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German Pages 216 [217] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 313 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Sebastian von Allwörden
US-Terrorlisten im deutschen Privatrecht Zur kollisions- und sachrechtlichen Problematik drittstaatlicher Sperrlisten mit extraterritorialer Wirkung
Mohr Siebeck
Sebastian von Allwörden, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und Stockholm; 2011–2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht der Universität Kiel; 2014 Promotion; seit 2013 Referendar am Kammergericht Berlin.
e-ISBN PDF 978-3-16-153275-7 ISBN 978-3-16-153274-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Vorwort Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Bis Ende 2013 erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zunächst Frau Prof. Dr. Dorothee Einsele, die mich während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl stets mit Anregungen und hilfreichen Diskussionen zu dem Thema unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow für die Aufnahme des Titels in die Reihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“. Mein persönlicher Dank für die Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Hinweise gilt meinem Bruder, Benjamin von Allwörden, sowie Stephanie Madeleine Bialluch. Ein ganz besonderer Dank gilt zudem Dr. Ole Sachtleber, der mich – weit über die Durchsicht dieser Arbeit hinaus – in meinem bisherigen juristischen Werdegang gefördert hat. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Vater, der mir bei meinem Vorhaben stets zur Seite stand. Unverzichtbar für meinen bisherigen und weiteren Weg war auch die liebevolle Unterstützung meiner Mutter. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, März 2014
Sebastian von Allwörden
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
A. Einleitung und Gang der Untersuchung .................................................... 1 B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten ............................ 4 C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten .........................16 D. Drittstaatliche Sperrlisten ........................................................................34 E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im Internationalen Privatrecht..................................................................62 F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht ....................................................................... 141 G. Gesamtergebnis und Ausblick ............................................................... 171
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort ......................................................................................................... V Inhaltsübersicht .......................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV
A. Einleitung und Gang der Untersuchung .............................................. 1 B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten .................... 4 I. Begriff des Terrorismus ..................................................................... 4 II. Besonderheiten des internationalen radikalislamischen Terrorismus ........................................................................................ 7 III. Finanzieller Bedarf terroristischer Vereinigungen .............................. 8 IV. Quellen der Terrorismusfinanzierung ............................................... 10 V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten ......................................... 11 1. Transfer der Finanzmittel durch Terrororganisationen ...................12 2. Funktionsweise und tatsächlicher Erfolg von Sperrlisten ...............13
C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten .................16 I.
Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban ..................................... 17 1. UN-Finanzsanktionen gegen al-Qaida und die Taliban ..................17 a. Rechtsgrundlage für Individualsanktionen des Sicherheitsrates ...................................................................18 b. Listungsverfahren des UN-Sanktionsausschusses ......................19 2. Umsetzung durch die Europäische Union ......................................21 3. Inhaltliche Vorgaben und Rechtsfolgen .........................................22 a. Zivilrechtliche Reichweite .........................................................23 b. Sonstige Rechtsfolgen ...............................................................25 4. Grundrechtliche Problematik und Rechtsschutz .............................26 a. Überprüfbarkeit anhand von Gemeinschaftsgrundrechten ..............................................................................26 b. Betroffene Grundrechte .............................................................27 c. Rechtswege................................................................................29
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Inhaltsverzeichnis
II. Sanktionsregimes gegen sonstigen Terrorismus ............................... 30 III. Zwischenergebnis............................................................................. 32
D. Drittstaatliche Sperrlisten ....................................................................34 SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control .................................................................................. 35 1. Rechtgrundlagen der SDN-Terrorliste ...........................................36 a. Executive Order Nr. 13.224 .......................................................36 (1) Rechtsform der presidential executive order ........................37 (2) Rechtsgrundlage der Executive Order 13.224 ......................38 b. Der USA PATRIOT Act ............................................................42 2. Zustandekommen und Verwaltung der SDN-Liste .........................44 3. Inhaltliche Reichweite der Terrorsperrliste des Office of Foreign Assets Control ..............................................................47 a. „Blockade“ der Vermögenswerte Gelisteter ...............................48 b. Transaktions- und Geschäftsverbote gegenüber Gelisteten ........50 4. Adressatenkreis der Verbote ..........................................................52 a. „United States persons“ .............................................................52 b. „[…] any transaction or dealing […] within the United States“ 54 c. Sonderproblem: US-Dollar-Transaktionen .................................55 5. Rechtsfolgen bei Verstößen ...........................................................57 6. Fazit: Bedeutung der US-Terrorsperrliste für Sachverhalte mit deutschem Forum ....................................................................59 II. Zwischenergebnis: Das Problem drittstaatlicher Terrorlisten im deutschen Privatrecht .................................................................. 61 I.
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im Internationalen Privatrecht .............................................................62 I.
Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ........ 63 1. Entstehungsgeschichte ...................................................................65 a. Rechtslage bis 2009 ...................................................................66 (1) Einheitsanknüpfung nach der Schuldstatutstheorie ..............66 (2) Machttheorie ........................................................................68 (3) Territorialitätsprinzip ...........................................................68 (4) Sonderanknüpfung und Kumulationstheorie ........................69 (5) Lösung der Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Rom I-VO ......................................................................71 (6) Fazit zur Rechtslage bis 2009 ..............................................71 b. Entstehung des Art. 9 Rom I-VO ...............................................72 2. Begriff der Eingriffsnorm gem. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO...............74 a. Auslegungsmaßstab ...................................................................75
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b. Einzelne Merkmale von Eingriffsnormen ..................................76 (1) Zwingende Vorschrift ..........................................................77 (2) Besonderer Zweck ...............................................................78 (i) Anforderungen an den besonderen Zweck gem. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO .......................................78 (ii) Sonderprivatrecht als Eingriffsrecht i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ................................................80 c. Kontrolle der Vereinbarkeit von Eingriffsnormen mit europäischen Grundwerten?.................................................81 (1) Kontrolle anhand europäischer Grundfreiheiten des AEUV ...........................................................................82 (2) Spezielle Missbrauchskontrolle für Eingriffsrecht ...............83 (3) Stellungnahme .....................................................................85 (4) Bedeutung für die US-amerikanische SDN-Liste .................88 3. Eingriffsnormen der lex causae .....................................................89 a. Meinungsstand ...........................................................................89 b. Stellungnahme ...........................................................................92 c. Bedeutung für die Problematik der US-Terrorliste .....................93 4. Eingriffsnormen des Erfüllungsortes .............................................93 a. Bestimmung eines (rechtlichen) Erfüllungsortes im Einklang mit Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO ................................94 b. Bestimmung eines (rechtlichen) Erfüllungsortes nach der lex causae oder der lex fori ..........................................97 c. Einheitlicher Erfüllungsort oder Maßgeblichkeit der jeweiligen Verpflichtung? .................................................. 100 d. Bestimmung eines tatsächlichen Erfüllungsortes ..................... 102 e. Stellungnahme ......................................................................... 103 f. Erfüllungsort bei der US-Terrorliste ........................................ 108 5. Unrechtmäßigkeit der Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ........................................................................ 109 a. Auslegungsmöglichkeiten des Tatbestandsmerkmals der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung......................................... 109 b. Stellungnahme ......................................................................... 114 c. Unrechtmäßigkeit der Erfüllung aufgrund von Sanktionslisten .................................................................. 119 6. Eingriffsrecht und ordre public-Vorbehalt ................................... 120 7. Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ................................... 121 a. Ermessen und inhaltliche Abwägung ....................................... 121 (1) „Art und Zweck dieser Normen“........................................ 122 (2) Abwägung der Folgen von Anwendung und Nichtanwendung ......................................................... 124 b. „Wirkung verleihen“ ................................................................ 125
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c. Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Hinblick auf die US-Terrorliste .............................................................. 127 8. Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegenüber materiellrechtlicher Berücksichtigung der Wirkung einer Eingriffsnorm? .................................................................... 130 9. Ergebnis zur Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ...................................................... 133 II. Kollisionsrechtliche Berücksichtigung drittstaatlicher Terrorsperrlisten in außervertraglichen Schuldverhältnissen .......... 135 III. Terrorsperrlisten als Devisenkontrollbestimmungen gem. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen ................................. 136 IV. Ergebnis zur kollisionsrechtlichen Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten .............................................................. 139
F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht.................................................................... 141 I.
Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit Gelisteten ........................... 142 1. Gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB ......................................... 142 2. Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB ..................................... 143 a. Konkretisierungsansätze des Sittenverstoßes und Berücksichtigung ausländischer Normen .......................... 143 b. Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen die SDN-Liste des OFAC ................................................................................ 145 II. Vertragliche Regelungen bei US-Dollar-Geschäften in den AGB-Banken und AGB-Sparkassen .................................... 147 III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht .............................................. 149 1. Ausschluss der Leistungspflicht gem. § 275 BGB ....................... 150 a. Relevante Sachverhaltskonstellationen .................................... 151 b. Keine Anwendung des § 275 BGB auf Geldschulden? ............ 152 c. Bisherige Lösungsansätze für die Behandlung ausländischer Verbotsnormen im System des § 275 BGB .............................. 153 (1) Rechtliche Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB ........... 153 (2) Unzumutbarkeit der Leistung ............................................. 155 (i) Tatbestandliche Eignung des § 275 Abs. 2 BGB und Abgrenzung zu § 313 BGB ................................... 156 (ii) Die Unzumutbarkeit der Leistungserbringung bei Verstoß gegen die US-Terrorliste .......................... 157 d. Stellungnahme und Bedeutung für die SDN-Sperrliste ............ 158 2. Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB wegen Listung des Gläubigers auf der SDN-Terrorliste ............... 162 a. Tatbestand ............................................................................... 162 (1) Geschäftsgrundlage............................................................ 163
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(2) Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag ....................................................... 165 b. Rechtsfolge .............................................................................. 167 IV. Ergebnis zur materiellrechtlichen Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten .............................................................. 169
G. Gesamtergebnis und Ausblick........................................................... 171 Anhang ....................................................................................................... 175 I. Executive Order 13.224.................................................................. 175 II. 31 CFR § 501.807 (Delisting-Vorschrift) ....................................... 179 Literaturverzeichnis .................................................................................... 181 Sachverzeichnis .......................................................................................... 197
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A. andere Ansicht a.E. am Ende a.F. alte Fassung ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AnwBl Anwaltsblatt Art. Artikel AVR Archiv des Völkerrechts AWG Außenwirtschaftsgesetz AWV Außenwirtschaftsverordnung BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BB Betriebs-Berater Begr. Begründer BerGesVR Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKAG Bundeskriminalamtgesetz BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BR-Drs. Bundesrats-Drucksache BT-Drs. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise C.F.R. Code of Federal Regulations CHIPS Clearing House Interbank Payment System CIA Central Intelligence Agency CMLR Common Market Law Review d.h. das heißt ders. derselbe DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift EC-Karte Electronic-Cash-Karte EG Europäische Gemeinschaft(en) EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
XVI EJIL EMRK endg. ETA etc. EU EuG EuGH EuGHE EU-GRCharta EuGVO
EuGVÜ EuLF EuR EUV EuZW EVÜ FATF FBI Fn. GASP GBP gem. GewO GG GPR GWR HRRS Hrsg. Hs. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IEEPA IGH IHR insbes. IPR IPRax IRA IWF JBl JIBFL JPIL JURA
Abkürzungsverzeichnis European Journal of International Law Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Euskadi Ta Askatasuna et cetera Europäische Union Gericht der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH Charta der Grundrechte der Europäischen Union Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen The European Legal Forum Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Schuldvertragsübereinkommen Financial Action Task Force Federal Bureau of Investigation Fußnote Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Great Britain Pound gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber Halbsatz im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit International Emergency Economic Powers Act Internationaler Gerichtshof Internationales Handelsrecht insbesondere Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Irish Republican Army Internationaler Währungsfonds Journal of Business Logistics Journal of International Banking and Financial Law Journal of Private International Law Juristische Ausbildung
Abkürzungsverzeichnis JuS JZ KG KOM krit. lit. LKW m.E. m.w.N. Mio. MPI Mrd. n.F. NJOZ NJW Nr. NS NZA o.Ä. o.g. OFAC OLG orig. OWiG RabelsZ RAF Res. RG RIW Rn. Rs. Rspr. RVG S. SCHUFA SDN SEC sog. StGB str. TWEA UN USA USA PATRIOT Act usw. v.
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Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht Europäische Kommission kritisch littera Lastkraftwagen meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Million/en Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Milliarden neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nationalsozialismus Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht oder Ähnliches oben genannt Office of Foreign Assets Control Oberlandesgericht original Ordnungswidrigkeitengesetz Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rote Armee Fraktion Resolution Reichsgericht Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer/Randnummern Rechtssache Rechtsprechung Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Satz / Seite (bei Fundstellenangaben) / siehe Schufa Holding AG (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) Specially Designated Nationals United States Securities and Exchange Commission sogenannt Strafgesetzbuch strittig Trading with the Enemy Act United Nations United States of America Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act und so weiter vom
XVIII v.a. VersR vgl. VO VO-E vs. VuR WM WpHG WRP z.B. z.T. ZaöRV ZEuP ZEuS ZfRV ZHR ZRP ZSR zugl. zutr. ZVglRWiss ZZP
Abkürzungsverzeichnis vor allem Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Verordnungsentwurf versus Verbraucher und Recht Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht zugleich zutreffend Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß
A. Einleitung und Gang der Untersuchung A. Einleitung und Gang der Untersuchung A. Einleitung und Gang der Untersuchung
Bereits vor den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001, die den internationalen islamistischen Terrorismus in den Fokus der Sicherheitspolitik insbesondere westlicher Staaten gerückt und eine ganze Reihe globaler Ereignisse und Veränderungen nach sich gezogen haben, waren sogenannte Sperr- oder Sanktionslisten nicht nur im Kampf gegen den Terrorismus ein Mittel, sondern auch ein Sanktionsinstrument z.B. gegenüber Angehörigen bestimmter Staaten oder Regierungen. Die Funktionsweise solcher Listen ist, vereinfacht gesagt, die dort aufgeführten Personen, Unternehmen oder sonstigen Institutionen vom Wirtschaftsleben – je nach Intention der Sanktion – entweder (annähernd) vollständig auszuschließen oder zumindest deren Belieferung mit bestimmten, beispielsweise rüstungsrelevanten Gütern zu verbieten. Sperrlisten zur Bekämpfung des Terrorismus stellen dabei meist ein weitgehendes Verbot fast jeglicher geschäftlichen Beziehungen zu den der Unterstützung oder Teilnahme an terroristischen Aktivitäten verdächtigten Gelisteten auf und gebieten zudem das „Einfrieren“ entsprechender Vermögenswerte etwa auf Bankkonten – also einen vollständigen Transaktionsstopp. Ziel der Listen ist es, die Finanzierung des Terrorismus zu unterbinden oder jedenfalls zu erschweren und so die Akteure – zumindest wirtschaftlich – weitgehend handlungsunfähig zu machen. Zwar sind die Kosten von Terroranschlägen selbst, etwa mittels einer selbstgebauten Bombe, vergleichsweise gering.1 Der Effekt der Terrorsperrlisten, die z.B. auch Flugreisen erschweren, darf dennoch nicht unterschätzt werden. Es verwundert wenig, dass insbesondere die USA sich bei der Erstellung von Sperrlisten in den letzten Jahren als besonders eifrig erwiesen haben. Von zentraler Bedeutung ist dabei die sogenannte Specially Designated Nationals-Liste (SDN-Liste), die von der US-Exportkontrollbehörde, dem Office of Foreign Assets Control (OFAC), verwaltet wird.2 Unabhängig von dieser nationalen Sperrliste in den USA führen aber auch die Vereinten Nationen, gestützt auf Sicherheitsratsresolutionen, eine – spezifisch radikalislamischen Terrorgruppen gewidmete – Sperrliste, die ihrerseits in der Europäischen
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Vgl. unten B. III. Ausführlich zu Rechtsgrundlagen und Inhalt der SDN-Liste unten D. I.
2
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
Union in Form einer Verordnung3 umgesetzt wurde und laufend ergänzt wird. Diese EU-Terrorsperrliste ist, genau wie die daneben – ergänzend – geführte, eigenständige EU-Sperrliste betreffend den sonstigen Terrorismus, Teil des in Deutschland unmittelbar anwendbaren Rechts.4 Problematisch ist nun, dass die US-Terrorsperrliste Geltung für Sachverhalte beansprucht, die sich teilweise oder sogar vollständig außerhalb der eigentlichen Rechtsmacht der USA befinden.5 Diese extraterritoriale Wirkung der SDN-Liste ist unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten zwar überaus bedenklich und mag aus der Perspektive anderer Staaten durchaus als Souveränitätsverletzung gewertet werden. Das ändert aber zunächst nichts daran, dass für private Akteure, wie z.B. international tätige Banken oder sonstige Unternehmen, das dringende Bedürfnis entstehen kann, die Vorgaben der SDN-Liste auch bei Sachverhalten, die nicht unmittelbar US-Recht unterstehen, zu beachten. Der Grund dafür ist, dass etwa einem (auch) in den USA tätigen Unternehmen dort ansonsten empfindliche Strafen drohen, die in den USA tätige Mitarbeiter, Niederlassungen oder Geschäftszweige treffen können. Andererseits können freilich auch die Interessen der in den USA Gelisteten nicht außer Betracht bleiben. Zwar gibt es zwischen der SDN-Terrorliste der USA und den in Deutschland geltenden EU-Sperrlisten erhebliche Überschneidungen6 – wenn ein betroffener Terrorverdächtiger auch in Europa auf einer Sperrliste geführt wird, unterliegen die Rechtsbeziehungen zu ihm bereits den hiesigen Verboten und stellt sich die Situation aus Sicht des Geschäftspartners bereits aus diesem Grunde als weniger problematisch dar. Die Listenregimes der USA und der EU sind aber keineswegs identisch – vielmehr ist sogar zu erwarten, dass die Zahl der in den USA, nicht aber in Europa Gelisteten zukünftig noch ansteigen wird.7 Ein nur in den USA Gelisteter wird indes kaum akzeptieren, dass bestehende Rechtsbeziehungen zu ihm aufgrund US-amerikanischer Vorschriften abgebrochen und Leistungspflichten nicht erbracht werden, obwohl es sich um einen Sachverhalt mit deutschem Forum, also mit Deutschland als Gerichtsstaat, handelt. Die SDN-Liste ist nämlich kein in Deutschland geltendes (öffentliches) Recht und wäre – nach allerdings umstrittener Ansicht – in Fällen mit deutschem Forum selbst bei Anwendung US-amerikanischen Privatrechts (z.B. durch Rechtswahlvereinbarung) nicht Teil dieses (Vertrags-)Statuts8.
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Unten C. I. 2. Zu den Listenregimes auf Ebene der Vereinten Nationen und der EU ausführlich unten
C. 5
Zum (intendierten) Anwendungsbereich der SDN-Liste unten D. I. 3., 4. Vgl. unten D. I. 7 Dazu unten D. I. 8 Zu diesem Problem vgl. unten E. I. 3. 6
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
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Es liegt auf der Hand, dass sich dieses Dilemma nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten auflösen lässt, da ein allseits als gerecht empfundenes Ergebnis nicht erzielbar ist. Gleichwohl bedarf die Konfliktsituation auf privatrechtlicher Ebene einer Lösung, bei der die Interessen und Zwänge keiner der Parteien außer Acht bleiben dürfen. Ansatzpunkt hierfür ist zum einen das Internationale Privatrecht (besser: Kollisionsrecht): Das Problem der sogenannten international zwingenden Normen, die – unabhängig von der auf das Rechtsverhältnis anwendbaren Rechtsordnung – stets Geltung beanspruchen, ist hier keineswegs neu, sondern seit Jahrzehnten Gegenstand lebhafter Diskussion. Zum anderen ist denkbar, dem Problem auf Ebene des materiellen Zivilrechts abzuhelfen. Relevant sind hier insbesondere wertungsbedingte Korrekturen über Generalklauseln wie § 138 BGB oder das Leistungsstörungsrecht.9 Zunächst ist eine kurze Einführung in die Thematik der Terrorismusfinanzierung und deren Bekämpfung mittels Sperrlisten (unten B.) unerlässlich, um festzustellen, ob der aufgezeigten Konfliktsituation überhaupt praktische Relevanz zukommt. Zudem ist es in Abgrenzung zu der US-Sanktionsliste erforderlich, die in Deutschland unmittelbar geltenden Sanktionslisten der Europäischen Union zu beleuchten (unten C.) – die freilich meist gemeint sind, wenn in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur von Terrorsperrlisten die Rede ist. Sodann werden Rechtsgrundlage und inhaltliche Reichweite der US-amerikanischen SDN-Liste (unten D.) und schließlich deren Berücksichtigung im deutschen Internationalen Privatrecht (E.) und Sachrecht (F.) untersucht. Momentan ist im Hinblick auf die genannte Problemkonstellation, soweit ersichtlich, einzig die SDN-Liste des US-amerikanischen OFAC relevant. Sie ist daher Gegenstand der folgenden Arbeit, deren Ergebnisse sich aber – von den spezifischen Ausführungen hinsichtlich der SDN-Liste abgesehen – auch auf andere, in Deutschland nicht geltende Sperrlisten übertragen ließen.
9
Während sich die kollisionsrechtliche Untersuchung grds. auf alle Fälle mit deutschem Forum erstreckt, ist die sachrechtliche auf solche beschränkt, bei denen deutsches Zivilrecht auch das auf das Rechtsverhältnis anwendbare ist.
B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
Während der Terrorismus selbst eine ebenso bekannte wie alte Erscheinung darstellt1, ist dessen Bekämpfung mittels Sanktions- oder Sperrlisten relativ neu. Erst in den späten 1990er Jahren begannen die Vereinten Nationen, namentlich der Sicherheitsrat, gestützt auf Art. 39 i.V.m. Art. 41 UN-Charta, damit, wirtschaftliche Sanktionen gegen terrorverdächtige Einzelpersonen oder Institutionen zu erlassen.2 Durch die Sperrlisten, die grundsätzlich sämtliche Vermögensverschiebungen zugunsten der Gelisteten untersagen, soll die Finanzierung insbesondere des internationalen Terrorismus unterbunden oder zumindest erheblich erschwert werden. Langfristig erhoffen sich die Initiatoren der Listen eine Austrocknung der finanziellen Strukturen von terroristischen Vereinigungen, die schließlich zu einer möglichst weitgehenden Handlungsunfähigkeit führt. Allerdings ist der Erlass von Sanktionslisten meist nur eine von vielen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die in der Regel von weiteren politischen und polizeilichen oder militärischen Aktionen flankiert wird. Bevor ein kurzer Überblick über die bestehenden Sanktionslistenregimes der Vereinten Nationen und der Europäischen Union sowie deren jeweilige Geltung in Deutschland gegeben wird, erfolgt eine Betrachtung der tatsächlichen finanziellen Strukturen internationaler terroristischer Organisationen und der Möglichkeit, diese mittels Sperrlisten zu bekämpfen. Sodann werden Rechtsgrundlage und Inhalt der US-amerikanischen SDN-Liste beleuchtet, die im Fokus vorliegender Untersuchung steht.
I. Begriff des Terrorismus I. Begriff des Terrorismus
Vor den Fragen, wie sich der Terrorismus generell und der internationale radikalislamische Terrorismus im Besonderen finanziert und wie diese Finanzierung durch Sperrlisten bekämpft werden kann, soll zunächst – in der gebo-
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Zur schwierigen Definition des Begriffs Terrorismus sogleich. Vgl. zu dem Sanktionsregime der Vereinten Nationen unten C. I. 1. sowie C. II.
I. Begriff des Terrorismus
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tenen Kürze – erörtert werden, was der Begriff des Terrorismus überhaupt umfasst. Eine positive Definition des Terrorismus herzuleiten, stellt ein überaus schwieriges Unterfangen dar und wird teilweise sogar für unmöglich gehalten.3 Das Hauptproblem ist dabei die, den meisten Definitionsversuchen4 inhärente, mangelnde Abgrenzbarkeit zu anderen Erscheinungsformen der Gewalt wie Krieg, sonstigen militärischen oder quasi-militärischen Aktionen oder Kriminalität.5 Schmid und Jongman zählten und untersuchten bereits in den 1980er Jahren über einhundert verschiedene Definitionen von Terrorismus – und kapitulierten dennoch bei dem Versuch, eine einheitliche herauszuarbeiten.6 So finden sich allein im US-amerikanischen Bundesrecht 19 verschiedene Definitionen des Begriffs Terrorismus.7 Die Abgrenzungsschwierigkeiten8 werden durch die vielen denkbaren Erscheinungsformen von Terrorismus noch verschärft. Neben dem „klassischen“ Terrorismus, bei dem die Akteure sich außerhalb staatlicher Strukturen organisieren, gibt es nämlich auch den sogenannten Staatsterrorismus9, bei dem der Staat selbst der Akteur ist (so etwa während der Zeit des Nationalsozialismus), sowie staatlich unterstützten oder geförderten Terrorismus10. Ferner kann zwischen den Motiven der jeweiligen Terrororganisationen unterschieden werden: Neben dem religiös motivierten – so eindeutig der aktuell sehr präsente (internationale) islamistische Terrorismus – ist hier an politischen Terrorismus wie den sozialrevolutionär motivierten der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) oder den nationalistischen etwa der „Irish Republican Army“ (IRA) oder der „Euskadi Ta Askatasuna“ (ETA) zu denken.11 Zudem kann zwischen der geografischen Verbreitung (national, international) 3
Laqueur, S. 7; Hauninger, S. 9 ff.; Wolffers, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1980, 453. 4 Einen Überblick über einige dieser Versuche liefern Hauninger, S. 11 ff., und Hoffman, S. 47 ff., (mit besonderem Fokus auf die unterschiedlichen Definitionen innerhalb der US-Sicherheitsbehörden). Auch die diesbezüglichen Begriffe und Definitionen im deutschen Recht (vgl. etwa Art. 73 Nr. 9a GG, § 129a StGB, § 4a BKAG) sind jeweils kontextual ausgestaltet und erheben keinen Anspruch darauf, das Phänomen Terrorismus in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen. 5 Townshend, S. 11 ff.; zu dieser Definitionsproblematik auch Lutz, in: Koch, S. 11 f. 6 Schmid/Jongman, S. 5 ff., mit tabellarischer Übersicht über die Häufigkeit der in den verschiedenen Definitionen verwendeten Begriffe (die erste Auflage 1988 ist insoweit identisch mit der hier zitierten Neuauflage 2005). 7 Vgl. Nguyen, Penn State Journal of Law & International Affairs Vol. 1 (2012), 175 f. m.w.N. 8 Vgl. dazu auch Wildfang, S. 52 ff. 9 Nur dieser ist nach Ansicht Waldmanns, S. 17, und Hauningers, S. 31 f., mit dem Begriff „Terror“ gemeint. 10 Dazu Hartmann, S. 1 ff. 11 Zu dieser Differenzierung nach Motiven Graulich/Simon-Waldmann, S. 51.
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B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
sowie den Vorgehensweisen und Angriffszielen des Terrorismus (Stichwort: Cyber-Terrorismus) differenziert werden.12 Während die Abgrenzung von Terrorismus zum Krieg zwischen Staaten noch vergleichsweise leicht vorzunehmen ist13, erweist sich die Abgrenzung zu Erscheinungen wie dem Partisanen- oder dem Guerillakampf als schwierig14. Vereinfacht gesagt verfolgen sowohl Partisanen – also Widerstandskämpfer – als auch Guerillakrieger, die einen Zermürbungskrieg gegen eine militärische Übermacht führen15, eher militärische Ziele und streben, zumindest abstrakt, eine territoriale (Rück-)Eroberung an, während Terroristen im engeren Sinne vor allem auch zivile Ziele attackieren, um eine moralische und psychische Destabilisierung einer ganzen Bevölkerung zu erreichen.16 Beim Terrorismus stehen damit – anders als bei den genannten quasi-militärischen, oft freiheitskämpferischen Aktivitäten – nicht die Bekämpfung des eigentlich physisch angegriffenen Ziels, sondern die kommunikativen Effekte17 eines Anschlags (etwa die Verbreitung in den Massenmedien und dadurch ausgelöste Ängste in der Bevölkerung) im Vordergrund. Von kriminellen Aktivitäten unterscheidet sich der Terrorismus dagegen vor allem durch seine Motive: Während Terroristen für ein (wie auch immer geartetes) Ideal kämpfen, verfolgen Kriminelle vornehmlich egoistische, im Bereich der organisierten Kriminalität meist materielle Ziele.18 Diese – hier nur schemenhaft genannten – Abgrenzungsversuche sind im Detail freilich problematisch, da die Grenzen oft fließend sind. Zudem wird der Begriff des Terrorismus nach Ansicht Hauningers häufig als „politischer Kampfbegriff“ missbraucht und in den Medien oft ungenau oder voreilig verwendet, was ebenfalls zur Definitionsproblematik beitrage.19 Für die Zwecke dieser Arbeit indes reichen die überblicksartige Darstellung der Abgrenzungskriterien und der Hinweis auf die bestehenden Definitionsschwierigkeiten aus: Die hier behandelten Sperrlisten richten sich zwar gegen den – vorwiegend internationalen islamistischen – Terrorismus, weshalb eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des Terrorismus grundsätzlich erforderlich ist. Die Sperrlisten zeichnen sich jedoch – bei aller gebotenen Kritik hinsichtlich ihres Inhalts und Zustandekommens20 – zumindest durch 12
Unterscheidung bei Hauninger, S. 46, der eine veränderte Form eines Begriffsplans von Löckinger, S. 29, übernimmt. 13 Dazu Wildfang, S. 66 ff. 14 Wildfang, S. 58 ff.; Hauninger, S. 33 ff. 15 Guerilla: spanisch für „kleiner Krieg“. Vgl. zur Unterscheidung zwischen Guerillaund Partisanenkampf Hauninger, S. 34 ff. 16 Schaubild bei Hauninger, S. 38, adaptiert von Waldmann, S. 21. 17 Waldmann, S. 83 ff.; Hauninger, S. 19 f. 18 Wildfang, S. 65. 19 Hauninger, S. 14. 20 Dazu insbes. unten D. I. 2.
II. Besonderheiten des internationalen radikalislamischen Terrorismus
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einen klar definierten Kreis derjenigen aus, deren finanzielle Aktivitäten durch die jeweilige Liste bekämpft werden sollen. Die damit einhergehenden rechtlichen Probleme stellen sich somit zunächst unabhängig von der Frage, inwieweit die Aktivitäten der gelisteten Individuen oder Organisationen unter den politik- und sozialwissenschaftlichen oder philosophischen Begriff des Terrorismus fallen.
II. Besonderheiten des internationalen radikalislamischen Terrorismus II. Besonderheiten des internationalen radikalislamischen Terrorismus
Im besonderen Fokus des (aktuellen) öffentlichen Interesses und der medialen Berichterstattung, aber auch der hier zu untersuchenden Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung mittels Sanktionslisten, steht der internationale islamistische (also: radikalislamische21) Terrorismus – darunter auch sein wohl berüchtigtster Vertreter: das Terrornetzwerk al-Qaida („Die Basis“22 oder „Das Fundament“), das weltweit schätzungsweise 1.500–3.000 aktive und ausgebildete Kern-Mitglieder zählt23. Diese religiös-fanatische Form des modernen, globalen Terrorismus hat bekanntermaßen am 11. September 2001 die Bühne der Weltöffentlichkeit betreten und ist damit Auslöser weitreichender weltpolitischer Veränderungen geworden, die gemeinhin unter dem Begriff des „Krieges gegen den Terror“24 zusammengefasst werden. Der islamistische Terrorismus weist dabei einige Spezifika auf, die sein enormes Bedrohungspotential25 bedingen und seine Bekämpfung erheblich erschweren.26 Eine Besonderheit ist die Struktur vieler islamistischer Terrornetzwerke. Zum einen sind sie – im Falle al-Qaidas von Beginn an – international angelegt27 und zeichnen sich zum anderen durch ihre dezentrale Organisationsform aus.28 Ein Terrornetzwerk, das wie al-Qaida aus organisatorisch weitge21 Krit. zur Unterscheidung der Begriffe „Islam“ einerseits und „Islamismus“ andererseits Nagel, in: Zehetmair, S. 19 ff., insbes. 33 ff.; vgl. auch Graulich/Simon-Röhrich, S. 29 ff. 22 Übersetzung bei Hauninger, S. 29. 23 Schneider/Dreer/Riegler, S. 156, mit Tabelle, derzufolge die ebenfalls als islamistische Terrororganisation aufgeführte Hisbollah ca. 10.000 Mitglieder hat. 24 Den Begriff führte in diesem Zusammenhang George W. Bush in seiner Rede vor dem Kongress am 21. September 2001 ein. Bush wörtlich: „Our war on terror begins with al-Qaida, but it does not end there.“ Abrufbar z.B. unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 25 Graulich/Simon-Eisvogel, S. 58 ff. 26 Dazu auch Nehm, NJW 2002, 2668 ff. 27 Graulich/Simon-Waldmann, S. 51. 28 Bartmann, S. 39 f.
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B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
hend unabhängigen Zellen besteht und damit keine, etwa mit der organisierten Kriminalität vergleichbare hierarchische Struktur aufweist, ist naturgemäß schwer zu bekämpfen, da das „Ausschalten“ weder von Führungspersonen noch einzelner Zellen allein erfolgversprechend ist.29 Die internationalen Führungspersonen islamistischer Terrornetzwerke fungieren oft vielmehr als ideologische Leitfiguren, denn als eigentliche Organisatoren der „operativen“ Aktivitäten einzelner Zellen.30 Ferner bedienen sich die Netzwerke gezielt moderner Massenmedien, um die Wirkung ihrer Attentate zu vervielfachen und ihre Ideologie zu verbreiten.31 Exemplarisch seien hier allen voran die Terroranschläge vom 11. September 2001 genannt, die gleichzeitig eine beispiellose globale Medienaufmerksamkeit auf sich zogen. Auch verstärkt die Wahl „medienwirksamer“, schwer zu schützender ziviler Ziele wie öffentlicher Gebäude die in der Bevölkerung entstehende Angst: Durch das willkürliche Töten westlicher Zivilisten kann es sozusagen jeden immer und überall treffen.32 Schließlich erschwert natürlich auch die Bereitschaft vieler islamistischer Terroristen, Selbstmordattentate zu begehen, die Bekämpfung erheblich33, da die innere Sicherheit – zumindest in freiheitlichen Staaten – maßgeblich auf dem Prinzip der Abschreckung beruht.
III. Finanzieller Bedarf terroristischer Vereinigungen III. Finanzieller Bedarf terroristischer Vereinigungen
Es liegt auf der Hand, dass terroristische Vereinigungen und Netzwerke finanzieller Mittel bedürfen, um ihren zerstörerischen Aktivitäten nachkommen zu können. Dabei kann zwischen der Finanzierung einzelner terroristischer Anschläge einerseits und den laufenden Kosten der dahinterstehenden Organisation andererseits unterschieden werden.34 Die Kosten im Zusammenhang mit konkreten Terroranschlägen sind in der Regel vergleichsweise gering: So kosteten die Anschläge auf die Züge in Madrid im Jahr 2004 nach Schätzungen nur etwa 8.000 Euro.35 Die Anschläge vom 11. September 2001 bedurften laut Bericht der National Commission on Terrorist Attacks upon the United States einer Finanzierung in Höhe von lediglich etwa 400.000–500.000 US-
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Bartmann, S. 40. Graulich/Simon-Hirschmann, S. 99 ff.; Roberts, S. 37. 31 Graulich/Simon-Waldmann, S. 48; v. Bubnoff, NJW 2002, 2672. 32 Bartmann, S. 40; Graulich/Simon-Eisvogel, S. 59. 33 Vgl. Graulich/Simon-Eisvogel, S. 58. 34 Vgl. auch Roberts, S. 38 f., sowie die Mitteilung der Kommission über die Prävention und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, KOM (2004) 700, S. 3. 35 So die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Prävention und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, KOM (2004) 700, S. 3. 30
III. Finanzieller Bedarf terroristischer Vereinigungen
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Dollar36 und auch die Kosten für die Anschläge auf den öffentlichen Nahverkehr in London im Jahre 2005 beliefen sich nur auf schätzungsweise 8.000 GBP.37 Diese Kosten ergeben sich aus dem Lebensunterhalt der beteiligten Terroristen in der Vorbereitungsphase sowie den Kosten für Reisen, gefälschte Pässe, Ausbildung (Stichwort: Flugunterricht) oder Waffen.38 Somit ist Roberts zuzustimmen, wenn er der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung die Wirkung abspricht, tatsächlich einzelne Anschläge zu verhindern.39 Andere Dimensionen hat dagegen der Finanzbedarf einer gesamten terroristischen Organisation. So gab al-Qaida laut der National Commission on Terrorist Attacks upon the United States vor den Anschlägen vom 11. September 2001 allein für die Unterstützung der Taliban jährlich ca. 20 Mio. USDollar aus.40 Neben augenfälligen Kostenpositionen wie dem Betrieb von Ausbildungslagern, dem Beschaffen von Waffen und dergleichen fallen hier auch Kosten für Propaganda ins Gewicht. Bei den Ausgaben für Propaganda geht es nämlich nicht nur um die – relativ kostengünstige – Verbreitung von Internetvideos41, sondern z.B. auch um die positive Beeinflussung des Ansehens der Organisation, indem etwa gemeinnützige Aktivitäten in den jeweiligen Heimatländern unterstützt werden.42 Das Gesamtvermögen der Terrororganisation al-Qaida wird für die Jahre 1999–2001 auf ca. 5 Mrd. US-Dollar geschätzt, wobei die laufenden jährlichen Kosten bis dahin etwa 20–50 Mio. US-Dollar betragen haben sollen.43 Zwar gilt hier, dass diese Schätzungen mit der gebotenen Vorsicht auch als solche zu betrachten sind. Da sich die Organisationen maßgeblich aus illegalen Aktivitäten finanzieren und insgesamt naturgemäß im Untergrund und häufig in politisch instabilen Staaten arbeiten, ist nämlich eine valide Analyse der Finanzkraft kaum möglich. Zwar kam al-Qaida die Herkunft ihres Grün-
36 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission, S. 131 ff., abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 37 Financial Action Task Force (FATF), Terrorist Financing Report v. 29.2.2008, S. 7, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013); anders Ohler, Die Verwaltung 2008, 414, der unter Angabe der gleichen Quelle von 10.000 GBP spricht. 38 Vgl. FATF, Terrorist Financing Report v. 29.2.2008, S. 8 (oben Fn. 37); Roberts, S. 38 f. 39 Roberts, S. 39. 40 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission, S. 4 (oben. Fn. 36). 41 Vgl. zu der intensiven Nutzung des Mediums Internet durch islamistische Terroristen auch Nitschke-Nitschke, S. 22, der in Anlehnung an Musharbash, Internationale Politik Nr. 60 (2005) Nr. 11, 26, alle, die Propagandavideos weiterverbreiten, als „Mittäter“ der Terroristen sieht. 42 Roberts, S. 39. 43 Schneider/Dreer/Riegler, S. 155 f.
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B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
ders und Anführers44 Osama bin Laden aus einer der reichsten saudi-arabischen Familien45 nach Ansicht der National Commission on Terrorist Attacks upon the United States und entgegen einer verbreiteten Vorstellung finanziell kaum zugute.46 Dennoch zeigen die Zahlen, dass der islamistische Terrorismus, zumindest in der Zeit vor 2001, über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügte. Auch der (ehemalige) „Jahreshaushalt“ etwa der Irish Republican Army (IRA) wird auf mindestens 6,5–11,5 Mio. GBP geschätzt, wobei der Großteil wiederum nicht für die terroristischen Aktivitäten im engeren Sinne (Anschläge), sondern politische Einflussnahme aufgewendet wurde.47 Terroristische Vereinigungen haben mithin für die Gesamtheit ihrer organisatorischen Strukturen und die Summe ihrer Aktivitäten einen nicht unerheblichen Finanzbedarf. Ein einzelner terroristischer Anschlag hingegen bedarf kaum finanzieller Mittel: Die angerichteten Schäden überschreiten hier die aufgewendeten Ressourcen in der Regel um ein Vielfaches.
IV. Quellen der Terrorismusfinanzierung IV. Quellen der Terrorismusfinanzierung
Quellen der Terrorismusfinanzierung sind nach Einschätzung Schneiders, Dreers und Rieglers – bezogen auf den islamistischen Terrorismus (insbesondere al-Qaida und die Taliban) – hauptsächlich kriminelle Aktivitäten wie Drogen- und Waffenhandel, Entführungen, Schutzgelderpressung usw.48, aber auch der illegale Diamantenhandel49. Letzterer wurde zudem zur Umdisponierung von bargeldlosen Finanzbeständen auf Sachwerte im Zusammenhang mit dem nach dem 11. September 2001 drohenden Einfrieren von Konten al-Qaidas genutzt.50
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Vgl. ausführlich Scheuer, S. 1 ff. Der Vater bin Ladens gründete den Immobilien- und Baukonzern „Saudi Binladin Group“, vgl. ausführlich Balzli/Herbermann/Kerbusk/Reuter, „Vielköpfige Hydra“, Der Spiegel Nr. 39 2001, 112 ff. 46 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission, S. 13, 25 (oben Fn. 36), wonach Osama bin Laden selbst keinen signifikanten privaten Wohlstand hatte. 47 Vgl. Roberts, S. 39 m.w.N. 48 Schneider/Dreer/Riegler, S. 151 ff. 49 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Weiß u.a., BT-Drs. 14/7935 v. 21.12.2001, S. 1 ff. 50 So die Anfrage der Abgeordneten Peter Weiß u.a. (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Weiß u.a., BT-Drs. 14/7935 v. 21.12.2001, S. 1), die aus diesem Grund auf eine aktive Eindämmung des illegalen Diamantenhandels abzielte. 45
V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten
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Daneben spielt aber auch die Unterstützung durch private Sympathisanten oder staatliche51 Stellen eine große Rolle.52 Von staatlicher Seite kommen dabei einerseits direkte finanzielle Zuwendungen53 in Betracht, andererseits aber auch eine mittelbare Unterstützung durch die Duldung der Organisation und ihrer (auch wirtschaftlichen) Machenschaften in bestimmten – möglicherweise staatlich völlig unkontrollierten54 – Gebieten.55 Daneben erfreuen sich insbesondere die islamistischen Terrorvereinigungen auch einer nicht unerheblichen Unterstützung durch vermeintlich gemeinnützige Organisationen oder Privatpersonen.56 So schätzen Schneider, Dreer und Riegler den Anteil staatlicher und privater „Spenden“ an der Finanzierung al-Qaidas auf 20–30 %.57 Schließlich bleibt auch ein – noch schwieriger aufzudeckender – Anteil legaler Quellen der Terrorismusfinanzierung, etwa durch (ggf. mittelbare) Aktivitäten am Kapitalmarkt. Insbesondere im Hinblick auf die Terrorismusfinanzierung über (vermeintlich) gemeinnützige Organisationen58 sind die Grenzen zwischen legalen und illegalen Quellen allerdings oft fließend.
V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten
Unabhängig von konkreten rechtlichen Problemstellungen ist fraglich, ob und inwieweit Sperrlisten überhaupt ein taugliches Mittel bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung darstellen. Wenn Sperrlisten geeignet sein sollen, die Finanzströme des internationalen, insbesondere radikalislamischen Terrorismus auszutrocknen, so müssen eben diese Finanzströme zunächst lokalisiert werden.
51
Vgl. ausführlich Hartmann, S. 82 ff. Überblick bei Roberts, S. 39 ff. 53 So die Vermutung hinsichtlich der radikalislamischen Taliban in Afghanistan (vor der Besetzung durch die NATO), vgl. auch die diesbezügliche UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999), in deutscher Textfassung abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 54 So etwa das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet. 55 Vgl. auch Waechter, JZ 2007, 61 f.; FATF, Terrorist Financing Report v. 29.2.2008, S. 19 f. (oben Fn. 37). 56 Biersteker/Eckert-Gunning, S. 106 ff. 57 Schneider/Dreer/Riegler, S. 154. 58 Dazu Bell, Kansas Journal of Law & Public Policy Vol. 17 (2008), 450 ff.; krit. wegen der negativen Effekte des Antiterror-Rechts auf die allgemeine Spendenbereitschaft Ruff, New York University Journal of Legislation and Public Policy Vol. 9 (2006), 447 ff. 52
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B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
1. Transfer der Finanzmittel durch Terrororganisationen Auch wenn der Großteil der Finanzmittel terroristischer Vereinigungen aus illegalen Quellen stammt59, ergibt sich seitens der Terrororganisationen dennoch das Bedürfnis, diese mittels der üblichen Systeme dahin zu transferieren, wo sie jeweils benötigt werden. Dafür kommen unterschiedliche Methoden in Betracht. Eine Transfermethode, die besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern verbreitet ist, ist das sogenannte „Hawala-Banking“60. Dieses arabische Wort für „Transfer“ bezeichnet eine Form des sogenannten underground banking, bei dem keine ordentliche Buchhaltung erfolgt, aus der sich Empfänger und Absender des Geldes ergeben.61 Das Hawala-System funktioniert mittels zweier Dienstleister – einer auf Seite des Absenders, einer auf Seite des Empfängers des Geldes. Die beiden Dienstleister unterhalten eine interne Geschäftsbeziehung, wonach jeweils bei dem einen Dienstleister eingezahltes Geld vom anderen Dienstleister an den Empfänger ausgezahlt wird. Dabei wird das Geld allerdings nicht tatsächlich transferiert, sondern die Auszahlungen erfolgen aus eigenen Mitteln des Dienstleisters am Ort des Empfängers. Zu bestimmten Zeitpunkten erfolgt dann ein sogenanntes Clearing, also eine gegenseitige Aufrechnung der getätigten Auszahlungen: Nun muss lediglich ein etwaiger Überschuss einseitig ausgeglichen werden. Häufig erfolgt die Identifikation zwischen Absender und Empfänger dabei lediglich mittels bestimmter Codes, die eine Nachverfolgung des Geldtransfers unmöglich machen.62 Die Schattenwirtschaft des Hawala-Banking ist zwar keinesfalls per se ein System für den Transfer von Schwarzgeld oder Geld, das der Terrorismusfinanzierung dient. Vielmehr ist es in vielen Ländern eine allgemein gebräuchliche Transfermethode und wird beispielsweise auch in Deutschland für großvolumige Transfers in Länder wie den Libanon, Somalia oder Albanien genutzt.63 Dennoch birgt das System besonders günstige Möglichkeiten der Verschleierung von Geldströmen und ist deshalb nicht nur im Hinblick auf Geldwäsche64, sondern auch auf Terrorismusfinanzierung problematisch65.
59
Vgl. oben B. IV. Teilweise auch „Hawallah“. 61 Vgl. ausführlich Findeisen, WM 2000, 2126 m.w.N. 62 Findeisen, WM 2000, 2127. 63 Weitere Beispiele bei Findeisen, WM 2000, 2126. 64 Ackermann, S. 17 f.; Findeisen, WM 2000, 2129 f. 65 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission (oben Fn. 36), S. 25; Roberts, S. 42 f. 60
V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten
13
Neben anderen Möglichkeiten, wie dem bereits erwähnten Handel mit hochwertigen Sachgütern (z.B. Diamanten66) und dem schlichten Einsatz von Bargeldkurieren67, können aber auch terroristische Organisationen auf die Nutzung des offiziellen Bankensystems kaum verzichten.68 So unterhielten die Mitglieder der für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlichen al-Qaida-Zelle – unter echten Namen – reguläre Bankkonten bei verschiedenen US-amerikanischen69 und auch deutschen Banken70. In den USA wurden neben Traveller-Cheques aus Europa auch Kreditkarten genutzt, beispielsweise um Bargeld an Automaten abzuheben.71 Ferner nehmen in der Regel auch (vermeintlich) gemeinnützige Organisationen, die der Terrorismusfinanzierung dienen, am formellen Bankverkehr teil. Daneben finden nachvollziehbare, offene Finanztransaktionen im weiteren Sinne natürlich immer auch dort statt, wo alltägliche Wirtschaftsgüter erworben werden, bei denen in der Regel eine namentliche Registrierung des Geschäftspartners erfolgt: Zu denken ist hier etwa an den Erwerb von Flugtickets oder Autos sowie das Anmieten von Wohnungen. Es zeigt sich, dass die Finanzströme des internationalen Terrorismus durchaus – schon mangels Alternativen – auch über den offiziellen Wirtschafts- und Finanzverkehr abgewickelt werden. Die dadurch bedingte Offenheit der Transaktionen führt indes nicht unbedingt dazu, dass sie im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung auch greifbarer sind72 – im Gegenteil: Gerade die äußerlich völlig legale Lebensweise sogenannter Schläfer erweist sich als besonders problematisch. 2. Funktionsweise und tatsächlicher Erfolg von Sperrlisten Wegen der bereits erwähnten Unauffälligkeit terroristischer Finanztransaktionen73 können diese – anders als etwa Geldwäschetransaktionen74 – allenfalls 66
Vgl. oben B. IV. Vgl. Roberts, S. 44, sowie FATF, Terrorist Financing Report v. 29.2.2008, S. 23 f. (oben Fn. 37), wo insbesondere (S. 24) auf die über Bargeldkuriere finanzierten Bombenanschläge in Bali im Oktober 2002 eingegangen wird. 68 Derleder/Knops/Bamberger-Findeisen, § 70, Rn. 4, 12; Roberts, S. 42. 69 Vgl. Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission (oben Fn. 36), S. 53. 70 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission (oben Fn. 36), S. 132: So hatte etwa der Hamburger Unterstützer Mounir Motassadeq Vollmacht über das Girokonto des Terroristen Marwan Yousef al-Shehhi bei der Dresdner Bank. Al-Shehhi flog das Flugzeug, welches den zweiten der beiden Türme des World Trade Centers traf (United Airlines Flug 175). 71 Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission (oben Fn. 36), S. 53. 72 So auch ausdrücklich der Monograph on Terrorist Financing der 9-11 Commission (oben Fn. 36), S. 53. 73 Max Baucus, Vorsitzender der Finanzausschusses im US-Senat, beschreibt das Aufdecken dieser Transaktionen in einer Anhörung bildlich als Suche nach der Nadel im 67
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B. Terrorismus und seine Bekämpfung mittels Sperrlisten
über die beteiligten Akteure aufgedeckt und unterbunden werden: Genau das ist die Funktionsweise von Sperrlisten. Die zahlreichen Sperrlisten auf den verschiedenen Ebenen, etwa der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder einzelner Staaten, haben stets die gleiche grundsätzliche Wirkungsweise: Die gelisteten terrorverdächtigen Personen, Organisationen oder Unternehmen sollen vom Wirtschaftsverkehr ausgeschlossen werden, um die entsprechenden Finanzströme auszutrocknen und die Finanzierung der terroristischen Aktivitäten jedenfalls zu erschweren.75 Das wird erreicht, indem Transaktionen mit den Gelisteten – in unterschiedlichem Maße – untersagt sind und ihre Gelder und sonstigen Vermögenswerte „eingefroren“76 werden. Zuwiderhandlungen nicht-gelisteter Geschäftspartner können für diese zahlreiche nachteilige Konsequenzen wie z.B. strafrechtliche oder auch gewerberechtliche Sanktionen haben.77 Für die gelisteten Personen indes führt die Aufnahme in eine Sperrliste – zumindest in den aktiv am Kampf gegen den Terrorismus beteiligten Staaten – in der Regel zu einer weitgehenden wirtschaftlichen Handlungsunfähigkeit. Es liegt auf der Hand, dass damit eine erhebliche rechtsstaatliche Problematik verbunden ist: So kommt die Aufnahme in entsprechende Listen nach Ansicht von Marty, dem Sonderermittler des Europarates, einer „zivilen Todesstrafe“ gleich.78 Diese Problematik wird vor dem Hintergrund der (deutschen und europäischen) Grundrechte noch verschärft, wenn bereits das Zustandekommen der Listen intransparent ist und den Gelisteten ein effektiver Rechtsschutz79 versagt wird.80 Auch wenn die Effektivität von Terrorsperrlisten naturgemäß ebenso wenig zuverlässig evaluiert werden kann wie die Finanzierung terroristischer Vereinigungen und Netzwerke selbst und einzelne Terroranschläge, wie oben dargelegt81, wegen des jeweils geringen finanziellen Bedarfs auf diese Weise nicht verhindert werden können: Die Sperrlisten zeigen nach Angaben des Nadel-Haufen („finding a needle in a pile of needles“, Financial War in Terrorism-Hearing vor dem Finanzausschuss, 107th Cong. 5, 2002). 74 Diese können teilweise durch ihre Strukturen (Auffälligkeit der Transaktionen selbst) und zudem über die dahinterstehende Kriminalität, aus der das Schwarzgeld stammt, aufgedeckt werden, was bei Geldern, die der Terrorismusfinanzierung dienen, nicht der Fall ist, vgl. oben B. V. 1. 75 Vgl. zu den konkreten Tatbeständen und Rechtsfolgen der einzelnen Sanktionsregimes unten C. und D. 76 So ausdrücklich der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 881/2002, zur genauen Bedeutung dieses Terminus unten C. I. 3. 77 Vgl. unten C. I. 3. b. 78 Bericht v. 12.11.2007, EU-Parlamentsdokument Nr. 11454 (2007); auch Kruse, „Zivile Todesstrafe“, Süddeutsche Zeitung v. 12.11.2007. 79 Dazu Meyer/Macke, HRRS 2007, 453 ff. 80 Vgl. dazu ausführlicher unten C. I. 4. sowie D. I. 2. 81 Vgl. oben B. III.
V. Wirkung und Effektivität von Sperrlisten
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US-Finanzministeriums82 im Hinblick auf den radikalislamischen Terrorismus Wirkung. So heißt es in einer Presseerklärung des Ministeriums aus dem Jahre 2009, al-Qaida sei in dem „schwächsten finanziellen Zustand seit Jahren“, was zu einem insgesamt schwindenden Einfluss des Netzwerks geführt habe.83 Im Jahresbericht des Office of Foreign Assets Control, das die Sanktionen des US-Finanzministeriums verwaltet, werden die von den Sanktionen betroffenen Vermögenswerte (blocked assets) allein bezogen auf al-Qaida mit über 12 Mio. US-Dollar für das Jahr 2011 beziffert.84 Freilich sind diese Aussagen – auch im Hinblick auf ihren Urheber – mit Vorsicht zu genießen. Dennoch: Auf die Komponente der wirtschaftlichen Sanktionen kann im Kampf gegen den internationalen Terrorismus wohl kaum verzichtet werden. Daneben spielt aber auch eine andere Besonderheit dieser Vorgehensweise eine Rolle: Je nachdem, wie die Listen zustande kommen85, werden für die Aufnahme einer Person in eine Sperrliste im Zweifel geringere Anforderungen gestellt als etwa für eine strafrechtliche Verfolgung oder sogar Verurteilung erforderlich wären. Außerdem können auf diese Weise pauschal ganze Organisationen wie Vereine, Unternehmen usw. von der Sanktion erfasst werden, obwohl sie vielleicht nur verdächtig sind, mittelbar den Terrorismus zu unterstützen, was mit klassischen rechtlichen Instrumenten erheblich schwieriger zu unterbinden wäre. Schließlich können die Listen, zumindest potentiell, auch dort Wirkung entfalten, wo die Gelisteten gar nicht greifbar sind, weil z.B. ihr Aufenthaltsort unbekannt ist: Durch die Sanktionslisten werden im Grunde alle, die sich an die entsprechenden Verbote halten, gleichsam zu Mithelfern im Kampf gegen den Terrorismus.
82
Vgl. Lengell, Treasury: Al Qaeda’s finances shaky, The Washington Times v. 12.10.2009, mit Verweis auf eine Presseerklärung des Assistant Treasury Secretary for Terrorist Financing David S. Cohan. 83 Lengell, Treasury: Al Qaeda’s finances shaky, The Washington Times v. 12.10.2009. 84 OFAC, Terrorist Assets Report 2011 (Grafik, S. 8), abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 85 Dazu unten C. I. b., C. II. sowie (für die US-Liste) D. I. 2.
C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
Nachdem Sperrlisten seit den 1990er Jahren als Mittel zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung1 eingesetzt werden, sind sie heute auf verschiedenen rechtlichen Ebenen etabliert: Neben solchen der Vereinten Nationen – den Anfang machte hier, gestützt auf Art. 39 i.V.m. Art. 41 UN-Charta, die UNSicherheitsratsresolution 1267 (1999) – gibt es eigene Sperrlisten der Europäischen Union und auch – etwa in den USA – nationale Listenregimes. Mit dem Begriff der Sperrliste ist in diesem Zusammenhang freilich nicht nur die Liste im engeren Sinne, sondern auch der gesamte normative Kontext wie Rechtsgrundlagen und Umsetzungsakte gemeint, der schließlich in einer konkreten Liste mündet. Im Folgenden sollen aus Gründen der Abgrenzung zunächst die in Deutschland unmittelbar anwendbaren Terrorsperrlisten sowie deren völkerrechtliche Grundlage auf Ebene der Vereinten Nationen vorgestellt, bevor Rechtsgrundlage und Inhalt der nationalen US-amerikanischen Liste erörtert werden, deren extraterritoriale Wirkung den Kern vorliegender Untersuchung bildet. In Deutschland sind zunächst Sperrlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union relevant, die auf einer Vielzahl verschiedener Regelungen auf den jeweiligen Ebenen fußen. Die scheinbare Komplexität dieses Systems muss allerdings deutlich relativiert werden: Viele Rechtsakte der EU dienen in diesem Kontext hauptsächlich der Umsetzung entsprechender UNSicherheitsratsresolutionen und sind mit diesen daher inhaltlich weitgehend identisch. Dennoch trägt, neben der Vielzahl der Regelungsebenen, vor allem die von den Vereinten Nationen gewählte und in den Umsetzungsakten der EU beibehaltene Unterscheidung nach terroristischen Gruppierungen zur Unübersichtlichkeit der Listenregelungen bei2: Grundsätzlich wird zwischen Sperrlisten, die sich gegen die Finanzierung der Taliban, Osama bin Ladens3 und al-Qaidas richten einerseits (unten I.) und solchen betreffend die Finanzierung sonstigen Terrorismus andererseits (unten II.) unterschieden.4 Diese 1
Vgl. zu weiteren (insbes. finanzaufsichtsrechtlichen) Maßnahmen nach dem 11. September 2001 Jahn, ZRP 2002, 109 ff. 2 So auch Dahme, S. 12. 3 Der natürlich seit seinem Tod 2011 kein tauglicher Adressat mehr ist. 4 Vgl. auch Überblick bei Meyer/Macke, HRRS 2007, 446.
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
17
Unterscheidung ist dadurch bedingt, dass bereits vor dem 11. September 2001 die erste UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999) gegen die Finanzierung der erstgenannten Gruppe erging und diese Unterscheidung später beibehalten wurde.5 Auch wenn die Maßnahmen der Vereinten Nationen betreffend Terrorsperrlisten und die jeweiligen Umsetzungsakte der Europäischen Union (früher: der EG6) bereits Gegenstand ausführlicher rechtlicher Erörterungen geworden sind7, ist ein Überblick über diese Listenregimes sowie die damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen – insbesondere hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlagen und der Vereinbarkeit mit deutschem und europäischem Verfassungsrecht – hier unerlässlich. Soweit sich diese Maßnahmen nämlich mit der vorliegend untersuchten, in Deutschland nicht anwendbaren US-Terrorliste inhaltlich überschneiden, werden die eingangs genannten Probleme praktisch kaum relevant. In diesem Fall sind nämlich Rechtsgeschäfte mit den Betroffenen sowie Leistungserbringungen ihnen gegenüber bereits nach in Deutschland unmittelbar geltendem Recht untersagt.
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
Den Anfang der heute weitreichend – auf vielen Regelungsebenen – etablierten Listen-Praxis markiert die Resolution 1267 (1999) des UN Sicherheitsrates8. Diese richtete sich, anders als spätere, allgemeinere Resolutionen des Sicherheitsrates, speziell gegen die Taliban und ihre Unterstützer, zu denen auch al-Qaida gezählt wurde. 1. UN-Finanzsanktionen gegen al-Qaida und die Taliban Gemäß UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999) sollen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unter anderem9 sämtliche Vermögenswerte der Taliban sowie von deren Unterstützern und Gefolgsleuten „einfrieren“.10 Wer 5
Dahme, S. 12. Nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 nun einheitlich „EU“. Ausführlich zu diesem Strukturwandel Streinz/Ohler/Herrmann, S. 1 ff. 7 Etwa Bartmann, S. 1 ff.; Roberts, S. 1 ff.; Dahme, S. 1 ff.; Meyer/Macke, HRRS 2007, 445 ff.; chronologische Darstellung bei Al-Jumaili, NJOZ 2008, 188 ff. 8 UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999), in deutscher Textfassung abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 9 Die UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999) enthält daneben auch Vorgaben hinsichtlich Reise- und Flugverkehrsbeschränkungen. 10 Wortlaut Nr. 4 b) UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999): „[…]Freeze funds and other financial resources, including funds derived or generated from property owned or controlled directly or indirectly by the Taliban, or by any undertaking owned or controlled by the Taliban, as designated by the Committee established by paragraph 6 below, and 6
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
genau diesem Kreis zugerechnet wird, entscheidet ein durch Nr. 6 der Resolution 1267 (1999) ins Leben gerufener Sanktionsausschuss (Sanction Committee, auch: 1267-Committee), der unmittelbar dem Sicherheitsrat unterstellt ist. Dieser Sanktionsausschuss stellte später – gegründet auf die Sicherheitsratsresolution 1333 (2000)11 – die eigentliche Terrorsperrliste (sogenannte blacklist) auf und ergänzt diese bis heute fortlaufend. Der Resolution 1267 (1999) folgten – in gleicher Sache – viele weitere, in denen die ursprünglichen Vorgaben erweitert und ergänzt wurden.12 a. Rechtsgrundlage für Individualsanktionen des Sicherheitsrates Rechtsgrundlage für Individualsanktionen des UN-Sicherheitsrates in Form der Resolutionen gegen die Taliban und al-Qaida sind Art. 39 und Art. 41 UN-Charta. Nach Art. 39 UN-Charta muss eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegen, damit der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Art. 41 und Art. 42 UN-Charta erlassen kann. Neben der – mittlerweile weitgehend bejahten13 – Frage, ob diese Voraussetzung des Art. 39 UN-Charta im Falle des internationalen (islamistischen) Terrorismus vorliegen14, wird allerdings diskutiert, ob der Sicherheitsrat überhaupt durch Art. 41 UN-Charta berechtigt ist, rechtsverbindliche Individualsanktionen gegen konkrete terrorverdächtige Personen oder Organisationen zu erlassen.15 Dieses historisch unübliche, quasi-gesetzgeberische Handeln des Sicherheitsrates wird im Bereich des internationalen Terrorismus (im Ergebnis) indes überwiegend für zulässig erachtet: Neben der im Bereich des Terrorismus kaum möglichen Trennung zwischen abstrakter und konkreter Gefahr16 zeige auch die Akzeptanz dieser Praxis durch die Staatengemeinschaft, dass ein
ensure that neither they nor any other funds or financial resources so designated are made available, by their nationals or by any persons within their territory, to or for the benefit of the Taliban or any undertaking owned or controlled, directly or indirectly, by the Taliban, except as may be authorized by the Committee on a case-by-case basis on the grounds of humanitarian need[…]“. 11 Dort wird, wie Dominik Schulte, S. 46, zu Recht anmerkt, erstmalig die eigentliche Erstellung einer Liste angeordnet. 12 Vgl. insbes. die UN-Sicherheitsratsresolutionen 1333 (2000), 1363 (2001), 1373 (2001), 1390 (2002), 1452 (2002), 1455 (2003), 1526 (2004), 1566 (2004), 1617 (2005), 1624 (2005), 1699 (2006), 1730 (2006), 1735 (2006), 1822 (2008), 1904 (2009), 1988 (2011), 1989 (2011). 13 Bartmann, S. 137. 14 Vgl. dazu etwa Aston, ZaöRV 2002, 275 f. (allerdings zur UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) betreffend sonstigen Terrorismus); Deja/Frau, JURA 2008, 609; Dominik Schulte, S. 213 ff. 15 Aston, ZaöRV 2002, 283; Ohler, EuR 2006, 856; vgl. auch Wagner, ZaöRV 2003, 907. 16 Bartmann, S. 141.
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
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derartiges Handeln des Sicherheitsrates durchaus nicht unerwünscht ist.17 Dennoch ist die Rolle des Sicherheitsrates als „Weltgesetzgeber“ in Sachen Finanzsanktionen gegen den Terrorismus nach wie vor Gegenstand lebhafter – vorliegend allerdings nicht unmittelbar relevanter – völkerrechtlicher Diskussion.18 b. Listungsverfahren des UN-Sanktionsausschusses Während die Befugnisse des Sanktionsausschusses und die Reichweite der Sanktionen, gerade nach dem 11. September 2001, zunächst erweitert wurden19, bemüht sich der UN-Sicherheitsrat in seinen jüngeren Resolutionen 1822 (2008) und 1904 (2009) um mehr Verfahrenstransparenz beim Erstellen der Listen und führte zudem ein Delisting-Verfahren20 ein. Durch die UNSicherheitsratsresolutionen 1988 (2011) und 1989 (2011) wurden schließlich die Ausschüsse zur Verwaltung der Taliban-Liste einerseits und der al-QaidaListe andererseits getrennt. Letztere enthält aktuell ca. 300 Einträge.21 Der Sanktionsausschuss22 führt die Liste entsprechend seiner Richtlinien (guidelines23) und nimmt Vorschläge jedes Mitgliedstaates für eine Listung entgegen.24 Andere Mitglieder des Sanktionsausschusses können sodann binnen fünf Werktagen der Aufnahme des Vorschlags widersprechen. Diese Frist betrug ursprünglich lediglich 48 Stunden, wurde aber mittlerweile erweitert, was auch auf die internationale Kritik an der Intransparenz des Verfahrens zurückzuführen ist.25 Neben einer Verschärfung der für einen Listungsvorschlag einzelner Länder oder Regionalverbände (etwa der EU) erforderlichen Angaben und Hintergrundinformationen26 wurde im Jahre 2006
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Bartmann, S. 141; wohl auch Dominik Schulte, S. 294. Statt vieler: Tomuschat, S. 8 ff.; Bruha, AVR 2002, 392; Neusüß, S. 224 ff., Bartmann, S. 141 ff. 19 Etwa durch UN-Sicherheitsratsresolution 1333 (2000) und 1390 (2002), vgl. auch Dahme, S. 23. 20 Also ein formelles Verfahren zur Streichung von Einträgen, die sich als fehlerhaft erweisen. 21 Gemäß der Website des Sanction Committee (Stand März 2013), abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 22 Der Ausschuss besteht aus Vertretern aller Mitglieder des Sicherheitsrates, vgl. Nr. 2 a) der Guidelines, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 23 Vgl. für den (neuen) Ausschuss betreffend die Taliban auf Basis der UN-Sicherheitsratsresolution 1988 (2011): (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 24 Murphy, EJIL 2003, 353; Dahme, S. 35. 25 Macke, 32. Strafverteidigertag, S. 44. 26 Insbes. durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1617 (2005). 18
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auch die Verpflichtung eingeführt, die Betroffenen über ihre Aufnahme in die Liste zu informieren.27 Zwar kann jeder Staat die Aufnahme von Terrorverdächtigen in die Liste vorschlagen. In der Praxis überwiegen allerdings Vorschläge aus den USA bei weitem: So wies etwa Biehler im Jahre 2003 darauf hin, dass zum damaligen Zeitpunkt – mit Ausnahme von vier Listungsvorschlägen aus Deutschland28 – ausschließlich US-amerikanische Vorschläge eingegangen seien.29 Diese Vorschläge werden gegenüber den Vereinten Nationen immer dann gemacht, wenn innerhalb der USA ein entsprechender Eintrag in der nationalen SDN-Terrorliste des Office of Foreign Assets Control erfolgt.30 Daher war lange Zeit die US-amerikanische SDN-Liste bezüglich des islamistischen Terrorismus weitgehend identisch mit der Liste des Sanktionsausschusses bezüglich al-Qaida und den Taliban.31 Allerdings hat die zunehmende internationale Kritik an dieser Listen-Praxis32 zu den genannten Änderungen im Verfahren des UN-Sanktionsausschusses geführt. Daher lässt sich bereits heute an der viel höheren Anzahl von Einträgen auf der US-amerikanischen SDN-Liste – in der sich allerdings mehrere Sanktionsprogramme vereinen33 – im Vergleich zu der entsprechenden Liste der Vereinten Nationen ablesen, dass offenbar nicht alle Vorschläge der USA übernommen werden. Unabhängig von bereits bestehenden Unterschieden zwischen den genannten Listen, ist aber durch die verschärften Verfahrensvorschriften bei den Vereinten Nationen – durch die sich die USA hinsichtlich des Verfahrens bei ihrer eigenen, nationalen Liste kaum beeindrucken lassen werden – zumindest der Boden für eine zukünftig noch wachsende Diskrepanz zwischen US-amerikanischer Liste einerseits und solchen der Vereinten Nationen andererseits bereitet, was der praktischen Relevanz des hier untersuchten Problems durchaus Vorschub zu leisten geeignet ist.
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Letzteres durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1735 (2006); vgl. auch Macke, 32. Strafverteidigertag, S. 44. 28 Es handelt sich um vier Personen im Zusammenhang mit dem sog. MotassadeqProzess betreffend in Deutschland ansässige Helfer der Attentäter vom 11. September 2001. 29 Biehler, AVR 2003, 171 f. 30 Biehler, AVR 2003, 172; Dahme, S. 35. 31 Vgl. Biehler, AVR 2003, 172; Dahme, S. 35. 32 Vgl. Macke, 32. Strafverteidigertag, S. 44. 33 Dazu unten D. I. 2.
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2. Umsetzung durch die Europäische Union Die Vorgaben der UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999) und der Folgeresolutionen wurden von der EG (später: EU)34 durch in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbare Verordnungen umgesetzt, sodass eine isolierte, nationale Umsetzung in Deutschland nicht erforderlich war. Die ursprüngliche UN-Sicherheitsratsresolution 1267 (1999) betreffend al-Qaida, Osama bin Laden und die Taliban wurde in Europa durch die EGVerordnung 467/200135 umgesetzt, die später durch die noch heute gültige VO (EG) 881/200236 ersetzt wurde. Die Verordnungen basieren ihrerseits auf – vor der Strukturreform der EU 2009 erforderlichen – Gemeinsamen Standpunkten der GASP37 gem. Artt. 15, 34 EUV a.F. Die VO (EG) 881/2002 inkorporiert in ihrem Anhang I die oben genannte Sanktionsliste der Vereinten Nationen. In Art. 7 VO (EG) 881/2002 wird die Kommission ermächtigt, diese Liste38 fortlaufend an jene des Sanktionsausschusses der Vereinten Nationen anzupassen. Intensiv diskutiert wird die Frage, ob die UN-Sicherheitsratsresolutionen überhaupt eine Bindungswirkung gegenüber der Europäischen Gemeinschaft/ Union entfalten, da die EU nicht (Voll-)Mitglied der Vereinten Nationen ist.39 Im Ergebnis wird überwiegend vertreten, dass die EU, trotz der in Art. 351 AEUV (Art. 307 EGV a.F.) angeordneten Völkerrechtsfreundlichkeit, zwar keiner direkten Bindung unterliegt40, die Resolutionen aber zumindest wirksam umsetzen kann. Im vorliegenden Fall lag außerdem ein wirksamer GASP-Beschluss vor, den die EU angenommen hatte.41 Als Rechtsgrundlage für die daraufhin ergangenen Verordnungen des Rates kamen Art. 60 und Art. 301 EGV a.F. in Betracht, die dem Rat die Möglichkeit eröffnen, Wirtschaftssanktionen zu erlassen.42 Diese Rechtsgrundlage allein wurde indes – mangels des in Art. 301 EGV a.F. erforderlichen Drittstaatenbezugs der individuellen Sanktionen gegen nichtstaatliche Terroristen – teilweise für un34
Sofern im Folgenden von Rechtsakten der EU die Rede ist, wird dies ggf. als Überbegriff für europäische Rechtsakte – auch zu Zeiten vor dem Vertrag von Lissabon (dann eigentlich: EG) – verwendet. 35 ABl. EG Nr. L 167/01, S. 1 ff. 36 ABl. EG Nr. L 139/01, S. 9 ff. 37 Genauer: Gemeinsamer Standpunkt 2001/154/GASP, ABl. L 57/01, S. 1, sowie Gemeinsamer Standpunkt 2002/402/GASP, ABl. L 139/02, S. 4. 38 In konsolidierter Form (gemeinsam mit anderen Sanktionslisten) und mit Suchfunktion abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 39 Ausführlich Neudorfer, ZaöRV 2009, 985 ff.; Dominik Schulte, S. 143 ff.; Bartmann, S. 147 ff.; Dahme, S. 251 ff. 40 Vgl. dazu ausführlich Hörmann, AVR 2006, 272 ff.; Bartmann, S. 147 ff. 41 Bartmann, S. 151 (insbes. dortige Fn. 490). 42 So etwa Dahme, S. 310.
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
brauchbar gehalten43 und stattdessen Art. 308 EGV a.F. (Tätigwerden aufgrund eines Gemeinsamen Standpunkts) mit herangezogen, da der Zweck der Terrorismusbekämpfung den Zielen der Gemeinschaft zumindest implizit entspreche.44 Auch der EuGH billigte schließlich Artt. 60, 301 i.V.m. 308 EGV a.F. als Rechtsgrundlage für die VO (EG) 881/2002 in der Rechtssache Kadi und Al Barakaat International Foundation.45 Zum einen hat die EU UN-Sicherheitsratsresolutionen betreffend Terrorsperrlisten bisher aber stets umgesetzt und zum anderen kann dieses Spannungsfeld zwischen Völker- und Europarecht nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein – zumal die Problematik wissenschaftlich keineswegs unbeleuchtet ist46. Zudem haben sich die skizzierten Probleme, mindestens hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Umsetzungsakte der EU, seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon47 weitgehend erledigt: Die neuen Vorschriften der Artt. 215 und 75 AEUV, die Artt. 301 bzw. 60 EGV a.F. ersetzen, enthalten nun ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen für individuelle Finanzsanktionen48 und sehen auch entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene vor49. 3. Inhaltliche Vorgaben und Rechtsfolgen Die vom Sicherheitsrat vorgegebenen Maßnahmen lassen sich grundsätzlich in ein Gebot des Einfrierens von bestehenden Vermögenswerten einerseits und ein Bereitstellungsverbot für wirtschaftliche Ressourcen andererseits unterteilen.50 Diese beiden Aspekte werden auch im europäischen Umset43
Calliess/Ruffert-Cremer (3. Auflage 2007), Art. 301 EGV, Rn. 12; Bartmann, S. 158. Bartmann, S. 163. 45 In dem Urteil ging es primär um die Verletzung der Kläger in ihren europäischen Gemeinschaftsgrundrechten durch die VO (EG) 881/2002. Der EuGH erkannte – anders als zuvor das EuG – die Rechtsverletzung an und erklärte die Verordnung im Hinblick auf die betreffenden Listeneinträge für (insoweit) nichtig, EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351. 46 Statt vieler Calliess/Ruffert-Schmalenbach, Art. 351 AEUV, Rn. 23 f.; Schmalenbach, JZ 2006, 349 ff. m.w.N. 47 Allgemein zum Vertrag und der Neustrukturierung der Europäischen Union Streinz/ Ohler/Herrmann, S. 1 ff. 48 Dominik Schulte, S. 444 ff.; Alber, EuZW 2008, 166; Bartmann, S. 164 f. 49 Dazu ausführlich Bartmann, S. 177 ff. 50 Vgl. Nr. 2 a) UN-Sicherheitsratsresolution 1390 (2002): „[Der Sicherheitsrat beschließt, den Staaten aufzuerlegen,]die Gelder und anderen finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen dieser Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen unverzüglich einzufrieren, einschließlich der Gelder, die aus Vermögensgegenständen stammen, die ihnen gehören oder die direkt oder indirekt von ihnen oder von Personen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln, kontrolliert werden, sowie sicherzustellen, dass weder diese noch irgendwelche anderen Gelder, finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von ihren Staatsangehörigen oder von in ihrem Hoheits44
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
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zungs-Rechtsakt – genauer: in Art. 2 der in Deutschland unmittelbar anwendbaren VO (EG) 881/2002 – übernommen. Somit wirken sich die ListenRechtsakte direkt auf zivilrechtliche Verhältnisse zwischen den Gelisteten und Dritten aus. a. Zivilrechtliche Reichweite Art. 1 VO (EG) 881/2002 definiert zunächst die im Verbot des Art. 2 der Verordnung enthaltenen Begriffe „Gelder“, „wirtschaftliche Ressourcen“ und „Einfrieren“, wobei alle drei extrem weit gefasst sind: So beinhalten die Begriffe Gelder und wirtschaftliche Ressourcen gemeinsam eigentlich alles, was in irgendeiner Weise einen Vermögenswert darstellen kann, während „Einfrieren“ die Unterbindung jeglicher, auch nur mittelbarer Bewegungen dieser Vermögenswerte umfasst.51 Art. 1 VO (EG) 881/2002 im Wortlaut: „Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck: 1. ‚Gelder‘ finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Vorteile jeder Art einschließlich von – aber nicht beschränkt auf – Bargeld, Schecks, Geldforderungen, Wechsel, Geldanweisungen oder andere Zahlungsmittel, Guthaben bei Finanzinstituten oder anderen Einrichtungen, Guthaben auf Konten, Schulden und Schuldverschreibungen, öffentlich und privat gehandelte Wertpapiere und Schuldtitel einschließlich Aktien und Anteilen, Wertpapierzertifikate, Obligationen, Schuldscheine, Optionsscheine, Pfandbriefe, Derivate; Zinserträge, Dividenden oder andere Einkünfte oder Wertzuwächse aus Vermögenswerten; Kredite, Rechte auf Verrechnung, Bürgschaften, Vertragserfüllungsgarantien oder andere finanzielle Zusagen; Akkreditive, Konnossemente, Sicherungsübereignungen, Dokumente zur Verbriefung von Anteilen an Fondsvermögen oder anderen Finanzressourcen und jedes andere Finanzierungsinstrument für Ausfuhren; 2. ‚wirtschaftliche Ressourcen‘ Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell und beweglich oder unbeweglich sind, die keine Gelder sind, aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können; 3. ‚Einfrieren von Geldern‘ die Verhinderung jeglicher Form von Bewegungen, Transfers, Veränderungen, Verwendung von Geldmitteln und Handel mit ihnen, die deren Volumen, Beträge, Belegenheit, Eigentum, Besitz, Eigenschaften, Zweckbestimmung verändern oder andere Veränderungen bewirken, mit denen eine Verwendung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglicht wird; 4. ‚Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen‘ die Verhinderung ihrer Verwendung für jeden Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, einschließlich von – aber nicht beschränkt auf – den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen.“
Zunächst ist festzustellen, dass die Verbote – trotz der weiten Fassung der Begriffsdefinitionen – tatsächlich nur dort effektiv wirken können, wo eine
gebiet befindlichen Personen direkt oder indirekt zu Gunsten solcher Personen zur Verfügung gestellt werden.“ 51 Ausführlich zur Reichweite der Verbote und Definitionen Dahme, S. 100 ff.; Bartmann, S. 70 ff.
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
Identifikation der Geschäftspartner überhaupt erfolgt.52 Aber auch dort, wo eine entsprechende Erfassung möglich ist, verbleiben noch inhaltliche Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der zivilrechtlichen Reichweite der Verbote in Art. 2 VO (EG) 881/2002, wie z.B. die Frage, ob auch der Abschluss von Verträgen – bereits vor dem realen Leistungsaustausch – eine Zurverfügungstellung wirtschaftlicher Ressourcen darstellt.53 Umgekehrt lag der Rechtssache Möllendorf die Frage zugrunde, ob eine grundbuchrechtliche Eigentumsumschreibung an einem Grundstück aufgrund eines vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Kaufvertrages – und nach bereits erfolgter Begleichung der Kaufpreisforderung – als solche von Art. 2 VO (EG) 881/2002 untersagt ist.54 Das Grundbuchamt lehnte hier den Antrag auf Eigentumsumschreibung zugunsten gelisteter Personen aufgrund des Verbots in Art. 2 VO (EG) 881/2002 ab. Diese Rechtsauffassung wurde durch den EuGH bestätigt.55 Beide Fragestellungen resultieren letztlich aus dem im deutschen Zivilrecht angelegten Trennungsprinzip. Da dieses der Verordnung als Gemeinschaftsrechtsakt aber grundsätzlich fremd ist, kann es auf diese Ebenen hier nicht ankommen und muss das Verbot des Art. 2 VO (EG) 881/2002 so ausgelegt werden, dass in beiden genannten Fällen ein „Bereitstellen von Vermögenswerten“ erfolgt.56 Grundsätzlich führt eine Listung zivilrechtlich dazu, dass bestehende Rechtsverhältnisse durch das Gebot des Einfrierens quasi zum Erliegen kommen und entsprechenden Verpflichtungen wegen der unmittelbar geltenden Verbote der VO (EG) 881/2002 nicht mehr nachgekommen werden kann. Den betroffenen Vertragspartnern kommt daher die Einwendung einer rechtlichen Unmöglichkeit aufgrund der entgegenstehenden Verbote gemäß § 275 Abs. 1 BGB57 zugute. Verträge, die nach Aufnahme einer Person oder Organisation in die Liste mit dieser abgeschlossen werden, sind gemäß § 134 BGB nichtig – auch wenn es, wie oben gesehen, noch zu keinem tatsächlichen Leistungsaustausch gekommen ist.
52 So (im Hinblick auf tägliche Geschäfte des Einzelhandels) auch Meyer/Macke, HRRS 2007, 458; Bartmann, S. 82 ff. 53 Dafür: Bartmann, S. 78 f.; a.A. aber Dahme, S. 118. 54 Urteil EuGH v. 11.10.2007, Rs. 117/06, ABl. EU Nr. C 297/07, S. 9 f., nach Vorlagebeschluss des KG Berlin v. 21.2.2006, Az. 1 W 429/05–86 T 219/05. 55 EuGH Urteil v. 11.10.2007, Rs. 117/06, ABl. EU Nr. C 297/07, S. 9 f. 56 So auch Bartmann, S. 77 f., und Schmucker, DNotZ 2008, 697, die treffend von einem durch die VO (EG) 881/2002 geforderten vollständigen Stillstand der Teilnahme einer gelisteten Person am Rechtsverkehr spricht. 57 Vgl. zur rechtlichen Unmöglichkeit als Fallgruppe der objektiven Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 40 ff.; hinsichtlich der Erfüllung bestehender Verträge gegenüber Gelisteten auch Meyer/Macke, HRRS 2007, 463.
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
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b. Sonstige Rechtsfolgen Neben dieser – bei den unmittelbar in Deutschland anwendbaren Listen vergleichsweise unproblematischen – zivilrechtlichen Ebene drohen den Beteiligten bei Verstoß gegen die Verbote der EU-Liste auch strafrechtliche Sanktionen. Die den Mitgliedstaaten in Art. 10 VO (EG) 881/2002 auferlegte Pflicht, im nationalen Recht „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Verordnung zu schaffen, wurde in Deutschland insbesondere durch § 17 AWG i.V.m. §§ 74 Abs. 2, 80 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) umgesetzt. Danach sind Verstöße gegen die Ge- oder Verbote der VO (EG) 881/2002 strafbar – wobei auch Versuch (§ 17 Abs. 2 AWG, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB) und leichtfertige Begehung (§ 17 Abs. 5 AWG) erfasst sind.58 Bei vorsätzlicher Begehung beträgt das Strafmaß gem. § 17 Abs. 1 AWG zwischen einem Jahr und zehn Jahren Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen wird allerdings durch bestimmte Qualifikationen in § 17 Abs. 2, Abs. 3 AWG weiter erhöht. Die strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den Terrorsperrlisten der EU können damit – insbesondere wegen der Strafbarkeit fahrlässiger Verstöße – als erheblich bezeichnet werden.59 Schließlich müssen Unternehmen, insbesondere Finanzdienstleister wie Banken – die naturgemäß zu den wichtigsten Adressaten von Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung gehören – auch mit gewerberechtlichen Sanktionen rechnen, wenn die Vorgaben der Sperrlisten verletzt werden. Diese Sanktionen reichen von der Verhängung von Bußgeldern gem. § 30 OWiG i.V.m. dem AWG gegen das Unternehmen oder gem. § 130 OWiG gegen Einzelpersonen bis hin zu einer Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 GewO.60 Die Gelisteten selbst unterliegen zum einen unmittelbar den genannten wirtschaftlichen Beschränkungen, die nach Ansicht des Sonderermittlers des Europarates einer „zivilen Todesstrafe“ gleichkommen.61 Dabei ist die Unfähigkeit, Bankgeschäfte zu erledigen oder Flugreisen zu buchen, nicht die einzige Einschränkung: Bereits die Auszahlung von Gehältern wird zum Problem und auch Sozialleistungen wie etwa Arbeitslosengeld, Renten usw. unterliegen prinzipiell dem Bereitstellungsverbot.62 Daneben kann eine Lis-
58
Ausführlich zum Art. 34 AWG a.F. Erbs/Kohlhaas/Ambs-Diemer, § 34 AWG, Rn. 31–35. 59 Krit. auch Meyer/Macke, HRRS 2007, 461. 60 Ausführlich Bartmann, S. 112 f.; Meyer/Macke, HRRS 2007, 459 f.; Schlarmann/ Spiegel, NJW 2007, 873 f. 61 Bericht v. 12.11.2007, EU-Parlamentsdokument Nr. 11454 (2007); auch Kruse, „Zivile Todesstrafe“, Süddeutsche Zeitung v. 12.11.2007. 62 Krit. Meyer/Macke, HRRS 2007, 448 f.
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
tung auch ausländerrechtliche Relevanz haben und etwa die Anerkennung eines Asylrechts oder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vereiteln.63 Insbesondere die Problematik der fehlenden Ausnahmen für die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, einschließlich Miete, Arztbesuchen, Rechtsberatung etc., blieben nach entsprechender internationaler Kritik indes seitens des UN-Sicherheitsrats – dessen Resolutionen Grundlage der VO (EG) 881/2002 sind – nicht ungehört: Gemäß UN-Sicherheitsratsresolution 1452 (2002) sind Gelder und sonstige Finanzmittel, die der Deckung elementarer Bedürfnisse – wie z.B. der soeben genannten – dienen, aus humanitären Gründen von den Sanktionen ausgenommen.64 Diese Neuerung wurde in der EU durch die Verordnung (EG) 561/200365 umgesetzt. 4. Grundrechtliche Problematik und Rechtsschutz Überaus problematisch und viel diskutiert ist die Frage, ob und inwieweit die Vorgaben der Vereinten Nationen und deren Umsetzung in der Europäischen Union bezüglich Terrorsperrlisten betreffend die Taliban und al-Qaida mit den (europäischen) Grundrechten vereinbar sind.66 Auch über diese Thematik kann freilich nur ein knapper Überblick gegeben werden, da es vorliegend hauptsächlich um drittstaatliche Terrorsperrlisten geht und die europäischen Listen nur aus Gründen der Abgrenzung behandelt werden sollen. Aber auch hier gilt: Ein Scheitern der europäischen Listen oder einzelner Einträge an entsprechenden gerichtlichen Überprüfungen kann zum einen die Diskrepanz zwischen der US-amerikanischen und den europäischen Listen und damit die tatsächliche Anzahl der vorliegend untersuchten Fälle erhöhen und zum anderen durchaus präjudizierende Wirkung für die Anerkennungsfähigkeit der US-Liste (vor dem Hintergrund der Grundrechte) aus Sicht deutscher Zivilgerichte haben. a. Überprüfbarkeit anhand von Gemeinschaftsgrundrechten Unabhängig von der Prüfung konkreter Grundrechte ist bereits auf der Ebene des Prüfungsmaßstabs fraglich, ob und anhand welcher Grundrechte eine solche Prüfung der von den Vereinten Nationen vorgegebenen Maßnahmen
63
Ausführlich Meyer/Macke, HRRS 2007, 451 ff.; sehr krit. auch Gössner, S. 176 f. Ausführlich Meyer/Macke, HRRS 2007, 455. 65 Genauer: VO (EG) Nr. 561/2003 des Rates v. 27. März 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, im Hinblick auf Ausnahmen vom Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, ABl. L 82/03, S. 1 ff. 66 Ausführliche Untersuchungen bei Dominik Schulte, S. 152 ff.; Dahme, S. 315 ff.; Bartmann, S. 196 ff. 64
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
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der EU überhaupt möglich ist.67 Denkbar ist zwar hinsichtlich der maßgeblichen europäischen Verordnungen (insbesondere VO (EG) 881/2002) eine Prüfung anhand der Grundrechte der EMRK, zu denen sich die EU grundsätzlich bekennt, indem der EuGH diese Grundrechte traditionell als Teil des Gemeinschaftsrechts der EU ansieht68 – was mittlerweile auch in Art. 6 Abs. 2 EUV n.F. Niederschlag gefunden hat69. Naheliegender noch ist aber eine Prüfung nach der im Jahre 2009 (schließlich) in Kraft getretenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta), die gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. von der EU anerkannt wird und gleichrangig mit den europäischen Primärverträgen ist. Solch einer Prüfung könnte allerdings insgesamt ein Vorrang des Völkerrechts entgegenstehen70, der auch in Art. 351 AEUV zum Ausdruck kommt71: Schließlich stellt die EU-Verordnung 881/2002 lediglich einen Umsetzungsakt der entsprechenden UN-Sicherheitsresolutionen dar. Der EuGH indes stellte in seiner Entscheidung Kadi fest, dass eine Prüfung der auf UN-Sicherheitsratsresolutionen beruhenden EUVerordnung anhand primären Gemeinschaftsrechts hier, entsprechend der wohl herrschenden Ansicht in der Literatur72, sehr wohl möglich ist.73 Zutreffend weist Sauer darauf hin, dass eine diesbezüglich ablehnende Entscheidung des EuGH nicht folgenlos geblieben wäre, da EGMR und Bundesverfassungsgericht in diesem Fall vermutlich von ihrem jeweiligen Kontrollvorbehalt Gebrauch gemacht hätten.74 Ein Rechtsschutz gegen die VO (EG) 881/2002, gestützt auf die Verletzung von Gemeinschaftsgrundrechten, ist somit im Wege der Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 AEUV grundsätzlich möglich. b. Betroffene Grundrechte Als betroffenes Grundrecht der Gelisteten kommt zunächst das Eigentumsgrundrecht gem. Art. 17 EU-GRCharta und Art. 1 1. Zusatzprotokoll EMRK
67
Meyer, ZEuS 2007, 13 ff. EuGH Urteil v. 18.6.1991, Slg. 1991 I-2925, ABl. EG C-201/91, S. 5; übersichtlich zum Verhältnis EuGH, EGMR und BVerfG auch Eiffler, JuS 1999, 1068 ff. 69 Ausführlich dazu Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf, Art. 6 EUV, Rn. 1 ff. 70 Vgl. dazu Hörmann, AVR 2006, 292 ff. 71 So – unter Geltung des Art. 307 EGV a.F. – Bartelt/Zeitler, EuZW 2003, 717. 72 Statt vieler Sauer, NJW 2008, 3686; Bartmann, S. 191. 73 EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351, Rn. 283 ff. 74 Sauer, NJW 2008, 3687, mit Verweis auf die Bosphorus-Rspr. des EGMR (Urteil v. 30.6.2005, Rs. 45036/98, NJW 2006, 197–204) bzw. die Solange II-Rspr. des BVerfG (Beschluss v. 22.10.1986, Az. 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339–388 = NJW 1987, 577– 582). 68
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
in Betracht.75 Zweifelsohne liegt ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der gelisteten Personen durch die genannten Beschränkungen vor – auch, wenn im engeren Sinne keine Entziehung des Eigentums, sondern nur eine umfassende Nutzungsbeschränkung vorliegt.76 Allerdings kann ein solcher Eingriff sowohl auf Ebene der EMRK77 als auch der EU-GRCharta – wie auch in der deutschen Grundrechtsdogmatik78 – durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein, soweit er verhältnismäßig ist.79 Die weitgehende Nutzungsentziehung durch die Sperrlisten aufgrund der VO (EG) 881/2002 wird angesichts des überragenden Allgemeininteresses an der Bekämpfung des Terrorismus somit überwiegend für zumindest rechtfertigungsfähig gehalten, sodass allenfalls im Einzelfall, nicht aber für die gesamte Terrorsperrliste, eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs mangels Verhältnismäßigkeit festgestellt werden kann.80 Auch der EuGH erklärte in der Rechtssache Kadi nicht die gesamte Verordnung (EG) 881/2002 vor dem Hintergrund des Eigentumsgrundrechts für nichtig, sondern nur einzelne Einträge – wobei das Eigentumsgrundrecht hier insofern als verletzt angesehen wurde, als die mangelnde Wahrung von Verfahrensgrundrechten im Zusammenhang mit der Listung zur Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs führte.81 Neben den Gelisteten selbst können aber auch Dritte, die mit gelisteten Personen oder Vereinigungen eine Geschäftsbeziehung führen, in ihrem Eigentumsgrundrecht betroffen sein. Auch hier aber fällt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Zweifel zugunsten des überragenden Gemeininteresses an einer wirksamen Terrorismusbekämpfung aus.82 Ein Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ Dritter, wie er im deutschen Grundrechteschutz anerkannt wird83, kommt bereits mangels erforderlicher Eingriffsintensität nicht in Betracht, da die Listen in aller Regel nur einzelne Geschäftsverbindungen von Unternehmen und nicht deren gesamte Existenz betreffen.84 Auch der (mittelbare) erhebliche Eingriff in die Berufsfreiheit der Gelisteten (vgl. etwa Art. 15 EU-GRCharta) durch die Verbote der VO (EG) 881/2002 – weil Entgelte nicht mehr gezahlt und neue Arbeitsverhältnisse 75 Eingehende Untersuchung – allerdings vor Inkrafttreten der EU-GRCharta − bei Dahme, S. 320 ff., und (auf völkerrechtlicher Ebene) Matiss, S. 1 ff. 76 Bartmann, S. 196 f. m.w.N. 77 Vgl. Art. 1 Abs. 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK. 78 Vgl. ausführlich Epping/Hillgruber-Axer, Art. 14 GG, Rn. 82 ff. 79 Für die EU-GRCharta Calliess/Ruffert-Calliess, Art. 17 GRCh, Rn. 21 ff. m.w.N. 80 Dahme, S. 352 f.; so auch Bartmann, S. 198. 81 EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351, Rn. 369. 82 So im Ergebnis Dahme, S. 337, nach ausführlicher Analyse ab S. 332 m.w.N. 83 Vgl. z.B. BVerfGE 105, 252–279 = NJW 2002, 2621–2625 (Glykolwein). 84 Dahme, S. 337 ff., mit dem Hinweis, dass andernfalls lediglich Ausgleichsansprüche der betroffenen Unternehmen, nicht aber Nichtigkeit der Listen-Regelungen in Rede stünden.
I. Sanktionen gegen al-Qaida und die Taliban
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schon gar nicht eingegangen werden dürfen – wird wegen des überwiegenden Interesses an der Terrorismusbekämpfung allgemein für gerechtfertigt gehalten.85 Problematischer als die genannten Gemeinschaftsgrundrechte sind im Hinblick auf das Zustandekommen der Listen und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen hingegen die allgemein, auch auf europäischer Ebene anerkannten Verfahrensgrundsätze wie das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz oder der Anspruch auf rechtliches Gehör.86 Während letzterer, zumindest in Form eines Anhörungsanspruchs der Betroffenen vor Aufnahme eines Eintrags in die Liste, im Allgemeinen schon daran scheitert, dass diese Anhörung ausnahmsweise unterbleiben kann, wenn sie die Maßnahme gefährdet87, kommt dem Recht auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren – heute auch in Art. 47 EU-GRCharta normiert – im Zusammenhang mit EUTerrorsperrlisten große Bedeutung zu. So statuiert der EuGH in der Rechtssache Kadi, das Recht auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz gebiete, dass der (Europa-)Rat in einem gemeinschaftsrechtlichen Verfahren die Gründe für eine Aufnahme in die Liste zumindest insoweit offenlegt, als dies zur Beurteilung der Fehler- und vor allem Willkürfreiheit der Listung erforderlich ist.88 Auch wenn dieses Erfordernis dem Europarat potentiell am meisten Schwierigkeiten bereiten dürfte, da die Einträge auf der maßgeblichen UN-Liste oft durch intransparente Vorschläge insbesondere der USA zustande kommen89, ist hier die Rechtswirksamkeit der Terrorsperrliste zumindest nicht generell gefährdet.90 c. Rechtswege Gerichtlich angegriffen werden können einzelne Listeneinträge von Betroffenen mittels Nichtigkeitsklage gegen die Verordnung (EG) 881/2002 gem. Art. 263 AEUV. Diese Klagemöglichkeit scheitert, wie oben gesehen, auch nicht an der mangelnden Überprüfbarkeit der Verordnung wegen ihrer (inhaltlichen) Herkunft aus dem Recht der Vereinten Nationen.91 Denkbar ist
85
Bartmann, S. 198 f., Dahme, S. 353 ff. Ausführlich Dahme, S. 360 ff. m.w.N., über Herleitung und Verortung dieser Rechte im europäischen Gemeinschaftsrecht; zum Recht auf ein faires Verfahren gem. Art. 6 EMRK auch Meyer, ZEuS 2007, 18 ff. 87 Bartmann, S. 199 f.; auch EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351, Rn. 342. 88 EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351, Rn. 336 f.; vgl. auch Schmalenbach, JZ 2009, 39 f. 89 Siehe oben C. I. 1. b. 90 So auch Bartmann, S. 201. 91 Siehe oben C. I. 4. 86
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
seit Einführung des Art. 275 Abs. 2 AEUV auch eine Klage direkt gegen einen entsprechenden (einer Verordnung vorausgehenden) GASP-Beschluss.92 Wenig erfolgversprechend sind dagegen die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ausgangs-Rechtsakte der Vereinten Nationen93, da eine individuelle Klage gegen UN-Sicherheitsratsresolutionen vor dem IGH nicht möglich ist.94 Zwar haben Betroffene seit 200695 die Möglichkeit, einen direkten Antrag auf Durchführung eines formellen „Delisting“-Verfahrens zu stellen.96 Die daraufhin ergehende Entscheidung des Sanction Committee ist allerdings nicht justitiabel und – da derselbe Ausschuss ja bereits die Aufnahme in die Liste beschlossen hat – auch alles andere als objektiv97. Auch die Möglichkeit, im Heimatstaat diplomatischen Schutz dahingehend zu ersuchen98, dass auf eine Streichung des Eintrags hingewirkt wird, kann kaum als ernsthafte Rechtsschutzmöglichkeit bezeichnet werden.99
II. Sanktionsregimes gegen sonstigen Terrorismus II. Sanktionsregimes gegen sonstigen Terrorismus
Die Finanzierung des internationalen Terrorismus, der nicht den genannten radikalislamischen Terrororganisationen zugerechnet wird, wird ebenfalls durch Maßnahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union bekämpft. Auch wenn sich die Regelungsstrukturen hier von denen der Terrorsperrlisten betreffend die Taliban und al-Qaida unterscheiden, sind letztlich die inhaltlichen Vorgaben100 und die mit den Sanktionen verbundenen Probleme weitgehend identisch. Auf UN-Ebene markiert die Sicherheitsratsresolution 1373 (2001)101 den Beginn der Finanzsanktionspraxis gegen „sonstigen Terrorismus“. Den Mitgliedstaaten wurde – auch hier – aufgegeben, Gelder und Vermögenswerte 92
Str.: vgl. Bartmann, S. 179 f. m.w.N. Vgl. dazu auch Albin, ZRP 2004, 71 ff. 94 So das einheitliche Ergebnis: statt vieler Biehler, AVR 2003, 179 f.; Dominik Schulte, S. 283; Bartmann, S. 177; Dahme, S. 422; Sauer, NJW 2008, 3685. 95 Eingeführt durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1730 (2006). 96 Ausführlich zum Delisting-Verfahren Macke, 32. Strafverteidigertag, S. 47 ff.; vgl. auch Nr. 7 der Guidelines des Sanction Committees, in aktueller Version abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 97 Krit. daher Ohler, EuR 2006, 861; Bartmann, S. 173; Feinäugle, ZRP 2007, 77 f. 98 Ein Anspruch auf diplomatischen Schutz besteht in der Regel nicht. Das gilt auch in Deutschland: BVerfGE 55, 349–370 = NJW 1980, 1499–1500. 99 Macke, 32. Strafverteidigertag, S. 48; Bartmann, S. 173. 100 Ehlers/Wolffgang/Lechleitner-Gramlich, S. 175; auch Dahme, S. 32 f. 101 UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) v. 28.9.2001, in deutscher Textfassung abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 93
II. Sanktionsregimes gegen sonstigen Terrorismus
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von Personen und Institutionen, die im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten stehen102, einzufrieren und die Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen an sie zu unterbinden. Die Überwachung der internationalen Umsetzung der Resolution übernahm das eigens gegründete „Counter-Terrorism Committee“ (Nr. 6 Sicherheitsratsresolution 1373 (2001)). Auch dieser Ausgangs-Resolutionen folgten weitere, durch die inhaltliche Vorgaben teilweise konkretisiert oder modifiziert wurden.103 In Europa wurden die Vorgaben der Vereinten Nationen im Wesentlichen durch die Verordnung (EG) 2580/2001104 umgesetzt, die ihrerseits wiederum auf den Gemeinsamen Standpunkten 2001/930/GASP105 und 2001/931/ GASP106 beruht. Art. 2 der VO (EG) 2580/2001 enthält ähnliche Gebote zum Einfrieren und Verbote des Bereitstellens wirtschaftlicher Ressourcen an die betreffenden Personen oder Institutionen wie die VO (EG) 881/2002 hinsichtlich der Taliban, al-Qaidas (und, heute nicht mehr relevant, Osama bin Ladens). Anders als beim letztgenannten Listenregime werden die Listeneinträge betreffend den „sonstigen Terrorismus“ allerdings nicht von den Vereinten Nationen übernommen. Hier ist es den Mitgliedstaaten der UN vielmehr auferlegt, eigene Listen zu führen. In der EU wird diese sogenannte blacklist gem. Art. 2 Abs. 3 VO (EG) 2580/2001 vom Rat geführt.107 Auch dabei werden Vorschläge der Vereinten Nationen gegebenenfalls berücksichtigt108 – grundsätzlich werden Listungsvorschläge aber von Mitgliedstaaten der EU unterbreitet und sodann in einem sogenannten Clearing-House-Verfahren von einer Arbeitsgruppe untersucht und bewertet.109 Anders als beim Listungsverfahren des UN-Sanktionsausschusses bezüglich der Taliban und al-Qaida110 bestehen beim Verfahren für die Aufnahme von Einträgen in die EU-eigenen Terrorsperrlisten zudem verhältnismäßig präzise Tatbestandsmerkmale (vgl. Art. 2 VO (EG) 2580/2001).111 Außerdem haben die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit, für bestimmte
102
Für die genaue Formulierung des Adressatenkreises vgl. Nr. 1 der UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 1373 (2001). 103 Z.B. UN-Sicherheitsratsresolutionen 1456 (2003) und 1535 (2004). 104 Genauer: VO (EG) Nr. 2580/2001 des Rates v. 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344/01, S. 70 ff. 105 ABl. L 344/01, S. 90. 106 ABl. L 344/01, S. 93. 107 Ausführlich zum Listungsverfahren Dahme, S. 36 f. 108 Vgl. Bartmann, S. 103 f. 109 Vgl. dazu Bartelt/Zeitler, EuZW 2003, 713; Dahme, S. 36; ausführlich auch Bartmann, S. 104 f.; zur Reform des Listungsverfahren im Jahre 2007 ferner Wolf-Zimper, S. 72. 110 Siehe oben C. I. b. 111 Diesen Vergleich zieht auch Dahme, S. 39.
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C. In Deutschland unmittelbar anwendbare Sanktionslisten
Fälle Ausnahmegenehmigungen zu erteilen112, und es existieren zudem Regelungen etwa über die Gutschrift von Zinsen auf eingefrorenen Konten, Artt. 5, 6 VO (EG) 2580/2001.113 Insgesamt fällt daher – auch wegen der besseren Rechtsschutzmöglichkeiten114 – die Kritik an Verfahren und Inhalt des europäischen Listenregimes gemäß der VO (EG) 2580/2001 etwas zurückhaltender aus als die am Sanktionsprogramm der Vereinten Nationen gegen die Taliban und al-Qaida und dessen Umsetzung in der EU.115
III. Zwischenergebnis III. Zwischenergebnis
Die üblicherweise unter dem Begriff der Terrorsperrlisten diskutierten rechtlichen Fragestellungen betreffen fast ausschließlich die in Deutschland unmittelbar geltenden Listen der Europäischen Union, die ihrerseits der Umsetzung von UN-Sicherheitsratsresolutionen dienen. Die Komplexität dieses Systems ist zum einen der – bei Lichte betrachtet überflüssigen – Trennung zwischen einigen radikalislamischen Terrorgruppen einerseits und sonstigem Terrorismus andererseits geschuldet. Sie lässt sich aber auch auf die naturgemäße Dynamik der Listen zurückführen, die nur effizient sein können, wenn sie fortlaufend ergänzt werden. Die EU-Terrorsperrlisten stellen eine große Herausforderung insbesondere für Unternehmen dar, die Möglichkeiten finden müssen, trotz der stetigen Veränderungen der Listeninhalte und der teilweise unüberschaubaren Anzahl potentiell betroffener Geschäftsvorgänge, Verstöße zu vermeiden, die – wie oben festgestellt116 – auch bei lediglich leicht fahrlässigem Handeln erhebliche Konsequenzen haben können. Selbst wenn der Abgleich von Kundendatenbanken mit Terrorsperrlisten heute für die Softwareentwicklung keine nennenswerte Herausforderung mehr darstellt, wirft dieses Vorgehen mindestens weitere Fragen hinsichtlich des Bankgeheimnisses oder des Datenschutzes auf.117 Andererseits stellen die Rechtsfolgen der Sperrlisten die gelisteten Personen, Organisationen und Unternehmen vor unüberwindbare und existenzielle Probleme, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wenigstens eines Mindestmaßes an Abhilfe bedarf – und zwar nicht nur für zu Unrecht Gelistete. 112
Vgl. zu den Ausnahmen für elementare Bedürfnisse der Gelisteten im Taliban- und al-Qaida-Sanktionsregime oben C. I. 3. 113 Vgl. dazu Meyer/Macke, HRRS 2007, 456. 114 Meyer/Macke, HRRS 2007, 454 f. 115 So etwa bei Dahme, S. 36. 116 Siehe oben C. I. 3. b. 117 Ausführlich zu diesen Aspekten von „Warndateien“ Bergles/Eul, BKR 2003, 273 ff.; siehe auch Hehlmann, EuZW 2012, 527 ff., und Otto/Lampe, NZA 2011, 1134 ff.
III. Zwischenergebnis
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Zentraler Gegenstand dieser Arbeit sind allerdings Terrorsperrlisten, die – wie die SDN-Liste des OFAC – in Deutschland keine Rechtsgültigkeit haben. Es versteht sich von selbst, dass die damit verbundenen Probleme praktisch immer nur dann relevant werden, wenn nicht auch ein identischer Eintrag in einer entsprechenden EU-Liste vorhanden ist118 – zumal die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, dass von einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit der EU-Listen mit den verfügbaren europäischen Ermächtigungsgrundlagen und den europäischen Grundrechten nicht auszugehen ist. Eine Abweichung zwischen den europäischen und der US-amerikanischen Terrorsperrliste kann indes nicht nur durch die Nichtübernahme von Vorschlägen gegenüber dem UN-Sicherheitsrat oder dem zuständigen EU-Ausschuss entstehen. Sie kann vielmehr auch daraus resultieren, dass – wie im Fall Kadi119 – einzelne Listeneinträge durch europäische Gerichte aufgehoben werden, was auf den Bestand der US-amerikanischen Liste genauso wenig Auswirkungen hat wie auf den der Liste der Vereinten Nationen.
118
Dann gilt bereits aufgrund der EU-Listen ein umfängliches Geschäftsverbot gegenüber den Gelisteten, vgl. oben C. I. 3. 119 EuGH, Urteil v. 3.9.2008, Rs. C-402/05 und C-415/05 (Kadi), Slg. 2008, I-6351.
D. Drittstaatliche Sperrlisten D. Drittstaatliche Sperrlisten
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf drittstaatlichen, insbesondere US-amerikanischen Terrorsperrlisten, also solchen, die in Deutschland nicht Teil des unmittelbar anwendbaren Rechts sind. Da der Kampf gegen Terrorismus in der Innen- und Außenpolitik von Staaten naturgemäß eine herausragende Rolle spielt, kann zum einen nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Mitgliedstaaten der UN einzig auf das dort geführte Finanzsanktionsregime1 verlassen, sondern liegt es nahe, dass auch nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung getroffen – also nationale Terrorsperrlisten erlassen – werden. Zum anderen werden diese Staaten den (räumlichen) Geltungsbereich ihrer Terrorsperrlisten in der Regel kaum restriktiv ausgestalten, sondern, aus naheliegenden Gründen, eine universelle Geltung der Listen und ihrer konkreten Rechtsfolgen anstreben, um die enthaltenen Verbote auf möglichst viele relevante Sachverhalte zu erstrecken. Ein Geltungswille der Listen weit über die Grenzen des Erlassstaates und seiner Jurisdiktion hinaus ist daher teilweise bereits in ihrem Sinn und Zweck, nämlich der – auch auf anderen Ebenen keinesfalls national beschränkten – Bekämpfung des (internationalen) Terrorismus, angelegt. Damit freilich gehen erhebliche rechtliche Probleme einher: Wenn ein Staat etwa Geschäfte mit gelisteten Terrorverdächtigen auch außerhalb seiner Grenzen verbietet, ist fraglich, wie diese Erstreckung auf „fremde“ Sachverhalte innerhalb des für den Sachverhalt eigentlich maßgeblichen Rechts berücksichtigt werden kann. Denn die fehlende Anwendbarkeit des Antiterror-Rechts des listenerlassenden Staates führt zumindest in Zivilrechtsverhältnissen nicht zwangsläufig dazu, dass die jeweiligen Rechtsfolgen dieser Listenregimes von den betroffenen Parteien ignoriert werden können: Gegebenenfalls drohen im normerlassenden Staat Strafen oder andere Sanktionen, die z.B. Niederlassungen oder sonstige geschäftliche Aktivitäten eines Unternehmens vor Ort treffen könnten. Denkbar ist ferner, dass der betreffende Staat die Durchführung etwa einer Finanztransaktion auch rein tatsächlich verhindert, weil sie z.B. in der entsprechenden Landeswährung vollzogen werden soll oder die Durchführung von der Mitwirkung weiterer Akteure abhängig ist, die den Verboten der betreffenden Terrorlisten ihrerseits direkt unterliegen. 1
Siehe oben C. I. 1. sowie C. II.
I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control
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Dass dies keinesfalls eine rein akademische Konstellation ist, zeigt sich an der Terrorsperrliste der USA. Die dort vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) – der US-Exportkontrollbehörde2 – verwaltete Terrorsperrliste, die sogenannte Specially Designated Nationals List (kurz: SDN-Liste) erstreckt sich nämlich potentiell auch auf Sachverhalte, auf die das US-amerikanische Recht territorial eigentlich keine Anwendung findet.3 Die praktische Relevanz dieser Fragestellung auch für deutsche Unternehmen zeigt auch ein Urteil des OLG Frankfurt a.M. in einer ähnlich gelagerten Sache (Einfrieren eines europäischen Kontos, gestützt u.a. auf eine das iranische Nuklearprogramm betreffende Finanzsanktion des US-Präsidenten).4 Die US-amerikanische Terrorsperrliste des OFAC soll vorliegender Arbeit als konkretes Arbeitsbeispiel dienen, da sie momentan, soweit ersichtlich, die einzige bedeutsame nationale, in Deutschland nicht rechtswirksame Sperrliste ist und – auch wegen der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA – ein signifikantes Konfliktpotential im Hinblick auf deutsche Sachverhalte birgt.
I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control
Das US-amerikanische OFAC verwaltet die in den USA geltenden Finanzsanktionen gegenüber Terrorverdächtigen und ihren Unterstützern. Insbesondere nach dem 11. September 2001 wurden diese Maßnahmen stark forciert und mündeten in die sogenannte SDN-Liste, der eigentlichen Terrorsperrliste. Diese Liste5 enthält Namen von natürlichen Personen, Unternehmen und sonstigen Organisationen, mit denen, vereinfacht gesagt6, jegliche geschäftliche Aktivitäten untersagt sind. Die vom OFAC verwalteten Finanzsanktionen gehen allerdings über Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung hinaus. Deshalb existiert eine konsolidierte SDN-Gesamtliste, die mehrere Sanktionsprogramme vereint. Gegenstand vorliegender Arbeit können indes nicht alle US-Finanzsanktionen, sondern nur die (spezielle) SDN-Liste zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung sein.7 Diese stellt aber auch praktisch das wohl größte 2
Ausführlich zum OFAC unten D. I. 2. Zur Reichweite des Geltungswillens der Liste vgl. unten D. I. 3./4. 4 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354–1357. 5 Abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 6 Ausführlich unten D. I. 3. 7 Im Folgenden ist daher mit den Begriffen „SDN-Liste“, „SDN-Terrorliste“ oder „USTerrorliste“ stets die terrorismusspezifische SDN-Liste des OFAC gemeint. 3
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
Problem dar, da die anderen Sanktionsprogramme einerseits geografisch auf bestimmte Staaten8 und andererseits zum Teil auf bestimmte Produktbereiche (z.B. rüstungsrelevante Waren) beschränkt und damit, als klassische Embargo-Vorschriften, bereits auf Ebene der präventiven Risikobewertung aus Sicht international tätiger Unternehmen besser kalkulierbar sind. Durch die oben9 genannten Verschärfungen des Aufnahmeverfahrens für Einträge in der UN-Terrorsperrliste, die ihrerseits die Grundlage einer in Deutschland unmittelbar geltenden EU-Sperrliste darstellt, ist für die Zukunft zu befürchten, dass die SDN-Liste des OFAC in noch größerem Umfang, als dies schon heute der Fall ist10, Einträge enthält, die keine Entsprechung auf den in Deutschland geltenden Listen haben. Besonders hinsichtlich solcher Einträge wird das Problem einer etwaigen (faktischen) extraterritorialen Wirkung der US-Liste, die im Folgenden untersucht werden soll, virulent. 1. Rechtgrundlagen der SDN-Terrorliste Zwar haben sich die USA bereits in der Zeit vor 2001 – wie auch andere Staaten – des Mittels der Wirtschaftssanktionen bedient, um gegen ihre internationalen „Gegner“ vorzugehen. Erst nach den Terroranschlägen im September 2001 wurde allerdings ein System der Individualsanktionen gegen Terroristen und deren Unterstützer etabliert, das in vielerlei Hinsicht – durch die Schaffung völlig neuer Kompetenzen, Behörden und Verfahren – im Verhältnis zu früheren Programmen massiv ausgedehnt wurde und daher kaum noch in deren Tradition gesehen werden kann.11 a. Executive Order Nr. 13.224 Als zentrale rechtliche Grundlage für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung kann die Executive Order Nr. 13.22412 (Blocking Property and Prohibiting Transactions With Persons Who Commit, Threaten to Commit, or Support Terrorism) von Präsident George W. Bush gesehen werden, die am 23. September 2001, also nur wenige Tage nach den Anschlägen in New York City, Pennsylvania und Virginia, erlassen wurde. Die 8
Auch hier lauern erhebliche Probleme: Vgl. etwa die Unvereinbarkeits-Verordnung der EG hinsichtlich US-Finanzsanktionen (insbes. gegen Kuba): VO (EG) Nr. 2271/96, ABl. L 309/96, S. 1–6; dazu ausführlich Meng, EuZW 1997, 423 ff. 9 Vgl. C. I. 1. b. 10 Maberry, Currents: International Trade Law Journal Vol. 17 (2008), 53, spricht – allerdings bezogen auf die konsolidierte SDN-Gesamtliste, die mehrere Sanktionsprogramme vereint – bereits im Jahre 2008 von mehr als 46.000 Einträgen. 11 Zur Geschichte des Antiterror-Rechts in den USA ausführlich Whitehead/Aden, American University Law Review Vol. 51 (2002), 1083 ff. 12 Executive Order No. 13.224 v. 23.9.2001, Federal Register Vol. 66, S. 49.079 ff., siehe Anhang I.
I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control
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Executive Order 13.224 dient – zumindest partiell – auch der Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolutionen 1267 (1999), 1333 (2000) und 1363 (2001) (al-Qaida und Taliban-Sanktionsregime13) in den Vereinigten Staaten, geht aber als nationale Regelung weit darüber hinaus. (1) Rechtsform der presidential executive order Die presidential executive order ist in den USA ein traditionell heftig umstrittenes rechtliches Instrument14, das in der US-Verfassung zwar nicht ausdrücklich genannt, aber als gesetzesähnliche Handlungsform des Präsidenten (in bestimmten Grenzen) seit dem 19. Jahrhundert anerkannt ist und unmittelbare Wirkung entfaltet15. Problematisch ist dabei vor allem der Charakter eines direkten „Erlasses“, der sich der Kontrolle und Abstimmung durch den US-Kongress entzieht und somit die Gefahr birgt, dass das vorgesehene demokratische Verfahren – mit all seinen aus Sicht der Regierung als Schwierigkeiten wahrgenommenen Verfahrensschritten – und dadurch nicht zuletzt auch das Prinzip der Gewaltenteilung umgangen werden.16 Branum kritisiert zudem, dass die Nutzung dieser Rechtsform im Laufe der Zeit immer weiter zugenommen hat und heutige Regierungen erheblich mehr executive orders – die im Übrigen erst seit 1907 nummeriert werden – erlassen, als frühere.17 Staatskrisen, wie etwa die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre oder der Zweite Weltkrieg, seien stets Ereignisse gewesen, in denen die US-Präsidenten – aus gegebenem Anlass – stärkeren Gebrauch von executive orders gemacht hätten, ohne indes nach Beendigung der Krise das Ausmaß der Nutzung wieder einzuschränken.18 Auch hinsichtlich tatsächlicher Notsituationen wird zudem vertreten, dass eine vollständige – also langfristige – Umgehung des Kongresses verfassungsrechtlich unzulässig sei.19 Die Grenzen der eigentlichen Funktion dieses Instruments als eine Art Notfallgesetzgebung werden daher – schon angesichts der hohen Anzahl erlassener executive orders – in
13
Vgl. ausführlich oben C. I. Ausführlich dazu Branum, Journal of Legislation Vol. 28 (2002), 1 ff. 15 Zur Entwicklung der executive order vgl. Olson/Woll, S. 8 f. 16 Krit. Branum, Journal of Legislation Vol. 28 (2002), 2 ff., insbes. 25 f.; auch Olson/ Woll, S. 21 f. 17 Branum, Journal of Legislation Vol. 28, (2002), 3 f. 18 Branum, Journal of Legislation Vol. 28, (2002), 3. 19 Statement Phillip Cooper, Congressional Limitation of Executive Orders: Hearing Before the Subcommittee on Commercial and Administrative Law of the Committee on the Judiciary, House of Representatives, One Hundred Sixth Congress, First Session, on H.R. 3131, H. Con. Res. 30, and H.R. 2655, October 28, 1999, S. 106 ff., abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 14
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
der US-amerikanischen Rechtswissenschaft häufig als überschritten angesehen.20 Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war die executive order eine beliebte Handlungsform der US-Regierung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus: Neben der vorliegend relevanten Executive Order 13.224 bezüglich der Terrorismusfinanzierung sind hier z.B. Executive Order 13.22821 (u.a. Schaffung des „Department of Homeland Security“22) oder Executive Order 13.23423 (Einrichtung einer „Presidential Task Force“ zur Errichtung eines Zivilschutzprogramms gegen Terrorismus24) zu nennen.25 Die exzessive Nutzung von executive orders seit 2001 ist aufgrund der Rechtfertigung dieser schnellen und effektiven Handlungsform durch Belange der nationalen Sicherheit allerdings nicht Gegenstand besonders scharfer Kritik gewesen, sondern teilweise sogar begrüßt worden.26 Insgesamt stellt die presidential executive order eine allgemein anerkannte, gesetzesähnliche Handlungsform des Präsidenten dar, welche durch die ihm in der US-Verfassung eingeräumte Macht grundsätzlich gedeckt ist.27 Die am 23. September 2001 erlassene Executive Order 13.224 wurde vor diesem Hintergrund in der US-amerikanischen rechtswissenschaftlichen Diskussion somit – bei aller inhaltlichen Kritik28 – zumindest nicht wegen ihrer Rechtsform für verfassungswidrig gehalten. (2) Rechtsgrundlage der Executive Order 13.224 Unabhängig von der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Möglichkeit des US-Präsidenten, executive orders zu erlassen, müssen auch die konkreten Inhalte jeweils von seinen Kompetenzen gedeckt sein. Fraglich ist mithin, ob dem US-Präsidenten die Kompetenz zukam, durch die Executive Order 20
Krit. daher Olson/Woll, S. 1 ff.; Branum, Journal of Legislation Vol. 28, (2002), 1 ff. Executive Order No. 13.228 (Establishing the Office of Homeland Security and the Homeland Security Council) v. 10.10.2001, Federal Register Vol. 66, S. 51.812 ff. 22 Dieses neu geschaffene Ministerium für innere Sicherheit vereinte 22 bereits existierende Behörden und gehört mit über 200.000 Angestellten zu den größten Bundesbehörden der USA, vgl. ausführlich Thessin, Harvard Journal on Legislation Vol. 40 (2003), 513 ff. 23 Executive Order No. 13.234 v. 15.11.2001, Federal Register Vol. 66, S. 57.355. 24 Die Executive Order 13.234 ordnet die Errichtung eines umfassenden, behördenübergreifenden Katastrophenplans für den Fall terroristischer Anschläge in den USA an und sieht u.a. auch Vorbereitungs- und Aufklärungsmaßnahmen an Schulen etc. vor. 25 Bei der Evaluation der Nutzung von executive orders − gerade der Bush-Regierung − darf indes nicht vergessen werden, dass bei sicherheitsrelevanten Themen die Möglichkeit einer Geheimhaltung der gesamten order besteht, vgl. Branum, Journal of Legislation Vol. 28, (2002), 44. 26 Branum, Journal of Legislation Vol. 28, (2002), 50 f. 27 Ausführlich auch Mayer, The Journal of Politics Vol. 61 (1999), 445 ff. 28 Andere verfassungsrechtliche Aspekte der Executive Order 13.224 beleuchtet etwa O‘Sullivan-Butler, St. Thomas Law Review Vol. 16 (2004), 395 ff., kritisch. 21
I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control
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13.224 Vermögenswerte der im Anhang der Order genannten Individuen einzufrieren, Geschäfte mit ihnen zu verbieten und das Finanzministerium zu ermächtigen, diese Liste fortlaufend, in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Sicherheitsbehörden, zu ergänzen.29 Die Handlungskompetenz des Präsidenten in auswärtigen Angelegenheiten, unter die auch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus fallen könnte, ergibt sich nicht ausdrücklich aus der US-Verfassung, sondern wird traditionell aus der Stellung des Präsidenten als militärischer Oberbefehlshaber abgeleitet.30 Die Kompetenz des Präsidenten in auswärtigen Angelegenheiten wurde im Jahre 1917 durch den Trading with the Enemy Act (kurz: TWEA)31 weiter gestärkt und ausdrücklich auf wirtschaftliche Sanktionen ausgeweitet.32 Allerdings unterschied der TWEA ursprünglich kaum zwischen Kriegszeiten einerseits und Notstandssituationen in Friedenszeiten andererseits. Im Laufe der 1960er und 1970er Jahre entstand daher das Bedürfnis, eine spezielle und weniger missbrauchsanfällige33 Kompetenzgrundlage für internationale Wirtschaftssanktionen durch den Präsidenten in Friedenszeiten zu schaffen, da die zugrundeliegenden Sachverhalte hier für eine Kongress-Entscheidung oft ebenfalls zu dringlich – oder zu geheimhaltungsbedürftig – sind, sich aber dennoch erheblich von denen in Kriegssituationen unterscheiden.34 Eine Veränderung der präsidialen Kompetenzen in Sachen internationale Wirtschaftssanktionen brachte aus diesem Grunde der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA)35 von 1977, der die wirtschaftssanktionsrechtlichen Möglichkeiten des Präsidenten gemäß dem TWEA für Kriegszeiten unberührt ließ, aber eine separate und restriktivere Rechtsgrundlage für entsprechende Sanktionen in Friedenszeiten – und somit „klare Verhältnisse“ – schuf.36 Auf den IEEPA stützt sich schließlich auch die Executive Order 13.224 ausdrücklich37, die Ausgangspunkt der Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung nach dem 11. September 2001 ist. Section 203 Subsection 29 Ausführlich zu Inhalt und Kompetenzen des durch die Executive Order 13.224 geschaffenen Listenregimes unten D. I. 2.–4. 30 So bereits der US-Supreme Court in United States v. Curtiss-Wright Export Corp., 299 U.S., 304 (1936). 31 50 U.S.C. (1917), §§ 1–44. 32 Zur Reichweite der präsidialen Kompetenzen aus dem TWEA auch US-Supreme Court Dames & Morre v. Regan, 453 U.S. 654, 669 f. (1981). 33 Donohue, Michigan Journal of International Law Vol. 27 (2006), 351, bezeichnet den IEEPA als Konsequenz des Missbrauchs der TWEA-Befugnisse in der Nixon-Ära (1969– 1974). 34 Vgl. O‘Sullivan-Butler, St. Thomas Law Review Vol. 16 (2004), 400 f. 35 50 U.S.C. (2003), §§ 1701–1707. 36 Savage, Currents: International Trade Law Journal Vol. 10 (2001), 29. 37 Vgl. Präambel Executive Order 13.224 (Anhang I).
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
(a) des IEEPA38 ermächtigt den Präsidenten, nach Erklärung eines nationalen Notstands39, Transaktionen jeglicher Art mit (entsprechendem) Auslandsbezug zu kontrollieren und zu blockieren: „At the times and to the extent specified in section 202 [50 USCS § 1701], the President may, under such regulations as he may prescribe, by means of instructions, licenses, or otherwise (A) investigate, regulate, or prohibit (i) any transactions in foreign exchange, (ii) transfers of credit or payments between, by, through, or to any banking institution, to the extent that such transfers or payments involve any interest of any foreign country or a national thereof, (iii) the importing or exporting of currency or securities, by any person, or with respect to any property, subject to the jurisdiction of the United States; (B) investigate, block during the pendency of an investigation, regulate, direct and compel, nullify, void, prevent or prohibit, any acquisition, holding, withholding, use, transfer, withdrawal, transportation, importation or exportation of, or dealing in, or exercising any right, power, or privilege with respect to, or transactions involving, any property in which any foreign country or a national thereof has any interest by any person, or with respect to any property, subject to the jurisdiction of the United States […]“.
Diese (aktuelle)40 Formulierung41 lässt erkennen, dass der Gesetzgeber des IEEPA weniger von einer nationalen Bedrohung durch internationalen, dezentral organisierten Terrorismus, sondern durch gezielte Handlungen anderer Staaten ausging, was vor dem Hintergrund der geopolitischen Realität der 1970er Jahre wenig verwundert. Dass diese Rechtsgrundlage aber auch Maßnahmen decken kann, die sich gegen Individuen, Organisationen oder Unternehmen richten, die nicht einem bestimmten Staat zugeordnet werden können, ist indes als legitime „Weiterentwicklung“ des Normverständnisses mit Blick auf den Telos des IEEPA anerkannt42 und spiegelt sich auch in der historischen Entwicklung des IEEPA selbst wider, in dessen Annex seit den 1990er Jahren eine Vielzahl bekannter Terrororganisationen namentlich aufgeführt ist, deren Aufenthaltsorte „wechselnd, vielfältig oder unbekannt“
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Section 203 IEEPA = 50 U.S.C., § 1702. Kriterien und Verfahren dafür sind im National Emergencies Act (1976), 50 U.S.C., §§ 1601–1651 (auch: NEA), vorgesehen, der in der Executive Order 13.224 ebenfalls ausdrücklich zitiert wird, vgl. Präambel der Executive Order 13.224 (Anhang I). 40 Die Formulierung ist die aktuelle Fassung einschließlich der durch den USA PATRIOT Act (siehe unten D. I. 1. b.) – nach Inkrafttreten der Executive Order 13.224 – eingeführten Erweiterungen, die hier aber zunächst irrelevant sind. 41 „Ausländische Währung“, „fremder Staat“, „Ausländer“ usw. 42 So Savage, Currents: International Trade Law Journal Vol. 10 (2001), 37; ohne weitere Problematisierung Donohue, Michigan Journal of International Law Vol. 27 (2006), 351. 39
I. SDN-Liste des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control
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sind43. Finanzielle Individualsanktionen gegen terroristische Vereinigungen auf Grundlage des IEEPA sind folglich kein Novum des „Krieges gegen den Terror“ nach dem 11. September 2001: Bereits die Clinton-Regierung statuierte 1995 eine Specially Designated Terrorists List – ebenfalls in Form einer executive order – und berief sich dabei hinsichtlich der damit einhergehenden finanziellen Sanktionen unter anderem auf Section 203 des IEEPA (s.o.).44 Auch die Formulierung am Ende der jeweiligen Ermächtigungstatbestände45, „[…] subject to the jurisdiction of the United States […]“, wird und wurde in diesem Zusammenhang nicht als Einschränkung im Sinne eines Verbots extraterritorialer Geltungsansprüche der auf dem IEEPA beruhenden Maßnahmen verstanden46, was zumindest bezüglich einer faktischen extraterritorialen Wirkung dem Wortlaut auch nicht entnommen werden kann. Neben dem IEEPA existiert zudem seit 1996 eine weitere Rechtsgrundlage, um terroristische Organisationen auf die 1995 eingeführte Specially Designated Terrorists List aufzunehmen, nämlich der als Folge des OklahomaAttentats 199547 und des Bombenanschlags auf das World Trade Center im Jahre 199348 beschlossene sogenannte Antiterrorism and Effective Death Penalty Act49 von 1996, der zudem weitere Sanktionen gegen die gelisteten Organisationen, u.a. in Form zahlreicher Bereitstellungsverbote – inklusive Unterkunft, Nahrung, Dienstleistungen jeglicher Art usw. – enthält. Die auf der Specially Designated Terrorists List genannten Terrororganisationen finden sich zwar auch auf der (jüngeren) SDN-Liste des OFAC wieder, die Listen sind aber zu unterscheiden: Während die viel umfangreichere SDNListe des OFAC zahlreiche – im weiteren Sinne – terrorverdächtige Unternehmen und Individuen enthält, benennt die Specially Designated Terrorists List nur Terrororganisationen selbst und ist in ihren Rechtsfolgen nicht auf finanzielle Sanktionen beschränkt.
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50 U.S.C. (2003), § 1702 (Amendment); vgl. (mit Hinweis auf die seit 2001 enorm gestiegene Zahl der Einträge) Savage, Currents: International Trade Law Journal Vol. 10 (2001), 37. 44 Executive Order 12.947 v. 23.1.1995, Federal Register Vol. 60, S. 5.079. 45 Siehe Anhang I. 46 Dies zeigt sich bereit daran, dass dieser Punkt trotz umfangreicher rechtswissenschaftlicher Diskussion zu den extraterritorialen Wirkungen des US-Antiterror-Rechts nicht ernsthaft problematisiert wird, vgl. etwa Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 721 ff.; allgemein auch Meng, EuZW 1997, 423 ff. 47 Bei dem Anschlag auf das Alfred P. Murrah Federal Building in Oklahoma City am 19.4.1995 mittels einer Autobombe kamen 168 Menschen ums Leben. 48 Bei diesem Autobombenanschlag in der Tiefgarage des World Trade Centers am 26.2.1993, der als erster islamistischer Terrorakt in den Vereinigten Staaten gilt, kamen sechs Menschen ums Leben. 49 Antiterrorism & Effective Death Penalty Act of 1996, Pub. L. No. 104–132, 110 Stat. 1214.
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
Grundsätzlich wird im Ergebnis die Tauglichkeit des IEEPA als Rechtsgrundlage für finanzielle Individualsanktionen gegen Mitglieder und Unterstützer terroristischer Vereinigungen, die keinem bestimmten Staat zugeordnet werden können, im US-amerikanischen Schrifttum nicht ernsthaft bezweifelt. Über die Vereinbarkeit der konkreten Anordnungen der Executive Order 13.224 sowie der zahlreichen sonstigen Antiterror-Rechtsakte mit höherrangigem Recht, insbesondere der Grund- und Verfahrensrechte, kann dies allerdings kaum gesagt werden.50 b. Der USA PATRIOT Act Eine im Vergleich zur Executive Order 13.224 demokratisch fundiertere Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 erfolgte – ebenfalls noch im Oktober desselben Jahres – in Form des Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act (kurz: USA PATRIOT Act)51, also durch ein formelles Bundesgesetz. Hinter dem pathetischen Namen verbergen sich weitreichende Ermächtigungen zahlreicher Bundesbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, die teilweise Gegenstand einer lebhaften (rechts-)politischen Diskussion innerhalb und außerhalb der USA waren und sind 52: Dazu zählen etwa die Ermächtigung der Central Intelligence Agency (CIA), des Auslandsgeheimdienstes der USA, auch im Inland zu ermitteln sowie die starke Ausweitung der Rechte des Federal Bureau of Investigation (FBI), der bundespolizeilichen Ermittlungsbehörde, im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung – auch ohne konkreten Verdacht – z.B. Bankdaten einzusehen oder Hausdurchsuchungen vorzunehmen53. Auch die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung wurde durch den USA PATRIOT Act – der in den vergangenen Jahren häufig modifiziert und hinsichtlich einzelner, temporärer Bestimmungen verlängert wurde – gestärkt. So hebt Section 106 USA PATRIOT Act Beschränkungen innerhalb der Rechtsgrundlage für Maßnahmen des Präsidenten gemäß Section 203 des IEEPA54 auf und erweitert somit dessen Möglichkeiten. Ferner wird das Prozessrecht zum Nachteil der von Finanzsanktionen auf Grundlage des IEEPA Betroffe50
Statt vieler Whitehead/Aden, American University Law Review Vol. 51 (2002), 1083 ff.; zustimmend gegenüber der Sicherheitsgesetzgebung nach dem 11. September 2001 dagegen Rosenzweig, Duquesne Law Review Vol. 42 (2004), 663 ff. 51 Public Law No. 107-56, 115 Stat. 272 (2001). 52 Krit. etwa Hannigan, Houston Law Review Vol. 41 (2004), 1371 ff.; Edgar, Pennsylvania Bar Association Quarterly Vol. 76 (2005), 21 ff.; bezogen auf aktuelle Erweiterungen Bussone, Florida Coastal Law Review Vol. 13 (2011), 85 ff.; insgesamt aufgeschlossen gegenüber dem USA PATRIOT Act hingegen Dinh, The Georgetown Journal of Law & Public Policy Vol. 2 (2004), 393 ff. 53 Section 301 ff. des USA PATRIOT Act. 54 Vgl. zu Section 203 IEEPA oben D. I. 1. a. (2).
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nen modifiziert: Sofern die Sanktionen auf Informationen beruhen, die der Geheimhaltung unterliegen, kann das Verfahren unter Ausschluss der betroffenen Partei stattfinden und können die Informationen in einem sogenannten in-camera-Verfahren55 ausgewertet werden.56 Vor allem Title III USA PATRIOT Act (seinerseits als „International Money Laundering Abatement and Financial Anti-Terrorism Act of 2001“ bezeichnet)57 enthält Vorschriften bezüglich der Terrorismusfinanzierung und sieht zahlreiche neue Regeln und Verfahrensweisen für Banken in den USA vor.58 Dabei stehen Dokumentations- und Prüfungspflichten im Vordergrund, die – neben Geldwäsche – auch die Finanzströme des internationalen Terrorismus aufdecken sollen, damit diese gezielt bekämpft werden können.59 Die Vorschriften gelten für alle Konten innerhalb der USA einschließlich Interbankenkonten zwischen inländischen, aber auch unter Beteiligung ausländischer Banken („Special Due Diligence for Correspondent Accounts and Private Banking Accounts“).60 Zudem werden in bedeutendem Umfang Geschäfte, insbesondere die Unterhaltung gegenseitiger Konten mit sogenannten Foreign Shell Banks – also ausländischen Banken ohne echten, „physischen“ Geschäftssitz – verboten, da diese sich besonders gut für anonyme Finanztransaktionen eignen.61 Brisant sind ferner die deutlichen Verfahrenserleichterungen hinsichtlich der ermittlungsbehördlichen Beschlagnahmung von Vermögen, das – im weitesten Sinne – dem Terrorismus zugutekommt: Section 806 des USA PATRIOT Act dehnt die entsprechende Rechtsgrundlage des US-Bundesrechts62 massiv aus63 und gestattet dadurch de facto die Beschlagnahmung
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Lat. in camera für „in der Kammer“, also: geheim. In Deutschland richtet sich ein solches (vergleichsweise restriktiv ausgestaltetes) Verfahren nach § 99 VwGO. 56 Krit. O‘Sullivan-Butler, St. Thomas Law Review Vol. 16 (2004), 413 ff. 57 Title III USA PATRIOT Act, „International Money Laundering Abatement and AntiTerrorist Financing Act of 2001“, Section 301–377. 58 Ausführlich O‘Sullivan-Butler, St. Thomas Law Review Vol. 16 (2004), 403 ff. 59 Vgl. Section 312 USA PATRIOT Act. 60 Section 312 USA PATRIOT Act. 61 Section 313 USA PATRIOT Act. 62 18 U.S.C., § 981 (Civil Forfeiture). 63 Nach dem neuen Wortlaut des maßgeblichen Abschnitts (G) 18 U.S.C., § 981, können folgende Vermögenswerte beschlagnahmt werden: „All assets, foreign or domestic (i) of any individual, entity, or organization engaged in planning or perpetrating any Federal crime of terrorism (as defined in section 2332b (g)(5)) against the United States, citizens or residents of the United States, or their property, and all assets, foreign or domestic, affording any person a source of influence over any such entity or organization; (ii) acquired or maintained by any person with the intent and for the purpose of supporting, planning, conducting, or concealing any Federal crime of terrorism (as defined in
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
allen Vermögens, das in irgendeiner Weise in Verbindung mit dem (internationalen) Terrorismus stehen könnte – und zwar bereits im Ermittlungsverfahren.64 Insbesondere die Möglichkeit, das gesamte Vermögen einer unter die weitreichenden Definitionen fallenden Person oder Organisation zu beschlagnahmen, die von der mittelbaren Partizipation Terrorverdächtiger etwa an einer Spende gegebenenfalls gar keine Kenntnis hat, wird zum Teil scharf kritisiert.65 Die Beschlagnahmung ist allerdings ein von der Terrorsperrliste und den diesbezüglichen Rechtsfolgen – wie dem Einfrieren von Vermögenswerten durch Banken oder dem Verbot von Geschäften mit Gelisteten – verschiedenes Instrument. Der USA PATRIOT Act flankiert mithin die für die Terrorsperrliste des OFAC maßgebliche Executive Order 13.224 mit weiteren Maßnahmen auf verschiedenen Rechtsgebieten und schafft durch Erweiterung der präsidialen Ermächtigungen in Section 203 des IEEPA gleichsam nachträglich eine, im Vergleich zur vorherigen Fassung zumindest deutlichere, Rechtsgrundlage für die Executive Order 13.224. Konkrete Vorschriften über Inhalt und Reichweite von Terrorsperrlisten im engeren Sinne werden durch den USA PATRIOT Act hingegen nicht statuiert. 2. Zustandekommen und Verwaltung der SDN-Liste Den Kern der Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung in den USA bildet die SDN-Liste des OFAC. Der Begriff SDN-Liste umfasst allerdings nicht nur die Antiterror-Liste, sondern auch weitere Sanktionslisten66, die sich – aus anderen Gründen als der Terrorismusbekämpfung – etwa gegen Kuba, section 2332b (g)(5) against the United States, citizens or residents of the United States, or their property; (iii) derived from, involved in, or used or intended to be used to commit any Federal crime of terrorism (as defined in section 2332b (g)(5)) against the United States, citizens or residents of the United States, or their property; or (iv) of any individual, entity, or organization engaged in planning or perpetrating any act of international terrorism (as defined in section 2331) against any international organization (as defined in section 209 of the State Department Basic Authorities Act of 1956 (22 U.S.C. 4309 (b)) or against any foreign Government. Where the property sought for forfeiture is located beyond the territorial boundaries of the United States, an act in furtherance of such planning or perpetration must have occurred within the jurisdiction of the United States.“ 64 Krit. Donohue, Wake Forest Law Revue Vol. 43 (2008), 643 ff.; vgl. auch Davenport, Syracuse Law Review Vol. 61 (2010), 175 ff.; O‘Sullivan-Butler, St. Thomas Law Review Vol. 16 (2004), 405 f. 65 Vgl. etwa Selden, Fordham Journal of Corporate & Financial Law Vol. 8 (2003), 549 f. 66 Überblick über die vom OFAC verwalteten Sanktionsprogramme und -listen unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013).
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den Iran oder den internationalen Drogenhandel richten.67 Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch einzig das Terrorismus-Sanktionsregime des OFAC relevant, also die sogenannte Counter-Terrorism-List68 – die allerdings in der konsolidierten Liste des OFAC (und damit auch bei den angebotenen online- oder softwarebasierten Such- und Scanfunktionen) häufig unzureichend von Sanktionsprogrammen mit teilweise völlig anderer Rechtsgrundlage getrennt wird.69 Die Zuständigkeit des OFAC für die Verwaltung der SDN-Liste ergibt sich aus Section 1 (b), (c) und Section 5 Executive Order 13.224, die den USFinanzminister ermächtigen, in Absprache mit dem Justiz- und dem Außenminister, terrorverdächtige Personen und Organisationen (neben den bereits im Anhang der Executive Order genannten) zu bestimmen, die von den Sanktionen erfasst werden.70 Das OFAC ist als Exportkontrollbehörde innerhalb des US-Finanzministeriums mithin derivativ ermächtigt, die Liste zu führen.71 Über das konkrete Zustandekommen der Liste ist wenig bekannt, da die vom OFAC für eine Aufnahme in die SDN-Liste genutzten Informationen zumeist der Geheimhaltung unterliegen.72 Auch die Herkunft der Informationen wird häufig nicht offengelegt, sondern die Betroffenen werden allenfalls – sofern es sich um Personen oder Organisationen innerhalb der USA handelt – mit einer sogenannten Blocking Notice über ihre Aufnahme in die Liste informiert.73 Ein Listeneintrag sieht beispielsweise folgendermaßen aus (hier inklusive mehrerer Alias-Namen und alternativer Geburtsdaten):
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Nicht zu verwechseln ist die SDN-Liste ferner mit der sog. „314 (a)-List“, beruhend auf Section 314 (a) des USA PATRIOT Act, die Terrorverdächtige enthält, gegen die bisher nur ermittelt wird und deren Finanztransaktionen deshalb von den Compliance-Abteilungen der Banken offengelegt werden müssen. Anders als die SDN-Liste unterliegt die „314 (a)“-Liste freilich der Geheimhaltung. 68 Mit weiteren Informationen abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 69 So etwa bei der unter abrufbaren „Complete SDN-List“ mit Suchfunktion (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 70 Siehe Anhang I. 71 Arbeitsweise und Verfahren des OFAC sind reguliert in 31 C.F.R. (Code of Federal Regulations) Chapter V. 72 Verständnisvoll Crook, Albany Law Review Vol. 72 (2009), 77; krit. gegenüber der weitreichenden Geheimhaltung durch US-Behörden (in anderem Zusammenhang) im „Krieg gegen den Terror“ dagegen Telman, Alabama Law Review Vol. 63 (2012), 429 ff. 73 Vgl. Al-Haramain Islamic vs. U.S. Department of Treasury, Court of Appeals for the Ninth Circuit, No. 10-35032 KI (2009).
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EL HALABI, Abdallah (a.k.a. ABU-AL-KHAYR, Muhammad Abdallah Hasan; a.k.a. ABU-ALKHAYR, Muhammad Bin-'Abdullah Bin-Hamd; a.k.a. ABUL-KHAIR, Mohammed Abdullah Hassan; a.k.a. AL-HALABI, Abdallah; a.k.a. ALHALABI, Abdullah; a.k.a. AL-HALABI, Abu 'Abdallah; a.k.a. AL-JADDAWI, Muhannad; a.k.a. AL-MADANI, 'Abdallah al-Halabi; a.k.a. AL-MADANI, Abu Abdallah; a.k.a. AL-MAKKI, Abdallah); DOB 19 Jun 1975; alt. DOB 18 Jun 1975; POB Al-Madinah al-Munawwarah, (Medina) Saudi Arabia; Passport A741097 (Saudi Arabia) issued 14 Nov 1995 expires 19 Sep 2000; National ID No. 1006010555 (Saudi Arabia) (individual) [SDGT]. Hinweis: Der abgebildete Eintrag entstammt der veröffentlichten SDN-Liste des OFAC, Stand Dezember 2013, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 28.12.2013), und impliziert keinerlei Aussage des Verfassers über etwaige Verstrickungen der genannten Person in terroristische oder sonstige illegale Aktivitäten.
Es liegt auf der Hand, dass mit dieser Intransparenz des Listungsverfahrens rechtsstaatliche, insbesondere verfassungsrechtliche Probleme einhergehen. Zwar kann gegen die Aufnahme in die SDN-Liste Beschwerde beim OFAC eingelegt werden, um ein Delisting-Verfahren zu bewirken.74 Der daraufhin ergehende Bescheid muss nach der maßgeblichen bundesrechtlichen Vorschrift allerdings nur das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens und keine ausführliche Begründung enthalten.75 Auch die grundsätzliche Justitiabilität eines negativen Bescheids des OFAC bedeutet nicht, dass dem Kläger im Prozess die zu seiner Listung führenden Informationen vollständig offengelegt werden: Der Court of Appeal (9th Circuit) hat im Verfahren Al-Haramain Islamic vs. U.S. Department of Treasury76 festgestellt, dass grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des OFAC an der Geheimhaltung entsprechender Informationen besteht und die Belange der nationalen Sicherheit dem Recht des Betroffenen auf eine Begründung der Entscheidung vorgehen können. Allerdings hat das Gericht das 74
Der Antrag auf „Administrative Reconsideration“ und das Delisting-Verfahren richten sich nach 31 C.F.R., § 501.807 (Anhang II). 75 Vgl. 31 C.F.R., § 501.807 (d) (Anhang II). 76 Al-Haramain Islamic vs. U.S. Department of Treasury, Court of Appeals for the Ninth Circuit, No. 10-35032 KI (2009).
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OFAC in deutliche Schranken gewiesen: Ein pauschales Berufen auf Geheimhaltungspflichten reiche bei der Begründung nicht aus, sondern es habe eine Interessenabwägung im Einzelfall stattzufinden, deren Ziel eine möglichst weitreichende Begründung gegenüber dem Betroffenen sein müsse. Im konkreten Fall der Al-Haramain Islamic Foundation, einer gemeinnützigen saudi-arabischen Organisation mit Außenstelle in Oregon (USA), wurde die Aufnahme in die SDN-Liste durch das Gericht wegen Verletzung des Fifth Amendments der US-Verfassung (Verfahrensrechte) aufgehoben, da das OFAC mindestens eine abstrakte Zusammenfassung der geheimdienstlichen Informationen hätte liefern – oder zugunsten einer Begründung gegenüber dem Betroffenen sogar die Aufhebung der Geheimhaltungseinstufung einzelner Informationen hätte prüfen – müssen.77 Die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Listungsverfahrens beim OFAC werden folglich zum Teil von der US-Rechtsprechung geteilt, was im Einzelfall Abhilfe versprechen kann. Dies gilt allerdings kaum für gelistete Personen, Unternehmen und Organisationen, die keinen (Wohn-)Sitz in den USA haben78, von der Liste aber trotzdem betroffen sind79. Insgesamt kann das Zustandekommen der SDN-Liste weiterhin als überaus intransparent bezeichnet werden.80 Die vorliegend behandelten Probleme einer etwaigen (faktischen) extraterritorialen Wirkung der US-Terrorliste stellen sich zudem unabhängig davon, ob der betreffende Eintrag einer verfassungsrechtlichen Prüfung in den USA standhalten würde. 3. Inhaltliche Reichweite der Terrorsperrliste des Office of Foreign Assets Control Von zentraler Bedeutung für die Frage der Berücksichtigung ausländischer Terrorsperrlisten im deutschen Privatrecht ist die inhaltliche Reichweite der entsprechenden Vorschriften – im vorliegenden Beispiel also der Anwendungsbereich der US-amerikanischen Terrorsperrliste des OFAC. Nur wenn die Liste eine über die Grenzen der (eigentlichen) US-Rechtsmacht hinausgehende Geltung beansprucht, können sich überhaupt diesbezügliche Probleme im deutschen Privatrecht ergeben: Dass nämlich (auch deutsche) Unterneh77 Al-Haramain Islamic vs. U.S. Department of Treasury, Court of Appeals for the Ninth Circuit, No. 10-35032 KI (2009). 78 Personen und Organisationen, die weder Aufenthaltsort noch Vermögen innerhalb der USA haben, genießen zudem schon formell keinen Schutz durch die US-Verfassung, vgl. US-Supreme Court, People’s of Mojahedin Organisation of Iran vs. U.S. Department of State, 182 F. 3d (D.C. Cir., 1999), 17 (22); dazu auch Donohue, Wake Forest Law Revue Vol. 43 (2008), 664 f. 79 Dazu unten D. I. 4. 80 Krit. auch Donohue, Wake Forest Law Revue Vol. 43 (2008), 643 ff.
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men, die in ihren US-amerikanischen Niederlassungen Geschäfte betreiben, dort den Regelungen des US-Antiterror-Rechts unterstehen, ist vergleichsweise unproblematisch. Erhebliche Schwierigkeiten bereiten indes Terrorsperrlisten, deren Anwendungsbereich auch extraterritoriale Fälle – also solche außerhalb der USA – erfasst, die eigentlich nicht in den Geltungsbereich US-amerikanischen Rechts fallen. Die Executive Order 13.224 stellt im Hinblick auf die SDN-Liste des OFAC betreffend den internationalen Terrorismus, wie oben aufgezeigt, den zentralen Rechtsakt dar. Sie enthält – auch wenn diesbezüglich ergänzende executive orders und andere Rechtsakte in der Folgezeit erlassen wurden81 – den maßgeblichen Tatbestand für die Aufnahme von Personen und Organisationen in die Terrorsperrliste und die daraus resultierenden Rechtsfolgen. Zunächst ist fraglich, welche Geschäfte und Transaktionen von den Vorschriften der Executive Order 13.224 erfasst sind, also welche Ge- und Verbote aus Sicht der Adressaten gegenüber den Gelisteten gelten (a. und b.). Sodann ist zu untersuchen, welchen Adressaten gegenüber die Executive Order 13.224 Geltung beansprucht – Letzteres ist entscheidend für die Frage, inwieweit Sachverhalte mit deutschem Forum potentiell betroffen sind (c.). a. „Blockade“ der Vermögenswerte Gelisteter Section 1 (a) Executive Order 13.22482 verfügt zunächst die sofortige Blockade aller – im weiteren Sinne – Vermögenswerte („[…] all property and interests in property […]“) der im Annex der Order bereits gelisteten 27 Personen oder Organisationen – ohne vorherige Ankündigung gegenüber den Betroffenen83. Ferner sind die Vermögenswerte solcher Personen und Organisationen84 zu blockieren, die der Sperrliste später (durch das OFAC) hinzugefügt werden85 (Section 1 (b), (c) Executive Order 13.224), weil sie nach Ansicht der zuständigen Behörden terrorverdächtig sind (Section 1 (b) Executive Order 13.224)86, weil sie ihrerseits durch solche terrorverdächtigen Personen oder Organisationen kontrolliert werden, diese vertreten oder in deren Eigentum stehen (Section 1 (c) Executive Order 13.224) oder weil sie eine der beiden erstgenannten Gruppen unterstützen oder „in anderer Weise mit ihnen verbunden sind“ (Section 1 (d) Executive Order 13.224). Diese nachträglich 81
Vgl. etwa den USA PATRIOT Act oben D. I. 1. b. Anhang I. 83 Section 10 Executive Order 13.224 (Anhang I). 84 Damit sind gem. Section 3 (a), (b) Executive Order 13.224 alle natürlichen und juristischen Personen, Gruppierungen, Vereine usw. gemeint – also letztlich alle Personen oder juristischen und nichtjuristischen Personengruppen. 85 Vgl. dazu oben D. I. 2. 86 Section 1 (b) Executive Order 13.224: „[…]to have committed, or to pose a significant risk of committing, acts of terrorism that threaten the security of U.S. nationals or the national security, foreign policy, or economy of the United States[…]“. 82
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hinzugefügten Personen und Organisationen machen heute den weit überwiegenden Teil der SDN-Terrorliste aus. Im Falle der von Section 1 (d) Executive Order 13.224 erfassten „Unterstützer“ und „Verbundenen“ kann das OFAC allerdings von einer kompletten Blockade der Vermögenswerte (durch Aufnahme in die Liste) absehen und stattdessen andere „angemessene“ Maßnahmen nach Section 5 Executive Order 13.22487 ergreifen, die nicht weiter spezifiziert sind.88 Durch diese Ausnahmeregel wird offengehalten, ob eine unter die dritte, extrem weit gefasste Gruppe fallende Institution oder Person tatsächlich gelistet wird. Zusammenfassend gilt die Vermögensblockade nach Section 1 Executive Order 13.224 – also das Gebot des Einfrierens der Vermögenswerte – aus Sicht der Adressaten schlicht gegenüber Personen, Unternehmen oder Personengruppen, die auf der entsprechenden SDN-Liste aufgeführt sind. Die Blockade gilt solange, bis das OFAC die Freigabe der Vermögenswerte genehmigt oder diese endgültig beschlagnahmt werden und damit verfallen. Bis zur Entscheidung des OFAC über das Schicksal der eingefrorenen Guthaben müssen diese, sofern es sich um Bankkonten handelt, nach üblichen Bedingungen weiter verzinst werden.89 Die Anordnung der Blockade gilt gem. Section 1 Executive Order 13.224 – „[…] notwithstanding […]“90– auch für vor dem Erlass der Order geschlossene Verträge und entgegen jeglicher vorheriger Ausnahmegenehmigungen oder Lizenzen. Ausweislich Section 1 Executive Order 13.224 findet das Blockade-Gebot – also, mit anderen Worten, das Verbot jeglicher Vermögensbewegungen – allerdings insoweit keine Anwendung, als dies nach den Ausnahmen für Wirtschaftssanktionen auf Grundlage des IEEPA nach dessen Section 203 (b) erforderlich ist. Die Ausnahme gilt vor allem für Materialien, die im weiteren Sinne dem Informationsaustausch – und damit der Ausübung der Meinungsfreiheit – dienen (Post, gedrucktes oder digitales Informationsmaterial usw.). Ferner ist in Section 203 (b) Subsection (2) IEEPA der Transfer von Vermögenswerten für wohltätige Zwecke, insbesondere die Versorgung mit Medizin, Nahrungsmitteln usw. ausgenommen. Diese Ausnahme kann allerdings durch den Präsidenten nach Section 203 (b) Subsection (2) IEEPA abbedungen werden, wenn dadurch die Möglichkeit, den, für Maßnahmen nach dem
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Section 5 Executive Order 13.224: „[…]other actions than the complete blocking of property[…]“. 88 Dazu Das, New England Law Review Vol. 36 (2002), 946. 89 Selden, Fordham Journal of Corporate & Financial Law Vol. 8 (2003), 500 m.w.N. 90 Die teilweise zu findende Übersetzung „unbeschadet“ ist hier irreführend. Gemeint ist „notwithstanding“ i.S.v. „trotz“, „entgegen“, vgl. zur Übersetzung im juristischen Kontext auch von Beseler/Jacobs-Wüstefeld, Law Dictionary English-German, Eintrag „notwithstanding“.
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IEEPA stets erforderlichen91, nationalen Notstand zu bewältigen, beeinträchtigt würde. Von dieser Möglichkeit der Rückausnahme macht die Executive Order 13.224 in Section 4 Gebrauch und verbietet somit auch entsprechende wohltätige Transaktionen gegenüber den betroffenen Personen und Personengruppen. Eine gewisse Relativierung im Hinblick auf humanitäre Belange findet indes durch Section 4 Executive Order 13.224 selbst statt, indem klargestellt wird, dass die Maßnahmen nicht das Ziel haben, einseitige medizinische Unterstützung gegenüber den Gelisteten völlig zu unterbinden.92 Die Blockade-Vorschrift der Section 1 Executive Order 13.224 erfasst also bestehende Vermögenswerte, die den Gelisteten bereits zugeordnet sind. Zu denken ist hier etwa an Guthaben auf Bankkonten, Treuhandkonstruktionen und dergleichen – also all diejenigen Fälle, in denen die Adressaten der Blockade-Vorschriften93 im weitesten Sinne Zugriff auf Vermögenswerte der Gelisteten haben. Der sachliche Geltungsbereich erstreckt sich laut Section 1 Executive Order 13.224 auf alle Vermögenswerte, die sich innerhalb der USA befinden, später in die USA gelangen oder die in den Besitz oder die Kontrolle sogenannter „United States persons“ 94 geraten. b. Transaktions- und Geschäftsverbote gegenüber Gelisteten Neben den Blockade-Regelungen für Vermögenswerte in Section 1 enthält Section 2 Executive Order 13.224 ein Verbot jeglicher Transaktionen und Geschäfte mit Gelisteten oder bezüglich des nach Section 1 blockierten Vermögens (Section 2 (a) Executive Order 13.224). Unter dieses Verbot fallen insbesondere – aber nicht ausschließlich95 – die Entgegennahme oder Bereitstellung jeglicher Gelder, Waren oder Dienstleistungen gegenüber Gelisteten – auch, wenn diese nur mittelbar davon profitieren. Section 2 (b) und (c) Executive Order 13.224 enthalten zudem weitreichende Umgehungsverbote. Erfasst ist nach dem Wortlaut der Section 2 (a) Executive Order 13.224 mithin jeder direkte oder mittelbare geschäftliche Kontakt zu den Gelisteten. Anders als bei dem Blockade-Gebot hinsichtlich der Vermögenswerte der „Specially Designated Nationals“ in Section 1 Executive Order 13.224, unter das naturgemäß vor allem Bankguthaben, Finanzinstrumente (im weiteren Sinne) oder sonstige Buchwerte fallen, auf die die Adressaten Zugriff haben, erfasst das Transaktions- und Geschäftsverbot in Section 2 Executive Order 13.224 im Grundsatz sämtliche, auch alltägliche Geschäfte mit den Gelisteten. Hier geht es folglich nicht „nur“ um Bankkonten, Kreditkarten und der91
Siehe oben D. I. 1. a. (2). Vgl. dazu Savage, Currents: International Trade Journal Vol. 10 (2001), 36. 93 Zu dem Adressatenkreis der Verbote vgl. unten D. I. 4. 94 Zum Begriff der „United States persons“ unten D. I. 4. a. 95 Vgl. Wortlaut Section 2 (a) Executive Order 13.224: „[…]including but not limited to[…]“ (Anhang I). 92
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gleichen, sondern um alles, was die Teilnahme am wirtschaftlichen – und damit letztlich auch am gesellschaftlichen – Leben überhaupt ausmacht: Vom Abschluss eines Arbeitsvertrages, von Sozial- und Krankversicherungsleistungen und dem Erwerb eines Autos bis hin zum Anmieten einer Wohnung unterliegt alles dem Geschäftsverbot. Es handelt sich somit um einen maximalen Ausschluss der gelisteten Personen und Unternehmen oder sonstigen Organisationen vom täglichen Wirtschaftsleben, was – sofern die Verbote von allen befolgt werden – im Geltungsbereich der Terrorliste die sofortige Vernichtung von Unternehmen und den vollständigen Entzug der (wirtschaftlichen) Existenzgrundlage natürlicher Personen zur Folge hat. Zwar gelten die bereits in Section 1 Executive Order 13.224 genannten Ausnahmen nach Section 203 (b) Subsection (2) IEEPA ausweislich des Wortlauts der Executive Order auch für die Verbote nach Section 2 Executive Order 13.224, sodass – trotz der oben genannten Rückausnahme96 – ein Minimum an humanitärer Grundversorgung mit Nahrung und Medizin weiter möglich bleibt. Dass die Auswirkungen auf die Gelisteten dennoch verheerend bleiben, liegt auf der Hand. Einerseits kommen viele alltägliche Geschäfte – wie z.B. der Erwerb von Produkten in einem Supermarkt – ohne die Identifizierung der Kunden aus und entziehen sich damit schon praktisch der Möglichkeit, die Gelisteten hiervon auszuschließen. Wie weit aber andererseits der Vollzug der Verbote in der US-amerikanischen Wirtschaftspraxis reicht, zeigt bereits das enorme Angebot an Softwarelösungen für den Abgleich von Kundendatenbanken mit den Listen des OFAC, das sich durchaus nicht nur an Großkonzerne, Banken oder Fluggesellschaften, sondern auch an kleine Dienstleister, Händler usw. richtet.97 Eines zeigt sich hier zudem deutlich: Neben den erheblichen Folgen für die Gelisteten selbst birgt die Terrorsperrliste des OFAC signifikante Gefahren für Personen, die mit den Gelisteten, z.B. wegen Namensähnlichkeiten oder sogar Namensgleichheit, verwechselt werden können. Es ist nämlich anzunehmen, dass etwaige Geschäftspartner das Risiko von Sanktionen wegen Verstoßes gegen die Verbote häufig so sehr scheuen, dass sie im Zweifel von vornherein keine geschäftlichen Beziehungen mit den Betroffenen eingehen.98 Verschärft wird diese Problematik noch durch die Anreicherung der meisten SDN-Listeneinträge durch zahlreiche Alias-Namen.99
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Siehe oben D. I. 3. b. Neben professionellen, kostenpflichtigen Lösungen werden zahlreiche kostenlose „Scan-Tools“ angeboten, die z.B. mit den Begriffen „OFAC Compliance Software“ ohne Weiteres über Internet-Suchmaschinen gefunden werden können. 98 Eine solche Verwechslung seitens einer US-amerikanischen „Credit-Reporting-Agency“ (einer Auskunftei für Banken, ähnlich der deutschen SCHUFA) geschah etwa in dem Fall der US-Amerikanerin Sandra Cortez, vgl. Little, ABC-News Consumer Report v. 97
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D. Drittstaatliche Sperrlisten
4. Adressatenkreis der Verbote Von zentraler Bedeutung ist – neben der bereits beleuchteten inhaltlichen Reichweite der Verbote der Executive Order 13.224 – die Frage, wer nach Intention der Order zu deren Adressatenkreis gehört, wer sich also an die entsprechenden Vorgaben halten soll. Von besonderem Interesse ist dabei, inwieweit Sachverhalte betroffen sein können, deren Gerichtsstand Deutschland ist und die daher nach deutschem Recht – also nach Internationalem Privatrecht oder nach materiellem Zivilrecht – beurteilt werden müssen. Nach dem Wortlaut der Section 2 (a) Executive Order 13.224 richtet sich das Verbot von Transaktionen und Geschäften100 mit den Gelisteten zum einen an sogenannte „United States persons“ und erstreckt sich zum anderen auf jegliche Sachverhalte innerhalb der USA. Auch Section 1 Executive Order 13.224 (Vermögensblockade) knüpft einerseits an jegliche Vermögenswerte innerhalb der USA und andererseits an Vermögenswerte (Gelisteter) an, die in den „Besitz“ oder die „Kontrolle“101 von „United States persons“ geraten. a. „United States persons“ Primärer Adressat der in der Executive Order 13.224 enthaltenen Vorschriften sind somit alle United States persons (Section 1, 2 Executive Order 13.224). Der Begriff der United States persons ist in Section 3 (c) Executive Order 13.224 legaldefiniert. Zunächst umfasst der Terminus „persons“ in diesem Zusammenhang gem. Section 3 (a) i.V.m. Section 3 (b) Executive Order 13.224 alle natürlichen Personen und Personengemeinschaften, Organisationen, Vereine sowie sämtliche Unternehmen.102 Unter den Begriff der „persons“ fallen mithin alle denkbaren natürlichen und juristischen Personen und Personenvereinigungen. United States persons sind in Section 3 (c) Executive Order 13.224 (sinngemäß) sodann definiert als „alle US-Bürger, alle Ausländer mit dauerndem Aufenthalt in den USA, alle Organisationen und Unternehmen, die US-Recht unterstehen, und deren ausländische Zweigstellen sowie sämtliche sich in den 18.7.2012, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 99 Vgl. etwa den beispielhaften Listeneintrag oben D. I. 2. 100 Vgl. oben D. I. 3. b. 101 Vgl. Section 1 Executive Order 13.224: „[…]all property or interests in property[…]that hereafter come within the posession or control of United States persons[…]“ (Anhang I). 102 Zunächst wird in Section 3 (a) „person“ als Individuum oder „entity“ definiert. Unter den Begriff der „entity“ fallen gem. Section 3 (b) sodann alle denkbaren Organisationen, Unternehmen usw.
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USA aufhaltende Personen (im Sinne der Section 3 (a), (b) Executive Order 13.224)“. Während die meisten Kriterien relativ klar bestimmt sind, da sie an Aufenthaltsort oder Staatsbürgerschaft anknüpfen, ist fraglich – und für diese Arbeit von großer Bedeutung – was mit Unternehmen und Organisationen gemeint ist, die US-Recht unterstehen (orig.: „[…] entity organized under the laws of the United States […]“). Ausgehend vom Wortlaut „[…] organized under […]“ liegt es nahe, solche Unternehmen und Organisationen als erfasst anzusehen, die nach US-Gesellschaftsrecht verfasst sind. Die alternative Interpretation, dass alle dem US-Recht allgemein – wegen ihres Sitzes innerhalb der USA – unterstehenden Unternehmen/Organisationen erfasst sind, vermag nämlich die Formulierung „[…] or any person in the United States“ in Section 3 (c) Executive Order 13.224 a.E. nicht zu erklären. Nach der Definition des Begriffs „person“ in Section 3 (a) i.V.m. Section 3 (b) Executive Order 13.224 sind damit nämlich die in den USA ansässigen Unternehmen und Organisationen bereits erfasst. Auch die – als Rechtsfindungsquelle freilich fragwürdigen – Frequently Asked Questions-Abteilung der Website des OFAC103 beantwortet die Frage „Who must comply with OFAC regulations?“ in dieser Hinsicht mit „all U.S. incorporated entities and their foreign branches“, was eindeutig als „dem US-Gesellschaftsrecht unterstehend“ oder „in den USA als Gesellschaft/Verein registriert“ verstanden werden muss.104 Für Sachverhalte mit Bezug zu Deutschland heißt das: Unternehmen, die nach deutschem Recht verfasst sind und Niederlassungen in den USA haben, sind nicht als Ganzes von den Ver- und Geboten erfasst, sondern nur die entsprechenden US-Niederlassungen als „person[s] in the United States“ gem. Section 3 (c) i.V.m. Section 3 (a), (b) Executive Order 13.224. Nach US-Recht verfasste Unternehmen hingegen sind vom (zumindest intendierten) Anwendungsbereich der Order, unabhängig vom eigentlich anwendbaren Recht, generell erfasst – und zwar auch hinsichtlich ihrer ausländischen (und damit auch deutschen) Niederlassungen. Eine erhebliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Executive Order erfolgt außerdem dadurch, dass das Gebot der Blockade gem. Section 1 Executive Order 13.224 auch dann gilt, wenn eine United States person „Besitz oder Kontrolle“105 über die Vermögenswerte Gelisteter erlangt. Auch wenn also z.B. bei einer international agierenden Bank mit Hauptsitz in Deutschland grundsätzlich nur die US-Niederlassungen oder sonstige in den 103
Abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 104 In diesem Sinne auch die Übersetzung bei von Beseler/Jacobs-Wüstefeld, Law Dictionary English-German, Eintrag „incorporated“; auch Lee, International Financial Law Review September 2006, 59, spricht (mittelbar) davon, dass die Terrorsperrliste des OFAC Unternehmen, die „organized under the law of foreign countries“ sind, nicht erfasse. 105 Siehe oben D. I. 3. a.
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USA belegene oder nach US-Gesellschaftsrecht verfasste Tochterunternehmen die Terrorsperrliste des OFAC berücksichtigen müssen, wäre letztlich jede „Kontroll“- oder „Besitzerlangung“ hinsichtlich der betreffenden Vermögenswerte durch einen, der Executive Order 13.224 unterstehenden Teil des Unternehmens zu vermeiden: wenigstens bei komplexeren geschäftlichen Verbindungen und bei (über die entsprechende Bank abgewickelten) Aktivitäten der Gelisteten am (internationalen) Kapitalmarkt eine praktisch kaum zu bewältigende Aufgabe. Überdies verbleibt auch bei Unternehmen, die (mindestens hinsichtlich des konkret tätigen Konzernteils) nicht unter den Begriff der United States persons fallen – zumindest theoretisch106 – auch das Risiko einer Aufnahme in die Liste selbst: Wenigstens die Kriterien der Section 1 (d) Executive Order 13.224 (Unterstützung der Gelisteten im weiteren Sinne) wären dafür nämlich erfüllt. Während diese Maßnahme bei international agierenden deutschen Unternehmen für diese zwar katastrophal, aus Sicht der US-Regierung andererseits aber diplomatisch kaum vertretbar wäre, bleibt immerhin die Möglichkeit sonstiger Maßnahmen107 des OFAC nach Section 5 Executive Order 13.224. b. „[…] any transaction or dealing […] within the United States“ Neben dem durch den Begriff der United States persons definierten persönlichen Anwendungsbereich des Transaktionsverbots sind gem. Section 2 (a) Executive Order 13.224 ferner Geschäfte und Transaktionen mit den Gelisteten – respektive mit den in Section (1) Executive Order 13.224 genannten Vermögenswerten – verboten, die innerhalb der USA stattfinden. Die Belegenheit einer Transaktion innerhalb der USA ist dabei nur auf den ersten Blick ein einfach zu handhabendes Kriterium. Zwar ist bei einigen Geschäften offensichtlich, dass sie in den USA stattfinden: z.B. beim Verkauf eines Produkts durch ein deutsches Unternehmen in den USA oder bei Geschäften der US-amerikanischen Niederlassungen deutscher Finanzinstitute mit ihren dortigen US-Kunden. Schwieriger wird es jedoch bereits bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen, da hier oft mehrere, internationale Stellen beteiligt sind. Das Stadium der Internationalität ist dabei schnell erreicht: Allein die Ausgabe einer Kredit- oder EC-Karte108 an einen Gelisteten birgt aus Sicht des kartenausgebenden Instituts das Risiko, dass damit Transaktionen „innerhalb der USA“ getätigt werden – die im Zeitalter des OnlineShoppings zudem nicht zwingend die physische Anwesenheit der gelisteten 106
Dieses Schicksal hat, soweit ersichtlich, bisher noch kein international tätiges deutsches Unternehmen getroffen. 107 Dazu oben D. I. 5. 108 Vgl. zu den jeweiligen Rechtsverhältnissen instruktiv Sachtleber/von Allwörden, JURA 2009, 282 ff.
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Person oder des gelisteten Unternehmens in den USA voraussetzen. Auch bei anderen Geschäften am Finanzmarkt besteht oft die Gefahr, dass mindestens Teile des Geschäfts in den USA abgewickelt werden.109 Die Beschränkbarkeit etwa eines Wertpapierdepots auf europäische Binnentransaktionen oder zumindest ein Ausschluss jeglichen US-Bezugs sind hier kaum denkbar.110 c. Sonderproblem: US-Dollar-Transaktionen Die soeben benannte Problematik des kaum auszuschließenden potentiellen US-Bezugs (internationaler) Finanztransaktionen wird durch einen weiteren Aspekt erheblich verschärft: (Buchgeld-)Transaktionen in US-Dollar, denen traditionell im internationalen Finanzverkehr eine große Bedeutung zukommt, werden in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle über sogenannte Clearing-Systeme in den USA abgewickelt oder sind dort zumindest als Gegenwert abgebildet.111 Grundsätzlich laufen nämlich weltweit alle US-DollarTransaktionen – auch, wenn sie vollständig außerhalb der USA und ohne eigentliche Beteiligung von US-Finanzinstituten stattfinden – über zentrale Abwicklungssysteme in den USA.112 Die beiden dafür in Betracht kommenden Clearing-Verfahren sind zum einen das sogenannte CHIPS (Clearing House Interbank Payment System), welches von der privaten New York Clearing House Association betrieben wird. Zum anderen existiert das Fedwire-System (Federal Reserve Wire Network) der US-Federal-Reserve-Banken.113 Beim CHIPS-System sind eine Reihe von Großbanken – darunter auch deutsche Institute114 – die eigentlichen Mitglieder und die sonstigen internationalen Teilnehmer lediglich „associated members“, also Untermitglieder, deren Transaktionen subsidiär über die direkt an das System angeschlossenen Hauptmitglieder abgewickelt werden.115 Das Fedwire-System ist dagegen ein gemeinsames ClearingSystem der zwölf (staatlichen) US-Federal-Reserve-Banken. Zwar können US-Dollar-Transaktionen außerhalb der USA auch ohne direkte Beteiligung der Clearing-Systeme CHIPS oder Fedwire abgewickelt 109
Einen – allerdings nicht auf Antiterror-Maßnahmen bezogenen – Überblick über die denkbaren Konfliktlagen international agierender Banken liefern Herring/Kübler, ZBB 1995, 113 ff. 110 Vgl. zur Gesamtproblematik der Bankgeschäfte mit Auslandsbezug Einsele, § 2, Rn. 1 ff., sowie die jeweiligen Unterkapitel „Anwendbares Recht“. 111 Ausführlich Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 721 ff. 112 Etzkorn, S. 109 ff.; Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 722 ff. 113 Das US-Federal-Reserve-System besteht aus den zwölf Federal-Reserve-Banken, den Zentralbanken der USA, dazu auch Etzkorn, S. 114. 114 Laut „Customers-List“ der offiziellen CHIPS-Website die Deutsche Bank und die Commerzbank, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 115 Etzkorn, S. 109 ff.
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werden. Dies geschieht etwa, wenn ein hausinterner US-Dollar-Transfer bei einer nicht in den USA ansässigen Bank stattfindet und der Betrag in einem reinen Intra-Bank-Clearing lediglich umgebucht wird.116 Ferner ist denkbar, dass mehrere Banken außerhalb der USA subsidiäre Clearing-Systeme bei einer dritten Bank unterhalten, die ihrerseits an das CHIPS oder FedwireSystem angeschlossen ist. Auch hier läge eine, nur auf Ebene des Drittbanken-Clearings stattfindende Transaktion vollständig außerhalb der USA117 – wenngleich letztlich der US-Dollar-Gegenwert dort ebenfalls in den USA, namentlich auf den Konten der an das CHIPS- oder Fedwire-System angeschlossenen Drittbanken, verbleibt. Zudem sind natürlich auch BargeldTransfers in US-Dollar außerhalb der USA möglich. Dennoch: Durch die generelle Abwicklung von US-Dollar-Transaktionen über US-Clearing-Systeme liegt häufig ein Sachverhalt „innerhalb der USA“ i.S.d. Section 2 (a) Executive Order 13.224 vor.118 Zudem ist das Transaktionsvermögen im Clearing-Prozess als Vermögenswert anzusehen, der „in Besitz oder unter die Kontrolle“ einer US-Person i.S.d. Section 1 Executive Order 13.224119 gerät und damit ggf. dem Blockade-Gebot unterliegt.120 Diese Clearing-Sachverhalte bei US-Dollar-Transaktionen werden durchaus nicht nur durch die Executive Order 13.224, sondern auch von anderen Maßnahmen auf Grundlage des IEEPA erfasst.121 US-Dollar-Transaktionen außerhalb der USA unterliegen somit in viel höherem Maße dem tatsächlichen „Zugriff“ der Terrorsperrliste des OFAC, als dies zunächst angenommen werden könnte. Derartige Transaktionen bergen somit aus Sicht deutscher Unternehmen und Finanzinstitute die Gefahr, mit der Executive Order 13.224 in Konflikt zu geraten und die entsprechenden Konsequenzen tragen zu müssen. An diesem de facto extraterritorialen Geltungsanspruch der Finanzsanktionen unter dem IEEPA vermögen – zumindest hinsichtlich der praktischen Auswirkungen – auch die in den USA durchaus vertretenen kritischen Stimmen nichts zu ändern.122 116
Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 729 f. Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 730 f. 118 Allein im CHIPS-Clearing-Verfahren werden täglich mehr als 1,5 Billionen [sic!] US-Dollar abgewickelt, vgl. Selbstauskunft CHIPS, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 119 Vgl. Section 1 Executive Order 13.224: „[…]all property or interests in property […]that hereafter come within the posession or control of United States persons[…]“ (Anhang I). 120 So auch Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 734, der (übersetzt) „wenig Zweifel“ daran hat, dass beim Clearing eine US-Person die „Kontrolle“ über die Vermögenswerte bekommt. 121 Beispiele bei Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 734 f. (insbes. dortige Fn. 27). 122 Krit. etwa Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 721 ff., der hierdurch (neben US-amerikanischem) auch internationales Recht als verletzt ansieht. 117
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Bereits an dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass die rechtliche Problematik der US-Dollar-Transaktionen, anders als die Problematik der US-Terrorsperrliste insgesamt, zumindest für einen Teil der potentiellen Sachverhaltskonstellationen unter Beteiligung deutscher Finanzinstitute, mit Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken/Nr. 13 AGB-Sparkassen (Risikoverteilung bei Fremdwährungsgeschäften) einen besonderen, vertraglichen Anknüpfungspunkt bietet.123 Im Übrigen gilt: Sofern die betreffenden US-Dollar-Geschäfte, z.B. beim Clearing durch eine außerhalb der USA ansässige Drittbank oder beim IntraBank-Clearing, vollständig außerhalb der USA abgewickelt werden, entzieht sich der Sachverhalt – trotz der theoretischen Abbildung eines Gegenwertes im CHIPS oder Fedwire-System – zumindest praktisch dem Anwendungsbereich der Executive Order 13.224. Spätestens seit dem Urteil des britischen Queen’s Bench124 Libyan Arab Foreign Bank v. Bankers Trust Co.125 aus dem Jahre 1989, das einen extraterritorialen Geltungsanspruch einer US-presidential executive order in einem solchen Fall abwehrte, wurden laut Gruson keine weiteren Versuche der USA mehr unternommen, auch diese Fälle zu sanktionieren.126 5. Rechtsfolgen bei Verstößen Maßgeblich für die Bedeutung der Terrorsperrliste des OFAC für deutsche Sachverhalte und die entsprechende Risikobewertung aus Sicht deutscher Unternehmen sind die bei Verstoß gegen die Bestimmungen der Executive Order 13.224 in den USA drohenden Rechtsfolgen. Um das – angesichts des Ernstes, mit dem die USA den Kampf gegen den internationalen Terrorismus betreibt, wenig überraschende – Ergebnis vorwegzunehmen: Die potentiellen Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der Terrorsperrliste des OFAC sind gravierend. Zunächst stellt die Verletzung der Vorschriften der Executive Order 13.224 einen Verstoß gegen eine Maßnahme nach dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) dar, der Rechtsgrundlage für die Order ist.127 Solche Verstöße können mit Strafen nach Section 206 IEEPA128 („Penalties“) geahndet werden. Bei vorsätzlichen Vergehen gegen die Vorschriften der Executive Order 13.224 drohen gem. Section 206 Subsection (c) 123
Vgl. unten F. II.; dazu allgemein auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Schefold, § 116, Rn. 85 ff. 124 Die Queen’s Bench Division ist Teil des High Court of Justice für England und Wales. 125 Libyan Arab Foreign Bank v. Bankers Trust Co., 3 All. E.R. 252, 270, Q.B. 1989. 126 Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 734 f. 127 Vgl. zum IEEPA als Rechtsgrundlage der Executive Order 13.224 oben D. I. a. (2). 128 Section 206 IEEPA = 50 U.S.C., § 1705.
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IEEPA Geldstrafen in einer Höhe von bis zu 1 Mio. US-Dollar und – sofern natürliche Personen verantwortlich gemacht werden können – Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren. Jeder sonstige Verstoß kann gem. Section 206 Subsection (b) IEEPA immerhin noch mit einem Bußgeld von bis zu 250.000 USDollar (maximal aber dem doppelten Betrag des Transaktionsvolumens, das der Verletzung zugrunde lag) geahndet werden. Der Strafrahmen und die maximale Höhe des Bußgelds in Section 206 IEEPA wurden im Jahre 2007 signifikant erhöht: So wurde etwa die maximale Geldstrafe von ursprünglich 50.000 US-Dollar auf 1 Mio. US-Dollar verzwanzigfacht und der Rahmen der Freiheitsstrafe von zehn auf 20 Jahre verdoppelt.129 Zudem kann eine Verletzung der Vorschriften in den USA für Finanzinstitute empfindliche aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben.130 Zusätzlich zu den genannten unmittelbaren Konsequenzen einer Verletzung der Vorschriften der Executive Order 13.224 fällt die Zusammenarbeit mit Gelisteten oder deren (mittelbare) Unterstützung auch unter Section 1 (d) Executive Order 13.224 und bietet damit (theoretisch)131 auch einen Grund für eine Aufnahme des Handelnden selbst in die SDN-Liste. Dass die genannten Rechtsfolgen – mit Ausnahme der eigenen Listung – keine nur theoretische Bedrohung sind und von einem grundsätzlichen Vollzugsdefizit nicht die Rede sein kann, zeigen bereits die monatlichen Daten des OFAC zu den verhängten Bußgeldern: Allein im Jahr 2012 kamen dabei insgesamt (allerdings inklusive sonstiger Sanktionsprogramme des OFAC) über 1 Mrd. US-Dollar zusammen.132 Auch bedient sich das OFAC bei der Überwachung von Finanztransaktionen in erheblichem Maße der Hilfe anderer Behörden wie z.B. der United States Securities and Exchange Commission (SEC)133 oder – insbesondere für Fälle außerhalb der USA – der CIA134. Gerade die Adressaten der Executive Order 13.224 (United States persons135)
129
Gesetzesänderung durch Pub. L. 110-96, § 2(b) v. 16. Oktober 2007, 121 Stat. 1011. Vgl. Selden, Fordham Journal of Corporate & Financial Law Vol. 8 (2003), 498 ff. 131 Soweit ersichtlich ist dies bei großen europäischen oder amerikanischen Finanzinstituten bisher nicht vorgekommen. 132 Vgl. „Enforcement Information“ des OFAC, abrufbar unter: , für alle Sanktionsprogramme und inklusive Vergleichszahlungen (zuletzt abgerufen am 28.12.2013). 133 Die SEC ist die (bundesstaatliche) US-Aufsichtsbehörde für den Wertpapierhandel; vgl. zu deren Beteiligung an den Antiterrorismusfinanzierungs-Maßnahmen des OFAC Selden, Fordham Journal of Corporate & Financial Law Vol. 8 (2003), 498 ff. 134 Dazu Donohue, Wake Forest Law Review Vol. 43 (2008), 658 f., die auf den Fall einer von der CIA im Auftrag des US-Treasury Departments durchgeführten Überwachung von Transaktionen eingeht, die über das in Belgien ansässige SWIFT-System abgewickelt werden. SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ist ein internationales Kommunikationsnetzwerk für Banken. 135 Siehe oben D. I. 4. a. 130
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werden hinsichtlich verdächtiger geschäftlicher Aktivitäten keinesfalls nur innerhalb der Grenzen der USA überwacht.136 6. Fazit: Bedeutung der US-Terrorsperrliste für Sachverhalte mit deutschem Forum Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass sich der von der US-Regierung intendierte Anwendungsbereich der SDN-Liste des OFAC respektive der Executive Order 13.224 durchaus auf Sachverhalte außerhalb der USA erstreckt und dass insbesondere international agierende Unternehmen137 – auch bei ihren Aktivitäten außerhalb der USA – schnell in Konflikt mit der Liste geraten können.138 Sofern Geschäfte oder Transaktionen (vollständig) innerhalb der USA stattfinden, unterliegen diese zwar unzweifelhaft den Bestimmungen des Wirtschaftssanktionsrechts der USA und damit auch den Bestimmungen der Executive Order 13.224. Wenn also etwa eine deutsche Bank in ihrer USNiederlassung Geschäfte mit ihren dortigen Kunden macht, unterliegt sie insofern eindeutig den Bestimmungen rund um die SDN-Liste des OFAC. Problematisch sind aber Konstellationen, in denen die US-Terrorliste territorial objektiv nicht anwendbar ist, sich aber nach ihrem selbst definierten Anwendungsbereich dennoch auf den Sachverhalt erstreckt, also einen Geltungsanspruch erhebt, der teilweise oder sogar vollständig außerhalb der Jurisdiktion der USA liegt. Wie bereits festgestellt sind diese Konstellationen alles andere als theoretisch. So kann es vorkommen, dass in Deutschland abgeschlossene Geschäfte teilweise in den USA durchgeführt werden müssen, weil sie z.B. US-DollarTransaktionen zum Gegenstand haben. Hier wird von den Beteiligten die Befolgung der Executive Order 13.224 verlangt und gegebenenfalls (in den USA) auch durchgesetzt.139 Ferner müssen United States persons – wie z.B. Niederlassungen US-amerikanischer Unternehmen – auch in Deutschland und im Rahmen von deutschem Recht unterliegenden Privatrechtsverhältnissen die Terrorsperrliste berücksichtigen, da ihnen sonst empfindliche Konsequenzen in den USA drohen. Praktisch bedeutsam ist zudem die Konstellation, dass Unternehmen, die international agieren, mit Gelisteten Geschäftsbeziehungen unterhalten, die – mangels vollständiger geografischer Abtrennbarkeit der Geschäftsbereiche140 – diesem Unternehmen in den USA zum Verhängnis 136
Ausführlich Gannon, Journal of National Security Law & Policy Vol. 6 (2012),
59 ff. 137
D. I. 4. Etwas heruntergespielt erscheint das Problem daher bei Hauschka-Merz, § 33, Rn. 40 f. 139 Vgl. oben D. I. 4. c. 140 Siehe dazu bereits D. I. 4. 138
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werden können. Diese Fälle werden insbesondere durch die zahlreichen Tatbestandsvarianten der Executive Order 13.224 erfasst, die eine nur mittelbare Unterstützung der Gelisteten zum Gegenstand haben oder auf „Kontroll“oder „Besitzerlangung“ der blockierten Vermögenswerte durch United States persons abstellen. Das Problem dieser faktischen Rechtsmachterstreckung der US-Terrorliste auf deutsche Sachverhalte tritt zudem nicht nur dann auf, wenn in zivilrechtlichen Verhältnissen deutsches Privatrecht zur Anwendung kommt, sondern stellt sich im Grunde bei allen Fällen, die vor deutschen Zivilgerichten relevant werden können: Selbst wenn auf ein in Deutschland stattfindendes Geschäft US-amerikanisches Privatrecht mittels Rechtswahlvereinbarung der Parteien zur Anwendung kommt, schließt das – sofern der Gerichtsstaat Deutschland ist – nach umstrittener, aber überwiegender Ansicht keineswegs automatisch das öffentliche (Wirtschaftssanktions-)Recht der USA mit ein.141 Das gilt erst recht für in Deutschland juristisch zu würdigende Privatrechtsverhältnisse, die völlig anderem (z.B. französischem) Privatrecht unterliegen. Die Ausführungen zur Terrorismusfinanzierung in tatsächlicher Hinsicht zeigen zudem, dass Konflikte mit der Terrorsperrliste des OFAC gerade bei international tätigen Finanzunternehmen praktisch nicht unwahrscheinlich sind, da auch die Finanzströme des Terrorismus zu einem erheblichen Teil über den regulären Bankenbetrieb abgewickelt werden.142 Außerdem bestehen die genannten rechtlichen Probleme unabhängig davon, ob die Aufnahme z.B. eines Bankkunden oder des Geschäftspartners eines Unternehmens in die SDN-Liste sachlich gerechtfertigt ist oder nicht. Auch der Hinweis, dass weite Teile der – in Deutschland unmittelbar anwendbaren – EU-Terrorlisten identisch mit der SDN-Liste des OFAC seien, da die meisten Listungsvorschläge gegenüber den Vereinten Nationen, deren Listeninhalte von der EU übernommen werden, ohnehin aus den USA stammten, vermag das Problem nur teilweise zu entschärfen: Zwar besteht aus Sicht etwa eines betroffenen Unternehmens das hier untersuchte (zivilrechtliche) Problem kaum, wenn Geschäfte mit dem Gelisteten bereits nach unmittelbar geltendem EU-Recht untersagt sind.143 Die Listen sind aber nicht vollkommen deckungsgleich, sondern die SDN-Liste ist bereits jetzt erheblich umfangreicher als die UN- und EU-Listen144, was sich vermutlich wegen der mittlerweile strengeren Verfahrensvorschriften für eine Listung auf UNEbene noch verstärken wird.145
141
Ausführlich zu diesem umstrittenen Problem unten E. I. 3. Vgl. oben B. V. 1. 143 Dies wäre schlicht ein Fall des § 134 BGB. 144 Vgl. oben Fn. 10. 145 Unten C. I. 1. b. 142
II. Zwischenergebnis
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II. Zwischenergebnis: Das Problem drittstaatlicher Terrorlisten im deutschen Privatrecht II. Zwischenergebnis
Die am Beispiel der US-Terrorliste des OFAC aufgezeigten Probleme können sich theoretisch auch bei Sperrlisten anderer Staaten stellen. Gegenstand dieser näheren Untersuchung ist zwar nur die SDN-Liste des OFAC, da diese bisher – soweit ersichtlich – das einzige in Deutschland praktisch relevante, fremde (nationale) Listenregime darstellt. Die nachstehenden, nicht spezifisch auf die US-Terrorliste bezogenen Ausführungen zur Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im deutschen Privatrecht sind aber – vergleichbare tatsächliche Problemstellung vorausgesetzt – auf andere nationale, in Deutschland nicht unmittelbar geltende Listenregimes übertragbar. Zu untersuchen bleibt somit, wie die US-Terrorliste im deutschen Privatrecht berücksichtigt werden kann, wenn eine der genannten problematischen Konstellationen vorliegt. In diesem schwierigen Spannungsfeld zwischen den Interessen Gelisteter, die sich darauf berufen können, die US-Terrorliste sei kein in Deutschland anwendbares Recht, und den Interessen etwa eines Unternehmens, dem die oben genannten Konsequenzen im Falle der Nichtbefolgung des US-Antiterror-Rechts drohen, gilt es einen Lösungsweg zu finden. Anknüpfungspunkt hierfür bietet zum einen das Internationale Privatrecht. Unabhängig vom anwendbaren Sachrecht – und zwar, nach heute überwiegender Ansicht, sogar im Fall der Anwendbarkeit US-amerikanischen Privatrechts146 – stellt die Terrorliste des OFAC außerhalb der USA zwar kein direkt auf das Privatrechtsverhältnis anwendbares Recht dar. Möglicherweise kann sie aber als sogenanntes Eingriffsrecht kollisionsrechtlich berücksichtigt werden. Das ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Fall zunächst gar keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, weil sowohl deutsches Sachrecht anwendbar als auch der Gerichtsstaat Deutschland ist.147 Denkbar ist zum anderen eine Berücksichtigung der durch die US-Terrorliste geschaffenen faktischen Zwänge, denen eine Partei unterliegt, auf Ebene des materiellen Rechts, insbesondere des Leistungsstörungsrechts. Ob dies neben einer kollisionsrechtlichen Einordnung der SDN-Terrorliste als Eingriffsrecht noch möglich ist, ist allerdings umstritten.148 Die materiellrechtliche Berücksichtigung drittstaatlicher Terrorlisten kann vorliegend zudem nur für den Fall untersucht werden, dass auf das jeweilige Rechtsverhältnis auch deutsches Privatrecht anwendbar ist.
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Vgl. dazu unten E. I. 3. Sog. unechter Drittstaatenfall, vgl. unten E. I. 148 Unten E. I. 8. 147
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im Internationalen Privatrecht E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Ein denkbarer Anknüpfungspunkt für drittstaatliche Sperrlisten ist das Internationale Privatrecht respektive Kollisionsrecht. Zwar ist in den meisten problematischen Fällen mit deutschem Forum (also Gerichtsstaat Deutschland) US-amerikanisches Privatrecht nicht anwendbar – und selbst wenn dies der Fall ist1 bleibt fraglich, ob die Vorschriften der Executive Order 13.224 von einem international-privatrechtlichen Verweis auf US-Sachrecht überhaupt erfasst sind, da sie als Normen des öffentlichen (Außen-)Wirtschaftsrechts (wohl) nicht Teil des Privatrechts im engeren Sinne sind2, auf das einzig verwiesen wird.3 Allerdings kann die Terrorsperrliste der USA ein Rechtsverhältnis – wie oben dargelegt – in erheblichem Maße (tatsächlich) beeinflussen und die Durchführung etwa von Verträgen für die nicht gelistete Partei wegen der drohenden Konsequenzen möglicherweise unzumutbar werden lassen. Dieser „Eingriff“ durch Normen des – nach deutschem Verständnis meist öffentlichen – Rechts solcher Staaten, die nicht selbst Forumstaat sind4, ist durchaus kein neues Problem, sondern wird in Literatur und Rechtsprechung zum Internationalen Privatrecht seit Jahrzehnten thematisiert.5 Zu der Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts existierte in Art. 34 EGBGB a.F. eine – wegen der mangelnden Übernahme optionaler europäischer Vorgaben6 nur rudimentäre – Regelung, die allerdings im Jahre 2009 durch eine Vorschrift der VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über 1
Z.B. wegen einer Rechtswahl zugunsten US-amerikanischen Privatrechts. Vgl. unten E. I. 2. b. 3 Nach überwiegender Ansicht ist das „Eingriffs“-Recht des jeweiligen Staates nicht vom Vertragsstatut umfasst, dazu ausführlich unten E. I. 3. 4 In diesem Fall wäre die Problematik anders gelagert, vgl. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO sowie unten E. I. 5 Vgl. zu dieser grundsätzlichen Problemstellung und der historischen Entwicklung etwa MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 35 ff. Wie der vorliegende Untersuchungsgegenstand zeigt, kann insofern der Aussage Junkers (MüKo-Junker, Art. 16 Rom II-VO, Rn. 7) in Bezug auf das Internationale Vertragsrecht, die wissenschaftliche Durchdringung des Problems der Eingriffsnormen stehe in keinem Verhältnis zur praktischen Bedeutung, nicht zugestimmt werden. 6 Dazu unten E. I. 1. 2
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht7 (im Folgenden: Rom I-VO), namentlich deren Art. 9, ersetzt wurde. Im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist mit Art. 16 der VO (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht8 (im Folgenden: Rom II-VO) erstmals eine vergleichbare, aber – ähnlich wie zuvor in Art. 34 EGBGB a.F. im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse – lückenhafte Vorschrift geschaffen worden.9
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
Denkbar ist, ausländische Sperrlisten, sofern sie sich nicht ohnehin mit UNoder EU-Listen decken10, über Art. 9 Abs. 3 der Rom I-VO11 zu erfassen, der die Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen – also solcher Eingriffsnormen, die zumindest12 nicht dem Gerichtsstaat entstammen (vgl. dazu Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) – für vertragliche Schuldverhältnisse regelt. Der Begriff der Drittstaatlichkeit ist hier allerdings unpräzise: Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ist nämlich grundsätzlich auch auf Fälle anwendbar, in denen sowohl das Gerichtsstatut (die lex fori) als auch das auf den Vertrag anwendbare Recht demselben, vom Geltungsbereich der Rom I-VO erfassten Staat entstammen und nur das Eingriffsrecht einem anderen Staat. Dabei handelt es sich um einen sogenannten unechten Drittstaatenfall, da eigentlich die Rechtsordnungen nur zweier Staaten involviert sind.13 Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO kann folglich auch dann relevant werden, wenn ein Rechtsverhältnis mit deutschem Forum nach deutschem Sachrecht zu behandeln ist, einer der Beteiligten aber den oben genannten14 Zwängen der US-Terrorliste unterliegt. Diese Besonderheit der Regelungen über die Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts gilt es zu bedenken, da in dieser praktisch hochrelevanten Konstellation auf den ersten Blick der ansonsten für kollisionsrechtliche Fra-
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ABl. EG Nr. L 177/08, S. 6 ff. ABl. EG Nr. L 199/07, S. 40 ff. 9 Dazu unten E. II. 10 Dazu oben C. I. 1. b. 11 Genauer: Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EG Nr. L 177/08, S. 6 ff. 12 Zur Problematik der Behandlung von Eingriffsnormen des Staates der lex causae vgl. unten E. I. 3. 13 Vgl. Kuckein, S. 13; schon vor Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO: Beulker, S. 58; Zeppenfeld, S. 18. 14 Siehe oben D. I. 6. sowie D. II. 8
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
gestellungen erforderliche grenzüberschreitende Bezug des Privatrechtsverhältnisses zu fehlen scheint. Eingriffsnormen sind nach grundsätzlicher, im Detail allerdings problematischer15 Definition Normen, die „international zwingend“ ausgestaltet sind, also unabhängig davon Geltung beanspruchen, ob die Rechtsordnung, der sie entstammen, auch die auf den Vertrag anwendbare (Vertragsstatut, lex causae) ist.16 Im Gegensatz dazu stehen die (vor allem dem Privatrecht entstammenden) einfach oder national zwingenden Normen, die zwar als nichtdispositive Vorschriften vertraglich nicht abbedungen werden können, wohl aber, indem die Parteien eine ganz andere Rechtsordnung wählen.17 Nach dieser Grobeinteilung fallen Sperrlisten zur wirtschaftlichen Terror- oder Kriminalitätsbekämpfung grundsätzlich18 unter den Begriff der Eingriffsnorm – sofern sie, was wohl stets der Fall ist, nicht als reine, national beschränkte, privatrechtliche Nichtigkeitsvorschrift ausgestaltet sind. Zumindest hinsichtlich der SDN-Liste des OFAC kann gesagt werden, dass es sich hierbei nicht um einfach zwingende Normen handelt, sondern dem Regelungskomplex nach der Intention der USA durchaus ein international zwingender Charakter zukommt.19 Die Frage, wie Eingriffsnormen der lex causae selbst – im vorliegenden Fall also bei Anwendbarkeit US-amerikanischen Privatrechts – im System des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zu behandeln sind, ist Gegenstand einer eigenen Diskussion (vgl. unten E. I. 3.). Fraglich ist nämlich, ob diese Eingriffsnormen des Vertragsstatuts selbst bereits über dieses automatisch zur Anwendung gelangen, also gegenüber drittstaatlichen Eingriffsnormen privilegiert sind, oder ob auch diese Eingriffsnormen – die häufig dem öffentlichen Recht entstammen20 – nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zu behandeln sind, da sie nicht im eigentlichen Sinne Teil der über das Kollisionsrecht zur Anwendung gelangten Privatrechtsordnung sind. Eingriffsnormen der lex fori, also der Rechtsordnung des Gerichtsstaates, sind dagegen unstreitig Gegenstand einer besonderen Behandlung, da sie in Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO eine eigene Regelung erfahren haben. Diese Kon15 Zur genaueren Differenzierung und Abgrenzung unter Art. 9 Rom I-VO siehe unten E. I. 2. 16 Vgl. statt vieler: Siehr, RabelsZ 52 (1988), 41 ff.; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 8 ff. 17 Vgl. dazu Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 491; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 7. 18 Auf welche Sachverhalte sich die Listen ihrem Geltungswillen nach konkret erstrecken, ist eine andere Frage, vgl. dazu oben D. I. 3./4. 19 Vgl. zum extrem weit gefassten Anwendungsbereich der Executive Order 13.224 oben D. I. 3./4. 20 Ob dies allerdings eine Voraussetzung für die Anerkennung als Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Rom I-VO darstellt, ist umstritten, vgl. unten E. I. 2. b.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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stellation ist allerdings für die hier untersuchten Sperrlisten, die in Deutschland gerade nicht unmittelbar gelten, irrelevant: Falls die USA Gerichtsstaat sind, kann die Terrorsperrliste des OFAC zwar als Eingriffsnorm der lex fori klassifiziert werden. Zum einen werden vorliegen aber nur Sachverhalte mit deutschem Forum untersucht und zum anderen wäre bei US-amerikanischer lex fori die Rom I-VO gar nicht anwendbar. 1. Entstehungsgeschichte Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ist die erste in Deutschland geltende Rechtsnorm, die sich mit der Frage der Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen befasst – also solcher Eingriffsnormen, die nicht der lex fori (zu letzterem vgl. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) angehören.21 Dem Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geht eine lange, teilweise zähe Entstehungsgeschichte voraus: Die Vorgängernorm des Art. 9 Rom I-VO, Art. 7 des 1980 in Kraft getretenen Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (kurz: EVÜ)22, enthielt zwar in ihrem Abs. 1 eine Regelung über die Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen, welche im Vergleich zu Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO sogar relativ weit gefasst war23. Allerdings enthielt Art. 22 Abs. 1 lit. a EVÜ eine Vorbehaltsmöglichkeit für Art. 7 Abs. 1 EVÜ, von der Deutschland sowie Irland, Portugal, Luxemburg und Großbritannien inklusive Gibraltar24 Gebrauch gemacht haben. In Art. 34 EGBGB a.F. wurde daher nur Art. 7 Abs. 2 EVÜ betreffend Eingriffsnormen der lex fori umgesetzt. Der Vorbehalt der Bundesrepublik gegen Art. 7 Abs. 1 EVÜ ging vom Bundesrat aus, der neben einer Überlastung der deutschen Gerichte durch die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen insbesondere eine mit der flexiblen Rechtsfolgenseite einhergehende Rechtsunsicherheit befürchtete.25 Auch Luxemburg und Großbritan-
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MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 34; Erne, S. 79 ff. Genauer: Abkommen (EAGV) 1980/934/EWG: Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. Nr. L 266/80, S. 1–19. 23 Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 EVÜ: „Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates aufgrund dieses Übereinkommens kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.“ 24 MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 5; Morse, Yb. Eur. Law 1982, 145 ff.; zum Vorbehalt bezüglich Gibraltars vgl. auch Jayme/Kohler, IPRax 1995, 352. 25 BR-Drs. 224/83, S. 2; vgl. auch die anderslautende Begründung (mit gleichwohl identischem Ergebnis) des Bundestages, BT-Drs. 10/503 v. 20.10.1983, S. 83 ff. 22
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
nien befürchteten vorwiegend Rechtsunsicherheit26 und eine unzumutbare Verfahrensdauer bei Beweisfragen über ausländische Eingriffsnormen27. Die von Art. 7 Abs. 1 EVÜ eröffnete Möglichkeit einer Berücksichtigung drittstaatlichen Eingriffsrechts im Wege einer Sonderanknüpfung – also einer Anwendung unabhängig vom Vertragsstatut – wurde somit von Deutschland nicht genutzt, was auf breite Zustimmung in der Literatur stieß28. Art. 7 Abs. 1 EVÜ wurde vielfach als zu weitgehende, sprachlich abschreckende Regelung kritisiert, die als gefährliche Neuerung in letzter Konsequenz zu einer Anerkennung eines ausländischen ordre public führe.29 a. Rechtslage bis 2009 Bereits vor Entstehung der in Deutschland nicht umgesetzten Regelung des Art. 7 Abs. 1 EVÜ – und wegen des Vorbehaltes der Bundesrepublik gegenüber Art. 7 Abs. 1 EVÜ auch danach – wurde die Problematik ausländischen Eingriffsrechts, welches die Durchführung eines Vertrages tatsächlich behindert, lebhaft diskutiert. Aus dem sehr breiten Meinungsspektrum haben sich dabei einige Haupt-Theorien herausgebildet. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen der Lehre von der Einheitsanknüpfung einerseits, die kollisionsrechtlich – auch bezüglich Eingriffsnormen – einzig die lex causae, also das Vertragsstatut für maßgeblich hält, und der Sonderanknüpfungslehre andererseits, die unter bestimmten Voraussetzungen eine gesonderte Anknüpfung von Eingriffsnormen (unabhängig vom Schuldstatut) zulässt.30 Die im Folgenden überblicksartig dargestellten Ansätze sind auch nach Inkrafttreten des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO für die Eingriffsnormen-Problematik relevant, da sie bis heute auf das Grundverständnis vieler Autoren ausstrahlen.31 (1) Einheitsanknüpfung nach der Schuldstatutstheorie Die sogenannte Schuldstatutstheorie geht davon aus, dass einheitlich an die gesamte zur Anwendung berufene Rechtsordnung (die lex causae) angeknüpft wird – einschließlich ihrer jeweiligen Eingriffsnormen (Einheits-
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Vgl. zu der luxemburgischen Argumentation Jayme/Kohler, IPRax 1985, 69. So die Bedenken in Großbritannien, vgl. North-North, Contract Conflicts (1982), S. 19 f.; Kaye, S. 249. 28 Krit. zu Art. 7 Abs. 1 EVÜ Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 8 ff.; Holl/KlinkeSchurig, S. 75 f.; Sandrock, RIW 1986, 852 f.; D. Weber, FS Werner (1984), S. 955 ff. 29 Vgl. etwa D. Weber, FS Werner (1984), S. 972 f.; Sandrock RIW 1986, 852 f.; Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 4. 30 Vgl. zu dieser grundsätzlichen Unterscheidung auch MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 39. 31 So etwa bei der unten (E. I. 3.) behandelten Diskussion um die Behandlung von Eingriffsnormen der lex causae unter Art. 9 Rom I-VO. 27
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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anknüpfung).32 Das Eingriffsrecht des Schuldstatuts soll lediglich dann unanwendbar sein, wenn es gegen den ordre public oder eigene Eingriffsnormen des Forumstaates verstößt.33 Das Schuldstatut umfasst nach dieser Ansicht nämlich insbesondere auch mit § 134 BGB vergleichbare Normen, wodurch das Eingriffsrecht des Schuldstatuts (mittelbar) Anwendung findet, auch wenn es (meist) dem öffentlichen Recht angehört, welches von einer international-privatrechtlichen Verweisung grundsätzlich nicht erfasst ist.34 Als Vorzüge der Schuldstatutstheorie wurden stets die Einheitlichkeit der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung und die damit einhergehende Rechtssicherheit angeführt.35 Eingriffsnormen anderer Staaten als dem des Schuldstatuts werden nach dieser Ansicht allenfalls als Faktum auf Ebene des (jeweiligen) materiellen Rechts36 berücksichtigt.37 Ähnlich sehen es die Vertreter der sogenannten Datumtheorie, die sämtliche Eingriffsnormen generell als Datum (d.h. Faktum) auf der Ebene des jeweils zur Anwendung berufenen materiellen Rechts berücksichtigen wollen.38 Die Gegner der Schuldstatutentheorie verweisen auf den faktischen Zwang von Eingriffsnormen statutenfremder Rechtsordnungen, dem sich eine Einheitsanknüpfung zu Unrecht verschließe.39 Zudem werde die Reichweite des Vertragsstatuts durch die Schuldstatutentheorie überbewertet: Gerade Eingriffsnormen würden von den Parteien oft eben nicht bedacht, sodass eine parteiautonome Entscheidung bezüglich dieser Problematik ohnehin kaum angenommen werden könne.40 Außerdem sei nicht nachvollziehbar, warum das Eingriffsrecht des Schuldstatut-Staates gegenüber sonstigem Eingriffsrecht bevorzugt werde, welches ebenfalls eine Nähe zum Sachverhalt aufweist.41 Zudem verweise das Internationale Privatrecht nur auf Vorschriften, die dem Ausgleich von Individualinteressen dienen, und nicht auf ordnungs32
So etwa Serick, RabelsZ 18 (1953), 646 ff.; Vischer, FS Gerwig (1960), S. 170 ff.; Busse, ZVglRWiss 95 (1996), 390 ff.; Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 27 f.; Heiz, S. 132 ff. 33 Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 27. 34 Vgl. MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 40, der sich allerdings gegen die Schuldstatutstheorie wendet. 35 Kreuzer, S. 55 ff. 36 Zu der Frage der materiellrechtlichen Berücksichtigung neben Art. 9 Abs. 3 Rom IVO vgl. ausführlich unten E. I. 8. 37 Mann, FS Beitzke, S. 808 ff.; Heini, BerGesVR 22 (1982), 46 ff. 38 So Jayme, Gedächtnisschrift Ehrenzweig, S. 35 ff.; Ehrenzweig-Symposium (1986)-Heßler, S. 137 ff.; Vetter, ZVglRWiss 87 (1988), 272 ff.; Ehrenzweig, Buffalo Law Review 1966, 55 ff. 39 Vgl. Dieter Schulte, S. 80 ff.; Zeppenfeld, S. 43 ff.; MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 48 f. 40 Neumeyer, BerGesVR 2 (1958), 42 f.; MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 48 f. 41 Graffenried-Vischer, S. 443.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
politische Regelungen des öffentlichen Rechts.42 Der ähnlich gelagerten Datumtheorie mangelt es nach Ansicht der Kritiker bereits an validen Kriterien zur Eingrenzung der berücksichtigungsfähigen Eingriffsnormen.43 (2) Machttheorie Etwas offener gegenüber drittstaatlichen Eingriffsnormen, aber dennoch keine Sonderanknüpfungslehre im eigentlichen Sinne, ist die sogenannte Machttheorie: Sofern ein fremder Staat die Macht hat, seine Eingriffsnormen – die nach der zugrundeliegenden Vorstellung in der Regel dem öffentlichen Recht angehören – durchzusetzen, werden diese Eingriffsnormen auf materiellrechtlicher Ebene des jeweiligen Schuldstatuts beachtet.44 Wegen dieser Orientierung am Schuldstatut ohne Sonderanknüpfung der in Rede stehenden Eingriffsnorm wird die Machttheorie als Variante der Schuldstatutstheorie bezeichnet.45 Da die erforderliche Durchsetzungsmacht aber tatsächlich nicht immer vorhanden ist, soll zumindest eine Berücksichtigung der Norm auch dann stattfinden, wenn sie sich gegen sozialschädliches Verhalten richtet und mit den Interessen des Forumstaates übereinstimmt.46 Damit begegnen die Vertreter der Machttheorie der Kritik, das Kriterium der Durchsetzbarkeit sei – etwa im Falle des (erfolgreichen) Schmuggels, bei dem die Verbotsnorm letztlich gerade nicht durchgesetzt wurde – zu eng.47 Die Gegner der Machttheorie führen zudem an, die Durchsetzungsmacht sei als Merkmal zu unbestimmt48 und insofern zirkelschlüssig, als die Macht zur Durchsetzung erst durch das Gericht des Forumstaates selbst ausgeübt werde und nicht durch Organe des Eingriffsstaates49. (3) Territorialitätsprinzip Eine weitere Variante der Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts stellt das sogenannte Territorialitätsprinzip dar, welches weitgehend im Internationalen Öffentlichen Recht gilt. Danach ist der Ort einer Handlung oder die Belegen42
Anderegg, S. 79 f.; Zimmer, IPRax 1993, 65 f. Vgl. Siehr, RabelsZ 52 (1988), 80 f. 44 Vertreten u.a. von Kegel/Schurig, IPR (9. Auflage 2004), § 23 I, und Schurig, RabelsZ 54 (1990), 234 ff. 45 So Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 132; Bamberger/ Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 27. 46 Kegel/Schurig, IPR (9. Auflage 2004), § 23 IX, mit irritierender Überschrift; so – deskriptiv – auch MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 43. 47 Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 27; MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 51; krit. auch Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 133. 48 Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 133; weitergehend noch Zimmer, IPRax 1993, 67 ff. 49 So MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 51. 43
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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heit von Sachen und Rechten in einem bestimmten Staat entscheidend für die Anwendung der dortigen Eingriffsnormen.50 Einerseits wird dadurch die Gebietshoheit eines Staates positiv zugunsten der Anwendung seiner Eingriffsnormen akzeptiert51, andererseits wird die Anwendung von Eingriffsnormen anderer Staaten mit extraterritorialem Geltungswillen abgewehrt. Lediglich dieser ausschließende Aspekt des Territorialitätsprinzips wurde auch von der deutschen zivilrechtlichen Rechtsprechung fruchtbar gemacht52, welche eine Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts im Wege der Sonderanknüpfung grundsätzlich ablehnte53. Auch die Vertreter des Territorialitätsprinzips erkennen freilich den ordre public als Grenze der Anwendung fremden Eingriffsrechts an.54 Die Gegner des Territorialitätsprinzips kritisieren vor allem dessen mangelnde Flexibilität: Der Ort, an dem sich ein Sachverhalt abspielt oder an dem eine Sache belegen ist, könne im Zusammenhang mit Eingriffsnormen nicht allein relevant sein, da auch andere Kriterien eine enge Verbindung zum Sachverhalt herstellen könnten.55 Außerdem sei die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht in diesem Kontext wenig zielführend56, da sie im Einzelfall schwer oder – in manchen Rechtsordnungen – gar nicht durchführbar sei und z.B. im Arbeitsrecht „einheitliche Lebensverhältnisse“ zerschneide57. (4) Sonderanknüpfung und Kumulationstheorie Überwiegend wird in der Literatur zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Rom I-VO vertreten, internationale Eingriffsnormen bedürften einer Sonderanknüpfung, d.h. sie müssten – unabhängig vom jeweiligen Vertragsstatut58 – kollisionsrechtlich zur Anwendung gebracht werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Die Nichtübernahme von Art. 7 Abs. 1 EVÜ in Art. 34 EGBGB a.F. führe hinsichtlich Eingriffsnormen zu einer Regelungslücke, die
50
Vertreten u.a. von Schulze, S. 206 ff.; Bydlinski, ZfRV 2 (1961), 27 (zum österreichischen Recht). 51 So Bydlinski, ZfRV 2 (1961), 27 f. (zum österreichischen Recht). 52 Vgl. etwa BGHZ 31, 367 (370 ff.) = NJW 1960, 1101 (1102 f.); BGHZ 64, 183 (189) = NJW 1975, 1220 (1222). 53 Vgl. etwa BGHZ 128, 41–53 = IPRax 1996, 342–345; vgl. auch Fischer, IPRax 1996, 332. 54 Neumayer, BerGesVR 2 (1958), 51; Bydlinski, ZfRV 2 (1961), 27 (zum österreichischen Recht). 55 MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 50. 56 Krit. (zur Schuldstatutstheorie insgesamt) auch Zeppenfeld, S. 70 ff. 57 So ausdrücklich MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 50. 58 Reithmann/Martiny-Limmer (5. Auflage 1996), Rn. 458.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
nur durch eine Sonderanknüpfung geschlossen werden könne.59 Die Rechtsfolgen der Anwendung der jeweiligen Eingriffsnorm richten sich sodann nach der lex causae.60 Im Laufe der Zeit haben sich Kriterien herausgebildet, die den Kreis sonderanknüpfungsfähiger Eingriffsnormen eingrenzen sollen.61 Neben dem internationalen Geltungswillen der Norm selbst62 und einer hinreichend engen Verbindung zum Sachverhalt63 wird eine Qualitätskontrolle insofern gefordert, als dass ein aus Sicht der lex fori nachvollziehbarer und berechtigter Regelungshintergrund bestehen muss64. Die genannten Merkmale sind in ihrer konkreten Handhabe indes nicht unproblematisch: So kann etwa der internationale Anwendungswille einer Norm fraglich sein, da er sich erst aus dem jeweiligen Normkontext oder aus der nationalen Rechtsprechung ergibt oder sich gar nicht abschließend ermitteln lässt.65 Auch die hinreichend enge Verbindung der Norm zum Sachverhalt lässt sich schwer allgemeingültig konkretisieren. Vielmehr solle es auf parteiunabhängige, objektive Kriterien ankommen, die je nach Eingriffsnorm unterschiedlich bestimmt werden müssten.66 Uneinigkeit besteht zudem hinsichtlich der Qualitätskontrolle: Während teilweise – restriktiv – gefordert wird, die Eingriffsnorm müsse deutsche Interessen fördern67, wird von anderer Seite für ausreichend gehalten, dass die Norm den hiesigen Interessen nicht zuwiderläuft.68 Der (bis zum Inkrafttreten der Rom I-VO wohl herrschenden) Theorie der Sonderanknüpfung wird entgegengehalten, sie führe zu inakzeptabler Rechtsunsicherheit, da eine unübersehbare Anzahl potentieller Eingriffsnormen geprüft werden müsse.69 Zudem könne von einer Regelungslücke angesichts der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Übernahme des Art. 7 Abs. 1 EVÜ in das nationale Recht nicht gesprochen werden.70 59
Für eine Sonderanknüpfung (statt vieler) Kreuzer, S. 81 ff.; Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 141 ff.; Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 299; Göthel, IPRax 2001, 416 ff. 60 Zweigert, RabelsZ 14 (1942), 300 f.; Kreuzer, S. 320; Göthel, IPRax 2001, 417. 61 Zum Begriff der Eingriffsnorm vgl. ausführlich unten E. I. 2. 62 Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 8; Schurig, RabelsZ 54 (1990), 238. 63 Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), 185; Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 143. 64 Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 144; Großfeld, S. 175; ausführlich auch Reithmann/Martiny-Limmer (5. Auflage 1996), Rn. 459, sowie Göthel, IPRax 2001, 417 f. 65 Dazu aus Rehbinder, JZ 1973, 157. 66 Zu den verschiedenen denkbaren Kriterien vgl. ausführlich MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 136 ff.; Göthel, IPRax 2001, 418. 67 Etwa Kreuzer, S. 92. 68 So auch Göthel, IPRax 2001, 418 m.w.N. 69 Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 25. 70 Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 25; a.A. MüKoMartiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 59 ff.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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Teilweise wurde auch eine Kombination von Einheits- und Sonderanknüpfungslehre vorgeschlagen (sogenannte Kumulationstheorie).71 Dieser in der Nähe der Datumtheorie72 stehende Ansatz sieht das Eingriffsrecht der lex causae als stets anwendbar an, möchte daneben aber – im Sinne einer Sonderanknüpfung – auch drittstaatliches Eingriffsrecht oder solches der lex fori berücksichtigen, soweit es die erforderliche Nähe zum Sachverhalt aufweist. Die Kritik an der Kumulationstheorie ist identisch mit der an der Lehre von der Einheitsanknüpfung, die in der Kumulationstheorie enthalten ist. Zudem sei die Kombination aus Einheitsanknüpfung einerseits und Sonderanknüpfungslehre andererseits auch ein methodischer Widerspruch: Entweder könne eine Eingriffsnorm automatisch aufgrund ihrer Statutszugehörigkeit oder durch bestimmte Sonderanknüpfungskriterien zur Anwendung kommen – beides in Kombination sei indes „nicht logisch“.73 (5) Lösung der Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Rom I-VO Der deutschen Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Rom I-VO kann kein umfassendes Konzept zur Behandlung fremden Eingriffsrechts entnommen werden. Zumindest für den BGH aber kann gesagt werden, dass eine Berücksichtigung von Eingriffsrecht im Wesentlichen auf Ebene des materiellen Rechts und nicht kollisionsrechtlich erfolgte.74 Hindernisse für die Vertragsdurchführung in Form fremder Eingriffsnormen wurden also über § 138 BGB, § 826 BGB, das Leistungsstörungsrecht und ähnliche Regelungen zur Geltung gebracht.75 Dieser Ansatz ermöglichte zwar eine einzelfallbezogene Handhabe76 fremden Eingriffsrechts und vermied gleichzeitig eine Verwicklung des Gerichts in die kollisionsrechtlichen Streitigkeiten bezüglich Eingriffsnormen. Valide Kriterien für die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen und eine entsprechende Vorhersehbarkeit für den Rechtsanwender vermochte er aber nicht zu liefern.77 (6) Fazit zur Rechtslage bis 2009 Für die Zeit vor Inkrafttreten der Rom I-VO kann die Theorie von der Sonderanknüpfung als herrschende Ansicht in der Literatur bezeichnet werden78 – 71
Vgl. etwa Siehr, RabelsZ 52 (1988), 96 f. Siehe oben E. I. 1. a. (1). 73 So ausdrücklich Zeppenfeld, S. 101. 74 Vgl. BGHZ 59, 82 (85) = NJW 1972, 1575 (1576) − Nigerianische Masken; BGHZ 34, 169–178 = NJW 1961, 822–823 – Borax; so auch Hauser, S. 100. 75 Übersicht bei Zimmer, IPRax 1993, 65 ff. 76 Hauser, S. 101. 77 So die Kritik bei Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 140. 78 Vgl. Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 21 m.w.N. 72
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
mit freilich im Detail umstrittenen Kriterien. Die Rechtsprechung beschränkte demgegenüber die Problematik weitgehend auf die Ebene des materiellen Rechts. Keine der genannten Theorien kann nach Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO noch vollständige Geltung beanspruchen, da das System der Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen vollständig novelliert wurde. Neben neu aufgeworfenen Problemen bleiben aber die „alten“ kollisionsrechtlichen Theorien zur Behandlung ausländischer Eingriffsnormen weiter relevant: Zum einen scheinen sie bis heute das Grundverständnis vieler Autoren bei der Auslegung des Art. 9 Rom I-VO zu prägen und zum anderen sind sie z.B. bei der Frage, wie Eingriffsnormen der lex causae unter Art. 9 Rom I-VO zu behandeln sind, weiterhin von Bedeutung. b. Entstehung des Art. 9 Rom I-VO Da im Entstehungsprozess des Art. 9 Rom I-VO, anders als bei Art. 7 Abs. 1 EVÜ, keine Vorbehaltsmöglichkeit der Mitgliedstaaten gegen die Vorschrift zur Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen vorgesehen war, gestaltete sich die Rechtsschaffung schwierig. Insbesondere Großbritannien stand einer international-privatrechtlichen Regelung bezüglich ausländischen Eingriffsrechts äußerst reserviert gegenüber79 und widersprach vehement der Formulierung des ursprünglichen Kommissionsvorschlags80 aus dem Jahre 2005 (dort Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E). Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E sei ein Einfallstor für unkalkulierbare Interventionen anderer Staaten, das in erheblichem Maße die Rechtssicherheit in Großbritannien gefährde.81 Neben dem hohen Zeit- und Kostenaufwand für die Ermittlung und Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen82 befürchteten britische Stimmen vor allem eine Schwächung der Londoner City als internationaler Finanzplatz.83 Ein Vergleich wurde dabei insbesondere zum Recht des US-Bundesstaates New York gezogen, das in Restatement (Second) of the Conflict of Laws § 187 (2) (b)84 79
Vgl. etwa Dickinson, JPIL 2007, 53 ff.; Ferrari/Leible-Harris, S. 274 ff.; auch Ministry of Justice (UK), Rome I-Regulation – Should the UK Opt in?, Konsultationspapier CP05/08 v. 2.4.2008, Rn. 27 ff. 80 Art. 8 Abs. 3 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) v. 15.12.2005, KOM 2005 (650) – endg., 2005/0261 (COD). 81 Vehement insbes. Dickinson, JPIL 2007, 61 ff. 82 Insbes. Ferrari/Leible-Harris, S. 273. 83 So ausdrücklich Dickinson, JPIL 2007, 71; Ferrari/Leible-Harris, S. 281; Dutson, JIBFL 2006, 301. 84 Es handelt sich bei den Restatements of the Laws um systematische Case-Law-Darstellungen des American Law Institutes, die in den USA als Rechtsquelle anerkannt sind. Weitere Informationen zum Restatement Second, Conflict of Laws, unter: (zuletzt abgerufen am 28.12.2013).
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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zwar eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung internationaler Eingriffsnormen enthält, jedoch erheblich enger gefasst ist und zudem, worauf Chong hinweist85, für Finanztransaktionen mit einem Volumen über 250.000 USDollar abwählbar ist.86 Aber nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland wird eine möglichst enge Fassung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO durchaus befürwortet.87 Der Kommissionsentwurf aus dem Jahre 2005 entsprach in Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E weitgehend der Formulierung des Art. 7 Abs. 1 EVÜ. Wörtlich lautete Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E: „Weist der Sachverhalt eine enge Verbindung zu einem anderen Staat auf, kann den Eingriffsnormen dieses Staates ebenfalls Wirkung verliehen werden. Bei der Entscheidung, ob diesen Normen Wirkung zu verleihen ist, berücksichtigt das Gericht Art und Zweck dieser Normen nach Maßgabe der Begriffsbestimmung in Absatz 1 sowie die Folgen, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung für das mit der betreffenden Eingriffsnorm verfolgte Ziel sowie für die Parteien ergeben würden.“
Neben der Einführung des Begriffs der Eingriffsnorm anstelle des (ungenaueren)88 Begriffs der zwingenden Bestimmung in Art. 7 Abs. 1 EVÜ und dem Erfordernis einer „engen Verbindung“ des jeweiligen Sachverhalts zu einem anderen Staat89 gab es somit kaum inhaltliche Veränderungen. Die oben genannte Ablehnung Großbritanniens ging allerdings soweit, dass sogar offen ein Nicht-Beitritt zur Rom I-VO erwogen wurde90, der wegen des gegenüber Irland und Großbritannien eingeräumten opting in-Wahlrechts91 auch möglich gewesen wäre. Schließlich kam es zu einer Einigung i.S.d. Wortlauts des jetzigen Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO: „Den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, kann Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden.“ 85
Chong, JPIL 2006, 48 f. Vgl. ausführlich zu den britischen Vorbehalten auch Hauser, S. 61 ff. 87 Vgl. Staudinger-Sturm/Sturm, Einl. z. IPR, Rn. 20, die die enge Fassung aufgrund des erbitterten Widerstands Großbritanniens als „sehr erfreulich“ bezeichnen. 88 Die Ungenauigkeit ergibt sich v.a. aus der mangelnden Differenzierung zwischen einfach zwingenden und international zwingenden Normen. 89 Missverständlich Hauser, S. 59, der ein Erfordernis einer engen Verbindung zwischen Staat einerseits und Eingriffsnorm andererseits konstatiert. 90 Vgl. dazu Dickinson, JPIL 2007, 53 ff.; Ferrari/Leible-Harris, S. 274 ff.; Dutson, JIBFL 2006, 301 ff.; auch Ministry of Justice (UK), Rome I-Regulation – Should the UK Opt in?, Konsultationspapier CP05/08 v. 2.4.2008, Rn. 27 ff.; von britischer Seite aufgeschlossen gegenüber dem Kommissionsentwurf dagegen Chong, JPIL 2006, 27 ff. 91 Vgl. Staudinger-Sturm/Sturm, Einl. z. IPR, Rn. 480, zur opting-in-Option, die Großbritannien eine Umsetzung des Restes der Rom I-VO ermöglicht hätte. 86
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geht (weitgehend) zurück auf die englische Kollisionsrechtstradition92, insbesondere auf die sogenannte Ralli-Entscheidung93 des Court of Appeal aus dem Jahre 1920, welche ihrerseits an Ausführungen im Lehrbuch Diceys94 angelehnt ist. Freilich ändert diese Herkunft der Formulierung aus dem englischen Kollisionsrecht nichts an der grundsätzlich europäisch-autonomen Auslegung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO.95 2. Begriff der Eingriffsnorm gem. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO Wie oben dargestellt96 muss zunächst zwischen einfach zwingenden und international zwingenden Normen unterschieden werden. Während einfach zwingende Normen aufgrund einer entsprechenden Verweisung als Teil des Vertragsstatuts – aber auch nur als solcher – wirken (vgl. Art. 3 Rom I-VO und die Einschränkung in Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO97), beanspruchen international zwingende Normen auch dann Geltung, wenn die Rechtsordnung, der sie entstammen, nicht die für das entsprechende Rechtsverhältnis maßgebliche ist. Nur letztere stellen Eingriffsnormen im eigentlichen Sinne dar. Der Begriff der Eingriffsnorm ist nun erstmals in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO legaldefiniert, lässt sich aber zurückdatieren auf Zeiten lange vor Inkrafttreten der Rom I-VO: Bereits Neumayer verwendete den Begriff im kollisionsrechtlichen Zusammenhang in den 1960er Jahren98 und auch das Schrifttum zu Art. 34 EGBGB a.F. bediente sich dieser Terminologie99. Der heutige Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO lautet:
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Ausführlich Hauser, S. 61 ff., insbes. S. 65 f. Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar, [1920] 2 KB 287, insbesondere die „Opinion“ des Richters Sterndale. Problematisch waren hier spanische Höchstpreisgrenzen, die dem Inhalt des englischem Recht unterliegenden Vertrages widersprachen. Ebenso Foster v. Driscoll [1929] 1 KB 470 und Regazzoni v. KC Sethia (1944) Ltd. [1958] AC 301. 94 Dicey, A Digest of the Law of England with Reference to the Conflict of Laws, 2. Auflage 1908, S. 553. 95 So zutreffend auch Freitag, IPRax 2009, 111; Hauser, S. 67. 96 Oben E. I. 97 Vgl. zur Abgrenzung zwischen einfach und international zwingendem Recht im Rahmen der Rom I-VO auch unten (E. I. 3.) die Diskussion über die Behandlung von Eingriffsrecht der lex causae unter Art. 9 Rom I-VO. 98 Neumayer, RabelsZ 25 (1960), 649 ff., der den Begriff bereits früher in anderem Kontext in seinem Werk Internationales Verwaltungsrecht Band 4, S. 228, verwendete – worauf Hauser, S. 5, zutreffend hinweist. 99 E. Lorenz, RIW 1987, 578 ff.; Herrmann/Berger/Wackerbarth-Berger, S. 324; Sonnenberger, IPRax 2003, 105 f.; ebenso die Rspr., etwa BAGE 63, 17–34 = IPRax 1991, 407–412. 93
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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„Eine Eingriffsnorm ist eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.“
Der Verordnungsgeber selbst hat in Erwägungsgrund 37 Rom I-VO klargestellt, dass der Begriff der Eingriffsnormen von einfach zwingenden Bestimmungen zu unterscheiden ist. Erforderlich ist vielmehr eine zwingende Norm – so der Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO – die einerseits in ihrer Zielrichtung besonders gewichtigen öffentlichen Interessen des normerlassenden Staates dient und andererseits einen internationalen Geltungsanspruch hat. a. Auslegungsmaßstab Zunächst stellt sich die Frage nach dem Auslegungsmaßstab für die Begriffsbestimmung in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Nach – zutreffender – überwiegender Ansicht ist Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO als gemeinschaftsrechtliche Begriffsbestimmung europäisch-autonom auszulegen.100 Die Auslegungskompetenz liegt somit beim EuGH.101 Soweit Martiny in diesem Zusammenhang die Qualifikation von Eingriffsnormen nach dem Kollisionsrecht der lex fori fordert102, ergeben sich de facto keine Unterschiede, da das maßgebliche Kollisionsrecht der lex fori betreffend Eingriffsnormen im (sachlichen und räumlichen) Geltungsbereich der Rom I-VO gerade deren Art. 9 ist103, der richtigerweise gemeinschaftsrechtlich auszulegen ist. Allerdings sind im Zusammenhang mit dem Auslegungsmaßstab zwei in der Literatur teilweise nicht ganz klar getrennte Fragestellungen voneinander zu unterscheiden: Einerseits muss ein Auslegungsmaßstab für die abstrakten Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO festgelegt werden. Dabei kommt für einen Gemeinschaftsrechtsakt wie die Rom I-VO tatsächlich nur eine europäisch-autonome Auslegung in Betracht, die im Zweifel der EuGH vorzunehmen hat.104 Andererseits definiert Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO Eingriffsnormen aber maßgeblich über ihren, vom jeweiligen nationalen Gesetzgeber autonom festgelegten, eigenen internationalen Anwendungswillen, der sich wiederum – in der Regel – aus der in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO geforderten überindividuellen Zielrichtung ergibt. Die Eigenschaft einer Norm als Ein100 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 20 ff.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom IVO, Rn. 45; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 511. 101 So auch Bitterich, GPR 2006, 164 (zu Art. 8 Rom I-VO-E); Hauser, S. 14; Mankowski, IPRax 2006, 331 (zu Art. 8 Rom I-VO-E). 102 MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 10. 103 Anders Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 45, der einen Unterschied zwischen Martinys Ansicht und der europäisch-autonomen Auslegung vermutet. 104 So im Ergebnis auch Bitterich, GPR 2006, 164 (zu Art. 8 Rom I-VO-E); Hauser, S. 14; Mankowski, IPRax 2006, 331 (zu Art. 8 Rom I-VO-E).
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
griffsnorm entsteht somit – ungeachtet der europäisch-autonomen Auslegung der Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO – größtenteils „aus sich selbst heraus“. Davon geht auch Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO aus, wenn dort auf die (überindividuelle) Bedeutung und den internationalen Geltungsanspruch der Norm aus Sicht des normerlassenden Staates abgestellt wird: „[…] von einem Staat als so entscheidend […] angesehen wird […]“. Unabhängig vom generellen Auslegungsmaßstab für Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO liegt es also prinzipiell in der Hand des Eingriffsstaates selbst, Normen so zu fassen, dass sie unter den Begriff der Eingriffsnorm im Sinne der (gemeinschaftsrechtlichen) Definition fallen. Anders gesagt: Die Anforderungen an eine Eingriffsnorm schreibt das Gemeinschaftsrecht im Sinne abstrakter Mindesteigenschaften in der Definition des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO vor. Ob eine Norm aber in diesem Sinne ausgestaltet wird, hängt letztlich vom Eingriffsstaat ab105 – der freilich, anders als die Darstellung Hausers vermuten lässt106, im Falle drittstaatlicher Eingriffsnormen (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) kein Mitgliedstaat der Europäischen Union sein muss. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob bereits auf Ebene der Begriffsbestimmung in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO eine Kontrolle im Sinne einer Vereinbarkeit der betreffenden Eingriffsnorm mit europäischen Grundwerten stattfinden muss.107 b. Einzelne Merkmale von Eingriffsnormen Ungeachtet des oben genannten Gestaltungsspielraums des Eingriffsstaates stellt Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO allerdings Voraussetzungen für Eingriffsnormen auf, die ihrerseits einer Konkretisierung bedürfen. Die dort genannten Merkmale – zwingende Norm mit internationalem Geltungswillen sowie (nationale) überindividuelle Zielsetzung von staatspolitischer Bedeutung – wurden auch vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO in Deutschland bereits im Zusammenhang mit Art. 34 EGBGB a.F. gefordert.108 Im europarechtlichen Kontext lässt sich der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO maßgeblich auf die sogenannte Arblade-Entscheidung des EuGH zurückführen109, die sich mit strafbewehrten Vorschriften des belgischen Arbeitsrechts und deren Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht 105
So auch Plender/Wilderspin, Rn. 12-011 f.; PWW-Remien, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 2. Vgl. Hauser, S. 14 f., missverständlich auch auf S. 13, wo bezüglich der Formulierung in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO („von einem Staat[…]angesehen wird“) die Frage aufgeworfen wird, ob es sich um die Perspektive des jeweiligen Mitgliedstaates handele. 107 Vgl. dazu unten E. I. 2. c. 108 Aus der Rspr.: BAG SAE 1997, 31 (34); BAGE 71, 297 (316 ff.) = NZA 1993, 743 (747 f.); BGH NJW 2009, 3371 (3373 f.); aus der Literatur: Magnus, IPRax 1991, 385 f.; MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 12 ff.; Staudinger-Magnus (13. Auflage 2002), Art. 34 EGBGB, Rn. 57. 109 EuGH Urteil v. 23.11.1999, Rs. C-369/96 und Urteil v. 16.12.1998, Rs. C-374/96, EuGHE 199 I, 8453 (Arblade) = EuZW 2000, 88–93. 106
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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befasste110. Hier wurde ein „Polizei- und Sicherheitsgesetz“ als Norm definiert, „[…] deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des betreffenden Mitgliedstaates angesehen wird, dass ihre Beachtung für alle Personen, die sich im nationalen Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates befinden, und für jedes dort lokalisierte Rechtsverhältnis vorgeschrieben ist.“111 Ähnlich lautet auch Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. (1) Zwingende Vorschrift Als Vorschriften i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO kommen nach überwiegender Auffassung zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich Normen des öffentlichen Rechts in Betracht, sondern auch solche des Privatrechts.112 113 Zu Recht wird angeführt, dass auch zwingendes Privatrecht – wenngleich seltener – öffentliche Interessen eines Staates in der in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO geforderten Weise wahren könne.114 Zudem finde eine Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht teilweise gar nicht, zumindest aber nicht überall in gleicher Weise statt wie in Deutschland.115 Die US-amerikanische SDN-Liste ist als (mittelbar) strafbewehrte116 und hoheitlich überwachte Verbotsnorm ausgestaltet, die – auch nach deutschem und europäischem Verständnis – wohl nicht dem Privatrecht im engeren Sinne angehört. Vielmehr erfüllen die zugrundeliegenden Normen, insbesondere die Executive Order 13.224117, trotz der letztlich für Privatrechtsverhältnisse geltenden Verbote zumindest auch die Merkmale öffentlich-rechtlicher Normen nach deutschem Verständnis, da sie vom OFAC, der US-Exportkontrollbehörde, überwacht und gegebenenfalls mit Zwang durchgesetzt werden. Nach der in Bezug auf die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht in Deutschland häufig als herrschend bezeichneten sogenannten 110
Insofern ist die Situation nicht mit der durch Art. 9 Rom I-VO geregelten vergleichbar, da es sich nicht um eine kollisionsrechtliche Konstellation im engeren Sinne handelte. 111 EuGH Urteil v. 23.11.1999, Rs. C-369/96 und Urteil v. 16.12.1998, Rs. C-374/96, EuGHE 199 I, 8453 (Arblade), Rn. 30 f. = EuZW 2000, 90 (Rn. 30 f.). 112 Vgl. zum Problem des Sonderprivatrechts als Eingriffsrecht i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO auch unten E. I. 2. b. (1) (ii). 113 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 50; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 512 ff.; juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 16; Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 5; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 12; a.A. aber Benzenberg, S. 170. 114 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 513 f.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 50; anders aber Benzenberg, S. 170. 115 Vgl. Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 514, mit näherer Begründung; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 12. 116 Vgl. oben D. I. 5.: Bei vorsätzlicher Verletzung der Vorschriften drohen in den USA bis zu 20 Jahre Freiheitsstrafe. 117 Oben D. I. 1. a. sowie Anhang I.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
modifizierten Subjekttheorie118 gelten solche Normen als öffentlich-rechtlich, die Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Zwar gelten die Geund Verbote der Executive Order 13.224 inhaltlich für Private (was letztlich meistens im öffentlichen Recht der Fall ist), sie werden aber von der US-Exportkontrollbehörde überwacht und gegebenenfalls hoheitlich durchgesetzt. Unabhängig davon, dass die deutschen Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht hier von vornherein unanwendbar und schließlich auch untauglich119 sind, zeigt sich, dass zumindest nicht von Privatrecht im engeren Sinne die Rede sein kann – was nach zutreffender Ansicht für den Begriff der zwingenden Vorschrift ohnehin unschädlich wäre. Auch in Bezug auf das deutsche Außenwirtschaftsrecht, welches ebenfalls auf zivilrechtliche Verhältnisse einwirkt120, wird im Übrigen allgemein von einem öffentlichrechtlichen Charakter ausgegangen.121 Ferner wird – zutreffend – für grundsätzlich irrelevant gehalten, ob die betreffende Eingriffsnorm Teil des Gesetzesrechts ist oder etwa dem Richteroder Gewohnheitsrecht entstammt.122 Auch hier wäre eine Grenzziehung angesichts der verschiedenen internationalen Rechtssysteme – schon mit Blick auf das common law – nicht ernsthaft möglich. Das zeigt sich auch am konkreten Beispiel der US-amerikanischen SDN-Liste, die – bezüglich Terrorismus – auf einer executive order beruht123, die im deutschen Recht gar keine Entsprechung hat und als eine Art präsidialer Verwaltungsakt mit gesetzlicher Wirkung bezeichnet werden kann. (2) Besonderer Zweck Nach der Definition des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO muss die betreffende Vorschrift nach Ansicht des Erlassstaates die genannten entscheidenden staatspolitischen Zwecke verfolgen, um als Eingriffsnorm zu gelten. (i) Anforderungen an den besonderen Zweck gem. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO Problematisch ist, dass letztlich jede Rechtsnorm, auch wenn sie lediglich dem Ausgleich privater Interessen dient, zumindest die öffentlichen Güter des
118 Ausführlich zur Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht Hufen, § 11, Rn. 13 ff. m.w.N., der das Problem für auch heute noch weitgehend ungeklärt hält, da jede der zahlreichen Theorien und Kombinationen aus Theorien letztlich Schwächen habe. 119 Bereits ein der executive order vergleichbares Rechtsinstrument fehlt im deutschen Recht völlig. 120 Etwa über § 134 BGB. 121 Vgl. etwa Voland, EuZW 2010, 132 f. 122 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 49. 123 Zur Rechtsnatur oben D. I. 1. a.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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Rechtsfriedens und der Gerechtigkeit fördern soll.124 Der sich auch aus Erwägungsgrund 37 Rom I-VO ergebende restriktive Gesamtzuschnitt des Art. 9 Rom I-VO gebietet hier allerdings eine erhebliche Einschränkung, die auch im Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO deutlich wird: „[…] so entscheidend […]“. Es muss sich somit bei der durch die Norm intendierten Wahrung des öffentlichen Interesses um die Wahrung fundamentaler staatlicher Interessen handeln.125 Als Beispiele werden hier etwa das Außenwirtschaftsrecht inklusive Embargo-Vorschriften oder Regelungen über bestimmte Waren wie Waffen, Kulturgüter usw. sowie Normen betreffend die Produktsicherheit genannt.126 Hier gilt, wie bereits festgestellt, dass es bei der Frage nach der Gewichtung einer Norm im nationalen Rechtsgefüge – anders als Hauser127 und Bitterich128 vertreten – entscheidend darauf ankommt, was der jeweilige Eingriffsstaat für maßgeblich hält. Es kann nämlich für Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO nicht erheblich sein, was etwa nach europäischem Verständnis – soweit ein solches überhaupt definiert werden kann – als gewichtiger staatspolitischer Zweck anerkannt ist. Die von Bitterich zu Recht geforderte „Plausibilitätskontrolle“ hinsichtlich des staatspolitisch gewichtigen Zwecks der Eingriffsnorm129 findet letztlich schon prima vista durch die von Art. 9 Abs. 1 Rom IVO beispielhaft genannten Bereiche der „[…] politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation […]“ statt. Das Problem der Unvereinbarkeit des Zwecks einer Eingriffsnorm mit grundlegenden Prinzipien der lex fori ist indes im Bereich der Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO zumindest falsch verortet.130 Mithin erübrigt sich auch der von Hauser geäußerte Auslegungszweifel131 weitgehend, ob die potentielle Eingriffsnorm einen „(so) entscheidenden“ Gemeinwohlbelang betreffen muss oder sich die Formulierung „so entscheidend“ in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO auf die Bedeutung der konkreten Norm für eben diesen Belang bezieht: Beides ist denkbar, da Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO perspektivisch eindeutig auf den Eingriffsstaat abstellt und sich die Bedeutung einer (potentiellen) Eingriffsnorm für die Wahrung der – zugegeben durch Art. 9 Abs. 1 124
Darauf weist insbesondere Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 58, zutreffend
hin. 125
Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 13; Pfeiffer, EuZW 2008, 628, mit der missverständlichen Beschränkung auf Eingriffsrecht von „Mitgliedstaaten“. 126 juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 14; Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 7; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 61. 127 Hauser, S. 12, der die Maßgeblichkeit der Perspektive des Eingriffsstaates für unvereinbar mit den Vereinheitlichungsbestrebungen der Rom I-VO hält. 128 Bitterich, GPR 2006, 165 (zu Art. 8 Rom I-VO-E). 129 Bitterich, GPR 2006, 165 (zu Art. 8 Rom I-VO-E). 130 Vgl. dazu unten E. I. 2. c. 131 Hauser, S. 12.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Rom I-VO eingegrenzten – öffentlichen Belange des Eingriffsstaates theoretisch sowohl aus der Priorität des betroffenen nationalen öffentlichen Guts selbst als auch aus der Bedeutung der jeweiligen Norm für den Schutz desselben ergeben kann. Hinsichtlich der SDN-Liste der USA kann ohne Weiteres von der Erfüllung des Kriteriums des besonderen Zwecks ausgegangen werden: Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass die Terrorismusbekämpfung überragenden Interessen eines Staates dient und als entscheidend für dessen Gemeinwohl angesehen werden kann. Auch nach den strengeren, objektivierten Anforderungen Hausers und Bitterichs dürfte es sich somit bei den Normen, die der SDN-Liste zugrunde liegen, um solche handeln, die objektiv anerkannte staatspolitische Zwecke verfolgen. Auch eine – an dieser Stelle (unzutreffend) von Hauser132 geforderte – Vereinbarkeitskontrolle mit der lex fori wäre zwar bei eingehender Prüfung, insbesondere wegen des rechtsstaatlich zweifelhaften Zustandekommens der SDN-Liste, problematisch, könnte aber keine ernsthaften Zweifel an der Vereinbarkeit des staatspolitischen Zwecks der Liste mit nach deutschem Verständnis anerkannten Gemeinwohlbelangen begründen – schließlich engagiert auch Deutschland sich im eigenen Interesse in der Terrorismusbekämpfung und existieren (grundsätzlich) vergleichbare Listen auch hierzulande133. Im Übrigen entspricht die rechtliche Verortung der Liste, die – trotz ihrer Wirkung auch auf reine Inlandssachverhalte – im weiteren Sinne dem Bereich des Außenwirtschaftsrechts, der Exportkontrollbestimmungen usw. zugerechnet werden kann134, auch den in der Literatur häufig genannten Beispielen für typische eingriffsrechtliche Regelungsbereiche. (ii) Sonderprivatrecht als Eingriffsrecht i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO Umstritten ist, wie bereits vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO in Deutschland135, ob zwingende Vorschriften des Sonderprivatrechts Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Rom I-VO darstellen können. Während teilweise eine generelle Qualifikation zwingenden Sonderprivatrechts als Eingriffsrecht vertreten wurde, sofern es dem Ausgleich eines Ungleichgewichts zwischen den Parteien dient,136 forderte die Mehrheit der Autoren unter Art. 34 EGBGB a.F., dass durch die Norm auch öffentliche Belange geschützt werden müssten.137 Zumindest eine strenge Exklusion sonderprivatrechtlicher Vorschriften aus 132
Hauser, S. 23 ff., vgl. auch unten E. I. 2. c. Vgl. oben C. 134 Als Überbegriff könnte „Wirtschaftssanktionsrecht“ dienen. 135 Überblick bei Hauser, S. 9 ff. 136 So von Hoffmann, IPRax 1989, 261 ff. 137 Statt vieler Sonnenberger, IPRax 2003, 106; ähnlich auch die arbeitsgerichtliche Rspr.: BAGE 63, 17 (32) = NZA 1990, 841 (843). 133
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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dem Bereich des Eingriffsrechts lässt sich nach Analyse Müllers auch im europäischen Rechtsvergleich nicht feststellen.138 Fruchtbar wird in diesem Zusammenhang teilweise die sogenannte Ingmar-Entscheidung des EuGH139 gemacht, die unter Geltung des EVÜ europarechtliche Vorschriften zum Schutz von Handelsvertretern140 als Eingriffsnormen einordnete.141 So vertritt insbesondere Hauser142, die Ingmar-Entscheidung zeige, dass Vorschriften des Sonderprivatrechts auch unter Art. 9 Rom I-VO weiterhin als Eingriffsnormen in Betracht kommen. Zwar ist der überwiegenden Ansicht zuzustimmen, dass sonderprivatrechtliche Normen als Eingriffsrecht in Betracht kommen. Sofern die weiteren Voraussetzungen einer Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO erfüllt sind, spricht nämlich aus den soeben genannten Gründen nichts gegen eine Begrenzung des denkbaren Eingriffsnormenspektrums auf das (ohnehin international uneinheitlich bestimmte) Gebiet des öffentlichen Rechts. Allerdings ist diese Diskussion in der vorliegend untersuchten Konstellation wenig relevant, da die US-amerikanische SDN-Liste – auch wenn sie als (mittelbare) Verbotsnormen erheblichen Einfluss auf privatrechtliche Verhältnisse hat – zumindest nicht ausschließlich Teil des US-Sonderprivatrechts ist. Wie soeben festgestellt, kann nämlich der Executive Order 13.224, die der Liste zugrunde liegt, ein wenigstens auch öffentlich-rechtlicher Charakter kaum abgesprochen werden – ganz abgesehen davon, dass es kaum möglich ist, diese Unterscheidung überhaupt nach deutschen Kriterien im US-Recht vorzunehmen. c. Kontrolle der Vereinbarkeit von Eingriffsnormen mit europäischen Grundwerten? Insbesondere von Freitag, Hauser und Thorn wird (bereits) im Zusammenhang mit dem Begriff der Eingriffsnorm erwogen, letztere einer Prüfung im Sinne einer Mindest-Vereinbarkeit mit europäischen Grundwerten zu unterziehen. Sofern eine potentielle Eingriffsnorm an dieser Prüfung scheitert, soll sie somit als von Art. 9 Rom I-VO erfasstes Eingriffsrecht nicht mehr in Betracht kommen. Umstritten ist jedoch, ob es sich dabei um eine Grundfreihei138
Müller, S. 51; ebenso Hauser, S. 10. EuGH Urteil v. 9.11.2000, Rs. C-381/98 (Ingmar), EuGHE Slg. 2000 I, 9305–9336 = IPRax 2001, 225–227. 140 Namentlich Vorschriften der Handelsvertreterrichtlinie, genauer: RL 86/653/EWG des Rates v. 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. Nr. L 382/86, S. 17–21. 141 Zur Ingmar-Entscheidung vgl. auch Staudinger NJW 2001, 1974 ff.; Dauses-Rott, H.V., Rn. 673 f.; Bitterich, VuR 2002, 161; krit. gegenüber dem „zwingenden“ Charakter nicht unmittelbar geltenden Richtlinienrechts aber Kindler, BB 2001, 12. 142 Hauser, S. 11 f., mit Verweis auf Roth, FS Immenga, S. 340 (letzterer zur Rechtslage 2004). 139
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
ten-Kontrolle143 nach dem AEUV144 oder nur um eine Art grobe Missbrauchskontrolle145 handeln soll. Allgemein wird für eine Kontrolle potentieller Eingriffsnormen – je nach Ansicht entweder am Maßstab der europäischen Grundfreiheiten oder zumindest anhand „europäischer Grundwerte“ – die sogenannte Krombach-Rechtsprechung des EuGH angeführt146: In dieser Entscheidung stellte der Gerichtshof klar, dass die den Mitgliedstaaten durch die ordre-public-Klausel in Art. 27 des (zuständigkeitsrechtlichen) Lugano-Übereinkommens147 eingeräumte Definitionsmacht hinsichtlich seiner eigenen Vorschriften zur Wahrung der öffentlichen Ordnung ihre Grenzen in dem, vom EuGH festzulegenden, gemeinschaftsrechtlichen Rahmen findet.148 Unabhängig vom (streitigen) konkreten Maßstab wird daher von einigen Autoren vertreten, der EuGH müsse letztlich als eine Art Kontrollinstanz solche Fälle – so Hauser wörtlich – herausfiltern, „in denen der nationale Gesetzgeber zu weit gegangen ist“.149 (1) Kontrolle anhand europäischer Grundfreiheiten des AEUV Der Vorschlag, Eingriffsnormen von Mitgliedstaaten der EU nach den Maßstäben einer Prüfung europäischer Grundfreiheiten zu behandeln, entstammt hauptsächlich der vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO – teilweise allerdings zu dessen Vorüberlegungen – ergangenen Literatur.150 Schon zu Zeiten des Art. 34 EGBGB a.F. war – wie oben dargestellt – umstritten, ob Eingriffsnormen einer gewissen Qualitätskontrolle als Mindest-Anwendungsvoraussetzung bedürfen.151 Mit dem Grundfreiheiten-Maßstab, den Freitag152 143
So wohl Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 176; ebenso Bitterich, GPR 2006, 165 (jeweils zu den Vorüberlegungen bzw. zu dem Entwurf einer Rom I-VO). 144 Genauer: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union v. 9.4.2008, ABl. EU Nr. C 115/08, S. 47 ff. 145 So Thorn, Eingriffsnormen, S. 135 ff.; im Ergebnis auch Hauser, S. 17 ff. 146 Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 175 f. 147 Genauer: Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 16.9.1988, ABl. EU Nr. L 319/88, S. 9. 148 EuGH v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, EuGHE 2000 I, S. 1935 = NJW 2000, 1835–1855; nicht zu verwechseln mit der Krombach-Entscheidung des EGMR in gleicher Sache: EGMR Urteil v. 13.2.2001, Az. 29731/96 = NJW 2001, 2387, vgl. dazu ausführlich Gundel, NJW 2001, 2380 ff. 149 Hauser, S. 14 f.; auch Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 176; Bitterich, GPR 2006, 164 f. 150 Etwa Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 175 f.; zustimmend Staudinger, IPRax 2005, 134, im Zusammenhang mit quota-litis- (= Erfolgshonorar)-Vereinbarungen im IPR; Bitterich, GPR 2006, 165. 151 Vgl. insbes. die Ansicht Göthels, IPRax 2001, 417 (oben Fn. 64). 152 Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 175 f.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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und Bitterich153 im Zusammenhang mit Art. 9 Rom I-VO (genauer: Art. 8 Rom I-VO-E) vorschlagen, ist gemeint, dass Eingriffsnormen aus Mitgliedstaaten nur dann als solche akzeptiert werden können, wenn sie der gleichen Prüfung durch den EuGH standhalten wie sonstige Normen, die in europäische Grundfreiheiten, z.B. die Warenverkehrsfreiheit gem. Artt. 34–37 AEUV, eingreifen. Nur eine solche Prüfung führe zu der nötigen Rechtssicherheit im Bereich des Eingriffsrechts, welches andernfalls – bei exzessiver Anwendung durch die Mitgliedstaaten154 – geeignet sei, die europäische Rechtsvereinheitlichung zu konterkarieren.155 Zudem biete eine Prüfung anhand der Grundfreiheiten eine umfangreiche europäische Kasuistik, auf die zurückgegriffen werden könne, was – im Vergleich zu einer eigens für Eingriffsnormen entwickelten Missbrauchskontrolle – ebenfalls die Rechtssicherheit erhöhe.156 (2) Spezielle Missbrauchskontrolle für Eingriffsrecht Demgegenüber halten Thorn157 und Hauser158 den Grundfreiheiten-Maßstab im Zusammenhang mit Eingriffsnormen für verfehlt. Die Grenzen für nationale gesetzgeberische Eingriffe in Grundfreiheiten ließen sich auf die Schaffung von Eingriffsnormen nicht ohne Weiteres übertragen, da Kriterien wie etwa die Verhältnismäßigkeitsprüfung hier deplatziert seien.159 Dies zeige auch die Arblade-Entscheidung des EuGH160, die einer belgischen Norm zwar einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit attestierte, ihr die Natur einer Eingriffsnorm aber gerade nicht absprach.161 Ferner seien, was die IngmarEntscheidung des EuGH162 zur Qualität der Handelsvertreterrichtlinie als Eingriffsrecht163 zeige, die bei einem Eingriff in die Grundfreiheiten zu fordernden überragenden Interessen des Gemeinwohls für Eingriffsnormen
153
Bitterich, GPR 2006, 165. So auch die Befürchtung Hausers, S. 14. 155 Vgl. Staudinger, IPRax 2005, 134, der eine Störung des Gesamtsystems der Rom IVO durch „[…]einen Wildwuchs von Eingriffsnormen bzw. einen überbordenden Einsatz der Vorbehaltsklausel[…]“ befürchtet. 156 Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 176. 157 Thorn, Eingriffsnormen, S. 135 ff. 158 Hauser, S. 17 ff. 159 Thorn, Eingriffsnormen, S. 137. 160 EuGH Urteil v. 23.11.1999, Rs. C-369/96 und Urteil v. 16.12.1998, Rs. C-374/96, EuGHE 199 I, 8453 (Arblade) = EuZW 2000, 88–93. 161 Thorn, Eingriffsnormen, S. 136 f.; ebenso Mankowski, IPRax 2006, 109. 162 EuGH Urteil v. 9.11.2000, Rs. C-381/98 (Ingmar), EuGHE Slg. 2000 I, 9305–9336 = IPRax 2001, 225–227. 163 Vgl. auch oben E. I. 2. b. (2) (i) zur Relevanz dieser Entscheidung im Streit um die generelle Frage, ob Sonderprivatrecht Eingriffsrecht sein kann. 154
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
gerade nicht konstitutiv.164 Hauser kritisiert zudem, dass eine Prüfung der Grundfreiheiten insbesondere dann ins Leere laufe, wenn die betreffende mitgliedstaatliche Eingriffsnorm sich zulasten von Drittstaatlern auswirkt, die gar nicht in den Schutzbereich der europäischen Grundfreiheiten fallen.165 Gefordert wird stattdessen eine (gemeinschaftsrechtliche) Missbrauchskontrolle.166 Thorn möchte diese Missbrauchskontrolle möglichst allgemein halten und schlägt daher eine zweistufige Prüfung vor: Zunächst soll geprüft werden, ob ein hinreichender, vom nationalen Gesetzgeber angeführter politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Grund für die Schaffung einer Eingriffsnorm vorliegt, und sodann, ob ein ausreichender Bezug des Regelungsgegenstandes zur eigenen Rechtsordnung des Erlassstaates besteht.167 Hauser möchte die Maßstäbe der Missbrauchskontrolle demgegenüber stärker konturieren und fordert die Prüfung einer potentiellen Eingriffsnorm anhand eines „europäischen Gemeinwohlbegriffs“, dessen Ausgangspunkt die in Art. 3 AUEV definierten Ziele der Europäischen Union bilden könnten.168 Konkretisiert werden soll dieser gemeinschaftsrechtliche Gemeinwohlbegriff dann zwar sehr wohl anhand der Grundfreiheiten im AEUV, indem etwa der Katalog von Rechtfertigungsgründen für Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit in Art. 36 AEUV169 herangezogen wird.170 Eine regelrechte Prüfung der Grundfreiheiten erfolgt so aber aus den oben genannten Gründen nicht. Diese Missbrauchskontrolle nach Maßgabe eines europäischen Gemeinwohlbegriffs käme auch einer restriktiven Auslegung des Art. 9 Rom I-VO entgegen, da hierdurch etwa Regelungen des Bank- und Kapitalmarktrechts mangels Bezugs zur „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ nicht mehr unter den Begriff der Eingriffsnorm fielen.171
164
Thorn, Eingriffsnormen, S. 137. Hauser, S. 18 f. 166 Thorn, Eingriffsnormen, S. 135 ff., insbes. S. 138; Hauser, S. 17 ff. 167 Thorn, Eingriffsnormen, S. 135 f. 168 Hauser, S. 23 ff. 169 Wortlaut Art. 34 AEUV: „Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.“ 170 Hauser, S. 24 f. 171 Hauser, S. 26. 165
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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(3) Stellungnahme Die Forderung einer – bereits auf begrifflicher Ebene angesiedelten – Kontrolle potentieller Eingriffsnormen durch den EuGH irritiert insgesamt, soweit sie über die, dem EuGH zweifellos zustehende, Auslegungskompetenz hinsichtlich des Wortlauts von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO172 hinausgeht. Denn beide oben dargestellten Ansichten – die Kontrolle anhand des Grundfreiheiten-Maßstabs zumal – scheinen zu unterstellen, dass Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO sich lediglich auf Eingriffsnormen aus Mitgliedstaaten der EU bezieht.173 Dabei ist Art. 9 Rom I-VO, insbesondere dessen Abs. 3, eine Regelung über die Berücksichtigung internationaler Eingriffsnormen schlechthin – und seien sie „vom Ende der Welt“174. Jede Mindest-Kontrolle mitgliedstaatlicher Eingriffsnormen durch den EuGH – zusätzlich zur Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO – führt daher stets zu einer unterschiedlichen Behandlung mitgliedstaatlicher Eingriffsnormen einerseits und drittstaatlicher andererseits. Zwar deckt Hauser im Zusammenhang mit der von ihm für zu eng gehaltenen Kontrolle anhand der Grundfreiheiten eine Ungleichbehandlung zwischen mitgliedstaatlichen Eingriffsnormen, die EU-Binnensachverhalte regeln, und solchen, die sich auf externe Sachverhalte oder Personen beziehen, auf.175 Das Problem liegt aber bereits in der (speziellen) Kontrolle mitgliedstaatlichen Eingriffsrechts überhaupt: Art. 9 Rom I-VO differenziert nämlich nicht zwischen Mitgliedstaaten und solchen, die nicht Teil der EU sind. Daher sind die vorgeschlagenen Kontrollmaßstäbe hier insgesamt abzulehnen, mindestens aber bei Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO falsch verortet. Die Frage, ob mitgliedstaatliches Recht – sei es Eingriffsrecht im engeren Sinne oder nicht – gegen die Grundfreiheiten verstößt, ist schlicht eine andere als die Klassifizierung einer Norm als Eingriffsrecht. Eine Europarechtswidrigkeit der (mitgliedstaatlichen) Norm wegen Verstoßes gegen Grundfreiheiten wäre allenfalls Gegenstand einer – vom universell gefassten Art. 9 Rom I-VO unabhängigen – eigenständigen Prüfung durch die europäische Rechtsprechung. Aber auch die von Hauser und Thorn vertretene Missbrauchskontrolle ist im Grunde eine bei Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO deplatzierte, innereuropäische Fragestellung: Sofern exzessives Eingriffsrecht einzelner Mitgliedstaaten eu172
Diese Auslegungskompetenz ist wegen der Maßgeblichkeit der Perspektive des normerlassenden Staates in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO indes weniger relevant, als es zunächst den Anschein hat, vgl. oben E. I. 2. a. 173 Jedenfalls ist die Darstellung Hausers, S. 13 ff., insofern sehr missverständlich. 174 So anschaulich von PWW-Remien, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 30, übersetzt aus dem Französischen. 175 Vgl. Hauser, S. 18, mit dem Bespiel der in der sog. Cipolla-Entscheidung des EuGH v. 5.12.2006, Rs. C-94/04 und C-202/04 (Slg 2006 I, S. 11421–11478 = NJW 2007, 281– 285) als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit gewerteten italienischen Gebührenordnung für Rechtsanwälte, welche, wenn sie sich nur auf Nicht-EU-Bürger bezogen hätte, unproblematisch gewesen wäre.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
ropäische Rechtsvereinheitlichung unterwandert, muss dies auf den dafür vorgesehenen Wegen unterbunden werden – zu denken ist etwa an den von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigenden effet utile176, der auch für die jeweilige nationale Beachtung der Rom I-VO gilt und mit dem ein überbordendes Eingriffsrecht gegebenenfalls unvereinbar wäre. Überdies ist fraglich, welchen Mehrwert die von Thorn177 und Hauser178 aufgestellten Kriterien für eine Missbrauchskontrolle gegenüber dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom IVO überhaupt haben. Denn im Grunde wird nur wiederholt, was in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ohnehin Bestandteil der Definition von Eingriffsnormen ist. Dafür kann indes grundsätzlich nicht entscheidend sein, was nach „europäischem Gemeinwohlverständnis“ ein anerkanntes öffentliches Interesse ist, sondern kommt es, wie oben dargelegt179, maßgeblich auf die Perspektive des jeweiligen (auch außereuropäischen) Erlassstaates an. Ob nun im – zwar auch, aber nicht ausschließlich von Art. 9 Rom I-VO geregelten – Fall mitgliedstaatlicher Eingriffsnormen das jeweils angeführte staatliche Interesse auf seine Kompatibilität mit einem europäischen öffentlichen Interesse überprüft werden soll, ist eine andere Frage, die konkret beim Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO anzusiedeln wäre. Denkbar wäre etwa, die einzelnen staatspolitischen Interessen der Mitgliedstaaten der EU durch einen europäischen Gemeinwohlbegriff gewissermaßen zu überlagern. Ob das allerdings im Rahmen des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO angemessen ist, kann stark bezweifelt werden. In letzter Konsequenz könnte nämlich bei einer rein europäischen Gemeinwohldefinition auf den Begriff des „Eingriffs“-rechts im europäischen Binnenverkehr gänzlich verzichtet werden. Festzuhalten bleibt, dass Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO für die Beurteilung einer etwaigen Inkompatibilität mitgliedstaatlichen Eingriffsrechts mit der europäischen Rechtsvereinheitlichung oder europäischem Primärrecht schlicht nicht der richtige Ort ist. Es geht bei Art. 9 Rom I-VO nämlich um die Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts, was tatsächlich in ein Vertragsverhältnis eingreift. Art. 9 Rom I-VO steht damit dem Eingriffsrecht selbst, abgesehen von den in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO genannten Mindestanforderungen, weitgehend neutral gegenüber. Zwar kann die Einhaltung dieser Mindeststandards durch den normerlassenden Staat – wie Bitterich insoweit zu Recht vertritt180 – einer gewissen (objektiven) Plausibilitätskontrolle unterzogen werden. Es ist aber bei Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gerade typisch, dass aus Sicht des Gerichtsstaates – der im Anwendungsbereich der Rom I-VO freilich zwingend 176 Vgl. dazu allgemein Grabitz/Hilf/Nettesheim-Mayer, Art. 19 AEUV, Rn. 57 f. sowie (ausführlich) Potacs, EuR 2009, 465 ff. 177 Thorn, Eingriffsnormen, S. 135 f. 178 Hauser, S. 23–28. 179 Vgl. oben E. I. 2. a. und b. 180 Bitterich, GPR 2006, 165 (zu Art. 8 Rom I-VO-E).
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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ein Mitgliedstaat der EU ist – das betreffende Eingriffsrecht einer anderen Wertvorstellung als der eigenen entstammt. Wird etwa – um ein altes Lehrbeispiel181 aufzugreifen – im Iran ein LKW mit einer Bierlieferung nach dortigem (Eingriffs)-Recht gestoppt und beschlagnahmt, sind die zugrundeliegenden iranischen Wertungen und staatspolitischen Interessen gerade nicht mit den hiesigen vereinbar. Art. 9 Rom I-VO soll das iranische Eingriffsrecht hier aber auch nicht einer Prüfung auf dessen Kompatibilität mit europäischen Wertvorstellungen unterziehen, sondern lediglich die Berücksichtigung der unabänderbaren Tatsache, dass der LKW nun einmal beschlagnahmt ist, im zivilrechtlichen Verhältnis der Vertragsparteien ermöglichen. Warum nun aber innereuropäisches Eingriffsrecht einzelner Mitgliedstaaten, das nicht der lex fori entstammt, im Rahmen des Art. 9 Rom I-VO anders behandelt werden soll als drittstaatliches, lässt sich vor dem Hintergrund der insofern indifferenten Definition des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO nicht erklären. Das gleiche Ergebnis muss letztlich für die Frage gelten, ob das über Art. 9 Rom I-VO berücksichtigte Eingriffsrecht etwa einer Prüfung anhand der Charta der Grundrechte der EU oder der EMRK standhalten würde: Es ist nicht untypisch für Eingriffsrecht dritter Staaten, dass es einer solchen Prüfung gerade nicht standhielte. Wenn – um ein fiktives, aber prinzipiell nicht unrealistisches Beispiel zu bilden – ein Schuldner etwa im Iran für Tätigkeiten, Meinungsäußerungen o.Ä., die in Europa ganz selbstverständlich vielfältigen grundrechtlichen Schutz genießen, ein Berufsverbot oder eine Gefängnisstrafe erhält oder er aufgrund sonstiger staatlicher – nach dortigem Recht vorgegebener – Sanktionen nicht mehr in der Lage ist (oder es ihm zumindest nicht mehr zumutbar ist), seine vertragliche Schuld zu erbringen, so liegt die Unvereinbarkeit dieses iranischen Eingriffsrechts mit deutschen und europäischen Grundrechten geradezu auf der Hand. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Rom I-VO ist aber nach dem hier vertretenen Verständnis keine Norm, die der Anerkennung fremden Eingriffsrechts als aus europäischer Sicht rechtsstaatlich vertretbare Regelung dient. Das kann m.E. auch von vornherein nicht Gegenstand einer IPR-Vorschrift sein, die sich des Problems des Eingriffsrechts und seiner Wirkung auf Privatrechtsverhältnisse annimmt. Vielmehr ist das Problem des Eingriffsrechts der Natur der Sache nach ein tatsächliches. Rechtlich berücksichtigt werden müssen nämlich die durch eine Eingriffsnorm geschaffenen Fakten: etwa die tatsächliche Undurchführbarkeit einer vertraglichen Verpflichtung oder zumindest eine – wegen der drohenden Konsequenzen – entsprechende Unzumutbarkeit. 181
Dieses häufig verwendete Beispiel ist angelehnt an das Urteil BGH NJW 1984, 1746–1748, in dem allerdings die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage geprüft wurden. Durch eine Rechtsänderung nach einem Machtwechsel im Iran 1979 war die Lieferung deutschen Biers in den Iran – entgegen einer Vergleichsvereinbarung zwischen einer deutschen Brauerei und einem iranischen Importeur – nicht weiter möglich.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Zugegeben sei indes Folgendes: Das Grundverständnis von Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Rom I-VO wird an dieser Stelle nicht unerheblich auch von der Frage geprägt, wie die von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO angeordneten Rechtsfolgen interpretiert werden. Umso mehr nämlich die – später zu behandelnde182 – Formulierung „[der Eingriffsnorm] kann Wirkung verliehen werden […]“ im Sinne einer regelrechten „Anwendung“ der fremden Eingriffsnorm wie ein gültiger Rechtssatz verstanden wird, desto verständlicher und notwendiger wird auch die Grenzziehung nach Maßgabe der – im weiteren Sinne – (europäischen) Grundrechte. Wenn aber die Rechtsfolge des Art. 9 Abs. 3 Rom IVO derart interpretiert wird, wäre die Frage der Vereinbarkeit der so zur „Anwendung“ gelangenden Eingriffsnorm mit europäischen Grundwerten richtigerweise auf Ebene des ordre public183 zu beantworten. (4) Bedeutung für die US-amerikanische SDN-Liste Nach alledem kann die US-amerikanische SDN-Liste an der teilweise vorgeschlagenen – und ohnehin zweifelhaften – generellen Prüfung von Eingriffsnormen im Ergebnis nicht scheitern. Zwar wäre sie wegen ihres rechtsstaatlich zweifelhaften Zustandekommens184 vor dem Hintergrund der europäischen Grundfreiheiten oder eines europäischen Gemeinwohlbegriffs nicht unproblematisch. Dieser Prüfung entzögen sie sich aber wegen ihrer nichteuropäischen Herkunft wohl selbst nach Ansicht der Befürworter einer bei Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO angesiedelten Kontrolle mitgliedstaatlichen Eingriffsrechts.185 Eine solche Prüfung wäre hier schließlich auch gar nicht möglich: Wie soll ein US-amerikanischer Rechtsakt, der in Deutschland natürlich nicht unmittelbar wirksam ist, anhand europäischer Grundrechte oder gar Grundfreiheiten geprüft werden? Dafür fehlt es schlicht am Kontext, da die Liste ja gerade kein wirksamer hoheitlicher Akt gegenüber den betroffenen Gelisteten in Europa ist, sondern nur ihre (mittelbaren) Auswirkungen auf das jeweilige Privatrechtsverhältnis relevant sind. Auch hier muss schließlich gelten: Es geht um die Berücksichtigung der durch die SDN-Liste – die hinsichtlich der übrigen Merkmale zweifellos als Eingriffsrecht zu qualifizieren ist – geschaffenen tatsächlichen Eingriffe in vertragliche Verhältnisse, die völlig unabhängig davon bestehen, ob die der Liste zugrundeliegenden US-Rechtsakte186 einer europäischen Grundrechteoder gar Grundfreiheitenprüfung standhielten, wenn sie von einem europä182
Vgl. unten E. I. 7. Dazu unten E. I. 6. 184 Vgl. zu dem – auch in den USA vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Grundsätze kontrovers diskutierten – Problem der Intransparenz der Listenerstellung oben D. I. 2. 185 Vgl. Hauser, S. 18, für den – zugegeben etwas anders gelagerten − Fall mitgliedstaatlichen Eingriffsrechts, das sich nur auf Nicht-EU-Bürger bezieht. 186 Dazu oben D. I. 1. 183
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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ischen (gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen) Gesetzgeber erlassen worden wären. 3. Eingriffsnormen der lex causae Nicht ausdrücklich in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geregelt ist die Frage, wie mit Eingriffsnormen des Vertragsstatuts selbst zu verfahren ist. Die oben187 dargestellte Rechtslage vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO, die das kollisionsrechtliche Vorverständnis vieler Autoren zu Art. 9 Rom I-VO auch heute noch zu prägen scheint, ist hier als Ausgangspunkt weiterhin relevant. a. Meinungsstand Unstreitig ist zunächst, dass einfach zwingendes Recht des Vertragsstatuts – also Normen, die zwar durch Vertrag nicht abdingbar (zwingend) sind, aber keinen internationalen Geltungsanspruch auch für solche Verträge haben, die nicht der entsprechenden Rechtsordnung unterstehen – Teil des als lex causae anzuwendenden Rechts ist.188 Fraglich ist aber, wie international zwingende Normen (also Eingriffsnormen) des Vertragsstatuts in das System des Art. 9 Rom I-VO einzuordnen sind, da sie – als meist (nach deutschem Verständnis) öffentlich-rechtliche Normen189 – nicht Teil des objektiv oder durch Rechtswahl anwendbaren Privatrechts sind. Anders als vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 2004 in dessen Kommentaren zum Grünbuch der Kommission vorgeschlagen, enthält Art. 9 Rom I-VO keine ausdrückliche Regelung über die Behandlung von Eingriffsnormen der lex causae.190 Weitgehende Einigkeit besteht zwar darüber, dass auch diese Eingriffsnormen potentiell zu berücksichtigen sind.191 Umstritten ist indes, wie diese Berücksichtigung zu erfolgen hat und wie weit sie reicht. Dabei ist zunächst festzustellen, dass Fälle, in denen lex fori und lex causae zusammenfallen, unproblematisch sind: Hier kann eine Berücksichtigung der entsprechenden Eingriffsnormen ohne Weiteres über Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO erfolgen. In Fällen, in denen die lex causae nicht mit der Rechtsordnung des Forumstaates identisch ist und gleichzeitig relevante Eingriffsnormen bereithält, ist denkbar, diese über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – also wie alle anderen forums-
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Siehe oben E. I. 1. a. Vgl. etwa Bydlinski, ZfRV 2 (1961), 27. 189 Dazu und zur – international – mangelnden Unterscheidbarkeit von öffentlichem Recht und Privatrecht oben E. I. 2. b. 190 Vgl. MPI, RabelsZ 68 (2004), 108. In Art. 7 des Vorschlags war folgender Abs. 3 vorgesehen: „The internationally mandatory rules of the law governing the contract apply to the contract if they so demand.“ 191 So auch Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 129 m.w.N. 188
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
fremden Eingriffsnormen auch – zu berücksichtigen192 oder, weil es sich immerhin (grundsätzlich) um die auf den Vertrag anwendbare Rechtsordnung handelt, eine Privilegierung derart vorzunehmen, dass dieses Eingriffsrecht der lex causae stets, also unabhängig von den Einschränkungen in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, auf den Vertrag anwendbar ist193. Die zweitgenannte Ansicht steht eindeutig in der Tradition der Lehre von der Einheitsanknüpfung194, die zwar auch in der Zeit vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO kaum als herrschende Meinung bezeichnet werden konnte195, jedoch bis zuletzt Anklang in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung fand196. Gemäß dieser Einheitsanknüpfung nach der Schuldstatutstheorie wird davon ausgegangen, dass die – per Rechtswahl oder objektiver Bestimmung – anwendbare Rechtsordnung auch das jeweilige Eingriffsrecht umfasst.197 Insbesondere Lando und Nielsen möchten diesen Ansatz auch unter Geltung des Art. 9 Rom I-VO beibehalten und sehen Eingriffsnormen der lex causae grundsätzlich als vom Vertragsstatut erfasst an, ohne dass sie die besonderen Anforderungen des Art. 9 Rom I-VO erfüllen müssten.198 Das Schweigen des Art. 9 Rom I-VO hinsichtlich Eingriffsnormen der lex causae sei insofern beredt199, als eine diesbezügliche Regelung schlicht überflüssig sei.200 Vielmehr seien Eingriffsnormen als besonders wichtige Bestandteile einer Rechtsordnung gerade auch von einer Rechtswahl oder einer objektiven Bestimmung der Rechtsordnung erfasst.201 Diese Vorgehensweise steht zudem in der, für die Entstehung des Art. 9 Rom I-VO nicht unmaßgeblichen202, britischen Kollisionsrechtstradition203, wonach der Verweis auf eine Rechtsord-
192
So die wohl überwiegende Auffassung: Thorn, Eingriffsnormen, S. 145; PalandtThorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 15; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 646; Mankowski, IPRax 2006, 110; Fetsch, S. 14 ff. (zur alten Rechtslage). 193 Insbes. Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1719. 194 Ausführlich zur Lehre von der Einheitsanknüpfung oben E. I. 1. a. (1). 195 Vertreter waren aber etwa Serick, RabelsZ 18 (1953), 646 ff.; Vischer, FS Gerwig (1960), S. 170 ff.; Busse, ZVglRWiss 95 (1996), 390 ff.; Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), Art. 34 EGBGB, Rn. 27 f.; Heiz, S. 132 ff.; Mann, FS Wahl (1973), S. 145, 147 ff. 196 Vgl. etwa OLG Hamburg, NJW 1992, 635–636. 197 Vgl. ausführlich zu der Schuldstatutentheorie oben E. I. 1. a. (1). 198 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1719. 199 So die Formulierung Hausers, S. 123, der selbst dieser Ansicht allerdings nicht folgt. 200 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1719: „[…]such a provision is superfluous[…]“. 201 Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1719; auch bereits Mann, FS Wahl (1973), S. 139; Palandt-Heldrich (66. Auflage 2007), Art. 34 EGBGB, Rn. 6. 202 Vgl. dazu oben E. I. 1. b. 203 So auch die zutreffende Feststellung Hausers, S. 125.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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nung pauschal, also inklusive des jeweiligen Eingriffsrechts, zu verstehen ist.204 Magnus bekennt sich demgegenüber zwar nicht zur Schuldstatutstheorie und sieht die Eingriffsnormen der lex causae nicht als von der Verweisung auf die Rechtsordnung pauschal erfasst an.205 Den Weg über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO hält er aber dennoch für zu eng: Dadurch wären Eingriffsnormen der lex causae nur berücksichtigungsfähig, wenn letztere gleichzeitig auch die lex loci solutionis, also das Recht des Erfüllungsortes, ist.206 Diese strengen Anforderungen an drittstaatliche Eingriffsnormen in Art. 9 Abs. 3 Rom IVO seien auf Eingriffsnormen der lex causae schon deshalb nicht übertragbar, weil hier die erforderliche enge Verbindung zum Sachverhalt bereits durch das Vertragsstatut selbst hergestellt wird.207 Auch wenn das Vertragsstatut nicht objektiv, sondern durch Rechtswahl bestimmt wird, dürfe die Anwendbarkeit des entsprechenden Eingriffsrechts den Erwartungen der Parteien entsprechen. Magnus fordert daher, das Eingriffsrecht der lex causae zwar zunächst der konstitutiven Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO zu unterstellen, es aber dann – vorbehaltlich des Eingriffsrechts und eines ordre public des Forumstaates – pauschal zu berücksichtigen.208 Die überwiegende Auffassung möchte Eingriffsnormen der lex causae hingegen ohne Unterschied zu anderen Eingriffsnormen, die nicht der lex fori entstammen, nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO berücksichtigen, sofern die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.209 Die Gegenansicht unterliege einer „Fehlvorstellung“, da Eingriffsnormen von der allgemeinen Verweisung in Art. 3 Rom I-VO gerade nicht erfasst, sondern Gegenstand einer Sonderanknüpfung seien.210 Dafür spricht laut Einsele211 insbesondere auch Erwägungsgrund 37 der Rom I-VO, der explizit eine Beschränkung der Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts auf Fälle mit „außergewöhnlichen Umständen“ vorsieht und eine Unterscheidung zwischen den in Art. 3 Abs. 3 204
Vgl. Kuckein, S. 217 ff. m.w.N.; so auch die britische Rechtsprechung: vgl. bereits Rex v. International Trustee for the Protection of Bondholders Akt. (1937) 2 All E.R. 164 – dazu auch W. Lorenz, S. 160 f. 205 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 133 ff. 206 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 134; zum Erfordernis des „Erfüllungsortes“ unten E. I. 4. 207 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 136. 208 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 137. 209 Thorn, Eingriffsnormen, S. 145; Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 15; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 646; Mankowski, IPRax 2006, 110; Einsele, WM 2009, 297; Calvo Caravaca/ Carrascosa Gonzáles, XXV, Rn. 226.3; auch Benzenberg, S. 34, die bereits eine begriffliche Differenzierung zwischen drittstaatlichen und lex causae-zugehörigen Eingriffsnormen ablehnt; im Ergebnis wohl auch Hauser, S. 128 f.; unklar MüKoMartiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 43. 210 So ausdrücklich Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 15. 211 Einsele, WM 2009, 297.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Rom I-VO genannten „[…] Bestimmungen, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann […]“ (also einfach zwingende Normen) und Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Rom I-VO fordert. Damit sei eine pauschale Anwendung des Eingriffsrechts der lex causae unvereinbar.212 Zudem wird angeführt, die Parteien könnten bei pauschaler Verweisung auch auf das Eingriffsrecht des Schuldstatuts das für sie geltende Eingriffsrecht – systemwidrig – selbst wählen.213 Umgekehrt mache auch die Anwendung von Eingriffsrecht der lex causae, welches im konkreten Fall gar keinen Bezug zum Sachverhalt aufweist, wenig Sinn.214 Hauser weist zudem darauf hin, dass auch die Formulierung des ursprünglichen Kommissionsvorschlags für die Rom IVO hier zur Auslegung herangezogen werden könne: Im dortigen Art. 8 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO-E war von dem Erfordernis einer engen Verbindung zu einem „[…] anderen Staat […]“ die Rede. Im Lichte des – dem heutigen Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO entsprechenden – Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO-E könne damit nur ein „anderer“ im Sinne eines „von der lex fori verschiedenen“ Staates gemeint sein.215 Das wiederum zeige, dass die Rom I-VO zwischen Eingriffsrecht der lex causae und solchem anderer Staaten – abseits der lex fori – nicht unterscheide. b. Stellungnahme Die von Lando und Nielsen geforderte pauschale Verweisung auf Eingriffsnormen der lex causae nach dem Vorbild einer Einheitsanknüpfung lässt sich vor dem Hintergrund des Art. 9 Rom I-VO kaum vertreten. Art. 9 Rom I-VO ist innerhalb der Rom I-VO die einzige und eine abschließende Regelung zur Behandlung von Eingriffsnormen und unterscheidet lediglich zwischen solchen der lex fori (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) einerseits und allen sonstigen andererseits. Wie die Vertreter der Gegenansicht zu Recht anführen, zeigt auch Erwägungsgrund 37 der Rom I-VO überdeutlich, dass innerhalb der Rom I-VO offenbar von einer Unterscheidung zwischen einfach und international zwingenden Vorschriften auszugehen ist. Dass es sich dabei nicht um eine Unterscheidung im Sinne eines Inklusivitätsverhältnisses handelt – das hieße, dass international zwingende Vorschriften einen engeren Bereich innerhalb des Überbegriffs der zwingenden Normen ausmachten – sondern es um gänzlich Unterschiedliches geht, zeigt auch die Formulierung „[…] unterschieden und enger ausgelegt werden“. Nicht erklärbar bleibt für Lando und Nielsen schließlich, warum Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO nicht direkt im Sinne einer Anwendbarkeit auch des inter-
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Einsele, WM 2009, 297; in diesem Sinne auch Günther, S. 179 f. Grünbuch zum internationalen Vertragsrecht-Freitag (2004), S. 183; Hauser, S. 128. 214 Thorn, Eingriffsnormen, S. 146. 215 Hauser, S. 126 f. 213
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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national zwingenden Rechts des Vertragsstatuts formuliert wurde, wenn dieses von einer generellen Verweisung bereits erfasst sein soll. Die Bedenken Magnus‘, die in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geregelte Berücksichtigungsfähigkeit drittstaatlicher Eingriffsnormen sei für Eingriffsrecht der lex causae zu eng und daher nur die Definition des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO anzuwenden, lassen sich zwar gut hören. In der Tat bereitet die allzu eingeschränkte Fassung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nämlich Probleme, die im Folgenden noch zu beleuchten sind. Allerdings ist dies kein Spezifikum von Eingriffsnormen der lex causae: Das Problem des engen Tatbestandes in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO betrifft vielmehr alle nicht forumszugehörigen Eingriffsnormen. Warum Eingriffsrecht der lex causae dabei pauschal eine engere Verbindung zum Sachverhalt aufweisen soll als drittstaatliches Eingriffsrecht, wenn beide Rechtsordnungen am Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht gelten216, ist nicht ersichtlich. c. Bedeutung für die Problematik der US-Terrorliste Die vorstehende Problematik der Eingriffsnormen der lex causae im System des Art. 9 Rom I-VO wird im Zusammenhang mit der SDN-Liste des OFAC freilich nur relevant, wenn US-amerikanisches Privatrecht (objektiv oder durch Rechtswahl) auf das jeweilige Vertragsverhältnis anwendbar ist. Diese Konstellation macht sicher nicht die Mehrzahl der relevanten Fälle mit deutschem Forum aus, ist aber, gerade mit Blick auf den internationalen Kapitalmarktverkehr, durchaus nicht unrealistisch. Nach der hier vertretenen Auffassung ergeben sich in einem solchen Fall allerdings keine Unterschiede im Vergleich zu Verträgen, auf die eine beliebige andere Privatrechtsordnung – einschließlich der deutschen217 – Anwendung findet. Die Lehre von der Einheitsanknüpfung hingegen würde bei Anwendbarkeit US-amerikanischen Privatrechts das SDN-Listenregime als vom Verweis mit umfasst ansehen und so unproblematisch zu einer Nichtigkeit der entsprechenden Verträge aufgrund der Verbote der Executive Order 13.224 kommen. 4. Eingriffsnormen des Erfüllungsortes Nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO kann nur Eingriffsnormen des Staates, „[…] in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind“, Wirkung verliehen werden. Es liegt auf der Hand, dass dieses Tatbestandsmerkmal das Spektrum berücksichtigungsfähiger Eingriffsnormen erheblich einschränkt. Fraglich ist allerdings, wie der 216
Eine Privilegierung der Eingriffsnormen der lex fori findet durch Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO tatsächlich statt. 217 Vgl. bereits oben E. I. am Anfang.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Erfüllungsstaat in diesem Zusammenhang zu bestimmen ist. Dabei können zwei sich überschneidende Problemkreise unterschieden werden218: Zum einen ist fraglich, nach welchem Maßstab der Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO generell zu bestimmen ist. Denkbar ist eine europäisch-autonome Bestimmung in Anlehnung an den zuständigkeitsrechtlichen Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO219, die allerdings verschiedene Unteroptionen eröffnet. Möglich ist ferner eine Ermittlung des Erfüllungsortes nach der lex causae (so nach europäischer Rechtsprechung auch in Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO220). Denkbar ist zudem eine Bestimmung nach der lex fori oder nach dem Eingriffsrecht selbst. Schließlich kommt auch eine rein tatsächliche Bestimmung des Erfüllungsortes, die sich nicht am Erfüllungsort im (jeweiligen) Rechtssinne orientiert, in Betracht. Zum anderen stellt sich die Frage, ob Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO die Festlegung eines einheitlichen Erfüllungsorts für den gesamten Vertrag fordert oder ob auf die einzelnen vertraglichen Verpflichtungen abzustellen ist. a. Bestimmung eines (rechtlichen) Erfüllungsortes im Einklang mit Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO Eine verbreitete Ansicht befürwortet eine – in unterschiedlichem Maße – an Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO angelehnte Bestimmung des Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO. Dafür spricht zunächst einmal der Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, der dem des Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO221 zumindest sehr ähnlich ist.222 Auch Erwägungsgrund 7 der Rom I-VO spricht für eine Heranziehung des Erfüllungsortsbegriffs aus Art. 5 Nr. 1 Brüssel IVO, indem er einen Einklang der Bestimmungen der Rom I-VO mit denen der Brüssel I-VO (sowie der Rom II-VO) anordnet.223 Insbesondere Ringe möchte die gesamte Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO zur Bestimmung des Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO heranziehen und argumentiert, alle anderen Lösungsvorschläge würden die – von Erwägungsgrund Nr. 7 Rom I-VO ausdrücklich angeordnete – „Entscheidungsharmonie“ zwischen Rom I-VO und Brüssel I-VO konterkarieren sowie die, gerade für die etwaige Berücksichtigung von Eingriffsnormen 218
So auch Freitag, IPRax 2009, 113 (rechte Spalte unten). Genauer: VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. L 12/01, S.1, auch: EuGVO. 220 Dazu sogleich. 221 Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO: „[…]des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.“ 222 So auch Pfeiffer, EuZW 2008, 628. 223 So auch Einsele, IPRax 2012, 482; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101; wohl auch Ferrari/Kieninger/Mankowski-Staudinger, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 39. 219
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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entscheidende Vorhersehbarkeit des Erfüllungsortes beeinträchtigen.224 Die bestehenden Unklarheiten225 im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 1 Brüssel IVO würden zudem aktuell bereits durch den EuGH beseitigt.226 Die vollständige Übernahme des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO wird indes von der Mehrheit der Autoren mit dem Argument abgelehnt, die zuständigkeitsrechtliche Regelung verfolge andere Ziele als Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO und sei daher nicht ohne Weiteres übertragbar.227 So beinhalte die ratio legis des Art. 5 Brüssel I-VO vor allem Aspekte der stärkeren Sach- und Beweisnähe eines Gerichts228 oder der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes229, während Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – auch im Hinblick auf die Bestimmung des Erfüllungsortes – einen völlig anderen Ansatz habe.230 Die, insbesondere durch Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO verfolgte, höhere Rechtssicherheit habe im Zusammenhang mit der Wirkungsverleihung von Eingriffsnormen keinen vergleichbaren Stellenwert.231 Die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO sei zudem allenfalls an Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO und nicht an lit. b der Vorschrift angelehnt.232 Problematisch an einer vollständigen Übernahme des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO ist laut Magnus vor allem auch die damit verbundene unterschiedliche Bestimmung der Erfüllungsorte233 von Kaufverträgen über bewegliche Sachen (Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich Brüssel I-VO), Dienstleistungsverträgen (Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich Brüssel I-VO) und sonstigen Verträgen (Art. 5 Nr. 1 lit. c i.V.m. Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO).234 Eine solche Unterscheidung nach Vertragstypen lasse sich im Zusammenhang mit einer kollisionsrechtlichen Regelung über die 224
juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 27; eine ähnliche Ausgangsposition scheinen Leible/Lehmann, RIW 2008, 543, zu haben, ohne aber klar Stellung zu beziehen. 225 Gemeint sind – in Anlehnung an Rauscher, NJW 2010, 2251 ff. – wohl die sich aus der autonomen Qualifikation ergebenden Unklarheiten. 226 juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 27, u.a. mit Verweis auf Rauscher, NJW 2010, 2251 ff. m.w.N. 227 Statt vieler MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116; Bonomi, Yb. PIL 10 (2008), 297 f.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101; Freitag, IPRax 2009, 113 f.; im Ergebnis wohl auch Hauser, S. 89 ff. 228 Dazu Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 2; EuGH Urteil v. 19.2.2002, Rs. 256/00, EuGHE 2002, I 1699, Rn. 31 (Besix/Kretzschmar). 229 Dazu Magnus/Mankowski-Mankowski, Art. 5, Rn. 2; Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 3; Geimer/Schütze-Geimer, A. 1 Art. 5, Rn. 4, 10. 230 Mankowski, IHR 2008, 148; Bonomi, Yb. PIL 10 (2008), 297 f.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 63; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116; wohl auch Leible/Lehmann, RIW 2008, 543. 231 So wohl Freitag, IPRax 2009, 114. 232 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 640; Leible/Lehmann, RIW 2008, 543; StaudingerMagnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101. 233 Ausführlich dazu Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 35 ff. 234 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Berücksichtigung von Eingriffsnormen nicht rechtfertigen.235 Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO ordnet aber nicht nur eine gesonderte Behandlung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen und Dienstleistungsverträgen an, sondern führt zu einer Konzentration des Erfüllungsortes auf einen Staat, unabhängig davon, welche konkrete vertragliche Verpflichtung streitig ist.236 Dies wird indes von der überwiegenden Mehrheit der Autoren im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO für unzweckmäßig gehalten.237 Auch hier fielen Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO einerseits und des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO andererseits auseinander: Die Konzentration des Erfüllungsortes auf einen Staat verfolgt zuständigkeitsrechtlich das Ziel, den Gerichtsstand vorhersehbarer als den des Wohnsitzes des Beklagten238 zu machen und dient damit der Rechtssicherheit aus Sicht des Klägers.239 Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO hingegen soll den Parteien die Möglichkeit eröffnen, die Unrechtmäßigkeit240 der Vertragserfüllung durch Normen des Erfüllungsstaates als faktisches Hindernis zu berücksichtigen.241 Eine vollständige Übernahme des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO hätte zudem zur Folge, dass bei Erfüllungsorten in Drittstaaten (also außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-VO) nach der sogenannten Tessili-Rechtsprechung des EuGH242 eine autonome Erfüllungsortbestimmung für jede einzelne streitige vertragliche Verpflichtung nach der lex causae gem. Art. 5 Nr. 1 lit. c i.V.m. Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO stattfinden müsste. Diese erweiterte Berücksichtigungsfähigkeit drittstaatlicher Eingriffsnormen im Vergleich zu solchen aus EU-Staaten ist nach Ansicht Einseles vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht zu rechtfertigen.243 Eingriffsnormen 235
Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101. Für Kaufverträge: EuGH Urteil v. 25.2.2010, Rs. C-381/08, Slg. 2010, I-1255 (Car Trim/Key Safety Sytems); EuGH Urteil v. 3.5.2007, Rs. C-386/05, EuGHE 2007, I 3699, Rn. 26 (Colour Drack/Lexx International); für Dienstleistungsverträge: EuGH Urteil v. 11.3.2010, Rs. C-19/09, EuZW 2010, 379, Rn. 27 (Wood Floor Solutions Andreas Domberg/Silvia Trade); EuGH Urteil v. 9.7.2009, Rs. C-204/08, EuGHE 2009, I 3327, Rn. 36 (Peter Rehder/Air Baltic Cooperation); zu alledem auch Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel IVO, Rn. 45b. 237 Einsele, IPRax 2012, 483; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116; Bonomi, Yb. PIL 10 (2008), 297 f. 238 Zum Grundsatz des Beklagtengerichtsstandes (actor sequitur forum rei), der des Beklagten Last der Verteidigung kompensieren soll, vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 1131; Buchner, S. 50 ff. 239 Geimer/Schütze-Geimer, A. 1 Art. 3, Rn. 2, sowie Art. 5, Rn. 4, 10; Schack, Rn. 141 f.; Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 6. 240 Dazu unten E. I. 5. 241 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 97; Einsele, IPRax 2012, 483. 242 EuGH Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, EuGHE 1976, 1473, Rn. 13 ff. (Tessili/Dunlop); dazu sogleich näher. 243 Einsele, IPRax 2012, 483. 236
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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aus EU-Staaten wären nämlich – sofern es sich bei dem streitigen Vertrag um einen Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder einen Dienstleistungsvertrag handelt – nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie dem einheitlichen, nach Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO zu bestimmenden Erfüllungsort entstammen. Eine Bestimmung des Erfüllungsortes i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO im Einklang mit Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO wird daher überwiegend abgelehnt. b. Bestimmung eines (rechtlichen) Erfüllungsortes nach der lex causae oder der lex fori Teilweise wird vertreten, die Bestimmung des Erfüllungsortes i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO müsse grundsätzlich nach der lex causae erfolgen.244 Dafür spricht zunächst auch der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, der an Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO angelehnt ist. Bei Verträgen, die Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO unterliegen, wird nämlich nach ganz herrschender Ansicht der Erfüllungsort unter Fortgeltung der (allerdings umstrittenen245) Tessili-Rechtsprechung des EuGH246 zu dem früheren Art. 5 Nr. 1 1. Hs. EuGVÜ247 – anders als nach der eigenständigen Definition in Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO – weiterhin nach der lex causae bestimmt.248 Dies wurde mittlerweile auch ausdrücklich durch den EuGH bestätigt.249 Ferner ist in der Tradition der – ebenfalls zu Art. 5 EuGVÜ ergangenen und zum Teil stark kritisierten250 – sogenannten de Bloos-Rechtsprechung des EuGH251 im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO die jeweils konkret streitige Verpflichtung maßgeblich.252 Für eine Bestimmung des Erfüllungsortes im Rechtssinne spricht laut Freitag – der sich schließlich aber gegen eine Bestimmung nach der lex causae 244
Ferrari/Leible-Harris, S. 315 ff.; Einsele, IPRax 2012, 483 f.; Günther, S. 148 ff., insbes. S. 152. 245 Als problematisch wurde dies insbes. bei Einheitskaufrecht unterstehenden Verträgen erachtet: Vgl. dazu Schack, Rn. 344 ff.; Schack, IPRax 1986, 84; auch BGH IPRax 1992, 374 f., mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 246 EuGH Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, EuGHE 1976, 1473, Rn. 13 ff. (Tessili/Dunlop). 247 Genauer: Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. C 27/98, S. 1–27. 248 Vgl. etwa Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 29 ff.; Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 31 ff.; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 329; a.A. aber Junker, RIW 2002, 572. 249 EuGH Urteil v. 23.4.2009, Rs. C-533/07, EuGHE 2009 I 3327, Rn. 51. 250 Piltz, NJW 1981, 1877; Spellenberg, ZPP 91 (1978), 51; Pocar, RabelsZ 42 (1978), 416; zusammenfassend auch Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 36. 251 EuGH Urteil v. 6.10.1976, Rs. 14/76, EuGHE 1976, 1497, Rn. 9, 12. 252 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 29.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
ausspricht – auch die englische Kollisionsrechtstradition.253 Umgekehrt sprächen gegen eine europäisch-autonome Bestimmung des Erfüllungsortes die mangelnden Anhaltspunkte für einen solchen Erfüllungsortsbegriff, der somit für Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO „[…] gleichsam ex nihilo zu erfinden wäre […]“254, da die existierenden Konkretisierungen in Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO hier – wie oben gesehen – nicht übertragbar sind.255 Überdies kann Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO für eine derartige Auslegung ins Feld geführt werden256, der anordnet, dass sich „[…] die Erfüllung […]“ nach der – durch die Rom I-VO ermittelten – lex causae richtet257. Einsele wendet sich daher gegen eine Bestimmung des Erfüllungsortes nach dem rein tatsächlichen Kriterium, welcher Staat die Vertragserfüllung faktisch behindern oder unterbinden kann258 und befürwortet eine auf Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO gestützte Bestimmung nach der lex causae.259 Am Ende werde damit zwar dasselbe Ergebnis erzielt wie bei Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO, ein Rückgriff auf diese zuständigkeitsrechtliche Regelung sei jedoch wegen der eigenständigen Definition in Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO nicht erforderlich. Auch Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO, der von einem tatsächlichen und keinem rechtlichen Erfüllungsort ausgeht260, stehe dem nicht entgegen. Anders als Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO betreffe Abs. 2 nämlich lediglich marginale Modalitäten der Vertragserfüllung – wie etwa Feiertagsregelungen261 – und nicht die Erfüllung als solche.262 Im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO müsse der Erfüllungsort somit nach der lex causae –
253
Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 642, mit Verweis auf Kuckein, S. 240 ff., der zwar eine Bestimmung des Erfüllungsortes im englischen Kollisionsrecht im Rechtssinne, allerdings nach der lex fori, herausarbeitet. 254 Freitag, IPRax 2009, 113. 255 Freitag, IPRax 2009, 113; a.A. MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116, der die Entwicklung eines europäisch-autonomen Begriffs für zwingend hält. 256 Einsele, IPRax 2012, 483 f.; auch Günther, S. 151. 257 Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 35; MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom IVO, Rn. 71 f.; siehe auch v. Bar, IPR II, Rn. 541. 258 Zu dieser an die sog. Machttheorie angelehnten Definition des Erfüllungsortes sogleich. 259 Einsele, IPRax 2012, 483 f. 260 So die allgemeine Meinung, vgl. MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 175; Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 79, 82; zu Art. 32 EGBGB bereits ErmanHohloch (11. Auflage 2004), Art. 32 EGBGB, Rn. 8; Jayme, IPRax 1989, 52. 261 Dazu MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 176 ff.; Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 81, 82 f.; siehe auch zum wortgleichen Art. 10 Abs. 2 EVÜ Lagarde, Revue critique de droit international privé 1991, 333. 262 Einsele, IPRax 2012, 484.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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und zwar, in der Tradition der de Bloos-Entscheidung des EuGH263, für die konkret streitige vertragliche Verpflichtung individuell – bestimmt werden.264 Dem Argument der fehlenden Rechtssicherheit einer ausschließlichen Erfüllungsortsbestimmung nach der lex causae gegenüber einem einheitlichen europäisch-autonomen Begriff (wie etwa in Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO)265 wird entgegnet, die Ermittlung des Erfüllungsortes nach der lex causae würde im Geltungsbereich der Rom I-VO durch das weitgehend vereinheitlichte Kollisionsrecht ohnehin zu gleichen Ergebnissen führen – unabhängig davon, welches Land konkret Forumstaat ist.266 Daher sei der Zugewinn an Rechtssicherheit, der durch den einheitlichen Erfüllungsortbegriff in Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO erreicht werden sollte267, hier – gerade wegen der Vereinheitlichung durch die Rom I-VO – nicht mehr notwendig.268 Dennoch bleibt eines bei einer Bestimmung des Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, die sich nicht vollständig an Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO orientiert, problematisch: Bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen und Dienstleistungsverträgen kann der über die lex causae ermittelte Erfüllungsort nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO von dem europäisch-autonom bestimmten Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO abweichen.269 Dies wird von Günther als zwar nachbesserungsbedürftiges, aber geringeres Übel denn eine „zersplitterte“ Erfüllungsortbestimmung in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO unter vollständiger Orientierung an Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO bezeichnet.270 Eine Bestimmung des Erfüllungsortes nach der lex fori wird indes kaum ernsthaft diskutiert271, da sie bereits an der durch die Rom I-VO angestrebten Rechtsharmonisierung scheitert272: Unabhängig davon, ob der Erfüllungsort nach der lex causae, europäisch-autonom oder nach rein tatsächlichen Kriterien273 bestimmt wird, sollte über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zumindest überwiegend ein vom Forumstaat unabhängiges, einheitliches Ergebnis erzielt werden.
263
EuGH Urteil v. 6.10.1976, Rs. 14/76, EuGHE 1976, 1497, Rn. 9, 12. Einsele, IPRax 2012, 482 ff. 265 So wohl juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 27, mit Verweis auf Erwägungsgrund 7 der Rom I-VO. 266 Günther, S. 151. 267 So bereits der Kommissionsentwurf zur Brüssel I-VO, vgl. KOM 1999 (348) endg., S. 15; dazu auch Dubiel, S. 129. 268 Günther, S. 151. 269 So auch Günther, S. 152. 270 Günther, S. 152. 271 Zu diesem Ergebnis kommt auch Hauser, S. 87. 272 Ferrari/Leible-Harris, S. 315; so auch Günther, S. 148. 273 Dazu unten E. I. 4. d. 264
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
c. Einheitlicher Erfüllungsort oder Maßgeblichkeit der jeweiligen Verpflichtung? Neben der Frage, ob der Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO über die lex causae oder in vollständiger Anlehnung an Art. 5 Nr. 1 Brüssel IVO zu bestimmen ist, muss entschieden werden, ob diese Erfüllungsortbestimmung für einen Vertrag einheitlich vorgenommen wird oder hierbei auf einzelne vertragliche Verpflichtungen abzustellen ist. Wie bereits zu Anfang der Problemdarstellung erwähnt, lässt sich diese Frage aber nur bedingt von der Diskussion um das für die Bestimmung des Erfüllungsorts maßgebliche Recht trennen. Für die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsorts könnte, orientiert am Vorbild des Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO274, die vertragscharakteristische Leistung maßgeblich sein. Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO verfolgt allerdings – wie oben gesehen275 – das Ziel einer möglichst guten Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes.276 Dieser Telos ist zwar auf Art. 9 Abs. 3 Rom IVO, der die Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen ermöglichen soll, nach überwiegender Auffassung nicht übertragbar.277 Allerdings sollte entstehungsgeschichtlich die Bandbreite der berücksichtigungsfähigen Eingriffsnormen durch Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eingeschränkt werden.278 Für die Bestimmung eines singulären Erfüllungsortes könnte auch der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO sprechen, der Eingriffsnormen „[…] des Staates […]“ nennt und somit von einem einzigen Erfüllungsstaat auszugehen scheint.279 Die Beschränkung auf einen singulären Erfüllungsort für den gesamten Vertrag wird allerdings mehrheitlich abgelehnt und stattdessen eine individuelle Bestimmung des Erfüllungsortes hinsichtlich der konkret streitigen Ver274
Entgegen der europäischen Rechtsprechung (insbes. EuGH Urteil v. 6.10.1976, Rs. 14/76, EuGHE 1976, 1497, Rn. 9, 12 – de Bloos) vertraten Teile der Literatur die an den Wortlaut „Verpflichtung“ (singular) angelehnte Ansicht, auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gehe von einem einheitlichen Erfüllungsort, orientiert an der vertragscharakteristischen Leistung, aus: vgl. Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 35 f.; Rauscher (1984), S. 224; Graf Wrangel, S. 13; Piltz, NJW 1981, 1877; Pocar, RabelsZ 42 (1978), 416; Spellenberg, ZZP 91 (1978), 51. 275 Siehe oben E. I. 3. a. 276 Dazu Magnus/Mankowski-Mankowski, Art. 5, Rn. 2; Rauscher-Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 3; Geimer/Schütze-Geimer, A. 1 Art. 5, Rn. 4, 10; Schack, Rn. 141 f.; auch Stadler, FS Musielak (2004), S. 576. 277 Mankowski, IHR 2008, 148; Bonomi, Yb. PIL 10 (2008), 297 f.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 63; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116; wohl auch Leible/Lehmann, RIW 2008, 543; a.A. aber jurisPK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 27. 278 So auch Günther, S. 153; vgl. auch oben E. I. 1. b. 279 So offenbar Pfeiffer, EuZW 2008, 628; auch Kindler, S. 69, der aber Pfeiffer, EuZW 2008, 628, fast wortgleich übernimmt; s. auch Freitag, IPRax 2009, 113.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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pflichtung gefordert.280 Allein dies entspreche dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der eine Konzentration auf einen singulären Erfüllungsort nicht erfordere. Vielmehr ginge es gerade darum, tatsächlich den Vertrag beeinflussende Eingriffsnormen, unabhängig vom jeweiligen Parteiwillen, berücksichtigen zu können.281 Auch die Vertreter eines – gegebenenfalls – multiplen Erfüllungsortes bedienen sich hier eines Wortlautarguments: Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO spreche schließlich im Plural von „Verpflichtungen“ und nicht von einer einzigen maßgeblichen „Verpflichtung“.282 Zudem werde das durch Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO ins Visier genommene Problem der mangelnden Vereinheitlichung des Anknüpfungssystems durch die Rom I-VO gerade gelöst.283 Auch Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO spreche von einem, auf jede einzelne Verpflichtung bezogenen Erfüllungsort.284 Günther merkt zwar an, durch ein derartiges Verständnis des Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO könne es zu einer unterschiedlichen materiellen (auf die konkret streitige Verpflichtung bezogen) und prozessualen (einheitlich für den gesamten Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder Dienstleistungsvertrag) Erfüllungsortbestimmung kommen, hält dies jedoch im Ergebnis für unproblematisch, da die Eingriffsnormen des über Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel IVO ermittelten prozessualen Erfüllungsortes über die lex fori-Regelung in Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO berücksichtigt werden können.285 Ein weiteres Problem erblickt Günther in solchen Fällen, in denen die konkret streitige Verpflichtung an mehreren Orten zu erfüllen ist286 und erwägt daher die Heranziehung der durch den EuGH in den Entscheidungen Color Drack287 und Rehder288 erarbeiteten sogenannten Schwerpunktlösung. Einen örtlichen Schwerpunkt der Erfüllung (der konkret streitigen Verpflichtung) zu bestimmen und nur diesen Ort als Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO anzusehen, sei indes im Zusammenhang mit Eingriffsnormen wenig zielführend und es seien daher all diejenigen Normen zu beachten, 280
Vgl. nur Bonomi, Yb. PIL 10 (2008), 298 f.; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 101; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 63; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 116; Günther, S. 152 ff.; Einsele, IPRax 2012, 482 ff.; wohl auch Mankowski, IHR 2008, 148. 281 Freitag, IPRax 2009, 114; ähnlich Pötting, S. 153. 282 Günther, S. 152 f. 283 So Freitag, IPRax 2009, 114. 284 Freitag, IPRax 2009, 114; s. dazu auch MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 71. 285 Günther, S. 154 f. 286 Günther, S. 155 ff. 287 EuGH Urteil v. 3.5.2007, Rs. C-386/05, Rn. 36, 38 = NJW 2007, 1799–1802 (Color Drack); dazu auch Rauscher, NJW 2010, 2253. 288 EuGH Urteil v. 9.7.2009, Rs. C-204/08, Rn. 43 ff. = NJW 2009, 2801–2803; auf Vorlagebeschluss des BGH v. 22.4.2008, X ZR 76/07 = NJW 2008, 2121–2122, auch (missverständlich) Flugreisefall genannt.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
„[…] die eine Erfüllung faktisch verhindern können bzw. eine Erfüllung sanktionieren“.289 d. Bestimmung eines tatsächlichen Erfüllungsortes Bereits die soeben geschilderte Ansicht Günthers zeigt, dass im Ergebnis, trotz teils ausführlicher Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten, den Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO rechtlich zu bestimmen – sei es unter vollständiger Übernahme der Regelungen des Art. 5 Nr. 1 Brüssel IVO oder nach der lex causae – häufig ein faktischer Erfüllungsortsbegriff präferiert wird.290 Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO sei als Tatbestand, der die Berücksichtigung forumsfremder Eingriffsnormen ermögliche, im Sinne der sogenannten Machttheorie291 so zu verstehen, dass rechtlich nicht sein soll, was tatsächlich nicht sein kann.292 Einschränkend wird zum Teil vertreten, dass nur bei bereits erfolgter Erfüllung auf einen faktischen Erfüllungsort abgestellt werden müsse.293 Hier könne nur der Ort Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO sein, an dem tatsächlich erfüllt worden ist, der Vertragserfolg also faktisch hergestellt wurde.294 Im Falle der bereits erfolgten Erfüllung gebiete dies bereits der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, der von dem Staat spricht, in dem die Verpflichtungen „[…] erfüllt worden sind“. Bei noch zu erfolgender Erfüllung sei demgegenüber auf den durch den Vertrag – subsidiär durch das Vertragsstatut – in Aussicht genommenen Erfüllungsort abzustellen295, was Hauser allerdings für den Fall einer Erfüllungsortvereinbarung, die bestimmtes Eingriffsrecht lediglich umgehen soll, einschränken möchte296. Der faktische Erfüllungsort muss nach anderer Auffassung – schon aus Gründen der innertatbestandlichen Einheitlichkeit297 – aber auch für die noch zu erfolgende Erfüllung gelten.298 Nur ein faktischer Erfüllungsortbegriff, 289
Günther, S. 157; so auch Hellner, JPIL 2009, 465. Insbes. Freitag, IPRax 2009, 114; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 640 ff.; auch Mankowski, IHR 2008, 149; offenbar auch Günther, S. 158 f.; einschränkend StaudingerMagnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 104 f. 291 Vgl. oben E. I. 1. a. (2); dazu auch Soergel-Kegel (11. Auflage 1983), Vor Art. 7 EGBGB, Rn. 396; Kegel, FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 250 f.; Kegel, IPR (6. Auflage 1987), S. 716–719. 292 So ausdrücklich Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 643 und ders. IPRax 2009, 114; ebenso wohl Mankowski, IHR 2008, 148. 293 Hauser, S. 93; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 104 f.; Pfeiffer, EuZW 2008, 628; Magnus, IPRax 2010, 41. 294 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 104. 295 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 105. 296 Hauser, S. 93. 297 Günther, S. 159. 298 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 643; auch Günther, S. 159. 290
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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welcher all diejenigen Orte einschließt, an denen tatsächlich Erfüllungshandlungen vorgenommen werden, werde dem Grundgedanken des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO gerecht.299 Es versteht sich fast von selbst, dass die Vertreter eines faktischen Erfüllungsortbegriffs nicht zu den Anhängern eines einheitlich festzulegenden Erfüllungsortes gehören, sondern diese Erfüllungsortbestimmung bezogen auf die konkret streitige Verpflichtung vornehmen wollen und sogar hinsichtlich einer einzelnen vertraglichen Verpflichtung mehrere faktische Erfüllungsorte für denkbar halten.300 Hier zeigt sich erneut, dass die Frage nach der faktischen oder rechtlichen – letztere mit entsprechenden Unteroptionen – Festlegung des Erfüllungsortes einerseits und diejenige, ob die Festlegung vertragseinheitlich oder bezogen auf die konkret streitige Verpflichtung zu erfolgen hat, eine erhebliche Schnittmenge haben. e. Stellungnahme Den Verfechtern einer Bestimmung eines rechtlichen Erfüllungsortes nach der lex causae ist zuzugeben, dass die von Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO intendierte Konzentrationswirkung auf einen Erfüllungsstaat der ratio des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der letztlich die rechtliche Berücksichtigung faktischer Eingriffe aus Drittstaaten ermöglichen soll301, zuwider läuft.302 Unabhängig von der unterschiedlichen Behandlung von Kauf- und Dienstleistungsverträgen in Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO, deren Erfüllungsort in einem Mitgliedstaat liegt, ist – wie Einsele zu Recht anmerkt303 – im Hinblick auf eine Auslegungskongruenz mit Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO vor allem aber auch die Unterscheidung zwischen Verträgen nach Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO einerseits und solchen nach Art. 5 Nr. 1 lit. c i.V.m. lit. a Brüssel I-VO andererseits problematisch, da so Eingriffsnormen aus Drittstaaten in weiterem Umfang berücksichtigungsfähig wären als solche aus EU-Mitgliedstaaten. Diese unterschiedliche Auslegung ist für Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht praktikabel und entbehrt im Zusammenhang mit Eingriffsnormen jeglicher sachlichen Rechtfertigung. Einsele weist zudem zutreffend darauf hin, dass auch der in Art. 2 Rom I-VO geregelte universelle Geltungsanspruch der Rom I-VO304 mit der aus einer unbeschränkten Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO resultierenden gespaltenen Auslegung unvereinbar wäre.305 Die 299
Ausdrücklich Günther, S. 159; so auch Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 12. Günther, S. 159; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 644. 301 Vgl. auch Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 97. 302 Einsele, IPRax 2012, 482 f. 303 Einsele, IPRax 2012, 482 f. 304 D.h., dass die über die Rom I-VO ermittelte Rechtsordnung auch Anwendung findet, wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung liegt. 305 Einsele, IPRax 2012, 483. 300
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Übernahme der Wertungen des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO für den Begriff des Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO ist mithin abzulehnen. Der von Günther an dieser Stelle festgestellte Nachbesserungsbedarf306 wegen des Ungleichlaufs der Brüssel I-VO und der Rom I-VO ist – schon wegen der unterschiedlichen Regelungsziele – nicht zu erkennen und könnte allenfalls als Problem der Brüssel I-VO gesehen werden. Einerseits fehlt es also an sinnvollen Anhaltspunkten für einen europäischautonomen Begriff des Erfüllungsortes. Andererseits ist auch eine Bestimmung nach der lex fori, schon vor dem Hintergrund der durch die Rom I-VO intendierten Rechtsvereinheitlichung, nicht vertretbar. Soll der Erfüllungsort im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO also rechtlich bestimmt werden, so bleibt in der Tat nur der Weg über die lex causae. Auch die Diskussion, ob ein singulärer Erfüllungsort für den ganzen Vertrag gelten soll oder der Erfüllungsort jeweils für die konkret streitige Verpflichtung bestimmt wird, ist vor diesem Hintergrund schnell entschieden: Die Konzentration auf einen einzigen Erfüllungsort für den gesamten Vertrag ist mit den Regelungszielen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO schlicht nicht vereinbar. Dies müsste eigentlich auch jeder anerkennen, der sich bei der Frage nach dem für die Bestimmung des Erfüllungsorts maßgeblichen Recht gegen eine Übernahme der Wertungen des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO mit dem Argument stellt, die von lit. b der Vorschrift vorgesehene Konzentration auf einen Erfüllungsort sei im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO unzweckmäßig. Es ist geradezu selbstverständlich, dass bei der Ermittlung des Ortes der Erfüllung einer vertraglichen Pflicht auf die jeweils konkret streitige abzustellen ist. Es existiert nämlich bei einem Vertrag, der etwa die Lieferung einer Ware von Deutschland nach Singapur und die Bezahlung dieser Ware in den USA vorsieht, gar kein Erfüllungsort „des Vertrages“ – so wie, genau genommen, zumindest bei gegenseitigen Verträgen, durch die Handlung einer Partei generell kein „Vertrag“ erfüllt werden kann, sondern nur die jeweilige vertragliche Verpflichtung. Die teilweise kritisierte Unvorhersehbarkeit des Erfüllungsortes nach diesem Verständnis ist – anders als bei den zuständigkeitsrechtlichen Regelungen der Brüssel I-VO – vielmehr gerade Regelungsgegenstand des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO. Maßgeblich ist somit der Erfüllungsort der konkret streitigen Verpflichtung. Die Abweichung der von Günther aufgeworfenen weiteren Option der Bestimmung des Erfüllungsortes „[…] jeder einzelnen Verpflichtung […]“ von der Erfüllungsortbestimmung der konkret streitigen Verpflichtung307 ist indes nicht zu erkennen: Dass der Erfüllungsort einer Verpflichtung gleichzeitig Erfüllungsort auch aller anderen Verpflichtungen eines Vertrages sein sollen, obwohl
306 307
Günther, S. 152. Vgl. Günther, S. 152 f.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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diese dort weder rechtlich noch tatsächlich erfüllt werden, wäre kaum nachvollziehbar. Fraglich ist aber, ob überhaupt eine rechtliche oder nicht vielmehr eine tatsächliche Bestimmung des Erfüllungsorts in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO vorgenommen werden sollte. Die rechtliche Bestimmung des Erfüllungsortes nach der lex causae – oder auch nach anderem Recht – hat nämlich folgende Konsequenz: Auch für die konkret streitige Verpflichtung kann es damit nur einen Erfüllungsort geben. Ausgehend etwa vom deutschen Recht ist der Erfüllungsort (abgesehen von der möglichen Abweichung von Leistungs- und Erfolgsort bei der Schickschuld und vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen) nach § 269 BGB immer ein einziger Ort. Eine rechtliche Bestimmung des Erfüllungsortes engt daher das Spektrum der berücksichtigungsfähigen Eingriffsnormen extrem ein: Insbesondere der klassische Fall eines Eingriffs durch ein Transitland wäre nicht über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfassbar. Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO spricht zudem eine klare Sprache, wenn von einem Ort die Rede ist, an dem die Verpflichtungen „[…] erfüllt worden sind“ – eine Formulierung, die im Falle einer Abweichung von rechtlichem und tatsächlichem Erfüllungsort eindeutig auf letzteren abstellt. Für dieses Problem einer rechtlichen Bestimmung des Erfüllungsortes werden in der Literatur teilweise unklare Lösungsansätze gewählt. So spricht etwa Pfeiffer davon, dass „[…] grundsätzlich der rechtliche Erfüllungsort maßgebend […]“ sei, „[…] es sei denn, es ist tatsächlich an einem anderen Ort erfüllt worden“.308 Günther entscheidet sich demgegenüber zunächst klar für eine Erfüllungsortbestimmung nach der lex causae309, um danach die Frage zu diskutieren, ob ein rechtlicher oder ein tatsächlicher Erfüllungsort maßgeblich sei310. Abgesehen von dieser ohnehin überraschenden Vorgehensweise kommt Günther sodann zu dem Ergebnis, man müsse, sinnvoller Weise, auf den tatsächlichen Erfüllungsort abstellen, der auch in mehreren Staaten liegen könne, sofern diese „[…] Einfluss auf die Vertragserfüllung haben können […]“.311 Dem ist in dieser Form allerdings zu widersprechen: Rechtliche und tatsächliche Bestimmung des Erfüllungsortes schließen sich gegenseitig aus. Die Methoden stehen grundsätzlich – auch wenn sie oft identische Ergebnisse liefern – nicht in einem Subsidiaritäts-, sondern in einem Alternativverhältnis zueinander. Der tatsächliche Erfüllungsort wird nämlich gerade nicht durch Rechtsnormen (oder vorrangige vertragliche Vereinbarungen) bestimmt und stellt somit, zumindest im Zusammenhang mit nationalen materiellen Vorschriften über den Erfüllungsort, gar keine rechtliche Katego308
Pfeiffer, EuZW 2008, 628. Günther, S. 152. 310 Günther, S. 158 f. 311 So ausdrücklich Günther, S. 159. 309
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
rie dar. Nach der Ansicht Günthers wären ohnehin letztlich alle Erfüllungsorte tatsächlich zu ermitteln: Entweder der tatsächliche und der rechtliche Erfüllungsort fielen zusammen oder die Erfüllung fände tatsächlich in einem anderen Staat statt, dessen Eingriffsnormen dann aber potentiell zu berücksichtigen seien312. Der rechtliche Erfüllungsort hat hier also neben dem tatsächlichen keine eigenständige Funktion mehr – außer, man wollte die Eingriffsnormen eines rechtlichen Erfüllungsortes berücksichtigen, der kein tatsächlicher ist. Allerdings gibt es – und das ist auch eine denkbare Lesart Günthers – in der Tat Umstände, die trotz eines tatsächlichen Erfüllungsortsbegriffs einer materiellrechtlichen Wertung bedürfen. So muss zunächst auf rechtlicher Ebene entschieden werden, was überhaupt Inhalt der in Rede stehenden Erfüllung ist. Es muss z.B. festgestellt werden, wer wem gegenüber wie zu erfüllen hat. Gerade etwa diese „Laufrichtung“ der Erfüllung ist indes eine rechtliche Fragestellung. Hier muss tatsächlich auf eine Privatrechtsordnung zurückgegriffen werden – aus oben genannten Gründen namentlich auf die lex causae. Dieses Statut fungiert also gleichsam als rechtlicher Ausgangspunkt für die Bestimmung des tatsächlichen Erfüllungsortes und muss daher auch festgelegt werden. Insofern ist die oben dargestellte Diskussion über den maßgeblichen rechtlichen Erfüllungsort auch bei Vertretern eines tatsächlichen Erfüllungsortsbegriffs keinesfalls obsolet. Einem tatsächlichen Erfüllungsortbegriff stehen zwar gewichtige Argumente, wie z.B. die Entstehungsgeschichte des Art. 9 Rom I-VO gegenüber. Insbesondere aus Großbritannien gab es regen Widerstand gegen die Norm selbst, mindestens aber gegen eine allzu weite Fassung des Tatbestandes313, der getragen war von einer traditionellen Sorge vor der Anwendung fremden Interventionsrechts.314 Versteht man Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO aber vor dem Hintergrund des Problems, das durch die Vorschrift – zumindest zum Teil – gelöst werden sollte, so verengt eine rein rechtliche Bestimmung des Erfüllungsortes den Tatbestand derart, dass von dem potentiellen Anwendungsbereich der Norm kaum etwas übrigbliebe. Auch wenn dem entgegengehalten werden könnte, die Vorgängervorschrift des Art. 7 Abs. 1 EVÜ sei optional gewesen und etwa von Deutschland gar nicht übernommen worden, so muss Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO dennoch ein sinnvoller Anwendungsbereich erhalten bleiben. Ein tatsächliches Verständnis des Erfüllungsortes ist, auch aus der skeptischen Sicht Großbritanniens, schon wegen der enormen Flexibilität auf Rechtsfolgenseite315 viel weniger bedrohlich, als mancher Kritiker sugge312
Günther, S. 159. Vgl. nur Dickinson, JPIL 2007, 53 ff.; Ferrari/Leible-Harris, S. 274 ff.; auch Ministry of Justice (UK), Rome I-Regulation – Should the UK Opt in?, Konsultationspapier CP05/08 v. 2.4.2008, Rn. 27 ff. 314 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte oben E. I. 1. b. 315 Wortlaut Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO: „[…]kann Wirkung verliehen werden[…]“. 313
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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riert.316 Auch der von Einsele angeführte Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO, der auf einen tatsächlichen Erfüllungsort abstellt317, spricht zwar in der Tat nicht gegen ein an Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO angelehntes Verständnis eines rechtlichen Erfüllungsortes nach der lex causae in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO. Die von Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO in Bezug genommenen Regelungen, namentlich also solche betreffend Erfüllungsmodalitäten318, decken sich nämlich nicht zwingend mit dem Begriff der Eingriffsnormen, welche die „[…] Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen“319, in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO. Der Aufbau von Art. 12 Rom I-VO, insbesondere die ähnliche Formulierung von Art. 12 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom IVO320 betreffend den Erfüllungsort, sprechen aber umgekehrt auch nicht gegen die Bestimmung eines tatsächlichen Erfüllungsortes in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO. Die vor dem Hintergrund des Regelungsgegenstandes des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ohnehin fragwürdige321 Beschränkung auf Eingriffsnormen des Erfüllungsortes sollte mithin – zugunsten eines sinnvollen Zuschnitts des potentiellen Anwendungsbereichs der Norm – wenigstens im Sinne eines tatsächlichen Erfüllungsorts verstanden werden. Dieser, dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO dienende Ansatz ist sowohl grammatisch als auch systematisch (Stichwort: Art. 12 Rom I-VO) und schließlich auch historisch vertretbar, da eine Beschränkung des Normspektrums im Vergleich zu einem völlig offenen Tatbestand – also unter Verzicht auf das Merkmal des Erfüllungsortes – dennoch stattfindet. Andererseits wird der Tatbestand aber nicht übermäßig eingeengt, was angesichts der vagen Rechtsfolge des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO auch nicht erforderlich ist. Ausgangspunkt für die faktische Erfüllungsortsbestimmung müssen indes die lex causae und die jeweilige Parteivereinbarung bleiben, da nur rechtlich ermittelt werden kann, was Inhalt der Erfüllung und wie die Risikoverteilung zwischen den Parteien gestaltet ist. Zudem kann hinsichtlich noch nicht erfolgter Erfüllungshandlungen oft kein tatsächlicher Erfüllungsort ermittelt werden, da die Erfüllung noch nicht tatsächlich stattgefunden hat. Hier müssen in der Tat die (rechtlichen) vom jeweiligen Vertrag in Aussicht genommenen Erfüllungsorte herangezogen
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Vgl. etwa Ferrari/Leible-Harris, S. 269 ff. Allgemeine Meinung, vgl. nur juris-PK-Geiben, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 24; MüKoSpellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 175; Kropholler, IPR, § 52, I 3 b. 318 Vgl. dazu MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 177; Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 81; zum früheren Art. 10 Abs. 2 EVÜ (= Art. 32 Abs. 2 EGBGB) Lagarde, Revue critique de droit international privé 1991, 333. 319 Dazu unten E. I. 5. 320 Zum Verhältnis beider Normen Ferrari/Leible-Harris, S. 330 ff., der eine Existenzberechtigung des Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO schlechthin anzweifelt. 321 Ebenso Günther, S. 160 f.; krit. auch Mankowski, IHR 2008, 148, und Hauser, S. 94. 317
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werden, es sei denn, die Notwendigkeit einer faktischen Erfüllung (auch) an anderen Orten steht bereits fest. f. Erfüllungsort bei der US-Terrorliste Die Beschränkung des Tatbestandes des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO auf Eingriffsnormen des Staates, „[…] in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind […]“, erweist sich nicht nur im Hinblick auf die Berücksichtigung der US-Terrorsperrliste über Art. 9 Rom I-VO als überaus problematisch, sondern schränkt den Anwendungsbereich der Norm allgemein stark ein. Bezüglich der SDN-Liste des OFAC kann gesagt werden, dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur für solche Verträge einen Lösungsansatz für die Problematik der faktischen Wirkung der Liste auf Sachverhalte mit deutschem Forum bietet, in denen die vertragliche Verpflichtung, deren Erfüllung aufgrund des US-Sanktionsregimes untersagt ist, mindestens faktisch (auch) in den USA erfüllt wird. Dabei gilt es zu bedenken, dass der hier vertretene faktische und gegebenenfalls multiple Erfüllungsort bereits die großzügigste Interpretation des Wortlauts von Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO darstellt. Es ist zwar eine nicht unerhebliche Bandbreite an Konstellationen denkbar, in denen zumindest Teile der Vertragserfüllung faktisch in den USA belegen sind. So laufen, wie oben322 gesehen, etwa US-Dollar-Transaktionen ganz überwiegend über Clearing-Stellen in den USA – und auch diese (mittelbaren) Geschäfte zugunsten Gelisteter sind durch die Executive Order 13.224 verboten323. Ferner finden, insbesondere bei Geschäften und Transaktionen am (internationalen) Kapitalmarkt, häufig Teile der vertraglichen Abwicklung in den USA statt – etwa, weil sie Bezug zu dortigen Börsenplätzen aufweisen324 etc. Eine beispielhafte Aufzählung denkbarer Verträge, insbesondere im Bereich des internationalen Bankenverkehrs im weiteren Sinne, könnte hier nicht einmal im Ansatz Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zumal der internationale Bezug auch vermeintlich lokaler Finanztransaktionen – wie am Beispiel der US-Dollar-Transaktionen aufgezeigt – schnell unterschätzt wird. Wenn in solchen Konstellationen also Teile der Vertragserfüllung in den USA stattfinden, kann bei faktischer Erfüllungsortbestimmung für jede einzelne vertragliche Verpflichtung und unter der Bedingung, dass eine vertragliche Verpflichtung mehrere (faktische) Erfüllungsorte haben kann, hinsichtlich der SDN-Liste des OFAC noch von Eingriffsnormen „[…] des Staates, in 322 Vgl. oben D. I. 4. c.; diese Fälle weisen aber insofern eine Besonderheit auf, als sie gem. Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken und Nr. 13 AGB-Sparkassen in vielen Fällen Gegenstand einer vertraglichen Regelung sind, dazu unten F. II. 323 Vgl. oben D. I. 4. 324 Denkbar ist z.B. die Order von Wertpapieren, die an US-Finanzplätzen gehandelt werden.
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dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind […]“ gesprochen werden. In allen anderen Fällen aber, in denen einer Partei die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen aufgrund der durch die SDN-Liste bestehenden faktischen Zwänge325 möglicherweise nicht zumutbar ist, bleibt der Weg über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO versperrt. Folgt man zudem der Ansicht, der Erfüllungsort in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO müsse ein rechtlicher sein, der für den gesamten Vertrag – oder zumindest für jede Verpflichtung – einheitlich bestimmt wird, so bietet Art. 9 Rom I-VO für die Problematik der US-Terrorliste in Fällen mit deutschem Forum im Grunde (fast) gar keinen tauglichen Anknüpfungspunkt mehr. Bereits an dieser Stelle kann somit konstatiert werden, dass die international-privatrechtliche Regelung der Rom I-VO zur Frage drittstaatlicher Eingriffsnormen höchst rudimentär und letztlich nicht geeignet ist, die in diesem Bereich bestehenden praktischen Probleme umfassend zu lösen. Für die verbleibenden Fälle, in denen Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO noch relevant sein könnte, ist fraglich, ob die US-Terrorliste die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen für die Berücksichtigung nicht forumszugehöriger Eingriffsnormen erfüllt. 5. Unrechtmäßigkeit der Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO Ein nur mühsam zu konkretisierendes Tatbestandsmerkmal des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO ist das Erfordernis von Eingriffsnormen, die „[…] die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen“. Fraglich ist, welche Wirkung eine Eingriffsnorm auf den betreffenden Vertrag – nach dem Recht des Eingriffsstaates – haben muss, um die Erfüllung dieses Vertrages „unrechtmäßig“ werden zu lassen. a. Auslegungsmöglichkeiten des Tatbestandsmerkmals der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung Die Schwierigkeit einer Konkretisierung dieser – auf europäischer Ebene in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO in dieser Form erstmals enthaltenen –– Formulierung ist zum einen der Vielzahl denkbarer Wirkungsweisen verschiedener Eingriffsnormen auf einen Vertrag geschuldet. Diese enorme Bandbreite von Normen, welche die Erfüllung eines Vertrages betreffen können, hält wohl auch den Großteil der Autoren von einer klaren Konturierung ab326. Zum anderen ist die auf den ersten Blick erhebliche Eingrenzung des von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfassten Normspektrums durch dieses Tatbestandsmerk325
Zu den denkbaren Konstellationen oben D. I. 6. Vgl. etwa MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112 f.; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 66 ff. 326
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mal bei Lichte betrachtet weit weniger klar, da die Unrechtmäßigkeit der Erfüllung nicht zwangsläufig gleichgesetzt werden muss mit einem (durch die jeweilige Eingriffsnorm angeordneten) vollständigen Erfüllungsverbot327. Auch die englische und die französische Fassung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO328 können hier zu einer Aufklärung im Wege der vergleichenden Wortlautauslegung wenig beitragen. Allenfalls die französische Formulierung „[…] rendent l’exécution du contrat illegal“ erscheint im Hinblick auf die erforderlichen Konsequenzen der Eingriffsnorm für den Vertrag etwas restriktiver formuliert und könnte derart verstanden werden, dass die Eingriffsnorm ein tatsächliches Erfüllungsverbot statuieren muss.329 Deutlich ist einzig, dass die gewählte Formulierung in englischer Rechtstradition steht330: Die für die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen im englischen Kollisionsrecht maßgebliche Ralli-Entscheidung331 des Court of Appeal aus dem Jahre 1920 wählt − in Anlehnung an Dicey332 − eine ähnliche Ausgestaltung, ebenso wie die Entscheidungen Foster v. Driscoll333 und Regazzoni v. KC Sethia334 (1929 bzw. 1958). Dieser traditionellen Anerkennung von Eingriffsnormen „befreundeter“ fremder Staaten („[…] friendly foreign states.“)335, welche das vertraglich geschuldete Verhalten aus Gründen des (jeweiligen) Gemeinwohls für unrechtmäßig erklären, liegt der Gedanke zugrunde, dass die Vertragserfüllung – auch wenn sie nach dem anwendbaren englischen Recht legal wäre − die Beziehung Englands zu den anderen Staaten belasten würde und daher mit der englischen öffentlichen Ordnung nicht vereinbar 327
In diesem Sinne aber wohl W.-H. Roth, FS Kühne (2009), S. 876 f., der die Enge dieser Formulierung allerdings kritisiert. 328 Englische Fassung: „[…]render the performance of the contract unlawful“; französische Fassung: „[…]rendent l’exécution du contrat illegal“. 329 Die gängigen Übersetzungen enthalten nicht das Wort „unrechtmäßig“, sondern „gesetzwidrig“, „rechtswidrig“, „illegal“ oder „widerrechtlich“, vgl. dazu etwa Sachs/Villatte, Großwörterbuch Französisch, Eintrag „illegal“. 330 Dazu Freitag, IPRax 2009, 110 f. 331 Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar [1920] 2 KB 287, insbesondere die Opinion des Richters Sterndale. Problematisch waren hier spanische Höchstpreisgrenzen, die dem Inhalt des englischem Recht unterliegenden Vertrages widersprachen; dazu auch Dicey/Morris/Collins, Vol. 2, Rn. 32-097. 332 Dicey, A Digest of the Law of England with Reference to the Conflict of Laws, 2. A. 1908, S. 553. 333 Foster v. Driscoll [1929] 1 KB 470. Zu entscheiden war über einen Vertrag über eine Whiskey-Lieferung, die in die USA geschmuggelt werden sollte. 334 Regazzoni v. KC Sethia (1944) Ltd. [1958] AC 301. Der Fall betraf eine Lieferung Jute von Indien nach Genua, die als indirekte Lieferung nach Südafrika nach indischem Recht verboten war. 335 Der Terminus „friendly foreign states“ könnte hierbei in einem modernen Sinne durchaus so verstanden werden, dass die anzuwendende Eingriffsnorm nicht den Gemeinwohlvorstellungen Englands widersprechen darf, also einer „befreundeten“, im Sinne einer „den englischen Werten nicht widersprechenden“, Rechtsordnung entspringt.
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ist.336 Abweichend von der Formulierung in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO („unlawful“) wird in der Ralli-Entscheidung337 allerdings der Terminus „illegality“ verwendet. „Illegality“ ist aber nach Ansicht Hausers nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der „unlawfulness“.338 Der engere Begriff der „illegality“ werde zwar in der englischen Kollisions- (und Sachrechts-)Tradition uneinheitlich ausgelegt, erfasse aber, wie etwa das Urteil Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society339 beispielhaft zeige, zumindest keine Normen, die etwa Vergütungsobergrenzen (im entschiedenen Fall Höchstzinsen) vorschreiben.340 Der Begriff der „unlawfulness“ könne demgegenüber weiter ausgelegt werden: Anders sei auch nicht erklärbar, warum Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht gleich – entsprechend dem Vorschlag Dickinsons341– im Sinne einer „illegality“ der Erfüllung formuliert worden ist.342 Zutreffend weist Magnus343 indes darauf hin, dass die traditionelle britische Konstruktion – die zunächst ohnehin eher einer materiellrechtlichen Berücksichtigung der fremden Eingriffsnorm entspricht – der unscharfen Trennung von Berücksichtigung forumsfremder Eingriffsnormen einerseits und ordre public-Sachverhalten (public policy) andererseits344 in der englischen Rechtsprechung geschuldet ist.345 Unabhängig davon gibt die Herkunft der Formulierung aus dem englischen Kollisionsrecht aber ganz generell noch keinen Aufschluss über die Frage, wie weit die Unrechtmäßigkeit der Erfüllung i.S.d. – europäisch autonom auszulegenden346 − Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO reicht. Interessant ist aber der dem Ralli-Urteil zugrundeliegende Sachverhalt, in dem eine Vertragserfüllung zwar nicht so wie im Vertrag vorgesehen möglich, aber auch nicht 336
Vgl. dazu ausführlich Ferrari/Leible-Harris, S. 298 ff. m.w.N. Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar [1920] 2 KB 287. 338 Vgl. Hauser, S. 71 f. 339 Privy Council, Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society (1938) A.C. 224: Die vom Recht des Staates Victoria vorgesehene Absenkung der vom Schuldner zu zahlenden Zinsen wurde vom Privy Council (einem ursprünglich monarchischen Regierungsorgan mit u.a. judikativen Aufgaben, eigentlich: Her Majesty’s Most Honourable Privy Council) nicht als berücksichtigungsfähige international zwingende Vorschrift anerkannt. 340 Hauser, S. 72 f.; ausführliche Darstellung des britischen Begriffsverständnisses auch bei Kuckein, S. 232 ff. m.w.N. 341 Dickinson, JPIL 2007, 88: „[…]which renders performance in that country illegal, and not merely unenforcable“. 342 Hauser, S. 73. 343 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 111. 344 Ausführlich dazu Chong, JPIL 2006, 32 ff. 345 Ähnlich auch Kuckein, S. 232 ff., der ausführlich die umstrittene begriffliche Differenzierung untersucht. 346 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 67; auch Freitag, IPRax 2009, 111. 337
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grundsätzlich verboten war (Höchstpreisgrenze für Importwaren nach spanischem Recht, die im konkreten Vertrag überschritten wurde)347. Forumsfremde Eingriffsnormen, die zwar erfüllungsrelevant sind, aber nicht die Wirkung eines Erfüllungsverbotes haben, sind somit selbst nach der, in diesem Zusammenhang eher restriktiven englischen Kollisionsrechtstradition nicht zwangsläufig von einer Berücksichtigung ausgeschlossen. Auch der für Art. 9 Rom I-VO maßgebliche Erwägungsgrund Nr. 37 Rom I-VO bietet kaum Anhaltspunkte für die Reichweite des Merkmals der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung. Einzig die Formulierung „[…] unter außergewöhnlichen Umständen […]“ könnte hier fruchtbar gemacht werden.348 Die „außergewöhnlichen Umstände“ i.S.d. Erwägungsgrundes Nr. 37 Rom I-VO unterstreichen zwar das restriktive Gesamtverständnis des Verordnungsgebers im Hinblick auf die Berücksichtigung von Eingriffsnormen nach Art. 9 Rom I-VO, treffen damit aber nicht zwangsläufig eine Aussage über die erforderliche Wirkung der Eingriffsnorm auf die Vertragserfüllung. Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass Eingriffsnormen, die als klare Verbotsnormen hinsichtlich des gesamten Vertrages ausgestaltet sind, in jedem Fall die Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO „[…] unrechtmäßig werden lassen“.349 Hellner geht in diesem Zusammenhang ausführlich auf die Frage ein, ob die englische Sprachfassung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO („unlawful“) sich auf Eingriffsnormen beschränkt, deren Verletzung strafrechtliche Konsequenzen hat.350 In diesem Sinne ist wohl auch der Vorschlag Dickinsons zu verstehen, der im Entstehungsprozess des Art. 9 Rom I-VO eine Formulierung vorschlug, nach der die Erfüllung des Vertrages „[…] illegal, and not merely unenforcable“ sein müsse.351 Zutreffend kommt Hellner jedoch zu dem Ergebnis, dass eine solch enge Wortlautauslegung zumindest nach dem endgültigen Terminus der englischen Sprachfassung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO nicht mehr angezeigt sei, woran auch eine mögliche Rückübersetzung der französischen und belgischen Sprachfassung in das englische Wort „illegal“ nichts ändere.352 Auch dem deutschen Wort „unrechtmäßig“ lässt sich eine Beschränkung auf strafrechtlich sanktionierte Eingriffsnormen ersichtlich nicht entnehmen.
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Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar [1920] 2 KB 287. So Einsele, IPRax 2012, 485, die ein weites Verständnis der „Unrechtmäßigkeit der Erfüllung“ mit dem restriktiven Ansatz des Erwägungsgrundes Nr. 37 Rom I-VO für unvereinbar hält. 349 Vgl. Freitag, IPRax 2009, 112 (rechte Spalte); Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom IVO, Rn. 112; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117; Palandt-Thorn, Art. 9 Rom IVO, Rn. 12. 350 Hellner, JPIL 2009, 461 f. 351 Dickinson, JPIL 2007, 88. 352 Hellner, JPIL 2009, 462. 348
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Neben der vollständigen Unwirksamkeit des Vertrages ist nach allgemeiner Ansicht auch das Verbot eines (abtrennbaren) Teils der Vertragserfüllung durch die Eingriffsnorm ausreichend.353 Dies lässt sich unschwer auch dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO („soweit“) entnehmen354. Magnus weist zudem darauf hin, dass nicht die Eingriffsnorm selbst, sondern auch der jeweilige Normkontext der Eingriffs-Rechtsordnung die Unrechtmäßigkeit ergeben kann.355 Ferner wird – trotz des Wortlauts „[…] unrechtmäßig werden lassen“ – nach allgemeiner Ansicht für irrelevant gehalten, ob die Unrechtmäßigkeit der Erfüllung bereits anfänglich besteht oder erst nachträglich durch eine Eingriffsnorm angeordnet wird.356 Eine Beschränkung auf nachträgliche Unrechtmäßigkeit lässt sich laut Freitag auch der englischen und französischen Sprachfassung nicht entnehmen.357 Dem hält Hauser zwar entgegen, auch die Formulierungen „render“ (the performance unlawful) und „rendre“ in der englischen bzw. französischen Sprachfassung wiesen ebenfalls einen gewissen Zukunftsbezug auf.358 Dennoch kann Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – das erkennt auch Hauser an359 – nur derart sinnvoll ausgelegt werden, dass es auf den Zeitpunkt des Erlasses der Eingriffsnorm nicht ankommt. Dieses Ergebnis entspricht überdies auch der englischen Kollisionsrechtstradition.360 Schließlich soll auch die Undurchsetzbarkeit der Erfüllung für deren Unrechtmäßigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO ausreichen.361 Problematisch ist indes, inwieweit vertragsmodifizierende Vorschriften die Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO unrechtmäßig werden lassen können. So wird allgemein vertreten, dass etwa Vergütungshöchstgrenzen (z.B. nach RVG oder nach gesetzlichen Miethöchstgrenzen362) von Art. 9 Abs. 3 Rom IVO erfasst sein können, da nach der betreffenden (Eingriffs-)Norm die Vergütung über das zulässige Maß hinaus eine (teilweise) unrechtmäßige Erfül-
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Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 634; Harris, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 320. 354 So auch Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112. 355 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112. 356 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 67; auch Günther, S. 162; vgl. auch Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112, der zu Recht darauf hinweist, dass bei nachträglicher Unwirksamkeit Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erst ab dem Zeitpunkt der Unwirksamkeit angewendet werden kann. 357 Freitag, IPRax 2009, 113; so auch Plender/Wilderspin, Rn. 12-023. 358 Hauser, S. 80. 359 Hauser, S. 79 f. 360 Dazu auch Kuckein, S. 233 ff. m.w.N. 361 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112; Hellner, JPIL 2009, 461; so auch Hauser, S. 79 f. 362 So das Beispiel bei Hellner, JPIL 2009, 462.
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lung darstelle.363 Dies steht – auch wenn hier der Vertrag selbst nicht „verboten“ ist – durchaus im Einklang mit der Herkunft des Erfordernisses der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung aus dem englischen Kollisionsrecht: Der vielzitierten Ralli-Entscheidung364 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein englischem Recht unterliegender Vertrag gegen spanische Höchstpreisgrenzen für importierte Jute verstieß.365 Schwieriger ist aber bereits die Erfassung von Mindeststandards oder –preisgrenzen. Diese seien, so Freitag, nicht ohne Weiteres vom Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO erfasst, da eine hinter Mindestvorschriften (etwa einem gesetzlichen Mindestlohn oder Mindestvergütungen für bestimmte Waren) zurückbleibende Erfüllung zwar nicht „ausreichend“, aber – anders als der überschießende Teil bei Höchstgrenzen – auch nicht „unrechtmäßig“ sei.366 Hier sei allenfalls der Vertragsinhalt, der eine unter den Mindestbestimmungen liegende Leistung regelt, unrechtmäßig, nicht aber die Erfüllung selbst. Dieser Wertungswiderspruch könne nur durch eine teleologisch extensive Anwendung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO auch auf solche Fälle gelöst werden, in denen Eingriffsnormen Mindestvergütungsgrenzen vorschreiben.367 Normen, die lediglich sekundäre oder vertragsbegleitende Rechte und Pflichten der Parteien, also z.B. Widerrufsrechte, Informationspflichten oder sonstige Schutz- und Nebenpflichten begründen, sind nach einhelliger Auffassung im Regelfall nicht von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfasst, da sie die Erfüllung des Vertrages nicht „unrechtmäßig“ werden lassen.368 b. Stellungnahme Bereits die oft wenig konkreten Aussagen einiger Autoren und die Fokussierung auf einzelne, teilweise der Rechtsprechung entliehene Beispielsfälle betreffend die Frage, wie weit das Merkmal der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung reicht, zeigen die mit der Formulierung verbundenen Auslegungsschwierigkeiten. Wenig problematisch ist die Benennung einzelner Normtypen, die definitiv unter Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO fallen (z.B. Verbote der gesamten − oder einzelner Teile der − Vertragserfüllung). Auch sind die Grenzen der Wortlautauslegung ersichtlich überschritten, wollte man Gestaltungsrechte 363
Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 636; Freitag, IPRax 2009, 112 f.; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 67. 364 Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar [1920] 2 KB 287. 365 So auch Freitag, IPRax 2009, 112 (dortige Fußnote 37). 366 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 636; Freitag, IPRax 2009, 112 f.; wohl auch Mauer/Stadtler, RIW 2008, 548. 367 Freitag, IPRax 2009, 113; für ein weites Verständnis auch PWW-Remien, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 36; Hauser, S. 77 f. 368 Freitag, IPRax 2009, 113; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 635; StaudingerMagnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 113; juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 29; Günther, S. 164; wohl auch Mauer/Stadtler, RIW 2008, 548.
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wie etwa ein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht unter Eingriffsnormen fassen, welche die „Erfüllung […] unrechtmäßig werden lassen“. Solche Rechte berühren nämlich nicht die Rechtmäßigkeit der (ursprünglich geschuldeten) vertraglichen Erfüllung und werden zudem mangels international zwingenden Charakters in aller Regel schon an den Voraussetzungen für Eingriffsnormen selbst scheitern. Schwierig zu formulieren sind indes abstrakte Abgrenzungsformeln für den Bereich solcher Normen, die zwar unmittelbar erfüllungsrelevant sind, sich aber nicht gegen die Erfüllung als solche richten. So ist es durchaus denkbar, jegliche in ihrer Art und Weise nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Erfüllung als unrechtmäßige Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO zu verstehen: Wenn umgekehrt eine rechtmäßige Erfüllung nur eine solche ist, die allen gesetzlichen Anforderungen an die Durchführung eines Vertrages − inklusive aller modifizierenden gesetzlichen Regelungen − entspricht, schließt das Erfordernis der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO nur wenige Normen aus. So wäre etwa die Anlageberatung einer Bank – sofern die sonstigen Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO vorliegen – unter Verstoß gegen Verhaltenspflichten gem. § 31 Abs. 4 WpHG369 eine nach deutschem Eingriffsrecht370 unrechtmäßige Erfüllung, auch wenn § 31 WpHG die Erfüllung nicht „verbietet“ und nach (unzutreffender)371 Ansicht des BGH noch nicht einmal individualschützend im privatrechtlichen Sinne ist372, geschweige denn zivilrechtliche Pflichten normiert373. Auch die, insbesondere von Freitag herausgearbeitete, unterschiedliche Behandlung von Höchst- und Mindestleistungsgrenzen374 durch den Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO ist nicht die zwingende Lesart. Freitag stellt fest, die Erfüllung über eine Höchstgrenze (z.B. nach RVG) hinaus sei eindeutig eine unrechtmäßige i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, während das Zurückbleiben hinter gesetzlichen Mindestgrenzen eine nur „teilweise“ Erfüllung darstelle und sich die entsprechende Eingriffsnorm hier vielmehr gegen 369 Von der überwiegenden Auffassung werden die §§ 31 ff. WpHG als Eingriffsnormen qualifiziert, vgl. Einsele, JZ 2008, 487 f.; MüKo-IntKapMarktR-Schnyder, Rn. 336; Floer, S. 117; Fuchs-Fuchs, § 31 WpHG, Rn. 324; a.A. aber Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 607. Hingewiesen sei allerdings auf die ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 16 WpHG. 370 Was über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO berücksichtigt werden könnte, wenn Deutschland der Erfüllungsort – aber nicht Forumstaat (ansonsten: Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) − eines Vertrages wäre, der fremdem Recht unterliegt. 371 Vgl. Einsele, § 8, Rn. 40 ff. 372 BGH WM 2008, 825 (826 f.). 373 BGHZ 191, 119–139 = ZIP 2011, 2237–2244, Rn. 47. 374 Vgl. Reithmann/Martiny-Freitag, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 636 sowie Freitag, IPRax 2009, 112 f., der sich schließlich aber für eine teleologische Ausweitung des Art. 9 Rom IVO auch auf Mindestleistungsgebote ausspricht.
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den Vertragsinhalt als solchen richte375. Für diese − später von ihm selbst teleologisch korrigierte – Wortlautauslegung Freitags spricht zwar ein Gesamtverständnis des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO derart, dass Art. 9 Rom I-VO eher auf Normen mit kassierender Wirkung (Verbot von Leistungen oberhalb der Höchstgrenze) abzielt, denn auf Normen, die – in Form von Geboten – Ansprüche (z.B. die Differenz zwischen gezahltem Lohn und Mindestlohn) begründen. Die vorgenommene Unterscheidung zwischen Vertragsinhalt und Erfüllungsinhalt gestaltet sich indes schwierig: Auch etwa eine Zahlung, die eine Höchstpreisgrenze überschreitet, ist isoliert betrachtet – anders als etwa die Lieferung per se verbotener Güter – nicht unrechtmäßig. Die Unrechtmäßigkeit ergibt sich vielmehr häufig erst aus dem Zusammenspiel mit dem zugrundeliegenden Vertragsinhalt − z.B., dass die Zahlung der Erfüllung eines Vertrages gilt, in dem eine Gegenleistung bestimmt ist, deren Bezahlung mit dieser „Erfüllung“ zu hoch ausfällt. Mithin kann die Erfüllung eines Vertrages, der eine gegen Mindestgrenzen verstoßende Leistung vorsieht (z.B. acht Euro Stundenlohn bei vorgeschriebenen zehn Euro Mindestlohn) auch nicht ohne Weiteres als Teilerfüllung gesehen werden, da die Zweckbestimmung der Zahlung durch den Schuldner eindeutig die gesamte – aufgrund der Mindestgrenzen in dieser Form „unrechtmäßige“ – Erfüllung des (wiederum unrechtmäßigen Vertrages) ist. Zudem ist die Ausgestaltung einer Norm als Höchst- oder Mindestleistungsvorschrift auch lediglich eine Frage der Perspektive. Schließlich befürwortet Freitag allerdings eine teleologische Ausweitung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO auch auf Eingriffsnormen, die Mindestgrenzen vorschreiben.376 Die Möglichkeit der Einordnung auch solcher Vorschriften als Eingriffsnormen, die Vergütungsansprüche begründen, zeige auch die Ingmar-Rechtsprechung des EuGH377, in der nachvertragliche Ausgleichsansprüche nach der Handelsvertreterrichtlinie378 als international zwingend angesehen werden.379 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass durchaus eine Interpretation der in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geforderten Unrechtmäßigkeit der Erfüllung möglich ist, welche eine ganze Reihe auch lediglich erfüllungsmodifizierender Verbots- und Gebotsnormen mit einschließt. In diesem Sinne kann auch Freitag verstanden werden, wenn er eine teleologische Ausweitung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO auf alle Fälle fordert, „[…] in denen die Vertragserfüllung positiv bzw. negativ gegen eine Eingriffsnorm verstößt“.380 375
So ausdrücklich Freitag, IPRax 2009, 112 (rechte Spalte unten). Reithmann/Martiny-Freitag, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 637; Freitag, IPRax 2009, 113. 377 EuGH Urteil v. 9.11.2000, Rs. C-381/98 (Ingmar), EuGHE Slg. 2000 I, 9305–9336 = IPRax 2001, 225–227; die Entscheidung aus dem Jahr 2000 bezog sich allerdings (noch) nicht auf Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO. 378 RL 86/653/EWG, ABl. L 382/86, S. 17–21. 379 Freitag, IPRax 2009, 113. 380 Reithmann/Martiny-Freitag, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 637. 376
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
117
Unverständlich ist hingegen die Ansicht Magnus’ und Hellners381, auch die Undurchsetzbarkeit der Erfüllung führe zu einer Unrechtmäßigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO. Insbesondere im Hinblick auf ein klassisches Beispiel einer undurchsetzbaren Forderung aus dem deutschen Recht, die Naturalobligation, erscheint diese Interpretation zweifelhaft: Die Erfüllung unvollkommener Verbindlichkeiten ist gerade nicht unrechtmäßig, sondern nur nicht einklagbar – bereits Geleistetes kann nicht zurückgefordert werden382. Es wäre auch nicht sachgerecht, diese Undurchsetzbarkeit als Unrechtmäßigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO zu begreifen, da die Erfüllung hier durch den Eingriffsstaat gerade nicht untersagt oder generell rechtlich missbilligt wird, sondern ein Erwerbsgrund grundsätzlich vorliegt. Für eine tendenziell enge Interpretation der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung insgesamt spricht vor allem Erwägungsgrund Nr. 37 Rom I-VO, dessen erstem Satz („[…] unter außergewöhnlichen Umständen“) es nicht an Deutlichkeit fehlt.383 Hier wird auch sprachlich bereits die Nähe zum ordre publicVorbehalt deutlich, der in vielen Rechtsordnungen zum Teil kaum von der Anwendung ausländischen Eingriffsrechts getrennt wird384. Auch vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der vor allem als Entgegenkommen gegenüber Großbritannien deutlich enger gefasst werden sollte als der (in Deutschland nicht umgesetzte385) Art. 7 Abs. 1 EVÜ, lässt sich eine übermäßig extensive Auslegung des Merkmals der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung kaum begründen. Andererseits sind die Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO derart offen gehalten, dass eine starke tatbestandliche Einschränkung − auch aus der gegenüber ausländischem Eingriffsrecht skeptischen Sicht Großbritanniens − wenig sinnvoll ist und der Vorschrift in unnötiger Weise wichtige Flexibilität nimmt: Eine weniger enge Auslegung würde aufgrund des großen Ermessensspielraums auf Rechtsfolgenseite keine ernsthafte Gefahr für die Integrität des eigenen Rechtssystems darstellen. Dennoch: Die Unrechtmäßigkeit der Erfüllung darf im Kontext des als Ausnahmeregelung konstruierten Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht zu weit verstanden werden. Der Erwägungsgrund Nr. 37 Rom I-VO zeigt ebenso wie die Entstehungsgeschichte das eindeutige Interesse des Verordnungsgebers an einer engen Auslegung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, dessen Anwendungsbereich im Vergleich zur Vorgängernorm (Art. 7 EVÜ) beschränkt werden
381
Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 112; Hellner, JPIL 2009, 461. Vgl. zu unvollkommenen Verbindlichkeiten allgemein Schreiber, JURA 1998, 270 ff. 383 So auch Einsele, IPRax 2012, 485. 384 Im Hinblick auf die britische Rechtsordnung ausführlich dazu Chong, JPIL 2006, 32 ff. 385 Vgl. dazu oben E. I. 1. a. 382
118
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
sollte.386 Dies begründet auch den offensichtlichen Ausgangspunkt vieler Autoren, Art. 9 Rom I-VO könne grundsätzlich nur Eingriffsnormen mit kassierender Wirkung zur Anwendung bringen, die – gewissermaßen „von oben herab“ – eine Vertragserfüllung an sich unrechtmäßig werden lassen. Auch ein Blick in Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO, der eine Ergänzung des Vertragsstatuts um Regeln des (hier unstreitig: tatsächlichen387) Erfüllungsstaates betreffend die Modalitäten der Vertragserfüllung388 vorsieht, zeigt, dass Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO offenbar einen engeren Anwendungsbereich hat.389 Leider fehlt es jedoch für eine – im Prinzip angezeigte390 – autonome europäische Auslegung bisher an validen Anhaltspunkten wie einer gemeinsamen Rechtstradition oder etablierter europäischer Rechtsprechung. Umgekehrt wird die (verständliche) Orientierung des Großteils der Literatur an traditionellen Beispielen für Eingriffsnormen wie z.B. der Ralli-Entscheidung391 oder anderen − recht offensichtlichen − Fällen vollständiger oder teilweiser Erfüllungsverbote dem heutigen Spektrum der potentiell von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfassten Eingriffsnormen nicht gerecht. Gerade etwa auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts existieren viele Normen, die Modalitäten der Erfüllung zwingend regeln, ohne letztere im eigentlichen Sinne zu verbieten.392 Ausgehend von dem Regelungshintergrund des Art. 9 Abs. 3 Rom IVO können solche Normen, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen einer Eingriffsnorm erfüllen, nicht per se unberücksichtigt bleiben. Schließlich geht es darum, Regelungen zugunsten der Parteien eines Vertrages zu berücksichtigen, die zwar nicht Teil des eigentlich auf das Rechtsverhältnis anwendbaren Rechts sind, die aber die Durchführung dieses Rechtsverhältnisses tatsächlich beeinträchtigen. Sinnvoll erscheint es daher, die Unrechtmäßigkeit der Erfüllung nach dem Telos des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO folgendermaßen zu definieren: Die Erfüllung eines Vertrages ist unrechtmäßig i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO, 386
So auch Garcimartín Alférez, EuLF 2008, Section I, S. 76 f.; juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 7; so im Ergebnis auch Einsele, IPRax 2012, 485. 387 MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 175; Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom IVO, Rn. 79, 82. 388 Vgl. dazu MüKo-Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 177; Staudinger-Magnus, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 81; zum früheren Art. 10 Abs. 2 EVÜ (= Art. 32 Abs. 2 EGBGB a.F.) Lagarde, Revue critique de droit international privé 1991, 333; auch BGH NJW-RR 2006, 1694 (1695), ebenfalls zu Art. 32 Abs. 2 EGBGB a.F. 389 Vgl. PWW-Brödermann/Wegen, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 26, die Art. 9 Abs. 3 Rom IVO in Fällen zwingenden örtlichen Rechts des Erfüllungsstaates als vorrangig ansehen. 390 Vgl. oben E. I. 2. a. 391 Ralli Brothers v. Compania Naviera Soty y Aznar [1920] 2 KB 287. 392 In Deutschland etwa die Verhaltenspflichten bei der Anlageberatung in § 31 WpHG, ausführlich dazu Schwark/Zimmer-Rothenhöfer, § 31 WpHG, Rn. 1 ff.; die Verletzungen einiger dieser Verhaltenspflichten stellen allerdings gem. § 39 Abs. 2 Nr. 15–17 WpHG Ordnungswidrigkeiten dar.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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wenn sich die betreffende Eingriffsnorm derart gegen die – aus dem Kontext des Vertrages heraus zu beurteilende – Erfüllung selbst richtet, dass diese in der vertraglich geschuldeten Form am Erfüllungsort für den Schuldner rechtlich nicht durchführbar ist. Damit fallen weder Eingriffsnormen unter Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, die bestimmte Gestaltungsrechte nach bereits erfolgter Erfüllung begründen (z.B. Widerrufs- oder Rücktrittsrecht)393, noch solche, die lediglich zu einer Undurchsetzbarkeit der geschuldeten Erfüllung führen. Andererseits kann im Spektrum der erfüllungsmodifizierenden Normen danach differenziert werden, ob die Eingriffsnorm die Erfüllung selbst rechtlich − in der vorgesehenen Form − unterbindet oder in sonstiger, nach dem Telos des Art. 9 Rom I-VO irrelevanter Weise auf die Erfüllung einwirkt. Schließlich wird der Großteil der problematischen Normen hier bereits an der Definition der Eingriffsnorm selbst394 scheitern. Der Ausgangspunkt des Rechtsanwenders sollte sich aber stets am Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 3 Rom IVO orientieren, der darin besteht, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, unüberwindbare rechtliche (und damit gegebenenfalls tatsächliche) Probleme am Erfüllungsort im Rahmen der rechtlichen Beurteilung eines Vertrags zu berücksichtigen. c. Unrechtmäßigkeit der Erfüllung aufgrund von Sanktionslisten Das Merkmal der Unrechtmäßigkeit der Erfüllung in Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO erweist sich im Hinblick auf die US-Sanktionsliste (und wohl auch hinsichtlich sonstiger drittstaatlicher Sperrlisten) letztlich als wenig problematisch – nach dem Ausscheiden vieler problematischer Konstellationen aus dem Anwendungsspektrum des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO durch das Erfordernis von Eingriffsnormen des Erfüllungsortes zumal. Die der SDN-Liste des OFAC zugrundeliegende Executive Order 13.224 enthält nämlich vergleichsweise klar strukturierte Anordnungen an ihre jeweiligen Adressaten: Wenn ein von der Executive Order erfasstes Geschäft vorliegt395 − was, wie oben gesehen, häufig auch bei nur mittelbarem geschäftlichen Kontakt zu den Gelisteten der Fall ist – ist dieses vollumfänglich verboten. Zudem müssen die Vermögenswerte Gelisteter gem. Section 1 Executive Order 13.224 eingefroren werden, was ein Verbot von Auszahlungen oder sonstigen Transaktionen mit dem betroffenen Vermögen bedeutet. Wenn also ein Vertrag oder eine vertragliche Pflicht unter die Verbote des SDN-Listenregimes fällt, kann im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ohne Weiteres von einem vollständigen Erfüllungsverbot ausgegangen werden, das sogar das nach besonders strenger, wenngleich unzutreffender Ansicht erfor393 Solche Normen werden indes regelmäßig ohnehin – mangels international zwingenden Charakters – nicht unter den Begriff der Eingriffsnormen fallen. 394 Vgl. oben E. I. 2. 395 Dazu oben D. I. 4.
120
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
derliche Kriterium der Strafbewehrtheit aufweist396. Dabei ist auch unerheblich, ob der entsprechende Listeneintrag vor oder nach Vertragsschluss entsteht, da es auf die Frage, ob die Unrechtmäßigkeit anfänglich besteht oder erst nachträglich eintritt, richtigerweise nicht ankommt.397 Dieses Ergebnis dürfte auch in Fällen sonstiger drittstaatlicher Terrorsperrlisten nicht anders ausfallen: Sanktionslisten – gleich, auf welcher Ebene – gegen Terrorismusfinanzierung werden nämlich stets bestimmte oder gar alle Geschäfte mit den Gelisteten vollständig verbieten. 6. Eingriffsrecht und ordre public-Vorbehalt Die bereits oben beim Begriff der Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Rom I-VO erörterten Bedenken gegen die US-Sanktionsliste vor dem Hintergrund der Grundrechte und Grundfreiheiten sowie anderer rechtsstaatlicher Prinzipien werden, nachdem sie nach der hier vertretenen Ansicht auf begrifflicher Ebene falsch verortet sind, möglicherweise bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO und dem in Art. 21 Rom I-VO normierten ordre public-Vorbehalt relevant. Der ordre public-Vorbehalt des Art. 21 Rom I-VO398 ist im Unterschied zu Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, welcher die Berücksichtigung respektive Wirkungsverleihung drittstaatlicher Eingriffsnormen ermöglichen soll, eine Abwehrvorschrift gegenüber eigentlich anwendbarem Recht, das – vereinfacht gesagt – mit den Grundwerten der lex fori unvereinbar ist.399 Diese unterschiedlichen Zielrichtungen führen dazu, dass das Konfliktpotential zwischen den grundsätzlichen Anwendungsbereichen des Art. 21 und des Art. 9 Abs. 3 Rom IVO nach zutreffender allgemeiner Ansicht recht gering ist.400 Denkbar ist allerdings, dass eine über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO berücksichtigungsfähige Eingriffsnorm ihrerseits gegen den ordre-public-Vorbehalt des Art. 21 Rom I-VO verstößt. Allerdings lässt sich dieses Problem bereits auf Ebene des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO selbst lösen, der in seinem S. 2 ausdrücklich eine Abwägung zwischen den Folgen der Anwendung und Nichtanwendung des Eingriffsrechts vorschreibt, in welche die Wertungen des Art. 21 Rom I-VO einfließen können – oder sogar müssen. Eine Anwendung des Art. 21 Rom I-VO ist somit
396
Siehe oben D. I. 5. Vgl. oben E. I. 5. a. und b. 398 Ausführlich dazu Reichelt, S. 5 ff.; MüKo-Martiny, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 1 ff. m.w.N. 399 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 31, der hier anschaulich von Art. 21 Rom IVO als „Schild“ und Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO als „Schwert“ spricht. 400 Vgl. etwa Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 31; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 31. 397
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
121
nach Durchführung der Prüfung gem. Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO obsolet.401 Daneben spricht auch die allgemeine Systematik des Art. 9 Rom I-VO – insbesondere die vorbehaltlose Anwendbarkeit des forumszugehörigen Eingriffsrechts in Abs. 2 − für einen Vorrang des Eingriffsrechts der lex fori vor ausländischem Eingriffsrecht, was letztlich dem ordre-public-Vorbehalt sehr nahe kommt.402 Eine inhaltliche Überprüfung des über Art. 9 Abs. 3 Rom IVO berücksichtigungsfähigen Eingriffsrechts ist somit richtigerweise wiederum „nach hinten“, namentlich auf Rechtsfolgenebene und die dort angesiedelte Abwägung, zu verlagern. 7. Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO Sehr offen und zudem inhaltlich unklar sind die Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gestaltet. Den (drittstaatlichen) Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 Rom I-VO „[…] kann Wirkung verliehen werden […], Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO. Ferner heißt es: „Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden“ (Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO). a. Ermessen und inhaltliche Abwägung Bereits durch die Rechtsfolgenanordnung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO wird deutlich, dass die Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen zumindest grundsätzlich im Ermessen des Gerichts steht. Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO fordert im Hinblick auf die Entscheidung über die Wirkungsverleihung sodann konkretisierend eine Berücksichtigung von „Art und Zweck“ der Eingriffsnorm sowie eine inhaltliche Abwägung der Folgen, die Anwendung oder Nichtanwendung der drittstaatlichen Eingriffsnorm hätten. Hier liegt der letzte und naheliegendste Anknüpfungspunkt für eine inhaltliche Überprüfung des jeweiligen Eingriffsrechts anhand der rechtsstaatlichen Grundwerte, also einer Art ordre public der lex fori, die – wie oben gesehen: zu Unrecht − bereits auf Ebene der Definition von Eingriffsnormen gefordert wird403. Fast wortgleich war auch der (in Deutschland nicht übernommene404) Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ formuliert405, der lediglich von „Natur und Gegen-
401
So auch Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 31; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 31; wohl a.A. für Eingriffsnormen des Vertragsstatuts Hauser, S. 125. 402 Ebenso Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 87. 403 Oben E. I. 2. c. 404 Vgl. oben E. I. 1. a. 405 Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ: „Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu
122
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
stand“ der zwingenden Bestimmungen anstatt „Art und Zweck“ sprach. Unverändert blieben dagegen die französischen und englischen Sprachfassungen von Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ einerseits und Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO andererseits406, was ebenfalls auf eine diesbezügliche inhaltliche Identität der beiden Normen hinweist.407 Die zu Art. 7 Abs. 1 EVÜ ergangene Literatur kann insofern weiterhin berücksichtigt werden. (1) „Art und Zweck dieser Normen“ Überwiegend wird das Erfordernis der Berücksichtigung von Art und Zweck der Eingriffsnorm im Sinne einer Überprüfung der internationalen Konsensfähigkeit der Wertungen verstanden, die der Norm zugrunde liegen.408 Für eine solche „Internationalisierungsfähigkeit“ des Eingriffsnorminhalts409 nach objektivem Maßstab bestehen laut Hauser zumindest auf europäischer Ebene mittlerweile auch (in vielen Bereichen) ausreichende Kriterien.410 Wenn Art und Zweck der Eingriffsnorm also internationalen Grundwerten – jedenfalls aus europäischer Sicht – widersprechen, darf ihnen nach Art. 9 Abs. 3 Rom IVO keine Wirkung verliehen werden.411 Das Gleiche soll nach verbreiteter Ansicht gelten, wenn Art und Zweck der Eingriffsnorm gegen Grundwerte der lex fori verstoßen, weil diese die entsprechenden Wertungen nicht „[…] teilt oder zumindest akzeptiert“412. Coester schlägt demgegenüber – noch zu Art. 7 EVÜ – vor, lediglich die Vereinbarkeit der generellen nationalen Interessen und Werte des Erlassstaates der Eingriffsnorm mit den Anordnungen selbiger zu prüfen.413 Abgesehen davon, dass die letztgenannte Ansicht dem Vereinheitlichungsgedanken des Art. 9 Rom I-VO zuwiderlaufen könnte414, ist bereits fraglich, welchen Mehrwert diese Prüfung im Zusammenhang mit Art. 9 Rom I-VO berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.“ 406 Englisch: „In considering whether to give effect to those provisions, regard shall be had to their nature and purpose and to the consequences of their application or nonapplication.“; Französisch: „Pour décider si effet doit être donné à ces lois de police, il est tenu compte de leur nature et de leur objet, ainsi que des conséquences de leur application ou de leur non-application.“ 407 So auch Hauser, S. 117; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117. 408 Vgl. etwa MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 119; ähnlich Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117; juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 34. 409 So die Formulierung bei Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117. 410 Hauser, S. 119. 411 Vgl. auch Freitag, IPRax 2009, 111. 412 So ausdrücklich Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117; ebenso MüKoMartiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 119; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 648; auch Pötting, S. 157, mit offengelassenen Kriterien. 413 Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 22. 414 Diese Befürchtung äußert Hauser, S. 119.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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noch generieren soll: Die Frage, ob eine Eingriffsnorm ausreichend gewichtige nationale Interessen fördert oder nicht, ist zum einen bereits auf Tatbestandsebene zu prüfen415 und zum anderen unterliegt die Beurteilung, ob die Wirkung der Norm mit den Grundwerten des Erlassstaates vereinbar ist, kaum dem Gericht des Forumstaates. Denkbar ist daher allenfalls, das Erfordernis der Berücksichtigung von Art und Zweck der Eingriffsnorm als Anordnung einer Überprüfung anhand „internationalisierter“ Grundwerte zu verstehen, die ihren Ausgangspunkt de facto – was auch bei den Ausführungen der Vertreter dieser Ansicht deutlich wird – bei den europäischen Grundwerten haben muss, wollte man sich nicht auf elementarste Grundsätze etwa der Vereinten Nationen beschränken. Das wird auch durch die u.a. von Magnus vertretene Ergänzung um eine Kontrolle auch der Vereinbarkeit des Eingriffsrechts mit den Grundwerten der lex fori deutlich.416 Erneut zeigt sich an dieser Stelle die grundsätzliche Problematik wertender Elemente im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – die im Abs. 3 S. 2 allerdings unzweifelhaft Bestandteil des Gesetzes sind. Insofern kann der Aussage Coesters, Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ sei eine in jede Richtung interpretierbare „Leerformel“, auch im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO ein wahrer Kern nicht abgesprochen werden.417 Denn die Kontrolle anhand (wie auch immer gearteter) politischer oder rechtlicher Grundwerte unterminiert per se den Zweck des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der – wie zu Recht gesagt wird: teilweise in Anlehnung an die Machttheorie418 – die Berücksichtigung tatsächlicher Zwänge durch fremdes Eingriffsrecht ermöglichen soll. Dies erkennt interessanter Weise auch Hauser an, wenn er im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu den in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO angeordneten Ermessensregeln schreibt: „Ob die Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO anwendenden Gerichte noch viel Spielraum bei der Einschätzung von Art und Zweck der ausländischen Eingriffsnorm haben werden, darf man in Anbetracht der Wertung des Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO indes bezweifeln, dem bekanntlich die Regelung innewohnt, dass die Anwendung ausländischen Eingriffsrechts ausschließlich die Funktion zukommt, die Parteien des Vertrages davor zu bewahren, Leistungen erbringen zu müssen, deren Vornahme am Erfüllungsort unrechtmäßig ist.“419 Zugegeben sei zwar, dass Hauser bereits auf Tatbestandsebene eine Kontrolle des Eingriffsrechts anhand eines europäischen Gemeinwohlbegriffs fordert.420 Dennoch sprechen seine Ausführungen im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO genau jenes Problem an, welches in letzter Konsequenz dazu führt, dass eine sinn415
Oben E. I. 2. b. (2). Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 117. 417 Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 25; a.A. Hauser, S. 119. 418 Dazu oben E. I. 1. a. (2). 419 Hauser, S. 120, mit Verweis auf Ferrari/Leible-Harris, S. 328. 420 Vgl. oben E. I. 2. c. 416
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
volle Anwendung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur mit einer weitgehend wertneutralen Betrachtung der tatsächlichen Wirkungen ausländischen Eingriffsrechts möglich ist. Die Ermessensausübungsregel in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO sollte mithin dahingehend verstanden werden, dass eine Unvereinbarkeit der Eingriffsnorm mit den Grundwerten der lex fori – die in Deutschland internationale und europäische Grundwerte inkludiert – dafür spricht, der Eingriffsnorm so wenig Wirkung zu verleihen, wie dies, ohne eine der Parteien in eine ausweglose Situation zu bringen, möglich ist. Vor den tatsächlichen Wirkungen einer Eingriffsnorm kann nämlich auch Art. 9 Rom I-VO nicht die Augen verschließen – und sei die Norm noch so unvereinbar mit hiesigen Grundwerten. Auch hier gilt allerdings: Die Frage, wie stark die Kontrolle der Eingriffsnorm auf ihre Kompatibilität mit den Grundwerten des Forums ausfallen soll, hängt vom jeweiligen Gesamtverständnis der Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ab. Umso mehr von einer eigentlichen Anwendung der Eingriffsnorm, als sei sie also regelrechter Bestandteil des anwendbaren Rechts, ausgegangen wird, desto mehr spricht für eine solche Barriere. Sofern daneben die materiellrechtliche Berücksichtigung der faktischen Wirkung der jeweiligen Normen nicht als gesperrt angesehen wird, kann den Parteien im Falle der Nicht-Berücksichtigung über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO dann gegebenenfalls auf Ebene des Sachrechts geholfen werden. (2) Abwägung der Folgen von Anwendung und Nichtanwendung Ferner ordnet Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO an, bei der Frage, ob der jeweiligen Eingriffsnorm Wirkung verliehen wird, die Folgen der Anwendung oder Nichtanwendung zu berücksichtigen. Während Giuliano/Lagarde die identische Formulierung in ihrem offiziellen Bericht zu Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ noch als Präzisierung der Norm ansehen421, wird sie in der Literatur, wiederum wegen ihrer Inhaltsleere, teilweise scharf kritisiert.422 In der Tat ist nämlich die gerichtliche Berücksichtigung der Folgen einer positiven oder negativen (Ermessens-)Entscheidung hinsichtlich der Wirkungsverleihung einer Eingriffsnorm völlig selbstverständlich – so wie die Folgenberücksichtigung generell Bestandteil aller gerichtlichen Entscheidungen sein sollte. Teilweise wird die Folgenberücksichtigung in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom IVO respektive Art. 7 Abs. 1 S. 2 EVÜ so verstanden, dass – im Sinne einer internationalen Entscheidungsharmonie − auf die Anerkennungsfähigkeit des Urteils in den jeweils beteiligten Staaten abzustellen ist.423 Andere verlangen 421
Vgl. Giuliano/Lagarde, S. 27. Etwa bei Hauser, S. 122. 423 Vgl. Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 25 f.; bereits vor Inkrafttreten des EVÜ von Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 413; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 311. 422
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
125
eine Prüfung der faktischen Durchsetzungsmacht der Eingriffsnorm durch den normerlassenden Staat424 oder eine schlichte Äquivalenzprüfung zwischen den verschiedenen Eingriffs- und Schutznormen sowie Grundwerten der lex fori, der lex causae und des Eingriffsrechts425. Die genannten Ansätze enthalten zwar allesamt Kriterien, die im Zusammenhang mit Art. 9 Rom I-VO eine Rolle spielen (müssen). Allerdings ist es gerade typisch für die von Art. 9 Rom I-VO ins Visier genommene Situation, dass eine Entscheidungsharmonie im Sinne einer allseitigen Anerkennungsfähigkeit von Urteilen schwer möglich ist. Ebenso typisch ist, dass dem eingriffsnormerlassenden Staat, der nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO immerhin Erfüllungsort sein muss426, zumindest eine gewisse faktische Durchsetzungsmacht427 zukommt – andernfalls fehlt es bereits an einer lösungsbedürftigen Situation. Zur allgemeinen Äquivalenzprüfung unter Abwägung der verschiedenen beteiligten Eingriffsnormen, Grundwerte und ordre publics gilt letztlich das bereits Gesagte: Natürlich muss das Gericht abwägen, was im Einzelfall die Folgen einer Wirkungsverleihung oder -versagung sind. Dabei kann aber kein genereller Vorrang bestimmter Rechtsordnungen festgelegt, sondern es muss ein den Interessen der Parteien möglichst gerecht werdender Ausgleich gefunden werden – was wiederum die Anordnung des Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO tatsächlich zu einer Selbstverständlichkeit degradiert. b. „Wirkung verleihen“ Unabhängig von der Frage, wie das in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO geregelte Ermessen auszuüben ist, bleibt unklar, was mit der Rechtsfolge „Wirkung verleihen“ in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO überhaupt gemeint ist. An dieser Stelle wird im Hinblick auf die Interpretationen in der Literatur erneut das Gesamtverständnis der jeweiligen Autoren vom Art. 9 Rom I-VO relevant, da häufig aus dem Blickwinkel der traditionellen Lehren zur Behandlung international zwingender Normen428 argumentiert wird. Es wurde bereits festgestellt, dass Art. 9 Rom I-VO eine Abkehr von der tradierten Lehre von der Einheitsanknüpfung bedeutet429, die grundsätzlich – in all ihren Spielarten – das Eingriffsrecht einer Rechtsordnung als vom internationalprivatrechtlichen Verweis mit erfasst ansieht. In der Literatur wird daher 424
Bereits Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), 185; ebenso Coester, ZVglRWiss 82 (1983), 26; a.A. (generell gegen jegliche Form der Anknüpfung an die Durchsetzungsmacht) Mann, FS Wahl (1973), S. 155 f. 425 Steindorff, EuR 16 (1981), 440. 426 Dazu ausführlich oben E. I. 4. 427 Und sei sie, wie im Fall der US-Terrorliste, auch nur mittelbar gegenüber einer Partei vorhanden. 428 Vgl. dazu den Überblick oben E. 1. a. 429 Vgl. dazu oben (E. I. 3.) den Streit um die Behandlung von Eingriffsnormen der lex causae unter Art. 9 Rom I-VO.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
vornehmlich um die Frage gestritten, ob Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eine regelrechte Sonderanknüpfung der Eingriffsnorm – also ihre eigentliche Anwendung – vorsieht430 oder lediglich eine (materiellrechtliche) Berücksichtigung ihrer Folgen431. Überwiegend wird ein Alternativitätsverhältnis der beiden Modelle vertreten: Die Formulierung „Wirkung verleihen“ lasse gerade offen, ob die Eingriffsnorm nur als Faktum auf Ebene des materiellen Rechts berücksichtigt oder im Wege der Sonderanknüpfung zu eigentlicher Anwendung gebracht würde432 − wobei laut Magnus der Weg über eine Sonderanknüpfung zumindest vorzugswürdig sei433. Demgegenüber möchte Sonnenberger die materiellrechtliche Berücksichtigung zwar neben Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht ausschließen, diese jedoch allenfalls nach Abschluss der kollisionsrechtlichen Prüfung vornehmen und sieht sie somit nicht als eigentliche Rechtsfolge des Art. 9 Rom I-VO. Umgekehrt geben auch die Vertreter der Sonderanknüpfungslehre zu, dass die (Sekundär-)Rechtsfolgen der Eingriffsnorm (zumindest hilfsweise) letztlich dem System der lex causae zu entnehmen sind.434 Die Diskussion um die Bedeutung der Wirkungsverleihung in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ist naturgemäß eng verzahnt mit der später435 zu erörternden Frage, ob Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eine Sperrwirkung gegenüber einer – unabhängig vom Kollisionsrecht stattfindenden – materiellrechtlichen Berücksichtigung der durch eine Eingriffsnorm436 geschaffenen tatsächlichen Zwänge entfaltet. Gleichzeitig zeigt sie, dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Grunde einen Fremdkörper im Internationalen Privatrecht darstellt. Einerseits ist nämlich eine Sonderanknüpfung im eigentlichen Sinne rechtstechnisch kaum durchführbar: Eine fremde Eingriffsnorm entstammt nun mal einer anderen Rechtsordnung als der für die Beurteilung des Vertrages maßgeblichen. Das kann per se zu derart vielen Inkompatibilitäten führen – man denke nur daran, dass sich die Rechtsfolgen eines Ver- oder Gebotes häufig erst aus 430
Reithmann/Martiny-Freitag, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 652; zumindest präferiert auch von Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 121 f.; Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 80. 431 So die Lösung der deutschen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO, vgl. oben E. I. 1. a. (5) m.w.N. 432 Hauser, S. 110; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 122; Freitag, IPRax 2009, 114; a.A. MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 54; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom IVO, Rn. 118, die zwar die materiellrechtliche Berücksichtigung für möglich halten, nicht aber über Art. 9 Rom I-VO. 433 Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 121 f. 434 So etwa MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 121, der nur die „[…]primäre Rechtsfolge, die Sanktion[…]“ der Eingriffsnorm heranziehen und Folgefragen, wie etwa die Nichtigkeit von Verträgen, dem anwendbaren Sachrecht unterstellen möchte. 435 Vgl. unten E. I. 8. 436 Insbesondere einer solchen, die nicht unter den Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 Rom IVO fällt.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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einem komplexen normativen Kontext ergeben – dass am Ende dieser Sonderanknüpfung ohnehin ein Transfer der Grundgedanken der international zwingenden Norm in das Gefüge der lex causae stehen muss. Die, meist öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen lassen sich nämlich ohnehin nicht im eigentlichen Sinne kollisionsrechtlich „anwenden“ und entziehen sich damit dem binären Rechtsfolgensystem des Internationalen Privatrechts (Anwendung oder Nichtanwendung) im Grunde vollständig. Der Sache nach ist somit die „Berücksichtigung“ forumsfremder international zwingender Normen ein Problem des materiellen Rechts.437 Andererseits kann eine rein materiellrechtliche Berücksichtigung der durch Eingriffsnormen geschaffenen Fakten kaum einzige Rechtsfolge einer Vorschrift im Internationalen Vertragsrecht sein und wäre dort auch völlig falsch verortet. Zudem fehlte dafür – und zwar erst recht für eine abschließende Regelung – auch die Kompetenz des europäischen Verordnungsgebers. Im Ergebnis bleibt daher, wenn ein eigener Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erhalten bleiben soll, einzig der Weg einer Quasi-Sonderanknüpfung der Eingriffsnorm über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, die das Ziel haben muss, Tatbestand und Rechtsfolgen der fremden Norm möglichst unverändert in das System des anwendbaren Sachrechts zu integrieren438 − was, bei Lichte betrachtet, aber keine wirklichen Unterschiede zu einer materiellrechtlichen Berücksichtigung aufweist. c. Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Hinblick auf die US-Terrorliste In dem seltenen Fall, dass die Vorschriften der Executive Order 13.224 nicht bereits auf Tatbestandsebene des Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Rom I-VO scheitern439, stellt sich die Frage, wie die Ermessensentscheidung nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO auszufallen hat. Folgt man der Ansicht, die Berücksichtigung von „Art und Zweck“ der Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO umfasse eine Kontrolle der Norm anhand nationaler, europäischer oder internationaler Grundwerte440, ergeben sich in Bezug auf die SDN-Liste zwar erhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere sind die betroffenen Gelisteten – zumindest, wenn es einer 437
A.A. MüKo-Martiny (4. Auflage 2006), Art. 34 EGBGB, Rn. 49, der eine Berücksichtigung nur im materiellen Recht für „unrealistisch“ hält, da dort dann (umgekehrt) die eigentlich kollisionsrechtliche Frage nach der erforderlichen Nähebeziehung zum normerlassenden Staat beantwortet werden müsse. 438 Dieses Problem ergibt sich nicht, wenn die Eingriffsnorm der lex causae entstammt, was – richtigerweise – auch einen Fall des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO darstellt, dazu oben E. I. 3. 439 Das wäre etwa bei US-Dollar-Transaktionen denkbar, deren „Erfüllungsort“ i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO die USA sein können, vgl. oben E. I. 4. f. 440 Dazu oben E. I. 7. a. (1).
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Problemlösung über Art. 9 Rom I-VO überhaupt bedarf – nicht Teil der entsprechenden europäischen, in Deutschland unmittelbar geltenden Sperrlisten. Davon, dass die (deutsche) lex fori die hinter dem betreffenden Listeneintrag stehenden Wertungen per se teilt, kann somit nicht gesprochen werden. Auch ist bekannt441, dass das Zustandekommen der SDN-Liste in vielen Fällen vermutlich nicht den deutschen – und nach Ansicht vieler Kritiker im Übrigen auch nicht den US-amerikanischen442 – rechtsstaatlichen Standards (Stichworte: Transparenz, Richtervorbehalt, Justitiabilität) entspricht, was für eine Unvereinbarkeit der Liste mit den genannten Mindeststandards sprechen könnte. Dass die SDN-Liste des OFAC an der Schwelle der Vereinbarkeit mit den genannten Grundwerten allerdings wirklich scheitert, ist auf den zweiten Blick weit weniger klar. Denn schließlich handelt es sich um die Anti-Terrorliste eines „befreundeten“443 Rechtsstaates, dessen Ziel der Terrorismusbekämpfung von Deutschland durchaus geteilt und, auch im eigenen Interesse, unterstützt wird. Zudem werden auf den europäischen Listen in erheblichem Umfang Listungen der Vereinten Nationen übernommen, die ihrerseits hauptsächlich auf Vorschlägen der USA beruhen444 und somit im Grunde – zumindest potentiell – den gleichen rechtsstaatlichen Defiziten, z.B. hinsichtlich der Informationstransparenz, unterliegen. Insofern bestehen auch erhebliche Unterschiede zu dem sogenannten Sensor-Fall, den ein niederländisches Gericht in den 1980er Jahren zu entscheiden hatte445: Die niederländische Tochter eines US-Konzerns war vertraglich zur Lieferung von Messgeräten an ein französisches Unternehmen verpflichtet, die beim Bau einer sibirischen Pipeline eingesetzt werden sollten. Diese Lieferung wurde mit Verweis auf ein nach Vertragsschluss erlassenes US-Embargo 446 gegen diesen Pipelinebau verweigert, da für Zuwiderhandlungen Geld- und Gefängnisstrafen in den USA drohten.447 Das niederländische Gericht sah die entsprechenden Embargo-Vorschriften der USA grundsätzlich als Eingriffsnormen i.S.d. – in den Niederlanden übernommenen – Art. 7 Abs. 1 EVÜ an448, lehnte die Berücksichtigung im Ergebnis aber wegen Völkerrechtswidrigkeit der Vorschriften
441
Oben D. I. 2. Vgl. insbes. die Kritik Donohues (oben D., Fn. 80). 443 Vgl. oben E. I. 5. a. 444 Oben C. I. 1. b. 445 Urteil Präsident der Rechtsbank Den Haag v. 17.9.1982, Compagnie Européenne des Pétrioles SA vs. Sensor Nederland B.V., Az. 82/716, Übersetzung bei Basedow, RabelsZ 47 (1983), 141 ff. 446 § 385.2 (c) Subsection 2 Export Administration Regulations v. 22.6.1982. 447 Ausführlich Basedow, RabelsZ 47 (1983), 147 ff. 448 Krit. de Boer/Koetting, IPRax 1984, 112. 442
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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und mangels erforderlicher Nähebeziehung449 zum Sachverhalt ab.450 Allerdings käme für die Berücksichtigung eines solchen Embargos Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO schon mangels – wie auch immer gearteten – Erfüllungsorts des Vertrages in den USA nicht in Betracht. Das Argument der etwaigen Völkerrechtwidrigkeit wegen extraterritorialer Wirkung der Norm451 ist zudem wenig zielführend, da diese Eigenschaft letztlich vielen international zwingenden Normen zukommt und daher als Ausschlusskriterium den Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO völlig verengen würde.452 Aber es gibt noch ein weiteres Argument gegen eine (eindeutige) Unvereinbarkeit der US-Terrorliste insbesondere mit europäischen Wertvorstellungen: Einige US-Sanktionen gegen Kuba und dort ansässige Personen und Unternehmen beanspruchten – ähnlich wie heute auch die SDN-Liste des OFAC bezüglich internationalem Terrorismus – schon vor dem 11. September 2001 Geltung über die Grenzen und die eigentliche Rechtsmacht der USA hinaus. Dieser extraterritoriale Geltungsanspruch ist in der Europäischen Union auf starke Ablehnung gestoßen, da die zugrundeliegenden Wertungen – konkret also die traditionellen bilateralen Differenzen zwischen Kuba und den USA – in Europa ausdrücklich nicht geteilt werden und es auch keine entsprechenden Sanktionen seitens europäischer Staaten gibt. Aus diesem Grund wurde die Verordnung (EG) Nr. 2271/96453 erlassen, die den extraterritorialen Geltungsanspruch der entsprechenden US-Sanktionen454 ausdrücklich abwehrt und eine entsprechende Anwendung oder mittelbare Berücksichtigung der US-Vorschriften innerhalb der EU untersagt. Diese Verordnung untersagt folglich auch, den entsprechenden Sanktionen über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO Wirkung zu verleihen und stellt damit nach zutreffender Ansicht Thorns eine ausdrücklich widersprechende und vorrangige Eingriffsnorm der
449 Krit. wegen mangelnder Konkretisierung dieser „Nähebeziehung“ durch das Gericht auch Hauser, S. 65. 450 Zur Völkerrechtswidrigkeit Basedow, RabelsZ 47 (1983), 164 ff. 451 Basedow, RabelsZ 47 (1983), 164 ff.; eine ähnliche Problematik behandelt Fuchs, IPRax 1990, 260 ff., am Beispiel eines englischen Urteils bezüglich US-amerikanischer Vermögensblockaden. 452 Zu bedenken ist außerdem, dass sich das Problem der extraterritorialen Wirkung nur in einem Teil der Fälle stellt, insbesondere freilich im Hinblick auf im Ausland ansässige United States persons. Viele der von der Executive Order 13.224 erfassten Konstellationen weisen indes tatsächliche Bezüge in die USA auf, an die angeknüpft wird. 453 Genauer: VO (EG) Nr. 2271/96 des Rates v. 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen, ABl. EG Nr. L 309/96, S. 1 ff. 454 Welche Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung von der VO (EG) Nr. 2271/96 genau erfasst sind, ist in ihrem Anhang aufgeführt. Es handelt sich hauptsächlich um Sanktionen betreffend Kuba aus den 1990er Jahren.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
lex fori dar455. Dass diese ablehnende Haltung im Falle der US-Terrorsperrliste indes nicht besteht, kann bereits einem Umkehrschluss aus der VO (EG) Nr. 2271/96 entnommen werden. Es wäre nämlich ein Leichtes gewesen, auch die Sperrliste des OFAC bezüglich internationalem Terrorismus in den maßgeblichen Anhang der Verordnung aufzunehmen. Selbst wenn also nicht von einer weitgehenden Wertneutralität des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegenüber Eingriffsrecht ausgegangen wird, ist durchaus nicht gesagt, dass die SDN-Liste des OFAC an einer entsprechenden gerichtlichen Mindestkontrolle wirklich scheitert. Letztlich kann diese Frage daher keinesfalls im Sinne einer generellen Unvereinbarkeit der Executive Order 13.224 mit den genannten Grundwerten beantwortet, sondern muss – bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte – bezogen auf einen konkreten Listeneintrag im Einzelfall untersucht werden. 8. Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegenüber materiellrechtlicher Berücksichtigung der Wirkung einer Eingriffsnorm? Weitgehende Einigkeit besteht über die Frage, ob neben Art. 9 Abs. 3 Rom IVO eine weitere kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung nicht-forumszugehörigen Eingriffsrechts möglich ist, wenn dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind: Hier wird Art. 9 Rom I-VO zu Recht als abschließende Regelung betrachtet456, zumal es für eine gegenteilige Ansicht auch gar keine Indizien gibt.457 Außerdem fehlt es neben Art. 9 Rom I-VO im Hinblick auf vertragliche Schuldverhältnisse auch schlicht an entsprechenden normativen (kollisionsrechtlichen) Alternativen. Teilweise wird allerdings vertreten, Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO entfalte auch gegenüber einer Berücksichtigung der Eingriffsnorm respektive ihrer faktischen Auswirkungen auf Ebene des materiellen Rechts eine Sperrwirkung.458 So argumentiert Thorn, die materiellrechtliche Berücksichtigung sei hinsichtlich des betreffenden Eingriffsrechts ein „Weg der Wirkungsverleihung“459, der nach Systematik und Telos des Art. 9 Rom I-VO ausgeschlossen sei. Auch Mankowski und Hauser sehen eine derartige absolute Sperrwirkung im Art. 9 Rom I-VO, wenngleich sie dieses, aus ihrer Sicht de lege lata zwingende Ergebnis für bedauerlich halten.460 Der europäische Gesetzgeber habe 455
Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 87. Statt vieler Mankowski, IHR 2008, 148; Einsele, WM 2009, 296; Freitag, IPRax 2009, 115; a.A. wohl Heiss/Loacker, JBl. 2007, 644. 457 So auch Hauser, S. 115. 458 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 81; juris-PK-Ringe, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 25; Palandt-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 14. 459 Rauscher-Thorn, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 81. 460 Hauser, S. 116 f.; Mankowski, IHR 2008, 148, der hier den häufig zitierten „Rückschritt gleichsam in die Steinzeit des IPR“ konstatiert. 456
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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die Möglichkeit der Wirkungsverleihung forumsfremder Eingriffsnormen in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO abschließend mit den dort enthaltenen Kriterien geregelt. Hauser spricht gar davon, dass eine materiellrechtliche Berücksichtigung neben Art. 9 Rom I-VO contra legem sei, sofern dessen Voraussetzungen nicht vorliegen und bezeichnet die gegenteilige Auffassung als unzulässigen „Kunstgriff“, der eine, den Wortlaut des Art. 9 Rom I-VO sprengende Umgehung darstelle.461 Ferner wird angeführt, gerade der nach zähen Verhandlungen erzielte Kompromiss, der den Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Vergleich zu Art. 7 Abs. 1 EVÜ deutlich einschränkt, spreche für eine Sperrwirkung der Vorschrift auch gegenüber einer materiellrechtlichen Berücksichtigung, da ansonsten die Begrenzungsfunktion des Art. 9 Rom I-VO ins Leere liefe.462 Die Gegenansicht sieht eine Berücksichtigung der Wirkungen einer Eingriffsnorm auf Ebene des Sachrechts als nicht gesperrt und teilweise sogar als zwingend an.463 Für Sperrwirkungen gegenüber einer sachrechtlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Wirkungen von Eingriffsnormen sei die Rom IVO als Rechtsvereinheitlichungsmaßnahme auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts schlicht nicht zuständig und wolle diese materiellrechtlichen Fragen auch gar nicht regeln.464 Bereits im Zusammenhang mit der 1982 in den Niederlanden ergangenen Sensor-Entscheidung465, die eine Berücksichtigung US-amerikanischer Embargovorschriften über Art. 7 Abs. 1 EVÜ im Ergebnis wegen Völkerrechtswidrigkeit der US-Vorschriften ablehnte, wurde die Berücksichtigung der faktischen Zwangslage im materiellen Recht für erforderlich gehalten.466 Es verwundert, wie energisch zum Teil die absolute Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – also nicht nur gegenüber einer andersartigen kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung, sondern auch gegenüber einer materiell-
461
Hauser, S. 116. Mankowski, IHR 2008, 148; Staudinger, AnwBl 2008, 12; ähnlich Freitag, IPRax 2009, 115, der aber eine „rein faktische“ Berücksichtigung der Wirkung der Eingriffsnorm auf Ebene etwa des Leistungsstörungsrechts für nicht ausgeschlossen hält. 463 Einsele, WM 2009, 296; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 114; MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 63; Staudinger-Magnus, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 124; Vgl. auch Köhler, S. 174 ff., der die Berücksichtigung der faktischen Wirkungen von Eingriffsrecht (zutreffend) ausschließlich der materiellen Ebene zuordnet, daneben aber ein kollisionsrechtliches Konzept für gleichwohl erforderlich hält, vgl. S. 329 f. 464 Einsele, WM 2009, 296. 465 Urteil Präsident der Rechtsbank Den Haag v. 17.9.1982, Compagnie Européenne des Pétrioles SA vs. Sensor Nederland B.V., Az. 82/716, Übersetzung bei Basedow, RabelsZ 47 (1983), 141 ff. 466 de Boer/Koetting, IPRax 1984, 110 (dortige Fn. 15); a.A. wohl Basedow, RabelsZ 47 (1983), 156 ff. 462
132
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
rechtlichen Berücksichtigung – vertreten wird.467 Zwar mag Hauser der Gegenansicht eine gewisse Ergebnisorientiertheit nicht ganz zu Unrecht vorwerfen468, verkennt aber, dass seine Annahme einer materiellrechtlichen Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO das Ergebnis umgekehrt völlig zu ignorieren scheint. Denn anders als die entsprechenden Darstellungen teilweise nahelegen, führt diese Auslegung nicht zu rechtspolitisch unbefriedigenden, sondern geradezu untragbaren Ergebnissen.469 Die Konsequenz eines derartigen Verständnisses wäre nämlich, dass eine Partei gegebenenfalls zu einer Leistung verurteilt würde, die für sie beispielsweise eine strafrechtliche Verurteilung oder andere schwerwiegende Konsequenzen in einem Staat zur Folge hat, der – angesichts der restriktiven tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – durchaus eine enge Verbindung zum Sachverhalt oder mindestens zu einer Partei aufweisen kann, ohne dass die entsprechende Eingriffsnorm den Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfüllt. Abgesehen von der von Einsele zu Recht angeführten fehlenden Kompetenz des Verordnungsgebers für diese materiellrechtliche Fragestellung, kann es unmöglich das von Art. 9 Rom I-VO gewollte Ergebnis sein, zivilrechtliche Generalklauseln wie etwa §§ 275 oder 313 BGB zu überlagern. Dass faktische Zwänge einer Partei im materiellen Zivilrecht, insbesondere dem Leistungsstörungsrecht, berücksichtigt werden müssen, ist nämlich zum einen gar nicht Regelungsgegenstand des Internationalen Privatrechts und zum anderen eine bare Selbstverständlichkeit. Vielmehr wäre umgekehrt ein, das materielle Zivilrecht derart beschneidender Einfluss der Rom I-VO – mit den genannten unvertretbaren Ergebnissen – vor dem Hintergrund der Grundrechte und des richterlichen Willkürverbots auch verfassungsrechtlich überaus bedenklich. Die Vertreter einer absoluten Sperrwirkung nehmen nämlich zum Beispiel die indiskutable Folge in Kauf, dass ein Gericht eine Partei zu einer (wenigstens subjektiv) unmöglichen Leistung verurteilt. Auch das Argument, Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO sperre wegen seiner Eigenschaft als restriktive Kompromisslösung eine Berücksichtigung von Eingriffsrecht auf anderen Ebenen470, erweist sich als nicht tragfähig: Aus Sicht Großbritanniens ist ein möglichst enger Zuschnitt des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nämlich auch ohne eine derartige Sperrwirkung sinnvoll, da die Rom I-VO – anders als das britische materielle Zivilrecht – gemeinschaftsrechtlich und im 467 Vgl. insbes. Hauser, S. 114 ff.; schon vor Inkrafttreten des Art. 9 Rom I-VO Kreuzer, S. 86 ff. 468 Hauser, S. 114. 469 Interessanterweise spricht auch Hauser im Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung gem. Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO davon, dass die Nichtberücksichtigung einer Eingriffsnorm, die tatsächlichen Einfluss auf den Sachverhalt nimmt, „geradezu fahrlässig“ sei, vgl. S. 120 f. 470 Vgl. Mankowski, IHR 2008, 148, der dieses Ergebnis jedoch für überaus unbefriedigend hält.
I. Sperrlisten als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
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Zweifel vom EuGH auszulegen ist. Hier hätten sich mithin durch einen weiteren Tatbestand Risiken ergeben, die, anders als die Rechtslage im nationalen Zivilrecht, nicht dem ausschließlichen Einfluss des britischen Gesetzgebers unterstünden. Wie bereits im Zusammenhang mit mehreren Fragestellungen rund um Tatbestand und Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erwähnt, zeigt sich schließlich auch hier: Die Berücksichtigung forumsfremden Eingriffsrechts ist der Sache nach eine Fragestellung des materiellen Rechts und damit im Kollisionsrecht grundsätzlich falsch verortet. Dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Grunde in seinen Rechtsfolgen auf nichts anderes hinauslaufen kann, als eine Art materiellrechtlicher Berücksichtigung der durch fremdes Eingriffsrecht geschaffenen tatsächlichen Umstände, ist gerade auch seinem restriktiven Tatbestand, insbesondere dem Erfordernis einer Norm des Erfüllungsstaates geschuldet. Ausgehend von dieser Erkenntnis kann vielleicht die Annahme einer materiellrechtlichen Sperrwirkung besser nachvollzogen werden, ist aber m.E. dennoch unvertretbar. 9. Ergebnis zur Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erweist sich im Hinblick auf die Lösung der durch die SDN-Liste des OFAC für Sachverhalte mit deutschem Forum geschaffenen Probleme als völlig unzureichende Regelung. Zwar kann die der Sperrliste zugrundeliegende Executive Order 13.224 noch relativ unproblematisch als Eingriffsnorm klassifiziert werden – wenigstens, wenn richtigerweise auf dieser Ebene (noch) keine, wie auch immer ausgestaltete Prüfung anhand deutscher oder europäischer Grundrechte oder -werte vorgenommen wird. Auch die in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geforderten Rechtsfolgen des Eingriffsrechts (Unrechtmäßigkeit der Erfüllung)471 liegen als Tatbestandsvoraussetzung vor. Allerdings scheitert die überwiegende Mehrzahl der denkbaren Konstellationen spätestens am Erfordernis von Eingriffsnormen des Erfüllungsortes – und zwar weitgehend unabhängig davon, wie dieser konkret definiert wird472. Der extrem restriktive Zuschnitt des Tatbestandes des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO führt – nicht nur in Bezug auf Terrorsperrlisten – dazu, dass die Norm nur noch einen Bruchteil der von ihrem Sinn und Zweck erfassten Problemkonstellationen zu lösen geeignet ist. Dies wird noch verschärft, wenn sich die europäisch-autonome Auslegung der Norm den, im Hinblick auf Eingriffsnormen extrem restriktiven Vorstellungen der britischen Kollisionsrechtstradition unterwirft.
471 472
Ausführlich oben E. I. 5. Dazu oben E. I. 4.
134
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Übrig bleiben somit allenfalls noch Fälle, in denen die USA tatsächlich als Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gesehen werden können.473 Aber auch hier ist durchaus denkbar, dass ein Gericht nach der in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO geregelten Abwägung von einer entsprechenden Wirkungsverleihung absieht. Zu bedenken ist zudem, dass den hier vertretenen Ansichten zur Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale und im Hinblick auf das Erfordernis einer – wo auch immer verorteten – Grundwerte-Kontrolle der Eingriffsnorm überwiegend ein vergleichsweise weites Verständnis des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zugrunde liegt. Die Untauglichkeit des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, das Problem der USTerrorsperrliste einer ausgeglichenen Lösung zuzuführen, ist allerdings nur symptomatisch: Bei Lichte betrachtet handelt es sich nämlich um ein Grundsatzproblem des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der als Vorschrift über die Berücksichtigung der (letztlich doch nur faktischen) Wirkungen fremden Eingriffsrechts im Internationalen Privatrecht ein corpus alienum darstellt. Das zeigen auch eindrücklich die völlig schwammigen Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der durch die Formulierung „[…] kann Wirkung verliehen werden […]“ gleichsam seine eigene Existenzberechtigung im Kollisionsrecht widerlegt. Denn im eigentlichen Sinne angewendet werden kann die drittstaatliche Eingriffsnorm auf das Schuldverhältnis schon in Ermangelung jeglichen rechtlichen Kontextes nicht. Und eine materiellrechtliche FaktenBerücksichtigung, etwa über das Leistungsstörungsrecht, ist schlicht keine taugliche kollisionsrechtliche Rechtsfolge. Sofern allerdings der Eindruck entsteht, die hier vertretene Ansicht sei von einer besonderen Offenheit gegenüber fremdem Eingriffsrecht geprägt, sei gesagt, dass die lediglich materiellrechtliche Berücksichtigung der durch Eingriffsnormen geschaffenen faktischen Zwänge den interventorischen Bestrebungen fremder Staaten gerade weniger formale Anerkennung zukommen lässt als eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung. Vielmehr werden lediglich solche Fakten materiell berücksichtigt, vor denen in letzter Konsequenz ohnehin nicht die Augen verschlossen werden können. Umgekehrt führt eine vermeintlich strenge – wie auch immer geartete – Prüfung der Vereinbarkeit des Eingriffsrechts mit hiesigen Grundwerten im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegebenenfalls zu einer positiven Wertentscheidung zugunsten der drittstaatlichen Norm, die eine weit größere Gefahr birgt, bei den Beteiligten auf rechtspolitisches Unverständnis zu stoßen. Im Ergebnis würden daher die Vorteile einer ersatzlosen Abschaffung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO die damit verbundenen Nachteile weit überwiegen.474 Mindestens aber darf eine materiellrechtliche Berücksich473
Oben E. I. 4. f. Vgl. dagegen – vor Inkrafttreten der Rom I-VO – Sonnenberger, IPRax 2003, 104 ff., der eine Regelung zu Eingriffsnormen grundsätzlich für eine notwendige Ergän474
II. Drittstaatliche Terrorsperrlisten in außervertraglichen Schuldverhältnissen 135
tigung475 der tatsächlichen Wirkungen drittstaatlichen Eingriffsrechts neben Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO keinesfalls gesperrt sein.
II. Kollisionsrechtliche Berücksichtigung drittstaatlicher Terrorsperrlisten in außervertraglichen Schuldverhältnissen II. Drittstaatliche Terrorsperrlisten in außervertraglichen Schuldverhältnissen
Liegt dem durch die Executive Order 13.224 verbotenen Transfer von Vermögenswerten ausnahmsweise ein außervertragliches Schuldverhältnis zugrunde, orientiert sich dieses kollisionsrechtlich an der Rom II-VO476. Die praktische Bedeutung dieser Konstellation dürfte indes erheblich geringer sein als die eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Denkbar sind aber z.B. bereicherungsrechtliche Verhältnisse (Art. 10 Rom II-VO) und – auch das gilt im System der Rom-Verordnungen als außervertragliches Schuldverhältnis477 – Ansprüche aus culpa in contrahendo (Art. 12 Rom II-VO). So kann es etwa im Falle mehrerer hintereinandergeschalteter Stellen – wie es schon bei einfachen bargeldlosen Zahlungen zumeist der Fall ist478 − dazu kommen, dass von Zwischenstellen, zu denen keine eigenen vertraglichen Ansprüche bestehen, blockierte Beträge von Bankkunden bereicherungsrechtlich herausverlangt werden. Insgesamt wird die Relevanz von Eingriffsnormen im Hinblick auf außervertragliche Schuldverhältnisse jedoch mit Recht für vergleichsweise gering gehalten.479 Sollte dennoch eine derartige Konstellation vorliegen, so hilft zumindest die Rom II-VO wenig weiter. In Art. 16 Rom II-VO wurde nämlich auf eine dem Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO entsprechende Regelung für forumsfremde Eingriffsnormen letztlich480 verzichtet. Lediglich die Berücksichtigungsfähigkeit forumseigener Eingriffsnormen wird im einzigen Absatz des Art. 16 zung des IPR hält, sich aber für einen zurückhaltenderen Umgang mit Eingriffsrecht ausspricht und zudem einer ergänzenden materiellrechtlichen Berücksichtigung gegenüber aufgeschlossen ist. 475 Dazu ausführlich oben E. I. 8. 476 Genauer: Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 11.7.2011, ABl. EU Nr. L 199/07, S. 40 ff. 477 Vgl. auch Art. 1 Abs. 2 lit. i) Rom I-VO sowie Erwägungsgrund 10 Rom I-VO. 478 Vgl. beispielhaft die Darstellung der Rechtsbeziehungen im Rahmen der Kreditkartenzahlung bei Einsele, § 6, Rn. 236 ff. 479 Wagner, IPRax 2008, 15; MüKo-Junker, Art. 16 Rom I-VO, Rn. 7, der von einer „Domäne des Internationalen Vertragsrechts“ spricht. 480 Dies entspricht zwar auch dem ursprünglichen Vorentwurf der Rom II-VO v. 3.5.2002 (dazu Leible, RIW 2008, 263), wurde aber im Kommissionsentwurf v. 22.7.2003 (KOM (2003) 429 endg., S. 27) um eine Regelung entsprechend Art. 7 Abs. 1 EVÜ für drittstaatliche Eingriffsnormen ergänzt, die später wieder gestrichen wurde.
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E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Rom II-VO normiert, der – abgesehen von der Geltung für außervertragliche und nicht vertragliche Schuldverhältnisse – fast identisch mit Art. 7 Abs. 2 EVÜ respektive Art. 34 EGBGB a.F. ist. Vor Inkrafttreten des Art. 16 Rom II-VO existierte in Deutschland keine Vorschrift betreffend die kollisionsrechtliche Behandlung von Eingriffsnormen in außervertraglichen Schuldverhältnissen. Wegen der späteren Streichung der im Kommissionsentwurf vom 22.7. 2003481 enthaltenen Regelung betreffend drittstaatliche Eingriffsnormen kommt nach allgemeiner, zutreffender Meinung eine entsprechende Analogie zu Art. 16 Rom II-VO nicht in Betracht.482 Die Frage, ob das Schweigen des europäischen Verordnungsgebers als Verbot einer anderweiten Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen483 angesehen werden muss oder ob dies nur offengelassen werden sollte484, erübrigt sich dadurch, dass in Deutschland schlicht keine andere international-privatrechtliche Sonderanknüpfungsmöglichkeit für Eingriffsnormen im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse besteht.485 Eine Analogie zu Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO wäre zudem bereits auf Tatbestandsebene (Stichwort: Merkmal des Erfüllungsortes) wenig praktikabel486 und mit der Entstehungsgeschichte der RomVerordnungen wohl annähernd so unvereinbar wie eine Analogie zu Art. 16 Rom II-VO selbst. Schließlich bleibt somit im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse nur eine materiellrechtliche Berücksichtigung der Einflüsse von Eingriffsnormen, namentlich der US-amerikanischen oder sonstiger drittstaatlicher Terrorsperrlisten, übrig487 − was nach der hier vertretenen Ansicht ohnehin der einzig sinnvolle Weg, auch im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse, ist.
III. Terrorsperrlisten als Devisenkontrollbestimmungen gem. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen III. Terrorsperrlisten als Devisenkontrollbestimmungen
Hinsichtlich der in der Executive Order 13.224 enthaltenen Vorschriften könnte, sofern sie US-Dollar-Transaktionen betreffen488, Art. 8 Abschnitt 2 481
KOM (2003), 427 endg., S. 27. Statt vieler MüKo-Junker, Art. 16 Rom II-VO, Rn. 23. 483 So Ofner, ZfRV 2008, 23; Wagner, IPRax 2008, 15; Bamberger/Roth-Spickhoff (2. Auflage 2008), EGBGB Anh. Art. 42 (Rom II-VO), Rn. 117. 484 Heiss/Loacker, JBl. 2007, 614; von Hein, VersR 2007, 446. 485 So zutreffend auch MüKo-Junker, Art. 16 Rom II-VO, Rn. 25. 486 Ebenso MüKo-Junker, Art. 16 Rom II-VO, Rn. 28. 487 Vgl. auch von Hein, ZEuP 2009, 24 f. 488 Dazu oben D. I. 4. c. 482
III. Terrorsperrlisten als Devisenkontrollbestimmungen
137
(b) des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds489 (auch: Bretton Woods-Abkommen490, im Folgenden: IWF-Abkommen), relevant werden. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen ist seit Jahrzehnten Gegenstand umfangreicher wissenschaftlicher Diskussion491, da sowohl Rechtsnatur als auch Tatbestand der Norm zahlreiche Fragen aufwerfen. Der Wortlaut der Norm lautet im (völkerrechtlich einzig anerkannten) englischen Wortlaut: „Exchange contracts which involve the currency of any member and which are contrary to the exchange control regulations of that member maintained or imposed consistently with this Agreement shall be unenforceable in the territories of any member […]“
Die deutsche Übersetzung492 lautet: „Aus Devisenkontrakten, welche die Währung eines Mitglieds berühren und den von diesem Mitglied in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen aufrechterhaltenen oder eingeführten Devisenkontrollbestimmungen zuwiderlaufen, kann in den Hoheitsgebieten der Mitglieder nicht geklagt werden […]“
Nach überwiegender Ansicht hat diese, in den Mitgliedstaaten des IWF direkt493 − und ohne etwa die Möglichkeit einer Abwehr über den ordre public494 − anzuwendende Vorschrift, nach der Devisenkontrollbestimmungen aller Mitgliedstaaten in allen anderen Mitgliedstaaten zu beachten sind, eine Zwitterstellung zwischen Sach- und Kollisionsrecht inne495, da sie einerseits auf die Devisenkontrollbestimmungen anderer Mitgliedstaaten verweist, andererseits aber die Unklagbarkeit zuwiderlaufender Verträge als (materielle) Rechtsfolge anordnet.496 Fast jedes Tatbestandsmerkmal sowie die Rechtsfolgen sind inhaltlich umstritten und werden zudem international uneinheitlich ausgelegt.497 Im Folgenden sollen daher lediglich die im Zusammenhang mit der Executive Order 13.224 unmittelbar relevanten Probleme in der gebotenen Kürze angesprochen werden. Als problematisch erweist sich bereits das Erfordernis eines „Devisenkontrakts“. Zwar liegt dieser nach kontinentaleuropäischer, sich international im 489 V. 22.7.1944, in Deutschland in Kraft seit dem 27.12.1945, abgedruckt in der Neufassung (IWF-Gesetz) BGBl. II (1978), S. 13 ff. 490 Das Abkommen war das Ergebnis der von den Finanzministern der späteren Siegermächte des Zweiten Weltkriegs abgehaltenen sog. Konferenz von Bretton Woods (New Hampshire, USA) vom 1.–22.7.1944, vgl. zur Entstehungsgeschichte Cesarano, S. 1 ff. 491 Ausführlich z.B. Staudinger-Ebke, Anh. zu Art. 9 Rom I-VO, Rn. 7-80 m.w.N. 492 BGBl. II (1978), S. 34 f.; ausführlich zur deutschen Übersetzung Ebke, RIW 1991, 1 f. 493 Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 27, Rn. 8. 494 Vgl. Mann, S. 363; ders., JZ 1981, 329; Kohl, IPRax 1986, 286. 495 Berger, ZVglRWiss 96 (1997), 338; MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO Anh. II, Rn. 11. 496 Kohl, IPRax 1986, 286. 497 Vgl. dazu Staudinger-Ebke, Anh. zu Art. 9 Rom I-VO, Rn. 22 ff.
138
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
Vordringen befindlicher498 Ansicht vor, sobald vertraglich eine Transaktion in der Währung eines Mitgliedstaates des IWF geschuldet ist. Nach den strengen Maßstäben des anglo-amerikanischen Rechtskreises muss der Vertrag dagegen gerade den Austausch verschiedener Währungen zum Gegenstand haben.499 Einschränkungen werden aber in jüngerer Zeit auch in Deutschland für den sogenannten „internationalen Kapitalverkehr“ gemacht500, der, anders als „laufende internationale Transaktionen“, nicht vom Begriff des Devisenkontrakts erfasst sein soll.501 Damit würden – nach der im Detail freilich umstrittenen Abgrenzung – etwa langfristige Auslandsinvestitionen oder -kredite sowie Lebensversicherungen vom Anwendungsbereich des Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen ausgenommen sein.502 Bereits auf dieser Ebene ist folglich bei bestimmten US-Dollar-Transaktionen fraglich, ob der Anwendungsbereich des Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen überhaupt eröffnet ist. Die Währung eines Mitgliedstaates ist demgegenüber bereits berührt, wenn eine Einwirkung auf die Zahlungsbilanz des Staates stattfindet. Dies ist praktisch immer dann der Fall, wenn nicht eine vollständige Abwicklung der Transaktion im Ausland stattfindet503 – was, wie oben504 gesehen, bei USDollar-Transaktionen zum einen selten der Fall ist und zum anderen von der Executive Order 13.224 von vornherein nicht erfasst wäre, die an der maßgeblichen Stelle nur von „[…] transaction or dealing […] within the United States“ spricht505. Die genannten Auslegungsschwierigkeiten können allerdings im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, sofern die maßgeblichen Vorschriften der Executive Order 13.224 schon gar nicht als „Devisenkontrollbestimmungen“ i.S.d. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen qualifiziert werden können. Bereits der Auslegungshinweis des IWF-Exekutivdirektoriums aus dem Jahre 1960506 spricht nämlich dagegen, wenn er als Leitlinie für diese Qualifikation die Frage als maßgeblich vorgibt, ob die Bestimmung „[…] eine unmittelbare staatliche Beschränkung der Verfügbarkeit oder des Gebrauchs von Devisen als solchen beinhaltet“. Ein solcher devisenspezifische Bezug ist bei der Executive Order 13.224 nicht zu erkennen. Dieser ist aber selbst nach der weiten Auffassung zu der Frage, ob Vorschriften der nationalen oder 498
MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO Anh. II, Rn. 14. MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO Anh. II, Rn. 15 m.w.N. 500 Insbes. BGH NJW 1994, 390–391 = WM 1994, 54–56; dazu auch Ebke, WM 1994, 1357. 501 Staudinger-Ebke, Anh. zu Art. 9 Rom I-VO, Rn. 25 ff. 502 Ebke, WM 1994, 1358. 503 Natermann, S. 93 f.; Staudinger-Ebke, Anh. zu Art. 9 Rom I-VO, Rn. 39, der ausdrücklich das Clearing-Verfahren als erfasst ansieht. 504 D. I. 4. c. 505 Anhang I; ausführlich zu diesem Tatbestandsmerkmal oben D. I. 4. b. 506 Vgl. Reithmann/Martiny-Thode, Rn. 688 m.w.N. 499
IV. Ergebnis
139
internationalen Sicherheit unter Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen fallen können, erforderlich: Die Bestimmungen müssen demnach zumindest auch die Zahlungsbilanz des Erlassstaates schützen.507 Nach der überwiegend vertretenen Gegenansicht kommen (sicherheits-)politisch motivierte Vorschriften indes gar nicht in Betracht.508 Die Executive Order 13.224 als Devisenkontrollbestimmung i.S.d. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen einzustufen, weil sie – wegen der häufigen Beteiligung von US-Clearingstellen509 – de facto einen Großteil der internationalen US-Dollartransaktionen erfasst, ist mithin mangels jeglichen währungsspezifischen Bezugs kein gangbarer Weg der Berücksichtigung der SDN-Sperrliste.510
IV. Ergebnis zur kollisionsrechtlichen Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten IV. Ergebnis
Die kollisionsrechtliche Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten, insbesondere der US-amerikanischen SDN-Liste betreffend den internationalen Terrorismus, ist insgesamt wenig erfolgversprechend. Der extrem eng gefasste Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eignet sich dafür im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse aus den genannten Gründen – abgesehen von wenigen denkbaren Ausnahmen − letztlich ähnlich wenig wie Art. 16 Rom II-VO im (vorliegend weniger relevanten) außervertraglichen Bereich. Auch können die maßgeblichen Vorschriften, sofern sie US-Dollar-Transaktionen betreffen, nicht als Devisenkontrollvorschriften i.S.d. Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen eingestuft werden. Zwar können Fälle, in denen der Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom IVO die USA sind, gegebenenfalls über diese Vorschrift erfasst werden und kann eine entsprechende gerichtliche Wirkungsverleihung511 hinsichtlich der Executive Order 13.224 gem. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO hier vereinzelt Abhilfe schaffen. Die Fülle der denkbaren Konstellationen, in denen einer Partei mittelbar Sanktionen in den USA drohen, ohne dass die USA Erfüllungsort sind, vermag die Norm indes nicht zu erfassen. Wie oben gezeigt512, sind diese Fälle keineswegs theoretisch: Durch den ausufernden Tatbestand der Executive Order 13.224, der in erheblichem Maße auch die mittelbare „Unter507
So Ebke, S. 255. Reithmann/Martiny-Thode, Rn. 689; wohl auch MüKo-Martiny, Art. 9 Rom I-VO Anh. II, Rn. 33 f. 509 Oben D. I. 4. c. 510 Auch Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 721 ff., der ausführlich die US-Jurisdiktion über internationale US-Dollarvermögen – auch im Hinblick auf die SDNListe des OFAC – untersucht, erwägt eine solche Lösung nicht. 511 Oben E. I. 7. b. 512 Vgl. oben D. I. 6. 508
140
E. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im IPR
stützung“ der Gelisteten erfasst oder auf die (auch mittelbare) „Kontroll- und Besitzerlangung“ der blockierten Vermögenswerte abstellt, werden international tätige Unternehmen mit Geschäftszweigen oder Niederlassungen in den USA weit über die Fälle mit US-Erfüllungsort hinaus von der SDN-Terrorliste adressiert. Eine kollisionsrechtliche Berücksichtigung der US-amerikanischen Terrorsperrliste kann mithin allenfalls teilweise zur Lösung des vorliegend untersuchten Problems beitragen.
F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
Nachdem die kollisionsrechtliche Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im Hinblick auf das vorliegend untersuchte Problem nur in vereinzelten Fällen erfolgversprechend ist1, bleibt noch die Möglichkeit, den (teilweise enormen) faktischen Zwängen der betroffenen Parteien auf Ebene des materiellen Rechts Rechnung zu tragen. Dass dieser Weg durch Art. 9 Rom I-VO richtigerweise nicht gesperrt sein kann, wurde bereits ausführlich erörtert.2 In Betracht kommt zum einen die Nichtigkeit der entsprechenden Rechtsgeschäfte mit Gelisteten nach §§ 134, 138 BGB und zum anderen der Weg über das Leistungsstörungsrecht, namentlich §§ 275 und 313 BGB, sowie schließlich auch § 242 BGB. Im Bereich der US-Dollar-Transaktionen kommt zudem eine vorrangige3 vertragliche Regelung im Rahmen der AGB-Banken und AGB-Sparkassen in Betracht. Grundsätzlich sind bei der Prüfung der materiellen Rechtslage zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden: Einerseits ist denkbar, dass eine Partei eines Rechtsgeschäfts (bei deutschem Forum) schon tatsächlich gar nicht in der Lage ist, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen – also z.B. eine Transaktion durchzuführen, weil diese in einem US-Clearing-System blockiert wird oder sonstige zwischengeschaltete Stellen, deren Mitwirkung erforderlich ist, aufgrund der Sperrliste nicht kooperieren. Andererseits können die faktischen Zwänge der SDN-Liste aber auch nur mittelbar wirken, indem etwa einem Unternehmen im Falle der Erfüllung seiner Leistungspflichten gegenüber einem gelisteten Geschäftspartner die oben genannten4 Sanktionen in den USA drohen, obwohl die Leistung selbst außerhalb der USA zu erbringen ist. Beispielhaft genannt seien hier erneut deutsche Niederlassungen von US-Unternehmen, die gemäß Executive Order 13.224 als United States persons gelten5, oder die Konstellation der (mittelbar wirkenden) „Besitz-
1 Übrig bleiben, sofern die SDN-Liste nicht an einer Grundwerte-Prüfung scheitert, nur noch Fälle, in denen Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO die USA sind. 2 Oben E. I. 8. 3 Wenigstens gegenüber dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht. 4 D. I. 5. 5 Dazu oben D. I. 4. a.
142
F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
oder Kontrollerlangung“6 hinsichtlich blockierter Vermögenswerte durch United States persons, die den Anwendungsbereich und Adressatenkreis der SDN-Liste massiv ausdehnt. Notwendigerweise ist die folgende materiellrechtliche Prüfung stark generalisiert – Aussagen für konkrete Einzelfälle sind kaum möglich. Denn gerade die hier in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anknüpfungspunkte sind stark durch wertende, abwägende Aspekte geprägt und dienen überwiegend der Herstellung einer vom „technischen“ privatrechtlichen Ergebnis abweichenden Einzelfallgerechtigkeit. Ferner tritt eine weitere Einschränkung der Untersuchung hinzu: Die Frage, ob und wie sich die tatsächlichen Auswirkungen drittstaatlicher Terrorsperrlisten zivilrechtlich darstellen lassen, kann freilich nur für Fälle mit deutscher lex causae beantwortet werden – auch, wenn zu vermuten ist, dass Grundsätze ähnlich den §§ 134, 138, 242, 275, 313 BGB in den meisten Rechtsordnungen existieren.7 Diese Einschränkung besteht bei den vorstehenden Ausführungen zu Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht, da dieser, nach zutreffender Ansicht, auf alle nicht forumseigenen Eingriffsnormen (ansonsten: Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) anwendbar ist, die Anwendung deutschen Sachrechts somit bei Sachverhalten mit deutschem Forum nicht voraussetzt.
I. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit Gelisteten I. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit Gelisteten
Die betroffenen Rechtsgeschäfte, also insbesondere Verträge mit oder (mittelbar) zugunsten in den USA gelisteter Personen oder Unternehmen und sonstigen Organisationen, könnten gem. § 134 BGB aufgrund eines gesetzlichen Verbots oder nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. 1. Gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot wird bei ausländischen Verbotsnormen – wie es auch fremde Terrorsperrlisten (in ihrem jeweiligen normativen Kontext) sind – in Rechtsprechung8 und Literatur9 einhellig verneint. Im Falle der Anwendung deutschen Sachrechts könne allenfalls eine über das IPR (also
6
Ausführlich oben D. I. 3. und 4. Vgl. etwa (für die Störung der Geschäftsgrundlage) Zweigert/Kötz, § 37, S. 516 ff. 8 Bereits RGZ 108, 241 (243); RGZ 161, 298 (299); später BGHZ 55, 334 (339) = NJW 1971, 983 (984); BGHZ 59, 82 (85) = NJW 1972, 1575 (1576); BGHZ 69, 295 (296) = NJW 1977, 2356 (2356). 9 Mankowski, RIW 1994, 689; Staudinger-Sack/Seibl, § 134 BGB, Rn. 48; PWWAhrens, § 134 BGB, Rn. 9. 7
I. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit Gelisteten
143
z.B. über Art. 9 Rom I-VO) berufene Norm als Verbotsgesetzt gelten.10 Damit freilich werden die bekannten Unklarheiten hinsichtlich der Rechtsfolgenanordnungen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO wieder auf den Plan gerufen.11 Drittstaatliche Terrorsperrlisten, insbesondere die SDN-Liste des OFAC, auch dann als Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB12 zu qualifizieren, wenn sie nicht unter Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO fallen13, ist in der Tat abzulehnen. Die Executive Order 13.224 stellt schlicht kein in Deutschland anwendbares Recht dar.14 Zudem sind die Rechtsfolgen des § 134 BGB im Hinblick auf das vorliegende Problem erheblich zu undifferenziert: Würde die SDN-Liste als Verbotsgesetze eingestuft, wären nämlich sämtliche nach dem Anwendungswillen der Executive Order 13.224 erfassten Rechtsgeschäfte ohne weitere Prüfung nichtig – unabhängig davon, ob die Durchführung einer Partei tatsächlich Probleme bereiten kann oder nicht. 2. Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB Einen flexibleren Anknüpfungspunkt für eine etwaige Nichtigkeit gegen die Executive Order 13.224 verstoßender Rechtsgeschäfte bietet § 138 Abs. 1 BGB.15 Die Vorschrift ist in höchstem Maße konkretisierungsbedürftig und daher seit Jahrzehnten Gegenstand eines umfangreichen wissenschaftlichen Diskurses.16 a. Konkretisierungsansätze des Sittenverstoßes und Berücksichtigung ausländischer Normen Als Grundformel hat sich zu § 138 Abs. 1 BGB herausgebildet, dass ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, wenn es gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt – eine Formel, die den Motiven zu § 826 BGB entliehen17 und freilich ebenso konkretisierungsbedürftig ist wie 10
Staudinger-Sack/Seibl, § 134 BGB, Rn. 49, die im Folgenden aber (konsequent) eine Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO für eine Berücksichtigung über § 138 BGB verneinen. 11 So auch MüKo-Armbrüster, § 134 BGB, Rn. 40, der der „vagen Fassung“ des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO abspricht, zur Klärung des Rechtsfolgen-Problems beizutragen. 12 Ausführlich zu den Kriterien für die Bestimmung von Verbotsgesetzen sowie Inhalt und Rechtsfolgen des § 134 BGB Amm, S. 1 ff. 13 Selbst dann ist eine „Wirkungsverleihung“ in Gestalt der Anwendung des § 134 BGB zweifelhaft. 14 Anders könnte dies im Lichte des Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen z.B. gesehen werden, wenn die Executive Order 13.224 (unzutreffend) als Devisenkontrollvorschrift klassifiziert würde – so auch das Beispiel bei Staudinger-Sack/Seibl, § 134 BGB, Rn. 53. 15 Das Wucherverbot in § 138 Abs. 2 BGB kommt vorliegend von vornherein nicht in Betracht. 16 Statt vieler Eckert, AcP 199 (1999), 337 ff.; Lindacher, AcP 173 (1973), 124 ff. 17 Vgl. Motive II 727.
144
F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
ihr gesetzlicher Ausgangspunkt.18 Die Unfähigkeit von Literatur und Rechtsprechung, „harte“ Kriterien für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit herauszubilden, liegt allerdings in der Natur der Sache: § 138 Abs. 1 BGB entzieht sich mit seiner Korrektur- und Lückenfüllfunktion19 als Generalklausel bewusst einer derartigen Konkretisierung20, sodass im Einzelfall entschieden werden muss und soll, ob ein Rechtsgeschäft gegen die in Deutschland herrschende „Rechts- und Sozialmoral“21 verstößt. Umstritten ist ferner, ob der Sittenverstoß gem. § 138 Abs. 1 BGB eines subjektiven Elements im Sinne einer Kenntnis der sittenwidrigkeitsbegründenden Umstände bedarf.22 Während die Rechtsprechung dies traditionell (in unterschiedlicher Gestalt) fordert23, befindet sich in der Literatur die Gegenansicht im Vordringen, die, sofern nicht die Sittenwidrigkeit gerade auf subjektiven Zielsetzungen beruht, einen objektiven Sittenverstoß ausreichen lässt24. Ob ausländische Normen wie die Executive Order 13.224 überhaupt bei der Bestimmung der Sittenwidrigkeit herangezogen werden können, ist indes fraglich. Klar ist zwar, dass ausländische Gesetze und Moralvorstellungen nicht das deutsche Verständnis der Sittenwidrigkeit prägen können, da hier eindeutig ein inländischer (allenfalls europäischer) Maßstab anzulegen ist.25 Allerdings kann es zu einer Übereinstimmung der entsprechenden hiesigen und der ausländischen Interessen kommen, die eine Sittenwidrigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts nach § 138 BGB begründen kann.26 Diesen Weg ist vor Geltung des Art. 9 Rom I-VO teilweise auch die deutsche Rechtsprechung hinsichtlich drittstaatlicher Eingriffsnormen gegangen.27 Eine solche Übereinstimmung liegt z.B. vor, wenn mit dem ausländischen Gesetz gleich-
18
Krit. daher Heldrich, AcP 186 (1986), 94; Sambuc, S. 33 f. Vgl. zu letzterem Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 25 ff. 20 Hedemann, S. 58; Canaris, S. 16, 26 ff., 39; Sack, WRP 1985, 2; Mayer-Maly, AcP 194 (1994), 175. 21 Statt vieler Eckert, AcP 199 (1999), 345 f.; anders Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 19 ff., die – zutreffend – eine Differenzierung zwischen autonomer und heteronomer Moral fordern und nur letztere im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB als maßgeblich anerkennen. 22 Ausführlich Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 74–81. 23 Bereits RGZ 97, 254 (255); später BGHZ 10, 228 (233) = NJW 1953, 1665 (1666); BGH NJW 1988, 1373 (1374); BGHZ 146, 298 (301) = NJW 2001, 1127. 24 Esser, ZHR 135 (1971), 330 ff.; Eckert, AcP 199 (1999), 350 f.; MüKo-Armbrüster, § 138 BGB, Rn. 129 ff.; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 75 ff. 25 MüKo-Armbrüster, § 138 BGB, Rn. 16 f. 26 Fikentscher/Waibl, IPRax 1987, 86; Palandt-Ellenberger, § 134 BGB, Rn. 2. 27 Beispielhaft BGHZ 34, 169 (177) = NJW 1961, 822 (823); BGHZ 94, 268 (270, 272) = NJW 1985, 2405 (2406); vgl. zudem oben E. I. 1. a. (5). 19
I. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften mit Gelisteten
145
zeitig grundlegende deutsche Gerechtigkeitsvorstellungen28 oder die „allgemein zu achtenden Interessen der Völker“29 geschützt werden. Konkret erklärte der BGH in den 1960er Jahren einen Kaufvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB für nichtig, der den Export rüstungsrelevanter Chemikalien in den (damaligen) Ostblock zum Gegenstand hatte und damit gegen USamerikanische Embargogesetze verstieß.30 Die sicherheitspolitischen Hintergründe der Embargobestimmungen dienten nach Aussage des BGH der „Aufrechterhaltung des Friedens und der freiheitlichen Ordnung des Westens“31 und damit auch deutschen Interessen. b. Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen die SDN-Liste des OFAC Die Argumentation des BGH hinsichtlich der US-Embargobestimmungen kann möglicherweise auf die SDN-Liste des OFAC übertragen werden. Sie dienen nämlich der Bekämpfung des internationalen, vor allem radikalislamischen Terrorismus, also einem staatspolitischen Ziel, was von der Bundesrepublik Deutschland geteilt wird und daher mit der hiesigen Rechts- und Sozialmoral durchaus in Übereinstimmung gebracht werden kann. Das zeigen nicht zuletzt auch die umfangreichen Listenregimes auf europäischer Ebene, die, zumindest abstrakt, letztlich dem gleichen Zweck wie die SDN-Terrorliste dienen. Dennoch bestehen zwischen der Entscheidung des BGH zu US-Embargobestimmungen gegenüber dem (ehemaligen) Ostblock und der Terrorsperrliste erhebliche Unterschiede. Anders als die Embargobestimmungen richtet sich die Liste nämlich nicht gegen einen klar definierbaren Gegner in Form eines anderen Staates oder Verteidigungsbündnisses, sondern gegen Individuen, deren tatsächliche Verstrickung in terroristische Aktivitäten im Einzelfall bestenfalls unklar, gegebenenfalls sogar höchst zweifelhaft sein kann. Die Annahme einer generellen Sittenwidrigkeit jeglichen Verstoßes gegen die SDN-Liste des OFAC nach deutschem Zivilrecht ist somit – anders als bei Rüstungs-Embargos gegenüber bestimmten Staaten – nicht vertretbar. Gerade, wenn sich die SDN-Liste mit den in Deutschland geltenden Listen im Hinblick auf den betreffenden Eintrag nicht deckt32, kann sehr fraglich sein,
28
Mankowski, RIW 1994, 687; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 655. BGHZ 69, 295 (298) = NJW 1977, 2356 (2357) − Vertrag über Fluchthilfe aus der DDR. 30 BGHZ 34, 169 (177) = NJW 1961, 822 (823). 31 BGHZ 34, 169 (177) = NJW 1961, 822 (823). 32 Anders (und dadurch weit weniger problematisch) war hingegen die Situation im Fall OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354–1357: Hier war das streitgegenständliche Rechtsgeschäft bereits nach – wie das OLG zutreffend feststellte: vorrangigen – EU-Vorschriften (betreffend den Iran, nicht den Terrorismus) verboten. 29
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F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
ob eine Übereinstimmung der hiesigen mit den US-amerikanischen Rechtsund Sozialmoralvorstellungen überhaupt noch vorliegt. § 138 Abs. 1 BGB birgt im Hinblick auf US-amerikanische – oder sonstige drittstaatliche – Terrorlisten zudem ein strukturelles Problem: Als Nichtigkeitsvorschrift, die gleichsam an die Verwerflichkeit eines Rechtsgeschäfts anknüpft, geht § 138 Abs. 1 BGB über eine bloße Berücksichtigung der tatsächlichen Zwänge einer (Vertrags-)Partei hinaus und missbilligt den eigentlichen Inhalt eines Rechtsgeschäfts. Das erweist sich im Zusammenhang mit der US-Terrorliste aus zwei Gründen als problematisch: Zum einen kann – auch angesichts des rechtsstaatlich teilweise überaus kritischen Zustandekommens der SDN-Liste33 − von einer derartigen Missbilligung jeglicher Rechtsgeschäfte mit einem Gelisteten nicht grundsätzlich ausgegangen werden. Zum anderen sind die Sanktionen der Executive Order 13.224 aber im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit auch inhaltlich zu weitgehend. Sie verbieten nämlich nahezu jeglichen Austausch von Leistungen mit den Gelisteten34 und enthalten – anders als (teilweise) die entsprechenden EU-Listenregimes – kaum Ausnahmen für die Bedürfnisse des täglichen Lebens der betroffenen (natürlichen) Personen35. Eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB würde somit bedeuten, jeglichen rechtsgeschäftlichen Kontakt zu den Betroffenen wegen US-amerikanischer Antiterror-Vorschriften als sittenwidrig, also immerhin als „gegen die herrschende Sozial- und Rechtsmoral“ verstoßend, einzuordnen. Dieses Ergebnis mag zwar im Einzelfall begründbar sein36, ist aber pauschal kaum vertretbar.37 Die Anknüpfung nicht an den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, sondern an die beteiligten Personen als Grund für die Sittenwidrigkeit, erscheint zudem auch unter rechtsstaatlichen oder – um im Bild zu bleiben – rechtsmoralischen Gesichtspunkten überaus bedenklich.38 Diese Nachteile indes hat eine Lösung über das Leistungsstörungsrecht, welches vornehmlich auf die Perspektive des Schuldners und dessen (problematische) Situation abstellt, ohne eine inhaltliche Missbilligung des Rechtsgeschäfts selbst vorauszusetzen, nicht. Die vorliegend vertretenen Ansichten, die SDN-Liste des OFAC hielte einerseits zwar grundsätzlich einer (wie auch immer verorteten und gearteten) Prüfung einer Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Rom I-VO anhand deutscher und
33
Dazu oben D. I. 2. Vgl. zur Reichweite der Verbote der Executive Order 13.224 oben D. I. 3. und 4. 35 Zu den Ausnahmetatbeständen der Executive Order 13.224 oben D. I. 3. 36 Etwa bei bewusster Täuschung des Vertragspartners durch Strohmanngeschäfte. 37 Siehe auch Mankowski, RIW 1994, 690 f. sowie MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 425, die davor warnen, § 138 BGB als Ersatz für eine kollisionsrechtlich gescheiterte Sonderanknüpfung zu sehen. 38 Vgl. etwa zu dem – keineswegs vergleichbaren – beschämenden Missbrauch der Sittenwidrigkeitsvorschrift zur Zeit der NS-Diktatur Wanner, S. 88 ff. 34
II. Vertragliche Regelungen bei US-Dollar-Geschäften
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europäischer (Rechts-)Grundwerte stand39, führte andererseits aber nicht zu einer Sittenwidrigkeit entsprechender Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB, stehen dabei nicht im Widerspruch: Die (insgesamt verzichtbare)40 Grundwerte-Kontrolle drittstaatlicher Eingriffsnormen im Rahmen des Art. 9 Rom I-VO hat nämlich lediglich abwehrende Funktion gegenüber entsprechend inkompatiblem Eingriffsrecht. Ein entgegen der Eingriffsnorm (also der Executive Order 13.224) vorgenommenes Rechtsgeschäft als sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB einzustufen, ist ein weiterer Schritt mit völlig anderer Zielrichtung, der im Ergebnis aus den genannten Gründen nicht gangbar ist. Unabhängig von der schon dem Grunde nach mangelnden Sittenwidrigkeit der entsprechenden Rechtsgeschäfte ist § 138 Abs. 1 BGB in einigen Fällen aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt untauglich: Nach nahezu einhelliger Ansicht kommt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt der Vornahme eines Rechtsgeschäfts an.41 Wird ein entsprechender Eintrag erst nach Abschluss des Rechtsgeschäfts in die SDN-Liste aufgenommen, scheidet § 138 Abs. 1 BGB mithin von vornherein aus.42 Wird ferner mit der Rechtsprechung ein subjektives Element für den Sittenverstoß im Sinne einer Kenntnis der sittenwidrigkeitsbegründenden Umstände gefordert43, ist § 138 Abs. 1 BGB nicht anwendbar, wenn die Parteien die entsprechende Listung bei Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht kannten.
II. Vertragliche Regelungen bei US-Dollar-Geschäften in den AGB-Banken und AGB-Sparkassen II. Vertragliche Regelungen bei US-Dollar-Geschäften
Liegen einem Geschäft, das die Verfügung über US-Dollar-Guthaben eines Bankkunden zum Inhalt hat, die AGB-Banken oder die AGB-Sparkassen zugrunde44, so enthalten Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken bzw. die inhaltlich identische Nr. 13 AGB-Sparkassen möglicherweise eine, gegenüber dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht vorrangige, vertragliche Regelung für den Fall, dass solche Transaktionen aufgrund der SDN-Liste des OFAC nicht 39
Vgl. oben E. I. 2. c. sowie E. I. 7. c. Oben E. I. 9. 41 Bereits RGZ 128, 1 (5); später BGHZ 125, 206 (209) = NJW 1994, 1278; BVerfG NJW 2001, 927; Bunte, NJW 1983, 2675; Wolf/Neuner, § 46, Rn. 26; Medicus, NJW 1995, 2578; ausführlich Schmoeckel, AcP 197 (1997), 1 ff., 55 f.; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 94. 42 In diesem Fall wird jedoch teilweise ein Leistungsverweigerungsrecht gem. §§ 313 oder 242 BGB angenommen, vgl. Wolf/Neuner, § 46, Rn. 26; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB, Rn. 99 m.w.N.; zu §§ 313 und 242 BGB unten F. III. 43 Vgl. oben F. I. 2. a. 44 Zu den AGB-Banken instruktiv Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 4, Rn. 1 ff. 40
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F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
mehr möglich sind. Ein tatsächlicher und unmittelbarer Konflikt mit der Executive Order 13.224 kann, wie oben gesehen, bei US-Dollar-Transaktionen wegen der häufigen Beteiligung von US-Clearingstellen45 leicht auftreten. Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken lautet: „Vorübergehende Beschränkung der Leistung durch die Bank. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens (Absatz 1) oder zur Erfüllung einer Fremdwährungsverbindlichkeit (Absatz 2) ist in dem Umfang und solange ausgesetzt, wie die Bank in der Währung, auf die das Fremdwährungsguthaben oder die Verbindlichkeit lautet, wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignisse im Lande dieser Währung nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung, in einer anderen Währung (auch nicht in Euro) oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens ist dagegen nicht ausgesetzt, wenn sie die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann. Das Recht des Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt.“
Sofern also eine deutsche Bank über das US-Dollar-Guthaben eines Kunden wegen eines entsprechenden Eintrags in der SDN-Liste nicht mehr verfügen kann, ist sie für die Dauer dieser Blockade von ihrer Leistungspflicht befreit, da es sich bei der Blockade von US-Dollar-Guthaben aus Gründen der Terrorismusbekämpfung eindeutig um eine politisch bedingte Maßnahme i.S.d. Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken/Nr. 13 AGB-Sparkassen handelt.46 Die Vorschriften werden AGB-rechtlich mit Blick auf § 307 BGB einhellig als zulässig angesehen.47 Dies wird – zutreffend – damit begründet, dass Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken respektive Nr. 13 AGB-Sparkassen ohnehin die auftragsrechtliche Risikoverteilung widerspiegeln48 und über § 275 BGB auch kein anderes Ergebnis erreicht würde49. Zudem habe der Kunde das Risiko durch sein Fremdwährungsguthaben selbst geschaffen und trüge dies auch, wenn er selbst – also nicht vermittelt durch seine (deutsche) Bank – ein Konto in dem betreffenden Land unterhielte.50 In der Tat regeln Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken/Nr. 13 AGB-Sparkassen lediglich einen Ausschluss der Leistungspflicht der Bank, der auch über § 275 Abs. 1 BGB im Falle der tatsächlichen Blockade von US-Dollar-Guthaben 45
Vgl. oben D. I. 4. c. Als Beispiele hierfür werden Zahlungsverbote, Devisenbeschränkungen, Moratorien, Krieg, Aufruhr etc. genannt, vgl. Bunte, AGB-Banken, Rn. 249. Nicht unter Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken sollen dagegen Diebstahl, Insolvenz einer ausländischen Filiale der Bank o.Ä. fallen, vgl. Kümpel/Wittig-Peterek, Rn. 6.308. 47 Bunte, AGB-Banken, Rn. 250; Kümpel/Wittig-Peterek, Rn. 6.309 m.w.N. 48 Ebenroth/Boujong/Joost-Grundmann, Bank- und Börsenrecht I, Rn. 233. 49 Baumbach/Hopt-Hopt, AGB-Banken Nr. 10, Rn. 5; Bunte, AGB-Banken, Rn. 249. 50 Kümpel/Wittig-Peterek, Rn. 6.309. 46
III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht
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auf einem entsprechenden Nostrokonto51 erreicht würde. Einen eigenständigen Regelungsinhalt hat die AGB-Klausel dennoch: Während bei Unmöglichkeit einer Fremdwährungsverbindlichkeit teilweise die Umwandlung in eine Verbindlichkeit in der Heimatwährung vertreten wird 52 − teilweise auch, indem sich die Ersetzungsbefugnis des § 244 Abs. 1 BGB in diesem Fall in eine Ersetzungspflicht umwandeln soll53 − erteilen Nr. 10 Abs. 3 S. 2 AGBBanken/Nr. 13 S. 2 AGB-Sparkassen dieser Umwandlung eine Absage. Abgesehen von der weitgehenden Identität der in Nr. 10 Abs. 3 AGBBanken/Nr. 13 AGB-Sparkassen enthaltenen Regelung mit den Ergebnissen, die auch über das allgemeine Schuldrecht erzielt würden, sind die von der Vorschrift erfassten Fälle aber noch aus einem anderen Grund vergleichsweise unproblematisch: Hier kann nämlich durchaus davon ausgegangen werden, dass der Erfüllungsort i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO (zumindest partiell)54 in den USA liegt und daher hinsichtlich der Executive Order 13.224 ausnahmsweise tatsächlich eine Wirkungsverleihung55 gem. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO stattfinden kann.
III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht
Neben dem Weg über Nichtigkeitsregelungen wie § 138 BGB ist es denkbar, die durch drittstaatliche Terrorsperrlisten – insbesondere die SDN-Liste des OFAC – bedingte Situation einer (Vertrags-)Partei über das allgemeine Leistungsstörungsrecht, namentlich §§ 275, 313 oder 242 BGB, einer Lösung zuzuführen. Das Leistungsstörungsrecht ist, wie bereits im Zusammenhang mit § 138 BGB erwähnt56, schon perspektivisch ein passenderer Anknüpfungspunkt für eine Lösung der entsprechenden Problemkonstellationen, da es hier maßgeblich um die Sicht des Schuldners und dessen Unvermögen oder die Unzumutbarkeit einer Leistungserbringung ankommt und nicht – wie etwa bei § 138 Abs. 1 BGB – der gesamte Leistungs- oder Vertragsinhalt rechtlich missbilligt wird. Es liegt auf der Hand, dass hier nicht solche Konstellationen von Interesse sind, die bereits über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gelöst werden können – weil z.B. (unter anderem) das Erfordernis des Erfüllungsortes (im Falle der SDN51
Ein Nostrokonto ist ein für eine andere Bank geführtes Korrespondenzkonto. Winden, DB 1953, 549; ausführlich Staudinger-K. Schmidt, § 244 BGB, Rn. 61 ff. m.w.N. 53 So bereits Beitzke, NJW 1950, 929; Staudinger-Weber (11. Auflage 1967), Vorbem. zu §§ 244, 245 BGB, Rn. 748; differenzierend (über § 242 BGB) allerdings Staudinger-K. Schmidt, § 244 BGB, Rn. 62 ff. 54 Vgl. zum Problem multipler Erfüllungsorte oben E. I. 4. c. 55 Zu den unklaren Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO siehe oben E. I. 7. 56 Vgl. oben F. I. 2. b. 52
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F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
Liste: USA) gegeben ist – sondern Fälle, in denen die Leistungserbringung durch die „Rechtsmacht“ der USA zwar nicht direkt verhindert werden kann, die Vertragspartner Gelisteter respektive deren US-Niederlassungen oder dortigen Mitarbeiter sich aber den gravierenden Sanktionen in den USA ausgesetzt sehen – oder davon zumindest bedroht sind – und deshalb die Erfüllung von Verbindlichkeiten verweigern.57 Außerdem gilt es zu bedenken, dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht alle denkbaren vertraglichen Schuldverhältnisse erfasst, sondern Art. 1 Rom I-VO einige Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Verordnung enthält. Zu nennen sind hier etwa Wechsel- und Scheckverbindlichkeiten58, Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO, und die Gründung und spezifischen Rechtsbeziehungen von Trusts, Art. 1 Abs. 2 lit. h Rom I-VO. 1. Ausschluss der Leistungspflicht gem. § 275 BGB Die Pflicht eines Schuldners zur Erbringung vertraglicher – oder auch außervertraglicher – Leistungen gegenüber einem auf der SDN-Terrorliste des OFAC gelisteten Gläubigers könnte möglicherweise gem. § 275 BGB ausgeschlossen sein, da dem Schuldner im Falle der Erfüllung – insbesondere, wenn es sich um internationale Unternehmen mit entsprechenden Verbindungen in die USA handelt – gegebenenfalls59 erhebliche straf- und ordnungsrechtliche Konsequenzen in den USA drohen. Die Frage, ob sich die vorliegenden Konstellationen unter § 275 BGB subsummieren lassen, wirft eine Fülle von Abgrenzungsschwierigkeiten auf und so ergibt sich hinsichtlich der Behandlung ausländischer Eingriffsnormen sowie der mit ihnen verbundenen drohenden Sanktionen im System des § 275 BGB ein sehr uneinheitliches Bild in Literatur und Rechtsprechung, was durch die fließenden Übergänge insbesondere des § 275 Abs. 2 BGB zu den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB nicht an Klarheit gewinnt. Innerhalb des § 275 BGB ist die Frage, ob eine nach der Executive Order 13.224 verbotene Leistung in den jeweiligen Konstellationen unter § 275 Abs. 1 BGB fallen kann, eng verknüpft mit dessen Verhältnis zu der in § 275 Abs. 2 BGB geregelten Unzumutbarkeit der Leistung, die lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht begründet60. 57
Zu den denkbaren Konstellationen oben D. I. 6. Was andere handelbare Wertpapiere betrifft, so sind nur die sich aus der Handelbarkeit ergebenden Verpflichtungen ausgenommen. Die (persönlichen) Einwendungen eines Wertpapierschuldners aus §§ 275, 313 BGB sind davon nicht erfasst: ausführlich zum Ausnahmetatbestand Staudinger-Magnus, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 63 ff.; vgl. auch Einsele, WM 2009, 294 f. 59 Vgl. zu den Konstellationen oben D. I. 6. 60 MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 67. 58
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Aufgrund der zahlreichen Abgrenzungsschwierigkeiten werden zunächst die Vorfragen geklärt, welche Sachverhaltskonstellationen vorliegend differenziert werden müssen und, ob § 275 BGB überhaupt geeignet ist, auch Geldschulden zu erfassen – was häufig Inhalt einer aufgrund der SDN-Terrorliste verweigerten Leistung sein wird. a. Relevante Sachverhaltskonstellationen Für die Frage, ob die Leistung eines Schuldners, die gegen die Verbote der Executive Order 13.224 verstößt, im Sinne des § 275 BGB unmöglich oder unzumutbar sein kann, muss zunächst zwischen den denkbaren tatsächlichen Konstellationen differenziert werden. Ist eine Transaktion mit eindeutigem Bezug zu den USA z.B. tatsächlich nicht durchführbar, weil die zwingend erforderliche Beteiligung US-amerikanischer Stellen (Clearing-Systeme, sonstige Handels- oder Geschäftspartner, die nicht selbst der Schuldner sind) an der Transaktion wegen der SDNSperrliste kategorisch verweigert wird, so handelt es sich um einen vergleichsweise unproblematischen Fall: Die Leistungserbringung ist hier gem. § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich, da kein Schuldner in der Lage wäre, die betreffenden US-Stellen zur erforderlichen Mitwirkung an der Leistungserbringung zu bewegen. Dabei handelt es sich überdies um die wenigen Fälle, die – zumindest potentiell – tatsächlich auch einer Lösung über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zugänglich wären, da hier oftmals ein US-amerikanischer Erfüllungsort vorliegen wird. Problematisch sind allerdings Fälle, in denen der Schuldner eine Leistung zwar theoretisch erbringen könnte, aus den oben dargelegten Gründen aber die drastischen Konsequenzen in den USA61 – z.B. gegenüber US-Niederlassungen des Schuldners oder seinen dortigen Mitarbeitern – fürchtet. Auch hier sind freilich zahlreiche Unterfälle und Sachverhaltskonstellationen denkbar, die sich insbesondere in der tatsächlichen Bedrohungslage des Schuldners unterscheiden können. Dabei spielen Faktoren wie etwa die Internationalität eines Unternehmens, die Nähe der Transaktion zu den USA, die Wahrscheinlichkeit, dass das OFAC auf entsprechende Zuwiderhandlungen außerhalb der USA überhaupt aufmerksam wird usw., zweifellos eine Rolle. Selbstverständlich bedarf es hier jeweils einer einzelfallbezogenen Bewertung. Für die vorliegende Untersuchung wird indes pauschal davon ausgegangen, dass die Leistungserbringung tatsächlich gegen das entsprechende US-Recht verstößt62 und für den konkreten Schuldner zudem die realistische Gefahr einer entsprechenden Ahndung in den USA besteht.
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Vgl. zu den denkbaren Konstellationen oben D. I. 6. Zum persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Executive Order 13.224 vgl. oben D. I. 3. und 4. 62
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b. Keine Anwendung des § 275 BGB auf Geldschulden? Zunächst ist klärungsbedürftig, ob sich die Anwendung des § 275 BGB hinsichtlich des (wohl überwiegenden) Teils der denkbaren Fälle, in denen die durch die SDN-Liste verbotene Leistung auf Geld gerichtet ist, mit dem allgemeinen Grundsatz, Geldschulden seien von § 275 BGB nicht erfasst, vereinbaren lässt. Das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung wird in Rechtsprechung63 und Literatur64 seit Jahrzehnten einhellig anerkannt und ergibt sich schon systematisch aus der bloßen Existenz des Insolvenzrechts. Hinsichtlich Geldschulden, die auf Sekundärebene schließlich auch aus jeder Sachschuld entstehen können65, ist folglich ein Ausschluss der Leistungspflicht durch § 275 BGB grundsätzlich nicht möglich. Allerdings gilt dies nur, wenn sich die Unfähigkeit des Schuldners, zu leisten, gerade aus dessen finanziellem Unvermögen ergibt.66 Andere Gründe als finanzielles Unvermögen können durchaus zu einer Unmöglichkeit einer Geldleistungspflicht gem. § 275 BGB führen.67 Der Ansicht, die (durch die Struktur von Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht für das deutsche Zivilrecht begründete) unbeschränkte Vermögenshaftung schließe den § 275 BGB nur für den Fall des finanziellen Unvermögens aus, also etwa bei Mittellosigkeit des Schuldners, ist zuzustimmen. Eine tragfähige Begründung, warum eine Geldschuld auch aus anderen Gründen als finanziellem Unvermögen vom Anwendungsbereich des § 275 BGB ausgenommen sein soll, ist nicht erkennbar. Sollte etwa eine nach der Executive Order 13.224 verbotswidrige Geldleistung die sonstigen Voraussetzungen eines in § 275 Abs. 1 - Abs. 3 BGB enthaltenen Tatbestands erfüllen68, so ist ein Konflikt mit dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung respektive der Insolvenzordnung schlicht nicht ersichtlich, da es sich hierbei nicht um finanzielles Unvermögen des Schuldners, sondern um die Unzumutbarkeit der in den USA drohenden Konsequenzen im Falle einer 63 Bereits RGZ 75, 335 (337); später BGHZ 28, 123 (128) = NJW 1958, 1681 (1682); BGHZ 83, 293 (298) = NJW 1982, 1585 (1587); BGHZ 143, 373 (378 f.) = NJW 2000, 1496 (1497). 64 Ausführlich Medicus, AcP 188 (1988), 489 f.; Palandt-Grüneberg, § 275 BGB, Rn. 3; Westermann-M. Schultz, S. 56 ff.; speziell zu § 275 Abs. 2 BGB Kuntz, WM 2009, 1257 ff.; MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 13. 65 So der zutreffende Hinweis bei Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 73. 66 Zur Rechtslage vor 2002 bereits Weber-Will/Kern, JZ 1981, 258; Coester-Waltjen, AcP 183 (1983), 283 ff.; zustimmend (auch hinsichtlich § 275 BGB n.F.) StaudingerLöwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 73; wohl a.A. aber Roth, JuS 1968, 105. 67 Ausdrücklich Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 73; weniger deutlich MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 13, der § 275 BGB für bei „Geldschulden nicht anwendbar“ erklärt. 68 Dazu sogleich.
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entsprechenden Zuwiderhandlung handelt. Das zeigt sich bereits daran, dass dieser Fall einer Lösung etwa über das Insolvenzrecht auch gar nicht zugänglich wäre. Die Prüfung des § 275 BGB scheitert im Hinblick auf Geldschulden vorliegend also richtigerweise nicht bereits am Grundsatz der Unanwendbarkeit der Norm bei finanziellem Unvermögen. c. Bisherige Lösungsansätze für die Behandlung ausländischer Verbotsnormen im System des § 275 BGB Zunächst werden die denkbaren Lösungsansätze für eine Einordnung der vorliegend untersuchten Sachverhaltskonstellationen in das System des § 275 BGB dargestellt, da nur so ein Gesamtbild der – oft miteinander verzahnten – Ansätze entsteht, zu dem umfassend Stellung genommen werden kann. (1) Rechtliche Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB Denkbar ist, die genannte Konstellation als einen Fall der (sogenannten echten) Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, was zu einem automatischen Ausschluss der Leistungspflicht69 (zumindest für die Dauer der Unmöglichkeit) führen würde. Teilweise wird angenommen, der Verstoß einer geschuldeten Leistung gegen ein ausländisches, in Deutschland nicht geltendes Verbotsgesetz könne einen Ausschluss der Leistungspflicht wegen – zumindest vorübergehender70 – rechtlicher Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB begründen.71 Sonnenberger argumentiert dabei mit dem Telos des § 275 Abs. 1 BGB, der keine Regelung über die Anwendung von Rechtsnormen, sondern betreffend den Leistungsbegriff im deutschen Zivilrecht sei.72 Löwisch und Caspers zeigen sich – über die denkbare Einordnung der genannten Konstellation als Fall der rechtlichen Unmöglichkeit hinaus73 – allgemein offen gegenüber einer Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB in Fällen der absoluten Unzumutbarkeit der 69
Schlechtriem, FS Sonnenberger (2004), S. 129 f., spricht treffender von einer Blockade der Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs des Gläubigers für die Dauer der Unmöglichkeit (ggf. dauerhaft), was nicht zu einem eigentlichen „Erlöschen“ der Pflicht führe. 70 Vgl. dazu unten Fn. 110; ob es sich ferner um eine anfängliche oder nachträglich eintretende (rechtliche) Unmöglichkeit handelt, ist für § 275 nicht bedeutsam, sondern nur auf Ebene etwaiger Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB oder § 311a Abs. 2 BGB) relevant. 71 RGZ 93, 182 (184 f.); MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 426; Staudinger-Löwisch/ Caspers, § 275 BGB, Rn. 38; für das schweizerische Recht (mit übertragbaren Ausführungen) Heini, ZSR 100 (1981), 71–73. 72 MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 426. 73 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 38, in Bezug auf Lieferungen ins Ausland, die dort verboten sind.
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Leistungserbringung: Entgegen der herrschenden Meinung, die Fälle, in denen eine Leistung zwar theoretisch noch möglich, aber (völlig) unzumutbar ist74, als Fall des § 275 Abs. 2 BGB einordnet75, sehen sie Leistungen, die „schlechterdings von niemandem erwartet werden können“ als unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB an.76 Der in § 275 Abs. 2 BGB enthaltenen Abwägung zwischen Gläubigerinteresse einerseits und Aufwand des Schuldners andererseits seien Fälle, in denen für die Leistungserbringung etwa Ausfuhroder Handelsverbote durch den Schuldner verletzt oder umgangen werden müssten, nicht zugänglich.77 Außerdem könne die Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB, der als bloßes Leistungsverweigerungsrecht ausgestaltet ist, hier gegebenenfalls zu einem Versäumnisurteil führen, das den Schuldner zu einer objektiv völlig unzumutbaren Leistung verurteilt.78 Gesagt sei allerdings, dass die rechtliche Unmöglichkeit wegen Verstoßes gegen ausländische Normen bei den genannten Autoren beispielhaft meist an Lieferungen in das Ausland, die dort verboten sind, festgemacht wird – ein Fall, der einem Urteil des RG aus dem Jahre 1918 zugrunde lag79, mit der Situation der Sperrlisten jedoch nur bedingt vergleichbar ist. Das OLG Frankfurt a.M. hat demgegenüber im Zusammenhang mit Transaktionen, die einem US-amerikanischen Iran-Embargo zuwiderliefen, eine Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB wegen rechtlicher Unmöglichkeit verneint.80 Insbesondere bei ausländischen Anordnungen mit extraterritorialer Wirkung sei der Umstand der im Erlassstaat drohenden Rechtsverfolgung – etwa der strafrechtlichen Verfolgung der dortigen Angestellten eines Schuldners – allenfalls unter dem Gesichtspunkt der „Unzumutbarkeit“ zu werten, keinesfalls aber könne dem ausländischen Recht per se zur Durchsetzung verholfen werden.81 Zu bedenken ist indes, dass das OLG Frankfurt a.M. sich in dem entschiedenen Fall maßgeblich auf (zu Recht als vorrangig angesehe-
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Zu denken ist hier an das Lehrbuchbeispiel des (geschuldeten) auf den Meeresboden gefallenen Rings oder die Bestechung ausländischer Amtsträger (so der Sachverhalt im Urteil RG JW 1920, 138 (139)). 75 Canaris, JZ 2001, 501 f.; MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 37; Schwarze, § 4, Rn. 3; PWW-Schmidt-Kessel, § 275 BGB, Rn. 26. 76 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 25, 41; a.A. statt vieler Rösler, JuS 2004, 1060. 77 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 41, mit Verweis auf das Urteil RGZ 93, 182 (184), dem ein ausländisches Verbotsgesetz zugrunde lag. Für die mögliche Einbeziehung auch fremden Verbotsrechts in den Tatbestand der rechtlichen Unmöglichkeit sprechen sich Löwisch/Caspers bereits in Rn. 38 aus. 78 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 25. 79 RGZ 93, 182–185. 80 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1356 f.). 81 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1357).
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nes) EU-Sanktionsrecht gestützt hat, welches die streitgegenständliche Vermögensauszahlung in vergleichbarer Weise verbat.82 Hinsichtlich der rechtlichen Unmöglichkeit sei der Vollständigkeit halber erneut darauf hingewiesen, dass bei (inländischen) Fremdwährungsverbindlichkeiten teilweise die Einordnung devisenrechtlicher Verbote unter § 275 Abs. 1 BGB mit dem Argument verneint wird, diese Verbindlichkeiten seien nach entsprechender Auslegung des § 244 Abs. 1 BGB in Euro zu zahlen.83 Die Executive Order 13.224 enthält aber keine devisenrechtlichen Bestimmungen im engeren Sinne84 – genauso wenig, wie dies bei etwaigen sonstigen drittstaatlichen Terrorsperrlisten der Fall sein wird. (2) Unzumutbarkeit der Leistung Ein weiterer denkbarer Anknüpfungspunkt für die durch die Executive Order 13.224 aufgestellten Verbote im Leistungsstörungsrecht sind die Unzumutbarkeitstatbestände in § 275 Abs. 2 und 3 BGB. Anders als § 275 Abs. 1 BGB führen sie nicht zu einem automatischen Ausschluss der Leistungspflicht, sondern begründen lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, das im Wege der Einrede geltend gemacht werden muss.85 Außerdem ist im Rahmen der Unzumutbarkeit eine umfassende Interessenabwägung erforderlich: Im Fall des § 275 Abs. 2 BGB müssen der erforderliche Schuldneraufwand und das Interesse des Gläubigers an der Leistung in einem groben Missverhältnis stehen. Bei persönlichen Leistungspflichten muss lediglich, unter Abwägung mit dem Gläubigerinteresse, eine Unzumutbarkeit der Leistungserbringung vorliegen – ein grobes Missverhältnis ist nicht erforderlich.86 Zunächst kann festgestellt werden, dass § 275 Abs. 3 BGB mangels persönlich zu erbringender Leistung in den vorliegend untersuchten Fällen in aller Regel irrelevant ist. Generell wird die persönlich zu erbringende Leistung als eine solche definiert, die nicht durch Erfüllungsgehilfen erbracht werden kann.87 Auch wenn es sich dabei nicht zwingend um eine höchstpersönliche Leistungspflicht handeln muss88, wird das Merkmal der persönlich
82 Insofern entschied das OLG über eine erheblich weniger konfliktträchtige Situation, als dies bei Einträgen auf der SDN-Liste des OFAC, die keine Entsprechung auf EU-Listen haben, der Fall wäre. 83 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 75; differenzierend StaudingerK. Schmidt, § 244 BGB, Rn. 61 ff. 84 Vgl. dazu bereits im Zusammenhang mit Art. 8 Abschnitt 2 (b) IWF-Abkommen oben E. III. 85 PWW-Schmidt-Kessel, § 275 BGB, Rn. 27. 86 Insgesamt krit. zur Struktur von § 275 Abs. 2 BGB Picker, JZ 2003, 1038 ff. 87 MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 112. 88 Vgl. MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 112; Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 103.
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zu erbringenden Leistung bei den betroffenen Geschäften und Transaktionen kaum vorliegen. (i) Tatbestandliche Eignung des § 275 Abs. 2 BGB und Abgrenzung zu § 313 BGB Fraglich ist, ob der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB grundsätzlich geeignet ist, die Fälle einer Leistungsverweigerung des Schuldners aufgrund einer Listung des Gläubigers auf der US-Terrorsperrliste zu erfassen. Das Problem, wie weit der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB reicht, ist zudem eng verbunden mit der Frage nach dessen Verhältnis zu § 313 BGB.89 Der Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB beschränkt sich auf ein grobes Missverhältnis zwischen Leistungsaufwand des Schuldners einerseits und Leistungsinteresse des Gläubigers andererseits. Die Umstände aber, die in den vorliegend untersuchten Fällen zu einer (etwaigen) Unzumutbarkeit führen, also die drohenden Sanktionen in den USA, können nicht ohne Weiteres als „Aufwand“ in diesem Sinne bezeichnet werden. So weist etwa Ernst mehrfach dezidiert darauf hin, § 275 Abs. 2 BGB enthalte ausschließlich ein Abwägungsgebot hinsichtlich des Kosten-Nutzen-Kalküls.90 Alle sonstigen Faktoren oder Risiken, die nicht unmittelbar auf die Ineffizienz der Leistung bezogen sind, blieben außer Betracht91 und könnten allenfalls bei § 313 BGB verortet werden92. Andere zeigen sich dagegen offener gegenüber einer Einbeziehung auch sonstiger Risiken oder Drittinteressen, die untrennbar mit der Leistungserbringung verbunden sind.93 Auch der BGH hat in einem 2010 ergangenen Urteil Risiken in die Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB mit einfließen lassen, die sich aus einer im Falle der Leistungserbringung drohenden Inanspruchnahme des Schuldners durch Dritte ergeben könnten.94 Das OLG Frankfurt a.M. scheint, während es einer gegen US-Embargos verstoßenden Transaktion zwar die Eigenschaft, „rechtlich unmöglich“ zu sein, aus den oben genannten Gründen abspricht, gegenüber einer Unzumutbarkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB – in dem allerdings nur begrenzt vergleichbaren Fall95 – ebenfalls offener zu sein. Ohne sie ausdrücklich bei 89
Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen § 313 BGB und § 275 BGB instruktiv Medicus/Petersen, § 7, Rn. 156 ff. 90 MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 21, 69, 85. 91 MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 69. 92 MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 21. 93 Etwa Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 95. 94 BGH NJW 2010, 2341 (2342 f.); ähnlich bereits BGH NJW 2008, 3122 (3122 f.), hinsichtlich der Abwehr eines Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB über § 275 Abs. 2 BGB. 95 Dazu sogleich.
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§ 275 Abs. 2 BGB zu verorten, erwägt das Gericht nämlich die „Unzumutbarkeit“ der Leistung – von der jedoch im Ergebnis „nicht auszugehen“ sei.96 (ii) Die Unzumutbarkeit der Leistungserbringung bei Verstoß gegen die US-Terrorliste Für den Fall, dass § 275 Abs. 2 BGB als grundsätzlich geeignet angesehen wird, die vorliegend untersuchten Fälle zu erfassen, ist fraglich, ob tatsächlich eine Unzumutbarkeit der Leistungserbringung durch den Schuldner vorliegt. Auf die Ergänzung des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, in die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze sei die Frage des schuldnerseitigen Verschuldens mit einzubeziehen, kommt es vorliegend allenfalls im Wege eines Umkehrschlusses an97, da ein Verschulden des Schuldners hinsichtlich der Listung des Gläubigers auf der SDN-Terrorliste praktisch ausgeschlossen ist. Das genannte Urteil des OLG Frankfurt a.M. stützt sich bei der Frage nach den Pflichten einer Bank, die eine Zahlung wegen Verstoßes gegen ein IranEmbargo der USA verweigert, zwar letztlich auf die Vorrangigkeit einer vergleichbaren EU-Sanktion98 – was die Vergleichbarkeit des entschiedenen Falles mit der untersuchten Konstellation eines Verstoßes gegen die SDNListe des OFAC (hinsichtlich in Deutschland gerade nicht geltender Einträge) erheblich einschränkt. Gleichwohl äußert sich das Gericht – nach Ablehnung einer rechtlichen Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB99 − zu der Frage der Unzumutbarkeit der Leistung und lehnt diese im Ergebnis mit interessanter Begründung ab: Das OLG bemüht Untersuchungen Mengs, der im Jahre 1997 feststellte, dass die US-Behörden und Gerichte bei extraterritorial wirkenden Verboten erfahrungsgemäß auf eine Ahndung des Verstoßes verzichten, wenn der Adressat erfolglos versucht hat, von einer kollidierenden Pflicht an seinem Aufenthalts- oder Heimatort befreit zu werden.100 Meng verweist dabei (im Hinblick
96
OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1357). Der Senat entscheidet diese Frage deshalb nicht, weil er den Fall letztlich nach den (entsprechenden) EU-Embargovorschriften behandelt. 97 Vgl. dazu aber Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 102, die zu Recht anmerken, dem § 275 Abs. 2 S. 2 BGB sei nicht der Schluss zu entnehmen, der Schuldner müsse, wenn er das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, „nur noch ganz geringe“ Anstrengungen unternehmen. 98 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1354 ff.); vgl. auch Anm. Wöhlert, GWR 2011, 340. 99 Dazu oben F. III. 1. c. (1). 100 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1357), mit Verweis auf Meng, EuZW 1997, 423, der seinerseits auf die Ausführungen ders., S. 573 ff., verweist.
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auf die USA)101 vor allem auf das Restatement (Third) § 441 (b) des American Law Institutes102, wonach ein (US-amerikanischer Bundes-)Staat eine Person nicht „[…] anweisen darf, etwas zu tun, was nach dem Recht ihres Aufenthaltsstaates oder nach dem Recht ihres Heimatstaates verboten ist“.103 Dieser Grundsatz wird indes von Meng selbst sowie den offiziellen Kommentaren zu Restatement (Third) § 441 relativiert:104 So gelte er z.B. nur, wenn der Verstoß gegen das fremdstaatliche Verbot scharfe strafrechtliche oder sonstige Sanktionen nach sich zieht. Der Vorrang des territorialen (also fremden) Rechts gilt zudem nicht absolut, sondern unterliegt einer Abwägung, die sich zugunsten einer Anwendung des US-Rechts verschiebt, wenn die streitgegenständliche (kollidierenden Anweisungen unterliegende) Aktivität Auswirkungen in beiden betroffenen Staaten, also auch in den USA, hat.105 d. Stellungnahme und Bedeutung für die SDN-Sperrliste Der Ansicht, ausländische, in Deutschland unanwendbare und auch über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht berücksichtigungsfähige Verbotsnormen könnten zu einer rechtlichen Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge des automatischen Ausschlusses der Leistungspflicht führen, ist nicht grundsätzlich zu widersprechen. Dabei wiegt vor allem das Argument Sonnenbergers106 schwer: In der Tat hat nämlich § 275 Abs. 1 BGB einzig die Aufgabe, den Schuldner im Falle (absoluter) Leistungshindernisse rechtlicher oder tatsächlicher Art von seiner Leistungspflicht – zumindest für die Dauer des Hindernisses – zu befreien. In diesem Zusammenhang kommt es, anders als etwa bei § 138 Abs. 1 BGB, zu keinerlei Anerkennung oder Abwehr (Stichwort: Grundwerte-Kontrolle bei Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) fremden (Eingriffs-) Rechts durch das deutsche Gericht, sondern geht es lediglich um die Berücksichtigung von Fakten und Umständen. Im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit sind dies die entgegenstehenden Verbote, deren Verletzung tatsächlich „schlechterdings von niemandem erwartet werden kann“107. Rechtlich im Sinne dieser – im Gesetzeswortlaut ohnehin nicht enthaltenen – Kategorie bedeutet dabei nicht zwingend „Teil der nationalen Rechtsordnung“. 101
Die Ausführungen Mengs sind an dieser Stelle (S. 576 ff.) nicht auf die Rechtslage in den USA beschränkt, sondern beziehen sich auch auf völkerrechtliche Grundsätze. 102 Restatement (Third): The Foreign Relations Law of the United States. Es handelt sich bei den Restatements of Laws um systematische Case-Law-Darstellungen des American Law Institutes, die in den USA als Rechtsquelle anerkannt sind. 103 So die Übersetzung Mengs, S. 578. 104 Vgl. Comment (b), (c) § 441 Restatement (Third); Meng, S. 578 ff. 105 Deutlich: Comment (b) § 441 Restatement (Third). 106 MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 426. 107 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 41.
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Sofern klar ist, dass die Verletzung einer ausländischen Verbotsnorm im Erlassstaat entsprechend sanktioniert wird und der Schuldner sich hinsichtlich der konkreten Leistungserbringung der Rechtsmacht dieses Staates auch nicht entziehen kann, gibt es zudem – abgesehen von dem, freilich national beschränkten, Gebot der Einheit der Rechtsordnung – auch keine erheblichen Unterschiede zu hiesigen Verbotsnormen: Auch eine Leistung, die deutsche öffentlich-rechtliche oder strafrechtliche Normen verletzt, wäre nämlich – obwohl dieser Fall in der Regel schon von § 134 BGB erfasst ist108 – zunächst durchaus „möglich“. Dennoch wird dieser Fall unstreitig nicht einer Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB unterstellt und wäre dort auch deplatziert. Fraglich ist allerdings, ob § 275 Abs. 1 BGB auch für das Problem drittstaatlicher, insbesondere der US-amerikanischen Terrorsperrliste den richtigen Anknüpfungspunkt darstellt. Die von den Vertretern einer (zumindest denkbaren) rechtlichen Unmöglichkeit angeführten Beispiele109 betreffen nämlich Fälle, in denen etwa ins Ausland geliefert werden soll, diese Leistung aber dort verboten ist. Zwar sind vergleichbare Fälle auch im Hinblick auf die SDN-Liste denkbar, z.B. wenn die Vertragserfüllung im Rahmen von Finanztransaktionen tatsächlich in den USA stattfindet. In diesem Fall ist der Weg über § 275 Abs. 1 BGB durchaus gangbar.110 Andererseits ist in diesen Konstellationen – je nach Tatbestandsauslegung111 − auch bereits eine Lösung über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO denkbar.112 Für Fälle aber, in denen der betroffene Schuldner aufgrund der ihm in den USA drohenden Sanktionen nicht leistet, ohne dass die Leistung unmittelbar in den USA vorgenommen wird, ist § 275 Abs. 1 BGB weit weniger geeignet. Hier von einem automatischen Ausschluss der Leistungspflicht auszugehen, der einer Interessenabwägung nicht mehr zugänglich ist, erscheint überzogen. Die den Mitarbeitern eines Unternehmens oder dessen US-Niederlassungen drohenden Sanktionen durch das OFAC oder US-amerikanische Gerichte sind hier nämlich nur mittelbar mit der Leistungserbringung verbunden und stellen keinen (rechtlichen) Umstand dar, der – wie z.B. bei dem Verbot einer Lieferung von Waren im Zielland – die Leistung unmittelbar zu verhindern ver108 Vgl. zum Verhältnis zwischen der rechtlichen Unmöglichkeit und § 134 BGB MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 44. 109 Insbesondere der Fall RGZ 93, 182–185. 110 Im Regelfall in Form der dauernden Unmöglichkeit. Im Falle der Ungewissheit, ob der Eintrag wieder gelöscht wird, ist die Unmöglichkeit als dauerhaft anzusehen, vgl. dazu Schwarze, § 4, Rn. 23; Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 BGB, Rn. 46 ff., insbes. 51 f.; a.A. Arnold, JZ 2002, 871; Canaris, FS Huber (2006), S. 157 ff. (jeweils: Störung der Geschäftsgrundlage). 111 Vgl. Ausführungen zum Erfordernis des Erfüllungsorts in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, oben E. I. 4. 112 Die richtigerweise aber ohnehin auf eine quasi-materiellrechtliche Berücksichtigung hinausläuft, vgl. oben E. I. 7.
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mag. Hier ist vielmehr tatsächlich eine einzelfallgerechte Interessenabwägung geboten, die das – isoliert nach deutschem Zivilrecht betrachtet immerhin legitime – Leistungsinteresse des Gläubigers mit den tatsächlichen Zwängen, denen der Schuldner unterliegt, in Einklang bringt. Im Rahmen dieser Abwägung muss es zu einer Bemessung des individuellen Risikos des Schuldners kommen, das er in den USA (bezogen auf dortige Mitarbeiter, Niederlassungen, Geschäftstätigkeiten usw.) durch die Leistungserbringung einginge. Die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit führte in solchen Fällen nämlich zu dem kaum vertretbaren Ergebnis, dass alle nach der Executive Order 13.224 verbotenen Handlungen in Fällen mit deutschem Forum auch dann nicht vom Gläubiger verlangt werden können, wenn der Sachverhalt einem unmittelbaren Zugriff der US-Behörden gar nicht unterliegt – und verboten sind im Hinblick auf die Gelisteten jegliches Geschäft sowie jeglicher Vermögenstransfer. Diese starre Rechtsfolge des § 275 Abs. 1 BGB würde deutsche Zivilgerichte in der Tat vollumfänglich zu den Vollstreckern extraterritorial wirkender, US-amerikanischer Antiterror-Gesetzgebung machen und zudem das unvertretbare Ergebnis einer dadurch de facto vorgenommenen ersatzlosen Enteignung des Gläubigers herbeiführen. Nach § 275 Abs. 1 BGB wären in diesem Fall nämlich alle Ansprüche, auch z.B. bereicherungsrechtliche, gesperrt, da auch Zahlungsverpflichtungen aus solchen Sekundäransprüchen den umfassenden Verboten der Executive Order 13.224 unterfallen. Dies ist zwar das von dem US-Gesetzgeber intendierte Ergebnis, es ist aber in Fällen, die keinen direkten Bezug in die USA haben, kein für deutsche Zivilgerichte vertretbares Ergebnis. Aber auch § 275 Abs. 2 BGB, der mit seinem Element der Interessenabwägung grundsätzlich als geeigneterer Tatbestand für eine Bewertung der Unzumutbarkeit der Leistungserbringung aus Schuldnersicht erscheint, ist im vorliegenden Zusammenhang problematisch. Die Abwägung zwischen Leistungsaufwand des Schuldners und Leistungsinteresse des Gläubigers ist nämlich zum einen nach verbreiteter Ansicht auf effektive Leistungskosten des Schuldners beschränkt und nicht auf Gefahren und Risiken, die mit der Leistungserbringung im Zusammenhang stehen, erweiterbar.113 Nach dieser Ansicht können spätere, in den USA drohende Sanktionen im Rahmen der Abwägung keine Berücksichtigung finden. Zum anderen ist die geforderte Abwägung mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers, die letztlich zu einer Gegenüberstellung pekuniärer Interessen des Gläubigers einerseits und Risiken einer Straf- oder sonstigen Rechtsverfolgung des Schuldners andererseits führen würde, auch gar nicht ernsthaft durchführbar, da sich die Bedrohungslage des Schuldners kaum finanziell quantifizieren lässt. Das allein zeigt, dass die Beschränkung des Leistungsaufwands im Sinne des § 275 Abs. 2 BGB
113
Vgl. oben F. III. 1. c. (2) (i).
III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht
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auf Fälle der finanziellen Ineffizienz114 durchaus sinnvoll ist. Vielleicht sind diese Bedenken gegen § 275 Abs. 2 BGB auch der Grund, warum das OLG Frankfurt a.M. bei seinen Erwägungen zu einer – im konkreten Fall schließlich verneinten – „Unzumutbarkeit“ der Leistungserbringung keinerlei Rechtsgrundlage benennt.115 Auch wenn sich aus dem Kontext des Urteils nur die Erwägung einer „praktischen Unmöglichkeit“, also § 275 Abs. 2 BGB, ergibt, ist diese Prüfung ebenso gut bei § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB oder schlicht bei § 242 BGB denkbar – und dort wegen der tatbestandlichen Ungeeignetheit des § 275 Abs. 2 BGB auch zu verorten116. Im Übrigen bliebe es auch im Falle einer Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB bei dem oben genannten Rechtsfolgenproblem. Zwar ist § 275 Abs. 2 BGB lediglich als Leistungsverweigerungsrecht ausgestaltet. Dennoch würde die Anerkennung einer praktischen Unmöglichkeit in den genannten Konstellationen dazu führen, dass sämtliche Ansprüche des Gläubigers – auch etwa solche aus Bereicherungsrecht – ausgeschlossen wären, da die Executive Order 13.224 jeglichen Vermögenstransfer zugunsten Gelisteter verbietet117. Im Ergebnis kann folglich § 275 Abs. 1 BGB in Form der rechtlichen Unmöglichkeit in den anfangs genannten Fällen greifen, die ohnehin – schon wegen Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO – zu den weniger problematischen gehören. Für alle anderen Fälle eignet sich § 275 BGB, auch die in Abs. 2 geregelte Unzumutbarkeit der Leistung, nicht. Aber auch die rechtliche Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB kann in den verbleibenden Konstellationen gegebenenfalls weitere Probleme aufwerfen: Wenn die nicht gelistete Partei die bereits bei Vertragsschluss bestehende Listung der anderen kannte oder sich darüber in fahrlässiger Unkenntnis befand, kommt ein Schadensersatzanspruch gem. § 311a Abs. 2 BGB in Betracht. Sofern ein Schuldner sich auf Verbote durch US-amerikanische Vorschriften beruft, gebietet die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) nämlich auch einen entsprechenden Abgleich der Liste im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit des Schuldners. Die Unkenntnis des Schuldners von den zur anfänglichen Unmöglichkeit führenden Umständen wäre somit fahrlässig. In Betracht käme dann allenfalls eine – gegebenenfalls hundertprozentige – Minderung des Schadensersatzanspruchs über § 254 BGB wegen Herbeiführung der Unmöglichkeit durch den (gelisteten) Gläubiger118 selbst oder weil dieser ebenfalls Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Listung als Leistungshindernis hatte119. 114
So etwa MüKo-Ernst, § 275 BGB, Rn. 21 (bei der Abgrenzung zu § 313 BGB). Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1357). 116 Dazu unten F. III. 2. a. (2). 117 Zum sachlichen Anwendungsbereich der Executive Order 13.224 oben D. I. 3. 118 MüKo-Ernst, § 311a BGB, Rn. 67. 119 Huber/Faust, Kap. 7, Rn. 45; auch BT-Drs. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 165, spricht davon, dass die Regelung des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. (Entfall der Ersatzpflicht hin115
162
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2. Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB wegen Listung des Gläubigers auf der SDN-Terrorliste Eine neben120 § 275 BGB bestehende Möglichkeit der Berücksichtigung durch drittstaatliche Sperrlisten geschaffener Zwänge könnten die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, bieten. Diese Lösung wird im Hinblick auf drittstaatliche Eingriffsnormen auch in der international-privatrechtlichen Literatur zumindest angesprochen.121 Die Störung der Geschäftsgrundlage war zudem – allerdings vor der Kodifikation dieses richterrechtlich entwickelten Grundsatzes in § 313 BGB122 – auch Lösungsweg des BGH in dem bekannten Fall des Bierliefervertrages123 zwischen einem iranischen Importeur und einem deutschen Lieferanten, der wegen des 1979 im Iran eingeführten Alkohol-Importverbots nicht mehr wie vorgesehen durchführbar war.124 Auf die Störung der Geschäftsgrundlage durch ausländisches Eingriffsrecht wird in der materiellrechtlichen Literatur zu § 313 BGB dagegen, soweit ersichtlich, nicht als eigene Fallgruppe eingegangen. a. Tatbestand Voraussetzung für eine Anwendung von § 313 BGB ist, dass sich Umstände verändert (Abs. 1) oder Vorstellungen als falsch erwiesen haben (Abs. 2), die Grundlage des Vertrages wurden und, dass diese Umstandsveränderung oder Fehlvorstellung dazu führt, dass einer Partei das Festhalten am Vertrag (zumindest mit seinem ursprünglichen Inhalt) nicht mehr zugemutet werden kann. Die beiden Tatbestände des § 313 BGB, die teilweise mit „objektiver“ (Abs. 1) und „subjektiver“ (Abs. 2) Geschäftsgrundlage bezeichnet werden125, fußen nach zutreffender Ansicht letztlich beide auf Fehlvorstellungen, die
sichtlich des negativen Interesses bei Kenntnis des „anderen Teils“ von der Unmöglichkeit) durch den „flexibleren“ § 254 BGB ersetzt wird. 120 Teilweise wird § 275 Abs. 2 BGB als vorrangig angesehen, was vorliegend (mangels Konkurrenz) aber nicht von Bedeutung ist. Ausführlich zum Verhältnis zwischen § 313 und § 275 Abs. 2 BGB (mit der Präferenz eines Wahlrechts des Schuldners) Schwarze, JURA 2002, 78. 121 Vgl. MüKo-Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 426. 122 Eingeführt durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001, BGBl. I (2001), S. 3138, in Kraft seit dem 1.1.2002. 123 Zur Präzisierung: Die Parteien schlossen im Jahre 1978 einen Vergleich, nachdem Teile des ursprünglich (1977) geschuldeten Dosenbiers auf dem Transportweg ungenießbar geworden waren. Dieser Vergleich sah unter anderem die erneute Lieferung von Dosenbier vor, die aber ab 1979 wegen des Importverbots nicht mehr möglich war. 124 BGH IPRax 1986, 154–157, m. Anm. Mülbert, IPRax 1986, 140–142. 125 Jauernig-Stadler, § 313 BGB, Rn. 4, die aber einen Bedeutungsverlust der subjektiven Formel konstatiert.
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sich in Abs. 1 lediglich auf zukünftige Entwicklungen beziehen.126 Die zum Teil sehr streng vorgenommene Unterscheidung der beiden Tatbestände ist daher, bei Lichte betrachtet, zumindest überzogen. (1) Geschäftsgrundlage Zunächst ist also fraglich, ob die Listung einer Vertragspartei auf einer drittstaatlichen Terrorsperrliste Geschäftsgrundlage in diesem Sinne sein kann. Vor der Kodifikation des Rechtsinstituts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002127 hatte sich in der Rechtsprechung folgende Definition herausgebildet, die auch heute, nach Einführung des § 313 BGB, noch vom BGH verwendet wird128: Geschäftsgrundlage sind die „[…] nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder [die] dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut“.129 Der betreffende Umstand darf somit umgekehrt nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhoben worden sein.130 Im Hinblick auf Terrorsperrlisten kann gesagt werden, dass ein Vertragspartner, der Verbindungen in die USA hat, weil er dort geschäftlich aktiv ist, Niederlassungen hat oder gar einer US-amerikanischen Konzernmutter untersteht, den Umstand, dass die andere Partei nicht auf der SDN-Sperrliste gelistet ist oder dort später gelistet wird, wohl eindeutig bei Vertragsschluss voraussetzt – meist, ohne dies ausdrücklich zum Vertragsinhalt zu erheben131. Denn unabhängig von der Frage, wie die Situation bei bereits bestehenden Rechtsbeziehungen und deutschem Forum zu behandeln ist: Dass etwa eine international agierende deutsche Bank sich privatautonom, gleichsam sehenden Auges auf eine solche Geschäftsbeziehung einlässt, obwohl ihr die Listung des Kunden bekannt ist, kann kaum ernsthaft angenommen werden. Somit liegt ein Umstand, der für einen der beiden Vertragspartner so wichtig ist, dass er den Vertrag nicht (oder nicht so) abgeschlossen hätte132, wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, eindeutig vor. 126
MüKo-Finkenauer, § 313 BGB, Rn. 15 m.w.N. Krit. zur Umsetzung Loyal, NJW 2013, 417 ff. 128 Vgl. z.B. BGHZ 167, 25 (33) = BKR 2006, 242 (244); BGHZ 182, 218 (224 f.) = NJW 2010, 519 (520); BGHZ 184, 190 (196) = NJW 2010, 2202 (2203 f.); BGH NJW 2010, 2884 (2884). 129 Statt vieler: BGH WM 1961, 212 (213); BGHZ 74, 370 (372 f.) = NJW 1979, 1818– 1820; BGH NJW 1987, 1629 (1630). 130 Zutr. Huber/Faust, Kap. 9, Rn. 4. 131 In diesem Fall kämen die vorrangigen vertraglichen Regelungen zur Anwendung. 132 So die eingängige Definition bei Medicus/Petersen, § 7, Rn. 165. 127
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F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch die andere Vertragspartei, also die gelistete, die Listung als einen Umstand ansieht, der dazu führt, dass sie selbst vom Vertragsschluss absehen würde, wenn sie entsprechende Kenntnis des Umstandes hätte. Umgekehrt ist sogar denkbar, dass dem Gelisteten sein Eintrag in der Terrorsperrliste bereits bekannt war.133 Für den Fall der nur einseitig vorausgesetzten Vertragsgrundlage – also dem Erheben einseitiger Vorstellungen (keine Listung des Vertragspartners durch das OFAC) zum Vertragsinhalt − wird vertreten, diese Geschäftsgrundlage müsse für den anderen Vertragspartner immerhin erkennbar sein.134 Sofern überhaupt eine Lösung über den Weg der Erkennbarkeit einseitiger Fehlvorstellungen erforderlich ist – vertretbar wäre auch, den Umstand als beidseitige Geschäftsgrundlage anzusehen, da jedem Gelisteten (unabhängig von den individuellen Vorstellungen seines Vertragspartners) bewusst sein muss, dass sämtliche, entsprechenden Risiken ausgesetzte Geschäftspartner sich auf Verträge mit ihm nicht einlassen würden – kann diese wohl im Falle der SDN-Listung meist bejaht werden:135 Dass z.B. ein international tätiges Unternehmen keine Vertragsbeziehungen zu in den USA auf einer Terrorliste geführten Personen eingehen möchte, ist wohl für jeden Gelisteten erkennbar. Überdies ist insbesondere nicht erforderlich, dass beide Parteien an dem Vertrag nicht mehr oder nicht in der vereinbarten Form festhalten wollen – dies betrifft in aller Regel nur den durch die Umstandsveränderung oder Fehlvorstellung benachteiligten Vertragspartner. Die Tatsache, dass der Vertragspartner nicht auf der SDN-Liste des OFAC gelistet ist, kann somit, bei entsprechender, einzelfallabhängiger, potentieller Zwangslage der anderen Partei136, als Geschäftsgrundlage angesehen werden. Dieser Umstand hat sich im Falle einer Listung – das ist bei dem binären Zustand „gelistet“ oder „nicht gelistet“ klar – auch grundlegend verändert, wenn eine Partei in die SDN-Liste aufgenommen wird. Bestand die Listung – bei Unkenntnis der nicht-gelisteten Partei – schon bei Vertragsschluss, gilt § 313 Abs. 2 BGB, der allerdings dieselben Rechtsfolgen hat wie Abs. 1. 133
In diesem Fall wäre ggf. auch an eine Anfechtung nach § 123 BGB zu denken, während die Einstufung der SDN-Listung als verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, da sich die Probleme des Geschäftspartners hier primär aus seiner eigenen Gesamtsituation ergeben und nicht aus einer Inkompatibilität von Eigenschaften einer Person einerseits und Inhalt des Rechtsgeschäfts andererseits. Es fehlt folglich an einer für das konkrete Geschäft „typischerweise relevanten“ Eigenschaft. 134 BGH ZIP 2006, 765–766; vgl. auch MüKo-Ernst, § 313 BGB, Rn. 10. 135 Einschränkungen können freilich gelten, wenn die Bezugspunkte des nicht-gelisteten Vertragspartners in die USA und damit seine potentielle Zwangslage nicht erkennbar waren. Dann könnte aber wiederum die Reichweite des US-Antiterror-Rechts Gegenstand einer Fehlvorstellung gem. § 313 Abs. 2 BGB sein. 136 Siehe aber Fn. 135.
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(2) Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag Aufgrund der Veränderung dieser Umstände muss ein Festhalten am Vertrag einer Partei unzumutbar sein, § 313 Abs. 1 BGB. Das Gleiche gilt, wenn sich entsprechende Vorstellungen der Parteien später als falsch erwiesen haben, § 313 Abs. 2 BGB. Hier kann erneut die Unzumutbarkeitsprüfung aufgegriffen werden, die schon im Zusammenhang mit § 275 Abs. 2 BGB angeklungen ist. Die vom OLG Frankfurt a.M. angestellten, bereits oben dargestellten137 Überlegungen können letztlich auch bei § 313 BGB und der dortigen Frage nach der Unzumutbarkeit des Festhaltens am (unveränderten) Vertrag fruchtbar gemacht werden.138 Das OLG verneinte in seinem Urteil zur Auszahlung eingefrorener Gelder an einen unter Iran-Sanktionen der USA fallenden Geschäftspartner eine Unzumutbarkeit der Leistung aufgrund drohender US-amerikanischer Sanktionen. Die sich im Wesentlichen auf Untersuchungen Mengs aus den 1990er Jahren stützende Begründung, eine Unzumutbarkeit läge schon mangels Gefahr einer tatsächlichen Rechtsverfolgung des durch die Leistung begangenen Verstoßes in den USA nicht vor, ist allerdings nicht tragfähig. In der Tat bietet zwar das Restatement (Third) § 441 (b) des American Law Institutes139 einen gewissen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Rechtsverfolgung – mit dem Ergebnis einer strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Sanktionierung – nicht als zwingende Folge eines Rechtsbruchs angesehen werden kann, der innerhalb einer fremden Jurisdiktion stattfindet. Es ist aber alles andere als sicher, dass diese Zurückhaltung US-amerikanischer Behörden und Gerichte im Einzelfall auch stattfindet. Einerseits eröffnet nämlich Restatement (Third) § 441 (b) – ohnehin nicht vom Rang eines Gesetzes140 − in der offiziellen Kommentierung141 selbst einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob die jeweilige US-Vorschrift durchgesetzt wird. Als Kriterium für diese Abwägung wird auch die Frage genannt, ob die streitgegenständliche Handlung Auswirkungen in beiden involvierten Staaten hat. Das bedeutet, dass sich eine Entscheidung für die Sanktionierung des Verhaltens – trotz kollidierender „Anweisungen“ im Aufenthalts- oder Heimatstaat des Betroffenen – u.a. dadurch begründen lässt, dass das Verhalten auch Auswirkungen in den USA hat. Dass von Auswirkungen in den USA bei 137
F. III. 1. c. (2). Die normative Grundlage für diese Erwägungen lässt das OLG offen. Kontextual betrachtet scheint es sich zwar um Überlegungen zur praktischen Unmöglichkeit zu handeln – dafür fehlt aber die erforderliche Abwägung mit dem Gläubigerinteresse. 139 Dort ist (sinngemäß) der Grundsatz niedergelegt, dass ein (US-amerikanischer Bundes-)Staat eine Person nicht „[…]anweisen darf, etwas zu tun, was nach dem Recht ihres Aufenthaltsstaates oder nach dem Recht ihres Heimatstaates verboten ist“ (Übersetzung von Meng, S. 578). 140 Vgl. oben Fn. 102. 141 Comment (b) § 441 Restatement (Third). 138
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einer den Verboten der Executive Order 13.224 zuwiderlaufenden Transaktion zugunsten gelisteter (vermeintlicher) Terrorunterstützer ausgegangen wird, ist keineswegs fernliegend – das Verhalten der USA nach dem 11. September 2001 bietet jedenfalls keine Anhaltspunkte, die auf eine besondere Nachsichtigkeit im Kampf gegen den Terrorismus schließen lassen. Andererseits fordern die offiziellen Kommentare zum Restatement (Third) § 441, dass dem Betroffenen bei einer Nichtbefolgung der fremdstaatlichen Anordnung erhebliche, also z.B. strafrechtliche Sanktionen drohen.142 Zwar ist letztlich auch ein zivilrechtliches Urteil zugunsten einer gegen die Executive Order 13.224 verstoßenden Leistung nach deutschem Recht vollstreckbar und können auch die Stufen dieser Vollstreckung in durchaus „erhebliche“ Sanktionen münden. Dennoch zeigt sich, dass die vom Restatement (Third) § 441 in Betracht genommene Situation in Wahrheit eine andere ist: Der Grundsatz soll verhindern, dass in den USA behördliche oder gerichtliche Entscheidungen ergehen, die den Betroffenen in die Gefahr einer z.B. strafrechtlichen Verfolgung in seinem Heimat- oder Aufenthaltsstaat bringen. Damit ist er umgekehrt, gerade bezogen auf den hier behandelten Konflikt mit Terrorsperrlisten, eher an entsprechende Zivilgerichte adressiert, die nicht zu einer Leistung verurteilen sollen, die anderenorts (z.B. aufgrund von Sperrlisten) strafrechtlich sanktioniert ist. Mitnichten kann daher dem OLG Frankfurt a.M. zugestimmt werden, wenn es die Unzumutbarkeit (dort: der Leistung, wohl hinsichtlich § 275 Abs. 2 BGB) verneint. Zumindest aber ist diese Aussage nicht übertragbar auf Fälle, in denen eine entsprechende Listung des Klägers in der EU nicht besteht. In diesem Fall wäre der Verweis darauf, in den USA komme es schon nicht zu einer Rechtsverfolgung oder strafrechtlichen Belangung von Mitarbeitern des Schuldners, geradezu fahrlässig und würde die Zwangslage des Betroffenen nach dem – in diesem Zusammenhang unvertretbaren – Prinzip auflösen: „Das wird schon gut gehen“. Dass die extraterritorialen Ambitionen der US-Antiterror-Gesetzgebung in vielerlei Hinsicht kritikwürdig und auch völkerrechtlich bedenklich143 sind, ist zwar kaum zu bezweifeln. Dem Risiko einer strafrechtlichen oder sonstigen sanktionsrechtlichen Verfolgung in den USA darf ein Beklagter durch ein deutsches Zivilgericht deshalb aber keinesfalls ausgesetzt werden. Die oben144 beleuchteten drohenden Sanktionen durch das OFAC oder durch US-Gerichte führen im Ergebnis folglich dazu, dass der betroffenen Partei – sofern die Frage der Listung des Vertragspartners als Geschäftsgrundlage einzustufen ist – das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht 142
Vgl. Comment (b), (c) § 441 Restatement (Third); Meng, S. 578 ff. Vgl. zur extraterritorialen Wirkung (öffentlichen Wirtschaftsrechts) ausführlich Meng, S. 1 ff., insbes. 458 ff. 144 Siehe oben D. I. 5. 143
III. Allgemeines Leistungsstörungsrecht
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zumutbar ist. Eine davon zu trennende Frage ist, ob die Rechtsfolgen des § 313 BGB geeignet sind, hier eine angemessene Lösung herbeizuführen. b. Rechtsfolge Rechtsfolgen des § 313 BGB sind die Anpassung des Vertrages, Abs. 1, oder, im Falle der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Anpassung, der Rücktritt des benachteiligten Teils respektive die Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen, § 313 Abs. 3 BGB. Das Verhältnis zwischen der Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1 BGB und dem Rücktritts- oder Kündigungsrecht in Abs. 3 ist stark umstritten.145 Neben der Frage, ob die Vertragsanpassung stets Vorrang vor einer Vertragsaufhebung genießt – was sich richtigerweise mit einem Blick in § 313 Abs. 3 BGB bejahen lässt146 – ist vor allem fraglich, ob die Auflösung eines Vertrages, unabhängig von § 313 Abs. 3 BGB, auch als Form der Anpassung i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB gesehen werden kann.147 Sofern die Voraussetzungen des § 313 Abs. 3 BGB für eine Vertragsaufhebung durch Rücktritt oder Kündigung (bei Dauerschuldverhältnisses) allerdings im Falle der wegen Listung einer Vertragspartei fehlenden Geschäftsgrundlage gegeben sind oder zumindest in Betracht kommen, erübrigt sich die Frage, ob eine Vertragsauflösung auch nach § 313 Abs. 1 BGB vorgenommen werden kann. In diesem Fall nämlich eine Aufhebung des gesamten Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB vorzunehmen – und nicht eine Reduzierung einzelner Verbindlichkeiten „auf null“148 – wäre in der Tat eine Umgehung des § 313 Abs. 3 BGB und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Wenn die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage in dem Fall, dass eine Vertragspartei auf der Terrorsperrliste des OFAC geführt wird, vorliegen, weil die Nicht-Listung Geschäftsgrundlage und das Festhalten am (unveränderten) Vertrag der Gegenpartei unzumutbar ist149, so muss eine Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1 BGB in aller Regel als unmöglich i.S.d. § 313 Abs. 3 BGB angesehen werden. Eine Anpassung der entsprechenden Vertragsverhältnisse ist nämlich – wenn die Frage der Listung ein-
145
Vgl. etwa Weller, S. 299 f.; MüKo-Finkenauer, § 313 BGB, Rn. 100 ff. So auch Palandt-Grüneberg, § 313 BGB, Rn. 40; Bamberger/Roth-Unberath, § 313 BGB, Rn. 84; Weller, S. 299 f.; a.A. MüKo-Finkenauer, § 313 BGB, Rn. 105 (für eine Aufhebung nach § 313 Abs. 1 BGB); Tröger, S. 359 f. 147 Für die Möglichkeit einer Aufhebung nach Abs. 1: OLG Schleswig, BeckRS 2004, 03880; MüKo-Finkenauer, § 313 BGB, Rn. 91ff, insbes. 93; dagegen: Loyal, NJW 2013, 418, der die Aufhebung nach § 313 Abs. 1 BGB als „dogmatischen Trick“ bezeichnet, der die Voraussetzungen des § 313 Abs. 3 BGB umginge. 148 So im Fall OLG Schleswig, BeckRS 2004, 03880 (Aufhebung einer Pachtzinsverbindlichkeit). 149 Siehe oben F. III. 2. a. 146
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F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
mal als Geschäftsgrundlage anerkannt ist – nicht mehr sinnvoll150, da die Executive Order 13.224 alle geschäftlichen Verbindungen mit dem Betroffenen verbietet. Gegen diese Lösung mag eingewendet werden, die von § 313 Abs. 3 BGB angeordneten Rechtsfolgen – Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses exnunc oder Rückabwicklung des Vertrages nach den §§ 346 ff. BGB – entsprächen nicht den von der Executive Order 13.224 vorgesehenen Verboten, da gerade auch die nach § 346 Abs. 1 BGB vorgesehene Rückgewähr (z.B. von Geldern) gegen die umfassend ausgestalteten Transaktionsverbote verstößt. Sofern aber keine rechtliche Unmöglichkeit der Leistungen (z.B. Auszahlungen seitens einer Bank) gem. § 275 Abs. 1 BGB vorliegt151, ist eine weitergehende Rechtsfolge als der Abbruch der vertraglichen Beziehungen nach deutschem Zivilrecht – zumindest über § 313 BGB – kaum möglich. Den neben § 275 Abs. 1 BGB verbleibenden Fällen, die, je nach Verständnis der Norm, oft auch die von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht erfassbaren sind, fehlt in der Regel der erforderliche (tatsächliche) Bezug zu den US-amerikanischen Vorschriften, um ein faktisches (dauerhaftes) Einfrieren der Vermögenswerte Gelisteter – denn darauf laufen absolute Leistungsverweigerungsrechte hinaus – noch zu rechtfertigen. In diesen Fällen stellt eine Auflösung vertraglicher Verhältnisse und damit die Beendigung jeglicher geschäftlicher Zusammenarbeit grundsätzlich das nach deutschem Zivilrecht maximale Entgegenkommen gegenüber den US-amerikanischen Vorschriften dar. Jedenfalls ein dauerhaftes Einbehalten jeglicher Vermögenswerte unter Abwehr auch sämtlicher Sekundäransprüche (aus Rückgewährschuldverhältnis, Bereicherungsrecht usw.) lässt sich zivilrechtlich nicht mehr begründen und würde den (zumindest faktischen) extraterritorialen Geltungsansprüchen des USamerikanischen Rechts in einem unvertretbaren Maße entsprechen. Die Folgen eines absoluten Leistungsverweigerungsrechts wären in diesem Fall sogar gravierender als die der EU-Terrorsperrlisten: Zum einen sieht das US-Listenregime nämlich erheblich weniger Ausnahmen vor als die EU-Listen152 und zum anderen sind die SDN-Listeneinträge aus Sicht der von einer (vollumfänglichen) zivilrechtlichen Berücksichtigung Betroffenen auch nicht justitiabel. Eine solche faktische Enteignung einer Vertragspartei zugunsten der anderen, auf der US-Sperrliste aufgeführten Partei, ist indiskutabel und sprengt unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zudem auch die Kompetenz eines Zivilgerichts in Anwendung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsstörungsrechts. 150 Die Sinnlosigkeit einer Vertragsanpassung ist, wenig überraschend, eine typische Fallgruppe der Unmöglichkeit der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 3 BGB, vgl. Emmerich, § 29, Rn. 25. 151 Dazu oben F. III. 1. c. (1). 152 Vgl. Ausnahmetatbestände der SDN-Liste (oben D. I. 3.) und der EU-Listen (oben C. I. 3. und C. II.).
IV. Ergebnis zur materiellrechtlichen Berücksichtigung
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IV. Ergebnis zur materiellrechtlichen Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten IV. Ergebnis zur materiellrechtlichen Berücksichtigung
Die Berücksichtigung der US-amerikanischen SDN-Liste auf Ebene des materiellen Rechts ist zwingend erforderlich, da ein Gericht vor der Situation eines Schuldners, dem durch eine Leistung straf- und sonstige ordnungsrechtliche Konsequenzen in den USA drohen, nicht die Augen verschließen kann und darf. Außerdem hat sich gezeigt, dass das Kollisionsrecht einen bestenfalls lückenhaften Anknüpfungspunkt für die Lösung der vorliegenden Probleme bietet.153 Die Frage aber, wie diese Berücksichtigung zu erfolgen hat – also, wo sie dogmatisch zu verorten ist und in welchem Maße und nach welchen Kriterien sie erfolgt – ist weniger leicht zu beantworten. Dabei erweisen sich die Fälle, in denen US-Behörden einen direkten Zugriff auf die eigentliche Leistungserbringung haben, weil diese (zumindest teilweise) in den USA belegen ist, als deutlich unproblematischer als diejenigen Konstellationen, bei denen der durch die Executive Order 13.224 ausgeübte Druck mangels direkten Zugriffs (anders als z.B. bei Transaktionen in US-Dollar) mittelbarer wirkt. Zu denken ist hier insbesondere an Sachverhalte, die durch die ausufernden, auch mittelbare Unterstützungshandlungen erfassenden Tatbestände154 der Executive Order 13.224, trotz fehlenden direkten US-Bezugs Sanktionen unterliegen können. Die letztgenannten Fälle, bei denen – spätestens – auch der Weg über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO versperrt ist, können weder über § 138 BGB erfasst werden155, noch lassen sie sich unter die Tatbestände der § 275 Abs. 1 BGB (rechtliche Unmöglichkeit) oder § 275 Abs. 2 BGB (Unzumutbarkeit der Leistung) subsummieren156, sodass schließlich, abgesehen vom subsidiären § 242 BGB, nur die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB bleiben. Die zunächst ungeeignet erscheinenden Rechtsfolgen im Falle einer Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung, namentlich das Rücktritts- respektive Kündigungsrecht gem. § 313 Abs. 3 BGB, entsprechen zwar im Ergebnis nicht der von US-Seite mit der Sperrliste intendierten absoluten Sperrwirkung gegenüber jeglichen Vermögenstransfers, da eine Rückabwicklung über die §§ 346 ff. BGB zu erfolgen hat. Sie stellen aber aus Sicht deutschen Zivilrechts in der Regel das maximale Entgegenkommen gegenüber der Executive Order 13.224 im Spannungsfeld des betroffenen Schuldners dar. Dass in einem solchen Fall, in dem sich der nicht-gelistete Vertragspartner immerhin – durch seine Leistungsverweigerung und die Geltendmachung einer gem. § 313 BGB gestörten Geschäftsgrundlage – um eine möglichst 153
Oben E. IV. Vgl. oben D. I. 3. und 4. 155 Oben F. I. 2. 156 Oben F. III. 1. 154
170
F. Berücksichtigung drittstaatlicher Sperrlisten im materiellen Zivilrecht
weitgehende Berücksichtigung der SDN-Liste bemüht hat, noch Sanktionen in den USA zu befürchten sind, kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Es ist aber ausreichend unwahrscheinlich, um eine in diesem Sinne lautende gerichtliche Entscheidung zu rechtfertigen.157 Freilich lassen sich Korrekturen dieses Ergebnisses – etwa über § 242 BGB – aber auch nicht kategorisch ausschließen. Im Einzelfall kann sich der Abbruch jeglicher Vertragsbeziehungen gem. § 313 BGB nämlich im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung nachgerade kontraproduktiv auswirken, wenn z.B. gebundenes Vermögen infolge der Vertragsauflösung an den betreffenden Gelisteten ausgezahlt wird, was nicht nur dessen Liquidität erhöht, sondern auch die Nachverfolgung der entsprechenden Finanzströme erschweren kann. In diesen Fällen bedarf es auf Rechtsfolgenseite einer gewissen Flexibilität, um etwa einen vorübergehenden Transaktionsstopp zu ermöglichen. Im Einzelfall könnte solch ein Moratorium durchaus geeignet sein, im Dialog mit den US-amerikanischen – sowie den entsprechenden deutschen und europäischen Behörden – einen Ausweg zu finden. Andererseits darf der Effekt einer Beendigung laufender Vertragsbeziehungen auch im Falle einer Liquidierung investierter Vermögenswerte nicht unterschätzt werden: Der Ausschluss des Gelisteten vom Bankenverkehr wird in aller Regel dennoch eine gravierende Beeinträchtigung seiner Finanztransfergeschäfte darstellen. Die (je nach Konstellation) über § 275 Abs. 1 BGB oder § 313 BGB erreichten Lösungen sind ferner insofern als abschließend anzusehen, als eine (vorrangige) AGB-rechtliche Regelung, z.B. durch Ergänzung der AGB-Banken, keine weitergehende Berücksichtigung drittstaatlicher Terrorsperrlisten ermöglichen könnte. Absolute Leistungsverweigerungsrechte für den Fall einer fremdstaatlichen oder US-amerikanischen Listung des Vertragspartners, die einer – zumindest vorübergehenden – Enteignung gleichkämen, würde schon prima vista an § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB (unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners) scheitern oder als überraschende Klausel gem. § 305c BGB bereits gar nicht Vertragsbestandteil werden.158
157 Dagegen reicht der pauschale Verweis des OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 9.5.2011, Az. 23 U 30/10, ZIP 2011, 1354 (1357), auf die angeblich mangelnden Rechtsverfolgungsambitionen der US-Behörden und -Gerichte nicht aus, vgl. oben F. III. 2. a. (2). 158 Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit entsprechender Vorbehalte bei US-DollarTransaktionen mit dem deutschen AGB-Recht äußert auch Gruson, Columbia Business Law Review 2004, 771 (dortige Fn. 155).
G. Gesamtergebnis und Ausblick G. Gesamtergebnis und Ausblick G. Gesamtergebnis und Ausblick
Die vom US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control verwaltete SDN-Terrorsperrliste ist – obgleich nicht Teil des in Deutschland anwendbaren Rechts – auch bei Sachverhalten mit deutschem Gerichtsstand ein in zivilrechtlichen Verhältnissen potentiell relevanter „Störfaktor“. Die Liste, namentlich die ihr zugrundeliegende Presidential Executive Order 13.2241, erstreckt sich nämlich ihrem Anwendungswillen nach auch auf Rechtsgeschäfte, die nicht ausschließlich der Jurisdiktion der USA unterstehen, sondern sich dieser gegebenenfalls – etwa bei Geschäften einer in Deutschland ansässigen Tochter eines US-Unternehmens mit ihren hiesigen Kunden – sogar vollständig entziehen.2 Die Europäische Union führt – teilweise basierend auf Vorgaben der Vereinten Nationen3 – zwar eigene Terrorsperrlisten4, die sich hinsichtlich vieler Einträge mit der US-Liste decken5 und vergleichbare Sanktionen gegenüber den Gelisteten vorsehen. Die US-Liste ist aber keineswegs identisch mit den in Deutschland unmittelbar anwendbaren europäischen, sondern deutlich umfangreicher.6 Diese Divergenz zwischen den US-amerikanischen und europäischen Listenregimes droht zudem wegen Verschärfungen des Listungsverfahrens auf UN-Ebene7 noch anzuwachsen. Von einem nur theoretischen Problem kann folglich – schon heute – keine Rede sein. Die der US-Sperrliste zugrundeliegenden Rechtsakte verbieten annähernd vollumfänglich, Rechtsgeschäfte mit den Gelisteten vorzunehmen, ihnen Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen oder sonstige Leistungen vorzunehmen, die ihnen oder ihren Unterstützern direkt oder mittelbar zugutekommen.8 Die Erwartung der US-Antiterror-Gesetzgebung ist somit (auch für die genannten Fälle außerhalb der US-Rechtsmacht), dass etwa eine betroffene Bank für einen gelisteten Geschäftspartner weder Transaktionen durch1
D. I. 1. a. D. I. 3./4. 3 C. I. 1. und C. II. 4 C. I. 2.–4. und C. II. 5 C. I. 1. b. 6 D. I. 6. 7 C. I. 1. b. 8 D. I. 3. 2
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G. Gesamtergebnis und Ausblick
führt oder sonstige vertragliche Leistungen erbringt noch Guthaben an diesen auszahlt, die z.B. auf Giro- oder Sparkonten vorhanden sind. Bei Zuwiderhandlungen drohen in den USA gravierende straf- und ordnungsrechtliche Sanktionen.9 Das durch die US-Sperrliste geschaffene Dilemma, in dem sich die Beteiligten in entsprechenden Konstellationen außerhalb der USA befinden, ist einer Lösung über das Kollisionsrecht10 de lege lata kaum zugänglich. Einfallstor für die US-Vorschriften könnte, bei vertraglichen Schuldverhältnissen, Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO11 sein, der als Tatbestand für die Berücksichtigung „drittstaatlicher“ Eingriffsnormen immer angewendet werden kann, wenn das Eingriffsrecht nicht der lex fori selbst entstammt – auch, wenn es an einem grenzüberschreitenden Bezug, abgesehen von der fremden Eingriffsnorm, fehlt.12 Allerdings ist Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO tatbestandlich derart eng ausgestaltet, dass dieser Weg – nicht nur hinsichtlich der US-Terrorliste – in vielen Fällen versperrt ist. Zwar kann die maßgebliche Executive Order 13.224 als Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO klassifiziert werden13, die auch nicht per se an einer – zu Unrecht geforderten14 – Prüfung der Vereinbarkeit mit deutschen und europäischen Grundrechten oder -werten scheitert15. Als besonders problematisch erweist sich allerdings das Erfordernis von Eingriffsnormen des „Erfüllungsstaates“ in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO. Zwar muss der (gegebenenfalls auch multiple) Erfüllungsort dabei richtigerweise nach tatsächlichen Kriterien ermittelt und für einzelne vertragliche Verpflichtungen individuell bestimmt werden.16 Gerade im Hinblick auf die US-Terrorliste scheitern die meisten problematischen Konstellationen aber an dieser Maßgabe, da – wie auch im soeben genannten Beispiel der Geschäftstätigkeiten deutscher Niederlassungen von US-Unternehmen – Erfüllungsort, selbst bei großzügiger Interpretation des Tatbestandsmerkmals, nicht die USA sind.17 In den verbleibenden Fällen – wie etwa US-Dollar-Transaktionen, die aufgrund der SDN-Liste in US-Clearingstellen gestoppt werden18 – führt die Executive Order 13.224 zwar zu der in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO geforderten Unrechtmäßigkeit der Erfüllung.19 Allerdings laufen die überaus unklar for9
D. I. 5. E. 11 E. I. 12 E. I. 13 E. I. 2. b. 14 E. I. 2. c. (3) sowie E. I. 9. 15 E. I. 2. c. und E. I. 7. c. 16 E. I. 4. 17 E. I. 4. f. 18 Dazu D. I. 4. c. 19 E. I. 5. c. 10
G. Gesamtergebnis und Ausblick
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mulierten Rechtsfolgen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, der anordnet, den Eingriffsnormen könne „[…] Wirkung verliehen […]“ werden, bei Lichte betrachtet ohnehin auf eine materiellrechtliche Berücksichtigung der durch die SDN-Liste geschaffenen Situation hinaus.20 Da diese Berücksichtigung auf Ebene des Sachrechts richtigerweise der einzig gangbare Weg im Falle intervenierender, drittstaatlicher Eingriffsnormen ist, sind diesbezügliche Regelungen im Kollisionsrecht generell sowie Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Besonderen obsolet.21 Hinsichtlich der nicht von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erfassten Konstellationen kommt von vornherein nur eine Lösung des vorliegenden Problems über das materielle Zivilrecht in Betracht, die neben Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO auch nicht gesperrt sein kann22. Hier bietet sich, neben § 138 Abs. 1 BGB, der mangels Sittenwidrigkeit von Geschäften mit in den USA Gelisteten nicht einschlägig ist23, vor allem das allgemeine Leistungsstörungsrecht an. Sofern die geschuldeten Leistungen in den USA vorgenommen werden müssen, wegen der US-Terrorliste aber nicht durchführbar sind, kommt eine rechtliche Unmöglichkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 1 BGB in Betracht.24 Die Unzumutbarkeit der Leistung nach § 275 Abs. 2 BGB eignet sich dagegen für die vorliegenden Konstellationen nicht, da hiervon nur Fälle extremer finanzieller Ineffizienz erfasst werden, zu denen Leistungshindernisse aufgrund drohender Sanktionen nicht gehören.25 Die Listung einer Partei in den USA stellt aber – bei entsprechender, einzelfallbezogener Bedrohungslage der anderen – im Ergebnis eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB dar.26 Dem nicht-gelisteten Vertragspartner ist nämlich eine Fortführung der Geschäfte mit dem Gelisteten wegen der ihm in den USA drohenden Sanktionen nicht zumutbar.27 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in den USA wegen der Zwangslage des Betroffenen möglicherweise von einer Rechtsverfolgung abgesehen werden kann28 – es sei denn natürlich, dieses Ergebnis könnte im Einzelfall sicher vorhergesagt werden. Mangels Zumutbarkeit einer Anpassung kann der Betroffene vom Vertrag zurücktreten oder (bei Dauerschuldverhältnissen) kündigen, § 313 Abs. 3 BGB. Die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses über §§ 346 ff. BGB entspricht zwar nicht dem in der Executive Order 13.224 geforderten vollständigen Transaktionsstopp gegenüber den Gelisteten, ist aber in der Regel das größtmögliche Ent20
E. I. 7. b. E. I. 9. 22 E. I. 8. 23 F. I. 2. 24 F. III. 1. c. (1). 25 F. III. 1. c. (2). 26 F. III. 2. 27 F. III. 2. a. (2). 28 F. III. 2. a. (2). 21
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G. Gesamtergebnis und Ausblick
gegenkommen aus Sicht des deutschen Zivilrechts, da weitergehende (dauerhafte) Leistungsverweigerungsrechte zu einer faktischen und nicht justitiablen Enteignung des Gelisteten führen würden.29 Gleichwohl ist ein kategorischer Ausschluss einer Korrektur dieses Ergebnisses – etwa in Form eines vorübergehenden Transaktionsstopps – nicht möglich.30 Im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist die SDN-Liste praktisch wenig relevant und fehlt zudem jegliche kollisionsrechtliche Regelung betreffend die Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen.31 Denkbar ist aber auch hier, die Leistungspflichten gegebenenfalls als rechtlich unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB einzustufen. Die Ergebnisse dieser Arbeit, die sich an der US-amerikanischen Terrorsperrliste des Office of Foreign Assets Control orientiert, sind zum Teil auch auf andere drittstaatliche Sperrlisten übertragbar. Allerdings sind die untersuchten normativen Lösungsansätze aus dem Kollisions- und Sachrecht allesamt stark durch wertende Elemente und unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt. Die Prüfung weiterer, fremder – soweit ersichtlich bisher nicht relevanter – Listenregimes kann an diesen Punkten natürlich anders ausfallen. Eine US-Gesetzgebung, die – auch im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung – hinsichtlich extraterritorialer Geltungsansprüche die Grenzen der eigenen Jurisdiktion wahrt, wäre freilich begrüßenswert. Da die USA in ihrem seit 2001 auf zahlreichen Ebenen geführten „Krieg gegen den Terror“ aber insgesamt nicht gerade durch übermäßige selbstauferlegte Zurückhaltung aufgefallen sind, wird wohl auch diese Forderung ungehört verhallen und muss der Konfliktsituation der Betroffenen weiterhin im internationalen und materiellen Privatrecht Rechnung getragen werden.
29
F. III. 2. b. F. IV. 31 E. II. 30
Anhang Anhang I. Executive Order 13.224
I. Executive Order 13.224 Blocking property and prohibiting transactions with persons who commit, threaten to commit, or support terrorism. By the authority vested in me as President by the Constitution and the laws of the United States of America, including the International Emergency Economic Powers Act (50 U.S.C. 1701 et seq.)(IEEPA), the National Emergencies Act (50 U.S.C. 1601 et seq.), section 5 of the United Nations Participation Act of 1945, as amended (22 U.S.C. 287c) (UNPA), and section 301 of title 3, United States Code, and in view of United Nations Security Council Resolution (UNSCR) 1214 of December 8, 1998, UNSCR 1267 of October 15, 1999, UNSCR 1333 of December 19, 2000, and the multilateral sanctions contained therein, and UNSCR 1363 of July 30, 2001, establishing a mechanism to monitor the implementation of UNSCR 1333, I, GEORGE W. BUSH, President of the United States of America, find that grave acts of terrorism and threats of terrorism committed by foreign terrorists, including the terrorist attacks in New York, Pennsylvania, and the Pentagon committed on September 11, 2001, acts recognized and condemned in UNSCR 1368 of September 12, 2001, and UNSCR 1269 of October 19, 1999, and the continuing and immediate threat of further attacks on United States nationals or the United States constitute an unusual and extraordinary threat to the national security, foreign policy, and economy of the United States, and in furtherance of my proclamation of September 14, 2001, Declaration of National Emergency by Reason of Certain Terrorist Attacks, hereby declare a national emergency to deal with that threat. I also find that because of the pervasiveness and expansiveness of the financial foundation of foreign terrorists, financial sanctions may be appropriate for those foreign persons that support or otherwise associate with these foreign terrorists. I also find that a need exists for further consultation and cooperation with, and sharing of information by, United States and foreign financial institutions as an additional tool to enable the United States to combat the financing of terrorism.
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Anhang
I hereby order: Sec. 1. Except to the extent required by section 203(b) of IEEPA (50 U.S.C. 1702(b)), or provided in regulations, orders, directives, or licenses that may be issued pursuant to this order, and notwithstanding any contract entered into or any license or permit granted prior to the effective date of this order, all property and interests in property of the following persons that are in the United States or that hereafter come within the United States, or that hereafter come within the possession or control of United States persons are blocked: (a) foreign persons listed in the Annex to this order; (b) foreign persons determined by the Secretary of State, in consultation with the Secretary of the Treasury and the Attorney General, to have committed, or to pose a significant risk of committing, acts of terrorism that threaten the security of U.S. nationals or the national security, foreign policy, or economy of the United States; (c) persons determined by the Secretary of the Treasury, in consultation with the Secretary of State and the Attorney General, to be owned or controlled by, or to act for or on behalf of those persons listed in the Annex to this order or those persons determined to be subject to subsection 1(b), 1(c), or 1(d)(i) of this order; (d) except as provided in section 5 of this order and after such consultation, if any, with foreign authorities as the Secretary of State, in consultation with the Secretary of the Treasury and the Attorney General, deems appropriate in the exercise of his discretion, persons determined by the Secretary of the Treasury, in consultation with the Secretary of State and the Attorney General; (i) to assist in, sponsor, or provide financial, material, or technological support for, or financial or other services to or in support of, such acts of terrorism or those persons listed in the Annex to this order or determined to be subject to this order; or (ii) to be otherwise associated with those persons listed in the Annex to this order or those persons determined to be subject to subsection 1(b), 1(c), or 1(d)(i) of this order. Sec. 2. Except to the extent required by section 203(b) of IEEPA (50 U.S.C. 1702(b)), or provided in regulations, orders, directives, or licenses that may be issued pursuant to this order, and notwithstanding any contract entered into or any license or permit granted prior to the effective date: (a) any transaction or dealing by United States persons or within the United States in property or interests in property blocked pursuant to this order is prohibited, including but not limited to the making or receiving of any contribution of funds, goods, or services to or for the benefit of those per-
I. Executive Order 13.224
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sons listed in the Annex to this order or determined to be subject to this order; (b) any transaction by any United States person or within the United States that evades or avoids, or has the purpose of evading or avoiding, or attempts to violate, any of the prohibitions set forth in this order is prohibited; and (c) any conspiracy formed to violate any of the prohibitions set forth in this order is prohibited. Sec. 3. For purposes of this order: (a) the term “person” means an individual or entity; (b) the term “entity” means a partnership, association, corporation, or other organization, group, or subgroup; (c) the term “United States person” means any United States citizen, permanent resident alien, entity organized under the laws of the United States (including foreign branches), or any person in the United States; and (d) the term “terrorism” means an activity that – (i) involves a violent act or an act dangerous to human life, property, or infrastructure; and (ii) appears to be intended – (A) to intimidate or coerce a civilian population; (B) to influence the policy of a government by intimidation or coercion; or (C) to affect the conduct of a government by mass destruction, assassination, kidnapping, or hostage-taking. Sec. 4. I hereby determine that the making of donations of the type specified in section 203(b)(2) of IEEPA (50 U.S.C. 1702(b)(2)) by United States persons to persons determined to be subject to this order would seriously impair my ability to deal with the national emergency declared in this order, and would endanger Armed Forces of the United States that are in a situation where imminent involvement in hostilities is clearly indicated by the circumstances, and hereby prohibit such donations as provided by section 1 of this order. Furthermore, I hereby determine that the Trade Sanctions Reform and Export Enhancement Act of 2000 (title IX, Public Law 106–387) shall not affect the imposition or the continuation of the imposition of any unilateral agricultural sanction or unilateral medical sanction on any person determined to be subject to this order because imminent involvement of the Armed Forces of the United States in hostilities is clearly indicated by the circumstances. Sec. 5. With respect to those persons designated pursuant to subsection 1(d) of this order, the Secretary of the Treasury, in the exercise of his discretion and in consultation with the Secretary of State and the Attorney General, may
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take such other actions than the complete blocking of property or interests in property as the President is authorized to take under IEEPA and UNPA if the Secretary of the Treasury, in consultation with the Secretary of State and the Attorney General, deems such other actions to be consistent with the national interests of the United States, considering such factors as he deems appropriate. Sec. 6. The Secretary of State, the Secretary of the Treasury, and other appropriate agencies shall make all relevant efforts to cooperate and coordinate with other countries, including through technical assistance, as well as bilateral and multilateral agreements and arrangements, to achieve the objectives of this order, including the prevention and suppression of acts of terrorism, the denial of financing and financial services to terrorists and terrorist organizations, and the sharing of intelligence about funding activities in support of terrorism. Sec. 7. The Secretary of the Treasury, in consultation with the Secretary of State and the Attorney General, is hereby authorized to take such actions, including the promulgation of rules and regulations, and to employ all powers granted to the President by IEEPA and UNPA as may be necessary to carry out the purposes of this order. The Secretary of the Treasury may redelegate any of these functions to other officers and agencies of the United States Government. All agencies of the United States Government are hereby directed to take all appropriate measures within their authority to carry out the provisions of this order. Sec. 8. Nothing in this order is intended to affect the continued effectiveness of any rules, regulations, orders, licenses, or other forms of administrative action issued, taken, or continued in effect heretofore or hereafter under 31 C.F.R. chapter V, except as expressly terminated, modified, or suspended by or pursuant to this order. Sec. 9. Nothing contained in this order is intended to create, nor does it create, any right, benefit, or privilege, substantive or procedural, enforceable at law by a party against the United States, its agencies, officers, employees or any other person. Sec. 10. For those persons listed in the Annex to this order or determined to be subject to this order who might have a constitutional presence in the United States, I find that because of the ability to transfer funds or assets instantaneously, prior notice to such persons of measures to be taken pursuant to this order would render these measures ineffectual. I therefore determine that for these measures to be effective in addressing the national emergency declared in this order, there need be no prior notice of a listing or determination made pursuant to this order.
II. 31 CFR § 501.807 (Delisting-Vorschrift)
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Sec. 11. (a) This order is effective at 12:01 a.m. eastern daylight time on September 24, 2001. (b) This order shall be transmitted to the Congress and published in the Federal Register. THE WHITE HOUSE, September 23, 2001.
II. 31 CFR § 501.807 (Delisting-Vorschrift) II. 31 CFR § 501.807 (Delisting-Vorschrift)
Procedures governing delisting from the Specially Designated Nationals and Blocked Persons List. A person may seek administrative reconsideration of his, her or its designation or that of a vessel as blocked, or assert that the circumstances resulting in the designation no longer apply, and thus seek to have the designation rescinded pursuant to the following administrative procedures: (a) A person blocked under the provisions of any part of this chapter, including a specially designated national, specially designated terrorist, or specially designated narcotics trafficker (collectively,“a blocked person”), or a person owning a majority interest in a blocked vessel may submit arguments or evidence that the person believes establishes that insufficient basis exists for the designation. The blocked person also may propose remedial steps on the person’s part, such as corporate reorganization, resignation of persons from positions in a blocked entity, or similar steps, which the person believes would negate the basis for designation. A person owning a majority interest in a blocked vessel may propose the sale of the vessel, with the proceeds to be placed into a blocked interestbearing account after deducting the costs incurred while the vessel was blocked and the costs of the sale. This submission must be made in writing and addressed to the Director, Office of Foreign Assets Control, U.S. Department of the Treasury, 1500 Pennsylvania Avenue, NW.– Annex, Washington, DC 20220. (b) The information submitted by the blocked person seeking unblocking or by a person seeking the unblocking of a vessel will be reviewed by the Office of Foreign Assets Control, which may request clarifying, corroborating, or other additional information. (c) A blocked person seeking unblocking or a person seeking the unblocking of a vessel may request a meeting with the Office of Foreign Assets Control; however, such meetings are not required, and the office may, at its
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Anhang
discretion, decline to conduct such meetings prior to completing a review pursuant to this section. (d) After the Office of Foreign Assets Control has conducted a review of the request for reconsideration, it will provide a written decision to the blocked person or person seeking the unblocking of a vessel. [64 FR 5614, Feb. 4, 1999]
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Sachregister Sachregister Sachregister AGB-Banken 57, 145 ff. AGB-rechtliche Lösung 170 AGB-Sparkassen 57, 145 ff. Al-Haramain-Entscheidung 45 ff. al-Qaida 7, 9 ff., 15, 17 ff., 37 Anwendungsbereich der Rom I-VO 72 ff. Anwendungswille von Eingriffsnormen 70, 75, 143 Arblade-Entscheidung 76 f., 83 Art. 9 Rom I-VO 63–135 172 ff. Außenwirtschaftsrecht 78 f., 80 außervertragliche Schuldverhältnisse 135 f., 150 besonderer Zweck von Eingriffsnormen 78 ff. Bierlieferungs-Entscheidung 87, 162 Brüssel I-VO 94 ff. CHIPS 55 ff. CIA 42, 58 Clearingstellen 55 ff., 108, 139, 148 Court of Appeal 45, 46 f., 74, 110 Datumtheorie 67 f., 72 de Bloos-Entscheidung 97, 99 f. Delisting-Verfahren – UN-Terrorlisten 19, 30 – US-Terrorlisten 46 Devisenrecht 136 ff., 143, 148, 155 einfach zwingendes Recht 64, 73 ff., 89, 92 Einfrieren von Vermögenswerten 1, 10, 17, 22 ff., 31, 35, 44, 49, 168 Eingriffsnormen – Definition 74 ff. – der lex causae 64, 72, 89 ff.
– drittstaatliche 63 ff., 91, 136, 162 – materiellrechtliche Berücksichtigung 141 ff. – Rechtslage vor Art. 9 Rom I-VO 66 ff. – US-Terrorlisten als Eingriffsnormen 88, 93, 108, 119, 127 ff., 133 ff. Einheitsanknüpfung 66 ff., 71, 90, 92, 93, 125 Embargobestimmungen 145 Erfüllungsort (bei Art. 9 Rom I-VO) – autonome Bestimmung 94, 98 – bei US-Terrorlisten 108 f. – Bezugspunkt 100 ff. – Definition 103 ff. – nach Art. 5 Brüssel I-VO 94 ff. – multipler 100 ff. – rechtlicher 94 ff., 97 ff. – tatsächlicher 102 ff. EuGVO [siehe Brüssel I-VO) EU-Terrorliste 21 ff., 30 ff., 60 EVÜ 65 f., 69 f., 72 f., 81, 106, 117, 121 ff., 128, 131, 136 Executive Order No. 13.224 – Inhalt 47 ff. – Rechtsgrundlage 38 ff. – Rechtsnatur 37 FATF 9, 11, 13 Fedwire 55 ff. Geldschulden bei § 275 BGB 152 f. Grundfreiheiten 82 ff., 120 Grundrechte 26 ff., 87 f., 120, 132 f., 172 Grundrechtecharta der EU 4, 18, 27 ff., 87 Hawala-Banking 12
198
Sachregister
Ingmar-Entscheidung 81, 116 Internationales Öffentliches Recht 68 IWF-Abkommen 136 ff., 143 Kadi-Entscheidung 22, 27 ff., 33 Konto 13, 35, 148 f. Krombach-Entscheidung 82 Kumulationstheorie 69 ff. lex loci solutionis 91 Machttheorie 68, 98, 102, 123 Missbrauchskontrolle 83 ff.
– Reichweite 47 ff. – Verwaltung 44 ff. – Zustandekommen 44 ff. Sicherheitsrat 17 ff., 26 ff., 37 Sittenwidrigkeit 143 ff., 173 Sonderanknüpfung 66, 68 ff., 91, 126 f., 130 f., 134, 136, 146 Sonderprivatrecht 80 f. Sperrwirkung Art. 9 Rom I-VO 126, 130 ff., 143, 164 Störung der Geschäftsgrundlage 87, 142, 150, 159, 162 ff., 169, 173 Strafbewehrtheit 76 f., 130
PATRIOT Act 40, 42 ff., 48 presidential executive order [siehe Executive Order 13.224]
Taliban 9, 10 f., 17 ff., 30 ff., 37 Territorialitätsprinzip 68 f. Terrorismus – Abgrenzung 5 f. – Definition 4 ff. – Finanzierung 10 ff. – radikalislamischer 7 f. Tessili-Entscheidung 96 f. Trading with the Enemy Act 39
Ralli-Entscheidung 74, 110 ff., 114, 118 Rechtsfolgen EU-Terrorlisten – öffentlich-rechtlich 25 f. – strafrechtlich 25 – zivilrechtlich 23 f. Rechtsfolgen US-Terrorlisten 57 ff. Regazzoni-Entscheidung 74, 110 Restatements (des American Law Institute) 72, 158, 165 f. Rom II-VO 63, 94, 135 ff. Rom I-VO 63 ff.
Unmöglichkeit 24, 132, 148, 150 ff. Unrechtmäßigkeit der Erfüllung (i.S.d. Art. 9 Rom I-VO) – bei Sanktionslisten 119 f. – Definitionsansätze 109 ff. – Undurchsetzbarkeit als Unrechtmäßigkeit 113, 117, 119 UN-Terrorliste 17 ff., 30 f. Unzumutbarkeit (bei § 275 BGB) 149, 155 ff. US-Dollar 9, 15, 55 ff. 108, 127, 136, 138 f., 147 ff., 170, 172
Sanktionsausschuss 18 ff., 30 f. Schuldstatutstheorie [siehe Einheitsanknüpfung] SDN-Liste – Adressaten 52 ff., 58, 119, 142 – Inhalt 47 ff.
Verbotsgesetz 142 ff. Völkerrecht 2, 16, 19, 21, 27 f., 128 f., 131, 137, 158, 166
Nigerianische Masken-Entscheidung 71 ordre public 66 ff., 82, 88, 91, 111, 117, 120 ff., 137 Osama bin Laden 10, 16, 21, 31
Wirkungsverleihung 95, 121, 125 ff., 130 f., 134, 139, 143, 149