sich mithin um eine vor allem täterbezogene224 und teilweise tatbestandsbezogene225 Klassifizierung von Wirtschaftskriminalität.226 Später differenzierte man noch zwischen occupational crime227 und corporate crime,228 also zwischen den Begünstigten eines white-collar crime. Der Begriff des white-collar crime wurde wörlich übersetzt in vielen Sprachen übernommen, so z. B. im Fran221
Nach Detlev Geerds sind die Begriffe Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität nicht deckungsgleich: Geerds, D., Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 13. 222 Im Englischen wird anschaulich zwischen dem white-collar worker (dem Arbeiter mit einem Anzugshemd mit weißem Kragen, der in einem Büro arbeitet und nicht in einer Fabrik) und dem blue-collar worker (dem Arbeiter mit blauem Kragen, d. h. „Arbeitskittel“, der physische Arbeiten in der Industrie ausführt) unterschieden, Oxford, Advanced Learner’s Dictionary, „white-collar“ bzw. „blue-collar“. 223 Sutherland, White Collar Crime, S. 9: „a crime committed by a person of respectability and high social status in the course of his occupation“; Sutherland, White Collar Criminality, in: 5 Am. Sociol. Rev. 1 (1940): „respectable or at least respected business and professional men“. 224 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [8] (2004). 225 Tatbestandsbezogen insofern, da nur überhaupt „Täter“ sein kann, wer einen Straftatbestand verwirklicht. 226 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 5. 227 Clinard/Quinney, Criminal Behavior Systems, 1973; Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [9] (2004). 228 Occupational crime sind white-collar crimes, die zum eigenen Gunsten und zu Lasten des Arbeitgebers oder zu Lasten von Dritten, dann jedoch im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, begangen werden. Corporate crimes sind white-collar crimes, die von Unternehmensangehörigen zum Gunsten des Unternehmens begangen werden oder solche die das Unternehmen selbst begeht (freilich erforderlich ist eine Strafbarkeit von juristischen Personen) (Quinney/Clinard, Criminal behavior systems, 1967, S. 188; Quinney/Clinard, Criminal behavior systems, 1973, 17 f., 130 ff.; Quinney/Clinard/Wildem, Criminal behavior systems, 1994; Culen/Maakestad/Cavender/Benson, Corporate Crime under Attack, S. 9.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
83
zösischen (crime en col blanc), im Italienischen (criminalità dei colletti bianchi), im Norwegischen (hvit krageforbrytelse), im Portugisischen (crime branco de colarinho) und im Spanischen (crimen blanco del collar).229 Nachdem dieser aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammende Begriff Mitte der 1970er Jahre zunächst auch in der Bundesrepublik Zuspruch unter der Bezeichnung als „weißeKrage-Kriminalität“ gefunden hat,230 rückte man – auch in den USA231 – später von einer streng täterbezogenen Definition wieder ab232 und hob auch tatbezogene Kriterien hervor – z. B. den modus operandi, der in der illegitimen nichtphysischen Erlangung von Vermögenswerten gesehen wurde.233 cc) Die Systematik des Strafgesetzbuches Im Strafgesetzbuch selbst gibt es keine eigene Gruppe von Wirtschaftsstraftaten. Man weiß zwar – schon alleine wegen dem Wortlaut –, dass es sich bei Wirtschaftsstraftaten irgendwie um „wirtschaftsbezogene Straftaten“ handeln muss.234 Versuche, den Bereich dieser Wirtschaftsbezogenheit zu definieren, stützen sich vor allem auf die Kriterien des Verstoßes gegen die Wirtschaftsordnung, des Missbrauchs von Instrumenten des Wirtschaftslebens, der ausgeprägten Sozialschädlichkeit, der berufsbezogenen Tatbegehung und des Vertrauensbruchs.235 dd) § 74c Abs. 1 StGB und § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO Eine gesetzliche Definition von Wirtschaftskriminalität existiert in Deutschland nicht. Jedoch werden im Zusammenhang mit Definitionsversuchen zwei gesetzliche Regelungen in Anspruch genommen: § 74c Abs. 1 StGB und § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO. Oftmals wird § 74c Abs. 1 GVG als (vermeintlich) klare gesetzliche Regelung in Anspruch genommen; nicht selten, um den Streit über die Definition von Wirt-
229 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [25 f.] (2004) m.w.N. 230 Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 4 m.w.N. 231 So die Definition des FBI für white-collar crimes: „those illegal acts which are characterized by deceit, concealment, or violation of trust and which are not dependent upon the application of threat of physical force or violance. Individuals and organizations commit these acts to obtain money or services; to avoid the payment or loss of money or services; or to secure personal or business advantage.“, U.S. Department of Justice, FBI, White Collar Crime: A Report to the Public, S. 3.; vgl. auch: Shapiro, Collaring the Crime, Not the Criminal, in: 55 Am. Sociol. Rev. 346 (1990), die eine handlungsbasierte Definition befürwortet. 232 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 5. 233 So auch: Edelhertz, The Nature, Impact, and Prosecution of White-Collar crime, S. 4. 234 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [894]. 235 Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391.
84
Kap. 1: Grundlegung
schaftskriminalität mit einem gewissen Pragmatismus236 zu entscheiden. § 74c Abs. 1 GVG regelt, für welche Straftaten eine Wirtschaftsstrafkammer zuständig sein kann. Aus dieser Zuständigkeitsnorm wird geschlossen, dass die zuständigkeitsrelevanten, in § 74c Abs. 1 GVG enumerierten, Tatbestände Wirtschaftskriminalität darstellen müssen. Das Argument beruht mithin auf der Prämisse, dass sich Wirtschaftsstrafkammern auch nur mit Wirtschaftskriminalität befassen. § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO nennt bestimmte „Wirtschaftsstraftaten“, die die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigen; dies sollen Straftaten sein, die „nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern“. Hierbei handelt es sich um eine Definition, die als Kriterium nach den Auswirkungen des entstandenen Schadens kategorisiert und dann eine Wirtschaftsstraftat annimmt, falls eine besonders stark ausgeprägte Sozialschädlichkeit bejaht werden kann.237 Nach Ansicht der Rechtsprechung ist dafür maßgeblich die Zahl der Geschädigten und der Schadensumfang.238 Es liegt folglich eine schadensbzw. opferbezogene Begriffsbestimmung vor.239 ee) Schadens- oder opferbezogene Begriffsbestimmung In neuester Zeit stellt man vor allem auf eine schadens- bzw. opferbezogene Definition ab.240 Wirtschaftskriminalität zeichne sich durch eine verflüchtigte Opfereigenschaft aus, was bedeutet, dass Staat oder Gesellschaft als Ganzes und nicht ein konkretes Opfer geschädigt werden.241 Hierbei ist oft der wirtschaftliche Missbrauch von Vertrauen, dem eine allgemeine Sozialschädlichkeit innewohne,242 das Differenzierungskriterium. Wirtschaftskriminalität sind demnach Straftaten, die geeignet sind, ein grundlegendes, d. h. systemisches243 Vertrauen in das Wirt-
236 Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391; Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MschrKrim 2004, 1 [9]; Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 7 ff.; Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [340]. 237 Vgl. auch Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391. 238 BGH, in: NJW 1982, 1649. 239 Zur Kritik siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. a) ee). 240 Göppinger, Kriminologie, S. 422. 241 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 7. 242 Im Rahmen der Untreue wird vertreten, dass der wirtschaftliche Treubruch derart schwer wiege, dass er das sonst die Strafwürdigkeit bestimmende Merkmal des Vermögensvorteils entbehren kann (Sauer, Kriminalsoziologie, S. 496). 243 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [896].
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
85
schaftssystem zu erschüttern.244 Teilweise wird auch stärker auf die Auswirkungen einer Tat abgestellt, genauer, dass Wirtschaftskriminalität erhebliche Auswirkungen auf die Marktwirtschaft in ihren konstitutiven Prinzipen hat.245 Die Abgrenzung blendet damit viele Straftaten aus, die andere Theorien als Wirtschaftskriminalität einordnen und erweist sich zudem als nicht sehr trennscharf.246 ff) Kombination verschiedener Definitionen Auch werden die verschiedenen Merkmale kombiniert. So ist z. B. nach Terstegen Wirtschaftskriminalität „sozialwidriges, auf Bereicherung gerichtetes Verhalten, das von Personen in Stellungen von sozialem Ansehen innerhalb ihres Berufs dadurch praktiziert wird, dass sie unter gleichzeitiger Voraussetzung des gesetzesgetreuen Verhaltens aller übrigen das ihrer Gruppe notwendig entgegengebrachte öffentliche Vertrauen enttäuschen“, wobei die Täter „im Bereich des Legalen oder wenigstens Scheinlegalen zu bleiben“ versuchen.247 Täter und Öffentlichkeit sei somit das kriminelle Verhalten „nicht bewusst“.248 gg) Wirtschaftskriminalität im engeren und weiteren Sinne Letztlich wird auch zwischen Wirtschaftskriminalität im engeren Sinne und weiteren Sinne unterschieden. Wirtschaftskriminalität im engeren Sinne sind Verhaltensweisen, die eigens wegen ihrer wirtschaftsstörenden Folgen unter Strafe gestellt sind; Wirtschaftskriminalität im weiteren Sinne sind solche Verhaltensweisen, die aus einem anderen Grund strafbar sind, bei denen jedoch ein zusätzlicher Umstand hinzukommt, aus dem sich die wirtschaftsschädliche Folge ergibt.249 b) Eigene Definition aa) Funktionalität der Definition Ob die eine oder andere Definition für Wirtschaftskriminalität vorzuziehen ist, hängt maßgeblich von der zu beantwortenden Fragestellung ab, in deren Kontext die Definition in Anspruch genommen wird.250 Daher ist die zweckgelöste Frage nach „der“ Definition von Wirtschaftskriminalität wenig praktisch – zudem, wenn un244 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 18 f.; Shapiro, Collaring the Crime, Not the Criminal, in: 55 Am. Sociol. Rev. 346 (1990). 245 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [895]. 246 Rüsken, in: Klein-AO, § 30 Rn. 185. 247 Terstegen, Die sogenannte „Weiße-Kragen-Kriminalität“, in: BKA, Strafrechtspflege und Strafrechtsreform, S. 81 [102]. 248 Terstegen, Die sogenannte „Weiße-Kragen-Kriminalität“, in: BKA, Strafrechtspflege und Strafrechtsreform, S. 81 [102]. 249 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 32 f. 250 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 8; Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 25, 27.
86
Kap. 1: Grundlegung
terschiedliche Zwecke verfolgt werden.251 Vorliegend ist zur Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz Stellung zu nehmen. Hierbei sollen bereits existierende Erkenntnisse zu Wirtschaftskriminalität, also zu einem Wirkungszusammenhang zwischen Wirtschaftskriminalität und Transparenz, für die materiell-strafrechtliche Untreue gemäß § 266 StGB übernommen bzw. auf diese bezogen werden. Insofern könnte jede in diesem Kontext verwendete Definition von Wirtschaftsstrafrecht taugen, sofern die Definition nur die Untreue (teilweise) mit einschließt. Einschränkungen ergeben sich dennoch im Rahmen einer Gewichtung der unterschiedlichen Definitionen im Hinblick auf die Hypothese des Wirkungszusammenhangs. Die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs wiederum kann auch nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss ihrerseits wieder im Lichte ihres telos verstanden werden. Dieser liegt in den materiell-strafrechtlichen Implikationen im Zusammenhang mit den Prozeduralisierungsüberlegungen. Diese betreffen das materielle Strafrecht der Untreue. Daher muss auch der Begriff der Wirtschaftskriminalität mit den Vorgaben des materiellen Strafrechts konsistent sein.252 Es darf daher keine isoliert kriminologisch akzentuierte Begriffsbestimmung herangezogen werden, die Wertungen des materiellen Rechts der Untreue außer Acht lässt. Einem logischen Bruch in der Argumentation würde man erliegen, falls man von einer rein kriminologisch akzentuierten Begriffsbestimmung von Wirtschaftskriminalität ausgehend Rückschlüsse auf das materielle Strafrecht der Untreue ziehen würde.253 Problematisch dürfte darum insbesondere eine rein personale Anknüpfung der Definition im Rahmen des strafrechtlichen Begriffs der Untreue sein. Das Strafrecht ist nämlich ein am Rechtsgüterschutz orientiertes Tatstrafrecht.254 Bei dem vorliegenden Teil handelt es sich zwar um eine kriminologische Untersuchung, aber wohl bemerkt mit dem Ziel, auch Rückschlüsse auf das materielle Recht der Untreue zu ziehen, ggf. auch, um eine strafbegründende Prozeduralisierung anhand des Transparenzmerkmals legitimieren zu können. Insofern ist die täterbezogene Definition Sutherlands im Rahmen dieser Arbeit grundsätzlich ungeeignet, da sie dem Tatstrafrecht, Art. 103 Abs. 2 GG widerspricht.255 Abgesehen davon lässt sie den Wirtschaftsbezug vermissen, da nur auf Status und Berufsbezug abgestellt wird. Ausnahmen ergeben sich dadurch, dass hinsichtlich einer strafbefreienden Funktion durch die Prozeduralisierung anhand des Transparenzmerkmals auch täterbezogene Argumente gelten können. Insbesondere z. B. die (im Folgenden 251
Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [894]. Zwischen einer kriminologisch und strafrechtlichen Ausrichtung des Begriffs der Wirtschaftskriminalität unterscheidet, ohne jedoch auf die Konsequenzen einzugehen: Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [338 f.]; zu den verschiedenen Ausrichtungen des Begriffs der Wirtschaftskriminalität und dem Problem, dass das hinter dem jeweiligen Ansatz stehende Erkenntnisinteresse häufig nicht deutlich gemacht wird: Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 25, 27. 253 So ähnlich: Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 28. 254 Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [339]. 255 Achenbach, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Schwind 2006, S. 177 [182]. 252
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
87
zu erörternde) Erkenntnis, dass nach tatsächlichem Befund Handlungen von Untreuetätern in der Regel intransparente Merkmale aufweisen, lässt den Gegenschluss zu, dass transparent handelnde Akteure gerade nicht typischer Weise Untreuetäter sind. Auch die aus der Sutherland’schen Definition weiterentwickelten Konzepte von occupational und corporate crime256 überzeugen im vorliegenden Kontext insofern nicht, als dass diese einerseits zu enge, andererseits zu weite Grenzen ziehen.257 Die Untreue ist zudem kein Sonderdelikt in dem Sinne, als dass sie tatbestandlich eine bestimmte Tätereigenschaft, die über eine Vermögensbetreuungspflicht hinausgeht, voraussetzen würde. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Sutherland’sche Definition nicht auch bestimmte Untreuekonstellationen mit einschließt. Die Schnittmenge dürfte jedoch auch nicht besonders hoch sein. Darum können Argumente, die auf Grund der täterbezogenen Definition von Wirtschaftskriminalität auf die Untreue übertragen werden, auch nur sehr vorsichtig und nur für einen Teilbereich der Untreuekonstellationen gelten. Hinsichtlich der Definitionen, die auf Kriterien betreffend der Tatgelegenheitsstruktur beruhen, ist die Summe der Wirtschaftsdelikte ohnehin wegen der deliktsspezifischen Unterschiede258 ein viel zu weites Feld. Hier sollte direkt nur die Untreue beleuchtet werden. Diese Undifferenziertheit zeigt sich besonders an Statistiken: Diese erfassen die Wirtschaftskriminalität nur recht wenig ausdifferenziert; zumeist ist die Untreue nicht einmal als eigene Kategorie erfasst.259 bb) § 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG Die inhaltlich nicht sehr bestimmte Norm260 des § 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG definiert nicht Wirtschaftskriminalität, sondern setzt den Begriff voraus.261 Es handelt sich um ein definiendum im definiens. In Bezug auf die Untreue erweist sich diese strafprozessual-kriminalistische Lösung262 des § 74c Abs. 1 GVG auch nicht als klare Richtschnur. Denn nur falls „zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind“, ist für Straftaten nach § 266 StGB die Wirtschaftsstrafkammer zuständig263 bzw. handelt es sich konsequenter Weise um Wirtschaftskriminalität. Die Lösung über § 74c Abs. 1 GVG ist jedoch vor allem im Hinblick auf empirische Untersuchungen pragmatisch. Insofern deckt diese Definition einen zumindest großen Teil der Untreuekriminalität ab; jedenfalls beinhaltet 256 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [9] (2004). 257 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [896]. 258 Schwind, Kriminologie, § 21 Rn. 19. 259 Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [336]. 260 Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 654 ff. 261 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [895]. 262 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [895]. 263 § 74c Abs. 1 Nr. 6 GVG a.E.
88
Kap. 1: Grundlegung
die Definition, sofern nur auf Nr. 6a abgestellt wird, keine andere Kriminalität außer Untreuekriminalität. Eine streng tatbestandsorientierte Definition von Wirtschaftskriminalität, d. h. bestimmte Straftatbestände generell als Wirtschaftskriminalität einzuordnen, ist insofern problematisch, als dass nicht alle Straftatbestände in jeder Begehungsform ausschließlich Wirtschaftskriminalität darstellen müssen. Gerade die Untreue kann auch ohne einen Wirtschaftsbezug begangen sein – man denke nur z. B. an die Veruntreuung von Mündelgeld. Dass Wirtschaftskriminalität sich nur auf Kriminalität in einem Wirtschaftssystem beziehen kann, ist dagegen weitgehend unstreitig264 und auch richtig. Umgekehrt könnten auch Delikte wie z. B. ein Mord die Wirtschaft betreffen und damit theoretisch Wirtschaftskriminalität sein,265 wobei der Sinn einer Einordnung unter die Wirtschaftskriminalität äußerst fraglich sein dürfte. cc) Kriterium des Vertrauensbruchs Das Kriterium eines Vertrauensbruchs betont zu sehr ein Erfolgsunrecht, das der Untreue als klassisches Vermögensdelikt im engeren Sinn266 fremd ist. Die Untreue erfährt ihr idiosynkratisches Unrechtsgepräge nämlich gerade auf der Ebene des Handlungsunrechts: Die Schädigung fremden Vermögens „von innen heraus“267 durch Ausnutzung einer zur Vermögensbetreuung eingeräumten Vertrauensstellung.268 dd) Strafrechtsdogmatischer Definitionsansatz Die meisten Befürworter hat ein strafrechtsdogmatischer Definitionsansatz, der als zentralen Kern einer Wirtschaftsstraftat das Schutzobjekt der Gesamtwirtschaft bzw. deren funktional wichtige Bereiche sieht.269 Konsequenz dieser Definition und der Zurechnung der Untreue zur Wirtschaftskriminalität kann jedoch sein, die Untreue im Fahrwasser abstrakter Gefährdungsdelikte zu verstehen. Denn typischerweise sind es die abstrakten Gefährdungsdelikte, die den Schutz überindividueller Rechtsgüter organisieren.270 Diese Schlussfolgerungen können zirkelschlüssig und gefährlich sein für das materielle Recht der Untreue.271 Die Untreue ist sine dubio 264
Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 25. Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 20 ff. 266 Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, Rn. 4. 267 Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [474]; BVerfGE 126, 170 [201]. 268 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [890]. 269 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [897]. 270 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [898] m.w.N. 271 Insofern muss Volk, Kriminalpolitik und Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: BKA, Polizei und Kriminalpolitik, BKA-Vortragsreihe, Band 26 (1981) S. 57 zugestimmt werden, wenn er behauptet, dass „Viele Definitionen von Wirtschaftskriminalität […] 265
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
89
kein allgemeinschützendes Delikt; sie schützt ausschließlich das individuelle Vermögen.272 Insofern wäre schon an dieser Stelle der Arbeit die Frage durchaus berechtigt, inwiefern Urteile wie z. B. BGHSt 35, 333273 nicht auch durch einen falschen Definitionsansatz von Wirtschaftskriminalität beeinflusst sein könnten, der zu einer materiell-rechtlichen Veränderung des Schutzgutes der Untreue führen könnte.274 Insofern scheint es angezeigt, im Kontext des materiellen Strafrechts bzw. der Dogmatik der Untreue, diese nicht als Wirtschaftskriminalität zu diskutieren,275sofern damit der Untreue die Funktion eines abstrakten Gefährdungsdelikts zugedacht wird. Dass eine solche Definition auch tatsächlich materiell-rechtliche Implikationen haben kann, wird im zweiten Teil der Arbeit en detail beleuchtet. ee) Wirtschaftsstraftat und Vermögensdelikt Die Untreue als Wirtschaftsstraftat muss von der Untreue als klassisches Vermögensdelikt unterschieden werden. Neben allgemeinen Kriterien wie z. B. der Höhe des Vermögensschadens,276 wird bei der Untreue auch auf spezielle Kriterien abgestellt. So soll die Untreue dann der Wirtschaftskriminalität zuzurechnen sein, falls die Sonderstellung des Täters aus einer gerade wirtschaftlich definierten Pflichtenstellung herrührt.277 Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass es bei Kriterien der Schadenshöhe oder der wirtschaftsbezogenen Pflichtenstellung einer konkreten Einzelfallbetrachtung bedarf: Erst die konkreten Umstände des Einzelfalls machen die Untreuetat zu Wirtschaftskriminalität.278 ff) Korruptionskriminalität Einen großen Bereich der kriminologischen Forschung nimmt die Korruptionskriminalität ein. Korruption wird als eigenständige Kategorie von Wirtschaftskriminalität gesehen.279 Korruptionshandlungen können den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllen; dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall. Eine nämlich latente kriminalpolitische Programme [sind]“; so auch: Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [902]. 272 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [900]. 273 BGHSt 35, 333: Untreue trotz Zustimmung aller GmbH-Gesellschafter bei existenzgefährdendem Eingriff. 274 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [900]. 275 So auch in Bezug auf das Rechtsgut: Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [902]. 276 Otto, Strafrecht BT, § 60 Rn. 4. 277 So ähnlich auch: Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, § 1 Rn. 45; Achenbach, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Schwind 2006, S. 177 [182, 187]. 278 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [901]. 279 Hülsberg/Scheben, Wirtschaftskriminalität – Möglichkeiten und Grenzen von Präventionsmaßnahmen, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 97 [100]; zum Verhältnis von Wirtschaftskriminalität und Korruption: Fischer, Wirtschaftskriminalität und Korruption, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 3.
90
Kap. 1: Grundlegung
Korruptionshandlung kann auch nur dann den Untreuetatbestand erfüllen, wenn überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes knüpft häufig schon im Vorfeld der eigentlichen Korruptionshandlung im Sinne einer Übergabe der Korruptionsleistung an, z. B. bei der Bildung und Unterhaltung einer schwarzen Kasse, die regelmäßig nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar ist – unabhängig von der Verwendungsabsicht.280 Da Korruption umfassend gemäß §§ 299, 300, 331, 332, 336, 339 StGB strafbar ist, findet die Allokation der Korruptionsleistung (zumeist: Geld) zwangsläufig in verdeckten, d. h. schwarzen Kassen statt. Ein Schaden kann, was in der Praxis häufig vorkommt, jedoch auch darin liegen, wenn Gelder des Treugebers zu Korruptionszwecken fehlgeleitet werden281 und an den Treunehmer über den Umweg des Geschäftspartners zurückfließen – so genannte kick-backGeschäfte. Sofern die Korruption auch als Untreue strafbar ist, ist es folglich auch möglich, die kriminologischen Erkenntnisse hierzu auf die Untreue zu übertragen. Letztlich hat die Untreue viele verschiedene Facetten. In der Phänomenologie haben sich bereits viele Untergruppen herausgeprägt. Für Teilbereiche, so z. B. die „Organuntreue“, wird behauptet, die Untreue sei geradezu ein typisches Wirtschaftsdelikt unserer Zeit.282 Besser scheint jedoch die Untersuchung kriminologischer Einzelfragen283, aus denen ein Gesamtbild zusammengesetzt werden kann. gg) Prämissen für die weitere Untersuchung Die Charaktermerkmale der Wirtschaftskriminalität müssen im Rahmen dieser Untersuchung die Untreue einschließen. Untreue stellt im Regelfall auch Wirtschaftskriminalität dar. Die Fälle, in denen die Untreue keine Wirtschaftskriminalität darstellt, sind zwar nicht durch die allgemeinen Theorien zum Wirtschaftsstrafrecht erfasst, jedoch durch den eigenen Ansatz einer materiell-rechtlichen kriminologischen Analyse, der insofern unabhängig einer Definition von Wirtschaftsdelinquenz ist. Als Ergebnis für die weitere Untersuchung sind folgende Prämissen festzuhalten: Untreue stellt im Regelfall auch Wirtschaftskriminalität dar. Nach welcher Definition dies der Fall ist, ist irrelevant, solange diese Definition die Untreue als Wirtschaftskriminalität einordnet und mit den materiell-rechtlichen Schlussfolgerungen im Fortgang der Arbeit in Einklang steht. In diesen Fällen sind die kriminologischen Erkenntnisse zur Wirtschaftskriminalität auch auf die Untreue übertragbar. Falls im Schrifttum keine Stellung zur zu Grunde gelegten Definition von Wirtschaftskriminalität bezogen wird (was häufig der Fall ist), ist vom Regelfall auszugehen, dass
280
Vgl. statt vieler: BGHSt 40, 287 (Haushaltsuntreue); BGH, Urt. v. 18. 10. 2006 (Kanther/Weyrauch); BGHSt 52, 323 (Siemens). 281 Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, S. 441 Rn. 110. 282 Schünemann, Organuntreue, S. 7. 283 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 35; Bussmann, Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 57 [81].
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
91
die Definition auch die Untreue nach § 266 StGB umfasst, es sei denn im Einzelfall zeigen sich gegenteilige Anhaltspunkte. Im Folgenden soll die Untreue zuerst anhand der verschiedenen Hauptkriterien, die im Laufe der Zeit zur Definition von Wirtschaftskriminalität herangezogen wurden, kriminologisch untersucht werden; namentlich sind das täterbezogene, tatbezogene und opfer-/schadensbezogene Kriterien. c) Erkenntnisse der täterbezogenen Theorien aa) „Earning and burning money“ Tätern in white collars, Wirtschaftskriminellen, wird eine doppelbödige Moral vorgeworfen: Sie verhalten sich wie ein Chamäleon, sind besonders anpassungsfähig und haben hohes berufliches Prestige in hoher sozialer Stellung.284 Wirtschaftskriminelle zeigen damit keine sichtbaren Verhaltensauffälligkeiten.285 Ausnahmsweise und selten286 stechen einzelne Täter als hedonistische sowie narzisstische Persönlichkeiten287 hervor, die teilweise einen auffällig exotischen Lebenswandel pflegen (Häuser und Villen im In- und Ausland, luxuriöse Limousinen, Yachten, Freundinnen bzw. „Geliebte“ etc.)288. Auch wird Wirtschaftskriminellen eine besondere Werteeinstellung zugeschrieben, die vor allem an Macht, Leistung und Konformität orientiert sei.289 Sollten diese Charaktereigenschaften bzw. Werteeinstellung jedoch beim Täter vorliegen, so sind sie meist subtil und weniger gut sichtbar.290 Man könnte folglich von intransparenten Tätereigenschaften bzw. einer intransparenten Tätereigenschaft sprechen. Bussmann beschreibt den typischen Wirtschaftskriminellen als risikofreudig, kreativ, entscheidungswillig, stark karriere-, erfolgs-, publizitätsorientiert und mit extravertiertem Charakter – was seiner Meinung nach auch alles Eigenschaften vieler erfolgreicher Manager sind.291 Hieraus ergibt sich das Dilemma, dass der typische
284
Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 1 ff. Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 12; Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S. 216 (für Korruption). 286 Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S. 211 (für Korruption). 287 Blickle/Schlegel/Fassbender/Klein, Some Personality Correlates of Business WhiteCollar Crime, in: 55 Appl. Psychol.-Int. Rev. 220 [222] (2006). 288 Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S. 211. 289 Schlegel, Werthaltungen inhaftierter Wirtschaftsdelinquenten, in: Schlegel, Wirtschaftskriminalität und Werte, S. 113 [152 ff.]. 290 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 15. 291 Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203 [206]; Hug, Die Hemmschwelle liegt tiefer, in: NZZ v. 16. 11. 2003. 285
92
Kap. 1: Grundlegung
Wirtschaftskriminelle typische Eigenschaften eines normalen, ja sogar erfolgreichen, Managers zeigt.292 Die Überlegungen zu Wirtschaftskriminellen können auch auf den Untreuetäter übertragen werden. Dadurch, dass gerade keine verlässlichen Angaben zur Täterpersönlichkeit gemacht werden können,293 kann sich der Täter im Verborgenen halten. Schon die Eigenschaften des Täters, selbst in der Retrospektive, kann man als intransparent bezeichnen. Gerade die soziale Unauffälligkeit294 des Täters ist bezeichnend für die Intransparenz während der Tatbegehung. Das zeigt sich auch darin, dass die durch Empirie hervorgebrachten Angaben, der Täter einer Wirtschaftsstraftat sei durchschnittlich männlich, 38 Jahre alt, verheiratet, römisch-katholisch und habe zwei Kinder295 in gewissem Maße auf fast beliebig jedermann bezogen werden können. Dass regelmäßig ein Täter mit intransparenten Eigenschaften auch wesentlich dazu beiträgt, dass die komplette Tat intransparenter ablaufen wird, bestätigt sich gerade bei der Untreue. Die intransparenten Tätereigenschaften bei der Untreue sprechen letztlich für den Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. bb) Neutralisierungstechniken Im Zusammenhang mit der Erklärung von Wirtschaftskriminalität werden Neutralisierungstechniken296 als personale Risikofaktoren angesprochen: Klassischerweise die Verneinung des Schadens, die Ablehnung der Strafvorschriften, die Verlagerung der Verantwortung oder die Berufung auf Reziprozität.297 Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum diese Aufzählung abschließend sein muss. Die Idee einer persönlichen Neutralisierung der Tat (auch im Vorfeld einer Tat) kann problemlos auch auf Intransparenz als Neutralisierungsmittel übertragen werden. Intransparenz kann Neutralisierungstaktiken fördern: bei der Untreue ist der Übergang in das Unerlaubte nicht so deutlich erkennbar, wie z. B. bei einem Gewaltverbrechen.298 Eine Tat, die sich, teilweise sogar für den Täter selbst, undurchschaubar und wenig sichtbar zeigt, wirkt auf den Täter weniger tathemmend als ein deutlich sichtbarer Rechtsbruch, da auch das subjektive (und damit wesentliche) Entdeckungsrisiko299 als geringer eingeschätzt wird. 292 Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203 [206]; Hug, Die Hemmschwelle liegt tiefer, in: NZZ v. 16. 11. 2003; Bussmann, Werte schaffen Sicherheit, in: Personalwirtschaft 2004, 20. 293 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 10. 294 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 9 f. 295 Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MschrKrim 2004, 1 [11]. 296 Coleman, Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime, in: 93 Am. J. Sociol. 406 (1987). 297 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 24. 298 Allgemein für Wirtschaftskriminalität: Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 47. 299 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 56.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
93
Falls Untreuetathandlungen intransparent ablaufen, führt das folglich dazu, personale Hemmnisse durch Neutralisation zu verringern bzw. erhöht mit anderen Worten die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung. Wegen der höheren Tatwahrscheinlichkeit bei Intransparenz liegt insofern ein Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz vor. Damit sprechen die täterbezogenen Überlegungen zu Wirtschaftskriminellen, die Täterpersönlichkeit und die Existenz von Neutralisierungstaktiken, für einen bei begangenen Untreuetaten vorhandenen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. d) Erkenntnisse der tatbezogenen Theorien aa) Das „fraud triangle“ Ein bekannter und früher Ansatz für die Erklärung von Wirtschaftskriminalität stellt das „fraud triangle“ dar, den Cressey im Rahmen seiner Dissertation in den 1940er Jahren entwickelte.300 Darin nennt er drei Voraussetzungen einer wirtschaftskriminellen Handlung: Gelegenheit, Motivation, Rechtfertigung.301 Den ersten einheitlichen Erklärungsansatz für die Entstehung von Wirtschaftskriminalität stellt die Arbeit „Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime“302 von Coleman dar. Coleman analysiert die seiner Meinung nach beiden Hauptfaktoren für Wirtschaftskriminalität: Motivation und Gelegenheit, wobei er mit einer detaillierten Analyse der verschiedenen Arten von Gelegenheiten abschließt, da keine noch so sophistizierte Theorie die Motivation für Wirtschaftskriminalität erklären könne.303 bb) Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns Das so genannte Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns304 knüpft an die Arbeit von Coleman an, wobei stärker auch auf personale Risikofaktoren abgestellt wird;305 das Verlaufsmodell vereint in sich unter anderem die Grundannahmen der kriminologischen Theorien des routine activity approach, der
300
Hülsberg/Scheben, Wirtschaftskriminalität – Möglichkeiten und Grenzen von Präventionsmaßnahmen, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 97 [100]. 301 Hülsberg/Scheben, Wirtschaftskriminalität – Möglichkeiten und Grenzen von Präventionsmaßnahmen, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 97 [100]. 302 Coleman, Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime, in: 93 Am. J. Sociol. 406 (1987). 303 Coleman, Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime, in: 93 Am. J. Sociol. 406 (1987). 304 Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 ff. 305 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 25.
94
Kap. 1: Grundlegung
strain- und social control-Theorien sowie der Neutralisationstechniken.306 Deshalb werden die einzelnen Theorien auch an dieser Stelle diskutiert, sofern sie von Relevanz für die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz sein werden und über die Annahmen des Verlaufsmodells hinausgehen bzw. von diesen abweichen. Das Leipziger Verlaufsmodell wurde 2006 von Schneider entwickelt;307 es stellt den Versuch dar, wirtschaftskriminologisch relevante Faktoren zu benennen und zu systematisieren.308 Situative und personale Risikofaktoren werden auf drei Verlaufsebenen bezogen: die Verlaufsebene der Wahrnehmung einer kriminogenen Situation, die der Interpretation der kriminogenen Situation als günstige Gelegenheit und die des deliktischen Handelns in dieser Situation.309 cc) Der „routine activity approach“ Der routine activity approach bezog sich in seiner ursprünglichen Fassung vor allem auf die Erklärung von Gewaltverbrechen im weiteren Sinn,310 also nicht auf Wirtschaftskriminalität, die teilweise gerade dadurch definiert wird, dass sie die Erlangung illegitimer Vermögenswerte ohne physisches Zutun sei.311 Voraussetzung für Verbrechen ist nach dem routine activity approach eine temporale und lokale Konvergenz eines entschlossenen Täters (motivated offender), eines tauglichen Ziels (suitable target) und des Fehlens eines geeigneten Beschützers (absence of capable guardians).312 Die den Täter motivierenden, also personalen Faktoren werden nicht untersucht, ohne diese jedoch zu leugnen.313 Vor allem strukturelle Veränderungen in Routinetätigkeiten des täglichen Lebens beeinflussen die Konvergenz der namentlich drei notwendigen Elemente für ein Verbrechen und damit Kriminalität selbst.314 Mittlerweile wird der routine activity approach auch auf Wirtschaftskriminalität
306 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [5]. 307 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [5]. 308 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 26. 309 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [5]. 310 Cohen/Felson, Routine Activity Approach, in: 44 Am. Sociol. Rev. 588 [589] (1979): „direct-contact predatory crime“. 311 Edelhertz, The Nature, Impact, and Prosecution of White-Collar crime, S. 3. 312 Cohen/Felson, Routine Activity Approach, in: 44 Am. Sociol. Rev. 588 [604] (1979). 313 Cohen/Felson, Routine Activity Approach, in: 44 Am. Sociol. Rev. 588 [605] (1979). 314 Cohen/Felson, Routine Activity Approach, in: 44 Am. Sociol. Rev. 588 [589] (1979).
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
95
angewendet,315 wobei eine kriminogene Situation im Arbeitsalltag dadurch zustande kommt, dass sicherheitsrelevante Tätigkeiten ohne Kontrolle durch Dritte von ein und derselben Person durchgeführt werden.316 Gerade die moderne Wirtschaftswelt begünstigt mit häufig anonymen und überörtlichen Kontakten317 leicht die situativen Faktoren für Verbrechen: suitable target und absence of a capable guardian.318 Das Leipziger Verlaufsmodell verfeinert an dieser Stelle den routine activity approach dahingehend, dass die kriminogene Situation noch vom Täter als solche wahrgenommen und als günstige Gelegenheit bewertet werden muss (Wahrnehmungsfilter), bevor es zur Begehung der Straftat kommen kann.319 Unter Rückgriff auf die strainund social-control-Theorien sollen schließlich drei Gruppen von personalen Risikofaktoren mit kriminovalenten und kriminoresistenten Ebenen erklären, warum der eine Täter die günstige Gelegenheit erkennt und auch ergreift, wohingegen andere schon gar nicht die Situation als günstige Gelegenheit erkennen bzw. trotzdem keine Straftat begehen.320 Bei den personalen Risikofaktoren wird zwischen dem Gelegenheitsergreifer (risk taker) und dem Gelegenheitssucher (risk seeker)321 differenziert. Dass das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns gerade auch für die Untreue zutrifft, zeigt eine empirische Evaluation, die die Ergebnisse auch für die Untreue als zweithäufigstes Delikt des Untersuchungssamples bestätigt.322 dd) Schlussfolgerungen zum Wirkungszusammenhang In Bezug auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz sind vor allem – aber nicht nur – die situativen Faktoren in den 315 Zur Übertragbarkeit des routine activity approach auf Wirtschaftskriminalität vgl.: Vold/Bernard/Snipes, Theoretical Criminology, S. 206; Shover/Coffey/Hobbs, Crime on the Line, in: 43 Brit. J. Criminol. 489 f. (2003). 316 Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [560]. 317 Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 23. 318 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 27. 319 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [5]; Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [558; 560 ff.]. 320 Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555 [559]. 321 Vereinzelt wird vertreten, dass der Gelegenheitssucher durch verschärfte interne Kontrollen geradezu provoziert wird, Wirtschaftskriminalität zu begehen („zweiter Paradoxoneffekt“) (Bussmann, Causes of Economic Crime and the Impact of Values, S. 9); nach hier vertretener Ansicht dürfte dies nur bei lückenhaften Kontrollen und bei einzelnen wenigen Gelegenheitssuchern zutreffen; zudem sind die sonstigen Kriminalitätsfaktoren weiterhin zu berücksichtigen. 322 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [8].
96
Kap. 1: Grundlegung
Ansätzen von Coleman und Schneider von Relevanz. Viele dieser Faktoren sprechen nämlich für einen Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. Unter dem Begriff der Tatgelegenheit bzw. günstigen Gelegenheit wird eine physische reale Situation verstanden, die die Möglichkeit, einen Vermögensvorteil zu erzielen bietet.323 Gelegenheiten zeichnen sich so vor allem durch Kontrolldefizite – wichtig: während – der Tatbegehung aus.324 Aber auch die subjektive Wahrnehmung des Entdeckungsrisikos,325 das bei der Bewertung einer Situation als günstige Gelegenheit durchaus vom objektiven Entdeckungsrisiko abweichen kann, spielt eine entscheidende Rolle.326 Das Leipziger Verlaufsmodell ist insofern mit den Kriterien suitable target und absence of a capable guardian des routine activity approaches deckungsgleich. Intransparente Verhältnisse stellen in vielen Fällen eine solche günstige Gelegenheit bzw. ein absence of a capable guardian dar. Intransparenz führt dazu, dass eine Gelegenheit zur „günstigen“ wird. Die Undurchschaubarkeit der Verhältnisse ist ein objektiver Zustand einer Personen- und/oder Sachbeziehung; durch Intransparenz ist das Entdeckungsrisiko objektiv vermindert. Aber auch subjektiv erzeugt Intransparenz beim Täter zum Zeitpunkt der Begehung der Tat den Eindruck, unentdeckt handeln zu können. Selbst wenn längerfristig mit einer Aufdeckung zu rechnen wäre, erzeugt Intransparenz subjektiv eine günstige Gelegenheit.327 Mit den Worten des routine activity approaches handelt es sich bei Intransparenz um einen Zustand „in absence of a capable guardian“. Genauer: Eine intransparente Situation muss nicht notwendig nur das absence of a guardian darstellen. Intransparenz macht nämlich aus einem capable guardian einen incapable guardian. Denn selbst bei Anwesenheit eines guardian führt die Undurchschaubarkeit der Situation dazu, dass der guardian kontrollohnmächtig (incapable) wird. Damit kann Intransparenz selbst bei Anwesenheit eines Kontrolleurs dazu führen, dass das Kriterium absence of a capable guardian funktional erfüllt sein kann. Intransparenz kann somit dazu beitragen, die situativen Voraussetzungen für Wirtschaftskriminalität zu schaffen. Der routine activity approach und das Leipziger Verlaufsmodell sind multikausale Theorien (situative und personale Risikofaktoren), 323
Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [9]. 324 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [9]. 325 Insofern handelt der Täter nicht als homo oeconomicus, der auch langfristige Kosten (Entdeckunsrisiko) berücksichtigen müsste: Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [10]; Bussmann, Der Faktor „Mensch“ im Unternehmen, in: FORUM Wirtschaftsethik 2007, 12 [18]. 326 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [9 f.]. 327 Vgl. auch oben zu Neutralisierungstaktiken unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. c) bb).
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
97
sodass Intransparenz alleine nicht zwangsläufig zu Wirtschaftskriminalität und damit auch zu Untreue führt. Dies entspricht auch der eingangs aufgestellten Hypothese, die den Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz nicht im Sinne einer Kausalität versteht. In einer empirischen Evaluation des Leipziger Verlaufsmodells zeigte sich zudem, dass Täter, die dem personellen Täterprofil des Gelegenheitsergreifers entsprechen, häufig aus einer intransparenten Situation heraus agierten, so z. B. Täter, von denen keiner näher wusste, was sie im Unternehmen genau taten, nur jährlichen Kontrollen unterzogen waren, undurchschaubare Tätigkeiten (auch vom Aufwand her) ausübten und wegen besonderem Vertrauen nur geringer allgemeiner Kontrolle ausgesetzt waren.328 Bei Tätern hingegen, die als Gelegenheitssucher identifiziert wurden, konnte beobachtet werden, dass diese sich bewusst undurchschaubare Situationen – also: Intransparenz – geschaffen haben: So z. B. durch gezieltes Herbeiführen von Informationsasymmetrien, durch Gründung von Scheinfirmen, Fälschung von Bilanzen, Fingieren von Aufträgen, Umsätzen etc.329 Weiter auffällig in diesem Sinne ist, dass, wenn ein Engagement im Ausland erfolgt, oft solche Staaten gewählt werden, die ein striktes Bankgeheimnis pflegen,330 folglich Intransparenz begünstigen. Die Möglichkeiten einer modernen Industriegesellschaft, insbesondere die technologische Entwicklung (technischen Möglichkeiten der Kommunikation und elektronischen Datenverarbeitung) führen oftmals zu einer mangelnden Durchschaubarkeit wirtschaftlicher Verhältnisse.331 Dies sind alles Faktoren, die dazu beitragen, Wirtschaftskriminalität zu erleichtern.332 Umgekehrt formuliert weist die Untreue, wenn sie als Wirtschaftsstraftat im Sinne des § 74c Abs. 1 Nr. 6 GVG verfolgt wird, besonders komplexe Tatbestandskombinationen auf.333 ee) Der rational choice approach Der rational choice approach334 basiert auf der Annahme, dass sich ein vernünftig handelnder Mensch auf Grund einer Kosten-Nutzen-Analyse für oder gegen Delinquenz entscheidet.335 Bei dieser Analyse treten auf Kostenseite Kriterien auf, wie 328 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [11]. 329 Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4 [11]. 330 Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391 [395]. 331 Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 23; § 73 Rn. 8. 332 Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 23. 333 Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 10. 334 Becker, A Theory of Social Interactions, in: 82 J. Pol. Econ. 1063 (1974); Cornish/ Clarke, The Reasoning Criminal, S. 1. 335 Schwind, Kriminologie, § 6 Rn. 19a.
98
Kap. 1: Grundlegung
das Risiko, gefasst zu werden oder eine gesellschaftliche Stellung zu verlieren.336 Eine bestehende Transparenz des Handelns würde demgemäß vom potentiellen Täter als Erschwerung der Tat auf der Kostenseite wahrgenommen werden, da Transparenz objektiv die Chance erhöht, als Täter gefasst bzw. sozial geächtet337 zu werden. Dies bestätigt eine Untersuchung, die gezeigt hat, dass für eine wirksame Prävention bei Wirtschaftskriminalität die Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit entscheidend ist.338 Vor allem das subjektive Entdeckungsrisiko schreckt hierbei ab.339 Zu beachten ist indes, dass diese Kosten-Nutzen-Analyse durch eine Verschiebung von Hemmschwellen im Sinne der special opportunity crimes (wobei auch Intransparenz selbst zur Hemmschwellenverschiebung führen kann340) überlagert werden kann; dies gelte vor allem für Taten, deren Dunkelfeld als extrem hoch eingeschätzt wird,341 wie z. B. die Untreue. Nicht erklären könne der Ansatz jedoch Taten, die aus dem Affekt heraus begangen werden.342 Diesen Einwand muss sich die Theorie in der Anwendung auf die Untreue jedoch nicht gefallen lassen, da gerade die Untreue – in Übereinstimmung mit der täterbezogenen Definition von Wirtschaftskriminalität – kein Affektdelikt, sondern ein sog. Intelligenzdelikt darstellt.343 Das rational choice Modell wurde vielfach weiterentwickelt und modifiziert, so z. B. von Esser, der anhand von frames, die als Filter einer rational-choice-Entscheidung vorgeschaltet sind, der Komplexität einer Entscheidungssituation gerecht werden will.344 In Bezug auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz stellt das rational choice Modell eine intermediäre Theorie dar. Das rational choice Modell kann die subjektive Auswirkung von Transparenz auf den (potentiellen) Täter erklären, indem es bestimmten objektiven Faktoren, die dem Transparenzmerkmal sehr ähneln, eine subjektive Auswirkung im Sinne einer Tatförderung bzw. eines Tathemmnisses zuordnet. Die objektive Dimension transparenter Situationen, die zu einer schwer zu leugnenden erhöhten Aufklärung führt, wird so auf die wichtigeren subjektiven Faktoren einer Untreuetat bezogen. Diese können zudem einen größeren Einfluss auf eine potentielle Tat reklamieren, da sie unabhängig von Kontrolle Dritter wirken. Dies wird auch in verschiedenen Präventionsvorschlägen zur Wirtschaftskriminalität erkannt, indem 336 Schwind, Kriminologie, § 6 Rn. 19a; Bussmann, Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 57 [73]. 337 Bussmann, Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 57 [73]. 338 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 51. 339 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 56. 340 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. d) dd). 341 Schwind, Kriminologie, § 6 Rn. 19a; § 21 Rn. 41; Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391 [394]. 342 Schwind, Kriminologie, § 6 Rn. 19d. 343 So allgemein für Wirtschaftskriminalität: Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 79. 344 Esser, Soziologie – Spezielle Grundlagen, Bd. VI, S. 259 ff.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
99
zwischen technischer und persönlichkeitsbezogener, also subjektiv empfundener Kontrolle,345 unterschieden wird. Ein weiterer Vorteil des rational choice Modells besteht darin, die subjektiven Auswirkungen nicht alleine mit nur objektiven Faktoren zu begründen. So kann auch eine subjektive Wahrnehmung berücksichtigt werden, die in Diskrepanz zu einer objektiven Realität steht. Transparenz ist zwar zunächst ein objektiver Zustand einer Personen- und/oder Sachbeziehung. Jedoch kann auch eine objektiv intransparente Situation vom Täter als transparente Situation wahrgenommen werden. Das rational choice Modell bestätigt sowohl für objektiv intransparente und so vom Täter erkannte Situationen wie auch für objektiv transparente, jedoch subjektiv als intransparent wahrgenommene Situationen ein geringeres Tathemmnis als in transparenten bzw. transparent wahrgenommenen Situationen. Insofern bestätigt es die Annahme eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. ff) Die principal agent theory Die principal agent theory346 beschäftigt sich mit der systematischen Analyse von Delegationsbeziehungen, bei denen ein Prinzipal einem Agenten mit der Wahrnehmung einer Aufgabe betraut.347 Die auf Ross und Jensen/Meckling zurückgehende Theorie geht von der zentralen Annahme aus, dass zwischen Prinzipal und Agent eine Informationsasymmetrie und abweichende Zielvorstellungen vorherrschen.348 Die Informationsasymmetrie entsteht dadurch, dass der Prinzipal bestimmte Eigenschaften und Handlungen des Agenten nicht vollständig beobachten kann.349 Dies hat zur Folge, dass dem Agenten ein diskretionärer Handlungsspielraum entsteht.350 Dieser diskretionäre Handlungsspielraum, d. h. die Möglichkeit, unbeobachtet und unkontrolliert Handlungen vorzunehmen, schafft dann die Gelegenheit, wirtschaftskriminelle Handlungen zu begehen.351 Auf die Untreue bezogen, liegt in der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer die im Rahmen der principal agent theory erwähnte Delegationsbe345
Hülsberg/Scheben, Wirtschaftskriminalität – Möglichkeiten und Grenzen von Präventionsmaßnahmen, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 97 [102]. 346 Grundlegend: Jensen/Meckling, Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: 3 J. Financ. Econ. 305 (1976). 347 IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 19. 348 IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 19. 349 Zum Problem des „Kontrollregresses“: Techmeier, Korruptionsentstehung und Korruptionsbekämpfung aus der Unternehmensperspektive, in: Neue Kriminalpolitik 2006, 82 [84]. 350 IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 19. 351 IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 20.
100
Kap. 1: Grundlegung
ziehung. Der Treugeber delegiert an den Treunehmer eine vermögensbezogene Rechtsmacht. Die Folge ist eine daraus regelmäßig entstehende Informationsasymmetrie; der Treunehmer hat fortan die Rechtsmacht, (teilweise) über das Vermögen des Treugebers ohne dessen Mitwirkung und ohne diesen informieren zu müssen zu disponieren. Die principal-agent-Situation in Gestalt einer Rechtsmacht des Agenten verschiebt zwangläufig die Last auf den Prinzipal, dafür zu sorgen, dass gerade keine Informationsasymmetrie entsteht. Häufig dürfte jedoch gerade in der Delegation von Rechtsmacht die Notwendigkeit zum Ausdruck kommen, nicht selbst die Rechtsmacht aus praktischen Gründen alleine ausüben zu können. Die Konsequenz liegt darin, den Agenten nicht in hohem Maße kontrollieren zu können; das ist im Übrigen auch nicht der Sinn einer Delegation. Nicht selten ist auch eine schon bestehende Informationsasymmetrie Grund für die Delegation von Rechtsmacht an einen Treunehmer. Im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips sollen vermögensrelevante Entscheidungen an den Stellen – z. B. in einem Unternehmen – getroffen werden, die auch im Detail und ohnehin mit den relevanten Informationen befasst sind. Wie groß eine Informationsasymmetrie im Rahmen einer Treugeber-Treunehmer-Beziehung ist, hängt von endogenen Rahmenbedingungen ab. Eine solche endogene Rahmenbedingung, d. h. aus der Sphäre zwischen Prinzipal und Agenten stammend, ist vor allem der Formalisierungsgrad von Entscheidungsprozessen.352 Dieser legt nämlich auch die Dokumentationserfordernisse von Entscheidungen fest, die ihre Kontrollierbarkeit maßgeblich beeinflussen353 und damit direkte Auswirkungen auf die Höhe des Informationsgefälles haben. Formalisierungsgrad von Entscheidungen und Dokumentationserfordernisse in einem untreuerelevanten Treueverhältnis wiederum beschreiben nichts anderes als Teilaspekte, an denen sich der Grad von Transparenz in einer namentlichen Beziehung bestimmen lassen kann. Auch in der Untreuebeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer können abweichende Zielvorstellungen gegeben sein. In Kombination mit einer Informationsasymmetrie entsteht letztlich eine Untreuetatgelegenheit, womit die eingangs aufgestellte Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz erhärtet wäre. e) Erkenntnisse der opferbezogenen Theorien Unter einem viktimodogmatischen Aspekt kommt dem Untreuetatbestand die Aufgabe zu, eine sonst, und bildhaft gesprochen, „schutzlose Rechtsgutsflanke“354 einzudämmen. Besonderheiten ergeben sich aus dem Angriff auf das Vermögen „von
352
IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 22. 353 IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 22. 354 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
101
innen heraus“355. Schünemann erkennt jedoch gleichzeitig eine Pflicht, dem verfassungsrechtlichen356 ultima-ratio-Prinzip insofern Rechnung zu tragen, als dass bei ausreichenden zivilrechtlichen Schutzmechanismen eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB zurücktreten muss357 – was in Wirklichkeit dazu führt, dass das Strafrecht insofern als sola ratio358 zum Rechtsgüterschutz wirkt. Dies bedeutete im Umkehrschluss, dass sich das potentielle Opfer auch der zivilrechtlichen Instrumente zu seinem Schutz bedienen müsse. In welchem Maße das Vermögen des Opfers dem Täter ausgeliefert ist, hängt somit maßgeblich auch vom Opferverhalten359 selbst ab. Diese Überlegung rechtfertigt, gerade in der Wirtschaftskriminologie nach einer Mitverantwortlichkeit360 des Opfers zu fragen. So betrachtet könnte man der Untreue auch einen selbstschädigenden Charakter zuschreiben. Die Untreue ist zwar kein Selbstschädigungsdelikt im eigentlichen Sinne, wie der Betrug nach § 236 StGB,361 bei dem unmittelbar als causa finalis die Verfügung des Opfers sich vermögensmindernd auswirken muss.362 Jedoch kann man bei der Untreue insofern von einem selbstschädigenden Charakter sprechen, als dass Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 266 StGB regelmäßig ein „Ausliefern“ des Vermögens363 an den Täter durch das Opfer selbst ist. Die Untreue gemäß § 266 StGB schützt gerade denjenigen, der sehenden Auges seine wirtschaftlichen Interessen in fremde Hände legt und auf die Redlichkeit des Beauftragten hofft und nicht zuletzt auf diese angewiesen ist.364 Die Opfermitwirkung liegt in der Form der Preisgabe einer rechtlichen (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB)365oder auch tatsächlichen (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB)366 Macht an einen Dritten, begrenzt im Innenverhältnis in beiden Varianten des § 266 Abs. 1 StGB jedenfalls durch die Vermögensbetreuungspflicht, auf das Opfervermögen überhaupt erst einzuwirken zu können. Ausgenommen sind natürlich die in der Untreuepraxis seltener relevanten Fälle, in denen unmittelbar das Gesetz sowohl Einwirkungsmacht 355 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1; Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [474]; BVerfGE 126, 170 [201]. 356 BVerfGE 39, 1, 47; 88, 203, 258; 90, 1, 213. 357 Schünemann, Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts, in: FS Bockelmann 1979, S. 117 [128 ff.]; Schünemann, Strafrechtssystem und Kriminalpolitik, in: FS Schmitt 1992, S. 117 [127 ff.]. 358 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 1. 359 Haas, Die Untreue, S. 53. 360 Bussmann/England/Hienzsch, Risikofaktor Wirtschaft?, in: MschrKrim 2004, 260; Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203 [209]; diese Überlegung findet sich auch in der geschichtlichen Untersuchung der Untreue wieder, siehe unter Kapitel 1, § 2, A. III. u. Kapitel 1, § 2, B. 361 Ganz h.A.: BGHSt 14, 171; 17, 209; 31, 179; 41, 198; Fischer-StGB, § 263 Rn. 70. 362 BGHSt 14, 170 f.; 17, 205 [209]. 363 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [890] m.w.N. 364 BVerfGE 126, 170 [201]; Perron, Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: GA 2009, 219 [223]. 365 Fischer-StGB, § 266 Rn. 10; OLG Hamm, in: NJW 1972, 299. 366 Fischer-StGB, § 266 Rn. 33.
102
Kap. 1: Grundlegung
als auch Vermögensbetreuungspflicht bestimmt. Dies ist z. B. bei der Eltern-KindBeziehung im Hinblick auf die Vermögensfürsorge der Eltern für das Kind der Fall.367 In diesen Ausnahmefällen kann nicht von einer Opfermitwirkung (hier: des Kindes) gesprochen werden.368 Häufig wird jedoch im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität nur wenig differenziert und von einem „internem Kriminalitätsrisiko“ gesprochen.369 Der Fokus zur Reduzierung dieses Risikos wird dabei konsequenter Weise auf Kontrolle und Reduzierung von Tatgelegenheiten gelegt.370 So wird z. B. die interne Kontrolle und interne Revision als Faktor der Verbrechensverhütung angesehen, gerade auch im Kontext des § 266 StGB. Bei Prävention ist zu unterscheiden zwischen Prävention durch nachträgliche Aufdeckung und Verhinderung weiterer Taten und der Prävention durch positive Täterbeeinflussung, also Abschreckung.371 Beide Arten der Prävention jedoch entsprechen dem oben dargelegten Verständnis eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. Zu dem Ergebnis kommt auch eine internationale Studie, die empirisch zeigt, dass die Häufigkeit der Kontroll- und Aufdeckmechanismen so stark wie kein anderer Faktor mit der Aufklärung von Wirtschaftskriminalität korreliert.372 Eine andere Untersuchung hat gezeigt, dass ein Teilbereich der Tatgründe in den mangelnden und vor allem zeitnahen internen Kontrollen liegt.373 Der Begriff der Kontrolle korreliert eng mit dem Transparenzmerkmal. Da Transparenz keineswegs im hier verstandenen Sinne bedeutet, dass ausschließlich der Handelnde und nicht auch Dritte eine Personen- und/oder Sachbeziehung transparent werden lassen können, kann auch Kontrolle zu Transparenz des Handelns dritter Kontrollobjekte führen. aa) Kontrollvakuum bei selbständigen Rechtspersönlichkeiten Das Umfeld der heutigen Wirtschaftswelt begünstigt den kriminellen Missbrauch dadurch, dass die Möglichkeiten eines Missbrauchs durch Treuhänder allgegenwärtig sind; früher waren Treuhänder nur für wenige Wohlhabende und die oberen Schichten tätig.374 Unter viktimologischen Gesichtspunkten kann nämlich festgestellt werden, dass die Untreue oftmals keinen sichtbaren Schaden und hauptsächlich 367 368 369 370
[261].
§§ 1626 Abs. 1 S. 2 Var. 2, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Ausnahmefälle erwähnt das BVerfG überhaupt nicht: BVerfGE 126, 170 [201]. Bussmann/England/Hienzsch, Risikofaktor Wirtschaft?, in: MschrKrim 2004, 260. Bussmann/England/Hienzsch, Risikofaktor Wirtschaft?, in: MschrKrim 2004, 260
371 Bossard, Die Abwehr von Wirtschaftskriminalität und Vermögensdelikten durch wirtschaftseigene Kontrolle, in: BKA, Beiträge über Wirtschaftskriminalität 1979, S. 139 [142 ff.]. 372 Bussmann/Werle, Addressing Crime in Companies, in: 46 Brit. J. Criminol. 1128 [1131] (2006). 373 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 46. 374 Edelhertz, The Nature, Impact, and Prosecution of White-Collar Crime, S. 4.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
103
juristische Personen als Opfer hat.375 Laut einer älteren bundesweiten Erfassung wurden zwei Drittel aller Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität unter dem Mantel einer Einzelfirma, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft begangen.376 Sachverhalte in einem gesellschaftsrechtlichen Umfeld zeigen regelmäßig eine größere Komplexität und damit die besseren Möglichkeiten zur Verschleierung der kriminellen Handlungen. Der Grund liegt in der rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaften und der Konsequenz einer Trennung von Eigentum und Verwaltung (Organschaft) sowie der Ausübung der Kontrolle durch Personen, die niemals selbst als natürliche Person Eigentümer sind.377 Bei juristischen Personen ist zwingend Eigentum und Verwaltung getrennt.378 Es kann keine juristische Person ohne eine principal-agent-Beziehung geben. Für das Opfer jedoch ist es teilweise unmöglich, die komplexen Vorgänge effektiv zu durchschauen und zu kontrollieren.379 Es stellt sich in solchen Fällen auch das Problem der Institutionalisierung der Kontrolle. Eine juristische Person muss sich immer Dritter (z. B. des Organs nach § 111 AktG: Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft) als Kontrolleure bedienen. Diese Kontrolle ist zwar nicht zwangsläufig qualitativ schlechter, als die Kontrolle durch den Vermögensinhaber selbst, jedoch ist der Inanspruchnahme dritter Kontrolleure eine latente Gefahr schlechterer Kontrolle immanent. Auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs bezogen bedeutet dies, dass in typischen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen die Kontrolle latent schlechter sein kann. Qualitativ schlechte Kontrolle ist auch ein Indiz für Intransparenz. Dies erklärt die hohen Viktimisierungszahlen bei der Untreue in gesellschaftsrechtlichen Konstellationen, was im Ergebnis für einen Zusammenhang zwischen Untreue und Transparenz spricht. bb) Verflüchtigte Opfereigenschaft – Jedermannsrecht zur vorläufigen Festnahme bei der Untreue? Ein weiterer viktimologischer Aspekt ist das Problem der intransparenten Opfereigenschaft bei der Untreue. Häufig bemerken Geschädigte einer Wirtschaftsstraftat auf Grund der komplizierten Tatabläufe nicht, dass sie überhaupt Opfer einer Straftat geworden sind.380
375 Allgemein für Wirtschaftskriminalität: Kaiser, Kriminologie, § 72 Rn. 3 u. § 74 Rn. 23. 376 Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 15. 377 Lutter, Corporate Governance und ihre aktuellen Probleme, in: ZIP 2003, 737; Theile, Strafbarkeitsrisiken der Unternehmensführung, in: wistra 2010, 457 [458]. 378 Die moderne Diskussion bei § 266 StGB konzentriert sich darum auch auf die beherrschenden Fälle der Organuntreue: Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [184 f.]. 379 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [892]. 380 LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009, S. 6.
104
Kap. 1: Grundlegung
Es gibt verschiedene Wege, zu erkennen, ob jemand Opfer381 einer Straftat geworden ist.382 In der Regel kann man schon an der Tathandlung des Täters selbst, d. h. am objektiven Unrechtstatbestand (z. B. die Beschädigungshandlung eines Dritten an einer eigenen Sache bei einer Sachbeschädigung, § 303 StGB) erkennen, ob man Opfer einer Straftat geworden ist. Auch am eingetretenen Schaden – unabhängig der Beobachtung der Verletzungshandlung – kann das Opfer in der Regel leicht erkennen, dass möglicherweise eine Straftat zu seinen Lasten begangen wurde (so z. B. bei der Sachbeschädigung an der Tatsache, dass eine eigene Sache zerstört ist). Je gegenständlicher eine Tat ist, desto leichter ist es, zu erkennen, ob man Opfer derselben geworden sein könnte. Dies gilt auch, zwar in begrenztem Maße, für Dritte, für die in der Regel eine Straftat sowohl am Täterhandeln als auch am Schaden beim Opfer zu erkennen ist. Dass dies bei den meisten Straftaten zutrifft zeigt auch, dass das Gesetz selbst die Sichtbarkeit von Tathandlung und Tatopfer als regelmäßiges Indiz einer Straftat ansieht: § 127 Abs. 1 S. 1 StPO, dem Jedermannsrecht zur vorläufigen Festnahme, wird die Rolle eines prozessualen Mittels zu Sicherung der Strafverfolgung zugeschrieben,383 bzw. eines Mittels, überhaupt erst die Strafverfolgung zu ermöglichen.384 Gleichzeitig erfordert § 127 Abs. 1 S. 1 StPO eine tatsächlich begangene Straftat.385 Höchst umstritten sind indes die Anforderungen an die konkrete Tat – z. B., ob diese auch rechtswidrig und schuldhaft sein muss.386 Teilweise wird vertreten, dass nicht erkennbare Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe das Festnahmerecht unberührt lassen;387 teilweise und verstärkt wird in der Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung auch nur ein hoher Verdachtsgrad verlangt.388 Ausgangspunkt der Kontroverse ist die Tatsache, dass je nach Delikt mehr oder weniger sichtbare Indizien vorliegen, ob auch wirklich eine rechtswidrige und schuldhafte Tat vorliegt, wobei am problematischsten sicherlich die Feststellung der normativen Tatbestandsmerkmale des objektiven Unrechtstatbestandes (z. B. die Fremdheit einer Sache bei der Sachbeschädigung), des subjektivem Unrechtstatbestands, der Rechtswidrigkeit und der Schuld ist.
381 Außer Betracht bleiben die opferlosen Delikte, die nicht zu Lasten bestimmter einzelner Opfer begangen werden, da die Untreue eine Tat ist, die konkretes Opfer verlangt. 382 Es soll hier vom Normalfall einer tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Tat zu Lasten einer Person ausgegangen werden; generell sind v. a. der subjektive Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und Schuld weniger gut sichtbare Elemente einer Tat. 383 RGSt 17, 128. 384 Paeffgen, in: SK-StPO, § 127 Rn. 2. 385 OLG Hamm, in: NJW 1972, 1826; 1977, 590; Schumann, Zum Notwehrrecht und seinen Schranken, in: JuS 1979, 559. 386 Paeffgen, in: SK-StPO, § 127 Rn. 6a f. 387 OLG Stuttgart OLGSt , Nr. 3 zu § 127. 388 Hilger, in: Löwe/Rosenberg-StPO, § 127 Rn. 9; Arzt, Zum privaten Festnahmerecht, in: FS Kleinknecht 1985, S. 1 [6]; BGH, in: NJW 1981, 745; OLG Hamm, in: NStZ 1998, 370; BayObLG, in: MDR 1986, 956; OLG Koblenz, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 1 Ss 31/08, in: DVBl. 2008, 1070; OLG Zweibrücken, in: NJW 1981, 2016.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
105
Die Rechtsprechung diskutiert darum einige Delikte als nicht vereinbar mit der Klassifizierung als „frische Tat“ im Sinne des § 127 Abs. 1 S. 1 StPO durch einen Beobachter: § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB und § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB.389 Diese Feststellungen nimmt Kargl zum Anlass, weitere Straftatbestände auf ihre eine – wie er es nennt: „Festnahmegeeignetheit“ hin zu untersuchen. Generell festnahmeungeeignet seien solche Tatbestände, die kein deutlich wahrnehmbares Tatbild vorgeben.390 Hierzu rechnet Kargl expressis verbis unter anderem auch die Untreue gemäß § 266 StGB, ohne jedoch die speziellen untreuespezifischen Gründe zu nennen.391 Damit schreibt Kargl im Ergebnis der Untreue eine grundsätzlich höhere Intransparenz zu, die eine Tatfeststellung auf Grund des äußeren Tatgeschehens erheblich einschränkt. Dies zum Anlass genommen, soll im Folgenden untersucht werden, warum gerade die Untreue kein wahrnehmbares Tatbild zeigt. cc) Scheinlegale Einkleidung der Tathandlungen Eine Schwierigkeit, Untreuekriminalität zu erkennen, liegt an der scheinnormalen bzw. scheinlegalen Einkleidung der Tathandlungen.392 Die Erkennbarkeit, Opfer einer Untreue geworden zu sein, ist deshalb so gering, weil die Tathandlungen für sich betrachtet indifferente wirtschaftliche Vorgänge sind und deshalb auch prima facie legal erscheinen.393 Erst in der Gesamtschau sind einzelne Handlungen als deliktisch erkennbar.394 Einerseits kann sich das Tatgeschehen in viele verschiedene Einzelakte aufteilen, andererseits können serienmäßig begangene Handlungen eine Breitenwirkung haben, die sich erst in der Summe dieser Einzelhandlungen zeigt.395 Neben der scheinlegalen Einkleidung ist es gerade die Form der Untreuehandlungen, die im Gewande strafrechtlich indifferenter wirtschaftlicher Vorgänge auf dem Gebiet des Zivilrechts auftreten:396 So unterscheidet sich z. B. die Anweisung an eine Bank, eine Zahlung vom Konto des Treugebers zu tätigen, um eine fällige Rechnung zu begleichen, äußerlich nicht von der Anweisung, Geld ohne Rechtsgrund und unter Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht auf ein Konto z. B. des Treunehmers zu transferieren. Auch die subjektive Sensibilisierung bestätigt diese Argumente: Einer 389
BGH, in: GA 1974, 177 f.; OLG Zweibrücken, in: NJW 1981, 2016. Kargl, Inhalt und Begründung der Festnahmebefugnis nach § 127 StPO, in: NStZ 2000, 8 [12]. 391 Kargl, Inhalt und Begründung der Festnahmebefugnis nach § 127 StPO, in: NStZ 2000, 8 [12]. 392 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 55. 393 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 55; Rimann, Wirtschaftskriminalität, S. 28. 394 Tiedemann, Subventionskriminalität in der Bundesrepublik, S. 2. 395 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 56. 396 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 57. 390
106
Kap. 1: Grundlegung
Studie zufolge halten nur acht Prozent der befragten Unternehmensvertreter, deren Unternehmen noch nicht Opfer einer Wirtschaftsstraftat war, es für möglich, dass ihr Unternehmen Opfer einer Wirtschaftsstraftat in Zukunft werden kann.397 Diese Scheinlegalität bzw. die Indifferenz der Tathandlungen bei der Untreue begünstigt insgesamt eine intransparente Tatbegehung. Darum kann regelmäßig bei einer Untreuetat schon wegen der Begehungsformen ein höheres Maß an Intransparenz angenommen werden. Es bestätigt sich damit auch aus viktimologischer Sichtweise die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. f) Eigener Ansatz: materiell-rechtliche Besonderheiten des Untreuetatbestandes Der eigene Ansatz zur Begründung des Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz ist ein hauptsächlich am materiellen Strafrecht der Untreue gemäß § 266 StGB orientierter.398 Im Wesentlichen wird argumentiert werden, dass einige Besonderheiten des Unrechtstatbestandes der Untreue Implikationen auf die Kriminologie der Untreue, namentlich vor allem auf den Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz haben. Schon die dieser Arbeit zu Grunde liegende Definition von Kriminalität399 als Summe des Verhaltens, das durch strafrechtliche Normen sanktioniert wird, impliziert eine gewisse Akzessorietät der Kriminologie vom materiellen Strafrecht. Diese Akzessorietät soll sich im Folgenden nicht nur darin erschöpfen, den sachlichen Untersuchungsbereich der Untreuekriminologie zu definieren. Sie soll zudem – und insofern ungewöhnlich – Argumente und Antworten zur kriminologischen Frage nach dem Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz liefern. Die Tatsache, dass es eine befriedigende spezifische Theorie der Wirtschaftsdelinquenz bis dato noch nicht gibt,400 kann von einer Metaebene aus betrachtet auch bedeuten, dass eine solche unter Umständen auch gar nicht gefunden werden kann. Diese hypothetische Annahme würde geradezu verpflichten, im Rahmen der Kriminologie der Wirtschaftsstraftaten, die jeweiligen deliktsspezifischen Unterschiede, also in diesem Fall die der Untreue nach § 266 StGB, zu berücksichtigen.401 Warum es
397
PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 20. Zu materiell-strafrechtlichen Argumenten in der Kriminologie vgl. Göppinger, Kriminologie, § 1 Rn. 9 ff. 399 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. a). 400 Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [346]. 401 So auch allgemein: Schwind, Kriminologie, § 21 Rn. 19. 398
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
107
gerade bei der Untreue wichtig ist, zunächst die untreuspezifischen Delikts- und Gelegenheitsstrukturen402 zu identifizieren, gilt es im Folgenden aufzuzeigen. aa) Zur Idiosynkrasie der Untreue Die Untreue ist ein reines Vermögensdelikt,403 d. h. das von ihr geschützte Rechtsgut ist ausschließlich das Vermögen.404 Darum liegt auch ihr einziger Erfolgsunwert in der Vermögensschädigung. Damit steht die Untreue jedoch, vor allem im 22. Abschnitt des StGB, grundsätzlich nicht alleine da. Der Handlungsunwert der Untreue hingegen ist auch dadurch gekennzeichnet, dass der Täter in beiden Handlungsalternativen405 des § 266 Abs. 1 StGB eine Treuwidrigkeit begeht, indem er eine eingeräumte Dispositionsbefugnis über fremdes Vermögen fehlgebraucht.406 Aus der Tatsache, dass die Untreue in jedem Falle eine Vermögensbetreuungspflicht des Täters erfordert, ergibt sich schon eine Sonderstellung im StGB, nämlich die in Form eines spezifischen Handlungsunwertes. Diese Erkenntnis wird typischer Weise durch den Rechtsaphorismus, die Untreue sei „die Verletzung des Vermögens von innen heraus“407 ausgedrückt. Kein anderes Delikt im StGB nämlich schützt das Vermögen vor Angriffen von innen heraus – weder Betrug noch Erpressung oder Diebstahl.408 Auch nicht die veruntreuende Unterschlagung, § 246 Abs. 2 StGB, die einerseits unstreitig nur das Eigentum409 und nicht das Vermögen schützt, andererseits mit dem Tatbestandmerkmal der Anvertrauung in § 246 Abs. 2 StGB keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB voraussetzt.410 Nicht zuletzt stellt sich die Untreue in Ansehung ihres Handlungsunrechts auch im internationalen Vergleich als einzigartig dar. In den meisten ausländischen Rechtsordnungen, so z. B. im US-amerikanischen Strafrecht, werden Schädigungen von innen heraus durch allgemeine Vermögensdelikte als „theft offence“ erfasst.411 402 Jedes Wirtschaftsdelikt habe nämlich seine eigene opportunity structure: Benson/ Madensen/Eck, White-Collar Crime from an Opportunity Perspective, in: Simpson/Weisburd, The Criminology of White-Collar Crime, S. 175 f. 403 Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1. 404 Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1. 405 St. Rspr. seit BGHSt 24, 387; stellvertretend für viele: Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 2 m.w.N. 406 Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1 f. 407 So schon: Binding, Lehrbuch Strafrecht BT I, S. 397 (freilich damals nur zum Missbrauchstatbestand); Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [890]; Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [474]; BVerfGE 126, 170 [201]. 408 Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887 [891] m.w.N. 409 Eser/Bosch, in: S/S-StGB, § 246 Rn. 1; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 2. 410 BGHSt 9, 90; Vogel, in: LK-StGB, § 246 Rn. 61; Eser/Bosch, in: S/S-StGB, § 246 Rn. 29; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 40. 411 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 2.
108
Kap. 1: Grundlegung
Ein weiterer Aspekt, der die Untreue als idiosynkratischen Straftatbestand erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass zur Tatbegehung in der Regel rechtsgeschäftliches Handeln erforderlich ist: Die Missbrauchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB, erfordert zwingender Maßen rechtsgeschäftliches Handeln.412 In der Treubruchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB, dagegen ist rechtsgeschäftliches und tatsächliches Verhalten ausreichend,413 wobei der tatsächlich häufigste Fall auch in dieser Alternative das rechtsgeschäftliche Handeln darstellt. Die Untreue erfordert keine Bereicherungsabsicht, insbesondere auch keine Selbstbereicherungsabsicht.414 Damit ist keine besondere Absicht zur Erfüllung des Tatbestandes notwendig, wie dies z. B. beim Diebstahl, Raub, der Erpressung oder dem Betrug der Fall ist. Entgegen der Mehrzahl aller Tatbestände im besonderen Teil des Strafgesetzbuches ist die versuchte Untreue nicht strafbar, da die Untreue kein Verbrechen ist, §§ 23 Abs. 1 HS. 1, 12 Abs. 1, 266 Abs. 1, Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB, und das Gesetz für die Untreue keine Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich bestimmt, § 23 Abs. 1 HS. 2 StGB. bb) Schlussfolgerungen anhand der Idiosynkrasie der Untreue Im Bereich des klassischen Strafrechts sucht man gewöhnlich nach psychologischen und sozialen Argumenten für deviates Verhalten. Durch die Binnenstruktur der Untreue bildet jedoch die Vermögensbetreuungsbeziehung zwischen Täter und Opfer eine weitere Komponente, und zwar eine objektiv-organisatorischer Art.415 Dies stellt ein „Einfallstor“ außerpsychologischer Faktoren dar und kann zusätzliche kriminologische Erkenntnisse liefern, insbesondere auch in Bezug auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. (1) Die Untreue als Kontaktdelikt Das Handlungsunrecht der Untreue, die Verletzung einer regelmäßig zuvor gegenüber dem Täter festgelegten,416 vermögensbezogenen Pflicht, hat zwingend die Konsequenz, dass sich im Falle einer begangenen Untreue Täter und Opfer zuvor schon gekannt haben müssen. Die für beide Varianten des § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht zwischen Opfer und Täter, sei es aus Ge412
Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 15, 17. Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 35. 414 BayObLG, in: GA 1969, 308. 415 Einen ähnlichen Gedanken (auf auf Basis der strain theory; genauso wie Schneider) hat Kölbel in Bezug auf Unternehmenskriminalität, die er als wirtschaftskriminelles Verhalten von Unternehmensmitgliedern zu Gunsten des Unternehmens betrachtet. Hier rückt er die Unternehmensstruktur, in die der Handelnde eingebunden ist, in den Vordergrund: Kölbel, Unternehmensdelinquenz im Gesundheitssystem – Zu Abrechnungsverstößen bei der stationären Versorgung, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 221 [231 f.]. 416 Bzw. die Einräumung einer Stellung, an die das Gesetz eine solche Pflicht knüpft. 413
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
109
setz, sei es aus Vertrag, macht die Untreue zu einem „Kontaktdelikt“. Teilweise wird sehr bildlich von einem „in § 266 StGB angelegten Beziehungsgeflecht“ gesprochen.417 Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass schon aus dem Wortlaut des § 266 StGB klar werde, dass der Tatbestand der Untreue wegen der in beiden Varianten des Abs. 1 erforderlichen Vermögensbetreuungspflicht418 eine Beziehung des Täters zum (potentiellen) Geschädigten voraussetze.419 Mit anderen Worten ist bei der Untreue nie eine Konstellation denkbar, in der nicht Täter und Opfer schon (weit) im Vorfeld der eigentlichen Tat von der Bande der Vermögensbetreuungspflicht umgeben waren. Diese wichtige Eingrenzung des potentiellen Täterkreises stellt keine Wahrscheinlichkeitsaussage, sondern ein factum als Konsequenz der tatbestandlichen Anforderungen des § 266 Abs. 1 StGB dar. Die inhaltlichen Anforderungen, die eine Beziehung zu einer Vermögensbetreuungspflicht konzentrieren, sind ebenfalls im Vorfeld bekannt. So erfordert die Vermögensbetreuungspflicht inhaltlich besonders qualifizierte vermögensbezogene Pflichten.420 Diese besondere Pflichtenstellung macht die Untreue zu einen Sonderdelikt in dem Sinne, dass nur Täter sein kann, wem eine Vermögensbetreuungspflicht selbst obliegt.421 Dadurch ist auch der Täterkreis zusätzlich kriminologisch im Vorfeld profilierbar. Denn typischer Weise hat nur derjenige eine vermögensbezogene Betreuungspflicht, der auch eine besondere (berufliche) Position innehat,422 die regelmäßig erst in höherem Alter erreicht wird. Auf diese Art und Weise kann mit Hilfe des materiellen Rechts der Untreue auch qualitativ das schon oft empirisch festgestellte hohe Durchschnittsalter von Untreuetätern erklärt werden.423 Weil der Täter der Untreue damit theoretisch immer im Vorfeld bekannt ist, muss er gerade intransparent handeln, um nicht als Untreuetäter „erkannt“ bzw. „entlarvt“ zu werden. Untreuekriminalität hängt maßgeblich von Tatgegebenheiten ab, die sich gerade von der Alltags- und Straßenkriminalität unterscheiden: Der schon im Vorfeld der eigentlichen Tat bekannte Täter muss die Tat bzw. seine Täterschaft verschleiern; das ist bei fehlendem physischem Kontakt, der zur Begehung einer Untreuetat nicht erforderlich ist, auch besser möglich. Alleinig das Merkmal der Transparenz unterscheidet einen bekannten, scheinbar nicht deviaten Treunehmer, der dennoch tatsächlich eine Untreue begangen hat, von einem „entlarvten“ Untreuetäter. 417
Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 9. (Hervorh. d. Verf.). H.M. seit RGSt 69, 58 [59] und BGHSt 24, 386 f.; BVerfGE 126, 170 [175]. 419 BVerfGE 126, 170 [203]. 420 Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 23. 421 Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 52. 422 Göppinger, Kriminologie, § 25 Rn. 9. 423 In Baden-Württemberg waren 2009 53 Prozent aller verurteilten Untreuetäter zwischen 40 und unter 60 Jahren alt, 22 Prozent zwischen 30 und unter 40 Jahren alt (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, SVE1: STV 1336 = Untreue § 266 StGB); allgemein für täterbezogene Anforderungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität: Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391 [394]. 418
110
Kap. 1: Grundlegung
(2) Intransparenz als Kriterium einer Vermögensbetreuungspflicht Eine weitere Konsequenz im Hinblick auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs ergibt sich aus den Anforderungen, die an eine Pflichtenbeziehung gestellt werden, um sie als Vermögensbetreuungspflicht genügen zu lassen. Die Untreue erfordert zwingend in beiden Varianten eine ebensolche Vermögensbetreuungspflicht. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist Voraussetzung einer Treuepflicht, dass dem Täter überhaupt erst eine Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraumes zusteht.424 Dazu gehört ein gewisser Grad an Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit.425 Darum reichen auch rein mechanische Hilfstätigkeiten in der Regel nicht aus,426 wobei vor allem das Fehlen von Kontrolle über den Täter maßgeblich ist und nicht der Rahmen der Tätigkeit.427 Die Rechtsprechung beruft sich somit auf Kriterien zur Bejahung einer Vermögensbetreuungspflicht, die eine große inhaltliche Ähnlichkeit zum Merkmal der Transparenz haben. Insbesondere soll gerade die Eigenständigkeit der Tätigkeit ohne Kontrolle in herausragender Position Indiz für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht sein. Kontrolle und Eigenständigkeit des Handelnden ist jedoch gerade ein wesentlicher (nota bene: nicht der einzige) Faktor, der auf das Vorliegen von Transparenz Einfluss hat.428 Bejaht man diesen Zusammenhang zwischen dem Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht und Intransparenz, so muss zwangsläufig jede Untreuetat schon wegen der tatbestandlichen Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht in gewissem Maße eo ipso von Intransparenz geprägt sein. Die Vermögensbetreuung selbst würde durch Intransparenz eine tatfördernde Gelegenheitsstruktur schaffen, deren Kehrseite Kontrolle und Transparenz ist. Insofern wäre die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs belegt. (3) Indifferenz der Tathandlung der Untreue Die bei der Missbrauchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB, zwingende und bei Treubruchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB, faktisch bedeutende Art und Weise der Tathandlung ist die des rechtsgeschäftlichen Handelns. Damit stellen sich die Tathandlungen der Untreue in der Regel bzw. in der Missbrauchsvariante zwingender Maßen in der äußeren Form des Erlaubten dar.429 Rechtsgeschäftliche Handlungen zeichnen sich kriminologisch dadurch aus, dass sie per se betrachtet „neutral“ und nicht bzw. nur schwer „greifbar“ sind.430 Der äußere Hergang bei der Begehung einer 424
BGHSt 13, 315; 18, 313; 41, 224 [229]; BGH, in: wistra 1989, 60. Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 24 m.w.N. 426 BGHSt 3, 293 f.; BGH, in: NJW 1983, 455. 427 BGHSt 41, 224 [229]; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 20, 86. 428 Siehe unter Einführung, § 6, A. III. u. Einführung, § 6, A. VII. 429 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 38. 430 „Geringe[n] Greifbarkeit der Untreuehandlung“: Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [612]; „wenig greifbar“: Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [572]. 425
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
111
Untreue gleicht in der Regel damit einem normalen Geschäftsgebaren.431 Dies führt schon zu einer Verborgenheit des ersten Verdachts,432 bzw. zu einer Intransparenz der gesamten Tat einschließlich der Viktimisierung des Opfers.433 Durch diese Eigenart kann die Strafverfolgung bis zur Unverfolgbarkeit erschwert werden; das Strafrecht ist historisch an den physisch begangenen konkreten Taten wie z. B. der Tötung, Körperverletzung oder dem Diebstahl entwickelt worden, also an Verhaltensweisen, bei denen das äußere Geschehen die Tatbestandsverwirklichung, die Rechtswidrigkeit und die Schuld indiziert.434 Das unterscheidet auch die Untreue von Gewaltdelikten. Anders als z. B. bei einer Sachbeschädigung, § 303 StGB, ist die Untreue wegen der Rechtsgeschäftlichkeit der Tathandlung nicht physisch-gegenständlich, sondern abstrakter Natur. Die Rechtsgeschäftlichkeit der Tathandlungen kann sogar so weit gehen, dass nicht einmal physisch greifbare Dokumente oder ähnliches den Vorgang sichtbar machen; der Grundsatz des BGB für Rechtsgeschäfte ist nämlich gerade die Formfreiheit.435 So ist auch nicht erstaunlich, dass es den Untreuetätern gemeinsam ist, dass sie sich bemühen, ihr gesetzwidriges Verhalten als normale wirtschaftliche Betätigung erscheinen zu lassen; sie legen Wert darauf, es äußerlich nicht erkennbar werden zu lassen. Tatsächlich handelt es sich meistens um weitreichende Geflechte geschäftlicher Operationen, die nur durchblicken kann, wer große Sachkunde hat und den gesamten Bereich vollständig überschaut; wegen der Weitläufigkeit und Kompliziertheit werden selbst oft unmittelbar Mitwirkende keine Übersicht haben.436 Dies verdeutlicht ein Beispiel: Entgegen der Ansicht der Rechtsprechung437 sind es gerade nicht die Mitarbeiter, die neu eingestellt sind, die besonders zu überwachen wären: Der typische Wirtschaftsstraftäter ist nämlich schon seit mehr als zehn Jahren unternehmenszugehörig.438 Außerdem besteht das Problem, dass das Rechtssystem im Zeitalter der Globalisierung Strukturen schafft, die selbst von ihren Konstrukteuren als überkomplex und intransparent beschrieben werden, noch einem funktionierenden Risikomanagement zugänglich sind.439 Es hat sich der Rahmen der rechtsgeschäftlichen Handlungen in Bezug auf Intransparenz zum Negativen verändert durch die neuen 431
Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 69. Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 39; Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 59; Rimann, Wirtschaftskriminalität, S. 59. 433 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. e). 434 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 39. 435 Gegenschluss aus § 125 BGB; Looschelders, Schuldrecht AT, § 7. 436 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 76. 437 OLG Hamm, in: MDR 1978, 598; BayObLG, in: wistra 2001, 478 [479]. 438 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 43. 439 Ziercke, Aktuelle Entwicklungen der Wirtschaftskriminalität, Rede auf der BKAHerbsttagung 2008, S. 1. 432
112
Kap. 1: Grundlegung
Möglichkeiten der Globalisierung, Vernetzung und Digitalisierung.440 Rechtsgeschäftliches Handeln neigt in heutiger Zeit nämlich schon selbst dazu, intransparent zu sein. Rechtsgeschäftliches Handeln erfordert – trotz dem Grundsatz der Formfreiheit im Zivilrecht441 – die Einhaltung bestimmter, teilweise auch faktisch etablierter Procedere. Rechtsgeschäftliches Handeln erfordert daher einen gewissen faktischen Aufwand des Tatsächlichen. Dies ist auch der Grund, warum die Untreue so selten als Affekttat begangen wird. Der praktische häufige Zwang, rechtsgeschäftlich zu handeln, schließt ein Handeln im Affekt fast vollständig aus. Darum wird die Untreue als sog. „Intelligenzdelikt“ angesehen, was wiederum Implikationen auf die Transparenz der Tatbegehung hat (s. o.). So erklärt sich auch die empirisch festgestellte Tatsache, dass die Untreue in der Regel kein Affektdelikt ist, anhand der Idiosynkrasie des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB. Da das rechtsgeschäftliche Handeln der Regelfall der Untreuehandlung ist, führt dies dazu, die gesamte Untreuetat intransparenter werden zu lassen, womit sich die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs bestätigt. (4) Indifferenz des Taterfolgs der Untreue Ebenso wie die Tathandlung zeichnet sich der Taterfolg der Untreue, der Vermögensnachteil, durch eine indifferente Erscheinung aus. Die Erkennbarkeit der Viktimisierung des Opfers leidet nicht nur einerseits an der indifferenten Tathandlung der Untreue in der regelmäßigen Form des rechtsgeschäftlichen Handelns. Auch die Feststellung des Eintritts eines Vermögensnachteils gestaltet sich gleichsam indifferent. So ist es selbst dann, wenn alle Handlungen des potentiellen Täters offenliegen, von besonderer Schwierigkeit, in bestimmten Fallkonstellationen die Frage, ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, zu beantworten. Insbesondere bei Risikogeschäften erfordert die Feststellung eines Vermögensnachteils unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine stark vom Tatsächlich-Gegenständlichen abstrahierte442 Betrachtung. Das Bundesverfassungsgericht selbst gibt zu bedenken, dass in bestimmten Fällen keine messbare Vermögenseinbuße vorliege.443 Dies ergebe sich daraus, dass es sich beim geschützten Rechtsgut der Untreue, dem Vermögen, nicht um einen „der sinnlichen Wahrnehmung zugänglichen Gegenstand
440 Wirtschaftskriminalität als Unternehmensrisiko: Hülsberg/Scheben, Wirtschaftskriminalität – Möglichkeiten und Grenzen von Präventionsmaßnahmen, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 97 [98]. 441 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) bb) (3). 442 Weshalb auch selbst die Feststellung eines „vertieften“ Schadens nicht genügt; vgl. unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 443 BVerfGE 126, 170 [207].
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
113
handelt, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang […] sich erst aus einer Bewertung ergibt“.444 (5) Überindividuale Opfer Ist das Opfer der Untreue nicht ein individuales, sondern ein soziales im Sinne einer Gesellschaft (lat. societas) als Treugeber, kann in gewissem Maße auch von einem überindividualen Rechtsgut445 gesprochen werden. Wie bei anderen, klassischen überindividualen Rechtsgütern (z. B. im Umweltstrafrecht) hat die Strafverfolgung mit einer zusätzlich erschwerten Erkennbarkeit einer Viktimisierung zu kämpfen. Gibt es für ein betroffenes Rechtsgut nämlich keinen individualen „Sachwalter“ als Rechtsgutsinhaber, fehlt es an einem individualen Opfer, das die Tat bei Kenntniserlangung auch zu Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden bringen könnte. Diese Erkenntnis kann auch auf juristische Personen übertragen werden. Zwar ist eine juristische Person im Rechtssinne fähig, Träger eines Rechtsgutes zu sein (bei der Untreue ist das Vermögen der juristischen Person selbst das geschützte Rechtsgut). Jedoch können juristische Personen nur durch ihre Organe bzw. genauer: Organwalter als natürliche Person handeln. Diese Organwalter müssen eine Viktimisierung der juristischen Person jedoch erstens erkennen und zweitens auch noch anzeigebereit sein. Immer, wenn nicht direkt eine natürliche Person als Rechtsgutsträger betroffen ist, stellt diese Tatsache schon selbst eine höhere Hürde dar, von der betreffenden Straftat Kenntnis zu erlangen. Verkürzt gesprochen schafft die Sachwalterschaft für ein betroffenes Rechtsgut eine höhere Intransparenz. Empirische Untersuchungen haben festgestellt, dass eine Untreuetat sehr häufig zu Lasten einer juristischen Person begangen wird. Qualitativ ist dies dadurch bedingt, dass die Sachwalterstellung bei juristischen Personen nicht nur auf das zu schützende Rechtsgut des Vermögens beschränkt ist. Genauso wenig wie juristische Personen selbst für ihr Rechtsgut eintreten können, können juristische Personen überhaupt handeln. Juristische Personen können nur durch ihre Organwalter rechtsgeschäftlich handeln. Diese Organwalter haben immer eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der juristischen Person. Das Recht der juristischen Personen setzt zwingender Maßen einen Treunehmer voraus, der für die juristische Person handelt. Diese Tatsache schafft zwingend eine potentielle Untreuetatgelegenheit (s. o.). Da die Untreue in der Praxis häufig zu Lasten einer juristischen Person begangen wird, erhöht diese Tatsache schon die Intransparenz vieler dieser Untreuetaten.
444 BVerfGE 126, 170 [206] und: Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57 [62]; Joecks, Gefühlte Schäden?, in: FS Samson 2010, S. 355 [355 ff., 365]. 445 Wobei „Überindividualität“ nicht im Wortsinne zu verstehen ist.
114
Kap. 1: Grundlegung
(6) Rational choice theory trotz fehlender Bereicherungsabsicht als Tatbestandsmerkmal Trotz aller Kritik446 stellen das rational choice Modell bzw. ökonomische Theorien der Kriminalität eine plausible Erklärung der Untreuekriminalität dar. Vor allem treffen diese Erklärungstheorien speziell für die Untreue im Grundsatz zu447 und sind zudem für Wirtschaftsdelikte allgemein in Deutschland durch empirische Studien belegt.448 Vor allem im Wirtschaftsstrafrecht dürfte der Realbezug des homo oeconomicus besonders hoch sein.449 Auch wird die Untreue tendenziell nicht aus dem Affekt heraus begangen. Die Untreue erfordert zwar keine (Selbst-)Bereicherungsabsicht,450 d. h. erst recht keine tatsächliche Selbst- oder Drittbereicherung. Dies hat jedoch insofern keinen Einfluss auf die Anwendung des rational choice Modells auf die Untreue, als dass auf Nutzenseite nicht nur Vermögenswerte, die dem Täter zufließen, saldiert werden können, sondern auch Nichtvermögenswerte451 wie z. B. Macht- und Ansehensvergrößerung, beruflicher Erfolg, Einfluss etc. Bei Untreue handelt es sich insofern sogar um „gesteigerte“ Heimlichkeitsdelikte: Nicht nur der Täter selbst, sondern auch der Benefiziar der Untreuehandlung (falls es ihn als Dritten überhaupt gibt) haben ein großes Interesse an der Geheimhaltung der Tat.452 Je mehr Personen ein Interesse an der Geheimhaltung einer Tat haben, desto umfangreicher dürften auch die Bestrebungen ausfallen, die Intransparenz der Tatbegehung zu erhöhen. Aus Sicht der negativen Generalprävention zeigt sich weniger die Höhe der angedrohten Strafe als entscheidend dar, sondern die subjektive Entdeckungswahrscheinlichkeit.453 Zwar betont Schöch, dass diese Erkenntnis nicht ohne weiteres auch auf die Wirtschaftskriminalität angewendet werden könne, jedoch erscheint das gerade bei Untreuetätern als besonders zutreffend, weil diese häufig als ältere Personen in herausgehobener Stellung ein ausgeprägtes Kosten-Nutzen-Denken haben, welches besonders im Bereich der Wirtschaft als positive Eigenschaft gilt. Man 446
Bussmann, Causes of Economic Crime and the Impact of Values, S. 4. Allgemein: Shover/Hochstetler, The Production and Choice of Economic Crime, in: MschrKrim 2007, 118; Weisburd/Waring, White-collar crime and criminal careers, 2001, S. 148. 448 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 31. 449 Laue, Die konventionelle Theorie als Grundlage der Wirtschaftskriminologie und des Wirtschaftsstrafrechts, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 117 [119]; Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim und Strafrechtsreform 2001, 335 [348]. 450 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) aa). 451 Hefendehl, Neutralisationstaktiken bis in die Unternehmensspitze, in: MschrKrim 2005, 444 [456]. 452 Am Beispiel der Korruption: Braasch, Korruption in der Privatwirtschaft, Eine kriminologisch-strafrechtliche Untersuchung zur sogenannten Angestelltenbestechung, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 185 [194]. 453 Schöch, Empirische Grundlagen der Generalprävention, in: FS Jescheck 1985, Bd. II, S. 1081 [1090]. 447
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
115
könnte deshalb von einem Gleichlauf der Eigenschaften normaler und deviater Manager sprechen.454 Der einzige Unterschied liegt dann in der Devianz selbst und wird nur bei Transparenz auch sichtbar. (7) Untreue als special opportunity crime Ähnlich gehen auch Cloward und Ohlin davon aus, dass Kriminalität entscheidend mit der Frage zu tun hat, welche speziellen Gelegenheiten sich dem Täter bieten („Theorie der differentiellen Gelegenheiten“).455 Diese Theorie gelte auch für Wirtschaftskriminalität als special opportunity crime.456 So muss man fragen, welche differenzielle Gelegenheit (speziellen Zugangschancen zum Delikt457) eine Untreuetat fördern kann. Hier ist wegen dem bereits gesagten vor allem die Intransparenz zu nennen. Struktur und Ausmaß der Untreuekriminalität sind derart eng korrelierend mit den situativen und strukturellen Gegebenheiten unseres Wirtschaftssystems verknüpft wie bei keinem anderen Delikt.458 Die Tatgelegenheitsstruktur erwächst immer aus einem legalen Prozess am Anfang: Erteilung der Vermögensbetreuungspflicht. Zudem ist die Struktur zwingend vorgegeben durch die moderne und ubiquitäre Aufteilung von Eigentum und Verwaltung459 und die Tatsache, dass es sehr viele juristische Personen gibt, die zwingend Treuhänder brauchen, um handlungsfähig zu sein.460 cc) Systemtheoretischer Erklärungsansatz461 Die Systemtheorie Luhmanns462, später: die autopoietische Systemtheorie, befasst sich mit dem eigenständigen Operieren sozialer Gebilde, wobei die Elemente dieser sozialen Systeme nicht aus Personen oder Handlungen, sondern aus Kommunikationen bestehen.463 Die autopoietische Systemtheorie als soziologische Theorie beschreibt die Gesellschaft.464 Die Systemtheorie erhebt einen Universalitätsan454
So auch ohne nähere Begründung: Kaspar, Die Möglichkeiten strafrechtlicher Prävention von Wirtschaftsdelinquenz aus kriminologischer Sicht, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität, S. 135 [138, 146]. 455 Cloward/Ohlin, A Theory of Delinquent Gangs. 456 Schwind, Kriminologie, § 7 Rn. 31 f. 457 Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Klaus Rolinski 2002, S. 391 [397]. 458 So auch allgemein für Wirtschaftskriminalität: Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Klaus Rolinski 2002, S. 391 [398]. 459 Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, S. 441 Rn. 111. 460 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, S. 2 Rn. 3. 461 Bezogen auf korporatives wirtschaftskriminelles Handeln: Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [346 f.]. 462 Luhmann selbst ist der Ansicht, dass Biographisches uninteressant sei und nur vom Verständnis seiner Arbeiten ablenken würde (Luhmann, Archimedes und wir, S. 19). 463 Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [350]. 464 Huber, Systemtheorie des Rechts, S. 20.
116
Kap. 1: Grundlegung
spruch, d. h. dass sie über jeden Gegenstand ihres Bereichs in der Lage ist, Aussagen zu treffen.465 Falls die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz zu ihrem Gegenstand gehört, also auch hierzu. (1) Systemfunktionale Definition von Wirtschaftsstrafrecht Vereinzelt wird bei der Definition von Wirtschaftsstrafrecht ein systemfunktionaler Erklärungsansatz vertreten. So sieht Assmann als zentrale Frage die Funktion einer Anomalie des Wirtschaftsrechts an.466 (2) Transparenz als transpersonale mediatisierte Kommunikation Die Systemtheorie erlaubt den transpersonalen/transdinglichen Bereich bzw. transpersonale Eigenschaften analytisch unabhängig individueller Komponenten zu beleuchten. Transparenz wurde eingangs dieser Arbeit gerade als eine transpersonale, überindividuelle Komponente, einer Personen- und/oder Sachbeziehung definiert. Transparenz wird im Rahmen dieser Arbeit als fixierte Kommunikation mit Wahrnehmungsmöglichkeit für den Treugeber verstanden; als Kommunikation, der mittels bestimmter Medien die Flüchtigkeit genommen wurde.467 Transparenz und Kommunikation im Sinne der Systemtheorie Luhmanns sind sehr ähnlich verstandene Phänomene. Dadurch eignet sich gerade auch die Systemtheorie zur Überprüfung des Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. Hierin liegt der Vorteil zu anderen Theorien, die ebenso von einer Gesellschaft ausgehen, die in eine über autonome Dynamik verfügende Systeme aufgegliedert ist.468 So z. B. die akteurszentrierte Steuerungstheorie, die davon ausgeht, dass die operativen Elemente der Teilsysteme nicht Kommunikationen, sondern Handlungen individueller und kooperativer Akteure sind.469 (3) Das Untreuesystem Außerdem ist die Systemtheorie als umfassende Theorie auch geeignet, komplexe Aussagen über den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zu treffen und diesen Aussagen die kriminalpolitischen Schlüsse zu entnehmen.470 Denn gerade die Komplexität der Wirtschaft verbietet unterkomplexe und methodisch ungesicherte Aussagen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zu treffen.471 Auch speziell der
465
Huber, Systemtheorie des Rechts, S. 22. Assmann, Wirtschaftsrecht in der Mixed-Economy, S. 150 ff. 467 Siehe unter Einführung, § 6, A. III. 468 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 30. 469 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 30. 470 Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169 [170]; Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 99. 471 Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169 [170]. 466
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
117
Tatbestand der Untreue stellt ein Paradebeispiel einer strukturellen Koppelung im Sinne der Systemtheorie zwischen Wirtschafts- und Strafrechtssystem dar.472 In Bezug auf die Untreue ist zunächst zu klären, worin die Kommunikation des (Teil-)Systems liegt und was die Autopoiesis des Systems bedingt. Im Folgenden wird von der Existenz eines eigenen Untreuesystems ausgegangen. Mit dem Untreuesystem ist insbesondere und sprachlich unmissverständlicher das potentielle Untreuesystem,473 d. h. ein System, das sich in ein Untreuesystem umwandeln kann und das Untreuesystem nach Verwirklichung des § 266 Abs. 1 StGB als solches, gemeint. Es handelt sich um ein Subsystem des Rechts- bzw. Strafrechtssystems. Das Untreuesystem besteht wie jedes System aus Elementen der Kommunikation, die hauptsächlich zwischen Treugeber und Treunehmer (zur Vereinfachung der Darstellung also solche bezeihnet; es geht jedoch nicht darum, durch interpersonelle Kommunikation zwischen Treugeber und Treunehmer das Untreuesystem zu definieren) stattfindet. Ohne diese Kommunikation kann gar kein Untreuesystem bestehen. Diese Tatsache hängt eng mit dem Regelfall der sowohl Rechtsgeschäftlichkeit der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer bzw. der Rechtsgeschäftlichkeit des Handelns bei der Untreue zusammen. Rechtsgeschäftliches Handeln erfordert nämlich Kommunikation zwischen den Akteuren. Deshalb liegt es auch so nahe, das gesamte Rechtssystem als Teilsystem der Gesellschaft im Sinne der Systemtheorie zu verstehen.474 Jedoch kann auch noch Kommunikation zu weiteren Akteuren Teil des Untreuesystems sein. Auch hier dient die personelle Anknüpfung nur der Veranschaulichung. Zu denken ist etwa daran, dass die Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB im Tatbestand keineswegs eine Selbst- oder Drittbereicherungsabsicht des Täters erfordert.475 Tatbestandsmäßig ist deshalb jede Nachteilszufügung in Bezug auf das Vermögen des Treugebers, egal worin die – wenn überhaupt bestehende – Kehrseite des Nachteils liegt. Erfolgt z. B. eine tatsächliche Drittbereicherung, so wäre die Kommunikation zwischen Drittbenefiziar und Treugeber bzw. Treunehmer auch eine Kommunikation als Teil des Untreuesystems. Da Kommunikation nur zwischen Menschen stattfinden kann, sind auch weitere Teilsysteme dann in das Untreuesystem einbezogen, sofern einer der Akteure bei der Untreue keine natürliche Person ist. So kann z. B. auch die Kommunikation innerhalb einer (Personen-/Kapital-)Gesellschaft Teil des Untreuesystems sein, sofern die Gesellschaft Treugeberin ist und die Kommunikation untreuesystembezogen ist bzw. anhand des Untreuecodes erfolgt. (4) Autopoiesis des Untreuesystems Eine wichtige und erkenntnisreiche Eigenschaft bestimmter (potentieller) Untreuesysteme ist die Fähigkeit zur Autopoiesis. Die Untreue schützt ausschließlich 472 473 474 475
Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 32 ff. Siehe unter Einführung, § 6, A. II. 2. u. Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) bb) (1). Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 29 ff. Siehe unter Kapitel 1,§ 2, C. I. 4. f) aa).
118
Kap. 1: Grundlegung
das Vermögen des Treugebers.476 Eine Konsequenz dessen ist, dass auch ausschließlich der Treugeber als Inhaber des geschützten Rechtsgutes den Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht, sofern diese sich nicht direkt aus dem Gesetz ergibt, festlegen kann.477 Damit müssten alle Untreuesysteme ausscheiden, bei denen sich die Vermögensbetreuungsbeziehung bzw. der Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht aus dem Gesetz ergibt; diese Untreuesysteme wären gesetzlich „zwingende“, d. h. gerade keine vollständig autopoietischen. Allerdings bezieht sich dieser „Zwang“ nur auf das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht. Trotz gesetzlich bestehender Vermögensbetreuungspflicht kann eine Pflichtwidrigkeit nämlich entfallen, sofern ein Einverständnis des Treugebers, seinerseits: Kommunikation, vorliegt.478 Auch die Zeitunterworfenheit des gesetzlichen Untreuesystems zwingt zumindest jenseits der Vermögensbetreuungspflicht zur anhaltenden Reproduktion eigener Kommunikation.479 Alle diese (potentiellen) Untreuesysteme sind autopoietisch, da die Elemente des Systems sich selbst definieren und auch transformieren können. So liegt es ausschließlich an den Akteuren des Systems, z. B. ein potentielles Untreuesystem in ein Untreuesystem zu transformieren oder z. B. auch das (potentielle) Untreuesystem selbst aufzulösen.480 Die wichtigste Erkenntnis aus einer systemtheoretischen Betrachtung ist die Tatsache, dass Kommunikation zwischen den Untreueakteuren dem Untreuesystem zu Grunde liegt. Genauer gesagt, auch schon dem potentiellen Untreuesystem. Damit beeinflusst die Kommunikation auch die Konstituierung und Umbildung des Systems, insbesondere eines potentiellen Untreuesystems in ein Untreuesystem. Kommunikation wiederum ist Bestandteil des Transparenzmerkmals.481 So kann insbesondere Kommunikation Transparenz schaffen. Da das Untreuesystem auf Kommunikation aufbaut und autopoietisch ist, kann dadurch auch ein Wirkungszusammenhang zwischen Transparenz und Untreue erklärt und bestätigt werden. II. Praxis der Strafverfolgung Über die Praxis der Strafverfolgung finden sich vor allem in der Polizeilichen Kriminalstatistik Informationen, auch speziell zur Untreue. Zu beachten ist jedoch,
476
Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 1; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1. Zu den Einschränkungen, insbesondere bei beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten, siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IV. 2. a) cc). 478 BGHSt 3, 23 [25]; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 124; Jordan, Untreue und Betrug durch Zweckverfehlung, in: JR 2000, 133. 479 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 30. 480 Nota bene: Nach h.A. ist das nachträgliche Einverständnis des Treugebers unbeachtlich, OLG Hamm, in: NStZ 1986, 119; a.A. Weber, Strafaufhebende Rückwirkungen des Zivilrechts?, in: GS Schlüchter 2002, S. 243 [250 f.]: Strafaufhebungsgrund. 481 Siehe unter Einführung, § 6, A. III. 477
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
119
dass die Polizeiliche Kriminalstatistik auch nur als Information über die Tätigkeit der Polizei, also nur einen Teilbereich der Strafverfolgungsorgane, zu verstehen ist.482 1. Hohe Latenz Im Bereich der Strafverfolgung ist die Latenz ein wichtiger Faktor zur Beurteilung der Effizienz der Strafverfolgung. Jedoch ist im Bereich der Wirtschaftskriminalität die Dunkelfeldforschung auf Grund einer verflüchtigten Opfereigenschaft sehr schwierig.483 Diese verflüchtigte Opfereigenschaft ist, mutatis mutandis, auch bei der Untreue vorzufinden, sofern nicht eine natürliche Person als Opfer betroffen ist. Trotz aller Schwierigkeiten in der Ermittlung der Latenz, wird die Dunkelziffer als erheblich eingestuft.484 Teilweise wird von Seiten der Wirtschaft das Dunkelfeld bei Wirtschaftskriminalität auf bis zu 80 Prozent geschätzt.485 Hinzu kommt, dass es sich in der Praxis häufig um Fälle so genannter Überwachungs- oder Kontrollkriminalität handelt, d. h. Kriminalität, die durch Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und nicht durch Strafanzeigen von Privatpersonen in das Hellfeld gelangt.486 Damit hängt die Dunkelziffer entscheidend von Kontrolldichte und Kontrollintensität (nicht zuletzt: durch das Opfer selbst)487 ab, was als Kontrollparadoxon bezeichnet wird.488 Paradoxon deshalb, weil mit zunehmender Kontrolldichte zunächst immer mehr Taten in das Hellfeld gelangen und das Dunkelfeld kleiner wird, anstatt – was man durchaus auch erwarten könnte – die Zahl der Taten durch intensivere Kontrolle zurückgeht. Der Unterschied von Wirtschaftskriminalität zu Alltagskriminalität ist, dass Alltagskriminalität vornehmlich durch Anzeigen bekannt wird.489 Davon geht auch § 161 StPO aus. § 161 StPO setzt als Regelfall voraus, dass bei einer Straftat ein Verletzter vorhanden ist und dieser Verletzte die Strafverfolgung betreibt, jedenfalls so bei den Bereicherungsverbrechen.490 Die bei Wirtschaftskriminalität regelmäßig vorliegende Verborgenheit des ersten Verdachts491 konterkariert jedoch die Regel des § 161 StPO. Durch diese Eigenart kann 482
Göppinger, Kriminologie, S. 432. Göppinger, Kriminologie, S. 431. 484 Göppinger, Kriminologie, S. 432. 485 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 61 f.; Ziercke, Aktuelle Entwicklungen der Wirtschaftskriminalität, Rede auf der BKAHerbsttagung 2008, S. 3; Kerner/Feltes, Kriminologie-Lexikon, S. 362: 90 Prozent Dunkelziffer. 486 Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 23. 487 Bussmann, Der Faktor „Mensch“ im Unternehmen, in: FORUM Wirtschaftsethik 2007, 12 [17]. 488 Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Klaus Rolinski 2002, S. 391 [396]; Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 63. 489 Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MschrKrim 2001, 335 [337]. 490 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 40. 491 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 39. 483
120
Kap. 1: Grundlegung
die Strafverfolgung bis zur Unverfolgbarkeit erschwert werden. Das Strafrecht ist an den physisch begangenen objektiv492 konkret fassbaren Taten wie z. B. der Tötung, dem Diebstahl oder der Sachbeschädigung entwickelt worden, also an Verhaltensweisen, bei denen das äußere Geschehen die Tatbestandsverwirklichung, die Rechtswidrigkeit und die Schuld indiziert;493 genauso ist auch das Strafprozessrecht ursprünglich nicht auf Wirtschaftskriminalität zugeschnitten gewesen.494 Zudem ist besonders bei Delikten von Angestellten zu Lasten des Arbeitgebers, so z. B. auch bei der Untreue, die Anzeigebereitschaft ohnehin gering.495 Die mit einer Strafanzeige verbundene Publizität wird vor allem dann versucht zu vermeiden, wenn der Täter dem Topmanagement angehört.496 2. Komplexe Sachverhaltskonstellationen Seit Ende der 1960er Jahre wurde begonnen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten, die für die Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen zuständig sind.497 Die Organisationsreform der Staatsanwaltschaften ist auch auf die Gerichte übertragen worden:498 Die Möglichkeit, Wirtschaftsstrafkammern zu bilden, § 74c Abs. 3 GVG, soll helfen, Verfahren bei Straftaten, zu deren „Beurteilung […] besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind“, effektiver zu erledigen.499 Diese Reaktionen zeigen, dass Wirtschaftsstraftaten in ihrer Aufklärung besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern.500 Der Grund könnte unter anderem in der schwierigen Durchschaubarkeit der Verhältnisse liegen. Empirische Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass z. B. die Untreue dann, wenn sie als Wirtschaftsdelikt verfolgt wird, tatsächlich auch komplexere Tatbestandskombinationen aufweist.501 In dieselbe Richtung weist die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft in drei 492 Die Bestimmung des subjektiven Tatbestandes hiervon ausgenommen, da hier bei jedem Delikt tatsächliche Probleme in der Wahrnehmung des subjektiven Tatbestandes als auch in der Ermittlung bestehen können. 493 Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität, S. 39. 494 Zu § 127 StPO siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. e) bb). 495 Göppinger, Kriminologie, S. 432; Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Klaus Rolinski 2002, S. 391 [396]; Bussmann, Der Faktor „Mensch“ im Unternehmen, in: FORUM Wirtschaftsethik 2007, 12 [15]. 496 Göppinger, Kriminologie, S. 432 mit Hinweis auf PwC, Wirtschaftskriminalität 2005, S. 31. 497 Schwind, Kriminologie, § 21 Rn. 34; ausführlich: Römer, Die Errichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: Polizei-Institut Hiltrup (Hrsg.): Moderne Methoden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1971, S. 51. 498 Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, S. 83. 499 Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 8. 500 So schlussfolgert auch: Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 14. 501 Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 10.
§ 2 Die Struktur des Untreuetatbestandes
121
Vierteln aller Fälle von Wirtschaftskriminalität erhebliche Eigenermittlungen vorgenommen hat bzw. vornehmen musste.502 Die Praxis der Strafverfolgung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere auch die Praxis der Strafverfolgung von Untreuekriminalität sieht sich zweierlei Schwierigkeiten gegenüber: Ersten die hohe Latenz und zweitens die komplexen Sachverhaltskonstellationen. Ohne die dahinterliegenden Gründe für die hohe Latenz zu analysieren, spricht eine hohe Dunkelfeldziffer schon grundsätzlich für ein hohes Maß an Intransparenz – zumindest in allen Fällen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Wenn man die Konstellationen ausklammert, bei denen trotz erkannter Viktimisierung aus anderen Gründen keine Strafanzeige erstattet wurde, so besteht in den restlichen Fallkonstellationen des Dunkelfeldes auch gegenüber dem Opfer Intransparenz. Auf die tatsächliche Erkenntnis hin, dass Sachverhalte der Wirtschaftskriminalität, d. h. auch der Untreuekriminalität, dazu neigen, komplex und undurchschaubar zu sein, haben die Strafverfolgungsbehörden reagiert, indem sie spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Wirtschaftsstrafkammern eingerichtet haben. III. Metaebene Das schon eingangs thematisierte Problem ist, dass es wenig aktuelle Literatur zur Kriminologie der Untreue gibt. Erst recht lassen sich derzeit noch keine kriminologischen Untersuchungen zu einem Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz finden. Meist handelt es sich um breitere Studien zur Wirtschaftskriminalität, die die definitorischen Grundlagen des verwendeten Begriffs der Wirtschaftskriminalität nicht im Deteil darlegen. Diese Situation erlaubt den Blick auf die Metaebene zu richten. Falls, wie die Untersuchung ergeben hat, die Untreue einen „blinder Fleck“ der Kriminologie darstellt, kann diese Erkenntnis auch als solche für Schlussfolgerungen herangezogen werden. Es wird z. B. in einer neueren Studie503 eine Untersuchung zum Schwerpunkt „Betrug, Untreue, Unterschlagung“ angestellt, ohne dass auch nur einmal näher und im Einzelnen auf die Untreue eingegangen wird.504 Die Untreue wird in dieser Untersuchung, wie so oft, nur als Randfigur thematisiert. Im Rahmen der Herbsttagungen des Bundeskriminalamtes505 wurden in den Jahren zwischen 2002 und 2019 nur zwei Herbsttagungen zum Thema Wirtschaftskriminalität abgehalten, nämlich in den Jahren 2002 und 2008. Im Jahr 2002 lautete das Thema „Wirtschaftskriminalität und Korruption“.506 In den Vorträgen 502 503 504 505 506
Kaiser, Kriminologie, § 74 Rn. 14. PwC, Wirtschaftskriminalität 2009. PwC, Wirtschaftskriminalität 2009, S. 19. http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/herbsttagung/index.html. http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/herbsttagung/2002/ht.html.
122
Kap. 1: Grundlegung
wurde jedoch nicht auf die Untreuekriminalität an sich eingegangen, obwohl gerade diese häufig im Zusammenhang mit Korruption als Begleit- bzw. Folgedelikt auftritt.507 Die Herbsttagung 2008 wurde zum Thema „Wirtschaftskriminalität und Globalisierung – die Polizei vor neuen Herausforderungen“ abgehalten.508 Die Beiträge orientierten sich alle an bekannten Phänomenen bzw. Untergruppen von Wirtschaftsdelikten. In keinem Fall509 wurde Wirtschaftskriminalität tatbestandsbezogen, d. h. auch in Bezug auf Sachverhalte, die sich unter § 266 StGB subsumieren lassen, diskutiert, sodass auch diese Herbsttagung eine spezielle Auseinandersetzung mit der Untreue vermissen lässt. Ein noch extremeres Bild zeichnet sich ab, wenn man die Veranstaltungs- und Vortragsreihe „Forum KI“ des Bundeskriminalamtes510 betrachtet. In keiner der seit 2002 jährlich stattfindenden Veranstaltungen wurde bislang das Thema Wirtschaftskriminalität bzw. Untreue behandelt. Das Kriminalistische Institut des Bundeskriminalamtes führt auch eigene Forschungsprojekte511 durch. Im Forschungsbericht 2009/2010 befindet sich ein Forschungsprojekt zum Thema „Aufbau eines Monitoringsystems zur Wirtschafts- und Finanzkriminalität“,512 das die Untreue nicht beinhaltet bzw. nur dann, falls sie gewerbsmäßig und fortgesetzt begangen wird und zu einem Vermögensverlust großen Ausmaßes führen kann; der Schwerpunkt liegt auf der Produkt- und Markenpiraterie und der Finanzmarktkriminalität.513 In den Forschungsberichten ab dem Jahr 2003 findet sich kein Forschungsvorhaben, das sich speziell mit der Untreue beschäftigt. Lediglich ein Forschungsvorhaben thematisiert die Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der Privatisierung der volkseigenen Betriebe der DDR durch die Treuhandanstalt.514 Hier findet zwar die Untreue Erwähnung, jedoch nur in Bezug auf einen – auch historisch – speziell gelagerten Einzelfall.
507 Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, S. 441 Rn. 110; Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203 [204]. 508 http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/herbsttagung/2008/herbsttagung_2008. html. 509 Ausnahmen: Ziercke, Aktuelle Entwicklungen der Wirtschaftskriminalität, Rede auf der BKA-Herbsttagung 2008, S. 12, wo einzelne Fragen zu Ermittlungsproblematiken gestellt werden, die jedoch eher aus Sicht der Ermittler einer Vervollständigung des Bildes der Tat dienen, als sich auf Tatbestandsmerkmale des § 266 StGB beziehen; S. 18, wo die Komplexität von Kapitalmärkten Betrugs- und Untreuetaten nach sich ziehe; S. 20. 510 http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/kiforum/kiforum.html. 511 http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/forschungsprojekte_index.html. 512 http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/fue_bericht_ki_2009_2010.pdf. 513 BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2009/2010. 514 BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2003, S. 514; BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2004, S. 273.
§ 3 Zusammenfassung der Ergebnisse
123
Auch der „Arbeitskreis empirische Polizeiforschung“ um Karlhans Liebl515 veranstaltet seit 1999 jährliche Tagungen. Das Thema Wirtschaftskriminalität, bzw. speziell die Untreue, wurde bisher noch gar nicht thematisiert. Weiter spielt in der polizeilichen Erfassung von Wirtschaftsstraftaten die Untreue nur eine Nebenrolle. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist in Bezug auf Wirtschaftskriminalität äußerst unvollständig, da nur die Taten erfasst sind, die auch unter Beteiligung der Polizei verfolgt wurden. Der Jahresbericht 2009 zur Wirtschaftskriminalität des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg516 legt einen tatbestandsbezogenen Begriff von Wirtschaftskriminalität zu Grunde. Nur die Taten, die unter den Katalog des § 74c Abs. 1 Nr. 1 – 6b GVG fallen (ohne Computerbetrug) oder Delikte, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigungen begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert, werden als Wirtschaftskriminalität angesehen.517 In diese Kategorie fällt die Untreue jedoch erst, wenn und soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind, § 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG. Der Jahresbericht greift hierbei auf die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik und die des Kriminalpolizeilichen Nachrichtenaustausches zurück,518 sodass die Untreue nur im Zusammenhang mit Beteiligungen und Kapitalanlagen unter der Gruppe 893600 als Delikt „Untreue bei Kapitalanlagegeschäften“ (521100) auftaucht.519 Der Forschungsstand im Bereich der Untreuekriminologie liefert wenig bis gar keine Erkenntnisse in Bezug auf die Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. Von einer Metaebene aus betrachtet, kann man zumindest feststellen, dass keine Anhaltspunkte zu finden sind, die gegen die Annahme des Wirkungszusammenhangs sprechen.
§ 3 Zusammenfassung der Ergebnisse Die geschichtliche Entwicklung des Rechts der Untreue zeigt, dass der Untreuetatbestand zumindest der Hypothese eines Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz nicht schon a priori verschlossen gegenüber steht. Es ist 515
Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009. 517 LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009, S. 10; genauso: BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 356. 518 LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009, S. 10; nota bene: ausgeklammert bleiben damit Wirtschaftsstraftaten, die die Schwerpunktstaatsanwaltschaften ohne Beteiligung der Polizei selbst bearbeiten. 519 LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009, S. 12; 14 (fälschlicher Weise als „§ 265 StGB“ bezeichnet. 516
124
Kap. 1: Grundlegung
möglich, anhand der geschichtlichen Entwicklung aufzuzeigen, dass Transparenzgedanken das Recht der Untreue entscheidend mitgeprägt haben. Bedeutender ist jedoch, dass die historischen Ausführungen zum Strafgrund und Unrecht der Untreue zeigen, dass in dieser Diskussion immer auch Transparenz eine entscheidende Rolle als Differenzierungskriterium gespielt hat. Auch im Rahmen der kriminologischen Untersuchung des heutigen Untreuetatbestandes wird herausgearbeitet, dass vor allem die Idiosynkrasie der Untreue der Grund ist, dass Untreue und Transparenz in einem Wirkungszusammenhang zueinander stehen. Diese Idiosynkrasie wiederum ist in der geschichtlichen Entwicklung entstenaden und geht darauf zurück als sich die Untreue vom furtum abgesetzt und ihre eigene Prägung im Laufe der Zeit erhalten hat. Als Gesamtergebnis des Ersten Teils der Arbeit kann damit festgehalten werden, dass zwischen Untreue und Transparenz ein Wirkungszusammenhang besteht.
Kapitel 2
Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB in Bezug auf prozedurale Elemente der Strafbarkeit § 1 Einführung In Kapitel 2 der Arbeit wird nach Klärung des Begriffs der Prozeduralität untersucht, welchen Einfluss Transparenz auf eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB de lege lata hat. Einerseits wird untersucht, inwiefern Transparenz in bestimmten Fallgruppen Einfluss auf die Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale hat. Andererseits wird untersucht, ob die Auslegung und Anwendung des § 266 StGB im Ergebnis übereinstimmt mit einer hypothetisch prozeduralen Anwendung der Untreue anhand des Merkmals der Transparenz, wie es diese Arbeit als lex ferenda vorschlägt. Dies stellt die Untersuchung auf eine (hypothetisch) prozedurale Anwendung des § 266 StGB dar. Die Untersuchung der lex lata erfolgt unter Zugrundelegung der bestehenden einschlägigen Literatur und Rechtsprechung. Der Einfluss von Transparenz oder anderen Kriterien kann einerseits in einer Strafbegründung wegen mangelnder Transparenz liegen, andererseits in einer Straflosigkeit auf Grund von bestehender Transparenz. In Bezug auf den Forschungsgegenstand steht der Treubruchtatbestand (§ 266 Abs. 1Var. 2 StGB) im Mittelpunkt der Untersuchung. Jedoch sind die Überlegungen (jenseits des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung1), wie die Einhaltung von Transparenz de lege lata zur Straflosigkeit führt, mutatis mutandis auf den Missbrauchstatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB) übertragbar.2
1
Das Merkmal der Pflichtverletzung ist nach h.A. bei § 266 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB identisch: Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 2; die Rspr. selbst lässt teilweise die Einordnung in die Var. 1 oder Var. 2 des § 266 Abs. 1 StGB offen: BGHSt 24, 386 [387 f.]; 47, 187 [192]; 50, 331 [341]. 2 Vgl. nur das Urteil BGHSt 47, 187, in dem die Differenzierung zwischen den beiden Varianten des § 266 Abs. 1 StGB offen gelassen wurde; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1. b).
126
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
§ 2 Zum Begriff prozeduralen Untreuerechts Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der Begriff des hypothetischen prozeduralem Untreuestrafrechts. Damit ist zunächst zu klären, was unter Prozeduralität überhaupt zu verstehen ist.
A. Wortlaut „prozedural“ Das Adjektiv „prozedural“, das etymologisch auf das lateinische Verb „procedere“ – hier: „in der Zeit fortschreiten“, „vorwärts schreiten“3 – zurückgeht, hat üblicherweise die Bedeutung „verfahrensmäßig“ oder „den äußeren Ablauf einer Sache betreffend“.4 Damit unterscheidet es sich vom Adjektiv „prozessual“, das zwar den gleichen lateinischen Ursprung aber die Bedeutung „einen Prozess betreffend“5 hat. Schon von der Wortbedeutung her bezeichnet die Klassifizierung als „prozedural“ stärker die Art und Weise, wie etwas ausgestaltet ist, ohne jedoch selbst einen Bezug zu einem bestimmten Verfahren zu haben. „Verfahrensmäßig“6 hat sprachlich einen geringeren Bezug zu einem bestimmten Verfahren, als die Aussage „gemäß einem Verfahren“. Dementsprechend nimmt die Bezeichnung als „prozessual“ Bezug auf ein ganz bestimmtes Verfahren. Dieses verfahrensmäßige Element kann in einem engeren und in einem weiteren Sinne verstanden werden, wobei verfahrensmäßig im engeren Sinne sich nur auf interpersonal-diskursive Verfahrensregelungen bezieht – also solche, die notwendig diskursive Elemente enthalten, wie Beratungs-, Genehmigungs- oder Zustimmungserfordernisse.7 Auf Grund einer Wortlautanalyse wird zur Einführung in das Thema prozeduralen Strafrechts häufig gesagt, prozedurales Strafecht sei zunächst weder Verfahrensrecht im engeren Sinne, also Strafprozessrecht (d. h. den bestimmten Strafprozess als institutionalisiertes Verfahren betreffend), noch materielles Strafrecht – verstanden in einem funktionalen Sinn und nicht als Gegensatz zum Prozessrecht. Diese Negativabgrenzung hilft, wie jede Negativabgrenzung, nur wenig bei dem Versuch, die Natur prozeduralen Strafrechts positiv zu bestimmen.
3
Langenscheidt, Latein-Deutsch, Stichwort „procedo“. Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort „prozedural“. 5 Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort „prozessual“. 6 So spricht auch Eicker bei Prozeduralisierung des Strafrechts von einem „verfahrensmäßigen Ansatz mit inhaltlicher Zielsetzung“: Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 127. 7 Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599 [602]. 4
§ 2 Zum Begriff prozeduralen Untreuerechts
127
B. Prozeduralität im Alltagsleben Zuvor ein Beispiel aus dem täglichen Leben: Die Bargeldabhebung am Bankautomaten. Nicht selten kam es vor, dass Bankkunden nach Beendigung des Auszahlungsvorgangs zwar das Bargeld dem Bankautomaten entnommen, jedoch ihre Geldkarte vergessen haben mitzunehmen. Nachdem die Betriebssoftware der Geldautomaten umgestellt wurde, kam dieses Missgeschick in seiner konkreten Form nie mehr vor: Der Automat hat das Geld erst ausgegeben, nachdem die Karte entnommen wurde. Dieser Ablauf machte es fortan unmöglich, das Geld zu entnehmen und die Karte im Automaten zu vergessen. Damit konnte das Missgeschick in seiner konkret beschriebenen Art nicht mehr passieren. Dieses Beispiel dient als Einführung in die Thematik der Prozeduralisierung. So fand mit der oben genannten Modifikation keine Änderung der sonstigen Auszahlungskriterien statt (z. B. Überprüfung der Liquidität des Kunden, des Höchstauszahlbetrages, der Verfügbarkeit bestimmter Geldnoten etc.). Die Auszahlung des Geldes wurde lediglich an eine zusätzliche Bedingung geknüpft, die es vorher so nicht gab: die vorherige Entnahme der Geldkarte. Es wurde damit ein (weiteres) Kriterium, welches gedanklich-thematisch abstrakt der bisherigen Auszahlbedingungen liegt, geschaffen. Diese – unterstellt: prozedurale – Regelung hätte ihre materiale Entsprechung in der Pflicht des Kunden seiner Bank gegenüber, seine Geldkarte nicht zu vergessen. Die Bank hätte nämlich auch eine inhaltlich „nähere“ Regelung vornehmen können: Die Pflicht des Kunden zu regeln, seine Karte nicht im Bankautomaten nach Beendigung des Auszahlungsvorgangs zu vergessen. Die Besonderheit dieses Beispiels einer prozeduralen Regelung besteht weiterhin darin, dass es sich um eine so genannte absolut prozedurale Regelung handelt. Absolut prozedural deshalb, weil die prozedurale Regelung die dahinterstehende materiale Zielsetzung absolut, d. h. ohne theoretisch denkbare Ausnahmen umsetzt. Die bloße Einhaltung der prozeduralen Regelung garantiert die materiale Richtigkeit des Ergebnisses.8 Ohne die Entnahme der Geldkarte erfolgt keine Auszahlung. Es ist nicht möglich, die Geldkarte im Geldautomaten stecken zu lassen und dennoch das Geld zu entnehmen. Dass theoretisch weitere Möglichkeiten denkbar wären, die Geldkarte dennoch – z. B. anderswo im Kassenraum des Geldautomaten – zu vergessen widerlegt die Absolutheit der prozeduralen Regelung nicht: Denn die prozedurale Regelung erstreckt sich nur auf den Regelungsbereich des Vergessens der Geldkarte nach dem Auszahlvorgang im Geldautomaten. Insofern enthält diese prozedurale Regelung in ihrer Primärebene eine verfahrensmäßige Ordnung des Auszahlvorgangs, gegebenenfalls – was noch zu untersuchen sein wird – jedoch gleichzeitig auf der sekundären Regelungsebene die materiale Pflicht, die Karte nicht im Automaten zu vergessen. Die Beachtung dieser sekundären Regelungsebene kann jedoch außer Betracht bleiben, da im
8 Daher vergleichbar mit dem Begriff der „reinen Verfahrensgerechtigkeit“ (Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599 [604].
128
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
gewählten Beispiel die prozedurale Regelung absolut, d. h. ausnahmslos, schon auf ihrer Primärebene den Regelungsgehalt ihrer Sekundärebene vollzieht.
C. Vorläufige Arbeitshypothese Der Erarbeitung einer Definition für (hypothetisch) prozedurales Untreuestrafrecht soll die Hypothese zu Grunde liegen, dass bei prozeduralem Strafrecht die strafrechtliche Zurechnung, verstanden in einem weiteren Sinne, an spezielle prozedurale Kriterien, welche noch zu definieren sind, anknüpft. Man kann sagen, die Strafbarkeitsfrage ist anhand spezieller Kriterien prozeduralisiert. Bevor zu einer eigenen Definition prozeduralen Untreuestrafrechts Stellung bezogen wird, werden im Folgenden verschiedene allgemeine Definitionen prozeduralen Strafrechts behandelt, um den Stand der Wissenschaft darzustellen. Insgesamt zeigt sich noch ein eher uneinheitliches und vages Bild.9
§ 3 Prozedurales Strafrecht bei Andreas Eicker Für Eicker bedeutet die Prozeduralisierung des Strafrechts eine Selbstbeschränkung des Rechts zur indirekten Erreichung rechtsverbindlicher Zielvorgaben durch rechtsverbindlich regulierte, selbstregulatorische Prozeduren.10 Prozedurales Recht sei dabei flexibilisiertes Recht, das strukturell und temporal flexibilisiert und lernfähig ist und Rechtsinhalte beeinflusst.11 Nach seinem Verständnis verbindet prozedurales Recht einen verfahrensmäßigen Ansatz mit einer inhaltlichen Zielsetzung.12 Damit geht Eicker von einem Zwei-Ebenen-Verständnis prozeduralen Rechts aus. Auf der Primärebene steht die Verfahrensmäßigkeit, auf der Sekundärebene die Inhaltlichkeit, wobei die Primärebene ihre Deckung aus der Sekundärebene bezieht.
A. Rechtstechnische Instrumente prozeduralen Rechts Eickers Definition stellt die verschiedenen rechtstechnischen Instrumente, die für ihn im Zusammenhang mit Prozeduralisierung stehen, als typische Merkmale prozeduralen Strafrechts seiner Definition anheim.13 Dies sind namentlich die Verfahren 9
Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 176 Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 121. 11 Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 131. 12 Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 127. 13 Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 121. 10
§ 3 Prozedurales Strafrecht bei Andreas Eicker
129
der Selbst-Information, Verfahren der experimentellen Selbst-Erprobung, Verfahren der Selbst-Beteiligung, Verfahren der Selbst-Beobachtung und Verfahren der SelbstKorrektur.14 Damit setzt Eicker bei seiner Definition prozeduralen Strafrechts auf eine Exemplifikation der Kriterien, die für ihn Grund bieten, das Recht auf der Primärebene als ein verfahrensmäßiges zu bezeichnen. Die Frage, was der tiefere, abstrakte Grund dafür ist, einem Rechtsinstrument die Inhaltlichkeit auf Primärebene abzusprechen und es als ein in erster Linie verfahrensmäßiges Instrument anzusehen, beantwortet Eicker mit der Nennung einzelner Beispiele. Alle diese Beispiele haben gemeinsam, dass ihnen als Rechtsinstrumente eine gewisse Flexibilität zukommt, weil sie keine starren wenn-dann-Aussagen treffen, sondern mehrere denkbare Ergebnisse zulassen; sie stellen Beispiele einer tendenziellen15 Prozeduralisierung dar.
B. Kritik an Eickers Konzeption prozeduralen Strafrechts Für die Zwecke dieser Arbeit ist Eickers Konzeption eines prozeduralen Strafrechts nicht umfassend geeignet, leistet jedoch wichtige Grundaussagen. Die Herausarbeitung konkreter rechtstechnischer Instrumente prozeduralen Strafrechts hilft nicht weiter bei der Frage, ob eine prozedural angewandte Regelung (auf der Primärebene) überhaupt vorliegt, sondern nur bei der Bewertung der spezifischen Wirkweise einer (nach der hier vertretenen Auffassung: gegebenenfalls prozeduralen) Regelung, also bei der Frage, ob das Prozedere auch die Inhalte (Zielorientierung), d. h. die Sekundärebene beeinflussen kann. Eickers Definition geht stark vom Betrachtungspunkt der Sekundärebene, d. h. von der materialen Regelung aus, vor deren Hintergrund das prozedurale Recht als relatives Recht zum materialen Recht gesehen wird. Ob prozedurales Recht zwangsläufig nur relativ zu materialem Recht existieren kann, erscheint zweifelhaft und wird sodann im weiteren Verlauf dieses Abschnitts zu diskutieren sein. Zwar mag, ohne die Beantwortung der soeben aufgeworfenen Frage, zuzugeben sein, dass das Vorhandensein bestimmter von Eicker definierter rechtstechnischer Instrumente Indizwirkung auch für das Vorliegen einer prozedural angewandten Strafrechtsregelung hat. Jedoch soll an dieser Stelle zuerst nach einer abstrakten Definition jedes prozeduralen Untreuestrafrechts auf Primärebene gesucht werden. Zu diesem Zweck eignet sich Eickers Konzeption nur teilweise. Insbesondere sind Konstellationen denkbar, die sich einer Überprüfung des prozedural erreichten Ergebnisses – also einer Verknüpfung von Primär- und Sekundärebene gänzlich entziehen. Dies könnte z. B. bei so genannten Dilemmasituationen16 der Fall sein, in denen – daher auch der Name – gar nicht klar ist, welche
14 15 16
Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 121 ff. Im Gegensatz zu absoluten Prozeduralisierungen, siehe unter Kapitel 2, § 2, B. Siehe unter Kapitel 2, § 4, III.
130
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Entscheidung nach materialen Kriterien überhaupt (als richtige) zu treffen ist.17 Dieser Bereich ist somit besser auf der Ebene der Legitimation einer Prozeduralisierung zu thematisieren nachdem abstrakt von der Wirkweise und Zielorientierung feststeht, was überhaupt prozedurales Strafrecht ist.
§ 4 Das Konzept des „rechtsfreien Raums“ bei Arthur Kaufmann Der Ausgestaltung des prozeduralen Konzepts des Strafrechts des Schwangerschaftsabbruchs18 – als Beispiel – liege ein Phänomen zu Grunde, das Kaufmann als „rechtsfreien Raum“ bezeichnet hat.19 Ein Phänomen nämlich für Not- und Grenzsituationen, in denen die Rechtsordnung selbst nicht wisse, was die rechte Entscheidung sei.20 Dass das Konzept des „rechtsfreien Raumes“ selbst eine Prozeduralisierung darstellt, zeigte bereits Hassemer: Nämlich schon die Entscheidung, die Rechtsgutsverletzung im „rechtsfreien Raum“ folgenlos zu lassen, sei eine prozedurale – diese Rechtsgutsverletzung werde nämlich nicht durch das Strafrecht traktiert.21 Hassemer spricht hierzu selbst von „prozeduralisierten Entscheidungen unter spezifischem Nichtwissen“.22 Das Eigentümliche dieses Konzeptes ist, dass das bisherige Bewertungsschema verlassen wird. Die namentlichen Konstellationen werden den herkömmlichen Bewertungen des Strafrechts entzogen. Bewusst wird nicht im Rahmen und mit den Elementen des materiellen Strafrechts das Ergebnis der Straflosigkeit zu erreichen und zu begründen versucht. Im Gegenteil, diese materiell-strafrechtliche Bewertung soll gerade nicht stattfinden, sondern ersetzt werden. Schon die Bezeichnung als rechtsfreier Raum legt ein Ausbrechen aus materiell-strafrechtlichen Bewertungen nahe.
17
Ludwig-Mayerhofer, Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung, S. 113 ff. 18 Eser, in: S/S-StGB, § 218a Rn. 3. 19 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 ff., 343 ff. 20 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327, 330. 21 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [740]. 22 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [746].
§ 4 Kaufmanns Konzept des „rechtsfreien Raums“
131
A. Wertungspaare des Rechts als Disjunktionen Kaufmann beginnt seine Überlegungen damit, festzustellen, dass das herkömmliche Strafrechtssystem mit Wertungspaaren arbeitet, die jeweils als sich gegenseitig ausschließende Disjunktionen verstanden werden.23 Beispiele sind die Wertungen des „Rechtmäßigen“ und „Rechtswidrigen“ bzw. des „Schuldlosen“ und „Schuldhaften“. Im Folgenden analysiert Kaufmann bestimmte Situationen, auf die sogleich einzugehen sein wird, die diese Wertungen des herkömmlichen Strafrechtssystems überforderten.24 Konsequenz dieser Überforderung der herkömmlichen strafrechtlichen Wertungen ist für Kaufmann die Wertungsfreiheit, d. h. der „straffreie Raum“ als Verzicht einer Regelung.25 Im Einzelnen begründet er seine Lösung wie folgt: Der Theorie des rechtsfreien Raumes stehe zwar prima facie die Überlegung entgegen, dass es im Rahmen der oben genannten Wertungspaare logisch ausgeschlossen sein müsse, eine Wertung jenseits der einen oder anderen Seite zu treffen. Es gebe entweder ein rechtwidrig oder ein rechtmäßig et tertium non datur.26 In der Logik des tertium non datur jedoch sei der Fehler und die Lösung des Problems gleichermaßen lociert. Der Schluss des tertium non datur, so Kaufmann, gelte nur im Rahmen einer ontischen Logik.27 Eine ontische Logik ist kurz gesagt eine Logik des „Seienden“. Kaufmann begegnet auf einer Metaebene dieser ontischen Logik und wendet ein, dass die Anwendung der ontischen Logik überhaupt voraussetze, dass der von dem Gegenpaar umschlossene Bereich, z. B. die Erlaubnis und das Verbot, universal gelten müsse.28 Im Rahmen dieser Logik gebe es die Erlaubnis, etwas zu tun oder das Verbot, etwas nicht zu tun. Ist ein Sachverhalt nicht verboten, so müsste er zwangsläufig erlaubt sein – tertium non datur. Diesen Universalitätsanspruch bestreitet Kaufmann und wendet, wie andere auch, den Satz des ausgeschlossenen Dritten im Rahmen der ontische Logik nicht umfassend an. Denn es sei nämlich denkbar, dass es außerhalb des durch das Gegensatzpaar geregelten Bereiches noch weitere Möglichkeiten gebe.29 Der Satz des tertium non datur beziehe sich dann nur auf den Bereich innerhalb des Gegensatzpaares. So sei es 23 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327. 24 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [329]. 25 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [330]. 26 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [334]. 27 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [335]. 28 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [334]. 29 Kaufmann, Rechtsfreier rach 1972, S. 327 [334].
Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS MauRaum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Mau-
132
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
denkbar, dass es neben Erlaubnis und Verbot noch ein Drittes gebe: den Verzicht auf eine Wertung nämlich.30
B. Prozedurales Recht als Rechtsanwendungsregeln Kaufmann erläutert weiter, dass die Rechtsordnung gerade selbst die Möglichkeit habe, den Bereich zu regeln, der „rechtsfrei“ sein soll; die Rechtsordnung kann demnach selbst die Grenzen festlegen, bis zu derer ihre Normen reichen sollen.31 Eine prozedurale Regelung ist somit in Kaufmanns Sinne eine Regelung, bei der die Rechtsordnung selbst entscheidet, einen Sachverhalt rechtlich gar nicht (und nach der hier vertretenen Auffassung viel wichtiger: anders) zu bewerten. Prozedurale Regelungen sind nach Kaufmann somit Rechtsanwendungsregelungen. Sie haben insofern eine funktional andere Natur als materiale Regelungen, die Sachverhalte innerhalb des geregelten Bereichs entscheiden. Weiter ergibt sich daraus, dass der Bereich des rechtsfreien Raumes nicht komplett regelungsfrei, nicht komplett „außerhalb des Rechtsgebäudes“32 liegt. Der Unterschied ist eben, dass nur (prozedurale) Rechtsanwendungsregeln diesen Bereich erfassen. In dieselbe Richtung gehen Denkansätze, die Parallelen prozeduraler Regelungen zum Internationalen Privatrecht als Rechtsanwendungsrecht sehen.33
C. Der Grund für den „rechtsfreien Raum“ Als Grund für das Bestehen bzw. Regeln eines solchen „rechtsfreien Raumes“ führt Kaufmann an, dass es sich um Sachverhalte handelt, die „rechtlich unlösbar“34 sind. Die Konsequenz hieraus ist laut Kaufmann, Konfliktlagen, die durch die Kriterien des Rechts nicht zu lösen sind, nicht durch (materiales) Recht, das der Aufgabe der Konfliktentscheidung nicht gewachsen ist, zu traktieren. Das Recht beschränkt sich in diesen Konfliktlagen bewusst selbst durch eine (prozedurale)
30
Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 [335]. 31 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 [335 f.]. 32 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 [337]. 33 Sturm/Sturm, in: Staudinger-BGB, EGBGB, 2015, Einleitung zum internationalen Privatrecht, Rn. 56 ff. 34 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 [337].
§ 5 Prozedurales Strafrecht bei Albin Eser
133
Rechtsanwendungsnorm und enthält sich wohl wissend einer (materialen) Wertung.35
§ 5 Prozedurales Strafrecht bei Albin Eser Für Eser stellt die wachsende Rolle prozeduraler Elemente im Strafrecht einen – für ihn: folgenreichen – Paradigmenwechsel dar.36Eser spricht z. B. im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch von einem „notlagenorientierten Diskursmodell“, bei dem die Entscheidung über das „bessere Recht“ durch eine Prozedur ersetzt wird.37 Indem strafrechtliche Sanktionen nicht mehr direkt an die Verletzung des zu schützenden Rechtsguts geknüpft sind, sondern nur an einen Verstoß gegen prozedurale Voraussetzungen, wird der Rechtsgüterschutz nur noch mittelbar zu erreichen gesucht.38 Anhand seines „notlagenorientierten Diskursmodells“ können mehrere Aspekte seines Konzeptes eines prozeduralen Strafrechts illustriert werden.
A. Das Unrecht als Prozeduralisierungsobjekt Allgemein in Bezug auf prozedurales Strafrecht sieht Eser das Unrecht als Objekt dieser strafrechtlichen Prozeduralisierung an, wobei er bei seinen Überlegungen das Rechtsgut bzw. dessen Stellung als Ausgangspunkt hernimmt: So sei traditionell das Unrecht durch das Rechtsgut inhaltlich bestimmt worden. Die Beeinträchtigung des Rechtsgutes sei der materiale Grund für das Unrecht.39Anders sei es in einem prozeduralisierten Strafrecht, wo das Rechtsgut gegen Verletzungen durch im Vorfeld liegende „verfahrensmäßige Gitter“40 abgesichert sei. Folglich liege das Unrecht dann nicht mehr in der Beeinträchtigung des Rechts-
35 Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972, S. 327 [337]. 36 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 37 Eser, Schwangerschaftsabbruch, in: ZRP 1991, 291 ff.; Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [45]. 38 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [46]. 39 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 40 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43.
134
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
gutes, sondern – zumindest auch – in einem Verfahrensverstoß.41 Eser thematisiert damit expressis verbis die seiner Meinung nach gewandelte Bedeutung des Rechtsgutes. Herkömmlich sei die Verletzung des Rechtsgutes materialer Grund für das Unrecht. Prozedural hingegen stelle das Rechtsgut nur das zu schützende Element dar. Es handelt sich folglich um eine Mediatisierung des Rechtsgutschutzes durch eine Zweck-Umprogrammierung des Unrechtsbegriffs. Das Unrecht ist nicht deshalb Unrecht, weil unmittelbar das zu schützende Rechtsgut verletzt wurde, sondern weil ein Verfahren, das das Rechtsgut endlich schützen soll, verletzt wurde. Mit dieser Überlegung trifft Eser zugleich eine Aussage zu einem in diesem Kontext gewandelten Verständnis des Unrechts. Das liege nicht mehr alleine in der Beeinträchtigung des Rechtsgutes, sondern in einem Verfahrensverstoß. Hierbei differenziert Eser zwischen dem Fall, dass Verfahrensverstoß und Rechtsgutsbeeinträchtigung einhergehen können und dem Fall, dass es bloß zu einem Verfahrensverstoß kommt. Eser unterscheidet insofern zwischen absoluter und tendenzieller Prozeduralisierung. Den letzteren Fall schränkt er jedoch wieder ein, indem er zugibt, dass im Verfahrensverstoß zugleich auch eine Mediatisierung des Rechtsgutes gesehen werden kann; es sich also genau genommen beim Unrecht nicht um einen bloßen Verfahrensverstoß handelt.42
B. Prozeduralisierung als Substitution eines materialen Kriteriums Dass Eser unter Prozeduralisierung eine Substitution eines materialen Kriteriums durch ein Verfahren versteht, zeigt sich besonders gut an einer Stelle, an der er über das eingangs erwähnte „notlagenorientierte Diskursmodell“ spricht. Das Rechtfertigungsmodell beim Schwangerschaftsabbruch nämlich sei nicht material, sondern prozessual. Es treffe keine „sonst übliche“, also materiale Aussage zu einem „besseren Recht“, sondern substituiere diese materiale Frage durch eine Prozedur.43 Prozeduralisierung bedeutet für Eser damit die Entmaterialisierung des Prozeduralisierungsobjekts. Esers Definition von Prozeduralität basiert wesentlich auf einer indeterminierten Entkoppelung von Primär- und Sekundärebene und unterscheidet sich damit z. B. von Eickers Verständnis44 von Prozeduralität.
41 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 42 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 43 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [45]. 44 Siehe unter Kapitel 2, § 3, A.
§ 5 Prozedurales Strafrecht bei Albin Eser
135
C. Entmaterialisierung des Unrechts Zusammengefasst stellt sich Esers Verständnis eines prozeduralen Strafrechts anhand des Beispiels des Schwangerschaftsabbruchs als eine Entmaterialisierung des Unrechtsbegriffs dar. Entmaterialisierung bedeutet, dass das Unrecht im Kern nicht von der Rechtsgutsverletzung getragen wird, sondern von einem verfahrensmäßigen Verstoß, wobei das Verfahren dennoch das Ziel hat, letztlich das Rechtsgut zu schützen. Das Rechtsgut wird nach Esers Verständnis vom prozeduralen Strafrecht also nicht selbst eliminiert bzw. entmaterialisiert45 sondern nimmt nur eine andere Rolle wahr. Das Rechtsgut, genauer: dessen Verletzung, ist nicht mehr Kern des Unrechts, sondern der Schutz des Rechtsguts ist der Grund dafür, dass in einem Verfahrensverstoß das Unrecht liegen kann.46 Eser trennt an dieser Stelle – wie im Übrigen auch Eicker47 – nicht scharf zwischen Prozeduralisierung einerseits und Zweck dieser Prozeduralisierung andererseits. Dies nicht, weil er die mögliche Abstraktheit der beiden Fragen verkennt,48 sondern weil in seinem Verständnis von prozeduralem Strafrecht beide abstrakten Fragen zusammen zu erörtern sind. Das Ziel der Prozeduralisierung, der mittelbare Rechtsgüterschutz, bleibt bei Eser deshalb immer im engen Zusammenhang mit der Prozeduralisierung; er hat damit das Bild eines funktional-prozeduralen Rechtskonzeptes vor Augen.49
D. Zum Nutzen prozeduralen Strafrechts bei Eser Zur Frage, was ein prozedurales Strafrecht nutzen kann, nimmt Eser vor allem im Rahmen seines „notlagenorientierten Diskursmodells“ im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch Stellung. Eine Prozeduralisierung sei dann angezeigt, wenn auf Ebene der materialen Regelung ein Erkenntnisdefizit50 trotz bestehender Handlungsnotwendigkeit51 vorhanden sei. Die Folge sei eine Bewertungsunsicherheit, sei es, weil die Abwägung z. B. eine Werteentscheidung voraussetzt, sei es, dass überhaupt geeignete und darlegbare objektive Maßstäbe fehlen, wie es z. B. bei individuellen Konflikten der Fall ist.52 Die Bewertungsunsicherheit könne sich auch 45 Vgl. hierzu die Thematik der Entmaterialisierung des Rechtsgutsbegriffs z. B.: Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 122 ff. 46 Eser, Schwangerschaftsabbruch, in: ZRP 1991, 291 [298]. 47 Siehe unter Kapitel 2, § 3, A. 48 Vgl. nur soeben unter b). 49 Vgl. z. B.: Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [43; 46; 48]. 50 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [46]. 51 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [48]. 52 Eser, Schwangerschaftsabbruch, in: ZRP 1991, 291 [297].
136
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
daraus ergeben, dass erkenntnismäßige Defizite bei einer Person die Entscheidungsverlagerung auf eine andere Entscheidungsperson erfordern.53
E. Zusammenfassung: Esers Verständnis prozeduralen Strafrechts Auf die Grundlagen reduziert, versteht Eser prozedurales Strafrecht, exemplifiziert am Schwangerschaftsabbruch, als eine Rollenverschiebung des Rechtsguts weg vom materialen Unrecht hin zum einem Rechtsgut, das den Zweck der Prozeduralität darstellt. Es ist der Zweck genau dieser Substitution des Rechtsgutes durch ein verfahrensmäßiges Element als neuen Kern des Unrechts. Die stark rechtsgutsbezogene Sichtweise Esers soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben, da die Rolle des Rechtsgutes keinen Einfluss bei der Untersuchung der Definition prozeduralen Strafrechts hat. Das Rechtsgut könnte in Esers Gedanken genauso gut durch ein anderes, wertneutrales Prozeduralisierungsobjekt ersetzt werden. Auf die Rolle des Rechtsgutes wird im Rahmen der Legitimation einer lex ferenda näher eingegangen.
§ 6 Prozedurales Strafrecht bei Winfried Hassemer Für Hassemer ist die Prozeduralisierung des Rechts entgegen anderer Stimmen54 zwar kein neues Phänomen, aber dennoch ein noch nicht vollends enthülltes.55 Ausgangspunkt der prozeduralen Strafrechtsregelung ist für Hassemer ein Entscheidungsdilemma56, das durch eine Abänderung des Entscheidungsverfahrens, über einen „Umweg“57 prozedural gelöst werden kann.
A. Hassemers Standpunkt Mitte der 1990er Jahre Mitte der 1990er Jahre noch beschränkt sich Hassemers Definition von prozeduralem Strafrecht auf die allgemeine Erkenntnis, dass bei prozeduralem Strafrecht die Suche nach Wahrheit oder Gerechtigkeit durch Prozeduren gesichert wird, wobei
53 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [46 ff.]. 54 Vgl. z. B. Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 55 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 156. 56 Siehe dazu mehr unter aa). 57 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [749].
§ 6 Prozedurales Strafrecht bei Winfried Hassemer
137
jedes prozedural ordentlich zustande gekommene Ergebnis akzeptiert werde.58 Was aber in Bezug auf das Strafrecht genau unter „Prozeduren“ gemeint ist, und vor allem, welche herkömmlichen, d. h. materialen Elemente diese Prozeduren genau ersetzen, ist zu dieser Zeit noch nicht abstrakt geklärt, wohl aber z. B. anhand des Schwangerschaftsabbruchs exemplifiziert.59
B. Der Einfluss Niklas Luhmanns auf Hassemers Standpunkt Hiervon ausgehend differenziert Hassemer später die strafrechtliche Prozeduralisierung wesentlich detaillierter aus. Inspiriert durch Niklas Luhmann,60 sei die Prozeduralisierung des Strafrechts derjenige Vorgang, der aus der primären Differenz von Recht und Unrecht austritt, sie nicht leugnet, aber ihr nicht folgt.61 Parallelen zu Kaufmanns Theorie des rechtsfreien Raumes zeigen sich an dieser Stelle deutlich. Eine prozedural getroffene Entscheidung sei eine Entscheidung, die nicht in einem binären Rahmen getroffen werde, sondern die Antwort auf einer anderen Ebene erarbeite, auf der gerade nicht die übliche Recht-Unrecht-Entscheidung exekutiert würde.62 Damit hängt die Frage, ob Prozeduralisierung vorliegt davon ab, ob das binäre Schema von Recht und Unrecht nicht angewendet und die Entscheidung an eine andere Instanz weitergegeben wird.63 Mit anderen Worten handelt es sich um eine Verlagerung der Entscheidungskriterien bzw. der Entscheidungskompetenz,64 falls eine substantielle (materiale) Entscheidung anhand der gegebenen Kriterien nicht möglich ist (aber dennoch zwingend erforderlich65). Das bedeutet im Einzelnen, dass die Entscheidungsfindung entweder in sachlicher und/oder in personaler Hinsicht abgeändert wird. Die Sachenentscheidung wird entweder einem anderen Entscheidungsverfahren unterstellt oder an eine andere Stelle (z. B. weg vom Gesetzgeber und hin zu Privaten)66 übertragen, die bei der Entscheidung einem (ggf. auch abgeänderten) Entscheidungsverfahren unterworfen, d. h. prozedural gebunden ist.67 58 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [749]. 59 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [733 ff.]. 60 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 164; Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169 [170]. 61 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 164. 62 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 165. 63 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 166. 64 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [47]. 65 Dies spielt im Rahmen seiner Legitimation eine Rolle, siehe unten. 66 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 167. 67 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 158 f.
138
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Durch diese Substitution(en) im Entscheidungsverfahren, durch das Verlassen des binären Schemas, ändert sich die Distanz der Regelung zum zu schützenden Rechtsgut: Während die materiale Regelung das Rechtsgut, das durch das Handlungsobjekt68 verkörpert ist, typischerweise direkt vor Augen hat,69 handelt es sich bei der prozeduralen Regelung um den Rechtsgutschutz „à la longue“.70 Die materiale Regelung verbietet kurzer Hand die Verletzung des Handlungsobjekts; anhand dieser Verletzung des Handlungsobjekts wird dann im binären Schema über Recht oder Unrecht entschieden. Die prozedurale Lösung hat kein bestimmtes Handlungsobjekt, sondern nur den Rechtsgutschutz alleine vor Augen; beim Verfahren zum Schutz dieses Rechtsgutes ist die prozedurale Rechtsnorm gerade nicht auf ein bestimmtes (strafrechtliches) Handlungsobjekt beschränkt.71 Das binäre Schema „Recht/Unrecht“ bzw. genauer: „Verletzung des Handlungsobjekts/keine Verletzung des Handlungsobjekts“ wird durchbrochen. Das prozedurale Strafrecht ist deshalb losgelöst von einem Handlungsobjekt, sodass selbst eine konkrete Verletzung des Handlungsobjekts im Rahmen des allgemeinen Schutzes des Rechtsgutes hingenommen werden kann72 – das Kriterium der Verletzung des Handlungsobjekts gehört nicht (mehr) zum binären Schema. Der Konnex zwischen Rechtsgut und dem Handlungsobjekt, das dieses Rechtsgut material verkörpert, wird im prozeduralen Strafrecht gelöst; das Rechtsgut wird nur abstrakt als solches ohne gegenständliches Objekt begriffen. Die Rolle der Strafbewehrung ist nun die Sicherung der Beachtung des neuen Verfahrens;73 das Endziel bleibt jedoch das gleiche: größtmöglicher Schutz des Rechtsgutes.74
C. Zu den Vorzügen prozeduralen Strafrechts bei Hassemer Ähnlich wie Eser75 betrachtet Hassemer die Prozeduralisierung des Strafrechts76 auch nicht isoliert, sondern stets im Lichte der Legitimationsfrage und der Frage, welche Vorzüge die prozedurale Regelung vor der materialen Regelung haben
68 1994 trennte Hassemer noch nicht so deutlich zwischen Rechtsgüterschutz und Schutz des Handlungsobjekts: Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [737]. 69 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 159. 70 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 160. 71 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 160. 72 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 160. 73 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 161. 74 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [738]. 75 Siehe oben. 76 In deutlicher Abgrenzung zu rechtstheoretischen oder staatstheoretischen Prozeduralisierungskonzepten: Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 153.
§ 6 Prozedurales Strafrecht bei Winfried Hassemer
139
kann.77 Die Frage nach den Vorzügen prozeduralen Strafrechts wiederum ist bei Hassemer eng verknüpft mit der Legitimationsfrage. Prozedurales Strafrecht könne nur dann legitim sein, wenn es gegenüber dem materialen Recht bei der Lösung eines Problems, das wegen der Pflicht zum Rechtsgüterschutz zwingend zu regeln ist, Vorzüge bietet.78 Das Verhältnis von materialem und prozeduralem Strafrecht betrachtet Hassemer deshalb als Regel-Ausnahme-Verhältnis. Nur ausnahmsweise, wenn Wahrheit und Gerechtigkeit durch materiales Recht nicht mindestens ebenso gut hergestellt werden können, sei eine Prozeduralisierung im materiellen Strafrecht ein legitimes Mittel – eine ultima ratio.79 Für Hassemer stellt damit die kürzeste Distanz zwischen einer Regelung und dem zu schützenden Rechtsgut die Regel dar; je weiter sich die Regelung vom zu schützenden Rechtsgut entfernt, desto mehr liege die (scil. zu begründende) Ausnahme vor. Bei Hassemer entscheidet letztlich der Typus der einzelnen Rechtsfrage, ob eine materiale oder eine prozedurale Rechtsnorm den Bereich regeln kann.80 Entsprechend dem Aufbau dieser Arbeit soll zum Problemkreis der Legitimation einer Prozeduralisierung im Strafrecht erst im dritten Teil der Arbeit Stellung bezogen werden. Insofern bleibt Hassemers utilitaristisch geprägte Legitimation der strafrechtlichen Prozeduralisierung an dieser Stelle unbesprochen. Daher ist lediglich ist auf den einen Teilaspekt einzugehen, der den Nutzen bzw. die Vorzüge prozeduraler Strafrechtsnormen betrifft. Eine Prozeduralisierung komme in den Fällen in Betracht, in denen sich materiale Strafandrohungen als wirkungslos erwiesen haben,81 d. h. die Effektivität eine prozedurale Strafrechtsnorm erfordert. Typischer Weise versagen laut Hassemer materiale Regelungen in solchen Fällen, in denen die tatsächlichen Eigenschaften eines Problems nicht sichtbar und die normativen Dimensionen unklar seien.82 Das könnten Problembereiche sein, die z. B. empirisch (noch) nicht erforscht oder die ethisch unsicher zu beurteilen sind.83 Hassemer fasst sie unter dem Begriff der „Entscheidungen in Unsicherheit“84 zusammen. Bei einer solchen Entscheidung unter Unsicherheit herrsche hinsichtlich bestimmter Inhalte ein „spezifisches Nichtwissen“, deren Kenntnis für das Vorhaben konstitutiv sei, wobei dennoch nicht auf das Vorhaben verzichtet werden könne.85 Allgemein entstünden die Situationen spezifischen Nichtwissens durch die Erkenntnis, dass dem Zugang der Menschen zur Wirklichkeit kein grenzenloses Vertrauen entgegengebracht werden und es eine 77
Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 156. Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 157. 79 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 156. 80 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 166. 81 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 161. 82 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 156. 83 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 157. 84 Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 163; 168. 85 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [749]. 78
140
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
naturrechtliche Gewissheit in richtiges Recht nicht geben könne.86 Hassemer spricht auch von einem „Klima“, in dem Prozeduralisierung gedeihe. Dieses Klima sei durch Prognose und Dispositionsurteile geprägt, deren Gewissheitsdefizite gerade ein material begründetes Urteil verböten.87
D. Zusammenfassung der Konzeption prozeduralen Strafrechts Hassemers Prozedurales Strafrecht ist damit für Hassemer der hilfsweise zu beschreitende Umweg, falls Rechtsgüterschutz im Rahmen materialer Regelungen versagt, weil eine Dilemmasituation vorliegt und dennoch eine Entscheidung in der Sache unumgänglich ist. Der Umweg liegt darin, aus dem binären Entscheidungsschema von Recht und Unrecht oder Ausdifferenzierungen dessen auszubrechen, um das Rechtsgut zu schützen. Das verfahrensmäßige Element ersetzt das materiale, deshalb im Strafrecht: „binäre“ Entscheidungsschema. Die Rechtsgutsverletzung liegt dann nicht mehr in der Verletzung eines Handlungsobjekts als verkörpertes materiales Kriterium sondern alleine in der Verletzung des Verfahrens.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei der Untreue Zuerst sei nochmals bemerkt, dass es sich nachfolgend um die Untersuchung des § 266 StGB de lege lata auf hypothetische Prozeduralität hin handelt. Hypothetischer Prozeduralität fehlt der Automatismus, bei dem die Erfüllung eines prozeduralen Kriteriums ausnahmslos eine bestimmte Rechtsfolge auslöst. Schon deshalb ist § 266 StGB de lege lata unzweifelhaft eine materiale Regelung. Es soll jedoch geprüft werden, ob die Untreue de lege lata bereits im Ergebnis (d. h. im Rahmen der Hypothese, dass eine tatsächliche prozedurale Regelung vorläge) prozedurale Elemente der Strafbarkeit aufweist. Es geht folglich nicht um genuin prozedurales (Untreue-)Strafrecht.
86
Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [747]. 87 Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731 [749].
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
141
A. Differenzierung zwischen „Ob“ und „Warum“ einer Prozeduralität Um den Begriff der hypothetischen Prozeduralität definieren zu können, wird zunächst geklärt, was überhaupt (tatsächlich) prozedurales Strafrecht ist. Hierbei ist zunächst der Übersichtlichkeit halber wie folgt zu differenzieren: Es muss zwischen der Frage unterschieden werden, was prozedurales Strafrecht ist, der Frage, warum es Prozeduralität typischer Weise gibt und letztlich der Frage der Legitimität einer Prozeduralisierung. Die strenge Trennung dieser drei Aspekte hilft, das Phänomen der Prozeduralisierung im Strafrecht greifbarer zu machen. Die Prämisse, dass eine bestimmte Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda möglich ist, für die die Frage des Warum gar nicht beantwortet ist bzw. die nicht legitimiert ist, lässt ein weiteres Feld für eine Analyse auch im Hinblick auf hypothetische Prozeduralität zu. Die folgend herauszuarbeitende Definition nimmt in der Hauptsache zu ersterer Frage Stellung, also zur Frage, was überhaupt (hypothetisch) prozedurales Untreuestrafrecht darstellen kann. Für die Untersuchung des § 266 StGB auf im Ergebnis hypothetisch prozedurale Elemente der Strafbarkeit hin ist es jedoch auch wichtig, die typischen Gründe für eine Prozeduralisierung (allgemein), das Warum, zu kennen. So kann, sollten bestimmte Gründe für eine prozedurale Regelung im Rahmen des § 266 StGB vorliegen, gezielt geprüft werden, ob, dem Anlass folgend, sich auch im Ergebnis eine hypothetische Prozeduralität feststellen lassen kann. Diese Erkenntnisse spielen auch im Rahmen der lex ferenda eine Rolle bei der Frage, ob eine tatsächliche Prozeduralisierung Vorzüge gegenüber eines rein materialen Untreuerechts bieten kann. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die bestehenden Definitionen von prozeduralem Strafrecht, wie oben gezeigt, hauptsächlich funktional bzw. utilitaristisch, d. h. im Hinblick auf die Funktion oder den faktischen Zwang zu einer Prozeduralisierung gedacht werden. Eine auch funktionale Definition hypothetisch prozeduralen Untreuestrafrechts soll wegen ihrer Indizwirkung88 darum nicht gänzlich ausgeklammert sein. Zur Kernfrage der Legitimation einer Prozeduralisierung des § 266 StGB wird allerdings erst im Kapitel 3 der Arbeit en detail Stellung bezogen, wobei schon an dieser Stelle feststeht, dass die Frage des Beweggrundes für eine Prozeduralisierung einen zentralen Aspekt darstellen wird.
B. Notwendigkeit einer eigenen Definition Die Notwendigkeit, überhaupt eine eigene Definition für die eine Prozeduralität der Untreue entwickeln zu müssen, ergibt sich einerseits aus der Einzigartigkeit der Herangehensweise – das Thema (hypothetische) Prozeduralisierung wurde bisher nicht auf die Untreue bezogen – und andererseits aus der Kritik an den verschiedenen bestehenden Definitionen zu prozeduralem Strafrecht. So findet sich keine allge88
Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. u. Kapitel 2, § 7, E.
142
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
meine und genügend abstrakte Definition, anhand derer die (hypothetische) Prozeduralität gerade der Untreue (de lege lata und ferenda) bestimmt werden könnte. Die meisten Definitionen stellen sich als bloße Exemplifizierungen und nicht als allgemeine Definitionen dar. Außerdem trennen nur wenige Definitionen streng zwischen der Frage des Vorliegens („Ob“), der Frage des Anlasses („Warum“) und der Frage der Legitimation einer prozeduralen Regelung, was eine Übertragung auf die Konstellation einer (hypothetischen) Prozeduralisierung bei § 266 StGB problematisch macht. Eine isolierte Definition hinsichtlich des Obs einer (hypothetisch) prozeduralen Untreueregelung (de lege lata und ferenda) kann, wie soeben erörtert, zusätzliche Erkenntnisse liefern. Letztlich inkorporieren viele Definitionen Wertungen zur Qualität von prozeduralem Strafrecht, die jedoch nach der hier vertretenen Ansicht gerade keinen Einfluss auf die Frage haben, ob es sich überhaupt um eine (hypothetisch) prozedurale Regelung handelt. Das verengt zwangsläufig auch das Blickfeld für das Erkennen von hypothetischen Prozeduralisierungen im Rahmen der Untreue de lege lata. Es ist jedoch für den in dieser Arbeit gewählten Gang der Untersuchung wichtig, zwischen hypothetisch prozeduralen Elementen per se und wirksamen, effektiven und legitimen hypothetischen prozeduralen Untreueregeln (im Rahmen der lex lata) zu unterscheiden. Daher soll bewusst auf die „Scheuklappen“ der Legitimations- und Ursachenaspekte zunächst verzichtet werden. Kurz gesagt, es gibt derzeit keine subsumtionsfähige Definition prozeduralen Strafrechts bzw. speziell: hypothetisch prozeduralen Untreuerechts, die für das Untersuchungsziel dieser Arbeit gleichsam geeignet wäre.
C. Prozeduralität Zu Beginn sollen zwei berühmte prozedurale Prinzipien außerhalb des Strafrechts auf die Natur ihrer Prozeduralität hin, also auf die Kategorie der Regelung und nicht auf ihren Inhalt hin, untersucht werden: die Goldene Regel89 und Kants kategorischer Imperativ90. Prozedurale Prinzipien bzw. prozedurale Theorien haben ihren inhaltlichen Ursprung in der (rechts-)philosophischen Erkenntnis- und Wertelehre und beruhen auf der Grundüberlegung, dass in einer Situation spezifischen Nichtwissens (= fehlende Erkenntnis) bei gleichzeitigem Fehlen einer Gewissheit darüber, was richtig oder recht ist (= fehlende Werte), versucht wird, die Bedingung für die Beurteilung dieser Lage anderswo zu suchen: im Prozeduralen, d. h. in bestimmten Verfahren, die ihrerseits selbst Erkenntnisse und Werte sicherstellen bzw. verspre-
89 „Das populärste prozedurale Prinzip“: Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 182. 90 „Das historisch berühmteste Beispiel eines prozeduralen Prinzips“: Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 184.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
143
chen – „richtiges Recht“ als Produkt einer „richtigen“ Prozedur.91 Keineswegs geht es vorliegend darum, die Wirkweise und Eignung dieser Prinzipien, den sie mit Sinn füllenden Inhalt im Rahmen der Gerechtigkeits-92 bzw. Richtigkeitsfrage93, innerhalb derer sie gestellt wurden, zu besprechen – gleichwohl dies den am häufigsten diskutierten Aspekt dieser beiden Prinzipien darstellt.94 Es geht an dieser Stelle ausschließlich darum, warum gerade diese beiden Prinzipien als Paradebeispiele der Kategorie prozeduraler Prinzipien gelten, d. h. die einzig hier relevante Frage, was die Prinzipen gerade zu prozeduralen Prinzipen macht. I. Die Goldene Regel und der kategorische Imperativ Die Goldene Regel95 in ihrer so genannten negativen Fassung96 ist bekannt unter dem populären Aphorismus „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“ bzw. dem in lateinischer Prägnanz formulierten „quod tibi fieri non vis alteri ne feceris“.97 Der kategorische Imperativ Kants existiert in verschiedenen Fassungen98, wobei eine weithin verbreitete lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“99
91 Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 137 ff. 92 Mayer-Maly, Der Weg der Goldenen Regel, in: FS Söllner 2000, S. 755 [760]. 93 Schnoor, Kants kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, S. 91. 94 So für die Goldene Regel z. B. Spendel, Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, in: FS von Hippel 1967, S. 491 [498 ff.]; Hruschka, Die Goldene Regel in der Aufklärung, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2004, Bd. 12, S. 157 [167 ff.]; für den kategorischen Imperativ z. B.: Schnoor, Kants kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, S. 8 ff. 95 Zur geschichtlichen Entwicklung und den wesentlichen, verschiedenen Formulierungen: Spendel, Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, in: FS von Hippel 1967, S. 491 [492 ff.] und Mayer-Maly, Der Weg der Goldenen Regel, in: FS Söllner 2000, S. 755 ff. und Hruschka, Goldene Regel, in: JZ 1987, 941 ff.; Hruschka, Die Goldene Regel in der Aufklärung, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2004, Bd. 12, S. 157 ff. 96 Zu den verschiedenen Fassungen der Goldenen Regel: Hruschka, Die Goldene Regel in der Aufklärung, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2004, Bd. 12, S. 157 ff. 97 Spendel, Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, in: FS von Hippel 1967, S. 491. 98 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 184. 99 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Bd. VII, S. 51.
144
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
1. Goldene Regel und kategorischer Imperativ als bloße Verhaltensanleitungen Sowohl die Goldene Regel als auch der kategorische Imperativ können als bloße Verhaltensanleitungen verstanden werden. Das Spezielle dieser Verhaltensanleitungen besteht darin, dass sie auf jegliche inhaltlichen (materialen) Aussagen verzichten, welche Verhaltensgrundsätze nun richtig und gerecht bzw. unrichtig und ungerecht sind,100 sondern jeweils bloß ein Prüfprogramm aufstellen, d. h. Regeln formulieren, „wie“ man verfahren soll, welche Überlegungen man anstellen soll,101 um zu richtigen und gerechten Handlungen zu gelangen. Diese Erkenntnis setzt denknotwendig einen bestimmten Bezugspunkt voraus, im Fall der Goldenen Regel und des kategorischen Imperatives: die Gerechtigkeitsfrage. Man kann die Verhaltensanleitung als die Primärebene, die Richtigkeits- bzw. Gerechtigkeitsfrage als die Sekundärebene bezeichnen. Auf Grund der Betrachtung von diesem Bezugspunkt – der Sekundärebene – aus, der relativ ist, kann man erst die Aussage treffen, dass die Anweisungen inhaltlich neutral bezüglich des Bezugspunktes sind. Nur auf Grund dieser relativen Betrachtung ist es überhaupt möglich, von einer inhaltsneutralen, einer prozeduralen Regel zu sprechen. Die Goldene Regel und der kategorische Imperativ sind relativ zur Gerechtigkeitsfrage prozedurale Prinzipien. Die Goldene Regel (in ihrer negativen Fassung) beschreibt, welche Überlegungen anzustellen sind, um selbst herauszufinden, was man zu unterlassen hat.102 Auch der kategorische Imperativ ist als eine bloße Anleitung zu verstehen, wie moralische Fragen in einem bestimmten gedanklichen Verfahren einer Lösung zugeführt werden können.103 Die Prinzipien Goldene Regel und kategorischer Imperativ treten im Zusammenhang mit der Lösung moralischer Probleme auf, um Antworten auf Probleme der Gerechtigkeit zu geben. Die beiden Prinzipien unterscheiden sich von obersten formalen Prinzipien, Dekalog- und Grundrechtsformeln deskriptiven Gehalts sowie von Metaregeln und Vorzugsregeln.104 Diese Arten von Prinzipien wollen inhaltliche Antworten auf die soeben genannten Probleme der Gerechtigkeit geben.105 Auch an dieser Stelle sei nochmals auf die Relativität hingewiesen: Die erwähnten, obersten 100 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 184. 101 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 183. 102 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 183. 103 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 184. 104 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 182. 105 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 182.
Einführung in die Rechtsphilosophie Einführung in die Rechtsphilosophie Einführung in die Rechtsphilosophie Einführung in die Rechtsphilosophie Einführung in die Rechtsphilosophie Einführung in die Rechtsphilosophie
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
145
formalen Prinzipien etc. sind nur relativ zur Gerechtigkeitsfrage materiale Regelungen und keine prozeduralen Prinzipien. Bei den Prinzipien der Goldenen Regel und des kategorischen Imperativs handelt es sich indes bei Beibehaltung des gleichen Bezugspunktes relativ um Verfahrensregeln und nicht um direkte Aussagen über das zu behandelnde Problem der Gerechtigkeitsfrage. Nicht umsonst werden die Prinzipien auch als prozedurale Prinzipien der praktischen Philosophie bezeichnet.106 Am Anfang steht dabei nicht ein inhaltlich-moralisches Prinzip, sondern ein Verfahren.107 Der Unterschied zwischen materialen und prozeduralen Prinzipien der Gerechtigkeit liegt folglich nicht darin, dass unterschiedliche Zwecke verfolgt würden. In beiden Fällen geht es darum, Lösungen zu moralischen Problemen der Gerechtigkeit zu finden – es liegt der gleiche Bezugspunkt vor. Der Unterschied besteht im relativ zum Bezugspunkt anderen Lösungsweg. Prozedurale Prinzipien beschreiten zur Problemlösung einen Umweg: Sie geben lediglich an, wie jemand, der eine Lösung zu einem moralischen Problem finden will, zu verfahren hat, ohne dabei eine bestimmte moralische Handlungsdirektive zu treffen. Entscheidend für die Qualifikation als „Umweg“ ist die Tatsache, dass ein „Umweg“ in der Entscheidung nur dann vorliegt, falls die genuinen Entscheidungskriterien verlassen werden. D. h., die Kriterien des Umwegs müssen so gestaltet sein, dass sie ohne die (materialen) Sachkriterien auskommen, also ein aliud zu diesen darstellen. Ansonsten läge gerade kein „Umweg“ in der Entscheidung vor, sondern nur ein Pseudoumweg. Dies wäre z. B. bei einer bloßen Paraphrasierung der (materialen) Sachkriterien der Fall. Dass es sich bei prozeduralen Prinzipien um echte „Umwege“ zu einer Entscheidung handelt, zeigen vor allem auch die Reaktionen auf prozedurale Prinzipien. Denn für viele ist die Konsequenz dieses Umweges, wie oben angedeutet, die Überprüfung des prozedural gefundenen Ergebnisses anhand der materialen Kriterien, um so die prozedurale Vorgehensweise vor dem Hintergrund des Zweckes evaluieren zu können. Dies ist auch der Grund, warum im Rahmen der Thematik prozeduraler Prinzipien am häufigsten über die Bewertung der Leistungsfähigkeit zur Zielerreichung gesprochen wird.108 2. Verallgemeinerung der Prozeduralität der Prinzipien Denkt man nun die Prinzipien Goldene Regel und kategorischer Imperativ ohne den Kontext der Lösung des Problems der Suche nach Moral und Richtigkeit, so ist das gemeinsame prozedurale Erkennungsmerkmal der beiden Prinzipien die Andersartigkeit des Entscheidungswegs, der echte „Umweg“, die „Stellvertretung“ bei
106 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 182. 107 Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 182. 108 Vgl. z. B. Schnoor, Kants kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, S. 32 ff.
146
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
einer Entscheidung109, hin zu einer bestimmten Entscheidung in einer spezifischen Situation. Andersartigkeit bedeutet, dass ein relativ zum Bezugspunkt gesehener, regulärer Entscheidungsmechanismus in einer Situation nicht angewendet wird, in der er normalerweise (ggf. unter Schwierigkeiten) angewendet wird oder angewendet werden muss. Es findet gerade keine Entscheidung auf der Sachebene statt; sachbezogene Argumente werden ausgeblendet. Prozedurale Regelungen entscheiden unter Zugrundelegung anderer Kriterien, die sich als aliud zu den Sachkriterien der prozeduralisierten Entscheidung, d. h. relativ zum Bezugspunkt, darstellen. Auf Grund dieser Überlegungen gelangt man zu der ersten These – der These der Relativität von Prozeduralität. II. Relativität der Prozeduralität Prozeduralität ist ein relativer Begriff. Es kann nicht abstrakt beurteilt werden, ob ein bestimmter Tatbestand prozedural ausgestaltet ist, bzw. ob er prozedurale Elemente, prozedurale Entscheidungskriterien, aufweist. Prozeduralität einer Regelung kann immer nur in Bezug auf einen bestimmten Fixpunkt, hier im Folgenden: das Prozeduralisierungsobjekt genannt, vorliegen. Im Rahmen dieses Teil der vorliegenden Arbeit geht es darum, die Entwicklung der Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestand des § 266 StGB zu systematisieren. Der Bezugspunkt muss insofern auch bei der Untersuchung auf hypothetische Prozeduralität die materielle Strafbarkeitsentscheidung sein. Dies stellt den materialen Bezugspunkt für die Bestimmung eines (hypothetisch) prozeduralen Untreuestraftatbestandes dar. Die Strafbarkeitsentscheidung meint die Frage der Verhängung einer Kriminalstrafe bzw. der Festsetzung anderer Kriminalrechtsfolgen,110 die das materiale Strafrecht, d. h. das materielle und prozessuale Strafrecht, an die tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Verwirklichung des § 266 Abs. 1 StGB knüpft.111 Strafbarkeitsentscheidung bedeutet damit vereinfacht ausgedrückt, dass es sich um das Endergebnis einer Prüfung der Strafverfolgungsorgane handelt; das Endergebnis einer so genannten „Strafsache“.112 Deshalb fallen auch Entscheidungen in der Sachverhaltsermittlung, strafprozessuale Feststellungen, die Strafzumessung etc. unter das Prozeduralisierungsobjekt. Dies ist die Konsequenz des Verständnisses, dass sowohl materielles, als auch prozessuales Strafrecht materiales Strafrecht – im Gegensatz zum prozeduralen Strafrecht – darstellen kann. Andererseits soll auch die (vor allem höchstrichterliche) Rechtsprechung Berücksichtigung finden. Sie erfüllt mit der Anwendung des Rechts dieses erst mit Leben. So ist es insbesondere möglich, Tendenzen der Rechtsprechung – und damit vor allem auch außerhalb des gesetz109
Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 197 f. Hilger, in: Löwe/Rosenberg-StPO, EG StPO, § 3 Rn. 2. 111 §§ 38 ff., 61 ff. und 73 ff. StGB; §§ 413 ff. und 430 ff. StPO. 112 Verfahren mit dem Zweck der Entscheidung über die Anwendung einer Strafrechtsnorm, siehe Begründung zur Strafprozessordnung bei: Hahn, Die gesammten Materialien zur Strafprozessordnung und dem Einführungsgesetz, Bd. I, S. 233. 110
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
147
lichen Tatbestandes des § 266 StGB liegende Tendenzen hin zu einem Ergebnis eines hypothetisch prozeduralen § 266 StGB untersuchen zu können. Dennoch soll an dieser Stelle gleichzeitig klar gestellt sein, dass es im Rahmen der Arbeit in der Hauptsache um die Probleme des materiellen Rechts der Untreue und nur am Rande des Strafprozessrechts geht. Im materiellen Recht der Untreue liegt der Schwerpunkt der Untersuchung. Fragestellungen prozessualer Natur sollen aber dort nicht ganz ausgeblendet sein, wo sie zusätzliche Erkenntnisse in Bezug auf den Forschungsgegenstand liefern. III. Das Prozeduralisierungsobjekt Folglich handelt es sich im Rahmen dieser Arbeit bei dem in Rede stehenden Objekt der Prozeduralisierung im Rahmen der Untreue um die Untreuestrafbarkeitsentscheidung. An dieser Stelle ist es hilfreich, noch genauer zu unterscheiden, welche Elemente der Strafbarkeitsentscheidung im Einzelnen (hypothetisch) prozeduralisiert sein können. Das kann z. B. die Rechtsgutsverletzung als Teil der Tatbestandsmäßigkeit sein – sofern die Verwirklichung des Tatbestandes mit der Verletzung eines Rechtsgutes einhergeht. Die Frage der Strafbarkeit hängt von vielen Elementen ab. Im Einzelnen ist dies die Bejahung des Tatbestandes, der Rechtswidrigkeit und der Schuld. Diese Elemente haben selbst wiederum weitere Voraussetzungen. Wird nur eine dieser Voraussetzungen prozeduralisiert, z. B. die Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt einen Vermögensnachteil als Erfolg des objektiven Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB113 darstellt, so ist damit zugleich auch die Strafbarkeitsfrage insgesamt prozeduralisiert. Abstrakt heißt dies, dass alle Entscheidungen auf „höheren Ebenen“, für die ein Element conditio sine qua non ist, dann prozeduralisiert sind, wenn nur ein Teilelement (bzw. genauer: die Bejahung/ Verneinung dieses Elements) prozeduralisiert ist. Diese Aussage gilt jedoch nur in eine „Richtung“, nämlich nur in strafbefreiender Hinsicht. Denn für die positive Strafbarkeitsentscheidung müssen selbstverständlich alle Elemente der Strafbarkeit vorliegen. In strafbegründender Hinsicht gilt diese Aussage deshalb nur mutatis mutandis. Denn wenn nur ein Element der Strafbarkeit prozeduralisiert ist, heißt das noch lange nicht, dass die anderen Strafbarkeitselemente zwingend auch vorliegen müssen. Deshalb ist es angezeigt, nur in strafbefreiender Hinsicht von einer Prozeduralisierung der Strafbarkeit gemäß § 266 StGB insgesamt zu sprechen, wohingegen in strafbegründender Hinsicht besser von der bloßen Prozeduralisierung eines speziellen oder mehrerer Elemente der Strafbarkeitsentscheidung die Rede sein sollte.
113
Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 39.
148
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
IV. Prozeduralität des Entscheidungskriteriums (Tatsächliche) Prozeduralisierung ist zusammenfassend der gesetzlich angeordnete Ersatz der Anwendung des regulären Entscheidungsschemas bei der Frage der Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB, gleich auf welches Element genau sich die Prozeduralisierung bezieht. Schweiger vergleicht diesen Ersatz anschaulich mit den Wirkungen einer zivilrechtlichen Stellvertretung: das prozedurale Recht fürhe als „Stellvertreter“ des materiellen Rechts durch selbständige, verfahrensmäßige Regelungen Rechtswirkungen für und gegen das materielle Recht herbei.114 Hypothetische Prozeduralität ist der faktische und ergebnisgleiche, jedoch gerade nicht gesetzlich angeordnete Ersatz (nach Schweiger wäre dies dann mit einer Vertretung ohne Vertretugnsmacht zu vergleichen) der Anwendung des regulären tatsächlichen und materialen Entscheidungsschemas im Rahmen der Rechtsauslegung und Anwendung bei der Frage der Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB, gleich auf welches Element genau sich die Prozeduralisierung bezieht. Damit weitet sich das Spektrum schon an dieser Stelle erheblich gegenüber vielen bestehenden Definitionen, die regelmäßig nur einzelne Elemente der Strafbarkeit auf deren Prozeduralität hin betrachten und eine umfassende Untersuchung auf (hypothetisch) prozedurale Elemente der Strafbarkeitsentscheidung in Bezug auf einen bestimmten Straftatbestand indes nicht vornehmen. Damit hat prozedurales Recht zwangläufig auch insgesamt eine Ersatzfunktion, denn die prozedurale Regelung ersetzt im Falle einer bestehenden materialen Regelung (ansonsten: ergänzt) insoweit materielles Recht.115 1. Bestimmung der „Andersartigkeit“ des Entscheidungskriteriums Eine weitere zentrale Frage, die es auch vorab zu beantworten gilt, ist die des richtigen Bezugspunktes für die Bestimmung der „Andersartigkeit“ der (hypothetisch) prozeduralen Entscheidungskriterien im Rahmen der Untreue. Nur wenn klar ist, was der richtige Bezugspunkt ist, den man für die Untersuchung der „Andersartigkeit“ heranzieht, kann man (hypothetisch) prozedurales Untreuerecht identifizieren. Schon die Formulierung „Andersartigkeit“ legt nahe, dass es sich um einen von der regulären Norm abweichenden Bezugspunkt handeln muss. Diese „Andersartigkeit“ muss auch inhaltlich bestimmt werden; es greift zu kurz und führt zu einem zu weiten Prozeduralisierungsbegriff, wenn man diese nur darin zu suchen, dass Verfahren anstelle materialer Vorgaben treten.116
114
Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 197 f. So auch Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 174 ff., 196 ff., 259. 116 Vgl. den weiten Prozeduralisierungsbegriff bei Francusi: Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 172 ff. 115
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
149
2. Zeitliche Entwicklung des Rechts Fraglich ist, ob bei der Bestimmung dieses Bezugspunktes auch in zeitlicher Hinsicht die Entwicklung des Rechts zu berücksichtigen ist. Man könnte dann nämlich auf einer sehr hohen Abstraktionsebene erwägen, ob überhaupt alles materiales Recht, so gedacht, gleichzeitig auch prozedurales Recht sein könnte, weil sich das Recht im Laufe der Zeit weiterentwickelt, sodass es immer ein früheres Recht geben muss (bzw. kein Recht), welches als Bezugspunkt für die Bestimmung einer relativen Prozeduralität belastet werden kann. In diesem Lichte betrachtet könnte man z. B. die Materialisierung117 des Rechts, d. h. die Entwicklung von formaler Legalität hin zu materialer Gerechtigkeit, die statt der Eindeutigkeit der streng logischen Anwendung eines systematischen Rechtscodes die Berücksichtigung außerrechtlicher Momente fordert,118 als Prozeduralisierung des formalen Rechts begreifen. Dieses Beispiel zeigt die große Relevanz der Bestimmung des korrekten Bezugspunktes. In dieser Arbeit bleibt die zeitliche Entwicklung bezüglich der lex lata jedoch außer Betracht, sodass insofern keine mehrdimensionale Bestimmung eines Bezugspunktes notwendig wird. 3. Prozeduralisierung als Vorgang Prozeduralisierung beschreibt selbst einen Vorgang. Nämlich den Vorgang der Transformation einer nicht prozeduralen (ergo: materialen) Regelung in eine prozedurale. Prozeduralisierung setzt damit schon begrifflich eine bestehende materiale Regelung voraus, bei der Kriterien durch „andersartige“ Kriterien substituiert werden. Prozeduralisierung passiert nicht ohne die Verfolgung materialer Ziele.119 Anders ausgedrückt bestätigt sich durch diese Überlegung ein weiteres Mal das Verständnis der Relativität prozeduralen Rechts. Ohne Relativum, d. h. ohne Bezugspunkt, kann es gar kein prozedurales Recht geben. Die Überlegung, der relative Bezugspunkt könne auch das nullum sein, d. h. die Ungeregeltheit eines Bereichs, stellt keine Ausnahme dieser Regel dar, sondern bestätigt sie: Denn bei formaler Betrachtungsweise stellt auch das nullum als Bezugspunkt einen für Prozeduralität notwendigen Bezugspunkt dar.
117 Hier im traditionellen Sinne verstanden, vgl. Dreier, Der Begriff des Rechts, in: NJW 1986, 890. 118 Ludwig-Mayerhofer, Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung, S. 30 f. 119 Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599 [614].
150
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
4. Bezugspunkt als Voraussetzung für Prozeduralität Mithin kann an dieser Stelle die These der Relativität der Prozeduralität dahingehend substantiiert werden, dass Relativität, d. h. irgendein Bezugspunkt, notwendige Voraussetzung für (hypothetisch) prozedurales Untreuerecht darstellt.
D. Das Untreuesystem Da Prozeduralisierung, wie oben dargestellt, die Nichtanwendung eines regulären Entscheidungsschemas ist, muss man konsequenter Weise in Bezug auf die Untreue, § 266 StGB, fragen, welche Entscheidungskriterien überhaupt innerhalb des regulären Schemas, welche außerhalb des regulären Entscheidungsschemas liegen. I. Der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als Entscheidungsschema Das „Entscheidungsschema“ bei der Entscheidung über die Untreuestrafbarkeit könnte der gesetzliche Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB sein, sowie die strafprozessualen Regelungen, an deren Ende eine Entscheidung über die Strafbarkeit steht. Nachfolgend wird jedoch nicht ausschließlich auf den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB bzw. die Regelungen der Strafprozessordnung rekurriert werden, was erklärungsbedürftig ist. Bei der vorliegenden Untersuchung geht es nicht darum, schlichte „Fehlentscheidungen“ – im Sinne einer schlichten Falschsubsumption – über die Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB als hypothetische Prozeduralisierungen herauszuarbeiten. Würde man nämlich ausschließlich den gesetzlichen Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als Entscheidungsschema der Strafbarkeitsentscheidung heranziehen, könnte man konsequenter Weise bei einer offensichtlichen Fehlsubsumption schon insofern eine hypothetische Prozeduralisierung der Strafbarkeitsentscheidung bejahen. Eine solche Definition von hypothetisch prozeduralem Untreuestrafrecht ginge einerseits zu weit und ist vor allem andererseits in der Sache wenig dienlich; es soll gerade in der hypothetischen Prozeduralität eine Systematisierung der (unter Umständen conta legem erfolgten) Entwicklung der Rechtsprechung und dem Meinungsstand in der Literatur zur Untreue entwickelt werden. Ein weiteres Problem, das sich stellt, sofern man den gesetzlichen Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als Bezugspunkt einer Prüfung für hypothetisch prozedurales Untreuestrafrecht heranzieht, ist dessen Verständnis. Zunächst umgibt den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als relevanten Bezugspunkt einen Charme von Simplizität. Doch schon die Frage, was abseits des „klaren“ Wortlauts der Vorschrift im Sinne eines hermeneutischen Verständnisses des Textverstehens120 genau unter dem 120 Str. ist, was überhaupt der (vermeintlich) klare Wortlaut einer Norm ist und wie dieser selbst durch Auslegung erst zu ermitteln ist, bzw. die Frage, ob der „klare“ Wortlaut einer
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
151
Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB zu verstehen ist, wirft zahllose Probleme auf. Wie genau der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB im Einzelnen auszulegen ist, ist in vielen Bereichen höchst umstritten. Auch die Frage, inwiefern die Konturierung bzw. Konkretisierung des Tatbestandes durch die Rechtsprechung121 bei der Bestimmung des Bezugspunktes für die „Ob-Prüfung“ auf hypothetische Prozeduralität zu berücksichtigen ist, birgt Probleme. Wird die einschlägige (nur: höchstrichterliche?) Rechtsprechung bei der Bestimmung des Bezugspunktes berücksichtigt, entzieht sich zwangläufig diese Rechtsprechung einer (ansonsten: zirkelschlüssigen) Prüfung auf hypothetisch prozedurale Elemente hin, da relativer Bezugspunkt und Prüfungsobjekt zwangsläufig identisch wären. Es soll jedoch ein wichtiger Teil dieser Untersuchung sein, gerade auch die Entwicklungen in der Rechtsprechung auf ihre hypothetische Prozeduralität hin zu überprüfen. Deshalb verbietet es sich auch, den durch die Rechtsprechung konturierten, gesetzlichen Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB als relevanten Bezugspunkt für eine Prüfung herzunehmen. Das gleiche gilt, mutatis mutandis, auch für einen durch die Literatur konturierten Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB. Dennoch ist zuzugeben, dass eine hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB vorliegen kann, wenn außertatbestandliche Entscheidungskriterien herangezogen werden. II. Die Systemtheorie Luhmanns Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem soeben122 skizzierten Dilemma müssen mithin andere Lösungswege gesucht werden. Im Folgenden soll die Systemtheorie Niklas Luhmanns herangezogen werden, um Ansätze für einen anders bestimmten Bezugspunkt für die Prozeduralitätsprüfung zu finden. Obwohl Luhmann seine Systemtheorie mit großer Distanz zu strafrechtlichen Problemen behandelt hat,123 wurde diese schon mehrmals zur Bearbeitung genuin strafrechtlicher Fragen herangezogen.124 Was jedoch in der bisherigen Wissenschaft noch nicht in einem größeren Umfange getan wurde, ist die Anwendung der Systemtheorie Luhmanns im Rahmen einzelner strafrechtlicher Tatbestände.125 Warum die Anwendung der Systemtheorie im Rahmen dieser Untersuchung zur Untreue Auslegung zugänglich ist, vgl. Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 106b; BVerfGE 4, 351; BGH, in: NJW 1956, 1553. 121 Was laut BVerfG sogar ausdrücklich das Mandat an die Rechtsprechung darstellt: BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08. 122 Siehe unter Kapitel 2, § 7, C. IV. 123 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 59. 124 Vgl. z. B. Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts, S. 57; Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 54 ff.; Schweiger, Prozedurales Strafrecht, 111 ff.; Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 83 ff. 125 So jedoch z. B. auf den Untreuetatbestand: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 36 ff.
152
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
gemäß § 266 StGB dennoch so naheliegend und vor allem: gewinnbringend ist, und wie dies im Einzelnen geschehen soll, wird nachfolgend erläutert. 1. Systemtheorie und Definition von prozeduralem Strafrecht Die Systemtheorie wird häufig im Zusammenhang mit der Prozeduralisierung des Rechts erwähnt.126 Sie nimmt die Rolle einer Grundlagentheorie ein, auf die die Entwicklung der Prozeduralisierung maßgeblich zurückgeht.127 Wie schon erwähnt,128 wird prozedurales Strafrecht häufig funktional definiert, d. h. dessen Steuerungsfunktion und Steuerungspotentiale hervorgehoben. Die Auseinandersetzung mit der Systemtheorie im Hinblick auf das Steuerungspotential einer Prozeduralisierung de lege ferenda erfolgt im Kapitel 3 dieser Arbeit. An dieser Stelle geht es nur darum, einzelne Teilaspekte der Systemtheorie im Rahmen der eigenen Definition von prozeduralem Untreuestrafrecht zu belasten. 2. Intersystemische Einwirkungsmöglichkeiten und Prozeduralität Eine funktionale Definition von Prozeduralisierung lässt die Gemeinsamkeiten zur Systemtheorie zu Tage treten. Der Systemtheorie liegt auf der Makroebene sozialer Wirkzusammenhänge129 der Hauptgedanke einer gesamtgesellschaftlichen Ausdifferenzierung in eigenständige soziale Systeme zu Grunde.130 Damit stellt sich zwangsläufig die Frage des Verhältnisses dieser einzelnen sozialen Systeme zueinander – und folglich die Frage der Steuerungsmöglichkeit sozialer Systeme. Im Rahmen der Systemtheorie wird die Steuerung unter dem Oberbegriff der intersystemischen Einwirkungsmöglichkeiten diskutiert.131 Dies ist die Parallele zwischen funktional definierter Prozeduralisierung und Luhmanns Systemtheorie. 3. Im Rahmen der eigenen Definition von prozeduralem Untreuestrafrecht relevante Grundannahmen der Systemtheorie Im ersten Teil der Arbeit wurde schon im Zusammenhang mit der Kriminologie der Untreue darauf eingegangen, was im Rahmen dieser Untersuchung unter einem 126
Siehe unter Kapitel 2, § 6, D. zu Hassemers Definition von prozeduralem Recht; Erwähnung auch im Zusammenhang mit Teubners Idee vom „refelxiven“ Recht: Lüderssen, „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Amelung 2009, S. 67; Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 99; Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 83 ff. 127 Hassemer bezieht sich bei seinen Erwägungen stets auf die Systemtheorie als Fundament (siehe unter Kapitel 2, § 6, B.); so auch Eicker ausdrücklich (siehe unter Kapitel 2, § 3). 128 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 129 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 54. 130 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 60. 131 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 69.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
153
Untreuesystem zu verstehen ist.132 Das Untreuesystem ist nach hier vertretener Ansicht ein Subsystem des Strafrechtssystems, welches wiederum ein Subsystem des Rechtssystems insgesamt darstellt. Im ersten Teil der Arbeit ging es vornehmlich darum, einen tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz nachzuweisen und dafür war die Erkenntnis von Bedeutung, dass „Untreue“ (d. h. das Untreuesystem) aus Kommunikationen besteht. Der große Mehrwert dieser einfachen Feststellung liegt, wie oben dargestellt, in dem Komplexitätsgewinn durch die Umstellung von Handlungen auf Kommunikationen133 als Beschreibung und Analyse sozialer Systeme – hier: der Untreue gemäß § 266 StGB. Der Blick wird von der Mikroebene individuellen Handelns auf die Makroebene sozialer Wirkzusammenhänge gelenkt.134 War für den ersten Teil der Arbeit wichtig, dass es überhaupt Untreuesysteme gibt und wie diese sich konstituieren, ist es in diesem Teil der Arbeit von Bedeutung, zu untersuchen, was ein Untreuesystem von anderen gesellschaftlichen Systemen unterscheidet. Mit den Worten der Systemtheorie wird es im Folgenden um Selektion,135 Autopoiesis,136 Code und Programm137 von Untreuesystemen gehen. a) Selektion Voraussetzung dafür, dass sich aus Kommunikationen auch Systeme im Sinne der Systemtheorie herausbilden können, also auch ein Untreuesystem, ist, dass sich gewisse gemeinsame Formen des Umgangs mit den systemtheoretischen Problemen von Kontingenz und Komplexität entwickeln.138 Kontingenz bedeutet, dass jede aktuelle Beziehung zwischen Einheiten (Luhmann bezeichnet sie als „Alter“ und „Ego“), also z. B. Kommunikation, auch immer anderes möglich sein kann.139 Die Kommunikation kann vorgenommen, unterlassen oder es kann ein ganz anderer Inhalt kommuniziert werden. Treffen nun mehrere (abstrakte) Einheiten, deren Elemente kontingent sind, aufeinander und beziehen ihre wechselseitigen Elemente – z. B. Kommunikation – auch aufeinander, dann ergibt sich eine Situation so genannter doppelter Kontingenz, in der die gegenseitige Anknüpfbarkeit der Elemente zum Problem wird.140 Wenn jeder kontingent handelt, z. B. kontingent kommuniziert, und auch von anderen weiß, dass sie kontingent handeln, dann ist es grundsätzlich unwahrscheinlich, dass eigenes Handeln auch 132 133 134 135 136 137 138 139 140
Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) cc) (3). Luhmann, Soziale Systeme, S. 191 ff. Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 54. Luhmann, Soziale Systeme, S. 56 f., 170 f. Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft, S. 30. Luhmann, Soziale Systeme, S. 197. Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 61 Luhmann, Soziale Systeme, S. 47, 152. Luhmann, Soziale Systeme, S. 165 f.
154
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Anknüpfungspunkte im Handeln des anderen findet.141 Angesichts dessen ist es unmöglich, alle Elemente zu allen Elementen in Beziehung zu setzten; die zusammenhängende Menge von Elementen, die auf Grund ihrer jeweiligen Kontingenz nicht mehr einzeln miteinander verknüpft sein können, bezeichnet Luhmann schließlich als komplex.142 Der Begriff der Selektion kann verstanden werden als Aktualisierung eines prinzipiell kontingenten Elements bei Nichtaktualisierung der anderen Elemente.143 Durch diese Selektion ist es dann möglich, bestimmte Anknüpfungsmöglichkeiten auszuwählen, um dadurch das Kontingenz- und Komplexitätsproblem abzufangen. Wiederholen und verfestigen sich diese Anknüpfungen infolge der Selektion und nehmen eine Struktur an, entstehen Systeme.144 Letztlich ergibt sich daraus ein Komplexitätsgefälle im Verhältnis von System und Umwelt, das innerhalb des Systems dazu führt, dass durch weitere Selektionen Strukturen gebildet werden, um die Reduktion von Umweltkomplexität bei Komplexitätssteigerung im System erreichen zu können; diese systeminterne Komplexitätssteigerung kann zu weiteren Selektionen führen, die mit der Ausdifferenzierung in Subsysteme einhergehen kann.145 Die Ausdifferenzierung in ein System ist somit der dynamische Prozess der Steigerung der systeminternen Anschlussfähigkeit bei gleichzeitiger Steigerung der Unabhängigkeit von allem (systemextern) Übrigen.146 b) Code und Programm Eine weitere Frage, die sich nun stellt ist die, nach welchen Kriterien die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in bestimmte Systeme erfolgt. Die Frage, wie und warum Systeme überhaupt entstehen, sagt noch nichts darüber aus, wie sich gerade ein konkretes (z. B. Untreue-)System bildet und von seiner Umwelt unterscheidet. Die Selektionen, die im Rahmen der Kommunikationen erfolgen, sind an so genannten binären Codes ausgerichtet. Diese binären Codes werden durch ein spezielles, auf das betreffende System bezogenes Programm realisiert.147 Die Codierung erlaubt auch einem systemexternen Beobachter, das System von seiner Umwelt zu differenzieren. Systemintern dient die Codierung dazu, Kommunikationen mit systemischem Informationsgehalt von Kommunikationen ohne systemischen Informationsgehalt (so genannte „Störung“ oder „Rauschen“ bzw. „noise“) 141
Luhmann, Soziale Systeme, S. 165. Luhmann, Soziale Systeme, S. 46. 143 Luhmann, Soziale Systeme, S. 56 f., 170 f. 144 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 62. 145 Luhmann, Soziale Systeme, S. 47 ff., 249 ff.; Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 62. 146 Luhmann, Soziale Systeme, S. 250. 147 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 67. 142
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
155
zu unterscheiden.148 Durch die Codierung schafft sich ein System eine Strukturierung aller systemischen Operationen. Alle Kommunikation kann folglich nur über die den Systemcode bildende Leitdifferenz inkludiert werden.149 Innerhalb eines Systems erfolgt die Zuweisung der Kommunikation zu dem negativen oder positiven Codewert über so genannte Programme, die die systemische Selektion präzisieren, indem sie Bedingungen für die Zuordnung zu einem Codewert formulieren.150 Auf das Rechtssystem bezogen stellt z. B. die Unterscheidung „Recht/Unrecht“ den Code dar, wobei die Gesetze und die Rechtsprechung das Programm darstellen. Bei der weiteren evolutionären Ausdifferenzierung von sozialen Systemen in weitere Subsysteme infolge von Komplexitätssteigerungen kommt es zwangsläufig auch zu einer Modifikation der Systemcodes.151 Das Subsystem folgt zwar weiterhin dem Generalcode, hat diesen jedoch weiter ausdifferenziert.152 Im Subsystem des Strafrechts z. B. ist der Generalcode Recht/Unrecht weiterentwickelt und modifiziert. Der Generalcode tritt nun z. B. in Gestalt des Subcodes „strafbar/nicht strafbar“ auf.153 c) Der Untreuecode und das Untreueprogramm Betrachtet man nun das Untreuesystem als ein Subsystem des Rechtsystems, so stellt sich die Frage nach dem Untreuecode, der das Untreuesystem von anderen Systemen, wie z. B. dem Strafrechtssystem insgesamt unterscheidet. Der Untreuecode wird durch das Untreueprogramm bestimmt, also vor allem durch die normativen Grundlagen der Untreue – mit anderen Worten auch154 durch § 266 StGB. Andererseits wird der Untreuecode auch durch die Konturierung der Rechtsprechung und Literatur bestimmt und damit nicht ausschließlich durch das (hier so genannte: formelle) Untreueprogramm, § 266 StGB. Die Rechtsprechung, wie auch die Literatur, die sich mit der Untreue beschäftigt, bilden jeweils ein eigenes Subsystem des Strafrechtssystems. Es soll im Folgenden vom Untreue-Rechtsprechungssystem und dem Untreue-Literatursystem die Rede sein. Durch die intersystemische Irritation zwischen den verschiedenen Untreue-Subsystemen bilden sich so genannte informelle Programme155 heraus, die wiederum das Ob und Wie der 148
Luhmann, Soziale Systeme, S. 197. Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 67. 150 Luhmann, Soziale Systeme, S. 278. 151 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 68. 152 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 68. 153 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 68. 154 Die normativen Grundlagen der Strafbarkeitsentscheidung sind bei der Untreue neben § 266 StGB auch die einschlägigen Vorschriften des Strafprozessrechts. 155 Die Unterscheidung zwischen formellen und informellen Programmen trifft Luhmann nicht ausdrücklich, obgleich er von der Existenz informeller Programme auszugehen scheint: Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 66. 149
156
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Anwendung des formellen Programms des § 266 StGB entscheiden,156 indem sie genauso wie die formellen Programme – und in Konkurrenz zu diesen – Regeln für die Strafbarkeitsentscheidung bei § 266 StGB formulieren. Da die informellen Programme innerhalb des Untreuesystems entwickelt werden, können sie selbst Ausdruck der Autopoiesis des Untreuesystems betrachtet werden.157 Da das Untreuesystem ein autopoietisches System darstellt, ist es gerade kognitiv offen für eine intersystemische Irritation auch von Seiten des UntreueRechtsprechungssystems und des Untreue-Literatursystems. Selektion innerhalb des Untreuesystems kann daher anderen Vorgaben als denen des § 266 StGB (bzw.: der formellen Untreueprogramme) folgen.158 Bei der Selektion innerhalb des Untreuesystems wird also die System-Umwelt-Differenz zum Untreue-Rechtsprechungsund Untreue-Literatursystem fortwährend bei der Systembildung und Systemreproduktion eingebracht. Konkret bedeutet dies, dass die Bildung und Reproduktion von (potentiellen) Treuebeziehungssystemen stets die Rechtsprechung im Rahmen der Selektion innerhalb des Untreuesystems einbezieht. Treugeber und Treunehmer reagieren in ihrer Kommunikation auf die Einflüsse, die ihnen durch die Untreuesubsysteme der Rechtsprechung und Literatur gegeben werden. Für das Untreuesystem stellen aber auch andere Systeme die Systemumwelt dar. Auch diese anderen Subsysteme des Rechtssystems beeinflussen das Untreuesystem durch intersystemische Irritation. Beispielsweise seien an dieser Stelle das Wirtschaftsrechts-System, das Gesellschaftsrechts-System, das Finanzrechts-System oder das Steuerrechts-System genannt. Indem z. B. gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftsrechtliche Kommunikationen durch Untreue-Kommunikation irritiert werden, kommt es auf Grund der gegenseitigen kognitiven Offenheit der Subsysteme zu jeweiligen Kontingenzproblemen, die wegen Selektionen zu einer Komplexitätsreduktion im Gesamtsystem (Rechtssystem) führen. Auf Grund dieser intersystemischen Irritationen wird das Komplexitätsgefälle innerhalb des Rechtssystems – d. h. zwischen dem Untreuesystem und anderen Subsystemen des Rechtssystems – verringert. Dieses Phänomen beschreibt die (hypothetische) Prozeduralisierung der Untreue. Auf Grund intersystemischer Irritationen, auf Grund der kognitiven Offenheit des Untreuesystems, kommt es zu Prozeduralisierungstendenzen. Die Codierung des Untreuesystems wird an die Kommunikation anderer Subsysteme des Rechtssystems angepasst. Je nach Systemumwelt ist das Komplexitätsgefälle zwischen den Systemen groß; die Kommunikationen sind doppelt kontingent. Ein Beispiel: Wenn Kommunikation zwischen dem Untreuesystem und dem Gesellschaftsrechts-System stattfindet, so sind beide Systeme zwar Subsysteme des 156 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 96; Hassemer, Informelle Programme im Strafprozess, in: StV 1982, 377 [380]; Hassemer, Grundlinien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, in: KritV 1990, 260 [262 f.]. 157 Vgl. Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 96; Luhmann, Einheit des Rechtssystems, S. 129 [140 f.]; Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 210 f. 158 In Bezug auf Strafprozessrecht als formelles Programm: Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 96.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
157
Rechtssystems, jedoch ist das Untreuesystem ein Subsystem des Strafrechts-Systems, das Gesellschaftsrechts-System ein Subsystem des Zivilrechts-Systems. Die Kommunikation ist in Ansehung der unterschiedlichen Sub-System-Codes (strafbar/ nicht strafbar vs. rechtmäßig/rechtswidrig) stark kontingent. Kommt es zu einer intersystemischen Irritation, so muss zwangsläufig eine Annäherung der Codierungen stattfinden, um das starke Komplexitätsgefälle zu reduzieren. Diese Reduktion von Komplexität zwischen dem Untreuesystem und anderen Systemen stellt das Phänomen der Prozeduralisierung dar. Systemcodefremde Kommunikationen werden im Wege der Autopoiesis des Untreuesystems durch dessen kognitive Offenheit verarbeitet. 4. (Hypothetische) Prozeduralität als Veränderung der System-Umwelt-Differenz auf Grund intersystemischer Irritationen Mithin kann nicht von einem durch die Rechtsprechung oder die Literatur konturierten Untreuesystem – und damit auch Untreueprogramm und Untreuecode – gesprochen werden. Ob und wie die Kommunikationen im Untreuesystem ihre Kontingenz auf Grund der intersystemischen Irritation durch die Rechtsprechung und Literatur ändern, ist selbst kontingent. So kann insbesondere der Untreuecode bzw. können die Untreueprogramme im Untreuesystem selbst anders sein als der Untreuecode bzw. die Untreueprogramme im Rechtsprechungs- oder Literatursystem. Was in der Kommunikation zwischen einem bestimmten Treugeber und einem Treunehmer als Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB angesehen wird, kann in jedem einzelnen Untreuesystem verschieden sein, genauso wie es jeweils von der Kommunikation im Rechtsprechungs- oder Literatursystem abweichen kann. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Andersartigkeit der Entscheidungskriterien ist damit nicht der Untreuecode innerhalb des Untreue- oder Rechtsprechungs- bzw. Literatursystems. Vielmehr bestimmt die Differenz dieser Codierungen den richtigen Bezugspunkt. Alle Kommunikationen, die außerhalb der intersystemischen Irritation zwischen dem Untreue-, Rechtsprechungs- und Literatursystem liegen, stellen die Andersartigkeit in der Codierung dar. Alle Autopoiesis auf Grund kognitiver Offenheit des Untreuesystems stellt prozedurale UntreueProgrammierung dar. Autopoietische Systeme, wie das Untreuesystem, sind damit auf Grund ihrer kognitiven Offenheit zur Systemumwelt zwangsläufig prozeduralisierungsfreundlich. Der strukturell geschlossene Untreuecode ist das Unrecht der Untreue. Das Unrecht der Untreue ist ein ambivalentes, nämlich die vorsätzliche159 Verursachung eines Vermögensnachteils als Erfolgsunrecht durch vorsätzliche Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht als Handlungsunrecht. Insbesondere kommt im Er159 § 15 StGB; der Vorsatz selbst ist Teil des Handlungsunrechts, Sternberg-Lieben, in: S/ S-StGB, § 15 Rn. 8.
158
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
folgsunrecht der Untreue das Vermögen des Treugebers – deshalb: geschütztes Vermögen – als Rechtsgut zur Erscheinung. Das Untreuesystem ist daher auch auf diese zweierlei Sub-Codes ausgerichtet. Einmal auf den Sub-Code des Pflichtgemäßen/Pflichtwidrigen (freilich nur soweit die Pflichtwidrigkeit untreuerelevant ist, vgl. S. 228) und andererseits auf den Sub-Code des Vermögensnachteils/kein Vermögensnachteil. Das Vorliegen einer Vermögnesbetreuungspflicht ist im hier verstandenen Sinne nicht Teil des Untreuecodes, da ihr Bestehen schon Voraussetzung eines Untreuesystems ist. Auch weitere (allgemeine) Elemente der Strafbarkeit, wie z.B: Vorsatz oder Rechtswidrigeit sind nicht Teil des Untreuecodes, weil sie schon als Teil der Codieung eines allgemeineren Strafrechtssystems nicht spezifisch für das Untreuesystem sind. Auf Grund der intersystemischen Irritationen und der kognitiven Offenheit des Untreuesystems kommt es wegen Situationen doppelter Kontingenz zu Komplexitätsreduktionen, welche gleichbedeutend mit der (hypothetischen) Prozeduralisierung des Untreuesystems verstanden werden. Untreuesysteme bestehen ausschließlich aus der System-Umwelt-Differenz. Diese System-Umwelt-Differenz ist zugleich der Grund der Prozeduralisierungstendenzen im Untreuesystem. Ohne Umwelt gäbe es weder ein Untreuesystem und damit mangels System-Umwelt-Differenz auch keine Situationen doppelter Kontingenz, die durch Komplexitätsreduktion gelöst werden. (Hypothetische) Prozeduralisierung ist Komplexitätsreduktion. Damit kann es ohne Systemumwelt keine (hypothetische) Prozeduralisierung geben. Zusammenzufassend gilt, dass auf Grund der Tatsache, dass es Untreuesysteme gibt, es auch (hypothetische) Prozeduralisierung gibt. (Hypothetische) Prozeduralisierung betrifft Komplexitätsreduktion auf Grund kognitiver Offenheit. Aber nur in den Fällen, in denen die doppelte Kontingenz, also das Komplexitätsgefälle, durch Programmänderungen gerade im Untreuesystem abgemildert wird, liegt eine (hypothetische) Prozeduralisierung des Untreuesystems vor. Die Komplexitätsreduktion kann nämlich entweder durch eine (hypothetische) Prozeduralisierung im Untreuesystem oder im irritierenden System oder in beiden Systemen stattfinden. Innerhalb des Rechtssystems zwingt sich das Strafrechts-System selbst durch die Programmierung des Legalitätsprinzips160 zu Kommunikation mit anderen Systemen. Das Strafrecht muss sämtliche in seinen Regelungsbereich fallenden Sachverhalte behandeln. Dadurch kommt es zwangsläufig zu intersystemischen Irritationen zwischen dem Strafrechts-System und jedem anderen System, das in den Regelungsbereich des Strafrechts fällt. Auf Grund dieser programmatischen Besonderheit des Strafrechts-Systems – und damit auch des Untreuesystems muss Kommunikation zwangsläufig intersystemisch stattfinden. Ohne (hypothetische) Prozeduralisierung wäre diese zwingende Kommunikation nicht möglich. Das zeigt den programmatischen Zwang zur (hypothetischen) Prozeduralisierung entweder im Untreuesystem oder im irritierenden System.
160
§ 152 Abs. 2 StPO; BVerfG, in: NStZ 1982, 430; BGHSt 15, 155.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
159
Transparenz stellt ein prozedurales Entscheidungskriterium innerhalb des Untreuesystems dar, da es außerhalb des doppelten Unrechts der Untreue liegt, weil Transparenz keinen Zusammenhang mit den Entscheidungskriterien für eine Pflichtverletzung oder einen Vermögensnachteil hat. Mehr noch: Transparenz ist nicht nur in Bezug auf das Untreuesystem systemfremd, sondern sogar allgemein System-Code-neutral. Transparenz als Informationsmöglichkeit verhält sich auch zu jedem anderen Systemcode neutral, da Transparenz inhaltsabstrakt definiert wird und es ein reines Transparenz-System ohne jeden inhaltlichen (materialen) Bezug gar nicht geben kann. Transparenz stellt daher nicht nur in Bezug auf das Untreuesystem ein prozedurales Entscheidungskriterium dar, sondern auch in Bezug auf die System-Umwelt; Transparenz ist daher im Untreuesystem tendenziell häufiger als (hypothetische) prozedurales Entscheidungskriterium vorzufinden, da bei einer systemischen Irritation es den beiden Systemen leichter fällt, Komplexitätsreduktionen durch Kommunikationen, die in beiden Systemen verstanden werden, herbeizuführen – hierbei bietet sich Transparenz als systemneutrales Entscheidungskriterium besonders an.161 Hypothetische162 Prozeduralisierung unterscheidet sich von der bloßen Fehlsubsumtion somit dadurch, dass hypothetische Prozeduralisierung nur auf Grund von Programmen stattfindet. Das können im Strafrechtssystem einerseits formelle Programme als auch informelle Programme sein.163 Informelle Programme sind laut Hassemer durch Merkmale der Latenz und der Regelhaftigkeit zu beschreiben.164 Das Merkmal der Latenz bezieht sich auf das Medium des informellen Programms und bringt zum Ausdruck, dass es sich bei informellen Programmen nicht um greifbare Regeln handelt (wie z. B. der kodifizierte und publizierte § 266 StGB); das Merkmal der Regelhaftigkeit meint, dass es sich bei informellen Programmen auch tatsächlich um Programme handelt.165 Informelle Programme erschöpfen sich daher nicht in der bloßen Deskription von Kommunikationen, sondern stellen Regeln für Kommunikationen dar (Präskription).166 Ein Programm das sich in der bloßen Deskription erschöpft stellt schon kein Programm im eigentlichen Sinne dar. Daraus folgt, dass eine hypothetische Prozeduralisierung, die ebenfalls nur deskriptiven und keinen präskriptiven Charakter hat, keine hypothetische Prozeduralisierung im hier verstandenen Sinne darstellt, sondern eine bloße Fehlsubsumtion. Ob eine hypothetische Prozeduralisierung deskriptiven oder präskriptiven Charakter hat, entscheidet sich anhand des Charakters des informellen Programms, auf dem die Prozeduralisierung basiert oder das die Prozeduralisierung hervorbringt. Hypothe161
Siehe unter: Kapitel 3, § 6 A. u. B. Im Rahmen der Abgrenzung zu Fehlsubsumption geht es nur um hypothetische Prozeduralisierung, da tatsächliche, gesetzlich angeordnete Prozeduralisierung schon begrifflich nie Fehlsubsumption sein kann. 163 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 3. d). 164 Hassemer, Informelle Programme im Strafprozess, in: StV 1982, 377 [382]. 165 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 96 f. 166 Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 97. 162
160
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
tische Prozeduralisierung anhand eines formellen Programms ist stets hypothetische Prozeduralisierung und nie Fehlsubsumtion. III. Kriterien der Strafbarkeitsentscheidung Bei den außerhalb der Komplexitätsreduzierung im Untreuesystem liegenden Kriterien muss es sich nicht um „Verfahren“ im engeren Sinne handeln, wie es die Begrifflichkeit der „Prozeduralisierung“ prima facie nahe legen könnte.167 Es sollen sämtliche Kriterien erfasst sein. Prozeduralisierung steht zwar begrifflich für eine Prozedur. Diese Prozedur kann jedoch gerade darin liegen, die Strafbarkeitsentscheidung anhand externer Kriterien zu treffen. Zudem kann eine Prozedur in zweifacher Hinsicht vorliegen: Einmal die Entscheidung auf Grund externer Kriterien und andererseits kann das Kriterium selbst eine Prozedur darstellen. IV. Zwischenergebnis Das Untreuesystem folgt der zweifachen Sub-Codierung des Pflichtgemäßen/ Pflichtwidrigen und des Vermögensnachteils/kein Vermögensnachteil. Folglich sind alle Entscheidungen über die Strafbarkeit gemäß § 266 StGB, die sich an Kriterien orientieren, die zur Komplexitätsreduktion den Untreuecode (zumindest auch) zu Gunsten der Systemumwelt durch formelle oder informelle Programme ändern, eine (hypothetische) Prozeduralisierung der Untreuestrafbarkeit. Da nicht zweierlei Kriterien die Entscheidung bestimmen können, muss zwangsläufig ein (teilweiser) Austausch der Kriterien stattfinden. Vereinfacht dargestellt liegt dann eine (hypothetische) Prozeduralisierung der Untreuestrafbarkeit vor, wenn Kriterien außerhalb des Handlungs- und Erfolgsunrechts (welches auch das Vermögen des Treunehmers inkorporiert) der Untreue anstelle dieser Kriterien die Strafbarkeitsentscheidung beeinflussen.
E. Prozeduralisierungsindizien Folgend wird nach Gründen für eine (hypothetische) Prozeduralisierung gefragt. Es handelt sich unter Zugrundelegung der oben erarbeiteten Definition von (hypothetischer) Prozeduralität also um Gründe, warum Untreue-Code-fremde Kriterien zur Entscheidung über eine Untreuestrafbarkeit herangezogen werden.
167
Siehe unter Kapitel 2, § 2, A.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
161
I. Dilemmasituationen In vielen Fällen ist das Ausweichen auf Untreuecode-fremde Kriterien durch Dilemmasituationen bedingt: Komplexe Entscheidung in spezifischer Unwissenheit oder unter Unsicherheit. Die Dilemmasituationen sind deshalb häufig Anlass einer (hypothetischen) Prozeduralisierung.168 Schweiger bezeichnet in diesem Sinne prozedurales Recht als den „Rettungsanker materieller Irrfahrten“.169 Francusi sieht gerade bei Entscheidungen unter „spezifischem Nichtwissen“ den Anwendungsbereich prozeduraler Regelungen im Wirtschaftsstrafrecht (hierzu zählt sie explizit die Untreue) als eröffnet an.170 Da in der Prozeduralisierung der Entscheidung ein „Ausweg“ gesehen wird, muss das austauschende Kriterium konsequent „einfacher“ zu handhaben sein als das Kriterium, das substituiert wird. Das neue Kriterium sollte in der Lage sein, ohne Dilemma handhabbar zu sein. Dillemmasituationen im vorgenannten Sinne unterscheiden sich jedoch von a priori material nicht entscheidbaren Situationen – wie im Paradebeispiel des Notstandsfalls von Karneades, in dem eine wertende Entscheidung von vornehinein ausgeschlossen wäre.171 Diese Gründe für eine (hypothetische) Prozeduralisierung können als Indikator herangezogen werden, um im bestehenden materiellen Untreuestrafrecht nach (hypothetisch) prozeduralen Elementen zu suchen. So kann es schon begrifflich in einer solchen Dilemmasituation, in der einerseits eine Entscheidung der Situation unumgänglich ist, jedoch andererseits Unsicherheiten bestehen, keine andere Lösung für das Problem geben, als die (zwingende) Entscheidung unter Zugrundelegung anderer, handhabbarer Kriterien. Dies stellt eine (hypothetische) Prozeduralisierung der Entscheidung dar. II. Tatbestandlich angelegte Prozeduralisierungstendenzen des § 266 Abs. 1 StGB Im Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB finden sich Tatbestandsmerkmale, die sich einer an dem natürlichen Wortsinn orientierten Auslegung und Subsumtion entziehen. So hauptsächlich die Tatbestandsmerkmale der Vermögensbetreuungspflicht und (teilweise172) des Vermögensnachteils. Des Weiteren handelt es sich bei diesen 168
So auch Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 167. Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 198. 170 Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 187 ff. 171 In diesen Fällen handelt es sich folglich nicht um eine präferierte oder „bessere“ Bewertung, sondern um einen Verzicht auf eine Wertung, also letztlich um Kaufmanns „rechtsfreien Raum“ (Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599 [604]). 172 Vgl. BVerfGE 126, 170 [205] zur umgangssprachlichen Wortsinnbedeutung des „Nachteils“ als „Schaden, Verlust, ungünstige Lage“, „etwas, was sich für jemanden gegenüber einem anderen negativ auswirkt, ihn beeinträchtigt, ihm schadet“, „als Minderung, Verschlechterung erscheinendes Übel, überhaupt Schaden, Verlust, Abbruch, Beeinträchti169
162
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Tatbestandsmerkmalen um wirtschaftlich konnotierte Tatbestandsmerkmale. Ohne in die Diskussion der Frage nach einer strafrechtsautonomen Bestimmung der Tatbestandsmerkmale einzutreten, kann festgestellt werden, dass schon die abstrakte Nähe zu wirtschaftlichen Kriterien eine gewisse Indizwirkung für eine dementsprechende hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB bietet. Auch die (wichtig: nur teilweise) Reziprozität der Voraussetzungen für die Tatbestandsmerkmale der Vermögensbetreuungspflicht und des Vermögensnachteils indiziert eine so genannte Verschleifung173 der beiden Tatbestandsmerkmale; sowohl in der Form des Schlusses vom Vermögensnachteil auf die Pflichtverletzung, als auch in der Form des Schlusses von der Pflichtverletzung auf den Vermögensnachteil. Die teilweise Verschränkung von Untreuehandlung und Untreueerfolg174 stellt sich als das zentrale Strukturproblem des Untreuetatbestandes175 dar, da es gerade auf die Fälle ankommt, in denen die Voraussetzungen für die beiden Tatbestandsmerkmale nicht abstrakt voneinander vorliegen. In diesem Bereich liegt das Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung nahe. Es reduziert sich so vor allem in der Treubruchalternative, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB, bei fehlenden gesetzlich oder anders bestimmten, speziellen Vermögensbetreuungspflichten die Pflichtwidrigkeit darauf, gegen das allgemeine Verbot der Schädigung des Vermögens des Treugebers verstoßen zu haben. Damit sind Pflichtverletzung und Vermögensschaden strukturell (teil-)identisch176 und schon deshalb kann eine hypothetische Prozeduralisierung vorliegen, da jeweils abstrakte Voraussetzungen der jeweiligen Tatbestandsmerkmale fehlen. Eine weitere Fallgruppe der Indizwirkungen für hypothetische Prozeduralität stellen äußerst komplexe Sachverhalte, die, entweder tatbestandlich oder zivilrechtlich, nur sehr schwierig zu beurteilen sind. Hier besteht ein Indiz, dass Komplexitätsreduktionen vorgenommen wurden, um den so vereinfachten Sachverhalt unter die Tatbestandsmerkmale des § 266 StGB subsumieren zu können. In der neueren Literatur wird das Wirtschaftsstrafrecht und speziell die Untreue gerne als ein Paradebeispiel für Komplexität zitiert und hieran die Notwendigkeit des Einsatzes prozeduraler Regelungen aufgezeigt.177 Strukturell gibt deswegen auch
gung“; jedoch lägen trotz eines allgemein verständlichen Bedeutungsgehalts spezifische Auslegungsschwierigkeiten vor. 173 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VII. 4. u. Kapitel 3, § 6, C. V. 174 BGHSt 52, 323 [339]: „Dass die pflichtwidrige Handlung und die Schadensentstehung inhaltlich und zeitlich zusammenfallen, ist im Übrigen eine je nach Fallkonstellation häufige und unvermeidliche Lage, die für sich allein der Feststellung eines Nachteils gleichfalls nicht entgegensteht.“ 175 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [569]; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, Rn. 775; Fabricius, Strafbarkeit der Untreue im Öffentlichen Dienst, in: NStZ 1993, 414. 176 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [569]. 177 Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 43 ff.; Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 109 ff.
§ 7 Eigene Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei Untreue
163
die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine detaillierte Tatbestandsstruktur178 hypothetisch prozeduralen Handhabungen des Tatbestandes erst den nötigen Raum.
F. Legitimität einer Prozeduralisierung Um die Legitimität einer tatsächlichen Prozeduralisierung zu beurteilen, sind einerseits die verfassungsmäßigen Grenzen, die für das gesamte Strafrecht gelten, zu beachten. Auch prozedurales Strafrecht ist an die Verfassung gebunden. Zudem, soviel sei dem dritten Teil der Arbeit vorweggenommen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Prüfung der Legitimität einer Prozeduralisierung die Frage, ob die Prozeduralisierung auch der angestrebten (dann von der ursprünglichen Regelung aus betrachtet: Fern-)Zielerreichung, in häufigen Fällen ein Ausweg aus einem Entscheidungsdilemma, dienlich ist. An dieser Stelle grenzt sich eine zweckprogrammierte Prozeduralisierung vom bloß (nicht intentional definierten) „symbolischen Strafrecht“179 ab, dessen Nutzen für den Gesetzgeber in einem bloßen symbolischen Gewinn liegt.180 Jedoch sei an dieser Stelle ausdrücklich nochmals erwähnt, dass die Frage des Vorliegens von Gründen für eine (hypothetische) Prozeduralisierung und die Frage der Legitimität nach hier vertretener Ansicht nichts am Vorliegen einer (hypothetisch) prozeduralen Regelung ändern kann. Diese Sicht wird bestätigt durch denkbare Konstellationen, in denen eine Überprüfung gar nicht möglich ist, da die prozedurale Regelung gerade ein materiales Entscheidungsdilemma überwinden soll.181 Im Besonderen befasst sich der dritte Teil der Arbeit mit diesen Fragen.
178 BVerfGE 126, 170 [221], siehe unter Kapitel 3, § 6, C. III. 3. zur „gewollten Unbestimmtheit“. 179 Verstanden in Hassemers Sicht, der eine intentionale Bestimmung des Begriffs des „symbolischen Strafrechts“ ablehnt: Hassemer, Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, in: FS Roxin 2001, S. 1001 [1004].; Hassemer, Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, in: NStZ 1989, 553; a.A. ist in Bezug auf die Bestimmung „symbolischen Strafrechts“ – was für die Untersuchung an dieser Stelle jedoch unerheblich ist – Prittwitz, der im Rahmen eines kombinatorischen Begriffs fünf Arten des „symbolischen Strafrechts“ unterscheidet: Prittwitz, Strafrecht und Risiko, in: v. Bora (Hrsg.): Rechtliches Risikomanagement, S. 193 [234 ff.]. 180 Hassemer, Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, in: FS Roxin 2001, S. 1001 [1004]. 181 Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. I.
164
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
G. Ergebnis: Definition prozeduralen Untreuerechts Im Weiteren wird die zuvor gebildete Definition von prozeduralem Untreuerecht zu Grunde gelegt werden. Um diese im Rahmen der Untersuchung der lex lata auf hypothetische Prozeduralität handhabbar182 zu machen, wird eine Kurzfassung als Untersuchungsdefinition gegeben, unter die sodann die zu untersuchenden Phänomene der Untreue de lege lata subsumiert werden können.
§ 8 Untersuchung des § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität Im nachfolgenden Teil soll die Untreue de lege lata gemäß § 266 StGB darauf hin untersucht werden, ob Transparenz schon de lege lata als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium Einfluss auf die Untreuestrafbarkeit hat, d. h., ob sich das materiale mit dem hypothetisch prozeduralem Ergebnis (anhand des Merkmals der Transparenz) deckt.
A. Untersuchungsgegenstand Zuvor ist der Untersuchungsgegenstand näher zu konkretisieren. Untersucht werden soll die Untreue de lege lata, also die Untreue – wörtlich – „nach geltendem Recht“.183 Zunächst ist damit die Prüfung des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998184 gemeint. Die Beurteilung eines Sachverhalts de lege lata erfordert notwendigerweise eine Auslegung des Gesetzes, welche maßgeblich durch die Rechtsprechung und Fachliteratur geprägt und beeinflusst ist.185 Bei der Untreue gemäß § 266 StGB besteht sogar die Besonderheit, dass das Verfassungsrecht, namentlich der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG, eine solche Konturierung des Tatbestandes erfordert.186 Aus diesem Grund ist hier unter der Untreue de lege lata die Anwendung und Auslegung des § 266 StGB entsprechend der aktuellen Rechtsprechung und Literatur zu verstehen, obgleich die Konturierung der Auslegung eines Tatbestandes durch Rechtsprechung und Literatur nicht zum engen Begriff der lex (also: Gesetz!) lata gehört. Jedoch ist es üblich, bei 182 Was in Ansehung der großen Zahl der untersuchten Konstellationen ansonsten den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. 183 Wörtlich: „nach erlassenem Gesetz“, d. h. die Beurteilung nach den geltenden Gesetzen: Köbler, in: Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. I: „de lege lata“. 184 Zuletzt geändert durch das 6. StRG vom 26. 1. 1998, BGBl. I 1998, 164 (704). 185 Siehe unter Kapitel 2, § 7, C. IV. zum Problem der Bestimmung der Andersartigkeit des Entscheidungskriteriums. 186 BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
165
Untersuchungen de lege lata die Rechtsprechung und Literatur einzubeziehen.187 Ebenso ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches auch insofern zu berücksichtigen, als dass er im konkreten Fall auf die Untreue gemäß § 266 StGB anzuwenden ist.188 Der Untersuchungsgegenstand der lex lata des § 266 StGB ist jedoch auch in prozessualer Hinsicht zu erweitern. So soll im Sinne dieser Untersuchung auch das relevante Strafprozessrecht insofern inkludiert sein. Bei der Frage der Verhängung einer Kriminalstrafe bzw. der Festsetzung anderer Rechtsfolgen,189 die das materielle Strafrecht an die rechtswidrige Verwirklichung des § 266 Abs. 1 StGB knüpft,190 ist die Strafprozessordnung zu berücksichtigen, § 3 EGStPO, § 13 GVG. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei das Transparenzmerkmal, d. h. die Überlegung, inwiefern Transparenz ein hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium darstellt. Jedoch werden auch hypothetisch prozedurale Entscheidungskriterien in gebotener Kürze betrachtet, die nicht mit Transparenz in Verbindung stehen. Dies dient insbesondere dazu, im dritten Teil der Arbeit zu zeigen, dass die Untreue nach § 266 StGB einen äußerst prozeduralisierungsfreundlichen Tatbestand darstellt bzw. einen Tatbestand, der sogar eine gewisse prozedurale Handhabung erfordert und auch ermöglichen kann.
B. Zusammenfassung und wichtige Begriffe Bevor § 266 Abs. 1 StGB auf hypothetisch prozedurale Elemente der Strafbarkeit hin untersucht wird, sollen kurz die wichtigsten Begrifflichkeiten wiederholt sowie eine Zusammenfassung der eigenen Definition von Prozeduralität gegeben werden. I. Prozeduralisierungsobjekt Das Prozeduralisierungsobjekt stellt die Entscheidung dar, die durch (hypothetisch) prozedurale Entscheidungskriterien getroffen wird. Das Prozeduralisierungsobjekt stellt einen der maßgeblichen Bezugspunkte einer (hypothetisch) prozeduralen Regelung dar. Durch ihn wird die Natur der (hypothetisch) prozeduralen Regelung definiert.
187 So z. B. (jeweils ohne Begründung): Dieterich, Die Untreue de lege lata und de lege ferenda; Stühler, Die actio libera in causa de lege lata und de lege ferenda. 188 Eser, in: S/S-StGB, Vorbem § 1 Rn. 7/8; nach Art. 1 I EGStGB gilt der Allgemeine Teil des StGB für das Bundesrecht, dem Wortlaut nach also auch für den Besonderen Teil des StGB. 189 Hilger, in: Löwe/Rosenberg-StPO, EGStPO, § 3 Rn. 2. 190 §§ 38 ff., 61 ff. und 73 ff. StGB; §§ 413 ff. und 430 ff. StPO.
166
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
II. Entscheidungskriterium Ein Entscheidungskriterium ist ein Merkmal (von ggf. mehreren), über dessen Vorliegen vorentschieden werden muss, um eine bestimmte Endentscheidung zu treffen. Es gibt materiale Entscheidungskriterien und (hypothetisch) prozedurale Entscheidungskriterien, jeweils relativ zum materialen Entscheidungskriterium bestimmt. Die Art des Entscheidungskriteriums bestimmt darüber, ob es sich bei der Regelung um eine (hypothetisch) prozedurale oder (hypothetisch) materiale Regelung handelt, also über die Kategorie der Regelungstechnik. Transparenz stellt bei der Untreue ein prozedurales Entscheidungskriterium dar.191 III. Entscheidungsschema Das Entscheidungsschema bezeichnet die Beziehung zwischen Entscheidungskriterium und Prozeduralisierungsobjekt. Anhand des Entscheidungsschemas kann bestimmt werden, ob ein Entscheidungskriterium materialer oder prozeduraler Natur ist. Bei hypothetisch prozeduralen Regelungen soll hier zwischen einer tatbestandsimmanenten und einer tatbestandstranszendenten192 Prozeduralisierung unterschieden werden. Bei der tatbestandsimmanenten Prozeduralisierung ist das prozedurale Entscheidungskriterium selbst Bestandteil des Tatbestandes; bei der tatbestandstranszendenten Prozeduralisierung ist das prozedurale Entscheidungskriterium nicht Teil des Tatbestandes. Esers Unterscheidung193 zwischen (1) der „Rolle prozeduraler Elemente in der Gestaltung des materiellen Rechts“ und (2) „[der Rolle prozeduraler Elemente in der] Handhabung des materiellen Rechts“ kann folglich in die hier verwendete Terminologie der tatbestandsimmanenten Prozeduralisierung (1) und der tatbestandstranszendenten Prozeduralisierung (2) eingeordnet werden. IV. Strafbarkeitsentscheidung Die Strafbarkeitsentscheidung meint die Frage der Verhängung einer Kriminalstrafe bzw. der Festsetzung anderer Rechtsfolgen,194 die das materielle Strafrecht an die rechtswidrige Verwirklichung des § 266 Abs. 1 StGB knüpft,195 mithin verkürzt gesprochen, das Endergebnis einer so genannten „Strafsache“196. 191
Siehe unter Einführung, § 6 A.; Kapitel 2, § 7, D. II. 4. u. Kapitel 3, § 6 B. „Transzendenz“ hier nur verstanden als Gegensatz zu Immanenz. 193 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43. 194 Hilger, in: Löwe/Rosenberg-StPO, EG StPO, § 3 Rn. 2. 195 §§ 38 ff., 61 ff. und 73 ff. StGB; §§ 413 ff. und 430 ff. StPO. 196 Verfahren mit dem Zweck der Entscheidung über die Anwendung einer Strafrechtsnorm, siehe Begründung zur Strafprozessordnung bei: Hahn, Die gesammten Materialien zur Strafprozessordnung und dem Einführungsgesetz, Bd. I, S. 233. 192
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
167
V. Arbeitsdefinition von Prozeduralisierung Den folgenden Untersuchungen wird als kurze Arbeitsdefinition von hypothetischer Prozeduralisierung folgendes zu Grunde gelegt: Hypothetische Prozeduralisierung liegt vor, wenn Entscheidungskriterien jenseits des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Untreue liegen.197
C. Geschützes Rechtsgut des § 266 StGB So umstritten die (vor allem: systemkritische198) Rechtsgutslehre innerhalb des materiellen Strafrechts auch sein mag, so tauglich erweist sich der methodische Rechtsgutsbegriff als Hilfsmittel bei der systemimmanenten Auslegung von (traditionellen) Straftatbeständen,199 die auch um den Rechtsgutsgedanken herum im klassischen Rechtsgüterparadigma konstruiert wurden.200 Das Rechtsgut, hier: das Vermögen,201 ist eine Zusammenfassung für den Sinn und Zweck des Straftatbestandes, eine „Abbreviatur des Zweckgedankens“202 und stellt damit die ratio legis203 in verkürzter Fassung dar. Die Untreue gemäß § 266 StGB lässt sich problemlos nach h.A. in das (methodische) Rechtsgüterparadigma einordnen, als dass das von ihr geschützte Rechtsgut ausschließlich204 das Vermögen des Treugebers darstellt.205 Der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB soll mithin der ratio legis nach diesen Rechtsgutsschutz konkretisieren. Dies geschieht durch Typisierung eines zweifachen Unrechts im Tatbestand: Das Handlungsunrecht einer vorsätzlichen 197
Zur ausführlichen eigenen Definition siehe unter Kapitel 2, § 7, C. IV. u. Kapitel 2, § 7, D. III. 198 Siehe unter Kapitel 3, § 7 A. II. 199 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 4 f., 12. 200 Im Gegensatz zu „modernerer“ Gesetzgebung, der sich „nachträglich“ eine vom Rechtsgut ausgehende Betrachtung nur schwerlich aufoktroyieren lässt bzw. was zu teilweise kuriosen Ergebnissen führt – so z. B. bei den Rechtsgütern der „Reinhaltung der Amtsausübung“ (RGSt 72, 176; BGHSt 10, 241) bzw. des „Vertrauens der Allgemeinheit in die Sachlichkeit der staatlichen Entscheidungen“ (BGHSt 15, 96 [96 f., 354]; 47, 309; 49, 280) bei der Vorteilsannahme, § 331 StGB; zum Meinungsstand vgl. Heine, in: S/S-StGB, § 331 Rn. 2 ff. m.w.N. 201 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 23. 202 Grünhut, Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, in: FG von Frank 1969, Bd. I, S. 1 [8]. 203 Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, S. 25. 204 A.A.: Auch das Vertrauen in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs (Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 41 ff., 109 ff., 169; Dunkel, in: GA 1977, 334 f.; Luthmann, Untreue im Rahmen rechtsoder sittenwidriger Abmachungen, in: NJW 1960, 419 [420]; Meyer, Die mißbräuchliche Benutzung der Scheckkarte, in: JuS 1973, 214 [215]). 205 Ganz h.A.; siehe: Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 1; bestätigt durch BVerfGE 126, 170.
168
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Pflichtverletzung und das Erfolgsunrecht eines Vermögensnachteils.206 Weil die Untreue in diesem Rechtsgutsparadigma geschaffen wurde, ist es möglich, hieraus auch – zumindest teleologische – Schlussfolgerungen zu ziehen. So kann im Rahmen dieser Untersuchung das geschützte Rechtsgut und der zweifache Unrechtskern der Untreue dazu herangezogen werden, um hypothetische Prozeduralisierungen erkennen zu können.
D. Einzelne Fallkonstellationen Es folgt die Untersuchung einzelner Untreuefallkonstellationen auf ihre hypothetische Prozeduralität hin. Die Gliederung der einzelnen Fallkonstellationen erfolgt dabei einerseits in Problemkreise unterteilt, die sich einem oder mehrerer Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB zuordnen lassen können. Insbesondere bei § 266 StGB bietet sich diese Vorgehensweise an, da die Rechtsprechung selbst die Untreue mittels „gefestigter komplexer Obersätze“ – durch Bildung von Fallgruppen – behandelt.207 Hierbei greift sich das Bundesverfassungsgericht einige Beispiele jüngerer Strafrechtsrechtsprechung heraus, in denen eine solche fallgruppenspezifische Obersatzbildung durch den Bundesgerichtshof stattgefunden hätte.208 Namentlich sind das die Entscheidungen BGHSt 47, 187; 46, 30; 47, 148; 50, 311. Eine Behandlung gerade dieser Entscheidungen drängt sich folglich bei der Untersuchung der lex lata auf hypothetische Prozeduralisierung durch die Rechtsprechung auf. I. Risikogeschäfte Risikogeschäfte sind, wie der Name sagt, geschäftliche Entscheidungen, die in besonderem Maße mit einem bestimmten Risiko behaftet sind.209 Es sind Entscheidungen unter Unsicherheiten und riskante Entscheidungen, bei denen das Risiko im Vorfeld zwar zumeist bekannt ist, aber dessen Beurteilung das Hauptproblem der Entscheidung darstellt. In der Finanzwelt handelt es sich dabei häufig um zeitlich gestreckte Sachverhalte, bei denen ggf. sogar erst nach vielen Jahren endgültig feststeht, ob sich ein Risiko verwirklicht hat oder nicht – so genannte Langzeitrisiken.
206
Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 2. BVerfGE 126, 170 [199]; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. u. Kapitel 3, § 6, C. IV. 208 BVerfGE 126, 170 [210 f.]. 209 Zur Definition des Begriffs des Risikogeschäfts: Hillenkamp, Risikogeschäft und Untreue, in: NStZ 1981, 161 [162 ff.]. 207
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
169
Unter dem Gliederungspunkt der Risikogeschäfte wird im Folgenden auch die so genannte Business Judgment Rule210 und die Thematik eines Risikoüberwachungssystems erörtert werden. Üblicherweise werden beide Themenkomplexe im Kontext mit Compliance, in einem weiteren Sinne verstanden,211 behandelt. Im Rahmen dieser Untersuchung wird die Befassung mit der Business Judgment Rule und Risikoüberwachungssystemen jedoch im Rahmen der Risikogeschäfte erfolgen, da der Begriff des Compliance der systematischen Gliederung wegen in einem enger konturierten Sinne verstanden wird. Dadurch wird der Gliederungspunkt der Criminal Compliance nicht überbelastet und die Phänomene können sodann thematisch einzelnen Kategorien zugeordnet werden, die unter dem Gesichtspunkt der Untersuchung des § 266 StGB auf hypothetisch prozedurale Elemente der Strafbarkeit hin gewählt wurden. 1. Die Business Judgment Rule im Aktienrecht Die §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG stellen im Aktienrecht die maßgebliche Normierung der Sorgfaltspflichten für Handeln der Vorstands- bzw. der Aufsichtsratsmitglieder dar und sind damit auch sedes materiae für eine strafrechtliche Haftung212 gemäß § 266 Abs. 1 StGB dar. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet die Vorstandsmitglieder, „bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden“. § 116 S. 1 AktG bestimmt, dass für die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder § 93 Abs. 1 S. 1 AktG213 „sinngemäß“ gilt. Die Anordnung einer bloß sinngemäßen Anwendung berücksichtigt, dass die Begriffe der Geschäftsführung und des Geschäftsleiters nicht direkt auf das in erster Linie Überwachungsfunktionen ausübende Aufsichtsratsmitglied übertragen werden können.214 Man schlussfolgert daraus, dass Aufsichtsratsmitglieder im Vergleich zu Vorstandsmitgliedern ein geringeres Maß an Sorgfalt trifft.215 In concreto trifft den Aufsichtsrat bei der Überprüfung von Vorstandsentscheidungen ohne Zustimmungsvorbehalt eine bloße Plausibilitätskontrolle.216 Die eingeschränkte Prüfungspflicht soll jedoch nicht bei der originären Personalauswahlkompetenz des Aufsichtsrates hinsichtlich der Vorstandsmitglieder, und in der Praxis 210
Die Schreibweise „Judgment“ ohne „e“ entspricht der US-amerikanischen Schreibweise und der gewöhnlichen Rechtspraxis: Oxford, Advanced Learner’s Dictionary, „judgement“; Black’s Law Dictionary, Stichwort „business judgment rule“. 211 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V. 212 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 178. 213 § 116 S. 1 AktG verweist auf § 93 AktG mit Ausnahme dessen Abs. 2 S. 3. 214 Lüderssen, Gesellschaftsrechtliche Grenzen der strafrechtlichen Haftung des Aufsichtsrates, in: FS Lampe 2003, S. 727 [730 f.]; Geßler, in: Geßler-AktG, Bd. II, § 116 Rn. 7. 215 Geßler, in: Geßler-AktG, Bd. II, § 116 Rn. 9 ff.; Eisenhardt, Haftung der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaft und GmbH, in: Jura 1982, 289 [293]. 216 Eisenhardt, Haftung der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaft und GmbH, in: Jura 1982, 289; Lüderssen, in: FS Lampe, 2003, S. 727 [731].
170
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
untreuerelevant: bei der Personalvergütungskompetenz als deren Annex, gelten. Insofern wird den Aufsichtsratsmitgliedern der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG unmodifiziert auferlegt.217 a) Das ARAG/Garmenbeck-Urteil – unternehmerisches Ermessen Zum Problem der Behandlung des unternehmerischen Ermessens im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Haftungsklagen gegen den Vorstand einer Aktiengesellschaft musste der Bundesgerichtshof in seiner Geschichte erst vergleichsweise spät Stellung nehmen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass in der Aktiengesellschaft grundsätzlich der Aufsichtsrat für Haftungsklagen gegen den Vorstand (und vice versa) zuständig ist, § 112 S. 1 AktG, und diese aus praktischen Gründen sehr selten angestrebt wurden.218 Erst in neuerer Zeit hat die Zahl solcher Haftungsklagen zugenommen.219 Dies hat mehrere Gründe: Im Jahr 2005 wurde durch das UMAG220 ein Klagezulassungsverfahren für unmittelbare Haftungsklagen einer Aktionärsminderheit221 in eigenem Namen unter anderem gegen den Vorstand eingeführt, das in § 148 AktG normiert ist. Auch die zunehmende Verbreitung so genannter D&OVersicherungen222 als deep pocket in einem Haftungsverfahren macht Klagen der Gesellschaft gegen ihren Vorstand wirtschaftlich attraktiver.223 Letztlich führt auch ein eigenes Haftungsrisiko für den Aufsichtsrat wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht bei der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes, welches durch die Rechtsprechung deutlich verschärft wurde,224 dazu, mehr Haftungsklagen gegen den Vorstand anzustrengen.
217 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 179; BGHZ 135, 244 [253]. 218 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [842]. 219 Graumann/Grundei/Linderhaus, Ausübung des Geschäftsleiterermessens bei riskanten Entscheidungen, in: ZCG 2009, 20 [21]. 220 Art. 1 Nr. 15 UMAG. 221 Siehe auch: Schröer, Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Organmitglieder nach dem UMAG, in: ZIP 2005, 2081. 222 „Directors’ and Officers’ liability insurance“, die üblicherweise von der Gesellschaft für ihre Organe abgeschlossen wird, Dreher/Thomas: Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008, in: ZGR 2009, 31 [32] und daher auch als „gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung“ bezeichnet werden kann, Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung. 223 Graumann/Grundei/Linderhaus, Ausübung des Geschäftsleiterermessens bei riskanten Entscheidungen, in: ZCG 2009, 20 [21]. 224 Graumann/Grundei/Linderhaus, Ausübung des Geschäftsleiterermessens bei riskanten Entscheidungen, in: ZCG 2009, 20 [21] mit Hinweis auf das Balsam-Urteil (LG Bielefeld v. 16. 11. 1999 – 15 O 91/98).
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
171
In der Sache ARAG/Garmenbeck ging es um das Verhältnis von Ermessensfehlern und Pflichtverletzung bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen.225 In der Kali-und-Salz-Entscheidung226 sprach der Bundesgerichtshof von einer „freien unternehmerischen Verantwortung“ bei der Geschäftsführung. Im ARAG/GarmenbeckUrteil hat der Bundesgerichtshof erstmals davon gesprochen, dass „dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte […] ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß“227. b) Die gesetzlich normierte Business Judgment Rule Die Business Judgment Rule ist gesetzlich in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normiert. Die gesetzliche Normierung geht auf das UMAG228 zurück; inhaltlich galt das Rechtsprinzip der Business Judgment Rule schon seit Ende des 18. Jahrhunderts.229 Die Business Judgment Rule betrifft Entscheidungen unternehmerischen Ermessens und kann eine Freistellung von der Haftung bewirken.230 Die systematisch entscheidende Aussage des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist die, dass eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht vorliegt, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Damit stellt sich die Business Judgment Rule ihrer Wirkung nach als eine so genannte safe harbor Regelung dar.231 c) Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Die Business Judgment Rule ist in sachlicher Hinsicht nur bei einer unternehmerischen Entscheidung, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar. Damit fallen bei einer Negativabgrenzung alle Entscheidungen, die auf Grund einer gesetzlichen, satzungsmäßigen, dienstvertraglichen oder geschäftsordnungsmäßigen Pflicht bzw. auf Grund einer verbindlichen Anweisung zu treffen sind, aus dem Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG heraus.232 Positiv formuliert liegt eine unternehmerische
225
Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 179. BGHZ 71, 40. 227 BGHZ 135, 244. 228 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I 2005, 2802. 229 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841. 230 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841. 231 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 7. 232 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [843]. 226
172
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Entscheidung dann vor, wenn der Entscheidungsträger frei ist, sich auch anders entscheiden zu können bzw. sich anders zu verhalten.233 In persönlicher Hinsicht muss es sich um eine unternehmerische Entscheidung eines „Vorstandsmitglied[s]“ handeln, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Die Business Judgment Rule ist damit direkt nur auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft anwendbar. Durch den Verweis in § 116 S. 1 AktG auf § 93 AkG (inkl. des Abs. 1 S. 2) ergibt sich, dass die Business Judgment Rule „sinngemäß“ auch auf Aufsichtsratsmitglieder anwendbar ist.234 Die Business Judgment Rule ist im deutschen Recht nur für die Aktiengesellschaft gesetzlich normiert. Bezüglich anderer Gesellschaftsrechtsformen außer der Aktiengesellschaft ist die Business Judgment Rule entweder durch gesetzlichen Verweis in den jeweiligen Spezialgesetzen oder im Wege einer Analogie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Genossenschaft, den Verein (teilweise) und (unter Umständen) die Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts anwendbar.235 d) Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verlangt nur, dass das Vorstandsmitglied „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Das Vorstandsmitglied muss also seiner subjektiven Vorstellung nach ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft gehandelt haben.236 Schon das Bestehen eines Interessenkonfliktes des Vorstands führt nach Ansicht der überwiegenden Stimmen in der Literatur (automatisch) dazu, dass nicht mehr ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft gehandelt werden kann.237 Die Entscheidung darf auch keine so genannte hazard-Entscheidung sein, d. h. durch die Entscheidung dürfen die unternehmerischen Risiken nicht in „unverantwortlicher Weise“ überspannt werden.238 Die Entscheidung muss schließlich – und wichtig im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit – auf „Grundlage angemessener Information“ erfolgen, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Problematisch dürfte damit die Frage sein, was angemessene 233
Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [843]. 234 So auch: BGHZ 135, 244 [253]. 235 Vgl. hierzu ausführlich: Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [847 f.]. 236 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [844]. So auch schon vor der gesetzlichen Normierung: RGZ 129, 272 [275] und BGHZ 135, 244 [253]. 237 Fleischer, Die „Business Judgement Rule“, in: ZIP 2004, 685 [691]; Brömmelmeyer, Neue Regeln für die Binnenhaftung des Vorstandes, in: WM 2005, 2065. 238 BGHZ 135, 244 [235].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
173
Informationen sind. Diesbezüglich kann zumindest gesagt werden, dass je größer die Tragweite und das Risiko der unternehmerischen Entscheidung ist, umso umfangreicher die Informationsbeschaffungspflicht sich gestaltet.239 Das unbestimmte Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information kann bei der Subsumtion Schwierigkeiten bereiten. Auch die Gesetzesbegründung240 hilft wenig bei einer Konkretisierung. So verwundert es nicht, dass die Betriebswirtschaftslehre bestrebt ist, das Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information näher zu konkretisieren.241 e) Die Rechtsfolge der Business Judgment Rule Liegen die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vor, so entfällt die Pflichtwidrigkeit hinsichtlich der Handlung des betreffenden Vorstandsmitglieds.242 Ohne Pflichtwidrigkeit fehlt es folglich an einer Voraussetzung für eine zivilrechtliche Haftungsklage. Damit hat die Business Judgment-Rule die Wirkung einer safe harbor-Regelung.243 Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule erfüllt, dann kann – so wurde treffend formuliert – „selbst bei einem Desaster, […] nichts passieren“244. Diese Rechtsfolge wird nicht umsonst als „Privileg der Business Judgment Rule“245 bezeichnet. Die Rechtsfolge bestimmt auch den Prüfungsumfang der Entscheidung, die unter die Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule fällt. Greift § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein, so kümmert sich das betreffende Gericht nicht um den Inhalt der Entscheidung und ihre Folgen, mögen diese auch im Ergebnis wirtschaftlich noch so negativ gewesen sein.246 Sind die Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, heißt das nicht automatisch, dass die Handlung deshalb pflichtwidrig sein muss. Vielmehr ist in dem Fall lediglich der safe harbor nicht erreicht, sodass (ergebnisoffen) anhand der allgemeinen Kriterien die Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden muss; das entspre239 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [844]. 240 Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 21. 241 Grundei/v. Werder: Die Angemessenheit der Informationsgrundlage als Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule, in: AG 2005, 825; Schmalenbach Gesellschaft, Praktische Empfehlungen für unternehmerisches Entscheiden, in: DB 2006, 2189. 242 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [845]. 243 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 7.; Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 70. 244 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [848]. 245 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [848] (Hervorh. d. Verf.). 246 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846].
174
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
chende Handeln kann daher trotz Verstoß gegen Informationspflichten ein pflichtgemäßes nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sein.247 f) Handlungsdirektive – Beweislast Eine eigene Anspruchsgrundlage für eine Haftung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gegenüber der Gesellschaft (so genannte Innenhaftung) bildet § 93 Abs. 2 S. 1 AktG.248 Die Gesellschaft als Klägerin, grundsätzlich249 vertreten durch den Aufsichtsrat, § 112 AktG, hätte im Prozess nach allgemeinen Regeln normalerweise darzulegen und ggf. auch zu beweisen, dass alle rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlage, also Handlung, Pflichtverletzung, haftungsbegründende Kausalität, Schaden, haftungsausfüllende Kausalität und Verschulden, erfüllt sind.250 Dieser Grundsatz wird durch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG dahingehend zu Gunsten der Gesellschaft modifiziert, dass die Vorstandsmitglieder die Darlegungs- und Beweislast trifft, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben.251 Über die Auslegung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG besteht nur insoweit Einigkeit, als dass sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG jedenfalls auf die Problematik des Verschuldens bezieht.252 Die Frage, ob sich die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf das Vorliegen der objektiven Pflichtwidrigkeit bezieht, ist dagegen höchst umstritten, wobei mittlerweile als h.A. angesehen werden kann, dass das Vorstandsmitglied sowohl hinsichtlich des Verschuldens als auch hinsichtlich der Pflichtverletzung den Nachweis der Pflichtgemäßheit erbringen muss.253 Umgekehrt bedeutet die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG für die Gesellschaft als Klägerin, dass sie abweichend vom eingangs formulierten Grundsatz nur darlegen und ggf. beweisen muss, dass eine Handlung eines Vorstandsmitglieds vorliegt, die kausal zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat, wohingegen das beklagte Vorstandsmitglied die Last trifft, darzulegen und zu beweisen, dass seine Handlung nicht pflichtwidrig war bzw. wenn sie pflichtwidrig war, ihn kein Verschulden trifft.254 Die Kritik an dieser h.A. beruft sich hauptsächlich darauf, dass ein derart belastetes Vorstandsmitglied sich im Ergebnis einer widerlegbaren Erfolgs247
BGH, Urt. v. 12. 10. 2016 – 5 StR 134/15 („HSH-Nordbank“) Rn. 31. Hölters, in: Hölters-AktG, § 93 Rn. 6; nota bene: § 93 I 1 AktG ist gerade keine Anspruchsgrundlage, sondern bestimmt nur den Sorgfaltsmaßstab, Hölters, in: HöltersAktG, § 93 Rn. 2. 249 Ausnahmsweise auch Aktionäre, §§ 147, 148 AktG. 250 Rosenberg, Beweislast, S. 98 ff.; Musielak, Grundlagen der Beweislast, S. 282 ff. 251 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846]. 252 Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648. 253 Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648 [649] m.w.N. 254 BGHZ 152, 280 [283]; BGH, in: ZIP 2007, 322; Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648 [671 ff.]; Hüffer-AktG, § 93 Rn. 53. 248
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
175
haftung (im Unterschied zur Verschuldenshaftung) konfrontiert sehen muss, die vor allem bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen, auch in historischer Sicht, so nicht sachgerecht sein könne.255 Andererseits trägt auch der Gedanke, dass es für die Gesellschaft als Klägerin oftmals schwierig sein kann, einzelne Aktivitäten des Vorstandsmitgliedes einer bestimmten Schadensfolge zuzuordnen, wohingegen das Vorstandsmitglied regelmäßig imstande ist, darzulegen, welche Entscheidungen es getroffen und warum diese nicht pflichtwidrig gewesen sein sollen.256 Aus diesen Gründen heraus plädiert z. B. Goette vermittelnd dafür, dass die Gesellschaft die Last treffen soll, einen „Schaden [der] durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Organs entstanden ist“ darzulegen und ggf. zu beweisen.257 Die prozessuale Situation ist auf Grund der Auslegung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG der h.A. für das Vorstandsmitglied schlichtweg „nicht gut“258. Bezieht man die Beweislastregel nämlich auf Pflichtwidrigkeit und Verschulden, obliegt es dem Vorstandsmitglied im Prozess sein Handeln zu rechtfertigen, obwohl der Gesellschaft ein Schaden eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund erschließt sich die Relevanz der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG für das betreffende Vorstandsmitglied vor allem in dieser Situation. Die Business Judgment Rule wirkt zu Gunsten des durch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG beweisbelasteten Vorstandsmitgliedes, dessen Handeln als per se nicht pflichtwidrig zu beurteilen ist, sofern die oben genannten fünf Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegen. Nach allgemeinen Regeln259 jedoch, liegt es beim Vorstandsmitglied, im Prozess darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegen. Da es auf Grund der außerordentlich günstigen Rechtsfolge260 des § 92 Abs. 1 S. 2 AktG im ureigenen Interesse des Vorstandsmitglieds liegt, dass dargelegt und ggf. bewiesen werden kann, dass die Voraussetzungen der Business Judgment Rule erfüllt sind, wird nicht ohne Grund den Vorstandsmitgliedern dringend empfohlen, die Dokumentation der sorgfältigen Vorbereitung von Entscheidungen gewissenhaft zu betreiben.261 Jedenfalls im Bereich der zivilrechtlichen Haftungsklage sollte diese Dokumentation mindestens bis zum Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist vorgehalten werden.262 Die Kurzformel laut Lutter heißt
255
Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648 [671] m.w.N. Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648 [672]. 257 Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648 [674]. 258 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846]. 259 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. f). 260 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. e). 261 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846]. 262 Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846]. 256
176
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
damit: „bei unternehmerischen Entscheidungen mit unternehmerischem Ermessen deren Vorbereitung sorgfältig dokumentieren und archivieren“.263 Die Business Judgment Rule stellt damit eine wichtige Möglichkeit dar, das Gleichgewicht im Rahmen einer Haftungsklage, das durch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zu Gunsten der Gesellschaft verschoben ist,264 zu Gunsten des Vorstandsmitglieds wiederherzustellen. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sind nicht Tatbestandsvoraussetzung der Anspruchsgrundlage. Vielmehr regelt § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabes:265 Sind die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt, liegt keine Pflichtwidrigkeit des Handelns vor.266 g) Die strafrechtliche Wirkung der Business Judgment Rule, limitierte Zivilrechtsakzessorietät der Untreue Die Business Judgment Rule hat mit § 93 AktG ihren Ursprung im Aktienrecht und damit im Zivilrecht bzw. im zivilen Haftungsrecht. Auf Grund der limitierten267 Zivilrechtsakzessorietät268 der Untreue in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung269 hat die Business Judgment Rule jedoch auch untreuerechtliche Implikationen.270 Limitiert zivilrechtsakzessorisch heißt, dass eine zivilrechtliche Pflichtverletzung eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung im Rahmen des § 266
263
Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [848]. 264 Diese ratio angedeutet hat: Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841 [846]. 265 Hölters, in: Hölters-AktG, § 93 Rn. 4. 266 Hölters, in: Hölters-AktG, § 93 Rn. 4. 267 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 33; Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, S. 77; Schünemann, Organuntreue, S. 18. 268 Teilweise wird auch allgemein von asymmetrischer Zivilrechtsakzessorietät gesprochen: Dierlamm, Untreue – Loslösung des Tatbestandes von zivilrechtlichen Kategorien, in: StrFo 2005, 397 [398 f.]; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 77; Lüderssen, in: Dölling (Hrsg.), Jus humanum, Grundlagen des Rechts und Strafrechts, FS Lampe 2003, S. 727 [729]; Lüderssen, Primäre oder sekundäre Zuständigkeit des Strafrechts, in: FS Eser 2005, S. 163 [170]; Kubiciel, Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuetatbestand, in: NStZ 2005, 353 [354]; Saliger, in: HRRS 2006, 10. 269 LG Düsseldorf, in: NJW 2004, 3275 [3276] („Mannesmann“): „Was zivilrechtlich […] erlaubt ist, kann keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes begründen“; BVerfG, in: NJW 2010, 3209, [3213]; Kraatz, Zur „limitierten Akzessorietät“ der strafbaren Untreue, in: ZStW 2011, 447 [449 f.]. 270 BGH, Urt. v. 12. 10. 2016 – 5 StR 134/15 („HSH-Nordbank“).
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
177
Abs. 1 StGB ist.271 Nicht alles, was das Zivilrecht verbietet, stellt eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Strafrechts – hier: der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB – dar.272 Es findet eine zweistufige Prüfung statt: Auf der ersten Stufe muss die Verletzung einer zivilrechtlichen Pflicht festgestellt werden, an die sich die Prüfung einer zusätzlichen „strafrechtlichen Höhenmarke“273 anschließt. So wird auch von negativer Zivilrechtsakzessorität gesprochen.274 Negativ deshalb, weil, umgekehrt formuliert, keine Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB bejaht werden darf, falls das betreffende Handeln zivilrechtlich erlaubt ist.275 Hierin kommt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zur Geltung.276 So wie die Rechtsfolge der Business Judgment Rule im Zivilrecht nur in eine Richtung wirkt, nämlich in die der Haftungsfreistellung, so wirkt die Business Judgment Rule auch in Bezug auf eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB nur in strafbefreiender Hinsicht. Liegen die Voraussetzungen der Business Judgment Rule vor, so fehlt es für den Regelungsbereich der Business Judgment Rule an einer untreuerelevanten Pflichtverletzung.277 Die Pflichtverletzung kann auch nicht anderweitig bejaht werden, da die Business Judgment Rule ihren Regelungsbereich zivilrechtlich abschließend regelt, und zwar mit dem Ergebnis, dass zivilrechtlich keine (auch keine andere) Pflichtverletzung vorliegt. Diese Wertung des Zivilrechts darf wegen der limitierten Zivilrechtsakzessorietät nicht umgangen werden. Damit hat die Business Judgment Rule auch in Bezug auf eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 StGB die Wirkung einer echten safe harbor-Regelung.278
271
[188].
Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183
272 BGHSt 2, 367; Birkholz, Untreuestrafbarkeit als strafrechtlicher „Preis“ der beschränkten Haftung, S. 88 ff; Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, 370 [373]. 273 Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [188]; so prüft der BGH seit BGHSt 47, 187 [197], ob die zivilrechtliche Pflichtverletzung auch eine „gravierende“ im Sinne des § 266 StGB ist; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1. 274 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 89. 275 Tiedemann, Handhabung und Kritik des neuen Wirtschaftsstrafrechts, in: FS Dünnebier 1982, S. 519 [531]; Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 34 f.; Dierlamm, Untreue – Loslösung des Tatbestandes von zivilrechtlichen Kategorien, in: StrFo 2005, 398 ff. 276 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 56 ff. 277 Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 122 ff. 278 So auch: Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 85; Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 7; BGH, Urt. v. 12. 10. 2016 – 5 StR 134/15 („HSH-Nordbank“) Rn. 31.
178
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
h) Prozeduralität der Business Judgment Rule Analysiert man die Frage der Regelungstechnik der Business Judgment Rule, so stößt man schnell auf den Begriff der Prozeduralisierung.279 Binder z. B. bezeichnet die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG als ein „prominente[s] Beispiel“ einer „verfahrensbezogene[n] – ,prozedurale[n]’ – Norm[…]“.280 Für ihn ist die Business Judgment Rule eine „prozedural orientierte[…] Vorschrift[…]“, die „stärker als tradiertes Organisationsrecht […] nicht an […] den erwünschten oder unerwünschten Ergebnissen von Verhaltensweisen, sondern an Entscheidungs- und Entscheidungsfindungsprozessen“ orientiert ist.281 Die Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. stellt in ihrem Papier zur Bankenkrise und Untreue die These auf, dass die Wahrung der Business Judgment Rule einen safe harbor biete, und zwar nicht nur für Aktiengesellschaften – 282 ein klares Bekenntnis zur Prozeduralität der Regelung. Auch das HSH-Nordbank-Urteil des BGH spricht der Business Judgment Rule die Wirkung eines „sicheren Hafen[s]“ zu.283 Adick geht sogar so weit, dass er in der Business Judgment Rule ein prozedurales Entscheidungskriterium bei der Untreuestrafbarkeitsentscheidung sieht, ohne das Wort „prozedural“ zu nennen. Adick geht von „Verfahrensregeln“ aus, indem er der „materiellen Ergebniskontrolle“ die „Beschränkung der Überprüfung auf das Entscheidungsverfahren“ gegenüberstellt.284 Schweiger erkennt in der Rechtsprechung des BGH „Ansätze zur Berücksichtigung der Prozeduralität der Business Judgment Rule für die Beurteilung einer untreuetauglichen Pflichtverletzung“.285 Dieses definitorische Verständnis von Prozeduralität im Sinne von Prozessbezogenheit286 anstelle einer Inhaltsbezogenheit greift, wie bereits oben gezeigt, etwas zu kurz, ist jedoch als mainstream-Definition durchaus geeignet, einen großen Bereich prozeduraler Normen (im Sinne dieser Arbeit) zu erfassen. Auch im Sinne der eigenen Definition von (hypothetisch) prozeduralem Untreuerecht liegt hier eine unmittelbar auf das Untreuerecht sich auswirkende tatsächliche Prozeduralisierung des § 266 StGB in Gestalt der aktienrechtlichen Normen vor. Die Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB stellt das Prozeduralisierungsobjekt dar. Die Prozeduralisierung erfolgt nur in einer Richtung, nämlich in die des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung. Damit ist à la longe die Untreuestrafbarkeitsentscheidung in Richtung Straffreiheit prozeduralisiert. Das 279
Binder, „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, in: ZGR 2007, 745. Binder, „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, in: ZGR 2007, 745 [746]. 281 Binder, „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, in: ZGR 2007, 745 [746]. 282 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 7. 283 BGH, Urt. v. 12. 10. 2016 – 5 StR 134/15 („HSH-Nordbank“) Rn. 31. 284 Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 88 f. 285 Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 52. 286 Zum Begriff der „Verfahrensregeln“ vgl. Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 89. 280
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
179
Entscheidungskriterium, die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, liegt außerhalb des Unrechts der Untreue in Gestalt des Handlungsunrechts (Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht). Denn die Bestimmung der Pflichtgemäßheit – und damit die Ablehnung einer Pflichtwidrigkeit – richtet sich nicht mehr nach rechtsgutsbezogenen Kriterien des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses. Genauer gesagt wird die Distanz der Pflichtgemäßheit durch die Business Judgment Rule zum geschützten Vermögen des Treugebers vergrößert. Der Ausschluss der Pflichtwidrigkeit unter den Voraussetzungen der Business Judgment Rule mediatisiert den Vermögensschutz, da hinter der Business Judgment Rule die Überlegung steht, dass bei Einhaltung eines bestimmten (transparenten) Entscheidungsverfahrens tendenziell dem Vermögensschutz besser gedient ist als bei der Nichtbeachtung der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten Verfahrensgrundsätze. Das Aktienrecht selbst geht offensichtlich davon aus, dass nicht jede unternehmerische Fehleinschätzung oder jeder wirtschaftliche Misserfolg eine Pflichtverletzung darstellt und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass gewisse Risiken bei unternehmerischen Tätigkeiten unvermeidbar sind.287 Dieser Gedankengang rechtfertigt auch die Prozeduralisierung. Das ersetzende Entscheidungskriterium ist (unter anderem) die Transparenz der Entscheidungsfindung. Auch im Prozess hängt die Bejahung der Voraussetzungen der Business Judgment Rule davon ab, ob die Entscheidungsgrundlagen hinreichend dokumentiert wurden. Im Ergebnis liegt im Regelungsbereich der Business Judgment Rule eine Prozeduralisierung des § 266 Abs. 1 StGB (unter anderem) anhand eines Transparenzmerkmals vor. Das prozedurale Entscheidungskriterium liegt außerhalb des gesetzlichen Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB, nämlich im Aktienrecht, wo es (unter anderem) auf die Transparenz der zu beurteilenden Entscheidung ankommt. Es handelt sich um ein Beispiel einer tatsächlichen (und nicht nur im Ergebnis hypothetischen) Prozeduralisierung. Auch Adick nennt als ein Beispiel einer Verfahrensregel, die auf die Untreuestrafbarkeitsentscheidung Einfluss haben kann, die Regeln zum „Informationsfluss und zur Transparenz innerhalb eines Unternehmens oder zum Ablauf von Entscheidungsverfahren im engeren Sinne“ – und liegt damit bezogen auf die Forschungshypothese dieser Arbeit zum großen Teil288 auf der gleichen Linie.289 Auf Grund des Grundsatzes der limitierten Zivilrechtsakzessorietät hat dies direkten Einfluss auf die Tatbestandsvoraussetzung der Pflichtwidrigkeit des § 266 Abs. 1 StGB. Gemäß der Überlegung, dass schon die Prozeduralisierung einer notwendigen Voraussetzung der Strafbarkeit gemäß § 266 StGB ausreicht, liegt insgesamt eine Prozeduralisierung der Untreuestrafbarkeitsentscheidung für den Regelungsbereich der Business Judgment Rule vor.
287
Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 5. Der Unterschied liegt im Verständnis dieser Arbeit von Prozeduraliät, das über die von Adick thematisierten „Verfahrensregeln“ (Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 89) hinausgeht. 289 Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 89. 288
180
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Es liegt letztlich auch das als solches bereits identifizierte Prozeduralisierungsindiz einer komplexen wirtschaftlichen Prognoseentscheidung vor. Es handelt sich bei den in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten Entscheidungen um solche, die regelmäßig einer umfassenden inhaltlichen Kontrolle faktisch entzogen sind, da die Ergebnisse einerseits nur schwer vorhersehbar und andererseits auch ex post nicht hinreichend sicher bestimmt und in ähnlichen Fällen wiederholbar getroffen werden können, da letztlich zu viele „weiche“ Kriterien der Wirtschaftswissenschaft einschlägig sind. 2. Risikoüberwachungssysteme In § 91 Abs. 2 AktG, durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich in das AktG eingefügt,290 ist die Pflicht des Vorstandes normiert, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Konkretisiert wird diese Pflicht z. B. durch die Umsetzung der Baseler Eigenmittelstandards für Kreditinstitute („Basel II“) – so insbesondere in § 25a Abs. 1 S. 3 KWG291. Auch hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) normkonkretisierende Verlautbarungen, die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk)292 herausgegeben, die die Pflicht zum Risikomanagement konkretisieren – so z. B. im Rahmen des § 25a Abs. 1 KWG – und vor allem die Risiken transparent machen sollen.293 Diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen stellen laut Binder Ansatzpunkte einer prozeduralen Regulierung dar („Anforderungskatalog organisatorischer wie prozessorientierter Anforderungen an ein […] Risikomanagement“); der Grundsatz der Anforderungen sei methodenneutral und verzichte auf Vorgaben hinsichtlich der verwendeten betriebswirtschaftlichen Modelle und Verfahren – beides Merkmale einer prozeduralen Regelung.294 a) Kreditgewährung Kreditbewilligungen sind ihrer Natur nach immer mit einem Risiko behaftete Geschäfte.295 Ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, bestimmt sich danach, ob die Risiken gegen die sich ergebenden Chancen auf der Grundlage umfassender Infor290
Vom 27. April 1998, BGBl. I 1998, S. 786 ff. Zur Frage der Untreuestrafbarkeit bei Verstoß gegen § 25a KWG vgl. Preussner/ Pananis, Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung, in: ZKB 2004, 347 [351 ff.]. 292 Bafin, MaRisk 2010; Preussner/Pananis, Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung, in: ZKB 2004, 347 [353 f.]. 293 Wenzel, MaRisk, in: Der Aufsichtsrat 2007, 138. 294 Binder, „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, in: ZGR 2007, 745 [749 f.]. 295 BGH, in: wistra 1985, 190 [191]. 291
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
181
mationen sorgfältig abgewogen wurden, und nicht danach, ob der Kredit später notleidend wurde. b) Die Pflichtverletzung bei der Kreditgewährung Eines der zentralen Probleme stellt bei den Fällen einer Kreditgewährung die Frage dar, inwiefern überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegt. Der Tatbestand beider Varianten des § 266 Abs. 1 StGB setzt nach h.A. die Pflichtwidrigkeit der Tathandlung voraus.296 Der Täter muss also jedenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt haben. c) Die Publizitätspflicht des § 18 S. 1 KWG297 In § 18 S. 1 KWG hat der Gesetzgeber den Gedanken normiert, dass nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsführung ein Kreditinstitut vor und während der Kreditgewährung die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers sorgfältig zu prüfen und zu überwachen hat, um die Risiken der konkreten Kreditvergabe abschätzen zu können.298 § 18 S. 1 KWG bestimmt daher, dass Kreditinstitute die Pflicht haben, einen Kredit, der aktuell insgesamt EUR 750.000,– oder zehn Prozent des haftenden Eigenkapitals des Instituts übersteigt, nur zu gewähren, wenn sie sich von dem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lassen. d) Die Entscheidung BGHSt 46, 30 aa) Inhalt der Entscheidung Der namentlichen Entscheidung lag folgender Sachverhalt299 zu Grunde: Die Angeklagten waren Vorstände einer Sparkasse (U.), einer deren Vorstandsvorsitzender. Durch einen Vorstandsbeschluss im Jahre 1991 erhöhten die Angeklagten das Kreditlimit der Firma HR-W. GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters R. um DM 2,98 Mio. Die Geldmittel sollten zum Erwerb eines Lagers nicht mehr aktueller Textilien verwendet werden, wobei die sicherheitsübereigneten Waren aus dem Lager eine Sicherheit in Höhe von DM 1,78 Mio. darstellten. Dem Gesamtengagement der Bank in diesem Kundenverhältnis in Höhe von DM 4,28 Mio. standen insgesamt Sicherheiten in Höhe von DM 2,5 Mio. gegenüber. Dem Kreditnehmer
296
BGHSt 24, 386; 33, 244 [250]; 35, 224; Fischer-StGB, § 266 Rn. 57; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 30 m.w.N. 297 Gesetz über das Kreditwesen i. d. F. der Neubekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I, S. 2776, letzte Änderung 1. April 2012. 298 Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 18 Rn. 1. 299 BGHSt 46, 30.
182
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
gelang es nicht, die Waren zu verkaufen; die sicherheitsübereigneten Waren wurden letztlich zu einem Erlös von DM 406.500,– veräußert. Den Vorwurf der Untreue leitete die Strafkammer des Landgerichts Augsburg daraus her, dass die drei Angeklagten gegen die Pflicht aus § 18 S. 1 KWG a.F.300 verstoßen hätten, die vorschreibt, dass sich die Bank von Kreditnehmern die wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen lassen muss, denen Kredite von insgesamt mehr als (damals) DM 500.000,– gewährt werden.301 Den Angeklagten lag der Jahresabschluss 1989 des R. bei der Kreditentscheidung in 1991 noch nicht vor, wohl aber die Information, dass R. mit Schreiben seines Steuerberaters für das Jahr 1989 Provisionserlöse in Höhe von DM 230.000,– attestiert wurden.302 Jedenfalls für den Jahresabschluss 1990 bestand insofern keine Verpflichtung seitens der Angeklagten, diesen beizuziehen, als dass dieser tatsächlich zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung noch nicht erstellt war und auch nach handelsrechtlichen Vorschriften303 noch nicht hätte erstellt sein müssen. Im vorliegenden Fall kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass eine geringfügige Verletzung der sich aus § 18 I KWG ergebenden Informationspflicht alleine für die Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht ausreicht.304 Entscheidend für das Vorliegen einer Pflichtverletzung sei die Frage, „ob die Entscheidungsträger ihrer Prüfungs- und Informationspflicht bezüglich der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers insgesamt ausreichend nachgekommen sind“.
Aus der Verletzung der Pflicht des § 18 S. 1 KWG könnten sich jedoch Anhaltpunkte dafür ergeben, dass dieser Prüfungs- und Informationspflicht nicht genüge getan wurde. Hierbei unterscheidet der Bundesgerichtshof nicht, ob es sich um die Pflichtverletzung im Rahmen des Missbrauchs- oder Treubruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Var. 1 oder 2 StGB) handelt. Im konkreten Fall habe jedoch eine Vielzahl anderer Informationen über den Kreditnehmer zu seinen Vermögensverhältnissen den fehlenden Jahresabschluss 1989 kompensieren können. Diese Überlegung stellte das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht an; das Landgericht leitete folglich alleine aus der bloßen Verletzung des § 18 S. 1 KWG das Vorliegen einer Pflichtverletzung her.
300 Gesetz über das Kreditwesen i. d. F. vom 5. Dezember 1934, RGBl. I, S. 1203 i.d. Neufassung vom 10. Juli 1961, BGBl. I, S. 881 – in der folgenden Besprechung der Entscheidung BGHSt 46, 30 wird immer von § 18 KWG a.F. gesprochen, die sich im Wesentlichen von der aktuellen Fassung dadurch unterscheidet, dass der Schwellenbetrag geändert wurde. 301 BGHSt 46, 30 [31]. 302 BGHSt 46, 30 [31]. 303 §§ 264 Abs. 1 S. 3, 243 Abs. 2 HGB. 304 BGHSt 46, 30 [32].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
183
Der Bundesgerichtshof schränkt jedoch auch in umgekehrter Wirkrichtung die Annahme ein, dass die durch den Kreditgeber zusammengestellten Informationen über die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers eine Pflichtverletzung generell ausschlössen. Denn, falls sich aus den gewonnenen Informationen Gründe ergäben, auf Grund derer an der Richtigkeit der Informationen bzw. deren Beurteilung zu zweifeln sei, seien diese zu berücksichtigen bzw. könnten bei Nichtberücksichtigung eine Pflichtverletzung begründen.305 Insgesamt kann die Kritik des Bundesgerichtshofs an der Entscheidung des Landgerichts Augsburg so verstanden werden, dass sich das Tatgericht bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit zu formal an einem Verstoß gegen § 18 S. 1 KGW a.F. orientiert hat. Das Tatgericht hätte, so der Bundesgerichtshof, sich im Rahmen der Pflichtverletzung eingehend mit allen maßgeblichen Umständen der Kreditvergabe, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und den Aussichten des geplanten Geschäfts auseinander setzen müssen.306 Der Bundesgerichtshof nutzt das Urteil schließlich noch zu einem orbiter dictum zur Pflichtverletzung bei der Kreditvergabe. Jede Kreditvergabe betrachtet der Bundesgerichtshof dabei ihrer Natur nach als ein Risikogeschäft.307 Es müssten daher bei jeder Kreditvergabe die Chancen und Risiken auf Grundlage umfassender Informationen gegeneinander abgewogen werden.308 Wenn diese Abwägung „sorgfältig vorgenommen“ würde, könne eine Pflichtverletzung nicht deshalb bejaht werden, weil das Kreditengagement später notleidend wird.309 Der Bundesgerichtshof führt weiter aus, dass „nach Erfahrung des Senats“ sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Risikoprüfung nicht genügend sorgsam vorgenommen wurde, insbesondere daraus ergeben können, dass Informationspflichten vernachlässigt wurden, Entscheidungsträger nicht die erforderliche Befugnis hatten, im Zusammenhang mit der Kreditgewährung unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Mitverantwortlichen oder zur Aufsicht befugten oder berechtigten Personen gemacht wurden, die vorgegebenen Zwecke nicht eingehalten wurden, die Höchstkreditgrenzen überschritten wurden oder die Entscheidungsträger eigennützig handelten.310 Einschränkend, fährt der Bundesgerichtshof fort, müsse der Vermögensnachteil auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sein; d. h. auch wenn eine Pflichtverletzung gegeben und ein Schaden entstanden ist, führt dies alleine noch nicht zur Annahme
305 306 307 308 309 310
BGHSt 46, 30 [33]. BGHSt 46, 30 [33]. BGHSt 46, 30 [34]; BGH, in: wistra 1985, 190 [191]. BGHSt 46, 30 [34]. BGHSt 46, 30 [34]; BGHSt 47, 148 [149] (Hervorh. d. Verf.). BGHSt 46, 30 [34].
184
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
einer Untreue.311 Beispielhaft wird hierzu die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1989, Seite 142 genannt, in der zwar die Befugnis des Entscheidungsträgers fehlte, jedoch die Bonität des Kreditnehmers außer Zweifel stand.312 In Bezug auf den subjektiven Tatbestand stellt der Senat klar, dass zur Bejahung eines dolus eventualis erforderlich sei, dass der Entscheidungsträger bei Kreditgeschäften eine über das allgemeine Risiko hinausgehende Gefährdung des Rückzahlungsanspruches erkannt und gebilligt haben muss.313 Erstaunlicher Weise jedoch bezieht sich der Bundesgerichtshof erneut auf die oben genannten tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung: Wenn diese nicht vorlägen, „versteht sich das [Erkennen und Billigen der Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs der Bank] auch bei problematischen Kreditvergaben jedoch nicht von selbst“.314 Bei der Feststellung des Vorsatzes könne der Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts alleine kein Kriterium sein, ob die betreffenden Person auch mit dem Erfolg einverstanden war.315 bb) Zur (hypothetischen) Prozeduralität Zunächst ist zu bemerken, dass die Entscheidung des Landgerichts Augsburg eine sehr weitgehende hypothetische prozedurale Handhabung des § 266 StGB darstellt. Das Merkmal der Pflichtverletzung des § 266 Abs. 1 StGB ist anhand des § 18 S. 1 KWG a.F. hypothetisch prozeduralisiert. Denn die Entscheidungskriterien bzw. Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 S. 1 KWG stellen in Bezug auf die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB sachfremde, prozedurale Kriterien dar. Die Entscheidungskriterien ersetzen die allgemeinen (materialen) Kriterien der Bestimmung einer Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB. Von einer Substitution der Entscheidungskriterien – im Rahmen der eigenen Definition von prozeduralem Recht die „Andersartigkeit“ – ist wegen einer Vergrößerung der Distanz des Entscheidungskriteriums zum (mutmaßlichen) Prozeduralisierungsobjekt in Form des Unrechts der Untreue auszugehen. Die Kriterien zur allgemeinen Bestimmung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB haben eine größere Sachnähe zum Erfolgsunrecht der Untreue, der Verletzung fremden Vermögens von innen heraus, sowie zum Handlungsunrecht, der Überschreitung einer Kompetenz im Verhältnis zum Treugeber. Dagegen erhöht sich bei den Kriterien des § 18 S. 1 KWG a.F. die Distanz sowohl zum Erfolgs- als auch zum Handlungsunrecht der Untreue. Insbesondere ist die Frage nach angemessenen 311
BGHSt 46, 30 [34]. So auch: BGHSt 47, 148 [154]: § 18 S. 2 KWG zeige, dass von dem Verlangen nach Offenlegung abgesehen werden kann, wenn dieses Verlangen in Ansehung der Sicherheiten offensichtlich unbegründet wäre. 313 BGHSt 46, 30 [34]. 314 BGHSt 46, 30 [34 f.] m. Hinweis auf: BGH, in: wistra 2000, 60. 315 BGHSt 46, 30 [35]. 312
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
185
Informationen (nach einer transparenten Entscheidungsgrundlage), auf Grund derer eine Entscheidung getroffen wird, zunächst wertungsneutral in Bezug auf Handlungund Erfolgsunrecht der Untreue. Informationen sind zunächst wertneutrale Tatsachen. Erst die Konkretisierung der Informationen auf solche zur Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers z. B. geben dem Kriterium eine stärker materiale Prägung. Aber selbst dann sind Informationen einer Entscheidungsgrundlage noch lange keine materialen Kriterien, weil die Informationen keine zwangsläufige Entscheidung in die eine oder andere Richtung gebieten würden. Solange die (material geprägten) Informationen in Gestalt der Einhaltung der Voraussetzungen des § 18 S. 1 KWG a.F. bei der Entscheidung nur nicht berücksichtigt wurden, wird gar nicht mehr auf das Ergebnis der Risikoentscheidung bzw. die Risikoentscheidung selbst geschaut. Das Landgericht Augsburg hat bei der Substitution der ursprünglichen materialen Entscheidungskriterien durch die des § 18 S. 1 KWG a.F. mutmaßlich den im ersten Teil dieser Arbeit untersuchten tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz vor Augen sowie die Tatsache, dass eine Subsumption eines Sachverhalts unter die speziellen Kriterien des § 18 S. 1 KWG a.F. einfacher gelingen mag, als eine Subsumption unter die allgemeinen Kriterien einer Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB. Das Landgericht entzieht sich so einer Beurteilung der Risikoentscheidung eo ipso, indem man den Blick auf die Art und Weise der Entscheidungsfindung richtet und falls diese nicht zu beanstanden ist, das Entscheidungsergebnis gänzlich außen vor lässt. Der Bundesgerichthof schloss sich dieser sehr weitreichenden hypothetischen Prozeduralisierung der Pflichtwidrigkeit des § 266 Abs. 1 StGB nicht an, schlug jedoch auch keine gänzlich konträre Linie ein. So stört sich der Bundegerichtshof vor allem an der sehr starren Orientierung an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 S. 1 KWG a.F., die vom Landgericht Augsburg direkt als Entscheidungskriterien herangezogen wurden. Der Senat verkleinert sozusagen wieder die Distanz zwischen Entscheidungskriterium und Entscheidungsobjekt, indem er z. B. eine Kausalität zwischen dem Informationsdefizit und dem Vermögensnachteil verlangt. Der Bundesgerichtshof definiert sozusagen Schranken-Schranken der hypothetisch prozeduralen Entscheidungskriterien, die er grundsätzlich angewendet sehen möchte. Weiter plädiert der Bundesgerichtshof sehr wohl für eine andere, abgemilderte Form einer hypothetisch prozeduralen Handhabung des § 266 Abs. 1 StGB: Bei der Berücksichtigung der Entscheidungskriterien der angemessenen Informationen und der Frage der Eigennützigkeit der Risikoentscheidung für den Treunehmer z. B. Das Kriterium der angemessenen Informationen findet sich im § 266 Abs. 1 StGB so nicht wieder. Allenfalls im Rahmen der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit stellt sich die Frage, ob eine Pflichtwidrigkeit schon deshalb vorliegen kann, weil die Entscheidung nicht auf angemessenen Informationen beruht bzw. vice versa eine Pflichtwidrigkeit wegen angemessener Informationen ausgeschlossen wäre. Wie soeben festgestellt, verhält sich das Kriterium wertungsneutral in Bezug auf Handlungs- und Erfolgsunrecht der Untreue. Es stellt ein hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium dar. Auch bei der Frage der Eigennützigkeit der
186
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Risikoentscheidung handelt es sich um ein hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium, da der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB die Frage der Eigen- oder Fremdnützigkeit gänzlich fremd ist; § 266 Abs. 1 StGB fordert gerade keine (Selbst-)Bereicherungsabsicht.316 Letztlich stellte der Senat anderseits klar, dass er einer weiteren hypothetischen Prozeduralisierung (contra legem) des § 266 StGB, auf die an anderer Stelle in dieser Arbeit eingegangen wird,317 nicht folge, und zwar der hypothetischen Prozeduralisierung der Pflichtwidrigkeit anhand des eines „endgültigen“ bzw. „vertieften“ Vermögensnachteils: Der (prozedurale) Schluss vom späteren „Notleiden“ des Kredits318 auf die Pflichtwidrigkeit verbiete sich. e) Die Entscheidung BGHSt 47, 148 (Fortführung von BGHSt 46, 30) aa) Inhalt der Entscheidung Die Entscheidung betrifft zwei gescheiterte Kreditengagements einer Sparkasse. Die Angeklagten Bankleiter der Sparkasse, die an den Kreditvergabeentscheidungen beteiligt waren, hat das Landgericht Mannheim vom mehrfachen Vorwurf der Untreue durch Kreditvergabe freigesprochen.319 Die Angeklagten hatten als Vorstandsmitglieder bzw. Verhinderungsvertreter die Befugnis, über das Vermögen der Sparkasse zu verfügen, sodass sich die Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB beurteilt.320 Die Frage eines Missbrauchs der Befugnisse der Angeklagten richtet sich danach, ob sie die Grenzen ihres rechtlichen Dürfens überschritten haben.321 Der Bundesgerichtshof führt aus, dass, da keine Verstöße gegen Kreditbewilligungsgrenzen und anderweitig normierte Kompetenzbegrenzungen vorliegen, es für die Grenzen des rechtlichen Dürfens alleine darauf ankommt, ob die Angeklagten ihrer Prüfungs- und Informationspflicht bezüglich der Vermögensverhältnisse der Kreditnehmer ausreichend nachgekommen sind.322 Zusätzlich zu den in BGHSt 43, 30 aufgestellten Grundsätzen verlangt der Bundesgerichtshof nunmehr, dass die „Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe ihre bankübliche Informations- und Prüfungspflicht bezüglich der Verhältnisse des
316
Vgl. nur den Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB im Gegensatz z. B. zu § 263 Abs. 1 StGB („[…] in der Absicht, sich oder einem Dritten […]“); Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 49; BGH, in: wistra 1994, 95. 317 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 2. 318 Zum Problem der Prozeduralität Nachteilsbestimmung bei „notleidenden“ Krediten siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 3. 319 BGHSt 47, 148 [148 f.]. 320 BGHSt 47, 148 [149]. 321 BGHSt 47, 148 [149]. 322 BGHSt 47, 148 [149].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
187
Kreditnehmers gravierend323 verletzt haben“, wobei sich aus einem Verstoß gegen § 18 S. 1 KWG Anhaltspunkte dafür ergeben könnten, dass der Informations- und Prüfungspflicht nicht ausreichend Genüge getan wurde.324 Die Vorschrift des § 18 S. 1 KWG sei nämlich Ausfluss des anerkannten bankkaufmännischen Grundsatzes, Kredite nur nach umfassender und sorgfältiger Bonitätsprüfung zu gewähren und die Bonität des Kreditnehmers laufend zu überwachen.325 Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass die Vorschrift des § 18 S. 1 KWG dem Schutz des einzelnen Kreditinstituts und seiner Einleger diene.326 Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Vorschrift sicherstellen, dass Kreditinstitute die Kreditwürdigkeit ihrer Kreditnehmer in ausreichendem Maße an Hand von Unterlagen prüfen.327 Das in § 18 S. 1 KWG vorgeschriebene Verfahren hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen328 in mehreren Rundschreiben konkretisiert, die laut Bundesgerichtshof als Erläuterung der banküblichen Sorgfaltspflichten bei der Kreditwürdigkeitsprüfung heranzuziehen sind:329 Das Verfahren nach § 18 S. 1 KWG vollziehe sich in drei Schritten, die aus Vorlage der Unterlagen (1), Auswertung der Unterlagen (2) und der Dokumentation (3) bestehen; das bloße Vorlegenlassen der Unterlagen ohne Auswertung genüge deshalb nicht. So weist der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass er, durch die Verlautbarungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen bestätigt, § 18 S. 1 KWG als zentrale Vorschrift für die Kreditvergabe und Kreditwürdigkeitsprüfung ansieht, die „nicht nur „formal“, sondern materiell einzuhalten [sei]“.330 Daher sind für den Bundesgerichtshof auch die Informationspflichten, deren Verletzung eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen kann, und die Pflichten nach § 18 S. 1 KWG nicht vollständig deckungsgleich; es kann z. B. eine fehlende, nach § 18 S. 1 KWG erforderliche Information durch eine gleichwertige andere ersetzt werden, ohne pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu handeln.331 Gravierende Verstöße gegen die bankübliche Informations- und Prüfungspflicht begründeten jedoch eine „Pflichtwidrigkeit im Sinne des 323 Zur gravierenden Pflichtverletzung siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1.; zur Einschränkung des Merkmals vgl. BGHSt 50, 331 u. siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII.; Hervorh. d. Verf. 324 BGHSt 47, 148 [150]. 325 BGHSt 47, 148 [150]. 326 BGHSt 47, 148 [150]. 327 BGHSt 47, 148 [150]. 328 Zum 01. 05. 2002 ist das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen mit dem damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verschmolzen worden, http://www.bafin.de/de/diebafin/aufgabengeschichte/aufgabengeschichte_artikel.html. 329 BGHSt 47, 148 [151] m.w.N. zu den Rundschreiben in den Jahren 1967, 1995, 1998, 1999, 2000. 330 BGHSt 47, 148 [152]. 331 BGHSt 47, 148 [152] m. Hinweis auf BGHSt 46, 30 [32].
188
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Missbrauchstatbestandes des § 266 StGB“.332 Bei der Frage, ob solche (gravierende) Verstöße vorliegen, könne auf die Erläuterungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zum Verfahren nach § 18 KWG zurückgegriffen werden.333 Der Bundesgerichtshof bezeichnet die Verlautbarungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen als Konkretisierung der Grenze des rechtlichen Dürfens von Bankleitern bei der Kreditvergabe.334 Unter diese soeben erwähnten Kriterien subsumiert der Senat und kommt zu dem Ergebnis, dass die Vergabe des Erstkredits objektiv pflichtwidrig gewesen sei. Die Angeklagten hätten sich keinen ausreichenden Einblick in die tatsächlichen Gegebenheiten beim Kreditnehmer verschafft; die fehlende Transparenz der privaten Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers sei bereits aus der Beschlussvorlage für den Erstkredit ersichtlich gewesen.335 Es wird daher durch den Bundesgerichtshof eine gravierende Verletzung der Informationspflichten und der Pflicht zum Verlangen nach Offenlegung gemäß § 18 S. 1 KWG festgestellt. Bezüglich der Folgekredite schließt sich der Bundesgerichtshof den Ausführungen des Landgerichts Mannheim an, das schwerwiegende Pflichtverstöße bejaht hat. Abstrakt könne jedoch bei einem Folgekredit als Durchgangsstadium (z. B. zu einer Sanierung) bei der Erfolgsbewertung neben der Chance, Altkredite „aufzutauen“, z. B. berücksichtigt werden, dass es sich um eine ökonomisch sinnvolle Erhaltung eines Unternehmens und seiner Arbeitsplätze handeln kann – sofern die Existenz der Bank nicht bedroht ist.336 Weiter stellt der Bundesgerichtshof klar, dass bei einem fortdauernden Kreditengagement es ein wesentlicher Teil der Information- und Prüfungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB und des § 18 S. 1 KWG sei, die wirtschaftliche Entwicklung des Kreditnehmers während der Laufzeit des Kredits kontinuierlich zu beobachten und zu analysieren.337 Der Bundesgerichtshof behauptet, dass es bei der Stellung von Sicherheiten an einer Vermögensgefährdung und damit zugleich auch an der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB fehlen kann, jedoch dies nur gelte, sofern die Sicherheiten den Kreditbetrag voll deckten und diese im Falle eines Ausfalls alsbald durch den Kreditgeber realisiert werden könnten.338 Zum subjektiven Tatbestand führt der Bundesgerichtshof aus, dass bei einer Kreditgewährung der Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB in der schadensgleichen Vermögensgefährdung bestehe, sodass sich das Wissenselement und das Billigungselement eines bedingten Vorsatzes auf die (schadensgleiche) Vermö332 333 334 335 336 337 338
BGHSt 47, 148 [152]. BGHSt 47, 148 [152 f.]. BGHSt 47, 148 [153]. BGHSt 47, 148 [153, 155]. BGHSt 47, 148 [153 f.]. BGHSt 47, 148 [154]. BGHSt 47, 148 [155].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
189
gensgefährdung beziehen müssen.339 In Fortsetzung zu BGHSt 46, 30 führt der Bundesgerichtshof weiter aus, dass in Fällen, in denen die tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung340 gegeben sind und neben einer gravierenden Verletzung der Informations- und Prüfungspflichten eine höchste Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs erkannt wurde, es nahe liegt, dass die Schädigung in Gestalt einer Vermögensgefährdung auch billigend in Kauf genommen wurde.341 Generell gelte, dass eine Billigung „nahezu stets“ anzunehmen sei, wenn der betreffende Bankleiter erkennt, mit dem Kreditengagement die Existenz der Bank zu gefährden.342 bb) Zur Prozeduralität Der Bundesgerichtshof bekräftigt in der Entscheidung BGHSt 47, 148 seine bisherige Sichtweise,343 dass die Voraussetzungen des § 18 S. 1 KWG die Frage der Pflichtwidrigkeit bei § 266 Abs. 1 StGB nicht dergestalt prozeduralisieren344 können, dass von einem Verstoß gegen § 18 S. 1 KWG starr auf eine Pflichtwidrigkeit geschlossen werden könne. Damit verweigert sich das Gericht jedoch einer hypothetischen Prozeduralisierung des Merkmals der Pflichtwidrigkeit bei § 266 Abs. 1 StGB nicht gänzlich. Insbesondere bekennt sich der Bundesgerichtshof zur Ansicht, dass § 18 S. 1 KWG vor allem die Transparenz der Risikoentscheidung betreffe. Liegt nämlich ein gravierender Verstoß gegen die Pflichten des § 18 S. 1 KWG vor, so handele es sich um ein Indiz für eine Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB. Der Bundesgerichtshof materialisiert folglich die strenge hypothetisch prozedurale Handhabung des § 18 S. 1 KWG in der vom Landgericht Augsburg345 eingeschlagenen Richtung, indem er einerseits mit dem Merkmal des gravierenden Verstoßes (womit reine, erfahrungsgemäß folgenlose Formalverstöße ausgeschieden werden) gegen die Pflichten des § 18 S. 1 KWG und andererseits mit der bloßen Indizwirkung einen engeren Bezug zu den materialen Entscheidungskriterien des § 266 Abs. 1 StGB herstellt.346 Dagegen erklärt sich die Feststellung des Senats, dass bei der Frage der Pflichtwidrigkeit von Folgekrediten (zur Sanierung des Unternehmens) auch berücksichtigt werden könne, dass es sich um eine ökonomisch sinnvolle Erhaltung eines Unternehmens (als Kreditnehmer) und seiner Arbeitsplätze 339
BGHSt 47, 148 [156 f.]. BGHSt 46, 30: siehe unter Kapitel 2, §8, D. I. 2. d). 341 BGHSt 47, 148 [157]. 342 BGHSt 47, 148 [157]. 343 BGHSt 46, 30. 344 Scil. ohne es „Prozeduralisierung“ zu nennen; dem BGH insofern zustimmend: Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1171] und Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, 1997, S. 55. 345 BGHSt 46, 30: siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 2. d). 346 Schröder erkennt in den Einschränkungen einen „engeren Bezug zum Vermögen der Bank“, welches durch die Untreue geschützt werde, Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1171]. 340
190
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
handele, nicht aus einem irgendwie nachvollziehbarem Bezug zu den materialen Entscheidungskriterien des § 266 Abs. 1 StGB. § 266 StGB verhält sich neutral gegenüber dem sozialen Nutzen der Kehrseite des Vermögensabflusses beim Treugeber. Bei der Kreditvergabe hängt die Frage der Pflichtwidrigkeit damit zusammen, ob das Rückzahlungsrisiko für den Treugeber zu hoch ist. Allenfalls die Frage der Unternehmenssanierung als mittelbarer Faktor für die Risikobeurteilung könnte im Rahmen eines Kreditrahmens bzw. mehrerer Einzelkredite bei Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden. Die Frage, ob der unkompensierte Vermögensabfluss in Form eines Kredits347 bei demjenigen oder anderen, denen er zufließt, sozial nützt, ist ein jenseits des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Untreue liegendes, ergo: hypothetisch prozedurales – Entscheidungskriterium. Der Bundesgerichtshof nimmt jenseits der Nichtbeachtung der Kreditbewilligungsgrenzen und Kompetenzgrenzen für den Treugeber nicht zu der umgekehrten Problematik Stellung, ob trotz umfassender Beachtung der Kriterien des § 18 S. 1 KWG dennoch eine Pflichtverletzung bei der Kreditvergabe möglich wäre. Anders formuliert wird nicht dazu Stellung genommen, ob § 18 S. 1 KWG eine abschließende Regelung für die speziellen Sorgfaltspflichten348 im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB in der Bankenbranche bei der Vergabe von Krediten darstellt. Die Sichtweise des Senats, die Anforderungen des § 18 S. 1 KWG stellten eine Konkretisierung der Grenze des rechtlichen Dürfens von Bankleitern bei der Kreditvergabe dar, spricht dafür, dass jenseits Kompetenzgrenzen keine weitergehende Pflichtwidrigkeit bejaht werden kann. Es kann vermutet werden, dass das Problem nunmehr bei der Ausgestaltung und Einhaltung der Anforderungen – jenseits der Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – an die Transparenzpflichten loziert. Namentlich geht es um die Frage, ob alle relevanten Informationen beschafft und ob diese korrekt ausgewertet wurden. cc) Materiale Voraussetzungen von Transparenz als prozedurales Entscheidungskriterium Das in § 18 S. 1 KWG vorgeschriebene Verfahren, durch mehrere Rundschreiben des Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen349 konkretisiert, vollziehe sich laut Bundesgerichtshof in drei Schritten, die aus Vorlage der Unterlagen (1), Auswertung der Unterlagen (2) und der Dokumentation (3) bestehen. Diese drei Schritte stellen Anforderungen an die Transparenz der Risikoentscheidung dar. Zur Transparenz in einem engeren Sinne verstanden gehört die Vorlage der relevanten Informationen und die Dokumentation des Vorgangs. Das Erfordernis der Auswertung der Informationen entspricht einem weitergehenden Transparenzbegriff und soll sicherstel347
Anders die Beurteilung z. B. beim Sponsoring, wo es (auch) um die Verfolgung sozialer Zwecke geht, siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1. b). 348 Vgl. hierzu: Böttcher, Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime-Krise, in: NZG, 2009, 1047 [1051]. 349 Heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
191
len, dass die mit der Transparenz erhoffte Auswirkung in höherem Maße sichergestellt wird. Der Bundesgerichtshof lässt darum den bloß feigenblattartigen Verweis auf die Einholung relevanter Informationen nicht genügen. Der Senat möchte die Vorschrift des § 18 S. 1 KWG nicht nur „formal“, sondern „materiell“ eingehalten sehen. Mit der Formulierung der „formale[n]“ Einhaltung bezieht sich der Bundesgerichtshof auf das Verständnis des Transparenzmerkmals. Die geforderte „materiell[e]“ Einhaltung des Transparenzmerkmals entspricht dem hier vertretenen Verständnis von Transparenz350 zwar nicht, ändert jedoch nichts am Ergebnis der Untersuchung des Urteils BGHSt 47, 148 – dass Transparenz ein hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit bei der Untreue darstellt. Mit der hier verwendeten Terminologie wäre der Bundesgerichtshof wie folgt zu verstehen: Die materialen Voraussetzungen des in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit bei der Untreue prozeduralen Transparenzmerkmals müssen eingehalten werden. 3. Spekulationsgeschäfte und Investitionsentscheidungen Insbesondere im Nachgang der großen Weltfinanzkrise, die 2006/2007 mit dem Zusammenbruch des nordamerikanischen Sub-Prime-Immobilienmarktes begann, wird immer häufiger eine strafrechtliche Aufarbeitung von Finanzmarktgeschäften, so auch mit Hilfe der Untreue gemäß § 266 StGB, thematisiert.351 Probleme ergeben sich vor allem wegen der schwierig zu beurteilenden Finanzmarktkonstruktionen. a) Investitionen in Asset-Backed-Securities Asset-Backed-Securities (im Folgenden: „ABS-Anleihen“) ist der Oberbegriff für in der Regel langlaufende Wertpapiere, die durch unterschiedliche Vermögenswerte, die Zahlungen generieren, unterlegt sind. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Vermögenswerten um Kredite, wobei die durch die Vermögenswerte generierten Zahlungen die Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditschuldner darstellen.352 Zur Finanzierung eines Engagements in ABS-Anleihen bedienen sich viele Banken so genannter Asset-Backed Commercial Papers. Bei Asset-Backed Com350 Siehe unter Einführung, § 6, A.; im Urteil BGHSt 47, 148 geht es nämlich um eine Transparenz sich selbst gegenüber – d. h. anders als im hier vertretenen Sinne ist die Person, die die trasparenten Informationen erhält auch für deren Bewertung zuständig. Anders im Rahmen der lex ferenda: Hier ist der Treugeber nur zur Transparenzherstellung belastet, wärend es dem Treugeber obliegt, die transparenten Informationen auszuwerten und hieraus Schlussfolgerungen zu ziehen. 351 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169; Böttcher, Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime-Krise, in: NZG 2009, 1047; Lutter, Bankenkrise und Organhaftung, in: ZIP 2009, 197. 352 Geiger, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rn. 1 u. 7.
192
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
mercial Papers (im Folgenden: „ABC-Papers“) handelt es sich auch um die Verbriefung von Forderungen und/oder Wertpapieren, die von Banken als regelmäßig kurzlaufende Wertpapiere in Gestalt von Schuldverschreibungen gehandelt werden.353 Der Handel mit diesen Papieren ist auf Grund der damit durchgeführten Zinstransformation spekulativer Art: langlaufende Forderungen werden mit Mitteln bezahlt, die über kurz laufende ABC-Papers beschafft werden.354 Zweckgesellschaften, die ABC-Papers emittieren, werden durch Rating-Agenturen untersucht; das Rating fällt besser aus, wenn Garantien der hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken für die Zweckgesellschaft gegeben werden – diese Garantien werden als Liquiditätsfazilität bezeichnet.355 Auf Grund dieser Garantien entstehen kreditähnliche Geschäfte, sodass zur Beurteilung auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur Kreditvergabe zurückgegriffen wird.356 b) Fristentransformation als Pflichtverletzung In Bezug auf eine Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB stellt sich die Frage, inwiefern eine Fristentransformation, wie sie soeben beschrieben wurde, eine Pflichtwidrigkeit darstellen kann. Verallgemeinernd stellt sich die Frage nach einer Pflichtwidrigkeit bei sämtlichen komplexen Finanztransaktionen, die schon aus zivilrechtlicher Sicht rechtlich und tatsächlich äußerst komplex und hoch umstritten in der Beurteilung sind.357 Einerseits kann auf die Vorschriften zur Liquiditätssicherung nach dem Kreditwesengesetz verwiesen werden, wobei die Rechtsprechung – wie soeben gezeigt – bei einem Verstoß gegen die Vorschriften des Kreditwesengesetzes – namentlich § 18 S. 1 KWG, nicht automatisch von einer Pflichtverletzung ausgeht.358 Jedenfalls zur Zeit des Höhepunktes der Finanzmarktkrise bestanden keine weiteren speziellen oder spezialgesetzlichen Regelungen, die diese Art von Spekulationsgeschäften betrafen.359 Das Fehlen spezieller Regelungen mache, so Schröder, eine strafrechtliche Beurteilung nach § 266 Abs. 1 StGB schwieriger; es sei auf die allgemeinen Regeln zu Risikogeschäften zurückzugreifen, insbesondere auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur Existenzgefährdung einer Gesell-
353
Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1170]. Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1170]. 355 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1170]. 356 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1170]. 357 Vgl. z. B. die strafrechtliche Bewertung von Zinsswapgeschäften durch Kommunen, Gehrmann/Lammers, Kommunale Zinsswapgeschäfte und strafrechtliches Risiko, in: KommJur 2011, 41. 358 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 2. c). 359 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1171]. 354
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
193
schaft.360 Bei einer Aktiengesellschaft wären so unter anderem die Grundsätze der Rechtsprechung zur Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB bei Verletzung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG anwendbar, also z. B. die Business Judgment Rule.361 c) Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung Das Problem komplizierter Finanzmarkttransaktionen liegt folglich im Fehlen spezieller Regelungen zum Tatzeitpunkt. Fehlen spezielle Regelungen, so ist die Frage der Pflichtwidrigkeit anhand allgemeiner Kriterien zu beurteilen, was auf Grund der äußerst komplexen wirtschaftlichen Vorgänge tatsächliche Schwierigkeiten bereitet und regelmäßig mit einer Komplexitätsreduktion einhergeht, weil die allgemeinen Beurteilungskriterien zwangsläufig weniger ausdifferenziert sind als der zu beurteilende Sachverhalt. Selbst Experten auf dem Gebiet der Finanzmarktgeschäfte gaben „falsche“ Ratings ab,362 auf die alle vertraut haben. Wie der Einfluss dieser Tatsache auf die Frage der Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB zu würdigen ist, bleibt zu diskutieren. Insbesondere ist im Zusammenhang mit der Finanzkrise um die Jahre nach 2008 das Problem des Rückschaufehlers (hindsight bias)363 zu vermeiden: die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit muss mit einer Betrachtung ex ante erfolgen. Es stellt sich weiter die tatsächliche Frage, ob man diese Art der Geldgeschäfte damals nicht bewusst gewählt hat, weil sie unreguliert waren. Jedenfalls ist mit der nachträglichen strafrechtlichen Bewertung, insbesondere gemäß § 266 StGB, zurecht zu kommen. Darum sucht man nach Entscheidungskriterien, die man auf die Vielzahl dieser Geldgeschäfte anwenden kann. Hier erfolgt, so Schröders Vorschlag, ein Rückgriff auf allgemeine Kriterien bei der Kreditvergabe; vor allem die Transparenz der Entscheidungen. Jedenfalls stellt diese Ausgangssituation ein starkes Indiz nun folgender hypothetischer Prozeduralisierungen dar, da mit einfacher zu handhabenden hypothetisch prozeduralen Entscheidungskriterien eine Beurteilung erst möglich werden wird, die gleichzeitig in ausreichendem Maße der relevanten ex ante Sichtweise gerecht wird. Die Reaktion der höchstrichterlichen Rechtsprechung bleibt abzuwarten und vor allem unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Prozeduralisierung zu beobachten.
360 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1171 f.]. 361 Böttcher, Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime-Krise, in: NZG, 2009, 1047 [1048 f.]; siehe hierzu unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. 362 Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: NJW 2010, 1169 [1173]. 363 Überschätzen der Vorhersehbarkeit; vgl.: Brüning/Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue, in: ZIP 2009, 1089 [1092]; Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 294.
194
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
4. Zusammenfassung Bei unternehmerischem Handeln, das zwangsläufig mit der Eingehung von Risiken zusammenhängt, ist für das Funktionieren des einzelnen Unternehmens, sowie des gesamten Wirtschaftssystems wichtig, das Handeln trotz Präsenz von Risiken nicht unter den Generalverdacht der Untreue zu stellen. Deshalb ist der Wunsch laut, klare und für die Entscheidungsträger einfach handhabbare Vorgaben zu haben, unter welchen Voraussetzungen ihr Handeln sich nicht als pflichtwidrig darstellt.364 Die Verletzung von Informations- und Prüfungspflichten soll nicht schlechthin eine relevante Pflichtverletzung begründen; es muss gemäß der Rechtsprechung eine „gravierende“ Verletzung der Informations- und Prüfungspflichten vorliegen. Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob die gewissenhafte Erfüllung der Informationsund Prüfungspflichten auch eine andere Begründung einer Pflichtverletzung ausschließen kann. Die Frage ist deshalb gerechtfertigt, da Transparenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium in bestimmten Bereichen schon belastet wird. II. Unternehmensspenden/Sponsoring (gravierende Pflichtverletzung) 1. Die Entscheidung BGHSt 47, 187 („SSV Reutlingen“ – gravierende Pflichtverletzung) Die Entscheidung BGHSt 47, 187 betrifft die Problematik von Zuwendungen unter dem Gesichtspunkt von public relations eines Unternehmens; konkret ging es um Sportsponsering als Unterfall so genannter non-profit-Ausgaben365. Erstmals verlangt der Bundesgerichtshof, dass eine zivilrechtliche Pflichtwidrigkeit auch strafrechtlich eine „gravierende Pflichtverletzung“ darstellt. a) Sachverhalt der Entscheidung Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Angeklagte K war Vorstandsvorsitzender der Südwestdeutschen Verkehrs AG, deren alleinige Aktionärin das Land Baden-Württemberg war. Der Angeklagte S.366 war seit 1992 Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, ab 1996 Umwelt- und Verkehrsminister. Zum 01. Januar 1996 übernahm er turnusgemäß den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Südwestdeutschen Verkehrs AG. Seit 1995 war der Angeklagte S. auch zugleich Präsident des Baden-Württembergischen Sportvereins SSV Reutlingen.367 364 Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: BKR 2006, 125. 365 Englisch für: gemeinnützige Ausgaben. 366 Hermann Schaufler. 367 BGHSt 47, 187 [188 f.].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
195
Mitte des Jahres 1995 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. heran und forderte eine Spende für den SSV Reutlingen. Für diese Spende wurden zunächst Gelder in Höhe von DM 25.000,– durch den Angeklagten K. von der Hauptkasse der Südwestdeutschen Verkehrs AG auf die Sekretariatskasse überwiesen, welche nicht über die Hauptbuchhaltung abgerechnet wurden. Von dieser Kasse hob die Sekretärin des Angeklagten K. dann DM 20.000,– in bar ab und der Angeklagte K. übergab dem Angeklagten S. das Geld in einem neutralen Briefumschlag in einem Hotel in Reutlingen. Dabei war dem Angeklagten S. bewusst, dass die Tatsache, dass er Verkehrsminister war und turnusmäßig den Posten des Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Südwestdeutschen Verkehrs AG übernehmen werden würde, den Angeklagten K. zu dem Gefallen bewogen hatte. Zur Verbuchung des Betrages für die Hauptkasse ließ der Angeklagte K. einen Beleg mit dem Vermerk „Zuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen“ erstellen. Der Angeklagte S. hinterlegte die DM 20.000,– in zwei Briefumschlägen in dem namentlichen Hotel, wo sie von einer Zeitungsmitarbeiterin abgeholt wurden und in das Fach des SSV Reutlingen beim selben Zeitungsverlag, dessen Anzeigenleiter für die Herausgabe der Stadionzeitung und Werbemaßnahmen verantwortlich war, gelegt wurden. Aus diesem Fach hat ein nicht bekannter Verantwortlicher des Sportvereins die Briefumschläge abgeholt, wobei in den Geschäftsbüchern des Vereins keine Verbuchung der Spende stattfand.368 Nachdem der Angeklagte S. 1996 turnusmäßig zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Südwestdeutschen Verkehrs AG gewählt worden war, bat er den Angeklagten K. um eine weitere Zahlung in Höhe von DM 15.000,– für den Sportverein, welche erneut über die Sekretariatskasse abgewickelt wurde. Der Beleg für die Buchhaltung lautete wieder auf die Jugendarbeit des Vereins. Dem Verein kam dieser Betrag indirekt zu Gute, indem der Angeklagte S. den Betrag einem Gönner des Vereins geschenkt hat, der den Verein durch Darlehen in großer Höhe unterstützt hatte und so den Mäzen dem Verein gegenüber wieder geneigter stimmen sollte, nachdem dieser sein Engagement deutlich reduziert hatte.369 Im Jahre 1997 trat der Angeklagte S. erneut an den Angeklagten K. wegen einer Spende für den SSV Reutlingen in Höhe von DM 10.000,– heran. Die Abwicklung dieser Spende verlief wieder gleich. Die Spende wurde komplett an einen weiteren Mäzen des Sportvereins ausgehändigt, auf dessen gewährtes Darlehen der Verein keine Rückzahlung mehr geleistet hatte. Die anderen Funktionäre des Sportvereins erfuhren von der Zahlung nichts; in der Buchhaltung des Vereins wurde der Betrag nicht als teilweise Darlehensrückführung aufgeführt.370
368 369 370
BGHSt 47, 187 [189 ff.]. BGHSt 47, 187 [190]. BGHSt 47, 187 [191].
196
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
b) Die rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs Die Zuwendungen aus dem Vermögen der Südwestdeutschen Verkehrs AG hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als strafbar gemäß des § 266 Abs. 1 StGB beurteilt. Ob sich die Strafbarkeit des Angeklagten K. nach dem Missbrauchs- oder dem Treubruchstatbestand beurteilt, ließ der Bundesgerichtshof offen, da der Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht durch eine im Außenverhältnis wirksame Verfügung deckungsgleich mit einem Verstoß gegen eine Vermögensfürsorgepflicht im Rahmen des Treubruchstatbestandes sei.371 In der Hauptsache äußerte sich der Bundesgerichtshof zum Problem der Pflichtverletzung durch die Auszahlung der Spenden. Zunächst nahm der Senat Bezug auf die Rechtsprechung im ARAG/Garmenbeck-Urteil372, wonach dem Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum bei der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit zukomme.373 Nachdem das Gericht klar stellt, dass dieser Grundsatz eines weiten Handlungsspielraums auch für Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport gelte, folgen aktienrechtliche Erwägungen. Unternehmensförderungen werden, so das Gericht, üblicherweise in drei Fallgruppen eingeteilt – die bloße Bezeichnung hingegen sei nicht maßgeblich: Die erste Fallgruppe betrifft das klassische Sponsoring. Dabei werden Gelder zur Förderung von Personen, Gruppen und Organisationen in gesellschaftspolitisch bedeutsamen Bereichen vergeben und gleichzeitig eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit verfolgt.374 Bei der zweiten Fallgruppe, der Spendenvergabe an gemeinnützige Organisationen, erfolgt die Spendenvergabe in der Regel ohne Erwartung einer unmittelbaren Gegenleistung, wobei die Gesellschaft die Aufwendung steuerlich absetzen kann.375 Bei der letzten Fallgruppe, dem Mäzenatentum, erwartet der Mäzen regelmäßig gar keine Gegenleistung, in der Regel wird sogar darauf verzichtet, über die Förderung öffentlich zu sprechen.376 Das Kernproblem einer sozialen Förderung durch Unternehmen sei die Tatsache, dass ein wirtschaftlicher Nutzen nicht im Einzelnen genau bestimmt werden könne. Es folgen Ausführungen zur goodwill-Verfestigung und zur Verbesserung der sozialen Akzeptanz eines Unternehmens als good corporate citizen.377 Konsequenz dieser Erkenntnisse ist für den Bundesgerichtshof die Feststellung, dass so genannte Imagewerbung, die für das Gesamtunternehmen erfolgversprechend ist, einer ge371 372 373 374 375 376 377
BGHSt 47, 187 [192]. BGHZ 135, 244; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. a). BGHZ 135, 244 [253]. BGHSt 47, 187 [193]. BGHSt 47, 187 [193]. BGHSt 47, 187 [193]. BGHSt 47, 187 [194 f.].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
197
richtlichen Kontrolle entzogen ist; dem Vorstand sei insofern ein breiter Ermessensspielraum zuzuerkennen.378 Jedoch sei der Ermessensspielraum des Vorstandes auch nicht grenzenlos; privaten Präferenzen dürfe der Vorstand keinen unangemessenen Raum geben. Im Rahmen dieser Abwägung gelte, dass je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand sei, desto enger der Handlungsspielraum und desto größer die Anforderungen an eine interne Publizität. Bei Zweifeln hinsichtlich bedeutsamerer Zuwendungen, ob diese im Interesse des Unternehmens liegen oder nur private Interessen und Vorlieben befriedigen, könne das betreffende Vorstandsmitglied nicht alleine handeln, selbst wenn es für die Vergabe von Fördermitteln zuständig sei. Als Kehrseite des breiten Ermessensspielraumes treffe das Vorstandsmitglied eine Pflicht zur Offenheit den anderen Organen einer Gesellschaft gegenüber, um Kontroll- und Rügemöglichkeiten zu eröffnen. Es handle sich um eine nicht delegierbare Pflicht des gesamten Vorstandes zur Selbstkontrolle.379 Bei der Vergabe von sozialen Förderleistungen einer Aktiengesellschaft genüge im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB mithin nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese müsse vielmehr „gravierend“ sein. Kriterien, die eine Pflichtverletzung als gravierend qualifizierten, seien z. B. die fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, die fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie sachwidrige Motive (persönliche Präferenzen).380 Bei der nun anschließenden Subsumption des Verhaltens der Angeklagten K. und S. betont der Senat insbesondere, dass im konkreten Fall die Zuwendungen verschleiert wurden. Weil die Zuwendungen nicht derart unternehmensintern offengelegt wurden, sei eine Kontrolle durch die Gesellschaftsorgane unmöglich gewesen. Das Gericht kommt zu der Erkenntnis, dass die Art und Weise der Auszahlung der Mittel (nicht über die Hauptbuchhaltung) und die unrichtige Angabe auf dem Beleg über die Auszahlung gewählt wurden, um einen Erklärungsbedarf gar nicht erst aufkommen zu lassen.381 Mit kurzen Ausführungen bejahte der Bundesgerichtshof auch das Entstehen eines Schadens: es sei auszuschließen, dass die Zuwendungen einen ideellen Wert für das Unternehmen in sich trugen; der Senat ging sogar gegenteilig von einer möglichen Ansehensminderung aus.382
378 379 380 381 382
BGHSt 47, 187 [195]. BGHSt 47, 187 [196 f.]. BGHSt 47, 187 [197]. BGHSt 47, 187 [199]. BGHSt 47, 187 [199].
198
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
c) Zur hypothetischen Prozeduralität In der Entscheidung BGHSt 47, 187 differenziert der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes auf Seite 197 des 47. Bandes das erste Mal383 deutlich zwischen der gesellschaftsrechtlichen (zivilrechtlichen) Pflichtverletzung einerseits und der „gravierenden“ Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes andererseits. Insofern unterscheidet sich diese Entscheidung erheblich384 von den beiden Vorgängerentscheidungen BGHSt 46, 30 und 47, 148, die nicht so weit gehen und bloß formelle Pflichtverletzungen ausscheiden385 bzw. hinsichtlich des „gravierenden Verstoßes“ nur im Rahmen des § 18 S. 1 KWG auf die amtlichen Verlautbarungen der Bundesaufsichtsanstalt für das Kreditwesen verweisen,386 also gerade nicht auf strafrechtsimmanente Kriterien. aa) Hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium der gravierenden Pflichtverletzung Mit dieser Entscheidung bekennt sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zur limitierten Zivilrechtsakzessorietät und zu einer zweistufigen Prüfung der Pflichtwidrigkeit, für die eine zivilrechtliche Pflichtverletzung nur notwendige,387 nicht aber hinreichende Bedingung einer Strafbarkeit gemäß § 266 StGB darstellt. So muss die zivilrechtliche Pflichtverletzung überdies im strafrechtlichen Sinne auch „gravierend“ sein. Einschränkend versteht der 3. Strafsenat die Entscheidung BGHSt 47, 187 nur dahingehend, dass nicht bei jeder risikobehafteten unternehmerischen Entscheidung eine gravierende Pflichtverletzung erforderlich sei, sondern der Entscheidung lediglich die Notwendigkeit im Hinblick auf Unternehmensspenden einer Gesellschaft und vergleichbare Konstellationen gesellschaftsrechtlicher Pflichtverletzungen zu entnehmen sei.388 Das Bundesverfassungsgericht teilt die Auffassung des 3. Strafsenats insofern nicht; das Bundesverfassungsgericht spricht nämlich von einer allgemein tatbestandsbegrenzenden Funktion der Rechtsprechung (BGHSt 47, 148 [152 f.]; 47, 187 [197]), wenn diese „eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB nur dann bejaht, wenn sie gravierend ist“.389 Was wiederum eine solche, strafrechtlich gravierende Pflichtverletzung darstellt, beschreibt der 1. Strafsenat anhand verschiedener Indizien und Leitkriterien. Die Formel der „gra-
383
In der Entscheidung BGHSt 47, 148 ging es nur speziell um die „gravierende“ Verletzung der Informationspflichten des § 18 S. KWG. 384 Dies wird z. B. von Hoyer nicht hervorgehoben, der alle drei Entscheidungen gleichsam in einem erwähnt: Hoyer, in: SK-StGB, § 266 Rn. 54, Fn. 147. 385 BGHSt 46, 30 [32]; so auch der 3. Strafsenat in BGHSt 50 331 [343 f.]. 386 BGHSt 47, 148 [152 f.]. 387 Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 152; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier-StGB, § 266 Rn. 31; Saliger, in: HRRS 2006, 10 [14]. 388 BGHSt 50, 331 [345 f.]. 389 BVerfGE 126, 170 [210 f.].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
199
vierenden Pflichtverletzung“ hat in der Literatur viele Anhänger gefunden,390 wird jedoch auch als eine Einschränkung (im Rahmen dieser Arbeit mutatis mutandis: hypothetische Prozeduralisierung) contra legem kritisiert.391 Es ist eine dreifache hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB durch den Bundesgerichtshof in und seit der Entscheidung BGHSt 47, 187 festzustellen: Zunächst muss die Pflichtverletzung eindeutig in einem zivilrechtlichen Pflichtverstoß liegen bzw. umgekehrt: zivilrechtlich erlaubtes Handeln kann schon keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuerechts darstellen. Weiter muss diese Pflichtverletzung dem zusätzlichen untreuestrafrechtlichen Kriterium der „gravierenden Pflichtverletzung“ entsprechen. Auf einer letzten Ebene bestimmt der Senat schließlich anhand einzelner Kriterien und Indizien, wann eine solche gravierende Pflichtverletzung vorliegt. All diese Kriterien sind einer isolierten Betrachtung des Wortlauts des § 266 Abs. 1 StGB schwerlich in dieser konkreten Form zu entnehmen und keineswegs zwingend.392 Schweiger sieht im Merkmal der gravierenden Pflichtverletzung die Anwendung „prozeduraler Kriterien“ bzw. von einem „prozedural strukturiertem Pflichtenkatalog“.393 Jedenfalls handelt es sich hierbei um eine Restriktionsmöglichkeit, den Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB in seinem Anwendungsbereich einzuschränken. Es liegt eine funktionale hypothetische Prozeduralisierung, wohl contra legem, durch die Rechtsprechung vor. bb) Prozeduralität der „gravierenden Pflichtverletzung“: Die Entscheidungskriterien der privaten Präferenz und innerbetrieblichen Transparenz Was eine „gravierende Pflichtverletzung“ darstellt, bestimmt der Senat selbst anhand hypothetisch prozeduraler Entscheidungskriterien: Die private Präferenz des
390 Otto, Untreue der Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften durch Vergabe von Spenden, in: FS Kohlmann 2003, S. 187; Lüderssen, Gesellschaftsrechtliche Grenzen der strafrechtlichen Haftung des Aufsichtsrates, in: FS Lampe 2003, S. 727 [729]; Tiedemann: Der Untreuetatbestand – ein Mittel zur Begrenzung von Managerbezügen, in: FS Weber 2004, S. 319 [322 f.]; Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389 [390]; Kutzner, Einfache gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen als Untreue, in: NJW 2006, 3541 [3543]; Kubiciel, Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuetatbestand, in: NStZ 2005, 353 [357]; Kiethe, Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bürgermeistern, in: NStZ 2005, 529 [531]; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/WidmaierStGB, § 266 Rn. 40 ff.; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 154 ff.; Beulke, Wirtschaftslenkung im Zeichen des Untreuetatbestandes, in: FS Eisenberg 2009, S. 245 [253]. 391 Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [475]. 392 In diese Richtung argumentiert auch Schünemann: Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [189]; Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [475]. 393 Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 51 f.
200
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Treunehmers bzw. fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand und die fehlende innerbetriebliche Transparenz. Aber auch in Bezug auf Problematik der Unternehmensförderungen in Form von Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport zeigen sich hypothetisch prozedurale Ansätze in der Entscheidung. So werden zur Behandlung dieses Bereichs vom Bundesgerichtshof drei Fallgruppen gebildet. Auf diese Weise soll die Handhabung des Problems der wirtschaftlichen Beurteilung von Sponsoring – ob der Bundesgerichtshof damit die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit oder des Nachteils meint, ist nicht klar – vereinfacht werden. Die Fallgruppe der Imagewerbung, die für das Gesamtunternehmen erfolgsversprechend ist, ist der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Interessanter Weise führt der Bundesgerichtshof dann in diesem Zusammenhang die Kriterien der privaten Präferenz und internen Publizität ein – beides durchwegs hypothetisch prozedurale Entscheidungskriterien zur Bestimmung wohl der Pflichtwidrigkeit. Der zugestandene Ermessensspielraum bei Imagewerbung verringere sich, falls private Präferenzen des Treunehmers bei der Auswahl des Sponsorings eine Rolle spielten. Es handelt sich um ein hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium. Denn: Zwischen privaten Präferenzen einerseits und der wirtschaftlichen Beurteilung des Sponsorings als pflichtwidrig und nachteilig im Sinne des § 266 StGB besteht absolut kein strafrechtlich zwingender Zusammenhang. Ob das Sponsoring der privaten Präferenz des Treunehmers entspricht, hat keinen zwingenden Zusammenhang mit der Frage, ob eine Pflichtverletzung und ein Vermögensnachteil vorliegen. Jedoch – so kann vermutet werden – geht das Gericht davon aus, dass empirisch betrachtet das Sponsoring, das den privaten Präferenzen des Treunehmers entspricht, tendenziell eher pflichtwidrig und nachteilig ist als das Sponsoring, das frei von privaten Präferenzen betrieben wird. Auf Grund dieser empirischen Tendenz entscheidet sich vermutlich der Senat für gerade dieses insofern: hypothetisch prozedurale Entscheidungskriterium. Falls private Präferenzen die Entscheidung des Treunehmers beim Sponsoring überlagerten, habe dies – als Kehrseite – gesteigerte Publizitätsanforderungen zur Folge. Anders ausgedrückt geht der Senat davon aus, dass sodann bei interner394 Publizität gerade keine Pflichtverletzung395 vorliege. Diese Vorgehensweise entspricht durchwegs der Grundhypothese dieser Arbeit. Interne Transparenz zum Treugeber, repräsentiert durch die Gesamtheit der gesellschaftsrechtlichen Organe, stellt in dieser Konstellation das hypothetisch prozedurale Entscheidungskriterium dafür dar, ob eine Pflichtverletzung vorliegt oder nicht.
394
„Intern“, da sich die Publizität den anderen Organen der Gesellschaft gegenüber bezieht; der Entscheidung lag die Situation der Aktiengesellschaft zu Grunde. 395 Wohl nur auf die Pflichtverletzung bezogen und nicht auch auf den Vermögensnachteil.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
201
2. Die Entscheidung BGHSt 50, 331 „Mannesmann-Urteil“ a) Inhalt der Entscheidung In der Entscheidung geht es um die untreuerechtliche Beurteilung der Fallgruppe396 einer so genannten kompensationslosen Anerkennungsprämie, die, vom Aufsichtsrat gebilligt, von einer Aktiengesellschaft an ihr (ehemaliges) Vorstandsmitglied geleistet wird. Kurz nach der Entscheidung über die einvernehmliche Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone Airtouch plc, der ein harter Übernahmekampf vorausging, befasste sich das Präsidium der Mannesmann AG Anfang 2000 mit der Zuerkennung freiwilliger Anerkennungsprämien an den Vorstandsvorsitzenden Dr. E.397 (ca. EUR 18 Mio.), vier weitere Vorstandsmitglieder (ca. EUR 1,89 Mio., EUR 1,38 Mio., EUR 1,02 Mio. und EUR 770.000,–) und den früheren Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. F.398.399 Das Landgericht Düsseldorf hat die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue zu Lasten der Mannesmann AG freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg; der Bundesgerichtshof hat wegen der Verletzung materiellen Rechts die Freisprüche aufgehoben.400 Kernproblem der Entscheidung ist die Frage, ob in der Gewährung der Anerkennungsprämie eine (ggf. gravierende) Pflichtverletzung zu sehen ist.401 Einerseits beinhalte nicht jede Vergütungsentscheidung des Präsidiums einer Aktiengesellschaft, die im Ergebnis zu einer Schädigung der Gesellschaft führt, eine Pflichtverletzung.402 Denn auch hierbei handelt es sich grundsätzlich um unternehmerische Führungs- und Gestaltungsaufgaben, für die in der Regel ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet ist.403 Allerdings, so der Senat, sei im Falle der Anerkennungsprämien das Vermögen der Mannesmann AG ohne Kompensation gemindert worden, sodass die Präsidiumsmitglieder diese nicht hätten bewilligen dürfen; ein Handlungsspielraum war ihnen gar nicht eröffnet.404 Eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann, sei daher als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu bewerten und bereits dem Grunde nach unzulässig.405 396
BVerfGE 126, 170 [210]: „fallgruppenspezifische Obersatzbildung […] zur Prämiengewährung durch Aktiengesellschaften“. 397 Klaus Esser. 398 Joachim Funk. 399 BGHSt 50, 331 [333 f.]. 400 BGHSt 50, 331 [332]. 401 BGHSt 50, 331 [335, 343 f.]. 402 BGHSt 50, 331 [336]. 403 BGHSt 50, 331 [336]. 404 BGHSt 50, 331 [341]. 405 BGHSt 50, 331 [337 f.].
202
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
b) Zur hypothetischen Prozeduralität Der Bundesgerichtshof begründet seine Revisionsentscheidung damit, dass kompensationslose Anerkennungsprämien keine Ermessensentscheidungen darstellen, weil sie keinen erkennbaren Nutzen für die Gesellschaft hätten und damit stets pflichtwidrig wären. Die Zubilligung eines Handlungsspielraumes bei Risikoentscheidungen beruhe auf der Überlegung, dass die Abwägung von Chancen und Risiken wegen ihres Prognosecharakters stets die Gefahr in sich trage, eine erst nachträglich festgestellte Fehlentscheidung zu enthalten. Findet jedoch gar keine solche Abwägung statt, weil die Entscheidung ausschließlich zum Nachteil der Gesellschaft gereichen kann, so sei die Entscheidung ohne Spielraum unzulässig und damit pflichtwidrig. Der Bundesgerichtshof schließt aus der Tatsache, dass der Vermögensabfluss in Form der Anerkennungsprämie ohne jeden Nutzen für die Gesellschaft sei, dass eine Pflichtverletzung vorliege. Darin könnte eine hypothetische Prozeduralisierung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtwidrigkeit liegen. Namentlich könnte die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit dadurch substituiert sein, dass ein eingetretener Nachteil bejaht wird. Dies wird auch unter dem Stichwort der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen diskutiert.406 Indes tritt in dieser Fallgestaltung zudem ein strukturelles Problem407 der Untreue zu Tage: Das Fehlen spezieller Regelungen im Gesellschaftsrecht lässt eine zivilrechtliche Bewertung nur unter dem Aspekt zu, dass sie nicht zivilrechtlich erlaubt ist und somit gegen das allgemeine Verbot der Schädigung der Gesellschaft verstößt. In dem zivilrechtlichen Verbot der Schädigung einer Gesellschaft ist bereits das Nachteilsmerkmal des § 266 StGB enthalten. Insofern liegt unumgänglich eine hypothetische Prozeduralisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals vor, als dass in der Zufügung des Nachteils (als Erfolg) die Pflichtwidrigkeit (als Handlungsunrecht) gesehen wird. Die Konstellationen, in denen sonstige spezielle (zivilrechtliche) Regelungen fehlen und die Pflichtwidrigkeit nur durch die Nachteilszufügung begründet ist, stellen eine tatbestandsimmanente hypothetische Prozeduralisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB dar, da in diesen Fällen Handlungs- und Erfolgsunrecht zusammenfallen. Diese strukturell im Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB angelegte hypothetische Prozeduralisierung408 kann jedoch nur dann zulässig sein, wenn tatsächlich keine andere Bewertungsgrundlage für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit existiert und auf die insofern subsidiäre Pflicht, den Treugeber im Rahmen einer Vermögensbetreuungspflicht nicht zu schädigen, zurückgegriffen werden muss; anderenfalls läge eine unzulässige hypothetische Prozeduralisierung der Pflichtwidrigkeit vor – was vom Bundesverfassungsgericht, das zu dieser Sonderkonstellation keine Stel-
406 407 408
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VII. 4. u. Kapitel 3, § 6, C. V. Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. II. Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. II.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
203
lung bezieht,409 wohl als unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen bezeichnet würde. Weiter ist bei der Entscheidung BGHSt 50, 331 bemerkenswert, dass sich eine Tendenz erkennen lässt, dass Transparenz auch im Rahmen der prozessualen Verfahrensbehandlung410 eine Rolle gespielt haben könnte. So geht Vogel davon aus, dass der Umstand, dass die Anerkennungsprämien ordnungsgemäß beschlossen und in die Buchhaltung eingestellt waren, also in transparenter Weise vergeben wurden, maßgeblich zu der Verfahrenseinstellung beigetragen haben könnte.411 An dieser Stelle könnte es sich folglich um eine hypothetische prozedurale Rechtsanwendung anhand des Transparenzmerkmals gehandelt haben. Hiervon geht Vogel deshalb aus, weil im ähnlichen Verfahren BGHSt 54, 148 (VW-Korruptionsäffaire/Hartz) spiegelbildlich gerade die konspirativen Umstände, die Intransparenz, zu den empfindlichen Verurteilungen geführt habe.412 III. Schwarze Kassen als Untreue In der Literatur zur Untreue gemäß § 266 StGB sind Entscheidungen, die die Strafbarkeit schwarzer Kassen betreffen,413 von besonderem Interesse, da die rechtliche Behandlung äußerst umstritten ist. In vergangener Zeit beschäftigte vor allem die Korruptionsaffäre beim Münchener Siemens-Konzern414 höchstrichterliche, ja sogar verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sowie die Literatur und Wissenschaft415 in größerem Maße. Als schwarze Kassen werden solche typischerweise auf Konten geführten Gelder bezeichnet, die unter Missachtung bestimmter (Dokumentations-)Pflichten vor dem Treugeber verborgen gehalten werden, deren beabsichtigte Verwendung aber in Bezug zur beruflichen oder sonst aufgabenbezogenen Tätigkeit für den Treugeber desjenigen steht, der die Gelder verwaltet.416 409
Siehe unter Kapitel 3, § 6, C. V. Hierzu mehr unter Kapitel 2, § 8, D. VI. 3. 411 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [69]. 412 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [69]. 413 Sei es die Einrichtung und Führung (BGHSt 51, 100), sei es die Übernahme und Erhaltung (BGHSt 52, 323 in der Aktiengesellschaft; BGHSt 55, 266 in der GmbH durch den alleinvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführer) einer schwarzen Kasse. 414 Überblick zu den tatsächlichen Hintergründen und Abläufen des Korruptionsskandals: Wolf, in: Der Korruptionsfall Siemens, S. 9 ff. 415 Vgl. nur zu BGHSt 52, 323: Rönnau, Anm. zum Urt. d. BGH v. 29. 8. 2008 – 2 StR 587/07, in: StV 2009, 246; Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297; Schünemann, in: StraFo 2010, 1. 416 Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB, S. 12 f.; Strelczyk, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen, S. 15. 410
204
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
1. Die Entscheidung BGHSt 52, 323 („Siemens“) a) Sachverhalt der Entscheidung Der Sachverhalt dieser prominenten Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Untreue, im 52. Band der Entscheidungssammlung ab Seite 325 wiedergegeben, soll wegen des Bekanntheitsgrades und mit Verweis auf ausführliche Sachverhaltsdarstellungen anderen Orts417 nur kursorisch wiedergegeben werden: Der Angeklagte K. war als leitender Angestellter der Siemens AG von 1991 bis 2004 einer von vier Bereichsvorständen des Geschäftsbereichs „Siemens Power Generation“. Als Bereichsvorstand war K. unmittelbar unter der Ebene des Zentralvorstandes der Siemens AG tätig und hatte die kaufmännische Leitung des Geschäftsbereichs inne. K. konnte auf Grund einer Siemens-internen Autorisierung Zahlungen in unbegrenzter Höhe anweisen.418 Im Geschäftsbereich der Siemens Power Generation existierte, was K. bekannt war – nicht jedoch, wie das Landgericht Darmstadt ausdrücklich festgestellt hat, dem Zentralvorstand –, ein etabliertes System zur Leistung und Abwicklung „nützlicher Aufwendungen“. Dieses System war durch ein Geflecht von ausländischen Nummernkonten, Girokonten, Festgeldkonten, Wertpapierdepots, Stiftungen und Unternehmen organisiert und sämtliche Gelder tauchten nicht in der offiziellen Buchhaltung der Siemens Power Generation auf. Der Mitangeklagte V. widmete von 1998 bis 2001 als freier Mitarbeiter für die Siemens Power Generation zwei Drittel seiner Arbeitszeit alleine der verdeckten Abwicklung von Überweisungen für solche nützliche Aufwendungen.419 1998 hatte der Zeuge Dr. W. anlässlich seiner bevorstehenden Pensionierung den Angeklagten K. in dessen Funktion als kaufmännischer Leiter über eine weitere, keinem sonst mehr bekannte, schwarze Kasse informiert. Die Gelder – etwa CHF 12 Mio. – ließ K. nicht in die offizielle Buchhaltung einstellen, sondern ließ diese durch V. auf ein Konto einer liechtensteinischen Stiftung transferieren, um die Gelder wie geplant für nützliche Aufwendungen nach seinem Gutdünken zur Erlangung von Aufträgen für die Siemens Power Generation zu verwenden.420 Die Enelpower S.p.A., eine hundertprozentige Tochter des italienischen Stromerzeugers ENEL Produzione S.p.A., war im In- und Ausland im Bau von Kraftwerksanlagen tätig. 1999 schrieb Enelpower S.p.A. einen Auftrag zur Lieferung von Gasturbinen europaweit aus. Der Geschäftsführer der der ENEL Produzione S.p.A., 417 Ausführliche Darstellung der tatsächlichen Abläufe des „Siemens-Korruptionsfalls“ bei Wolf, in: Der Korruptionsfall Siemens, S. 9 ff.; zur Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 14. 5. 2007 – 712 Js 5213/04 – 9 KLs; Sachverhalt und Gründe, in: NStZ 2009, 95. 418 BGHSt 52, 323 [325]. 419 BGHSt 52, 323 [325 f.]. 420 BGHSt 52, 323 [326].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
205
der Zeuge Cr., wandte sich 1999 an den V. und verdeutlichte diesem, dass er auf die Auftragsvergabe, für die sich die Siemens Power Generation (im Rahmen eines Konsortiums) beworben hatte und die einen Auftragswert von ca. EUR 132,5 Mio. repräsentierte, zu Gunsten der Siemens Power Generation Einfluss nehmen könne. So wurden im Verlauf des Jahres 2000 durch V. zu Gunsten des Cr. und des Gi., Mitglied des Verwaltungsrates der Enelpower S.p.A., Schmiergeldzahlungen in Höhe von EUR 2,65 Mio. vereinbart. K wusste von dieser Abrede und billigte die Zahlungen. Nach Zuschlag des Auftrags an die Siemens Power Generation wies V. den Betrag weisungsgemäß über verschiedene verschleiernde Transfers auf ein von Cr. und Gi. angegebenes Konto in Abu Dhabi an. Der Auftrag wurde durch die Siemens Power Generation vollständig erfüllt und abgerechnet.421 Im Jahre 2000 erhielt die Siemens Power Generation erneut einen Auftrag mit einem Volumen von EUR 205,6 Mio., für den wiederum Schmiergeldzahlungen an Cr. und Gi. in Höhe von EUR 2,987 Mio. und USD 483.990,– fließen sollten. Zur Zahlung verwandten die Angeklagten V. und K. nun Mittel aus der von Dr. W. „übernommenen“ schwarzen Kasse und verschleierten den Geldfluss abermals durch zahlreiche komplexe Transfers.422 Aus beiden Aufträgen erwirtschaftete die Siemens AG einen Gesamtgewinn in Höhe von EUR 103,8 Mio. vor Steuern. Auf Grund von Ermittlungen der italienischen Justiz seit 2003 wurde im Jahr 2006 die Siemens AG zu einer Geldstrafe von EUR 500.000,– verurteilt bei gleichzeitigem Verbot, für ein Jahr Verträge mit der öffentlichen Verwaltung in Italien abzuschließen. Die Abschöpfung des Gewinns wurde in Höhe von EUR 6,121 Mio. angeordnet. Bereits 2003 hatte sich die Siemens AG mit der Enel S.p.A. auf Ausgleichsleistungen von insgesamt EUR 113 Mio. geeinigt.423 b) Das Urteil des Bundesgerichtshofes Der Bundesgerichtshof bestätigt die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Untreue zu Lasten der Siemens AG. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts erweise sich als zutreffen, jedoch sei die Begründung nicht tragfähig.424 Für die Beurteilung stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass der Angeklagte K. es unterlassen habe, die von ihm vorgefundenen, auf verdecken, nicht unter dem Namen der Treugeberin geführten Konten verborgenen Geldmittel seiner Arbeitgeberin zu offenbaren, indem er sie als Aktiva in die Buchführung einstellen ließ und so den Anforderungen an die Bilanzwahrheit genügte.425
421 422 423 424 425
BGHSt 52, 323 [327 ff.]. BGHSt 52, 323 [329]. BGHSt 52, 323 [329 f.]. BGHSt 52, 323 [332 f.]. BGHSt 52, 323 [333 f.].
206
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Zum Kernbereich der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten als für die kaufmännische Leitung des Geschäftsbereichs verantwortlichem Bereichsvorstands gehöre es, seiner Arbeitgeberin bislang unbekannte, ihr zustehende Vermögenswerte in erheblicher Höhe zu offenbaren und diese ordnungsgemäß zu verbuchen.426 Das Schwergewicht der Pflichtwidrigkeit liege nicht bei einzelnen Verwaltung- oder Verschleierungshandlungen des Angeklagten, ebenso nicht erst in den einzelnen Vermögensverfügungen innerhalb eines darauf folgenden Zeitraums, sondern schon in dem Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) der Offenbarung durch ordnungsgemäße Verbuchung der Geldmittel.427 Die Tatsache, dass die Geldmittel im mittelbar wirtschaftlichen Interesse der Treugeberin hätten verwendet werden sollen, stehe der Annahme einer Pflichtverletzung nicht entgegen.428 Indem der Angeklagte Gelder der Siemens AG in schwarzen Kassen führte und der Treugeberin auf Dauer vorenthielt, fügte er der Siemens AG einen endgültigen (hier gemeint: in Abgrenzung zur schadensgleichen Vermögensgefährdung429) Vermögensschaden zu.430 Die spätere Verwendung der auf den verdeckten Konten geführten Gelder sei nur eine Schadensvertiefung;431 das Erlangen von Vermögensvorteilen durch spätere Geschäfte, für deren Abschluss die Gelder als Bestechungsgelder verwendet wurden, sei allenfalls eine Schadenswiedergutmachung.432 Dass die Geldmittel in der schwarzen Kasse zunächst noch vorhanden gewesen seien und später im Interesse der Gesellschaft hätten eingesetzt werden sollen, stehe der Annahme eines Vermögensnachteils nicht entgegen.433 Weiter spielten auch normative Erwägungen eine Rolle: Die Bestimmung über die Verwendung des eigenen Vermögens obliege dem Vermögensinhaber; bei pflichtwidriger Entziehung oder Vorenthaltung oder Verheimlichung von Vermögensteilen könne der Eintritt eines Schadens nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Täter behaupte, die Mittel gegen die ausdrückliche Weisung des Treugebers letztlich so zu verwenden, dass dem Treugeber ein Vermögensvorteil entstehe.434 Dem könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass eine bloße Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Treugebers vorliege, welche nicht als Schaden betrachtet werden könne: Denn es handle sich nicht um eine „bloße“ Einschränkung, sondern um den endgültigen Entzug der Dispositionsmöglichkeit, wenn der Treugeber von eigenen Vermögenswerten keine Kenntnis und auf sie keinen Zugriff habe.435 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435
BGHSt 52, 323 [334]. BGHSt 52, 323 [334]. BGHSt 52, 323 [334]. BGHSt 52, 323 [338]. BGHSt 52, 323 [336]. BGHSt 52, 323 [338]. BGHSt 52, 323 [338]. BGHSt 52, 323 [337]. BGHSt 52, 323 [337]. BGHSt 52, 323 [338 f.].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
207
c) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts436 Das Bundesverfassungsgericht hält die Entscheidung BGHSt 52, 323 des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 23. 06. 2010437 für verfassungsmäßig. Der Beschwerdeführer zu I.438 wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Auslegung des Nachteilsmerkmals insbesondere durch den Bundesgerichtshof, namentlich dass die Auffassung, das Führen und Aufrechterhalten einer schwarzen Kasse, die ein anderer eingerichtet hat, erfülle den Tatbestand des § 266 StGB, eine unzulässige Analogie darstelle.439 Da bereits das Einrichten einer schwarzen Kasse eine tatbestandliche Untreue darstelle, könne die unterlassene Wiedergutmachung dieses Schadens keinen Vermögensnachteil darstellen, weil es sich nicht um die Zerstörung einer vermögenswerten Expektanz handle.440 Schließlich bestehe die Gefahr, dass anstelle des Vermögens des Treugebers schon die bloße Verfügungsmöglichkeit oder die Buchhaltungswahrheit durch § 266 StGB geschützt werde.441 Das Bundesverfassungsgericht geht indes nicht von einer verfassungswidrigen Analogie aus. Insbesondere habe das Merkmal des Vermögensnachteils zwar einen allgemein verständlichen Bedeutungsgehalt, werfe aber gleichwohl Auslegungsfragen erheblicher Bedeutung auf.442 So ließe der Wortlaut offen, wie der Vermögenssaldo als Differenz zweier Vermögenswerte zu bilden sei: einerseits sei der Vergleich der Vermögenslagen vor/nach der Pflichtverletzung andererseits der Vergleich mit/ohne Pflichtverletzung denkbar.443 Weiter handle es sich beim Vermögensnachteil – § 266 StGB schütze ausschließlich das Vermögen – um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang sich erst aus einer Bewertung ergebe; der Vermögensnachteil solle unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten444 geprüft werden.445 Das Bundesverfassungsgericht kommt schließlich zum Ergebnis, dass die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung des Nachteilsmerkmals verfassungsrechtlich keine verbotene Analogie darstelle; insbesondere sei der Vergleich der Vermögenslagen mit/ohne und vor/nach der Pflichtverletzung möglich.446 436
Vgl. auch unter Kapitel 3, § 6 C. BVerfGE 126, 170. 438 Der „Angeklagte K.“ in dem Verfahren BGHSt 52, 323. 439 BVerfGE 126, 170 [185]. 440 BVerfGE 126, 170 [185 f.]. 441 BVerfGE 126, 170 [186]. 442 BVerfGE 126, 170 [205 f.]. 443 BVerfGE 126, 170 [206]. 444 Eine Ausnahme hierzu lässt das BVerfG in dem Fall zu, in dem ein werthaltiger Schadensersatzanspruch gegen den Täter bestehe, weil dies sichtlich der Regelungskonzeption des § 266 StGB und dem gesetzgeberischen Willen entspreche, BVerfGE 126, 170 [217]. 445 BVerfGE 126, 170 [206, 213]. 446 BVerfGE 126, 170 [214 f.]. 437
208
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Letztlich sei die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung des Nachteilsmerkmals zulässig, da wirtschaftlich nachvollziehbar, und auch nicht unvorhersehbar, weil die Figur des Vermögensnachteils durch Beibehaltung einer schwarzen Kasse in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deutlich angelegt sei.447 d) Zur hypothetischen Prozeduralität der Entscheidung des Bundesgerichtshofes Der Bundesgerichtshof sieht im Übernehmen und Unterhalten von bereits eingerichteten schwarzen Kassen eine strafbare Untreue. Die Begründung des Senats beruht entscheidend auf der entsprechenden Auslegung der Merkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB. aa) Hypothetische Prozeduralisierung der Pflichtverletzung Hinsichtlich der Pflichtverletzung stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass der Angeklagte K. es unterlassen hat, die von ihm vorgefundenen Gelder in den schwarzen Kassen seiner Arbeitgeberin offen zu legen, indem er diese in die Buchführung hätte einstellen lassen müssen. Der Bundesgerichtshof stellt namentlich bei der Frage der Pflichtwidrigkeit auf die Verletzung der Pflicht des Angeklagten zur ordnungsgemäßen Buchführung in Gestalt des Wahrheits-, Vollständigkeits- und Klarheitsgrundsatzes448 und zur ordnungsgemäßen Bilanzierung,449 auf die „Bilanzwahrheit“, ab. Bei den Pflichten zur ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung handelt es sich aber um Dokumentationspflichten, die mit der Pflicht zur Vermögensbetreuung nur mittelbar zu tun haben. Dokumentationspflichten haben nur mittelbare Vermögenswirkung. Denn die Vermögensbetreuungspflicht kann auch dadurch wahrgenommen werden, indem die vermögensbezogenen Handlungen undokumentiert bleiben. Dokumentation hat keinen zwingenden Vermögensbezug. Zuzugeben ist jedoch, dass sich der Treugeber bei vorhandener Dokumentation in der Regel einen schnelleren und einfacheren Überblick über sein Vermögen schaffen kann, was eine vermögensbezogene Pflichtverletzung nahe legen könnte.450 Daher wäre bei der Verletzung einer Dokumentationspflicht weiter zu fragen, ob sich diese im Rahmen der Zurechnung des Schadens zur Pflichtverletzung vermögensmäßig auswirkt. Es geht mithin um die Frage eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil.451 Insofern ist 447
BVerfGE 126, 170 [216]. Merkt, in: Baumbach/Hopt-HGB, § 239 Rn. 2. 449 Worin eine Simplifizierung des zivilrechtlich festgelegten Pflichtenprogramms festzustellen sei, Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [300] – hier als Indiz für eine Prozeduralisierung zu werten. 450 Louis, Die Falschbuchung im Strafrecht, S. 50 f. 451 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V. 4. u. Kapitel 2, § 8, D. VII. 3. 448
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
209
der grundsätzliche Schluss von der Verletzung einer Dokumentationspflicht des Treunehmers auf die Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB unzulässig, da der Vermögensbezug fehlen kann. Es läge dann eine hypothetische Prozeduralisierung des Merkmals der Pflichtverletzung contra legem vor, wenn automatisch mit der Verletzung einer Dokumentationspflicht die Pflichtverletzung im Rahmen der Untreue bejaht würde. Das Handlungsunrecht der Untreue – die Verletzung einer vermögensbezogenen Pflicht – ist bei der Verletzung von Dokumentationspflichten zwar regelmäßig,452 aber nicht zwingend betroffen. In Bezug auf die Entscheidung im Fall „Siemens“ hätte der Bundesgerichtshof weiter fragen müssen, ob die Verletzung der Dokumentationspflichten Vermögensbezug hat; bei einem wirtschaftlich bestimmten Vermögensbegriff wäre die Frage daher gewesen, inwiefern gerade die Nichtdokumentation der Gelder sich wirtschaftlich als pflichtwidrig gegenüber der Treunehmerin dargestellt hat – hierbei wäre wegen der Verwendung der Gelder im wirtschaftlichen Interesse der Treugeberin trotz Nichtdokumentation eine Pflichtwidrigkeit zu verneinen gewesen. bb) Hypothetische Prozeduralisierung des Vermögensnachteils Hinsichtlich der Behandlung des Merkmals des Vermögensnachteils ergibt sich ein ähnliches Bild: Der Bundesgerichtshof bekennt sich zwar zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Vermögensnachteils,453 jedoch ist es genau diese wirtschaftliche Betrachtungsweise, die Kritik an dieser Entscheidung laut werden ließ.454 Im Kern geht es daher um die Frage, ob das Aufrechterhalten eines Systems schwarzer Kassen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einem Schaden geführt hat. An diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander. So werfen Kritiker dem Bundesgerichtshof vor, diese wirtschaftliche Bestimmung des Vermögensbegriffs missachtet zu haben.455 Bei schwarzen Kassen ist aus wirtschaftlicher Sicht sehr wohl zu differenzieren, inwieweit ein Schaden zu bejahen wäre. Aus wirtschaftlicher Sichtweise existierten nämlich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für schwarze Kassen mit jeweils unterschiedlichem ökonomischem Impetus. So stellt z. B. Bräunig dar, dass eine „Sonderkasse als Dispositionsfond“ durchaus wirtschaftlich sinnvoll und gewollt sein kann, wenn sie Dispositionsfähigkeit erhöhen soll.456 Für 452
Dierlamm, in: MüKo-StGB, 2006, § 266 Rn. 168. Anders die Bewertung Schünemanns, der dem BGH vorwirft, auf den seit langem obsoleten juristischen Vermögensbegriff zurückzufallen, weil der Endschaden unter Missachtung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise alleine aus der temporären Uninvolviertheit der Organe einer Aktiengesellschaft begründet würde, Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [184 Fn. 15]. 454 So z. B. Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [303]: „juristische Bevormundung des Wirtschaftsverkehrs“. 455 Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [184]. 456 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 300; zu schwarzen Kassen als Dispositionsfonds vgl.: Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB, S. 2 f. 453
210
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
den Bundesgerichtshof genügt es für einen wirtschaftlichen Vermögensnachteil, wenn Gelder der Treugeberin dauerhaft vorenthalten und darum endgültig entzogen seien. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch erscheint es höchst zweifelhaft, ob Gelder in schwarzen Kassen einer Treugeberin nicht auch dann wirtschaftlich zugerechnet werden können, wenn zwar einerseits formal das Konto nicht auf den Namen der Treugeberin lautet und wenn andererseits nicht die Organe – im Falle einer juristischen Person als Treugeberin –, wohl aber andere Mitarbeiter in die Vermögensorganisation eingeweiht sind. Dies könnte gerade im Fall „Siemens“ gelten, da das System der schwarzen Kassen gar nicht so geheim war;457 vielmehr war die Existenz eines solchen Systems einer ganzen Reihe von Siemensmitarbeitern, freilich – so wurde es vom Landgericht Darmstadt ermittelt – unterhalb der (Zentral-) Vorstandsebene, bekannt, weswegen auch von bloßen „Schattenkassen“458 gesprochen werden könnte. So wäre die wirtschaftliche Zuordnung solcher schwarzen Kassen zum Vermögen der Treugeberin zu bejahen, falls die betreffenden Treunehmer, die Kenntnis von den Geldern haben, diese für die Treunehmerin in ihrem wirtschaftlichen Sinne einsetzen wollen. Überdies ist es gerade typisch in einer Vermögensbetreuungsbeziehung, dass der Treunehmer für den Treugeber Mittel hält und über die Verwendung dieser Mittel nach eigenem Ermessen, um nicht zu sagen: Gutdünken, entscheiden kann; für die Begründung einer qualifizierten Pflichtenstellung im Sinne einer Vermögensbetreuungspflicht wird das Merkmal des eigenen Ermessens des Treunehmers bei Fehlen von Kontrolle von der Rechtsprechung sogar als konstitutiv angesehen.459 Mehr noch: Der 2. Senat widerspricht sich selbst in seiner Begründung, indem er einerseits im Rahmen der Pflichtverletzung eine Pflicht zur Aufdeckung sämtlicher dem Treugeber zustehender Vermögenswerte darlegt, ohne einerseits darauf einzugehen, worin diese Bindung der Vermögenswerte zum Treugeber überhaupt besteht, um sodann andererseits einen Vermögensnachteil zu bejahen, weil diese selben Vermögenswerte endgültig der Treugeberin entzogen seien. Ein weiterer Widerspruch in dieser Konstruktion liegt darin, dass die schwarze Kasse zuvor aus „luzidem“ Vermögen der Treugeberin geschaffen wurde, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes460 eine vollendete Untreue darstellt. Das bedeutet, dass der Treugeberin ein Schaden entstanden sein muss – sonst läge keine vollendete Untreue vor. Wird nun aber diese gleiche schwarze Kasse in der Zeit nach Bildung nicht offengelegt, so soll dadurch ebenfalls ein Schaden entstehen können – beide Male in Höhe der Gelder in der schwarzen Kasse. Die Untreue ist 457
[298]. 458
Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297
Saliger, Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte, in: NStZ 2007, 545 [547]. 459 BGHSt 13, 315; 18, 313; 41, 224 [229]; BGH, in: wistra 1989, 60; BGH, in: NStZ-RR 2005, 83. 460 BGHSt 51, 100 [112].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
211
nach h.A. kein Dauerdelikt.461 Ohne die Begründung eines zusätzlichen, über den ersten hinausgehenden Schaden462 ist jede weitere Handlung nach der Einrichtung der schwarzen Kasse tatbestandlich irrelevant, da nicht kausal für den (bereits eingetretenen) Schaden (für den die erste Pflichtverletzung kausal ist). Ad absurdum führt diese Konstruktion schließlich, wenn man die Gegenrechnung anstellt: Addiert man sämtliche vom Bundesgerichtshof wohl bejahte Nachteile von Untreuetaten, so entstünde ein gegen unendlich hoch gehender Schaden – da ja mit jeder pflichtwidrigen Nichtoffenlegung durch einen (weiteren) Vermögensbetreuungspflichtigen eine vollendete Untreue begangen werden könnte –, obwohl der Treugeberin unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sicherlich maximal nur einmal das in der schwarzen Kasse befindliche Geld plus Zinsen im Vermögen fehlt.463 Es gibt (wirtschaftlich betrachtet) jedoch keine zwei Kehrseiten eines Vermögensschadens. Die verwendungszweckunabhängige und daher nicht wirtschaftliche Betrachtung464 der schwarzen Kasse, der sich der 2. Senat nach bislang uneinheitlicher Rechtsprechung anschließt465, lässt den notwendigen Vermögensbezug vermissen, ohne den ein Nachteil gar nicht vorliegen kann und führt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die bloße Tatsache, dass Gelder in schwarzen Kassen anstatt in „offiziellen“ Kassen geführt sind, begründet eo ipso noch keinen Vermögensnachteil. Deshalb liegt auch in Bezug auf die Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils eine hypothetische – weil ohne wirtschaftlichen Bezug beurteile – Prozeduralisierung contra legem vor; vom reinen „Schwarzsein“ der Kasse, von der reinen Verheimlichung der Gelder wird automatisch auf den wirtschaftlich zu bestimmenden Vermögensnachteil geschlossen. cc) Hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium: Transparenz Sowohl bei der hypothetischen Prozeduralisierung der Vermögensbetreuungspflicht als auch des Vermögensnachteils in der Entscheidung BGHSt 52, 323 handelt es sich um strafbarkeitsbegründende hypothetische Prozeduralisierungen conta legem. In beiden Fällen stellt die Intransparenz das hypothetisch prozedurale Entscheidungskriterium dar. Vom Vorliegen von Intransparenz wird einerseits auf die Pflichtverletzung geschlossen und andererseits auf den Vermögensnachteil. 461
Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [301]; zur Folgeproblematik der Verjährung vgl. Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 in Fn. 48. 462 Der z. B. in der über die Zeit noch erhöht erschwerten Wiedererlangung der Gelder unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus konstruierbar wäre. 463 So auch: Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [302]. 464 Der Wirtschaftsverkehr kann die Feststellung eines Nachteils nur unter Einbeziehung aller wirtschaftlich relevanten Faktoren, als auch des Verwendungszwecks treffen. 465 Einerseits z. B. BGH, in: GA 1956, 12; BGH, in: wistra 1985, 69; andererseits z. B. BGH, in: wistra 2000, 136; des weiteren vgl. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 411 ff. m.w.N.
212
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
IV. Vermögensentzug einer Gesellschaft mit Zustimmung der Gesellschafter – Verstoß gegen Buchführungspflichten 1. Die Entscheidung BGHSt 35, 333 – Normativierung des Schadensbegriffs a) Sachverhalt der Entscheidung Diese Entscheidung führt die Entscheidung BGHSt 34, 379 fort. Der Angeklagte war alleiniger Geschäftsführer und Mitgesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in der Hauptsache als Bauträger tätig war. Der Angeklagte entschloss sich, Teile der Rohgewinne der Gesellschaft der Besteuerung zu entziehen. Er ließ sich von Bauunternehmern überhöhte oder fiktive Rechnungen für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen erstellen. Die Rechnungsbeträge sollten in der Bilanz der Gesellschaft als Aufwand den Gewinn entsprechend mindern. Die Bauunternehmen sollten die Rechnungsbeträge erst dann erhalten, wenn sie später Leistungen erbracht haben würden. Von dieser Praxis wich der Angeklagte später hinsichtlich DM 1,5 Mio. ab. Der Angeklagte verlagerte DM 1,5 Mio. in gleicher Weise durch falsche Rechnungen für vier private Bauvorhaben, wobei drei ihm und eines seinem Bruder gehörten. Hinsichtlich dieser DM 1,5 Mio. hat die Vorinstanz den Vorwurf der Untreue gegen den Angeklagten erhoben.466 Nach Ansicht der Vorinstanz habe der Angeklagte durch die von ihm veranlasste Verrechnungspraxis pflichtwidrig die Gesellschaft geschädigt. Der Schaden liege darin, dass DM 1,5 Mio. der Gesellschaft entzogen wurden, die ansonsten nicht hätten bezahlt werden müssen. Auf die Frage, so die Vorinstanz, ob die der Gesellschaft entzogenen Beträge zur Tatzeit ohne Liquiditätsbeeinträchtigung als Gewinn hätten ausgeschüttet werden können, käme es nicht an, weil dies tatsächlich so nicht geschehen sei. Die Vorinstanz hat die Tatsache, dass der Angeklagte die DM 1,5 Mio. unter Einhaltung der Gewinnfeststellungs- und Ausschüttungsvorschriften jederzeit der Gesellschaft hätte entnehmen und seinem Privatvermögen zuführen können, nur in strafmildernder Weise berücksichtigt.467 Der Bundesgerichtshof ist insoweit anderer Ansicht. Für die Bejahung eines Schadens bei der Untreue genüge eine lückenhafte oder falsche Buchführung für sich alleine nicht, auch wenn diese mit den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar ist.468 Da die einverständliche Entnahme von Gewinnen erlaubt sei, läge in der Regel auch kein Nachteil für die Gesellschaft vor.469 Die Gesellschafter hätten Anspruch auf den sich aus der jährlichen Bilanz ergebenden Gewinn; Entnahmen in diesem erlaubten Rahmen seien keine Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Der Anspruch der Gesellschafter auf die Gewinnausschüttung folge allerdings erst aus 466 467 468 469
BGHSt 35, 333 [333 f.]. BGHSt 35, 333 [335 f.]. BGHSt 35, 333 [336]. BGHSt 35, 333 [336].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
213
dem Gewinnverteilungsbeschluss; eine Zahlung von Gewinnvorschüssen müsse, sofern diese nicht im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden. Für eine strafrechtliche Beurteilung jedoch komme es nicht darauf an, ob die Formen des § 46 Nr. 1 GmbHG gewahrt seien. Alleine entscheidend für den Senat ist die Tatsache, dass Voraussetzungen für einen Beschluss nach § 46 Nr. 1 GmbHG vorliegen; das gelte „selbst dann, wenn die entnommenen Beträge zu Tarnungszwecken falsch gebucht werden“.470 Dieser Grundsatz finde laut Bundesgerichtshof dort seine Schranken, wo durch eine an sich zulässige Entnahme die dadurch bewirkte Vermögensminderung die Existenz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gefährde.471 Die Entnahme aus dem Vermögen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei selbst bei Zustimmung aller Gesellschafter als Nachteil zu bewerten, wenn sie die Existenz, die Liquidität oder besondere entgegenstehende Interessen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gefährde – das folge schon aus der Rechtsprechung zu § 81a GmbHG a.F.472 Diese Beschränkung hätte auch dann gegolten, wenn es sich um verdeckte Gewinnentnahmen gehandelt hätte oder die Gesellschafter dem Geschäftsführer Sonderentnahmen gestatteten oder Sondervergütungen für besondere Leistungen bewilligten.473 b) Zur hypothetischen Prozeduralität von BGHSt 35, 333 Die Entscheidung BGHSt 35, 333 zeigt indes gegenläufige Tendenzen einer hypothetische Prozeduralisierung des Schadens durch die Rechtsprechung bei der Untreue. Gleichwohl lässt sich dem Urteil eine wichtige Frage entnehmen, die nur im Kontext der hypothetischen Prozeduralisierungstendenzen beim Schadensbegriff der Untreue verstanden werden kann. Einerseits schränkt der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung der Vorinstanz insofern ein, als dass er feststellt, dass für eine strafrechtliche Beurteilung es nicht auf die Einhaltung einer bestimmten gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Form für Gewinnentnahmen ankomme, solange die materiellen Voraussetzungen erfüllt seien, was selbst dann gelte, wenn die entnommenen Beträge zu Tarnungszwecken falsch gebucht wurden. Die ausdrückliche Klarstellung, dass Tarnzwecke keinen Einfluss auf die Feststellung eines Schadens haben, spricht für die Notwendigkeit der Feststellung dieser These. Offensichtlich scheint es nicht allzu fern zu liegen, diese Tarnzwecke im Rahmen der Bestimmung des Nachteils zu berücksichtigen. Dies wiederum stellte eine hypothetisch prozedurale Komponente dar, da Motive regelmäßig keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Schadensbestimmung haben. Insofern 470
BGHSt 35, 333 [337]. BGHSt 35, 333 [337]. 472 § 81a GmbHG a.F., aufgehoben durch: Art. 51 Nr. 1 des 1. StrRG (BGBl. I 1969, S. 645); BGHSt 35, 333 [337]. 473 BGHSt 35, 333 [337]. 471
214
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
verneint der Bundesgerichtshof zu Recht, dass die hypothetische Prozeduralisierung des Schadensbegriffs anhand von Motiven nicht zulässig ist. Weiter entscheidet der Bundesgerichtshof, dass die Einhaltung von zivilrechtlichen Formvorschriften zur Gewinnentnahme bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung keinen Einfluss auf die Schadensbestimmung haben, wohl aber die materiellen Voraussetzungen dieser Vorschriften. Der Bundesgerichtshof steckt damit die Reichweite der Zivilrechtsakzessorietät des Schadensbegriffs ab. Der Senat stellt fest, dass nicht die Verletzung sämtlicher zivilrechtlicher Vorschriften einen Schaden begründen könne. Dahinter stehen Überlegungen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Schadens, konkret die Frage, welche zivilrechtlichen Vorschriften einen Schaden konstituieren können. Dies sind nichts weniger als hypothetische Prozeduralisierungsüberlegungen, die der Senat anstellt – und zwar in Ansehung dessen, was noch wirtschaftlich als Schaden betrachtet werden kann. Anders formuliert fragt sich der Senat, welche Vorschriften im Gesellschaftsrecht – bei ihrer Verletzung – dazu gereichen, einen Schaden zu bejahen. Die Diskussion wird anderen Orts – z. B. beim Betrug – auch als Frage des (zulässigen) Grades der Normativierung des Schadensbegriffs geführt.474 Es geht um die Frage, welche Vorschriften – Normen – jenseits der abstrakten wirtschaftlichen Schadensbestimmung einen Schaden begründen können. Normativierung und hypothetische Prozeduralisierung des Schadensbegriffs können insofern bedeutungsähnlich sein. Beider Falls geht es um die Frage, welche Regeln die wirtschaftliche Schadenbestimmung konturieren können und inwiefern diese Regeln außerhalb der streng wirtschaftlichen Betrachtungsweise liegen dürfen um dennoch einen Schaden begründen können – die Frage, welche Vorschriften den Schaden normativieren bzw. hypothetisch prozeduralisieren können. 2. Die Entscheidung BGHSt 49, 147 – Bremer Vulkan In der namentlichen Entscheidung geht es um die Überführung von Geldern zweier Tochtergesellschaften in einen Konzernverbund, der später in Konkurs geraten war. Die beiden Tochtergesellschaften – die zwei Schiffswerften MTW475 und VWS476 – waren im Zuge der Privatisierung volkseigener Betriebe der ehemaligen DDR von der Treuhandanstalt über Beteiligungsgesellschaften schließlich an die Muttergesellschaft, die im Schiffsbau tätige BV Aktiengesellschaft,477 veräußert worden, deren Vorstand die drei Angeklagten angehörten. Bei den Privatisierungsverhandlungen habe die Treuhandanstalt das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze zu sichern und an den Standorten konkurrenzfähige Unternehmen entstehen zu lassen.478 Zu474 475 476 477 478
Tiedemann, Anm. zu BGH, Beschl. v. 25. 1. 2012 – 1 StR 45/11, in: JZ 2012, 525. VEB Mathias-Thesen-Werft Wismar. VEB Volkswerft Stralsund. Bremer Vulkan AG. BGHSt 49, 147 [148 f.].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
215
nächst war die MTWan die BV AG veräußert worden, wobei die BV AG als Erwerberin eine Garantie übernahm, bis zu einem bestimmten Stichtag Arbeitsplätze zu sichern und die Werft nicht stillzulegen. Die Treuhandanstalt verpflichtete sich zum Ausgleich von Altkrediten und zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von DM 680 Mio. Die VWS wurde in der Folgezeit an zwei Gesellschaften veräußert, an denen die BV AG – die nun in Folge einer Restrukturierung unter BVV AG firmierte –, maßgeblich beteiligt war. Die Erwerber übernahmen auch eine Garantie zum Erhalt von Arbeitsplätzen und zur Sicherung des Bestandes der Werft bis zu einem gewissen Stichtag sowie die Zusage von Investitionen in Höhe von DM 640 Mio. in das Anlagevermögen; die Treuhandanstalt verpflichtete sich zur Entschuldung sowie zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von DM 585 Mio., der auch einen Investitionszuschuss in Höhe von DM 380 Mio. enthielt. Anders als im Erwerbsvertrag der MTW war außerdem vereinbart worden, die VWS-Werft als eigenes Profitcenter zu führen und die der VWS-Werft zugedachten Beihilfen ausschließlich für diese zu verwenden. Letztlich erwarb die HH, eine Tochtergesellschaft der BVV AG, 89 Prozent der Anteile der VWS.479 In der Folgezeit befand sich die BVV AG in einer angespannten finanziellen Situation, weshalb die Liquiditätsstruktur durch ein zentrales und automatisches CashManagement-System für sämtliche Tochtergesellschaften mit Ausnahme der MTW und VWS optimiert wurde.480 Im Jahr 1993 hatte der Konzern den bislang höchsten Verlust seiner Geschichte erfahren, sodass die Liquidität im Konzern zunehmend schwächer wurde; die MTW legte bis Mai 1994 insgesamt DM 330 Mio. bei der BVV AG als Festgeld an.481 Mitte 1994 wies nach internen Unstimmigkeiten der Vorstand der BVV AG die MTW an, sich am Cash-Management-System im Konzern zu beteiligen; im September 1994 kam es zu einer Vereinbarung, durch welche sich die MTW verpflichtete, freie Mittel auf ein Konto der BVV AG zu übertragen, über das ein automatischer Saldenausgleich innerhalb des Konzerns bewirkt wurde. Auf Grund einer Gesellschafterweisung trat schließlich auch die VWS dem Cash-Management-System bei.482 Nachdem die immer schlechter werdende Liquiditätssituation im Konzern sich im Januar 1996 drastisch verschärfte, wurde im Februar 1996 für die BVV AG ein Vergleichsantrag gestellt; im Mai kam es zur Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens.483 Zu diesem Zeitpunkt waren Gelder der beiden Ostwerften in erheblichem Umfang im Konzern angelegt oder von anderen Tochtergesellschaften im Wege des Cash-Management-Systems beansprucht (insgesamt DM 590 Mio. der MTW und DM 290 Mio. der VWS). Anfang 1996 schieden beide Ostwerften aus dem Cash479 480 481 482 483
BGHSt 49, 147 [149]. BGHSt 49, 147 [150]. BGHSt 49, 147 [151]. BGHSt 49, 147 [151]. BGHSt 49, 147 [152].
216
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Management-System aus; deren Ausfälle wurden im Konkurs der BVV AG zur Konkurstabelle anerkannt.484 Das Landgericht sah in dem Verhalten der Angeklagten eine Untreue zum Nachteil der beiden Ostwerfen; als Organe der Muttergesellschaft habe eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der Vermögen der beiden Tochtergesellschaften bestanden.485 Die Angeklagten hätten gegen die Pflicht verstoßen, den Ostwerften ungesichert Vermögenswerte zu entziehen; die Pflicht zur Belassung der Vermögenswerte in den Ostwerften ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen mit der Treuhandanstalt, die durch massive Unterstützungsleistungen geprägt gewesen sein sollen.486 Der Bundesgerichtshof folgt dieser Annahme nicht. Der Senat betrachtet die Gesamtausgleichsbeträge nicht als Treugut im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, da eine Treuepflicht nicht aus den Regelungen der Erwerbsverträge hergeleitet werden könne.487 In der Begründung verweist der Senat bezüglich der Teile des Gesamtausgleichsbetrages, die Investitionsbeihilfen waren und damit den Charakter einer Subvention hatten, auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur nicht bestehenden Pflichtenstellung gegenüber der öffentlichen Hand im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bei Subventionen.488 Richtigerweise betont der Senat, dass eine solche Treuepflicht nach der vertraglichen Gestaltung ohnehin nicht die BVV AG treffen könne.489 Zusätzlich hätte der Senat klarstellen können, dass diese Konstellation ohnehin nur eine Untreue des im Rahmen der Subvention (vertraglich) verpflichteten Empfängers der Gelder zu Lasten des Staates hätte begründen können. In keinem Fall hätte sich über die in den Erwerbsverträgen zwischen der Treuhandanstalt und der BVV AG bzw. einer Tochtergesellschaft geregelten Pflichten zum Umgang mit den Ausgleichsgeldern eine Untreue der Angeklagten zu Lasten der Gesellschaften MTW und VWS ergeben können. Denn die Ausgestaltung von Vermögensbetreuungspflichten ist für den rechtsgeschäftlichen Bereich eine eigene Aufgabe dessen, der sein Vermögen durch einen anderen betreuen lässt,490 also eine Angelegenheit im Verhältnis des Treugebers zum Treunehmer. Das sind in diesem Fall die Ostwerfen im Verhältnis zu der Muttergesellschaft. In diesem Verhältnis entfalten die Erwerbsverträge zwischen der Treuhandanstalt und der Muttergesellschaft bzw. einer Tochtergesellschaft der Konzernmutter keine Wirkung, sodass sie ohnehin zur Konkretisierung einer ggf. bestehenden Treuebeziehung zwischen Konzernmutter und Tochter ungeeignet sind. Der klarstellende Hinweis des Senats, dass im Bereich des Subventionsrechts keine Strafbarkeitslücke entstehe, da die zweckwidrige 484 485 486 487 488 489 490
BGHSt 49, 147 [152]. BGHSt 49, 147 [152]. BGHSt 49, 147 [152]. BGHSt 49, 147 [153]. BGHSt 49, 147 [154 f.]. BGHSt 49, 147 [155]. Fischer-StGB, § 266 Rn. 39.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
217
Verwendung einer Subvention durch den am 22. September 1998 in Kraft getretenen491 § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbewehrt sei, lässt vermuten, dass bis dato eine Bejahung der Untreuestrafbarkeit in solchen Fällen auf Grund der bis dahin bestehenden Strafbarkeitslücke nicht ausgeschlossen werden kann. Sodann nimmt der Bundesgerichtshof zur Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt eines existenzgefährdenden Eingriffs Stellung. Es gelte der Grundsatz, dass einer Gesellschaft mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter Vermögenswerte entzogen werden können, weil die Gesellschaft keinen Anspruch ihren Gesellschaftern gegenüber auf ungeschmälerten Bestand habe.492 Es gebe jedoch einen Bereich, so der Senat, der einer Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter entzogen sei, weil Interessen anderer oder öffentliche Interessen berührt wären.493 Der Zweck einer Kapitalgesellschaft erschöpfe sich nämlich nicht in einer Geldanlage für die Gesellschafter, wenn die Gesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit als Wirtschaftssubjekt im Geschäftsverkehr handle.494 Diese Tatsache lasse Schutzerfordernisse entstehen, durch die sichergestellt sei, dass die Gesellschaft die essentialia eines Funktionierens des Wirtschaftskreislaufes einhält, auf die der Rechtsverkehr vertrauen muss.495 Deshalb seien Handlungen treuwidrig und nichtig, wenn eine Verfügung das Stammkapital der Gesellschaft beeinträchtigt oder durch die Verfügung eine konkrete unmittelbare Existenzgefährdung eintritt.496 Eine entsprechende Pflicht treffe nicht nur den Geschäftsführer, sondern auch den beherrschenden Alleingesellschafter; das System der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung beruhe auf der unausgesprochenen Voraussetzung, dass das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft benötigt wird, der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen wäre.497 Auf Grund dieser Feststellungen subsumiert der Senat die Handlungen der Angeklagten in Bezug auf das Cash-Management-System unter § 266 Abs. 1 StGB, da die Muttergesellschaft ihre Vermögensbetreuungspflicht (die den Angeklagten zugerechnet wird, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gegenüber den Tochtergesellschaften verletzt habe, indem die Rückzahlung der rechtlich als Darlehen zu bewertenden Transaktionen im Rahmen des Cash-Management-Systems nicht genügend gesichert wurden.498 Letztlich weist der Senat noch darauf hin, dass der neue Tatrichter festzustellen habe, welcher Anteil des den Ostwerften verloren gegangenen Vermögens für die 491 492 493 494 495 496 497 498
EG-Finanzschutzgesetz, BGBl. II 1998, 2322. BGHSt 49, 147 [157]. BGHSt 49, 147 [157]. BGHSt 49, 147 [157]. BGHSt 49, 147 [157]. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IV. 1. b) zu BGHSt 35, 333. BGHSt 49, 147 [159]. BGHSt 49, 147 [161].
218
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten benötigt worden wäre, da der Unrechtsgehalt der Untreue danach bestimmt werden müsse, welche Vermögenseinbuße der Täter dem geschützten Vermögen pflichtwidrig zugefügt hat und deshalb pflichtwidrig ist, weil die Erfüllung von Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet ist und sich nur darauf der Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB beziehen könne.499 a) Zur Problematik des Einverständnisses Bei der Frage der Untreuestrafbarkeit trotz Einverständnisses der Gesellschafter500 handelt es sich in Bezug auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung um eine magna questio501 des GmbH-Strafrechts, die sich in Folge des Bremer-Vulkan-Urteils 2004 erneut502 reger Diskussion erfreut hat.503 Die Frage, in wieweit Handlungen, die mit Einverständnis aller Gesellschafter ausgeführt werden, eine Untreue zu Lasten der Gesellschaft darstellen können, lässt sich in verschiedene Problemkreise aufteilen: Die Pflichtverletzung, die Zustimmung zur Handlung und den Vermögensnachteil. aa) Die Zustimmungsfähigkeit Zunächst soll die Frage der Zustimmungsfähigkeit kurz erörtert sein. Es ist dabei zunächst die Rechtsnatur der Zustimmung zu klären. Zu unterscheiden ist nach h.A.504 zwischen einem tatbestandlich wirkenden Einverständnis und einer rechtfertigenden Einwilligung:505 Sofern ein Straftatbestand ausdrücklich oder begrifflich ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Opfers voraussetzt, so entfällt bei einer Zustimmung (dann: Einverständnis) das Unrecht bereits auf Tatbestandsebene.506
499
BGHSt 49, 147 [165 f.]. Grundlegend: Zieschang, Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, in: FS Kohlmann 2003, S. 351. 501 Fleischer, Konzernuntreue zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht, in: NJW 2004, 2867 [2869]. 502 Zuvor: Leitsatzentscheidung des BGH aus 1997 zum existenzgefährdenden Eingriff: BGHSt 35, 333. 503 Fleischer, Konzernuntreue zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht, in: NJW 2004, 2867. 504 Zu einer abweichenden Lehre, nach der eine Zustimmung stets die Tatbestandsmäßigkeit des Handeln beseitige vgl.: Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, S. 10; Roxin, Strafrecht AT I, § 13 Rn. 11 ff.; Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung, S. 83 ff., 116 ff.; Jäger, Zurechnung und Rechtfertigung, S. 10; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 542. 505 Erstmals: Geerds, Einwilligung und Einverständnis, S. 1 ff.; Geerds, Einwilligung und Einverständnis, in: GA 1954, 262; BGHSt 17, 359; Kühl, Strafrecht AT, § 9 Rn. 20 ff.; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 539 ff.; Haft, Strafrecht AT, S. 104. 506 Wessels/Beulke/Satzger Rn. 539. 500
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
219
bb) Die Wirkung der Zustimmung Allgemein setzt die Untreue in der Pflichtwidrigkeit des Handelns begrifflich voraus, dass die Handlung den Vermögensinteressen des Treugebers zuwider läuft.507 Umgekehrt formuliert ist das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit dann nicht erfüllt, wenn die Handlung den Vermögensinteressen des Treugebers entspricht. Kurz: Eine Zustimmung zur Handlung schließt bei § 266 Abs. 1 StGB schon den Tatbestand einer Pflichtwidrigkeit aus.508 Genauer: In der Missbrauchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB, fehlt es an einem Missbrauch, der sich gerade durch einen Widerspruch zwischen internen Bindungen und äußerer Wirksamkeit definiert.509 In der Treubruchsalternative, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB, liegt keine Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen vor.510 Folglich kann die Frage der Pflichtwidrigkeit dann außer Betracht bleiben, wenn durch ein wirksames Einverständnis schon keine Pflichtwidrigkeit vorliegen kann. Daraus ergeben sich zwei Folgefragen, nämlich, wer dieses Einverständnis erteilen darf und innerhalb welcher Grenzen es wirksam erteilt werden kann. Bei einer natürlichen, unbeschränkt geschäftsfähigen Person511 als Treugeber lautet die Antwort, dass diese selbst zu jeder ausschließlich ihr Vermögen betreffenden Handlung unter Untreuegesichtspunkten ohne Einschränkung ihr Einverständnis erteilen darf.512 Schwieriger ist die vom Normalfall abweichende Konstellation, die in der Praxis jedoch häufiger vorkommen dürfte,513 in der z. B. eine Gesellschaft Treugeberin ist. Die Rechtsprechung bedient sich speziell in Bezug auf die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestimmter Fallgruppen, in denen das Einverständnis des Treugebers nichtig sein und damit nicht tatbestandsausschließend wirken soll. Diese Fallgruppen sind: Der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, d. h. die Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens,514 die 507
152 ff.
Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 38; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 118 ff. und
508 So: BGHSt 3, 23 [25]; 9, 203 [216]; 50, 331 [342] („[…] in der Regel nicht verletzt, wenn der Vermögensinhaber sein Einverständnis mit der Vermögensschädigung erklärt […], wonach die Rechtswidrigkeit entfällt […]“); 55, 266; BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012 – 3 StR 118/11; offen gelassen: BGHSt 30, 247 [249]; Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 21. 509 Haft, Strafrecht BT, S. 122; Hübner, in: LK-StGB, § 266 Rn. 59 ff.; Rengier, Strafrecht BT I, § 18 Rn. 6. 510 Schramm, Untreue und Konsens, S. 57 f. 511 Zu beschränkt geschäftsfähigen und geschäftsunfähigen Personen vgl. Schramm, Untreue und Konsen, S. 75 ff. 512 Schramm, Untreue und Konsens, S. 74. 513 Betrachtet man insofern die höchstrichterliche Rspr., so steht die juristische Person im tatsächlichen Fokus, Wessing/Krawczyk, Grenzen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses bei der Untreue, in NZG 2011, 1297. 514 OLG Stuttgart, in: wistra 2010, 34 [36].
220
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung, die vor allem Fälle erfasst, in denen Vermögenswerte an andere Personen als die in § 30 Abs. 1 GmbHG genannten Gesellschafter abfließen und der existenzgefährdende Eingriff, d. h. die Gefährdung der Liquidität und damit der Existenz der Gesellschaft.515 Diese Rechtsprechung überzeugt nicht. In der nun folgenden Diskussion soll abstrakt516 von beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten die Rede sein, um den Blick von Detailfragen, die jede Rechtsform mit sich bringt,517 auf die dogmatischen Grundsätze zu lenken. Außerdem spielt bei den die moderne Diskussion der Untreue beherrschenden Fallkonstellationen fast ausschließlich die Form der Organuntreue eine Rolle.518 Es geht dem Bundesgerichtshof mit der Aufstellung dieser Fallgruppen wohl um eine Verhinderung des Missbrauchs der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Speziellen und um eine Verhinderung des Missbrauchs jeder Rechtsform mit beschränkter Haftung im Allgemeinen – dies vor dem Hintergrund, deren Gläubiger zu schützen. Teilweise widerspricht der Bundesgerichtshof dieser Vermutung direkt.519 Teilweise gesteht der Bundesgerichtshof ein, dass es Bereiche gebe, die der Verfügungsmöglichkeit der Gesellschafter entzogen sind, „weil Interessen anderer oder öffentliche Interessen berührt sind“.520 Der Bundesgerichtshof sieht jedoch stets den Drittgläubigerschutz auch der Gesellschaft als eigener Rechtspersönlichkeit dienend an. Das System der beschränkten Haftung bei juristischen Personen beruhe darauf, dass die Gesellschaft in der Lage sein muss, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, um überhaupt existenzfähig zu bleiben.521 Der Bundesgerichtshof betrachtet folglich den Drittgläubigerschutz als mittelbaren Selbstschutz der juristischen Person.
515
BGHSt 49, 147; 54, 52. Zu wirschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verwendungsbedingungen im Rahmen der Untreue vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 537: die strukturelle Vergleichbarkeit mit der Haushaltsuntreue rechtfertige die hierzu geäußerte Kritik auch auf die wirschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verwendungsbedingungen zu übertragen. 517 Teilweise differenziert der BGH in der Vergangenheit bei der Frage der Wirksamkeit des Einverständnisses zwischen einer GmbH und einer Kommanditgesellschaft bzw. im Speziellen einer GmbH & Co. KG, was er selbst mittlerweile als Inkonsistenz eingeräumt hat: BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012 – 3 StR 118/11, Rn. 20; zur Verallgemeinerung der zur GmbH entwickelten Grundsätze in Bezug auf andere Gesellschaften, jedenfalls auf die Aktiengesellschaft, vgl.: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 223 f. 518 Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [185]. 519 BGHSt 34, 379 = BGH, in: NJW 1988, 1397 [1399]. 520 BGHSt 49, 147 [158]. 521 BGHSt 49, 147 [158 f.]. 516
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
221
cc) Aufgedrängter Vermögensschutz bei beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten Der Kernpunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der in Bereichen indisponible Vermögensschutz eigener Rechtspersönlichkeiten.522 Insofern ist die oft geäußerte Kritikformel, § 266 StGB schütze nur das Vermögen des Treugebers und nicht das der Gläubiger, zu kurz gegriffen. Dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit eines Einverständnisses in gewisse Verfügungen zu Lasten der beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeit zumindest auch Gläubigerschutz bewirkt, sei unbestritten und als Reflex eines Vermögensschutzes der Rechtspersönlichkeit auch unumgänglich und zulässig. Dass sich hinter dem Vermögensschutz der Rechtspersönlichkeit auch, oder, wie oft behauptet wird: nur,523 die gebündelten Vermögensinteressen deren Gläubiger verbergen, stellt nicht das Problem dar. Der Bundesgerichtshof selbst konzediert dies in seiner letzten Entscheidung zur Interessentheorie: Die Unwirksamkeit des Einverständnisses diene gerade dem Vermögensschutz der Rechtspersönlichkeit unabhängig davon, dass dies mittelbar auch den Gläubigern zugutekomme.524 Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen könne nämlich gleichzeitig verschiedene Rechtsgüter beeinträchtigen, die durch unterschiedliche Strafvorschriften geschützt sein können – während der Untreuetatbestand das Vermögen des Treugebers schütze, dienten die Bankrotttatbestände dem Schutz der Insolvenzmasse im Interesse der Gläubiger.525 Das Kernproblem ist vielmehr: Darf die Rechtsprechung auch insofern diesen Vermögensschutz für beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten ihnen indisponibel aufdrängen? Es geht damit zentral um das Problem eines aufgedrängten Vermögensschutzes bei beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeiten.526 Der Bundesgerichtshof spricht nicht von aufgedrängtem Vermögensschutz, sondern von einem eigenen (und wichtig: insofern nicht disponiblen527) Vermögensinteresse der Rechtspersönlichkeit.528 In der Literatur wird ein solches Eigeninteresse der Rechtspersönlichkeit abgelehnt.529 Die Frage wäre jedoch besser unter dem Stichwort des aufgedrängten Vermögensschutzes diskutiert, da es nicht auf die Frage der
522
BGHSt 34, 379. Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [239]. 524 BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012 – 3 StR 118/11, Rn. 32. 525 BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012 – 3 StR 118/11, Rn. 31. 526 Vgl. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 223 f. 527 Bräunig widerlegt „ein indisponibles, von der Privatautonomie seiner Eigner emergentes Bestandsinteresse der Gesellschaft“: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 220. 528 BGHSt 55, 266 [277 f.]. 529 Hoyer, in: SK-StGB, § 266 Rn. 65 ff.; Hanft, Einmann-GmbH, S. 109; Kasiske, Existenzgefährdende Eingriffe in das GmbH-Vermögen, in: wistra 2005, 81 [84 f.]; Rönnau, Untreue zu Lasten juristischer Personen, in: FS Amelung 2009, S. 247 [260 f.]. 523
222
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Möglichkeit des Bestehens eines Vermögensinteresses eo ipso ankommt, sondern darauf, wer über dieses Eigeninteresse disponieren kann.530 dd) Argumentum a maiore ad minus: Gründungs- und Auflösungsfreiheit beschränkt haftender Rechtspersönlichkeiten Auf einer abstrakten Argumentationsebene muss die Antwort, ob ein aufgedrängter Vermögensschutz bei Rechtspersönlichkeiten zulässig ist, negativ ausfallen. Beschränkt haftende Rechtspersönlichkeiten gibt es, weil die Rechtsordnung deren Rechtsfähigkeit gesetzlich regelt, damit anerkennt und weil darauf hin jede einzelne konkrete Rechtspersönlichkeit konkret errichtet wurde. Spiegelbildlich zur Gründungsfreiheit einer Rechtspersönlichkeit besteht unstrittig auch die Freiheit, diese Rechtspersönlichkeit wieder enden zu lassen, d. h. aufzulösen. Für die Auflösung einer beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeit gibt es alleine aus Schutzerwägungen zu Gunsten der Gläubiger dieser Rechtspersönlichkeit bestimmte Verfahren, die zwingend einzuhalten sind.531 Sind die vorgeschriebenen Verfahren zur Auflösung eingehalten worden, ist die Auflösung für die natürlichen Personen, durch die die Auflösung veranlasst wurde, unter keinem Aspekt strafbar.532 Die Frage, ob die Rechtspersönlichkeit aufgelöst werden soll, steht also alleine zur Disposition der Rechtspersönlichkeit, genauer gesagt zur Disposition der natürlichen Personen, durch die die Rechtspersönlichkeit handelt. Ob die Auflösung wirtschaftlich oder sonst wie im Interesse der Rechtspersönlichkeit liegt, ist völlig belanglos. Geht man nun von dem soeben erläuterten Grundsatz der Gründungs- und Auflösungsfreiheit einer Rechtspersönlichkeit aus, so müssen erst recht alle Handlungen, die zwischen den Dipolen der Gründung und Auflösung liegen, genauso frei disponibel für die Rechtspersönlichkeit,533 genauer gesagt: letztlich für die natürlichen Personen, durch die die Rechtspersönlichkeit handelt, sein. Zwar bestehen auch zwischen Gründung und Auflösung gewisse verfahrensmäßige Bindungen, so z. B. § 30 Abs. 1 GmbHG, die jedoch nach h.A. ausschließlich dem Gläubigerschutz dienen.534 Alles andere würde zu einer nicht hinnehmbaren Verselbständigung der Rechtspersönlichkeit von natürlichen Personen führen. Genau dazu führt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof: Sie schafft eine Art Rechtspersönlichkeit, 530
Insofern teilweise ungenau: Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [238 und 242], der ein eigenes Vermögensinteresse einer GmbH ablehnt; nach Ansicht des Verfassers geht es jedoch nur um die Disponibilität der eigenen Vermögensinteressen. 531 Für die GmbH z. B.: §§ 60 – 77 GmbHG. 532 Was wiederum selbst eine Form prozeduralen Strafrechts darstellt, da ausschließlich nach der Einhaltung der Verfahrensvorschriften gefragt wird: Vogel, Berufungsvortrag vom 24. 01. 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 533 Der gleichen Ansicht ist Bräunig, der insofern von einer faktischen Vorwegnahme der Auflösung einer GmbH spricht: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 219 f. 534 Heidinger, in: Michalski-GmbHG, § 30 Rn. 7; Schramm, Untreue und Konsens, S. 123.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
223
die in Teilen nicht mehr durch natürliche Personen steuerungsfähig ist; sie schafft metaphorisch gesprochen eine Art künstliches Lebewesen, eine Hypostasierung von Vermögensinteressen in einer Rechtsform. Genau hieran muss die Kritik ansetzen. Die nicht zu leugnende Auflösungsfreiheit bei selbständigen Rechtspersönlichkeiten muss die zivilrechtliche Hypostasierung der Vermögensinteressen einer Rechtspersönlichkeit in ihrer zivilrechtlich anerkannten Rechtsform – ohne hierdurch zu einer Fiktionstheorie535 zurückzukehren – insofern unweigerlich einschränken und auch systemtheoretisch ins Strafrecht transportieren, da die Akteure der Wirtschaft und die Konstitution des Wirtschaftssystems letztlich immer natürliche Personen und deren Kommunikation darstellen. Ansonsten müsste man jegliche Irritation des Wirtschaftssystems bzw. der Teilsysteme in Gestalt der Rechtspersönlichkeiten durch das Strafrechtssystem verneinen, was schon mit Anerkennung eines Rechtspersönlichkeits-Wirtschafts-Systems systemtheoretisch inkonsistent wäre. Es ist folglich genau zu trennen zwischen bestimmten Verfahren, die die Dispositionen der Rechtspersönlichkeit einschränken und insofern mediatisierten Gläubigerschutz darstellen536 und Dispositionsbeschränkungen darüber hinaus. Mediatisierter Gläubigerschutz ist nur insoweit zulässig, als nicht gleichzeitig dadurch in die bestehende eigene Dispositionsbefugnis der Rechtspersönlichkeit über ihr Vermögen eingegriffen wird. Ist dies der Fall, muss der Gläubigerschutz anderweitig realisiert werden. ee) Strafrechtlicher Gläubigerschutz und Interessentheorie Der strafrechtliche Gläubigerschutz erfolgt derzeit noch nur zu einem sehr geringen Teil über die Bankrottdelikte des StGB, §§ 283 ff. StGB, was insbesondere an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur so genannten Interessentheorie im Rahmen des § 283 StGB liegt.537 So kommen insbesondere Vertreter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dann nicht als Täter eines § 283 StGB in Betracht, wenn ihr Handeln nicht im Interesse der Gesellschaft mit beschränkter Haftung erfolgt.538 Andererseits können im Rahmen des § 283 StGB bei juristischen Personen als Gemeinschuldner nur deren vertretungsberechtigte Organe strafrechtlich über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst werden, wohingegen im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB der Bundesgerichtshof eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft aus der tatsächlichen Beherrschung des Gesellschaftsvermögens ableitet.539 Eine sich in diesen Fällen ergebende Strafbarkeitslücke wird durch die Rechtsprechung durch 535
Weick, in: Staudinger-BGB, 2005, Einl. § 21 Rn. 4. Ungenauer: „[…] im Kapitalgesellschaftsrecht wird der Gläubigerschutz durch die Gesellschaft mediatisiert.“, Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [237] (Hervorh. d. Verf.). 537 Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [239]. 538 BGHSt 28, 371; 30, 127; 34, 221. 539 Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [241]. 536
224
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
die Anwendung des § 266 StGB geschlossen, indem ein Einverständnis auf Grund eines existenzgefährdenden Eingriffs als nichtig angesehen wird.540 Abseits der oben erörterten und insofern verneinten Frage, ob ein aufgedrängter Vermögensschutz der Rechtspersönlichkeit zulässig ist, erhebt sich gleichzeitig die Vermutung, dass eine Änderung der Rechtsprechung zu den Bankrottdelikten einen Wechsel in der Rechtsprechung hinsichtlich eines hier so genannten aufgedrängten Vermögensschutzes im Rahmen des § 266 StGB bewirken könnte. In diesem Sinne setzten vermehrt Stimmen in der Literatur an den Bankrotttatbeständen, namentlich an der Rechtsprechung zur Interessentheorie an, um eine Änderung der Rechtsprechung zu § 266 StGB herbeizuführen.541 Der Bundesgerichtshof lässt jedoch nicht erkennen, dass zwischen den zwei Problemkreisen ein Zusammenhang besteht. So hat der 3. Strafsenat ausgeführt, dass eine Aufgabe der Interessentheorie im Rahmen des § 283 StGB dazu führe, dass bei existenzvernichtenden Eingriffen, auch mit Einverständnis aller Gesellschafter, Tateinheit zwischen § 266 und § 283 StGB angenommen werden könnte.542 Inzwischen hat der Bundesgerichtshof nach einem Anfragebeschluss bei den anderen Strafsenaten,543 der sämtlich positiv beantwortet wurde,544 entschieden, die Rechtsprechung zur Interessentheorie endgültig nach über 100-jähriger Rechtsprechungsgeschichte545 aufzugeben.546 Dies wird – in aller Kürze zusammengefasst – damit begründet, dass sich die Interessentheorie weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Gesetzeszweck ergebe und damit der in der Literatur geäußerten Kritik Gehör verschafft wird. Die sich so ergebenden Strafbarkeitslücken bei Vertretern und Organen von Kapitalgesellschaften, insbesondere der Ein-MannGmbH, seien nicht hinnehmbar. Damit ist von nun an die theoretische Grundlage für eine Strafbarkeit des Geschäftsführers, z. B. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, geschaffen, sich wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen zu können, auch wenn er die Tathandlung für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und zumindest auch in deren Interesse vorgenommen hat. Die interessante Frage, die sich nun erhebt, ist die, ob sich dadurch Implikationen auf die Untreuestrafbarkeit ergeben können. Der Bundesgerichtshof gibt gleichwohl zu bedenken, dass bei einer konsequenten Anwendung der Interessentheorie im Rahmen von Verletzungen der Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten, § 283 Abs. 1 Nr. 5 – 7 StGB, ein fehlendes Interesse der Gesellschaft – und die damit verbundene Straflosigkeit der Handlung – auch nicht durch § 266 StGB 540
Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [239]. 541 Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235. 542 BGH, in: NJW 2009, 225 [228]. 543 BGH, Beschl. v. 15. 09. 2011 – 3 StR 118/11. 544 BGH, Beschl. v. 29. 11. 2011 – 1 ARS 19/11; BGH, Beschl. v. 22. 12. 2011 – 2 ARs 403/11; BGH, Beschl. v. 10. 1. 2012 – 4 ARs 17/11; BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – 5 ARs 64/11. 545 RG, Urt. v. 29. 3. 1909 – III 877/08; RGSt 42, 278 [282]. 546 BGH, Beschl. v. 15. 05. 2012 – 3 StR 118/11.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
225
aufgefangen werden könne, da es regelmäßig an einem nicht feststellbaren oder nicht nachweisbaren Vermögensschaden der Gesellschaft fehle.547 Insofern deutet der Bundesgerichtshof den Zusammenhang der Problemkomplexe Interessentheorie und Untreue zumindest an. Auch wenn der Bundesgerichtshof anderen Orts quasi expressis verbis einen Zusammenhang zur Rechtsprechung bei § 266 StGB – namentlich zur Unwirksamkeit eines Einverständnisses beim existenzvernichtenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen – verneint548 und ausdrücklich die Aufrechterhaltung der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit des Einverständnisses bei existenzvernichtenden Eingriffen betont,549 bleibt die spannende Entwicklung bei § 266 StGB nach Wegfall der Interessentheorie abzuwarten und zu beobachten. b) Zur hypothetischen Prozeduralität Die generelle Kritik an dieser Rechtsprechung lautet zumeist, es handle sich um eine Umfunktionierung des § 266 StGB550 zu einer „Generalklausel zur Verhinderung unredlichen Verhaltens im Geschäftsverkehr“.551 Dieses, wie oben erörtert, dogmatisch verfehlte Ergebnis einer Untreuestrafbarkeit trotz Einverständnisses wird in der Literatur sehr häufig als eine Instrumentalisierung des § 266 StGB für den strafrechtlichen Gläubigerschutz bei beschränkt haftenden Sondervermögen bezeichnet.552 Birkholz wirft im Rahmen seiner Arbeit unter dem gleichnamigen Titel die Frage auf, inwiefern es sich bei der Untreuestrafbarkeit um den strafrechtlichen „Preis“ der beschränkten Haftung handle und macht dabei utilitaristische Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts fruchtbar.553 Eine sehr deutliche Sprache in Birkholz’ Sinne spricht der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, indem er die methodische Begründung aus dem Missbrauch der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung herleitet, der zum Verlust des Haftungsprivilegs führe.554 Im Lichte dieser Arbeit ist jedoch zutreffender von einer hypothetischen Prozeduralisierung des § 266 StGB zu sprechen. Bei Heranziehung des funktional definierten (hypothetischen) Prozeduralisierungsbegriffs handelt es sich deshalb um eine hypothetische Prozeduralisierung, da eine v. a. durch die Interessentheorie begründete Strafbarkeitslücke für Bankrotthandlungen, die nicht im Interesse des Sondervermögens liegen, geschlossen werden 547
BGH, Beschl. v. 15. 05. 2012 – 3 StR 118/11 Rn. 17. BGH, in: NJW 2009, 225 [228]. 549 BGH, Beschl. v. 15. 05. 2012 – 3 StR 118/11 Rn. 30. 550 Vgl. zur Umprogrammierung der Untreue auf Drittziele unter Kapitel 2, § 8 D. IX. 551 Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 21a. 552 Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [239, 242]; Fischer-StGB, § 266 Rn. 99; Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 21b; Hoyer, in: SK-StGB, § 266 Rd. 70 f.; Schramm, Untreue und Konsens, S. 122 f.; Hanft, EinmannGmbH, S. 109; Krause, Der Fall Bremer Vulkan, in: JR 2006, 51 [54]. 553 Birkholz, Untreuestrafbarkeit als strafrechtlicher „Preis“ der beschränkten Haftung. 554 BGHZ 151, 181. 548
226
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
soll, was Kasiske555 ausführlich und überzeugend nachweist. Das Entscheidungskriterium ist daher in großen Teilen abstrakt vom geschützten Rechtsgut des Vermögens des Treugebers. Auch dem Gesichtspunkt der strafrechtlichen Schranke der beschränkten Haftung von Rechtspersönlichkeiten wird in Maßen durch die restriktive Rechtsprechung zum Einverständnis Rechnung getragen. Die auffallende Korrelation der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen zur Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit der Bremer-Vulkan-Entscheidung arbeitet Anders in seiner Arbeit zur Untreue zum Nachteil der Gesellschaft mit beschränkter Haftung556 detailliert heraus, ohne jedoch expressis verbis auf die dahinterstehende hypothetische Prozeduralisierungstendenz einzugehen. Gleichwohl erkennt Anders eine ökonomische Analyse des Rechts557 mit utilitaristisch-konsequentialistischen Grundlegungen.558 Die hypothetische Prozeduralisierung erfolgt anhand der von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen, vor allem anhand des existenzgefährdenden Eingriffs in das Vermögen der Rechtspersönlichkeit. Damit wird das Merkmal der Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB tatbestandstranszendent in strafbegründender Weise hypothetisch prozeduralisiert. Wie erläutert, wirkt ein Einverständnis in eine Handlung im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB tatbestandsausschließend hinsichtlich des Merkmals der Pflichtverletzung.559 Weil die Fallgruppen der Rechtsprechung sich auf die Wirksamkeit eines Einverständnisses auswirken, ist letztlich anhand der Fallgruppen das Merkmal der Pflichtverletzung contra legem hypothetisch prozeduralisiert: Ist eine der Fallgruppen gegeben, so liegt eine Pflichtwidrigkeit vor, unabhängig davon, ob ein Einverständnis in diese Handlung gegeben ist oder nicht – kurz gesagt, obwohl der Tatbestand der Untreue zu verneinen wäre. V. Criminal Compliance und Untreue Compliance allgemein beschreibt organisatorische Vorkehrungen in Wirtschaftsunternehmen, die dafür sorgen, dass alle für natürliche und juristische Personen geltenden Rechtsregeln eingehalten werden.560 Es gibt jedoch abgesehen
555 Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235 [239 ff.]. 556 Anders, Untreue zum Nachteil der GmbH. 557 Zum US-amerikanischen Recht siehe unter Kapitel 3, § 2, A. II. 2. 558 Anders, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 408. 559 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IV. 2. a) bb). 560 Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 2 ff.; Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 1; Theisen, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, S. 87; dass Compliance auch ethische Grundsätze des Unternehmens festlegt, „Code of Ethics“ bzw. „Code of Conduct“ (Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 1), sei unbestritten, wird aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
227
einzelner Ausnahmen,561 vor allem im Aktienrecht,562 kein Gesetz, das den Bereich der Compliance abstrakt regelt bzw. sanktioniert. Der Bereich der strafrechtlichen Compliance ist schon lange keine neue Modeerscheinung mehr,563 obwohl die Flut an Publikationen zum Thema „Compliance“ immer noch nicht abzuebben scheint.564 So gut wie alle großen Unternehmen haben inzwischen ein Compliance-Programm etabliert,565 das auch strafrechtlich relevantes Verhalten zum Regelungsgegenstand hat. Teilweise wird in der Literatur jedoch auch davon ausgegangen, dass „es für Fragen der Unternehmenskriminalität und des Unternehmensstrafrechts keine wesentliche Rolle spielen kann, ob ein Unternehmen durch transparente Regelungen der Corporate Governance […] Unternehmensziele umsetzt“566. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts (v. a. §§ 130, 30 OWiG) findet eine ausgeprägte Diskussion statt, die sich mit Compliance, häufig als Verteidigungsstrategie, beschäftigt.567 Auch wird diskutiert, inwiefern von einer generellen strafrechtlichen Garantenpflicht (§ 13 Abs. 1 StGB) von Entscheidungsträgern in Unternehmen ausgegangen werden kann – der so genannten Geschäftsherrenhaftung –, Straftaten im Unternehmen durch Untergebene zu verhindern.568 Jedoch findet hier die Diskussion ohne Bezug zu einem Transparenzmerkmal statt. 1. Untreuestrafbarkeit durch Compliance-Verstöße Eine zentrale Frage zu strafrechtlicher Compliance im Rahmen dieser Arbeit lautet, ob eine Untreue auch dadurch begangen werden kann, dass (nur) gegen Compliance-Regeln verstoßen wird oder dadurch, dass schon gar keine solcher Compliance-Regeln etabliert werden.
561 Z. B. § 130 OWiG, vgl. Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 18 f. 562 Z. B. § 91 Abs. 2 AktG. 563 Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 1. 564 So: Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245. 565 Einige Beispiele: http://www.siemens.com/sustainability/de/themenfelder/compli ance/uebersicht/index.htm (Siemens AG); http://www.daimler.com/unternehmen/corporategovernance/compliance (Daimler AG); http://www.basf.com/group/corporate/de/sustainabi lity/our-values/compliance (BASF AG); http://investor-relations.lufthansa.com/corporategovernance/compliance.html (Deutsche Lufthansa AG) u.v.m. 566 Sieber, Compliance-Programme im Unternehmensstrafrecht, in: FS Tiedemann 2008, 449 [457]. 567 Ringleb, in: Ringleb-DCGK (2010), Rn. 625 – 627a m.w.N.; nicht mehr so weitgehend: Bachmann, in: Ringleb-DCGK (2016); Rn. 826 u. 845. 568 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, § 4 Rn. 181 ff.; Lackner/Kühl-StGB, § 13 Rn. 14; jeweils m.w.N.; Bottke, Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten in Wirtschaftsunternehmen; Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601 [3603].
228
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
a) Untreue durch Verstoß gegen unternehmensinterne Compliance-Regeln Bei Compliance-Regeln ist zwischen zwei verschiedenen Grundarten von Regeln zu unterscheiden.569 Einerseits gibt es solche Regeln, die die gesetzlichen Vorschriften bloß wiederholen oder auf sie aufmerksam machen bzw. die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften vorschreiben. Andererseits gibt es Regeln, die durch zusätzliche (meist: Verfahrens-)Regelungen bereits präventiv die Entstehung von Gesetzesverstößen verhindern sollen; ein populäres Beispiel stellt das Vier-AugenPrinzip570 bei wichtigen Entscheidungen dar. aa) Repetierende Compliance-Regeln Bei gesetzeswiederholenden Compliance-Regeln liegt in jedem Gesetzesverstoß zugleich ein Verstoß gegen die Compliance-Regeln vor. Bezogen auf die Untreue erübrigt sich in diesen Fällen aus praktischen Erwägungen heraus die Frage, ob der Verstoß gegen die Compliance-Regeln ebenso eine Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB darstellen kann. Außerdem müsste je nach Gesetzesverstoß im Einzelfall differenziert werden, ob der Gesetzesverstoß eine Untreuestrafbarkeit begründen kann. Dass zudem jeder Verstoß gegen eine gesetzesrepitierende Compliance-Regel gleichzeitig eine Untreue darstellt ist schon praktisch für die Fälle eines Gesetzesverstoßes widerlegt, in denen es zu keinem Vermögensschaden des Treugebers kommt, der für eine Untreuestrafbarkeit jedenfalls gegeben sein muss, § 266 Abs. 1 StGB. bb) Neue (verfahrensmäßige) Compliance-Regeln Die im Rahmen dieser Arbeit interessantere Alternative ist die der ComplianceRegeln mit neuem, eigenem Regelungsinhalt, der sich nicht bloß auf die Wiederholung von Gesetzen oder den Hinweis auf ein Verbot von Gesetzesverstößen beschränkt. Ob eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB vorliegt, beurteilt sich hauptsächlich danach, ob in dem Verstoß gegen die Compliance-Regelungen eine untreuerelevante Pflichtverletzung zu sehen ist, die zu einem Vermögensschaden führt. Dazu müssen die Compliance-Regelungen zunächst dem betreffenden Mitarbeiter gegenüber auch wirken. Compliance-Regeln können verschieden ausgestaltet sein. Sie können bloße Appelle an die Beschäftigten darstellen, aber auch Teil 569
Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [247]. 570 Bannenberg/Dierlamm, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 223; auch der BGH wendet in der Sache das Vier-Augen-Prinzip an: BGHSt 47, 187 [196 f.]: bei Zweifeln hinsichtlich der Zulässigkeit bedeutsamerer Zuwendungen einer Aktiengesellschaft (Sponsoring), ob diese im Interesse des Unternehmens liegen oder nur private Interessen und Vorlieben des Entscheidungsträgers befriedigen, kann das betreffende Vorstandsmitglied nicht alleine handeln, selbst wenn es eigentlich für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
229
von Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen (z. B. als Anlage) sein.571 Je nach Ausgestaltung als Hauptpflicht und Ausführlichkeit der Compliance-Regeln spricht nach allgemeinen Lehren572 mehr oder weniger dafür, diese als Ausgestaltung einer Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB einzustufen. Das kann jedoch nicht für alle Compliance-Regeln insgesamt beantwortet werden; es kommt auf eine Einzelfallbetrachtung573 jeder entsprechenden Compliance-Regelung an. Nicht alle Compliance-Regeln stellen automatisch auch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar.574 cc) Untreue durch unterlassene Etablierung eines Compliance-Systems Fraglich ist, ob sich Unternehmensangehörige durch Unterlassen575 von Compliance-Maßnahmen einer Untreue strafbar machen können, wenn dem Unternehmen dadurch ein Vermögensschaden entsteht. Diese Kategorie betrifft praktisch ausschließlich Mitarbeiter (Treunehmer) auf Ebene der Geschäftsleitung, da nur sie überhaupt die Kompetenzen und ggf. Pflichten zur Errichtung eines ComplianceSystems haben können. Die Frage ist, ob durch ein fehlendes (oder ggf. unzureichendes) Compliance-System die Vermögensbetreuungspflicht durch den Treunehmer verletzt wird. An dieser Stelle ist der Blick auf das entsprechende Zivilrecht zu richten, denn nach ganz h.A. kann, was zivilrechtlich erlaubt oder geboten ist, keine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellen.576 Besteht keine zivilrechtliche Pflicht zur Etablierung eines Compliance-Systems, so ist der Verzicht auf ein Compliance-System jedenfalls nicht verboten bzw. sogar erlaubt, was Ausstrahlungswirkung ins Strafrecht der Untreue hat.577 Das allgemeine Gesellschaftsrecht kennt keine Vorschrift, nach der eine Gesellschaft zwingend über ein ComplianceSystem verfügen muss.578 Lediglich in bestimmten Spezialgebieten finden sich gesetzliche Pflichten zur Etablierung von Compliance-Systemen (z. B. in
571 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [247]. 572 Rengier, Strafrecht BT I, § 18 Rn. 9 bis 17. 573 Fischer, StGB, § 266 Rn. 33. 574 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [247]. 575 Die spezielle Problematik einer Garantenpflicht im Rahmen der Untreue soll an dieser Stelle außen vor gelassen werden; vgl. dazu Michalke, Neue Garantenpflichten? – oder: Haftung des Compliance-Officers, in: AnwBl. 2010, 666. 576 Lutter, Zivilrechtlich korrekt und doch strafbar?, in: NZG 2010, 601 [602]; Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, in: NStZ 2009, 113 [115]; Hoffmann-Becking, Vorstandsvergütung nach Mannesmann, in: NZG 2006, 127 [128]. 577 Problem des tertium non datur, d. h. ob etwas zivilrechtlich erlaubt ist, wenn es nicht verboten ist (siehe beschränkte Zivilrechtsakzessorietät, Untreue durch überhöhte Managergehälter unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. g) u. Kapitel 2, § 8, D. II. 2.). 578 Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601.
230
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
§ 33 WpHG, § 25a KWG, § 64a VAG).579 Im Folgenden werden die juristischen Personen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung beleuchtet, da diese in der Praxis die größte Relevanz haben. Außerdem kommt eine Untreue ohnehin nur zu Lasten von anvertrautem Fremdvermögen (Treugut des Treugebers) in Betracht.580 Eine denkbare Möglichkeit wäre, bei einer Aktiengesellschaft aus § 91 Abs. 2581 AktG eine untreuerelevante Pflicht herzuleiten. Gemäß § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft582 die Pflicht, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Bei der konkreten Ausgestaltung des Überwachungssystems kommt dem Vorstand nach allgemeinen Regeln die so genannte Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 AktG zugute. Der Wortlaut des § 91 Abs. 2 AktG bezieht sich nicht ausdrücklich auf ein Compliance-System; der Begriff der „Entwicklungen“ ist nicht bedeutungsgleich mit „Risiken“.583 Auch ist ein Verstoß gegen § 91 Abs. 2 AktG per se weder speziell strafbewehrt noch ordnungswidrig.584 Inhaltlich entspricht es inzwischen der h.A., dass vom Vorstand auf Grund § 91 Abs. 2 AktG nur solche organisatorischen Maßnahmen gefordert werden können, die der Erkennung bestandsgefährdender Risiken dienen und eine Kontrolle, ob die vom Vorstand etablierten Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden.585 Deshalb ist die Mehrheit des Schrifttums auch der Auffassung, dass aus § 91 Abs. 2 AktG gerade keine Pflicht zur Etablierung eines umfassenden Risiko-586 oder Compliance-Systems folgt.587 579 Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601 [3602 f.]. 580 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [248]. 581 Abs. 2 eingefügt durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) vom 27. 4. 1998, BGBl. I, 1998, S. 786. 582 Ebenso gilt das bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und einem Verein auf Gegenseitigkeit, §§ 278 Abs. 3, 91 Abs. 1 AktG; § 34 S. 2 VAG; nach h.A. hat diese Pflicht auch Ausstrahlungswirkung auf die Pflichten von Geschäftsführern anderer Gesellschaftsformen: Begr. Reg.-Entw., BT-Drucksache 13/9712, S. 15 (Anm. zu Nr. 7); Mosiek, in: wistra 2003, 370; Müller/Michaelis, in: Hölters-AktG, 2011, § 91 Rn. 13.; Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601 m.w.N. in Fn. 4 und 5. 583 Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, 370 [371]; Pahlke, Risikomanagement nach KonTraG, in: NJW 2002, 1680 [1681 f.]. 584 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [248]; Windolph, Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach KonTraG, in: NStZ 2000, 522 [523]. 585 Hüffer-AktG, § 91 Rn. 4 f. m.w.N. 586 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 2. 587 Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, S. 370 [371]; Pahlke, Risikomanagement nach KonTraG, in: NJW 2002, 1680 [1682]; Theusinger/Liese, Rechtspflicht zur Dokumentation von Risikoüberwachungssystemen, in: NZG 2008, 289
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
231
Einzelne Stimmen in der Literatur betrachten diese gesetzliche Pflicht, ein bestimmtes Risikomanagement zu betreiben, als eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.588 Größere Einigkeit besteht, dass die Fälle, in denen bewusst auf jede Kontrollmaßnahme im Sinne des § 91 Abs. 2 AktG verzichtet wurde, als untreuerelevante Pflichtverletzung anzusehen sind.589 Größte Zurückhaltung sei jedoch insgesamt geboten, wenn man ausschließlich aus Compliance-Regeln eine Treuepflicht in Form von Kontroll- und Überwachungspflichten herleitet.590 Die h.M.591 lehnt deshalb zu Recht eine allgemeine, d. h. jenseits bestimmter Spezialgebiete bestehende, grundsätzliche Rechtspflicht zur Etablierung eines Compliance-Systems ab. Unbenommen bleibt es möglich, in der Verletzung von gesetzesrepitierenden Compliance-Regeln (z. B. § 91 Abs. 2 AktG oder § 93 Abs. 1 S. 1 AktG) eine Untreue zu begehen. b) BGHSt 54, 44592 – Garantenpflicht des Compliance Officers In dem Urteil hat der Bundesgerichtshof die Garantenpflicht des Innenrevisionsleiters einer Anstalt des öffentlichen Rechts zur Unterbindung von betrügerischen Abrechnungen bejaht. Eine Übertragung des Urteils auf den Compliance-Beauftragten in einem privaten Unternehmen begegnet Zweifeln, da der Bundesgerichtshof der Tatsache, dass es sich um ein öffentliches Unternehmen handelte, besondere Bedeutung zugemessen hat.593 Andererseits legte der Senat in einem orbiter dictum dar, dass regelmäßig von einer Garantenstellung des Compliance Officers auszugehen sei.594 In der Sache ging es um einen Berechnungsfehler der Entgelte für die Straßenreinigung, der zwar in der Folge erkannt aber nicht korrigiert wurde.595 Der Angeklagte Leiter der Innenrevision und Rechtsabteilung der Berliner Stadtreinigungs[290]; Hüffer-AktG, § 91 Rn. 1, 9; Kort, in: AktG-Großkommentar-2015, § 91 Rn. 55 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter-AktG, § 91 Rn. 14; Fleischer, in: Spindler/StilzAktG, § 91 Rn. 34; a.A. Spindler, in: MüKo-AktG, Bd. II, § 91 Rn. 24 ff. 588 Windolph, Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach KonTraG, in: NStZ 2000, 522 [523 f.]; Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, S. 370; Windolph, Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach KonTraG, in: NStZ 2000, 522; a.A.: Dierlamm, in: MüKoStGB, § 266 Rn. 173. 589 Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, S. 370. 590 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [249]. 591 Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601 [3603] m.w.N. in Fn. 29. 592 BGH 5 StR 394/08 = BGH, in: NJW 2009, 3173. 593 Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601; BGH 5 StR 394/08, S. 13 f. 594 BGH 5 StR 394/08, S. 12. 595 BGH 5 StR 394/08, S. 4.
232
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
betriebe unterrichtete trotz Kenntnis in der Folgezeit weder seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Vorstandsvorsitzenden, noch ein Mitglied des Aufsichtsrates. Auf Grund des öffentlich-rechtlich genehmigten Tarifs wurden insgesamt EUR 23 Mio. überhöhte Entgelte verlangt, die auch überwiegend bezahlt wurden.596 Der Bundesgerichtshof wertete in Übereinstimmung mit dem Landgericht Berlin als Vorinstanz das Verhalten des Angeklagten als Beihilfe durch Unterlassen zu einem Betrug in mittelbarer Täterschaft, §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2, 27 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB.597 Zum Bestehen einer Garantenstellung des Angeklagten als Leiters der Rechtsabteilung und Innenrevision führt der Bundesgerichtshof aus, die rechtliche Einstandspflicht folge aus der Überlegung, dass denjenigen, dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen sind, dann auch eine „Sonderverantwortlichkeit“ für die Integrität des übernommenen Verantwortungsbereiches treffe.598 Im konkreten Fall beschränke sich die Einstandspflicht auch nicht darauf, dass eine Schädigung des eigenen Unternehmens zu unterbinden sei, sondern die Einstandspflicht könne auch die Verhinderung von Straftaten aus dem eigenen Unternehmen heraus gegen dessen Vertragspartner umfassen.599 In dem soeben angesprochenen orbiter dictum führt der Bundesgerichtshof dann weiter aus, dass den so genannten Compliance Officer auch die Aufgabe treffe, Straftaten von Unternehmensangehörigen aus dem eigenen Unternehmen heraus an Dritten zu verhindern; den Compliance Officer treffe regelmäßig eine dahingehende strafrechtliche Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB.600 2. Der Deutsche Corporate Governance Kodex Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist ein etabliertes wirtschaftliches Regelwerk, das zu guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung beitragen soll.601 Die Thematik wird als Annex zum Bereich des Compliance besprochen, da es sich bei dem Regelwerk gewissermaßen um standardisierte Compliance-Regeln handelt, die von einer Regierungskommission im Jahre 2002 erarbeitet wurden und jährlich überarbeitet werden.602 Die Regelungen bilden einen unverbindlichen Ordnungsrahmen603 ohne Gesetzeskraft, also bloße Empfehlungen604 für die Leitung
596
BGH 5 StR 394/08, S. 4 f. BGH 5 StR 394/08, S. 5 ff. 598 BGH 5 StR 394/08, S. 10. 599 BGH 5 StR 394/08, S. 12. 600 BGH 5 StR 394/08, S. 12 f. 601 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [249]. 602 Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 3. 603 Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 23. 597
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
233
und Überwachung eines Unternehmens. Nichtsdestotrotz gibt es § 161 S. 1 AktG, der zur Abgabe einer so genannten „Entsprechungsklausel“ verpflichtet. Jedes durch § 161 S. 1 AktG verpflichtete Unternehmen605 muss mitteilen, ob es sich an die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex gehalten hat,606 bzw. warum nicht.607 Es handelt sich um das Prinzip des so genannten comply or explain.608 Konkret stellt sich damit die Frage einer Untreuestrafbarkeit eines Kodexverstoßes nach § 266 Abs. 1 StGB. Dabei könnte die positive Entsprechenserklärung, § 161 S. 1 AktG, als Bestimmung eines Pflichtenmaßstabes dienen.609 Durch Einbeziehung in Anstellungsverträge,610 die Geschäftsordnung des Vorstandes oder die Satzung611 könnte ein Verstoß zugleich zu einer Verletzung von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG führen.612 Darüber hinaus wird diskutiert, inwiefern man die Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodex im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung als verbindlich einzuhaltende Pflichtenkodifikation etablieren könnte – ähnlich einer „DIN-Norm im Deliktsrecht“613. Die Bedenken gegen eine Belastung des Kodex für eine Haftungsbegründung für den zivilrechtlichen Bereich liegen vor allem darin, dass der Kodex eine private Aufstellung von Regeln sei, die ihrer Rechtsnatur nach weder formell noch materiell ein Gesetz darstellten.614 Diese Bedenken müssen erst recht für den streng am Gesetzlichkeitsprinzip, Art. 103 Abs. 2 GG, orientierten strafrechtlichen Bereich gelten. In der Literatur wird vertreten, dass Verstöße gegen den
604 Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 3; Begr. RegEntw. TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S. 22; Schlösser/Dörfler, Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, in: wistra 2007, 326. 605 Börsennotierte Gesellschaften und Gesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden, § 161 Abs. 1 AktG. 606 Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 1 f. 607 Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 26. 608 Schaefer/Baumann, Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601 [3602]; Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 91. 609 Nach Spindler, in: MüKo-AktG, Bd. II, § 93 Rn. 39 führt die positive Entsprechenserklärung nicht zu einer zusätzlichen, rechtlich bindenden Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft; ebenso: Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 91 ff. 610 Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 94. 611 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [250]. 612 Spindler, in: MüKo-AktG, Bd. II, § 93 Rn. 39 m.w.N. in Fn. 11; Bezler/Dehlinger, in: Pfitzer/Oser/Orth-DCGK, S. 320; Schlösser/Dörfler, Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, in: wistra 2007, 326 [327]. 613 Schlösser/Dörfler, Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, in: wistra 2007, 326 [327]; Hüffer-AktG, § 161 Rn. 26. 614 Hüffer-AktG, § 76 Rn. 14 f.
234
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Kodex darum an sich nicht geeignet seien, Strafbarkeiten zu begründen.615 Diese Kritik könnte mutatis mutandis auch auf untreuestrafbegründende ComplianceRegeln im Wege eines erst-recht-Schlusses übernommen werden, da ComplianceRegeln noch ungeregelter und unbestimmter sind als der Kodex.616 Andererseits ist bei einer Untreuestrafbarkeit gerade zu berücksichtigen, dass sich der Pflichtenmaßstab eben nicht nur aus dem Gesetz, sondern auch aus den Vorgaben des Treugebers an den Treunehmer ergibt, der Inhalt, Reichweite und Bestimmtheitsgrad vorgeben kann617 und Compliance-Regeln vom Treugeber selbst aufgestellt wurden. 3. Vermögensnachteil bei der Verletzung von Compliance-Regeln Selbst wenn die Verletzung einzelner Compliance-Regeln oder das Unterlassen der Etablierung eines Compliance-Systems im Einzelfall eine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellen kann, so müsste für eine Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB dadurch auch ein Vermögensnachteil entstanden sein. Im Rahmen der umstrittenen Rechtsfigur der schadensgleichen Vermögensgefährdung wird die Bejahung eines Vermögensnachteils häufig an der fehlenden hinreichenden Konkretisierung der Gefahr scheitern.618 Noch seltener lässt sich ein auf die Pflichtverletzung direkt zurückzuführender „effektuierter“ Schaden feststellen619 – der nach hier vertretener Auffassung ohnehin irrelevant für die Bejahung eines Nachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist.620 4. Das Problem des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs Der Vermögensnachteil – sofern überhaupt ein solcher begründet werden kann – muss zudem nach h.L. auch auf der Pflichtwidrigkeit im Sinne eines Pflichtwirdrigkeitszusammenhangs beruhen.621 Problematisch ist somit, ob bei einem Verstoß gegen Compliance-Regeln im Grundsatz ein solcher Pflichtwidrigkeitszusammenhang bejaht werden kann. Dafür spricht, dass die Compliance-Regeln gerade auch dafür aufgestellt werden, um Straftaten zu verhindern. Andererseits haben die 615 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [250]. 616 Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [250]. 617 Diese Besonderheit im Rahmen der Untreuestrafbarkeit verkennt: Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245 [250]. 618 Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252 [1255]. 619 Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252 [1255]. 620 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VII. 1. 621 Martin, Bankuntreue, S. 135 ff.; Doster, Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue, in: WM 2001, 333 [337]; siehe Kapitel 2, § 8, D. VIII. m.w.N.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
235
Compliance-Regeln die grundsätzliche Verhinderung von Straftaten im Fokus und nicht nur die Verhinderung von auf das Vermögen des Treugebers bezogenen Vermögensdelikten. Insoweit wäre bei jeder einzelnen Compliance-Regel, die vom Treunehmer verletzt wurde und wodurch ein Vermögensschaden für den Treugeber entstanden ist, zu fragen, ob die betreffende Compliance-Regel gerade (auch) den Vermögensschutz des Treugebers vor Handlungen eines Treunehmers bezwecken soll. Nur bei Bejahung dieses Pflichtwidrigkeitszusammenhangs käme eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB in Frage. 5. Compliance als Strafmilderungsgrund Andererseits kann auch schon de lege lata die Etablierung eines ComplianceSystems eine hypothetisch prozedurale safe harbor-Regelung darstellen. Wenn ein ernsthaft betriebenes Compliance-System vorhanden ist und es dennoch zu Straftaten kommt, weil die Regelungen letztlich nicht effektiv gegriffen haben, reicht alleine schon das Vorhandensein des Compliance-Systems aus, zu einer Strafmilderung zu führen, wie das LG Mannheim 2003 entschieden hat.622 Damit haben Compliance-Programme die Funktion als ein strafbarkeitsbegrenzendes Element, durch das sich die Leitungsebene eines Unternehmens darauf berufen könnte, seine Sorgfaltspflichten eingehalten zu haben.623 Compliance-Systeme können daher als hypothetisch prozedurale safe harborRegelung die Funktion erfüllen, sich im Wirtschaftsleben einer Minimierung von Strafbarkeitsrisiken zu versichern. Besonders deutlich bringt die Entscheidung des LG Mannheim diese hypothetische Prozeduralität zum Ausdruck: strafbarkeitsmildernd war alleinig die Tatsache des Vorhandenseins eines ernsthaften Compliance-Systems, ohne dass ein konkreter Erfolg des Systems nötig gewesen wäre. Die Entscheidung über die Strafmilderung wurde daher an das hypothetisch prozedurale Kriterium eines bestehenden Compliance-Systems geknüpft und nicht – wie regulär – im Rahmen der persönlichen Vorwerfbarkeit der Verwirklichung des konkreten Delikts begründet. Gegen die Einordnung als hypothetische Prozeduralisierung spräche allerdings, dass auch in Einzelfällen im Rahmen des bestehenden Strafzumessungsregimes, § 46 StGB, das Vorhandensein eines Compliance-Systems berücksichtigt werden könnte – also insofern dann keine Substitution vorläge.624
622
LG Mannheim, Urt. v. 22. 1. 2003 – 24 Kls 626 Js 2952/01. Wessing, Compliance, in: FS Volk 2009, S. 867 [876]. 624 Vgl. hierzu die Ausführungen zu § 46 StGB im Rahmen der Alternativkonzepte zu einer prozeduralen lex ferenda unter: Kapitel 2, § 6, D. I. u. zur Prozeduralität der entsprechenden sentencing guidelines im US-amerikanischen Recht unter: Kapiel 3, § 2, C. I. 2. 623
236
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
6. Fazit Grundsätzlich kann in Bezug auf Compliance-Systeme und § 266 StGB keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Einzelne Compliance-Regeln, sofern sie nicht gesetztesrepetitiv sind, können durchaus Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen, was jedoch sehr stark vom Einzelfall abhängt. Ebenso kann im Ausnahmefall für den Bereich der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Unterlassen von Compliance nach § 91 Abs. 2 AktG eine Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB begründen. In allen Fällen, in denen eine Treuepflichtverletzung bejaht wird, dürfte jedoch die praktische Hürde der Nachweis einer Kausalität des Vermögensnachteils sein. Des Weiteren müsste zwischen der verletzten Compliance-Regel und dem Vermögensschaden zudem ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen, was nicht regelmäßig angenommen werden darf. In vielen Fällen gibt es darüber hinaus, quasi parallel, einzelne treuepflichtverletzende Handlungen, die Anknüpfungspunkt einer Untreuestrafbarkeit sein können, sodass ein „Rückgriff“ auf die Compliance-basierte Treuepflichtverletzung in der Praxis entbehrlich sein dürfte. 7. Hypothetische Prozeduralität Obwohl es nur in sehr wenigen Einzelfällen bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Compliance-Systemen letztlich zu einer Untreuestrafbarkeit kommt, wird dennoch von verschiedenen Seiten625 dringend empfohlen, das bestehende Risiko – sei es noch so klein – zu minimieren. Zur Vermeidung dieses Strafbarkeitsrisikos wegen Untreue wird geraten, die bestehenden Risikoarten zu ermitteln und zu gewichten und ein entsprechendes Compliance-System einzurichten.626 Besonders wird hierbei die sorgfältige, umfassende und zeitnahe Dokumentation627 der Aktivitäten in Bezug auf das Compliance-System betont. VI. Strafprozessuale Aspekte An dieser Stelle muss eine zirkelschlüssige Argumentation vermieden werden. Strafprozessrecht ist nämlich nach hier verstandener Definition von (hypothetischer) Prozeduralität nicht schon per se prozedurales (materielles (Untreue-)) Strafrecht.628 625 V. a. durch die in Compliance-Angegenheiten beratenden Unternehmen; vgl. hierzu: Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252 [1253] m.w.N. in Fn. 13. 626 Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252 [1256]. 627 LG München I, in: NZG 2008, 319 f.; Theusinger/Liese, Rechtspflicht zur Dokumentation von Risikoüberwachungssystemen, in: NZG 2008, 289 [290]; Inderst, in: Görling/ Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 125. 628 Zum Strafverfahrensrecht als prozedurales Recht vgl. Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 174 ff.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
237
Denn das Strafprozessrecht beeinflusst zwar das Ergebnis, die Strafbarkeitsfrage.629 Dies geschieht aber grundsätzlich ohne Substitutionen im Bereich des materiellen Strafrechts. Nur bezüglich der tatsächlichen Gegebenheiten für die Beurteilung der einzelnen Merkmale des materiellen Strafrechts hat Strafprozessrecht Implikationen. Strafprozessrecht hat damit grundsätzlich nur Einfluss auf die Unterlage der materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit, nicht auf die Voraussetzungen selbst, also insbesondere nicht auf den gesetzlichen Tatbestand des § 266 StGB. Insofern kann Strafprozessrecht mangels Substitutionserfordernisses keine (hypothetische) Prozeduralisierung der Strafbarkeitsfolge im eigentlichen Sinne darstellen. Dennoch kann Strafprozessrecht ausnahmsweise als hypothetische Prozeduralisierung der Strafbarkeitsfrage der Untreue verstanden werden, sofern ausnahmsweise dennoch eine Substitution im materiellen Recht der Untreue gemäß § 266 StGB vorliegen könnte, also wenn das Strafprozessrecht ausnahmsweise doch materiellrechtliche Implikationen hat. Dies könnte vor allem dann der Fall sein, wenn verfahrensbeendigende Absprachen im Strafprozess, „Deals“, getroffen werden. 1. Die Verständigung630 im Strafprozess Vor allem im Bereich des Wirtschaftsstrafprozesses erfreuen sich Absprachen im Strafprozess größter Beliebtheit.631 Grundsätzlich ist seit den 1970er Jahren in Deutschland632 eine immer üblicher werdende Praxis urteilsbezogener Verständigungen zu beobachten.633 Anfänglich stand der Bundesgerichtshof Verständigungen kritisch gegenüber.634 Mit der Leitentscheidung BGHSt 43, 195 erklärte der 4. Senat des Bundesgerichtshofs in der Hauptverhandlung getroffene Absprachen für grundsätzlich zulässig.635 Die auf die Leitsatzentscheidung folgende Absprachenpraxis im Strafprozess wurde im Jahre 2009 dann auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, in deren
629
Siehe unter Kapitel 2, § 7, C. III. Gleichbedeutend zur früher üblichen Terminologie der „Absprachen“ im Strafprozess (so auch: BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10, Absatz-Nr. 5. 631 Altenhain/Hagemeier/Haimerl/Stammen, Die Praxis der Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren, S. 53 ff.; Müller, Probleme um eine gesetzliche Regelung der Absprachen im Strafverfahren, S. 35 ff.; einer der wohl populärsten „Deals“ in einem Wirtschaftsstrafverfahren betrifft die Verständigung mit u. a. Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess, BGHSt 50, 331. 632 Zum Rechtsvergleich der Verständigung in angelsächsischen Rechtssystemen: Hertel, Verständigungen im deutschen und angelsächsischen Strafverfahren, in: ZJS 2010, 198. 633 BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10, Absatz-Nr. 2. 634 BGHSt 37, 298 [304 f.]; 42, 46 [48]; BGH, in: NJW 1994, 1293 f.; BGH, in: wistra 1996, 68. 635 Aufrechterhaltung und Präzisierung der Rspr. des 4. Senats durch den Großen Senat für Strafsachen: BGHSt 50, 40. 630
238
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Mittelpunkt der neue § 257c StPO steht.636 Der Gesetzgeber war bestrebt, die neuen gesetzlichen Regelungen im Wesentlichen den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Absprachen im Strafprozess anzupassen, wobei die gesetzliche Regelung teilweise über die Vorgaben der Rechtsprechung hinausgeht.637 Die Diskussion zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zu Absprachen im Strafprozess638 wurde jüngst durch das Bundesverfassungsgericht beendet, das die Regelungen für verfassungsmäßig hielt639 – Roma locuta causa finita. Gerade auf den Feldern des Wirtschaftsstrafrechts herrscht die Praxis der vereinfachten Beendigung des Verfahrens durch den Deal vor, weil, so wird vermutet, die Masse und Komplexität der Verfahren sonst nicht beherrschbar wäre.640 Der Grund für Absprachen im Strafprozess ist in der Praxis damit regelmäßig die Möglichkeit der Verkürzung der Beweisaufnahme durch Ablegung eines Geständnisses.641 Auf eine Umfrage, bezogen auf das Jahr 2004, unter 133 Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern gaben 96,8 Prozent der befragen Richter, 97,7 Prozent der befragten Staatsanwälte und 70 Prozent der befragen Verteidiger an, dass die Abkürzung der Beweisaufnahme ein Grund für Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren sei.642 Andererseits steht auch die Komplexität der in Rede stehenden Rechtsfragen als ein wichtiger Beweggrund für eine Absprache im Strafprozess im Raum. So gaben in der gleichen Befragung 38,7 Prozent der befragen Richter, 38,6 Prozent der befragten Staatsanwälte und 58,0 Prozent der befragen Verteidiger an, dass die Schwierigkeit der Rechtsfragen ein Grund für Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren sei.643 Diese tatsächliche Praxis steht im Spannungsverhältnis zu § 257c Abs. 1 S. 2 StPO, der ausdrücklich bestimmt, dass „§ 244 Absatz 2 […] unberührt [bleibt].“.644 § 244 Abs. 2 StPO normiert den 636 „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren (VerstStVfÄndG)“ v. 29. 07. 2009, BGBl. I S. 2353; Geltung ab 04. 08. 2009. 637 Knauer/Lickleder, Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung, in: NStZ 2012, 366. 638 Zur teilweise scharfen Kritik der Lit. an einer Praxisferne der gesetzlichen Regelungen mit verbundenen Abweichungen durch die Praxis (erheblicher Vollzugsdefizit des Regelungen der StPO zur Verständigung) vgl.: Meyer-Goßner, Bemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verständigung im Strafverfahren, in: ZRP 2009, 107; Bittmann, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: wistra 2009, 414; Fezer, Inquisitionsprozess ohne Ende?, in: NStZ 2010, 177. 639 BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10. 640 Hassemer, Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, in: FS Roxin 2001, S. 1001 [1008]. 641 Knauer/Lickleder, Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung, in: NStZ 2012, 366 [367]. 642 Altenhain/Hagemeier/Haimerl/Stammen, Die Praxis der Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren, S. 60, 63, 66. 643 Altenhain/Hagemeier/Haimerl/Stammen, Die Praxis der Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren, S. 60, 63, 66. 644 Knauer/Lickleder, Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung, in: NStZ 2012, 366 [367]; für einen völlig anderen Gehalt
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
239
zwingend einzuhaltenden Amtsermittlungsgrundsatz im Strafprozess. Die Vorstellung des Gesetzgebers, eine Verständigung im Strafprozess könne bei voller Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes durchgeführt werden, widerspricht damit auch der Praxis nach Einführung des § 257c StPO.645 Auch steht diese Praxis im Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz des iura novit curia, der bei Unsicherheiten des Gerichts zur Rechtslage auf Grund überkomplexer Sachverhalte zu Gunsten einer Verständigung faktisch verletzt wird. Auch das Bundesverfassungsgericht nennt die zunehmende Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen Fortschritts sowie der Globalisierung als eine Ursache für die vielen Verständigungen im Strafprozess.646 Letztlich wird die beständig gestiegene Regelungsdichte des materiellen Strafrechts,647 was im Besonderen für das Wirtschaftsstrafrecht gelte, als eine Ursache der zunehmenden Zahl an Verständigungen angesehen.648 Die meisten der genannten Ursachen für das häufige Vorkommen und die faktische Notwendigkeit von Verständigungen im Strafprozess dürfte auch für Strafprozesse, in denen es um Untreuestrafbarkeiten geht, zutreffen. So haben es die Gerichte vor allem im Regelungsbereich der Untreue, § 266 StGB, regelmäßig mit sehr komplexen Fallkonstellationen zu tun, die die Amtsermittlung an ihre faktischen Grenzen bringt und in denen sich auf Grund der tendenziell schwierigen Bestimmtheit der Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB zudem komplexe rechtliche Probleme auftun. Ein „Ausweg“ aus diesem Dilemma ist dann oftmals die Verständigung im Strafprozess. Es liegt damit zwar eine hypothetische Prozeduralisierung der Strafbarkeitsentscheidung im Bereich der Untreue vor, die jedoch mangels einer Substitution im materiell-rechtlichen Bereich regelmäßig keine hypothetische Prozeduralisierung des materiellen Tatbestands der Untreue zur Folge hat. An den gesetzlichen Voraussetzungen des materiellen Straftatbestandes ändern „Deals“ nämlich nichts. Die Tatsache, dass man einen Sachverhalt nicht ausermittelt, ändert nichts daran, dass man die gesetzlichen Voraussetzungen des § 266 StGB weiterhin als unverändert existent betrachtet. Lediglich liegt die Prozeduralisierung im Tatsachenbereich. Man verzichtet nicht auf die tatsächliche Unterlage einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern sieht sie, auf Grund eines Geständnisses, als gegeben an. Diese Art der hypothetischen Prozeduralisierung kann jedoch teilweise auch mittelbar die materiellen Tatbestandsmerkmale des § 266 StGB betreffen bzw. genauer gesagt die Subsumption des Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale. Liegen hier erhebliche rechtliche Schwierigkeiten vor, so können diese auch im Wege einer der Aufklärungspflicht im Rahmen von Absprachen im Strafprozess vgl.: Jahn/Müller, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: NJW 2009, 2625. 645 Hamm, Urteil oder Vergleich? – § 257c StPO und die Wahrheitssuche, in: FS Dencker 2012, S. 147. 646 BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10, Absatz-Nr. 3. 647 Was in Bezug auf die Untreue, § 266 StGB, jedoch nicht zutrifft, da deren Regelungsbereich sich nicht jüngst verändert hat. 648 BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2013 – 2 BvR 2628/10, Absatz-Nr. 3.
240
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Verständigung umgangen werden. Im Ergebnis liegt jedoch in beiden Fällen eine hypothetische Prozeduralisierung der Untreue-Strafbarkeitsentscheidung vor, da die wirkliche Rechtslage mit der Rechtslage auf Grundlage verständigten Tatsachen nicht übereinstimmt.649 Auch andere Stimmen in der Literatur betrachten Absprachen im Strafprozess als prozedurales Phänomen. So betrachtet Nobis die Absprachen als eine Auflösung des Strebens nach materieller Gerechtigkeit,650 also als eine Prozeduralisierung des Gerechtigkeitsstrebens, das durch die Straftatbestände und den Strafprozess anhand der Regelungen der Strafprozessordnung verkörpert wird. Auch Lüderssen sieht in dem in Wirtschaftsstrafverfahren praktizierten dialogisierenden Verfahrensstil eine deutliche Nähe zu konsensualen Selektionsmechanismen gegeben.651 In der konsensualen Selektion wäre eine Form der hypothetischen Prozeduralisierung nach hier vertretener Ansicht652 zu sehen. Hassemer erblickt in Absprachen im Strafprozess eine Änderung des ordnungsgemäßen Zurechnungsverfahrens, ein „Setting“, welches nicht den Vorschriften653 der Strafprozessordnung entspreche. Ein solches Verfahren verzichte auf eine Zurechnung lege artis. Es breche das Programm formalisierter Zurechnung ab.654 Hassemer geht daher von einer Prozeduralisierung der strafrechtlichen Zuordnung aus. Jung sieht Absprachen im Strafprozess im Kontext mit regulierter Selbstregulierung,655 also einem prozeduralen Regelungskonzept. Auch Eser erkennt im konsensualen Verfahren der Absprachen im Strafprozess eine Prozeduralität. Dadurch, dass Straftat nur das sei, was auf konsensualer Basis konstituiert wurde, komme dem Strafverfahren insofern eine konstitutive Bedeutung zu.656 Bei Absprachen im Strafrecht vermengten sich im konsensualen Verfahren materielles und formelles (Prozess-)Recht. Diese Gemengelage könne als dritte Dimension prozeduraler Natur sein.657 649 Dies kann soweit gehen, dass eine völlig zur wahren Rechtslage kontroverse Situation entsteht, nämlich in den Fällen, in denen ein „Unschuldiger“ aus Prozesstaktik eine Tat gesteht, die er tatsächlich gar nicht begangen hat. Eine US-amerikanische Studie geht davon aus, dass in den USA 5 bis 10 Prozent der Geständnisse falsch abgegeben werden: Sanders/ Young/Burton, Criminal Justice, S. 432. 650 Nobis, Zwei Jahre praktische Erfahrungen mit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: StRR 2012, 84 [88]. 651 Lüderssen, „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Amelung 2009, S. 67 [77]. 652 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 3. a) u. Kapitel 2, § 7, D. II. 4. 653 Zur Zeit dieser Aussage Hasseners gab es das VerstStVfÄndG noch nicht – daher sind scil. die alten Regelungen der StPO vor der Änderung durch das VerstStVfÄndG gemeint. 654 Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 152 f. 655 Jung, Regulierte Selbstregulierung aus strafrechtlicher Sicht, in: Symposium: Hoffmann-Riem zum 60. Geburtstag 2001, S. 191. 656 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [44]. 657 Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43 [44].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
241
Die hypothetische Prozeduralisierung durch Absprachen im Untreue-Strafprozess erfolgt jedoch nicht anhand eines Transparenzmerkmals. Dennoch spricht diese Erkenntnis in Bezug auf die Forschungshypothese eine deutliche Sprache: Sie zeigt die Notwendigkeit einer Prozeduralisierung bei der Untreuestrafbarkeitsentscheidung. Der Unterschied ist nur, dass die Prozeduralisierung nicht im Bereich des materiellen Tatbestands des § 266 StGB loziert, sondern im Prozessrecht, also in der tatsächlichen Unterlage des materiellen Strafrechts bzw. der Subsumption des Tatsächlichen unter die Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB. Beachtenswert ist allerdings, dass sich diese Art der hypothetischen Prozeduralisierung – dass Absprachen – vor allem sich bei Wirtschaftskriminalität, also auch Untreuekriminalität, zunehmender Beliebtheit erfreut. Dies zeigt, dass die Entscheidung über die Untreuestrafbarkeit eine prozedurale Handhabung erfordert. Gleichzeitig – und das soll nicht geleugnet werden – könnte man dies jedoch auch als Argument gegen die Hypothese einer hypothetisch prozedurale Handhabung des materiellen Strafrechts der Untreue de lege lata ins Feld führen. Würde nämlich der Tatbestand des § 266 StGB durch die Konturierung der Rechtsprechung und Literatur schon „ausreichend“ hypothetisch prozedural gehandhabt werden, bedürfte es keines übermäßigen Gebrauchs von Absprachen im Strafprozess. Dies stimmt jedoch nur teilweise. Denn die Hypothese, dass § 266 StGB bereits de lege lata eine hypothetisch prozedural gehandhabte Strafnorm darstellt, impliziert gerade nicht, dass dieses Maß an hypothetischer Prozeduralisierung auch ausreichend wäre. Zudem stellt der Weg über eine verfahrensbeendende Absprache den schnelleren und einfacheren für Ermittlungsbehörden dar – insofern erklärt sich auch die Beliebtheit von Deals bei Untreuestraftaten. 3. Wege der vorzeitigen Beendigung des Strafverfahrens Das zu verfahrenserledigenden Absprachen658 grundsätzlich Gesagte zur hypothetischen Prozeduralität gilt mutatis mutandis auch für Wege der vorzeitigen Beendigung des Strafverfahrens. Die Häufung vorzeitiger verfahrensbeendigender Maßnahmen bei Untreuekriminalität stellt keine hypothetische Prozeduralisierung des materiellen Untreuerechts dar, erhärtet aber die These, dass die Untreue eine prozedurale Handhabung de lege ferenda erfordert, die notfalls auch außerhalb des gesetzlichen Tatbestands des § 266 StGB an sonstiger Stelle der Strafbarkeitsentscheidung verortet werden kann. Unter Berufung auf Untersuchungen von Ahrens659 und Weigend660 leitet LudwigMayerhofer die Schlussfolgerung ab, dass die Einstellung wegen Geringfügigkeit in der Hauptverhandlung nicht selten als Substitut für eine fragwürdige (gewordene) 658
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VI. 1. Ahrens, Die Einstellung gem. §§ 153 II, 153a II StPO. 660 Weigend, Strafzumessung durch den Staatsanwalt bei Einstellung nach § 153a StPO, in: Kriminologisches Journal 1984, 8. 659
242
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Anklage herhalten müsse:661 Statt sich an der Unschuldsvermutung zu orientieren, werde § 153a Abs. 2 StPO als „Daumenschraube“ benutzt, um dem Angeklagten doch noch ein Zugeständnis abzuringen und so das Gesicht der Justiz zu wahren.662 4. Strafzumessung Das bloße Vorhandensein von Transparenz (z. B. in Gestalt eines ComplianceProgramms) kann, selbst wenn es nichts gebracht hat, zu einer Strafmilderung führen.663 In diesem Fall kann Transparenz direkten Einfluss auf die Strafzumessung haben; bei transparentem Handeln im Rahmen eines Compliance-Programms kann dem Täter einer Untreue eine Strafmilderung zukommen. Ein „Mitverschulden“ des Opfers wird nach der Rechtsprechung im Rahmen der Bestimmung des Schuldumfangs berücksichtigt.664 Der Zusammenhang zwischen Transparenz und der Mitverantwortung des Opfers kann auch auf die Situation bezogen werden, in der der Treunehmer sich dem Treugeber gegenüber transparent verhalten hat. Gerade in dieser Konstellation wäre es denkbar, es dem Treugeber in der Form „anzulasten“ untätig geblieben zu sein, dass man dem Täter deswegen eine geringere Strafe zumisst. Der Aspekt der Mitverantwortung des Opfers bei der Untreue war schon in der geschichtlichen Entwicklung thematisiert worden665 und hängt kriminologisch mit dem Transparenzmerkmal insofern zusammen, als dass regelmäßig bei Transparenz nur ein „nachlässigerer“ Treugeber Opfer eine Untreue werden kann.666 VII. Die „Pflichtverletzung“ bei der Untreue 1. Das Problem des Wortlauts des § 266 Abs. 1 StGB In der Kasuistik der Rechtsprechung steht die Bestimmung von Pflichtwidrigkeit und Schaden im Vordergrund, da die Problematik der Bestimmung des Personenkreises, dem eine Vermögensbetreuungspflicht überhaupt obliegt, vor allem durch die Vielzahl der Organuntreuefälle in der Praxis in den Hintergrund gerückt ist.667 Nicht selten wird bei § 266 Abs. 1 StGB – teilweise ohne Differenzierung zwischen 661 Ludwig-Mayerhofer, Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung, S. 123. 662 Weigend, Strafzumessung durch den Staatsanwalt bei Einstellung nach § 153a StPO, in: Kriminologisches Journal 1984, 8 [12]. 663 So in einem Urteil des LG Mannheim: Urt. v. 22. 01. 2003 – 24 Kls 626 Js 2952/01. 664 BGH, in: wistra 1988, 253. 665 Siehe unter Kapitel 1, § 2, B. 666 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) bb). 667 Schünemann, Organuntreue, S. 11 ff.; Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183 [184 f.]; Saliger, Gibt es eine Untreuemode?, in: HRRS 2006, 10 [12].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
243
den beiden Tatbeständen – von „der Pflichtverletzung“668 oder der „untreuerelevanten Pflichtverletzung“669 des Täters als Voraussetzung für eine Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB gesprochen. Diese Bezeichnung mag suggerieren, dass jedwede Verletzung einer Pflicht mit der Folge eines Schadens für den Treugeber im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB genügt. Schon der Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB widerlegt diese Annahme: § 266 Abs. 1 StGB a.E. erfordert eine Zufügung eines Nachteils durch den Täter demjenigen gegenüber, „dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“. Nach ganz h.A. wird dieses Erfordernis der Betreuung von Vermögensinteressen eines Anderen sowohl auf § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB als auch auf § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB bezogen.670 Festzuhalten ist somit zunächst, dass der Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB weder in Var. 1 noch in Var. 2 „die Pflichtverletzung“ als solche wörtlich nennt. § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB erfordert, dass der Täter die „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt“ – oder: eine Verletzung der Vermögensinteressenwahrnehmungspflicht – und eine Nachteilszufügung demgegenüber, „dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“. Die h.A. diskutiert, streng genommen jenseits des Wortlauts des Gesetzes, im Rahmen der Untreue fortwährend die Pflichtverletzung oder die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. Da dies absolut gängiger Praxis entspricht, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit an dieser Terminologie festgehalten werden, obgleich ausdrücklich klar gestellt sein soll, dass diese sprachliche Simplifizierung keinesfalls in ein Fahrwasser führen darf, „jedwede Pflichtverletzung“ im Rahmen der Untreue als tatbestandsmäßig anzusehen. 2. Einschränkung auf „gravierende Pflichtverletzungen“ Der Bundesgerichtshof erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung an, dass nicht jedwede Pflichtverletzung, die kausal einen Nachteil verursacht, für die Bejahung des § 266 StGB ausreichen kann. Auf der Suche nach der untreuerelevanten Pflichtverletzung scheidet der Bundesgerichtshof lediglich formale Pflichtverletzungen aus, indem der auf das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung abstellt. Hier liegt – wie anhand des Urteils BGHSt 47, 187 schon diskutiert – eine hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB in strafbefreiender Hinsicht vor.671
668 Exemplarisch z. B. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 61; Dierlamm, in: MüKoStGB, § 266 Rn. 151; Saliger, Gibt es eine Untreuemode?, in: HRRS 2006, 10 [12, 17]. 669 Corsten, Pflichtverletzung und Vermögensnachteil bei der Untreue, in: wistra 2010, 206; Jahn, Pflichtverletzung bei der Untreue, in: JuS 2011, 1133. 670 BGHSt 33, 244 [250]; 35, 224; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 30; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 45 Rn. 11, 14, 18 u. 24. 671 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1.
244
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
3. Entmaterialisierung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung; Vermögensbezug der Pflichtverletzung In der Literatur ist eine Diskussion darüber im Gange, ob die Pflichtverletzung bei der Untreue eine spezielle untreuerelevante sein muss, also ob die verletzte Pflicht einen spezifischen Vermögensbezug haben muss.672 Leider hat der Bundesgerichtshof zu dieser Frage insbesondere im Siemens-Urteil noch keine Stellung bezogen, obwohl dies eine gute Gelegenheit dargestellt hätte, da es in der Entscheidung maßgeblich auch auf diese Unterscheidung angekommen wäre.673 Erst später im sogenannten Siemens-AUB674-Beschluss, zetilich nach der Entscheidung BVerfGE 126, 170 ergangen675, hat der BGH ausdrücklich entschieden, dass eine Pflichtverletzung in der Regel nur dann pflichtwidrig im Sinne des Untreuetatbestands ist, wenn die verletzte Rechtsnorm zumindest auch unmittelbar oder mittelbar „vermögensschützenden Charakter“ hat; dieses Erfordernis gelte selbst dann gelte, wenn die Pflichtverletzung nach anderen Normen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Treuepflichtigen auslösen kann.676 Diese Ansicht bestätigte der BGH 2011 in seinem Beschluss zum Kölner Parteispendenskandal: Pflichtwidrig im Sinne des Untreuetatbestandes können nur Verstöße gegen vermögensschützende Normen sein.677 Eine Einschränkung auf nur vermögensbezogene Pflichtverletzungen scheint in der Tat angezeigt zu sein. Dies vor dem Hintergrund, dass das Handlungsunrecht der Untreue, die Pflichtverletzung, als Teil des Unrechts eines Vermögensdelikts einen Vermögensbezug haben muss, um aus der Untreue kein ausschließliches Vermögensverletzungsdelikt zu machen. Insbesondere können Täter, die zwar als Treunehmer in einem Vermögensbetreuungsverhältnis stehen, nicht für jede Pflichtverletzung nach § 266 StGB bestraft werden, nur weil diese einen Vermögensschaden nach sich zieht. Dies liefe auf einen Missbrauch der Untreue hinaus.678 Die Untreue hat ihre Daseinsberechtigung insbesondere auch aus der Überlegung der sonst schutzlosen „Flanke“ einer Verletzung des Vermögens von innen heraus. Diese Innenstellung, aus der die Untreue heraus begangen wird, ist jedoch eine vermö672 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V. 4.; Rönnau, Einrichtung „schwarzer“ (Schmiergeld-) Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, in: FS Tiedemann 2008, S. 713 [720 ff.]; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier-StGB, § 266 Rn. 82 f.; Saliger, in: HRRS 2006, 10 [22 f.]; Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 52 f. 673 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [300]; siehe Kapitel 2, § 8, D. VIII. m.w.N. 674 Der Arbeitnehmerzusammenschluss „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger – AUB – die Unabhängigen e.V.“ 675 Der BGH hat mutmaßlich vor einer Entscheidung im AUB-Verfahren erst die verfassungsgerichtliche Entscheidung BVerfGE 126, 170 abgewartet (vgl. Schünemann, Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punk des Untreuetatbestand (Teil 2), in: StraFo 2010, 477 [480]); siehe hierzu auch unter Kapitel 3, § 5, C. I. 676 BGHSt 55, 288. 677 BGHSt 56, 203. 678 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [300].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
245
gensbezogene Innenstellung. Daraus folgt, dass auch nur vermögensbezogene Pflichtverletzungen aus der vermögensbezogenen Innenstellung heraus unter Untreuestrafe stehen dürfen, die gerade diesen besonderen Schutz liefern soll. Die Pflichtverletzung muss folglich einen Bezug zum materiellen Unrecht der Untreue haben.679 Lässt man dagegen auch nicht vermögensbezogene Pflichtverletzungen ausreichen, hat das Merkmal der Pflichtwidrigkeit keinen auf die Untreue bezogenen speziellen materialen Gehalt mehr; jedes verbotene Handeln gegen das Opfer würde genügen. Indem man die Pflichtverletzung auf diese Art entmaterialisiert, prozeduralisierte man das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung (hypothetisch) durch das Kriterium des verbotswidrigen Handelns, das so nicht über das geschützte Rechtsgut und das Unrecht der Untreue zu unterlegen wäre. Es handelte sich in diesen Fällen680 folglich um eine Prozeduralisierung contra legem. 4. Die Verschleifung von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil Die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen wurde schon als eine strukturelle Gefahr des § 266 StGB identifiziert.681 Dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB nach stehen die beiden Tatbestandsmerkmale Pflichtverletzung und Nachteil selbständig zueinander. Das eine bedingt nicht das andere und vice versa. Dies bestätigt auch das Bundesverfassungsgericht, indem es den gesetzgeberischen Willen darin sieht, das Nachteilsmerkmal neben dem der Pflichtverletzung als ein selbständiges zu statuieren.682 Insofern seien durch die Strafgerichte auch jeweils eigenständige Feststellungen erforderlich.683 Dies gilt für beide Merkmale gleichermaßen: Der Schluss vom Vermögensnachteil auf die Pflichtverletzung stellt genauso wie der Schluss von der Pflichtverletzung auf den Vermögensnachteil (dann oft in Gestalt der so genannten schadensgleichen Vermögensgefährdung) eine unzulässige hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB contra legem dar. 5. Die hypothetische Prozeduralität des Tatbestandsmerkmals der „Pflichtverletzung“ Die hypothetische prozedurale Handhabung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung liegt in zweifacher Hinsicht vor. Einerseits wird durch eine Simplifizierung der Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB nur von einer „Pflichtverletzung“ allgemein gesprochen. Die damit zwangsläufig verbundene sprachliche Ausweitung des Anwendungsbereichs wird sodann wieder korrigiert, indem der Pflichtverletzung handhabbare Konturen verliehen werden. So erklären 679 680 681 682 683
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. Vgl. die Besprechung von BGHSt 52, 323 unter Kapitel 2, § 8, D. III. 1. Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. II. BVerfGE 126, 170 [211]. BVerfGE 126, 170 [211].
246
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
sich Einschränkungen auf „gravierende“ Pflichtverletzungen oder das Verlangen nach einem bestimmten Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil. In der Literatur wird teilweise vertreten, die Pflichtverletzung anhand der Verletzung von Kriterien zur Feststellung pflichtgemäßen Handelns zu bestimmen: Transparenz des Handelns, Offenlegung von Vorgehensweisen, Gehorsam gegenüber exekutiven Vorgaben.684 Andererseits lassen sich bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit selbst hypothetisch prozedurale Tendenzen erkennen. So wird vom eingetretenen Vermögensnachteil auf das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit geschlossen. Insbesondere beim Vorliegen eines Nachteils in Gestalt einer von der h.A. so genannten schadensgleichen Vermögensgefährdung „verschleift“ sich die Bestimmung von Pflichtverletzung und Nachteil. Das zentrale Merkmal der Pflichtverletzung bei der Untreue, sowohl in der Missbrauchs- als auch in der Treubruchsalternative, knüpft (unter anderem) an außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen des Zivil- und Öffentlichen Rechts an (insofern: Akzessorietät685), die die Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer regeln und gestalten und so erst den Inhalt der strafbewehrten Pflicht und die Maßstäbe einer Verletzung mitbestimmen.686 Dabei stelle das Pflichtwidrigkeitsmerkmal keineswegs ein bloßes Blankettmerkmal dar, das sich in einer Weiterverweisung auf diese außerstrafrechtlichen Regelungen erschöpfte, sondern es handelt sich um ein „komplexes normatives Tatbestandsmerkmal“687.688 VIII. Der Vermögensnachteil Die Untreue gemäß § 266 StGB stellt ein reines Vermögensverletzungserfolgsdelikt bzw. ein Bestandsschutzdelikt dar, das ein Erfolgsunrecht voraussetzt; der Versuch der Untreue ist straflos.689 Der Vermögensnachteil muss nach h.A. kausal auf der Pflichtwidrigkeit beruhen.690 Nach einer im neueren Schrifttum vordringenden Auffassung wird jedoch auch die Forderung eines Zurechnungs- bzw. Pflichtwid684
Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 169. Zur (limitierten) Zivilrechtsakzessorietät siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. g). 686 BVerfGE 126, 170 [204]; Beulke, Wirtschaftslenkung im Zeichen des Untreuetatbestandes, in: FS Eisenberg 2009, S. 245 [250]; Hohmann, in: ZIS 2007, 38 ff.; Rönnau, in: ZStW 2006, 887 [905]. 687 BVerfGE 126, 170 [204.] 688 Kubiciel, Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuetatbestand, in: NStZ 2005, 353 [357 ff.]; Rönnau, in: ZStW 2006, 887 [904]. 689 BVerfGE 126, 170 [206]; Perron, Bemerkungen zum Gefährdungsschaden bei der Untreue, in: FS Tiedemann 2008, 737 [740]; Rönnau, Anm. zum Urt. d. BGH v. 29. 8. 2008 – 2 StR 587/07, in: StV 2009, 246. 690 BGHSt 46, 30 [34]; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 188; Saliger, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier-StGB, § 266 Rn. 79 ff. m.z.w.N. 685
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
247
rigkeitszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden geäußert;691 relevant ist nach dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB nur der Nachteil, der „dadurch“ – also durch die Pflichtwidrigkeit – herbeigeführt wurde. Konsequenz wäre, dass bei Pflichtwidrigkeiten, die in reinen „Formalverstößen“692 oder nur in der Veretzung von Pflichten, die ausschließlich im öffentlichen Interesse693 liegen, der Nachteil nicht mehr zurechenbar wäre. Auch die Rechtsprechung verlangt teilweise, dass der Nachteil gerade auf der Pflichtverletzung beruhen muss.694 Diese Rechtsprechung wird als Erfordernis eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs interpretiert.695 1. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung Bei § 266 Abs. 1 StGB genügt – wie auch bei § 263 Abs. 1 StGB696 – eine so genannte schadensgleiche Vermögensgefährdung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung bestehe zwischen Gefährdung und Schaden nur ein quantitativer Unterschied.697 Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Nachteils ist im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB nicht unumstritten.698 Da im Erfolg die Untreue mit dem Betrug, § 263 Abs. 1 StGB, nach h.A. übereinstimmt, erscheint schon a priori eine bloß auf die Untreue konzentrierte Kritik hinsichtlich der schadensgleichen Vermögensgefährdung zumindest fragwürdig.699 Eine Differenzierung wird teilweise dadurch gerechtfertigt, dass der Betrugstatbestand anders als der Untreuetatbestand feste tatbestandliche Konturen aufweise700 und dass bei § 266 StGB der Versuch im Gegensatz zu § 263 StGB nicht strafbar ist.
691
Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 188; Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier-StGB, § 266 Rn. 79 ff.; Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [145]. 692 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [145]. 693 Schünemann, Der Bundesgerichtshof im Gestrüpp des Untreuetatbestandes, in: NStZ 2006, 196. 694 BGHSt 43, 293 [297]. 695 Kindhäuser, Pflichtverletzung und Schadenszurechnung bei der Untreue, in: FS Lampe 2003, S. 709 [724]. 696 BGH, in: NJW 1999, 1489 [1491]. 697 BGHSt 34, 395 f. 698 Aldenhoff/Kuhn, § 266 StGB – Strafrechtliches Risiko bei der Unternehmenssanierung, in: ZIP 2004, 103 [106 f.] m.w.N. 699 Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473. 700 Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534 [535]; vgl. auch D. 8) m).
248
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
a) Die schadensgleiche Vermögensgefährdung als notwendige Konsequenz des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs Das Phänomen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ist notwendige und somit auch hinzunehmende Folge eines wirtschaftlichen Vermögensbegriffs. An dieser Stelle soll nicht an die andernorts zur Genüge geführte Diskussion der verschiedenen Vermögensbegriffe701 im Strafrecht angeknüpft werden. Es genügt im Rahmen dieser Arbeit die Feststellung, dass der schadensgleichen Vermögensgefährdung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise des Vermögensbegriffs zu Grund liegt.702 Dies bestätigte auch das Bundesverfassungsgericht jüngst in seiner Grundsatzentscheidung zur Untreue: „Grundsätzlich soll der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue nach heutiger Rechtsprechung und herrschender Lehre […] unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden“.703 Die Konsequenz dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist ein vom tatsächlich begreifbaren bzw. sichtbaren Vermögen abstrahierter theoretisch-normativer Begriff des Vermögens – ein der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar nicht zugänglicher Gegenstand, der sich erst aus einer (wirtschaftlichen) Bewertung ergibt,704 der im Kern auch den Hauptkritikpunkt an der Lehre der schadensgleichen Vermögensgefährdung bildet: die hierdurch mögliche Diskrepanz des „tatsächlich begreifbaren“ Vermögens und des wirtschaftlich bestimmten Vermögens. Bei streng wirtschaftlicher Betrachtungsweise liegt nämlich – anders als der Wortlaut des Phänomens der schadensgleichen Vermögensgefährdung suggerieren mag705 – ein vollends eingetretener Vermögensnachteil vor. Deshalb ist die Kategorie der schadensgleichen Vermögensgefährdung dem Grundsatze nach auch allgemein von der h.A. anerkannt.706 Die Kritik bezieht sich nämlich in der Hauptsache nur auf die Bestimmungsansätze der Rechtsprechung für das Vorliegen eines Nachteils unter wirtschaftlicher Betrachtung und ihre Handhabung im Einzelfall.707 Dieser Nachteil 701 Vgl. exemplarisch Tiedemann, in: LK-StGB, § 263 Rn. 127 ff.; Hefendehl, in: MüKoStGB, § 263 Rn. 294 ff. 702 BGHSt 47, 295 [301 f.]; BGH, in NStZ-RR 2006, 378 [379]; Dierlamm, in: MüKoStGB, § 266 Rn. 115; Kühl, StGB, § 266 Rn. 17. 703 BVerfGE 126, 170 [213]. 704 BVerfGE 126, 170 [206]; Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57 [62]; Joecks, Gefühlte Schäden?, in: FS Samson 2010, S. 355 [355 ff., 365]. 705 Zur unglücklichen Terminologie der „schadensgleichen Vermögensgefährung“ vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 549. 706 Fischer-StGB, § 266 Rn. 150; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 110; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 45 Rn. 41 f.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 146. 707 BVerfGE 126, 170 [222]; Albrecht, In Treue gegen die Untreue, in: FS Hamm 2008, S. 1 [2 f.]; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 186; Otto, Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 1, in: JZ 1985, 69 [72]; Otto, Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 2, in: JZ 1993, 652 [657]; Samson/Günther, in: SK-StGB, § 266 Rn. 45.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
249
tritt nur in Form einer konkreten Gefahr auf. Jedoch werden unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewisse, verdichtete Gefahren eines zukünftigen (effektuierten) Verlustes von Vermögen schon als gegenwärtige Minderung des Vermögenswertes und damit als vollendeter Nachteil betrachtet.708 Die unbestimmte Komponente dieser Nachteilsbestimmung liegt mithin alleine darin, dass es in vielen Fällen eine tatsächlich sehr schwierige Frage darstellt, was unter wirtschaftlichen Kriterien schon als gegenwärtiger Nachteil angesehen werden kann.709 Das Problem ist somit streng genommen kein juristisches, sondern ein wirtschaftswissenschaftliches. b) Inkonsequenzen der Anwendung der Lehre der schadensgleichen Vermögensgefährdung Die streng wirtschaftliche Nachteilsbestimmung ist Kritik ausgesetzt,710 die jedoch komplett von der Kritik zu trennen ist, die eine inkonsequente Anwendung der streng wirtschaftlichen Betrachtungsweise innerhalb der Lehre der schadensgleichen Vermögensgefährdung beklagt. Die Feststellung eines Vermögensnachteils beruht nach h.A. auf dem Grundsatz der Gesamtsaldierung. Dies bedeutet, dass ein Ereignis einen Vermögensschaden begründet, wenn auf Grund des Ereignisses alle Vermögenszuflüsse und Vermögensabflüsse einen negativen Saldo ergeben.711 Deshalb sind in einem ersten Schritt die Vermögenszuflüsse und Abflüsse zu ermitteln. Die mathematische Logik einer Saldierung712 in Gleichungsform erfordert, dass die gleichen Kriterien zur Ermittlung der Zuwächse als auch der Abflüsse angelegt werden. Im Falle der Feststellung nach der Lehre der schadensgleichen Vermögensgefährdung sind daher sowohl die Vermögenszuflüsse (also auch so genannte Expektanzen) als auch die Vermögensabflüsse nach den gleichen streng wirtschaftlichen Kriterien zu ermitteln. In dieser einfachen Feststellung liegt das tatsächliche Problem, dass die Vermögenszuflüsse teilweise nicht nach derselben wirtschaftlichen Betrachtungsweise ermittelt wer-
708
BVerfGE 126, 170 [221]. Zu Recht weist Lackner darauf hin, dass es „auf der Grundlage der im Wirtschaftsverkehr maßgebenden Wertvorstellungen eine Möglichkeit eindeutiger Abgrenzung des Schadens vom Nichtschaden nicht gibt“ und dass „im Wirtschaftsverkehr u. U. schon die entfernteste Gefahr Einfluß auf die Wertschätzung eines Gutes hat“, Lackner, in: LK-StGB, hier: 10. Aufl., § 263 Rn. 151 u. 153. 710 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. III. 1. d) bb). 711 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 168. 712 Unabhängig von der Frage, was überhaupt zu saldieren ist: Die Vermögenslagen vor/ nach der Pflichtverletzung (h.A., Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 168 m.w.N. zur Rspr. u. Lit.) oder die Vermögenslagen mit/ohne die Pflichtverletzung (BVerfGE 126, 170 [211]) oder die Vermögenslagen vor/infolge der Pflichtverletzung (Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 168). 709
250
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
den,713 sodass sich ein inkonsequent ermittelter, dann falscher Saldo der Gleichung ergeben kann. c) Hypothetische Prozeduralität der schadensgleichen Vermögensgefährdung Die hypothetische Prozeduralität der Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung liegt einerseits in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise selbst. Möchte man zwischen einem „effektuierten“714, „endgültigen“715, „vertieften“, „effektiven“716 bzw. „reellem“ Nachteil und einem wirtschaftlich bestimmten Nachteil differenzieren, so stellt sich vom Standpunkt des tatsächlichen Nachteils als richtigen Bezugspunkt aus gesehen die wirtschaftliche Betrachtung als eine hypothetische Prozeduralisierung des reellen Nachteilsbegriffs dar. Ist jedoch auf den Standpunkt des wirtschaftlich bestimmten Schadensbegriffs als richtigen Bezugspunkt abzustellen, so läge umgekehrt in der tatsächlichen Betrachtung des endgültigen Schadens eine Prozeduralisierung717 des wirtschaftlich bestimmten Schadens. Diese Frage kann jedoch nur dann beantwortet werden, wenn man sich der Diskussion des strafrechtlichen bzw. untreuerechtlichen Vermögensbegriffs zuwendet, was an dieser Stelle jedoch noch nicht geschehen kann. Des Weiteren indiziert die – als richtig akzeptierte – wirtschaftliche Determinierung des Nachteilsbegriffs gemäß der h.A. eine weitere hypothetische Prozeduralisierung: Die Problematik der Komplexität der wirtschaftlichen Betrachtungsweise selbst, zumal diese vom strafrechtlichen Richter vorzunehmen ist, nährt hypothetisch prozedurale Kriterien zur Handhabbarmachung heranzuziehen. Die Unschärfe und Unbestimmtheit, zumindest für das Strafgericht, der wirtschaftlichen Nachteilsbestimmung erfordert die Übersetzung in besser handhabbare Kriterien, was wiederum als hypothetische Prozeduralisierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Nachteilsbestimmung verstanden werden kann. Problematisch ist hierbei, dass der Tatbestand des § 266 StGB insofern keine Prärogativen liefern kann – es sich folglich um eine außertatbestandliche Prozeduralisierung ggf. contra legem handeln muss. Diese Prozeduralisierung erfolgt mithilfe gefestigter fallgruppenspezifischer Obersätze der Strafrechtsrechtsprechung zu Kriterien, bei deren Vorliegen wirtschaftlich von einem Nachteil gesprochen werden kann.718
713 Vgl. z. B. Vogel, Anm. zu BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 – 5 StR 299/03, in: JR 2005, 114 [125 f.]. 714 So z. B. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 551 im Rahmen der Argumentation zum Problematik des Eingehungsbetruges. 715 So z. B. BGHSt 46, 30. 716 So z. B. BGHSt 52, 323 [336]; Matt/Saliger, Straflosigkeit der versuchten Untreue, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, S. 217 [236] und Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389 [391]. 717 Siehe hierzu unter Kapitel 2, § 8, D. 2. 718 BVerfGE 126, 170 [222].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
251
2. Die Untreue als vermeintliches zeitliches Distanzdelikt Die Untreue kann in den meisten Fällen ihrer Phänomenologie als Distanzdelikt im hier verstandenen Sinne angesehen werden. Hieraus ergeben sich mehrere Probleme; insbesondere ist dies ein Indiz für mögliche tatbestandstranszendenten Prozeduralisierungen bei der Entscheidung derartiger Fälle. a) Der Begriff des zeitlichen Distanzdelikts Vorweg sei gesagt, dass der Begriff des Distanzdelikts im hier verwendeten Sinne nichts mit dem Begriff des (örtlichen) Distanzdeliktes zu tun hat, wie er im Rahmen der Prüfung der Anwendung des deutschen Strafrechts verwendet wird.719 Distanzdelikt im hier verstanden Sinne soll heißen, dass der Durchlauf der verschiedenen Deliktsstadien bei der Untreue zeitlich extrem gestreckt sein kann. Insofern wird von einem zeitlichen Distanzdelikt gesprochen. Insbesondere die Zeit zwischen der Untreuehandlung und dem sichtbaren Untreueerfolg („effektuierte Schaden“) kann lange dauern. Es ergeben sich nämlich lange gestreckte zeitliche Distanzen, wenn man den Erfolg der Untreue in einem weiten Sinne als so genannten endgültig eingetreten Schaden720 oder als die Schadensvertiefung721 versteht. In diesem Zusammenhang wird erneut die Frage aktuell, was als der relevante Nachteil als Erfolg im Sinne des § 266 StGB überhaupt zu verstehen ist, namentlich erneut die Frage der Behandlung der so genannten schadensgleichen Vermögensgefährdung.722 b) Entstehung eines effektuierten Vermögensnachteils als dynamischer Prozess? Das Bundesverfassungsgericht selbst gibt zu bedenken, dass es sich im Allgemeinen bei der Entstehung eines Vermögensnachteils bei der Untreue um einen „dynamischen Prozess“ handele, dessen Beurteilung stark davon abhängen könne, welcher Zeitpunkt der Betrachtung zu Grunde gelegt werde.723 Mit dieser Formulierung kann sich das Bundesverfassungsgericht wohl nur auf den effektuierten bzw. so genannten endgültigen bzw. vertieften Schaden724 beziehen und nicht auf den wirtschaftlich bestimmten Schaden als Erfolg des § 266 StGB. Etwas anderes stellte eine unzulässige hypothetische Prozeduralisierung des Nachteilsmerkmals dar, was zu zeigen sein wird.
719 So z. B. bei Ambos, in: MüKo-StGB, vor-§§ 3 – 7 Rn. 90; § 9 Rn. 1 und 2; Heinrich, Handlung und Erfolg bei Distanzdelikten, in: FS Weber 2004, S. 91. 720 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. c). 721 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. c). 722 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. a). 723 BVerfGE 126, 170 [206 f.]; so auch: Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8 [12]. 724 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. c).
252
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
c) Prozeduralisierung bei geringer zeitlicher Distanz zwischen Untreuehandlung und endgültigem Schadenseintritt Vor allem bei typischen Risikogeschäften im Bereich der Finanzwirtschaft, so z. B. bei weitreichenden Kreditengagements oder Investitionsentscheidungen, kann die Bezifferung des endgültigen Schadens bei einer auf sehr lange Zeit angelegten Entscheidung zum Zeitpunkt der potentiellen Untreuehandlung schier unmöglich sein. Man denke nur beispielsweise an einen 30 Jahre valutierten Kredit oder an die Investition in ein auf 30 Jahre (bis zur Rentabilität) angelegtes Bauprojekt. Es ist in solchen Fällen unmöglich, die Bezifferung des endgültig eingetretenen Schadens vorzunehmen ohne die Zeit abzuwarten. Ob ein so langlaufendes Risiko sich dann letztlich nach z. B. 30 Jahren als endgültiger Schaden realisiert oder nicht, weiß man erst nach Ablauf dieser Zeit. Weil jedoch eine Beurteilung der Handlung unter dem Gesichtspunkt der Untreue alsbald vorher erfolgen muss, wird in diesen Fällen automatisch der Schaden im Zeitpunkt der Handlung unter wirtschaftlichen, also normativen Gesichtspunkten beurteilt. Die Bestimmung des Nachteils als Erfolg der Untreue im Zeitpunkt der Handlung durch eine wirtschaftliche Betrachtung stellt jedoch gerade keine hypothetische Prozeduralisierung des Nachteilsmerkmals dar. Denn die wirtschaftliche Betrachtung des Vermögens im Rahmen der Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung entspricht dem wirtschaftlich definierten Rechtsgut „Vermögen“ des § 266 StGB. Insofern gebietet sich sogar eine solche wirtschaftliche Betrachtung. Darum ergeben sich gerade in der umgekehrten Konstellation Indizien einer hypothetischen Prozeduralisierung des Nachteilsmerkmals. Sobald eine zeitlich nur sehr kurze Distanz zwischen der Untreuehandlung und dem Eintritt eines vertieften Schadens liegt, könnte es nahe liegen, auf den Eintritt des vertieften Schadens als Nachteil im Sinne des § 266 StGB abzustellen. Dies wiederum stellte jedoch eine unzulässige hypothetische Prozeduralisierung dar, da der Eintritt eines effektuierten Schadens bei Risikoentscheidungen nichts mehr mit dem durch § 266 StGB geschützten wirtschaftlich bestimmten Vermögen des Treugebers zu tun hat bzw. genauer: keinen kausalen und ggf. zurechenbaren Zusammenhang mit der Untreuehandlung mehr hat.725 Die endgültige Realisierung oder Nichtrealisierung eines Schadens beruht nicht selten auf Zufall oder dem Hinzutreten weiterer Handlungen Dritter, jedenfalls in der Regel auf der zeitlichen Entwicklung und oft nicht mehr auf der Handlung des Treunehmers. Daher verbietet sich der Schluss vom endgültig eingetretenen Schaden (der sich so nur in Konstellationen der Untreue als vermeintliches Distanzdelikt vor allem bei Risikoentscheidungen zeigt) auf den Vermögensnachteil – sei die zeitliche Distanz auch noch so klein.726 So betrachtet, begeht der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 52, 323 genau diesen Fehler und betrachtet die Untreue als zeitliches Distanzdelikt, sogar in der Form, dass 725
In der Sache so auch Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297. 726 So für den Schluss vom endgültigen Ausfall eines Kredits auf die Pflichtwidrigkeit: BVerfGE 126, 170; BGHSt 46, 30 [34].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
253
derselbe Schaden nach der ersten Pflichtverletzung noch weitere Male eintreten könne. d) Konsequenz: Kritik an der Untreuerechtsprechung unter dem Topos der Vorverlagerung der Strafbarkeit bei fehlender Versuchsstrafbarkeit verfehlt Nicht selten wird die Rechtsprechung der Untreue, vor allem im Zusammenhang mit Entscheidungen, die eine Bejahung des Vermögensnachteils unter dem Verweis auf die Figur des Gefährdungsschadens enthalten, dahingehend kritisiert, die fehlende Versuchsstrafbarkeit der Untreue727 werde umgangen.728 Konsequenz einer wirtschaftlichen Betrachtung des Vermögens als geschütztem Rechtsgut der Untreue729 ist nicht nur die ebenso wirtschaftliche Bestimmung des Vermögensnachteils als Saldo zweier Vermögenszustände (und damit auch die Richtigkeit der Ergebnisse und die hier vertretene Überflüssigkeit der besonderen Benennung der Figur als schadensgleiche Vermögensgefährdung) sondern auch die Schlussfolgerung, dass der Erfolg der Untreue regelmäßig nur in der juristischen Sekunde nach Abschluss der Untreuehandlung730 eintreten kann – so genanntes Unmittelbarkeitsprinzip.731 Dies ist deshalb denknotwendige Konsequenz, da das Vermögen des Treugebers zu jeder juristischen Sekunde wirtschaftlich betrachtet732 bestimmt werden kann – und damit auch bereits in der juristischen Sekunde nach Abschluss der Handlung festgestellt werden kann, ob ein Schaden eingetreten ist oder nicht. Dies ist deshalb der Fall, weil die Handlung bei der Untreue regelmäßig im Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns liegt. Die Konstellation liegt ähnlich der bei der Fallgruppe des Eingehungsbetruges733 bei § 263 StGB: So bildet nach ganz 727 Der Versuch der Untreue ist gemäß § 23 Abs. 1 StGB nicht strafbar, da die Untreue weder ein Verbrechen, § 12 Abs. 1 StGB, ist, § 23 Abs. 1 Var. 1 StGB, noch die Versuchsstrafbarkeit der Untreue gesetzlich angeordnet ist, § 23 Abs. 1 Var. 2 StGB. 728 So auch: Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes: Eine kritische Analyse der neueren Rechtsprechung zum Begriff des Vermögensnachteils in § 266 StGB, in: ZStW 2000, 563 [565]. 729 Siehe unter Kapitel 2, § 8, C. 730 Bzw. nachdem diese (zivilrechtliche) Wirkung entfaltet und was auch für eine Untreuestrafbarkeit ausreicht: Schramm, Untreue und Konsens, S. 65. 731 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 168. 732 Für Schünemann folgt diese Konsequenz ebenfalls aus dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff, Schünemann, in: LK-StGB, § 266 Rn. 168; für Saliger schon aus der Tatbestandsstruktur, Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes: Eine kritische Analyse der neueren Rechtsprechung zum Begriff des Vermögensnachteils in § 266 StGB, in: ZStW 2000, 563 [611]. 733 Mutatis mutandis zur Kritik an der fehlenden Versuchsstrafbarkeit des § 266 StGB wird diesen Orts kritisiert, durch die Vorverlagerung der Strafbarkeit werde dem Täter die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch genommen, § 24 StGB, vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 551.
254
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
h.A. schon der Vertragsschluss mit einem Erfüllungsunwilligen einen Schaden in Form einer Belastung mit einem zivilrechtlichen Anspruch, dem kein wirtschaftlich werthaltiger Gegenanspruch gegenüber steht.734 Auch in diesem strukturell sehr ähnlichen Fall – wirtschaftlicher und effektuierter Schaden fallen auseinander – ist der Grund in der wirtschaftlichen Schadensbestimmung zu sehen. Rechtsgeschäftliches Handeln jedoch entfaltet in der gleichen juristischen Sekunde mit der Existenz der rechtsgeschäftlichen Handlung seine (ggf. zwar bedingten, befristeten etc., d. h. latenten) Rechtswirkungen.735 Lediglich bei tatsächlichem Handeln, welches nach ganz h.A. auch unter § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB fallen kann,736 könnten sich denkbare Konstellationen ergeben, in denen zwischen abgeschlossener Handlung und vermögenbezogener Wirkung eine gewisse Zeitspanne liegt; so z. B. bei einer eine gewisse Zeit dauernden (d. h. sich auswirkenden) Beschädigung einer Sache des Treugebers. Insofern kann sich – auf den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges bezogen737 – nur die theoretische Situation ergeben, dass ausschließlich in der Zeitspanne nach dem (per se straflosen) unmittelbaren Ansetzen zur Untreuehandlung, bestimmt wie in § 22 StGB, bis zum Abschluss der Untreuehandlung738 in jeder dieser juristischen Sekunden festgestellt werden könnte, dass gerade kein wirtschaftlich betrachteter Schaden eingetreten ist. Dagegen könnten Konstellationen, in denen zu einem späteren Zeitpunkt der Nichteintritt des Schadens festgestellt wird (also nach der abgeschlossenen Handlung), nicht mehr vom (scil. nicht strafbaren) Versuch der Untreue umfasst sein. Folglich wäre es falsch, von einer „Vorverlagerung“ der Strafbarkeit – unter Hinweis auf die fehlende Versuchsstrafbarkeit des § 266 StGB –739 zu sprechen, sobald ein Zeitpunkt nach Abschluss der Untreuehandlung betrachtet wird. Wegen der theoretischen Möglichkeit der jederzeitigen Bildung eines wirtschaftlich betrachteten Vermögenssaldos handelt es sich bei dem Zeitpunkt nach Abschluss der Untreuehandlung nicht um eine Vorverlagerung der Strafbarkeit sondern um den einzig richtigen Zeitpunkt einer Beurteilung.740 Jeder später beurteilte Zeitpunkt wäre inkonsistent zur wirtschaftlichen Betrachtung des Vermögensschadens und stellte eine (unzulässige) hypothetische Prozedurali734
Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 551. Auch wenn die Rechtswirkungen rechtsgeschäftlichen Handelns aufgeschoben sind, entfaltet die rechtsgeschäftliche Handlung ab dem Zeitpunkt ihrer Existenz an eine (bedingte, befristete etc.) Rechtswirkung. 736 Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 35. 737 Scil. nicht der einzige Fall, in dem eine Versuch in Betracht kommt; so z. B. auch, wenn der eingetretene Erfolg der Handlung nicht zurechenbar ist. 738 Wegen der Tatsache, dass in der Regel rechtsgeschäftliches Handeln die Begehungsform der Untreue darstellt, wäre die Zeitspanne zwischen unmittelbarem Ansetzen zur Untreuehandlung, also in der Regel das unmittelbare Ansetzen zur rechtsgeschäftlichen Handlung, und dem Abschluss der Untreuehandlung ohnehin regelmäßig sehr kurz; insbesondere fielen bloße Vorbereitungshandlungen zur rechtsgeschäftlichen Handlung gerade nicht unter das unmittelbare Ansetzen. 739 So z. B. der Beschwerdeführer zu I. in BVerfGE 126, 170 [186]. 740 Der gleichen Meinung ist: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 292 f. 735
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
255
sierung des Vermögensschadens contra legem dar. Dieser Ansicht dürfte wohl auch der Bundesgerichtshof in Bezug auf die Fälle schadensgleicher Vermögensgefährdungen (d. h. bei Bestimmung des Nachteils auf wirtschaftlicher Grundlage) sein, in denen er spätere Schadensvertiefungen bzw. Herbeiführungen endgültiger Verluste nicht als neue Tat betrachtet sondern als bloße Beendigung der bereits mit Eintritt des wirtschaftlich bestimmten Schadens vollendeten Untreue.741 Diese Überlegungen werden durch einen Vergleich mit den ähnlich strukturierten Fallgestaltungen bei den Körperverletzungsdelikten bestätigt. So käme einerseits niemand auf die Idee bei dem „Normfall“742 einer Körperverletzung zwischen dem tatbestandsmäßigen und effektuierten Schaden zu differenzieren. Wenn beispielsweise jemand einen anderen Menschen mit einem Messer schneidet, dann stellt die Wunde schon den tatbestandsmäßigen Erfolg im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB in Form einer Gesundheitsschädigung dar – und zwar unabhängig davon, ob nach ein paar Wochen alle Spuren völlig verschwunden sind oder ob eine Narbe743 verbleibt. Genauso wie der Vermögensschaden zu jeder juristischen Sekunde nach wirtschaftlicher Betrachtung festgestellt werden kann, kann zu jeder juristischen Sekunde auch die Frage einer Gesundheitsschädigung medizinisch festgestellt werden. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die Rechtsprechung zu Fällen der Infektion mit dem HIV-Virus: Schon die Infektion mit dem HIV-Virus selbst stellt einen pathologischen Zustand, also eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 Var. 2 StGB dar.744 Also auch die Infektion des Körpers mit einer erst nach längerer Inkubationszeit ausbrechenden Krankheit ist nach h.A. eine vollendete, tatbestandsmäßige Körperverletzung, weil damit schon medizinisch eine pathologische Veränderung eintritt.745 Nota bene, diese Betrachtung bezieht sich, vor allem die Rechtsprechung, auf das HIV-Virus, das nach heutigem Stand der Medizin zwangsläufig – wenn auch teilweise erst nach einigen Jahren – zu einem anderweitig sich sichtbar äußernden und dauerhaft pathologischen Zustand führt,746 der insofern mutatis mutandis wie bei der Untreue als effektuierter pathologischer Zustand bezeichnet werden könnte. Interessant wäre sodann die Behandlung solcher Fälle als Körperverletzung, bei der eine Infizierung mit einem Virus erfolgt, bei dem lediglich ein Risiko eines sich später äußernden pathologischen Zustands eintritt, d. h. bei dem die Infektion auch durch die körperliche Immunabwehr äußerlich folgenlos bleiben kann. Der Vergleich zu den Risikogeschäften im Rahmen der Untreue drängt sich 741
BGHSt 52, 323 [339]. Zum Begriff vgl. Haft, Juristische Lernschule. 743 Was jedoch im Sinne eines anderen Tatbestandes tatbestandsmäßig und damit erheblich sein kann, hier ggf. im Rahmen des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB. 744 BGHSt 36, 6 [264]; BGH, in: NJW 1991, 1948. 745 Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB, § 223 Rn. 7 m.w.N. 746 In der Regel der Ausbruch der Krankheit „AIDS“ (acquired immune deficiency syndrom); eine Körperverletzung ist bei der Infektion mit dem HIV-Virus nicht erst bei Ausbruch der Krankheit „AIDS“ zu bejahen, Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB, § 223 Rn. 7 m.w.N. 742
256
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
auf: Bei konsequenter medizinischer Betrachtung des pathologischen Zustands wäre eine vollendete Körperverletzung auch in diesen Fällen ohne einen effektuierten pathologischen Zustand zu bejahen. In beiden Konstellationen, bei der Körperverletzung bzw. der Untreue, darf man sich nicht davon täuschen lassen, dass für den wirtschaftlichen bzw. medizinischen Laien ein wirtschaftlich bzw. medizinisch „pathologischer“ Zustand nicht zu jeder Zeit sichtbar ist. So wie bereits die Infektion mit einem Virus – und damit das Risiko eines Ausbruchs einer sichtbaren Krankheit – medizinisch betrachtet einen pathologischen Zustand darstellt, so stellt bereits ein bloßes Risiko eines effektuierten Schadens, welches durch eine Untreuehandlung geschaffen wurde, unter wirtschaftlicher Betrachtung einen Vermögensnachteil dar. Irrelevant ist dabei, ob sich das wirtschaftlich bewertete Risiko letztlich auch verwirklicht. Konsequenz dieser theoretischen Überlegungen ist die praktische Problematik der bestimmten Feststellung dieses wirtschaftlich betrachteten Schadens zu jeder juristischen Sekunde. Dies ist denknotwendige Konsequenz des Verständnisses der Untreue als reines Vermögensdelikt. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise darf jedoch unter verfassungsrechtliche Prämissen im Strafrecht nicht zu einer Entgrenzung des Schadensbegriffs747 führen. Eine Konturierung des Schadensbegriffs vom Blickwinkel des geschützten Rechtsguts des Vermögens aus kann z. B. durch einen institutionellen Vermögensbegriff748 geschehen, also durch eine außertatbestandliche Anknüpfung, bei der die (normative bzw. (zivil-)rechtliche) Institutionalisierung anhand anderweitiger Kriterien zur Einschränkung im Tatbestand, genauer: beim Vermögensnachteil, „durchschlägt“. Für einen ähnlichen Ansatz plädiert diese Arbeit, indem die Entgrenzungsbeschränkung durch eine Prozeduralisierung de lege ferenda herbeigeführt werden soll, die über die beschränkende Funktion hinaus vor allem präventive Implikationen aufweist. Kurz gesprochen: Bei den praktischen Schwierigkeiten im Rahmen der Bestimmung des Vermögensnachteils und zur Beschränkung der Entgrenzung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils kann eine Prozeduralisierung an außerwirtschaftlichen, einfach zu beurteilenden Kriterien – Transparenz – die Lösung sein. Hierzu mehr im dritten Kapitel dieser Arbeit. 3. Hypothetische Prozeduralität des Nachteils bei der Untreue Konsequenz der Konstruktion der schadensgleichen Vermögensgefährdung und der Erkenntnis, dass die Untreue hinsichtlich des Erfolges gerade kein so genanntes Distanzdelikt darstellt, ist, dass das tatsächliche Geschehen im Nachgang einer Untreuehandlung von der rechtlichen Bewertung im Tatzeitpunkt abweichen kann. Namentlich kann trotz Bejahung eines Nachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dem Treugeber letzten Endes ein Vermögensvorteil entstehen. Spiegelbildlich dazu 747 748
Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 550 zum Betrug. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 407 ff. u. 553.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
257
kann sich ein pflichtgemäß eingegangenes Risiko dennoch realisieren und trotz Verneinung eines Nachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB den Treugeber eine Vermögenseinbuße treffen. Dieses Ergebnis ist Konsequenz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und insofern auch mit dieser konsistent. Dennoch besteht eine latente Gefahr, eine solche a priori widersprüchliche Situation zum Anlass zu nehmen, ex post anders über das Vorliegen eines Nachteils zu entscheiden. Liegt zum Ermittlungszeitpunkt ein evident feststellbarer Vermögensnachteil auf Seiten des Treugebers vor, der auf eine Handlung des Treunehmers zurückgeführt werden kann, so wird zumeist vermutet, dass auch ein Nachteil im Sinne des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB zum Tatzeitpunkt vorlag. Dieser Schluss ist jedoch bei konsequenter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Vermögensnachteils falsch. Dennoch ist in vielen Fällen der endgültig festgestellte Vermögensschaden aus rechtstatsächlicher Sicht in der Praxis überhaupt erst konstitutiv für die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens749 und wird als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer konkreten Vermögensgefährdung belastet.750 Dieses Phänomen muss als eine faktische Tendenz zur hypothetisch prozeduralen Bejahung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB wahrgenommen werden. Es liegt insofern eine hypothetische Prozeduralisierung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils vor, als dass dieses Tatbestandsmerkmal auf Grund eines im Nachhinein tatsächlich (oder wirtschaftlich) eingetretenen Vermögensschadens schlechthin bejaht wird. Die wirtschaftliche Betrachtung des Vermögensschadens indiziert darüber hinaus eine hypothetisch prozedurale Entscheidung über das Merkmal des wirtschaftlich bestimmten Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, wenn die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu komplex ist oder nicht konsequent sowohl auf Seiten der Vermögenszuwächse als auch der Vermögensabflüsse angewendet wird. IX. § 266 StGB als „Auffangtatbestand“ Begrifflich sei zunächst angemerkt, dass „Auffangtatbestand“ nicht im Sinne der Strafrechtsdogmatik verstanden sein soll, d. h. einen Tatbestand darstellt, der nach der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nur dann anwendbar sein soll, wenn ein anderer unanwendbar ist.751 Im hier verstandenen Sinne beschreibt die Bezeichnung der Untreue als „Auffangtatbestand“ das Phänomen, dass im 749 Um auf den oben angestellten Vergleich zur Körperverletzung zurückzukommen, wäre die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf Grund einer vorsätzlichen Virusinfektion, die sich nie als „sichtbare“ Krankheit zeigen wird gleichfalls völlig praxisfern. 750 Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: BKR 2006, 125 [131]; Gallandi, Die Untreue von Bankverantwortlichen im Kreditgeschäft, in: wistra 2001, 281 [282]: „Schlechtwetterphänomen“; Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Aufsichtsräten für Geschäftsrisiken, in: WM 2005, 2122 [2129]. 751 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [52 f.].
258
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Wirtschaftsstrafrecht die Untreue einschlägig sein kann, unabhängig davon, um welche Spezialmaterie es sich auch immer handelt – ein Auffangtatbestand im untechnischen Sinne.752 Im Zusammenhang der Kritik der Untreue wird wie bei kaum einem anderen Straftatbestand des Strafgesetzbuches derart häufig auf das Spannungsverhältnis zwischen Recht und Moral753 hingewiesen. Diese Kritik richtet sich nicht in erster Linie gegen den Tatbestand des § 266 StGB an sich,754 sondern gegen dessen Anwendung in der Rechtsprechung. Es wird häufig eine Tendenz angenommen, jeden als unangemessen empfundenen Umgang mit Vermögen mit der Untreue sanktionieren755 und hiermit auch den Vorwurf eines „Zweiklassenstrafrechts“ entkräften zu wollen.756 Saliger bezeichnet die Moralisierung der Untreue in der Rechtsprechung757 als die „hochproblematische“758 der drei Extensionstendenzen bei der Untreue und meint damit die Tendenz, moralische Mängel im weitesten Sinne als Vermögensschäden zu qualifizieren.759 Saliger beschränkt die Moralisierung folglich auf das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils und schildert die Gefahr der Kriminalisierung beliebiger (moralischer) Zweckvereitelungen.760 Der Einbeziehung von wirtschafts- oder sozialpolitischen Interessen in den Schutzbereich der Untreue steht jedoch der Charakter der Untreue als reines Vermögensdelikt entgegen.761 Gleichzeitig erhöht die Instrumentalisierung der Untreuestrafbarkeit die
752 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [53]. 753 Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389. 754 Zum Tatbestand des § 266 StGB selbst wird zumeist auf die moralischen Intentionen des nationalsozialistischen Gesetzgebers verwiesen: Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389; Dahs, § 266 StGB – allzuoft missverstanden, in: NJW 2002, 272 [273]; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 5 ff. m.w.N. 755 Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389 [390]. 756 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [56]. 757 Saliger stellt die Moralisierung zwar an einem BGH-Urteil zum Betrug dar (BGHSt 45, 1 – Amtserschleichung durch ehemalige Mitarbeiter des MfS; die Frage, ob sittliche Mängel als innere Eigenschaft des Beamten einen Vermögensschaden begründen können (BGH a.a.O., S. 11)), rechtfertigt die Übertragung der Erkenntnisse auf die Untreue jedoch mit der Feststellung des Senates, dass die Entscheidung auch für die Untreue von Bedeutung sei. Saliger statuiert ein unzulässiges Hineintragen der Zwecksetzungen des Beamtenrechts ins Strafrecht. Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [600 ff.]. 758 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [610]. 759 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [564, 600 ff.]. 760 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [608]. 761 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [571]; Langkeit, in: WiB 1996, 1131; Geerds, in: JR 1997, 340 [341].
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
259
Anfälligkeit des § 266 StGB für den Missbrauch zu strafrechtsfremden762 Zwecken.763 1. Die Entwicklung im Siemens-Fall Im Strafverfahren wegen der Affäre um schwarze Kassen beim Münchener Siemens-Konzern (Siemens-Fall764) ging der bekanntesten Entscheidung, BGHSt 53, 153, die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt in erster Instanz voraus.765 Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten K. wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich wegen Untreue sowie eines weiteren Falles der Untreue verurteilt; der Angeklagte V. wurde wegen zweier Fälle der Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr verurteilt.766 In der Entscheidung, die sich im Langtext über 217 Absätze erstreckt, hat die Strafkammer des Landgerichts Darmstadt in kurzen Ausführungen die Untreuestrafbarkeit des Angeklagten K. begründet: In nur sechs Absätzen (Nr. 148 bis 153), wobei der letzte Absatz Ausführungen zu Konkurrenzen vorbehalten ist, wird die Untreue des Angeklagten K. durch das Gewähren der Bestechungsgeldzahlung und das Führen der übernommenen schwarzen Kasse geprüft und bejaht. Der Schwerpunkt der Ausführungen des Urteils des Landgerichts Darmstadt liegt in der Prüfung und Bejahung des Tatbestandes der Bestechung im geschäftlichen Verkehr, § 299 Abs. 2 StGB a.F., für den Angeklagten K. Die Gewichtung der Argumentation des Landgerichts Darmstadt lässt vermuten, dass man sich bei der Begründung weniger auf die Strafbarkeit wegen Untreue als auf die Strafbarkeit gemäß § 299 Abs. 2 StGB a.F. konzentriert hat. Anders traf den Bundesgerichtshof einen erhöhten Begründungsaufwand, das Verhalten unter den Tatbestand der Untreue zu subsumieren, da eine Strafbarkeit der Auslandsbestechung zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht gegeben war. Zur Vermeidung einer Strafbarkeitslücke, so liegt die Vermutung nahe, wurde durch den Bundesgerichtshof mit erhöhtem Begründungsaufwand die Strafbarkeit gemäß § 266 StGB bejaht. Gewiss mag diese Überlegung allenfalls eine Randerwägung darstellen. Jedoch stellte eine solche gerichtliche Erwägung, wäre sie angestellt worden, ein hypothetisches prozedurales Entscheidungskriterium contra legem dar, da die Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr unterschiedliche Schutzziele verfolgen, die im Vermögensschutz gerade des Treugebers keine Deckung finden. Insgesamt kann eine solche Rechtsentwicklung – von der einstigen steuerlichen Absetzbarkeit 762
Insofern hier ausnahmsweise verstanden als außerhalb des systemkritischen Rechtsgüterschutzes (Vermögensschutz) liegende Ziele. Matt/Saliger, Straflosigkeit der versuchten Untreu, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, S. 217 [237 f.]. 764 Zum Sachverhalt siehe unter Kapitel 2, § 8, D. III. 1. a). 765 LG Darmstadt, Urteil vom 14. 5. 2007 – 712 Js 5213/04 – 9 KLs. 766 LG Darmstadt, Urteil vom 14. 5. 2007 – 712 Js 5213/04 – 9 KLs, Tenor.
260
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
„nützlicher Aufwendungen“767 hin zur heutigen Strafbarkeit durch die Korruptionsdelikte – ein Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung liefern, nämlich, dass in der Zwischenzeit mit Hilfe der Untreue versucht wurde, die sodann als falsch empfundenen Strafbarkeitslücken zu schließen. Auch Satzger kommt zu dem gleichen Ergebnis, sieht aber die Entwicklung auf Grund praktischer Probleme in der Verfolgung von Korruptionstaten noch nicht als beendet an. Es möge zwar aus kriminologischer, wirtschaftsethischer und rechtspolitischer Sicht unbefriedigend erscheinen, wenn die typische Korruptionsvorbereitungshandlung der Bildung und Unterhaltung schwarzer Kassen strafrechtlich nicht zu erfassen wäre,768 weil die Korruptionsdelikte erst das Anbieten eines Vorteils an die zu bestechende Person, nicht aber Verhaltensweisen im Vorfeld bestraften und dazu die ohnehin schwierige Nachweisbarkeit der Unrechtsvereinbarung bei den Korruptionsdelikten trete.769 Schließlich sei die Bestechung im Ausland lange Zeit strafrechtlich irrelevant gewesen, sodass z. B. im Siemens-Fall vor der Rechtsänderung bei § 299 Abs. 2 StGB die korruptive Handlung als solche gar nicht strafbar gewesen sei.770 Satzger verwundert es deshalb wenig, dass sich in der Praxis der Schwerpunkt der Ermittlungen immer mehr ins Vorfeld verlagert habe, indem versucht würde, den Eintritt eines (Gefährdungs-)Schadens zu konstruieren, der dann den Untreuevorwurf begründen könne.771 2. Strafprozessuale Maßnahmen Dass der Tatbestand der Untreue von seinem Wortlaut her weit gefasst ist und damit eine unübersehbare Vielzahl von Fallkonstellationen abdecken kann, ist weitgehend unbestritten.772 Das Bundesverfassungsgericht spricht von einer „Weite eines Straftatbestandes bei isolierter Betrachtung“ und „verbleibende[n] Unklarheiten über den Anwendungsbereich“.773 Der Untreue hafte damit immer noch die Intention des nationalsozialistischen Gesetzgebers an, der den Untreuetatbestand im Jahre 1933 bewusst unpräzise gehalten hat.774 767 Zur steuerrechtlichen Änderung, dass nützliche Aufwendungen nicht mehr als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können vgl. Joecks, Abzugsverbot für Bestechungsund Schmiergelder, in: DStR 1997, 1025. 768 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [298]. 769 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [298]. 770 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [298]. 771 Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297 [299]. 772 Insbesondere das Urteil BVerfGE 126, 170, siehe unter Kapitel 3, § 6, C. III. 3. 773 BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2010. 774 Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389.
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
261
a) Der Schaden als Verdachtsgrundlage Der ex post festgestellte Schaden ist Grund vieler Ermittlungsverfahren wegen Untreue, obgleich nach materiellem Recht gerade nicht ausreichend, alleine deshalb strafrechtliche Ermittlungen anzustellen. Staatsanwälten wird vorgeworfen, entsprechende Strafanzeigen nicht sorgfältig genug zu prüfen,775 bzw. aus rein zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen strafbewehrte Treuepflichten herzuleiten, sofern sie nur zu einem Vermögensschaden geführt haben.776 Ermittler unterliegen dabei oftmals dem psychologischen Phänomen des Rückschaufehlers (hidsight bias): Der letztlich endgültig eingetretene, „sichtbare“ Vermögensnachteil des Treugebers dient in der forensischen Praxis regelmäßig als (einziges) Indiz für eine Pflichtwidrigkeit der Handlung.777 Das Vorliegen irgendeines tatsächlich sichtbar gewordenen Schadens in einer Treuebeziehung rechtfertigt jedoch noch keinen Anfangsverdacht für eine Untreue. Denn bloße Möglichkeiten begründen noch keinen Anfangsverdacht;778 es dürfen nicht auf Grund bloßer kriminalistischer Hypothesen ganze Felder des sozialen Lebens durchleuchtet werden, nur weil die theoretische Möglichkeit besteht, dass Straftaten ans Licht befördert werden.779 Der Anfangsverdacht muss sich auf eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung richten.780 Zum Tatbestand gehört neben dem Vermögennachteil unstreitig auch eine (vorsätzliche) Pflichtverletzung, die im Rahmen des Anfangsverdachts gleichrangig zum Vermögensnachteil zu ermitteln wäre. Letztlich erfordert die Untreue nicht irgendeinen effektiven Schaden, der zwar für Ermittler sichtbar sein mag, jedoch tatbestandlich im Rahmen des § 266 StGB irrelevant ist, wenn er nicht – wegen der Konsequenz einer wirtschaftlichen Betrachtung des Nachteils – zum Zeitpunkt der Vollendung der Untreuehandlung vorliegt.781 Der Sachverhalt eines (sichtbar gewordenen) Schadens ist im Sinne der Untreue nicht strafrechtlich relevant, da die Untreue tatbestandlich sich gerade nicht im bloßen Eintritt eines (erst recht: effektiven) Schadens erschöpft. Alles andere wäre eine hypothetische Prozeduralisierung des Anfangsverdachts anhand des (effektuierten) Schadens. Diese schon für das materielle Recht der Untreue diskutierte Konstellation der hypothetischen Prozeduralisierung anhand eines effektiven
775
Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389. Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534. 777 Vogel, Untreue als Auffangtatbestand – auch im Arbeitsstrafrecht?, in: Rieble/Junker/ Giesen, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 49 [57]; Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [144 f.]. 778 BGH, in: NStZ 1994, 500; Beulke, in: Löwe/Rosenberg-StPO, § 152 Rn. 22. 779 Beulke, in: Löwe/Rosenberg-StPO, § 152 Rn. 22; Arndt, Umwelt und Recht, in: NJW 1962, 2000. 780 Beulke, in: Löwe/Rosenberg-StPO, § 152 Rn. 29. 781 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. a). 776
262
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Schadens ist erst recht auf die Begründung eines Tatverdachtes mutatis mutandis zu übertragen. b) Die Untreue als strafprozessualer „Türöffner“ In vielen Wirtschaftsstrafverfahren liefert der Untreuetatverdacht die Deckung für strafprozessuale Maßnahmen wie Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder (seltener) Haftbefehle. Die Erkenntnisse dieser Maßnahmen liefern den Ermittlern – mutmaßlich – zumeist erst die Grundlage eines Tatverdachts – nicht selten für andere Delikte als der Untreue. Der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens notwendige Anfangsverdacht sei vor allem bei Führungskräften in Wirtschaftsunternehmen oder Konzernen leicht begründbar, so die Meinung einiger Stimmen,782 was unter Berücksichtigung der oben angesprochenen tatbestandstranszendenten Prozeduralisierung des Anfangsverdachts bzw. der Untreue anhand eines effektiven Schadens zu erklären ist. Die grundsätzliche tatbestandliche Weite des § 266 StGB gewährt den Strafverfolgungsbehörden auch weitreichende Verfolgungsmöglichkeiten.783 Ein Durchsuchungsbeschluss z. B. muss hinreichend bestimmt sein. Der Beschluss muss den Vorwurf konkret bezeichnen und tatsächliche Angaben über den diesem Vorwurf zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt enthalten.784 Die oftmals nur schlagwortartige Bezeichnung des Delikts „Verdacht der Untreue“ genügt diesen Anforderungen nicht; ebenso wenig rechtfertigen vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen eine Durchsuchung.785 Es darf nicht gezielt nach „Zufallsfunden“ gesucht werden. Die Suche nach Gegenständen, auf die sich die Durchsuchungsanordnung nicht bezieht, ist unzulässig.786 Ein Beschluss des Landgerichts Stuttgart787 z. B. deutet in eine andere Richtung. Dem Beschluss lag der Sachverhalt zu Grunde, dass gegen einen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, des Betrugs und der Untreue geführt wurde. In diesem Rahmen erfolgte eine Durchsuchung der Wohn- und Praxisräume des Beschuldigten, der auch Steuerfahnder des zuständigen Finanzamtes beiwohnten.788 Das Landgericht hat die Hinzuziehung der Steuerfahnder als Sachverständige für Buchhaltungsfragen für zulässig erklärt. Die Staatsanwaltschaft habe mitgeteilt, dass die Steuerfahnder nicht – wie vom Be782
Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534. Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534. 784 BVerfG, in: NJW 1966, 1603 [1615]; 1976, 1735; 1977, 1489; BVerfG, in: NStZ 1992, 91; BVerfG, Beschl. v. 27. 6. 2005 – 2 BvR 103/05. 785 BVerfG, in: NStZ-RR 2006, 110. 786 OLG Karlsruhe, in: StV 1986, 10; LG Berlin, in: StV 1987, 97; LG Baden-Baden, in: wistra 1990, 118. 787 LG Stuttgart, Beschl. v. 10. 6. 1997 – 10 Qs 36/97, in: NStZ-RR 1998, 54. 788 LG Stuttgart, Beschl. v. 10. 6. 1997 – 10 Qs 36/97, in: NStZ-RR 1998, 54 f. 783
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
263
schuldigten vermutet – zum Zwecke der gezielten Suche nach Zufallsfunden zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens beteiligt wurden. Weiter mutmaßte der Beschuldigte, die Steuerfahnder hätten als Sachverständige getarnt in Wahrheit die Aufgabe gehabt, Anhaltspunkte für Steuerstraftaten zu ermitteln, was von der Staatsanwaltschaft bestritten wurde. Das Landgericht sah gefühlsmäßig die Vorbehalte des Beschuldigten zwar als verständlich an, hatte aber an der Hinzuziehung der Steuerfahnder als Sachverständige keine rechtlichen Bedenken, da grundsätzlich die Sachkunde jeder natürlichen Person in das Verfahren eingebracht werden kann, was auch für Angehörige des öffentlichen Dienstes gelte. Eine Besorgnis der Befangenheit sei nicht begründet, da es im konkreten Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten nicht um die Erforschung von Steuerstraftaten ging.789 Trotz dieser formalen Erklärung des Landgerichts Stuttgart liegt der Verdacht nahe, dass (auch) andere Motive eine Rolle gespielt haben könnten. In Tatbestandskonstellationen, in denen unter anderem auch wegen Untreue ermittelt wird und strafprozessuale Maßnahmen auf den Untreuetatverdacht gestützt werden, besteht folglich ein Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung der Untreue – genauer: des Untreuetatverdachts – mit dem Ziel, die Ermittlungen wegen Untreue oder gar andere Ermittlungen voranzutreiben. 3. Hypothetische Prozeduralität Indem (moralische) Zweckvereitelungen zur Bejahung eines Vermögensnachteils gereichen, liegt eine strafbegründende hypothetische Prozeduralisierung des Nachteilsmerkmals contra legem und damit folglich mittelbar auch eine ebensolche hypothetische Prozeduralisierung der Untreuestrafbarkeit vor. Spielen unter anderem auch nachvollziehbare, außerhalb des Tatbestandes der Untreue liegende mögliche Ziele, insbesondere die Schließung einer (vermeintlich ungewollten) Strafbarkeitslücke, eine Rolle, so handelt es sich um ein Indiz einer hypothetischen Prozeduralisierung der Untreue. Ebenso ist im Zusammenhang mit strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen, die im Umfeld auch anderer Taten als der Untreue stehen, ein besonderes Augenmerk auf das Indiz einer hypothetisch prozeduralen Handhabung der Untreue zu richten. X. Der subjektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB Die speziellen Anforderungen der Rechtsprechung an den Vorsatz beim Gefährdungsschaden – Erkennen der konkreten Gefahr und Billigen deren Realisierung –790 deuten darauf hin, dass hinsichtlich des Erfolges der Untreue die Rechtsprechung dogmatisch inkonsistente Ergebnisse erzielt, die auf Ebene des subjek789 790
182.
LG Stuttgart, Beschl. v. 10. 6. 1997 – 10 Qs 36/97, in: NStZ-RR 1998, 54 f. BGH, Urt. v. 28. 5. 2013 – 5 StR 551/11; BGHSt 41, 224; BGHSt 51, 100; BGHSt 52,
264
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
tiven Tatbestandes Korrekturen erfordern. Nach allgemeinen Grundsätzen muss sich der Vorsatz des Täters bei einem Vorsatzdelikt im Sinne des § 15 StGB, wie es die Untreue darstellt, auf den kompletten objektiven Tatbestand, d. h. auf alle zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale, beziehen.791 Eine Differenzierung im Bezugspunkt des Vorsatzes, dem objektiven Tatbestandsmerkmal, findet zumindest keine Stütze im Gesetz.792 Des Weiteren wird bei der Feststellung, ob der wegen Untreue Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt hat, die Transparenz als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium belastet; sowohl als Argument für als auch gegen vorsätzliches Handeln. Hat sich z. B. der Entscheidungsträger über interne Vorgaben hinweggesetzt oder Informationspflichten verletzt, könne er sich nach Ansicht der Rechtsprechung regelmäßig nicht darauf berufen, er habe irrig geglaubt, seine bestehenden Pflichten nicht zu verletzten.793 Andererseits ist die Verteidigung in Untreuestrafverfahren regelmäßig der Ansicht, dass z. B. das Einhalten der Vorschriften des Kreditwesengesetzes oder der Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht prima facie gegen einen Untreuevorsatz spreche.794 Gegen das Vorliegen von Vorsatz bezüglich des Vermögensnachteils spreche aus Sicht der Verteidigung auch die Tatsache, dass keine Transparenz vorgelegen habe, denn dem Beschuldigten fehle der Vorsatz, weil er gerade mit erheblichem Aufwand Vorkehrungen zur Verschleierung der Handlungen vorgenommen habe.795 Dass Transparenz als Indikator für (subjektive) Tatbestandsmerkmale dienen kann, findet sich auch an anderer Stelle im Wirtschaftsstrafrecht, so z. B. in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur so genannten Unrechtsvereinbarung im Rahmen des § 331 StGB.796 An den Nachweis des Vorsatzes stellt der Bundesgerichtshof bei nur bedingtem Vorsatz und bei Unterlassen strenge Anforderungen, wenn der Täter nicht eigennützig gehandelt hat.797 Dogmatisch ist diese Auslegung, die nicht den allgemeinen 791
Sternberg-Lieben in S/S-StGB, § 15 Rn. 9. Dieser Argumentation tritt der BGH in BGHSt 51, 100 entgegen, indem er darlegt, dass aus einer bloßen begrifflichen Gleichsetzung von schadensgleicher Vermögensgefährdung und Vollendung des Schadenseintritts (als „Schaden“) nicht ohne Weiteres „zwingende dogmatische Folgerungen für die Anwendung des Tatbestands“ abzuleiten wären. 793 Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: BKR 2006, 125 [131] mit Verweis auf BGH, in: wistra 1988, 306 und BGHSt 47, 148. 794 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146]. 795 Niehaus, in: Der Korruptionsfall Siemens, S. 26. 796 BGHSt 47, 295 (306); 48, 44 (51); OLG Karlsruhe, in: StV 1986, 10; LG Berlin, in: StV 1987, 97; LG Baden-Baden, in: wistra 1990, 118. 797 BGHSt 47, 295 [302]; BGH, in: NJW 1991, 990 [991]; Kiethe, Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bürgermeistern, in: NStZ 2005, 529 [534]; Lackner/ Kühl-StGB, § 266 Rn. 19. 792
§ 8 Untersuchung d. § 266 StGB auf hypothetische Prozeduralität
265
Regeln des subjektiven Tatbestandes798 folgt, nur schwer zu begründen. Das Ziel des Bundesgerichtshofs ist, so wird vermutet, eine restriktive Handhabung des § 266 StGB zu erreichen.799 Diese Vermutung wird durch die Tatsache gestützt, dass im Rahmen des Betruges, § 263 StGB, der Bundesgerichtshof keine Einschränkungen vornimmt und den Vorsatz nach allgemeinen Regeln bestimmt.800 Die Tatsache, dass der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB keine Selbst- oder Drittbereicherung erfordert, hat zudem die Konsequenz, dass in der Praxis häufig nur ein bedingter Vorsatz der nicht eigennützig handelnden Treunehmer vorliegt.801
E. Ergebnis: Hypothetische Prozeduralität der Untreue Auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung in diesem Kapitel steht nunmehr fest, dass die Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB de lege lata eine in Großteilen hypothetisch prozedurale bzw. hypothetisch prozedural gehandhabte Strafrechtsnorm darstellt. Unter finalen Gesichtspunkten konnten zwei Arten der hypothetischen Prozeduralisierung bei § 266 Abs. 1 StGB unterschieden werden: Einerseits eine hypothetisch prozedurale Anwendung, um systemisch bedingte Strafbarkeitslücken zu schließen. Einen weiterern Grund innerhalb dieser ersten Kategorie – und auch innerhalb der zweiten Kategorie – von hypothetischer Prozeduralisierung bei der Untreue stellt die Offenheit des § 266 Abs. 1 StGB für eine solche hypothetisch prozedurale Handhabung dar, die v. a. mit den ausfüllungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen des § 266 Abs. 1 StGB zusammenhängt. Dennoch liegt der maßgebliche Hauptgrund für eine hypothetische prozedurale Handhabung des § 266 Abs. 1 StGB in dieser Kategorie außerhalb des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB. Insofern kann in dieser Fallgruppe von einer außertatbestandlich motivierten hypothetischen Prozeduralisierung des § 266 Abs. 1 StGB gesprochen werden. 798 Helmrich, Cross-Border-Leasinggeschäfte – ein Fall strafbarer Untreue?, in: wistra 2006, 326 [330]; Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 238; Perron, in: S/S-StGB, § 266 Rn. 50. 799 Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252 [1255]; Preussner/Pananis, Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung, in: ZKB 2004, 347 [355]; BGHSt 51, 100 legt dar, dass die Gleichbehandlung von Gefährdungsschaden und entgültigem Schaden in Bezug auf den Vorsatz bedenklich sei, da sie „im Ergebnis zu einer Ausweitung des ohnehin schon äußerst weiten Tatbestands der Untreue“ führe. 800 Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534 [535]; FischerStGB, § 266 Rn. 176. 801 Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: BKR 2006, 125 [131]; BGHSt 51, 100 stellt ausdrücklich klar, dass eine Gleichbehandlung mit dem subjektiven Tatbestand des Betrugs nicht angezeit sei, da die Untreue keine Bereicherungsabsicht erfordere.
266
Kap. 2: Rechtstatsächliche Analyse des § 266 StGB
Demgegenüber steht die zweite Kategorie der Prozeduralisierung der Untreue. In dieser Kategorie liegt der Grund für eine hypothetisch prozedurale Handhabung des § 266 Abs. 1 StGB im Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB selbst begründet. Wegen des hohen Maßes an Abstraktheit des § 266 Abs. 1 StGB wird durch die hypothetische Prozeduralisierung anhand konkreterer Merkmale versucht, den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB insgesamt besser operabel zu machen. Es handelt sich um einen im Tatbestand der Untreue selbst angelegten Prozeduralisierungszwang. In vielen der untersuchten Fallgruppen konnte Transparenz als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium identifiziert werden. Transparenz tritt als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium deshalb so oft in Erscheinung, weil sich Transparenz selbst inhaltlich indifferent gegenüber dem regulären Entscheidungsschema bei der Untreue, dem Handlungs- und Erfolgsunrecht, verhält. Nach der eingangs dieses Kapitels dargestellten eigenen Definition von (hypothetischer) Prozeduralität bei der Untreue802 ist es erforderlich, das reguläre Entscheidungsschema bei der Untreue zu verlassen, was mit dem Transparenzmerkmal deshalb am besten gelingt, weil Transparenz durch die inhaltliche Neutralität ein wertneutrales Kriterium darstellt, das sich noch dazu einfach bestimmen und damit handhaben lässt. Auch an dieser Stelle bestätigt sich die Richtigkeit der Hypothese des ersten Kapitels dieser Arbeit, die sich auf einen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz bezieht.803 Nur wenn gerade kein Kausalzusammenhang zwischen Untreue und Transparenz besteht, kann es sich überhaupt bei Transparenz um ein (hypothetisch) prozedurales Entscheidungskriterium bei der Untreue handeln – anderenfalls fehlte es an der für (hypothetische) Prozeduralität notwendigen Andersartigkeit des Entscheidungskriteriums. Auch kommt dieses Kapitel zu der wichtigen Erkenntnis, dass die wohl populärste vermeintliche hypothetische Prozeduralität der Untreue in der Rechtsprechung gar keine wirkliche hypothetische Prozeduralität im hier verstanden Sinne darstellt: Der Schluss vom „endgültig“ eingetretenen Schaden auf den Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Eine konsequente Anwendung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs führt dazu, dass der Eintritt eines „endgültigen“ Schadens für die Bejahung eines Vermögensnachteils irrelevant ist.
802 803
Siehe unter Kapitel 2, § 7. Siehe unter Kapitel 1, § 1.
§ 9 Ergebnis: Systematisierung der Kritik an der Untreue
267
§ 9 Ergebnis: Systematisierung der Kritik an der Untreue in Praxis und Theorie Selten findet sich ein Tatbestand im Strafgesetzbuch, der einerseits auf eine beachtliche Geschichte zurückblicken kann804 und andererseits seit jeher so steter Kritik805 ausgesetzt ist, wie die Untreue nach § 266 StGB.806 Was bei Betrachtung der Kritik an der Untreue jedoch auch auffällt, ist die Tatsache, dass die Kritiken bisher noch nicht in einen systematischen Gesamtzusammenhang gestellt wurden. Die Kritik an der Untreue beschränkt sich größtenteils auf Detailprobleme, die isoliert von anderen Teilproblemen erörtert werden. Allenfalls bei dem Thema der Unbestimmtheit des Tatbestandes lässt sich eine Systematisierung der Kritik erkennen, die mehrere Elemente des § 266 StGB unter der gleichen Prämisse einer verfassungsmäßig problematischen Unbestimmtheit diskutiert. Insgesamt kann dies jedoch nicht das Bild einer bloß detailspezifischen aber zusammenhanglosen Kritik an § 266 StGB trüben. Schünemann807 kritisiert die Kritik an der Untreue gar selbst als eine „landläufige[n] Kritik“. Kaum einer der Kritiker verweist nicht apodiktisch in seiner Einführung808 auf die bekannten Worte Mayers809 aus dem Jahre 1954, ohne aber hieraus Konkretes abzuleiten. Die Kritik an der Untreue kann jedoch größtenteils als eine Kritik an einer hypothetisch prozeduralen Handhabung des § 266 StGB (zum Teil) contra legem identifiziert und systematisiert werden. Diese Kritik ist teilweise berechtigt, nämlich in den Fällen, in denen eine hypothetische Prozeduralisierung der Untreue contra legem tatsächlich festgestellt wurde. Teilweise verkennt die Kritik jedoch auch die Konsequenzen der wirtschaftlichen Bestimmung des Vermögensnachteils und stellt sich in diesen Fällen gerade nicht als eine berechtigte Kritik einer contra legem erfolgten hypothetischen Prozeduralisierung dar. Diese Feststellungen leiten sodann zum dritten Kapitel dieser Arbeit über. Es stellt sich nämlich die Frage der Konsequenzen aus dieser Systematik der Kritik an der Untreue, insbesondere wie im Rahmen einer lex ferenda die hypothetische Prozeduralisierung contra legem durch eine tatsächliche Prozeduralisierung de lege ersetzt werden könnte, um dem offensichtlich gewordenen Bedürfnis der strafrechtlichen Wissenschaft und Praxis nach einer prozeduralen Handhabung der Untreue gerecht werden zu können.
804
Siehe unter Kapitel 1, § 2, A. BVerfGE 126, 170 [176]. 806 Siehe unter Einführung, § 2: Zusammenfassung der Rechtsaphorismen zur Untreue. 807 Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [474]. 808 So auch das BVerfG in seiner Entscheidung BVerfGE 126, 170 auf Seite 176 f.; vgl. auch in dieser Arbeit unter Einführung, § 2. 809 Mayer, Die Untreue, in: Materialien zur Strafrechtsreform, S. 333 [337]. 805
Kapitel 3
Vorschläge zu einer lex ferenda § 1 Ausgangspunkt Den Ausgangspunkt für die Untersuchung der lex ferenda im Sinne einer Prozeduralisierung der Untreue gemäß § 266 StGB anhand des Transparenzmerkmals bildete das Kapitel 1 und das Kapitel 2 dieser Arbeit. Hier wurden notwendige Grundlagen erörtert, die vor allem im Rahmen der Legitimation einer lex ferenda erforderlich werden. In der Einführung dieser Arbeit wurde zunächst die „Transparenz“ im hier verstandenen Sinne als Informationsmöglichkeit für den Treugeber in der Treubeziehung, genauer: als eröffnete Möglichkeit zur vermögensrelevanten Information in der Treubeziehung definiert.1 Im Kapitel 1 der Arbeit wurde sodann die Erkenntnis herausgearbeitet, dass zwischen der Untreuestrafbarkeit und dem Vorliegen bzw. Fehlen von Transparenz ein tatsächlicher Wirkungszusammenhang im dort verstandenen Sinne2 besteht: Transparente Treuebeziehungen tendieren dazu, Untreuestraftaten zu vermeiden bzw. sprechen gegen das Vorliegen von Untreuekriminalität. Intransparenz hingegen besteht regelmäßig im Vorfeld von Untreuetaten bzw. Untreuetaten setzen regelmäßig Intransparenz in der Beziehung des Treugebers zum Treunehmer überhaupt erst voraus. Intransparenz kann als der Nährboden und Indikator von Untreuekriminalität angesehen werden. Dieser Wirkungszusammenhang erklärte sich vorwiegend aus der historischen Entwickelung der Untreue und der idiosynkratischen Deliktsstruktur des § 266 StGB selbst. Diese Erkenntnisse wurden durch eine kriminologische und systemtheoretische Analyse der Untreuekriminalität weiter bestätigt. Im zweiten Teil der Arbeit wurde zunächst zum Begriff der Prozeduralität ausgeführt. In einem zweiten Schritt wurde im Rahmen einer rechtstatsächlichen Untersuchung des § 266 StGB auf hypothetisch prozedurale Elemente der Strafbarkeit hin festgestellt, dass § 266 StGB in der Praxis de lege lata deutlich hypothetisch prozedurale Ansätze bzw. eine hypothetisch prozedurale Handhabung zeigt. Ebenfalls wurde festgestellt, dass Transparenz schon de lege lata im Rahmen des § 266 StGB als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium eine Rolle spielt. 1 2
Siehe unter Einführung, § 6, A. III. Siehe unter Kapitel 1.
§ 2 US-amerikanisches Recht
269
Auch konnte die Kritik der Wissenschaft und Lehre an der Rechtsprechung zur Untreue vorwiegend als Kritik an einer hypothetischen Prozeduralisierung contra legem systematisiert werden. Insgesamt stellte sich die hypothetische Prozeduralität des § 266 StGB – so das Ergebnis des zweiten Teils der Arbeit – größtenteils als eine hypothetische prozedurale Handhabung des § 266 StGB contra legem dar; die Kritik an der Rechtsprechung zum § 266 StGB ist daher dem Ergebnis nach größtenteils berechtigt.
§ 2 US-amerikanisches Recht A. Einführung, US-amerikanisches Recht als Grundlage des Rechtsvergleichs In Bezug auf compliance3 – dessen Zusammenhang mit der hypothetischen Prozeduralisierung der Untreue schon im zweiten Teil der Arbeit erörtert wurde – lohnt der rechtsvergleichende Blick nach Nordamerika. Die USA werden oftmals als das „Mutterland“ der modernen compliance bezeichnet,4 obgleich in der deutschen Rechtstradition compliance auch als moderne Ausprägung des Bildes des ehrbaren Kaufmanns – und damit alles andere als eine moderne Erscheinung – verstanden werden kann.5 Gerade im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, das durch die Globalisierung der Welt ohnehin schon nationalstaatliche Grenzen hinsichtlich seiner Sachverhalte häufig überschreitet, muss auch die Rechtsvergleichung in der Strafrechtswissenschaft eine größere Rolle spielen.6 Die rechtlichen Grundlagen der criminal compliance in den USA finden sich insbesondere in den federal sentencing guidlines und dort in dem Abschnitt betreffend die Unternehmensstrafe7 und im Title 18 U.S.C., maßgeblich geändert durch den Sarbanes-Oxley Act.8
3 In Kapitel 3, § 2 der Arbeit entsprechend der englischen Orthographie klein geschrieben: „compliance“. 4 Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 21. 5 Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 21. 6 Plädoyer für eine Intensivierung der Strafrechtsvergleichung: Vogel, Strafrecht und Strafrechtswissenschaft im internationalen und europäischen Rechtsraum, in: JZ 2012, 25 [29 f.]. 7 Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 1 Rn. 40 f. 8 Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 21.
270
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
I. Transparenz in den USA Transparenz hat in der US-amerikanischen Rechtspolitik9 einen sehr hohen Stellenwert.10 Die eingangs dieser Arbeit zitierte Metapher Brandeis’, „sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the efficient policeman“,11 drückt die Funktion aus, die Transparenz in den USA zugeschrieben wird: Verhinderung und Bestrafung von ungesetzlichem Verhalten.12 Transparenz wird in den USA hauptsächlich als externe Transparenz13 gegenüber der Allgemeinheit verstanden: „There is no better policy than public disclosure or a better disinfectant than sunlight.“.14 Auch wird in den USATransparenz als der entscheidende Faktor im Kampf gegen die Korruption angesehen.15 1. Der Freedom of Information Act Ein sehr frühes Dokument in der US-amerikanischen Geschichte zum Thema Transparenz stellen die Ausführungen in „The Federalist“ über an informed public16 dar. Die Gesetzgebung des Freedom of Information Acts17 – bekannt unter der Abkürzung FOIA – geht auf das Jahr 1966 zurück und wurde unter anderem im Kontext der Watergate Affäre18 1974 mit Zusätzen – amendments – versehen.19 Die Beziehung zwischen dem Volk und seiner Regierung ist zwar grundsätzlich auch nach US-amerikanischem Verständnis eine solche der Subordination. Jedoch existiert auch die Idee des social contract, weshalb Parallelen zwischen articles of association einer public corporation gezogen werden können, die die Trennung von Eigentum und Kontrolle kennen.20 Diese Parallele kann auch beim Freedom of Information Act gezogen werden.
9 Zu den verschiedenen Funktionen von Transparenz vgl. Ferreiro, Corruption, Transparency and Political Financing, in: 10 Sw. J. L. & Trade Am. 345 [356 – 360] (2004). 10 Hale/Slaughter, Transparency: Possibilities and Limitations, in: 30 Fletcher F. World Aff. 153 [154] (2006). 11 Brandeis, Other People’s Money and How the Bankers Use it, S. 62. 12 Ferreiro, Corruption, Transparency and Political Financing, in: 10 Sw. J. L. & Trade Am. 345 [357] (2004). 13 Siehe unter Einführung, § 6, A. VI. 14 Briffault, The Brennan Center Jorde Symposium on Constitutional Law, in: 91 Calif. L. Rev. 643 [652] (2003) mit einem Zitat aus Buckley v. Valeo, 424 U.S. 1, 67 (1976). 15 Ferreiro, Corruption, Transparency and Political Financing, in: 10 Sw. J. L. & Trade Am. 345 [356] (2004). 16 10 U. Pa. J. Const. L. 1013 (2007 – 2008). 17 5 U.S.C. § 55 als Teil der Gesetzgebung Pub. L. 89 – 554, 80 Stat. 378 (1966). 18 10 U. Pa. J. Const. L. 1013 (2007 – 2008)., S. 1056. 19 58 Admin. L. Rev. 219 (2006). 20 91 Iowa L. Rev. 896 (2005 – 2006).
§ 2 US-amerikanisches Recht
271
2. Dokumentation und externe Transparenz In untrennbarem Zusammenhang mit Transparenz steht das Thema der Dokumentation. Umfassende Dokumentation von Vorgängen wird als wichtigste Voraussetzung für Transparenz angesehen.21 Weiter wird Transparenz in den USA sehr oft als externe Transparenz22 verstanden. Transparenz setze regelmäßig das Verlangen eines Dritten voraus, der sodann die Auswertung der Informationen übernehme, um den Wirkungen von Transparenz volle Geltung zu verschaffen. Transparenz wird nur als ein wichtiger milestone im Kontrollprozess betrachtet.23 Letztlich wird betont, dass Informationen nur dann abgerufen werden können, wenn es vorherige Anhaltspunkte dafür gibt, dass Kontrolle erforderlich ist; Transparenzpflichten können hierzu Informationen für einen Erstverdacht liefern.24 II. Criminal Law Theory Die US-amerikanische Kriminologie25 ist vor allem in Bezug auf white-collar crimes stark an den Grundsätzen des rational choice-Modells orientiert.26 Das USamerikanische Strafrecht wird in großen Teilen utilitaristisch legitimiert, wobei seit jeher die Wissenschaft in zwei rivalisierende Lager geteilt ist: Die Vertreter eines retributiven und eines utilitaristischen Strafrechts.27 Dennoch basiert das US-amerikanische Strafrechtsverständnis auf dem breiten Fundament einer durch den Utilitarismus, Pragmatismus und die ökonomische Analyse des Rechts geprägten Funktionalisierung des Strafrechts.28 Maßgeblich beeinflussten Cesare Beccaria und Jeremy Bentham die utilitaristische US-amerikanische Strafrechtsdogmatik.29 Eine 21
10 U. Pa. J. Const. L. 1017 (2007 – 2008). Zum Begriff siehe unter Einführung, § 6, A. VI.; zur Situation in den USA siehe unter Kapitel 3, § 2, A. I. 23 10 U. Pa. J. Const. L. 1017 [1020] (2007 – 2008); Hale/Slaughter, Transparency: Possibilities and Limitations, in: 30 Fletcher F. World Aff. 153 [153 f.] (2006). 24 10 U. Pa. J. Const. L. 1017 (2007 – 2008), S. 1025. 25 Zu Straftheorien vgl. Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 [627] (1999). 26 Moohr, An Enron Lesson: The Modest Role of Criminal Law in Preventing Corporate Crime, in: 55 Fla. L. Rev. 937 [957 ff.] (2003); Simpson/Piquero, Low Self-Control, Organizational Theory, and Corporate Crime, in: 36 Law & Soc’y Rev. 509 [539 – 544] (2002) m.w.N.; dies zeigte sich in neuerer Zeit z. B. an der Strafrahmenverschärfungen durch den Sarbanes-Oxley Act von teilweise bis zu 1000 Prozent (Moohr, An Enron Lesson: The Modest Role of Criminal Law in Preventing Corporate Crime, in: 55 Fla. L. Rev. 937 [954] (2003)). 27 Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 [629 f.] (1999). 28 Vogel, Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: FS Jakobs 2007, S. 731. 29 Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 [630] (1999). 22
272
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
grundlegende dogmatische Einteilung der Straftatbestände erfolgt in die malum in se und malum prohibitum crimes.30 1. Utilitarianism – John Rawls Das US-amerikanische Recht insgesamt wird stark durch den Grundsatz des Utilitarismus31 bestimmt. Dementsprechend beeinflusst dieser Grundsatz auch das US-amerikanische Strafrecht. Insbesondere in Bezug auf die Rechtfertigung einer Strafnorm sind utilitaristische Argumente anzutreffen. Da Prozeduralisierung anhand eines prozedurales Entscheidungskriteriums ein Abweichen des regulären Entscheidungsschemas bedingt und damit auch vom materialen Entscheidungsschema abweichende Lösungen bedingen kann, könnte diese Entscheidung sodann unter utilitaristischen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden, wenn ein Wirkungszusammenhang zwischen dem prozeduralen Entscheidungskriterium, genauer: dessen Vorliegen bzw. Nichtvorliegen, und der Entscheidung als Prozeduralisierungsobjekt tatsächlich nachgewiesen werden kann. Insofern ist das stark von utilitaristischen Grundsätzen dominierte US-amerikanische Strafrecht offener für prozedurale Konstruktionen, welche auch dementsprechend häufiger anzutreffen sind. Einer der wichtigsten Vertreter und Verteidiger eines utilitaristischen Strafrechts in den USA war John Rawls. Die utilitaristische Rechtfertigung von Strafe sieht sich auch in den USA einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Rawls geht von zwei grundlegenden Legitimationsmöglichkeiten – two concepts of rules –32 für Strafe aus; die retributive Rechtfertigung und die utilitaristische Rechtfertigung.33 Die retributive Rechtfertigung von Strafe fußt auf dem Gedanken, dass deviates Verhalten Strafe verdient; die utilitaristische Rechtfertigung von Strafe lässt die Vergangenheit Vergangenheit sein und berücksichtigt nur zukünftige Konsequenzen bei gegenwärtigen Entscheidungen, also auch bei der gegenwärtigen Entscheidung über die Bestrafung vergangen deviaten Verhaltens. Strafe lässt sich nur unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Konsequenzen ihrer Beibehaltung als ein Instrument der Sozialkontrolle rechtfertigen.34 Bei einer utilitaristischen Rechtfertigung 30
Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 [645] (1999). 31 Grundlegend: Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 (1955); Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1194 f.] (1985); Posner, Retribution and Related Concepts of Punishment, in: 9 Journal of Legal Studies 71 (1980); Becker, Crime and Punishment: An Economic Approach, in: 76 JPE 169 [171 ff.] (1968); Becker/William, Essays in the Economics of Crime and Punishment; Becker, The Economic Approach to Human Behavior; Shavell, The Optimal Structure of Law Enforcement, in: 36 J Law Econ 255 (1993). 32 Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 (1955). 33 Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [4 f.] (1955). 34 Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [5] (1955).
§ 2 US-amerikanisches Recht
273
von Strafe sind die in der Vergangenheit liegenden Auswirkungen einer Tat nicht von Bedeutung für die Frage, wie damit jetzt umgegangen werden sollte. Strafe ist damit nur dann utilitaristisch zu rechtfertigen, wenn dargelgt werden kann, dass die Strafe die Interessen der Gesellschaft in der Zukunft zu fördern in der Lage ist.35 Die grundlegende Kritik am utilitaristischen Ansatz der Rechtfertigung von Strafe ist, dass dadurch theoretisch material „unschuldige“ Personen zum zukünftigen Wohle der Gesellschaft bestraft werden könnten.36 Andererseits ist auch der Utilitarismus dem Gesetzlichkeitsprinzip verbunden – nullum crimen, nulla poena sine lege.37 Der Unterschied bestehe nur darin, dass die Rechtfertigung der Strafgesetze sich auf die Grundsätze des Utilitarismus beschränkt, was dem historischen Kampf gegen einen uneffektiven und undifferenzierten Gebrauch des Strafrechts entspreche.38 Zudem will der Utilitarismus nicht die Bestrafung von „Unschuldigen“ – Strafe und „Schuld“ müssen einander entsprechen, weshalb eine utilitaristische Rechtfertigung des Strafrechts auch erfordere, dass die Strafgesetze ständiger Kontrolle, Reform und Adaption unterworfen sind: Der Utilitarismus will Strafe als Institution rechtfertigen, der Utlitarismus will nicht die konkrete Bestrafung von Unschuldigen rechtfertigen.39 Rawls Vorstellung eines utilitaristischen Strafrechts differenziert daher streng zwischen der Rechtfertigung der Strafe per se und der Rechtfertigung einer konkreten Bestrafung auf Grund der gerechtfertigten Strafe. Damit kommt dem abstrakten Gesetz im Rahmen des utilitaristischen Strafrechts eine besondere Rolle zu. Die Tatsache, dass ähnliche konkrete Fälle ähnlich behandelt werden müssen und zwar mit so wenig Aufwand wie möglich, also ohne die unmittelbare Anwendung der utilitaristischen Prinzipien auf jeden konkreten Einzelfall, fordert es abstrakte Regeln – es geht um die gleichmäßige Anwendung der utilitaristischen Prinzipen auf Einzelfälle.40 Man könnte diese Betrachtung selbst als eine utilitaristische Rechtfertigung der abstrakten, utilitaristische Prinzipien umsetzenden Gesetze sehen: Es entspricht vom Ergebnis her gedacht einer größeren Rezeption utilitaristischer Prinzipien in Entscheidungen, wenn diese auf Grund abstrakter Gesetze erfolgen, als wenn diese von Einzelfall zu Einzelfall – und damit wahrscheinlich ungleichmäßig – angewendet werden.
35 36 37 38 39 40
Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [5] (1955). Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [7] (1955). Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [6 f.] (1955). Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [8] (1955). Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [9] (1955). Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 [22] (1955).
274
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
2. An Economic Theory of the Criminal Law – Richard Posner41 Posner gibt traditionellen strafrechtlichen Dogmen eine ökonomische Bedeutung, um zu zeigen, dass auch diese fähig sind, ein effektives Strafrecht zu fördern – gesamtgesellschaftliche, wirtschaftliche Effizienz ist ein Maßstab (unter anderen), an dem sich das Strafrecht seiner Meinung nach messen lassen muss.42 Die ökonomische Analyse des Strafrechts stellt damit auch eine utilitaristische Analyse und Legitimation des Strafrechts dar,43 die jedoch nur bestimmten Zielen, der wirtschaftlichen Effizienz zuvorderst, folgt. Nach Posners Verständnis stellt die Hauptrolle des Strafrechts in einer kapitalistischen Gesellschaft die implizite oder explizite Verhinderung der Umgehung des Systems des freien Marktes dar und damit die Verhinderung einer Wohlstandsmaximierung aller auf Kosten der Wohlstandsmaximierung des Täters.44 Diese These bezieht Posner auch auf Nichtvermögensdelikte45 im klassischen Sinne, wie z. B. die Vergewaltigung, da auch diese einerseits wirtschaftlich motiviert sein könne, andererseits auch implizite Marktumgehung bedeuten könne – wer vergewaltige und nicht Partnerschaft und konsensualen Geschlechtsverkehr auf einem impliziten „Markt“ suche, umgehe Regeln dieses implizierten Marktes;46 anderes sei dies nur bei so genannten crimes of passion, die nicht wirtschaftlichen Kategorien eines (expliziten oder impliziten) Marktes folgten.47 Diese Verhinderungsleistung könne nur das Strafrecht erbringen, denn zivilrechtliche Verhinderungsmechanismen geraten dort an ihre Grenzen, wo, wie so oft, die Leistungsfähigkeit des Täters nicht die Wiedergutmachung des deviaten Verhaltens trage und daher eine hoheitliche Sanktion erfordere. Die (wirtschaftlichen) Kosten der hoheitlichen Sanktionierung48 wiederum stellt Posner den Kosten gegenüber, die durch deviates Verhalten Ein41 So in einem gleichnamigen Artikel: Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 (1985). 42 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1194 f.] (1985). 43 Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 [628] (1999); eine ökonomische Analyse des Strafrechts als utilitaristisches Instrument der siuativen Sozialkontrolle: Dau-Schmidt, Kenneth G.: An Economic Analysis of the Criminal Law as a Preference-Shaping Policy, in: 1990 Duke L. J. 1 [2 ff.] (1990). 44 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1195] (1985). 45 Posner geht von der seiner Meinung nach nicht überzubewertenden Dichotomie des acquisitive crime und des passion crime aus, Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1197] (1985). 46 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1197 f.] (1985). 47 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1196 f.; 1199] (1985). 48 Zu Beispielsrechnungen der wirtschaftlichen Kosten einer Straftat vgl. Becker, Crime and Punishment: An Economic Approach, in: 76 JPE 169 [171 ff.] (1968).
§ 2 US-amerikanisches Recht
275
zelner diesen entstehen und zieht hieraus verschiedene Schlussfolgerungen für seine Vorstellung eines effizienten Strafrechts.49 So sei z. B. das versuchte Delikt (auch) deshalb zu bestrafen, weil die Kosten des Täters damit für die Vollendung im Vergleich zum Versuch sich erhöhten.50 Diese Unterart der utilitaristischen Betrachtung ermöglicht in Bezug auf Prävention von vor allem wirtschaftsbezogenen Straftaten eine Analyse der Effektivität und Legitimität von Strafe jenseits des traditionellen und damit auch moralaufgeladenen strafrechtlichen Rechtsgutsdenkens in Deutschland auf Basis wirtschaftlicher Überlegungen. 3. Malum prohibitum und malum in se crimes Malum prohibitum crimes erhalten ihre Strafwürdigkeit aus einem Widmungsakt, einer gesetzgeberischen Entscheidung für die Strafbewehrung. So sind die meisten so genannter regulatory offenses (regulatory violations and criminal provisions im Rahmen des regulatory governance) malum prohibitum crimes. Die Köperverletzung- und Tötungsdelikte hingegen stellen ein klassisches Beispiel von malum in se crimes dar. 4. Limitation to malum prohibitum crimes Der Strafgesetzgeber ist in der Schaffung von malum prohibitum crimes nicht vollkommen frei, sondern an die Beschränkungen der Verfassung gebunden, insbesondere an das Eighth und Fifth Amendment to the United States Constitution.51 Das Amendment V und das Amendment VIII sind Teil der United States Bill of Rights von 1791. In Amendment VIII verbietet die United States Bill of Rights jedenfalls dem federal government52 die Auferlegung von excessive bail, excessive fines or cruel and unusual punishments und Amendment V53 bestimmt: nor shall [any person] be compelled in any criminal case to be a witness against himself.54 49 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1195] (1985). 50 Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 [1195] (1985). 51 Im Folgenden gemäß der üblichen Zitierung: „Amendment VIII/V“. 52 Für Amendmet VIII, excessive fines clause, gilt die incorporation doctrine nicht: McDonald v. Chicago, 561 U.S. 3025 (2010); str. für excessive bail clause: Schilb v. Kuebel, 404 U.S. 357 (1971); für die cruel und unusual punishment clause wiederum gilt die incorporation doctrine: Robinson v. California, 370 U.S. 660 (1962). 53 Für das privilege agaist self-incrimination gilt die incorporation doctrine, d. h. das Privileg gilt auch gegenüber den einzelnen Bundestaaten: Malloy v. Hogan, 378 U.S. 1 (1964). 54 Teil des Amendment V, sog. pvilege against (compelled) self-incrimination; daher auch die Redewendung „plead the Fifth“ für „die Aussage verweigern“.
276
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
a) Amendment VIII – United States v. Bajakajian Im Fall United States v. Bajakajian55 entschied der U.S. Supreme Court 1998, dass der Verfall56 mit Strafcharakter von USD 357.144,– in Folge eines Verstoßes gegen formale Offenlegungspflichten das Amendment VIII verletzte. Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: 1993 versuchte Hosep Krikor Bajakajian die Vereinigten Staaten mit Bargeld in Höhe von USD 357.144,– zu verlassen ohne dies den zuständigen Zollbehörden57 anzuzeigen. Die Anzeigepflicht ergab sich aus 31 U.S.C. § 5316, der verlangte, dass transnationale Währungstransfers über USD 10.000,– offengelegt werden müssen. Bajakajian hat sich schuldig bekannt, den Straftatbestand der unterlassenen Offenlegung des Bargeldes auf dem vorgesehenen Formular begangen zu haben. Im Rahmen des Strafprozesses wurde der Verfall des gesamten Bargeldes in Höhe von USD 357.144,– angeordnet, da es in die Straftat der unterlassenen Offenlegung „verwickelt“58 war. Es handelte sich indes tatsächlich um „sauberes Geld“, das keinen Bezug zu irgendwelchen Straftaten aufwies und dafür bestimmt war, persönliche Schulden Bajakajians in Zypern zu begleichen. Der Fall wurde 1997 vor dem U.S. Supreme Court verhandelt und 1998 entschieden. Entscheidendungserheblich kam es auf die Vorschrift des 18 U.S.C. § 982 (a) (1)59 an, die den Verfall erlaubte: „The court, in imposing sentence on a person convicted of an offense in violation of section […] shall order that the person forfeit to the United States any property, real or personal, involved in such offense, or any property traceable to such property.“
Nach der Auslegung der US-amerikanischen Zollbehörden konnte so das gesamte Geld als Strafe eingezogen werden, weil gegen die Offenlegungsvorschrift des 31 U.S.C. § 5316 verstoßen wurde. Die zentrale Frage war damit, ob die excessive fines clause überhaupt auf den Fall anwendbar ist und ob dieses Vorgehen dann gegen das Amendment VIII in Form des „excessive fines [shall not be] imposed“ verstößt.60 Die Strafverfolgungsbehörden argumentierten, dass das Geld selbst den corpus delici darstelle, wie bei einer Schmuggel-Straftat das geschmuggelte Gut, welches unstreitig dem Verfall unterliege.61 Zudem habe der Verfall eine nicht strafende,
55
United States v. Bajakajian, 524 U.S. 321 (1998). Englisch: Forfeiture. 57 U.S. Customs and Border Protection. 58 „Involved in“, 18 U.S.C. § 982 (a) (1). 59 18 U.S.C. § 982 (a) (1) (1998) entspricht heute 18 U.S.C. 5317 (c) (2003). 60 Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 [103] (2004). 61 United States v. Bajakajian, 524 U.S. 321 [340] (1998). 56
§ 2 US-amerikanisches Recht
277
sondern eine Wiedergutmachungsfunktion, sodass es sich schon gar nicht um ein „fine“ handeln würde und das Amendment VIII nicht anwendbar wäre.62 Das Gericht wies das corpus-delicti-Argument zurück: Die Straftat sei gerade keine Schmuggel-Straftat, sondern nur eine strafbewehrte Offenlegungsvorschrift; das Geld nicht Mittel der Straftat, sondern Objekt der strafbewehrten Offenlegungsvorschrift.63 Da dem Staat auch kein Schaden entstanden sei, hätte der Verfall gerade strafende und keine kompensatorische Wirkung, sodass das Amendment VIII anwendbar sei.64 Hieran gemessen wurde vom Gericht die Strafe als unverhältnismäßig bewertet: „Comparing the gravity of respondent’s crime with the $ 357,144 forfeiture the Government seeks, we conclude that such a forfeiture would be grossly disproportional to the gravity of his offense. […] it bears no articulable correlation to any injury suffered by the Government. […] For the foregoing reasons, the full forfeiture of respondent’s currency would violate the Excessive Fines Clause.“
b) Amendment VIII – USA PATRIOT Act Die Reaktion auf die Entscheidung des U.S. Supreme Court in der Sache Bajakajian65 ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahr 2001 schuf der Bundesgesetzgeber durch den USA PATRIOT Act66 unter anderem eine neue bulk cash smuggling offense, 31 U.S.C. § 5332.67 Dieser neue Straftatbestand ist so gestaltet, dass der Verfall in der gesamten Höhe des nicht offengelegten Geldes erfolgen kann, und zwar unabhängig davon, ob eine Verbindung zwischen dem Geld und einer anderen Straftat nachgewiesen werden kann.68 Dieser neue Straftatbestand kann deshalb als eine direkte Reaktion auf den Fall Bajakajian69 gesehen werden, weil der Gesetzgeber nun der Differenzierung des U.S. Supreme Court in eine Schmuggel-Straftat und eine strafbewehrte Offenlegungsvorschrift folgt.70 Denn, so der Kongress, 62 United States v. Bajakajian, 524 U.S. 321 [322] (1998); so die st. Rspr.: Austin v. United States, 509 U.S. 602 [622] (1993). 63 United States v. Bajakajian, 524 U.S. 321 [334; 338] (1998). 64 United States v. Bajakajian, 524 U.S. 321 [329] (1998). 65 Siehe unter Kapitel 3, § 2, A. II. 4. a). 66 USA PATRIOT Act (2001), Pub. L. No.107 – 56, 115 Stat. 272: This Act may be cited as the „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism (USA PATRIOT ACT) Act of 2001“. 67 USA PATRIOT Act of 2001, Pub. L. No.107 – 56, § 371, 115 Stat. 272, 336 – 339 (2001). 68 Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 [106] (2004). 69 Siehe unter Kapitel 3, § 2, A. II. 4. a). 70 Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 [106] (2004): „distinction between smuggling offenses and currency reporting violations“.
278
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
„if the smuggling of bulk cash were itself an offense, the cash could be confiscated as the corpus delicti of the smuggling offense“.71
Sinn und Zweck des neuen Straftatbestandes war es damit, den Geldschmuggel selbst zu einer Straftat zu machen, anstatt nur die Verletzung einer Offenlegungspflicht mit Strafe zu bewehren. Weiterhin bleibt es legal, jede beliebige Menge Bargeldes außerhalb des Landes zu bringen; die strafbare Handlung liegt im Verbergen des Geldes an der Grenze – so wurde aus einem reporting crime ein smuggling crime. Die Daseinsberechtigung des Straftatbestandes besteht darin, dass die Strafverfolgungsbehörden keine Verbindung zwischen strafbarem Verhalten und dem Geldschmuggel mehr darlegen und beweisen müssen.72 Um dennoch in Ansehung der Grenzen des Amendment VIII die Verfassungsmäßigkeit zu bewahren, sollte § 31 U.S.C. § 5332 (d) (1) eingefügt werden, der zulässt, dass der Verfall des Geldes nicht in ganzer Höhe erfolgen kann,73 wenn der Täter beweisen kann, dass das Geld aus einer legalen Quelle stammt und für legale Zwecke bestimmt ist; hierzu kam es letztlich zwar nicht, jedoch erzielt das anwendbare case law die gleiche Rechtsfolge.74 c) Amendment V Eine weitere verfassungsmäßige Hürde, die strafbewehrte Offenlegungspflichten nehmen müssten, ist die der Selbstbelastungsfreiheit, Amendment V. Jedoch entschied in einer anderen Sache, die eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche betraf, der U.S. Supreme Court,75 dass reporting requirements nicht das Amendment V in der Form des privilege against self-incrimination verletzten, weil die Meldepflichten financial institutions auferlegt würden und nicht einzelnen Individuen. In einem orbiter dictum wird weiter klargestellt, dass selbst wenn die Meldepflichten Individuen auferlegt würden, die U.S. Constitution nicht verletzt wäre, da ja gerade die gemeldeten Informationen nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit einer Straftat stünden.76
71
USA PATRIOT Act of 2001, Pub. L. No.107 – 56, § 371, 115 Stat. 272, 337 (2001). Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 [109] (2004). 73 Der Verfall reduziert sich nur proportional um so mehr, je größer die Summe ist; keineswegs entfällt der Verfall ganz. 74 Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 [110 f.] (2004). 75 United States v. Mickens (1991, CA2 NY) 926 F2d 1323; 31 U.S.C.S. § 5313, interpretative notes and decisions, No. 4. 76 United States v. Mickens (1991, CA2 NY) 926 F2d 1323; 31 U.S.C.S. § 5313, interpretative notes and decisions, No. 4. 72
§ 2 US-amerikanisches Recht
279
d) Zur Prozeduralität von malum prohibitum crimes Malum prohibitum crimes stellen in der Regel prozedurales Strafrecht dar. Durch eine Entscheidung des Gesetzgebers wird indifferentes Handeln kriminalisiert, um einen bestimmten kriminologisch erwünschten Steuerungseffekt herbeizuführen. Strafbewehrte Offenlegungsvorschriften sind ein Beispiel hierfür. Unabhängig von einem materialen Grund wird die bloße Intransparenz strafbewehrt; materialer Hintergrund ist der, dass ein regelmäßiger Zusammenhang zwischen der offenzulegenden Information und einem anderweitig strafbaren Verhalten angenommen wird, bzw. sich von der Offenlegung ein präventiver Effekt erhofft wird. Dogmatisch macht es für die Frage der Prozeduralität keinen Unterschied, ob der Verstoß gegen (administrative) Offenlegungsvorschriften strafbewehrt wird oder ob die Nichtoffenlegung selbst die strafbare Handlings darstellt. Bei der Legitimation dieser prozeduralen Strafbewehrung findet die Strafvorschrift jedoch ihre materialen Schranken am Übermaßverbot des Amendment VIII. Insofern wird ihre Prozeduralität auf der Legitimationsebene material beschränkt. Teilweise erlauben die prozeduralen Strafvorschriften den Entlastungsbeweis, sodass die Strafe gemindert werden kann. Insofern handelt es sich funktional um eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Staates mit der Einschränkung, dass die Strafe auch bei Antreten des Gegenbeweises nicht ganz entfallen muss. Die Tatsache, dass ein Gegenbeweis überhaupt zugelassen wird, zeigt, dass es sich um eine prozedurale Strafvorschrift handelt: das prozedural gefundene Ergebnis wird durch materiale Kriterien überprüft und ggf. korrigiert. Zum Beispiel stellt in Bezug auf Geldschmuggel das Vorliegen einer sich auf die Erlangung des Geldes beziehenden Straftat das materiale Entscheidungskriterium dar; das Verbergen des Geldes an der Grenze das prozedurale Entscheidungskriterium. Vorrang genießt das prozedurale Entscheidungskriterium, da sich dieses in der Regel auch einfacher darlegen und beweisen lässt. 5. „Carrot and stick“ approach Das US-amerikanische Wirtschaftsstrafrecht arbeitet in vielen Teilen mit dem so genannten „carrot and stick“ approach. Etymologisch geht das Idiom auf das Bild eines Kutschers zurück, der seinen Esel einerseits mit einer Karotte vorwärts lockt und andererseits mit einem Stock hinten antreibt. Das US-amerikanische Wirtschaftsstrafrecht basiert in weiten Teilen auf diesem Grundsatz des Lockens und Abschreckens. Prominente Beispiele sind die federal sentencing guidlines, die für bestimmtes gewünschtes Verhalten Strafrabatte gewähren und bei bestimmten unerwünschten Verhaltensweisen die Strafe erhöhen77 und der Sarbanes-Oxley Act, der durch seine hohen Strafen eine abschreckende Wirkung entfalten soll und auch die
77
Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I. 1.
280
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
U.S. Sentencing Commission anweist,78 die Strafzumessung bei bestimmten whitecollar-Straftaten79 zu „überarbeiten“ – also zu erhöhen.80 6. Corporate criminal liability und criminal strict liability Corporate criminal liability und criminal strict liability sind dem US-amerikanischen Strafrecht eigene Institute, die sich einander bedingen. So kann ein Unternehmen als nicht natürliche Person keinen eigenen Vorsatz bilden. Um dennoch ein Unternehmen bestrafen zu können, muss entweder der Vorsatz einer natürlichen Person zugerechnet werden (vicarious liability) oder es muss auf das Vorsatzerfordernis verzichtet werden (criminal strict liability).81 a) Corporate criminal liability Im Nachgang zu den großen Bilanzskandalen und in der „post-Sanbanes-OxleyAct-Zeit“ wird im US-amerikanischen Strafrecht der Fokus auch wieder mehr auf eine individuelle Verantwortlichkeit gelegt, was nicht der Tradition einer Betonung der Unternehmensstrafbarkeit entspricht.82 Seit 1909 geht die US-amerikanische höchstrichterliche Rechtsprechung von der grundsätzlichen Möglichkeit der Strafbarkeit von Unternehmen aus.83 Mit dem Sarbanes-Oxley Act hat der Bundesgesetzgeber in den USA die Rolle des individuellen Delinquenten im Netzwerk seines Unternehmens wieder entdeckt.84 Der Sarbanes-Oxley Act ermöglicht die extrem scharfe Bestrafung von Direktoren in Unternehmen.85 So z. B. die Bewehrung einer falschen Abgabe der Erklärung durch den Chief Executive Officer und Chief Financial Officer, dass die Pflichtmeldungen den Anforderungen an den Securities Exchange Act entsprächen, mit bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe, 18 U.S.C. § 1350 (c) (2) – eingeführt durch § 906 des Sarbanes-Oxley Acts. 78
Die Überarbeitung wurde im April 2004 abgeschlossen. Obstruction of justice, fraud offenses, vgl. Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [299 – 303] (2004). 80 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [281 f.] (2004). 81 Coffee, John C., Jr.: „No Soul to Damn: No Body to Kick“: An Unscandalized Inquiry into the Problem of Corporate Punishment, in: 79 Mich. L. Rev. 386 (1980). 82 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [52, 65] (2004); Hefendehl, Roland: Enron, WoldCom, and the Consequences: Business Criminal Law Between Doctrinal Requirements and Hopes of Crime Policy, in: Buffalo Criminal Law Review, Vol. 8 (2004), S. 51. 83 Entscheidung New York Central & Hudson River R. R. v. United States, 212 U.S. 481 (1909) des Supreme Court: scope of employment doctrine; später ausgeweitet auf die collective knowledge doctrine. 84 Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [43] (2004). 85 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [59] (2004). 79
§ 2 US-amerikanisches Recht
281
b) Criminal strict liability – underlying concept Das dem heutigen deutschen Strafrecht fremde Formaldelikt86 existiert in den USA als strict liability crime. (Criminal) strict liability bedeutet, dass ein Straftatbestand keine mens rea, d. h. keinen Vorsatz in Bezug auf den actus reus, den objektiven Tatbestand erfordert. Teilweise wird dennoch eine spezielle Absicht in Bezug auf einzelne objektive Tatbestandselemente verlangt. Viele regulatory crimes stellen Beispiele einer criminal strict liability dar. c) Zur Prozeduralität Im Falle der criminal strict liability liegt insofern eine Prozeduralisierung vor, als dass auf das Vorsatzerfordernis verzichtet wird. Es handelt sich dabei um eine Substitution des Vorsatzerfordernisses durch ein Nichterfordernis im Sinne der hier vertretenen Definition von prozeduralem Strafrecht. In Bezug auf corporate criminal liability wird in der US-amerikanischen Literatur teilweise vertreten, dass dogmatisch bestimmte Merkmale, die auf die Strafbarkeit und die Strafhöhe Einfluss haben, funktionell mit dem quasi-mens rea eines Unternehmens vergleichbar sind und anhand derer somit der quasi-Vorsatz eines Unternehmens auch bestimmt werden könnte.87 So z. B. die Rolle von corporate governance und compliance im Rahmen der Unternehmensstrafbarkeit, vor allem bei der Strafzumessung durch die federal sentencing guidelines.88 Weil ein Unternehmen keinen eigenen natürlichen Vorsatz bilden kann, könnte man die Hypothese aufstellen, dass die Bewertung des corporate ethos bzw. des compliance-Systems des Unternehmens in den USA schon de lege lata ein Substitut des mens rea darstellt. Dies stellte eine Prozeduralisierung in der Hinsicht dar, dass das Vorsatzerfordernis durch die Beurteilung der Qualität und Effektivität des compliance-Systems, also stark mit Transparenz in Zusammenhang stehender Merkmale, ersetzt wurde. III. Transparency and white-collar crime 1. Sutherland Die Thematik des Wirtschaftsstrafrechts ist mit dem US-amerikanischen Rechtskreis wohl auch deshalb so eng verbunden, weil die Definition des amerikanischen Kriminologen Sutherland den Beginn einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung markiert, die er anstieß und die er mit der großen Weite, Komplexität 86 Weil verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen das Schuldprinzip; vgl. Rogall, Dogmatische und kriminalpolitische Probleme der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG), in: ZStW 1986, 573 [579 f.]. 87 Coffee, John C., Jr.: „No Soul to Damn: No Body to Kick“: An Unscandalized Inquiry into the Problem of Corporate Punishment, in: 79 Mich. L. Rev. 386 (1980). 88 Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I.
282
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
und teilweise auch Inkonsistenz darüber, was der Begriff eigentlich bedeuten solle, nährte.89 Im Folgenden „tobte“ in den USA ein bis heute andauernder regelrechter „battle over the definition“.90 Unter anderem ging und geht es um die Frage, ob sich der Begriff des white-collar crime nur auf tatsächlich strafbares Verhalten bezieht oder auch andere Formen devianten Verhaltens einbezieht.91 Sutherland selbst – als Kriminologe und Soziologe – reduzierte den Begriff nicht auf die rechtliche Kategorie des strafbaren Verhaltens, da er teilweise auch Verhaltensweisen einbezog, die zum damaligen Zeitpunkt gar nicht strafbewehrt waren.92 Im US-amerikanischen Recht tritt dieses Problem verschärft zu Tage, da es viele Verhaltensweisen gibt, die einerseits als echte Straftat verfolgt werden können, andererseits aber auch als Zivilrechtsverletzung.93 Diese Überlappungen sind im US-amerikanischen Recht typisch und kommen z. B. in den Regelungsbereichen des Securities Exchange Act von 1934, des Sherman Act, des False Claim Act und weiterer Gesetze vor.94 Insofern wäre eine Abgrenzung zwischen tatsächlich strafbarem Verhalten und sonst (zivilrechtlich) deviatem Verhalten aus US-amerikanischer Sicht teilweise willkürlich.95 Hinzu kommt eine weitere wichtige Kategorie im US-amerikanischem Recht: die des malum prohibitum crime, worunter ein Großteil der so genannten regulatory crimes fällt, also Straftatbestände, deren primäre Strafwürdigkeit alleine aus der Entscheidung des Gesetzgebers, ein bestimmtes (neutrales) Verhalten strafrechtlich zu sanktionieren, folgt.96 Schon Sutherland stellte fest, dass Intransparenz und white-collar criminality eng zusammen gehören: Seiner Meinung nach besteht Wirtschaftskriminalität hauptsächlich in der Verletzung von delegiertem oder inhärentem Vetrauen,97 was faktisch ein z. B. durch Intransparenz bedingtes Kontrollvakuum voraussetzt, und teilt sich in
89
Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [3] (2004). 90 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [3] (2004). 91 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [4] (2004). 92 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [4] (2004). 93 Sachs, Harmonizing Civil and Criminal Enforcement of Federal Regulatory Statues: The Case of the Securities Exchange Act of 1934, in: 2001 U. Ill. L. Rev. 1025 [1027] (2001). 94 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [6] (2004). 95 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [6] (2004). 96 Green, Why It’s a Crime to Tear the Tag Off a Mattress, in: 46 Emory L. J. 1533 (1997). 97 Zum Wirkungszusammenhang zwischen einer Vertrauensverletzung in einer Treuebeziehung und Transparenz siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) bb).
§ 2 US-amerikanisches Recht
283
die zwei Kategorien der misrepresentation of asset values und die duplicity in the manipulation of power ein.98 2. Die geschichtliche Entwicklung bis zur Weltfinanzkrise Die USA waren der weltweite Vorreiter der Regulierung im Wertpapierbereich. Die so genannten New-Deal-Gesetze99 waren weltweites Vorbild für Regelungen zur Offenlegung von für Investoren wichtigen Informationen.100 In den 1960er Jahren war Transparenz im Wertpapierbereich das zentrale Ziel im regulatorischen Rahmenwerk geworden.101 Dennoch konnten diese Regelungen und die ab 2000 durch den Sarbanes-Oxley Act verbesserten Regelungen weder die großen Bilanzmanipulationsskandale in den USA noch die Weltfinanzkrise als Ergebnis überkomplexer und intransparenter Finanzmarktprodukte verhindern.102 Dennoch ist die amerikanische Wissenschaft weiterhin der Ansicht, dass jeweils das Fehlen effektiver Transparenz einen Schlüsselfaktor gespielt hat und weiterhin bestrebt, die bestehenden Regelungen zu optimieren und regulatorische Lücken zu schließen.103 Nicht zuletzt versuchen die USA heute in der globalen Wirtschaft mit effektiver Transparenz und der Verpflichtung zu good corporate governance im Rahmen des Investorenschutzes den Wettbewerb der Regulierungsregieme – regulatory competition – um nationale und internationale Investoren zu gewinnen.104 3. Die großen „accounting scandals“ in den USA Die großen und internationales Aufsehen erregenden Bilanzmanipulationsskandale um die Firmen Enron (und in diesem Zusammenhang die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen), Tyco International und WorldCom, alles Paradebeispiele für so genannte off the books transactions bzw. ein cooking the books,105 98
Sutherland, White Collar Criminality, in: 5 Am. Sociol. Rev. 1 [3] (1940). Securities Act 1933, 15 U.S.C. §§ 77a-77aa (1933) und der Securities Exchange Act 1934, 15 U.S.C. §§ 78a-78lll (1934). 100 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [360] (2009). 101 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [360] (2009). 102 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [361] (2009). 103 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [361, 367] (2009). 104 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [370] (2009). 105 O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219 [220]); Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [23] (2004). 99
284
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
wurden im Nachhinein auch in der Wissenschaft kriminologisch aufgearbeitet. Man fand heraus, dass unregulierte Intransparenz die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Geschehen dieser Skandale geschaffen hat. Von einigen Akteuren war ein System geschaffen worden, das so komplex und intransparent war, „impenetrable to outsiders“ und „mind-numblingly complex“,106 dass man nicht mehr erkennen konnte, ob alles mit rechten Dingen zuging, was eo ipso schon als der eigentliche Fehler angesehen wurde – kurz gesagt: „complexity is fraud“.107 Im Beispiel von Enron lagen Realität und Schein weit auseinander. Enron konnte durch das Ausnutzen der Möglichkeiten der Buchhaltungsstandards unprofitable Geschäftsfelder an eigens hierfür mit externen Investoren gegründete Gesellschaften verkaufen, denen Enron das Geld zum Kauf, meist in der Form von Aktien, als Darlehen verschaffte, sodass gleichzeitig einerseits Veräußerungserlöse und andererseits Darlehnsforderungen in der Bilanz aktiviert werden konnten, als auch die unprofitablen Geschäftsfelder aus den Bücher verschwanden108 – Enron schaffte so scheinbaren Geschäftserfolg durch intransparente Geschäftspraktiken. Weiterhin fehlte es innerhalb der großen Prüfungsgesellschaften an Verhinderungstechniken von Interessenkonflikten. Denn: Die Buchhalter der gleichen Gesellschaft dachten sich die Buchhaltungstaktiken aus, die später von den Prüfern ein und derselben Gesellschaft geprüft wurden – im Fall von Enron: Arthur Anderson.109 Das wirtschaftliche und politische Umfeld, das diese Geschäftspraktiken förderte, wurde durch die Akteure des Systems selbst beworben: So stand Enron gleich eines Synonyms für the free market bzw. marketplace deregulation.110 Der Schaden im Fall WorldCom nahm noch größere Züge als im Fall Enron an: So schätzt man, dass durch die Bilanzmanipulation bei WorldCom ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von über USD 7,0 Milliaren entstanden ist.111 Als Reaktion von Seiten der Politik wurde innerhalb nur wenigen Wochen ein Gesetz erlassen, das seinen Fokus vor allem auf die innere und äußere Transparenz von Handlungen in Unternehmen richtet: der Sarbanes-Oxley Act aus dem Jahre 2002.112 106
O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219 [222]). 107 „[…] a system in which you can’t tell whether or not you’re being fooled, you’re being fooled.“, O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219). 108 O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219 f.). 109 O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219 [221 f.]). 110 O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt, in: Surowiecki, Best Business Crime Writing of the Year, S. 219 [221]). 111 Sidak, The Failure of Good Intentions: The WorldCom Fraud and the Collapse of American Telecommunications After Deregulation, in: 20 Yale J. on Reg. 207 [235] (2003). 112 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [56] (2004).
§ 2 US-amerikanisches Recht
285
B. Sarbanes-Oxley Act 2002113 Der Sarbanes-Oxley Act aus dem Jahr 2002 war die Reaktion auf die großen Bilanzmanipulationsskandale114 in den USA115 und hat diverse Anforderungen an börsennotierte US-amerikanische Unternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, hauptsächlich betreffend compliance, in erheblichem Maße verschärft.116 Der Sarbanes-Oxley Act wurde nur innerhalb kurzer Zeit eilig bzw. geradezu panisch117 auf den Weg gebracht.118 Ähnlich schnell wurden weitere Gesetze erlassen, die als Reaktion auf die Vernichtung von Beweismitteln durch Arthur Andersen im Bereich der obstruction of justice119 die Strafbarkeit der Vernichtung von Dokumenten, um die Arbeit von Ermittlungs- und Administrativbehörden zu behindern, extrem ausweitete und mit drakonischen120 (Freiheits-)Strafen bewehrte.121 Der Sarbanes-Oxley Act setzte damit der amerikanischen Politik des free market, welche ihren Ursprung unter Präsident Ronald Regan in den 1980er Jahren hatte, und der Vorliebe der Wirtschaft zu Strategien, welche durch (boomende) Übernahmen geprägt waren, ein Ende.122 Der rechtsvergleichende Blick auf den Sarbanes-Oxley Act lohnt sich, da dieser dem deutschen Wirtschaftsstrafrecht deutlich nahe steht, insbesondere wenn es um
113
Publ. L. No. 107 – 204, 116 Stat, 745 (kodifiziert in den Titeln 11, 15, 18, 28 und 29 U.S.C. (Supp. III 2003); ugs. als „SOX“ bezeichnet. 114 Siehe unter Kapitel 3, § 2, A. III. 2. 115 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1819; 1821] (2007); Romano, The Sarbanes-Oxley Act and the Making of Quack Corporate Governance, in: 144 Yale L. J. 1521 [1523] (2005); Coates IV, John C.: The Goals and Promise of the Sarbanes-Oxley Act, in: 21 J. Econ. Persp. 91 [105 ff.] (2007); Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 23; Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [279] (2004). 116 Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 23. 117 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [22] (2004). 118 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [56] (2004). 119 Systematisch betrachtet stellt die Behinderung der Ermittlungen (obstruction of justice) nicht das geschützte Rechtsgut dar, sondern die hinter den verschiedenen Ermittlungen stehenden Rechtsgüter: Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [68] (2004). 120 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [302] (2004). 121 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [60] (2004). 122 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1832] (2007).
286
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
die Bestrafung von Individuen und von Vorfeldkriminalität geht.123 Letztlich handelt es sich bei dem Sarbanes-Oxley Act um einen der wichtigsten Gesetzgebungsakte im Bereich des bundesrechtlichen Strafrechts124 in den USA seit langem,125 in Bezug auf Wirtschaftsstrafrecht wohl um den wichtigsten Gesetzgebungsakt überhaupt, weil nicht zuletzt direkt auf white-collar crimes Bezug genommen wird.126 I. Die Ziele des Sarbanes-Oxley Acts Der Sarbanes-Oxley Act wird hinsichtlich seiner expliziten und impliziten Ziele in zwei Hauptrichtungen interpretiert: öffentliche Verantwortung und Investorenschutz – accountability and transparency.127 Ein Ziel des Sarbanes-Oxley Acts ist der Schutz der Wirtschaft selbst und vor allem deren Investoren.128 Zur Verbesserung des Investorenschutzes hat sich die USamerikanische Regierung unter einem Gesichtspunkt leicht überzeugen lassen: In den USA finanzieren sich ein Großteil der offenen und geschlossenen Renten- und Pensionsfonds durch die Investion in Wirtschaftsunternehmen.129 Es ging folglich auch um die Sicherung der institutionellen Investoren, die eine gewichtige politische Stimme130 zum Thema Investorenschutz erhoben haben.131 Der Sarbanes-Oxley Act soll auch eine symbolische Funktion erfüllen, um die Märkte und Investoren nach den großen Bilanzskandalen wieder zu beruhigen.132 So 123
Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [49 f.] (2004). Zu den strafrechtlichen Bestandteilen des Sarbanes-Oxley Acts vgl. im Einzelnen: Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [22 – 25] (2004) und Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [281 – 289] (2004). 125 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 (2004). 126 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [22] (2004). 127 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1833 f.] (2007); Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [279] (2004). 128 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1828] (2007). 129 Romano, Public Pension Fund Activism in Corporate Governance Reconsidered, in: 93 Colum. L. Rev. 795 (1993). 130 Mitchell, Roles of Corporations and Corporate Officers, in: 99 Am. Soc’y Int’t L. Proc. 265 [267] (2005). 131 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1835 ff.] (2007). 132 President Busch: „No more easy money for corporate criminals – just hard time“: Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [62] (2004); Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1818] (2007). 124
§ 2 US-amerikanisches Recht
287
dürfte eine symbolische Funktion wohl auch in der Anordnung von drakonischen Strafen liegen, durch die die „Kosten“ einer Straftat nach negativ generalpräventiven Überlegungen steigen sollten.133 Symbolisch deshalb, weil es fraglich ist, ob sich selbst der rational handelnde Straftäter dadurch abschrecken lässt – jedenfalls bedürfte es hierfür einer sehr hohen Aufdeckungswahrscheinlichkeit.134 Diese Symbolhaftigkeit des Sarbanes-Oxley Acts kritisiert Hefendehl,135 indem er auf eine mangelnde systematische Integration der einzelnen Straftatbestände des Sarbanes-Oxley Acts hinweist und die vielen Straftatbestände, die unter obstruction of justice fallen, kritisiert. Im Übrigen wird vertreten, dass gerade die prozeduralen Regelungen betreffend Transparenz und Verantwortung der Führungsebene von Unternehmen Gefahr laufen, nur noch symbolischen Gehalt zu haben.136 Auf ein weiteres Problem weist Langevoort hin, indem er prognostiziert, dass der Sarbanes-Oxley Act nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaftswelt haben wird bei dennoch hohen Kosten, weil compliance irgendwann nur symbolisch und rituell betrieben werden würde.137 II. Dogmatische Analyse Der Sarbanes-Oxley Act stellt einen multifunktionalen Ansatz zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität dar, durch den vier neue Straftatbestände138 im Bereich des Finanzbetruges und weiterer Straftatbestände139 geschaffen und bestehende Straftatbestände verschärft wurden140 sowie durch den neue regulatorische compliance-Vorschriften eingführt, die Buchführungspflichten neu geregelt, neue Pflichten direkt dem Chief Executive Officer und Chief Financial Officer auferlegt und die
133 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [62] (2004). 134 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1818] (2007). Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. d) ee) zur rational choice Theorie. 135 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [73] (2004). 136 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1854] (2007). 137 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1822] (2007). 138 18 U.S.C. § 1519: Destruction, Alteration, or Falsification of Records in Federal Investigations and Bankruptcy; 18 U.S.C. § 1513 (e): Retaliation against Informants; 18 U.S.C. § 1350: Failure of Corporate Officers to Certify Financial Reports; 18 U.S.C. § 1348: Criminal Penalties for Defrauding Shareholders of Publicly Traded Companies. 139 Ein neuer Straftatbestand zu Teilnahme und Versuch: 18 U.S.C. § 1349: Attempt and Conspiracy, der nun eine Bestrafung bis zur Höhe der Haupttat ermöglicht. 140 Titel IX des Sarbanes-Oxley Acts: „White-Collar Crime Penalty Enhancements“, Pub. L. No. 107 – 204 §§ 902, 903, 904, 905, 906.
288
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
aufsichtsrechtlichen Befugnisse der Securities and Exchange Commission erweitert wurden.141 1. Strafbarkeit von inchoate behavior Der Sarbanes-Oxley Act setzt an einem frühen Beginn der Strafbarkeit an, indem er viele so genannter inchoate offenses schafft, vergleichbar mit abstrakten Gefährdungsdelikten im deutschen Strafrecht.142 Das US-amerikanische Strafrecht charakterisiert sich dadurch, dass es oftmals neutrale Vorfeldhandlungen, inchoate behavior, weit vor der eigentlich damit verbundenen materialen Straftat mit harten Strafen bewehrt.143 Es handelt sich um Vorfeldstraftaten, deren Regelungsbereich im zeitlichen Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung144 liegt, indem z. B. die Verletzung administrativer Pflichten strafbewehrt ist.145 Hierbei geht es typischer Weise um vorbereitende Handlungen auf dem Weg zur eigentlichen Rechtsgutsverletzung.146 Diese inchoate offenses werden regelmäßig auch als procedural crimes bezeichnet.147 Ein weiteres prominentes Beispiel eines Gesetzes mit vielen solcher procedural crimes stellt der RICO Act148 dar.149 Bei regulatory offenses ist es typisch, dass Elemente des Verbrechenstatbestandes nur in abgeschwächter Form vorliegen müssen bzw., dass darauf ganz verzichtet wird. So ist es im Bereich der white-collar offenses bei den regulatory offenses üblich, dass auf das Vorliegen eines mens rea, d. h. des subjektiven Tatbestandes, ganz verzichtet wird mit dem Ergebnis einer criminal strict liability.150 Andererseits kann es auch sein, dass alleine das Vorliegen eines bestimmten mens rea die indifferente (inchoate) Handlung erst zu einem whitecollar crime macht.151 141 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [22] (2004). 142 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [64] (2004). 143 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [67] (2004). 144 Im US-amerikanischen Recht entspricht die Rechtsgutslehre in etwa dem sog. harm principle: von Hirsch: Der Rechtsgutsbegriff und das „Harm Principle“, in: Hefendehl, Roland/von Hirsch, Andrew/Wohlers, Wolfgang (Hrsg.): Die Rechtsgutstheorie, 2003. 145 Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [45] (2004). 146 Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [46] (2004) 147 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [18] (2004). 148 18 U.S.C. §§ 196 – 1968; eingefügt durch Pub. L. 91 – 452, 84 Stat. 922 (1970). 149 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [18] (2004). 150 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [33] (2004). 151 Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 [33] (2004).
§ 2 US-amerikanisches Recht
289
a) Obstruction of justice offenses Typische Straftatbestände für die Bestrafung von neutralem Verhalten stellen die obstruction of justice offenses dar. So z. B. 18 U.S.C. § 1519, der den bloßen Verstoß gegen administrative Pflichten bestraft, unabhängig davon, ob ein material finanzieller Bezug besteht oder ein Rechtsgut potentiell gefährdet ist.152 Durch den Sarbanes-Oxley Act wurde die U.S. Sentencing Commission zudem angewiesen, bei diesen Straftaten die Starfzumessungsregelungen zu verschärfen.153 Nach der Überarbeitung wurde die Strafzumessung verschärft, wenn der Täter die „destruction, alteration, or fabrication of a substantial numer of records, documents, or tangible objects“ begeht.154 Gerade die Verschärfung der Strafzumessung für Taten der obstruction of justice zeigt die Richtung, die der Bundesgesetzgeber in den USA zur Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten eingeschlagen hat: Anstelle die Beschuldigten wegen der materialen Wirtschaftsstraftaten zu verfolgen, möchte das U.S. Department of Justice dazu übergehen, die Beschuldigten nach den obstruction of justice-Straftaten zu verfolgen, falls während der Ermittlungen Dokumente oder Beweismittel verändert oder falsche Angaben gemacht wurden.155 Die Verfolgung der obstruction of justice-Tat ist weit einfacher als die Verfolgung der materialen Straftat,156 weil die obstruction of justice-Taten grundsätzlich einfacher zu beweisen sind als das dahinter stehende Delikt.157 Es geht damit bei der strafrechtlichen Verfolgung dann nicht mehr um die eigentliche Tat, sondern um deren Verschleierung – „It’s the Cover-Up, Not the Crime“158. In Bezug auf die Verfolgung von Wirtschaftsstraftätern mit dem Ziel einer einfachen Verurteilung stellt dies eine effektive Strategie dar. Durch die Verschärfung der Strafzumessung entstand für die Strafverfolger damit ein effektives Verfolgungsinstrument, das klar prozedurale Strukturen zeigt und durchaus Tradition in den USA hat – schon Alphonso („Al“) Capone wurde wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Geldwäsche und nicht wegen einem Kapitaldelikt 1931 zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.159 Problematisch ist jedoch die Bestimmtheit einer Strafnorm, wenn die Vorfeldhandlung alleine durch den subjektiven Tatbestand sich von tatbestandslosen, neu152 Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [49] (2004); Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [282 f.] (2004). 153 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [299] (2004). 154 U.S.S.G. § 2 J 1.2 (b). 155 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [299 f.] (2004). 156 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [300] (2004). 157 Hayman, A General Counsel’s Guide to Avoiding „Obstruction of Justice“ Liability, in: Mondaq Bus. Briefing, 9. 6. 2004. 158 Anderson, It’s the Cover-Up, Not the Crime, in: Triangle Bus. J. v. 7. 6. 2004. 159 http://www.fbi.gov/about-us/history/famous-cases/al-capone.
290
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
tralen Handlungen unterscheidet und es so auf die schwierig zu beweisende Absicht des Täters ankommt.160 b) Zur Prozeduralität Die Strafbarkeit von neutralem Verhalten in Folge eines Ordnungsverstoßes gegen in der Regel administrative Pflichten ist eine regelmäßig im Vorfeld der eigentlichen, materialen Bezugstat ansetzende Prozeduralisierung im Strafrecht. Spiegelbildlich dazu verhält es sich im Speziellen bei der Untergruppe der obstruction of justice offenses, die regelmäßig an nachtatliche (bezogen auf die materiale Bezugstat) neutrale Handlungen, die in der Verschleierung der materialen Tat liegen, eine prozedurale Strafbarkeit knüpft. In beiden Fällen wird durch die Entscheidung des Strafgesetzgebers isoliert betrachtet neutrales Verhalten zu einem malum prohibitum crime, weil, so der utilitaristisch geprägte Hintergrund dieser Straftatbestände, ein tatsächlich doch bestehender Wirkungszusammenhang zu einer materialen Straftat, häufig einem malum in se crime, angenommen wird. Gegenüber der Verfolgung der materialen Straftat gestaltet sich die Verfolgung von prozeduralen inchoate crimes wesentlich einfacher, da im Wege der Prozeduralisierung diejenigen Merkmale durch andere substituiert oder ganz weggelassen werden, die bei der materialen Straftat schwierig nachzuweisen wären. Allgemein dienen inchoate crimes als regulatory crimes eher der Prävention von Straftaten, da schon typisierend Vorfeldhandlungen kriminalisiert werden sollen. Die obstruction of justice offenses hingegen sollen hauptsächlich repressiv die Verfolgung wahrscheinlich tatsächlich begangener materialer Straftaten erleichtern. Gerade die obstruction of justice offenses stellen ein sehr gutes Beispiel einer strafbarkeitsbegründenden Prozeduralierung im US-amerikanischen Strafrecht anhand des Merkmals nachtatlicher Intransparenz dar. 2. Technische bzw. situative Prävention Situative Prävention bedeutet, dass der Fokus bei der Prävention von Straftaten weg vom Täter hin zur Tat bzw. zum Tatobjekt selbst gelegt wird.161 Wenn die erhofften präventiven Effekte des Strafrechts ausbleiben, bestehe ein erhöhtes Bedürfnis für situative oder technische Prävention.162 Zu beachten ist jedoch, dass dies häufig durch die Schaffung externer Transparenz zu erreichen versucht wird. Hierbei wird stets eine Abwägung zu treffen sein zwischen den Interessen der Kontrollperson 160
Publ. L. No. 107 – 204 § 802 (2002) (Sarbanes-Oxley Act). Ein einfaches Beispiel situativer Prävention stellt eine Wegfahrsperre in einem Kfz dar: Hier wird die Tat auf Grund einer technischen Modifikation des Tatobjekts für den Täter (zumindest theoretisch) unmöglich; Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [77] (2004). 162 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [76] (2004). 161
§ 2 US-amerikanisches Recht
291
(staatlichen Behörde) und denen des Kontrollierten.163 Der Gesetzgeber versuchte mit dem Sarbanes-Oxley Act, genauso wie die Exekutive durch das Thompson Memorandum,164 die Verwaltung mit der SEC Rule 205165 und die U.S. Sentencing Commission166 mit den Änderungen hinsichtlich der Regeln zu compliance-Systemen im Rahmen einer situativen Prävention jegliche Insider in den Dienst der Prävention und teilweise der repressiven Ermittlungen zu stellen.167 Ein wichtiger Baustein sind deshalb so genannte gatekeeper-Berufsgruppen, wie z. B. Buchprüfer, Rechtsanwälte oder Ratingagenturen, die als informational gatekeepers besonders in die Pflicht genommen werden.168 Der Sarbanes-Oxley Act stellt damit ein herausragendes Beispiel dieser in den USA beliebten situativen und technischen Prävention dar. a) Trennung von Bilanzprüfung und Beratung – Buchprüfer als gatekeeper Im Rahmen des Sarbanes-Oxley Acts wird vor allem die Trennung von Abschluss-/Bilanzprüfung und Beratung durch die gleiche Prüfungs-/Beratungsgesellschaft geregelt. Hierdurch soll die historisch als äußerst bedenklich eingestufte Situation eines erneuten „Arthur Enronson“169 verhindert werden. Eine sehr strikte Trennung zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten ist die Folge dieser Erfahrungen. Nach dem Sarbanes-Oxley Act ist jegliche Beratung eines Kunden durch eine Prüfungsgesellschaft verboten, welche zugleich auch die Bücher des Kunden prüft.170 Auch die Pflicht eines rotierenden Wechsels der Prüfer soll Interessenkonflikte vermeiden. b) Kontrolle der Kontrollsysteme Eine kontroverse, weil kostenintensive Erfindung des Sarbanes-Oxley Acts stellt die Einführung eines Bewertungs- und Überwachungssystems für die zu installie163 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [79] (2004); in Bezug auf die Forschungshypothese kann schon an dieser Stelle gesagt werden, dass im Rahmen der Untreue eine solche Abwägung nicht stattfinden muss, da es nur um die Schaffung interner Transparenz geht. 164 Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. II. 3. 165 Siehe unter Kapitel 3, § 2, B. II. 2. c). 166 Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I. 167 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [310] (2004). 168 Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [372 ff.] (2009). 169 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [80] (2004). 170 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [81] (2004).
292
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
renden interenen Kontrollsysteme dar.171 So hat eine Bewertung und Überprüfung der internen Kontrollsysteme selbst stattzufinden,172 welche dazu führt, dass die interne Architektur eines Unternehmens von Prüfern und Außenstehenden hinsichtlich der Bewegungen von Gütern und Informationen besser beurteilt werden kann.173 Die Offenheit und Transparenz eines Unternehmens gegenüber seinen Investoren und Prüfern wird dadurch drastisch erhöht.174 Die „nicht ganz so subtile“ Botschaft des Sarbanes-Oxley Acts ist, die interne und externe Transparenz von Unternehmen zu erhöhen, wofür zudem die Führungsspitze des Unternehmens direkt verantwortlich ist und gemacht werden kann.175 Mit dem PCAOB – dem Public Company Accounting Oversight Board – wurde zudem bei der Securities and Exchange Commission eine Aufsichtsbehörde für Prüfungsgesellschaften, welche Abschlussberichte für Unternehmen prüfen dürfen, geschaffen. Im Ergebnis werden dadurch drei Prüfungsfilter etabliert: interne Kontrollsysteme müssen durch eine Prüfungsgesellschaft kontrolliert werden, welche wiederum durch das PCAOB kontrolliert wird.176 Abstrakt formuliert: Es findet eine Kontrolle des Kontrollsystems durch kontrollierte Prüfer statt. Langevoort diagnostizierte schon in 2005 vorsichtig, dass diese Änderungen Früchte getragen haben und sich die Prüfungsqualität in der post-Sarbanes-OxleyZeit in der Tat spürbar verbessert habe.177 c) Rechtsanwälte als gatekeeper Auch Rechtsanwälte haben durch den Sarbanes-Oxley Act eine Funktion als gatekeeper: So müssen nach den durch den Sarbanes-Oxley Act178 geänderten Vorschriften der Securities und Exchange Commission179 Rechtsanwälte von ihnen bemerktes Fehlverhalten in einem Unternehmen direkt an das board180 melden.181 Ein 171 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1830] (2007). 172 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1827] (2007): Sarbanes-Oxley Act 2002, § 404, 15 U.S.C § 7262 (Supp. III 2003). 173 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1830] (2007). 174 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1831] (2007). 175 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1831] (2007). 176 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1827] (2007). 177 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1824, 1827] (2007). 178 Publ. L. No. 107 – 204 § 307 (2002) (Sarbanes-Oxley Act). 179 SEC Rule 205 (17 C.F.R. § 205 (2004)). 180 In der Bedeutung eines Verwaltungs- und Aufsichtsrates.
§ 2 US-amerikanisches Recht
293
Verstoß gegen diese Regeln kann zu zivilrechtlichen Strafen bis zu USD 100.000,– und dem Verlust der Zulassung führen.182 Rechtsanwälte sind daher gatekeeper im Rahmen eines so genannten „up-the-ladder“ reporting requirements.183 Dass hierbei ein Widerspruch zu den Treue- und Verschwiegenheitspflichten – Standesprivilegien – eines Rechtsanwaltes gegenüber seinem Mandanten entsteht, wurde zwar gesehen aber zu Gunsten der Schaffung von Transparenz aufgelöst.184 Flankiert werden diese Regelungen dadurch, dass die Aussicht auf eine Strafmilderung wegen eines effektiven compliance-Systems ausscheidet, wenn das betreffende Unternehmen im Rahmen der Offenlegung von Straftaten nicht auch seine Rechtsanwälte ihrer Schweigepflicht entbindet.185 d) Prävention durch (externe) Transparenz Der Sarbanes-Oxley Act drängt mit seinen Vorschriften zur Schaffung von Transparenz die privaten Unternehmen in Richtung öffentlicher Institutionen, was Transparenz und Kontrolle anbelangt. Die systemische Relevanz großer Unternehmen für den Staat rechtfertige die Forderung nach externer Transparenz, Verantwortung und Offenheit bezogen auf externe Beobachter.186 Der Sarbanes-Oxley Act verteilt hierdurch wirtschaftliche Macht duch ein System von checks and balances und Transparenz, sodass ein Gegengewicht zu den hohen finanziellen Anreizen, die zur Übernahme übermäßiger Risiken führen können, geschaffen werden soll.187 e) Zur Prozeduralität Technische Prävention hat einen engen Bezug zu prozeduralen Straftatbeständen, da durch situative Prävention eine utilitaristische Legitimation der die technische Prävention flankierenden, prozeduralen Straftatbestände erfolgen kann. Technische 181
Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1826] (2007); Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [378] (2009). 182 17 C.F.R. § 205.6 (a); 15 U.S.C § 78u (d) (3) (2004). 183 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [290 f.] (2004); Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [378] (2009). 184 Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [295 f.] (2004); Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 [380] (2009). 185 Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I. 1. 186 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1829] (2007). 187 Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, 105 Mich. L. Rev. 1817 [1829] (2007).
294
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Prävention ist bestrebt, typische Regelmäßigkeiten und teilweise (idealer Weise) auch strenge Kausalzusammenhänge in den Dienst der Kriminalprävention zu stellen. Ein gutes Beispiel ist das Rotationsprinzip bei der Bilanzprüfung, wodurch absolut verhindert werden kann, dass eine Prüfungsgesellschaft (zumindest) auf längere Zeit ein Unternehmen nicht korrekt prüft. Das Suchen nach solchen Wirkzusammenhängen stellt die Suche nach absoluten Prozeduralisierungen188 der Mittel der Kriminalprävention dar. Werden diese Regelungen zur technischen Prävention durch regulatory offenses flankierend strafbewehrt, so stellen diese auch prozedurale Straftatbestände dar. Die Anknüpfung an so genannte gatekeepers steht im Zusammenhang mit Transparenz, da gatekeeper-Berufsgruppen häufig über Insiderwissen verfügen. Dieses Insiderwissen möchte man zu Gusten der Kriminalprävention nutzbar machen. Andererseits ist man bestrebt, zur Kriminalprävention der Weitergabe des Insiderwissens der gatekeeper-Beufsgruppen auch Grenzen zu setzen; das gilt für die Fälle, in denen erst das Insiderwissen eine kriminogene Situation erst schaffen kann. Ein gutes Beispiel ist hierbei die Trennung zwischen Beratung und Prüfung eines Unternehmens durch die gleiche Prüfungsgesellschaft durch ein Verbot bzw. die Errichtung so genannter Chineese Walls realisiert wird.189
C. Transparenz als „defense“ I. Federal sentencing guidelines Im US-amerikanischen Recht gibt es anders als in Deutschland eine sehr detaillierte Regelung des Strafzumessungsrechts.190 Diese Strafzumessungsvorschriften gelten seit 1991 auch für die Bestrafung von Unternehmen,191 d. h. für die Unternehmensstrafe, die es im US-amerikanischen Recht seit über 100 Jahren gibt; in den USA können auch juristische Personen und Personenvereinigungen als solche bestraft werden.192
188
Siehe unter Kapitel 2, § 2, B. Chinese Walls oder auch Ethical Walls sind Monitoring-Instrumente zur Verhinderung von Intressenkonflikten durch Informationsbarrieren innerhalb einer Institution vgl. Black’s Law Dictionary, Stichworte „chinese wall“ u. „ethical wall“. 190 Rieder/Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 21. 191 Engelhart, Reform der Compliance-Regelungen der United States Sentencing Guidelines, in: NZG 2011, 126; Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 [302] (2004). 192 New York Central & Hudson River R. R. v. United States, 212 U.S. 481 (1909); Rieder/ Falge, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 21; zur Diskussion in Deutschland zur Einführung einer Unternehmensstrafe vgl. z. B. Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 286 ff. 189
§ 2 US-amerikanisches Recht
295
Die federal sentencing guidelines193 sind Verwaltungsanweisungen, die einzelne Tatbestands- und Verschuldenskriterien in Form von Multiplikatoren für die Strafzumessung festlegen.194 Es handelte sich (teilweise) um konkret angegebene und auch rechtlich einklagbare Strafrabatte.195 Der U.S. Supreme Court hat jedoch im Jahre 2005 die federal sentencing guidelines für teilweise verfassungswidrig erklärt, jedoch ihre weitere Anwendung durch die Gerichte als „unverbindliche“ Leitlinien gebilligt.196 Insofern handelt es sich seit dem nicht mehr um zwingende – mandatory – sentencing guidelines. Für Reformen der Richtlinien ist die United States Sentencing Commission (U.S.S.C.) verantwortlich, die die Richtlinien in regelmäßigen Abständen in bedeutendem Umfang überarbeitet.197 1. Compliance als Strafmilderungsgrund Eine der bedeutendsten Änderungen der sentencing guidelines erfolgte im Jahre 2004 mit der Überarbeitung der compliance-Anforderungen und der Einbeziehung von ethischen Belangen in die Richtlinien.198 Das US-amerikanische Recht macht sehr konkrete Vorgaben und Vorschläge für die Ausgestaltung der compliance-Organisation eines Unternehmens: Zeigt das Unternehmen durch die Einführung und Überwachung von compliance-Richtlinien, dass es sich ehrlich bemüht, die geltenden Gesetze einzuhalten und dafür auch einen gewissen bürokratischen Aufwand betreibt, wirkt sich dies regelmäßig schuld- und damit strafmildernd aus.199 U.S.S.G. § 8 C. 2.5 (f) schreibt dann vor, den durch die sentencing guidlines vorgegebenen Multiplikator der Strafe um drei Punkte zu verringern. Amerikanische Unternehmen sind daher auch angesichts dieser Anreize gerne bereit, einen entsprechenden Verwaltungsmehraufwand für Compliance in Kauf zu nehmen.200 2003 wurde U.S.S.G. § 8 B. 2.1 den guidelines hinzugefügt, der regelt, dass ein Unternehmen dann ein effektives compliance-System hat, das zu einer Strafmilderung führen kann, wenn es gebotene Sorgfalt walten lässt, strafbare Handlungen zu verhindern und aufzudecken.201 Die guidelines definieren im Folgenden sieben 193
United States Sentencing Guidelines – U.S.C.G. – ugspr. als guidelines bezeichnet. Ringleb, in: Ringleb-DCGK (2010), Rn. 619. 195 Ringleb, in: Ringleb-DCGK (2010), Rn. 619. 196 United States vs. Booker, 543 U.S. 220 (2002). 197 Engelhart, Reform der Compliance-Regelungen der United States Sentencing Guidelines, in: NZG 2011, 126 [127]. 198 Hess/McWhorter/Fort, The 2004 Amendments to the Federal Sentencing Guidelines, in: 11 FJCFL 725 [740 ff.] (2006). 199 Ringleb, in: Ringleb-DCGK (2010), Rn. 620. 200 Ringleb, in: Ringleb-DCGK (2010), Rn. 621. 201 U.S.S.G. § 8 B. 2.1 (a). 194
296
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Mindestvoraussetzungen, die ein solches compliance-Programm erfüllen muss.202 Nicht in den Genuss einer Strafmilderung kommt man jedoch trotz eines effektiven compliance-Systems dann, wenn die Offenlegung einer Straftat an die Behörden unnötig verzögert wird.203 Die neueren Kommentierungen zu dieser Regel verlangen zudem für die Offenlegung der Straftat auch die Entbindung der Rechtsanwälte als gatekeeper von ihrer Schweigepflicht.204 Außerdem wird eine widerlegbare Vermutung aufgestellt, dass ein Unternehmen kein effektives compliance-System hatte, falls die Führungsetage des Unternehmens selbst in die strafbaren Handlungen involviert war.205 2. Zur Prozeduralität Ob die Regelungen zu einem Strafrabatt bei einem etablierten und effektiven compliance-System eine Prozeduralisierung auf Seiten der Strafzumessung darstellen, ist fraglich. Denn bei der Strafzumessung werden die ohnehin täter- und tatspezifischen Zumessungskriterien angewendet. Zum Vortatverhalten gehört damit grundsätzlich bei einem Unternehmen, sofern es um eine Unternehmensstraftat geht, konsequenter Weise auch die Frage, welche Anstrengungen seitens des Unternehmens unternommen wurden, um Straftaten im Unternehmen zu vermeiden. Insofern fehlt es an einer Substitution eines Entscheidungskriteriums im Rahmen der Strafzumessung. Etwas anderes könnte sich nur daraus ergeben, dass man in der typisierenden Normierung eines Regelfalles die eigentliche Prozeduralisierung sieht. Denn mit der typisierenden Regelung werden sehr konkrete Vorgaben für die Berücksichtigung der Bedeutung eines bestehenden compliance-Systems geschaffen und insofern ein weiteres konkretes Strafzumessungskriterium geschaffen. Eine so betrachtete Prozeduralisierung wäre jedoch eher auf das verfahrensmäßige Element bei der Strafzumessung beschränkt und bezöge sich gerade nicht auf die Strafzumessungsentscheidung an sich. II. „Safe harbor“ regulations 1. Business judgment rule206 Die im deutschen Aktienrecht kodifizierte business judgment rule findet ihr rechtsvergleichendes Vorbild in den USA Die Überprüfung von Entscheidungen und Handlungen von Vorständen,207 ob diese ihre Sorgfaltspflichten eingehalten haben, 202
U.S.S.G. § 8 B. 2.1 (b). U.S.S.G. § 8 C. 2.5 (f) (2). 204 U.S.S.G. cmt. to § 8 C. 2.5, no. 12. 205 U.S.S.G. § 8 C. 2.5 (f) (3). 206 In Kapitel 3, § 2 der Arbeit entsprechend der englischen Orthographie klein geschrieben: „business judgment rule“. 207 Im weitern Sinne: sog. directors. 203
§ 2 US-amerikanisches Recht
297
wird in den USA an der business judgment rule gemessen. Grundgedanke der business judgment rule ist die Tatsache, dass das Gericht nicht retrospektiv seine eigene Bewertung an die Stelle der Entscheidungsträger setzt, sondern lediglich überprüft, ob die Entscheidung unter Zugrundelegung der damals vorhandenen Informationen nicht offensichtlich unvertretbar war.208 Ist dies der Fall, so stellt die business judgment rule einen Einwand gegen die Behauptung einer Pflichtverletzung dar. Zur Prozeduralität der business Judgment rule im US-amerikanischen Recht sei auf die Ausführungen zur im deutschen Aktienrecht normierten business judgment rule verwiesen, die mutatis mutandis gleichenfalls für das US-amerikanische Vorbild der deutschen Regel gelten:209 Es handelt sich jedenfalls um eine Prozeduralisierung der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von unternehmerischen Ermessensentscheidungen; sofern an diese Rechtmäßigkeit strafrechtliche Sanktionen gekoppelt sind, liegt auch eine strafrechtliche Prozeduralisierung vor. Prozedurales Entscheidungskriterium ist u. a. die Transparenz der Entscheidung und deren Grundlagen. 2. Corporate minutes So genannte corporate minutes sind Protokolle von Sitzungen Verantwortlicher in Gesellschaften,210 die, wie der Name schon nahelegt, fast minutengenau aufzeichenen, was diskutiert wurde. Durch diese Art der Protokollführung lässt sich eine Sitzung annähernd lückenlos dokumentieren. Es kann dem Protokoll nicht nur entnommen werden, was gesagt wurde. Es können in einem gewissen Umfang wegen der annähernd lückenlosen Dokumentation auch Aussagen dazu gemacht werden, zu welchen Themen keine Stellung bezogen wurde. Das Führen von corporate minutes ist in den USA verpflichtend, was z. B. für die für Gesellschaftsrecht wichtigste Jurisdiktion, Delaware, aus § 142 (a) (2) Delaware General Corporation Law211 folgt. Die Wichtigeit des Führens von corporate minutes ergibt sich einerseits aus den Verschärfungen der Regelungen durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002.212 Andererseits ergibt sie sich aus der Möglichkeit des Nachweises der Einhaltung der Sorgfaltspflichten von Vorständen, so genannte duty of care. Die Gerichte wenden hierbei die so genannte business judgment rule213 an. Ein sehr wichtiger Aspekt bei der Anwendung der business judgment rule ist die Tatsache, dass die betreffende Entscheidung nicht in der Rückschau bewertet wird, sondern unter Zugrundelegung der Informationen, die zur Zeit der Entscheidungs208
Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008). Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. h). 210 Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008). 211 „One of the officers shall have the duty to record the proceedings of the meetings of the stockholders and directors in a book to be kept for that purpose.“ 212 Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008). 213 Siehe unter Kapitel 2, D. I. 1. zur Rechtslage in Deutschland in Bezug auf § 93 Abs. 1 S. 1 AktG. 209
298
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
findung zur Verfügung standen.214 Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, diese Informationslage dezidiert darstellen zu können. Und an dieser Stelle spielen die ohnehin verpflichtenden corporate minutes ihre eigentlich wichtige Rolle: In den meisten Jurisdiktionen der USA, so auch in Delaware, stellen sie einen prima facieBeweis dar, dass die aufgeführen Informationen vorlagen und die berichteten Handlungen vorgenommen wurden – teilweise erstreckt sich die Beweiskraft sogar so weit, dass vermutet wird, dass die corporate minutes wahrheitsgemäß berichten. Soweit sich der prima facie-Beweis erstreckt, werden andere Beweismittel215 nur ausnahmsweise bei offenbarer Unvollständigkeit oder Zweideutigkeit zugelassen.216 Damit die corporate minutes diese Wirkung in Bezug auf die business judgment rule entfalten können, müssen diese ausreichend genau sein, vor allem deswegen, weil das zusätzliche Risiko besteht, andere Beweismittel außer den corporate minutes wegen der parole evidence rule nicht einführen zu dürfen.217 Der Fall Disney218 verschärfte die ohnehin schon strengen Anforderungen an corporate minutes auch inhaltlicher Natur: Um in den Genuss der Wirkung der corporate minutes in Bezug auf die business judgment rule zu kommen, müssen diese substantiiert, vollständig und detailliert die Entscheidungsgrundlage, die Hintergründe und die Diskussion bis hin zur Entscheidung darstellen – eine kurze Zusammenfassung genügt nicht; je wichtiger die Entscheidung ist, desto genauer müssen die Entscheidungsgrundlagen dargestellt sein.219 Nur so kann von dem Vorteil der business judgment rule überhaupt profitiert werden, wenn dargelegt werden kann, dass eine Entscheidung auf Grundlage angemessenrer Information (informed decision) vorlag. Insofern liegt eine sehr stark ausgeprägte Transparenz in Bezug auf den jeweiligen Inhalt einer solchen Besprechung vor. Dieser hohe Grad an Transparenz kann dazu dienen, sich strafrechtlich zu entlasten. Insofern läge eine prozedurale strafrechtliche Entlastung vor, die anhand des Transparenzmerkmals erfolgt. Hierzu folgende Beispiele: 3. Pretrial diversion agreements Die Tatsache, dass es im US-amerikanischen Strafprozessrecht – und hierbei sehr häufig in Fällen von Witschaftskriminalität – so genannte pretrial diversion 214
Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008). Eine Ausprägung der sog. parole evidence rule bzw. extrinsic evidence rule. 216 Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008). 217 So im Fall Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985) des Delaware Supreme Court, auch bekannt unter der Bezeichnung „Trans Union case“ – diese Anforderungen wurden sogar noch verschärft durch der Entscheidung Netsmart Technologies, Inc. Shareholders Litigation, 924 A.2d 171 (Del. Ch. 2007) des Delaware Chancery Court. 218 In re The Walt Disney Company Derivative Litigation, 906 A.2d 27 (Del. 2006) des Delaware Supreme Court. 219 Vgl. Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008), der die Entscheidung genauso versteht. 215
§ 2 US-amerikanisches Recht
299
agreements gibt, ist nichts Besonderes. Funktional gibt es Vergleichbares in Form von Einstellungen vor Klageerhebung gemäß §§ 153 ff. StPO auch in Deutschland.220 Jedoch sind die vereinbarten Bedingungen zu denen in Deutschland grundlegend unterschiedlich, was in erster Linie an der fehlenden Unternehmensstrafbarkeit liegt: Häufig wird auf die nachträgliche und nachhaltige Einführung von Transparenz durch compliance-Programme und monitoring-Systeme verhandelt. Die Anzahl dieser pretrial diversion agreements hat sich alleine in den Jahren 2002 bis 2005 in den USA im Vergleich zu den Jahren 1992 bis 2002 verdoppelt, wobei dieser Trend sich noch weiter fortsetzt und damit einen neuen Standard im Vorgehen bei Unternehmenskriminalität setzt.221 Das typische Szenario eines non-prosecution agreements222 besteht darin, dass das Unternehmen die harten Nebeneffekte eines Strafverfahrens, hauptsächlich wegen der negativen Öffentlichkeitswirkung,223 vermeiden kann, wenn es sich freiwillig dazu für eine gewisse Zeitspanne verpflichtet, substantielle unternehmensinterne Reformen durchzuführen, mit den Behörden zu kooperieren, um einzelne Akteure individuell strafrechtlich zu verfolgen, sowie Schadenswiedergutmachung zu betreiben und sich behördlicher Kontrolle zu unterwerfen.224 Ein abschreckendes Negativbeispiel stellt die Wirtschaftsprüfergesellschaft Arthur Anderson dar: Arthur Anderson weigerte sich, im Rahmen eines deferred prosecution agreements substantielle Reformen durchzuführen, sodass die Verhandlungen über ein deferred prosecution agreement scheiterten und letztlich Arthur Anderson durch die Anklageerhebung zum völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch brachten.225 Das US-amerikanische Justizministerium forciert das Vorgehen mit pretrial diversion agreements so stark, weil es sich davon erhofft, die größten (präventiven) Effekte im Kampf gegen Unternehmenskriminalität zu erzielen.226 Das Strafrecht wird zunehmend als ein Mittel zur Durchsetzung von Reformen, die kriminalitätsanfällige Unternehmensstrukturen beseitigen sollen, gesehen; der Fokus wird mehr darauf gelegt, in die Zukunft gerichtet Veränderungen im Bereich corporate 220
Siehe unter Kapitel 3, § 6, E. I. u. Kapitel 3, § 6, E. II. Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 (2008). 222 Das schon eine Anklage vermeidet: Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [162] (2008). 223 Sog. collateral consequences: Adverse publicity, Auswirkungen auf den Börsenkurs, automatischer Widerruf von behördlichen Konzessionen, Suspension von staatlichen Förderungen, Epstein, Richard A.: The Deferred Prosecution Racket, in: The Wall Street Journal v. 28. 11. 2006, S. A14. 224 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [162] (2008). 225 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [165 f.] (2008). 226 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [161] (2008). 221
300
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
governance und compliance herbeizuführen, als ausschließlich repressiv die Handlungen strafrechtlich aufzuarbeiten.227 Das United States Attorney’s office of the District of New Jersey z. B. wendet pretrial diversion agreements vornehmlich im Bereich des Betruges im Gesundheitswesen an, mit dem explizit erklärten Ziel, die Geschäftspraktiken einer ganzen Branche zu reformieren.228 Diese Reform der Strafverfolgungspraxis wurde bemerkenswerter Weise dadurch herbeigeführt, dass den einzelnen Staatsanwaltschaften der Freiraum zu Experimenten gelassen wurde, die Rolle und Funktion des Strafrechts neu auszurichten.229 Andererseits nimmt das Vorgehen im Rahmen eines pretrial diversion agreements den Ermittlungsbehörden auch die Qual der Wahl zwischen einem Alles oder Nichts bei Unternehmensstrafbarkeiten: entweder dem Unternehmen einen Freischein zu erteilen (durch Gewähren von Immunität oder Amnestie)230 oder das Unternehmen anzuklagen und damit in den meisten Fällen wirtschaftlich zu zerstören.231 Gleichzeitig müssen die Staatsanwälte, die ein pretrial diversion agreement verhandeln und überwachen, auch wachsam sein, um Bemühungen von Unternehmen zu enttarnen, die Vorgehensweisen nur so aussehen lassen wollen (window dressing), als kooperierten sie mit den Behörden.232
D. Schlussfolgerungen Die neuere Entwicklung des US-amerikanischen Wirtschaftsstrafrechts kann als Reaktion auf die großen Bilanzmanipulationsskandale und die Weltfinanzkrise gesehen werden, in deren legislatorischem Mittelpunkt der Sarbanes-Oxley Act stand. Dogmatisch können im Lichte dieser Arbeit viele der Bemühungen um Prävention im Wirtschaftsstrafrecht als Schaffung von Transparenz und Sicherung der Transparenz durch prozedurales Strafrecht interpretiert werden. 227 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [161] (2008). 228 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 [172] (2008). 229 Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 (2008). 230 So noch die vorgeschlagene Vorgehensweise bei Kooperation mit den Ermittlungsbehörden im sog. Holder Memorandum, Teil III. (B) (Holder, Memorandum to all Component Heads and United States Attorneys on bringing criminal charges against corporations, 1999); zu diesen beiden Optionen wurde durch das Thompson Memorandum, Teil VI (B), die Möglichkeit eines pretrial diversion hinzugefügt (Thompson, Memorandum to Heads of Department Components and United States Attorneys from the Deputy Attorney General on Principles of Federal Prosecution of Business Organizations, 2003). 231 Wray/Hur, Corporate Criminal Prosecution in a Post-Enron World: The Thompson Memo in Theory and Practice, in: 43 Am. Crim. L. Rev. 1095 [1103] (2006). 232 Thompson, Memorandum to Heads of Department Components and United States Attorneys from the Deputy Attorney General on Principles of Federal Prosecution of Business Organizations, 2003, Teil VI (B).
§ 3 Geldwäschestrafrecht
301
Es bestehen teilweise grundsätzliche Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen und dem deutschen Strafrecht. So gibt es in Deutschland, anders als in den USA, keine Strafbarkeit von Unternehmen. Viele der Mittel technischer Prävention und die Rolle der compliance-Regelungen werden durch die Unternehmensstrafbarkeit im U.S.-amerikansichen Recht flankiert. Dennoch ist in den USA auch wieder die persönliche Strafbarkeit der handelnden Akteur betont worden. Weiterhin ist die Rolle des Strafrechts in Teilen eine andere als in Deutschland: So wird Strafrecht in den USA in weit größerem Maße als in Deutschland auch als Methode der Sozialkontrolle betrachtet und daher auch stark utilitaristisch legitimiert. Strafrechtstranszendente Unterschiede zwischen den USA und Deutschland bestehen vor allem in der Rolle der großen Kapitalgesellschaften in den USA, die in weit höherem Maße als in Deutschland als Investitionsobjekte für offene oder geschlossene Renten-Fonds oder für institutionelle Investoren dienen, was die hohen Anforderungen an corporate governance und die weitreichenden Offenlegungs- und Transparenzpflichten gegenüber der Allgemeinheit als externe Transparenz erklären kann.233Auch das US-amerikanische Verständnis und politische Bedürfnis für corporate social behavior234 dürfte darum stärker ausgeprägt sein als in Deutschland. Ähnlichkeiten bestehen bei den Kapitalgesellschaften mit der Tatsache, dass Eigentum und Verwaltung getrennt und die sich hieraus ergebenden möglichen Probleme identisch sind. Insgesamt konnten im Bereich des US-amerikanischen Wirtschaftsstrafrechts viele prozedurale Straftatbestände identifiziert werden, von denen ein Gutteil Transparenz in vielen verschiedenen Facetten als prozedurales Entscheidungskriterium belastet. Insofern dienten diese Untersuchungsergebnisse im Vorfeld dieser Arbeit für die Überlegungen im Rahmen der lex ferenda als wichtige Inspiration für die Möglichkeiten prozeduraler Strafrechtsgestaltung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts – sollten aber dem Leser letztlich auch aufzeigen, welche zahlreichen rechtsgestaltenden Möglichkeiten im Bereich der Prozeduralisierung des Wirtschaftsstrafrechts allgemein und über die schließlich vertretene lex ferenda hinaus noch denkbar und untersuchenswert wären.
§ 3 Geldwäschestrafrecht Im Folgenden geht es darum, Argumente aus dem Recht der Geldwäsche zu gewinnen, die für eine Prozeduralisierung der Untreue de lege ferenda auf Grund des Transparenzmerkmals sprechen. Im Bezug auf die US-amerikanischen Regelungen zum Geldwäscherecht wurden die entsprechenden Strafvorschriften schon als pro233
Langevoort, The Social Construction of Sarbanes-Oxley, in: 105 Mich. L. Rev. 1817 [1835] (2007) m.w.N. 234 Mitchell, Roles of Corporations and Corporate Officers, in: 99 Am. Soc’y Int’t L. Proc. 265 (2005).
302
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
zedurale Strafnormen identifiziert.235 Die USA haben die Einführung des Geldwäschestrafrechts in Europa stark gefördert und vorangetrieben.236
A. Der Begriff der „Geldwäsche“ Die Kriminologie beschreibt das Phänomen der Geldwäsche folgendermaßen: Geldwäsche ist ein Vorgang, der darauf abzielt, die Spuren illegaler, d. h. aus Straftaten stammender Vermögensgegenstände zu verschleiern oder zu verwischen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder als scheinbar legales Vermögen im regulären Geschäftsverkehr zu verwenden.237 Die Geldwäsche ist ein komplexer Prozess, in dem vor allem der Ausgangs- und Endpunkt genau beschrieben werden kann – in der Fachterminologie „Input“ und „Output“ genannt.238 Der dazwischen liegende Prozess, von den Tätern bewusst verwirrend gestaltet, ist schwer zu erfassen und zu kategorisieren; er wird deshalb auch bezeichnender Weise „black box“ genannt.239 Um diese black box begrifflicher zu beschreiben und zu visualisieren und in weitere Unterschritte aufzuteilen, wurden verschiedene Modelle entwickelt.240 International etabliert hat sich ein Drei-PhasenModell.241 In diesem Modell wird die erste Phase als „placement“ oder „Platzierung“ bezeichnet, die zweite als „layering“ oder „Verwirrspiel“ und die dritte Phase als „integration“ oder „Integration“.242 Als kurzer Überblick über die einzelnen Phasen soll folgende Erklärung genügen: Beim placement geht es darum, das Bargeld in Buchgeld umzuwandeln bzw. bei schon bestehendem Buchgeld, hierfür umfangreiche Legenden zu schaffen.243 In der nächsten Phase, dem layering findet eine Art Verwirrspiel statt, sodass die Herkunft des Geldes durch eine Reihe hintereinandergeschalteter, komplexer Finanztransaktionen verschleiert werden kann.244 Als letzter Schritt findet endlich die integration statt; in dieser Phase fließen die „ge-
235 236
[84]. 237
Rn. 2. 238
Siehe oben unter Kapitel 3, § 2, A. II. 4. a) u. Kapitel 3, § 2, A. II. 4. b). Scherp, Internationale Tendenzen in der Geldwäschebekämpfung, in: wistra 1998, 81 Herzog/Mülhausen/Vogt, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, § 1
Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 5. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 5. 240 Körner/Dach, Geldwäsche, S. 13 (zweigliedriges Phasenmodell); Höreth, Die Bekämpfung der Geldwäsche, S. 10 ff. (Phasen- und Kreislaufmodell); Ackermann, Geldwäscherei, S. 12 (Zielmodell). 241 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 7. 242 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 7. 243 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 8. 244 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 10. 239
§ 3 Geldwäschestrafrecht
303
waschenen“ Gelder wieder an den Organisator der Geldwäsche zurück, wo sie in legale Geschäfte und Vermögensbildung investiert werden.245
B. Typologiebildung im Geldwäscherecht Als Arbeitshilfe für die effektive Ermittlung und Bekämpfung von Geldwäsche existieren verschiedene Typologie-Papiere oder Fallauswertungen.246 In diesen Papieren wird die Geldwäsche im Hinblick auf Typologien und Methoden analysiert. International ist in diesem Zusammenhang besonders die FATF247 und ihre Typologies Reports248 zu erwähnen. Die Erarbeitung von Typologien in der Geldwäschebekämpfung hat die Aufgabe, Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geldwäsche zu liefern.249 Die Bildung von verschiedenen Typologien ist vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass der Prozess der Geldwäsche, insbesondere in der Phase des layering, die so genannte black box, in so verschiedenen Formen in Erscheinung tritt, als dass die induktive Formulierung von allgemeinen Kriterien nicht möglich ist. Im Hinblick auf eine Auswertung des Geldwäscherechts, um Erkenntnisse über ein Beispiel einer Prozeduralisierung im deutschen Strafrecht zu gewinnen, wird im Folgenden ein kurzer Überblick über verschiedene Erscheinungsformen bzw. Typologien der Geldwäsche gegeben: I. Trade based money laundering Unter dem trade based money laundering werden Prozesse verstanden, bei denen illegale Vermögenswerte im Rahmen von verschiedenen Handelstransaktionen durch Falschangaben bei Preis, Qualität oder Quantität verschleiert werden sollen.250 II. Gatekeeper-Berufsgruppen Eine weitere wichtige Methode zur Geldwäsche ist die Nutzung von gatekeeperBerufsgruppen. Hierunter fallen insbesondere alle Berufe der Finanzwirtschaft, 245
Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 11. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 55. 247 Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF); ein zwischenstaatliches Gremium, ohne eine internationale Organisation zu sein, das die Bemühungen gegen die Ausnutzung des internationalen Finanzverkehrs zu kriminellen Zwecken international koordiniert (Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 58 ff.; ausführlich hierzu: Pieth, Handbuch für Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, § 4 Rn. 8 ff.). 248 Alle Typologies Reports sind online verfügbar und einzusehen auf http://www.fatfgafi.org. 249 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 55. 250 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 16. 246
304
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Anwälte, Notare und andere Rechtsexperten, die einerseits hohes gesellschaftliches Ansehen genießen und andererseits spezielles Fachwissen haben, das für Geldwäscheaktivitäten in Anspruch genommen werden kann.251 III. Offshore Finanzplätze Eine weitere große Bedeutung für die Geldwäsche haben so genannte. offshore Finanzplätze. Die dortigen Bedingungen, wie z. B. ein hohes Maß an Vertraulichkeit, unkontrollierter und unregulierter Kapitalverkehr, eingeschränkte Zulassung von Rechtshilfe, professioneller Service um „Briefkastenfirmen“ zu gründen etc., lassen es zu, intransparente Gesellschaften zu gründen, die die Verschleierung von schmutzigem Geld in besonderer Weise begünstigen.252 IV. Informelle Geldtransfersysteme Eine weitere Typologie stellen informelle Geldtransfersysteme wie z. B. das Hawala-Finanzsystem dar. Dies sind Netzwerke für den internationalen Geldtransfer außerhalb eines regulierten Marktes.253 Diese Systeme des underground banking254 schaffen einen hohen Grad an Verschleierung für den Transfer von schmutzigem Geld.255 V. Intransparente geschäftliche Organisationsformen Auch schlicht intransparente geschäftliche Organisationsformen eignen sich hervorragend als Vehikel für schmutziges Geld; hierbei macht sich der Geldwäscher die Trennung von rechtlicher und wirtschaftlicher Berechtigung zu Nutze.256 So eignet sich im Grundsatz jede entpersonalisierte und teilweise auch anonymisierte Rechtsgestaltung, wie z. B. Treuhandverhältnisse und Stiftungen.257 Je nach Grad der Möglichkeit einer anonymisierten Gründung können Geldtransfers verschleiert werden.258
251
Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 19. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 24 f. 253 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 28. 254 Zum nicht unumstrittenen Begriff vgl.: Findeisen, „Underground-Banking“ in Deutschland, in: WM 2000, 2125 ff. 255 Teilweise mit Nutzung von bis zu 50 Überweisungsanbietern (FATF, Typologies Report 2001 – 2002, II.73, Ex. 20). 256 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 38 ff. 257 FATF, Typologies Report 2001 – 2002, II.25 – 29. 258 FATF, Misuse of corporate vehicles, including trusts and company service providers, S. 3 ff. 252
§ 3 Geldwäschestrafrecht
305
VI. Finanzmarktprodukte Letztlich sollen an dieser Stelle noch die Möglichkeiten genannt werden, die Finanzmarktprodukte bieten, um Geldwäscherei betreiben zu können. Insbesondere eignen sich hierzu die ohnehin schon hoch komplexen Finanzderivate, deren Markt teilweise intransparenten Regelungen unterworfen ist.259 Auch sind Brokerfirmen im Allgemeinen international aufgestellt, sodass länderübergreifende Geldtransfers nicht weiter auffällig sind, wobei in einigen Ländern Depots zudem noch durch Treuhänder geführt werden können.260 VII. Typologien Letztlich sei noch bemerkt, dass all diese Typologien eben nur typischer Weise, d. h. gerade nicht notwendiger Weise, in Zusammenhang mit der Geldwäscherei auftreten müssen. Einer Geldwäsche liegt in den meisten Fällen – die Typologien sind nicht abschließend, werden jedoch fortlaufend angepasst261 – ein derart typisches Verhaltensmuster zu Grunde. Umgekehrt: In der Mehrzahl der Fälle, in denen ein typisches Verhaltensmuster vorliegt, findet jedoch keine Geldwäsche statt.262
C. Die EG-/EU-Geldwäscherichtlinien263 und das Geldwäschebekämpfungsgesetz264 Die erste EG-Geldwäscherichtlinie verlangte, dass die Geldwäsche überhaupt kriminalisiert wird. Darüber hinaus sollen den Finanzinstituten – flankierend – be259
Hafner, Im Schatten der Derivate. FATF, Typologies Report 1995 – 1996, B.51 – 53; FATF, Typologies Report 1998 – 1999, Case No. 9. 261 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 55. 262 So wurde z. B. in einer frühen empirischen Untersuchung festgestellt, dass bei 380 Verdachtsanzeigen auf Grund des Vorliegens bestimmter Verhaltensmuster es in keinem Fall zu einer Anklage kam (Oswald, Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche, in: wistra 1997, 328 [329]). 263 Richtlinie 91/208/EWG vom 10. 6. 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche („Erste EG-Geldwäscherichtlinie); Änderungsrichtlinie 2001/97/EG vom 4. 12. 2001 („Zweite EG-Geldwäscherichtlinie“); Richtlinie 2005/60/ EG vom 15. 12. 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung („Dritte EG-Geldwäscherichtlinie“); Richtlinie (EU) 2015/849 vom 20. 5. 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG und der Richtlinie 2006/ 70/EG („Vierte EU Geldwäscherichtline“); Richtlinie (EU) 2018/843 vom 30. 5. 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU („Fünfte EU Geldwäscherichtline“); Richtlinie 260
306
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
stimmte Identifikations- und Meldepflichten auferlegt werden. Um die Verpflichtungen der Richtlinie zu erfüllen, hat der bundsdeutsche Gesetzgeber 1992 durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“265 den Tatbestand der Geldwäsche in § 261 StGB aufgenommen. Da alleine mit der Aufnahme des Geldwäschetatbestandes in das Strafgesetzbuch noch nicht die notwendigen Ermittlungsinformationen für die Aufklärung von Geldwäscheaktivitäten gesichert sind,266 wurde, ebenfalls nach den Anforderungen der ersten EG-Geldwäscherichtlinie, flankierend dem § 261 StGB das Geldwäschegesetz267 von 1993 zur Seite gestellt. Das GwG a.F. enthielt so z. B. für Kreditinstitute, Finanzinstitute und Spielbanken gewerberechtliche Meldepflichten, die so genannten Verdachtsanzeigepflicht, und Identifizierungs- und Dokumentationspflichten. Nach Modifikationen durch die zweite EG-Geldwäscherichtlinie268 wurde das GwG a.F. 2002 novelliert. Den entscheidenden europäischen Hintergrund für die 2008 erfolgte Neufassung des GwG269 lieferte die dritte EG-Geldwäscherichtlinie. Wegen tiefgreifender Änderungen am bestehenden Regelsystem im Geldwäscherecht wurde die erste EG-Geldwäscherichtlinie in der Fassung der zweiten EGGeldwäscherichtlinie aufgehoben und durch eine Neufassung ersetzt. In seiner Neufassung wurde entsprechend der Richtlinie auch das GwG nach dem so genannten risk based approach ausgerichtet.270 Die vierte EU-Geldwäscherichtlinie hatte Deutschland im Juni 2017 umgesetzt und hatte damit insbesodnere das Transparenzregister und Kontenabrufverfahren eingeführt. Am 1. Januar 2020 ist schließlich das aufgrund der mittlerweile fünften EU-Geldwäscherichtlinie novellierte GwG in Kraft getreten. Mit dem neuen GwG werden die bisherigen Regelungen auf Basis des risk based approach weiter verschäft (z. B. strengere und erweiterte Meldevorschriften für Immobilienmakler, Notare, Goldhändler, Auktionshäuser, Kunsthändler einschließlich Vermittler und Lageristen, Dienstleister aus dem Bereich Kryptowährungen, Mietmakler und Lohnsteuerhilfevereine). Des Weiteren (EU) 2018/1673 vom 23. 10. 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche („Sechste EU Geldwäscherichtline“). 264 Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz) vom 14. 8. 2002, BGBl. I 2002, S. 3105. 265 Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG), BGBl. I 1992, S. 1302. 266 Findeisen, Der Präventionsgedanke im Geldwäschegesetz, in: wistra 1997, 121 [122]. 267 Geldwäschegesetz (GwG a.F.), BGBl. I 1993, S. 1770; zu Inhalt und Zielrichtung vgl. Findeisen, Der Präventionsgedanke im Geldwäschegesetz, in: wistra 1997, 121. 268 In Form einer Änderungsrichtlinie. 269 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten – Geldwäschegesetz (GwG) vom 18. 8. 2008, BGBl. I, S. 1690; zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. 7. 2009, BGBl. I, S. 2437. 270 Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 81 ff.
§ 3 Geldwäschestrafrecht
307
erhilt die Öffentlichkeit Zugang auf das bereits bestehende Transparenzregister, für das auch erweiterte Pflichten gelten. Auch wurden Sorgfaltspflichten bei Transaktionen mit Hochrisikoländern verschärft. Die sechste EU Geldwäscherichtlinie ist bis zum 3. Dezember 2020 umzusetzen und enthält Regelungen zu Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen im Bereich der Geldwäsche.
D. Der risk based approach im Geldwäscherecht I. Sinn der Typologiebildung im Geldwäscherecht An dieser Stelle ist die noch nicht behandelte Frage zu klären, wozu die Typologiebildung in der Geldwäschebekämpfung in concreto dient bzw. diente. In der Zeit vor der Novellierung der EG-Geldwäscherichtlinie (dritte EG-Geldwäscherichtlinie als Novellierung) und im Zuge dessen auch des GwG (novelliert im Jahre 2008) bestand ein vorrangiges Ziel in der Geldwäschebekämpfung darin, einen umfassenden Pflichtenkatalog für Finanzdienstleister et. alt. aufzustellen – der so genannte rule based approach.271 Dieser Katalog bestand vor allem aus der Einhaltung von formalisierten Identifizierungspflichten und einem detaillierten Maßnahmenkatalog.272 II. Novellierung des GwG und risk based approach Seit der Novellierung von Richtlinie und GwG liegt der Geldwäschebekämpfung ein risk based approach in Anlehnung an die FATF-Vorgaben zu Grunde.273 So sollen unter kontinuierlicher Berücksichtigung von neuen Entwicklungen und Typologien je nach Risikoeinschätzung entsprechende Verpflichtungen der Finanzdienstleister et. alt. gelten.274 Hierbei gab das jeweils zu ermittelnde Risiko, das durch die Kundenkategorie und die Transaktionsart bestimmt wird, den Prüfungsmaßstab vor.275 Konkret gibt das GwG ein drei-Risikostufen-Modell vor, bei dem es für die drei Risikoklassen jeweils unterschiedlich ausgeprägte Sorgfaltspflichten gibt – die allgemeinen276, vereinfachten277 und verstärkten278 Sorgfaltspflichten. Der Inhalt der allgemeinen Sorgfaltspflichten wird in § 10 Abs. 1 GwG geregelt. § 10 Abs. 3 GwG bestimmt, welche Ereignisse die Sorgfaltspflicht nach Abs. 1 271 272 273 274 275 276 277 278
Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 83. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 83. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 81 ff. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 81 ff. Herzog, in: Herzog-GwG, Einleitung, Rn. 83 ff. § 10 GwG. § 14 GwG. § 15 GwG.
308
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
auslösen. Für Zwecke dieser Arbeit bemerkenswert ist § 10 Abs. 2 GwG, welcher eine risikobasierte Bestimmung des Maßnahmenumfangs nach § 10 Abs. 1 GwG regelt. Die Verpflichteten haben demnach den konkreten Umfang der Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach Abs. 1 entsprechend dem Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, insbesondere in Bezug auf den Vertragspartner, die Geschäftsbeziehung oder Transaktion, zu bestimmen. Diese Regelung ist Ausdruck und zentrales Merkmal des risk based approach. Zweck der Regelung ist eine zielgenaue und effiziente Ausgestaltung der Maßnahmen in der Geldwäschebekämpfung.279 Soweit speziellere Regelungen für bestimmte Sachverhalte bestehen, die vom Gesetzgeber entweder als besonders risikoarm oder besonders risikobehaftet eingestuft werden, hat sich hieran die Bestimmung des Maßnahmenumfangs auszurichten.280 III. Schlussfolgerungen für die lex ferenda Was man aus dem Bereich des Geldwäschestrafrechts für die lex ferenda gewinnen kann, ist die Erkenntnis, dass eine Typologiebildung auch im Untreuestrafrecht helfen kann, prozedurale Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen. Diese Erkenntnis liegt auf der Line der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Bildung komplexer Obersätze im Bereich des § 266 StGB und der Vorgehensweise dieser Untersuchung im Kapitel 2.281 Bei den Überlegungen zur Typologisierung im Bereich der Untreue wird abermals unter Bezug auf die Argumentation in Kapitel 1 der Arbeit Transparenz bzw. Intransparenz eine zentrale Rolle einnehmen. Durch die Typologisierung im Bereich der Untreue, vor allem anhand des Transparenzmerkmals, wäre sodann als lex ferenda ein prozeduraler risk based approach im Rahmen einer situativen Prävention auch im Untreuestrafrecht als strategischer Bekämpfungsansatz der Untreuekriminalität zu erörtern.
§ 4 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, § 218a StGB Die strafrechtliche Behandlung des Schwangerschaftsabbruchs ist in § 218a StGB282 prozedural ausgestaltet worden. Die Strafbarkeit nach § 218 StGB hängt davon ab, ob bestimmte Verfahren eingehalten wurden oder nicht. Rechtsfolge bei Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens bzw. der Voraussetzungen ist die 279
Figura, in: Herzog-GwG, § 3 GwG Rn. 39. Figura, in: Herzog-GwG, § 3 GwG Rn. 39. 281 Siehe unter Kapitel 3, § 5, C. IV. 282 Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Esers Theorie prozeduralen Strafrechts am Beispiel des Schwangerschaftsabbruchs, dargestellt unter Kapitel 1, § 5. 280
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
309
Tatbestandslosigkeit, § 218a Abs. 1 StGB, bzw. die Rechtmäßigkeit, § 218a Abs. 2 und 3 StGB oder Straflosigkeit des Verhaltens, § 218a Abs. 4 StGB. Rechtspolitisch wurde in § 218a StGB eine Kombination des so genannten Fristen- und Indikationsmodells realisiert,283 die ein politisch mühsam errungenes Ergebnis zur Lösung eines Dilemmas284 versucht „mit Augenmaß“ in die Strafrechtsdogmatik einzuarbeiten.285 § 218a StGB stellt einen prozedural ausgestalteten, nur in strafbefreiender Hinsicht wirkenden Annex286 zu § 218 StGB dar, der bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Rechtsfolgen des § 218 StGB durch Verneinung von alternativ der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit bzw. Strafbarkeit vermeidet. § 218a StGB kann insofern in Bezug auf eine lex ferenda im Rahmen des § 266 StGB als Vorbild einer prozedural ausgestalteten Annex-Norm zu einem bestehenden Tatbestand des Strafgesetzbuches gesehen werden, die allerdings nur in strafbefreiender Hinsicht wirkt.
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung und Eignung des Transparenzmerkmals als prozedurales Entscheidungskriterium Die Untreue ist im Vermögensstrafrecht des StGB eines der Delikte mit dem weitesten Tatbestand.287 Der zweite Teil dieser Arbeit hat die Erkenntnis gewonnen, dass die Untreue gemäß § 266 StGB zu einem erheblichen Teil in der Rechtsanwendung so komplex ist, weil sie an tatbestandsimmanenten Strukturproblemen leidet. Andererseits bestehen in tatsächlicher Hinsicht teilweise erhebliche Schwierigkeiten in der Strafrechtspflege seitens der Strafverfolgungsorgane. Aus dogmatischer Sicht stellt der Tatbestand der Untreue schon abstrakt einer Anwendungspraxis einen Tatbestand dar, der strukturell die Notwendigkeit einer Prozeduralisierung erkennen lässt.288 Dies ergibt sich vor allem aus der Natur der Untreue als komplexes Vermögensdelikt. Vermögensdelikte betreffen einerseits in weiten Bereichen der Phänomenologie den „unsichtbaren“ Teil der Kriminalität (Stichwort: „Buchgeld“),289 der schon grundsätzlich schwieriger strafrechtlich zu
283
Gropp, in: MüKo-StGB, § 218a Rn. 1. Gropp, in: MüKo-StGB, Vor §§ 218 ff. Rn. 11. 285 Gropp, in: MüKo-StGB, § 218a Rn. 7. 286 Zur Entstehungsgeschichte des § 218a StGB vgl. Gropp, in: MüKo-StGB, Vor §§ 218 ff. Rn. 1 – 10. 287 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563. 288 So auch Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 53 ff. 289 Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) bb) (3). 284
310
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
bewerten ist290 als der Bereich der „begreifbaren“ Kriminalität. Andererseits ergibt sich die strukturelle Notwendigkeit einer Prozeduralisierung auch auf Grund der zivilrechtlichen Vorfragen,291 die das Strafrecht unweigerlich mit den Wertungen des Zivilrechts konfrontieren und welche zwangsläufig aus systemtheoretischer Sicht zu intersystemischen Irritationen292 zwischen dem Zivilrechtssystem/Wirtschaftssystem und dem Strafrechtssystem/Untreuestrafrechtssystem – hier verstanden als Prozeduralisierungen –293 führen. Strukturelle Komplexität trägt die Notwendigkeit einer komplexitätsreduzierenden Prozeduralisierung in sich.294 Im Bereich der Anwendungspraxis ergeben sich zusammenfassend insbesondere folgende rechtliche und tatsächliche Anwendungsprobleme bei Untreuestraftaten, die die Rechtsprechung samt durch Bestrebungen mit einer hypothetisch prozeduralen Handhabung und Anwendung des § 266 StGB versucht zu kompensieren. Diese Prozeduralisierungsanstrengungen und Tendenzen stellen sich weitestgehend als hypothetische Prozeduralisierungen contra legem dar, indizieren jedoch auch die tatsächliche Notwendigkeit einer Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda. Im Einzelnen zusammenfassend: (1)
Die Business Judgment Rule im Aktienrecht wird auf Grund der limitierten Zivilrechtsakzessorität der Untreue als eine prozedurale safe-harbor-Regelung belastet und von der Rechtsprechung als eine solche akzeptiert – nicht zuletzt, um sich zu schwierigen wirtschaftlichen Bewertungsfragen hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit der Handlung zu enthalten.295 Das zeigt, dass eine solche Prozeduralisierung in diesem Anwendungsbereich bereits de lege lata – unter anderem auch anhand des Transparenzmerkmals – möglich ist und kann als Vorbild für eine umfassende Prozeduralisierung des § 266 StGB in strafbefreiender Hinsicht dienen.
(2)
Bei der Kreditgewährung stellt die Rechtsprechung im Rahmen einer Prüfung von § 18 S. 1 KWG vor allem auf die Transparenz der Risikoentscheidung ab, um indizienhalber (d. h. nicht starr) zu ermitteln, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt.296 Liegt nämlich ein gravierender Verstoß gegen die Pflichten des § 18 S. 1 KWG vor, so handle es sich um ein Indiz für eine Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB. Hierbei gerät die Rechtsprechung teilweise und vor
290 Vgl. nur die Prozeduralisierungstendenzen im Bereich des Wertpapierhandelsstrafrechts: Vogel, Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: FS Jakobs 2007, S. 731 [740, 745 f.]. 291 Siehe unter Kapitel 2, § 7 V, Kapitel 2, § 8, D. I. u. Kapitel 2, § 8, D. I. 1. h). 292 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 2. u. Kapitel 2, § 7, D. II. 4. 293 Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. II. 4. 294 So auch Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 187: Situationen ansteigender Komplexität und damit prognosebedingter Bewertungsunsicherheit bieten Raum für den Einsatz prozeduraler Strafrechtsregelungen. 295 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. 296 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 2.
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
311
allem bei Formalverstößen gegen zivilrechtliche Normen in Konflikt mit der neuen Lehre bezüglich der Forderung eines Pflichtwidrigkeits- bzw. Zurechnungszusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Vermögensnachteil.297 Wiederum geschieht dieses Abstellen auf Formalverstöße aus der Problematik der wirtschaftlichen Bewertung der Pflichtwidrigkeit heraus. Eine Prozeduralisierung de lege ferenda kann insoweit Abhilfe und Rechtssicherheit schaffen, indem gesetzlich auf den sonst mit der h.L. zu fordernden Pflichtwidrigkeitszusammenhang verzichtet werden kann. (3)
Das Merkmal der „gravierenden“ Pflichtverletzung ist eine Kreation der Rechtsprechung, um den weiten Anwendungsbereich der Untreue einzugrenzen. Transparenzpflichtverstöße können teilweise eine gravierende Pflichtverletzung begründen.298 Diese Rechtsprechung zeigt einerseits eine Notwendigkeit der Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Untreue, namentlich im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung. Andererseits zeigt die Rechtsprechungspraxis zur gravierenden Pflichtverletzung, dass Transparenz bereits de lege lata als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium belastet wird. Dies zum Anlass, kann die Prozeduralisierung de lege ferenda in strafbefreiender Hinsicht den weiten Anwendungsbereich der Untreue im Ergebnis eingrenzen.
(4)
Die Rechtsprechungspraxis zu schwarzen Kassen stellt eine unzulässige hypothetische Prozeduralisierung der Untreue dar, die im Wesentlichen auf – nach Ansicht des Verfassers: falschen – Konsequenzen einer uneinheitlich wirtschaftlichen Bestimmung des Nachteilsmerkmals bei § 266 Abs. 1 StGB beruht.299 Dem könnte faktisch eine Prozeduralisierung der Untreue in strafbefreiender Hinsicht Einhalt gebieten.
(5)
Die Rechtsprechung zur Strafbarkeit des Vermögensentzuges einer Gesellschaft trotz Zustimmung der Gesellschafter verfolgt eine Bestrafung von Rechtsgutsverletzungen außerhalb des geschützten Vermögens des Treunehmers und stellt daher eine nicht zulässige hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB contra legem dar.300 Die Einführung einer Prozeduralisierung der Untreue in strafbefreiender Hinsicht kann faktisch den Gesellschaftern die Möglichkeit geben, eine Strafbarkeit zu vermeiden, um so die Rechtsprechungspraxis zu umgehen.
(6)
Durch die Implikationen, die Criminal Compliance301 auf eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB, hauptsächlich in strafbefreiender Hinsicht, de lege lata schon hat und durch die starke Betonung des Themas in der Wissenschaft 297 298 299 300 301
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. III. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IV. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V.
312
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
erfährt die Untreue eine hypothetische Prozeduralisierung, die sich tendenziell in Zukunft noch ausweiten wird. Der Bereich der Criminal Compliance stellt einen utilitaristisch motivierten Bekämpfungsansatz im Rahmen eines modernen Strafrechts dar. Aus kriminalpräventiver Sicht besteht daher auch die Notwendigkeit, über eine Prozeduralisierung der Untreue hinaus zugleich präventiv wirkende Instrumentarien zu schaffen. (7)
Im Bereich der verfahrenserledigenden Absprachen in Untreueprozessen302 erfährt die Untreue de lege lata über die strafprozessuale Gestaltungsmöglichkeit des Deals eine hypothetisch prozedurale Anwendung. Diese im Strafprozessrecht lozierte hypothetische Prozeduralisierung zeigt trotz alledem eine Notwendigkeit einer hypothetisch prozeduralen Handhabung des § 266 StGB. Diese sollte de lege ferenda jedoch schon im Bereich des materiellen Rechts als tatsächliche Prozeduralisierung stattfinden.
(8)
Bei den Tatbestandsmerkmalen der Pflichtverletzung303 und des Vermögensnachteils304 herrscht in der Rechtsprechung schwerpunktmäßig eine hypothetisch prozedurale Handhabung der Untreue contra legem vor, die das Bundesverfassungsgericht als „Verschleifung“ von Tatbestandsmerkmalen kritisiert.305 Im Bereich der nach wie vor umstrittenen Rechtsprechung zur schadensgleichen Vermögengefährdung bereitet die wirtschaftliche Bestimmung des Nachteils tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, die durch eine vermeintliche (hypothetische) Prozeduralisierung306 dieser beiden Tatbestandsmerkmale vermieden werden. Die Rechtsprechungspraxis zur Pflichtverletzung und zum Vermögensnachteil bei der Untreue ist aus Schwierigkeiten einer jeweils autonomen Bestimmung der Tatbestandsmerkmale heraus geboren, die vor allem bei einem Verstoß gegen das allgemeine Schädigungsverbot auch strukturell durch den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB bedingt ist.307
(9)
Die festgestellte und vereinzelt auftretende Tendenz der Rechtsprechung zur Umprogrammierung der Untreue auf außertatbestandliche Drittziele und die so entstehende rechtspolitische Dimension der Untreue als quasi-Auffangtatbestand und damit wirtschaftspolitisches Instrument sowie als hypothetisch prozeduraler „Hebel“ im Ermittlungsverfahren308 entspricht nicht dem Wesen des Unrechts der Untreue und stellt eine hypothetische Prozeduralisierung contra legem dar. Durch eine Prozeduralisierung anhand des Transparenz302 303 304 305 306 307 308
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VI. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VII. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VII. 4. u. Kapitel 3, § 6, C. V. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. u. Kapitel 2, § 8, D. VIII. 2. Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. II. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IX.
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
313
merkmals de lege ferenda können diese Tendenzen faktisch zurückgedrängt werden. (10) Der subjektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB wird in der Anwendungspraxis, d. h. durch Staatsanwaltschaften, Verteidiger und Gerichte, tatsächlich u. a. anhand eines Transparenzmerkmals bestimmt.309 Die Argumentationen unterscheiden sich hierbei jedoch diametral, sodass das Vorliegen von Transparenz einerseits als Argument für die Bejahung, andererseits als Argument für die Verneinung des subjektiven Tatbestandes belastet wird. Diese Anwendungspraxis zeigt die Schwierigkeiten der tatsächlichen Bestimmung des subjektiven Tatbestandes der Untreue einerseits, die entgegenlaufenden Argumentationen eine eindeutige Klärung zu Gunsten der Transparenz als strafbefreiendes prozedurales Entscheidungskriterium andererseits. Auch die allgemeine Kritik an der Untreue lässt sich in diese Argumentation einreihen. So werden allgemein Extensionstendenzen der Untreuerechtsprechung vorgeworfen. Dem materiellen Strafrecht wird gemeinhin in den letzten drei Jahrzehnten eine allgemeine Tendenz zur Ausweitung zugeschrieben, die die Untreue nicht ausgelassen habe.310 Saliger systematisiert die von ihm beobachteten Extensionstendenzen bei der Untreue in drei Bereiche: die Versuchspönalisierung,311 die Personalisierung und die Moralisierung312.313 Allerdings handelt es sich hierbei um eine Problemidentifizierung ohne konkreten Lösungsvorschlag; strittig ist in der Literatur seit jeher die Frage, wie eine ubiquitär geforderte Restriktion der Untreuestrafbarkeit bzw. des Untreuetatbestandes erreicht werden kann.314 In der neueren strafrechtlichen Literatur wird konkret das Erfordernis einer strafbefreienden Prozeduraliserung der Untreue formuliert, namentlich auch am Merkmal der Transparenz.315 Vor allem Fracusi sieht in Bezug auf die Untreue das Potential, in unternehmerische Entscheidungen prozedurale Elemente zu integrieren, um haftungsrechtliche Risiken zu verringern.316 Letztlich stellt auch die Forderung der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. im Rahmen ihres Papiers zur Bankenkrise und Untreue danach, dass sie Risikogeschäfte innerhalb „vorgegebener fester […] und proceduraler (z. B. ausreichender Information) Grenzen halten“ müssen, eine eindeutige Aussage pro Pro-
309
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. X. Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [564.] 311 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 2. d). 312 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. IX. 313 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [564]. 314 Samson/Günther, in: SK-StGB, § 266 Rn. 22 f.; Otto, Strafrecht BT, § 54 Rn. 7 – 10; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 386; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 32. 315 Vgl. hierzu insbesondere Schweiger, Prozedurales Strafrecht, und Francusi, Wirtschaftsstrafrecht. 316 Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 317 ff. 310
314
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
zeduralisierung.317 Das „Einhalten aller Formalien“ müsse zur Rechtmäßigkeit nicht determinierten Handelns führen.318 Es handelt sich um ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit einer Prozeduralisierung des § 266 StGB. Es stellt weiterhin ausdrücklich das Transparenzmerkmal in das Zentrum der Prozeduralitätsbemühungen als prozedurales Entscheidungskriterium. Die Notwendigkeit einer Prozeduralisierung als Lösungsansatz besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Alternativlosigkeit im Rahmen einer möglichst umfassenden Problemlösung. Die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten können nur durch eine Prozeduralisierung samt und einheitlich behoben werden. Zu den Alternativen einer Prozeduralisierung des § 266 StGB sogleich mehr.319 Eine hypothetisch prozedurale Handhabung des § 266 StGB de lege lata muss als Lösungsalternative ausscheiden, da der Tatbestand des § 266 StGB zwar, wie das Kapitel 2 zeigt, durchaus offen für eine gewisse hypothetische prozedurale Handhabung ist, eine solche aber nicht in der gewünschten Regeltiefe ermöglichen kann, da ihr immer der Automatismus einer tatsächlichen Prozeduralisierung fehlen wird bzw. eine hypothetische Prozeduralisierung contra legem jedenfalls zu vermeiden ist.
A. Systemtheoretische Überlegungen Systemtheoretische Überlegungen bieten sich gerade beim Tatbestand der Untreue an.320 Die Untreue gemäß § 266 StGB betrifft wie kein anderer Tatbestand des besonderen Teils des Strafrechts eine so enge Verknüpfung zwischen dem Rechtsund Wirtschaftssystem. Der Tatbestand der Untreue inkorporiert mit seiner (limitierten) Zivilrechtsakzessorietät321 sogar selbst die Verknüpfung der beiden Systeme von Recht und Wirtschaft in Form der systemtheoretischen strukturellen Koppelung.322 Damit sind die systemtheoretisch angeregten Prärogativen des gesellschaftlichen Teilbereichs der Wirtschaft von höchster Relevanz für jegliche Regulierung dieses strafrechtlichen Teilbereichs und sind deshalb auch unweigerlich bei jeder Rechtsfortbildung im Rahmen der Untreue zu berücksichtigen.323
317
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. h). Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. h). 319 Siehe unter Kapitel 3, § 6. 320 Vgl. nur die Monographien: Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, S. 54 ff.; Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 28 ff.; Albrecht, In Treue gegen die Untreue, in: FS Hamm 2008, S. 1; Lüderssen, Risikomanagement und „Risikoerhöhungstheorie“, in: FS Volk 2009, S. 345 [352]; Lüderssen, „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Amelung 2009, S. 67. 321 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. g). 322 So allgemein für das Wirtschaftsstrafrecht: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 36 ff, 50 ff. 323 Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169 [171]. 318
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
315
Konsequenz dieser Überlegungen ist die Suche nach einem gemeinsamen Code, der sowohl im Rahmen des Systems des Untreuestrafrechts als auch im Wirtschaftssystem problemlos etabliert werden kann. Hier bietet sich das Merkmal der Transparenz an. Dass Überlegungen dieser Art unumgänglich sind, zeigt die ökonomische Analyse der Untreue zum Nachteil einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. einer beschränkt haftenden Rechtspersönlichkeit allgemein, indem im Untreuestrafrecht eigentlich systemexterne Faktoren (hier: der Gewinn) als Codierung verwendet werden.324 Transparenz eignet sich als systemtranszendente Codierung im Rahmen sowohl des Untreue- als auch Wirtschaftssystems. Einerseits besteht, wie der erste Teil der Arbeit ergeben hat, ein tatsächlicher Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz. Anderseits wird Transparenz auch im Rahmen des Wirtschaftssystems als Codierung verstanden. Die Suche nach einem gemeinsamen Code, der sowohl im Untreue- als auch Wirtschaftssystem verstanden wird, hat bereits Bräunig angestellt und er verwendet das transsystemisch verstandene Merkmal des Vertrauens als Komplexitätsreduktionsmechanismus und damit als eine denkbare strukturelle Koppelung von Rechts- und Wirtschaftssystem.325 Vertrauen und Transparenz ähneln sich. So kann Transparenz Vertrauen ersetzen, weil bei Transparenz kein Raum mehr für Vertrauen bleibt.326 Sowohl Transparenz als auch Vertrauen sind Codierungen, die sich hinsichtlich beider zu irritierender Systeme als neutrale Codierungen darstellen, was an der Relativität beider Merkmale liegt. Sowohl Transparenz als auch Vertrauen erhalten erst durch eine relative Beziehung eine inhaltliche Bestimmung, wobei der relative Bezugspunkt einerseits im Rechtsund andererseits im Wirtschaftssystem liegen kann. Die Relativität von Transparenz schafft eine transsystemische Anknüpfbarkeit und damit eine Verstehbarkeit der Codierung innerhalb mehrerer Systeme. Erfolgen nun intersystemische Irritationen, so erhöht sich der „Erfolg“ einer solchen Irritation bei Codierungen, die in beiden Systemen leicht zu verstehen und umzusetzen sind. Damit wird auch die Abkehr von der hierarchischen Dominanz des Strafrechtssystems gegenüber dem Wirtschaftssystem gefördert – und zwar als Antwort auf die Frage der Irritationsmöglichkeiten des Strafrechts. Denn das intervenierte System gibt die Kriterien vor, unter denen es bereit ist, sich beeindrucken zu lassen.327 Verwendet das irritierende System Codierungen, die auch im zu irritierenden System rezipiert sind, so erhöht sich die Chance einer intersystemischen Irritation und die Begegnung wird eine solche auf „Augenhöhe“. Ein identifiziertes Hauptproblem im Rahmen des Untreuesystems ist die wirtschaftliche – also eigentlich systemcodefremde – Bestimmung des Nachteils. Zu 324 Inspiriert durch: Lüderssen, „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Amelung 2009, S. 67 [75]. 325 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 37 ff. 326 Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 41 ff. 327 Willke, Ironie des Staates, S. 164.
316
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
diesem Schluss kommt auch die Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. und folgert in deren These 17, dass die Quantifizierung des Nachteils (bei § 266 StGB) an fachliche, kapazitätsmäßige und finanzielle Grenzen stoße.328 Es sei daher zu prüfen, ob für bestimmte Konstellationen Strafnormen vorzugswürdig seien, die nicht auf einen zu qualifizierenden Nachteil abstellten, sondern sich auf die Pönalisierung verbotenen Verhaltens beschränkten – 329 also mit anderen Worten einer systemimmanenten Codierung folgen. Anstelle einer rein strafrechtssystemimmanenten Codierung soll im Rahmen dieser Arbeit für eine transsystemisch verstandene Codierung plädiert werden: Transparenz.
B. Die Koppelung von Rechts- und Wirtschaftssystem Systemtheoretisch eignet sich somit Transparenz als prozedurales Entscheidungskriterium, da sich Transparenz sowohl auf die Codierung des Wirtschaftssystems als auch die Codierung des Untreuestrafrechts-Systems wertneutral330 verhält. Sowohl aus untreuestrafrechtlicher Sicht als auch aus wirtschaftlicher Sicht liegt deshalb eine Prozeduralisierung vor, die jeweils relativ zum Prozeduralisierungsobjekt zu bestimmen ist,331 denn Prozeduralisierung erfordert gerade ein Ausbrechen aus dem regulär angewendeten Entscheidungsschema.332 Geht man davon aus, dass das Wirtschaftssystem zunächst die Codierungen des Rechtssystems dadurch versteht, dass diese in eigene Codierungen transportiert werden, also legitimes Wirtschaftsrecht in einen Kostenfaktor („Geld“) umgesetzt wird,333 so muss man zugleich konzedieren, dass es im Wirtschaftssystem eine Pathologie, die so genannte „Grenzmoral“334 geben kann, die der Gewinnmaximierung auch dann folgt, wenn der erwartete Gewinn die „strafrechtlichen“ Kosten übersteigt. Insofern muss sich die Frage stellen, inwiefern eine außerhalb der Codierung „Geld“ bzw. „Gewinn“ befindliche Irritation, namentlich durch Transparenz, nicht besser geeignet ist, das Wirtschaftssystem zu beeinflussen.
328 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 17. 329 Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 17. 330 Zur Eignung anderer wertneutraler Merkmale im Rahmen der strukturellen Koppelung von Recht und Wirtschaft am Beispiel des Vertrauens: Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 37 ff. 331 Siehe unter Kapitel 2, § 7, C. III. u. d). 332 Siehe unter Kapitel 2, § 7, C. IV. 333 Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 312. 334 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. I, S. 19.
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
317
C. BVerfGE 126, 170335 als Prozeduralisierungsauftrag? I. Bedeutung der Entscheidung In Bezug auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes des § 266 StGB wird die Entscheidung des 2. Senats des BVerfG als Grundsatzentscheidung bezeichnet und verstanden.336 Doch ist dies nicht die einzige,337 wohl aber die weitreichendste und umfassendste Entscheidung zu dieser Frage durch das Gericht und wohl auch eine der meistbesprochenen Entscheidungen zu § 266 StGB.338 Sogar der BGH hat mutmaßlich in zwei großen Untreue-Revisionsverfahren vor einer Entscheidung erst die verfassungsgerichtliche Entscheidung abgewartet.339 II. Grundlegender Inhalt der Entscheidung Vereinfacht gesprochen erhält die Entscheidung BVerfGE 126, 170 ihre Relevanz auf Grund zweier Schwerpunkte: Erstens lässt der Beschluss eine strengere ver335 BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2012 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09 = BVerfG, in: NJW 2010, 3209. 336 Saliger, Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 5. 2010 auf die Schadensdogmatik, in: ZIS 2011, 902: „wirkungsmächtige Grundsatzentscheidung“. 337 BVerfG, in: NJW 2009, 2370 zur Bestimmtheit des § 266 StGB und der Subsumtion der schadensgleichen Vermögensgefahr unter das Tatbestandsmerkmal des Nachteils des § 266 Abs. 1 StGB – vgl. Bespr.: Fischer, Strafbarer Gefährdungsschaden oder strafloser Untreueversuch, in: StV 2010, 95. 338 Becker, in: HRRS 2010, 383; Beukelmann, Die Untreue neuer Lesesart, in: NJWSpezial 2010, 568; Frisch, Anm. zum Beschl. d. BVerfG v. 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08; Knierim/Smok, Anm. zu BVerfG: Verfassungsrechtliches Bestimmtheitsgebot begrenzt Ermittlungen wegen Untreue, Beschluss v. 23. 06. 2010, in: FD-Strafrecht 2010, 307157; Leplow, Anm. zu BGH, Beschl. v. 4. 2. 2009 – 5 StR 260/08, in: wistra 2010, 475; Radtke, Strafrechtliche Untreue durch Manager und verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, in: GmbHR 2010, 1121; Saliger, Das Untreuestrafrecht auf dem Prüfstand der Verfassung, in: NJW 2010, 3195; Strate, Untreuetatbestand verstößt nicht gegen Bestimmtheitsgebot, in: GWR 2010, 422; Wattenberg/Gehrmann, Zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils im Untreuetatbestand, in: ZBB 2010, 507; Wessing/Krawczk, Der Untreueparagraph auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand, in: NZG 2010, 1121; Böse, Das BVerfG „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbestandes, in: JURA 2011, 617; Kraatz, Der Untreuetatbestand ist verfassungsgemäß, in: JR 2011, 434; Krüger, Neues aus Karlsruhe zu Art. 103 II GG und § 266 StGB, in: NStZ 2011, 369; Kudlich, Anm. zum Beschl. d. BVerfG v. 23. 6. 2010, in: JA 2011, 66; Kuhlen, Gesetzlichkeitsprinzip und Untreue, in JR 2011, 246; Safferling, Bestimmt oder nicht bestimmt: Der Untreuetatbestand vor den verfassungsrechtlichen Schranken, in: NStZ 2011, 376; Schulz, Neues zum Bestimmtheitsgrundsatz – Zur Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 2010, in: FS Roxin 2011, S. 305; Hüls, Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, in: NZWiSt 2012, 12“. 339 „Trienekens-Verfahren“ und „AUB-Verfahren“ (BGHSt 55, 288), vgl. Schünemann, Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punk des Untreuetatbestand (Teil 2), in: StraFo 2010, 477 [480].
318
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
fassungsgerichtliche Kontrolle der Strafrechtsprechung am Bestimmtheitsgrundsatz zu und zweitens stellt der Beschluss Vorgaben zur eingrenzenden Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Nachteils im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB auf.340 Dies wird in der Literatur teilweise als spektakuläres Betreten von Neuland,341 teilweise als bloße Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrolle der Strafrechtsprechung bzw. zu § 266 StGB342 verstanden. 1. Zum Bestimmtheitsgrundsatz Die Relevanz des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, abgeleitet aus Art. 103 Abs. 2 GG,343 erfahre er vor allem durch das Verbot der strafbegründenden Analogie,344 sodass jede Rechtsanwendung verboten sei, die den möglichen Wortsinn überschreite – insofern nichts Neues – aber auch, dass eine Auslegung innerhalb des möglichen Wortlautes seine Schranken im Analogieverbot finden könne.345 Unter Berücksichtigung einer (pragmatischen) Konkretisierungsaufgabe und Konkretisierungsmacht der Rechtsprechung formuliert der Senat das Verbot der Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen,346 des Weiteren die Garantie der Einhaltung des gesetzgeberischen Willens zur Straflosigkeit von Verhalten trotz erfüllten Wortlauts der Norm,347 das Verbot der Erhöhung bestehender Unsicherheiten über den Anwendungsbereich durch fernliegende Interpretationen oder konturloses Normverständnis.348 Letztlich sei die Rechtsprechung gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung auszuräumen349 und in Fällen, in denen erst eine gefestigte Rechtsprechung eine zuverlässige Auslegungsgrundlage schaffe, an der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken.350 340 Saliger, Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 5. 2010 auf die Schadensdogmatik, in: ZIS 2011, 902. 341 Saliger, Das Untreuestrafrecht auf dem Prüfstand der Verfassung, in: NJW 2010, 3195 [3198]; Schünemann, Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punk des Untreuetatbestand (Teil 2), in: StraFo 2010, 477 [480]; Böse, Das BVerfG „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbestandes, in: JURA 2011, 617 [623]. 342 Schulz, Neues zum Bestimmtheitsgrundsatz – Zur Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 2010, in: FS Roxin 2011, S. 305 [327]; Radtke, Strafrechtliche Untreue durch Manager und verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, in: GmbHR 2010, 1121; Beukelmann, Die Untreue neuer Lesesart, in: NJW-Spezial 2010, 568 [569]. 343 BVerfGE 126, 170 [194]. 344 BVerfGE 126, 170 [194]. 345 BVerfGE 126, 170 [197 f.]. 346 BVerfGE 126, 170 [198]. 347 BVerfGE 126, 170 [198]. 348 BVerfGE 126, 170 [198]. 349 BVerfGE 126, 170 [198]. 350 BVerfGE 126, 170 [198 f.].
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
319
Das Bundesverfassungsgericht nimmt für sich eine umfassende Kontrolle der vorgenannten Anforderungen in Anspruch,351 insbesondere auch, wenn die Strafbarkeit einer weit gefassten Norm – wie § 266 StGB – mittels gefestigter komplexer Obersätze (Fallgruppen) eingegrenzt sei.352 2. Auslegung des § 266 StGB im Allgemeinen Zunächst bestätigt der Senat als Auslegungsgrundlage die herrschende Ansicht, bei § 266 StGB handle es sich um ein streng erfolgsbezogenes Vermögensdelikt, welches als so genanntes reines Vermögensverletzungserfolgsdelikt353 ausschließlich das Rechtsgut des Vermögens des Treugebers von innen heraus354 schütze. Bei der Feststellung des Vermögensnachteils spielen vornehmlich wirtschaftliche Überlegungen die Hauptrolle.355 Normative Gesichtspunkte könnten zwar ebenfalls herangezogen werden, dürften jedoch die wirtschaftliche Betrachtung des Vermögensnachteils keinesfalls verdrängen.356 Dabei sei von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff auszugehen, der jedoch normative Schranken nicht ausschließe. Weiter stellt der Senat klar, dass er mit der h.A. die Vermögensbetreuungspflicht als inhaltsgleiche Voraussetzung für § 266 Abs. 1 Var. und Var. 2 StGB betrachte, die sich primär danach bestimme, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer bilde. III. Konkretisierungsbedarf 1. Intransparenz des Taterfolgs Für den Senat ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich bei dem Erfolg der Untreue, dem Vermögensnachteil, „nicht um einen der sinnlichen Wahrnehmung zugänglichen Gegenstand handelt, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt sich erst aus einer Bewertung ergibt“,357 eine Intransparenz des Taterfolges der Untreue, der in besonderem Maße Rechnung zu tragen ist.
351
BVerfGE 126, 170 [199]. BVerfGE 126, 170 [199]; siehe hierzu unter Kapitel 3, § 6, C. IV. 353 BVerfGE 126, 170 [206]. 354 Hier zitiert BVerfGE 126, 170 [201] den Aufsatz: Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473 [474]. 355 BVerfGE 126, 170 [212]. 356 BVerfGE 126, 170 [212]. 357 BVerfGE 126, 170 [206]. 352
320
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
2. Entstehung des Vermögensnachteils als dynamischer Prozess Der Senat gibt zu bedenken, dass bei der Entstehung des Vermögensnachteils es sich im Allgemeinen um einen dynamischen Prozess handele. Diese Erkenntnis wurde schon im Kapitel 2 unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Prozeduralisierung des Schadens bei der Untreue diskutiert.358 Der Senat sollte mit dieser Aussage nicht falsch verstanden werden. Die Entstehung eines wirtschftlich bestimmten Nachteils stellt sich gerade nicht als ein dynamischer Prozess dar. Der Nachteil tritt bei rechtsgeschäftlichem Handeln stets unmittelbar nach der Handlung ein oder bleibt aus. Jedes nachträgliche Entstehen eines „effektuierten“ Schadens ist nicht tatbestandsmäßiger Nachteil im Sinne des § 266 StGB. Insofern kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht so als Prozeduralisierungsauftrag gesehen werden, als dass vom „effektuierten“ Schaden auf den Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geschlossen werden sollte. Allerdings bringt der Senat mit dieser Aussage zum Ausdruck, dass die wirtschaftliche Bestimmung eines Nachteils in Ansehung der Tatsache eines später ggf. sichtbaren „tatsächlichen“ Schadens nicht einfach ist. Diese Schwierigkeiten der Nachteilsbestimmung, die auch in Bezug auf die Höhe eines Schadens, wie der Senat klarstellt, nicht zu Lasten des Angeklagten gehen dürfen,359 können jedoch als Bedürfnis einer anderweitigen Prozeduralisierung der Untreuestrafbarkeit in strafbefreiender Hinsicht gewertet werden. Wenn nämlich nur ein Tatbestandsmerkmal des § 266 Abs. 1 StGB in strafbefreiender Hinsicht prozeduralisiert wäre, so käme es in (wenigstens) diesen Fällen nicht mehr auf die Frage der Nachteilsbestimmung an. 3. Tatbestandliche Unbestimmtheit des § 266 StGB a) Unbestimmtheit des § 266 StGB Das Bundesverfassungsgericht sieht die gesetzgeberische Motivation für die Einführung und die aktuelle Daseinsberechtigung des § 266 StGB im die moderne Wirtschaft ubiquitär prägenden Auseinanderfallen von Vermögensinhaberschaft und Vermögensverwaltung (Management), das einen Schutz des Vermögensinhabers bedinge, der seine wirtschaftlichen Interessen (zwingender Maßen) in fremde Hände lege und damit auf die Redlichkeit des Beauftragten angewiesen sei.360 Im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes habe das Regelungskonzept des Gesetzgebers zu einer „sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift“ geführt.361 Mit Ausnahme der §§ 266a und 266b StGB habe der Gesetzgeber darauf verzichtet, Sondertatbestände für einzelne Treuhandverhältnisse zu schaffen, sodass sich der Anwendungsbereich des § 266 StGB in der heutigen 358 359 360 361
Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 2. BVerfGE 126, 170 [211 f.]. BVerfGE 126, 170 [201]. BVerfGE 126, 170 [202].
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
321
Praxis auf die unterschiedlichsten Bereiche des Wirtschaftslebens beziehe.362 Die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine detaillierte Tatbestandsstruktur bei § 266 StGB gebe erst der Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls den nötigen Raum.363 Der Strafgesetzgeber müsse in der Lage sein, der Vielseitigkeit des Lebens Herr zu werden.364 Daher stelle die Untreue auch den strafrechtlichen Ansatzpunkt für Verhaltensweisen dar, für die spezielle Sonderregelungen365 fehlten366 – hat also insofern also in der Tat eine gewisse Auffangfunktion. Folge dieser gesetzgeberischen Konzeption sei, dass der Untreuetatbestand in beiden Varianten sehr abstrakt formuliert und von großer Weite und damit extrem auslegungsfähig und auslegungsbedürftig sei.367 In beiden Varianten des § 266 Abs. 1 StGB sei der Kreis der potentiellen Täter mit hohem Abstraktionsgrad definiert; es ergebe sich dem Wortlaut nach ein ausgesprochen weiter Anwendungsbereich.368 Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit ergäben sich insofern dadurch nicht, da es in Grenzfällen ausnahmsweise genüge, wenn lediglich das Risiko einer Bestrafung erkennbar wäre. Dies trage der Unvermeidbarkeit von Randunschärfen Rechnung.369 b) Konsequenzen der Unbestimmtheit Allerdings dürften die Gerichte auch nicht durch fernliegende Interpretationen oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, dass bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm erhöht würden.370 Im Gegenteil bestehe ein Präzisierungsgebot gerade bei Tatbeständen, die der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln verhältnismäßig weit und unscharf gefasst habe; in den Fällen, in denen für den Normadressat nur die Möglichkeit einer Bestrafung erkannt werden kann, lasse sich erst durch eine gefestigte Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung schaffen.371
362
BVerfGE 126, 170 [202]. BVerfGE 126, 170 [221]. 364 BVerfGE 126, 170 [195]. 365 Die Strafbarkeit gem. § 266 StGB tritt neben die spezielle Regelwerke wie z. B. §§ 54 ff. KWG, §§ 399 ff. AktG oder § 31d PartG; BVerfGE 126, 170 [202]. 366 BVerfGE 126, 170 [202]. 367 BVerfGE 126, 170 [203]. 368 BVerfGE 126, 170 [202 f.]. 369 BVerfGE 126, 170 [196]. 370 BVerfGE 126, 170 [198]. 371 BVerGE 126, 170 [198 f.]. 363
322
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
c) Fazit Das Bundesverfassungsgericht konzediert der Untreue gemäß § 266 StGB ein überdurchschnittliches Maß an Unbestimmtheit und Unschärfe im Vergleich zu anderen Straftatbeständen. Erläutert wird auch die gesetzgeberische Motivation, die ein Einsetzen einer grundsätzlich sehr weit gefassten Norm erforderlich macht: die Arbeitsteilung der modernen Wirtschaft und das damit verbundene Auseinanderfallen von Vermögensinhaberschaft und Vermögensverwaltung erfordere einen dementsprechend umfassenden strafrechtlichen Schutz. Allerdings legt das Bundesverfassungsgericht der Rechtsprechung spiegelbildlich zur Weite des Tatbestandes des § 266 StGB ein Präzisierungsgebot auf. Die Präzisierung dieser Möglichkeit einer Bestrafung gemäß § 266 StGB durch die Rechtsprechung erst mache den Untreuetatbestand verfassungskonform. Die Strafgerichte sind insbesondere an ein bereits gefestigtes Tatbestandsverständnis gebunden, welches jedoch (folgerichtig) weiterentwickelt werden kann. Insofern zeugt dies von einem besonderen verfassungsgerichtlichen Verständnis des Tatbestandes des § 266 StGB: Einerseits läge eine vom Gesetzgeber gewollte und nötige Unschärfe vor, die andererseits in Verbindung mit gefestigter und konsistenter Rechtsprechungspraxis erst ein verfassungskonformes Regelungsganzes ergebe. IV. Bildung von Fallgruppen (gefestigte komplexe Obersätze) Das Bundesverfassungsgericht erkennt an, dass die Rechtsprechung zu § 266 StGB durch so genannte gefestigte komplexe Obersätze eingegrenzt wird.372 Ein Beispiel sei die Bildung von Fallgruppen, mit Hilfe derer die Strafrechtsnorm des § 266 StGB spezifiziert und konturiert wird.373 Das Bundesverfassungsgericht nimmt für sich in Bezug auf diese Obersätze und Fallgruppen eine umfassende Prüfungskompetenz in Anspruch: So wird einerseits überprüft, inwiefern die Gerichte bei der Anwendung des § 266 StGB die bislang entwickelten und den § 266 StGB konkretisierenden Obersätze eingehalten und der Würdigung des konkreten Falls zu Grunde gelegt haben und ob sie diese Obersätze gegebenenfalls auch folgerichtig weiterentwickelt haben.374 Ob die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang zu § 266 StGB entwickelten Obersätze auch inhaltlich richtig sind, wird durch das Bundesverfassungsgericht nur einer Evidenzkontrolle unterzogen: Die gefestigten Obersätze – soweit allgemein anerkannt – dürfen nicht evident ungeeignet zur Konturierung des § 266 StGB sein.375 Mit diesen Feststellungen konzediert das Bundesverfassungsgericht, dass die Rechtsprechung den § 266 StGB durch gefestigte Obersätze und Fallgruppen kon372 373 374 375
BVerfGE 126, 170 [199]. BVerfGE 126, 170 [199]. BVerfGE 126, 170 [199]. BVerfGE 126, 170 [200].
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
323
turiert und handhabbar gemacht hat. Durch die Bildung von komplexen und fallgruppenspezifischen Obersätzen durch die Rechtsprechung seien Tatbestandsmerkmale der Untreue hinreichend in einer Weise konkretisiert worden, die die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit im Regelfall sicherten.376 In der Bildung von komplexen Obersätzen und Fallgruppen selbst liegt teilweise, wie auch die Untersuchung in Kapitel 2 hinsichtlich materialer hypothetische Prozeduralisierungen ergeben hat, eine hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB durch die Rechtsprechung vor. Indem die Rechtsprechung komplexe Obersätze und Fallgruppen für die Anwendung des § 266 StGB aufstellt und den konkreten Einzelfall an diesen Voraussetzungen würdigt, hat sie die Voraussetzungen des § 266 StGB insofern hypothetisch prozeduralisiert. Da die bislang aufgestellten komplexen Obersätze nur einer Evidenzkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen werden können, handelt es sich auch um die verfassungsgerichtliche Bestätigung der hypothetischen Prozeduralisierung des § 266 StGB durch die Rechtsprechung ohne die Prüfung, inwiefern es sich um eine rein formelle oder auch materiale hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB handelt. Formelle hypothetische Prozeduralisierung bedeutet in diesem Zusammenhang hier, dass eine bestimmte Auslegung des § 266 StGB nur deklaratorisch in einem komplexen Obersatz oder einer Fallgruppe exemplifiziert wird. Materiale hypothetische Prozeduralisierung meint im Sinne der Untersuchung in Kapitel 2 die hypothetische Prozeduralisierung in dem Sinne, dass erst durch die komplexen Obersätze und Fallgruppen konstitutiv über die Frage des Verständnisses einzelner Merkmale des § 266 StGB entschieden wird. Einzig existiert für die Überprüfung der materialen Prozeduralisierung377 die Schranke der evidenten Ungeeignetheit zur Konkretisierung des § 266 StGB. Somit kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Überprüfung der komplexen Obersätze und Fallgruppen bei § 266 StGB als sehr hypothetisch-prozeduralisierungsfreundlich bezeichnet werden. Mehr noch: Das Bundesverfassungsgericht weist den Strafgerichten – vornehmlich den Revisionsgerichten – sogar die Aufgabe zu, die Rechtsprechung zur Untreue mittels geeigneter dogmatischer Mittel fortzuentwickeln. Beispiele für eine solche Entwicklung378 des § 266 StGB durch die Bildung von fallgruppenspezifischen Obersätzen seien BGHSt 47, 187; 46, 30; 47, 148 und 50, 331.379 Im Interesse der Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung müssten die Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB in wichtigen Anwendungsbereichen durch die Bildung von fallgruppenspezifischen Obersätzen handhabbar gemacht werden.380 376
BVerfGE 126, 170 [210]. Die das BVerfG „Konkretisierung“ von Tatbestandsmerkmalen nennt, BVerfGE 126, 170 [210]. 378 Und deshalb auch im Kapitel 2 dieser Arbeit besprochen; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. 379 BVerGE 126, 170 [210 f.]. 380 BVerfGE 126, 170 [210]. 377
324
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Berücksichtigt man die Tatsache, dass die (Weiter-)Bildung von fallgruppenspezifischen Obersätzen im Wesentlichen nur der verfassungsgerichtlichen Evidenzkontrolle unterliegt, aber das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig den Obergerichten den Auftrag zur Bildung von fallgruppenspezifischen Obersätzen zuweist, so kann hierin ein Auftrag zur jedenfalls formellen hypothetischen Prozeduralisierung, in Teilen – bis zur Schranke der evidenten Ungeeignetheit zur Konkretisierung des § 266 StGB – auch ein Auftrag zur materiellen hypothetischen Prozeduralisierung des § 266 StGB gesehen werden. Das Präzisierungsgebot des Bundesverfassungsgerichts kann insofern als Gebot zu hypothetischer Prozeduralisierung der Untreue verstanden werden. V. Keine Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Nachteils müsse den gesetzgeberischen Willen berücksichtigen, dass das Merkmal als ein selbständiges neben der Pflichtverletzung stehendes zu verstehen sei. Darum dürfe sich das Nachteilsmerkmal nicht derart mit dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit verschleifen, dass dieses darin aufgehe.381 Insofern seien eigenständige Feststellungen zur Bestimmung des Nachteils erforderlich, was regelmäßig die Bezifferung eines konkreten (Mindest-)Schadens erfordere. Normative Gesichtspunkte dürfen dabei zwar eine Rolle spielen, jedoch dürfen sie wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen, um eben dem Charakter der Untreue als erfolgsbezogenes Vermögensdelikt gerecht zu werden. So rechtfertige z. B. der Ausfall eines Kredits (hier: ein effektuierter Vermögensschaden)382 für sich genommen nicht den Schluss auf ein unerlaubtes und strafwürdiges Handeln des für die Kreditvergabe Verantwortlichen.383 Keine Stellung nimmt das Bundesverfassungsgericht zu der umgekehrten Konstellation einer Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen: Der Schluss von dem Eintritt eines Nachteils auf die Pflichtwidrigkeit. Wendet man die Formel des Gerichts zum Verschleifungsverbot mutatis mutandis auf diesen Fall an, so darf sich auch das Pflichtwidrigkeitsmerkmal nicht derart mit dem Merkmal des Nachteils verschleifen, dass dieses darin aufgeht; es sind eigenständige Feststellungen zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit erforderlich. Nun stellt sich die Folgefrage, was im Falle des strukturell durch den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB bedingten Problems zu tun ist, wenn gerade keine Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit getroffen werden können, außer, dass die Pflichtwidrigkeit sich im Vermögensnachteil er381
BVerfGE 126, 170 [211]. Zur Problematik dieser Aussage vor dem Hintergund eines wirtschaftlich bestimmten Nachteils siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 1. u. bb). 383 BVerfGE 126, 170 [207]; Albrecht, In Treue gegen die Untreue, in: FS Hamm 2008, S. 1 [3], wobei verkannt wird, dass es sich hier nicht um eine Verschleifung des Tatbestandmerkmals des Nachteils i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB handelt, da der endgültige Kreditausfall, also der „effektuierte“ Schaden, gerade nicht deckungsgleich mit dem wirtschaftlich bestimmten Vermögensnachteil ist, siehe unter: Kapitel 2, § 8, D. VIII. 382
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
325
schöpft.384 Da dieses Problem durch die Struktur des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB bedingt ist, genauer: der Fall, in dem Handlungs- und Erfolgsunrecht der Untreue zusammenfallen, muss diese Art der Verschleifung zulässig sein. Eingeschränkt wird diese Konstruktion dadurch, dass auch tatsächlich ein solcher Fall gegeben sein muss, dass die Pflichtwidrigkeit ausschließlich in der Nachteilszufügung liegen kann, also keine anderen zivilrechtlichen Bewertungsgrundlagen zur Pflichtwidrigkeit gegeben sein dürfen. Dann wäre weiter zu prüfen, ob die konkrete Nachteilszufügung auch innerhalb des Regelungsbereiches der bestehenden Vermögensbetreuungspflicht liegt; denn nicht jede Schädigung des Treugebers ist als Handlungsunwert der Untreue pflichtwidrig, sondern nur diese Schädigung, die von der Vermögensbetreuungspflicht auch erfasst ist. Letztlich ähnelt dieser Prüfungspunkt den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine gravierende Pflichtverletzung385 stellt. VI. Die Pflichtverletzung als komplexes normatives Tatbestandsmerkmal Die Pflichtwidrigkeit des Treunehmers sei auf klare und deutliche Fälle zu beschränken, wobei Wertungswidersprüche bei der Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen zu vermeiden sind und der Charakter der Untreue als reines Vermögensdelikt zu wahren sei. Dem in der Rechtsprechung entwickelten Kriterium der gravierenden Pflichtverletzung386 spricht der Senat ausdrücklich tatbestandseingrenzende Funktion zu, was sich aus der Notwendigkeit einer Eingrenzung des sehr weiten Wortlauts zwingend ergebe. VII. Fazit Das Grundsatzurteil BVerGE 126, 170 zur Verfassungsmäßigkeit der Untreue stellt sich unter Prozeduralisierungsgesichtspunkten in zweifacher Hinsicht als prozeduralisierungsoffen dar. Einerseits lässt das Urteil auf Grund der Ausführungen zum verfassungsgerichtlichen Prüfungsumfang eine hypothetisch prozedurale Handhabung387 durch die strafgerichtliche Rechtsprechung zu; andererseits genüge zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB unter Bestimmtheitsgrundsätzen auch eine solche hypothetische prozedurale Handhabung. Als zusätzlicher Aspekt kann noch die Tatsache gesehen werden, dass die verfassungsmäßige Bestimmtheit eines 384
So z. B. in BGHSt 50, 331; siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 2. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. II. 1. 386 Erstmals aufgestelltes Kriterium durch den 1. Senat des BGH für die Fallgruppen der Bank- und Spendenuntreue: BGHSt 47, 148 [150, 152] (Bankuntreue) und BGHSt 47, 194 [197] (Spendenuntreue); vgl. auch Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473. 387 Scil. spricht BVerfGE 126, 170 nicht von einer „prozeduralen Handhabung“; warum die Entscheidung jedoch in diesem Sinne verstanden werden kann, sei sogleich ausgeführt. 385
326
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Straftatbestandes (dynamisch) von der Konturierung durch die strafgerichtliche Rechtsprechung abhängen kann und sich somit die Bestimmtheit von einer absoluten Eigenschaft388 eines Straftatbestandes in eine relative Eigenschaft389 gewandelt hat. 1. Zur (hypothetischen) Prozeduralität der Untreue Die vom Bundesverfassungsgericht als solche bezeichneten fallgruppenspezifischen, komplexen Obersätze zur Untreue stellen eine hypothetische Prozeduralisierung des Tatbestandes des § 266 StGB dar. Damit ist noch nicht gesagt, inwiefern es sich auch um eine materielle hypothetische Prozeduralisierung handelt, wie sie im Kapitel 2 der Arbeit untersucht wurde, oder um eine formelle Prozeduralisierung in Gestalt einer bloßen Paraphrasierung der Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 StGB. Nur zur Frage der materiellen Prozeduralisierung durch die vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Untreue angesprochenen fallgruppenspezifischen Obersätze der Rechtsprechung nimmt das Kapitel 2 der Arbeit Stellung, in dem die Rechtsprechung zur Untreue de lege lata auf (hypothetisch) prozedurale Elemente hin untersucht wird. Festzuhalten bleibt, dass die Verwendung von fallgruppenspezifischen komplexen Obersätzen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung eine hypothetische, da nicht gesetzlich angeordnete Prozduralisierung der Untreue darstellt. Einzig durch das Verbot der untreuespezifischen Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen, namentlich des Vermögensnachteils und der Pflichtverletzung schiebt das Bundesverfassungsgericht einer solchen, wie Kapitel 2 der Arbeit zeigte: gesetzeswidrigen, hypothetischen Prozeduralisierung der Untreue einen Riegel vor. Es darf nicht derart vom Vermögensnachteil auf die Pflichtverletzung und vice versa geschlossen werden, sodass die Tatbestandsmerkmale ineinander aufgehen und ihre Eigenständigkeit verlieren. 2. Verfassungsmäßigkeit der hypothetisch prozeduralen Handhabung des § 266 StGB auf Grund beschränkten verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes Die (Fort-)Entwicklung von fallgruppenspezifischen, komplexen Obersätzen ist im Rahmen der vom Verfassungsgericht gesetzten Schranken der Strafrechtsprechung möglich. So sind die bestehenden fallgruppenspezifischen Obersätze zur Konturierung des § 266 StGB nur einer verfassungsgerichtlichen Evidenzkontrolle unterzogen; sie dürfen nicht evident ungeeignet zur Konturierung des § 266 StGB
388
[196].
„Verfassungsrechtliche Bedenken […] bei isolierter Betrachtung“, BVerfGE 126, 170
389 Abhängig von der „gefestigte[n] höchstrichterliche[n] Rechtsprechung“, BVerfGE 126, 170 [196 f.].
§ 5 Notwendigkeit einer Prozeduralisierung
327
sein.390 Damit bleibt ein weites Feld, in dessen Rahmen durch die Bildung und Fortentwicklung von fallgruppenspezifischen Obersätzen § 266 StGB durch die Rechtsprechung der Strafgerichte konturiert werden kann. Im Sinne dieser Arbeit wird dies als Zulässigkeit einer hypothetischen Prozeduralisierung des § 266 StGB in den vom Verfassungsgericht gesteckten Grenzen angesehen. 3. Verfassungsmäßigkeit im Sinne der Bestimmtheit des § 266 StGB durch hypothetisch prozedurale Handhabung Die in der Rechtsprechung etablierten fallgruppenspezifischen, komplexen Obersätze machen den § 266 StGB unter Verfassungsgesichtspunkten bestimmt – so eine der Grundaussagen des Urteils BVerfGE 126, 170. Soweit eine konkrete Anwendung des § 266 StGB in der Rechtsprechung nicht unvorhersehbar und in der bisherigen Rechtsprechung (der Obergerichte) deutlich angelegt war, ist insofern der § 266 StGB nicht unbestimmt.391 So hätten z. B. die vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe den Untreuetatbestand im Hinblick auf Kreditbewilligungen ausreichend konkretisiert und gewährleisteten die Vorhersehbarkeit der Strafdrohung, was eine darüber hinausgehende Präzisierung von Verfassungswegen nicht erfordere.392 Im Sinne dieser Untersuchung wird der Bestimmtheitsgrundsatz des Grundgesetzes durch die zulässige hypothetische Prozeduralisierung des Tatbestandes gewahrt. Kurz gesprochen: Bestimmtheit durch hypothetische Prozeduralisierung. Besser sicherlich: Bestimmtheit durch eine tatsächliche Prozeduralisierung de lege ferenda. 4. Prozeduralisierungsgebot Versteht man die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts so wie oben dargestellt, so muss man darin letzten Endes ein an die Rechtsprechung gerichtetes, spezifisches Gebot zur hypothetischen Prozeduralisierung sehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Untreue einen weit gefassten, eo ipso zu unbestimmten Tatbestand. Die Untreue stellt folglich einen absolut betrachtet verfassungswidrigen Straftatbestand dar. Diese tatbestandliche Weite sei jedoch auf Grund der gesetzgeberischen Intention eines umfassenden Vermögensschutzes in einer arbeitsteiligen Wirtschaftswelt zunächst nachvollziehbar und auch angezeigt. Verfassungskonformität – in den Worten dieser Arbeit: relative; besser: (hypothetisch) prozedurale Verfassungskonformität393 – erreiche der Tatbestand der Untreue erst durch die gefestigte Strafrechtsprechung, die § 266 StGB in den wichtigsten Fallgruppen durch komplexe Obersätze präzisiert und konturiert habe. Die Bildung 390
BVerfGE 126, 170 [200]. BVerfGE 126, 170 [216]. 392 BVerfGE 126, 170 [220 f.]. 393 Die sich hieraus ergebende und interessante Frage einer Prozeduralisierung des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG wird in dieser Arbeit nicht erörtert. 391
328
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
von fallgruppenspezifischen komplexen Obersätzen ist als (formelle bzw. auch im Rahmen der zulässigen Grenze der evidenten Ungeeignetheit zur Konkretisierung des § 266 StGB materielle) hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB zu verstehen. Diese bereits gefestigte Rechtsprechung ist insofern auch vor dem Hintergrund der erst hierdurch erreichten Verfassungskonformität notwendig aufrechtund einzuhalten. Gleichzeitig besteht jedoch die Möglichkeit, die fallgruppenspezifischen komplexen Obersätze innerhalb eines konsistenten Systems weiterzuentwickeln. Für dennoch bestehende Unschärfen in Teilbereichen bestehe insofern sogar ein Präzisierungsgebot. Dieses Präzisierungsgebot wird hier als Gebot zur (hypothetischen) Prozeduralisierung verstanden. Insbesondere, wenn die durch die Weite des Untreuetatbestands grundsätzlich geschaffene Flexibilität genutzt werden muss, um noch nicht behandelte, sich im Rahmen der Fortentwicklung des Wirtschaftssystems neu ergebende Fallgruppen zu erfassen, kann die relative Verfassungskonformität nur durch eine Fortentwicklung der fallgruppenspezifischen Obersätze zu § 266 StGB gewahrt werden – mit anderen Worten nur durch eine insofern diesen Bereich erfassende hypothetische Prozeduralisierung des § 266 StGB.
§ 6 Alternativkonzepte An dieser Stelle wird die Frage der Alternativkonzepte zu einer Prozeduralisierung der Untreue gemäß § 266 StGB gestellt. Es soll nicht der Tatbestand des § 266 StGB insgesamt oder gar das (Wirtschafts-)Strafrecht einer Alternative zugeführt werden.394 Die Prämisse dieser Arbeit setzt an einem Verständnis der Untreue an, das den Tatbestand an sich nicht in Frage stellt.
A. Lösung über Einwilligungs- bzw. Einverständnisdogmatik – antizipiertes Einverständnis Es könnte versucht werden, Transparenz als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium im Rahmen der Dogmatik als tatbestandausschließendes Einverständnis zu konstruieren.395 Einerseits ergeben sich Bedenken auf Grund der ständigen Rechtsprechung zu den Grenzen des Einverständnisses bei der Untreue bei verselbständigten Rechtspersönlichkeiten;396 diese Rechtsprechung wurde gerade als 394 Vgl. hierzu Lüderssen, Risikomanagement und „Risikoerhöhungstheorie“, in: FS Volk 2009, S. 345 [359 ff.]. 395 Zum Verhältnis zur mutmaßlichen Einwilligung vgl.: Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 218 ff.; Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 274 ff. 396 Zum Meinungsstand m.w.N.: Rönnau, Untreue zu Lasten juristischer Personen, in: FS Amelung 2009, S. 247 [249 f.] (GmbH) u. [253 ff.] (AG).
§ 6 Alternativkonzepte
329
eine hypothetische Prozeduralisierung contra legem anhand von Entscheidungskriterien jenseits des Transparenzmerkmals kritisiert. Innerhalb dieser Grenzen der Rechtsprechung wäre eine (weitere) hypothetische Prozeduralisierung anhand eines Transparenzmerkmals nicht sinnvoll, da in strafbefreiender Hinsicht gerade nicht alle denkbaren Fälle erfasst werden könnten. Aber auch aus dogmatischer Sicht ergeben sich Bedenken gegen diese Konstruktion: Möchte man Transparenz im hier verstandenen Sinne397 unter die Dogmatik des Einverständnisses einreihen, so stellt das größte Hindernis die Tatsache dar, dass bei Transparenz gerade der einem Einverständnis eigene kommunikative Konsens fehlt. Transparenz ist im hier verstanden Sinne eine „einseitige Bringschuld“ und gerade kein zweiseitiger Konsens. Theoretisch denkbar wäre eine Bedingungskonstruktion im Rahmen eines antizipierten Generaleinverständnisses. Ähnlich der verwaltungsrechtlichen Praxis könnte insofern die öffentlich-rechtlich geprägte Terminologie der Zustimmung mit Anzeigevorbehalt übernommen werden. Eine ähnliche Regelung existiert so z. B. im Rahmen der Vorteilsgewährung, § 333 StGB, schon de lege lata: § 333 Abs. 3 StGB bestimmt, dass eine Strafbarkeit nach Abs. 1 ausscheide, falls „die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.“
Auch die Literatur zu Compliance-Regelungen diskutiert ein so genanntes „Ampelmodell“, bei dem vorher definierte Entscheidungen erlaubt (grün), verboten (rot) oder grundsätzlich verboten sind, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise erlaubt (gelb) sind.398 Aber auch eine mögliche Konstruktion über ein antizipiertes Einverständnis unter der Bedingung der Transparenz der Handlung stellt keine Alternative zu einer tatsächlichen Prozeduralisierung dar. Es ergeben sich Bedenken, ob die Einverständnisdogmatik überhaupt durch eine Bedingungskonstruktion belastbar und nicht bedingungsfeindlich ist, wie dies jedenfalls bei der Einwilligung, die eine vorherige Kundgabe erfordert, der Fall sein dürfte. Weiter läge nur eine hypothetische Prozeduralisierung in strafbefreiender Hinsicht vor, da im umgekehrten Fall fehlender Transparenz schlicht kein Einverständnis vorläge, sodass es bei der Möglichkeit einer Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 StGB ohne Einschränkungen bliebe. Letztlich fehlte einer (weiteren) hypothetischen Prozeduralisierung gerade der die Rechtssicherheit bietende, gesetzlich angeordnete Automatismus einer tatsächlich prozeduralen Regelung.
397
Siehe unter Einführung, § 6, A. „Ampelmodell“ des Arbeitskreises Corporate Compliance, vgl. Bannenberg/Dierlamm, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, S. 226 ff. 398
330
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
B. Zivilrechtlich-akzessorische Prozeduralisierung Eine weitere alternative Lösung könnte in der Nutzbarmachung der Zivilrechtsakzessorietät der Untreue liegen. Wenn die Untreue sich bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit am der Treubeziehung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis orientiert – jedenfalls in der Weise, dass keine Pflichtverletzung vorliegen kann, wenn die betreffende Handlung zivilrechtlich erlaubt ist,399 dann könnte umgekehrt die Lösung auch in der Gestaltung der zivilrechtlichen Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer liegen. Im Rahmen der Frage der Untreuestrafbarkeit von Verantwortlichen bei Verstoß gegen Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodexes wird erwogen, die Regelungen des Kodex in Anstellungsverträge oder die Geschäftsordnung des Vorstands bzw. die Satzung zu integrieren, um so eine Verletzung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG begründen zu können.400 Konkret ginge es darum, dass zwischen Treugeber und Treunehmer vereinbart wird, dass der Treugeber dem Treunehmer gegenüber bestimmte Transparenzpflichten bei Wahrnehmung seiner Aufgaben erfüllen muss und dass bei Einhaltung dieser Verpflichtung die betreffende Handlung erlaubt sei. Diese Konstruktion ähnelt sehr der soeben besprochenen eines antizipierten Generaleinverständnisses. In strafbefreiender Hinsicht unterscheidet sich dieses Alternativkonzept mithin nur unwesentlich von der Lösung über ein antizipiertes Einverständnis.401 In strafbegründender Hinsicht wäre zu diskutieren, ob die Verletzung der vereinbarten Transparenzpflichten gleichsam immer auch eine Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB darstellte. Hieran, jedenfalls an einer regelmäßigen Konsistenz, bestehen Zweifel, da die Verletzung von Transparenzpflichten nicht zwangsläufig einen Vermögensbezug haben muss. Insbesondere spricht die neuere Lehre zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil regelmäßig gegen eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB bei Verletzung von Transparenzpflichten.402 Insofern könnte keine Prozeduralisierung in strafbegründender Hinsicht erreicht werden. In strafbefreiender Hinsicht ist auf die Bedenken, die schon im Rahmen des antizipierten Einverständnisses erhoben wurden zu verweisen.403
399 400 401 402 403
Sog. limitierte Zivilrechtsakzessorietät, siehe unter Kapitel 2, § 8, D. I. 1. g). Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V. 1. b). Siehe unter Kapitel 3, § 6, A. Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. V. 3. u. Kapitel 2, § 8, D. VII. 1. Siehe unter Kapitel 3, § 6, A.
§ 6 Alternativkonzepte
331
C. Prozeduralität auf Rechtsfolgenseite: Strafrahmenverschiebung und Strafzumessung I. Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB Als weitere – pragmatische Lösung – käme in Betracht, bei Transparenz eine Strafmilderung404 gemäß § 49 Abs. 1 StGB zuzulassen. In Frage käme nur eine analoge Anwendung dieser Vorschrift, da es an einer entsprechenden Verweisung auf den § 49 Abs. 1 StGB im Rahmen des § 266 StGB fehlt, die der Wortlaut des § 49 Abs. 1 StGB jedoch verlangt. Eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB ist nicht von Verfassungswegen405 ausgeschlossen, da es sich um eine Analogie zugunsten des Täters handeln würde.406 So wendet die Rechtsprechung z. B. im Rahmen der so genannten „Strafzumessungslösung“ § 49 Abs. 1 StGB beim Heimtückemord analog an, um bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Strafrahmenverschiebung zu gelangen.407 Zwar könnten im Rahmen des § 266 StGB tatbestandliche Problemstellungen – sofern man den Kritikern des § 266 StGB folgt – durchaus eine Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB rechtfertigen. Dies hätte jedoch keinen direkten Bezug zu einem Transparenzmerkmal. Außerdem würden so Probleme auf Tatbestandsebene letztlich nur auf die Rechtsfolgenseite verlagert und nicht gelöst; die Strafrahmenverschiebung stellte letztlich nur eine Korrektur auf anderer Ebene dar. Zu einer direkten Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB käme man indes über den § 46a StGB. § 46a StGB erlaubt eine fakultative Strafrahmenverschiebung bei einem so genannten „Täter-Opfer-Ausgleich“ bzw. einer erfolgreichen408 Schadenswiedergutmachung. Jedoch sind die einzelnen Voraussetzungen des § 46a StGB ausnahmslos nur bei bestimmtem Nachtatverhalten erfüllt. Insofern käme im Rahmen dieser Untersuchung nur die nachträglich geschaffene Transparenz durch den Täter in Frage. Die bloß nachträgliche Transparenz ist jedoch von den Zielen dieser Arbeit nicht umfasst, da sie die kriminologischen Aspekte der Transparenz als Prävention vor einer Tatbegehung außen vor lässt und darüber hinaus so auch keinen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Unsicherheiten leisten kann.
404
Genauer: Strafrahmenmilderung, Theune, in: LK-StGB, § 49 Rn. 1. Art. 103 Abs. 2 GG. 406 Theune, in: LK-StGB, § 49 Rn. 18. 407 BGHSt 30, 105; Bruns, Hans-Jürgen: Richterliche Rechtsfortbildung oder unzulässige Gesetzesänderung der Strafandrohung für Mord?, in: JR 1981, 358; Lackner, Anm. zu BGHSt 30, 105, in: NStZ 1981, 344; BGH, in: NJW 1983, 54; BGH, in: NStZ 1983, 553; BGH, in: NStZ 1984, 20; Günther, Lebenslang für „heimtückischen Mord“?, in: NJW 1982, 353. 408 Ansonsten vgl. Ausführungen zur tätigen Reue unter Kapitel 3, § 6, C. II. 405
332
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
II. Analoge Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue Wenn es um die nachträgliche Herstellung von Transparenz geht – d. h. nach der Vollendung des § 266 Abs. 1 StGB – könnte man erwägen, die Vorschriften über die tätige Reue analog409 anzuwenden. Es steht der analogen Anwendung von Vorschriften zur tätigen Reue von Verfassungswegen nichts entgegen.410 Die tätige Reue ist im Strafrecht bei einzelnen Delikten als Ausnahme zur Regel normiert: Grundsätzlich sehen die Delikte des besonderen Teils des Strafrechts keine Strafmilderung für eine tätige Reue vor.411 Das StGB und die AO stellen z. B. ausnahmsweise in folgenden Vorschriften bei tätiger Reue dem Täter Strafmilderungen oder -aufhebungen in Aussicht: § 83a StGB, § 87 Abs. 3 StGB, § 98 Abs. 2 StGB, § 129 Abs. 6 StGB, § 149 Abs. 2 StGB, § 152a Abs. 5 StGB, § 158 StGB, § 306e StGB, § 314a StGB, § 320 StGB, § 330b StGB, § 239a StGB, § 298 Abs. 3 StGB, § 261 Abs. 9, 10 StGB, § 264 Abs. 5 StGB, § 264a Abs. 3 StGB und § 265b Abs. 2 StGB, § 266a Abs. 5 StGB sowie ferner § 371 AO. 1. Systematisierung der Delikte der tätigen Reue (im Wirtschaftsstrafrecht) Angesichts dieser Fülle von Regelungen zur tätigen Reue, die nicht prima facie eine Systematik zu bilden scheinen, wird teilweise von einem „um die tätige Reue gewobenen Paragraphenknäuel“412, einem „auffallend uneinheitlichen“413 Vorgehen des Gesetzgebers oder der Auswahl der Tatbestände, für die eine Regelung zur tätigen Reue existiert, nach dem „Prinzip des Zufalls“414 gesprochen. Auch wird vertreten, dass in den Regelungen zur tätigen Reue überhaupt kein „stimmiges Gesamtsystem“415 gesehen werden könne. Der wohl am häufigsten ins Feld geführte Grund, die ratio legis, für die Gewährung einer strafmildernden bzw. strafbefreienden tätigen Reue ist der, dass trotz bereits eingetretener Tatvollendung das Umkehrverhalten des Täters zu honorieren sei, weil bei dem jeweiligen Delikt auf Grund seiner Struktur eine zeitliche Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit vor den Zeitpunkt der eigentlichen Verletzung des geschützten Rechtsgutes gegeben sei.416 Kurz gesagt: Trotz formeller Tatvollendung liegt materiell noch keine Rechtsguts409
Teilweise wird von einer „Gesamtanalogie“ gesprochen; vgl. statt vieler z. B. Merkel, in: NK-StGB, § 219b Rn. 12, Eser/Hecker, in: S/S-StGB, § 1 Rn. 25. 410 Siehe unter Kapitel 3, § 6, C. II. 1. 411 Was aus einem argumentum e contrario zu den ausnahmsweise explizit geregelten Fällen der tätigen Reue im StGB folgt; siehe zu den Regelungen unter Kapitel 3, § 6, C. II. 412 Hillenkamp, Möglichkeiten der Erweiterung des Instituts der tätigen Reue, in: Schöch, Wiedergutmachung und Strafrecht, S. 81 [83]. 413 Lackner/Kühl-StGB, § 24 Rn. 29. 414 Eser, in: S/S-StGB, § 24 Rn. 116. 415 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505. 416 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505.
§ 6 Alternativkonzepte
333
verletzung dergestalt vor, die eine Bestrafung rechtfertigen kann und mithin eine Umkehrleistung des Täters besonders zu honorieren ist. Von besonderem Interesse sind an dieser Stelle die Delikte des Wirtschaftsstrafrechts,417 die Regelungen zur tätigen Reue enthalten. Bei den einzelnen Delikten im Wirtschaftsstrafrecht418 ist die soeben genannte ratio legis der Vorschriften zur tätigen Reue – formelle Tatvollendung ohne Rechtsgutsverletzung – jedoch auf Grund Uneinigkeiten über das geschützte Rechtsgut des jeweiligen Tatbestandes nicht unumstritten. So wird z. B. bei §§ 264, 264a und 265b StGB überwiegend vertreten, dass das geschützte Rechtsgut nicht bloß das (Individual-)Vermögen im Sinne eines Vorfeldschutzes zu § 263 StGB sei, sondern diese Delikte auch andere Rechtsgüter schützten,419 so z. B. das Allgemeininteresse an einer wirksamen staatlichen Wirtschaftsförderung (§ 264 StGB),420 die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (§ 264a StGB)421 bzw. das Funktionieren der Kreditwirtschaft (§ 265b StGB).422 Insofern könnte gerade nicht mit einem noch nicht vollendet verletzten Rechtsgut argumentiert werden. 2. Analoge Anwendung bei Transparenz bei § 266 StGB In der Phänomenologie des § 266 StGB sind regelmäßig Konstellationen zu finden, in denen es zwar zu einer Vollendung der Tathandlungen des § 266 Abs. 1 StGB gekommen ist, aber bis zum Eintritt eines so genannten „effektuierten“ Schadens bzw. einer so genannten „Schadensvertiefung“ noch eine gewisse Zeit – bis hin zu manchmal sogar mehreren Jahren – vergeht.423 Diese Aussage ist jedoch (relativierend) vor dem Hintergrund der im Kapitel 2 dieser Arbeit geführten Diskussion zu verstehen: Es kommt maßgeblich auf die wirtschaftliche Bestimmung des Vermögensnachteils an. Bei der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung einer streng wirtschaftlichen Nachteilsbestimmung, die auch der h.A. entspricht, tun sich jedoch gerade die Diskrepanzen zwischen Vollendung der Tathandlungen und 417 Zum Begriff des Wirtschaftsstrafrechts siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. I. u. Kapitel 1, § 2, C. I. 4. b). 418 Krack konstatiert jedoch eine „willkürlich erscheinende Ungleichbehandlung“ im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, und plädiert unter Äußerung von Bedenken aber nicht für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die tätige Reue z. B. bei § 299 StGB, § 331 HGB, § 399 AktG, § 82 GmbHG, sondern für die Überlegung, ob die in diesen Delikten pönalisierte Ausdehnung der Strafbarkeit überhaupt gerechtfertigt sei: Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [506 ff.]. 419 A.A. Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 41 Rn. 21 m.w.N.; Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [506], der auf die Theorie der „hintereinander geschalteten Individual- und Allgemeinrechtsgüter“ (Loos, Anm. zu OLG Köln, Urt. v. 28. 5. 1974 – Ss 85/74, in: JR 1975, 248 [249 f.]) verweist. 420 Lackner/Kühl-StGB, § 264 Rn. 1. 421 Tiedemann, in: LK-StGB, § 264a Rn. 13. 422 Tiedemann, in: LK-StGB, § 265b Rn. 9. 423 Siehe unter Kapitel 2, § 8, D. VIII. 2.
334
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
damit der Vollendung der Untreue im Sinne eines wirtschaftlich determinierten Vermögensnachteils und materieller Rechtsgutsverletzung nicht auf, soweit das Rechtsgut Vermögen ebenso unter wirtschaftlicher Determinierung bestimmt wird. Jedoch ist die Tatsache nicht zu leugnen, dass auch so betrachtet ein Unterschied zwischen dem wirtschaftlich bestimmten Vermögensnachteil und der „reell-begreifbaren“ Vermögenseinbuße – auch so genannte: „Schadensvertiefung“ – im Sinne des greifbaren Abflusses des unter rein tatsächlichen Determinanten bestimmten Vermögens besteht. Besonders in den Fällen, in denen eine bestimmte Prognose als Vermögensnachteil bewertet wurde, stellt sich die für das Opfer praktisch enorm wichtige Frage, ob sich die Prognose letztlich erfüllt oder nicht; auch kann der Täter selbst auf die Verwirklichung der Prognose oftmals noch Einfluss nehmen.424 Folglich läge unter diesen Prämissen betrachtet ebenfalls eine Situation vor, die der ratio legis der tätigen Reue entspräche. Nicht: Tatbestandsvollendung bei noch nicht eingetretener Rechtsgutsverletzung – sondern: wirtschaftlich determinierte Tatbestandsvollendung und wirtschaftlich determinierte Rechtsgutsverletzung bei noch nicht „effektuiertem“, will sagen: reell greifbarem, tatsächlichem Vermögensnachteil. Man könnte diese Phase der Deliktsvollendung als „tatsächliche Gefährdungsphase“425 bezeichnen, da es sich insofern um die Gefährdung der Schadensvertiefung handelt. In Abgrenzung zur „tatsächlichen Gefährdungsphase“ stünde die „rechtliche Gefährdungsphase“, die aus Rechtsgründen vorliegt, weil der gesetzliche Tatbestand zwar vollendet, aber das Rechtsgut noch nicht verletzt ist. Dass diese „tatsächliche Gefährdung“ auch durchaus als sehr real empfunden wird, liegt vor allem aus Opfersicht sehr nahe: Für das Opfer macht es nämlich einen großen Unterschied, ob es sich um einen bloß wirtschaftlich determinierten Vermögensnachteil oder um einen „effektuierten“ Vermögensnachteil handelt – nämlich für die tatsächlich bedeutsame Frage der Schadenswiedergutmachung,426 die regelmäßig in Fällen, in denen gerade noch keine Schadensvertiefung vorliegt wesentlich einfacher zu realisieren ist. Man denke nur an die Fälle der schwarzen Kassen: Hier genügt nämlich schon die Aufdeckung der schwarzen Kasse, um auf die Gelder einfach im Wege der Schadenswiedergutmachung zugreifen zu können. Auch bestätigt sich diese Überlegung durch einen Vergleich mit der wirtschaftlichen Vermögensbestimmung: so macht es wirtschaftlich durchaus einen großen Unterschied, ob eine bloße Rücklage z. B. in Ansehung eines riskanten Prozesses bilanziert wird, oder ob Wirtschaftsgüter endgültig verloren sind. Vielen Delikten, die eine Vorschrift über die tätige Reue kennen, ist ebenfalls gemein, dass es eine ähnliche rechtliche oder tatsächliche „Gefährdungsphase“ vor 424 Soweit der Täter das Eintreffen der Prognose selbst verhindert, soll ihm die tätige Reue analog zu Gute kommen: Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144 [146], These 12. 425 Die sich gerade nicht mit der Beendigungsphase deckt, da es hierbei darauf ankommt, ob der Täter selbst Handlungen nach Vollendung des Tatbestandes vornimmt, die den eine Schadensvertiefung herbeiführen. 426 Genauer: Wiedergutmachung des wirtschaftlich determinierten Vermögensnachteils.
§ 6 Alternativkonzepte
335
Eintritt der materiellen Vollendung gibt.427 Selbst wenn man unter einer streng formalistischen Betrachtung von einer Vollendung und eingetretener Rechtsgutsgefährdung ausgeht – die Existenz einer „tatsächlichen Gefährdungsphase“ also leugnet – wäre auf § 371 AO zu verweisen: Hier besteht die Möglichkeit, noch nach Eintritt des Schadens die Straflosigkeit durch eine Wiedergutmachung des Schadens zu erreichen. Allerdings stellt § 371 AO insofern das einzige Beispiel dieser Art im Strafrecht dar und ist als singuläre Ausnahmevorschrift daher wohl nicht einer analogen Anwendung zugänglich.428 Dennoch existiert § 371 AO weiterhin, auch wenn eine Legitimation des Fiskus als Opfer einer Straftat gegenüber einer Privatperson als Opfer einer Straftat nicht auf der Hand zu liegen vermag.429 Im Übrigen ist insbesondere bei der nachträglichen Schadenswiedergutmachung bzw. in Fällen, die nicht von den Vorschriften über die tätige Reue (analog) erfasst sind und dennoch eine Honorierung des Umkehrverhaltens des Täters erfordern, auf die allgemeinen Regeln der Strafzumessung gemäß § 46 Abs. 2 StGB und auf die fakultative Strafmilderung gemäß § 46a StGB sowie die Ausführungen hierzu in dieser Arbeit zu verweisen.430 Denn dass die nach der Tatvollendung sich ergebende Entwicklung tatbestandlich irrelevant ist, heißt noch lange nicht, dass sie nicht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen wäre. So wäre z. B. die Nichtvertiefung bzw. reelltatsächliche Nichtverwirklichung eines wirtschaftlich betrachtet vollendeten Vermögensnachteils, soweit der Täter darauf Einfluss nimmt, als schadensminderndes Nachtatverhalten im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB zu werten.431 Gemäß dieser Annahme stünde einer Analogie zu den Vorschriften der tätigen Reue im Rahmen des § 266 StGB wenig entgegen.432 Es existiert insofern freilich eine Regelungslücke, als dass es bei § 266 StGB keine Vorschrift zur tätigen Reue gibt; fraglich ist, ob diese Regelungslücke insofern auch ungewollt wäre.433 Jedenfalls die ähnliche Deliktsstruktur, also die Vergleichbarkeit der Regelungen, zu den Delikten, die Vorschriften über die tätige Reue kennen, würde ansonsten eine analoge 427
Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [507]; darum argumentiert Krack a.a.O. z. B. für eine analoge Anwendung bei § 299 StGB, solange noch keine durch eine Schmiergeldzahlung motivierte Bevorzugung eingetreten ist. 428 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [510]. 429 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [510]. 430 Siehe unter Kapitel 3, § 6, D. 431 Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57 [61]; Stree/Kinzig, in: S/S-StGB, § 46 Rn. 40; OLG Köln, in: NJW 1958, 2079. 432 Für eine „Gesamtanalogie“ bei § 266 StGB in den Fällen, in denen sich ein Schaden auf Grund des Täterverhaltens nach Vollendung der Tat nicht vertieft hat: Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57 [61 f.]; Weber, Rücktritt vom vermögensgefährdenden Betrug, in: FS Tiedemann, 2008, S. 637; Weber, Zum bedingten Vorsatz bei der vermögensgefährdenden Untreue, in: FS Eisenberg 2009, S. 371. 433 Auf diese Voraussetzung einer jeden Analogie (Engisch/Würtenberger, Einführung in das juristische Denken, S. 193 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381 ff.) wird im Rahmen der Diskussionen der analogen Anwendung der tätigen Reue fälschlicher Weise nicht eingegangen.
336
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Anwendung auch bei § 266 StGB rechtfertigen, namentlich auch bei Vorliegen oder Schaffen von Transparenz: Man könnte sodann die Transparenz der Untreuehandlung bzw. die Aufrechterhaltung der Transparenz der Untreuehandlung oder die Schaffung nachträglicher Transparenz als eine „tätige Transparenz“, d. h. tätige Reue und damit als Umkehrleistung honorieren. Krack sieht das gesetzgeberische Hauptmotiv der Einführung der Vorschriften der §§ 264, 264a und 265b StGB nicht in einer zeitlichen Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit des § 263 StGB, sondern in dem Verzicht auf den Nachweis eines Vermögensschadens und des darauf gerichteten Vorsatzes.434 Diese Hypothese ließe sich ebenfalls mutantis mutandis auf die Untreuepraxis de lege lata übertragen. So wurde im zweiten Teil der Arbeit festgestellt, dass häufig die Rechtsprechung – so die Kritik – die Untreue in ähnlicher Stoßrichtung (hypothetisch prozedural) anwendet. Nicht expressis verbis wird in der Rechtsprechung auf den Nachweis eines Vermögensnachteils verzichtet, jedoch finden sich Tendenzen, die Annahmen in diese Richtung rechtfertigen könnten. Nicht zuletzt und nicht ohne Grund stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zur Verfassungsmäßigkeit Untreue aus 2010 klar, dass keinesfalls auf den Nachweis eines eigenständig435 bestimmten Vermögensnachteils verzichtet werden dürfe.436 Abschließend ist die analoge Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue auf die Untreue jedoch aus verschiedenen Gründen abzulehnen.437 Dagegen spricht vor allem die schon mehrmals im Rahmen der Prüfung ins Feld geführte „Halbherzigkeit“ der Lösung im Gegensatz zur in dieser Arbeit vorgeschlagenen tatsächlich prozeduralen Regelung im Rahmen der lex ferenda. So kann Transparenz denknotwendig bei einer analogen Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue nur in strafbefreiender Hinsicht als prozedurales Entscheidungskriterium fungieren. Weiter bestünde erhebliche Rechtsunsicherheit, vor allem in der Phase bis zur Etablierung einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nicht zuletzt ist die Rechtsfolge insofern ungewiss, als dass einerseits eine Strafaufhebung als auch eine bloße Strafmilderung in Betracht käme. Im Rahmen der Strafmilderung (vgl. oben zur Strafzumessung) liegt kein Vorteil zur angesprochenen Vorgehensweise über eine „Strafzumessungslösung“, die wiederum erhebliche Unsicherheiten in sich trüge. Auch die Anwendbarkeit der Regelungen der tätigen Reue wäre von Unsicherheiten gekennzeichnet. So müsste ein Zeitpunkt der Deliktsbegehung festgelegt werden, bis zu dem die tätige Reue noch Berücksichtigung finden könnte. Hier könnte zwar auf die oben erwähnte „tatsächliche Gefährdungsphase“ abgestellt werden. Damit wäre jedoch neben der wirtschaftlichen Feststellung des Vermögensnachteils – die oh434 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [506] unter Fällen eines negativen Urteils über das Rechtsinstitut der tätigen Reue insgesamt. S. 509. 435 Stichwort: keine Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen: BVerfGE 126, 170. 436 BVerfGE 126, 170. 437 So auch: Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505; Fischer, Prognosen, Schäden, Schwarze Kassen, in: NStZ-Sonderheft für Miebach, 2009, 8 ff., 15 f.
§ 6 Alternativkonzepte
337
nehin schon kompliziert genug gestaltet ist – eine faktisch-tatsächliche Nachteilsfeststellung im Sinne einer tatsächlichen Gefährdung ohne faktisch-tatsächlichen Nachteil bei Tatbestandsvollendung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, d. h. Nachteilseintritts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, notwendig. Schon im Rahmen der sonst diskutierten analogen Anwendung der Vorschriften zur tätigen Reue im Wirtschaftsstrafrecht ist es problematisch, den Zeitpunkt festzustellen, zu dem trotz (wirtschaftlich bestimmter) Tatvollendung keine „reelle“ Vollendung im Sinne einer endgültigen und greifbaren Verletzung des geschützten Rechtsgutes vorliegt.438 Ohne gefestigte Kriterien wäre diese Feststellung eine völlig unberechenbare Determinante, die keinesfalls zu mehr Rechtssicherheit im Bereich der Untreue beizutragen in der Lage wäre. Auch ist das Argument, dass die Frage, ob ein Vermögensnachteil bei § 266 Abs. 1 StGB nun tatsächlich-reell eingetreten ist bzw. sich ein wirtschaftlich bestimmter Nachteil „effektuiert“ hat, unter anderem von tatsächlichen Umständen abhängig, die eher zufällig, und vor allem teilweise ohne Bezug zur Umkehrleistung des Täters oder zum geschützten Vermögen stehen, nicht von der Hand zu weisen439 und verfassungsrechtlich im Lichte des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG, bedenklich. Ganz zum Schluss wäre mit dieser Lösung auch dem in dieser Arbeit verfolgten Ziel, der konturierten Handhabbarmachung des § 266 StGB nicht gedient: So könnten z. B. Tendenzen gefördert werden, eine Ausweitung der Vorverlagerung der Strafbarkeit des § 266 StGB über extensive Auslegung des wirtschaftlich bestimmten Vermögensbegriffs oder ein dissimuliertes Verzichten auf schwer zu beweisende Tatbestandsmerkmale damit zu rechtfertigen, dass ja spiegelbildlich eine analoge Anwendung der tätigen Reue eine Überkriminalisierung kompensieren könnte.440 Insofern muss die Lösung über eine Prozeduralisierung am Tatbestand des § 266 StGB selbst ansetzen, um so den Anwendungsbereich direkt einschränken zu können und nicht erst „korrigierend“ im Rahmen der Strafzumessung441 mit den Mitteln der tätigen Reue eingreifen zu müssen. Insgesamt kann die Überlegung, die Regelungen der tätigen Reue auf § 266 StGB in Konstellation analog anzuwenden, in denen der Täter transparent gehandelt hat und weiterhin die Transparenz aufrecht erhält oder nachträglich Transparenz schafft, kein belastbares Alternativkonzept zu einer gesetzlichen Prozeduralisierung darstellen.
438
Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [507]. So Krack zu anderen Delikten des Wirtschaftsstrafrechts als der Untreue: Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [507 f.]. 440 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [508 f.] mit Verweis auf: Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 188, Fn. 21 und Hillenkamp, Möglichkeiten der Erweiterung des Instituts der tätigen Reue, in: Schöch, Wiedergutmachung und Strafrecht, S. 81 [84]. 441 Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505 [510]. 439
338
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
III. Fazit zu einer Lösung auf Rechtsfolgenseite Eine alternative Lösung zur vorgeschlagenen lex ferenda kann auch nicht in einer hypothetischen Prozeduralität auf Rechtsfolgenseite liegen. Eine Lösung auf Tatbestandsseite hätte zur Folge, dass das Verhalten weder strafbar noch verfolgbar wäre. Insbesondere wären durch eine Lösung des Problems auf Rechtsfolgenseite immer noch zahlreiche Belastungen für den Täter vorhanden, auch wenn im Ergebnis keine oder eine mildere Bestrafung erfolgt. Alleine die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bringt schon erhebliche Belastungen für den Beschuldigten mit sich.442 Letztlich stellt sich eine Lösung auf Rechtsfolgenseite immer nur als Korrektiv zu einem Problem dar, das im Bereich des Tatbestandes loziert. Durch korrigierende Eingriffe auf Ebene der Rechtsfolgen einer Straftat besteht immer die Gefahr, neue Unstimmigkeiten hervorzurufen. Auch die Kostenfolgen sind gerade in Wirtschaftsstrafverfahren ein nicht zu vernachlässigender Faktor.443 So ändert eine Strafrahmenverschiebung nichts an der Kostentragungspflicht des Verurteilten. Selbst bei einem Absehen von Strafe würde der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen, § 465 Abs. 1 S. 2 StPO. Im Sinne einer einheitlichen und verlässlichen Lösung sollte das Problem auch dort angegangen werden, wo es besteht: nämlich auf Tatbestandsebene.444
D. Berücksichtigung von Transparenz im Rahmen der Strafzumessung – sentencing guidelines auch in Deutschland? I. Strafzumessung im engeren Sinne Bei einer Untreuetat gemäß § 266 StGB erfolgt die Strafzumessung im engeren Sinne445 nach allgemeinen Vorschriften, namentlich über § 46 StGB. Als einigermaßen klarer Fall stellt sich die Konstellation dar, in der die Transparenz nach der Vollendung der Untreuetat – entweder in der Form der Aufrechterhaltung der bestehenden Transparenz oder nachträglichen Schaffung von Transparenz durch den Täter bewirkt, dass der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingetretene Schaden sich nicht „vertieft“. Dies kann im populären Beispiel der Aufrechterhaltung oder Einrichtung einer schwarzen Kasse schlicht durch die Schaffung von Transparenz, durch das Aufdecken der schwarzen Kasse, geschehen. Dieses Nachtatverhalten des 442
Roxin, Strafverfahrensrecht, § 16 C. Die Kostentragungspflicht im Strafrecht basiert auf Zurechnungsprinzipien und hat somit auch Strafcharakter: Frister, Schuldprinzip, S. 120 ff. 444 Im Ergebnis genauso: Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 65. 445 D. h. innerhalb des ermittelten Strafrahmens (Strafzumessung im weiteren Sinne), Miebach, in: MüKo-StGB, § 46 Rn. 77. 443
§ 6 Alternativkonzepte
339
Täters würde sich gemäß § 46 Abs. 2 StGB strafmildern auswirken.446 Im Gegenteil könnte sich die verschuldete Aufrechterhaltung von Intransparenz durch den Täter strafschärfend auswirken, soweit sie zu einer endgültigen Schadensvertiefung führt. Unabhängig des Merkmals einer Schadenswiedergutmachung könnte Transparenz im Rahmen der Strafzumessung noch auf folgende Gesichtspunkte des § 46 Abs. 2 StGB Einfluss haben: die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat. Da dies jedoch eine sehr einzelfallbezogene und äußerst vage hypothetische Prozeduralität anhand des Transparenzmerkmals bedeutete, taugt diese Lösung, zumal ohne gesicherte Rechtsprechungspraxis, überhaupt nicht, das Ziel dieser Arbeit zu erreichen. Letztlich betrifft die Entscheidung nach § 46 StGB auch nur die Strafzumessung im engeren Sinne innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens. II. Sentencing guidelines im deutschen Strafrecht? Methodisch könnte über sentencing guidelines eine auf das Transparenzmerkmal bezogene Prozeduralisierung der Strafbarkeitsentscheidung auf Rechtsfolgenseite de lege fereda erreicht werden. Bei so genannten sentencing guidelines im Verständnis des US-amerikanischen Strafrechts447 muss man zunächst zwischen absoluten und relativen sentencing guidelines differenzieren. Absolute, so genannte mandatory sentencing guidelines448 sind Strafzumessungsregelungen, die für den Tatrichter in jeder Hinsicht bindend sind. Diese Art der Strafzumessungsregelungen ist seit jüngerer Zeit in Amerika für verfassungswidrig erklärt worden: So hat der U.S. Supreme Court im Jahre 2005 die bundesstaatlichen sentencing guidelines für teilweise verfassungswidrig erklärt, jedoch ihre weitere Anwendung durch die Gerichte als „unverbindliche“ Leitlinien gebilligt.449 Weiter ist danach zu unterscheiden, in welche Richtung die Strafzumessungsregelungen wirken, d. h., ob sie strafschärfend oder strafmildernd innerhalb eines Strafrahmens oder strafhöhenkonstituierend im Hinblick auf eine ganz bestimmte Strafe wirken. Im deutschen Strafrecht gibt es keine zwingenden Strafzumessungsregelungen wie es sie im US-amerikanischen Sinne faktisch gibt.450 Im deutschen Straffolgenrecht wären zwingende Strafzumessungsregelungen, die strafschärfend bzw. straf446
Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57 [61]. Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I. 448 Welke, Mandatory sentencing, in: ZRP 2002, 207. 449 United States vs. Booker, 543 U.S. 220 (2002). 450 Zu den „Bußgeldkatalogen“ im Ordnungswidrigkeitenrecht und sonstigen das Ermessen des Richters einschränkenden Elementen vgl. Welke, Mandatory sentencing, in: ZRP 2002, 207 [213] und BVerfG, in: NJW 1996, 1809 zur Verfassungsmäßigkeit im Ordnungswidrigkeitenrecht. 447
340
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
höhenkonstituierend wirken, verfassungsrechtlich nicht mit dem Schuldprinzip, das eine der persönlichen Schuld angemessene Strafe verlangt, vereinbar.451 Unter kriminologischen Aspekten sind absolute Strafzumessungsregelungen auch in die Kritik gekommen, da sie oftmals den erwünschten Erfolg einer Abschreckung nicht leisten können. Insbesondere kontrovers diskutiert werden so genannte „three strikes and you’re out“-Regelungen.452 Bindende Strafzumessungsregelungen zwingen bei im Einzelfall notwendiger Weise doch vorzunehmenden Korrekturen zu einer Verschiebung der Lösung auf die Tatbestandsebene.453 Absolute Strafzumessungsregelungen im Hinblick auf das Merkmal der Transparenz bei der Untreue wären im Sinne dieser Arbeit jedoch kontraproduktiv. So würde es sich einerseits nur um eine Prozeduralisierung auf Rechtsfolgenseite handeln,454 andererseits wäre diese auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben ohnehin nicht zulässig; allenfalls – wovon an dieser Stelle allerdings nicht ausgegangen wird – eine obligatorische Strafmilderung könnte den verfassungsrechtlichen Bedenken standhalten. Relative Strafzumessungsregelungen, die das richterliche Ermessen lenken,455 erfüllten gerade nicht die Hoffnungen an eine tatsächliche Prozeduralisierung bei der Untreue, nämlich größtmögliche Rechtssicherheit leisten zu können. Insofern ist an dieser Stelle die in der Überschrift dieses Abschnitts aufgeworfene Frage nach sentencing guidelines in Deutschland mit einem klaren „nein“ zu beantworten. III. Fazit Transparenz stellt einen berücksichtigungsfähigen Faktor im Rahmen der Strafzumessung dar. Eine sichere und vorhersagbare Größe ist damit aber noch lange nicht geschaffen. Letztlich hilft diese – insofern hypothetisch prozedurale – Korrektur auch nur in einem Stadium, in dem „das Kinde schon in den Brunnen gefallen ist“, nämlich auf Rechtsfolgenseite. Eine wertgleiche Alternative zu der hier befürworteten lex ferenda kann daher nicht vorliegen.
E. Strafprozessuale Lösung Eine strafprozessuale Lösung verhält sich ähnlich zur Lösung auf Rechtsfolgenseite: Sie greift ein, wenn eigentlich das „Kind schon in den Brunnen gefallen 451
BVerfGE 45, 187; BGHSt 30, 105; 41, 20; BVerfG, Urt. v. 20. 3. 2002 – 2 BvR 794/95; Welke, Mandatory sentencing, in: ZRP 2002, 207 [213 f.]. 452 Helland/Tabarrok, Does Three Strikes Deter?, in: 42 J. Hum. Resour. 309 (2007). 453 Zur Kritik unter einer rechtsvergleichenden Analyse im anglo-amerikanischen Rechtsraum: Welke, Mandatory sentencing, in: ZRP 2002, 207. 454 Siehe unter Kapitel 3, § 6, C. 455 Siehe unter Kapitel 3, § 6, D.
§ 6 Alternativkonzepte
341
ist“, anders ausgedrückt: der Tatbestand des § 266 StGB bejaht wurde. Es würde sich ebenfalls nur um ein nachträgliches Korrektiv456 für im Tatbestand des § 266 StGB lozierende Probleme handeln. Die Voraussetzungen, unter denen keine weitere Strafverfolgung mehr stattfinden würde, sind nicht bestimmt formuliert; die Regelungen der §§ 153, 153b StPO können nicht als bestimmte Regelungen bezeichnet werden.457 Selbst über eine stafprozessuale Prozeduralisierung verblieben Belastungen für den Angeklagten, die bei einer Prozeduralisierung auf Tatbestandebene nicht bestehen würden.458 I. Die Möglichkeiten der Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153b StPO Gemäß § 153 Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Nach § 153 Abs. 2 StPO kann das Gericht bei bereits erhobener Klage in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. § 153b Abs. 1 StPO erlaubt, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Gericht von Strafe absehen könnte, der Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts, das für die Hauptverhandlung zuständig wäre, von der Erhebung der öffentlichen Klage abzusehen. § 153b Abs. 2 StPO betrifft den Fall der bereits erhobenen Klage, in dem das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen kann. Die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO hängt davon ab, inwiefern bei vorliegender Transparenz bei Tatbegehung die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre. Eine Argumentation in diese Richtung wäre denkbar. Zur Bestimmung des Grades der Schuld kann auf § 46 StGB zurückgegriffen werden459 und für einen möglichen Einfluss des Transparenzmerkmals und die Probleme der konkreten Feststellung kann auf die Besprechung der allgemeinen Strafzumessung in diesem Teil der Arbeit verwiesen werden.460 Durchgreifende Bedenken gegen eine hypothetische Prozeduralisierung anhand der Einstellungsvorschrift des § 153 StGB 456 Vgl. hierzu: Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366. 457 Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366 [368]. 458 Vgl. Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366 [369]. 459 Schoreit, in: Karlsruher Kommentar-StPO, § 153 Rn. 18; m.w.N. 460 Siehe unter Kapitel 3, § 6, D.
342
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
ergeben sich jedoch zudem aus folgenden Tatsachen: Durch die Möglichkeit der Einstellung wird der Initialcharakter der Strafandrohung trotz bestehender Transparenz nicht beseitigt.461 Bei einer Lösung auf Tatbestandsebene fehlte es schon an einer Rechtsgrundlage für ein Strafverfahren im weiteren Sinne, was insbesondere auch durch Verfahrensrecht und Rechtsmittel durchgesetzt werden könnte.462 Die Einstellungsvorschriften sind zudem bloße Ermessensvorschriften („kann“), sodass keine Anwendungssicherheit bestünde. Weiter gilt der Grundsatz der Bestimmtheit des Art. 103 Abs. 2 GG auch nur für Strafgesetze und gerade eine Erhöhung der Bestimmtheit ist das Ziel der angestrebten Prozeduralisierung. Dieses Ziel kann mit einer Einstellungsmöglichkeit gemäß § 153 StPO nicht erreicht werden. Letztlich ist auch besonders in Wirtschaftsstrafverfahren die Frage der Kostentragung eine essentielle. Bei einer Lösung auf Tatbestandsebene wäre bei Transparenz ein Freispruch die Folge mit der Konsequenz der vollen Kostentragungspflicht des Staates, § 467 Abs. 1 StPO. Anders bei der Einstellung des Verfahrens. Die Verfahrenseinstellung kann mit Kosten verbunden sein, sofern gemäß § 467 Abs. 4 StPO dem Angeschuldigten die eigenen notwendigen Auslagen auferlegt werden. Eine Einstellungsmöglichkeit über § 153b StPO scheidet schon vom Wortlaut her regelmäßig aus. Wegen der Transparenz bei Tatbegehung müsste ein Absehen von Strafe möglich sein. Dies ist jedoch auf Grund der bestandenen Transparenz nur in absoluten Ausnahmefällen theoretisch denkbar. § 153b StPO ist somit gänzlich ungeeignet, den § 266 StGB durch strafprozessuale Maßnahmen hypothetisch zu prozeduralisieren. II. Die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO § 153a Abs. 1 S. 1 StPO gibt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage abzusehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen zu erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Nach § 153a Abs. 2 StPO ist es zudem dem Gericht möglich, in Fällen, in denen die Klage bereits erhoben ist, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können, vorläufig einzustellen und zugleich dem Angeschuldigten die in § 153a Abs. 1 S. 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen zu erteilen. § 153a StPO ist grundsätzlich auch auf § 266 StGB anwendbar, da es sich 461 Vgl. Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366 f. 462 Vgl. die Gegenüberstellung prozessualer und materiellrechtlicher Entkriminalisierung bei: Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366 ff.
§ 6 Alternativkonzepte
343
um ein Vergehen handelt, § 12 Abs. 1, 2 StGB. Als mögliche Auflagen oder Weisungen nennt § 153a Abs. 1 S. 2 StPO einige Beispiele, die jedoch nicht abschließend sind.463 Insofern wäre theoretisch gegen die Weisung, für eine bestimmte Zeit Transparenz herbeizuführen und aufrechtzuerhalten, eine vorläufige Einstellung möglich. Auch wäre es möglich, dem Täter die Etablierung z. B. eines die Transparenz fördernden Compliance-Systems als Weisung aufzuerlegen. Beide Möglichkeiten beträfen nur die nachträgliche Schaffung von Transparenz. Faktisch scheiden solche Weisungen jedoch in aller Regel aus: Die Weisung zu Transparenz läuft aus praktischen Gesichtspunkten in den allermeisten Fällen ohnehin ins Leere: Sollte es sich nicht um einen der gesetzlichen Fälle einer Treuebeziehung handeln, so wird der Treugeber in aller Regel die Treubeziehung zum Täter ohnehin beenden. Insofern liefe die Weisung, Transparenz herzustellen, mangels Treubeziehung ins Leere. Auch der Weisung, ein transparenzförderndes Compliance-System zu etablieren – inspiriert durch das US-amerikanische System464 – stehen faktische Hindernisse entgegen. Compliance-Systeme machen aller Regel nach nur in Unternehmen einer bestimmten Größe einen Sinn. Finanziell und organisatorisch belastet mit der Etablierung eines Compliance-Systems wäre das Unternehmen selbst. Da es in Deutschland keine Unternehmensstrafe gibt, können im Strafverfahren folglich auch nicht unternehmensbelastende Weisungen in einem Verfahren gegen den Täter (als Angehörigen eines Unternehmens) ausgesprochen werden. Den Täter persönlich mit der Etablierung eines Compliance-Systems zu belasten würde diesen faktisch überfordern; in der Regel liegen auch keine Fachkenntnisse hierzu vor. Zudem ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Täter auch nicht mehr für das Unternehmen tätig sein wird, dem er als Treunehmer einen Schaden zugefügt hat. Letztlich besteht zwischen Transparenz bei Tatbegehung und der Möglichkeit zur Einstellung nach § 153a StPO auch nur ein sehr vager Zusammenhang. Argumentiert werden müsste damit, dass auf Grund der Transparenz bei Tatbegehung die Schwere der Schuld der Einstellung nicht entgegensteht. Es würde sich letztlich bis zur Etablierung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung nur um eine sehr unsichere Möglichkeit handeln, einer Bestrafung wegen Untreue zu entgehen. Zudem hätte diese für den Täter den Preis der erteilten Auflage oder Weisung. Insofern ist eine nachträgliche Korrektur der tatbestandlichen Problematik der Untreue auf Ebene des Strafverfahrens kein geeignetes Alternativkonzept zu der hier vorgeschlagenen lex ferenda.
463 § 153a Abs. 1 S. 2 StPO: „insbesondere“; Schoreit, in: Karlsruher Kommentar-StPO, § 153a Rn. 15. 464 Siehe unter Kapitel 3, § 2, C. I. 1. u. Kapitel 3, § 2, C. II. 3.
344
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
III. Lösung über Strafantragserfordernis Denkbar wäre, im Rahmen des § 266 StGB ein absolutes Antragserfordernis zu schaffen, das nur in den Fällen eingreift, in denen Transparenz vorgelegen hat. De lege lata besteht auf Grund der Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB nur in den Fällen des § 247 StGB (Haus- und Familienuntreue) ein absolutes Antragserfordernis, in den Fällen der §§ 266 Abs. 2, 248a StGB (Untreue mit geringwertigem Schaden) ein relatives Antragserfordernis. Allerdings könnte der Rechtsgedanke des § 247 StGB, der auch auf die Haus- und Familienuntreue anzuwenden ist, § 266 Abs. 2 StGB, auf die Untreue insgesamt ausgedehnt werden: So will § 247 StGB nach h.A. den Familienfrieden als einen Frieden innerhalb eines gesellschaftlichen Subsystems schützen.465 In vormodernen Gesellschaften ist der Haus- und Familiendiebstahl keine staatliche Angelegenheit, sondern alleine Angelegenheit des Inhabers der Haus- oder Familiengewalt, der strafen oder begnadigen konnte.466 Diese Vorstellungen prägen in transformierter Form bis heute die Strafrechtsordnung: den Mitgliedern der Familie soll offengehalten werden, die Angelegenheit unter sich zu bereinigen und den häuslichen Frieden, der durch eine staatliche Strafverfolgung empfindlich gestört würde, selbst wieder herzustellen.467 Obgleich überzeugende kriminalpolitische Argumente in der Literatur die Streichung des § 247 StGB, jedenfalls dessen Erweiterung, um die Möglichkeit, auch das besondere Interesse an der Strafverfolgung anzunehmen, verlangen,468 könnte gerade bei der Untreue der Gedanke des § 247 StGB Platz greifen, dass sich die Strafverfolgungsorgane nur dann in ein Subsystem der Gesellschaft einmischen, wenn es von diesem verlangt wird. Zwar wird in der Literatur nach dem telos des § 247 StGB diskutiert, den Rechtsgedanken des § 247 StGB nicht auf Diebstähle (und Untreuetaten) zu beschränken, sondern auf alle „Beziehungstaten“ zu erstrecken.469 Jedoch wird eine Analogie in „vertikaler“ Linie, d. h. keine Beschränkung auf die Familiengemeinschaft, sondern die Übertragung auf strukturell identische Gesellschaftssysteme, bisher noch nicht thematisiert. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt innerhalb des § 247 StGB könnte hierbei die Variante des Vormundes (§ 1773 ff. BGB) oder Betreuers (§ 1896 ff. BGB) als Täter liefern, die eine strikte Beschränkung auf persönliche Beziehungen ausschließt und es leicht macht zu argumentieren, da zwei professionelle (Treue-!470)Beziehungen schon de lege lata von § 247 StGB erfasst werden. Der Familienpatriarch des gesellschaftlichen Subsystems der Familie in 465 BGHSt 10, 400 [403]; 18, 123 [126]; 29, 54 [56]; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 247 Rn. 1; Lackner/Kühl-StGB, § 247, Rn. 1; Rengier, Strafrecht BT I, § 6 Rn. 1; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 13 Rn. 139. 466 Vogel, in: LK-StGB, § 247 Rn. 1. 467 BGHSt 29, 54 [56]. 468 Vogel, in: LK-StGB, § 247 Rn. 1. 469 Vogel, in: LK-StGB, § 247 Rn. 2. 470 Für dem Betreuer: Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 72; für den Vormund: Dierlamm, in: MüKo-StGB, § 266 Rn. 114.
§ 6 Alternativkonzepte
345
vormoderner Zeit ist nämlich mit dem Treugeber im Untreue-System471 nach heutigem Verständnis vergleichbar. Der Treugeber kann hinsichtlich der Regelung seiner Vermögensbeziehungen durch Dritte frei nach eigenem Gutdünken entscheiden. Insofern läge es nicht fern, ihn auch darüber entscheiden zu lassen, was hinsichtlich der Sanktionierung von an sich strafbarem Verhalten innerhalb dieser Beziehung geschehen soll. Denn auch der Treugeber kann durchaus ein respektierenswertes Interesse an der Aufrechterhaltung eines „Treuebeziehungsfriedens“ haben. Durch die Lösung über ein absolutes Antragserfordernis de lege ferenda bei Vorliegen von Transparenz wäre jedenfalls die Strafverfolgung ohne Mitwirkung des antragsberechtigten Treugebers, § 77 Abs. 1 StGB, für die Strafverfolgungsbehörden nicht möglich. Der Lösungsansatz ist insofern interessant, als dass er eine „Bevormundung“ des Treugebers verhindern könnte und eine Strafverfolgung ohne dessen Mitwirkung unmöglich machen würde. Jedoch wäre die Wirkung einer solchen Prozeduralisierung des Antragserfodernisses nur ein halber Schritt in Richtung auf eine umfassende Prozeduralisierung, da die Frage der Strafverfolgung noch von der insofern eigenständigen bzw. willkürlichen Entscheidung des Treugebers abhinge, ob der Strafantrag gestellt wird und die durchaus auch zufällig sein kann, wenn z. B. die Antragsfrist des § 77b Abs. 1 StGB verstrichen ist.
F. Zurechnungslösung I. Bei Transparenz: Erlaubtes Risiko In der Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte bezieht sich die Rechtsfigur472 des „erlaubten473 Risikos“ auf die Frage, inwieweit aus Verhaltensweisen innerhalb des erlaubten Risikos Garantenpflichten erwachsen können.474 Auch scheide eine Zurechnung beim Begehungsdelikt aus, wenn der Täter zwar ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, es sich hierbei jedoch um ein erlaubtes Risiko handelt.475 Klassischerweise werden bei der Rechtsfigur des erlaubten Risikos vier Fallgruppen476 unterschieden: (1) Erlaubtes Risiko wegen überwiegend sozialen Nutzens, (2) wegen unbeherrschbarer Kausalität, (3) wegen riskanten Rettungshandlungen und (4) wegen Einwilligung in Gefahr und Handlung. Die Fallgruppen
471
Siehe unter Kapitel 2, § 7, D. A.A.: Keine eigenständige Rechtsfigur, sondern nur ein Sammelbegriff strukturell unterschiedlicher Fallgestaltungen (Herzberg, Vorsatz und erlaubtes Risiko, in: JR 1986, 6; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 257 f.). 473 Binding verwendet die Formulierung des „maßvollen“ Risikos: Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV: Die Fahrlässigkeit, S. 432 ff. 474 Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 189. 475 Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 65; Wessels/Beulke/Satzger Rn. 258. 476 Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, S. 20 ff. 472
346
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
(3) und (4) betreffen das Selbstverantwortungsprinzip und damit die Einwilligungslehre im weiteren Sinne.477 Vogel bezeichnet die erste Fallgruppe (1) – erlaubtes Risiko wegen überwiegend sozialen Nutzens – als die einzig „wirklich problematisch[e]“478 und formuliert unter anderem die im Zusammenhang mit dieser Arbeit wichtige Frage, ob es um eines prästierten wirtschaftlichen Nutzens zulässig sei, Risiken für Dritte einzugehen.479 Freilich bezieht sich die hieran geknüpfte Diskussion auf die Frage, inwiefern wirtschaftliche (und sozialnutzensorientierte) Interessen ein480 Argument für die Begrenzung von strafrechtlichen (Garanten-)Pflichten sein können, exemplifiziert am Unternehmer, der einen an sich gefährlichen Betrieb unterhält.481 Die Rechtsfigur des erlaubten Risikos als Unterbrechung einer Zurechnung könnte selbst eine hypothetische Prozeduralisierung der Zurechnungsfrage darstellen, da die Entscheidung über die Zurechnung auf die Einhaltung von Sorgfaltsregeln verlagert wird und in dieser eine Andersartigkeit der Zurechnungsentscheidung gesehen werden könnte. Akzeptiert man auf Grund von Utilitätserwägungen einen bestimmten Bereich als erlaubtes Risikohandeln, so geht hiermit regelmäßig auch die Aufstellung von Sorgfaltsregeln einher,482 bei deren umfassender Beachtung eine Rechtsgutsverletzung der insofern: erlaubt risikoreichen Handlung nicht zugerechnet werden kann.483 Bezieht man diese Fragestellung jedoch speziell bei der Untreue auf die Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer und auch auf die Frage der Zurechnung des Vermögensnachteils zur Pflichtverletzung, so weitet sich das Blickfeld und lässt die Frage, ob alles Unterlassen bzw. Handeln zur Realisierung der wirtschaftlichen Interessen des Treugebers nicht deshalb schon pflichtgemäß sei, weil es sich um ein erlaubtes Risiko handele. So wäre auch die Frage des insgesamten Nutzens der gefährlichen Tätigkeit zu erheben. Nun ist jedoch § 266 StGB – dem Rechtsgüterschutz dienend in Form des Vermögensschutzes – solchen treugeberorientierten Utilitätserwägungen im Rahmen der insgesamten Beziehung des Treunehmers zum Treugeber nicht zugänglich. An 477
Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 190. Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 190. 479 Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 190. 480 RGSt 10, 6 f.: gerade kein Argument. 481 Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 190. 482 Roxin formuliert umgekehrt, die Aufstellung von Sorgfaltsregeln für einen bestimmten Bereich beweise die Existenz eines rechtlich relevanten Risikos: Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 67. Jedoch erscheint es nach hier vertretener Ansicht auch möglich, den Bereich des erlaubten Risikos auch dann schon anzunehmen, wenn noch keine speziellen Sorgfaltsregeln vorhanden sind, da die Existenz eines erlaubten Risikos abstrakt der Frage ist, ob eine Handlung innerhalb des erlaubten Risikos liegt, wofür die Aufstellung von Sorgfaltsregeln erforderlich wäre. 483 Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 65 ff. 478
§ 6 Alternativkonzepte
347
dieser Stelle könnte eine Lösung über eine gesetzliche Prozeduralisierung de lege ferenda die Konsequenz sein. Besonders im Kontext des Wirtschaftsstrafrechts bzw. des Untreuestrafrechts unter Berücksichtigung der in diesem Teil angestellten systemtheoretischen Überlegungen zur strukturellen Koppelung von Rechtssystem und Wirtschaftssystem hat die Lehre des erlaubten Risikos ihre Daseinsberechtigung. Eingedenk der Einsicht, dass wirtschaftliches Handeln abstrakt und statistisch gesehen unvermeidbar mit Risiken verbunden ist, ist es andererseits auch erwünscht und nicht wegzudenken. Gleiches gilt für die konkreten wirtschaftlichen Handlungen des Treunehmers in der Beziehung zum Treugeber: Einerseits ist ein statistisches Risiko unvermeidlich, andererseits ist ein Tätigwerden eines Treunehmers für den Treugeber juristisch (bei juristischen Personen) und faktisch (wegen der Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft)484 unumgänglich. Das normative erlaubte Gesamtrisiko des Treugebers kann mithin nicht gleich Null sein und ist auf Grund der Utilität im Verhältnis Treugeber und Treunehmer auch daseinsberechtigt. Was schlechthin nicht vermieden werden kann (risikoloses Handeln bedeutete hier ein Nichthandeln),485 kann deshalb auch nicht verboten werden, weil sonst wirtschaftliches Handeln des Treunehmers nicht mehr möglich wäre. Die Konsequenz muss sein, dass dem, der sich im erlaubten Risiko bewegt, der Erfolg nicht zugerechnet, bzw. ihn keine Garantenstellung treffen kann, den schädigenden Erfolg abzuwenden.486 Zur Bestimmung des insofern erlaubten Risikos, d. h. zur Bestimmung, ob sich ein konkretes Handeln im Rahmen des Gesamtrisikos und der Utilität der Gesamthandlungen noch im Bereich des Erlaubten befindet, könnte das Transparenzmerkmal belastet werden. Transparenz betrifft als fortlaufender Zustand auch strukturell ein Gegengewicht bzw. eine Gegenmaßnahme zum wirtschaftlichen Gesamtrisiko des Handelns durch einen Treunehmer. II. Risikoverringerungslehre – Risikoerhöhungslehre Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die h.L. eine Zurechnung des Vermögensnachteils zur Pflichtverletzung bei § 266 Abs. 1 StGB fordert: Der Vermögensnachteil muss gerade auf der Pflichtverletzung beruhen (§ 266 Abs. 1 StGB: „dadurch“) – Pflichtwidrigkeitszusammenhang.487 Fraglich ist, inwiefern eine Zurechnung bei einem reinen Verstoß gegen Transparenzvorschriften bejaht werden 484
Siehe unter Kapitel 1, § 2, II. Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 193: „Das erlaubte Risiko […] betrifft mithin die Frage nach der Behandlung des schlechthin Unvermeidbaren im Recht.“ 486 Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 194. 487 BGHSt 46, 30 [34]. 485
348
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
kann. Fraglich ist somit, inwiefern ein unerlaubtes Risiko geschaffen wurde, indem gegen die Transparenzpflichten verstoßen wurde. Andererseits könnten Gedanken der Risikoerhöhungslehre Roxins488 im Rahmen der Zurechnung fruchtbar gemacht werden: Intransparenz könnte als Risikoerhöhung (Risiko: Vermögensnachteil) verstanden werden, wohingegen bei Transparenz eine Risikoverringerung vorläge.
G. Abstraktes Gefährdungsdelikt In Fällen, die aus beweistechnischen Gründen Schwierigkeiten bereiten, tendiert der Gesetzgeber zur Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte.489 Das Gefährdungsstrafrecht ist in strafbegründender Hinsicht auch prozedural: So erfordert ein Unrecht im Falle eines Gefährdungsdelikts keine Rechtsgüterverletzung mehr; es genügt schon die (abstrakte) Rechtsgütergefährdung490 und die konkrete Gefährlichkeit der jeweiligen Tathandlung ist gerade kein Tatbestandsmerkmal.491 Die abstrakten Gefährdungsdelikte beruhen auf der Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Verhaltensweisen als für das Schutzobjekt generell gefährlich einzuschätzen.492 Dies stellt jedoch in Bezug auf die aufgeworfenen Probleme im Rahmen der Untreue jedoch kein Alternativkonzept zu einer Prozeduralisierung des § 266 StGB anhand des Transparenzmerkmals dar, da anders als bei einer umfassenden Prozeduralisierung ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Bezug auf seine prozeduralen Vorzüge nur in strafbegründender Hinsicht wirken kann.
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB Zunächst kann festgestellt werden, dass für eine gesetzliche Prozeduralisierung des § 266 StGB de lege ferenda dem Bundesgesetzgeber die Kompetenzgrundlage im Rahmen der konkurrierenden Bundesgesetzgebung, das ius puniendi, des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG („Strafrecht“)493 zur Verfügung stünde. „Strafrecht“ ist die 488 Erstmals: Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, in: ZStW 1962, 411 ff. 489 Vgl. hierzu in Bezug auf § 266 StGB: Lüderssen, Risikomanagement und „Risikoerhöhungstheorie“, in: FS Volk 2009, S. 345 [353]. 490 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. 491 Wessels/Beulke/Satzger Rn. 42. 492 Wessels/Beulke/Satzger Rn. 43. 493 Diese Kompetenzgrundlage ist insoweit es um strafrechtliche Regelungen geht spezieller als Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Var. 1 GG („Recht der Wirtschaft“) (Pieroth, in: Jarass/ Pieroth-GG, Art. 74 Rn. 24), obwohl das „Recht der Wirtschaft“ grundsätzlich weit ausgelegt
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB
349
Regelung aller repressiver oder präventiver staatlicher Reaktionen auf Straftaten, die an die Straftat anknüpfen und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen.494 Die Kompetenzgrundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG setzt nach h.A. überhaupt ein Bestehen eines staatlichen Bestrafungsrechts voraus, dessen Schranken im Folgenden zu bestimmen sind. Zuvor sei noch klargestellt, dass die Frage der Legitimation einer Prozeduralisierung bei § 266 StGB terminologisch keines Falls zu verwechseln ist mit einer prozeduralen Legitimation von Strafe in einem so genannten „prozeduralistischen Rechtsparadigma“, in dem die Legitimität demokratisch-rechtsstaatlich legalen Rechts auf den in den Rechtsetzungsprozess eingebundenen Diskursen beruht.495 Mit der prozeduralen Legitimation einer Prozeduralisierung des § 266 StGB setzt sich diese Arbeit nicht auseinander, weil sie insofern Vogels Ansicht folgt, der nach auch eine prozedurale Legitimation in Habermas’ Verständnis durch den Legitimationsdiskurs im Gesetzgebungsverfahren ein quasi-materiales Gepräge erhalte496 und somit das Prozedurale dieser Legitimation darin liegt, die wie auch immer konkret verstandene Materialität, „empirische Vernünftigkeit“, des Diskurses unwiderleglich anzunehmen.
A. Herkömmliche Schranken des Strafrechtsgesetzgebers Zur Zulässigkeit einer Prozeduralisierung des § 266 StGB anhand des Transparenzmerkmals ist zwischen einer strafbarkeitsbegründenden Prozeduralisierung und einer strafbarkeitsbegrenzenden Prozeduralisierung (Bezugspunkt ist das materiale Recht der Untreue) zu differenzieren. In strafbegründender Hinsicht ergeben sich die Schranken eines Legitimationskonzeptes für Strafe. In strafbefreiender Hinsicht sind das Konzept der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit von Verhalten und die allgemeinen strafrechtsimmanenten Schranken zu beachten. Letztlich kann eine Schranke der Strafbegründung bei § 266 StGB selbst (de lege lata) eine strafbefreiende hypothetische Prozeduralisierung gebieten. Die äußerste Schranke findet jede gesetzliche Prozeduralisierung des § 266 StGB zunächst im Verfassungsrecht des Grundgesetzes. Für eine Prozeduralisierung in strafbefreiender Hinsicht gelten insofern die gleichen Schranken, da ein ius de non puniendo als minus in der strafbarkeitsbegründenden Prozeduralisierung und der Ermächtigung hierzu enthalten wäre. Im Weiteren sind Schranken des Strafgesetzgebers unterhalb des Verfassungsrangs zu beachten. Die Befürworter eines modernen Wirtschaftsstrafrechts lassen wird und alle Normen umfasst, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regeln (BVerfGE 55, 274 [308]; 68, 319 [330]; 116, 202 [215]). 494 BVerfGE 109, 190 [212]. 495 Habermas, Faktizität und Geltung, S. 532 ff. 496 Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 275 ff.
350
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
dem Strafgesetzgeber unterhalb der verfassungsrechtlichen Schranken freie Hand in der Entscheidung, welches Verhalten kriminalisiert werden soll.497 Andererseits existiert eine gewichtige Lehre, der es um eine kriminalpolitische498 Beschränkung der Strafbarkeitsgesetzgebung durch einen systemkritischen Rechtsgutsbegriff geht.499 So wie das Paradigma des Rechtsgüterschutzes nicht das einzige herkömmliche Legitimationskonzept von Straftatbeständen ist, ist – als Teilaspekt – in strafrechtsbegrenzender Hinsicht das Konzept des systemkritischen Rechtsgutsbegriffs gleichfalls nicht das einzige Paradigma der h.L. Zu nennen sind hier vor allem die Konzepte der ultima ratio, der Strafbedürftigkeit und das Subsidiaritätsprinzip.500 I. Verfassungsrecht 1. Strafe als ultima ratio Das ultima-ratio-Prinzip ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG. Es begrenzt staatliches Einwirken auf Grundrechtssubjekte im Bereich des Strafrechts. Die Strafe darf nur ultima ratio der Sozialkontrolle und Sozialsteuerung sein. Das ultima-ratio-Prinzip kann jedoch als zu unflexibel bezeichnet werden. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wäre eine Diskussion der ultimaratio-Argumente besser beim Verhältnismäßigkeitsprinzip zu greifen, da hier kein Alles-oder-Nichts gilt und dem Gesetzgeber die wichtige Einschätzungsprärogative erhalten bleibt. In strafbefreiender Hinsicht wäre das ultima-ratio-Prinzip freilich nicht berührt, da eine strafbefreiende Prozeduralisierung gerade die ultima ratio der Strafbarkeit (gemäß § 266 Abs. 1 StGB) einschränkt. Im Gegenteil: Das auf § 266 StGB angewendete ultima-ratio-Prinzip könnte eine Prozeduralisierung erfordern, um die Strafbarkeit im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB zu begrenzen. In strafbegründender Hinsicht jedoch muss sich eine Prozeduralisierung des § 266 StGB anhand eines Transparenzmerkmals insofern am ultima-ratio-Prinzip messen lassen, als dass dadurch die Strafbarkeit über die Grenzen des bestehenden § 266 StGB ausgedehnt wird – sofern man das ultima-ratio-Prinzip in Bezug auf den 497 Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 [46 f.] (2004); Tiedemann, in: LK-StGB, § 265b Rn. 17; Tiedemann, Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität – Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag 1972. 498 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 12; Sternberg-Lieben, Rechtsgut, Verhältnismäßigkeit und die Freiheit des Strafgesetzgebers, in: Hefendehl/von Hirsch/Wohlers, Die Rechtsgutstheorie, S. 65 [79]; Schünemann, Das Rechtsgüterschutzprinzip als Fluchtpunkt der verfassungsrechtlichen Grenzen der Straftatbestände und ihrer Interpretation, in: Hefendehl, Die Rechtsgutstheorie, S. 133 [137]. 499 Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens; Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 12. 500 Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: FS Stree/Wessels, S. 69 [76 ff.].
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB
351
§ 266 StGB de lege lata als gewahrt ansieht.501 Damit sind insbesondere die Fälle zu prüfen, in denen trotz Nichtstrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB (de lege lata) wegen fehlender Pflichtverletzung (oder fehlendem Schadens) eine Strafbarkeit auf Grund der Tatsache, dass gegen die Transparenzpflicht verstoßen wurde, begründet wird. Fälle, in denen in strafbegründender Hinsicht das Ergebnis einer materialen Strafbarkeit gemäß § 266 StGB (de lege lata) identisch ist mit dem prozeduralen Ergebnis einer Strafbarkeit gemäß § 266 StGB (de lege ferenda) wegen Transparenzpflichtverstoß, können nicht gegen das ultima ratio-Prinzip verstoßen. Verortet man inhaltlich die Diskussion hierüber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, so stellt sich die Frage, ob eine Bestrafung wegen Intransparenz in einer Treuebeziehung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verhältnismäßig zum hiermit angestrebten Erfolg wäre. Der angestrebte Erfolg wäre maßgeblich in der Untreueprävention502 zu sehen; Aspekte der erhöhten Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Vergleich zum § 266 StGB (de lege lata) können ebenfalls mitberücksichtigt werden. Unter Zugrundelegung der im Kapitel 1 dieser Arbeit gefundenen Erkenntnisse zu einem tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz, können diese Prämissen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägung berücksichtigt werden, sodass man zum Ergebnis kommen kann, dass eine Prozeduralisierung des § 266 StGB anhand eines Transparenzmerkmals in strafbegründender Hinsicht nicht außer Verhältnis zu angestrebten Endziel stünde. Insbesondere durch den Nachweis eines tatsächlichen Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz kann die „untreuegleiche“ Sanktionsbedürftigkeit nachgewiesen werden.503 Eine natürliche Grenze der Strafbewehrung ist weiter die Tatsache, dass alle Gedanken intern sind und daher eine rein subjektive Anknüpfung grundsätzlich Probleme bereitete.504 Daher sei die Bestrafung von sozial indifferentem Verhalten mit der Bestrafung von Gedanken gleichzusetzen.505 Jedoch handelt es sich beim Transparenzmerkmal keineswegs weder um eine subjektive Anknüpfung, wie sie im US-amerikanischen Recht bei den obstruction of justice Delikten üblich ist,506 noch unter Zugrundelegung der Erkenntnisse des Kapitels 1 um sozial indifferentes Verhalten. Intransparenz im Rahmen einer Treuebeziehung im Sinne des § 266 StGB 501
BVerfGE 126, 170. Hier gemeint: die Untreue gemäß § 266 StGB de lege lata. 503 Grundsätzlich würde man in der prozeduralen Pflichtverletzung ein geringeres Unrecht sehen als in der materialen Pflichtverletzung und damit zu einer milderen Sanktionierung gelangen; eine Gleichsanktionierung von materialer und prozeduraler Pflichtverletzung ist also Ausnahme begründungsbedürftig (vgl. hierzu: Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599 [614]). Diese Begründung wird im hier vorliegenden Fall durch den Nachweis des tatsächlichen Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz geführt. 504 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 230 f. 505 Hefendehl, Enron, WoldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51 [72] (2004). 506 Siehe unter Kapitel 3, § 2, B. II. 1. a). 502
352
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
ist kein indifferentes Verhalten, sondern der tatsächliche Nährboden einer Untreuestrafbarkeit im Sinne des nachgewiesenen Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz. 2. Nulla poena sine lege Der Grundsatz des nullum crimen nulla poena sine lege stricta certa braevia ist in Art. 103 Abs. 2 GG normiert.507 Eine absolute Geltung dieses Grundsatztes wurde in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgeweicht: So kann die Bestimmtheit eines Strafgesetzes auch erst aus einer gesicherten Rechtsanwendungspraxis folgen. Da die Rechtsprechung insofern einen gewissen Konturierungsspielraum innehat, könnte die Aussage des Verfassungsgerichts in einer intendierten Unbestimmtheit gesehen werden. Diese gewollte Unbestimmtheit wiederum könnte als ein bewusst gesetzter Gegenpol zur (Über-)Macht der Wirtschafts- und Geschäftswelt gesehen werden, die hierdurch effektiver reguliert werden könnte und sich in ihren Handlungen auf eine Bewertungsunsicherheit mit erhöhter Vorsicht einstellen müsste. In Bezug auf eine Prozeduralisierung steht der Grundsatz der nulla poena sine lege nicht entgegen. Eine Prozeduralisierung erfolgt typischer Weise anhand einfach zu bestimmender prozeduraler Entscheidungskriterien – hierin liegt gerade der strukturelle Vorteil zu materialen Regelungen: Prozedurale Entscheidungskriterien vereinfachen in der Regel die materialen Entscheidungskriterien oder ersetzen diese durch vereinfachte andere Kriterien.508 Damit ist es eine sehr häufige Intention einer Prozeduralisierung, Unsicherheiten und Schwierigkeiten in der Bewertung von Sachverhalten gerade zu vermeiden bzw. zu reduzieren und die Gesetzlichkeit einer Strafnorm zu erhöhen. 3. Nemo tenetur se ipsum accusare Eine Prozeduralisierung im Bereich der Untreue anhand des prozeduralen Entscheidungskriteriums der Transparenz muss sich auch an der Selbstbelastungsfreiheit messen lassen, da Transparenz die Preisgabe von Informationen beinhalten kann, die auch selbstbelastend sein könnten.509 Bedenken in dieser Hinsicht bestehen jedoch nur prima facie. Denn die relevanten Transparenzpflichten und damit auch der relevante Informationsfluss beschränken sich in Untreuekonstellationen nur auf das Verhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer und inkludiert gerade nicht die Strafverfolgungsorgane. Es liegt kein Fall so genannter externer Transparenz vor. Zudem soll die lex ferenda in einer Art und Weise ausgestaltet sein, dass die Erfüllung 507
Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog-GG, Art. 103, Rn. 178. Siehe unter Kapitel 2, § 7, E. I. 509 Vgl. die Erwägungen des U.S. Supreme Court im Fall Bajakajein: siehe unter Kapitel 3, § 2, A. II. 4. a). 508
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB
353
der Transparenzpflichten, also die Beibringung von Informationen, immer nur im Vorfeld einer Entscheidung stattfinden muss. Es geht nicht um nachträgliche Transparenz. Insofern gibt es denknotwendig im Zeitpunkt des Informationsflusses noch gar keine mögliche Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB, derer der Treunehmer Gefahr liefe sich selbst zu belasten. Auch in strafbegründender Hinsicht, d. h. im Falle einer Strafbewehrung von Intransparenz, die repressiv geahndet würde, besteht keine denkbare Situation einer Gefahr der Selbstbelastung, weil in dieser Konstellation gerade keine Informationen geflossen sind, bzw. der Anknüpfungspunkt der Strafbegründung die Nichtbeibringung, Intransparenz, ist. II. Strafrechtsimmanente Schranken – systemkritischer Rechtsgutsbegriff Ohne in die Diskussion zum Paradigma eines systemkritischen Rechtsgüterschutzes bzw. einer Konzeption des Rechtsgüterschutzes im Strafrecht510 tiefer eintreten zu wollen, soll an dieser Stelle gezeigt werden, dass Prozeduralisierung der Untreue anhand des Transparenzmerkmals in strafbegründender Hinsicht und systemkritische Rechtsgüterschutzlehre sich nicht ausschließen.511 Prozeduralisierung der Untreue anhand des Merkmals der Transparenz steht im Einklang mit der systemkritischen Rechtsgutslehre. Ohne dass es ernsthaft bestritten wird, schützt die Untreue gemäß § 266 StGB jedenfalls das Individualrechtsgut des Vermögens und ist zunächst insofern auch unstreitig unter Rechtsgüterschutzerwägungen als elementarer Straftatbestand zu legitimieren.512 Mithin könnte auch eine Prozeduralisierung der Untreue unter Berufung auf den Rechtsgüterschutz des Vermögens à la longue legitimiert werden. Bei der Prozeduralisierung der Untreue anhand des Transparenzmerkmals handelt es sich um eine Prozeduralisierung, der ein prozedurales Entscheidungskriterium zu Grunde liegt, das tatsächlich in einem engen Wirkungszusammenhang zur (materialen) Untreuestrafbarkeit steht.513 Bei der Prozeduralisierung anhand eines Entscheidungskriteriums, das einen tatsächlichen Wirkungszusammenhang zum hinter dem Prozeduralisierungsobjekt (§ 266 StGB) stehenden Rechtsgut aufweist, handelt es sich um einen so genannten Rechtsgüterschutz à la longe.514 Verboten im Lichte der 510 Vgl. hierzu Eser, Rechtsgut und Opfer, in: FS Mestmäcker 1996, S. 1005 [1011 ff.]; Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: FS Stree/Wessels, S. 69 [71 ff.]. 511 Zu den Defiziten der Rechtsgüterschutzkonzeption bei der Ligitimierung von Vermögensdelikten am Beispiel des Betruges vgl. Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 11 ff. 512 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 9. 513 Siehe unter Kapitel 1. 514 Siehe unter Kapitel 2, § 6, B. u. Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, S. 160.
354
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
systemkritischen Rechtsgüterlehre ist nämlich nur der so genannte freischwebende Schutz von Handlungs- und Gesinnungswerten, deren Verletzung keinen Bezug zu einem Rechtsgut habe.515 Die Prozeduralisierung anhand des Transparenzmerkmals jedoch weist einen engen Rechtsgüterbezug auf. Insofern setzt die systemkritische Rechtsgutslehre einer Prozeduralisierung anhand des Transparenzmerkmals auf Grund der sehr geringen Distanz zum geschützten Rechtsgut des Vermögens – wie das Kapitel 1 zeigt – keine Schranken.
B. Utilitaristische Legitimation und strafrechtsdogmatische Konsequenzen Einer Legitimation der lex ferenda durch ein dem Utilitarismus verpflichtetes Rechtsverständnis stehen seit jeher im deutschen Strafrecht Bedenken gegenüber. So sei eine utilitaristische Legitimationstheorie ungeeignet, die strafrechtlichen Prinzipien der Fairness und Gerechtigkeit ausreichend zu berücksichtigen.516 Ohne in eine Gegenkritik517 einzutreten, kann in Bezug auf die vorliegende Arbeit Folgendes gesagt werden: Im Wertpapierhandelsstrafrecht hat die ökonomische Analyse des Rechts bereits Eingang gefunden und das Wertpapierhandelsstrafrecht stellt nach Vogels Ansicht eine generelle Tendenz dar,518 die einer Verallgemeinerung zugänglich wäre. Der Kritik kann daher nicht gefolgt werden, insbesondere nicht bei einer Prozeduralisierung in strafbefreiender Hinsicht und wegen der Regelung der Prozeduralisierung als Annex zum bestehenden § 266 StGB. Auch im Rechtsgüterschutzparadigma ist es nicht erforderlich, dass die Strafbarkeit nur bei einer Verletzung des Rechtsgutes eintritt.519 Es genügt eine Rechtsgütergefährdung für die Pönalisierung, wobei der Rechtsgüterschutz weiterhin das Motiv für die Strafvorschrift darstellt.520 Insofern schütze das Strafrecht die Aufrechterhaltung von Handlungswerten, die dem Schutz der Rechtsgüter dienten, auf die sie bezogen sind.521 Paradigmatisch hierfür ist die Legitimation der Versuchsstrafbarkeit, bei der eine zurechenbare Verletzung eines Rechtsgutes per definitionem ausbleibt.522 Eine grundsätzliche Skepsis gegenüber abstrakten Gefährdungs515
Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. Fezer, Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law und am property rights approach, in: JZ 1986, 817 [821 ff.]; Fezer, Nochmals: Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts, in: JZ 1988, 223. 517 Ott/Schäfer: Die ökonomische Analyse des Rechts, in: JZ 1988, 213. 518 Vogel, Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: FS Jakobs 2007, S. 731 [740, 745 f.]. 519 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. 520 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. 521 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. 522 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 68. 516
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB
355
delikten ist daher nicht angebracht,523 wohl aber eine kritische Prüfung hinsichtlich einer inflationären Hypostasierung bloßer Sicherheits-, Ordnungs- oder Funktionsinteressen zu schützenswerten Rechtsgütern im Lichte der Legitimation solcher Gefährdungsstraftatbestände,524 welche sich letztlich in Widerspruch mit dem Topos des systemkritischen Rechtsgutsbegriffs setzte. I. Keine Entmaterialisierung des Rechtsguts Gefährdungsdelikten zum Schutz überindividueller Rechtsgüter wird zunächst häufig eine Verflüssigung, Vergeistigung oder Entmaterialisierung des systemkritischen Rechtsgutsbegriffs vorgehalten.525 Eine Prozeduralisierung der Untreue indes muss sich nicht am Maßstab der Legitimität überindividuellem Rechtsgüterschutzes messen lassen: Eine Prozeduralisierung anhand des Transparenzmerkmals erfolgt gerade nicht vor dem Hintergrund des überindividuellen Schutzes der Transparenz im Rechtsverkehr. Die Prozeduralisierung hat den individuellen Vermögensschutz des Treugebers vor Augen. Dies ergibt sich aus dem bestehenden tatsächlichen Wirkungszusammenhang zwischen Transparenz und Untreue, der im Kapitel 1 nachgewiesen wurde. Daher handelt es sich bei dem Merkmal der Transparenz definitionsgemäß nicht um ein eigenständiges (überindividuelles) Rechtsgut, das geschützt werden soll. Mithin stellt sich die Frage, ob bei prozeduralem Individualrechtsgüterschutz überhaupt von einer Entmaterialsierungstendenz gesprochen werden kann. Wie sich aus der hier gewählten Definition von Prozeduralität526 ergibt, ändert sich bei einer Prozeduralisierung anhand eines im tatsächlichen Wirkungszusammenhang mit dem Rechtsgut Vermögen stehenden Merkmals nur die Unmittelbarkeit der Regelung zum Rechtsgüterschutz. Es wird lediglich aus unmittelbarem Rechtsgüterschutz durch Strafbewehrung der unmittelbaren Verletzungshandlung ein Rechtsgüterschutz durch Strafbewehrung der typischen, mittelbaren Vorfeldhandlungen. Die Aufrechterhaltung des Handlungswertes stellt die Einhaltung der Transparenz dar. Der Rechtsgutsbezug ist nach dem oben Gesagtem unter Bezug auf Kapitel 1 der Arbeit auch klar gegeben. Das Gefährdungsverhalten ist mit dem Transparenzmerkmal klar umschrieben. Letztlich dient die Prozeduralisierung auch nicht nur der Bewältigung prozessualer Beweisschwierigkeiten – was unter Legitimationsaspekten als kritisch angesehen wäre.527 523 Kuhlen, Zum Strafrecht der Risikogesellschaft, in: GA 1994, 347 [362 ff.]; Schünemann, Kritische Anmerkungen zur geistigen Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, in: GA 1995, 201 [210 ff.]. 524 Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 667. 525 Vgl. statt vieler: Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 122 ff. 526 Siehe unter Kapitel 2, § 7. 527 Weigend, Bewältigung von Beweisschwierigkeiten durch Ausdehnung des materiellen Strafrechts?, in: FS Triffterer 1996, S. 695.
356
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
II. Utilitaristischer Ansatz – Transparenz als Rechtsgut Das utilitaristische Prinzip sieht diejenigen Handlungen als (moralisch) richtig an, die den Nutzen in der Welt vermehren, wobei es auf den Gesamtnutzen ankommt, nicht auf die Verteilung des Nutzens.528 Utilität kann in den Grenzen des verfassungsmäßig Zulässigen strafbewehrte Verhaltensnormen rechtfertigen und stellt daher ein Legitimationskonzet neben der klassischen systemkritischen Rechtgüterschutzlehre dar. Wie der größtmögliche Gesamtnutzen entsteht, ist eine empirische Frage. Somit hat auch Prozeduralisierung vom Grundsatz her mit Utilität zu tun, da jedes prozedural korrekt erreichte Ergebnis unabhängig einer Einzelprüfung anhand der materialen Kriterien akzeptiert wird. Transparenz soll nicht vor dem Hintergrund der Legitimation als neues überindividuelles Rechtsgut verstanden werden, obgleich es in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts als Gesellschafts- und Rechtsprinzip weitestgehend akzeptiert ist.529 Hassemer stellt fest, dass es „[…] für ein Wirtschaftsstrafrecht [wichtig sei,] Prozeduren, die im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung Transparenz und Kontrolle ermöglichen und vom Strafrecht flankierend gesichert werden [einzurichten]“530 – die Frage, warum hierzu gerade Transparenz nutzen soll, wird indes nicht beantwortet. Wahrscheinlich sieht Hassemer in der Transparenz ein übersachliches Prinzip des Wirtschafts- und Rechtssystems. Anderenfalls läge in einer Prozeduralisierung kein Vermögensschutz mehr vor, sondern ein Transparenzschutz, wobei es sich um zwei hintereinandergeschaltene Rechtsgüter531 handeln würde. Das ist gerade nicht intendiert. Transparenz als neutrales Institut ist nicht der Transparenz selbst wegen schützenswert. Es geht bei dem hier verfolgten Ansatz einer Prozeduralisierung der Untreue um utilitaristisch legitimierte neue Funktionszusammenhänge: Die Kombination von Prävention und Repression sowie die praktische Begrenzung des Tatbestandes der Untreue. Die Grenze zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen soll relativiert werden, um einen größtmöglichen Nutzen hieraus ziehen zu können. Dass Transparenz als prozedurales Merkmal sowohl zur Prävention als auch zur Repression tatsächlich in der Lage ist, hat das Kapitel 1 dieser Arbeit gezeigt. Zudem ergibt sich die gesteigerte Utilität auch aus der Tatsache, dass damit eine Entstaatlichung der Strafrechtspflege erreicht werden kann. Man braucht keine Aufsichts- oder Überwachungsbehörde bei interner Transparenz: Man bedient sich folglich des Treugebers selbst zur Untreueprävention. Strafverhütung wird somit funktional an Private delegiert. Im klassisch-liberalen Verständnis werden Private 528
Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 178. 529 Amelung, Besprechung von Winfried Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, in: ZStW 1975, 132 ff. 530 Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169 [169, 174]. 531 Zum Begriff vgl. Loos, in: JR 1975, 248 [249].
§ 7 Legitimation einer gesetzlichen Prozeduralisierung bei § 266 StGB
357
nur in einem geringen Maße für die Strafrechtspflege in die Pflicht genommen, was die Prävention im Rahmen einer Strafverfolgungsvorsorge oder Straftatenverhütung (jenseits des § 138 StGB) anbelangt, gar nicht.532 Utilität bedeutet jedoch auch die Entlastung des Staates, der mit Ressourcenknappheit kämpft, vor Augen zu haben. Dass bei einer Prozeduralisierung eine Funktionalisierung des einzelnen Treunehmers bzw. Treugebers533 gerügt werden kann, ist jedoch in Grenzen vor dem Hintergrund der sozialstaatlichen Inpflichtnahme des Einzelnen zum Nutzen aller hinzunehmen;534 jedenfalls für den Teil, in dem die Funktionalisierung nur eine Strafbefreiung nach sich zieht, ist dies unproblematisch zu bejahen.
C. Grenzen von Transparenz – nicht: Datenschutz Transparenz ist ein schillernder Begriff, was seine gesellschaftlich akzeptierten positiven Wirkungen angeht und die ubiquitäre Forderung hiernach anbelangt. Dennoch muss gefragt werden, ob nicht auch der Herstellung von Transparenz Grenzen gesetzt sein können. Transparente Informationen sind nicht per se Segen, sondern könnten durchaus auch kritische Informationsvorsprünge bedingen: So sind im Zusammenhang mit Transparenz bei Kapitalgesellschaften, die an der Börse gehandelt werden, z. B. die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, insbesondere die Bestimmungen zu insider trading und scalping, zu beachten. Gegebenen Spezialfalls sind so genannte Chinese Walls535 zu errichten; um verbotene Informationsflüsse zu verhindern. Relevanz hat auch der Bezug zum Datenschutz. Transparenz als hier verstandene eröffnete Möglichkeit zur vermögensrelevanten Information in der Treubeziehung536 könnte auch die Befassung mit Daten bedeuten, die vom Regelungsbereich der zahlreichen gesetzlichen Datenschutzbestimmungen betroffen sind. Der Datenschutz setzt jedoch auch auf Grund teleologischer und grundsätzlicher Erwägungen der Transparenz in der Treuebeziehung schon abstrakt keine Grenze. Grundsätzlich betrifft die Beziehung des Treunehmers zum Treugeber den Datenschutz zwischen Privaten, der schon von Verfassungswegen anders zu beurteilen
532 Vogel, Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: FS Jakobs 2007, S. 731 [742]. 533 Prozeduralisierung des § 266 StGB in strafbefreiender Hinsicht: Funktionalisierung des Treugebers; Prozeduralisierung des § 266 StGB in strafbegründender Hinsicht: Funktionalisierung des Treunehmers. 534 Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht, S. 669 f. 535 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 109, Rn. 136 ff.; Chinese Walls oder auch Ethical Walls sind Monitoring-Instrumente zur Verhinderung von Intressenkonflikten durch Informationsbarrieren innerhalb einer Institution vgl. Black’s Law Dictionary, Stichworte „chinese wall“ u. „ethical wall“. 536 Siehe unter Einführung, § 6, A. III.
358
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
ist, als der Datenschutz gegenüber dem Staat.537 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Datenschutz betrifft zuvorderst das Subordinationsverhältnis Staat-Bürger mit dem zentralen Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Abwehrrecht gegenüber dem Staat.538 In der Konstellation der Treuebeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer – im (latenten) Untreuesystem539 – geht es dagegen ausschließlich um den Datenschutz zwischen Privaten. Sollte der Staat selbst als Treugeber auftreten, so handelte es sich gleichfalls im Rahmen dieser Treuebeziehung nicht um das Subordinationsverhältnis, in dem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Abwehrrecht wirken könnte: Denn nur der Treugeber könnte sich als Verfügungsbefugter über ein durch den Treunehmer transparent gemachtes Datum auf Datenschutz berufen. Dem Staat selbst bleibt jedoch nach absolut h.A. die Berufung auf Grundrechte verwehrt. Der Staat – auch wenn er privatrechtlich handelt540 – ist grundrechtsverpflichtet, nicht grundrechtsberechtigt. Hierin manifestiert sich gerade die Asymmetrie des Rechtsstaates.541 Weiter ist keine Konstellation denkbar, in der der Staat auf Seiten des Treunehmers in einer (latenten) Untreuekonstellation einem privaten Treugeber gegenüber stehen könnte, da das deutsche Strafrecht – und damit auch das Untreuestrafrecht – keine Verbandsstrafbarkeit kennt; der Staat kann nicht Treunehmer im Sinne des § 266 StGB sein. Im Bereich der Beteiligung Privater an der Treuebeziehung jedoch kommt allenfalls eine mittelbare Drittwirkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als Wirkung objektiver Prinzipien und grundrechtlichen Datenschutzes durch Schutzverpflichtung des Staates in Betracht.542 Für die Privaten streitet der rechtsstaatliche Verteilungsgrundsatz jedoch umgekehrt wie gegenüber dem Staat: Erlaubt ist alles, was nicht gesetzlich ausnahmsweise verboten ist.543 Es findet sich aber de lege lata keine gesetzliche Regelung, die den Schutz von Daten innerhalb einer Treuebeziehung gegenüber dem Treugeber regeln würde. Denn der Treugeber hat einerseits ein ureigenes Interesse an dem Informationsfluss durch Transparenz und andererseits betreffen die Daten auch nur solche, die Vermögensrelevanz hinsichtlich der Treuebeziehung haben; daher ist mit Etablierung der Treuebeziehung eine Einwilligung des insofern einwilligungsbefugten Treugebers in den Informationsfluss existent.
537 538 539 540 541 542 543
Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305. Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305. Siehe unter Kapitel 1, § 2, C. I. 4. f) cc) (3). BVerfGE 128, 226 [244 ff.]. Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305 [2306]. Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305 [2306]. Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305 [2307].
§ 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda
359
§ 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda Als Vorschlag einer lex ferenda ist nun das konkrete Bild einer Prozeduralisierung der Untreue anhand des Transparenzmerkmals vorzutragen. Der Vorschlag steht maßgeblich unter dem Topos eines strukturproblem-internen Ansatzes:544 Eine Prozeduralisierung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung545 der Untreue in beide Richtungen, um viele der im Kapitel 2 vorgetragenen Strukturprobleme des § 266 StGB zu lösen. Andererseits unter dem Topos der Utilität, um eine bessere Untreueprävention realisieren zu können. Zuvor stellt sich die Gretchenfrage, wie man es mit der Wirkrichtung der Prozeduralisierung haben möchte. Das Bekenntnis hierzu lautet, dass eine Prozeduralisierung der Untreue sowohl in strafbefreiender Hinsicht (strukturproblem-interner Lösungsansatz) also auch eine Prozeduralisierung der Untreue in strafbegründender Hinsicht das angestrebte Regelungskonzept darstellt. Dies ist vor allem notwendige Konsequenz der im Kapitel 2 der Arbeit gewonnenen Erkenntnis eines tatsächlichen Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz: Besteht dieser tatsächliche Wirkungszusammenhang zwischen Untreue und Transparenz, so gibt es wenig Argumente gegen eine Nutzung der Utilität des Wirkungszusammenhangs sowohl in strafbefreiender als auch strafbegründender Hinsicht. Die Prämisse des tatsächlichen Wirkungszusammenhangs lässt die Zahl der Fälle, bei denen das so prozedural gefundene Ergebnis vom materialen Ergebnis einer Untreuestrafbarkeit abweicht, als äußerst gering annehmen – bei maximalem Nutzen. Dennoch sei konzediert, dass die Begründung einer Prozeduralisierung in strafbefreiender Hinsicht leichter zu argumentieren ist, da gezielte empirische Forschungen – die den Umfang dieser Arbeit überschreiten würden – zur weiteren Erhärtung des Bestehens eines tatsächlichen Wirkungszusammenhangs zwischen Untreue und Transparenz angezeigt sein werden.
A. In strafbefreiender Hinsicht Die Prozeduralisierung der Untreue sollte de lege ferenda in strafbefreiender Hinsicht anhand des Transparenzmerkmals geschehen. Bei Vorliegen von Transparenz in der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer in Bezug auf einen Sachverhalt, der gemäß § 266 Abs. 1 StGB material de lege lata strafbar wäre, entfiele dadurch die Strafbarkeit gemäß § 266 StGB.
544
Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563 [612 f.]. Zur Terminologie der „Pflichtverletzung“ im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB siehe unter Einführung, § 6, B. 545
360
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Die Strafbefreiung kann sich nur auf die Treubruchsalternative beziehen, § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB, da die inhaltlichen Voraussetzungen an die Transparenz bei der Missbrauchsalternative nicht gewahrt sein können.546
B. In strafbegründender Hinsicht In der Literatur kommen vermehrt547 Stimmen zu der Einsicht, dass die Untreuevorschrift zur Lösung spezifischer Ordnungsprobleme des Zivil- und öffentlichen Rechts grundsätzlich untauglich sei und bestimmte Verhaltensweisen nur durch neue gesetzliche Sondertatbestände der Untreue geahndet werden könnten.548 Zwar stellte die Prozeduralisierung der Untreue in strafbegründender Hinsicht anhand des Transparenzmerkmal keinen Sondertatbestand dar, sondern nur einen unselbständigen Annex zu § 266 StGB, dennoch entspricht diese Lösung auch der Kodifizierung einer präventiven Lenkungsfunktion der Untreue. Eine Prozeduralisierung in strafbegründender Hinsicht sieht so aus, dass bei Nichtvorliegen von Transparenz eine Handlung im Treueverhältnis, die zu einem Vermögensschaden führte, alleine deshalb strafbar wäre, weil keine Transparenz vorliegt, also das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung nicht weiter dargelegt sein muss.
C. Detailfragen I. Bestimmung des Prozeduralisierungsobjekts: Pflichtverletzung Fraglich ist, wie das Ergebnis der Straflosigkeit bzw. der Strafbarkeit bei Vorliegen bzw. bei Nichtvorliegen von Transparenz de lege ferenda prozedural erreicht werden soll. Theoretisch käme jede Stufe des gesetzlichen Tatbestandes – objektiver/ subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld – sowie die Rechtsfolgenseite in Betracht. Bei der Entscheidung sind die strukturellen Auswirkungen im Übrigen zu berücksichtigen. So läge z. B. keine teilnahmefähige Haupttat mehr vor, wenn Transparenz die Tatbestandsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit entfallen ließe, da sowohl die Anstiftung, § 26 StGB, als auch die Beihilfe, § 27 Abs. 1 StGB, eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Haupttat voraussetzen. Auch ist zu klären, welche Auswirkungen auf die Täterschaftsformen vorlägen. Auch die Fragen der Recht546
Siehe unter Kapitel 3, § 7, C. IV. 3. So schon länger: Weber, Überlegungen zur Neugestaltung des Untreuestrafrechts, in: FS Dreher 1977, S. 555 [567]; Lampe/Lenckner/Stree/Tiedemann/Weber, AE-StGB, BT, Straftaten gegen die Wirtschaft, S. 127 ff., 126 f. 548 Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563. 547
§ 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda
361
fertigung, obgleich bei der Untreue praktisch nicht relevant, sind in die Überlegungen einzubeziehen. Eine Anknüpfung auf der Schuldebene im dreistufigen Verbrechenssystem der h.M.549 erscheint von allen Möglichkeiten als die fernliegendste, da sich die Schuldfrage mit persönlicher Vorwerfbarkeit befasst und sich mit den persönlichen Verhältnissen des Täters auseinandersetzt wohingegen prozedurales Strafrecht die Frage der allgemeinen Strafwürdigkeit betrifft.550 Auf Grund der systemtheoretischen Überlegungen kommen auf Tatbestandsebene überhaupt nur zwei Tatbestandsmerkmale des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB als Prozeduralisierungsobjekte in Betracht: die Pflichtverletzung und der Vermögensnachteil. Bei beiden Merkmalen spielen primär wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Bei der Pflichtwidrigkeit auf Grund der limitierten Zivilrechtsakzessorität und beim Vermögensnachteil auf Grund der wirtschaftlichen Vermögensbetrachtung. Weiterhin vorliegen muss ein Treueverhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer im Sinne der für beide Varianten des § 266 Abs. 1 StGB verlangten Vermögensbetreuungspflicht. Dies erhält den Charakter der Untreue als ein Sonderdelikt,551 sodass nur Täter sein kann, wer in einem Treuverhältnis zum Treugeber steht; Außenstehende ohne Vermögensbetreuungspflicht können allenfalls Teilnehmer552 einer Untreue sein.553 Das Treueverhältnis stellt ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB dar.554 Dogmatisch am besten begründen lässt sich die Konstellation, dass bei § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB die Pflichtverletzung das relevante Prozeduralisierungsobjekt darstellen soll.555 Und das sowohl in strafbefreiender als auch strafbegründender Hinsicht. Ein Ausgangspunkt der Überlegungen im Kapitel 2 dieser Arbeit sind die rechtstatsächlichen Probleme im Rahmen des Tatbestandes des § 266 StGB: die der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit. Insofern wird hier der strukturproblem-interne Ansatz am konsequentesten verfolgt. Auch begrifflich liegt beim Nichtgewähren von Transparenz eher eine Pflichtverletzung als ein Vermögensschaden nahe. Auch die Untersuchung der Rechtsprechung zu § 266 StGB offenbarte eine Tendenz, Intransparenz als relevante Pflichtverletzung zu belasten, freilich unter teilweiser Inkonsistenz zu Zurechnungsproblematiken und unter Verzicht auf einen Vermögensbezug der Pflichtverletzung. 549 Zur h.M. und zur Abgrenzung zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, z. B. Eisele, in: S/S-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 12 ff. 550 So auch: Schweiger, Prozedurales Strafrecht, S. 209; Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 261. 551 BGHSt 13, 330. 552 Zur (doppelten) Strafmilderung bei Gehilfen vgl. Fischer-StGB, § 266 Rn. 186. 553 BGHSt 25, 53 f.; BGH, in: StV 1995, 73. 554 St. Rspr., BGH, in: NJW-RR 2008, 6. 555 So auch Francusi, Wirtschaftsstrafrecht, S. 366 ff.
362
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
II. Transparenz bei natürlichen Personen Ist der Treugeber eine natürliche unbeschränkt geschäftsfähige Person, so ist ihr gegenüber die Transparenz herzustellen. Bei nicht unbeschränkt geschäftsfähigen Personen ist gegenüber dem für die Person rechtsgeschäftlich Handenden Transparenz herzustellen. Insofern richtet es sich im Ergebnis nach den Regeln des Einverständnisses bei der Untreue zu einer Handlung des Treunehmers.556 Ein Gleichlauf zwischen „Transparenzempfänger“ und Einverständniserklärungsempfänger ist zu befürworten, da die Figur des Einverständnisses und die Transparenzhandlungen strukturell sehr ähnlich sind und in strafbefreiender Hinsicht die Transparenzherstellung auch als Bedingung eines antizipierten, durch Transparenz bedingten Einverständnisses gedacht werden kann.557 In strafbegründender Hinsicht gibt es keine Argumente, nach denen insofern der Empfänger der Transparenzerklärungen anders beurteilt werden müsste. III. Transparenz bei juristischen Personen Schwieriger ist die Frage, wem in anderen Formen gemeinsamen Wirtschaftens gegenüber Transparenz hergestellt werden muss. Auf Grund der Möglichkeit, die fortlaufende Transparenz bringt, einer in Aussicht stehenden Entscheidung zu widersprechen, muss sich die Bestimmung auch nach praktischen Gesichtspunkten richten. So wäre z. B. der Widerspruch durch eine Gesellschafterversammlung praktisch nur bei langfristigen Entscheidungsprozessen tatsächlich möglich. Im Einzelnen stellt sich die Frage des richtigen Gegenübers von Transparenz bei den Gesamthandsgemeinschaften, Bruchteilsgemeinschaften, juristischen Personen des Privatrechts und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Da hierbei insbesondere die zivilrechtlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Wertungen zu berücksichtigen sind, würde eine detaillierte Auseinandersetzung den Rahmen dieser Arbeit verlassen. Vorerst sei auf die entwickelten Grundsätze zum Einverständnis bei der Untreue verwiesen, vor allem auf die Arbeit Schramms, die sich mit dem Thema „Untreue und Konsens“ auch dezidiert mit den Trägern der Dispositionsbefugnis in Gesellschaften auseinandersetzt.558 IV. Drittwirkung von Transparenz Fraglich ist, inwiefern Transparenz auch prozedurale Drittwirkung entfalten kann. An folgende Konstellation ist hierbei zu denken: Ein Treunehmer trifft Vermögensentscheidungen für einen Treugeber, wobei ein Dritter die Entscheidungsgrundlage dem Treugeber gegenüber transparent macht. Im Sinne der Legitimation 556 557 558
Schramm, Untreue und Konsens, S. 74 bis 80. Siehe unter Kapitel 3, § 6, A. Schramm, Untreue und Konsens, S. 80 bis 173.
§ 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda
363
der lex ferenda kann Dritttransparenz nicht genügen. Vor allem aus präventiven Utilitätserwägungen heraus kommt es gerade darauf an, dass der Entscheidungsträger selbst die Transparenz herstellt – und somit prozedural gezwungen wird, die Entscheidungsgrundlagen zu reflektieren. Auch aus Gründen des mittelbaren Rechtsgüterschutzes durch Transparenz muss gerade der Treunehmer selbst die Transparenz herstellen, um durch den hierdurch mittelbaren Vermögensbezug in den Genuss der prozeduralen Wirkungen kommen zu können. V. Inhaltliche Reichweite der Transparenz Festgelegt werden muss zudem die inhaltliche Qualifikation, die die Transparenz erfüllen muss, um die prozedurale Wirkung in strafbefreiender Hinsicht herbeizuführen. Entscheidend muss hier die relevante Information über die Entscheidungsgrundlagen sein. Damit entspricht die inhaltliche Anforderung an Transparenz einem Tatbestandsmerkmal der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, wo es heißt, dass das Vorstandsmitglied „auf der Grundlage angemessener Information“ handeln muss. 1. Relevante Informationen als Entscheidungsgrundlage Wichtig ist, bei der Definition der inhaltlichen Anforderung an die Transparenz eine offene Formulierung zu wählen, die es erlaubt, auf die Vielzahl unterschiedlicher Treuebeziehungen gleichermaßen angewendet werden zu können. Die Abhängigkeit der Informationsqualität und Quantität von der Entscheidung ermöglicht insofern eine flexible Lösung. Je wichtiger und schwieriger eine Entscheidung zu treffen ist, desto umfangreicher muss die Entscheidungsgrundlage sein, die die Entscheidung tragen kann. Umgekehrt führt damit eine zurückgehaltene Information oder eine unvollständige Entscheidungsgrundlage nicht zu den prozeduralen Wirkungen von Transparenz, sondern gerade zu den Wirkungen von Intransparenz: Sofern der Treunehmer eine relevante Information nicht transparent gemacht hat, macht er sich der Untreue strafbar, sofern ein Vermögensnachteil eintritt. 2. Beurteilungsmöglichkeit der Risiken und Chancen Aus der Entscheidungsgrundlage muss sich eine Folgenabschätzung im Sinne der Bewertung der Risiken und Chancen ergeben können. Nur so ist gewährleistet, dass dem Treunehmer die Tragweite der Entscheidung bewusst gemacht wird. 3. Überprüfung der Entscheidungsgrundlage – „kreative Transparenz“ Eine materiale Überprüfung der Entscheidungsgrundlagen auf ihre Tauglichkeit hin muss in gewissem Maße stattfinden, insbesondere, um Missbrauch zu verhindern. Konkret geht es um das Problem der hier so genannten: „kreativen“ Transparenz”.
364
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
Begrifflich angelehnt ist das Problemfeld der kreativen Transparenz am US-amerikanischen Begriff der creative compliance bzw. des window dressing im Bereich der Compliance. Auch hier geht es darum, die prozedural gewünschten Wirkungen herbeizuführen, wobei eigentlich der Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung nicht erreicht bzw. mehr noch: bewusst umgangen wird. Transparenz darf nicht als Feigenblatt-Handlung zur Erreichung des prozeduralen Ergebnisses der Straflosigkeit missbraucht werden. Ausgeschieden werden muss zunächst der bewusste Missbrauch, etwa wenn die transparente Entscheidungsgrundlage die Entscheidung überhaupt nicht trägt. Weiter muss eine Inhaltskontrolle auch insoweit erfolgen, dass die transparenten Entscheidungsgrundlagen die Entscheidung zumindest irgendwie tragen, das heißt, sie müssen für die Entscheidung angemessen sein. Keinesfalls darf eine zu hoher Maßstab angelegt werden, da andererseits auch nicht über die Hintertüre die Entscheidung einer materialen Prüfung, die gerade vermieden werden soll, unterzogen werden darf. Insofern ist bei der Frage der Angemessenheit als Entscheidungsgrundlage dem Treunehmer ein gewisser Spielraum zuzubilligen. Daher kann sich die Strafbefreiung unter Zugrundelegung der soeben dargelegten inhaltlichen Anforderungen an die Transparenz ausschließlich auf die Treubruchsalternative des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB beziehen. Im Rahmen der Missbrauchsvariante, § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB bestehen gerade klare Grenzen, innerhalb derer nur ein rechtsgeschäftliches Handeln für den Treugeber zulässig sein soll. Hierüber kann man nicht durch Offenlegung der Entscheidungsgrundlage hinweghelfen, da es jenseits der ohnehin schon bestehenden Vorgaben des Treugebers gar keiner weiteren Informationen für eine Entscheidung bedarf.
VI. Vorherige Transparenz vs. nachträgliche Transparenz Zu unterscheiden ist zwischen vorheriger und nachträglicher Transparenz, wobei der zeitliche Bezugspunkt die Handlung im Rahmen des Treueverhältnisses darstellt. Aus präventiven Gesichtspunkten heraus muss im Rahmen der lex ferenda die Frage klar dahingehend beantwortet werden, dass ausschließlich vorherige Transparenz eine strafbarkeitsausschließende Wirkung (in der Form des Entfalls der Pflichtwidrigkeit) entfalten kann, da anderenfalls ein Einschreiten des Treugebers unmöglich wäre. Die Entscheidungsgrundlage muss mithin vor der relevanten Entscheidung komplett transparent gemacht worden sein. Ansonsten liegt ein Fall fehlender Transparenz vor, der eine Pflichtwidrigkeit prozedural begründen kann. Letztlich ist zur vorherigen Transparenz noch zu sagen, dass zwischen der Schaffung von Transparenz und der Vornahme der Handlung ein gewisser zeitlicher Raum eingehalten werden muss, der es dem Treunehmer theoretisch erlaubt, die Informationen zu verarbeiten. Keinesfalls ausreichend wäre daher die Vornahme der Handlung in der nächsten Sekunde nach Schaffung von Transparenz. Im Hinblick auf die präventive Funktion der Prozeduralisierung muss die theoretische Wider-
§ 8 Konkreter Vorschlag einer lex ferenda
365
spruchsmöglichkeit des Treunehmers in Bezug auf bevorstehende Handlung des Treunehmers gewahrt bleiben. VII. Starre gesetzliche Anordnung vs. Entscheidung des Treugebers Die prozeduralen Rechtsfolgen von Transparenz könnten einerseits gesetzlich angeordnet und somit auf alle Fälle einer Vermögensbetreuungspflicht anzuwenden sein. Andererseits ist denkbar, die Entscheidung, ob die prozeduralen Wirkungen von Transparenz eingreifen sollen, dem Treugeber zu überlassen. Letztere Möglichkeit ist aus praktischen Gründen vorzugswürdig: Denn nicht jeder Treugeber möchte die Konsequenzen einer transparent gemachten Entscheidung tragen, der er nicht widersprochen hat. Auch erfordert die Überwachung der transparent gemachten Entscheidungsgrundlagen einen gewissen Verwaltungsaufwand – sofern man eine Überprüfung möchte – den manche Treugeber scheuen könnten. Durch eine privatautonome Entscheidung des Treugebers würde keinem eine faktische Kontrollpflicht der transparenten Informationen aufgedrängt werden. Durch die Überlassung der Entscheidung an den Treugeber, inwiefern er die prozeduralen Wirkungen von Transparenz tragen möchte, kann ein abgestuftes System entstehen, in dem manche Treugeber es gänzlich bei der Wirkung des § 266 StGB de lege lata belassen, einige Treugeber bestimmte Entscheidungen (z. B. bis zu einer gewissen Höhe oder nur in bestimmten Geschäftsbereichen etc.) den prozeduralen Wirkungen unterwerfen und andere Treugeber sämtliche Entscheidungen ihrer Treunehmer der prozeduralen Wirkung von Transparenz unterwerfen. VIII. Eingeschränkte Zurechnung des Vermögensnachteils Indem Transparenz in strafbegründender Hinsicht im Rahmen des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB als prozedurales Entscheidungskriterium für das Vorliegen einer Pflichtverletzung dient, müssen bei der Zurechnung (im weiteren Sinne) des Vermögensnachteils auch andere Kriterien angelegt werden. Klar ist, dass nicht irgendein Vermögensnachteil genügen kann im Sinne kumulativer Voraussetzungen von Intransparenz und Vermögensnachteil. Andererseits können auch nicht die von der h.L. entwickelten Grundsätze zur Zurechnung des Vermögensnachteils zur Pflichtverletzung herangezogen werden, da ansonsten die prozedurale Natur des Entscheidungskriteriums leer liefe. Es ist daher ein Zurechnungszusammenhang (nur) zwischen der Entscheidung, auf die sich die Transparenz bzw. Intransparenz inhaltlich bezieht und dem Vermögensnachteil zu fordern: Es genügt, wenn der Vermögensnachteil im Zurechnungszusammenhang mit der Entscheidung steht, auf die sich die Transparenzpflicht bezieht. Nicht erforderlich ist, dass gerade die Intransparenz der Entscheidung zu
366
Kap. 3: Vorschläge zu einer lex ferenda
einem Nachteil geführt hat – was praktisch nur äußerst selten und ausnahmsweise der Fall wäre.
D. Formulierungsvorschlag Letztlich wird mit einem konkreten Formulierungsvorschlag abgeschlossen, der die soeben besprochenen Detailfragen aufgreift und umsetzt. Die Regelung könnte als § 266 Abs. 1a StGB in den bestehenden § 266 StGB integriert werden. § 266 Abs. 1a StGB: 1
Hat der, dessen Vermögensinteressen betreut werden, durch Rechtsgeschäft bestimmt, dass ihm gegenüber Transparenz zu wahren ist, so handelt der nicht pflichtwidrig, wer zuvor die relevanten Informationen über die Entscheidungsgrundlagen dem offengelegt hat, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat. 2Wer die ihm kraft rechtsgeschäftlicher Bestimmung obliegende Transparenzpflicht verletzt und dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, im Rahmen der Transparenzpflicht Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 9 Zusammenfassung Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung und der Standpunkt des Verfassers in folgenden elf Thesen zusammengefasst. Die Begründung jeweils liefert die vorliegende Arbeit. (1) Zwischen Untreue und Transparenz besteht ein tatsächlicher Wirkungszusammenhang. (2) Tatsächliche Prozeduralisierung bei der Untreue bedeutet der gesetzlich angeordnete Ersatz der Anwendung des regulären Entscheidungsschemas bei der Frage der Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB, gleich auf welches Element der Strafbarkeit genau sich die Prozeduralisierung bezieht. (3) Hypothetische Prozeduralität ist der faktische und ergebnisgleiche, jedoch nicht gesetzlich angeordnete Ersatz der Anwendung des regulären Entscheidungsschemas im Rahmen der Rechtsauslegung und Anwendung bei der Frage der Strafbarkeit. (4) Transparenz hat schon de lege lata als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium Einfluss auf die Untreuestrafbarkeit. (5) Ein Großteil der Kritik an der Rechtsprechung zur Untreue lässt sich systematisieren als eine Kritik einer contra legem erfolgten hypothetischen Prozeduralisierung der Untreue. In den meisten der kritisierten Fallgruppen kann
§ 9 Zusammenfassung
367
Transparenz als hypothetisch prozedurales Entscheidungskriterium identifizieren werden. (6) Es besteht auf Grund der strukturellen Defizite der Untreue die Notwendigkeit einer Prozeduralisierung, insbesondere wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensnachteils, die eine Situation der Rechtsunsicherheit für Treugeber und Treunehmer schaffen. (7) Die besondere Eignung des Transparenzmerkmals als prozedurales Entscheidungskriterium bei der Untreue besteht in der Koppelung von Rechts- und Wirtschaftssystem und der guten Verständlichkeit der Codierung „transparent“/ „intransparent“ in beiden Systemen. (8) Die Entscheidung BVerfGE 126, 170 kann als Prozeduralisierungsauftrag an den Gesetzgeber verstanden werden: Einerseits lässt das Urteil auf Grund der Ausführungen zum verfassungsgerichtlichen Prüfungsumfang eine hypothetisch prozedurale Handhabung durch die strafgerichtliche Rechtsprechung zu; andererseits genügt zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB unter Bestimmtheitsgrundsätzen auch eine solche hypothetische prozedurale Handhabung. (9) Die Prodzeduralisierung der Untreue ist sowohl in strafbefreiender als auch in strafbegründender Hinsicht de lege ferenda notwendig und sinnvoll. (10) Technisch ist im Rahmen der lex ferenda eine Prozeduralisierung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung der Untreue anzuordnen. (11) Die Prozeduralisierung der Untreue führt auch zu einer effektiveren Untreueprävention.
Literaturverzeichnis Abdel, Alim: Abhängigkeit der Zeit- und Registerdurchsichtigkeit von raumakustischen Parametern bei Musikdarbietungen, Dresden, 1973; zit.: „Abdel, Abhängigkeit der Zeitund Registerdurchsichtigkeit von raumakustischen Parametern bei Musikdarbietungen“. Achenbach, Hans: Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht – Gedanken zu einer terminologischen Bereinigung, in: Feltes, Thomas/Pfeiffer, Christian/Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen – Festschrift für Professor Dr. Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag, Heidelberg, 2006, S. 177; zit.: „Achenbach, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Schwind 2006, S. 177“. Ackermann, Jürg-Beat: Geldwäscherei – Money Laundering, Schweizer Schriften zum Bankenrecht, Band 12, Zürich, 1992; zit.: „Ackermann, Geldwäscherei“. Ackmann, Bernd/Reder, Lars: Geldwäscheprävention in Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie (Teil II), in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2009, S. 200; zit.: „Ackmann/Reder, Geldwäscheprävention in Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie, in: WM 2009, 200“. Adick, Markus: Organuntreue (§ 266 StGB) und Business Judgment – die strafrechtliche Bewertung unternehmerischen Handelns unter Berücksichtigung von Verfahrensregeln, Frankfurt a. M. u. a., 2010; zit.: „Adick, Organuntreue und Business Judgment“. Ahrens, Wilfried: Die Einstellung in der Hauptverhandlung gem. Paragraphen 153 II, 153a II StPO – eine empirische Analyse über neue Formen der Bekämpfung der Bagatellkriminalität, Göttingen, 1978; zit.: „Ahrens, Die Einstellung gem. §§ 153 II, 153a II StPO“. Albrecht, Peter-Alexis: In Treue gegen die Untreue – Rainer Hamm und sein steter Versuch, die Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Präzisierung des § 266 StGB anzuhalten –, in: Michalke, Regina/Köberer, Wolfgang/Pauly, Jürgen/Kirsch, Stefan (Hrsg.): Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag am 24. Februar 2008, Berlin, 2008, S. 1; zit.: „Albrecht, In Treue gegen die Untreue, in: FS Hamm 2008, S. 1“. Aldenhoff, Hans-Hermann/Kuhn, Sascha: „266 StGB – Strafrechtliches Risiko bei der Unternehmenssanierung durch Banken?, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2004, S. 103; zit.: „Aldenhoff/Kuhn, § 266 StGB – Strafrechtliches Risiko bei der Unternehmenssanierung, in: ZIP 2004, 103“. Altenhain, Karsten/Hagemeier, Ina/Haimerl, Michael/Stammen, Karl-Heinz: Die Praxis der Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren, Baden-Baden, 2007; zit.: „Altenhain/Hagemeier/Haimerl/Stammen, Die Praxis der Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren“. Amelung, Knut: Besprechung von Winfried Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1975, S. 132; zit.:
Literaturverzeichnis
369
„Amelung, Besprechung von Winfried Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, in: ZStW 1975, 132“. Amelung, Knut: Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft: Untersuchungen zum Inhalt und zum Anwendungsbereich eines Strafrechtsprinzips auf dogmengeschichtlicher Grundlage – zugleich ein Beitrag zur Lehre von der „Sozialschädlichkeit“ des Verbrechens, Göttingen, 1971; zit.: „Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft“. American Law Institute: Model Penal Code and Commentaries, Part II, Philadelphia, 1980; zit.: „ALI, Model Penal Code, Part II“. Anders, Ralf Peter: Untreue zum Nachteil der GmbH – Versuch einer strafunrechtsbegründenden Rekonstruktion der Korporation, Berlin, 2012; zit.: „Anders, Untreue zum Nachteil der GmbH“. Arndt, Adolf: Umwelt und Recht, in: Neue Juristische Wochenschrift 1962, S. 2000; zit.: „Arndt, Umwelt und Recht, in: NJW 1962, 2000“. Arzt, Gunther: Willensmängel bei der Einwilligung, Frankfurt, 1970; zit.: „Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung“. Arzt, Gunther: Zum privaten Festnahmerecht, in: Gössel, Karl Heinz/Kauffmann, Hans (Hrsg.): Strafverfahren im Rechtsstaat – Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag am 18. August 1985, München, 1985, S. 1; zit.: „Arzt, Zum privaten Festnahmerecht, in: FS Kleinknecht 1985, S. 1“. Arzt, Gunther/Weber, Ulrich/Heinrich, Bernd/Hilgendorf, Eric (Hrsg.): Strafrecht Besonderer Teil, Bielefeld, 3. Aufl. 2015; zit.: „Bearbeiter in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT“. Assmann, Heinz-Dieter: Wirtschaftsrecht in der Mixed-Economy – auf der Suche nach einem Sozialmodell für das Wirtschaftsrecht, Königstein, 1980; zit.: „Assmann, Wirtschaftsrecht in der Mixed-Economy“. August, Fürst Herzog zu Sachsen: Des Durchlauchtigsten Fürsten Augusten, Hertzogen zu Sachsen, Verordenungen und Constitutionen des rechtlichen Proces, Dresden, 1584; zit.: „Fürst August Herzog zu Sachsen, Verordenungen und Constitutionen des rechtlichen Proces“. Bannenberg, Britta: Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, Neuwied 2002; zit.: „Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle“. Bannenberg, Britta/Jehle, Jörg-Martin (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität, Mönchengladbach, 2010; zit.: „Bearbeiter, Titel, in: Bannenberg/Jehle, Wirtschaftskriminalität“. Barnes, William: Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: Indiana Law Journal 1999 (Vol. 74), S. 627; zit.: „Barnes, Revenge on Utilitarianism: Renouncing a Comprehensive Economic Theory of Crime and Punishment, in: 74 Ind. L. J. 627 (1999)“. Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen, Ausgabe 1766, übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Alff, Frankfurt a. M., 1998; zit.: „Beccaria, Über Verbrechen und Strafen (Übersetzung Alff 1998)“. Becker, Christian: Das Bundesverfassungsgericht und die Untreue: Weißer Ritter oder feindliche Übernahme? Zum Beschluss des BVerfG vom 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08, in:
370
Literaturverzeichnis
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht 2010, S. 383; zit.: „Becker, Das Bundesverfassungsgericht und die Untreue, in: HRRS 2010, 383“. Becker, Florian: Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, Tübingen, 2005; zit.: „Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung“. Becker, Gary S.: A Theory of Social Interactions, in: Journal of Political Economy 1974 (Vol. 82), S. 1063; zit.: „Becker, A Theory of Social Interactions, in: 82 J. Pol. Econ. 1063 (1974)“. Becker, Gary S.: Crime and Punishment: An Economic Approach, in: Journal of Political Economy 1968 (Vol. 76), S. 169; zit.: „Becker, Crime and Punishment: An Economic Approach, in: 76 JPE 169 (1968)“. Becker, Gary S.: The Economic Approach to Human Behaviour, University of Chicago Press, 1978; zit.: „Becker, The Economic Approach to Human Behavior“. Bemerkungen zum Gefährdungsschaden bei der Untreue, in: Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag (2008), S. 737 – 748; zit.: „Perron, Bemerkungen zum Gefährdungsschaden bei der Untreue, in: FS Tiedemann 2008, 737“. Benson, Michael L./Madensen, Tamara D./Eck, John E.: White-Collar Crime from an Opportunity Perspective, in: Simpson, Sally S./Weisburd, David (Hrsg.): The Criminology of White-Collar Crime, Springer, 2009, S. 175; zit.: „Benson/Madensen/Eck, White-Collar Crime from an Opportunity Perspective, in: Simpson/Weisburd, The Criminology of White-Collar Crime, S. 175“. Berlich, Matthias: Conclusiones practicabiles, Pars V, Leipzig, 3. Aufl. 1628; zit.: „Berlich, Conclusiones practicabiles, Pars V“. Berner, Albert Friedrich: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Leipzig, 1. Aufl. 1857; zit.: „Berner, Lehrbuch des deutschen Strafrechts“. Bernsmann, Klaus: Alles Untreue? Skizzen zu Problemen der Untreue, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 2007, S. 219; zit.: „Bernsmann, Alles Untreue?, in: GA 2007, 219“. Bernsmann, Klaus: Untreue und Korruption – der BGH auf Abwegen?, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 2009, S. 296; zit.: „Bernsmann, Untreue und Korruption, in: GA 2009, 296“. Beukelmann, Stephan: Die Untreue neuer Leseart, in: Neue Juristische Wochenschrift Spezial 2010, S. 568; zit.: „Beukelmann, Die Untreue neuer Lesesart, in: NJW-Spezial 2010, 568“. Beulke, Werner: Wirtschaftslenkung im Zeichen des Untreuetatbestandes, in: Müller, Henning Ernst/Sander, Günther M./Válková, Helena (Hrsg.): Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 70. Geburtstag, München, 2009, S. 245; zit.: „Beulke, Wirtschaftslenkung im Zeichen des Untreuetatbestandes, in: FS Eisenberg 2009, S. 245“. Binder, Jens-Hinrich: „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance: Innerbetriebliche Entscheidungsvorbereitung und Prozessüberwachung als Gegenstände gesellschaftlicher Regulierung – Entwicklungslinien und Perspektiven, in: Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht 2007, S. 745; zit.: „Binder, „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, in: ZGR 2007, 745“.
Literaturverzeichnis
371
Binding, Karl: Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV: Die Fahrlässigkeit, Leipzig, 1919; zit.: „Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV: Die Fahrlässigkeit“. Binding, Karl: Handbuch des Strafrechts, Band 1, Leipzig, 1. Aufl. 1885; zit.: „Binding, Handbuch des Strafrechts, Bd. I“. Binding, Karl: Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, besonderer Teil, Band 1, Leipzig, 2. Aufl. 1902 – 1904; zit.: „Binding, Lehrbuch Strafrecht BT I“. Birkholz, Matthias: Untreuestrafbarkeit als strafrechtlicher „Preis“ der beschränkten Haftung, Berlin, 1998; zit.: „Birkholz, Untreuestrafbarkeit als strafrechtlicher „Preis“ der beschränkten Haftung“. Bittmann, Folker: Dogmatik der Untreue, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2012, S. 57; zit.: „Bittmann, Dogmatik der Untreue, in: NStZ 2012, 57“. Bittmann, Folker: Strafrechtliche Folgen des MoMiG, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2009, S. 113: zit.: „Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, in: NStZ 2009, 113“. Bittmann, Folker/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V.: Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue (§ 266 StGB), in: Corporate Compliance Zeitschrift 2012, S. 144; zit.: „Bittmann/Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung, Thesen zur Bankenkrise und zur Untreue, in: CCZ 2012, 144“. Blickle, Gerhard/Schlegel, Alexander/Fassbender, Pantaleon/Klein, Uwe: Some Personality Correlates of Business White-Collar Crime, in: Applied Psychology 2006 (Vol. 55), S. 220; zit.: „Blickle/Schlegel/Fassbender/Klein, Some Personality Correlates of Business White-Collar Crime, in: 55 Appl. Psychol.-Int. Rev. 220 (2006)“. Boers, Klaus: Wirtschaftskriminologie – Vom Versuch mit einem blinden Fleck umzugehen, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 2001, S. 335; zit.: „Boers, Wirtschaftskriminologie, in: MSchrKrim 2001, 335“. Boos, Karl-Heinz/Fischer, Reinfrid/Schulte-Mattler, Hermann (Hrsg.): Kreditwesengesetz – Kommentar zu KWG und Ausführungsvorschriften, München, 5. Aufl. 2016; zit.: „Bearbeiter in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG“. Böse, Martin: Das Bundesverfassungsgericht „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbestandes, in: Juristische Ausbildung 2011, S. 617; zit.: „Böse, Das BVerfG „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbestandes, in: JURA 2011, 617“. Bossard, Ernst: Die Abwehr von Wirtschaftskriminalität und Vermögensdelikten durch wirtschaftseigene Kontrolle und jährliche Abschlußprüfung, in: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Beiträge über Wirtschaftskriminalität, Frankfurt a. M., 1979, S. 139; zit.: „Bossard, Die Abwehr von Wirtschaftskriminalität und Vermögensdelikten durch wirtschaftseigene Kontrolle, in: BKA, Beiträge über Wirtschaftskriminalität 1979, S. 139“. Böttcher, Lars: Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime-Krise, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2009, S. 1047; zit.: „Böttcher, Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime-Krise, in: NZG, 2009, 1047“. Bottke, Wilfried: Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten Untergebener in Wirtschaftsunternehmen de lege lata, Berlin, 1994; zit.: „Bottke, Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten in Wirtschaftsunternehmen“.
372
Literaturverzeichnis
Brandeis, Louis: Other People’s Money and How the Bankers Use it, Frederick A. Stokes Co., 1934; zit.: „Brandeis, Other People’s Money and How the Bankers Use it“. Bräunig, Alexander: Untreue in der Wirtschaft – eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts, Berlin, 2011; zit.: „Bräunig, Untreue in der Wirtschaft“. Briffault, Richard: The Brennan Center Jorde Symposium on Constitutional Law: Reforming Campaign Finance Reform: A Review of Voting with Dollars, in: California Law Review 2003 (Vo. 91), S. 643; zit.: „Briffault, The Brennan Center Jorde Symposium on Constitutional Law, in: 91 Calif. L. Rev. 643 (2003)“. Brömmelmeyer, Christoph: Neue Regeln für die Binnenhaftung des Vorstandes, in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2005, S. 2065; zit.: „Brömmelmeyer, Neue Regeln für die Binnenhaftung des Vorstandes, in: WM 2005, 2065“. Brüning, Janique/Samson, Erich: Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue gem. § 266 StGB, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2009, S. 1089; zit.: „Brüning/ Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue, in: ZIP 2009, 1089“. Bruns, Hans-Jürgen: Richterliche Rechtsfortbildung oder unzulässige Gesetzesänderung der Strafandrohung für Mord?, in Juristische Rundschau 1981, S. 358; zit.: „Bruns, HansJürgen: Richterliche Rechtsfortbildung oder unzulässige Gesetzesänderung der Strafandrohung für Mord?, in: JR 1981, 358“. Bucy, Pamela H.: „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: Buffalo Criminal Law Review 2004 (Vol. 8), S. 277; zit.: „Bucy, „Carrots and Sticks“: Post-Enron Regulatory Initiatives, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 277 (2004)“. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, in: Rundschreiben 11/2010 vom 15. 12. 2010 – Geschäftszeichen BA 54-FR 2210 – 2010/0003 (online verfügbar unter: www.bafin.de); zit.: „Bafin, MaRisk 2010“. Bundeskriminalamt (Hrsg.): Forschungs- und Entwicklungsbericht 2003 des Kriminalistischen Instituts, online verfügbar unter: http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/fod oku/fodoku2003.pdf; zit.: „BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2003“. Bundeskriminalamt (Hrsg.): Forschungs- und Entwicklungsbericht 2004 des Kriminalistischen Instituts, online verfügbar unter: http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/fodo ku/fodoku2004.pdf; zit.: „BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2004“. Bundeskriminalamt (Hrsg.): Forschungs- und Entwicklungsbericht 2009/2010 des Kriminalistischen Instituts, online verfügbar unter: http://www.bka.de/kriminalwissenschaf ten/ fue_bericht_ki_2009_2010.pdf; zit.: „BKA, Forschungs- und Entwicklungsbericht 2009/ 2010“. Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik 2012 – Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden, 60. Aufl. 2012; zit.: „BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik 2012“. Buschmann, Arno: Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit – die klassischen Gesetze, München, 1998; zit.: „Buschmann, Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit“. Bussmann, Kai-D.: Causes of Economic Crime and the Impact of Values: Business Ethics as a Crime Prevention Measure, paper presented at the Swiss Conference on „Coping with
Literaturverzeichnis
373
Economic Crime“, 2003; zit.: „Bussmann, Causes of Economic Crime and the Impact of Values“. Bussmann, Kai-D.: Der Faktor „Mensch“ im Unternehmen, in: FORUM Wirtschaftsethik 2007, S. 12; zit.: „Bussmann, Der Faktor „Mensch“ im Unternehmen, in: FORUM Wirtschaftsethik 2007, 12“. Bussmann, Kai-D.: Werte schaffen Sicherheit, in: Personalwirtschaft 2004, S. 20; zit.: „Bussmann, Werte schaffen Sicherheit, in: Personalwirtschaft 2004, 20“. Bussmann, Kai-D./England, Peter/Hienzsch, Andre: Risikofaktor Wirtschaft?, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 2004, S. 260; zit.: „Bussmann/England/ Hienzsch, Risikofaktor Wirtschaft?, in: MschrKrim 2004, 260“. Bussmann, Kai-D./Salvenmoser, Steffen: Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2006, S. 203; zit.: „Bussmann/Salvenmoser, Internationale Studie zur Wirtschaftskriminalität, in: NStZ 2006, 203“. Bussmann, Kai-D./Werle, Markus: Addressing Crime in Companies, in: The British Journal of Criminology 2006 (Vol. 46), S. 1128; zit.: „Bussmann/Werle, Addressing Crime in Companies, in: 46 Brit. J. Criminol. 1128 (2006)“. Carpzov, Benedict von: Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium, 1638; zit.: „Carpzov, Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium 1638“. Cassella, Stefan D.: Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: Berkley Journal of International Law 2004 (Vol. 22), S. 98; zit.: „Cassella, Bulk Cash Smuggling and the Globalization of Crime: Overcoming Constitutional Challenges to Forfeiture Under 31 U.S.C. § 5332, in: 22 Berkeley J. Int’l L. 98 (2004)“. Cloward, Richard A./Ohlin, Lloyd E.: Delinquency and opportunity – a theory of delinquent gangs, Routledge & Kegan Paul, 1961; zit.: „Cloward/Ohlin, A Theory of Delinquent Gangs“. Coates IV, John C.: The Goals and Promise of the Sarbanes-Oxley Act, in: Economic Perspectives 2007 (Vol. 21), S 91; zit.: „Coates, The Goals and Promise of the Sarbanes-Oxley Act, in: 21 J. Econ. Persp. 91 (2007)“. Coffee, John C., Jr.: „No Soul to Damn: No Body to Kick“: An Unscandalized Inquiry into the Problem of Corporate Punishment, in: Michigan Law Review, S. 386; zit.: „Coffee, „No Soul to Damn: No Body to Kick“: An Unscandalized Inquiry into the Problem of Corporate Punishment, in: 79 Mich. L. Rev. 386 (1980)“. Cohen, Lawrence E./Felson, Marcus: Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach, in: American Sociological Review 1979 (Vol. 44); zit.: „Cohen/Felson, Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach, in: 44 Am. Sociol. Rev. 588 (1979)“. Coleman, James W., Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime, in: The American Journal of White-Collar Crime 1987 (Vol. 93); zit.: „Coleman, Toward an Integrated Theory of White-Collar Crime, in: 93 Am. J. Sociol. 406 (1987)“. Cornish, Derek B./Clarke, Ronald V.: The Reasoning Criminal – Rational Choice Perspectives on Offending, Springer-Verlag, 1986; zit.: „Cornish/Clarke, The Reasoning Criminal“.
374
Literaturverzeichnis
Corsten, Johannes: Pflichtverletzung und Vermögensnachteil bei der Untreue, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2010, S. 206; zit.: „Corsten, Pflichtverletzung und Vermögensnachteil bei der Untreue, in: wistra 2010, 206“. Cramer, Peter: Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, Bad Homburg, 1968; zit.: „Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht“. Cullen, Francis T./Maakestad, William J./Cavender, Gray/Benson, Michael L.: Corporate Crime under Attack – 2nd Edition: The Fight to Criminalize Business Violence, Anderson, 2006; zit.: „Cullen/Maakestad/Cavender/Benson, Corporate Crime under Attack“. Dahs, Hans: § 266 StGB – allzuoft missverstanden, in: Neue Juristische Wochenschrift 2002, S. 272; zit.: „Dahs, § 266 StGB – allzuoft missverstanden, in: NJW 2002, 272“. Dau-Schmidt, Kenneth G.: An Economic Analysis of the Criminal Law as a PreferenceShaping Policy, in: Duke Law Journal 1990, S. 1; zit.: „Dau-Schmidt, An Economic Analysis of the Criminal Law as a Preference-Shaping Policy, in: Duke L. J. 1 (1990)“. Die Bibel, Einheitsübersetzung – Altes und Neues Testament, Stuttgart, 1980; Zit.: „Die Bibel, Einheitsübersetzung“. Dierlamm, Alfred: Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1997, 534; zit.: „Dierlamm, Untreue – ein Auffangtatbestand?, in: NStZ 1997, 534“. Dierlamm, Alfred: Neue Entwicklungen bei der Untreue – Loslösung des Tatbestandes von zivilrechtlichen Kategorien?, in: Strafverteidiger-Forum 2005, S. 398; zit.: „Dierlamm, Untreue – Loslösung des Tatbestandes von zivilrechtlichen Kategorien, in: StrFo 2005, 398“. Dieterich, Eugen: Die Untreue de lege lata und de lege ferenda unter besonderer Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Bevollmächtigtenuntreue des § 266, Abs. 1, Ziffer 2 StGB, Tübingen, 1933; zit.: „Dieterich, Die Untreue de lege lata und de lege ferenda“. Dittrich, Elisabeth: Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Festsetzung überhöhter Vorstandsvergütungen: zugleich ein Beitrag zur rechtlichen Behandlung von Vorstandsvergütungen in deutschen Aktiengesellschaften, Tübingen, 2006; zit.: „Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern“. Dölling, Dieter (Hrsg.): Handbuch der Korruptionsprävention. Für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung, München, 2007; zit.: „Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention“. Doster, Werner: Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue, in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2001, S. 333; zit.: „Doster, Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue, in: WM 2001, 333“. Draheim, Otto: Untreue und Unterschlagung, Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 39, Breslau, 1901; zit.: „Draheim, Untreue und Unterschlagung“. Dreher, Meinrad/Thomas, Stefan: Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2009, S. 31; zit.: „Dreher/Thomas, Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008, in: ZGR 2009, 31“.
Literaturverzeichnis
375
Dreier, Ralf: Der Begriff des Rechts, in: Neue Juristische Wochenschrift 1986, S. 890; zit.: „Dreier, Der Begriff des Rechts, in: NJW 1986, 890“. Dressler, Joshua/Strong, Frank R.: Understanding Criminal Law, LexisNexis, 4. Aufl. 2005; zit.: „Dressler, Understanding Criminal Law“. Dunkel, Wolfgang: Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“ im Rahmen des Mißbrauchstatbestandes der Untreue (§ 266 I, 1. Alternative StGB), Bochum, 1976; zit.: „Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“. Eckhardt, Karl August: Sachsenspiegel – Land- und Lehnrecht, erschienen in: Monumenta Germaniae Historica – fontes iuris Germanici antiqui, Hannover, 1933; zit.: „Eckhardt, Sachsenspiegel – Land- und Lehnrecht“. Edelhertz, Herbert: The Nature, Impact, and Prosecution of White-Collar crime, National Institute of Law Enforcement and Criminal Justice, 1970; zit.: „Edelhertz, The Nature, Impact, and Prosecution of White-Collar crime“. Eicker, Andreas: Die Prozeduralisierung des Strafrechts: Zur Entstehung, Bedeutung und Zukunft eines Paradigmenwechsels, Bern, 2010; zit.: „Eicker, Prozeduralisierung des Strafrechts“. Eisenhardt, Ulrich: Zum Problem der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaft und GmbH gegenüber der Gesellschaft, in: Jura 1982, S. 289; zit.: „Eisenhardt, Haftung der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaft und GmbH, in: Jura 1982, 289“. Engelhart, Marc: Reform der Compliance-Regelungen der United States Sentencing Gudielines, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2011, S. 126; zit.: „Engelhart, Reform der Compliance-Regelungen der United States Sentencing Guidelines, in: NZG 2011, 126“. Engisch, Karl: Die Einheit der Rechtsordnung, Heidelberg, 1935; zit.: „Engisch, Einheit der Rechtsordnung“. Engisch, Karl/Würtenberger, Thomas: Einführung in das juristische Denken, Stuttgart, 12. Aufl. 2018; zit.: „Engisch/Würtenberger, Einführung in das juristische Denken“. Erb, Volker/Esser, Robert/Franke, Ulrich/Graalmann-Scheerer, Kirsten/Hilger, Hans/Ignor, Alexander: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Berlin, 26. Aufl. 2010; zit.: „Bearbeiter in: Löwe-Rosenberg-StPO“. Eser, Albin: Rechtsgut und Opfer: zur Überhöhung des einen auf Kosten des anderen, in: Immenga, Ulrich (Hrsg.): Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker zum siebzigsten Geburtstag, Baden-Baden, 1996, S. 1005; zit.: „Eser, Rechtsgut und Opfer, in: FS Mestmäcker 1996, S. 1005“. Eser, Albin: Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren: eine Problemskizze, in: Albrecht, Peter-Alexis (Hrsg.): Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, BadenBaden, 2000, S. 43; zit.: „Eser, Sanktionierung und Rechtfertigung durch Verfahren, in: Albrecht (Hrsg.), Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, S. 43“. Eser, Albin: Schwangerschaftsabbruch, in: ZRP 1991, 291; zit.: „Eser, Schwangerschaftsabbruch, in: ZRP 1991, 291“.
376
Literaturverzeichnis
Esser, Hartmut: Soziologie – Spezielle Grundlagen, Band 6, Sinn und Kultur, Frankfurt a.M., 2002; zit.: „Esser, Soziologie – Spezielle Grundlagen, Bd. VI“. Fabricius, Dirk: Strafbarkeit der Untreue im Öffentlichen Dienst, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1993, S. 414; zit.: „Fabricius, Strafbarkeit der Untreue im Öffentlichen Dienst, in: NStZ 1993, 414“. Ferreiro, Alejandro: Corruption, Transparency and Political Financing: Some Reflexions on the Experience in Chile, in: Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas 2004 (Vol. 10), S. 345; zit.: „Ferreiro, Corruption, Transparency and Political Financing, in: 10 Sw. J. L. & Trade Am. 345 (2004)“. Feuerbach, Paul Anselm Ritter von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Gießen, 11. Aufl. 1832; Aufl. zwölf bis 14 erschienen post mortem Feuerbachs; zit.: „Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832“. Feuerbach, Paul Anselm Ritter von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Gießen, 1. Aufl. 1801; Aufl. zwölf bis 14 erschienen post mortem Feuerbachs; zit.: „Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 1. Aufl. 1801“. Feuerbach, Paul Anselm Ritter von/Mittermaier, Carl Joseph Anton (Hrsg.): Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Gießen, 14. Aufl. 1847; Aufl. zwölf bis 14 erschienen post mortem Feuerbachs); zit.: „Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 14. Aufl. 1847“. Fezer, Gerhard: Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law und am property rights approach, in: Juristen Zeitschrift 1986, S. 817; zit.: „Fezer, Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law und am property rights approach, in: JZ 1986, 817“. Fezer, Gerhard: Inquisitionsprozess ohne Ende? – Zur Struktur des neuen Verständigungsgesetzes, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2010, S. 177; zit.: „Fezer, Inquisitionsprozess ohne Ende?, in: NStZ 2010, 177“. Fezer, Gerhard: Nochmals: Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts, in: Juristen Zeitschrift 1988, S. 223; zit.: „Fezer, Nochmals: Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts, in: JZ 1988, 223“. Financial Action Task Force on Money Laundering (Hrsg.): Misuse of corporate vehicles, including trusts and company service providers, online verfügbar unter: http://www.fatfgafi.org; zit.: „FATF, Misuse of corporate vehicles, including trusts and company service providers“. Financial Action Task Force on Money Laundering (Hrsg.): Report on Money Laundering Typologies 2001 – 2002, online verfügbar unter: http://www.fatf-gafi.org; zit.: „FATF, Typologies Report 2001 – 2002“. Financial Action Task Force on Money Laundering (Hrsg.): Report on Money Laundering Typologies 1995 – 1996, online verfügbar unter: http://www.fatf-gafi.org; zit.: „FATF, Typologies Report 1995 – 1996“.
Literaturverzeichnis
377
Financial Action Task Force on Money Laundering (Hrsg.): Report on Money Laundering Typologies 1998 – 1999, online verfügbar unter: http://www.fatf-gafi.org; zit.: „FATF, Typologies Report 1998 – 1999“. Findeisen, Michael: „Underground-Banking“ in Deutschland – Schnittstellen zwischen illegalen „Remittance Services“ i.S.v. § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG und dem legalen Bankgeschäft, in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2000, S. 2125; zit.: „Findeisen, „Underground-Banking“ in Deutschland, in: WM 2000, 2125“. Findeisen, Michael: Der Präventionsgedanke im Geldwäschegesetz, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1997, S. 121; zit.: „Findeisen, Der Präventionsgedanke im Geldwäschegesetz, in: wistra 1997, 121“. Fischer, Thomas: Der Gefährdungsschaden bei § 266 in der Rechtsprechung des BGH, in: Strafverteidiger Forum 2008, S. 269; zit.: „Fischer, Der Gefährdungsschaden bei § 266 in der Rechtsprechung, in: StraFo 2008, 269“. Fischer, Thomas: Prognosen, Schäden, Schwarze Kassen – Aktuelle Diskussionen im Untreue- und Betrugsstrafrecht, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Sonderheft für Klaus Miebach, 2009, S. 8; zit.: „Fischer, Prognosen, Schäden, Schwarze Kassen, in: NStZSonderheft für Miebach, 2009, 8“. Fischer, Thomas: Strafbarer Gefährdungsschaden oder strafloser Untreueversuch – Zur Bestimmtheit der Untreue-Rechtsprechung, in: Strafverteidiger 2010, S. 95; zit.: „Fischer, Strafbarer Gefährdungsschaden oder strafloser Untreueversuch, in: StV 2010, 95“. Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, München, 66. Aufl. 2019; zit.: „Fischer-StGB“. Fleischer, Holger: Die „Business Judgement Rule“: Vom Richterrecht zur Kodifizierung, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2004, S. 685; zit.: „Fleischer, Die „Business Judgement Rule“, in: ZIP 2004, 685“. Fleischer, Holger: Konzernuntreue zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht: Das Bremer Vulkan-Urteil, in: Neue Juristische Wochenschrift 2004, S. 2867; zit.: „Fleischer, Konzernuntreue zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht, in: NJW 2004, 2867“. Francusi, Ramona: Prozeduralisierung im Wirtschaftsstraftrecht, Baden-Baden, 2014; zit.: „Francusi, Wirtschaftsstrafrecht“. Frisch, Stefan: Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08, in: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 2010, S. 657; zit.: „Frisch, Anm. zum Beschl. d. BVerfG v. 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08“. Frisch, Wolfgang: An den Grenzen des Strafrechts, in: Küper, Wilfried/Welp, Jürgen (Hrsg.): Beiträge zur Rechtswissenschaft – Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, Heidelberg, 1993. S. 69; zit.: „Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: FS Stree/Wessels, S. 69“. Frister, Helmut: Schuldprinzip, Verbot der Verdachtsstrafe und Unschuldsvermutung als materielle Grundprinzipien des Strafrechts, Berlin, 1988; zit.: „Frister, Schuldprinzip“. Frister, Helmut/Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum StPO, Köln, 5. Aufl. 2015; zit.: „Bearbeiter, in: SK-StPO“.
378
Literaturverzeichnis
Gallandi, Volker : Die Untreue von Bankverantwortlichen im Kreditgeschäft – Tendenzen zur Haftung und (Ent-)Kriminalisierung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2001, S. 281; zit.: „Gallandi, Die Untreue von Bankverantwortlichen im Kreditgeschäft, in: wistra 2001, 281“. Garner, Bryan A./Black, Henry Campbell: Black’s Law Dictionary, Thomson Reuters, 10. Aufl. 2014; zit.: „Black’s Law Dictionary“. Geerds, Detlev: Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, Bayreuth, 1990; zit.: „Geerds, D., Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz“. Geerds, Friedrich: Einwilligung und Einverständnis des Verletzten, Kiel, 1953; zit.: „Geerds, Einwilligung und Einverständnis“. Geerds, Friedrich: Einwilligung und Einverständnis des Verletzten im Strafrecht, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 1954, S. 262; zit.: „Geerds, Einwilligung und Einverständnis, in: GA 1954, 262“. Gehrmann, Philipp/Lammers, Lutz: Kommunale Zinsswapgeschäfte und strafrechtliches Risiko, in: Kommunaljurist 2011, S. 41; zit.: „Gehrmann/Lammers, Kommunale Zinsswapgeschäfte und strafrechtliches Risiko, in: KommJur 2011, 41“. Geib, Karl Gustav: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Leipzig, 1861; zit.: „Geib, Lehrbuch des deutschen Strafrechts“. Geis, Gilbert A.: On White-Collar-Crime, Lexington, 1982; zit.: „Geis, On White-CollarCrime“. Geßler, Ernst: Aktiengesetz – Kommentar, Band 1 – 6, München, 1973 – 1994; zit.: „Bearbeiter in: Geßler-AktG“. Globig, Hans Ernst von/Huster, Johann Georg: Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung, eine von der ökonomischen Gesellschaft zu Bern 1782 gekrönten Preisschrift, Zürich, 1783 (hier: Nachdruck, Frankfurt a. M., 1969); zit.: „Globig/Huster, Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung“. Globig, Hans Ernst von/Huster, Johann Georg: Vier Zugaben zu der im Jahre 1782 von der ökonomischen Gesellschaft zu Bern gekrönten Schrift: von der Criminalgesetzgebung, Altenburg, 1785; zit.: „Globig/Huster, Vier Zugaben zu der im Jahre 1782 von der ökonomischen Gesellschaft zu Bern gekrönten Schrift: von der Criminalgesetzgebung“. Gmelin, Christian Gottlieb: Grundsätze der Gesetzgebung über Verbrechen und Strafen, Tübingen, 1785; zit.: „Gmelin, Grundsätze der Gesetzgebung über Verbrechen und Strafen“. Gobler, Justus: Interpretationem constitutionis criminalis carolinae ex unica, quae exstatedit. Basel, 1543, Heidelberg, 1837; zit.: „Gobler, Interpretationem constitutionis criminalis carolinae“. Godfrey, Cullen M. „Mike“: In re The Walt Disney Company Derivative Litigation – A new standard for corporate minutes, in: Business Law Today 2008 (Vol. 17), S. 47; zit.: „Godfrey, In re The Walt Disney Company, in: 17 Bus. L. Today 47 (2008)“. Goette, Wulf/Habersack, Mathias/Kalss, Susanne (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 2, München, 5. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter in: MüKo-AktG, Bd. II“.
Literaturverzeichnis
379
Goette, Wulf: Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der objektiven Pflichtwidrigkeit bei der Organhaftung in: ZGR 1995, 648; zit.: „Goette, Darlegungs- und Beweislast, in: ZGR 1995, 648“. Göppinger, Hans: Kriminologie, München, 6. Aufl. 2008; zit.: „Göppinger, Kriminologie“. Graeff, Peter/Schröder, Karenina/Wolf, Sebastian (Hrsg.): Der Korruptionsfall Siemens – Analysen und praxisnahe Folgerungen des wissenschaftlichen Arbeitskreises von Transparency International Deutschland, Baden-Baden, 2009; zit.: „Bearbeiter, in: Der Korruptionsfall Siemens“. Graumann, Matthias/Grundei, Jens/Linderhaus, Holger: Ausübung des Geschäftsleiterermessens bei riskanten Entscheidungen – Die Business Judgment Rule als Beitrag zu guter Corporate Governance, in: Zeitschrift für Corporate Governance 2009 S. 20; zit.: „Graumann/Grundei/Linderhaus, Ausübung des Geschäftsleiterermessens bei riskanten Entscheidungen, in: ZCG 2009, 20“. Green, Stuart P.: The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: Buffalo Criminal Law Review 2004 (Vol. 8), S. 1; zit.: „Green, The Concept of White Collar Crime in Law and Legal Theory, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 1 (2004)“. Green, Stuart P.: Why It’s a Crime to Tear the Tag Off a Mattress: Overcriminalization and the Moral Content of Regulatory Offenses, in: Emory Law Journal 1997 (Vol. 46), S. 1533; zit.: „Green, Why It’s a Crime to Tear the Tag Off a Mattress, in: 46 Emory L. J. 1533 (1997)“. Grundei, Jens/Werder, Axel von: Die Angemessenheit der Informationsgrundlage als Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule – Anforderungen an die Fundierung strategischer Entscheidungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Die Aktiengesellschaft 2005, S. 825; zit.: „Grundei/v. Werder, Die Angemessenheit der Informationsgrundlage als Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule, in: AG 2005, 825“. Grünhut, Max: Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, in: Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag, 16. August 1930 (Neudruck der Ausgabe Tübingen, 1930), Aalen, 1969, Band 2, S. 1; zit.: „Grünhut, Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, in: FG von Frank 1969, Bd. I, S. 1“. Guckelberger, Anette: Informatisierung der Verwaltung und Zugang zu Verwaltungsinformationen, in: Verwaltungsarchiv 97 (2006), S. 62; zit.: „Guckelberger, Informatisierung der Verwaltung und Zugang zu Verwaltungsinformationen, in: VerwArch 96 (2006), 62“. Günther, Hans-Ludwig: Lebenslang für „heimtückischen Mord“? – Das Mordmerkmal „Heimtücke“ nach dem Beschluß des Großen Senats für Strafsachen, in: Neue Juristische Wochenschrift 1982, S. 353; zit.: „Günther, Lebenslang für „heimtückischen Mord“?, in: NJW 1982, 353“. Gurlit, Elke: Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht – ein Rechtsvergleich Bundesrepublik Deutschland – USA, Düsseldorf, 1989; zit.: „Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht“. Haas, Günter: Die Untreue (§ 266 StGB) – Vorschläge de lege ferenda und geltendes Recht, Berlin, 1997; zit.: „Haas, Die Untreue“.
380
Literaturverzeichnis
Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung – Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M., 1988; zit.: „Habermas, Faktizität und Geltung“. Habersack, Mathias/Mülbert, Peter O./Schlitt, Michael (Hrsg.): Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Köln, 4. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt“. Habetha, Joachim W.: Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung – ein deutsch-englischer Rechtsvergleich vor dem Hintergrund des Binnenmarktes für Versicherungsleistungen, Heidelberg, 1995; zit.: „Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung“. Hafner, Wolfgang: Im Schatten der Derivate: Das schmutzige Geschäft der Finanzelite mit der Geldwäsche, Frankfurt a. M., 2002; zit.: „Hafner, Im Schatten der Derivate“. Haft, Fritjof: Juristische Lernschule – Anleitung zum strukturierten Jurastudium, München, 2010; zit.: „Haft, Juristische Lernschule“. Haft, Fritjof: Strafrecht, Allgemeiner Teil – eine Einführung für Anfangssemester, München, 9. Aufl. 2004; zit.: „Haft, Strafrecht AT“. Haft, Fritjof: Strafrecht, Besonderer Teil – die wichtigsten Tatbestände des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches, München, 9. Aufl. 2009; zit.: „Haft, Strafrecht BT“. Hahn, Carl: Die gesammten Materialien zur Strafprozessordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 1. Februar 1877/Auf Veranlassung des Kaiserlichen ReichsJustizamts, Berlin, 1880 – 1881, Band I; zit.: „Hahn, Die gesammten Materialien zur Strafprozessordnung und dem Einführungsgesetz, Bd. I“. Hale, Thomas N./Slaughter, Anne-Marie: Transparency: Possibilities and Limitations, in: The Fletcher Forum of World Affairs 2006 (Vol. 30), S. 153; zit.: „Hale/Slaughter, Transparency: Possibilities and Limitations, in: 30 Fletcher F. World Aff. 153 (2006). Hälschner, Hugo: Das Preußische Strafrecht, Band III: System des preußischen Strafrechts – Die Verbrechen gegen das Recht der Privatperson, Bonn, 1868; zit.: „Hälschner, System des preußischen Strafrechts – Die Verbrechen gegen das Recht der Privatperson“. Hamm, Rainer: Kann der Verstoß gegen Treu und Glauben strafbar sein?, in: Neue Juristische Wochenschrift 2005, S. 1993; zit.: „Hamm, Kann der Verstoß gegen Treu und Glauben strafbar sein?, in: NJW 2005, 1993“. Hamm, Rainer: Urteil oder Vergleich? – § 257c StPO und die Wahrheitssuche, in: Degener, Wilhelm (Hrsg.): Festschrift für Friedrich Dencker zum 70. Geburtstag, Tübingen, 2012, S. 147; zit.: „Hamm, Urteil oder Vergleich? – § 257c StPO und die Wahrheitssuche, in: FS Dencker 2012, S. 147“. Hanft, Christian: Strafrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Einmann-GmbH – Für und Wider eines Schutzes zivilrechtlich formalisierter Rechtspositionen durch das Strafrecht, Baden-Baden, 2006; zit.: „Hanft, Einmann-GmbH“. Hannich, Rolf (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, München, 8. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: Karlsruher Kommentar-StPO“.
Literaturverzeichnis
381
Hassemer, Winfried: Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, in: Schünemann, Bernd (Hrsg.): Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, Berlin 2001, S. 1001; zit.: „Hassemer, Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, in: FS Roxin 2001, S. 1001“. Hassemer, Winfried: Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169; zit.: „Hassemer, Die Basis des Wirtschaftsstrafrechts, in: wistra 2009, 169“. Hassemer, Winfried: Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, München, 2. Aufl. 1990; zit.: „Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts“. Hassemer, Winfried: Erscheinungsformen des modernen Rechts, Frankfurt a. M., 1. Aufl. 2007; zit.: „Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts“. Hassemer, Winfried: Grundlinien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, in: KritV 1990, 260; zit. „Hassemer, Grundlinien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, in: KritV 1990, 260“. Hassemer, Winfried: Informelle Programme im Strafprozess, in: Strafverteidiger 1982, S. 377; zit. „Hassemer, Informelle Programme im Strafprozess, in: StV 1982, 377“. Hassemer, Winfried: Prozedurale Rechtfertigungen in: Däubler-Gmelin, Herta (Hrsg.): Gegenrede: Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit; Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, Baden-Baden, 1974, S. 731; zit.: „Hassemer, Prozedurale Rechtfertigungen, in: Gegenrede, FS Mahrenholz 1974, S. 731“. Hassemer, Winfried: Strafen im Rechtsstaat, Baden-Baden, 1999; zit.: „Hassemer, Strafen im Rechtsstaat“. Hassemer, Winfried: Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1989, S. 553; zit.: „Hassemer, Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, in: NStZ 1989, 553“. Hassemer, Winfried: Theorie und Soziologie des Verbrechens – Ansätze zu einer praxisorientierten Rechtsgutslehre, Frankfurt a. M., 1973; zit.: „Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens“. Hauck, Pierre: Betrug und Untreue als konkrete Gefährdungsdelikte de lege lata und de lege ferenda, in: Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 2011, S. 919; zit.: „Hauck, Betrug und Untreue als konkrete Gefährdungsdelikte, in: ZIS 2011, 919“. Hauschka, Christoph E. (Hrsg.): Corporate Compliance – Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, München, 3. Aufl. 2016; zit.: „Bearbeiter, in: Hauschka, Corporate Compliance“. Hayman, Russell: A General Counsel’s Guide to Avoiding „Obstruction of Justice“ Liability, in: Mondaq USA Business Briefing, 9. 6. 2004; zit.: „Hayman, A General Counsel’s Guide to Avoiding „Obstruction of Justice“ Liability, in: Mondaq Bus. Briefing, 9. 6. 2004“. Hefendehl, Roland: Enron, WorldCom, and the Consequences: Business Criminal Law Between Doctrinal Requirements and the Hopes of Crime Policy, in: Buffalo Criminal Law Review 2004 (Vol. 8), S. 51; zit.: „Hefendehl, Enron, WorldCom, and the Consequences, in: 8 Buff. Crim. L. Rev. 51“. Hefendehl, Roland: Neutralisationstechniken bis in die Unternehmensspitze – Eine Fallstudie am Beispiel Ackermann, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform
382
Literaturverzeichnis
2005, S. 444; zit.: „Hefendehl, Neutralisationstechniken bis in die Unternehmensspitze, in: MSchrKrim 2005, 444“. Hefendehl, Roland/Hohmann, Olaf (Hrsg.): Münchener Kommentar zum StGB, München, 3. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: MüKo-StGB“. Heinrich, Bernd: Handlung und Erfolg bei Distanzdelikten, in: Heinrich, Bernd (Hrsg.): Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag, 18. September 2004, Bielefeld, 2004, S. 91; zit.: „Heinrich, Handlung und Erfolg bei Distanzdelikten, in: FS Weber 2004, S. 91“. Helland/Tabarrok, Does Three Strikes Deter?, in: 42 J. Hum. Resour. 309 (2007) Helmrich, Jan: „Cross-Border-Leasinggeschäfte“. – ein Fall strafbarer Untreue (§ 266 StGB)?, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2006, S. 326; zit.: „Helmrich, Cross-Border-Leasinggeschäfte – ein Fall strafbarer Untreue?, in: wistra 2006, 326“. Helmrich, Jan: Zur Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen in Unternehmen am Beispiel der AG, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2011, S. 1252; zit.: „Helmrich, Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen, in: NZG 2011, 1252“. Hertel, Florian: „Deal“ gleich „Bargain“? Verständigungen im deutschen und angelsächsischen Strafverfahren, in: Zeitschrift für das Juristische Studium 2010, S. 198; zit.: „Hertel, Verständigungen im deutschen und angelsächsischen Strafverfahren, in: ZJS 2010, 198“. Herzberg, Dietrich Rolf: Vorsatz und erlaubtes Risiko – insbesondere bei der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB), in: Juristische Rundschau 1986, S. 6; zit.: „Herzberg, Vorsatz und erlaubtes Risiko, in: JR 1986, 6“. Herzog, Felix (Hrsg.): Geldwäschegesetz (GwG) – Kommentar, München, 3. Auflage 2018, zit.: „Bearbeiter, in: Herzog-GwG“. Herzog, Felix/Mühlhausen, Dieter (Hrsg.): Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung – Handbuch der straf- und wirtschaftsrechtlichen Regelungen, München, 1. Aufl. 2006; zit.: „Herzog/Mülhausen/Vogt, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung“. Herzog, Roman/Scholz, Rupert/Herdegen, Matthias et al. (Hrsg.): Maunz/Dürig Grundgesetz-Kommentar, Stand: 76. Lieferung Dezember 2015; zit.: „Bearbeiter, in: Maunz/ Dürig/Herzog-GG“. Hess, David/McWhorter, Robert S./Fort, Timothy L.: The 2004 Amendments to the Federal Sentencing Guidelines and Their Implicit Call for a Symbiotic Integration of Business Ethics, in: Fordham Journal of Corporate & Financial Law 2006 (Vol. 11) S. 725; zit.: „Hess/McWhorter/Fort, The 2004 Amendments to the Federal Sentencing Guidelines, in: 11 FJCFL 725 (2006)“. Hillenkamp, Thomas: Möglichkeiten der Erweiterung des Instituts der tätigen Reue, in: Schöch, Heinz (Hrsg.): Wiedergutmachung und Strafrecht – Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Friedrich Schaffstein, München, 1987, S. 81; zit.: Hillenkamp, Möglichkeiten der Erweiterung des Instituts der tätigen Reue, in: Schöch, Wiedergutmachung und Strafrecht, S. 81“. Hillenkamp, Thomas: Risikogeschäft und Untreue, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1981, S. 161; zit.: „Hillenkamp, Risikogeschäft und Untreue, in: NStZ 1981, 161“.
Literaturverzeichnis
383
Hoffmann-Becking, Michael: Vorstandsvergütung nach Mannesmann, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2006, 127; zit.: „Hoffmann-Becking, Vorstandsvergütung nach Mannesmann, in: NZG 2006, 127“. Holder, Eric Himpton Jr.: Memorandum to all Component Heads and United States Attorneys from the Deputy Attorney General on bringing criminal charges against corporations, Office of the Attorney General, 1999; zit: „Holder, Memorandum to all Component Heads and United States Attorneys on bringing criminal charges against corporations, 1999“. Hölters, Wolfgang: Aktiengesetz – Kommentar, München, 3. Aufl. 2017; zit.: „Bearbeiter, in: Hölters-AktG“. Hommel, Karl Ferdinand: Philosophische Gedanken über das Strafrecht, Breslau, 1782; zit.: „Hommel, Philosophische Gedanken über das Strafrecht“. Hopt, Klaus J./Kumpman, Christoph/Merkt, Hanno/Roth, Markus: Handelsgesetzbuch – mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), München, 38. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Baumbach/Hopt-HGB“. Hopt, Klaus J./Wiedemann, Herbert (Hrsg.): Aktiengesetz – Großkommentar, Berlin/New York, 5. Aufl. 2015; zit.: „Bearbeiter, in: AktG-Großkommentar-Jahr“. Höreth, Ulrike: Die Bekämpfung der Geldwäsche – unter Berücksichtigung einschlägiger ausländischer Vorschriften und Erfahrungen, Tübingen, 1996, zit.: „Höreth, Die Bekämpfung der Geldwäsche“. Hruschka, Joachim: Die Goldene Regel in der Aufklärung – die Geschichte einer Idee, in: Byrd, B. Sharon: Zur Entwicklungsgeschichte moralischer Grund-Sätze in der Philosophie der Aufklärung = thedevelopementofmoralfirstprinciples in thephilosophyoftheenlightenment (Jahrbuch für Recht und Ethik 2004,Band 12), S. 157; zit.: „Hruschka, Die Goldene Regel in der Aufklärung, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2004, Bd. 12, S. 157“. Hruschka, Joachim: Die Konkurrenz von Goldener Regel und Prinzip der Verallgemeinerung in der juristischen Diskussion des 17./18. Jahrhunderts als geschichtliche Wurzel von Kants kategorischem Imperativ, in: JZ 1987, 941; zit.: „Hruschka, Goldene Regel, in: JZ 1987, 941“. Huber, Thomas: Systemtheorie des Rechts – Die Rechtstheorie Niklas Luhmanns, BadenBaden, 2007; zit.: „Huber, Systemtheorie des Rechts“. Hüffer, Uwe: Aktiengesetz, München, 13. Aufl. 2018; zit.: „Hüffer-AktG“. Hug, Daniel: Die Hemmschwelle liegt tiefer, in: Neue Zürcher Zeitung vom 16. 11. 2003; zit.: „Hug, Die Hemmschwelle liegt tiefer, in: NZZ v. 16. 11. 2003“. Hüls, Silke: Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 6. 2010 und 16. 6. 2011, in: Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2012, S. 12; zit.: „Hüls, Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, in: NZWiSt 2012, 12“. Institut für Interne Revision Österreich (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Ergebnisse einer Experten Studie, Wien, 2007, zit.: „IIA, Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland, Österreich und der Schweiz“.
384
Literaturverzeichnis
Jäger, Christian: Zurechnung und Rechtfertigung als Kategorialprinzipien im Strafrecht, Heidelberg, 2006; zit.: „Jäger, Zurechnung und Rechtfertigung“. Jahn, Matthias: Strafecht BT: Pflichtverletzung bei der Untreue, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 13. 4. 2011 – 1 StR 94/10 (Kölner CDU-Spendenaffäre, in: Juristische Schulung 2011, S. 1133; zit.: „Jahn, Pflichtverletzung bei der Untreue, in: JuS 2011, 1133“. Jahn, Matthias/Müller, Martin: Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren – Legitimation und Reglementierung der Absprachenpraxis, in: Neue Juristische Wochenschrift 2009, S. 2625; zit. „Jahn/Müller, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: NJW 2009, 2625“. Jakobs, Günther: Strafrecht, Allgemeiner Teil– die Grundlagen und die Zurechnungslehre, Berlin, 2. Aufl. 1991; zit.: „Jakobs, Strafrecht-AT“. Janßen, Heinrich: Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Göttingen, 1969; zit.: „Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts“. Jarass, Hans Dieter/Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – GG, München, 15. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Jarass/Pieroth-GG“. Jensen, Michael C./Meckling, William H.: Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics 1976 (Vol. 3), S. 305; zit.: „Jensen/Meckling, Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: 3 J. Financ. Econ. 305 (1976)“. Joecks, Wolfgang: Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder – Korruptionsbekämpfung durch Steuerrecht?, in: Deutsches Steuerrecht 1997, S. 1025; zit.: „Joecks, Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder, in: DStR 1997, 1025“. Joecks, Wolfgang: Gefühlte Schäden?, in: Joecks, Wolfgang (Hrsg.): Recht – Wirtschaft – Strafe – Festschrift für Erich Samson zum 70. Geburtstag, Heidelberg, 2010, S. 355; zit.: „Joecks, Gefühlte Schäden?, in: FS Samson 2010, S. 355“. Jordan, Adolf-Dietrich: Untreue und Betrug durch Zweckverfehlung, in: Juristische Rundschau 2000, S. 133; zit.: „Jordan, Untreue und Betrug durch Zweckverfehlung, in: JR 2000, 133“. Jung, Heike: Regulierte Selbstregulierung – eine Diskussionsbemerkung aus strafrechtlicher Sicht, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates – Ergebnisse des Symposiums aus Anlaß des 60. Geburtstages von Wolfgang HoffmannRiem, S. 191, Berlin, 2001; zit.: „Jung, Regulierte Selbstregulierung aus strafrechtlicher Sicht, in: Symposium: Hoffmann-Riem zum 60. Geburtstag 2001, S. 191“. Kaiser, Günther: Kriminologie – ein Lehrbuch, Heidelberg, 3. Aufl. 1996; zit.: „Kaiser, Kriminologie“. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Band VII, Hrsg.: Weischedel, Wilhelm; zit.: „Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Bd. VII“. Kargl, Walter: Inhalt und Begründung der Festnahmebefugnis nach § 127 StPO, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2000, S. 8; zit.: „Kargl, Inhalt und Begründung der Festnahmebefugnis nach § 127 StPO, in: NStZ 2000, 8“.
Literaturverzeichnis
385
Kasiske, Peter: Existenzgefährdende Eingriffe in das GmbH-Vermögen mit Zustimmung der Gesellschafter als Untreue, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2005, S. 81; zit.: „Kasiske, Existenzgefährdende Eingriffe in das GmbH-Vermögen, in: wistra 2005, 81“. Kasiske, Peter: Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: Juristische Rundschau 2011, S. 235; zit.: „Kasiske, Strafbare Existenzgefährdung der GmbH und Gläubigerschutz, in: JR 2011, 235“. Kaufmann, Arthur: Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung dargestellt am Problem des Schwangerschaftsabbruchs in: Schroeder, Friedrich-Christian/Zipf, Heinz (Hrsg.): Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, Karlsruhe, 1972, S. 327; zit.: „Kaufmann, Rechtsfreier Raum und eigenverantwortliche Entscheidung, in: FS Maurach 1972“. Kaufmann, Arthur/Hassemer, Winfried/Neumann, Ulfrid (Hrsg.): Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, Heidelberg, 9. Aufl. 2016; zit.: „Bearbeiter, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart“. Kerner, Hans-Jürgen/Feltes, Thomas (Hrsg.): Kriminologie-Lexikon, Heidelberg, 4. Aufl. 1991; zit.: „Kerner/Feltes, Kriminologie-Lexikon“. Kiethe, Kurt: Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bürgermeistern – Zugleich Besprechung von BGH, Urteil v. 9. 12. 2004 – 4 StR 294/04, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2005, S. 529; zit.: „Kiethe, Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bürgermeistern, in: NStZ 2005, 529“. Kiethe, Kurt: Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Aufsichtsräten für Geschäftsrisiken, in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2005, S. 2122; zit.: „Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Aufsichtsräten für Geschäftsrisiken, in: WM 2005, 2122“. Kiethe, Kurt: Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern eines Kreditinstituts für riskante Kreditgeschäfte, in: Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2003, S. 861; zit.: „Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern eines Kreditinstituts für riskante Kreditgeschäfte, in: WM 2003, 861“. Kindhäuser, Urs: Gefährdung als Straftat – rechtshistorische Untersuchung zur Dogmatik der abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikte, Frankfurt a. M., 1989, zit.: „Kindhäuser, Gefährdung als Straftat“. Kindhäuser, Urs/Neumann, Ulfried/Paeffgen, Hans-Ullrich: Strafgesetzbuch, Baden-Baden, 5. Aufl. 2017; zit.: „Bearbeiter, in: NK-StGB“. Klein, Franz: Abgabenordnung – Kommentar, München, 14. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Klein-AO“. Kleinschrod, Gallus Aloys Kaspar von: Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, in 3 Bänden, Erlangen, 1798; zit.: „Kleinschrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe, Bd.“. Knauer, Christoph/Lickleder, Andreas: Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung – ein kritischer Überblick, in: Neue
386
Literaturverzeichnis
Zeitschrift für Strafrecht 2012, S. 366; zit.: „Knauer/Lickleder, Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung, in: NStZ 2012, 366“. Kneifel, Reiner: Freedom of Information in den USA, in: Computer und Recht 1990, S. 134; zit.: „Kneifel, Freedom of Information in den USA, in: CR 1990, 134“. Knierim, Thomas/Smok, Robin: Anm. zu BVerfG: Verfassungsrechtliches Bestimmtheitsgebot begrenzt Ermittlungen wegen Untreue, Beschluss v. 23. 06. 2010 – 2 BvR 105/09, 2 BvR 2559/08, 2 BvR 491/09, in: Beck Fachdienst-StrafR 2010, 307157; zit. „Knierim/ Smok, Anm. zu BVerfG: Verfassungsrechtliches Bestimmtheitsgebot begrenzt Ermittlungen wegen Untreue, Beschluss v. 23. 06. 2010, in: FD-Strafrecht 2010, 307157“. Koch, Arnd: Das Jahrhundert der Strafrechtskodifikation: Von Feuerbach zum Reichsstrafgesetzbuch, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 2010, S. 741; zit.: „Koch, Das Jahrhundert der Strafrechtskodifikation, in: ZStW 2010, 741“. Kohlrausch, Eduard: Vermögensverbrechen im Wandel der Rechtsprechung und der Gesetzgebung, in: Bumke, Erwin/Hedemann, Justus Wilhelm/Wilke, Gustav (Hrsg.): Festschrift für Franz Schlegelberger zum 60. Geburtstag, Berlin, 1936, S. 203; zit.: „Kohlrausch, Vermögensverbrechen im Wandel der Rechtsprechung und der Gesetzgebung, in: FS Schlegelberger 1936, S. 203“. Körner, Harald Hans/Dach, Eberhard: Geldwäsche – Ein Leitfaden zum geltenden Recht, München, 1994; zit.: „Körner/Dach, Geldwäsche“. Köstlin, Christian Reinhold: System des deutschen Strafrechts, Band 2: Abhandlungen aus dem Strafrechte, Tübingen, 1858, zit.: „Köstlin, System des deutschen Strafrechts, Bd. II: Abhandlungen aus dem Strafrechte“. Kraatz, Erik: Der Untreuetatbestand ist verfassungsgemäß – gerade noch!, in Juristische Rundschau 2011, S. 434; zit.: „Kraatz, Der Untreuetatbestand ist verfassungsgemäß, in: JR 2011, 434“. Kraatz, Erik: Zur „limitierten Akzessorietät“ der strafbaren Untreue – Überlegungen zur Strafrechtsrelevanz gesellschaftsrechtlicher Pflichtverletzungen im Rahmen des § 266 StGB anhand von Beispielen zur „GmbH-Untreue“, in: Zeitschrift für die gesamten Strafrechtswissenschaften 2011, S. 447; zit.: „Kraatz, Zur „limitierten Akzessorietät“ der strafbaren Untreue, in: ZStW 2011, 447“. Krack, Ralf: Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2001, S. 505; zit.: „Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, in: NStZ 2001, 505“. Kramer, Heinrich Friedrich: Versuch einer systematischen Darstellung des peinlichen Rechts in besonderer Rücksicht auf die schleswig-holsteinische peinliche Gesetzgebung mit angehängten Tabellen, Schleswig, 1798; zit.: „Kramer, Versuch einer systematischen Darstellung des peinlichen Rechts“. Krause, Daniel M.: Konzerninternes Cash Management – der Fall Bremer Vulkan: Neue Ansätze bei der Untreue (§ 266 StGB) und ihre Konsequenzen für die Praxis, in Juristische Rundschau 2006, S. 51; zit.: „Krause, Der Fall Bremer Vulkan, in: JR 2006, 51“. Kremer, Thomas/Bachmann, Gregor/Lutter, Marcus/Werder, Axel von: Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex – Kodex-Kommentar, München, 7. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Ringleb-DCGK (2016)“.
Literaturverzeichnis
387
Krüger, Matthias: Neues aus Karlsruhe zu Art. 103 II GG und § 266 StGB – Bespr. von BVerfG, Beschl. vom 23. 6. 2010 – 2 BvR 2559/08, NStZ 2010, 626, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2011, S. 369; zit.: „Krüger, Neues aus Karlsruhe zu Art. 103 II GG und § 266 StGB, in: NStZ 2011, 369“. Kube, Edwin: Prävention von Wirtschaftskriminalität (unter Berücksichtigung der Umweltkriminalität – Möglichkeiten und Grenzen, in: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Berichte des Kriminalistischen Instituts, Wiesbaden, 1984, S. 1; zit.: „Kube, Prävention von Wirtschaftskriminalität, in: BKA (Hrsg.): Berichte des Kriminalistischen Instituts 1984, S. 1“. Kube, Edwin: Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: Kühne, HansHeiner u. a. (Hrsg.): Festschrift für Klaus Rolinski zum 70. Geburtstag am 11. Juli 2002, Baden-Baden, 2002, S. 391; zit.: „Kube, Wirtschaftskriminalität – Zu Phänomen und Prävention, in: FS Rolinski 2002, S. 391“. Kubiciel, Michael: Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuetatbestand, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2005, S. 353; zit.: „Kubiciel, Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuetatbestand, in: NStZ 2005, 353“. Kudlich, Hans: Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 23. 06. 2010, Az.: 2 BvR 2559/ 08 (Fast wie im richtigen Leben: Wo fängt eigentlich Untreue an …?), in: Juristische Arbeitsblätter 2011, S. 66; zit.: „Kudlich, Anm. zum Beschl. d. BVerfG v. 23. 6. 2010, in: JA 2011, 66“. Kühl, Kristian: Strafrecht – Allgemeiner Teil, München, 7. Aufl. 2012; zit.: „Kühl, Strafrecht AT“. Kuhlen, Lothar: Gesetzlichkeitsprinzip und Untreue – zugleich eine Besprechung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 6. 2010, in diesem Heft S. 273, in: Juristische Rundschau 2011, S. 246; zit.: „Kuhlen, Gesetzlichkeitsprinzip und Untreue, in JR 2011, 246“. Kuhlen, Lothar: Zum Strafrecht der Risikogesellschaft, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 1994, S. 347; zit.: „Kuhlen, Zum Strafrecht der Risikogesellschaft, in: GA 1994, 347“. Kutzner, Lars: Einfache gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen als Untreue – Die Kinowelt-Entscheidung des BGH, in: Neue Juristische Wochenschrift 2006, S. 3541; zit.: „Kutzner, Einfache gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen als Untreue, in: NJW 2006, 3541“. Lackner, Karl: Anmerkung zum Urteil BGHSt 30, 105, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1981, S. 344; zit.: „Lackner, Anm. zu BGHSt 30, 105, in: NStZ 1981, 344“. Lackner, Karl/Kühl, Kristian (alleiniger Bearbeiter seit der 25. Auflage)/Dreher, Eduard/ Maassen, Hermann: Strafgesetzbuch – Kommentar, München, 29. Aufl. 2018; zit.: „Lackner/Kühl-StGB“. Lagodny, Otto: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte – die Ermächtigung zum strafrechtlichen Vorwurf im Lichte der Grundrechtsdogmatik, dargestellt am Beispiel der Vorfeldkriminalisierung, Tübingen, 1996; zit.: „Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte“.
388
Literaturverzeichnis
Lampe, Ernst J./Lenckner, Theodor/Stree, Walter/Tiedemann, Klaus/Weber, Ulrich (Hrsg.): Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches. Besonderer Teil: Straftaten gegen die Wirtschaft, Tübingen, 1977; zit.: „Lampe/Lenckner/Stree/Tiedemann/Weber, AE-StGB, BT, Straftaten gegen die Wirtschaft“. Landeskriminalamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009, Stuttgart, 2010; zit.: „LKA-BW, Wirtschaftskriminalität – Jahresbericht 2009“. Landsberg, Ernst: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung [für die 1. und 2. Abteilung siehe unter Stintzing, Johann August Roderich von: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft], Halbband 1 (Text und Noten – Das Zeitalter des Naturrechts (Ende 17. bis Anfang 19. Jh.)), München, 1898; zit.: „Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung, Halbb. 1“. Langevoort, Donald C.: The Social Construction of Sarbanes-Oxley, in: Michigan Law Review 2007 (Vol. 105), S. 1817; zit.: „Langevoort, The Social Construction of SarbanesOxley, in: 105 Mich. L. Rev. 1817 (2007)“. Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Berlin, 6. Aufl. 2014; zit.: „Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft“. Laufhütte, Heinrich Wilhelm/Rissing-van Saan, Ruth/Tiedemann, Klaus (Hrsg.): Leipziger Kommentar zum StGB, Berlin, 12. Aufl. 2010; zit.: „Bearbeiter, in: LK-StGB“. Legg, Michael/Harris, Jason: How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: University of New South Wales Law Journal 2009 (Vol. 32), S. 350; zit.: „Legg/Harris, How the American Dream Became a Global Nightmare: An Analysis of the causes of the Global Financial Crisis, in: 32 U.N.S.W. L.J. 350 (2009)“. Leplow, Claas: Anmerkung BGH, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 5 StR 260/08, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2010, S. 475; zit.: „Leplow, Anm. zu BGH, Beschl. v. 4. 2. 2009 – 5 StR 260/08, in: wistra 2010, 475“. Lesch, Heiko: Zweckwidrige Verwendung von Fraktionszuschüssen als Untreue?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2002, S. 159; zit.: „Lesch, Zweckwidrige Verwendung von Fraktionszuschüssen als Untreue?, in: ZRP 2002, 159“. Liebl, Karlhans: „Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ – Ein Programm und seine Auswirkungen auf die kriminologische Forschung, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 2004, S. 1; zit.: „Liebl, Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: MSchrKrim 2004, 1“. Loos, Fritz: Anmerkung zu OLG Köln, Urteil vom 28. 5. 1974 – Ss 85/74, in: Juristische Rundschau 1975, S. 248; zit.: „Loos, Anm. zu OLG Köln, Urt. v. 28. 5. 1974 – Ss 85/74, in: JR 1975, 248“. Looschelders, Dirk: Schuldrecht, Allgemeiner Teil, München, 17. Aufl. 2019; zit.: „Looschelders, Schuldrecht AT“. Louis, Jürgen: Die Falschbuchung im Strafrecht, Freiburg i.Br., 2002; zit.: „Louis, Die Falschbuchung im Strafrecht“. Lüderssen, Klaus: „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: Böse, Martin/SternbergLieben, Detlev (Hrsg.) Grundlagen des Straf- und Strafverfahrensrechts – Festschrift für
Literaturverzeichnis
389
Knut Amelung zum 70. Geburtstag, Berlin, 2009, S. 67; zit.: „Lüderssen, „Systemtheorie“ und Wirtschaftsstrafrecht, in: FS Amelung 2009, S. 67“. Lüderssen, Klaus: Gesellschaftsrechtliche Grenzen der strafrechtlichen Haftung des Aufsichtsrates, in: Dölling, Dieter (Hrsg.): Jus humanum – Grundlagen des Rechts und Strafrecht – Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag, Berlin, 2003, S. 727; zit.: „Lüderssen, Gesellschaftsrechtliche Grenzen der strafrechtlichen Haftung des Aufsichtsrates, in: FS Lampe 2003, S. 727“. Lüderssen, Klaus: Primäre oder sekundäre Zuständigkeit des Strafrechts, in: Arnold, Jörg (Hrsg.): Menschengerechtes Strafrecht – Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag, München, 2005, S. 163; zit.: „Lüderssen, Primäre oder sekundäre Zuständigkeit des Strafrechts, in: FS Eser 2005, S. 163“. Lüderssen, Klaus: Risikomanagement und „Risikoerhöhungstheorie“ – auf der Suche nach Alternativen zu § 266 StGB, in: Hassemer, Winfried (Hrsg.): In dubio pro libertate – Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag, München, 2009, S. 345; zit.: „Lüderssen, Risikomanagement und „Risikoerhöhungstheorie“, in: FS Volk 2009, S. 345“. Lüderssen, Klaus: Soziale Marktwirtschaft, Finanzmarktkrise und Wirtschaftsstrafrecht, in: Kempf, Eberhard/Lüderssen, Klaus/Volk, Klaus (Hrsg.), Die Handlungsfreiheit des Unternehmers – wirtschaftliche Perspektiven, strafrechtliche und ethische Schranken, Berlin, 2009, S. 21; zit.: „Lüderssen, Soziale Marktwirtschaft, Finanzmarktkrise und Wirtschaftsstrafrecht, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Die Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 21“. Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang: Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung: Kritik der informalen Justiz, Frankfurt a. M., 1998; zit.: „Ludwig-Mayerhofer, Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung“. Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang: Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung – Kritik der informalen Justiz, Frankfurt a. M., 1998; zit.: „Ludwig-Mayerhofer, Das Strafrecht und seine administrative Rationalisierung“. Luhmann, Niklas: Archimedes und wir, Berlin, 2008; zit.: „Luhmann, Archimedes und wir“. Luhmann, Niklas: Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a. M., 1993; zit.: „Luhmann, Recht der Gesellschaft“. Luhmann, Niklas: Die Einheit des Rechtssystems, Rechtstheorie 14 (1983), S. 129 – 154; zit.: „Luhmann, Einheit des Rechtssystems“. Luhmann, Niklas: Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M.,2. Aufl. 1994; zit.: „Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft“. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren, 3. Aufl. 1978; zit.: „Luhmann, Legitimation durch Verfahren“. Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M., 1. Aufl. 1987 (Ausgabe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft); zit.: „Luhmann, Soziale Systeme“. Luhmann, Niklas: Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart, 4. Aufl. 2000; zit.: „Luhmann, Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“.
390
Literaturverzeichnis
Lutter, Marcus: Bankenkrise und Organhaftung, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2009, S. 197; zit.: „Lutter, Bankenkrise und Organhaftung, in: ZIP 2009, 197“. Lutter, Marcus: Corporate Governance und ihre aktuellen Probleme, vor allem Vorstandsvergütung und ihre Schranken, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2003, S. 737; zit.: „Lutter, Corporate Governance und ihre aktuellen Probleme, in: ZIP 2003, 737“. Lutter, Marcus: Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, S. 841; zit.: „Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, in: ZIP 2007, 841“. Lutter, Marcus: Zivilrechtlich korrekt und doch strafbar? Das kann nicht sein, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2010, S 601; zit.: „Lutter, Zivilrechtlich korrekt und doch strafbar?, in: NZG 2010, 601“. Marezoll, Theodor: Das gemeine deutsche Criminalrecht als Grundlage der neueren deutschen Strafgesetzgebungen, Leipzig, 1856; zit.: „Marezoll, Das gemeine deutsche Criminalrecht als Grundlage der neueren deutschen Strafgesetzgebungen“. Marten, Kai-Uwe (Vorsitzender) u.v.m – Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.: Praktische Empfehlungen für unternehmerisches Entscheiden, in: Der Betrieb 2006, 2189; zit.: „Schmalenbach Gesellschaft, Praktische Empfehlungen für unternehmerisches Entscheiden, in: DB 2006, 2189“. Martin, Susanne: Bankuntreue, Berlin, 2000; zit.: „Martin, Bankuntreue“. Masing, Johannes: Herausforderungen des Datenschutzes, in: Neue Juristische Wochenschrift 2012, S. 2305; zit.: „Masing, Herausforderungen des Datenschutzes, in: NJW 2012, 2305“. Matt, Holger: Missverständnisse zur Untreue – Eine Betrachtung auch zum Verhältnis von (Straf-)Recht und Moral, in: Neue Juristische Wochenschrift 2005, S. 389; zit.: Matt, Missverständnisse zur Untreue, in: NJW 2005, 389“. Matt, Holger/Saliger, Frank: Straflosigkeit der versuchten Untreue – Über die Richtigkeit dieser Entscheidung des Gesetzgebers und dogmatische Konsequenzen, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Irrwege der Strafgesetzgebung, Frankfurt a. M., 1999, S. 217; zit.: „Matt/Saliger, Straflosigkeit der versuchten Untreu, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, S. 217“. Maurach, Reinhart/Schroeder, Friedrich-Christian/Maiwald, Manfred: Strafrecht Besonderer Teil – Teilband 1 – Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, München, 10. Aufl. 2009; zit.: „Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I“. Mayer, Hellmuth: Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, München, 1926; zit.: „Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen“. Mayer, Hellmuth: Die Untreue, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.): Materialien zur Strafrechtsreform, Band 1: Gutachten der Strafrechtslehrer, Bonn, 1954, S. 333; zit.: „Mayer, Die Untreue, in: Materialien zur Strafrechtsreform, S. 333“. Mayer-Maly, Theo: Der Weg der Goldenen Regel, in: Köbler, Gerhard/Söllner, Alfred: Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends: Festschrift für Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, München, 2000, S. 755; zit.: „MayerMaly, Der Weg der Goldenen Regel, in: FS Söllner 2000“.
Literaturverzeichnis
391
Meyer, Dieter: Die mißbräuchliche Benutzung der Scheckkarte – Betrug oder Untreue?, in: Juristische Schulung 1973, S. 214; zit.: „Meyer, Die mißbräuchliche Benutzung der Scheckkarte, in: JuS 1973, 214“. Meyer-Goßner, Lutz: Bemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verständigung im Strafverfahren, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2009, S. 107; zit.: „MeyerGoßner, Bemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verständigung im Strafverfahren, in: ZRP 2009, 107“. Michalke, Regina: Neue Garantenpflichten? – oder: Haftung des Compliance-Officers – Das obiterdictum des BGH und die Folgen (auch) für die anwaltliche Dienstleistung, in: Anwaltsblatt 2010, S. 666; zit.: „Michalke, Neue Garantenpflichten? – oder: Haftung des Compliance-Officers, in: AnwBl. 2010, 666“. Michalke, Regina: Untreue – neue Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: Strafverteidiger 2011, S. 245; zit.: „Michalke, Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, in: StV 2011, 245“. Michalski, Lutz (Hrsg.): Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), München, 3. Aufl. 2017; zit.: „Bearbeiter, in: Michalski-GmbHG“. Mitchell, Lawrence E.: Roles of Corporations and Corporate Officers, in: Proceedings of the Annual Meeting (American Society of International Law) 2005 (Vol. 99), S. 265; zit.: „Mitchell, Roles of Corporations and Corporate Officers, in: 99 Am. Soc’y Int’t L. Proc. 265 (2005)“. Mommsen, Theodor: Römisches Strafrecht, (unveränderter fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig, 1899), Graz, 1955; zit.: „Mommsen, Römisches Strafrecht 1899“. Moohr, Geraldine Szott: An Enron Lesson: The Modest Role of Criminal Law in Preventing Corporate Crime, in: Florida Law Review 2003 (Vol. 55), S. 937; zit.: „Moohr, An Enron Lesson: The Modest Role of Criminal Law in Preventing Corporate Crime, in: 55 Fla. L. Rev. 937 (2003)“. Mosiek, Marcus: Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2003, S. 370; zit.: „Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, 370“. Mosiek, Marcus: Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2003, S. 370; zit.: „Mosiek, Risikosteuerung im Unternehmen und Untreue, in: wistra 2003, S. 370“. Müller, Martin: Probleme um eine gesetzliche Regelung der Absprachen im Strafverfahren, Köln/Berlin/München, 2008; zit.: „Müller, Probleme um eine gesetzliche Regelung der Absprachen im Strafverfahren“. Musielak, Hans-Joachim: Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, Berlin, 1975; zit.: „Musielak, Grundlagen der Beweislast“. Nack, Armin: Untreue im Bankbereich durch Vergabe von Großkrediten, in: Neue Juristische Wochenschrift 1980, S. 1599; zit.: „Nack, Untreue im Bankbereich durch Vergabe von Großkrediten, in: NJW 1980, 1599“.
392
Literaturverzeichnis
Nelles, Ursula: Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1994, S. 366; zit.: „Nelles, Einstellungsvorschriften als Korrektiv für unverhältnismäßige Strafgesetze?, in: NStZ 1994, 366“. Nelles, Ursula: Untreue zum Nachteil von Gesellschaften – Zugleich ein Beitrag zur Struktur des Vermögensbegriffs als Beziehungsbegriff, Berlin, 1991; zit.: „Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften“. Nobis, Frank: Zwei Jahre praktische Erfahrungen mit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: Strafrechtsreport 2012, S. 84; zit.: „Nobis, Zwei Jahre praktische Erfahrungen mit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren, in: StRR 2012, 84“. Ohly, Ansgar: „Volenti non fit iniuria“ – die Einwilligung im Privatrecht, Tübingen, 2002; zit.: „Ohly, „Volenti non fit iniuria“ – die Einwilligung im Privatrecht“. O’Rourke, Patrick Jake: How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt in: Surowiecki, James: Best Business Crime Writing of the Year, Anchor, 2002, S. 220; zit.: „O’Rourke, How to stuff a wild Enron, in: The Atlantic Monthly, April 2002 (abgedruckt in: Surowiecki, James: Best Business Crime Writing of the Year, Anchor, 2002, S. 219)“. Oswald, Katharina: Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche (§ 261 StGB i.V.m. dem GwG) – eine kriminologisch-empirische Untersuchung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1997, S. 328; zit.: „Oswald, Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche, in: wistra 1997, 328“. Ott, Claus/Schäfer, Hans-Bernd: Die ökonomische Analyse des Rechts – Irrweg oder Chance wissenschaftlicher Rechtserkenntnis?, in: Juristenzeitung 1988, S. 213; zit.: „Ott/Schäfer, Die ökonomische Analyse des Rechts, in: JZ 1988, 213“. Otto, Harro: Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 2 (Anm. d. Verf.: Irrtümlich wurde der erste Teil neben dem zweiten Teil in JZ 1993, 652 auch als „Teil 2“ bezeichnet), in: Juristenzeitung 1985, S. 69; zit.: „Otto, Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 1, in: JZ 1985, 69“. Otto, Harro: Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 2, in: Juristenzeitung 1993, S. 652; zit.: „Otto, Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 2, in: JZ 1993, 652“. Otto, Harro: Grundkurs Strafrecht, Teil 2: Die einzelnen Delikte, München, 7. Aufl. 2005; zit.: „Otto, Strafrecht BT“. Otto, Harro: Untreue der Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften durch Vergabe von Spenden, in: Hirsch, Hans Joachim (Hrsg.): Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag, Köln, 2003, S. 187; zit.: „Otto, Untreue der Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften durch Vergabe von Spenden, in: FS Kohlmann 2003, S. 187“. Oxford University Press (Hrsg.), Advanced Learner’s Dictionary, 2000, zit.: „Oxford, Advanced Learner’s Dictionary“. Pahlke, Anne-Kathrin: Risikomanagement nach KonTraG – Überwachungspflichten und Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat, in: Neue Juristische Wochenschrift 2002, S. 1680; zit.: „Pahlke, Risikomanagement nach KonTraG, in: NJW 2002, 1680“.
Literaturverzeichnis
393
Perron, Walter: Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe (Hrsg.): Jahresband 2008, 2009, S. 45; zit.: „Perron, Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: Jahresband der Juristischen Studiengesellschaft 2008, 45“. Perron, Walter: Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 2009, S. 219; zit.: „Perron, Probleme und Perspektiven des Untreuetatbestandes, in: GA 2009, 219“. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter/Orth, Christian (Hrsg.): Deutscher Corporate-GovernanceKodex – ein Handbuch für Entscheidungsträger, Stuttgart, 2. Aufl. 2005; zit.: „Bearbeiter, in: Pfitzer/Oser/Orth-DCGK“. Posner, Richard A.: An Economic Theory of the Criminal Law, in: Columbia Law Review 1985 (Vol. 85), S. 1193; zit.: „Posner, An Economic Theory of the Criminal Law, in: 85 Colum. L. Rev 1193 (1985)“. Posner, Richard A.: Retribution and Related Concepts of Punishment, in: Journal of Legal Studies 1980 (Vol. 9), S. 71; zit.: „Posner, Retribution and Related Concepts of Punishment, in: 9 Journal of Legal Studies 71 (1980)“. Preuß, Wilhelm: Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, Berlin, 1974; zit.: „Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht“. Preussner, Joachim/Pananis, Panos: Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung – Corporate Governance am Beispiel der Kreditwirtschaft, in: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht 2004, S. 347; zit.: „Preussner/Pananis, Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung, in: ZKB 2004, 347“. Price Waterhouse Coopers (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität 2005, Internationale und deutsche Ergebnisse; zit.: „PwC, Wirtschaftskriminalität 2005“. Price Waterhouse Coopers (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität 2009, Sicherheitslage in deutschen Großunternehmen; zit.: „PwC, Wirtschaftskriminalität 2009“. Prittwitz, Cornelius: Strafrecht und Risiko, in: Bora, Alfons von (Hrsg.): Rechtliches Risikomanagement – Form, Funktion und Leistungsfähigkeit des Rechts in der Risikogesellschaft, Berlin, 1999, S. 193; zit.: „Prittwitz, Strafrecht und Risiko, in: v. Bora, (Hrsg.): Rechtliches Risikomanagement, S. 193“. Quinney, Richard/Clinard, Marshall Barron: Criminal behavior systems – a typology, Holt, Rinehart and Winston, 1967; zit.: „Quinney/Clinard, Criminal behavior systems, 1967“. Quinney, Richard/Clinard, Marshall Barron: Criminal behavior systems – a typology, Holt, Rinehart and Winston, 2nd Ed. 1973; zit.: „Quinney/Clinard, Criminal behavior systems, 1973“. Quinney, Richard/Clinard, Marshall Barron/Wildem, John: Criminal behavior systems – a typology, Elsevier Science, 3rd Ed. 1994; zit.: „Quinney/Clinard/Wildem, Criminal behavior systems, 1994“. Quinstorp, Johann Christian von: Grundsätze des teutschen peinlichen Rechts, Leipzig, 2. Aufl. 1776; zit.: „Quinstorp, Grundsätze des teutschen peinlichen Rechts“. Radtke, Henning: Strafrechtliche Untreue durch Manager und verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz – Folgerungen aus dem Beschluss des BVerfG vom 23. 6. 2010, in:
394
Literaturverzeichnis
GmbH-Rundschau 2010, S. 1121; zit.: „Radtke, Strafrechtliche Untreue durch Manager und verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, in: GmbHR 2010, 1121“. Ransiek, Andreas: Risiko, Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil beider Untreue, in:Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 2004, S. 634; zit.: „Ransiek, Risiko, Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil bei der Untreue, in: ZStW 2004, 63“. Rauchdorn, Heinrich: Practica und Process Peinlicher Halsgerichts Ordnung aus Keyserlichen, Geistlichen, Weltlichen und Sechsischen Rechten, 1564, 3. Teil, 14. Artikel; zit.: „Rauchdorn, Practica und Process Peinlicher Halsgerichts Ordnung“. Rawls, John: Two Concepts of Rules, in: Philosophical Review 1955 (Vol. 64), S. 3; zit.: „Rawls, Two Concepts of Rules, in: 64 Philos. Rev. 3 (1955)“. Redaktion Duden (Hrsg.): Das Fremdwörterbuch – Unentbehrlich für das Verstehen und den Gebrauch fremder Wörter, Berlin, 11. Aufl. 2015; zit.: „Duden, Fremdwörterbuch“. Redaktion Langenscheidt (Hrsg.): Langenscheidts Großes Schulwörterbuch LateinischDeutsch, München, 12. Aufl. 1998; zit.: „Langenscheidt, Latein-Deutsch“. Reinharth, Tobias Jakob: Dissertatio inauguralis juridica de jurisdictionis allodialis et feudalis conflictuac utriusque ratione feudorum competentia, Erfurt, 1730; zit.: „Reinharth, Dissertatio“. Rengier, Rudolf: Strafrecht, Besonderer Teil I – Vermögensdelikte, München, 21. Aufl. 2019; zit.: Rengier, Strafrecht BT I“. Rimann, Bernhard R.: Wirtschaftskriminalität – Die Untersuchung bei Wirtschaftsdelikten, Zürich, 1973; zit.: „Rimann, Wirtschaftskriminalität“. Ringleb, Henrik-Michael/Kremer, Thomas/Lutter, Marcus/Werder, Axel von: Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex – Kodex-Kommentar, München, 7. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: Ringleb-DCGK (2010)“. Ripperger, Tanja: Ökonomik des Vertrauens – Analyse eines Organisationsprinzips, Tübingen, 2003; zit.: „Ripperger, Ökonomik des Vertrauens“. Rogall, Klaus: Dogmatische und kriminalpolitische Probleme der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG), in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1986, S. 573; zit.: „Rogall, Dogmatische und kriminalpolitische Probleme der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG), in: ZStW 1986, 573“. Romano, Roberta: Public Pension Fund Activism in Corporate Governance Reconsidered, in: Columbia Law Review 1993 (Vol. 93), S. 795; zit.: „Romano, Public Pension Fund Activism in Corporate Governance Reconsidered, in: 93 Colum. L. Rev. 795 (1993)“. Romano, Roberta: The Sarbanes-Oxley Act and the Making of Quack Corporate Governance, in: Yale Law Journal 2005 (Vol. 144), S. 1521; zit.: „Romano, The Sarbanes-Oxley Act and the Making of Quack Corporate Governance in: 144 Yale L. J. 1521 (2005)“. Römer, Josef: Die Errichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität – Folgerungen für die Strafverfolgung, in: Polizei-Institut Hiltrup (Hrsg.): Moderne Methoden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität – Schlussbericht der Arbeitstagung für leitende Kriminalbeamte und Staatsanwälte vom 13. bis 15. Januar 1971 im Polizei-Institut Hiltrup, Hiltrup, 1971, S. 51; zit.: „Römer, Die
Literaturverzeichnis
395
Errichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: Polizei-Institut Hiltrup (Hrsg.): Moderne Methoden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1971, S. 51“. Rönnau, Thomas: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 29. 8. 2008 (Az. 2 StR 587/07), in: Strafverteidiger 2009, S. 246; zit.: „Rönnau, Anm. zum Urt. d. BGH v. 29. 8. 2008 – 2 StR 587/07, in: StV 2009, 246“. Rönnau, Thomas: Einrichtung „schwarzer“ (Schmiergeld-)Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, in: Sieber, Ulrich/Dannecker, Gerhard/Kindhäuser, Urs/Vogel, Joachim/Walter, Tonio (Hrsg.): Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht. Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen. Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, Köln, 2008, S. 713; zit.: „Rönnau, Einrichtung „schwarzer“ (Schmiergeld-)Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, in: FS Tiedemann 2008, S. 713“. Rönnau, Thomas: Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: Zeitschrift für die gesamten Strafrechtswissenschaften 2007, S. 887; zit.: „Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, in: ZStW 2007, 887“. Rönnau, Thomas: Untreue zu Lasten juristischer Personen und Einwilligungskompetenz der Gesellschafter, in: Böse, Martin/Sternberg-Lieben, Detlev (Hrsg.) Grundlagen des Strafund Strafverfahrensrechts – Festschrift für Knut Amelung zum 70. Geburtstag, Berlin, 2009, S. 247; zit.: „Rönnau, Untreue zu Lasten juristischer Personen, in: FS Amelung 2009, S. 247“. Rönnau, Thomas: Willensmängel bei der Einwilligung im Strafrecht, Tübingen, 1. Aufl. 2001; zit.: „Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung“. Rosenberg, Leo: Die Beweislast auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Zivilprozeßordnung, München, 5. Aufl. 1965; zit.: „Rosenberg, Beweislast“. Roxin, Claus: Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1962, S. 411; zit.: „Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, in: ZStW 1962, 411“. Roxin, Claus: Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band 1, München, 4. Aufl. 2006; zit.: „Roxin, Strafrecht AT I“. Roxin, Claus: Strafverfahrensrecht – ein Studienbuch – fortgeführt von Bernd Schünemann, München, 29. Aufl. 2017; zit.: „Roxin, Strafverfahrensrecht“. Sachs, Margaret V.: Harmonizing Civil and Criminal Enforcement of Federal Regulatory Statues: The Case of the Securities Exchange Act of 1934, in: University of Illinois Law Review 2001, S. 1025; zit.: „Sachs, Harmonizing Civil and Criminal Enforcement of Federal Regulatory Statues: The Case of the Securities Exchange Act of 1934, in: 2001 U. Ill. L. Rev. 1025 (2001)“. Safferling, Christoph: Bestimmt oder nicht bestimmt: Der Untreuetatbestand vor den verfassungsrechtlichen Schranken, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2011, S. 376; zit.: „Safferling, Bestimmt oder nicht bestimmt: Der Untreuetatbestand vor den verfassungsrechtlichen Schranken, in: NStZ 2011, 376“. Saliger, Frank: Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 5. 2010 auf die Schadensdogmatik, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdog-
396
Literaturverzeichnis
matik 2011, S. 902; zit.: „Saliger, Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 5. 2010 auf die Schadensdogmatik, in: ZIS 2011, 902“. Saliger, Frank: Das Untreuestrafrecht auf dem Prüfstand der Verfassung, in: Neue Juristische Wochenschrift 2010, S. 3195; zit.: „Saliger, Das Untreuestrafrecht auf dem Prüfstand der Verfassung, in: NJW 2010, 3195“. Saliger, Frank: Gibt es eine Untreuemode? Die neuere Untreuedebatte und Möglichkeiten einer restriktiven Auslegung, in: Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht 2006, S. 10; zit.: „Saliger, Gibt es eine Untreuemode?, in: HRRS 2006, 10“. Saliger, Frank: Parteiengesetz und Strafrecht – zur Strafbarkeit von Verstößen gegen das Parteiengesetz, insbesondere wegen Untreue gemäß § 266 StGB, Tübingen, 2005; zit.: „Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht“. Saliger, Frank: Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2007, S. 545; zit.: „Saliger, Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte, in: NStZ 2007, 545“. Saliger, Frank: Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: Herzog, Felix/Neumann, Ulfrid (Hrsg.), Festschrift für Winfried Hassemer, Heidelberg, 2010, S. 599; zit.: „Saliger, Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht, in: FS Hassemer 2010, S. 599“. Saliger, Frank: Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 2000, S. 563; zit.: „Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, in: ZStW 2000, 563“. Sanders, Andrew/Young, Richard/Burton, Mandy: Criminal Justice, Oxford University Press, 4. Aufl. 2010; zit.: „Sanders/Young/Burton, Criminal Justice“. Satzger, Helmut/Schluckebier, Wilhelm/Widmaier, Gunter (Hrsg.): Kommentar zum StGB, Köln, 4. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier-StGB“. Satzger, Helmut: „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption – Eine Besprechung des Urteils BGH – 2 StR 587/07 (Siemens-Entscheidung), in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, 2009, S. 297; zit.: „Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, in: NStZ 2009, 297“. Sauer, Abraham: Fasciculus de Poenis vulgo, Straffbuch, Frankfurt a. M., 7. Aufl. 1594; zit.: „Sauer, Fasciculus de Poenis vulgo, Straffbuch“. Sauer, Wilhelm: Kriminalsoziologie – Zugleich eine systematische Einführung in die Weiterentwicklung und in die Hilfswissenschaften des Strafrechts. Mit zahlreichen Tafeln und statistischen Übersichten, Berlin, 1933; zit.: „Sauer, Kriminalsoziologie“. Schaefer, Hans/Baumann, Diethelm: Compliance-Organisation und Sanktion bei Verstößen, in: Neue Juristische Wochenschrift 2011, S. 3601; zit.: „Schaefer/Baumann, ComplianceOrganisation und Sanktion bei Verstößen, in: NJW 2011, 3601“. Scherp, Dirk: Internationale Tendenzen in der Geldwäschebekämpfung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1998, S. 81; zit.: „Scherp, Internationale Tendenzen in der Geldwäschebekämpfung, in: wistra 1998, 81“.
Literaturverzeichnis
397
Schimansky, Herbert/Bunte, Hermann-Josef/Lwowski, Hans-Jürgen (Hrsg.): BankrechtsHandbuch, München, 5. Aufl. 2017; zit.: „Bearbeiter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch“. Schlegel, Alexander: Werthaltungen inhaftierter Wirtschaftsdelinquenten, in: Schlegel, Alexander (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität und Werte – Theoretische Konzepte – Empirische Befunde – Praktische Lösungen – mit Beiträgen von Annette Kleinfeld, Alexander Schlegel, Reinhild Schwarte und Kenan Tur, Nordhausen, 2003, S. 113; zit.: „Schlegel, Werthaltungen inhaftierter Wirtschaftsdelinquenten, in: Schlegel, Wirtschaftskriminalität und Werte, S. 113“. Schlösser, Jan/Dörfler, Roman: Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2007, S. 326; zit.: „Schlösser/Dörfler, Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, in: wistra 2007, 326“. Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus (Hrsg.): Aktiengesetz (AktG) – Kommentar, Köln, 4. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: Schmidt/Lutter-AktG“. Schmitt, Bertram: Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht 2006, S. 125; zit.: „Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, in: BKR 2006, 125“. Schneider, Hendrik: Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns – Ein integrativer Ansatz zur Erklärung von Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2007, S. 555; zit.: „Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: NStZ 2007, 555“. Schneider, Hendrik: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Rölfs WP Partner AG (Hrsg.): Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4, Köln, 2009 (online verfügbar unter: http://www.roelfspartner.de/portaldata/1/resources/pdf/rp_stu die_wikri-studie_final.pdf); zit.: „Schneider, Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen – Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, S. 4“. Schnoor, Christian: Kants kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, Tübingen, 1989; zit.: „Schnoor, Kants kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns“. Schöch, Heinz: Empirische Grundlagen der Generalprävention, in: Vogler, Theo (Hrsg.): Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Halbband 2, Berlin, 1985, S. 1081; zit.: „Schöch, Empirische Grundlagen der Generalprävention, in: FS Jescheck 1985, Bd. II, S. 1081“. Schönke, Adolf/Schröder, Horst (Hrsg.): Strafgesetzbuch, Kommentar, München, 30. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: S/S-StGB“. Schramm, Edward: Untreue und Konsens, Berlin, 2005; zit.: „Schramm, Untreue und Konsens“. Schröder, Christian: Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, in: Neue Juristische Wochenschrift 2010, S. 1169; zit.: „Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen in: NJW 2010, 1169“.
398
Literaturverzeichnis
Schröer, Henning: Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Organmitglieder nach dem UMAG, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2005, S. 2081; zit.: „Schröer, Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Organmitglieder nach dem UMAG, in: ZIP 2005, 2081“. Schulz, Lorenz: Neues zum Bestimmtheitsgrundsatz – Zur Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 2010, in: Heinrich, Manfred/Jäger, Christian/Achenbach, Hans (Hrsg.): Strafrecht als Scientia Universalis – Festschrift für Claus Roxin zum 80. Geburtstag am 15. Mai 2011, Berlin, 2011, S. 305; zit.: „Schulz, Neues zum Bestimmtheitsgrundsatz – Zur Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 2010, in: FS Roxin 2011, S. 305“. Schumann, Heribert: Zum Notwehrrecht und seinen Schranken – OLG Hamm, NJW 1977, 590, in: Juristische Schulung 1979, S. 559; zit.: „Schumann, Zum Notwehrrecht und seinen Schranken, in: JuS 1979, 559“. Schünemann, Bernd: Die Unrechtsvereinbarung als Kern der Bestechungsdelikte nach dem KorrBekG, in: Dannecker, Gerhard (Hrsg.): Festschrift für Harro Otto zum 70. Geburtstag am 1. April 2007, S. 777; zit.: „Schünemann, Die Unrechtsvereinbarung als Kern der Bestechungsdelikte, in: FS Otto 2007, S. 777“. Schünemann, Bernd: Das Rechtsgüterschutzprinzip als Fluchtpunkt der verfassungsrechtlichen Grenzen der Straftatbestände und ihrer Interpretation, in: Hefendehl, Roland (Hrsg.): Die Rechtsgutstheorie – Legitimationsbasis des Strafrechts oder dogmatisches Glasperlenspiel?, Baden-Baden, 2003, S. 133; zit.: „Schünemann, Das Rechtsgüterschutzprinzip als Fluchtpunkt der verfassungsrechtlichen Grenzen der Straftatbestände und ihrer Interpretation, in: Hefendehl, Die Rechtsgutstheorie, S. 133“. Schünemann, Bernd: Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punk des Untreuetatbestand (Teil 2), in Strafverteidiger Forum 2010, S. 477; zit.: „Schünemann, Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punk des Untreuetatbestand (Teil 2), in: StraFo 2010, 477“. Schünemann, Bernd: Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue: dogmatischer Zauberhut oder taube Nuss?, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2005, S. 473; zit.: „Schünemann, Die „gravierende Pflichtverletzung“ bei der Untreue, in: NStZ 2005, 473“. Schünemann, Bernd: Kritische Anmerkungen zur geistigen Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 1995, S. 201; zit.: „Schünemann, Kritische Anmerkungen zur geistigen Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, in: GA 1995, 201“. Schünemann, Bernd: Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts, in: Kaufmann, Arthur (Hrsg.): Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag am 7. Dezember 1978, München, 1979, S. 117; zit.: „Schünemann, Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts, in: FS Bockelmann 1979, S. 117“. Schünemann, Bernd: Organuntreue – das Mannesmann-Verfahren als Exempel?, Berlin, 2004; zit.: „Schünemann, Organuntreue“. Schünemann, Bernd: Strafrechtssystem und Kriminalpolitik, in: Geppert, Klaus: Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag, Tübingen, 1992, S. 117; zit.: „Schünemann, Strafrechtssystem und Kriminalpolitik, in: FS Schmitt 1992, S. 117“.
Literaturverzeichnis
399
Schünemann, Bernd: The Sarbanes-Oxley Act of 2002: A German Perspective, in: Buffalo Criminal Law Review 2004 (Vol. 8), S. 35; zit.: „Schünemann, The Sarbanes-Oxley Act of 2002, in: 8 Buff. L. Rev. 35 (2004)“. Schünemann, Bernd: Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2012, S. 183; zit.: „Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, in: ZIS 2012, 183“. Schweiger, Theresa: Prozedurales Strafrecht – Zur Bedeutung von Verfahren und Form im Strafrecht, Baden-Baden, 2018; zit.: „Schweiger, Prozedurales Strafrecht“. Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie – eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, Heidelberg, 23. Aufl. 2016; zit.: „Schwind, Kriminologie“. Schwinge, Erich: Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht – ein Beitrag zur strafrechtlichen Methodenlehre, Bonn, 1930; zit.: „Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht“. Seier, Jürgen: Die Untreue (§ 266 StGB) in der Rechtspraxis, in: Bernsmann, Klaus/Ulsenheimer, Klaus (Hrsg.): Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafrechtsthemen – Vorträge anlässlich des Symposiums zum 70. Geburtstag von Gerd Geilen am 12./13. 10. 2001, Köln, 2003, S. 145; zit.: „Seier, Die Untreue in der Rechtspraxis, in: Geilen-Symposium 2001, S. 145“. Seier, Jürgen: Die Untreue als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann, Günter/Nestler, Cornelius/ Seier, Jürgen/Walter, Michael/Walther, Susanne/Weigend, Thomas (Hrsg.): Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert – Ringvorlesung der Strafrechtslehrerinnen und -lehrer an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, Berlin, 2004, S. 105; zit.: „Seier, Die Untreue als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann/Nestler/Seier/Walter/Walther/Weigend: Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 105“. Senge, Lothar: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, München, 5. Aufl. 2018; zit.: „Bearbeiter, in: KK-OWiG“. Shapiro, Susan. P.: Collaring the Crime, Not the Criminal: Reconsidering the Conceptof White-Collar Crime, in: American Sociological Review 1990 (Vol. 55), S. 346; zit.: „Shapiro, Collaring the Crime, Not the Criminal, in: 55 Am. Sociol. Rev. 346 (1990)“. Shavell, Steven M.: The Optimal Structure of Law Enforcement, in: The Journal of Law and Economics 1993 (Vol. 36), S. 255; zit.: „Shavell, The Optimal Structure of Law Enforcement, in: 36 J Law Econ 255 (1993)“. Shover, Neal/Coffey, Glenn S./Hobbs, Dick: Crime on the Line. Telemarketing and the Changing Nature of Professional Crime, in: British Journal of Criminology 2003 (Vol. 43), S. 489; zit.: „Shover/Coffey/Hobbs, Crime on the Line, in: 43 Brit. J. Criminol. 489 (2003)“. Shover, Neal/Hochstetler, Andy: The Production and Choice of Economic Crime, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 2007, S. 118; zit.: „Shover/Hochstetler, The Production and Choice of Economic Crime, in: MschrKrim 2007, 118“. Sidak, Gregory J: The Failure of Good Intentions: The WorldCom Fraud and the Collapse of American Telecommunications After Deregulation, in: Yale Journal on Regulation 2003
400
Literaturverzeichnis
(Vol. 20), S. 207; zit.: „Sidak, The Failure of Good Intentions: The WorldCom Fraud and the Collapse of American Telecommunications After Deregulation, in: 20 Yale J. on Reg. 207 (2003)“. Sieber, Ulrich: Compliance-Programme im Unternehmensstrafrecht – Ein neues Konzept zur Kontrolle von Wirtschaftskriminalität, in: Sieber, Ulrich u.a. (Hrsg.): Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, Köln/München, 2008, S. 449; zit.: „Sieber, Compliance-Programme im Unternehmensstrafrecht, in: FS Tiedemann 2008, S. 449“. Simpson, Sally S./Piquero, Nicole Leeper: Low Self-Control, Organizational Theory, and Corporate Crime, in: Law & Society Review 2002 (Vol. 36), S. 509; zit.: „Simpson/Piquero, Low Self-Control, Organizational Theory, and Corporate Crime, in: 36 Law & Soc’y Rev. 509 (2002)“. Smeddinck, Ulrich: Informationsfreiheit versus Dienstgeheimnis, in: Neue Justiz 2004, S. 56; zit.: „Smeddinck, Informationsfreiheit versus Dienstgeheimnis, in: NJ 2004, 56“. Sonden, Julius von: Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands, Frankfurt, 2. Aufl. 1792; zit.: „Sonden, Geist der peinlichen Gesetzgebung Teutschlands“. Sonnenfels, Joseph von: Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, Wien, 1766 (zum Gebrauche akademischer Vorlesungen ausgearbeitet von Franz Xaver von Moshamm, Tübingen, 3. Aufl. 1820); zit.: „Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (Edition Moshamm 1820)“. Sowada, Christoph: Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, Berlin, 2002; zit.: „Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren“. Spendel, Günter: Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, in: Esser, Josef (Hrsg.): Festschrift für Fritz von Hippel zum 70. Geburtstag, Tübingen, 1967, S. 491; zit.: „Spendel, Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, in: FS von Hippel 1967“. Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard: Kommentar zum Aktiengesetz, München, 4. Aufl. 2019; zit.: „Bearbeiter, in: Spindler/Stilz-AktG“. Spivack, Peter/Raman, Sujit: Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: American Criminal Law Review 2008 (Vol. 45), S. 159; zit.: „Spivack/Raman, Regulating the „New Regulators“: Current Trends in Deferred Prosecution Agreements, in: 45 Am. Crim. L. Rev. 159 (2008)“. Sternberg-Lieben, Detlev: Rechtsgut, Verhältnismäßigkeit und die Freiheit des Strafgesetzgebers, in: Hefendehl, Roland (Hrsg.): Die Rechtsgutstheorie – Legitimationsbasis des Strafrechts oder dogmatisches Glasperlenspiel?, Baden-Baden, 2003, S. 65; zit.: „Sternberg-Lieben, Rechtsgut, Verhältnismäßigkeit und die Freiheit des Strafgesetzgebers, in: Hefendehl, Die Rechtsgutstheorie, S. 65“. Stintzing, Johann August Roderich von: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1. Abteilung [für die 3. Abteilung siehe unter Landsberg, Ernst: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft] (Bis zur Hälfte des 17. Jahrhunderts), München, 1880; zit.: „Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1. Abteilung“. Stintzing, Johann August Roderich von: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2. Abteilung [für die 3. Abteilung siehe unter Landsberg, Ernst: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft] (Hälfte des 17. Jahrhunderts), München, 1884; zit.: „Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2. Abteilung“.
Literaturverzeichnis
401
Strate, Gerhard: Untreuetatbestand verstößt nicht gegen Bestimmtheitsgebot, in: Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht 2010, S. 422; zit.: „Strate, Untreuetatbestand verstößt nicht gegen Bestimmtheitsgebot, in: GWR 2010, 422“. Strelczyk, Christoph: Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen – eine Untersuchung zur schadensgleichen Vermögensgefährdung sowie zur objektiven Zurechnung finanzieller Sanktionen infolge schwarzer Kassen als Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB, Herbolzheim, 2008; zit.: „Strelczyk, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen“. Stryk, Samuel: Usus Modernus Pandectarum, Band I bis IV, Halle, 1713; zit.: „Stryk, Usus Modernus Pandectarum, Bd.“. Stühler, Hubert: Die actio libera in causa de lege lata und de lege ferenda: eine Analyse von Rechtsprechung und Literatur verbunden mit einem Gesetzgebungsvorschlag, Würzburg, 1999; zit.: „Stühler, Die actio libera in causa de lege lata und de lege ferenda“. Sturm, Fritz/Sturm, Gudrun: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Berlin, 2012; zit.: „Bearbeiter, in: StaudingerBGB“. Sutherland, Edwin Hardin: White Collar Crime, Dryden Press, 1949; zit.: „Sutherland, White Collar Crime“. Sutherland, Edwin Hardin: White Collar Criminality, in: American Sociological Review 1940 (Vol. 5), S. 1; zit.: „Sutherland, White Collar Criminality, in: 5 Am. Sociol. Rev. 1 (1940)“. Techmeier, Ingo: Korruptionsentstehung und Korruptionsbekämpfung aus der Unternehmensperspektive, in: Neue Kriminalpolitik 2006, S. 82; zit.: „Techmeier, Korruptionsentstehung und Korruptionsbekämpfung aus der Unternehmensperspektive, in: Neue Kriminalpolitik 2006, 82“. Terstegen, Otto: Die sogenannte „Weiße-Kragen-Kriminalität“ unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches, in: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Strafrechtspflege und Strafrechtsreform, S. 81, Wiesbaden, 1962; zit.: „Terstegen, Die sogenannte „Weiße-Kragen-Kriminalität“, in: BKA, Strafrechtspflege und Strafrechtsreform, S. 81“. Theile, Hans: Strafbarkeitsrisiken der Unternehmensführung, in: Zeitschrift für Wirtschaftsund Steuerstrafrecht 2010, S. 457; zit.: „Theile, Strafbarkeitsrisiken der Unternehmensführung, in: wistra 2010, 457“. Theile, Hans: Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren, Tübingen, 2009; zit.: „Theile, Wirtschaftskriminalität und Strafverfahren“. Theisen, Manuel René: Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, Stuttgart, 4. Aufl. 2007; zit.: „Theisen, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats“. Thelen, Peter J.: Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht, Düsseldorf 1981; zit.: „Thelen, Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsdelinquenz aus ökonomischer Sicht“. Theusinger, Ingo/Liese, Jens: Besteht eine Rechtspflicht zur Dokumentation von Risikoüberwachungssystemen i.S. des § 91II 1 AktG?, in: Neue Zeitschrift für Gesellschafts-
402
Literaturverzeichnis
recht 2008, S. 289; zit.: „Theusinger/Liese, Rechtspflicht zur Dokumentation von Risikoüberwachungssystemen, in: NZG 2008, 289“. Thompson, Larry D.: Memorandum to Heads of Department Components and United States Attorneys from the Deputy Attorney General on Principles of Federal Prosecution of Business Organizations, Office of the Attorney General, 2003; zit.: „Thompson, Memorandum to Heads of Department Components and United States Attorneys from the Deputy Attorney General on Principles of Federal Prosecution of Business Organizations, 2003“. Tiedemann, Klaus: Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 25. 1. 2012 – 1 StR 45/11, in: Juristenzeitung 2012, S. 525; zit.: „Tiedemann, Anm. zu BGH, Beschl. v. 25. 1. 2012 – 1 StR 45/11, in: JZ 2012, 525“. Tiedemann, Klaus: Der Untreuetatbestand – ein Mittel zur Begrenzung von Managerbezügen? – Bemerkungen zum „Fall Mannesmann“, in: Heinrich, Bernd (Hrsg.): Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag, 18. September 2004, Bielefeld, 2004, S. 319; zit.: „Tiedemann, Der Untreuetatbestand – ein Mittel zur Begrenzung von Managerbezügen, in: FS Weber 2004, S. 319“. Tiedemann, Klaus: Handhabung und Kritik des neuen Wirtschaftsstrafrechts – Versuch einer Zwischenbilanz, in: Harnack, Ernst-Walter (Hrsg.): Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag am 12. Juni 1982, Berlin, 1982, S. 519; zit.: „Tiedemann, Handhabung und Kritik des neuen Wirtschaftsstrafrechts, in: FS Dünnebier 1982, S. 519“. Tiedemann, Klaus: Subventionskriminalität in der Bundesrepublik – Erscheinungsformen, Ursachen, Folgerungen, Reinbek, 1974; zit.: „Tiedemann, Subventionskriminalität in der Bundesrepublik“. Tiedemann, Klaus: Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag, 1972; zit.: „Tiedemann, Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität – Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag 1972“. Tiedemann, Klaus: Wirtschaftsstrafrecht – Besonderer Teil mit wichtigen Rechtstexten, München, 3. Aufl. 2011; zit.: „Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT“. Tiedemann, Klaus: Wirtschaftsstrafrecht – Einführung und Allgemeiner Teil mit wichtigen Rechtstexten, Köln, 4. Aufl. 2014; zit.: „Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT“. Tiedemann, Klaus: Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Band 1: Allgemeiner Teil, Reinbek, 1976; zit.: „Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. I“. Tilch, Horst (Hrsg.): Deutsches Rechts-Lexikon, Band 1, München, 3. Aufl. 2001; zit.: „Bearbeiter, in: Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. I“. U.S. Department of Justice, Federal Bureau of Investigation (Hrsg.): White Collar Crime: A Report to the Public, 1989; zit.: „U.S. Department of Justice, FBI, White Collar Crime: A Report to the Public“. Vigel, Nicolaus: Constitutiones Carolinae Publicorum Judiciorum, Basel, 4. Aufl. 1613; zit.: „Vigel, Constitutiones Carolinae Publicorum Judiciorum“.
Literaturverzeichnis
403
Vogel, Joachim: Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 11. 11. 2004 – 5 StR 299/03, in: Juristische Rundschau 2005, S. 114; zit.: „Vogel, Anm. zu BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 – 5 StR 299/03, in: JR 2005, 114“. Vogel, Joachim: Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht – Wege zu einer diskurstheoretischen Legitimation strafbewehrter Verhaltensnormen im Besonderen Teil des Strafrechts, Habil., Freiburg, 1999; zit.: „Vogel, Legitimationsprobleme im Betrugsstrafrecht“. Vogel, Joachim: Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, Berlin, 1993; zit.: „Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten“. Vogel, Joachim: Strafrecht und Strafrechtswissenschaft im internationalen und europäischen Rechtsraum, in: Juristen Zeitung 2012, S. 25; zit.: „Vogel, Strafrecht und Strafrechtswissenschaft im internationalen und europäischen Rechtsraum, in: JZ 2012, 25“. Vogel, Joachim: Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: Pawlik, Michael (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, Köln, 2007, S. 731; zit.: „Vogel, Wertpapierhandelsstrafrecht – Vorschein eines neuen Strafrechtsmodells?, in: FS Jakobs 2007, S. 731“. Vold, George B./Bernard, Thomas J./Snipes, Jeffrey B.: Theoretical Criminology, Oxford University Press, 1997; zit.: „Vold/Bernard/Snipes, Theoretical Criminology“. Volk, Klaus: Kriminalpolitik und Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizei und Kriminalpolitik, BKA-Vortragsreihe, Band 26 (1981), S. 57; zit.: „Volk, Kriminalpolitik und Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in: BKA, Polizei und Kriminalpolitik, BKA-Vortragsreihe, Band 26 (1981) S. 57“. Volk, Klaus (Hrsg.): Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, München, 2006; zit.: „Bearbeiter, in: Volk, Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen“. Wächter, Carl Georg von: Gemeines Recht Deutschlands – insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, Leipzig, 1844; zit.: „Wächter, Gemeines Recht Deutschlands“. Waßmer, Martin Paul: Untreue bei Risikogeschäften, Heidelberg, 1997; zit.: „Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften“. Wattenberg, Andreas/Gehrmann, Philipp: Zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils im Untreuetatbestand – Der „bilanzielle Ansatz“ des Bundesverfassungsgerichts, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 2010, S. 507; zit.: „Wattenberg/Gehrmann, Zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils im Untreuetatbestand, in: ZBB 2010, 507“. Weber, Ulrich: Rücktritt vom vermögensgefährdenden Betrug, in: Sieber, Ulrich (Hrsg.): Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen – Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, München, 2008, S. 637; zit.: „Weber, Rücktritt vom vermögensgefährdenden Betrug, in: FS Tiedemann, 2008, S. 637“. Weber, Ulrich: Strafaufhebende Rückwirkungen des Zivilrechts?, in: Duttge, Gunnar (Hrsg.): Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter, Köln, 2002, S. 243; zit.: „Weber, Strafaufhebende Rückwirkungen des Zivilrechts?, in: GS Schlüchter 2002, S. 243“. Weber, Ulrich: Überlegungen zur Neugestaltung des Untreuestrafrechts, in: Jescheck, HansHeinrich (Hrsg.): Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag am 29. April 1977,
404
Literaturverzeichnis
Berlin, 1977, S. 555; zit.: „Weber, Überlegungen zur Neugestaltung des Untreuestrafrechts, in: FS Dreher 1977, S. 555“. Weber, Ulrich: Zum bedingten Vorsatz bei der vermögensgefährdenden Untreue – Bemerkung zum Kanther-Urteil des BGH, in: Müller, Henning Ernst/Sander, Günther M./ Válková, Helena (Hrsg.): Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 70. Geburtstag, München, 2009, S. 371; zit.: „Weber, Zum bedingten Vorsatz bei der vermögensgefährdenden Untreue, in: FS Eisenberg 2009, S. 371“. Weigend, Thomas: Bewältigung von Beweisschwierigkeiten durch Ausdehnung des materiellen Strafrechts?, in: Schmoller, Kurt (Hrsg.): Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag, Wien, 1996, S. 695; zit.: „Weigend, Bewältigung von Beweisschwierigkeiten durch Ausdehnung des materiellen Strafrechts?, in: FS Triffterer 1996, S. 695“. Weigend, Thomas: Strafzumessung durch den Staatsanwalt? Lösbare und unlösbare Probleme bei der Verfahrenseinstellung unter Auflagen (§ 153a StPO), in: Kriminologisches Journal 1984, S. 8; zit.: „Weigend, Strafzumessung durch den Staatsanwalt bei Einstellung nach § 153a StPO, in: Kriminologisches Journal 1984, 8“. Weik, Beate: Objektive und subjektive Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, Freiburg i.Br., 2004; zit.: „Weik, Objektive und subjektive Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht“. Weimann, Thomas: Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB (Untreue), Tübingen, 1996; zit.: „Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB“. Weisburd, David/Waring, Elin: White-collar crime and criminal careers, Cambridge University Press, 2001; zit.: „Weisburd/Waring, White-collar crime and criminal careers“. Welke, Wanja: Mandatory sentencing – Ein kritischer Bericht über die Tendenzen zu absoluten Strafen im Rechtsbereich, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2002, S. 207; zit.: „Welke, Mandatory sentencing, in: ZRP 2002, 207“. Welzel, Hans: Das deutsche Strafrecht – eine systematische Darstellung, Berlin, 11. Aufl. 1969, zit.: „Welzel, Das deutsche Strafrecht“. Wenzel, Andreas: MaRisk: Mehr Transparenz zu Chancen und Risiken in Kreditinstituten, in: Der Aufsichtsrat 2007, S. 138; zit.: „Wenzel, MaRisk, in: Der Aufsichtsrat 2007, 138“. Wesenbec, Matthaeus: Paratitla in Pandectas juris civilis, Basel, 1566; zit.: „Wesenbec, Paratitla in Pandectas juris civilis“. Wessels, Johannes/Beulke, Werner/Satzger, Helmut: Strafrecht Allgemeiner Teil, München, 49. Aufl. 2019; zit.: „Wessels/Beulke/Satzger“. Wessels, Johannes/Hillenkamp, Thomas/Schuhr, Jan: Strafrecht, Besonderer Teil 2 – Straftaten gegen Vermögenswerte – mit höchstrichterlichen Entscheidungen, Heidelberg, 42. Aufl. 2019; zit.: „Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT/2“. Wessing, Jürgen: Compliance – oder wie sich der Staat aus der Kriminalprävention stiehlt, in: Hassemer, Winfried (Hrsg.): In dubio pro libertate – Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag, München, 2009, S. 867; zit.: „Wessing, Compliance, in: FS Volk 2009, S. 867“.
Literaturverzeichnis
405
Wessing, Jürgen/Krawczk, Lucian: Der Untreueparagraph auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2010, S. 1121; zit.: „Wessing/ Krawczk, Der Untreueparagraph auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand, in: NZG 2010, 1121“. Wessing, Jürgen/Krawczyk, Lucian: Grenzen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses bei der Untreue, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2011, S. 1297; zit.: „Wessing/Krawczyk, Grenzen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses bei der Untreue, in NZG 2011, 1297“. Westphal, Helmut: Untreue (auf Grund der Neufassung des § 266 StGB) und Unterschlagung unter Berücksichtigung der Entwürfe zu einem allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch, Tübingen, 1933; zit.: „Westphal, Untreue und Unterschlagung unter Berücksichtigung der Entwürfe zu einem allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch“. Willke, Helmut: Ironie des Staates – Grundlinien einer Staatstheorie polyzentrischer Gesellschaft, Frankfurt a. M., 1992; zit.: „Willke, Ironie des Staates“. Windolph, Jürgen: Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG); ius cogens für die treuhänderische Sorge i.S. von § 266 StGB – Untreue?, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2000, S. 522; zit.: „Windolph, Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach KonTraG, in: NStZ 2000, 522“. Wittig, Petra: Der rationale Verbrecher – der ökonomische Ansatz zur Erklärung kriminellen Verhaltens, Passau, 1992; zit.: „Wittig, Der rationale Verbrecher“. Wolf, Erik: Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, Tübingen, 4. Aufl. 1963; zit.: „Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte“. Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum StGB, Köln, 9. Aufl. 2017; zit.: „Bearbeiter, in: SK-StGB“. Wray, Christopher A./Hur, Robert K.: Corporate Criminal Prosecution in a Post-Enron World: The Thompson Memo in Theory and Practice, in: American Criminal Law Review 2006 (Vol. 43), S. 1095; zit.: „Wray/Hur, Corporate Criminal Prosecution in a Post-Enron World: The Thompson Memo in Theory and Practice, in: 43 Am. Crim. L. Rev. 1095 (2006)“. Wrede, Heinrich-Joachim: Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 – eine historische und dogmatische Untersuchung, Berlin, 1939; zit.: „Wrede, Die Untreue von der Peinlichen Gerichtsordnung 1532 bis zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871“. Ziercke, Aktuelle Entwicklungen der Wirtschaftskriminalität, Rede auf der BKA-Herbsttagung 2008, online verfügbar unter: http://www.bka.de/nn_193606/SharedDocs/Down loads/DE/Publikationen/Herbsttagungen/2008/herbsttagung2008zierckeLangfass un g,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/herbsttagung2008zierckeLangfassung. pdf, zit.: „Ziercke, Aktuelle Entwicklungen der Wirtschaftskriminalität, Rede auf der BKA-Herbsttagung 2008“. Zieschang, Frank: Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, in: Hirsch, Hans Joachim (Hrsg.): Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag, Köln, 2003, S. 351; zit.: „Zieschang, Strafbarkeit
406
Literaturverzeichnis
des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, in: FS Kohlmann 2003, S. 351“. Zirpins, Walter/Terstegen, Otto: Wirtschaftskriminalität – Erscheinungsformen und ihre Bekämpfung, Lübeck, 1963; zit.: „Zirpins/Terstegen, Wirtschaftskriminalität“. Zoepfl, Heinrich: Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. – nebst der Bamberger und der Brandenburger Halsgerichtsordnung sämmtlich nach den ältesten Drucken und mit den Projecten der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. von den Jahren 1521 und 1529, Leipzig und Heidelberg, 3. Aufl. 1883; zit.: „Zoepfl, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V.“. Zoller, Hans: Ausdehnung und Einschränkung des Untreuebegriffs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts – Zugleich ein Vorschlag de lege ferenda, in: Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 407, Breslau-Neukirch, 1940, S. 5; zit.: „Zoller, Ausdehnung und Einschränkung des Untreuebegriffs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 407, S. 5“.
Stichwortverzeichnis Absolute Prozeduralität 127 Affektdelikt 98, 112 Anfangsverdacht 26, 261 f. ARAG/Garmenbeck (Urteil) 170 ff. Asset-Backed-Securities 191 Auffangtatbestand 33, 257 f., 312 Autopoiesis 117, 153, 156 ff. Basel II 180 Bestimmtheitsgrundsatz 318, 325, 327, 367 Bremer Vulkan (Urteil) 214, 218, 226 Buchführungspflichten 212, 287 Buchhaltungswahrheit 207 Bundesanstalt für finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 180, 190 Business Judgment Rule 169, 171 ff., 193, 230, 296 ff. 310 Cash-Management-System (Cash Pool) 215, 217 Code 32, 117, 149, 153 ff., 315 Compliance 33, 169, 226, 234 ff., 242, 269, 281, 285, 287, 291, 293, 295 f., 299 ff., 311 f., 329, 343, 364 Compliance Officer 231 f. Contrectatio ficta 54, 56 f., 71 Contrectatio vera 54, 56 ff. Criminal Compliance 33, 169, 226, 269, 311 f. Criminal strict liability 280 ff. Dauerdelikt 211 Deutscher Corporate Governance Kodex 232 ff., 330 Dilemmasituationen 129, 161 D&O-Versicherung 170 Dokumentation 38, 100, 175, 187, 190, 208, 236, 271, 297 Dokumentationspflicht 203, 208 f., 306 Drittwirkung von Transparenz 362 Dunkelziffer 119
Earning and burning money 91 Effektuierter Schaden 234, 254 Eigennützigkeit 185 Endgültiger Vermögensnachteil/Schaden 186, 206, 210, 250 ff., 261, 266 Endursache 46 Entdeckungsrisiko 92, 96, 98 Entdeckungswahrscheinlichkeit 98, 114 Entlastung der Justiz 357 Entmaterialisierung 355, 134 f., 244 Entscheidungen in Unsicherheit 139 Entscheidungsschema 140, 148, 150, 166, 266, 272, 316, 366 Entscheidungsdilemma 136, 163 Ermessensspielraum 110, 179, 200 f. Existenzgefährdender Eingriff 192, 217, 220, 224, 226 Externe Transparenz 37, 39 f., 270 f., 290, 292 f., 301, 352 Federal sentencing guidelines 34, 281, 294 f., 338 ff. Fehlsubsumption 150 Festnahmerecht 104 Formalverstoß 189, 247, 311 Fortlaufende Transparenz 40, 347, 362 Fraud triangle 93 Freedom of Information Act (FIOA) 270 Fristentransformation 192 Furtum 49, 53 ff., 65 ff. Gatekeeper 291 ff., 296, 303 Gelegenheitsergreifer 97 Gelegenheitssucher 95, 97 Generalprävention 114, 287 Gesamtsaldierung 249 Gläubigerschutz 220 ff. Globalisierung 26, 111 f., 122, 239, 269 Good corporate citizen 196 Goodwill 196 Grounded theory 80
408
Stichwortverzeichnis
Hazard-Entscheidung 172 Hindsight bias 193 HSH-Nordbank (Urteil) 178 Inchoate offenses 288 f. Indifferente Tathandlung 37, 105, 112, 279, 288, 351 f. Informationsasymmetrie 39, 97, 99 f. Institutioneller Vermögensbegriff 256 Intelligenzdelikt 98, 112 Kick-back 90 Kölner Parteispendenskandal (Urteil) 244 Kompensationslose Anerkennungsprämie 201 f. Komplexes normatives Tatbestandsmerkmal 246 Komplexitätsreduktion 67, 158 ff., 193, 310, 315 Kontrolldefizit 96 Kontrollparadoxon 119 Kontrollvakuum 102, 282 Kreditgewährung 180 ff., 188, 310 Kriminalstatistik 123, 118 f. Latenz
119, 121, 159
Malum in se crime 272, 275, 290 Malum prohibitum crime 30, 272, 275, 279, 282, 290 Mannesmann (Urteil) 201 MaRisk 180 Mäzenatentum 196 Mittelbarer Rechtsgüterschutz 135 Mitverantwortlichkeit des Opfers 67 ff., 101, 242 Neutralisationstechnik 94 Notlagenorientiertes Diskursmodell 133 ff. Nützliche Aufwendungen 204, 260 Opfermitverantwortung 76 ff., 101, 242 Organuntreue 90, 220, 242 Over deterrence 27 Politische Hindernisse 26 Polizeiliche Kriminalstatistik 118 f., 123 Principal agent theory 99 ff.
Rational choice Modell 27, 97 ff., 114, 271 Rechtsanwendungsregeln 132 Rechtsgutschutz ”à la longue” 138, 353 Reflexives Recht 38, 221 Regulatory crimes 275, 281 ff., 288, 290, 294 RICO Act 288 Risikoerhöhungslehre 347 f. Risikogeschäft 33, 112, 168 f., 183, 192, 252, 255 Risk seeker 95 Risk taker 95 Routine activity approach 94 ff. Rückschaufehler 297 Safe harbor 34, 171, 173, 177 f., 235, 296, 310 Schattenkassen 210 Scheinlegal 85, 105 f. Schwarze Kasse 23, 33, 90, 203 ff., 259 f., 311, 334, 338 Schwerpunktstaatsanwaltschaft 120 f. Selbstregulatorische Prozeduren 128, 240 Sentencing guidelines 281, 294 ff., 338 ff. Shareholder value 27 Siemens-AUB (Beschluss) 244 Siemens-Urteil 23, 244 Sonderbeziehung 52, 65, 67 f., 72 f. Sonderdelikt 87 Special opportunity crime 98, 115 Spenden/Unternehmensspenden/Sponsoring 33, 194, 196, 198, 244 Spezifisches Nichtwissen 48, 130, 139, 142, 161 SSV Reutlingen (Urteil) 194 f. Steuerungstheorie 116 Strafantrag 344 f. Straffreier Raum 131 Strafmilderung 55, 68, 235, 242, 293, 295 f., 331 f., 336, 340 Strafzumessung 146, 242, 280 f., 289, 294, 296, 331, 335 ff. Strain theory 94 f. Tatgelegenheit 87, 96, 100, 102, 113, 115 Tätige Reue 332 ff. Tendenzielle Prozeduralisierung 129, 134
Stichwortverzeichnis Treuhand 66, 304, 320 Treuhandanstalt 122, 214 ff. Überindividuale Opfer 113 ff. Ultima-ration Prinzip 101, 350 f. Unternehmerisches Ermessen 170 ff., 175 f., 179, 200 ff., 210, 297 Unterschlagung 49, 51, 60 ff., 107, 121 Up-the-ladder Reporting 293 USA PATRIOT Act 277 Utilitarismus 26, 30, 272 f., 354 Verfahrensverstoß 134 f. Verflüchtigte Opfereigenschaft 84, 103, 119 Verschleierung 103, 109, 205 f., 264, 290, 302 ff. Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen 162, 202 f., 245, 312, 318, 324 ff.
409
Verständigung im Strafprozess (Deal) 237 ff. Verteidigungsstrategie 227 Vier-Augen-Prinzip 228 Vorverlagerung der Strafbarkeit 253 f., 323, 336 f. Vorzeitige Verfahrensbeendigung 241 Wahrnehmungsfilter 95 White-collar crime 76 f., 82 f., 91, 93, 271, 280 ff. Wirkursache 64 Wirtschaftskriminologie 32, 75, 79, 101 Wirtschaftsstrafrecht 26, 31, 116, 300 f., 332 Zeitliches Distanzdelikt
251 f., 256