Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht [1 ed.] 9783428494521, 9783428094523

Der Autor erfaßt die rechtliche Einordnung der Tätigkeit von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschla

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German Pages 330 Year 1998

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Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht [1 ed.]
 9783428494521, 9783428094523

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BURKHARD RINNE

Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 113

Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisionsund Sachrecht

Von

Burkhard Rinne

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Rinne, Burkhard:

Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht I von Burkhard Rinne. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 113) Zug!.: Konstanz, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09452-2

Alle Rechte vorbehalten

© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09452-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Sie geht auf eine Anregung von Herrn Prof. Dr. Dr. Ebenroth zurück, dem ich fiir seine Förderung und vor allem fiir seine Motivationskunst sehr zum Dank verpflichtet bin. Ich danke Herrn Prof. Dr. Ebke herzlich fiir die Übernahme der Betreuung nach der Erkrankung von Herrn Prof. Dr. Dr. Ebenroth sowie fiir die Erstellung des Erstgutachtens, Herrn Prof. Dr. Hausmann fiir die Erstellung des Zweitgutachtens. Im besonderen bedanke ich mich bei meinen Eltern fiir ihre dauerhafte und außerordentlich großzügige moralische und finanzielle Unterstützung, ohne die diese Arbeit nicht hätte gelingen können, bei Herrn Assessor Mare Benzler, der mir zahlreiche Grundlagenfragen zum internationalen Privatrecht beantwortete, Herrn Rechtsreferendar Nils Lange-Bertalot, der die Arbeit orthographisch korrekturgelesen hat, und Frau Dr. Sandra Kind fiir ihre Tips zur Formatierung der Druckvorlage. Dank schulde ich ferner den Rechtsreferendaren Frau Anke Kießling, Herrn Erik Kießling, Herrn Assessor Gerhard Steinwedel sowie allen Freunden und Verwandten, die mir mannigfaltige Aufmunterung zuteil werden ließen. Literatur und Rechtsprechung konnten vereinzelt noch bis zum Herbst 1997 berücksichtigt werden. Mainz, im Sommer 1998

Burkhard Rinne

Inhaltsverzeichnis Einführung

25

Erstes Kapitel

Begriff der Zweigniederlassung

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht........................ ........................ .... .......

28

1. Niederlassung ........... ........... ....... ... ............. ... ...... ...... ...... .................. ...........

28

2. Rechtliche Unselbständigkeit- Abgrenzung zur Tochtergesellschaft..............

29

3. Kaufinann als Inhaber?........................................................................ ..........

29

4. Gegenstand des Geschäftes...........................................................................

30

5. Umfang der Geschäfte...................................................................................

31

a) Mindestumfang................................................ ... .. .. ....................... ...........

31

b) Kein Höchstumfang .. ........ .................. ............. .................... .. .. ... ..............

32

6. Leitungsperson................................................... ...........................................

33

7. Umfang der Organisation...................................................................... ........

33

a) Abgrenzung zur Agentur ............ ...............................................................

33

b) Fähigkeit, selbst Hauptniederlassung werden zu können ................ ...........

34

8. Dauer....................... ... ..................................................................................

35

9. Separate Buchführung?............. .................................................................. ..

35

10. Eigenes Geschäftsvermögen?.......................................................................

36

11. Zusammenfassende Defmition...................................... ...... .. .. ... .. .. .. .. .. .. ......

37

II. Qualifikation ausländischer Unternehmensteile in Deutschland........................

37

Zweites Kapitel

Beweggründe für die Errichtung von Zweigniederlassungen Vorteile gegenüber Tochtergesellschaften

I. Organisatorische Vorteile.................................... ............................................

39

8

Inhaltsverzeichnis

ll. Steuerliche Vorteile.........................................................................................

40

ill. Sonstige Kostenvorteile ...................................................................................

41

IV. Unternehmenspolitische Vorteile .............. ... .... ..... ............................ ... ...........

41

Drittes Kapitel Die internationalprivatrec:htlic:he Einordnung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland I. Vorbemerkungen...............................................................................................

42

1. Prüfungsumfang ................. .. ................ ... .. .. .. .. .. ... .................... . .... ..... . ..........

42

2. Begriff des Gesellschaftsstatuts .....................................................................

43

3. Keine Unterscheidung zwischen einzelkaufmännischen Untemelunen, nichtrechtsfahigen Personengesellschaften und juristischen Personen............

43

4. Janusköpfigkeit.............................................................................................

44

ll. Einheitliches Zweigniederlassungsstatut................................................. ..........

44

1. Deutsche Auffassungen ...... .............................. ............................................

45

a) Voraussehbarkeit filr den Gründer............................................................

45

b) Schutz des Verkehrs......... ........................................................................

45

c) Wille zur Unterwerfung .. .. .. .. ... .. ....... ........... ................. .... ... ....... .... .. .. ... ...

46

d) Gleichheit zur Tochtergesellschaft nach dem SchwerpWlkt der Tätigkeit ......

47

e) Gleichbehandlung mit inländischen Gesellschaften...................................

47

f) Zwischenergebnis......................................................................................

48

2. Die Regelung des schweizerischen Rechts....................................................

48

a) Regelungsbereich. .. ......... ..........................................................................

48

b) Bedenken .... ........ .......... .... ............................. ........................... ... ............

50

lll. Günstigkeitslehre ............ ....... ........ ........ ..... ..... .. .................................. ...........

50

1. Trennung von Außen- und Innenverhältnis . ... .. ... .. ... .... .. ... ... ... ........ .. .. .. ... ... ..

51

2. Schutz des Verkehrs.....................................................................................

51

3. Diskriminierungsgefahr...... ........... ..................... ..........................................

52

4. Gleichbehandlung ........ ................................................................................

52

5. Zusammenfassende Kritik ............................................................................

53

Inhaltsverzeiclmis

9

N. Versteckte Kollisionsnonnen im deutschen Recht ...........................................

54

V. Zwischenergebnis ............................................................................... :...........

55

VL Weite Anwendung des Personalstatuts- Reziprozität..... .................................

55

1. Völkerrecht......................... ........................................................................

57

a) Ursprung und Inhalt des Gnmdsatzes der Reziprozität................. ............

57

b) Abgrenzung zu Retorsion und Repression .. . .. ....................... .. .... . ... ....... ..

58

c) Völkerrechtliche Abkommen über Materien des IPR (Beispiele) .............

59

aa) Globale Abkommen..... .............................. .......................................

59

bb) Bilaterale Verträge... ........................................................................

60

cc) Bewertung.........................................................................................

60

2. Die Gegenseitigkeit im internationalen Privatrecht......................................

61

a) Regelungen in innerstaatlichen Rechten.. ................................................

61

b) Unmittelbare Drittwirkung des völkerrechtlichen Reziprozitätsgrundsatzes?...

62

c) Mittelbare Drittwirkung von Staatsverträgen...........................................

63

d) Erweiterung zu einem allgemeinen Entwicklungsgrundsatz des ungeschriebenen Kollisionsrechts...................................................... .............

64

3. Die Ausweitung des Gegenseitigkeitsgrundsatzes ........................................

65

a) Die bisherige Gegenseitigkeit als Realctionsfonn.....................................

65

b) Der Reziprozitätsgedanke als Vorleistungsfenn bei der Herausbildung ungeschriebener Kollisionsnonnen...................... ....... .................. ...........

66

aa) Die Folgenorientierung als anzuerkennende Argwnentationsfonn nach deutschem Recht........................................................................

67

bb) Soziologische Komponente; insbesondere Kants kategorischer Imperativ .

68

cc) Einklang mit Artt. 52, 58 und 30 EG-Vertrag fi1r den europäischen Rechtskreis ....... .. .................................... .................. . ...... .. .... ....... ....

69

dd) Die Förderung der internationalprivatrechtliehen Rechtssicherheit durch die positive Reziprozität........... ...............................................

70

4. Die Folge der positiven Reziprozität: das Postulat der umfassenden Anwendung des Personalstatuts auf ausländische Zweigniederlassungen im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht.....................................................

72

5. Die Einschränkungen durch die herrschende Auffassung: Verkehrsschutz durch analoge Anwendung des Art. 12 S.l EGBGB ....................................

72

a) Inhalt ......................................................................................................

72

10

Inhaltsverzeichnis b) Abstriche............................... ...................................................................

73

c) Kritik.. .. ............................ ................................... .. ... .......................... ......

74

aa) Bewußte Regehmgslücke ....................................................................

74

bb) Interessenabwägw1g als anzuzweifelnde Methode .. ... .. .. .. .. .. .. ...... ... .. ...

75

cc) Übermäßige Reichweite der Analogie.............. ....................................

76

dd) Ergebnis.............................................................................................

77

6. Das Modell der abstrakten Erkennbarkeit des Auslandsbezuges unter Berücksichtigung des Reziprozitätsgrundsatzes........................... .. ...... ..........

77

a) Inhalt und Beweislast....... .. .. .....................................................................

77

b) Rechtstechnische Durchsetzung .... .. ............... .. ............ .. ... .. ... .. .................

79

aa) Bei Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften: Firmenrecht und ordre public ... .. ... ..... .. .. .. .. . .. ... . .. ....... ..... .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. ... ....... .. .. .... .. .. .. .

80

bb) Bei Nichtkaufleuten und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts: Geschäftsbezeichnung oder Hinweis und ordre public .............. .. .........

82

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder......... .. ............... ... ... .... .. .. ..... .. .. ..

83

1. Errichtung und Anmeldung der ausländischen Zweigniederlassung.... .........

84

a) Die Errichtung als tatsächlicher Akt...... .................................................

84

b) Anmeldung zum Handelsregister .. .. .. .. .. .. .. .... ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... ...... .. ... .. .

85

aa) Bestimmung der Rechtsqualität der Hauptgesellschaft......................

86

bb) Anmeldungsfähige bzw. -pflichtige Personen...................................

87

cc) Prüfungskompetenz des Registergerichts - Anerkennungsprinzip......

88

dd) Charakter der Registereintragw1g..... ... .. .. ...... .. .. ... .. .. ... .. ... ....... ........ .

89

c) Dotationskapital.....................................................................................

90

aa) Festlegw1g des Gesetzes................................................................. ..

90

bb) Ungeschriebene Kapitalisierungspflicht?..........................................

91

2. Anwendbares Vertragsrecht I vertragliche Haftung.....................................

91

a) Verpflichtetes Subjekt. .......... ........................... ............ ....................... ..

92

b) Vertragsstatut nach Art. 27 ff. EGBGB (Primärhaftung).........................

93

aa) Vorrang der Rechtswahl ...................................................................

93

bb) Zustandekommen der Rechtswahl ....................................................

96

cc) Einschränkung der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen....... ..........

97

Inhaltsverzeichnis

11

dd) Rechtswahl durch AGB ......................................................................

97

c) Vertragsstatut ohne Rechtswahl: Art. 28 EGBGB........................ ..............

99

aa) BestirnmWlg der charakteristischen LeistWlg.......................... .. .... ....... 100 bb) Charakteristische LeistWlg durch den inländischen Vertragspartner ........ 10 I cc) Charakteristische LeistWlg durch das ausländische Unternehmen; EinordnWlg des DirektversendWlgskaufs.... ....... ................................. . I 0 I dd) Ausnahmen. .......... .............................................................................. 102 d) Willenserklärungen, Willensmängel .............................................. .... ....... 102 e) EinbeziehWlg von AGB in den Schuldvertrag.............. .... .... .. .. .. .. .... ...... .. .. 103 f) Vertragliche HaftungsbeschränkWlgen auf das ZweigniederlassWlgsvermögen................... .... ... .. .......................................................... ............ 105 g) SekWldärhaftung (LeistWlgsstöfWlgen i.w.S.).... ...... .............. .................... 106 h) ZweigniederlassWlg Wld UN-Kaufrecht........... ............ .... .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 107 i) Zwischenresümee............ ...................................... .................................... 109 3. Rechtsflihigkeit .................... .............................. ............................... .......... . 109

a) BedeutWlg .. .. .. .. . ... .. .. .. .. . ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. ... .. ... .. .. . 110 b) Konstellationen .... ............ ........ ....... .. ............ ................................. .. ........ 11 0 aa) Ultra-vires-Lehre ...... .. ....................................................................... 111 (1) England........ ......... ................................................................. .......

111

(2) USA ................... ....................................................................... .. .. 112 bb) Specialire statutairein Frankreich....................................................... 113 cc) BewertWlg........................................................................................... 114 c) Kollisionsrechtliche Anknüpfung- GrWldsatzstreit......................... .... ...... 115 d) Sonderanknüpfung aus Verkehrsschutzgründen......................................... 116 aa) Gutglaubensschutz durch die h.M............ .. ............................... .. ......... 117 bb) Kritik ............. .................................................................................... 117 e) PublizitätswirkWlg über § 15 I Wld II HGB bei Zweigniederlassm1gen?.. ... 119 aa) Ungeschriebene Eintragm1gspflicht ...... ......... .. .. ... ............... ............. .. 119 bb) Mittelbare Eintragungspflicht gern. § 13 d

mHGB a.E. ......................

120

cc) Eintragm1gsflihigkeit ..................................... .......................... ............ 121 f) Ergebnis- LösWlg über Erkennbarkeitsmodell .............................. ............ 122

12

Inhaltsverzeiclmis

4. Gesetzliche Vertretung........ .......................................................................... 123 a) Beschränkungen... ..................................................................................... 123 b) Statutsbestimmung ................................................................................... 124 c) Sonderanknüpfung zwecks Verkehrsschutzes ............................................ 124 aa) Überwiegende Tendenz....................................................................... 125 bb) Kritik ..... .... ... .. ......... ..... ....... .. ................. ..... ..... .. ...... . ....... .... ............. 125 d) Registerpublizität des § 15 HGB auf der Grundlage einer Eintragungspflicht über § 13 e II 4 Nr. 3 HGB?.................... .. ........ ..... .. .. .. .. .... ... .. ... .. .. 127 e) Ergebnis................................................................................................... 128

5. Gewi1lkürte Vertretung (Vollmacht).............................................................. 129 a) Besondere kaufinännische Vertretungsfonnen ........................................... 130 aa) Filialprokura....................................................................................... 130 bb) Filialhandlungsvollmacht....... .................... .... .. .. ...... ...... .................. ... 131 cc) Publizitätswirkung des§ 15 HGB................. ....................................... 131 b) Allgemeine Statutsbestimmung................................................................. 132 aa) Vertragsstatut ............................................ ......................................... 132 bb) Eigenes Vollmachtsstatut.................................................................... 133 cc) Personalstatut (Hauptniederlassung).................................. ... .. ... .. ... .. .. . 135 dd) Bewertung................ .......................................................................... 136 ee) Sachenrechtliche Vollmachten............................................................. 138 ( l) Vollmacht zu schuldrechtlichen Geschäften mit dinglichen Verpflichtungen.................................................................................. 138 (2) Vollmacht filr Verftlgungsgeschäfte ............................................... 139 c) Ergebnis ....................................................................................... ............ 142 6. Vertretungsmacht kraftRechtsscheins: Anscheins- und Du1dungsvollmacht.... 142 a) Vollmachtsstatut....................................................................................... 143 b) Geschäftsstatut ... ..... ......... ... .. ...... ............ .. ...... .. .. ........... .. ... .. .... .. ... .......... 144 c) Personalstatut .. ... .. .......... .. . ............................. ......... ...... ..... ............. ... ...... 144 d) Ort der Entstehung des Rechtsscheins...................... ................................. 145 e) Einschränkung zugunsten des Vertretenen (Art. 31 II EGBGB analog)......... 146

f) Differenzierung nach Umfang des Rechtsscheins?.......................... ............ 148

Inhaltsverzeichnis

13

g) Ergebnis............................ ....................................................................... 149 7. Vertretung ohne Vertretungsmacht................................................................ 150 a) Genehmigung durch den Vertretenen.................... .................................... 151 aa) Geschäftsstatut................................................................................... 151 bb) Vollmachtsstatut................................................................................. 152 cc) Personal-/Gesellschaftsstatut ................................. .... ... ............ ...... ..... 153 b) Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht .. .. .. .. .. ... .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. ... ... . 15 5 aa) Vollmachtsstatut ... ..... ............................... ............................... ........... 15 5 bb) Personalstatut des (nicht) Vertretenen........ ............................... .......... 156 cc) Geschäftsstatut........................................... ......................................... 156 dd) Differenzierung nach Grad des Vertretungsmangels? .......................... 158 c) Ergebnis............. ...................................................................................... 158 8. Firma der Zweigniederlassung...................................................................... 160 a) Firmenbildung und -gebrauch des ausländischen Unternehmens...... .......... 161 b) Firmenbildung und-führungder Zweigniederlassung................................ 162 aa) Wirkungsstatut/Zweigniederlassungsstatut ... ... .. ...... ................. ..... .. .... 163 bb) Personalstatut..................................................................................... 165 cc) Einschränkung durch Sonderanknüpfungen...... .................................... 166 (1) Firmenwahrheit (Niederlassungszusatz; Phantasiefuma; Auslandsbezug) .................................................................................. 167 (2) Firmenunterscheidbarkeit.............................................................. 170 (3) Firmeneinheit................................. .... ........ .. ................... .............. 170 (4) Firmenklarheit (Geschäftsgegenstand und Verhältnisse des Inhabers; Rechtsformzusatz; Sprache).................. ................................ 171 c) Registereintragung der Firma.................................................................... 173 d) Ergebnis ......................................................... .......................................... 174 9. Haftung bei Untemehmensfortfiihrung mit Firmenübemahme........... ............. 176 a) Anknüpfung.................................................... .......................................... 176 b) Übernahme und Fortführung einer bestehenden Zweigniederlassung......... 177 10. Firmenschutz.................... ........................................................................... 178 a) Wirkungsstatut ......................................................................................... 178

14

fuhaltsverzeichnis b) Personalstatut....................... .................................................................. 181 c) Inlandsschutz als Obergrenze .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. . 181 d) Ergebnis ......................................................................... .................... .. 182

11. Kaufrnannseigenschaft........ ......................................................................... 183 a) Wirkungsstatut ............................................ ........................................... 183 b) Personalstatut............ ..................................... ........................................ 185 c) Vertragsstatut ................ ......................................................................... 185 d) Differenzierende LösWlg.... .............................. ....................................... 186 aa) Registerrecht.............. ...................................................................... 186 bb) Handelsgeschäfte Wld allgemeine GeschäftsbedingWigen.......... .... .. .. 187 cc) Buchführungs- Wld Bilanzrecht ........................................................ . 189 dd) Gewerbe(aufsichts)recht ................................................................... 190 e) Ergebnis ................... ...... ......................... ..................................... .......... 190 f) AnwendWlg der einzelnen Begriffsmerkmale...... ..................................... 190

aa) Betrieb der ZweigniederlassWlg als Bezugsmoment....................... .... 191 bb) Substitution ............ .. .............................................................. .......... 191 12. Arbeitsrechtliche Aspekte....... .......................... ................................... ........ 192 a) Statut der Arbeitsverhältnisse................................................................. 193 b) Reichweite der AllgemeinverbindlichkeitserklärWlg eines Tarifvertrages 193 aa) Ohne Rechtswahl filr das Arbeitsverhältnis ....................................... 193 bb) Bei abweichender Rechtswahl filr das Arbeitsverhältnis.......... .......... 194 c) MitbestinunWlg............. ... .................... .. .. .. ... ................................ .......... 196 aa) Betriebliche MitbestinunWig............................................................. 197 bb) Unternehmerische MitbestinunWlg .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ......... .......... 198 (I) Wirkungsstatut/ZweigniederlassWigsstatut .............. .... .... .. ...... .... 198 (2) UmgründWigspflicht durch Analogie zu deutschen Vorschriften aus Gründen des ordre public ......................... :............................ 200 (3) EinsetzWlg eines Gesamtbevollmächtigten (analog§ 106 VAG) ....... 201 (4) Aufsichtsrechtliche AnordnWlg durch Auflagen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 202 ( 5) Personal-/Gesellschaftsstatut .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. 203

Inhaltsverzeichnis

15

(6) Umgehungsaspekt bei Gründung einer Auslandstochter ............... 204 cc) Ergebnis............................................................................................ 205 13. Deliktische Haftung .......... ..... ........................... ............................... ........... 206 a) Anknüpfung des Deliktsrechts................................................................. 207 aa) Personalstatut ......... ..... ........................... ............................... ........... 207 bb) Differenzierte Anknüpfung nach Kontext der Rechtsverletzung ......... 208 cc) Tatort...... ............ ... ............................................................. ............. . 209 (I) Handlungsort................................ ............................................... 210 (2) Erfolgsort .................................................................................... 210 (3) Günstigkeit ................................................................................. 211 dd) Zwischenergebnis.. ........................................................................... 212 b) Haftung fiir Dritte: Organe und Verrichtungsgehilfen .............................. 212 aa) Kollisionsrecht der Begriffsbestimmung ....... ..................................... 212 bb) Eigenschaft des Leiters der Zweigniederlassung................................ 213 cc) Haftung fiir Organe und ultra-vires-Lehre .............................. .......... .. 213 c) Weitere Bestandteile............................................................................... 214 d) Haftung wegen Verletzung von Schutznormen ........................................ 215 e) Ergebnis....................... ....... ................................................................... 216 14. Fragen dinglicher Rechte an beweglichen Sachen bei grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften unter Beteiligung einer Zweigniederlassung ............... 216 a) Lex rei sitae als Ausgangspunkt................ .............................................. 217 b) Möglichkeit einer Rechtswahl des Sachstatuts ............ ................. ...... ..... 218 aa) Grundsatz .. .. .. .. .. .. .. . .. . .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 219 bb) Ausnahme fiir Exportgeschäfte?........................................................ 220 c) Kw-zer Rechtsvergleich deutscher besitzloser Sicherungsrechte mit dem englischen und französischen Recht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 222 aa) Eigentumsvorbehalt .......................................................................... 222 bb) Sicherungsübereignung ............................ ............................ .......... ... 225 d) Problemkonstellationen .. ... .. .. .. .. .. .................... ... .......... .... .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. 226 aa) Verbringung einer Sache aus dem Ausland (Einfuhr)............ ............. 226

16

Inhaltsverzeichnis bb) Verbringung einer Sache in das Ausland (Ausfuhr) bei Eigentwnsvorbehalt oder Sicherungsübereignung........... ........ ... .. .......... .. .... .... 227 (1) Vollübereignung? ...................................................................... 228 (2) Schicksal von Anwartschaftsrechten .......................................... 229 (3) Rechtsfolgen für im Inland vereinbarte Sicherungsrechte (Eigentwnsvorbehalt und Sicherungsübereignung)......................... 230 (4) Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche. .................... ....... ........... 232 e) Ergebnis .................. ..... ................ ..... ...... ... ................................ ........ .. 234

VIII. Ergebnisse der Fragestellungen zum IPR der Zweigniederlassung................. 236 1. Grundsätzliche Einordnung .. ... ... ... .................. .. ........................... ... .......... 236 2. Reichweite................ ................................................................................ 237 3. Bewertung .................................................... ........................................ .... 242 4. Vereinbarkeit des methodischen Ansatzes mit der Sitztheorie.................... 243

Viertes Kapitel

Aufsichtsrechtliebe Bestimmungen I. Gewerberecht.......... ...................................................................................... 244 1. Anzeigepflicht................... ........................................................................ 244 2. Untersagung des Gewerbebetriebes........................................................... 246 3. Publizität .................................................................................................. 247 II. Kartellrecht. .................................................................................................. 247 1. Artt. 85 und 86 EG-Vertrag ....................................................................... 248

2. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ............................................... 250

ill. Bankenaufsicht..................... ................... ...... ..... .............................. ..... .. ..... 252 1. Grundvorschrift des § 53 KWG ................................................................. 253

2. Ausnalunen filr Zweigstellen von Unternelunen aus der EU: § 53 b KWG........ 255 3. Freistellungsmöglichkeiten für Zweigstellen aus anderen Staaten: §53 c.. .. 255 IV. Versicherungsaufsicht.. ................................................................................. 256 1. Unternehmen aus Staaten außerhalb von EWG oder EWR.. ....................... 256 2. Unternehmen mit Sitz in EWG-Mitglied- oder EWR-Vertragsstaaten ........ 259

Inhaltsverzeichnis

17

Fünftes Kapitel

Die Zweigniederlassung im Steuerrecht I. Abgabenordnung .......... .......... ..... ............. .......... ..... ............................. ........ ... 261 II. Einkommensteuer..................... ....................................................................... 262 III. Körperschaftsteuer ..... ............ . ... ............ .. . .. .......... ... .. ..... .......... ...... ..... .... .. .. ... 264 IV. Gewerbesteuer ................................................................................................ 266 V. Vermögensteuer........ .................................................... .................................. 266 VI. Methoden der Gewinnermittlung .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .... .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. . 267 1. Indirekte Methode................ ....................................................................... 268 2. Direkte Methode.................. ............................................................ ........... 268 3. Verhältnis der Methoden zueinander ............... ............................................ 269 VII. Vermeidung doppelter Besteuerung.................................................... ........... 269 1. Unilaterale Konfliktlösung..... ......... .... .. .. .... .. .. .. ... ... .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... . 270 2. Bilaterale Lösungen; Doppelbesteuerungsabkommen................................... 270 3. OECD-Musterabkommen............ ................................................... ..........

271

Sechstes Kapitel

Insolvenzrecht

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens.......... ............................ .... .. ... .. .. . 273 1. Zugriff auf Vermögensgegenstände am Ort der Zweigniederlassung (Reichweite des Verfahrens) ........................................................... ............. 274 a) Bisherige Rechtslage- § 237 KO................ .. .......................................... 274 aa) Territorialität oder Universalität.............................................. .......... 274 bb) Tatbestandsvoraussetzungen der Anerkennung........ ...... ...... .. ............ 276 cc) Verfügungs- und Prozeßfilhrungsbefugnis des Gemeinschuldners im Inland ............................·.·............................................... ............. 280 dd) Wirkung aufschwebende Rechtsstreitigkeiten (§ 240 ZPO) ........ ...... 280 ee) Befugnisse des ausländischen Konkursverwalters im Inland .. ............ 282

fi) Anfechtung ... ........... ..... .. ........................ ...................... .. ... .

282

gg) Inländische Zwangsvollstreckung nach§ 237 I KO.. ............ .............. 283 b) Insolvenzordnung .................................................................................... 284 2 Rinne

18

Inhaltsverzeichnis c) Neuerungen durch das Europäische Übereinkommen über fusolvenzverfahren (ohne Partikular-/Sekundärverfahren) ............................................. 285

2. Auswirkungen auf deutsche besitzlose Sicherungsrechte..................... .... ..... .. 287 a) Bisherige Rechtslage...... .. ................................ ........................ ....... ........ .. 288 aa) Sachstatut ........................................................................................... 288 bb) Vertragsstatut .......................................... ......................................... . 289 cc) Häufung der Statute ... . .. ... ... .. .. .. .. ..... .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. ...... .. .. .. . ..... .. . .. .. .... . 289 dd) Lex fori concursus und Anerkennung..... ................................ ............. 290 ee) Ergebnis .. .. .. ... ... .. .. .... ..... .. . .... .. .. .. ... .. . ... ... .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. ... .. .. .. . 292 b) fusolvenzordnung ........................................... ........................................ .. 292 c) Europäisches Übereinkommen über fusolvenzverfahren.................. ........ ... 292 li. fuländisches Partikularinsolvenzverfahren ........................................................ 293 1. Verfahrensarten und Wirkung........................ ............................................... 294 a) Bisherige Rechtslage: § 238 I u. III KO ..................................................... 294 aa) Verfahrensformen ..... .. ...................... .... .. ............................................ 294 bb) Gewerbliche Niederlassung ...................................................... .......... 295 cc) Reichweite des Verfahrens und Eröffnungszuständigkeit .................... 296 dd) Anrechnung von Auszahlungen aus ausländischem Hauptverfahren.... .... 297 ee) Ausländische Haftungsansprüche gegen Leitungspersonen......... ...... .... 297 b) fusO .............................. ...... ................................ ..........................

299

c) EuiVÜ. .................................... ... .. ... .. ... .. ... .. .. . ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... . .... .. ... ... .. 299 aa) Partikularverfahren ..................................... ................................. ....... 300 bb) Sekundärverfahren ..... .... ............................. ... ..................... ...... ......... 301 2. Sicherungsrechte an Gegenständen des Partikularverfahrens ..... .............. ..... . 302 Schlußbetrachtung und wichtige Ergebnisse

304

Literaturverzeichnis

309

Sachwortverzeichnis

325

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABGB abgedr. Abs. Abschn. AcP a.E. ähnl. AEntG a.F. AG AGB AGBG AG-BGB AlctG Amtsbl. EG Anh. Anm. AO

AP

AR-Blattei Art. (Artt.) BAG BAGE BayObLG

BB

Begr. Beschl. BesVerwR BetrVG BevvG

BGB BGBI. BGH

BGHR BGHZ BFH

BStBI.

BT-Drucks. 2*

andere(r) Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) abgedruckt Absatz Abschnitt Archiv ftir die civilistische Praxis amEnde ähnlich Arbeitnehmerentsendegesetz alte Fassung Aktiengesellschaft bzw. Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausfiihrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Aktiengesetz Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Anhang Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrechtsblattei Artikel Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Begründer Beschluß Besonderes Verwaltungsrecht Betriebsverfassungsgesetz Bevvertungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Loseblatt) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesfmanzhof Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksachen

20 BuW BVerfG BVerfGE bzw.

CA

cc

CISG DB DBA ders. d.h. dies. DStR DStZ dt. DtZ EAG EDV EFTA EG EGBGB EGinsO EG-Vertrag EKG Erg. EStG EU EuGH EuNÜ EuZW evtl. EWG EWiR

EWR ff.

FG Fn FR FS GbR gern. GesO GewArch GewO GewStG

Abkünungsverzeichnis Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Companies Act Code Civil Convention on Contracts for the International Sale of Goods DerBetrieb Doppelbesteuerungsabkommen derselbe das heißt dieselbe Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung deutsch Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen Elektronische Datenverarbeitung European Free Trade Association Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einheitliches Gesetz über den internationalen Kaufbeweglicher Sachen Ergebnis Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäisches Übereinkommen über Insolvenzverfahren Europäische Zeitschrift ftlr Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum folgende Finanzgericht Fußnote Finanzrundschau Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesamtvollstreckungsordnung Gewerbearchiv Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis GG ggf. ggü. GK GmbH GmbHG

GmbHR Großkomm GRUR GRUR Int. GüKG

GVBI.

GWB Halbbd. Handkomm HandwO HeidelbergerKomm HGB h.L. h.M. Hrsg. Hs. i.d.F. i.d.R. i.e. ILM insbes. InsO IntGesR IntSachenR IPR IPRax IPRG IPRspr.

i.S.d.

IStR

i.V.m. i.w.S. JA JCP JuS JZ KG

KO

KötnerKomm

21

Gnmdgesetz gegebenenfalls gegenüber Gemeinschaftskommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Großkommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR, Internationaler Teil Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbband Handkommentar Handwerksordnung Heidelberger Kommentar Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz in der Fassung in der Regel id est International Law Materials insbesondere Insolvenzordnung Internationales Gesellschaftsrecht Internationales Sachenrecht Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Gesetz über das Internationale Privatrecht (Schweiz) Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts im Sinne des Internationales Steuerrecht in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Juris Classeur Periodique/Semaine Juridique Juristische Schulung Juristenzeitung Kanunergericht Konkursordnung Kölner Kommentar

22 krit. KStG KTS KWG li.Sp. lit. Ls. Ltd. LZ MarkenG MDBA MDR m.E. MitbestErgG MitbestG MittRhNotK MünchKomm MünchKommHGB m.w.N. n.F. NJW NJW-RR

Nr.

OECD OECD-MA o.g. OHG OLG OVG PersBefG PflVG RabelsZ

RdA Rdnr. Reg.Bl. RG RGRK RGZ

RIW

Rpfleger r.Sp. S. S.A. SAE

Abkürzungsverzeichnis kritisch Körperschaftsteuergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kreditwesengesetz linke Spalte Litera Leitsatz Limited Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht Markengesetz Muster-Doppelbesteuerungsabkommen Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Köln Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Nummer Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen oben genannte(r) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz Pflichtversicherungsgesetz Raheis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit Randnummer Regierungsblatt Reichsgericht Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft (Außenwirtschaftsdienst) Der Deutsche Rechtspfleger rechte Spalte Satz I Seite Societe Anonyme Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen

Abkürzungsverzeichnis Sect. SJZ Slg. s.o. sog. StGB s.u. TRIPS TVG Tz. u.

u.a.

UN

UrhG Urt. USA u.U. UWG V.

VAG VersR VG VGH vgl.

vo

VStG WM

WTO WuB

z.B. ZGR ZHR

ZIP zit. ZPO z.T. ZVglRWiss ZZP

23

Section Schweizerische Juristenzeitung Sanunlung siehe oben sogenannte(r) Strafgesetzbuch siehe unten Trade-Related Intellectual Property Rights Tarifvertragsgesetz Textzeichen und unter anderem United Nations Urheberrechtsgesetz Urteil United States of America unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom/ von Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vermögensteuergesetz Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift filr Wirtschafts- und Bankrecht) World Trade Organisation Entscheidungssammlung zwn Wirtschafts- und Bankrecht (Loseblatt) zum Beispiel Zeitschrift filr Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift filr das gesamte Handels und Wirtschaftsrecht Zeitschrift filr Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung zum Teil Zeitschrift filr vergleichende Rechtswissenschaften Zeitschrift filr Zivilprozeß

Einrührung Im Zuge einer zumindest innerhalb der Europäischen Union fortschreitenden Liberalisierung der Niederlassungsfreiheit und insbesondere im Rahmen der Schaffung eines Europäischen Binnenmarktes bietet sich fiir Unternehmen, die ortsgebundene Investitionen in anderen Staaten vornehmen wollen, eine Betätigungsform an, die zwar seit langem existiert, doch gegenüber rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften oft ein Schattendasein fristen mußte: die Zweigniederlassung. Zahlenmaterial über die Häufigkeit von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland existiert nicht; lediglich die Gesamtzahl aller inländischen Zweigniederlassungen wurde im Jahr 1987 mit 293 917 ermittelt. 1 Da- auch im Anwendungsbereich des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts - eine Tendenz zu verstärktem Haftungsdurchgriff gegenüber ausländischen Konzernobergesellschaften erkennbar wird, 2 schwächt sich der Hauptvorteil für die Gründung selbständiger Tochtergesellschaften, die Separierung der Haftungssubjekte, ab. Schon aus diesem Grund ist zu erwarten, daß Unternehmen zukünftig vermehrt auch grenzüberschreitend Zweigniederlassungen errichten werden. Die folgende Untersuchung will die Rechtsverhältnisse von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland im Hinblick auf unterschiedliche Bereiche ermitteln. Konzeptionell wird es darum gehen, spezifische Ansatzpunkte fiir die Anknüpfung der Rechtsverhältnisse von Zweigniederlassungen zu entwickeln, die sich auch bereichsübergreifend anwenden lassen. Zusätzlich ist innerhalb jedes Problemkreises separat zu erfragen, ob die Besonderheit einer unselbständigen Betätigung verbunden mit einem festen Inlandssitz eigenständiger Wertungen bedarf. Angesichts der Tatsache, daß sich in der bisher vorliegenden juristischen Literatur die Beschäftigung mit dem Phänomen der Zweigniederlassung in der Regel auf wenige Konstellationen beschränkt, sind demzufolge allgemeine Themenkreise im Besonderen fiir die Zweigniederlassung nutzbar zu machen.

GmbHR 92, 738, 739. Haftungsdurchgriff wird zwar grundsätzlich an das Personalstatut des betreffenden Unternehmens geknüpft; dies geschieht aber aus Gründen des ordre public nicht, weun dort ein Durchgriff unbekaunt ist. Daun gelten die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Durchgriffstatbestände. Vgl. ManchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 333. 1 Seibert,

2 Der

26

Einführung

Zu Beginn soll die zugrunde gelegte Begriffsbildung kritisch hinterfragt werden. Nach Erarbeitung der wesentlichen Definitionsmerkmale wird zu klären sein, welche Rechtsordnung für die Ennittlung der Begriffsmerkmale heranzuziehen ist. Daran schließt sich eine Übersicht der Vor- und Nachteile von Zweigniederlassungen gegenüber selbständigen Tochtergesellschaften an. Den Schwerpunkt der Untersuchungen wird die Behandlung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmungen in Problemkreisen des deutschen internationalen Privat- und Gesellschaftsrechts darstellen. Nach vorangestellter Erörterung pauschaler kollisionsrechtlicher Einordnungen soll mit dem Modell der Erkennbarkeit des Auslandsbezuges ein eigenständiger Ansatz dargelegt werden, dessen Geltungskraft alsdann anband einzelner Fragestellungen zu ennitteln sein wird. Diesem Erkennbarkeitsmodell liegt unter anderem der Grundgedanke der (hier so bezeichneten) vorleistenden Reziprozität zugrunde, wonach es einer "herkunftslandfreundlichen" Einordnung von Zweigniederlassungen schon deshalb bedarf, um im Gegenzuge deutschen Unternehmen, die sich im Ausland auf gleiche Weise betätigen wollen, Chancen zu eröffnen, dort ebenfalls ihrem vertrauten Personalstatut unterworfen zu werden. Ziel der Arbeit ist es somit, dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut des ausländischen Mutterunternehmens im deutschen Kollisionsrecht der Zweigniederlassungen - soweit nicht positive Regelungen existieren - einen wesentlich breiteren Anwendungsraum zu eröffnen als bisher geschehen. Lediglich in Form einer Übersicht folgen Erörterungen zu relevanten aufsichtsrechtlichen Regelungen des deutschen Rechts und zur steuerrechtliehen Einordnung ausländischer Zweigniederlassungen, wobei (mögliche) Auswirkungen von Doppelbesteuerungsabkommen anband des OECD-Musterabkommens Berücksichtigung finden sollen. Größerer Beachtung bedarf schließlich die Stellung ausländischer Zweigniederlassungen im internationalen Insolvenzrecht Insbesondere gilt es, anband der bisherigen und zukünftigen deutschen Regelungen zum internationalen Konkursrecht sowie unter Berücksichtigung des EG-Insolvenzübereinkommens zum einen die Wirkung von Insolvenzverfahren über die ausländische Hauptniederlassung auf die Zweigniederlassung in Deutschland, zum anderen die Möglichkeiten separater Verfahren über das Vermögen inländischer Zweigniederlassungen herauszuarbeiten. Insbesondere ist das Schicksal besitzloser Mobiliarsicherheiten im Zusammenhang der unterschiedlichen Verfahren zu erörtern, da gerade bei Bestehen von Zweigniederlassungen Kollisionen zwischen Sachen- und Konkursrecht auftreten können. In sämtlichen Fragestellungen sollen jeweils Verbindungen zu vorangegangenen Erörterungen, insbesondere in bezug auf die Begriffsbildung der Zweigniederlassung, aufgezeigt werden. Nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist die Stellung deutscher Zweigniederlassungen im Ausland; lediglich

Einftihrung

27

im Zusammenhang mit umfassenden Lösungsansätzen zum internationalen Privatrecht wird vergleichend auf das Normensystem des schweizerischen Rechts eingegangen.

Erstes Kapitel

Begriff der Zweigniederlassung Um die Reichweite dieser Untersuchung abschätzen zu können, bedarf es zu Beginn einer Definition des Begriffes der Zweigniederlassung. Hierbei sollen zunächst die einzelnen Begriffsmerkmale anhand einer Abgrenzung zu sachlich benachbarten Unternehmensformen herausgearbeitet und einer kurzenwenngleich kritischen - Überprüfung unterzogen werden. Nach Festlegung der Tatbestandsmerkmale wird sich bereits eine kollisionsrechtliche Frage stellen: Sind auch die Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland nach deutschem Recht zu definieren?

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht Die Begriffsbestimmung1 der Zweigniederlassung erfolgt methodisch weniger in positiver Weise, sondern durch eine Abgrenzung von benachbarten Formen wirtschaftlicher Unternehmungen. Sie bewegt sich- bildlich ausgedrückt - im Innern eines Dreiecks, dessen Ecken von Tochtergesellschaft, Betriebsstätte und Agentur besetzt sind. 1. Niederlassung

Bei der Zweigniederlassung muß es sich um eine Niederlassung eines Unternehmens handeln. Der Begriff der Niederlassung ist als solcher indes nur von geringer Aussagekraft Er erfordert jedenfalls einen abgegrenzten Bereich und somit eine gewisse räwnliche Trennung der Zweig- von der Hauptniederlassung.2 Dritte müssen das Vorhandensein einer Organisationseinheit erken-

1 MünchKommHGB!Bokelmann § 13 Rdnr. 7 stellt fest, die ZweigniederlassWlg widersetze sich einer solchen bis zu einem gewissen Grade. 2 Braun, Niederlasstmgsrecht, S. 68; GK-HGB!Achilles § l3 Rdnr. 7; Gienow, S. 46; Gierke/Sandrock, § 14 III 1 d, S. 492; Heymann, S. 29; Knieper/Jahrmarkt, S. 76 Rdnr. 100 ("teilautonomes System"); Diehl, S. 20; Häuselmann, WM 94, 1693, 1696; Baumbach/Hopt § l3 Rdnr. 3; Eschelbach, S. 184; Staub !Hüffer vor§ l3 Rdnr. 10.

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht

29

nen können.3 Keine Niederlassung liegt vor, wenn ein Vertreter des betreffenden Unternehmens lediglich sporadisch an einem Ort oder in wechselnder Umgebung Geschäfte fiir das Unternehmen abschließt.

2. Rechtliebe Unselbständigkeit- Abgrenzung zur Tocbtergesellscbaft Zweifelsfreie Obergrenze für den Begriff der Zweigniederlassung ist die rechtliche Selbständigkeit. Die Zweigniederlassung ist kein eigenständiges Rechtssubjekt4, sondern ein rechtlich unselbständiger und abhängiger Teil des Gesamtunternehmens. 5 Hierdurch grenzt sie sich eindeutig von einer Tochtergesellschaft ab.

3. Kaufmann als Inhaber? Ganz uneingeschränkt wird angenommen, die Zweigniederlassung setze schon begrifflich voraus, daß der Inhaber des Gesamtunternehmens Kaufmann bzw. eine Handelsgesellschaft sei. 6 Offenbar geht man dabei von den Regelungen des deutschen Registerrechts in §§ 13 ff. HGB aus. Dies erscheint zumindest zweifelhaft. Die genannten Normen des HGB legen die Einttagungspflicht zum deutschen Handelsregister fest. Diese knüpft an die Kaufmannseigenschaft an. 7 Für den Begriff der Zweigniederlassung bedeutet dies aber lediglich, daß ein nichtkaufmännisches Unternehmen seine Zweigniederlassung nicht ins Handelsregister eintragen lassen und somit nicht von der positiven Publizität des § 15 II HGB profitieren kann. Eine Ausschließlichkeit in dem genannten Sinne läßt sich daraus nicht ableiten. Im Hinblick auf die durch Artt. 52 und 58 EG-Vertrag fiir den europäischen Bereich gewährleistete Niederlassungsfreiheit dürfte es kaum haltbar sein, unternehmenstragenden Einzelpersonen, die keine Kaufleute sind, oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts den Weg zur Gründung von Zweigniederlassungen zu verwehren. 8 Überdies hätte eine Beschränkung der Zweigniederlassung auf Kaufleute den unerwünschten Effekt, Auslandsinvestitionen anderer, u.U. jedoch wirtS. 84. Goldman, S. 72; Balser/Pichura, S. 10; GK-HGB/Achilles § 13 Rdnr. 12. 5 Thimmel, DB 80, 2058, 2058; Marxheimer, S. 58. 6 Knieper/Jahnnarkt, S. 59 Rdnr. 71; Heymann, S. 57; vorausgesetzt von Staub!Hüffer vor§ 13 Rdnr. 10; Baumbach!Hopt § 13 Rdnr. 3; Gierke/Sandrock, § 14 III S. 192; vgl. auch IPRG!Girsberger Art. 160 Rdnr. 2 für die Schweiz. 7 Auf die kollisionsrechtliche Bestimmung der Kautmannseigenschaft im deutschen Registerrecht wird erst an späterer Stelle eingegangen. 8 Art. 58 EG-Vertrag schließt ausdrücklich Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in die Niederlassungsfreiheit ein. 3 Edlich, 4

30

Erstes Kapitel: Begriff der Zweigniederlassung

schaftlieh ebenso potenter Unternehmensträger zu hemmen; diese wären immer dann, wenn sich logistisch ein Geschäftsabschluß aus dem Ausland selbst oder durch einen einreisenden Vertreter nicht adäquat durchführen ließe, gezwungen, sich entweder in eine juristische Person umzugrunden oder aber für ihre dauerhafte Auslandsbetätigung eine Tochtergesellschaft zu errichten. Unbefriedigend erscheint diese Auffassung schließlich auch für den Fall, daß die Kaufmannseigenschaft des Unternehmens endete, der Unternehmensträger aber als solcher bestehen bliebe; trotz unveränderter wirtschaftlicher Struktur entfiele dann bereits die Zweigniederlassung. 9 Aus diesen Gründen ist auf das Erfordernis der Kaufmannseigenschaft des Unternehmensträgers für eine Zweigniederlassung zu verzichten. Daß hierdurch der in §§ 13 ff. HGB zum Ausdruck gebrachte Kontrollanspruch des deutschen Registerrechts über Zweigniederlassungen gemindert wird,10 erscheint m.E. im Hinblick auf die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit hinnehmbar. Mit der geplanten Reform des Kaufmannsbegriffs im deutschen Recht zugunsten einer mehr unternehmensorientierten Sichtweise11 wird sich diese Frage aber ohnehin weitgehend erledigen und lediglich noch für Freiberufler von Bedeutung sein.

4. Gegenstand des Geschäftes Um die Abhängigkeit der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung zum Ausdruck zu bringen, wird überwiegend gefordert, die Zweigniederlassung müsse sachlich die gleichen bzw. gleichartige, wenn auch nicht notwendig alle Geschäfte der Hauptniederlassung betreiben. 12 Andere halten die Art der Tätigkeit im einzelnen für unerheblich13 bzw. nehmen die genannte Einschränkung nicht in ihre Definition auf. 14 Die Zweigniederlassung habe ledig-

So aber Heymann, S. 57. (S. 35 Rdnr. 20) will den Zweigniederlassungsbegriff generell aus der Funktion des Handelsregisters, den inländischen Geschäftsverkehr zu schützen, herleiten. Das Handelsregister erfaßt aber nur den kaufmännischen Verkehr. 11 Referentenentwurf des Bundesministers der Justiz, in: ZIP 96, 1401 , 1401 und 1406; nunmehr Regierungsentwurf Handelsrecht, Teil I, in: ZIP 97, 942, 944 und 948. 12 Köhler, BB 69, 845, 845; Bumeder, S. 31 Rdnr. 15; Häuselmann, WM 94, 1693, 1696; Schlosser, S. 92; Baumbach!Hopt § 13 Rdnr. 3; Rothin Koller!Roth!Morck § 13 Rdnr. 6; Heide/herger Komm/Ruß § 13 Rdnr. 2; Diehl, S. 20; Saame, S. 27; K.Schmidt, Handelsrecht, § 4 Ili S. 76; wohl auch Heymann, S. 39 (Wesensgleichheit). 13 Martz, S. 6. 14 Staub!Hüffer vor§ 13 Rdnr. 10; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184. 9

10 Bumeder

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht

31

lieh demselben Wirtschaftsprozeß zu dienen, indem sie Aufgaben im Rahmen des Ganzen erfülle. 15 Letztere Auffassungen sind vorzugswürdig. Der Anwendungsbereich des Registerrechts würde unnötig geschmälert, wenn die Niederlassung schon bei Betreiben andersartiger Geschäfte als diejenigen der Hauptniederlassung nicht mehr von der Eintragung erlaßt werden könnte; solches liefe dem Ordnungszweck des Registers zuwider. Zu bedenken ist ferner, daß wegen der rechtlichen Identität von Haupt- und Zweigniederlassung die Geschäfte der letzteren notwendigerweise auch zu Geschäften der Hauptniederlassung werden. Die Zweigniederlassung kann also nicht in die Gefahr geraten, andersartige Geschäfte als die Hauptniederlassung auszuführen, da sie in diesem Fall zugleich den Geschäftsbereich des gesamten Unternehmens erweitert. Lediglich im Rahmen der organisatorischen Gestaltung kann der Fall eintreten, daß bestimmte Geschäfte nur vom Orte der Zweigniederlassung, andere nur vom Orte der Hauptniederlassung aus getätigt werden. In jedem Fall handelt es sich aber um Geschäfte des Gesamtunternehmens. Ob die Hauptniederlassung bestimmte Tätigkeiten selbst ausfuhrt oder aber diese an die Zweigniederlassung delegiert, kann kein entscheidender Aspekt fiir die Begriffsbildung sein. Auch sprechen keinerlei Gesichtspunkte des Verkehrsschutzes fiir die genannte Einschränkung, da ein wirksam über die Zweigniederlassung abgeschlossenes Geschäft ohnehin das Gesamtunternehmen verpflichtet. Festzuhalten bleibt: Die Zweigniederlassung kann auch andersartige Geschäfte als die Hauptniederlassung fuhren. 5. Umfang der Geschäfte Anband des Merkmals des Geschäftsumfangs wird versucht, die Zweigniederlassung von bloßen Betriebsstätten bzw. Nebenunternehmungen abzugrenzen. a) Mindestumfang

Anerkannt ist, daß die Tätigkeit über bloße Hilfsgeschäfte hinausgehen muß.16 Im Gegensatz zu einfachen Betriebsstätten und sog. Repräsentanzen17

15 Martz, S. 6; ebenso Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 Rdnr. 7; im Erg. auch Knieper!Jahrmarkt, S. 76 Rdnr. 100; ähnl. GK-HGB!Achilles (Geschäfte müssen vom Gegenstand des Handelsgewerbes noch gedeckt sein). 16 Gierke/Sandrock, § 14 III I a S. 192; Edlich, S. 85; Saame, S. 27. 17 Diehl, S. 14.

Erstes Kapitel: Begriff der Zweigniederlassung

32

nimmt die Zweigniederlassung selbst am Geschäftsverkehr teil, ist also Ausgangspunkt fiir Vertragsabschlüsse. 18 Schon um den Anwendungsbereich des deutschen Registerrechts nicht unnötig zu vemindem, sollten an die Quantität der Geschäfte aber keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Da andere Rechtsgebiete die Zweigniederlassung nicht notwendigerweise in einen handelsrechtliehen Kontext stellen (so etwa das Steuerrecht in § 12 S. 2 AO), erfordert auch der Gesichtspunkt der Rechtseinheit einen weiten Anwendungsbereich des Zweigniederlassungsbegriffs. Zweigniederlassungen liegen nur dann nicht vor, wenn entweder keinerlei rechtsgeschäftliche Tätigkeit des Betriebsteils erfolgt (so etwa bei reinen Produktionsstätten) oder wenn sich das rechtsgeschäftliche Wirken in der bloßen Beschaffung innerbetrieblicher Hilfsmittel erschöpft. So ist m.E. beispielsweise ein Warenlager mit gelegentlicher Verkaufstätigkeit schon als Zweigniederlassung anzusehen, nicht jedoch ein Betriebsteil, der - wegen seiner Größe in nicht unbeträchtlicher Menge - Schreibmaterial fiir die Korrespondenz mit der Zentrale einkauft. 19 Das Merkmal des Mindestumfangs der Geschäfte ist demnach mehr unter qualitativen, denn quantitativen Gesichtspunkten und überdies restriktiv festzulegen.

b) Kein Höchstumfang Wird im unteren Bereich eine eher hohe Hürde gelegt, so ist der Tätigkeitsumfang der Zweigniederlassung nach oben allgemein nicht begrenzt. Das Geschäftsvolumen der Zweigniederlassung kann demjenigen der Hauptniederlassung nicht nur nahekommen, sondern es sogar übertreffen. 20 Da die Hauptniederlassung stets der effektive Verwaltungssitz des Unternehmens ist21 , findet durch eine bloße quantitative Überrundung der Hauptniederlassung durch die Zweigniederlassung noch kein organisatorischer Rollentausch - geschweige denn ein Aufstieg zu einer zweiten Hauptniederlassung22 - statt. Es besteht daher auch kein Anlaß, aus einem hohen Geschäftsumfang begriffliche Folgerungen fiir die Zweigniederlassung zu ziehen. Wird eine Zweigniederlassung mit untergeordneter Tätigkeit vom Registerrecht erfaßt, so muß dies gerade auch fiir eine solche mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung gel-

Vgl. Saame, S. 46. diesem Zusammenhang sei vergleichend auf die sog. fiskalischen Hilfsgeschäfte im Verwaltungsrecht hingewiesen. 20 Edlich, S. 85. 21 Marxheimer, S. 54; S. auch Heymann, S. 41 fiir Personenverbände. 22 Ob ein Unternehmen zwei Hauptsitze haben kann, ist sehr strittig, bedarf jedoch hier keiner Erörterung. 18

19 In

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht

33

ten (argumentum a fortiori). In bezug auf das Fehlen einer Obergrenze des Tätigkeitsrunfangs ist also der ganz herrschenden Auffassung beizupflichten. 6. Leitungsperson

Als weiteres Abgrenzungskriterium zur einfachen Betriebsabteilung erfordert der Begriff der Zweigniederlassung, daß dieser ein Leiter mit der Befugnis zu selbständigem Handeln in nicht ganz unwesentlichen Angelegenheiten vorsteht. 23 Dies entspricht mindestens einer Handlungsvollmacht;24 bloße Einzelvollmachten reichen nicht aus. 25 Unerheblich sind dagegen Beschränkungen des Leiters im Innenverhältnis gegenüber dem Unternehmen.Z6 7. Umfang der Organisation

Da zumindest das deutsche Registerrecht ausländische Zweigniederlassungen grundsätzlich wie Hauptniederlassungen behandelt, 27 muß die Zweigniederlassung einen gewissen Grad organisatorischer Verselbständigung aufweisen.28 a) Abgrenzung zur Agentur

Diese Verselbständigung soll die Zweigniederlassung von der Agentur unterscheiden. Allerdings ist auch der Begriff der Agentur unklar. So wird die Agentur als eine von einem Beauftragten verwaltete Niederlassung in der Form eines bloßen Büros der Hauptniederlassuni9, aber auch als vermittelnde Tätigkeit eines selbständigen Gewerbetreibenden fiir das Unternehmen be-

23 Diehl, S. 20; Marxheimer, S. 50; Weil, S. 10; Baumbach/Hopt § 13 Rdnr. 2; Häuselmann, WM 94, 1693, 1696; Roth in Koller/Roth/Morck § 13 Rdnr. 6; schon Förtsch § 12 GmbHG Arun. I; ablehnend Bumeder, S. 37 Rdnr. 21; mißverständlich Goldman, S. 131, der von einem Lohnempfänger der Hauptniederlassung spricht. Die Zweigniederlassung kann aber auch durch einen Geschäftsfilhrer des Gesamtunternehmens geleitet werden. 24 So Schlosser, S. 92; MünchKommHGB!Bokelmann § 13 Rdnr. 12 (in der Regel). 25 Heymann, S. 25 u. 26. 26 Marxheimer, S. 51. 27 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 d HGB Rdnr. 1 (S. 198). 28 BaumbacM/opt § 13 Rdnr. 3; Braun, S. 68; Gierke/Sandrock, § 14 ill 1 c S. 192; Staub!Hüffer vor§ 13 Rdnr. 10. 29 Goldman, S. 84 I 85 u. 131, allerdings mit dem Hinweis, die Unterscheidung sei unklar (S. 85).

3 Rinne

Erstes Kapitel: Begriff der ZweigniederlassWlg

34

schrieben. 30 Die erstgenannte Definition verwechselt die Agentur aber offenbar mit den o.g. Hilfsgeschäften. Handelt es sich bei der Agentur also um eine selbständige gewerbliche Tätigkeit, so erubrigt sich eine Abgrenzung zur Zweigniederlassung auf organisatorischer Ebene schon deshalb, weil mit dem Agenten ein selbständiges Rechtssubjekt tätig wird. b) Fähigkeit, selbst Hauptniederlassung werden zu können

Nach überwiegender Auffassung muß die Zweigniederlassung organisatorisch so gestaltet sein, daß sie bei Wegfall der Hauptniederlassung oder bei Unterbrechung der Verbindung zu ihr selbst Hauptniederlassung werden kann. 31 Hierzu sei erforderlich, daß das Geschäft der Zweigniederlassung vollkaufmännisch betrieben werde. 32 Das Motiv für diese hohen Anforderungen an die Organisation, die durchweg nicht begründet werden, liegt wiederum in der Abgrenzung zur bloß unwesentlichen Hilfstätigkeit Aus bereits zuvor genannten Grunden (s.o. 5 a) sollte aber die Schwelle für den Status einer Zweigniederlassung auch in organisatorischer Hinsicht nicht zu hoch angesetzt werden. Die Fähigkeit, selbst Hauptniederlassung werden zu können, nützt beim Wegfall der Hauptniederlassung überdies nichts; entfällt die Hauptniederlassung, so endet die Existenz des Gesamtuntemehmens, also auch die Zweigniederlassung. Um der Zweigniederlassung ein Fortbestehen zu ermöglichen, wird dann in jedem Fall ein neuer Gründungsakt erforderlich. Die organisatorische Verselbständigung muß daher keinen Grad erreichen, der theoretisch schon die Stellung als Hauptniederlassung erlaubt. 33

30 Martz,

S . 14; Heymann, S. 27; vgl. auch Saame, S. 46. MünchKommHGB!Bokelmann § 13 Rdnr. 8; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 908; Gienow, S. 46; Meyer-Marsilius, S. 66; Braun, S. 68; Roth in Koller/Roth!Morck § 13 Rdnr. 6; Knieper/Jahrmarkt, S. 72 Rdnr. 92; Edlich, S. 87; Staub!Hüffer vor § 13 Rdnr. 13; Heymann !Sonnenschein!Weitemeyer § 13 Rdnr. ll; auch Mankowski, EWiR 96, 29, 30 (VerselbständigWlgsfähigk:eit); zurückhaltender Saame, S. 26 (Fähigkeit, selbst HauptniederlassWlgsfunktionen übernehmen zu können). 32 Edlich, S. 85 (nach Art Wld Umfang ausreichend für ein selbständiges Handelsgewerbe); Marxheimer, S. 47 (Handelsgeschäfte). 33 Heymann, S. 23 I 24; vgl. Baumbach!Hopt § 13 Rdnr. 3: "Die ZweigniederlasSWlg muß nicht selbst nach Art Wld Umfang ihres Betriebes vollkaufmännisch sein."; skeptisch auch Köhler, BB 69, 845, 846. 31

I. Begriffsmerkmale nach deutschem Recht

35

8. Dauer Die geschäftliche Tätigkeit der Zweigniederlassung bedarf einer gewissen Dauerhaftigkeit. 34 Dieses Merkmal dient zur Ausgrenzung des Wirkens von Vertretern, die nur sporadisch zu Geschäftsabschlüssen an einen bestimmten Ort reisen und dort in gemieteten Räumen tätig werden. Schon begriffiich erfordert eine Niederlassung ein Tätigwerden über einen längeren Zeitraum. Abgrenzungsschwierigkeiten können sich dabei beispielsweise in Fällen ergeben, in denen Unternehmen bei der Errichtung von Großbauwerken über einen längerfristigen, wenngleich absehbar befristeten Zeitraum feste Büros unterhalten und von diesen aus auch umfangreiche Geschäfte tätigen. 35 Es empfiehlt sich allerdings auch hier, die Anforderungen zu beschränken, um den Anwendungsbereich des deutschen Registerrechts offenzuhalten und der Rechtssicherheit bei der Begriffsbestimmung zu genügen.

9. Separate Buchführung? Noch immer sehr umstritten ist, ob die separate Buchfiihrung ein Begriffsmerkmal der Zweigniederlassung darstellt. Während einige aufgrund der relativen Selbständigkeit der Zweigniederlassung stets eine eigenständige Buchführung bei derselben verlangen, 36 halten andere zwar am Erfordernis getrennter Buchführung fest, lassen es aber genügen, wenn diese bei der Hauptniederlassung erfolgt. 37 Dies wird mit den erweiterten Möglichkeiten der modernen EDV begründet. 38 Die Gegenauffassung, die hierauf ganz verzichtet, beruft 34 Vgl. EuGH, Urteil v. 22.11.78 (Rs 33/78), RlW 79, 56, 58 (zum EWGGerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen); Häuselmann, WM 94, 1693, 1696; Diehl, S. 20; Staub!Hüffer vor § 13 Rdnr. 10; v. Bar, IPR Band 2, S. 376 Rdnr. 511; Gienow, S. 46. 35 Hier muß eine Abgrenzung im Einzelfall erfolgen; m.E. spricht aber selbst bei der Absehbarkeit des Betätigungszeitraumes viel für die Annahme einer Zweigniederlassung. 36 Weil, S. 10; Gienow, S. 46; Gierke!Sandrock, §14 ill I b y S. 192; Saame, S. 28, begründet dies mit der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung, übersieht aber gerade die Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung; v.Bar, IPR Band 2, S. 376 Rdnr. 511 (eigene Kontofiihrung); wohl auch Staub/Hü./Jer vor§ 13 Rdnr. 15 (aufgrund der Prämisse, daß ein eigenes Betriebskapital vorhanden sei). 37 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 Rdnr. 8; Roth in Koller!Roth/Morck § 13 Rdnr. 6; MünchKommHGB!Bokelmann § 13 Rdnr. 13; Häuselmann, WM 94, 1693, 1696; GK-HGB!Achilles § 13 Rdnr. 11 ; BayObLG, Beschl. v. 11.5.79 (BReg. 1 Z 21/79), BB 80, 335, 335; ähnlich Diehl, S. 20; inzident abweichend BGH, Urt.v. 8.5.72 (II ZR 155/69), NJW 72, 1859, 1860 (Zweigniederlassung auch ohne Buchführung existent, jedoch dann nicht als Handelsgeschäft i.S.d. § 25 HGB einzuordnen). 38 Vgl. HeidelbergerKomm!Ruß § 13 Rdnr. 2.

3*

36

Erstes Kapitel: Begriff der Zweigniederlassung

sich ebenfalls darauf, daß eine getrennte Betrachtung der Geschäftstätigkeit trotzeinheitlicher Buchführung bei elektronischer Verbuchung möglich sei;39 sie leugnet also eine organisatorische Relevanz des Merkmals der eigenen Buchführung. Beim Streit um die begriffiiche Notwendigkeit einer eigenständigen Buchfiihrung der Zweigniederlassung scheinen häufig Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht getrennt zu werden. Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber eine gesonderte Buchführung an verschiedenen Stellen an das Bestehen einer Zweigniederlassung knüpft (so in §53 11 Nr. 3 HGB und indirekt in § 325 a HGB), ergibt sich im Rückschluß vielmehr, daß eine solche zur Begriffsbestimmung nicht erforderlich ist. Überdies schlägt das Argument, schon die moderne EDV mache eine separate Erfassung in der Regel entbehrlich, in der Tat durch: Mit Hilfe moderner kaufmännischer Software, die mittlerweile schon fiir Kleinunternehmen zu erschwinglichen Preisen angeboten und auch überwiegend verwendet wird, läßt sich auch bei einheitlicher Buchfiihrung nachträglich jederzeit der Geschäftsverkehr der Zweigniederlassung rekonstruieren. Auf das Begriffsmerkmal der separaten Buchfiihrung kann daher bei der Definition der Zweigniederlassung verzichtet werden.

10. Eigenes Geschäftsvermögen? Bisweilen wird schon fiir den Begriff der Zweigniederlassung verlangt, dieselbe müsse mit einem eigenständigen Geschäftsvermögen (Dotationskapital) ausgestattet sein, da sie sonst noch nicht über eine ausreichende Selbständigkeit verfuge. 40 Die Zuordnung dieser Frage zum Bereich der Begriffsbestimmung stößt indessen schon im Ansatz auf Bedenken. Wegen der rechtlichen Einheit von Haupt- und Zweigniederlassung ist die Zuweisung eines Kapitalpostens zur Zweigniederlassung ohnehin nur faktischer Natur. 41 Ob die Zweigniederlassung im Einzelfall von der Hauptniederlassung Kapital anfordern muß oder dieses aus eigenem Vorrat abschöpfen kann, stellt eine Folgefrage der relativen Selbständigkeit dar, spielt aber fiir die Möglichkeit eigenständiger Geschäftsabschlüsse mit Dritten keine Rolle. Auch der Gesetzgeber hat fiir den Bereich der Bankenaufsicht in § 53 c Nr. 2 i. V.m. § 53 KWG mit 39 Bumeder, S. 37 Rdnr. 21 ; auch Baumbach/Hopt § l3 Rdnr. 3 (moderne hmenzentralisierung); Edlich, S. 88 (Fortschritt des Rechnungswesens); Schlosser, S. 94; auch K.Schmidt, Handelsrecht, § 4 ill S. 76; im Erg. ebenso, aber nach dem Stand der Technik im Jahre 1913 noch ohne Bezugnahme auf die EDV, Marxheimer, S. 66. 40 Gierke/Sandrock, § 14 III I b ß S. 192; Schilling, RIW 54, 37, 37; Staub!Hüffer vor§ 13 Rdnr. 15; Saame, S. 31; Rothin Koller!Roth!Morck § l3 Rdnr. 6; Staehelin, S. 103/104. 41 Vgl. Edlich, S. 88.

ll. Qualifikation ausländischer Unternehmensteile in Deutschland

37

der Abschaffung des Dotationskapitals im europäischen Bankenbereich erkennen lassen, daß er zwischen Begriff und Folge in gleicher Weise unterscheidet. 42 Relevant werden kann diese Problemstellung demnach erst im Rahmen der Absicherung des Verkehrs bei (rechts-) geschäftlichem Kontakt mit der Zweigniederlassung; so ist zu erwägen, eine Ausstattung mit separatem Kapital zu verlangen, um inländischen Gläubigem den Vollstreckungszugriff im Inland zu ermöglichen. Für die Begriffsbildung ist ein vorhandenes notationskapital mithin nicht erheblich; eine Erörterung hat erst im Zusammenhang mit den Gründungserfordernissen zu erfolgen.

11. Zusammenfassende Definition Eine Zweigniederlassung ist eine räumlich abgegrenzte Niederlassung eines Untemehmensträgers, die mit relativer Selbständigkeit, aber ohne daß sie organisatorisch zur Übernahme von Hauptniederlassungsfunktionen in der Lage sein muß, rechtsgeschäftlich - nicht nur zu Hilfsgeschäften - über eine gewisse Dauer tätig wird und deren Leiter über eine umfassende Vollmacht zu Geschäftsabschlüssen verfügt.

II. Qualifikation ausländischer Unternehmensteile in Deutschland Ob die Qualifikation eines Organisationsgebildes ausländischer Herkunft als Zweigniederlassung auch im Hinblick auf die internationalprivatrechtliche Problemstellung anband der deutschen Definition vorzunehmen ist, muß unter Hinzuziehung zweier Aspekte ermittelt werden. Erstens besteht die Gefahr, daß ausländische Rechtssysteme den Zweigniederlassungsbegriff völlig anders als das deutsche Recht bestimmen; denkbar wäre die Festlegung einer rechtlichen Selbständigkeit, d.h. eine Gleichsetzung mit Tochtergesellschaften. 43 Ließe man eine solche, dem deutschen Rechtskreis fremde Definition im Inland zu, so würde z.B. der Anwendungsbereich des Registerrechts für Zweigniederlassungen (§§ l3 d ff. HGB) auf Unternehmensformen anwendbar, die schon von allgemeinen Registervorschriften erfaßt wären; solche innerstaatlichen Normenkonflikte widersprechen eindeutig

Vgl. auch obige Argwnentation zum Merkmal der Buchfiihrung. Dies ist zwar, soweit ersichtlich, bisher noch nicht geschehen, kann aber für die Zukunftangesichts der Wandelbarkeit juristischer Begriffe nicht ausgeschlossen werden. Inunerhin bestehen schon in Europa erhebliche Unterschiede. So erfaßt der italienische Begriff der sedi secondarie auch Agenturen (vgl. die Darstellung bei Bumeder, S. 30). 42 43

38

Erstes Kapitel: Begriff der Zweigniederlassllllg

der Konzeption der fremdenrechtliehen Normen des öffentlichen (Register-) Rechts. 44 Verlangen aber die Normen des öffentlichen Rechts eine Ermittlung des Zweigniederlassungsbegriffs aus deutscher Sicht, so ist dieser Ansatz aus Gründen der Rechtseinheit und -Sicherheit auch bei den Problemkreisen des deutschen internationalen Privatrechts zu wählen. Zweitens muß auch unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung der Märkte vermieden werden, daß die Anforderungen an die relative Selbständigkeit der Zweigniederlassungen durch ausländisches Recht mit Wirkung fiir das Inland allzu hoch geschraubt werden. Könnte der Heimatstaat durch eine restriktive Bestimmung des Zweigniederlassungsbegriffs auch die deutsche Sichtweise beeinflussen, so würde dem deutschen Recht u.U. eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit für Ausländer in Deutschland aufgezwungen. Dies wäre ein paradoxes Ergebnis. Aus den genannten Erwägungen ist daher die Bestimmung des Begriffs der Zweigniederlassung sowohl fiir den Bereich des deutschen öffentlichen als auch des deutschen internationalen Privatrechts nach der oben erarbeiteten inländischen Definition45 vorzunehmen. 46

Gleiches gilt fiir § 53 KWG. Vgl. Saame, S. 69; Staub!Hü./Jer § 13 b Rdnr. 9; Baumbach!Hopt § 13 d Rdnr. 2; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 d Rdnr. 4; Bumeder, S. 42 Rdnr. 28 (Sitz der Zweigniederlassllllg dem Wohnsitz ähnlich); GK-HGB!Achilles § 13 d Rdnr. 5. 46 Damit soll jedoch zu der Frage des auf die Voraussetzllllgen der einzelnen Begriffsmerkmale anwendbaren Rechts noch keine Aussage getroffen werden! 44

45

Zweites Kapitel

Beweggründe rür die Errichtung von Zweigniederlassungen Vorteile gegenüber Tochtergesellschaften Nachfolgend sollen die Gründe, die ein ausländisches Unternehmen bewegen mögen, in Deutschland eine Zweigniederlassung und keine Tochtergesellschaft zu errichten, herausgearbeitet werden.

I. Organisatorische Vorteile Schon aufgrund der einheitlichen Rechtsträgerschaft ist die Zweigniederlassung organisatorisch notwendigerweise viel enger an das Mutterunternehmen angebunden als eine Tochtergesellschaft. 1 Die interne Einflußnahme kann daher bei einer Zweigniederlassung unmittelbar erfolgen,2 wohingegen bei einer Tochtergesellschaft grundsätzlich nur eine mittelbare Steuerung durch konzernrechtliche Weisungen des Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafters an den Vorstand oder die Geschäftsfiihrer der abhängigen Tochter möglich ist. 3 Zur Gründung der Zweigniederlassung sind weniger langwierige juristische Prozeduren erforderlich wie für Tochtergesellschaften;4 insbesondere muß für eine Zweigniederlassung keine eigenständige Satzung ausgearbeitet werden. Überdies ist für eine Zweigniederlassung keine eigenes Mindestkapital aufzubringen.5 Schließlich wird durch die Errichtung der Zweigniederlassung die Anwendung der deutschen Unternehmerischen Mitbestimmung vermieden; für eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht müßte u.U. ein Aufsichtsrat

Saame, S. 38. S. 6. 3 Es wäre allerdings eine Konstruktion denkbar, in der das herrschende Unternehmen seinen GeschäftsführerNorstand auch zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft bestellt, so daß die Einflußnahme ähnlich direkt erfolgen könnte wie gegenüber einer Zweigniederlassung. 4 Bumeder, S. 6; Saame, S. 39; vgl. auch Streck EStG ABC Ausländer als Unternehmer im Inland Anm. 4 (filr die Betriebsstätte). 5 Saame, S. 40. Der BegritT des Mindestkapitals ist nicht identisch mit dem o.g. Dotationskapital. Zu dieser Frage wird unten im Rahmen der Gründung der Zweigniederlassung Stellung genommen. 1

2 Bumeder,

40

Zweites Kapitel: Beweggründe für die Errichtung- Vorteile

mit gesetzlich festgelegter Arbeitnehmerbeteiligung eingerichtet werden, wodurch die Unternehmerische Entscheidungsfreiheit beschränkt würde.6

II. Steuerliche Vorteile Der auf eine inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft entfallende Körperschaftsteuersatz von 42 % ist geringer als derjenige einer selbständigen Tochterkapitalgesellschaft von 45 % (§ 23 II bzw. § 23 I KStG). 7 Wenn das Unternehmen für seine Auslandsinvestition hohe Anlaufverluste erwartet, bietet sich i.d.R. die Tätigkeit in Form einer Zweigniederlassung (i.e. einer steuerrechtliehen Betriebsstätte) an, da deren Verluste oft steuerlich im Sitzstaat genutzt werden können. 8 Zweigniederlassungen können wegen ihrer rechtlichen Unselbständigkeit von Doppelbesteuerungsabkommen9 profitieren, 10 die dem deutschen Recht gemäß § 2 AO als Ieges speciales vorgehen. Weist ein Doppelbesteuerungsabkommen die Steuerhoheit dem Heimatstaat zu, so kann dies u.U. günstiger sein als die Besteuerung einer Tochtergesellschaft nach deutschem Recht. Dann ist auch eine direkte Verrechnung des Verlustes der Zweigniederlassung mit Gewinnen der Hauptniederlassung möglich; 11 bei Gründung einer Tochtergesellschaft könnte die Muttergesellschaft lediglich die Verluste, die aus dem Absinken ihres Gesellschaftsanteils an der Tochtergesellschaft resultieren, von ihren Gewinnen abziehen. Wären bei der Tochtergesellschaft aber bereits sonstige Reserven zur Verlustdeckung aufgelöst worden, bliebe der Wert ihrer Beteiligung für die Muttergesellschaft konstant, so daß ein Verlustabzug nicht stattfinden könnte. Umgekehrt kann bei ausschließlicher Besteuerung nach deutschem Recht12 und einem günstigeren Steuersatz als im Heimatstaat auch dadurch ein Vorteil 6 Für die AG: § 96 I AlctG i. V.m. §§ 6, 7 MitbestG; für die GmbH: §§ 6 I u. li, 7 MitbestG. Es ist außerordentlich strittig, ob die deutsche untemehmerische Mitbestinummg nicht doch auf ausländische Zweigniederlassungen (analog oder im Wege einer Umgtiindungspflicht) anzuwenden ist [näheres unten im dritten Kapitel VII 12]. 7 Näheres im Rahmen der steuerrechtliehen Erläuterungen im funften Kapitel III. 8 Kroppen in Becker!Höppner/Grotherr!Kroppen Art. 7 OECD-MA Rdnr. 8. 9 Übersicht bei Fleck/Meyer-Marsilius, Niederlassung im Ausland (Loseblatt, Stand Juni 1996), 2200, Allgemeines, S. 19- 55. 10 So auch Saame, S. 39. 11 Diehl, S. 11; auch Seibert, GmbHR 92, 738, 739 (Verlustabzug negativer Einkünfte der Zweigniederlassung bei der Mutter). 12 Dies ist offenbar der Regelfall, siehe Art. 7 OECD-Musterabkornrnen; vgl. hierzu HeidelbergerKomm!Ruß § 13 HGB Rdnr. 12.

IV. Untemelunenspolitische Vorteile

41

gegenüber einer Tochtergesellschaft entstehen, daß bei letzterer im Ausland noch immer (zusätzlich) der Gewinn der Muttergesellschaft aus dem Anteil an der Tochter versteuert werden müßte. Die Zweigniederlassung ·selbst wird zwar im deutschen Steuerrecht wie ein selbständiger Gewerbebetrieb behandelt, jedoch ist bei der Ermittlung des inländischen Betriebsvermögens im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens der Grundsatz der Selbständigkeit eher einschränkend auszulegen, so daß nur Wirtschaftsgüter erfaßt werden, die dem Betrieb der Zweigniederlassung als Hauptzweck dienen. 13 Auch dies dürfte einen Vorteil gegenüber Tochtergesellschaften bedeuten.

111. Sonstige Kostenvorteile Die Wahl einer unselbständigen Rechtsform, die Teil des Gesamtunternehmens bleibt, spart ganz allgemein Verwaltungskosten ein; 14 beispielsweise kann die Zweigniederlassung zur Verwaltung der an ihrem Betrieb angesiedelten Arbeitsverhältnisse die Logistik des Gesamtunternehmens nutzen, das Arbeitgeber ist. Wegen der einfacheren Gründung sind auch unter diesem Gesichtspunkt die Kosten geringer als bei einer Tochtergesellschaft. 15 Gerade weil wegen der rechtlichen Einheit keine internen Forderungen zwischen Haupt- und Zweigniederlassung begründet werden können, 16 kann die Zweigniederlassung kostenfrei die internen Ressourcen der Hauptniederlassung in Anspruch nehmen.

IV. Unternehmenspolitische Vorteile Da die Zweigniederlassung i.d.R. auch von potentiellen Geschäftspartnern als Teil des Gesamtunternehmens, d.h. als dessen verlängerter Ann, angesehen wird, kann sie bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit besser von einem (guten) Ruf des Hauptunternehmens profitieren, als dies fiir eine selbständige Tochtergesellschaft möglich wäre. 17 Ohne Gefahr zu laufen, gegen wettbewerbsrechtliche Normen zu verstoßen oder besondere Risiken einer Rechtsscheinhaftung hervorzurufen, ist somit beispielsweise die Einbeziehung in eine Werbekampagne der Hauptniederlassung möglich. Gonella, DB 86, 297, 297. Vgl. Diehl, S. 11. 15 Ähnlich Meyer-Marsilius, S. 42; Saame, S. 39. 16 Balser/Pichura, S. 26; Baumbach!Hopt § 13 Rdnr. 4. 17 Saame, S. 38; Diehl, S. ll. 13

14

Drittes Kapitel

Die internationalprivatrechtliche Einordnung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland Die internationalprivatrechtliche Problematik bildet den Schwerpunkt der Untersuchungen. Nach der Darstellung und kritischen Betrachtung kollisionsrechtlicher Lösungsmodelle mit eher pauschalem Blickwinkel wird die methodische Basis des eigenen Lösungsansatzes vorzustellen sein. Darauf folgend soll anband einer Vielzahl einzelner Problemfelder ermittelt werden, ob und wie sich die gewählte Methode umsetzen läßt.

I. Vorbemerkungen Vorab sind zunächst der Prüfungsumfang sowie einzelne Begrifflichkeiten festzulegen, die den nachfolgenden Ausfiihrungen zugrunde gelegt werden sollen.

1. Prüfungsumfang Immer dann, wenn das ausländische Unternehmen über seine deutsche Zweigniederlassung in Rechtsbeziehungen zu deutschen Einzelpersonen oder Gesellschaften eintritt, stellt sich vor der Anwendung sachrechtlieber Normen die Frage, welche Rechtsordnung (Statut) auf diese Beziehungen Anwendung findet. Grob gesagt kommen dabei jeweils drei Möglichkeiten in Betracht: deutsches Recht, das Recht des Heimatstaates oder eine gewählte Rechtsordnung (sofern eine Rechtswahl ftir den betreffenden Rechtsbereich zulässig und wirksam erfolgt war). Der Begriff der Rechtsbeziehungen ist dabei nicht auf den unmittelbaren Abschluß schuldrechtlicher Verträge beschränkt, sondern umfaßt das gesamte Spektrum von der Einleitung und deren Voraussetzungen (insbesondere der Rechtsfähigkeit, des Bestehens von Vertretungsmacht und der Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen), der vertraglichen Sekundärhaftung, der Haftung aus veranlaßtem Rechtsschein, der Kaufmannseigenschaft, der gesetzlichen (insbesondere deliktischen) Haftung und des Abschlusses dinglicher Verträge (insbesondere des Schicksals spezieller Siehe-

I. Vorbemerkwlgen

43

rungsrechte). Erörtert werden müssen in diesem Zusammenhang aber auch Fragen, die eher dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, so die registerrechtliche Behandlung, die Finnierung und die Mitbestimmung. Diese Problemkreise sind mit dem Privatrecht mannigfaltig verwoben. Man denke an die materielle Publizitätswirkung des § 15 I und II HGB, die Problematik der Rechtsscheinhaftung bei unzulässiger Finnierung und das interne Zustimmungsrecht, das einem Aufsichtsrat z.B. in § 111 IV AktG eingeräumt werden kann. 2. Begriff des Gesellschaftsstatuts Wird nachfolgend der Begriff des Gesellschaftsstatuts verwandt, so ist damit die Summe der Anknüpfungsgegenstände des internationalen Privatrechts, die fiir das Leben der Gesellschaft oder Körperschaft maßgeblich sind, 1 gemeint. Für Einzelpersonen und Einzelkaufleute entspricht diesem der Begriff des Personalstatuts. Häufig werden beide Tennini aber auch für Gesellschaften synonym gebraucht. 3. Keine Unterscheidung zwischen einzelkaufmännischen Unternehmen, nichtrechtsfähigen Personengesellschaften und juristischen Personen Für juristische Personen bestimmt sich das Gesellschaftsstatut schon wegen ihrer rechtlichen Selbständigkeit niemals nach dem Wohnsitz ihrer Gesellschafter, sondern - abhängig davon, ob man der Sitztheorie oder der Inkorporalionslehre folgt- nach ihrem effektiven Verwaltungssitz oder ihrem Gründungsstaat. 2 Diese Sichtweise hat sich auch fiir nichtrechtsfähige Personenmehrheiten (im deutschen Recht GbR, OHG und KG)3 durchgesetzt, da auch diese über einen organisatorischen Mittelpunkt verfugen und die privaten Wohnorte der Einzelgesellschafter- gerade in grenznahen Bereichen- bloßen Zufälligkeiten folgen. 4 Weil bei einem Einzelkaufmann wirtschaftlich in gleicher Weise der Ort seines Geschäftes als Ausgangspunkt der hier zur Debatte Kaligin, DB 85, 1449, 1449. Vgl. Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 15. 3 Selbstverständlich wird diese Auffassung dann, wenn man Personengesellschaften, jedenfalls für das deutsche Recht, als rechtsfahige Gebilde anerkennt und als eigenständige Form zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen begreift (vgl. Soergel/Hadding vor § 705 BGB Rdnr. 21 und § 714 Rdnr. 9 [Doppelverpflichtungslehre]). 4 Vgl. Soergel!LUderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 64; MUnchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 87, 88 und 90. Damit scheiden lediglich Innengesellschaften des bürgerlichen Rechts aus. 1

2

44

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

stehenden rechtsgeschäftliehen Tätigkeit entscheidend ist, gilt als Personalstatut des Einzelkaufmanns ebenfalls das Recht seines Geschäftssitzes und nicht dasjenige seines Wohnortes.5 4. Janusköpfigkeit

Als Ansatzpunkt fiir den Einstieg in die internationalprivatrechtliche Problematik wird häufig auf die sog. Janusköpfigkeil der Zweigniederlassung verwiesen, da die Zweigniederlassung einerseits wirtschaftlich relativ selbständig am Rechtsverkehr ihres Sitzlandes teilnimmt, andererseits aber Teil der ausländischen Gesellschaft bzw. des ausländischen Unternehmens bleibt.6 Wenn diese Doppelnatur jedoch zum Anlaß genommen wird, daraus schon kollisionsrechtliche Schlüsse zu ziehen, 7 kann dem nicht gefolgt werden. Jede Betätigungsform eines Unternehmens über eine Staatsgrenze hinweg, hat notwendigerweise zur Folge, daß fiir diesen Tätigkeitsbereich ein Arrangement zwischen dem Heimatrecht und der ausländischen Rechtsordnung gesucht werden muß, 8 da die Tätigkeit - selbst bei strikter Anwendung des Personalstatuts- zumindest mit dem (Wirtschafts-) Ordnungsrecht des Gaststaates in Einklang zu bringen ist. Eine gewisse Janusköpfigkeil ist damit jeder Auslandsbetätigung eigen. Auch rechtlich selbständige Tochtergesellschaften könnten von jener "Doppelnatur" erfaßt werden. Zwar unterfallen sie unbestritten intern und extern dem Recht des Gaststaates, jedoch sind sie durch eine i.d.R. straffe Konzernführung auch der fiir ihre Muttergesellschaft maßgeblichen Rechtsordnung verbunden. Es zeigt sich somit, daß dem Schlagwort der Janusköpfigkeil in bezug auf die internationalprivatrechtliche Fragestellung noch keine Aussagekraft zukommt.

II. Einheitliches Zweigniederlassungsstatut Ansätze zur Schaffung eines eigenständigen Zweigniederlassungsstatuts finden sich vereinzelt in der deutschen Literatur. Da es sich hier um eine Betrachtungsweise handelt, die bewußt generalisierende Ansätze enthält, erfolgt bereits an dieser Stelle und nicht erst bei Erörterung der Einzelfragen eine Auseinandersetzung mit den dazu vorgebrachten Argumenten. Vor allem aber 5 Saame,

S. 125 u. 128. Vgl. Saame, S. 33 ff. 7 So bei Bumeder, S. 48 Rdnr. 40. 8 Vgl. Großfeld, Untemehmensrecht, S. 7 ("Diener zweier Herren"). 6

II. Einheitliches Zweigniederlassungsstatut

45

scheint das neue schweizerische IPRG ein solches Statut festzulegen; hierauf soll rechtsvergleichend kurz eingegangen werden. 1. Deutsche Auffassungen

Es ist versucht worden, den gesamten Bereich, der den Kontakt der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens mit dem inländischen Rechtsverkehr betrifft, dem deutschen Recht zu unterstellen, also das Feld der sog. Außenverhältnisse. Diese Auffassung findet sich insbesondere in der Dissertation von Bumede?. a) Voraussehbarkeit für den Gründer

Angeführt wird dafür, daß der ausländische Unternehmer bei Errichtung einer Zweigniederlassung mit der Anwendung des deutschen Rechts rechnen müsse. 10 Dies entspricht kaum der Rechtswirklichkeit Solange die Mehrzahl der Autoren bei grenzüberschreitenden Privatrechtsbeziehungen - mit Ausnahme des vom deutschen EGBGB geregelten Kollisionsrechts fur Verträge11 -der Maßgeblichkeil des Personal- bzw. Gesellschaftsstatuts (wenngleich mit z. T. nicht unbeträchtlichen Einschränkungen durch partielle Sonderanknüpfungen) folgt, 12 kann der ausländische Unternehmer vielmehr grundsätzlich auf die Anwendung seines Heimat- bzw. Gründungsrechts vertrauen oder muß zumindest nicht explizit mit einer durchgehenden Anwendung des deutschen Rechts rechnen. b) Schutz des Verkehrs

Ferner wird ein Zweigniederlassungsstatut mit der Notwendigkeit des Schutzes des inländischen Verkehrs gerechtfertigt. So sei der Auslandsbezug 9 Bumeder, Die inländische Zweigniederlassung ausländischer Unternehmen im deutschen Register- und Kollisionsrecht, Dissertation München 1971; so auch Staehelin, S. 55 und 105 (allgemeine Sichtweise, die auch Anwendung auf Zweigniederlassungen fmdet). 10 Bumeder, S. 133 Rdnr. 200 und S. 124 Rdnr. 183. Unter Außenverhältnis werden dabei alle Rechtsverhältnisse verstanden, die die Interessen eines mit dem Unternehmen über die Zweigniederlassung verkehrenden Dritten berühren. M.E. bleibt dann aber fast kein Raum mehr filr Innenverhältnisse, da sich letztlich schon jede interne Organisationsmaßnahme auf die Haftungsmasse des Unternehmens auswirken und damit mittelbar auch die Interessen von Geschäftspartnern berühren kann. II Artt. 27 ff. EGBGB. 12 Vgl. MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 77; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 179.

46

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

aus der Firma der Zweigniederlassung nicht zu ersehen, 13 der Sitz der Zweigniederlassung dagegen eindeutig erkennbar. 14 Ein Publikumsschutz sei auch durch Eintragungen im Handelsregister nicht ausreichend, da sich die volle Tragweite einer Eintragung nicht ohne weiteres erkennen lasse. 15 Der Hinweis auf die Firmierung läuft indes leer, wenn man durch eine Sonderanknüpfung des deutschen Finnenwahrheitsgrundsatzes eine Erkennbarkeit des Auslandsbezuges in der Firma der Zweigniederlassung verlangt, wie es nach dem hier vertretenen Modell geschehen soll. 16 Ferner ist es m.E. dem Publikum dann, wenn der Auslandsbezug der Zweigniederlassung ersichtlich wird, zuzumuten, sich nach dem ausländischen Recht zu erkundigen oder einen geschäftlichen Kontakt mit der Zweigniederlassung zu meiden (nähere Ausführungen dazu unter V). Dem Handelsregister kommt schon fiir den rein deutschen Verkehr eine Publizitätswirkung über § 15 HGB nur fiir einzutragende Tatsachen zu; muß sich aber der Rechtsverkehr nach nicht einzutragenden Tatsachen, die nur dem dispositiven deutschen Recht unterfallen, wie z.B. der Ausgestaltung der Vertretungsmacht einer GbR oder eines einfachen gewillkürten Vertreters, ohnehin erkundigen, so ist auch eine Nachforschung nach ausländischem Recht nicht a priori unzumutbar. 17

c) Wille zur Unterwerfung Die große Zahl von Tochtergesellschaften in Deutschland soll den Willen ausländischer Unternehmen beweisen, sich deutschem Recht zu unterwerfen. 18 Der Zweck der Gründung von Tochtergesellschaften in Deutschland liegt in erster Linie in der Möglichkeit, eine Haftung der Muttergesellschaft mit ihrem Vermögen zu vermeiden, also in der Separierung einer Haftungsmasse. 19 Die dann unumgängliche Unterwerfung unter das deutsche Recht dürfte also eher ein notwendiges, in Kauf genommenes "Übel" darstellen.

13

Bumeder, S. 132 Rdnr. 197.

S. 133 Rdnr. 199. S. 147 Rdnr. 227 und 228, auch S. 116/117 Rdnr. 170 und 171. 16 Zu den Erkennbarkeitserfordemissen fi1r Geschäftsbezeichung und Finna siehe unten VI 6 und Vllß b) cc) (1). 17 Schutz kann überdies eine Sonderanknüpfung nach Rechtsscheingrundsätzen im Einzelfall bieten. 18 Bumeder, S. 135 Rdnr. 204. 19 Zwar besteht auch dann noch die Gefahr einer Haftung der Muttergesellschaft im Wege des konzernrechtlichen Durchgriffs, doch handelt es sich dabei wn einen Ausnahmetatbestand; überdies kann der Durchgriff in solchen Fällen durch die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft verhindert werden. 14 Ders.,

15 Ders.,

TI. Einheitliches Zweigniederlassungsstatut

47

d) Gleichheit zur Tochtergesellschaft nach dem Schwerpunkt der Tätigkeit

Der Schwerpunkt der Rechtsverhältnisse der Zweigniederlassung im Inland20, die Eingliederung in ein System besonderer öffentlich-rechtlicher Pflichten21 sowie die gleiche inländische Wettbewerbssituation wie bei einer Tochtergesellschaft22 sollen eine Gleichbehandlung der Zweigniederlassung mit der Tochter untermauern.Z3 Der Sitz der Zweigniederlassung sei genauso leicht zu bestimmen wie die Staatsangehörigkeit einer Person, daher sei die Anknüpfung an die Zweigniederlassung eigentlich eine Form des Personalstatuts.Z4 Da öffentlich-rechtliche Verpflichtungen Sondernormen darstellen, läßt sich aus ihnen kein Anhaltspunkt für eine allgemeine Kollisionsregel des IPR ableiten. Zweifellos sind die von Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft ausgehenden wirtschaftlichen Aktivitäten ähnlich, jedoch legitimiert diese faktische Parallele noch keine rechtliche Gleichbehandlung. Gegen eine solche Gleichstellung spricht auch noch eine andere Überlegung: Wird neben der Zweigniederlassung auch einmal die Hauptniederlassung direkt aus dem Ausland rechtsgeschäftlich in Deutschland tätig, so wird - wie bei der Aktivität der Zweigniederlassung - stets ein und derselbe Rechtsträger verpflichtet. Bei Anwendung des Zweigniederlassungsstatuts müßte sich nun das Gesamtunternehmen (in bezugauf die nicht vom Vertragsstatut erfaßten Außenverhältnisse) nach zwei Rechtsordnungen richten, obgleich Geschäfte in demselben Staat getätigt wurden. Dies läuft den Planungsinteressen des Unternehmens zuwider. Ein Personalstatut der Zweigniederlassung schließlich kann es nicht geben, da dafür die Rechtsfahigkeit dieses Gebildes schon begriftlich vorauszusetzen wäre. e) Gleichbehandlung mit inländischen Gesellschaften

Schließlich wird für ein Zweigniederlassungsstatut geltend gemacht, ausländische Gesellschaften dürften nicht besser gestellt werden als inländische. 25 Gegen diese durchgehende Erstreckung des deutschen Gleichheitsgrundsatzes läßt sich aber einwenden, daß es sich bei in- und ausländischen Gesell20 Bumeder, S. 1161117 Rdnr. 170 u. 171 sowie S. 125 Rdnr. 186. 21 Ders., S. 129 Rdnr. 191.

Ders., S. 139 Rdnr. 212 u. 216. Tendenziell wohl auchMankowski, EWiR 96, 29, 30. 24 Bumeder, S. 121 Rdnr. 178 u. S. 122 Rdnr. 181. 25 Schlosser, S. 100, jedoch nur für eine weitgehende Anwendung des am Ort der Zweigniederlassung geltenden Rechts. 22

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

schaften schon wegen der unterschiedlichen Staatszugehörigkeilen der Rechtsträger nicht pauschal um wesentlich gleiche Gebilde handelt, also eine allgemeine Gleichbehandlung nicht angezeigt ist. 26 Außerdem könnte das Publikum die Zweigniederlassung sonst eventuell für einen rechtsfähigen Geschäftspartner halten; die Entwicklung eines Zweigniederlassungsstatuts birgt demnach ein Täuschungspotential. 27

j) Zwischenergebnis Die Argumente für die Schaffung eines eigenständigen kollisionsrechtlichen Zweigniederlassungsstatuts können mithin sämtlich nicht überzeugen. Daher erfahrt diese Theorie zu Recht überwiegende Ablehnung. 28 Aber auch unter dem noch zu entwickelnden Gesichtspunkt der (vorleistenden) Reziprozität erweist sich eine solche Anknüpfung als unerwünschtes Hemmnis für Niederlassungen ausländischer Herkwüt. 2. Die Regelung des schweizerischen Rechts Da das schweizerische Recht Regelungen zum internationalen Privatrecht für Zweigniederlassungen trifft und dadurch möglicherweise ein eigenständiges Statut derselben schafft, soll darauf mit einer kritischen Anmerkung eingegangen werden. a) Regelungsbereich Das IPRG der Schweiz vom l. Januar 1989 hat im Unterschied zum deutschen EGBGB kollisionsrechtliche Regelungen auch für das Gesellschaftsrecht getroffen (Artt. 150 - 165 IPRG). Sie erfassen gemäß Art. 150 I IPRG alle organisierten Personenzusammenschlüsse und Vermögenseinheiten und schließen nur einfache Gesellschaften ohne Organisation aus (Art. 150 II). Dieser Anwendungsbereich entspricht mithin demjenigen des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts.29 Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland, in der die Sitztheorie als vorherrschend bezeichnet werden kann, knüpft die Schweiz grundsätzlich an das Gründungsrecht (Art. 154 I) und nur subsidiär an das Sitzrecht (Art.. 154 II) einer Gesellschaft an.

Ähnl. MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 77. Vgl. Saame, S. 161. 28 Siehe drittes Kapitel li I.Wie bereits erwähnt wurde, stimmen die Ergebnisse allerdings aufgrund von Sonderanknüpfungen weitgehend überein. 29 Vgl. zwn Umfang des Gesellschaftsstatuts im dritten Kapitel I 3 und Fn 69. 26

27

II. Einheitliches Zweigniederlassungsstatut

49

Für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in der Schweiz wurde mit Art. 160 IPRG eine eigene Norm geschaffen. Entscheidend ist hierbei die Formulierung des Art. 160 I : "Eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland kann in der Schweiz eine Zweigniederlassung haben. Diese untersteht schweizerischem Recht." Dieser Wortlaut legt eine völlige Unterstellung jedenfalls der gesamten Außenverhältnisse und damit das Bestehen eines eigenen Zweigniederlassungsstatuts fiir die Schweiz nahe. 30 Jedoch ist sich die dortige Rechtslehre einig, daß der schweizerische Bundesgesetzgeber eine solche Deutung nicht beabsichtigte, da anderenfalls die grundsätzliche Entscheidung fiir die Inkorporationstheorie unterlaufen würde. 31 Die Zweigniederlassung untersteht damit nur insoweit dem schweizerischen Recht, als Vorschriften zum Schutz des Handelsverkehrs und zum Schutz der (schweizerischen) Gläubiger betroffen sind. 32 Dies bedeutet, daß zwar die gewillkürte Stellvertretung über eine Zweigniederlassung gemäß Art. 160 li 1 IPRG stets einer Sonderanknüpfung unterliegt, jedoch insbesondere die organschaftliehe Vertretung nach wie vor vom Gesellschaftsstatut erfaßt wird. 33 Auf Beschränkungen der organschaftliehen Vertretung ist dann vielmehr die Verkehrsschutzregelung des Art. 158 IPRG anzuwenden.34 Art. 158 läßt eine Berufung der ausländischen Gesellschaft auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Recht der (Zweig-) Niederlassung unbekannt ist, nur zu, welJll sie nachweist, daß die andere Partei diese Beschränkung kannte oder kennen mußte. 35 Art. 158 IPRG entspricht damitauch in bezug auf die Beweislastverteilung - einer im deutschen Recht mehrheitlich vertretenen analogen Heranziehung des Art. 12 S. I EGBGB. Ein Unterschied besteht lediglich darin, daß Art. 158 IPRG als allseitige Kollisionsnorm ausgestaltet ist. Von einem durchgehenden Zweigniederlassungsstatut kann somit nicht einmal im schweizerischen Recht gesprochen werden. Dennoch ist nicht zu verleugnen, daß die Regelungen des Art. 160 I IPRG und des Art. 158 IPRG fast immer zur Anwendung des Rechts der Schweiz fiir die Außenverhältnisse einer dortigen ausländischen Zweigniederlassung fiihren werden, so daß die Rechtswirklichkeit einem solchen Statut nahekommen wird.

30

Vgl. IPRG/Girsberger Art. 160 Rdnr. 5.

31 IPRG-Kommentar/Vischer Art. 160 Rdnr. 11.

IPRG/Girsberger Art. 160 Rdnr. 5. S. 50; IPRG/Girsberger Art. 160 Rdnr. 17. 34 Martz, S. 50. 35 IPRG-Kommentar/Vischer Art. 158 Rdnr. 2 faßt hierunter insbesondere den angelsächsischen "ultra-vires"-Grundsatz. 32

33 Martz,

4 Rinne

50

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

b) Bedenken

Die Einwände gegen die Festsetzungen des schweizerischen Rechts entsprechen denen, die bereits gegen ein einheitliches Zweigniederlassungsstatut vorgebracht wurden. Auch die Schweiz geht von einer dem deutschen Recht entsprechenden Definition der Zweigniederlassung als rechtlich unselbständiger Einheit aus. 36 Die (fast) völlige Anknüpfung an das schweizerische Recht wird dieser Tatsache indessen nicht gerecht. Ganz entscheidend streitet aber der Grundsatz der Reziprozität gegen die genannten Normen. Jeder staatliche Gesetzgeber muß bei der Ausgestaltung seines internationalen Privatrechts zugleich die Tätigkeit seiner Staatsangehörigen im Ausland, die in den Anwendungsbereich des ausländischen IPR fallt, mit berücksichtigen. Da der Gedanke der Gegenseitigkeit jedenfalls in seiner negativen Form auch das internationale Privatrecht durchzieht, besteht die Gefahr, daß Beschränkungen, die der betreffende Staat einer Ausländerbetätigung im Inland auferlegt, im Gegenzuge auch die Tätigkeit von Inländern im Ausland treffen können, wenn der ausländische Staat sein IPR in ähnlicher Weise ausgestaltet. 37 Dann aber sinkt nicht nur die Bereitschaft ausländischer Unternehmen, sich im Inland niederzulassen, sondern ebenfalls die Attraktivität einer Auslandsniederlassung für inländische Unternehmen. Beide Ergebnisse kann ein Staat im Interesse guter wirtschaftlicher Beziehungen nicht wünschen.

111. Günstigkeitslehre Ein anderer umfassender Ansatz zur Lösung kollisionsrechtlicher Probleme will ebenfalls das Außenverhältnis der betreffenden Gesellschaft vom Innenverhältnis trennen. Während fiir letzteres weiter das Personalstatut anwendbar ist, soll ersteres dem jeweils drittgünstigsten Recht unterworfen werden, d.h. derjenigen Rechtsordnung, die im Einzelfall die günstigste Lösung für den inländischen Geschäftspartner darstellt. 38 Diese Auffassung ist nicht explizit für Zweigniederlassungen, sondern für jedes Tätigwerden einer ausländischen Gesellschaft in Deutschland, die nicht die Form der Tochtergesellschaft gewählt hat, entwickelt worden. Damit umfaßt sie allerdings auch die kollisionsrechtliche Einordnung von Zweigniederlassungen, so daß sie in diesem Zusammenhang hinterfragt werden muß.

IPRG!Girsberger Art. 160 Rdnr. 2. Zum Reziprozitätsgedanken ausfilhrlich unten VI. 38 Grasmann, System, Rdnr. 51, 623 und 848; ähnl. Fischer, Verkehrsschutz, S. 118 (Wahlrecht des gutgläubigen Kontrahenten, aber nicht bei Verfügungsgeschäften). 36

37

ffi. Günstigkeilslehre

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1. Trennung von Außen- und Innenverhältnis Für eine getrennte Betrachtung von Außen- und Innenverhältnis einer Gesellschaft wird zunächst angefuhrt, daß auch andere eigentlich zusammenhängende Rechtsverhältnisse internationalprivatrechtlich verschieden angeknüpft würden, wobei als Beispiel die rechtsgeschäftliche Vollmacht genannt wird, die die h.L. abweichend vom Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem einordnet. 39 Im Gegensatz zu natürlichen Personen fehle Gesellschaften ohnehin das "persönliche Band" zu einem bestimmten Staat. 40 Das genannte Beispiel ist mit der Rechtslage bei Gesellschaften jedoch nicht vergleichbar. Bei der gewillkürten Stellvertretung sind der Umfang des Innenverhältnisses (rechtliches Dürfen) und des Außenverhältnisses (rechtliches Können) schon nach der deutschen Rechtsordnung stets separat zu ermitteln (dies ergibt sich aus§ 168 S. 1 u. 2 BGB). Bei Gesellschaften wäre eine solche Trennung zumindest nach inländischem Recht nicht durchführbar, da jede Maßnahme des sogenannten Innenverhältnisses letztlich Auswirkungen auf die Liquidität zeitigen kann und damit schon dem Außenverhältnis zuzurechnen wäre. 41 Ein System, das dem inländischen Recht mithin fremd ist, darf aber auch fremden Gesellschaften in Deutschland nicht undifferenziert übergestülpt werden (zumal es sich in dieser Form als echtes Investitionshemmnis erweisen müßte) 42 . Ein "persönliches Band" zum Heimatstaat kann schließlich sehr wohl bei den einzelnen Gesellschaftern bestehen. Folglich überzeugt schon die Trennung der Anknüpfung von Innen- und Außenverhältnis nicht. 43 2. Schutz des Verkehrs Die Behandlung der Außenverhältnisse nach dem Recht des Vomahmestaates schütze das Publikum in den Fällen, in denen der Gesellschaft ihre ausländische Herkunft nicht anzumerken sei. 44 Für den Schutz des Verkehrs geht jedoch eine durchgehende Anwendung des Rechts des Vomahmeortes viel zu weit. Fraglich scheint schon, ob der Verkehr stets in dem geforderten Maße schutzwürdig ist. Ferner läßt sich ein auf Ausnahmefälle zu begrenzender Verkehrsschutz schon durch eine Sonderanknüpfung oder die Anwendung 39 Grasmann, System, Rdnr. 26; ders. hält die Anknüpfung der Vollmacht schon ft1r Gewohnheitsrecht (Rdnr. 679). 40 Grasmann, System, Rdnr. 713. 41 So im Erg. auch MünchKomm!Ebenroth Nach Art. lO EGBGB Rdnr. 171 . 42 Vgl. Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 13 (Schwierigkeit der Verzahnung der Rechte); siehe auch die Anmerkung zur Reziprozität drittes Kapitel li 2 b. 43 So auch Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 61 (untrennbarer Zusammenhang). 44 Grasmann, System, Rdnr. 45; Staehelin, S. 55.

4•

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

deutscher Rechtsscheinsgrundsätze, notfalls durch Abstellen auf den ordre public erreichen. 45 Schließlich wird an späterer Stelle noch aufzuzeigen sein, daß im Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts ohnehin dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit i.d.R. Vorrang vor dem inländischen Verkehrsschutz jedenfalls insoweit einzuräumen ist, als der Gesetzgeber keine Sonderregelungen getroffen hat. 3. Diskriminierungsgefahr Die Anwendung des Gesellschaftsstatuts berge die Gefahr, daß die ausländische Gesellschaft daraufhin vom deutschen Publikum diskriminiert werde. 46 Man dürfe die Gesellschaften aber wegen dieser Gefahr nicht an die "Kette des ausländischen Rechts" legen. 47 Die Entlastung des Publikums vor Nachforschungen diene dem Interesse des Handels am raschen Zustandekommen internationaler Geschäftsabschlüsse und daran, das Vertrauen der Geschäftspartner nicht zu enttäuschen. 48 Diese Sichtweise erscheint insoweit realitätsfern, als es viel naheliegender ist anzunehmen, daß der ausländischen Gesellschaft primär an der Anwendung der ihr vertrauten eigenen Rechtsordnung gelegen sein dürfte, so daß diese nicht als "Kette" empfunden wird. Eine Diskriminierung durch den deutschen Rechtsverkehr kann ein Unternehmen auch auf dem Boden des Personalstatuts vermeiden, indem es seine (potentiellen) Geschäftspartner über dem deutschen Rechtskreis fremde Regelungen informiert oder sich aber (beispielsweise) auf Beschränkungen seiner Rechtsfähigkeit nicht beruft; dadurch läßt sich das Vertrauen inländischer Geschäftspartner ausreichend schützen. Falls das Unternehmen dennoch Wettbewerbsnachteile befürchtet, bleibt schließlich noch der Weg, durch eine Rechtswahl, etwa in allgemeinen Geschäftsbedingungen, zur Anwendung des Inlandsrechts zu gelangen (sofern eine solche zulässig ist). 4. Gleichbehandlung Ferner wird die Abkehr vom Personalstatut mit Art. 3 GG begründet, der für das Recht des Betätigungsstaates spreche, wobei auf Basis des zuvor genannten Gedankens der Diskriminierung offenbar verhindert werden soll, daß ausÄhnlich einschränkend Soergel!Lüderitz Anh. Art. lO Rdnr. 9. Grasmann, System, Rdnr. 44 u. Rdnr. 648; ihm folgend Staehelin, S. 54; älmlich Bumeder, S. 134 Rdnr. 20 I: Das Publikum sei bei Anwendung des Ortsrechts kontaktbereiter. 47 Grasmann, System, Rdnr. 59, 64 b u. 699. 48 Ders., Rdnr. 651 u. 652. 45

46

m. Günstigkeitslehre

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ländische Gesellschaften (vermeintlich mit belastender Wirkung) abweichend von inländischen behandelt werden. 49 Da bereits eine Diskriminierung verneint wurde, geht indes auch dieser Gesichtspunkt fehl. Selbst wenn aber einer ausländischen Gesellschaft durch die Anwendung des Personalstatuts eine belastende Ungleichbehandlung in Deutschland zuteil würde, könnte sie sich nicht auf Art. 3 I GG berufen, da sie nicht Grundrechtsträger ist. 50 5. Zusammenfassende Kritik Ganz entscheidend spricht aber gegen die Lehre des verkehrsgünstigsten Rechts, daß sie zu einer unvorhersehbaren Rechtszersplitterung fiihren muß und damit der Rechtssicherheit elementar zuwiderläuft. 51 Da nicht jeder Einzelfall vorausschauend abgesichert werden kann, besteht stets die Gefahr eines Überraschungseffektes. Auch sollte eine auf diese Weise drohende häufige Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Gläubigem der Gesellschaft vermieden werden; 5 2 ausländische Gläubiger müßten sich stets an der Rechtsordnung des Personalstatuts festhalten lassen, wohingegen inländische sich diejenige "herauspicken"53 könnten, die ihnen vorteilhafter erschiene. In bezug auf das Vertragsstatut ist eine solche Ungleichbehandlung zwar bereits durch kollisionsrechtliche Nonnen vorgegeben (Art. 27 ff. EGBGB), doch widerspricht eine generelle Ausweitung auch auf Fragen der Rechtsfa-

49 Grasmann, System, Rdnr. 735; auch Bumeder, S. 142 Rdnr. 218. Vgl. drittes Kapitel II I e. 50 Grundrechte sind auf ausländische juristische Personen nicht anwendbar: BVerfGE 21, 208, 208/209; anders aber möglicherweise bei Zweigniederlassungen ausländischer Einzelkaufleute. Grasmann (Rdnr. 736) lehnt die Entscheidung des BVerfG ab, verkennt dabei aber deren Bindungswirkung. Bungert (S. 296) geht ebenfalls von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte auf ausländische juristische Personen aus, da ein Unterschied zu ausländischen Einzelpersonen nicht zu rechtfertigen sein soll, und macht Einschränkungen nur noch aufgrund des Deutschenvorbehalts in einzelnen Grundrechten. 51 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 60 ("untragbarer Normenmix") und Rdnr. 240 ("Eine Gesellschaft kann nur gut arbeiten, wenn die Einheit ihrer Rechtsstellung gesichert ist."); MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 245; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 9 (Vermeidung von Rechtsunsicherheit); Staehelin, S. 59 u. 60. 52 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. I 0 Rdnr. 172. 53 Dieses Problem erinnert an die unsägliche "Rosinentheorie" zu § 15 HGB, nach der sich ein Dritter teilweise auf den Registerinhalt und teilweise auf die materielle Rechtslage berufen kann, vgl. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 15 HGB Rdnr. 13.

54

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

higkeit oder der organschaftliehen Vertretungsmacht dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. 5 4 Wie schon die Figur eines Zweigniederlassungsstatuts und die Regelung des schweizerischen Rechts läßt die Günstigkeilslehre auch den Gesichtspunkt der Reziprozität außer acht. Wer ausländischen Investoren, die sich in Deutschland nicht für die Form einer Tochtergesellschaft, sondern einer Zweigniederlassung entschieden haben, zumutet, bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit stets zwei Privatrechtsordnungen im Blick zu haben und die Anwendung des deutschen Rechts nicht nur auf Sonderfalle begrenzt, bremst nicht nur die Investitionsfreude, sondern muß auch damit rechnen, daß deutschen Zweigniederlassungen im Ausland gleiches widerfährt. Die von der Lehre der Anwendung des drittgünstigsten Rechts vorgenommene einseitige Risikoverteilung zulasten der ausländischen Unternehmen läßt sich also nicht rechtfertigen und bietet folglich für die kollisionsrechtlichen Fragestellungen bei Zweigniederlassungen keine befriedigende Lösung.

IV. Versteckte Kollisionsnormen im deutschen Recht Es wird vertreten, daß in Zuständigkeits- oder Sachnormen des deutschen Rechts zugleich Wertungen verborgen sein können, die eine bestimmte kollisionsrechtliche Aussage implizieren, sog. versteckte Kollisionsnormen. 55 Denkbar wäre es auf dieser Basis, aus den Normen der §§ 13 d ff. HGB, die ausländische Zweigniederlassungen in Deutschland weitgehend dem deutschen Registerrecht unterwerfen, den Schluß zu ziehen, diese Unterstellung verlange zugleich die Anwendung des deutschen Rechts auf die materiellen Rechtsbeziehungen der Zweigniederlassungen.56 Die Registerrechtsbestimmungen der §§ 13 d ff. HGB stehen- wie alle handelsrechtliehen Normen, die Anmeldepflichten festlegen - in engem Zusammenhang mit der Publizitätsvorschrift des § 15 HGB. Erst diese schafft eine materielle Rechtswirkung. § 13 d III, der eine Verbindung zum ausländischen Recht herstellt und somit kollisionsrechtlichen Charakter haben könnte, bezieht sich nur auf Anmel54 Wenn die Anknüpfung aus deutscher Sicht erfolgt, muß m.E. auch der deutsche Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigt werden; zu diesem Grundsatz siehe allgemein Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 309. 55 Neuhaus, S. 98; dagegen Mann , in: FS Raiser, S. 499, 502 und 504. 56 In dieser umfassenden Reichweite wird der kollisionsrechtliche Charakter eigentlich nicht vertreten. Letztlich erweist sich der Anwendungsbereich der§§ 13 d ff. HGB in kollisionsrechtlicher Hinsicht erst bei der Frage der Bestimmung der Kaufmannseigenschaft als problematisch (dazu unten VI). Dennoch wird diese Frage in der Literatur zumindest aufgeworfen, um sie daraufhin abzulehnen.

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts-Reziprozität

55

dungen, Zeichnungen, Einreichungen, Eintragungen und Bekanntmachungen, betrifft also Verfahrensfragen. Gegen eine kollisionsrechtliche Aussage spricht auch ein Vergleich zwischen § 13 III und § 13 d II HGB in bezug auf das Finnenrecht Während bei der Eintragung von Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen eine Vereinbarkeil mit§ 30 HGB zu prüfen ist, fehlt diese Pflicht bei § 13 d II, obgleich beide Bestimmungen sonst denselben Wortlaut haben. Hieraus läßt sich folglich auf eine Offenheit des § 13 d HGB gegenüber dem ausländischen materiellen Recht schließen. Auch die Neufassung des EGBGB vom 21.9.1994, die das Gesellschaftsrecht ausdrücklich nicht regeln wollte (vgl. Art. 37 Nr. 2 EGBGB), legt nahe, daß mit den kurz zuvor (am 22.7.1993) geschaffenen§§ 13 d ff. HGB kein gesellschaftsrechtliches Kollisionsrecht geschaffen werden sollte. Daß §§ 13 d ff. HGB eine Kollisionsregel dergestalt enthielten, auf Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen allgemein deutsches Recht anzuwenden, läßt sich demnach nicht begründen. Es handelt sich vielmehr um fremdenrechtliche Sachnonnen.57

V. Zwischenergebnis Hat sich somit gezeigt, daß alle Versuche, das Recht der ausländischen Zweigniederlassung im Inland durchgehend selbständig anzuknüpfen, sei es in der Form eines eigenständigen Zweigniederlassungsstatuts, der Geltung des drittgünstigsten Rechts oder der Suche nach versteckten Kollisionsnonnen, sich nicht halten lassen, so kann die Lösung der kollisionsrechtlichen Fragestellung nur in der Anwendung des Personalstatuts respektive des Gesellschaftsstatuts des ausländischen Unternehmens auch auf die Zweigniederlassung liegen, soweit keine anderslautenden Regelungen vom deutschen Recht getroffen worden sind. Hiermit ist die kollisionsrechtliche Problematik indessen auch dann noch nicht erschöpft. Zu untersuchen bleibt vielmehr, welcher Reichweite dem Personalstatut zuzumessen ist, d.h. ob und in welchen Fällen Sonderanknüpfungen erforderlich werden.

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts - Reziprozität Kollisionsrechtliche Lösungen des nicht normierten internationalen Gesellschaftsrechts werden überwiegend anband der Abwägungen von Interessen Beteiligter fur gedachte und standardisierte Einzellälle entwickelt. Besonders 57 Roth in Koller/Roth/Morck § 13 d Rdnr. 2; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 897 (zu§ 44 Akt a.F.); Staub!Hüffer § 13 b Rdnr. I.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

dann, wenn der inländische Rechtsverkehr mit ausländischen Rechtslagen konfrontiert wird, die der deutschen Rechtsordnung im wesentlichen unbekannt sind, 58 sollen solche Interessen häufig zu einer Sonderanknüpfung an das Recht des Wirkungsortes unter dem Schlagwort des Verkehrsschutzes oder des Gutglaubensschutzes fuhren.59 Bei der hier zur Debatte stehenden Konstellation, daß ein ausländisches Unternehmen über eine Zweigniederlassung in Deutschland tätig wird, hätte dies in solchen Fällen die Anwendung des Rechts des Sitzes der Zweigniederlassung, also des deutschen Rechts, zur Folge. Nachfolgend soll gezeigt werden, daß der inländische Verkehrsschutz bei der Herausarbeitung des Kollisionsrechts für Zweigniederlassungen bisher überbetont wurde und gegenüber der internationalen Rechtssicherheit und Niederlassungsfreiheit bzw. -freundlichkeit zurückzutreten hat. Methodischer Ansatzpunkt dieser Vorgehensweise ist der Gedanke der Gegenseitigkeit (Reziprozität), dessen Hauptanwendungsbereich im allgemeinen Völkerrecht liegt, der aber auch in zahlreichen zwischenstaatlichen Abkommen über internationalprivatrechtliche Sachverhalte zum Ausdruck kommt. Zunächst wird die Anwendbarkeit der Reziprozität als Argumentationsmittel bei der Rechtsfindung von Kollisionsregeln des internationalen Privatrechts nachzuweisen sein. Daraufbin ist der Umfang des Gegenseitigkeitsgedankens über das bisher formulierte Maß hinaus in Richtung einer "vorleistenden" auslandsfreundlichen Aufstellung von Kollisionsregeln zu erweitern. Schließlich soll mit Hilfe des Reziprozitätsargumentes der weite Anwendungsbereich des Personalstatuts legitimiert werden. Auf dieser Basis werden die von der herrschenden Auffassung unter Verkehrsschutzgesichtspunkten, insbesondere über eine analoge Anwendung des Art. 12 S. I EGBGB, zahlreich vorgenommenen Sonderanknüpfungen im wesentlichen zu widerlegen bzw. einzuschränken sein. Ein Verkehrsschutz, der für Sonderfälle noch erforderlich werden kann, soll schließlich mittels des Merkmals der abstrakten Erkennbarkeit des Auslandsbezuges unter Zuhilfenahme des deutschen Firmenrechts konstruiert werden. Dabei wird dem betroffenen Dritten in Abkehr von der bisherigen Sichtweise eine weitergehende Pflicht, sich nach der maßgeblichen Rechtsordnung zu erkundigen, aufzuerlegen sein.

58 Hier wird primär die "ultra-vires"-Doktrin des anglo-amerikanischen Rechtskreises genannt. 59 Statt vieler MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 266.

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts-Reziprozität

57

1. Völkerrecht Der Ausgangspunkt des Gegenseitigkeitsgrundsatzes findet sich im allgemeinen Völkerrecht. Er ist zwecks besseren Verständnisses auf dieser Ebene gegenüber verwandten Instituten abzugrenzen. a) Ursprung und Inhalt des Grundsatzes der Reziprozität Bleckmann ordnet die Gegenseitigkeit zunächst auf einer soziologischen Ebene ein. Er plaziert sie als klassischen soziologischen Zwang neben dem staatlichen Prestige und dem Kooperationsprinzip; sie stellt zunächst ein Eigeninteresse dar, das zur Ausbildung des Allgemeininteresses der Völkerrechtsordnung führt. 6° Für die Reziprozitätsüberlegungen im Rahmen dieser Arbeit bedeutet dies: Ein Staat hat ein Interesse daran, daß seine Interessen im Ausland (bzw.- in vorweggenommener Übertragung auf die Ebene des internationalen Privatrechts - die Interessen seiner im Ausland tätigen Bürger) in gleicher Weise und auf gleichem Niveau gewahrt werden wie diejenigen des ausländischen Staates im Inland. Da hieran vernünftigerweise allen Staaten gelegen ist, kumulieren diese Eigeninteressen in einem Allgemeininteresse. Doch bleibt der Gegenseitigkeitsgedanke nicht auf diese negative Wirkung beschränkt. Vielmehr sind auch die Leistungsbeziehungen zwischen Staaten soziologisch in ein Gegenseitigkeitsverhältnis getreten, da ein Interesse aller Staaten an der Einhaltung der rechtlichen Leistungspflicht aller Staaten gegenüber allen Staaten der Welt besteht. 61 Demnach hat ein Staat gegenüber anderen Staaten auch ein Eigeninteresse an der eigenen Pflichterfiillung. 62 Dies läßt sich im Hinblick auf das hier verfolgte Ziel dahingehend interpretieren, daß sich schon auf der soziologischen Ebene der Aspekt der Gegenseitigkeit weg von einer "negativen" Reaktionsforrn, die gegenüber Interessen des Auslands den Charakter einer Aufrechnung der staatlichen Verhaltensweisen trägt, hin zu einer bewußten Betonung des eigenen Leistungswillens als Maxime des Handeins erweitert hat. 63 Eng verbunden mit dieser soziologischen Gegenseitigkeit entwickelte sich aufgrund der Wirkung der soziologischen Zwänge64 das rechtliche Gegensei-

Bleckmann, S. 791; vgl. auch Seidl-Hohenveldem, Rdnr. 34. Bleckmann, S. 792. 62 Ders., S. 793. 63 Bleckmann (S. 792) spricht von einem runfassenden Netz gegenseitiger Kooperationspflichten. 64 Vgl. Bleckmann, S. 796. 60

61

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

tigkeitsprinzip; ausgehend von den beschriebenen Eigeninteressen an der allgemeinen Pflichterfüllung wurde ein umfassendes Netz gegenseitiger Kooperationspflichten geschaffen65 . Hierdurch kennzeichnet sich der Übergang des klassischen Völkerrechts in die Ära des Kooperationsvölkerrechts.66 Im Rahmen dieser rechtlichen Gegenseitigkeit wird nun sogar eine generelle Kooperationspflicht angenommen, mithin ein Zwang, im Verhältnis zwischen allen Staaten an der Kooperation mitzuwirken, "um den Anschluß an die Weltentwicklung nicht zu versäumen." 67 Ist aber die Kooperationspflicht schon im Ausgang ein Bestandteil des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsgrundsatzes und nicht nur ein Resultat völkerrechtlicher Abkommen, so muß sich zumindest jede völkerrechtliche Tätigkeit eines Staates, die die Interessen eines anderen Staates berührt, an dem Ziel orientieren, eine Belastung der eigenen Interessen durch jenen anderen Staat zu vermeiden. Dieser Maßstab läßt sich aber nicht nur in der Weise anlegen, daß keine Maßnahme getroffen werden soll, die die Belange des anderen Staates negativ berührt, wenn ein entsprechendes Handeln als Reaktion des anderen Staates für die eigenen Belange unerwünscht wäre. Darüber hinaus ist er auch in der Form denkbar, daß eine Begünstigung der Interessen eines anderen Staates gezielt in der Erwartung erfolgen kann (und darf), im Gegenzuge eine Förderung eigener Interessen durch den anderen Staat zu erreichen.68 Letzteres könnte als positiver Aspekt der Gegenseitigkeit bezeichnet werden. 69 b) Abgrenzung zu Retorsion und Repression

Retorsion ist die Vergeltung eines zwar rechtmäßigen, aber unfreundlichen Verhaltens durch eine ebenfalls unfreundliche, aber rechtmäßige Handlung. 70 Repression stellt dagegen die Vergeltung eines rechtswidrigen Handeins dar, die ihrerseits gegen völkerrechtliche Rechtssätze verstößt, 71 aber als verhält-

Vgl. Bleckmann, S. 792. S. 793. 67 Ders., S. 796; m.E. handelt es sich dabei wn eine folgenorientierte Argwnentation (dazu unten). 68 Auch wenn keine Verpflichtung des anderen Staates besteht; vgl. Hepting, S. 126 B 59. 69 Ist aber damit schon dem Völkerrecht der Gegenseitigkeitsgrundsatz als Motiv fiir eine Begünstigung in vorleistender Form nicht fremd, steht m.E. aus dieser Richtung einer solchen positiven Heranziehung desselben zur Rechtsfmdung im internationalen Privatrecht nichts entgegen. 70 Hepting, S. 88 B 2; Seidl-Hohenveldem, Rdnr. 1775. 71 Seidl-Hohenveldem, Rdnr. 1776. 65

66 Ders.,

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts-Reziprozität

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Dismäßige Reaktion gerechtfertigt sein kann. 72 In dem hier zu bearbeitenden Zusammenhang spielen rechtswidrige Vorgänge keine Rolle, so daß auf diese Figur nicht einzugehen ist. Ob die Retorsion als Bestandteil des Gegenseitigkeitsgrundsatzes zu verstehen ist oder sich von diesem wesensmäßig unterscheidet, ist umstritten. 73 Indessen kann diese Frage für die vorliegende Untersuchung offen bleiben. Da die Retorsion jedenfalls den negativen Aspekt eines gegenseitigen rechtmäßigen Verhaltens abdeckt, erfaßt sie bereits diejenigen Tätigkeiten, mit denen ein Staat die Belange eines anderen Staates negativ berührt, da ihm von jenem gleiches widerfahren ist. Würde sich nun der für den eigentlichen Gegenseitigkeitsgrundsatz neben der Retorsion verbleibende Anwendungsbereich darin erschöpfen, eine Vergünstigung nur dann zu gewähren, wenn der andere Staat diese bereits praktiziert, so hätte die Gegenseitigkeit lediglich die Form einer Reaktion, also eine aus einer Passivsituation heraus motivierte Funktion. Da in einem solchen Fall aber stets Voraussetzung für ein Tätigwerden wäre, daß der andere Staat schon gehandelt hätte, müßte sich bei Passivität beider Seiten zwangsläufig ewig der status quo erhalten. Ein derartig enges Verständnis der Gegenseitigkeit könnte aber nicht als Kooperationsvölkerrecht bezeichnet werden; die oben als maßgeblich dargestellte Weltentwicklung käme nicht mehr voran. Überdies verdiente eine solche Beschränkung nicht mehr die Bildung eines eigenständigen Begriffes. Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß unter den Begriff der Gegenseitigkeit schon auf der Ebene des Völkerrechts neben der Reaktion auch eine positive Motivation zur Schaffung von Begünstigungen anderer Staaten zu fassen ist, auch wenn diese ihrerseits dem Ausgangsstaat eine solche bisher nicht gewährt haben. 74 Dieser Anwendungsbereich sei hier positive Reziprozität genannt.

c) Völkerrechtliche Abkommen über Materien des !PR (Beispiele) Der Gegenseitigkeitsgrundsatz tritt besonders in der Form völkerrechtlicher Verträge über Materien des internationalen Wirtschaftsrechts zutage. aa) Globale Abkommen Hier ist zunächst das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation WTO zu nennen, in dessen Präambel der Gedanke der Reziprozität

Herdegen, § 4 Rdnr. 20. S. 96 u. 97 m.w.N. 74 Ähnlich Hepting, S.46: Eine Austauschbeziehung muß noch nicht bestehen. 72

73 Hepting,

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

angesprochen wird. 75 Auch in der Präambel des UN-Kaufrechts76 läßt sich das Ziel des "gegenseitigen Nutzens" als Reziprozitätsgedanke im positiven Sinne verstehen. Auf dem Grundsatz der Reziprozität basiert ferner das Abkommen über Trade-Related Intellectual Property Rights (TRIPS) zum Schutz des geistigen Eigentums. 77 bb) Bilaterale Verträge Ausdrückliche Erwähnung findet die Gegenseitigkeit auch in zahlreichen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträgen, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. So werden in Art. IV Abs. 1 des deutschfranzösischen Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrages78 auch den Gesellschaften der jeweils anderen Vertragspartei alle bürgerlichen Rechte des Betätigungsstaates gewährt. In Art. IV Abs. 4 Satz 1 desselben Abkommens klingt die Reziprozität sogar in der oben geforderten positiven Form an. 79 Der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag80 gewährleistet in Art. I Abs. 1 die Freiheit des Handels zwischen den Staatsgebieten. Art. VII Abs.l bestimmt eine "Inländergleichbehandlung hinsichtlich der Ausübung jeder Art von geschäftlicher, industrieller, finanzieller oder sonstiger gegen Entgelt vorgenommener Tätigkeit" und bezieht sich dabei auch auf die Errichtung von Zweigstellen.81 Art. XI Abs. 5 ermöglicht die Einräumung steuerlicher Vorteile auf der Grundlage der Gegenseitigkeit.82 cc) Bewertung Die genannten völkerrechtlichen Abkommen sind in erster Linie Ausdruck der klassischen Form der Reziprozität, die ein Handeln eines Staates an die Gewißheit der Gegenleistung eines anderen Staates knüpft. Direkte Verpflichtungen zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Zweigniederlassungen aus75 Abgedr. in Amtsbl. EG 1994 Nr. L 336/3 (dritter Halbsatz der Präambel); vgl. Yueksel, S. 71 . 76 Abgedr. in BGBI. 1989 li, 586 ff. 77 Abgedr. in ILM 33 (1994), S. 81; dt. Übersetzung in Amtsbl. EG 1994 Nr. L 336/85. 78 BGB1. 19571I, 1661 ff. 79 BGBI. 1957 li, 1663: "Jede Vertragspartei wird bestrebt sein, zugunsten der Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei ihr Verzeichnis der Beschränkungen zu verkleinern." 80 BGBI. 1956 li, 487 ff. 81 BGBI. 1956 li, 491. 82 BGBI. 1956 ll, 493.

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ländischer Unternehmen enthalten sie grundsätzlich nicht. Zwar räumen sie aufgrund der Umsetzung in innerstaatliches Recht auch Einzelnen subjektive Rechte ein, doch handelt es sich hierbei insbesondere um Abwehrrechte gegen öffentlich-rechtliche Benachteiligungen durch Fremdenrecht. 83 Läßt sich eine zwischenstaatliche Problematik des Wirtschaftsrechts mit Hilfe eines Abkommens lösen, stellt dies zweifelsohne einen idealen Fall der Konfliktvermeidung dar. Betrifft eine Frage aber den Rechtsverkehr mit einer Fülle von Staaten (wie die Entwicklung eines Kollisionsrechts fiir ausländische Zweigniederlassungen), sind derartige Abkommen nicht in angemessener Zeit zu erreichen. Das Bestehen völkerrechtlicher Abkommen spricht freilich nicht gegen eine offene Sichtweise des Reziprozitätsgedankens im Sinne einer Maxime fiir die Bereitstellung von Vergünstigungen, die der andere Staat (noch) nicht gewährt. Zwar kann nur ein Abkommen, dessen Befolgung zu unterstellen ist, die Sicherheit bieten, daß die gewährte Begünstigung der ausländischen Staatsangehörigen auch den eigenen im Ausland zuteil wird. Kann ein solches Abkommen indes aus Gründen der Verfahrensdauer nicht in absehbarer Zeit abgeschlossen werden und ist zugleich eine inländerfreundliche Reaktion des Auslands nicht auszuschließen, so muß es möglich sein, diese Reaktion durch ein ausländerfreundliches Voranschreiten des Inlands fiir die Zukunft zu ermöglichen. Die Gegenseitigkeit in der Form einer Quasi-Vorleistung eines Staates bleibt also im Bereich des Wirtschaftsrechts zumindest auf völkerrechtlicher Ebene auch neben bestehenden multi- und bilateralen Abkommen ein legitimes Handlungsmotiv. 2. Die Gegenseitigkeit im internationalen Privatrecht Ist die Gegenseitigkeit im Völkerrecht als ein allgemeines Handlungskriterium anerkannt, so ist zu fragen, ob dies auch fiir den Bereich des internationalen Privatrechts zu gelten hat.

a) Regelungen in innerstaatlichen Rechten Anklänge an ein Gegenseitigkeitserfordernis existieren im deutschen Recht bereits in einigen Bestimmungen, die den Bereich des internationalen Privatrechts tangieren. So enthalten §§ 328 I84 und 723 II ZPO fiir den Bereich der 83 Dies ergibt sich aus einer Analyse des Wortlautes des Art. VII Abs. I des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages. Er erklärt das Recht des einen Staates, in dem Angehörige des anderen Staates tätig werden, auch fur diese anwendbar, verhindert also eine Ausgrenzung durch Sondervorschriften. 84 Schütze, S. 5, fordert hierzu eine anerkennungsfreundliche Auslegung auch bei Fehlen von Erfahrungen.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile mittelbare Hinweise auf die Gegenseitigkeit in Form von Ausschlußklauseln bzw. Bedingungen. § 606 a I Nr. 4 ZPO läßt unterschwellig eine Berücksichtigung der Gegenseitigkeit erkennen, wenn die Zuständigkeit deutscher Gerichte in Ehesachen ausgeschlossen wird, falls die zu fällende Entscheidung nach dem Recht keines Staates, dem die Ehegatten angehören, anerkannt würde. 85 Im EGBGB findet sich in Art. 18 III S.2 Nr. 2 fiir den Versorgungsausgleich nach einer Ehescheidung eine ähnliche Regelung. In ähnlicher Weise formuliert sind § 14 Nr.l PflVG sowie § 121 Abs. 3 und 4 UrhG (letztere Norm sogar schon mit direkter Aussage, wenn auch ohne Erwähnung des Begriffes der Gegenseitigkeit). Ein ausdrückliches Gegenseitigkeitserfordernis hat der Gesetzgeber in § 53 c Nr. 2 KWG zur Freistellung ausländischer Zweigniederlassungen von der deutschen Bankenaufsicht festgesetzt. Diese Norm ist zwar primär aufsichtsrechtlicher Natur, wirkt wegen des Wegfalls des Dotationskapitals aber auch auf das internationale Privatrecht zurück, indem sie die Grundlage fiir eine vermehrte grenzüberschreitende Bankentätigkeit durch Zweigniederlassungen legt. Gegenseitigkeitserfordernisse in Nonnen ausländischer internationaler Privatrechte finden sich z.B. fiir den Bereich der Rechtsfahigkeit in Art. 11 CC (Frankreich), § 33 ABGB (Österreich) und Art. 16 Disposizioni preliminari Codice civile (ltalien). 86 Schon die genannten Bestimmungen der innerstaatlichen Rechte zeigen demnach, daß der Grundsatz der Gegenseitigkeit dem internationalen Privatrecht nicht fremd und daher auch nicht auf das Völkerrecht beschränkt ist. 87

b) Unmittelbare Drittwirkung des völkerrechtlichen Reziprozitätsgrundsatzes? Eine gleichsam automatische Geltung des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsgrundsatzes auch fiir den Bereich des internationalen Privatrechts scheitert grundsätzlich daran, daß es sich bei letzterem um innerstaatliches Recht handelt, Völkerrecht aber keine Privatrechtsbeziehungen regeln kann.88 Ähnlich wie eine urunittelbare Geltung von Verfassungsrecht im Rahmen des Privatrechts kommt folglich eine solche des Völkerrechts nicht in Frage. Auf

85 Vgl. zu den genannten Normen Ebenroth!Hopp, JZ 1989, 883, 891. M.E. sollte §55 ZPO aber nicht herangezogen werden. 86 Nachweise bei Hepting, S. 17 u. 18. 87 Vgl. Nußbaum, S. 76, allerdings kritisch ggü. Verallgemeinerungen. 88 Hepting, S. 121.

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diese Weise läßt sich mithin der Reziprozitätsgedanke nicht ins internationale Privatrecht übertragen. 89 c) Mittelbare Drittwirkung von Staatsverträgen

Denkbar ist aber, daß dem (hier noch) völkerrechtlichen Grundsatz der Gegenseitigkeit bei der Herausbildung ungeschriebener Kollisionsnormen, wie dies in der vorliegenden Untersuchung geschehen soll, eine mittelbare Wirkung zukommt. In einem Rechtsbereich, der durch zwischenstaatliche Abkommen jedenfalls partiell erschlossen wurde, 90 trifft die Vertragsstaaten die Pflicht, die Durchsetzung des Abkommens zu fördern. Diese muß sich auch auf die Schließung von Lücken bzw. auf die Behandlung verwandter Sachbereiche erstrecken. Verkörpert und beinhaltet ein solches Abkommen nun aber den völkerrechtlichen Reziprozitätsgrundsatz, so ist der Staat als solcher an diese Vertragsintention gebunden. Mithin hat die Auslegung bestehender innerstaatlicher Normen und die Herausbildung ungeschriebener Kollisionsregeln durch die deutschen Gerichte auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts, auf das sich der Vertrag bezieht, vertragskonform91 und damit auch unter Berücksichtigung der Gegenseitigkeit zu erfolgen. Soweit völkerrechtliche Abkommen unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, bestimmt Art. 3 II EGBGB sogar einen ausdrücklichen Anwendungsvorrang vor den Regelungen des EGBGB. 92 Eine mittelbare Drittwirkung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Reziprozität auf das nationale Kollisionsrecht läßt sich folglich im Anwendungsgebiet völkerrechtlicher Handelsverträge bejahen. Keine Hilfe bietet diese Begründungsmethode jedoch für die Anwendung des Kollisionsrechts gegenüber Angehörigen von Staaten, mit denen derartige Abkommen bisher nicht abgeschlossen wurden. Bei diesem Ergebnis stehen zu bleiben, kann allerdings nicht überzeugen, da eine für diesen Fall drohende Rechtszersplitterung - das Kollisionrecht wäre in bezug auf den Staat A vom Gegenseitigkeitsgrundsatz geprägt, in bezug auf den Staat B nicht - unakzeptabel ist. Es gilt daher, zu untersuchen, ob dem Grundsatz der Reziprozität für

89 Etwas unklar BVerfG, Beschl. v. 23.3.71 (2 BvR 59171), BVerfGE 30, 409, 413 (Gegenseitigkeitsprinzip fmdet auch auf dem Gebiet des innerstaatlichen Rechts Anwendung). 90 Vgl. insbes. die oben genarmten Freundschaftsverträge. 91 Ähnlich Ebenroth!Willburger, RIW Beilage zu Heft 8/95, 1, 4 u. 10; H.Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen Anh. § 2 Rdnr. 7; auch Staehelin, S. 17. 92 Art. 2 Abs. 2 des reformierten italienischen internationalen Privatrechts (abgedr. in IPRax 96, 356 ff.) nennt sogar ausdrücklich den internationalen Charakter und die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung als Maßstäbe der Vertragsauslegung.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

den Bereich des internationalen Privatrechts bereits unabhängig von demjenigen des Völkerrechts originäre Geltung zukommen kann.

d) Erweiterung zu einem allgemeinen Entwicklungsgrundsatz des ungeschriebenen Kollisionsrechts Ist- wie gezeigt- der Grundsatz der Reziprozität dem geschriebenen deutschen internationalen Privatrecht nicht unbekannt, so gilt es nachfolgend zu zeigen, daß derselbe jedenfalls im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts bereits generell als Kriterium bei der Entwicklung ungeschriebener Kollisionsnormen Bedeutung hat. Grundsätzlich wird in der zu diesem Bereich ohnehin spärlichen Literatur die Auffassung vertreten, das Erfordernis der Gegenseitigkeit könne nach deutschem Recht keine allgemeine Geltung beanspruchen. 93 Bedeutung soll ihm nur dann zukommen, wenn es ausdrücklichen Niederschlag in Normen gefunden hat. 94 Hinter dieser Auffassung dürfte letztlich der Gedanke stehen, daß die Gegenseitigkeit grundsätzlich nur als zwischenstaatliches Motiv anzusehen ist. Bisweilen klingt indessen bereits eine allgemeine Heranziehung des Gegenseitigkeitsgrundsatzes als Argumentationskriterium auch fiir das IPR an. So hat das BVerfG bereits 1971 festgestellt, daß das Gegenseitigkeitsprinzip auch auf das innerstaatliche Recht Anwendung finde. 95 Ähnlich ist auch Hepting zu verstehen, der der Auffassung ist, ein Vereinheitlichungsprozeß könne "durch einen Gegenseitigkeitsgedanken [... ] eingeleitet werden, [...] ohne daß die Gegenseitigkeit ausdrücklich formuliert oder auch überhaupt als solche bewußt erkannt werden müßte" 96. Dies trifft die Situation des nicht geregelten Bereiches des internationalen Gesellschaftsrechts in Deutschland. Schließlich hat das OLG Stuttgart in einer Entscheidung zur Vollmacht aus dem Jahr 1957 am Rande festgestellt, daß seine Ergebnisse auch den amerikanischen Rechtsgrundsätzen entsprächen, also eine Gegenseitigkeitserwägung angestellt. 97 Die Gegenseitigkeit als Argument fiir das internationale Privatrecht abzulehnen, bedeutet aber gerade fiir den Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts der Bundesrepublik Deutschland, die als Exportnation auf liberale Strukturen des internationalen Handels angewiesen ist, sich durch eine rein nationalpolitische Sichtweise der Gefahr auszusetzen, daß deutschen Staatsangehörigen bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland ebenso unterschiedslos die ausländische Rechtsordnung aufgezwungen wird; dadurch kann (sofern jene Rechtsordnung Nußbaum, S. 76. Vgl. Schwantag, S. 7; Ernst, S. 15 u. 16; Nußbaum, S. 76. 95 BVerfG, Beschl. vom 23.3.71 (2 BvR 59171), BVerfGE 30,409,413. 96 Hepting, S. 46. 97 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.6.57 (17 U 185/56), IPRspr. 1956/57 Nr. 27, S. 103. 93

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aus deutscher Sicht ungünstige Regelungen enthält) die Bereitschaft zu Exportgeschäften sinken. Ebensowenig kann eine Beschränkung auf schon bestehende Regelungen überzeugen. Müßte stets der Gesetzgeber tätig werden, um der Reziprozität im Bereich des IPR zur Geltung zu verhelfen, so käme dies wegen der langen Dauer des Gesetzgebungsprozesses der Lähmung eines Rechtsbereiches gleich, der doch aufgrundeiner schnell wachsenden Globalisierung der Wirtschaft auf die flexible und vor allem vorausschauende Entwicklung von Kriterien angewiesen ist. Charakteristisch fiir das internationale Privatrecht ist, daß es sich auf grenzüberschreitende Sachverhalte bezieht. Obgleich es innerstaatliches Recht darstellt, muß es doch berücksichtigen, daß die Interessen der Staatsangehörigen sich immer in außenwirtschaftliehen Interessen des Gesamtstaates widerspiegeln. Um wiederum eine - insgesamt erwünschte - Rückwirkung der staatlichen Interessen auf die Einzelinteressen zu ermöglichen, muß bereits das Kollisionsrecht in der Lage sein, gesamtstaatliche Aspekte der Außenwirtschaft einzubeziehen. Ein teleologisches Auslegungsmoment steht dabei nicht zur Verfügung, da ein solches das Vorhandensein einer Norm voraussetzen würde. Als einziges Mittel, die genannten Interessen bei der Herausbildung von Kollisionsnormen adäquat einzubringen, verbleibt demnach die Heranziehung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit. Fazit: Jedenfalls fiir den Bereich des deutschen internationalen Wirtschaftsrechts stellt somit der Reziprozitätsgrundsatz ein legitimes Kriterium zur Bildung ungeschriebener Kollisionsnormen dar. 98 3. Die Ausweitung des Gegenseitigkeitsgrundsatzes Darf mithin auch bei der Herausarbeitung von Kollisionsnormen des internationalen Wirtscha:ftsrechts, d.h. im vorliegenden Fall fiir die Tätigkeit einer ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland, auf den Grundsatz der Reziprozität zurückgegriffen werden, so bleibt noch die Reichweite dieses Grundsatzes zu ermitteln.

a) Die bisherige Gegenseitigkeit als Reaktionsform Der klassische Umfang des Begriffes der Reziprozität urnfaßt lediglich die Form einer Reaktion darauf, wie ein anderer Staat den entsprechenden Sach-

98 Dies mag für den Bereich des internationalen Familien- Wld Erbrechts freilich nicht oder nicht in diesem Maße zutreffen. Deshalb wird diese Aussage auch auf das Wirtschaftsrecht beschränkt.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

verhalt bereits geregelt hat. 99 Einem Ausländer wird ein bestimmter Vorteil gewährt, sofern und solange das Ausland einem Inländer einen vergleichbaren Vorteil bietet. 100 Negativ heißt dies zugleich, daß Angehörigen fremder Staaten im Inland keine Rechte eingeräumt werden, die umgekehrt ein Deutscher im Ausland nicht genießt. 101 Überträgt man diesen Aspekt auf die Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung der Zweigniederlassung, könnte der (auslandsfreundliche, da dem ausländischen Unternehmen vertraute) Verweis auf das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut nur bei Gesellschaften aus denjenigen Staaten erfolgen, die auch deutsche Zweigniederlassungen nach deutschem Personalstatut beurteilen. Gegenüber allen anderen Staaten führt diese Methode indessen nicht weiter. Es wäre dann weder möglich, Unternehmen aus jenen Staaten mit der Anwendung ihres Rechtssystems zur Gründung von Zweigniederlassungen in Deutschland zu "ködern", noch diese Staaten in Form einer Quasi-Vorleistung für die Zukunft zu einer ebensolchen Ausprägung ihres Kollisionsrechts zu bewegen. 102 Dem Ziel einer möglichst weitgehenden Niederlassungsfreiheit kann so nicht genügt werden. 103 Der Gegenseitigkeitsgrundsatz darf sich folglich nicht auf Sachverhalte beschränken, in denen ein Austauschverhältnis mit dem ausländischen Ursprungsstaat schon besteht oder unmittelbar mit der zu treffenden Maßnahme geschaffen wird. b) Der Reziprozitätsgedanke als Vorleistungsform bei der Herausbildung ungeschriebener Kollisionsnormen

In den Fällen, in denen die klassische Anwendung des Gegenseitigkeitsgrundsatzes für das Kollisionsrecht versagt, sollte es aber dennoch möglich sein, zu einer auslandsfreundlichen Herausbildung von Kollisionsregeln der Zweigniederlassung zu gelangen. Dieser Weg ist dann gangbar, wenn man die Reziprozität weder als Voraussetzung, noch als unmittelbare Wirkung, sondern vielmehr als Ziel der Normbildung begreift. Reziprozität bedeutet in diesem Sinne bereits, einen Vorteil in der Erwartung zu gewähren, der fremde Staat werde deutschen Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt einen solchen ebenfalls zuteil werden lassen, selbst wenn dies bisher nicht der Fall

Vgl. Ernst, S. 191. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.3.71 (2 BvR 59171), BVerfGE 30,409,414. 101 Ebenroth/Hopp, JZ 89, 883, 890. 102 Damit verbliebe nur der Weg über ein zwischenstaatliches Abkommen, der jedoch zu unflexibe1 ist. 103 Genau diese stellt aber - nicht nur flir Europa - die "Weltentwicklung" dar, wie sie von Bleckmann, S. 793, genannt wird. 99

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war. 104 Solches kann als Prinzip des "do ut des" bezeichnet werden. 105 Hierdurch werden langfristig allgemein befriedigende Lösungen angestrebt. 106 Als Beispiel kann schon die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren im Wege des Universalitätsprinzips dienen, die das Bestehen der Gegenseitigkeit nicht verlangt. 107 aa) Die Folgenorientierung als anzuerkennende Argumentationsform nach deutschem Recht Auf juristischer Ebene läßt sich das Verständnis der Reziprozität als gezielte Vorleistung nicht allein mit Hilfe einer teleologischen Auslegungsform legitimieren. Da die Methode der Teleologie einerseits das Bestehen von Normen voraussetzt, die für das internationale Gesellschaftsrecht aber rar sind, andererseits inhaltlich abstrakte Wertprinzipien den Überlegungen voranstellt, 108 zieht sie keine Rückschlüsse aus Prognosen. 109 Demzufolge erfaßt sie eine zukunftsorientierte Normbildung nicht. Eine Verknüpfung läßt sich indessen mit der Methode der Folgenorientierung herstellen. Sie erfolgt in den Schritten der Folgenprognose, der Folgenbewertung und der Folgenberücksichtigung. 110 Ist ein prognostizierter Zustand gegenüber einem anderen als vorzugswürdig zu werten, kann dieser für die Normanwendung berücksichtigt werden.111 Eine Prognose, die sich an eine kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Zweigniederlassungen in Deutschland nach dem Personalstatut des Hauptunternehmens knüpft, wurde bereits genannt. Die prognostizierte freundliche Reaktion des Auslandes gegenüber deutschen Zweigniederlassungen in Form der Anwendung des (deutschen) Personalstatuts muß im Interesse der Förderung der internationalen Wirtschaft (und wegen ihrer Exportabhän104 In diesem Sinne Hepting, S. 47: Ausreichend ist, daß ein Nachziehen des Auslands des internationalen Entscheidungseinklangs wegen zumindest erhoffi wird; Kopelmanas, in: FS Scelle, S. 753,773 (Wer Ausländer im Inland ihrem Heimatrecht unterstellt, kann erwarten, daß seine eigenen Angehörigen im Ausland ebenfalls nach ihrem Heimatrecht behandelt werden). 105 Vgl. v.Bar, IPR Band l, Rdnr. 354 S. 303. 106 Ders., IPR Band 1, Rdnr. 357 S. 310. 107 Vgl. Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 14; auch Baur/Stümer, Zwangsvollstrekkungsrecht Band II, Rdnr. 37.25 (aber krit.Rdnr. 37.27). Auf europäischer Ebene wurde nun die Gegenseitigkeit dieses Prinzips durch das Insolvenzübereinkommen hergestellt (dazu unten im sechsten Kapitel I I c). 108 Vgl. Deckert, JuS 95, 480, 482. 109 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre,§ 10 II S. 46. 110 Deckert, JuS 95, 480, 482. 111 Dies., JuS 95,480,483.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

gigkeit auch im Interesse der deutschen Industrie) als wünschenswert angesehen werden. Es zeigt sich mithin, daß der Grundsatz der Reziprozität für das deutsche internationale Gesellschaftsrecht mit der deutschen Methode der Folgenorientierung korrespondiert. 112 Folglich läßt sich die hier zu untersuchende positive Reziprozität auf der juristischen Ebene methodisch begründen. Die Schaffung ausländerfreundlicher Kollisionsregeln im Wege einer Vorleistung steht nicht im Widerspruch zu deutschen rechtsdogmatischen Grundlagen. bb) Soziologische Komponente; insbesondere Kants kategorischer Imperativ Wie schon bei der Bestimmung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Gegenseitigkeit kann auch im Bereich des internationalen Privatrechts eine Rückabsicherung der Reziprozität auf der soziologischen Ebene gesucht werden. Im Sprichwort "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andem zu" hat sich eine reziproke Sichtweise bereits manifestiert. 113 Darin kommtjedoch der hier zu verfolgende Gedanke der positiven Vorleistung noch nicht zum Ausdruck. Hierzu wäre das Sprichwort wie folgt umzuformulieren: "Was du willst, das man dir tu, das füg' auch allen andem zu". In wnfassender Form läßt sich aber der Reziprozitätsgrundsatz einschließlich der Vorleistungsintention unter den kategorischen Imperativ Immanuel Kants fassen: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne" 114 bzw. in der etwas genaueren Formulierung "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde" .115 Subsumiert man das hiesige Kollisionsproblem unter den kategorischen Imperativ, ergibt sich: Gerade in bezug auf eine konsequente Anwendung des Personalstatuts als kollisionsrechtliche Maxime kann der deutsche Staat wollen, daß sie .auf globaler Ebene ein allgemeines Gesetz werde. 116 Da eine restriktive Behandlung deutscher Zweigniederlassungen im Ausland als allgemeines Gesetz 112 Eine gewisse Verwandtschaft liegt ferner zu den im deutschen Gesellschaftsrecht vordringenden sog. Normzwecklehren vor, die sich auch auf vom historischen Gesetzgeber noch nicht erkennbare abstrakte Zwecke berufen. 113 Vgl. Hepting, S. 49; in ähnlicher Weise wäre "Wer andern eine Grube gräbt..." zu nennen. 114 Kritik der praktischen Vernunft, Erster Teil, I. Buch § 7, S. 54 der Originalausgabe von 1787 (S. 36 bei Vorländer). m Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Band IV der Akademieausgabe, S. 421 Zeile 5. 116 Letztlich kommt dieses Wollen in einem Gedanken von Bleckmann, S. 793, zum Ausdruck, der von einem Eigeninteresse der Staaten nicht nur an der Gegenleistung der anderen Staaten, sondern an der eigenen Pflichterfüllung spricht.

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unerwünscht ist, kann als Maxime eine solche Einordnung ausländischer Zweigniederlassungen im Inland ebenfalls nicht gewollt sein. 117 Zieht zwar der kategorische Imperativ keine logisch zwingenden Folgen nach sich, so sind Verhaltensweisen, die sich an ihm orientieren, jedenfalls nicht unzulässig. cc) Einklang mit Artt. 52, 58 und 30 EG-Vertrag für den europäischen Rechtskreis

Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag schreibt- auscbücklich auch zugunsten von Zweigniederlassungen - vor, Beschränkungen der freien Niederlassung im europäischen Bereich schrittweise aufzuheben; in Abs. 2 wird als Bestandteil der Niederlassungsfreiheit auch die Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten genannt. Auf die Gründung von Zweigniederlassungen durch Gesellschaften ist Art. 52 über die Verweisung aus Art. 58 EG-Vertrag ebenfalls anwendbar. Seit dem Ablauf der Übergangszeit stellt Art. 52 EG-Vertrag in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht dar. 118 Zieht man einen Beschluß des BVerfG hinzu, der zum einen die grundsätzliche Verbindlichkeit der Urteile des EuGH für die nationalen Gerichte bestätigt119 und des weiteren einen Anwendungsvorrang von Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts bei Widerspruch zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten feststellt, 120 so muß man der europäischen Niederlassungsfreiheit gerade bei der Bildung von Normen des nationalen Kollisionsrechts Geltung verschaffen.121 Da die Anwendung des Personalstatuts, also des vertrauten Heimatrechts, auf Zweigniederlassungen die Voraussehbarkeit wirtschaftlicher Entwicklungen verbessert und somit den Bedürfnissen ausländischer Unternehmen im Hinblick auf ihre Planung entgegenkommt, unterstützt sie die Niederlassungsfreiheit. Jede Abkehr vorn Personalstatut greift mithin, wenn auch nicht final (denn eine Begrenzung ausländischer Niederlassungen ist auch dann nicht beabsichtigt), so doch mittelbar in die Freiheit der Niederlassung ein und bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung. 122 M.E. ist somit schon aufgrund

117 Vgl. hierzu die Bemerkung von Ernst, S. 200: "Gewollt ist i.d.R. ein immer und überall möglichst freies Rechtsniveau." 118 EuGH, Urt. vom 28.1.86 (Rs 270/83), NJW 87, 569, 570. 119 BVerfG, Beschluß vom 8.4.87 (2 BvR 687/85), NJW 88, 1459, 1459. 120 BVerfG NJW 88, 1459, 1462. 121 Diskutiert wird die Reichweite der Artt. 52 u. 58 insbes. im Rahmen des Streites zwischen Sitz- und Gründungstheorie bei der AnerkelUlung von Gesellschaften; vgl. Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 113 - 120. 122 Ähnlich Bokelmann, DB 90, 1021, 1025 u. 1028; ders., ZGR 94, 325, 347 (jeweils zum Finnenrecht).

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

des EG-Vertrages eine möglichst weite Anwendung des Personalstatuts vorgeschrieben und der Rückgriff auf Sonderanknüpfungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Überdies könnten voreilige Sonderanknüpfungen in bezug auf Zweigniederlassungen auch gegen Art. 30 EG-Vertrag verstoßen, wenn sie Maßnahmen mit mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen gleichen Wirkungen darstellten. Eine grenzüberschreitende Konstellation wird schon deshalb häufig vorliegen, weil damit zu rechnen ist, daß Zweigniederlassungen Waren, die zur Veräußerung in Deutschland bestinunt sind, zuvor von der Zentrale beschaffen. Wendet man auf eine Zweigniederlassung durchgehend das Wirkungsstatut ihres Sitzes an, erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, daß dadurch in derartigen Fällen der freie Warenverkehr eingeschränkt wird, weiltrotz rechtlicher Einheit von Haupt- und Zweigniederlassung das Unternehmen beim Vertrieb von Waren schlechter gestellt würde, als wenn der Vertrieb direkt von der Hauptniederlassung aus erfolgte. Da man eine solche Beschränkung wohl als Diskriminierung einzustufen könnte, wäre sie über die Ausnahmevorschrift des Art. 36 EG-Vertrag nur bei zwingenden nationalen Erfordernissen gestattet.123 Die positive, also vorleistende Reziprozität als Maßstab der Bildung von Kollisionsregeln konunt fiir den Rechtskreis der Europäischen Union demnach auch den Regelungen des EG-Vertrages entgegen. dd) Die Förderung der internationalprivatrechtliehen Rechtssicherheit durch die positive Reziprozität Der Hauptvorteil der Methode der positiven Reziprozität liegt in der Förderung der Rechtssicherheit, der gerade auf der Ebene des internationalen Wirtschaftsrechts besondere Bedeutung zukomrnt. 124 Zum einen können ausländische Investoren bei ihren Planungen dann auf eine weitgehend ausländerfreundliche Regelung des deutschen Kollisionsrechts vertrauen, zum anderen aber besteht langfristig die Chance, daß andere Staaten dem deutschen Beispiel folgen und ihrerseits ein niederlassungsfreundliches Kollisionsrecht entwickeln. 125 Man mag zwar einwenden, daß die bloße Erwartung eines Nachziehens des Auslandes ein zu dünner Boden fiir eine "vorleistende" auslandsfreundliche Normbildung im deutschen Recht sei, eine Prognose also noch keine Regelung 123 Zur engen Auslegung des Art. 36 EGV vgl. EuGH, Urt. vom 17.6.81 (Rs 113/80) ["Irische Souvenirs"], GRUR Int. 82, 117. 124 Vgl. Kropholler, § 4 IV S. 30 (Berechenbarkeit der Entscheidungen zur Vermeidung von Prozessen). 125Hepting, S. 47, nennt als Aktionsgrundsatz die "Überzeugungskraft des guten Beispiels".

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legitimiere. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich aufgrund des dringenden Bedarfs sowohl an Investitionen aus dem Ausland als auch an Möglichkeiten für deutsche Unternehmen, sich zum wirtschaftlichen Wohl der deutschen Hauptniederlassung auf ausländischen Märkten auf möglichst einfache Weise - also über eine Zweigniederlassung und nicht über eine mit hohem Gründungs- und Verwaltungsaufwand verbundene Tochtergesellschaft- zu betätigen, ein Vorleistungsgedanke rechtfertigen lassen muß. Um aus deutscher Sicht noch konkreter zu werden: Läßt sich der Zugang zu fremden Märkten über Zweigniederlassungen auf der Basis des deutschen Personalstatuts einfacher und risikoärmer (da rechtlich voraussehbar) gestalten, dient dies auch der Arbeitsplatzsicherung bei der deutschen Hauptniederlassung. Jede Standoftsicherung ist aber auf Basis der Folgenorientierung eine Vorleistung- auch mit einer gewissen Unsicherheitskomponente - wert. Schließlich ließe sich einwenden, daß die Schaffung einer Kollisionsregel fur Zweigniederlassungen über das Moment der Reziprozität eine Aufgabe des Gesetzgebers sei.126 Der Gesetzgeber hat jedoch schon bei der Neufassung des EGBGB im Jahre 1994 den Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts ausgeklammert (Art. 37 Nr. 2 und 3 EGBGB) und dadurch der Lehre zur Ausarbeitung überlassen. 127 Mit einem Tätigwerden ist daher in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Sämtliche Ausgestaltungen des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts bewegen sich demnach schon jetzt auf dem Boden des ungeschriebenen Rechts. Mithin greift ein Vorwurf des Kompetenzverstoßes nicht. Sollte sich die für die positive Reziprozität tragende Prognose, das Ausland werde, wo noch nicht geschehen, im Gegenzuge seinerseits dem Personalstatut Geltung verschaffen und dadurch eine echte Gegenseitigkeit herstellen, langfristig doch nicht bewahrheiten, bleibt zu einem späteren Zeitpunkt noch immer die Möglichkeit, die hier vorgebrachte Rechtsauffassung zu korrigieren. Der bis dahin entstandene Schaden dürfte sich in vertretbaren Grenzen halten, da aus deutscher Sicht fiir den betreffenden Zeitraum zumindest die Niederlassung ausländischer Unternehmen in Deutschland mit Hilfe von Zweigniederlassungen gefördert worden wäre.

126 Gegen eine "Ziehnäßigkeitsentscheidung" der Rechtsprechung allgemein Zippelius, Methodenlehre, § 10 II S. 48. 127 Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 10/504, S. 29 {zunächst Anpassung des schon geregelten IPR an neue Gegebenheiten vorgesehen).

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4. Die Folge der positiven Reziprozität: das Postulat der umfassenden Anwendung des Personalstatuts auf ausländische Zweigniederlassungen im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht Auf der Grundlage der erarbeiteten Methode der positiven Reziprozität ist zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung deutscher Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen aus den oben genannten Gründen zu fordern, daß in größtmöglichem Umfang auf das Personalstatut der Hauptniederlassung zurückgegriffen wird. Das aufgezeigte Ziel, hierdurch zwnindest zu einem späteren Zeitpunkt eine echte Gegenseitigkeit zwischen den Kollisionsrechten verschiedener Staaten zu erreichen, spricht sehr dagegen, das Personalstatut durch häufige Sonderanknüpfungen zu unterlaufen. Aufgrund seiner langfristigen Anlage dürfte der Gesichtspunkt der Reziprozität auch denjenigen des Verkehrsschutzes im Einzelfall zumeist überwiegen. Vielmehr kommt aus diesem Blickwinkel eine Sonderanknüpfung wohl nur noch nach dem Maßstab des ordre public (Art. 6 EGBGB) in Frage. 5. Die Einschränkungen durch die herrschende Auffassung: Verkehrsschutz durch analoge Anwendung des Art. 12 S.l EGBGB Die im wesentlichen herrschende Lehre vertritt zwar fiir die kollisionsrechtliche Anknüpfung im nicht geregelten Bereich bei deutschen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen wie auch hier die Auffassung, daß das Personalstatut des Mutterunternehmens grundsätzlich maßgeblich sei; dennoch wird fiir zahlreiche Fälle diese Linie wiederum durch Sonderanknüpftmgen unterbrochen, so fiir Beschränkungen der Rechtsfähigkeit, der Organschaftlichen Vertretung, der gewillkürten Vertretung sowie der Kaufmannseigenschaft. 128 a) Inhalt Gestützt werden solche Sonderanknüpfungen auf eine analoge Anwendung des Art. 12 Satz 1 EGBGB. 129 Zwar erfaßt Art. 12 nur dem deutschen Recht fremde Beschränkungen der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit na128 Einzelnachweise jeweils bei der AusarbeitWlg der Einzelfragen in diesem Kapitel unter Vll. 129 Kegel, IPR, S. 417, 418, 419, 454; v. Bar, IPR Band 2, Rdnr. 637; Pa/andt/Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 7; WoljJ, IPR, S.ll8; Wiedemann, S. 819. Wenn in der Literatur noch häufig auf Art. 7 lll EGBGB Bezug genommen wird, handelt es sich um die alte GesetzesfassWlg. hn Gegensatz zu Art. 12 kannte Art. 7lll eine subjektive Einschränkung filr den deutschen Vertragspartner noch nicht.

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türlieber Personen, doch faßt man diese Norm als Ausdruck eines vom deutschen internationalen Privatrecht allgemein geforderten Verkehrsschutzes auf und dehnt sie deshalb auch auf Personengesellschaften und juristische Personen aus, 130 da für diesen Bereich eine Regelungslücke bestehe. 131 Als weiteres Argument hierfür dient das- angeblich- schutzwürdige Vertrauen deutscher Geschäftspartner in bezug auf die ihnen bekannte Rechtsordnung. 132 Überdies habe die ausländische Partei ihren Handlungskreis durch das grenzüberschreitende Tätigwerden zu ihrem Vorteil erweitert, so daß es nur konsequent sei, ihr auch die Nachteile zuzuordnen. 133 Die bloße Kenntnis der Qualität des auftretenden Gebildes als ausländische Gesellschaft soll die analoge Heranziehung des Art. 12 S.1 EGBGB noch nicht verhindern. 134 Eine Erforschung des Inhalts des ausländischen Rechts und die Einsichtnahme in Register des Auslandes seien dem inländischen Rechtsverkehr grundsätzlich nicht zumutbar, 135 da § 15 HGB nur eine Bindung durch inländische Registereintragungen festlege.l36 b) Abstriche

Auch bei den Vertretern dieser Auffassung klingen indessen schon Erwägungen an, die Analogie zu der genannten Norm zu beschränken. 137 So soll schon die Möglichkeit einer Kenntnis (und nicht erst ein Kennenmüssen) des ausländischen Rechts beim deutschen Geschäftspartner eine Berufung auf das inländische Recht ausschließen. 138 Der Interessenschutz könne nicht ohne weiteres über das Gesellschaftsrecht vermittelt werden. 139 Jedes Gesellschafts130 Vgl. Großfeld, Untemehmensrecht, S. 42 I 43; Kegel, IPR, S. 417; v. Bar, IPR Band 2, Rdnr. 640; Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 7. 131 Zimmer, S. 255. 132 Nußbaum, S. 192 Fn 6 (fur die gesetzliche Vertretungsrnacht); MünchKomml Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 266. 133 Zimmer, S. 249; Fischer, Verkehrsschutz, S. 226. 134 Fischer, Verkehrsschutz, S. 51; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1591; Wiedemann, S. 818/820 Fn 34; v. Bar, IPR Band 2, Rdnr. 640. 135 Staehelin, S. 52; auch Fischer, Verkehrsschutz, S. 225 (da rechtliche Abweichungen auch aus dem Register nichtolmeweiteres zu ersehen). 136 Zimmer, S. 260/261. 137 Skepsis gegen die Analogie beim OLG Stuttgart, Urt. vorn 18.3.74 (5 U 17/72) NJW 74, 1627, 1628; ab1elmend neuerdings auch Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 39 (Lösung über Erkennbarkeil des Auslandsbezuges; Lüderitz geht allerdings in diesem Zusammenhang auf ein Tätigwerden per Zweigniederlassung nicht ein). 138 Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 120. 139 Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 514 (offenbar mit der Intention, einen Verkehrsschutz in erster Linie über das Aufsichtsrecht zu erreichen).

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

recht bilde schließlich eine Einheit, deren einzelne Bestandteile nicht ohne Not isoliert angewendet werden sollten. 140 Ein Schutz von Gläubigerinteressen werde in erster Linie durch Normen des Gesellschaftsstatuts bewirkt. 141 Das Staatsinteresse spreche insoweit gegen Sonderanknüpfungen. 142 Die Bestimmung von Interessen Dritter sei wandelbar und oft subjektiv gefarbt. 143 Bei erkennbaren Distanzgeschäften über Staatsgrenzen hinweg bedürfe es eines Verkehrsschutzes nicht, da der inländische Kontrahent sich freiwillig auf ein solches Risikos eingelassen habe. 144 Im Einzelfall soll sogar auf der Basis der analogen Anwendung des Art. 12 EGBGB die bloße Kenntnis der Ausländereigenschaft des Kontrahenten (d.h. des ausländischen Ursprungs der Zweigniederlassung) den Vorwurf eines fahrlässigen Nichtkennens der in Frage stehenden ausländischen Rechtslage begründen können und den Rückgriff auf das deutsche Recht damit ausschließen. 145 c) Kritik

Die analoge Heranziehung des Art. 12 S. 1 EGBGB kann weder hinsichtlich ihrer Grundlage noch in bezug auf ihre Ausforrnungen überzeugen. aa) Bewußte Regelungslücke Es erscheint bereits fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Analogie vorliegen. Jede analoge Rechtsanwendung erfordert zunächst, daß eine planwidrige, d.h. vom Gesetzgeber nicht in seine Überlegungen einbezogene Regelungslücke vorliegt. 146 Dies darf aber hinsichtlich Art. 12 S. 1 EGBGB bezweifelt werden. Hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 37 Nr. 2 und 3 EGBGB die Anwendung der Regeln des internationalen Schuldrechts auf Fragen des Gesellschaftsrechts ausdrücklich ausgeschlossen, so ist dies m.E. ein gewichtiges Indiz dafür, daß insgesamt eine Regelung des internationalen Gesellschaftsrechts in Deutschland im Rahmen des EGBGB bisher bewußt unterblieben ist. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland das - wegen fehlender Ratifizierung durch die Niederlande nicht in Kraft getretene - Raager Abkommen über die gegenseitige Anerkennung 140 Koppensteiner,

S. 138, S. 412 (Analogie zu Art. 7 ill a.F. offengelassen). Zimmer, S. 291. 142 Koppensteiner, S. 159. 143 Kropholler, § 5 I S. 31. 144 Fischer, Verkehrsschutz, S. 235; allerdings bejaht dieser wiederwn einen Vertrauensschutz bei Distanzgeschäften über ZweigniederlassWigen. 145 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 267. 146 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 373 u. 381. 141

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts-Reziprozität

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von Gesellschaften und juristischen Personen147 per Zustimmungsgesetz148 ratifiziert hat; man ging offenbar davon aus, das internationale Gesellschaftsrecht längerfristig einheitlich außerhalb des EGBGB normieren zu können. Mithin besteht zwar in bezug auf die kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Bestimmungen, die dem deutschen Gesellschaftsrecht fremd sind, 149 eine Regelungslücke150, jedoch dürfte diese vorhergesehen worden sein. Überdies stellt bereits die über eine direkte Anwendung des Art. 12 EGBGB mögliche Sonderanknüpfung der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen einen Fremdkörper im internationalen Privatrecht dar. Wie jeder Sonderanknüpfung ist dieser Norm demnach ein Ausnahmecharakter beizumessen. Da Spezialregelungen indessen nicht analogiefähig sind, muß auch aus diesem Grund die Vorgehensweise der h.L. abgelehnt werden. Schließlich steht in Übereinstimmung mit dem Postulat, Sonderanknüpfungen nur für Ausnahmefälle zuzulassen, hierzu bereits der ordre public mit Art. 6 EGBGB zur Verfügung. 151 Auch in dieser Hinsicht spricht die Gesetzessystematik mithin dagegen, von einer ungewollten Regelungslücke auszugehen. Die Voraussetzungen einer Analogiebildung werden infolgedessen nicht erfüllt. bb) Interessenahwägung als anzuzweifelnde Methode Selbst wenn man die Planwidrigkeit der Regelungslücke indessen bejahen würde, so fehlte für den Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts bei Tätigwerden eines ausländischen Unternehmens über eine deutsche Zweigniederlassung die Gleichheit der Interessenlage zwischen natürlichen Personen und Gesellschaften. Schon dadurch, daß im internationalen Handelsrecht in viel höherem Maße gesamtstaatliche Interessen in die Normbildung einzubeziehen sind als beim Rechtsverkehr zwischen Privatpersonen, verschiebt sich diese Interessenlage substantiell.152 Diese gesamtstaatlichen Interessen sowohl des ausländischen Heimatstaates an einer möglichst unkomplizierten (und daher mit wirtschaftlichen Vorteilen des Ursprungsstaates verknüpften) Betätigung seiner Unternehmen im Ausland als auch der Bundesrepublik Vom 29.2.1968, abgedr. in BGBI. 1972 II, S. 370. Vom 18.5.1972, abgedr. in BGBl. 1972 II, S. 369. 149 Gerade in bezugauf die ultra-vires-Lehre wird noch zu zeigen sein, daß sie dem deutschen Recht keineswegs elementar fremd ist. 150 Eine Regelungslücke ist auch die Voraussetzung für eine (im internationalen Gesellschaftsrecht allgemein erforderliche) ergänzende Rechtsfortbildung; vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 473. 151 So wohl auch Balser/Pichura, S. 10. 152 Dies gesteht auch Staehelin, S. 51 u. 52, ein. 147

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Deutschland wegen des oben erarbeiteten Grundsatzes der Reziprozität beziehen sich notwendigerweise auf eine Vielzahl von Fällen und verlangen daher eine Beschränkung von Sonderanknüpfungen unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes auf wirkliche Ausnahrnekonstellationen. 153 Damit läßt sich eine Subjektivierung des Verkehrsschutzes nicht in Einklang bringen. 154 Ein Verkehrsschutz darf auch wegen der Bedeutung der Rechtssicherheit fur den länderübergreifenden Handelsverkehr nicht allein nach nationalstaatliehen Maßstäben gemessen werden. Jede Sonderanknüpfung untergräbt die notwendige Vorhersehbarkeit des geltenden Rechts und muß folglich vermieden werden. Orientiert man sich an dem hier zugrunde gelegten Gesichtspunkt der Reziprozität, müssen langfristig allgemein befriedigende Lösungen angestrebt werden; hierbei sind vorläufige Defizite bei Einzelfallen hinzunehmen.155 Ein Verkehrsschutz in der Form eines Vertrauensschutzes nach lediglich innerstaatlichen Gesichtspunkten verbietet sich demnach in der Regel. Somit erscheint der methodische Ansatz, Fragen des Kollisionsrechts im Bereich des Gesellschaftsrechts über die Abwägung von Interessen im Einzelfall zu lösen, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wegen der Maßgeblichkeil der positiven Reziprozität zur Sicherung langfristiger Rechtsklarheit ungeeignet. cc) Übermäßige Reichweite der Analogie Die genannte Analogie kann ferner unter dem Blickwinkel der internationalen Rechtssicherheit nicht überzeugen, weil mit ihrer Hilfe in der Praxis eine Tendenz zur Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses eingeleitet würde. Gemäß Art. 12 S. 1 EGBGB (analog) wäre bei Vorliegen einer dem deutschen Recht fremden Regelung des Personalstatuts grundsätzlich auf die Normen des Wirkungsortes zurückzugreifen; der ausländische Rechtsträger müßte, um dies zu verhindern, beweisen, daß der inländische Kontrahent diese Rechtslage kannte oder kennen mußte. 156 Gerade dieser Beweis dürfte ihm aber faktisch kaum gelingen. Im Ergebnis wäre damit eine kollisionsrechtliche Situation geschaffen, die deijenigen der Differenzierungslehre, i.e. der Beurteilung der gesellschaftlichen Außenverhältnisse allein nach deutschem Recht,

153 hn Erg. Koppensteiner, S. 159; vgl. auch v.Bar, IPR Band 1, S. 310 Rdnr. 357: Das Prinzip der Gegenseitigkeit wird nicht "vom Sachverhalt her", sondern "vom Staat her" gedacht. 154 Skeptisch gegenüber subjektiven Interessenbestimmungen auch Kropholler, § 5 I S. 31. 155 Vgl. v.Bar, IPR Band 1, S. 310 Rdnr. 357; ders., IPR Band 2, S. 308 Rdnr. 415 hält allerdings die Interessen des Sachrechts und des Kollisionsrechts fiir identisch! 156 Fischer, Verkehrsschutz, S. 52, unterstützt diese Beweis1astverteilung.

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts-Reziprozität

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nahekäme. Diese Vorgehensweise fiihrt zur Rechtsunsicherheit und ist mit dem Gedanken der positiven Reziprozität nicht zu vereinbaren. dd) Ergebnis Die analoge Anwendung des Art. 12 S. 1 EGBGB wird nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen den Bedürfnissen des Handelsverkehrs mit Zweigniederlassungen nicht gerecht. 6. Das Modell der abstrakten Erkennbarkeit des Auslandsbezuges unter Beriicksichtigung des Reziprozitätsgrundsatzes Grundsätzlich beurteilen sich folglich die Rechtsverhältnisse der ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland nach dem Personalstatut bzw. Gesellschaftsstatut, ohne daß eine Einschränkung wie bei natürlichen Personen erfolgt. Ist der überwiegend vertretene Lösungsweg einer Analogie zu Art. 12 EGBGB bei der kollisionsrechtlichen Bewältigung rechtlicher Elemente, die dem deutschen Recht fremd sind, auch abzulehnen, so darf doch nicht verkannt werden, daß Fälle denkbar sind, in denen in dieser Hinsicht dem Rechtsverkehr schlechterdings nicht zugemutet werden kann, sich auf das ausländische Personalstatut verweisen zu lassen. Man denke sich als Beispiel einen völlig isolierten ausländischen Staat, 157 dessen Rechtslage aus dem Ausland nicht erfahrbar ist, der aber eines seiner Unternehmen - und sei es nur zur Devisenbeschaffung - eine Zweigniederlassung in Deutschland gründen läßt. Die gleiche Situation könnte bei der Zweigniederlassung eines Staates auftreten, dessen Privatrecht sich noch nach ungeschriebenen Stammessitten beurteilt. 158 Um fiir derartige Sonderfälle ein Korrektiv zugunsten des deutschen Rechtsverkehrs zu schaffen, der dann trotz des Reziprozitätsgrundsatzes nicht schutzlos gestellt werden darf, soll das Modell der abstrakten Erkennbarkeil des Auslandsbezuges begründet werden.

a) Inhalt und Beweislast Diesem Modell liegt folgender Leitgedanke zugrunde: Immer wenn ein (potientieller) deutscher Geschäftspartner erkennen kann, daß das ihm gegenBis vor wenigen Jahren war dies z.B. bei Albanien der Fall. Schon diese unwahrscheinlichen Beispiele zeigen, daß Fälle, in denen eine Erkundigung nach der Rechtslage im Ausland unzumutbar ist, eine krasse Ausnahme darstellen. 157

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

übertretende Gebilde einen Auslandsbezug aufweist und keine selbständige Tochtergesellschaft darstellt, ist ihm, selbst unter gewissen Mühen, zuzumuten, sich prophylaktisch nach der ausländischen Rechtslage zu erkundigen. 159 Kann der deutsche Rechtsverkehr nicht absehen, daß es sich um eine Zweigniederlassung handelt, sondern deuten die Umstände auf eine selbständige Tochtergesellschaft hin, so existiert i.d.R. kein Grund, sich nach ausländischem Recht zu erkundigen, da in einem solchen Fall lediglich die deutsche Rechtsordnung anwendbar wäre. 160 Schon hier wird indes unter dem Gesichtspunkt der Reziprozität die Erkennbarkeitsschwelle niedrig anzusetzen sein. Geben die Firma oder das Auftreten des Gebildes Anlaß, einen Auslandsbezug zu vermuten, so kann und muß der Betreffende Einsicht in das örtliche Handelsregister nehmen. Für Geschäftsbriefe und Bestellscheine, die von Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mbH verwendet werden, wird die Erkennbarkeil seit 1993 durch die Anforderungen der§§ 80 IV AktG bzw. 35 a IV GmbHG abgesichert.161 Geht hieraus die Eigenschaft als ausländische Zweigniederlassung hervor, muß sich der Kontrahent in bezug auf nicht eintragungspflichtige Momente nach dem maßgeblichen Auslandsrecht erkundigen. Lediglich dann, wenn ein Auslandsbezug gar nicht erkennbar ist oder wenn das Gebilde sich (trotz Auslandsbezuges) als Tochtergesellschaft geriert162, ohne im Handelsregister eingetragen zu sein,163 entfallt die Erkundigungsmöglichkeit. Im letzteren Fall kommt daraufhin eine Haftung nach deutschen Rechtsscheinsgrundsätzen in Betracht.164 Ergeben sich aber aus der Firma, dem Auftreten im Geschäftsverkehr oder dem Handelsregister konkrete Auslandsbezüge, so verlangt der auf Basis der positiven Reziprozität vorrangige Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine Nachforschung nach dem maßgeblichen ausländischen Recht. Nur wenn wiederum diese Nachforschung trotz umfangreichen Bemühens fehlschlägt, etwa weil eine schriftliche Fixierung des maßgeblichen Rechts ganz fehlt oder eine 159 So auch Ackmann, IPRax 91, 220, 222; Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 93 (filr das Vertretungsrecht). 160 Dies gilt allerdings nur, wenn man der Sitztheorie folgt. 161 Zum Verhältnis dieser Normen zu § 15 b ll GewO siehe unten im vierten Kapitel I 3. 162 In diesem Fall kann der Dritte zwar u.U. aus der fehlenden Handelsregistereintragung schließen, daß eine Tochtergesellschaft nicht vorliegt, dennoch könnte es sich auch noch um eine Vorgesellschaft handeln, auf die ebenfalls deutsches Recht anwendbar wäre. 163 Auch dann besteht die Zweigniederlassung wirksam, da die Registereintragung keinen konstitutiven Charakter hat. 164 In bezug auf eintragungspflichtige Rechte kann eine Anwendung des deutschen Rechts über § 15 Abs. 1 und 2 HGB erfolgen.

VI. Weite AnwendWlg des Personalstatuts-Reziprozität

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Übersetzung in eine europäische Sprache nicht zu bewerkstelligen ist, kann von einer Anwendung des Personalstatuts abgesehen werden. Die Ausgestaltung einer Regel für die Sonderanknüpfung muß· daher auch mit einer im Vergleich zur analogen Anwendung des Art. 12 EGBGB umgekehrten Verteilung der Beweislast einhergehen: Grundsätzlich gilt auch für Rechtserscheinungen, die dem deutschen Recht fremd sind, das Personalstatut Daß ein bestimmtes (dem deutschen Recht fremdes) Rechtsinstitut nach dem Personalstatut vorliegt, hat der ausländische Rechtsträger zu beweisen. Kann wiederum der inländische Betroffene nachweisen, daß er alles ihm Zurnutbare unternommen hat, um sich nach dem maßgeblichen ausländischen Recht zu erkundigen, seine Nachforschungen aber dennoch gescheitert sind, ist ein Abweichen hiervon, also eine Sonderanknüpfung, gerechtfertigt, mit der Folge, daß nun insoweit auf das deutsche Recht zurückzugreifen ist. Um ihm indessen keine probatio diabolica aufzubürden, sollte die Beweislast des inländischen Vertragspartners durch Substantiierungserleichterungen gemildert werden. Die vorstehenden Überlegungen zur Risikoverteilung rechtfertigen sich auch aus dem Blickwinkel des betroffenen Inländers. Erkennt er den genannten Auslandsbezug, so muß er mit erhöhter Vorsicht vorgehen. Um sich abzusichern, kann er allerdings entweder auf den geschäftlichen Kontakt ganz verzichten oder aber Vorleistungen verlangen bzw. sich Realsicherheiten einräumen lassen. Bei Rechtsgeschäften geringeren Volumens, deren Leistungen sofort beiderseitig erbracht werden, wirkt sich die Problematik fremdartiger Rechtsbeschränkungen allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Ursache für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung aus. Diese erfolgt aber gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB als Rechtsfolge der Nichtigkeit des Vertrages ohnehin regelmäßig nach deutschem Recht. Der inländische Kontrahent ist also dem fremdartigen Recht keineswegs hilflos ausgeliefert. 165 b) Rechtstechnische Durchsetzung

Bezüglich der Durchsetzung des Erfordernisses der Erkennbarkeit ist nach kaufmännischen und nichtkaufmännischen Trägem der Zweigniederlassung zu differenzieren, da nur auf erstere firmenrechtliche Grundsätze Anwendung finden können.

165 Eine Verschiebung der Maßstäbe des Verkehrsschutzes findet sich auch auf der Ebene des Europarechts. So hat der EuGH in der "Mars"-EntscheidWlg, Urt. v. 6.7.95 (Rs. C-470/93), EuZW 95, 611, 612 (Nr. 24), zur wettbewerbsrechtlichen lrrefil.hrung, enger als die bisherige deutsche RechtsprechWlg, auf den verständigen Verbraucher abgestellt.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

aa) Bei Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften: Finnenrecht und ordre public Die geforderte Erkennbarkeil des Auslandsbezuges läßt sich bei diesen Rechtsträgem über das Finnenrecht herstellen. Unabhängig von den Vorschriften über die sachlichen Voraussetzungen der Finnenbildung kann hierzu -diesmal tatsächlich im Wege einer Sonderanknüpfung- auf den deutschen Grundsatz der Finnenwahrheit (§ 18 II HGB) 166 rekurriert werden. Danach ist zu verlangen, daß sich der Auslandsbezug aus der Finna der Zweigniederlassung ergibt. Hierfür verbleiben unterschiedliche Möglichkeiten. Die Zweigniederlassung kann (vorbehaltlich des Rechts ihres Ursprungsstaates) ihre Finna eindeutschen und ohne Zusatz, der eirie ausländische Gesellschaft anzeigt, führen. Dann jedoch hat sie, um den Auslandsbezug kundzutun und nicht den Eindruck eines inländischen Unternehmens zu erwecken, einen Zusatz wie "Zweigniederlassung der französischen X" oder "Filiale der X-S.A." hinzuzufügen. Ein Zweigniederlassungszusatz ist dann nicht erforderlich, wenn die Finna ohne deutsche Übersetzung mit einem Bestandteil der ausländischen Gesellschaft firmiert, also z.B. als "X-S.A." oder "X-Ltd". Dieser die Gesellschaftsform andeutende Bestandteil muß allerdings einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzen, da sonst der Auslandsbezug nicht nachvollziehbar wird, darf also nicht mit deutschen Abkürzungen verwechselbar sein. Ist letzteres nicht der Fall, wird wiederum ein Zusatz wie in der obigen Variante notwendig. Erlaubt schon das ausländische Gesellschaftsstatut der Muttergesellschaft

am Sitz der Hauptniederlassung eine Firrnierung ohne Andeutung einer be-

stimmten Gesellschaftsform als reine Sachfirma, so darf die Zweigniederlassung diese nur dann zusatzfrei übernehmen, wenn ein Auslandsbezug aus der Bezeichnung bereits zweifelsfrei erkennbar ist. Derikbar wäre, daß die Sachfirma im konkreten Fall einen derartigen Bekanntheitsgrad innehätte, daß mit ihr allgemein der ausländische Ursprung verknüpft würde ("Banque de Lyon"). Selbst dann könnte es sich zwar um eine selbständige Tochtergesellschaft handeln, doch kann hierauf der inländische Verkehr nicht berechtigt vertrauen. Daraus, daß einer juristischen Person in Deutschland der erforderliche Gesellschaftsformzusatz fehlt, kann zwar noch kein Rückschluß auf das Bestehen einer Zweigniederlassung gezogen werden, da die Finna dann zwar unzulässig, die Gesellschaft aber, sofern ordnungsgemäß eingetragen, wirksam ist;167 um so mehr gilt letzteres, als sich auch nach deutschem Recht (in der derzeitigen Fassung) selbst bei einer OHG das Gesellschaftsverhältnis nicht 166 Methodisch entspricht dies der überwiegenden AuffassWtg zu Sonderanknüpfungen im Finnenrecht, siehe Wtten 8 b) cc). 167 Die Wahrheit der Firma fallt nicht Wtter die Registerpublizität des § 15 HGB.

VI. Weite Anwendung des Personalstatuts - Reziprozität

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unbedingt aus einem speziellen Zusatz ergeben muß. 168 Der Auslandsbezug in der Firma gibt aber auch dann Anlaß, Einblick in das deutsche Handelsregister zu nehmen, wodurch sich die Rechtsform der Niederlassung feststellen läßt. Handelt es sich um eine deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Einzelkaufmannes, entfallt die Möglichkeit, der deutschen Firma einen auslandstypischen Gesellschaftszusatz beizufügen. Falls auch dann die bloße Führung einer Geschäftsbezeichnung in ausländischer Sprache noch nicht zwingend auf den Auslandsursprung hindeutet, ist bei derartigen Zweigniederlassungen ein konkreter Hinweis darauf zu fordern, daß die Hauptniederlassung im Ausland liegt (z.B. "Zweigniederlassung des X, Frankreich" oder "X, Frankreich"). Verstößt die Zweigniederlassung gegen die über den Grundsatz der Firmenwahrheit herzuleitende Erkennbarkeit, sind zunächst aufsichtsrechtliche Sanktionen durch das deutsche Registergericht (§ 37 I HGB) möglich. Überdies ermöglicht § 146 II u. III GewO ein ordnungsrechtliches Vorgehen, wenn gegen die Anzeigepflicht von Zweigniederlassungen in § 14 I 1 GewO oder deren Kennzeichnungspflicht in § 15 a GewO verstoßen wird.169

An die Frage der firmenaufsichts- bzw. gewerbeordnungsrechtlichen Anforderungen schließt sich die Überlegung an, ob man es hierbei bewenden lassen kann. Dann wäre auch bei einer nach den obigen Maßstäben unzulässigen Firmierung (bzw. Kennzeichnung) einer ausländischen Zweigniederlassung mit Ausnahme des im deutschen EGBGB geregelten Bereiches das Personalstatut bzw. Gesellschaftsstatut anzuwenden. Dem inländischen Kontrahenten, der durch eine für ihn nicht erkennbare fremdartige Regelung des ausländischen Rechts einen Schaden erlitte, bliebe dann allenfalls der Weg, einen staatlichen Schadensersatz nach den Regeln der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) zu verlangen. Zweifelhaft ist dann aber, ob es sich bei der Durchsetzung des Grundsatzes der Firmenwahrheit gegenüber einer ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland um eine hinreichend konkrete, drittgerichtete Amtspflicht des Registergerichtes handelt; wahrscheinlich betrifft diese Pflicht nur die Allgemeinheit und schützt nicht den einzelnen Vertragspartner in Deutschland. 170 Die Anzeigepflicht in § 14 GewO dient gemäß § 14 I 3 nur dazu, die Gewerbeausübung überwachen zu können. 168 Siehe § 19 I HGB. Der Referentenentwurf Handelsrechtsreform - Firmenrecht (abgedr. in ZIP 1996, 1445, 1449) zu§ 19 I HGB sowie der Regierungsentwurf Handelsrecht, Teil I (abgedr. in ZIP 97, 942, 950) zu § 19 I Nr. 2 HGB sehen dagegen einen ausdrücklichen Rechtsformzusatz vor! 169 Näheres zum Gewerbe(aufsichts)recht im vierten Kapitel I. 17 Für eine drittgerichtete Amtspflicht des Registergerichts, zum Schutz des Publikums Verstöße gegen die Firmenwahrheit zu unterbinden, aber Staudinger/Schäfer § 839 BGB Rdnr. 574; vgl. auch RGRK!Kreft § 839 BGB Rdnr. 261 .

°

6 Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Selbst wenn indessen ein Weg über die Amtshaftung bei fehlender Erkennbarkeit des Auslandsbezuges erfolgreich sein sollte, wird der - in dieser Fallkonstellation zwangsläufig ahnungslos gewesene - deutsche Geschäftspartner durch sie nur unzureichend geschützt, wenn ihm an der Vertragserfiillung und nicht an einem Ersatz in Geld gelegen ist. Daher ist es bei fehlender Erkennbarkeit des ausländischen Ursprungs der Zweigniederlassung zu rechtfertigen, neben der aufsichtsrechtlichen Sanktion eine sachrechtliehe Sonderanknüpfung aus Gründen der öffentlichen Ordnung vorzunehmen. 171 In solchen Fällen setzt der Unternehmensträger in Deutschland den Rechtsschein, daß ein inländisches Unternehmen bzw. die Zweigniederlassung eines Unternehmens des Inlandes bestehe, und muß sich daran festhalten lassen. Diese Sonderanknüpfung widerspricht auch nicht dem Grundsatz der positiven Reziprozität, da sie wegen der verhältnismäßig geringen Anforderungen an die Kenntlichmachung ihren Ausnahmecharakter behält. bb) Bei Nichtkaufleuten und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts: Geschäftsbezeichnung oder Hinweis und ordre public Wird dem Begriff der Zweigniederlassung die hier vertretene weite Definition zugrunde gelegt und auch Nichtkaufleuten bzw. Rechtsgebilden, die deutschen Gesellschaften des bürgerlichen Rechts entsprechen, die Gründung von Zweigniederlassungen zugestanden, 172 unterfallt freilich eine inländische Zweigniederlassung solcher Träger nicht dem deutschen Firmenrecht Jedoch sind schon nach deutschem Recht Privatpersonen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht gehindert, eine Geschäftsbezeichnung zu fiihren, sofern diese nicht den Eindruck eines Handelsgewerbes hervorruft. 173 Auch ihnen ist es daher möglich, eine Zweigniederlassung mit einer Bezeichnung zu versehen, die auf den ausländischen Träger hindeutet (z.B. "Charles X, Frankreich" oder "Zweigniederlassung von Charles X, Frankreich"). Da es sich dabei nicht um eine Firma handelt, kann diese Anforderung indessen nicht über das deutsche Aufsichtsrecht (§ 37 Abs. 1 HGB) durchgesetzt werden. Für diese Fälle dürfte aber eine unmittelbare Heranziehung des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) begrundbar sein. Wird definitorisch die Möglichkeit für ausländische Nichtkaufleute geschaffen, in Deutschland Zweigniederlassungen zu errichten, so darf diese Erweiterung nicht dazu fuhren, die allgemeine Rechtssicherheit zu untergraben. 171 Allgemein für eine Durchbrechung des Personalstatuts nur durch den ordre public Balser!Pichura, S. 10; gegen eine derartige Funktion des ordre public Fischer, Verkehrsschutz, S. 104. 172 s.o. zu den Definitionsmerkmalen im ersten Kapitel I 3. 173 MünchKommHGB!Bokelmann § 17 Rdnr. 22 (auch Firmenähnlichkeit zulässig); Roth in Koller!Roth!Morck § 17 HGB Rdnr. 8.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problernfelder

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Wollen daher derartige Träger die durchgehende Anwendung des ausländischen Personalstatuts auf ihre Zweigniederlassungen sicherstellen, müssen sie beim Auftreten der Zweigniederlassung im Rechtsverkehr ebenfalls für eine Erkennbarkeit der Auslandsverbindung Sorge tragen. Dies kann mittels einer Geschäftsbezeichnung o.g. Art oder durch sonstige Kundgabe, z.B. auf Briefköpfen, geschehen. Weil Zweigniederlassungen von Nichtkaufleuten bzw. Nichthandelsgesellschaften nicht in das deutsche Handelsregister einzutragen sind, besteht für den inländischen Kontrahenten nicht die Möglichkeit, schon nach dem bloßen Hinweis auf irgendeinen Auslandsbezug den Ursprungsstaat und damit den anzuwendenden Rechtskreis durch eine Einsichtnahme in das Register zu ermitteln. Folglich muß die Kundgabe bei diesen Unternehmensträgem nicht nur einen Auslandsbezug, sondern den genauen Herkunftsstaat des Unternehmens erkennen lassen. Unterbleibt aber eine derartige Kennzeichnung, ist in Fällen einer dem deutschen Recht fremden Regelung des Personalstatuts eine Sonderanknüpfung gleichfalls auf der Grundlage des Art. 6 EGBGB vorzunehmen. Dies ergibt sich aus einem argurnenturn a maiore ad minus: Wird der Verkehr bei Zweigniederlassungen ausländischer Handelsgesellschaften und Kaufleute kumulativ durch das Firmenaufsichtsrecht und eine sachrechtliehe Sonderanknüpfung geschützt, muß - wo ein aufsichtsrechtlicher Schutz fehlt - zumindest ebenfalls eine Sonderanknüpfung erfolgen. Die eigenständige Bedeutung, die in diesem Zusammenhang Zweigniederlassungen von Nichtkaufleuten zukommt, wird sich durch die Novellierung des deutschen Kaufmannsbegriffes stark vermindern. Durch die Erweiterung des Begriffes des Handelsgewerbes im Sinne eines gewerblichen Unternehmens, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, 174 wird für untemehmerisch tätige Privatpersonen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts nur noch ein geringer Anwendungsbereich verbleiben. Dem kommt für ausländische Zweigniederlassungen insoweit Bedeutung zu, als sich der Kaufmannsbegriff in den registerrechtlichen Vorschriften der§§ 13 d ff. HGB nach deutschem Recht bestimmt. 175

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder Wurde vorstehend mit Hilfe des Grundsatzes der positiven Reziprozität als Leitlinie die Notwendigkeit einer möglichst umfassenden Geltung des Perso174 Neufassung des § I 11 HGB, Referentenentwurf Handelsrecht - Kaufrnannsbegriff, ZIP 1996, S. 1401, 1406. 175 Näheres

6•

im dritten Kapitel VII 11 bei Bearbeitung der Kaufmannseigenschaft

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

nal- bzw. Gesellschaftsstatuts dargelegt, so ist im folgenden anband einzelner Rechtsbereiche der ausländischen Zweigniederlassungen in Deutschland zu ermitteln, ob und in welchem Umfang sich dieses Postulat durchsetzen kann. In diesem Zusammenhang wird unter anderem zu prüfen sein, ob anwendbare Sachnormen des deutschen Rechts zugleich Aussagen über die kollisionsrechtliche Bestimmung ihrer Tatbestandsmerkmale enthalten.

1. Errichtung und Anmeldung der ausländischen Zweigniederlassung Zur Errichtung der ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland als solche fehlen Aussagen des Gesetzes. Die aufgrund der elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der EG176 am 22.7.1993 neu gefaßten §§ 13 d ff. HGB regeln primär die Anmeldung zum Handelsregister und enthalten grundsätzlich keine Voraussetzungen der Errichtung. Zu fragen bliebe lediglich, ob jene Normen, die die Anmeldepflicht mit Zweigniederlassungen von Handelsgesellschaften und Kaufleuten verknüpfen, implizit vorgeben, daß Zweigniederlassungen nur durch die genannten Personen errichtet werden können. Eine derartige Beschränkung wurde indessen schon bei der Definition der Zweigniederlassung aus Gründen der Niederlassungsfreiheit abgelehnt. 177 In bezug auf die Anmeldung sollen an dieser Stelle nur exemplarische Fragen erörtert werden; im Zusammenhang mit der Untersuchung kollisionsrechtlicher Probleme (insbesondere der Rechtsflihigkeit, der gesetzlichen Vertretung und der Firma) wird später erneut auf Aspekte des Registerrechts einzugehen sein. a) Die Errichtung als tatsächlicher Akt

Errichtet wird eine Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland auf rein tatsächliche Weise, indem eine Organisationsstruktur geschaffen wird, die die Definitionsvoraussetzungen erfüllt. 178 Konstitutive Willenserklärungen sind hierzu nicht erforderlich. Da die Zweigniederlassung ein rechtlich unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens ist, 179 bedarf es zu ihrer Errichtung keines rechtsgeschäftliehen Gründungsaktes, d.h. keines gesonderten Gesellschaftsvertrages. Damit wird auch in keinem Fall der Anwendungsbereich der Figur der fehlerhaften Gesellschaft eröffnet. Im Innenverhältnis der Gesamtgesellschaft kann freilich eine Änderung des Gesell-

89/666/EWG, abgedr. in Amtsbl. EG 1989 Nr. L 395/36. s.o. erstes Kapitel I 3. 178 MünchKommHGB!Bokelmann § 13 Rdnr. 16. 179 Ders. § 13 Rdnr. 18 speziell filr inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen. 176 Richtlinie

177

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Schaftsvertrages bzw. der Satzung erforderlich sein; ebenso mag hierzu die Geschäftsfiihrungsbefugnis gesetzlicher oder gewillkürter Stellvertreter erweitert werden müssen. Denkbar ist auch, daß die Vertretungsmacht dieser Personen sich auf die zur Errichtung erforderlichen HUfsgeschäfte nicht erstreckt. 180 Diese Erfordernisse berühren den Errichtungsakt aber nicht. Auch wenn beispielsweise der Mietvertrag über Geschäftsräume, der zur Errichtung der Zweigniederlassung abgeschlossen wurde, wegen fehlender Vertretungsmacht nichtig sein sollte, ändert dies nichts daran, daß damit faktisch der Zweigniederlassung ein räumlicher Mittelpunkt zur Verfügung steht. An dieser Stelle zeigt sich erneut, daß es auch Nichtkaufleuten möglich sein muß, Zweigniederlassungen einzurichten. Sind sämtliche Definitionsmerkmale einer Zweigniederlassung mit Ausnahme der von der herrschenden Auffassung geforderten Kaufmannseigenschaft ohne weiteres auch von Nichtkaufleuten erfiillbar, muß diese Betätigungsmöglichkeit auch jenen Personen offenstehen.181 Die Faktizität der Errichtung können letztere in gleicher Weise erfüllen. Ferner wirkt ein über die Zweigniederlassung geschlossenes Geschäft wegen der rechtlichen Unselbständigkeit ohnehin für den Inhaber; ein Nichtkaufmann ist dabei kein schlechterer Schuldner als ein Kaufmann. Lediglich die besonderen Instrumente des Handelsrechts stehen ihm nicht offen. b) Anmeldung zum Handelsregister

Die Anmeldungspflicht von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmensträger zum deutschen Handelsregister richtet sich nach §§ 13 d bis g HGB. 182 Sie betrifft mithin nur Zweigniederlassungen von Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften, woraus jedoch nach hier vertretener Auffassung keine Exklusivität abzuleiten ist. Aufgrund der Neuregelung sind § 44 AktG und§ 12 GmbHG entfallen. Der Aufbau der Registernormen folgt einem Stufenprinzip. So erfaßt § 13 d HGB als allgemeine Regelung sämtliche Zweigniederlassungen der genannten Unternehmensträger; § 13 e ergänzt diese Norm für alle Kapitalgesellschaften, und §§ 13 f und g enthalten zusätzliche Regelungen für Aktiengesellschaften bzw. Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 180 Nach deutschem Recht beinhaltet die Vertretungsmacht eines Prokuristen auch Grtindungsgeschäfte für eine Zweigniederlassung, Staub/Joost § 49 HGB Rdnr. 19, MünchKommHGB!Lieb!Krebs § 49 HGB Rdnr. 29. 181 Für deutsche Rechtsträger ergibt sich dieses Ergebnis überdies im Hinblick auf Art. 12 GG. Da die Begriffsbestimmung der Zweigniederlassung einheitlich auch in bezugauf ausländische Unternehmen erfolgt, gilt dies auch filr jene (selbst wenn ausländische juristische Personen keine Grundrechtsträger sind). 182 Früher wurde der Bereich grundsätzlich von § 13 b HGB erfaßt. Ältere Kommentierungen beziehen sich daher auf jene Nonn.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

aa) Bestimmung der Rechtsqualität der Hauptgesellschaft Knüpft das Gesetz mithin abweichende Anmeldungserfordernisse an unterschiedliche Gesellschaftsformen, so geht der Gesetzeswortlaut allerdings von den deutschen Bezeichnungen aus. Die Ausfiillung der deutschen Gesellschaftsbezeichnungen in den Tatbeständen des Registerrechts hat im Wege der Anpassung zu erfolgen. Vereinzelt wird auf die Bestimmung des Gesellschaftstyps ausschließlich deutsches Recht angewandt. 183 Dies könnte zur Folge haben, daß ausländische Untemehmensformen, die deutschen Gesellschaften zwar ähnlich sind, ihnen aber nicht völlig entsprechen, aus den Vorschriften zur Anmeldung von Zweigniederlassungen herausfielen. Ganz überwiegend läßt man die bloße Vergleichbarkeit der betreffenden ausländischen Gesellschaft mit dem jeweiligen deutschen Gesellschaftstyp ausreichen und bestimmt die Qualität im Wege der Substitution.184 Hierbei wird keine völlige Übereinstimmung mit den deutschen Formen gefordert, 185 sondern eine wesentliche Gleichheit186 insbesondere der typusbestimmenden Merkmale für ausreichend gehalten. 187 Die Methode der Substitution dient der Aufrechterhaltung des Anwendungsbereiches der §§ 13 d ff. HGB; diesen öffentlich-rechtlichen Normen kommt eine Kontrollfunktion188 zu, die durch eine Einengung auf Gesellschaften, die den deutschen Typen exakt entsprechen, unterlaufen würde. Eine derartige Begrenzung müßte auf der Basis der hier vertretenen Auffassung dazu führen, daß nicht erfaßte Gesellschaften subsidiär wie deutsche Gesellschaften bürgerlichen Rechts einzustufen wären und dennoch Zweigniederlassungen errichten könnten. Der Intention der §§ 13 d ff. HGB würde so nicht genügt. Die Bestimmung des Gesellschaftstyps des ausländischen Unternehmens zur Registereintragung einer Zweigniederlassung in Deutschland ist folglich über eine Substitution vorzunehmen, so daß eine Ähnlichkeit zu den deutschen Typen in wesentlichen Strukturen genügt. 189

183 Heide/bergerKornm/Ruß § 13 d Rdnr. 4; Soergei!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 80; wohl auch Gienow, S. 47. 184 Staudinger/Großfeld futGesR Rdnr. 310; Roth in Koller/Roth!Morck § 13 e Rdnr. 2; GK-HGB/Achilles § 13 d Rdnr. 4; Müller-Graff, WuB II N . § 13 b HGB 1.87 S. 476. 185 Koppensteiner, S. 229. 186 Balser!Pichura, S. 13; Staudinger/Großfeld futGesR Rdnr. 314; Schlosser, S. 100; Roth in Koller/Roth!Morck § 13 e Rdnr. 2 nennt dazu die von der EGRichtlinie 68/151/EWG erfaßten Gesellschaftsformen filr den europäischen Bereich. 187 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 e Rdnr. 4. 188 Staub!Hüffer § 13 b Rdnr. 10 (futegrationsfunktion). 189 Vergleichende Gegenüberstellung bei Saame, S. 72 -79.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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bb) Anmeldungsfähige bzw. -pflichtige Personen Noch immer nicht völlig geklärt ist die Frage, welchen Personen die Anmeldungspflicht der Zweigniederlassung auferlegt ist und ob diese Personen selbst tätig werden müssen. Nach der alten Rechtslage in § 13 b HGB und § 44 AktG war die Anmeldung der Zweigniederlassungen juristischer Personen durch sämtliche Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsfiihrer vorzunehmen. 190 Aus der Tatsache, daß der neugefaßte § 13 e II 1 HGB nur noch eine Anmeldung durch "den Vorstand" bzw. "die Geschäftsführer" vorschreibt, wird nun allgemein gefolgert, daß nicht mehr alle Vorstände bzw. Geschäftsfiihrer gemeint seien, 191 sondern eine vertretungsberechtigte Zahl von Mitgliedern des entsprechenden Leitungsgremiums ausreiche. 192 Zwar erscheint dieses Ergebnis nicht von vornherein zwingend, denn auch das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht geht in seinem gesetzlichen Leitbild des § 78 II 1 AktG bzw. § 35 II 2 GmbHG noch von einer Gesamtvertretung aus; immerhin wird Regelungen der Satzung Vorrang eingeräumt. Eine Beschränkung auf eine Gesamtvertretung erscheint aber bei dem insoweit wohl noch offenen Wortlaut des § 13 e II 1 HGB aus teleologischen Gesichtspunkten nicht erforderlich. Sie könnte allenfalls dem Schutz der ausländischen Gesellschafter bzw. Aktionäre dienen; deren Rechte werden aber durch die Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen Vorstand oder Geschäftsfuhrern und der Gesellschaft gewahrt. Der Anmeldung der Zweigniederlassung selbst kommt materiell keine so große Bedeutung zu, als daß die Beschränkung auf eine Gesamtvertretung notwendig wäre. Mithin ist denneueren Auffassungen zu folgen. 193 Die Eigenschaft als Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsfiihrer ist ebenfalls im Wege der Substitution zu bestimmen; die Position muß derjenigen bei einer deutschen Gesellschaft vergleichbar sein. 194 Können Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Anzahl die Anmeldung vornehmen, so schließt sich die Frage an, ob sie diese höchstpersönlich durchfUhren müssen oder sich wiederum vertreten lassen können. Eine Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Anmeldung der Zweigniederlassung in Form einer Anmeldungsvollmacht wird aus § 12 II HGB abgeleitet. 195 Diese Begründung erscheint jedoch insoSo noch Gienow, S. 46. Seibert, GmbHR 92, 738, 741; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 951 . 192 Rothin Koller!Roth!Morck § 13e Rdnr. 3; Kind/er, NJW 93, 3301, 3305; Seibert, DB 93, 1705, 1705. 193 Arunerkung: Bei der Aruneldung der Zweigniederlassung zwn Handelsregister dürfte es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung handeln; daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Vertretung der Gesellschaft. 194 Balser!Pichura, S. 30. 195 Balser/Pichura, S. 30. 190 191

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

weit zweifelhaft, als die§§ 13 ff. HGB der genannten Norm als Ieges speciales vorgehen dürften. Es empfiehlt sich vielmehr wiederum eine Argumentation auf der Grundlage des Normschutzzweckes der §§ 13 d ff. HGB. Auch an anderen Stellen verbietet jedenfalls das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht eine Unterbevollmächtigung durch gesetzliche Vertreter nicht. Sowohl für den Anleger- als auch den Verkehrsschutz spielt der Anmeldungsvorgang als solcher nur eine untergeordnete Rolle. Verlangt der Zweck des § 13 e HGB daher keine höchstpersönliche Vomahme der Anmeldung, ist nach allgemeinen Vertretungsgrundsätzen eine Unterbevollmächtigung zulässig. Demnach kann die Anmeldung zum deutschen Handelsregister auch durch einen inländischen Hauptbevollmächtigten erfolgen. 196 cc) Prüfungskompetenz des Registergerichts-Anerkennungsprinzip Der Wortlaut des§ 13 d III 1 HGB, d.h. die sinngemäße Geltung der Vorschriften zu Hauptniederlassungen auch für Zweigniederlassungen, könnte die Annahme nahelegen, dem deutschen Registergericht seien bei der Anmeldung der Zweigniederlassung auch sämtliche Nachweise über die Wirksamkeit der Gründung der ausländischen Hauptgesellschaft zu erbringen. Nach ganz einhelliger Auffassung ist jedoch lediglich das Bestehen der ausländischen Gesellschaft nachzuweisen. 197 Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nach dem Recht des Auslandes wird automatisch anerkannt. 198 Zur Anerkennung selbst ist nicht einmal eine Ähnlichkeit zu inländischen Gesellschaftstypen erforderlich. 199 Die Ordnungsmäßigkeit des Gründungsvorgangs ist Teil der Gründungsprüfungund obliegt allein dem Heimatstaat. 200 Folglich sind z.B. Nachweise über geleistete Zahlungen auf die Stammeinlage, Sacheinlageverträge und Sachgründungsberichte nicht beizubringen. 201 Die Beschränkung auf den Nachweis des Bestehens der Gesellschaft ergibt sich jetzt auch aus § 13 e II 2 HGB. Schon aus der Komplexität der Normen über die Angaben zum Handelsregister in §§ 13 e ff. HGB läßt sich ferner der Schluß ziehen, daß darüber hinaus keine Nachweise zu fordern sind. Vom hier vertretenen Standpunkt aus, daß die Errichtung von Zweigniederlassungen nicht nur Kaufleuten, juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften vorbehalten ist, bedarf es einer Anerkennung allerdings nur fiir Nußbaum, S. 211 Fn 4; Saame, S. 83. in: FS Hänunerle, S. 221, 226. 198 Balser!Pichura, S. 10. 199 Graßfeld, Untemelunensrecht, S. 62. 200 Bake/mann , EWiR 86, 1113, 1114; Müller-Graff, WuB II N. § 13 HGB 1.87 S. 474. 201 Bake/mann , EWiR 86, 1113, 1114. 196

197 Mayer-Maly,

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den Bereich des deutschen Registerrechts. Ist ein Gebilde im Ausland nicht rechtsfähig (weil etwa die Gründung einer Kapitalgesellschaft fehlgeschlagen ist), so bleibt bei Errichtung einer Zweigniederlassung in Deutschland noch die Möglichkeit, es als einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vergleichbar einzustufen. Dies gilt auch bei Verlust der Rechtsfähigkeit im Ausland. 202 dd) Charakter der Registereintragung Heymann war der Auffassung, daß die Zweigniederlassung erst mit der Registereintragung entstehe, der Eintragung mithin konstitutive Wirkung zukomme. 203 Er begründete dies damit, daß nur so die Zweigniederlassung neben einer wirtschaftlichen auch eine rechtliche Begriffiichkeit erhalte.Z04 Dagegen spricht indessen schon der Wortlaut des § 13 d I a.E. HGB, der eine bestehende Zweigniederlassung vor der Eintragung voraussetzt. 205 Auch ohne die Konstitutivität der Registereintragung erfüllt die Zweigniederlassung bereits die Funktion eines Rechtsbegriffes; die zur Anwendbarkeit des Registerrechts erforderliche relative Selbständigkeit wird zwar weit gefaßt, doch mißt sie sich - wie die Notwendigkeit eines Leiters mit weitgehender Vertretungsmacht zeigt - auch an rechtlichen Kategorien. Wäre die Eintragung dagegen konstitutiv, so könnte die paradoxe Situation eintreten, daß ein Handeln von einer faktischen Niederlassung in Deutschland nicht, ein Wirken durch einen einreisenden Vertreter dagegen möglich wäre, obgleich letztere Betätigungsform von weit geringerer Relevanz ist. Mit der heute einhelligen Auffassung ist daher die Eintragung der Zweigniederlassung in das Register nur als deklaratorisch anzusehen. 206 Einschränkungen können sich allenfalls mittelbar über§ 15 HGB ergeben. Wird eine Filialprokura eingetragen, so ermöglicht diese die Beschränkung der Vertretung auf den Betrieb der Zweigniederlassung. Aufgrund der Eintragung können sich nun Dritte auf das Vorliegen einer zumindest beschränkten

202 Anders Martz, S.46: Die Zweigniederlassung entfällt, wenn die juristische Person ihre Rechtsfahigk:eit verliert. 203 Heymann, S. 18/19 und 49; ähnlich offenbar Denzler, S. 92 (Ende der Zweigniederlassung einzutragen, sonst Weitergeltung über§ 15). 204 Heymann, S. 49. 205 Vgl. Marxheimer, S. 80. 206 Edlich, S. 89; GK-HGB/Achilles § 13 Rdnr. 15; ManchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 597; Weil, S. 12; Staub/Haffer § 13 b Rdnr. 9; Schlosser, S. 101; Knieper/Jahrmarkt, S. 77 Rdnr. 101; Marxheimer, S. 80; Mayer-Maly, in: FS Hämmerle, S. 221, 226; schon KG, Beschl. v. 12.4.34 (1 b X 103/34), IPRspr. 1934 Nr. 13, S. 28/29; bereits im 19. Jahrhundert Förtsch § 12 GmbHG Anm. 2 (reine Ordnungsvorschrift).

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

Vertretungsmacht berufen, wodurch mittelbar auch die Existenz der Zweigniederlassung insgesamt fingiert wird. 207 c) Dotationskapital Das Erfordernis eines Dotationskapitals, also eines der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung abgesondert zur Verfügung gestellten Geschäftsvermögens, wurde bereits bei der Begriffsbestimmung als Frage der Rechtsfolge einer bestehenden Zweigniederlassung eingeordnet. 208 Es ist mithin zu ermitteln, ob geschriebene oder ungeschriebene Normen des deutschen Rechts bei Zweigniederlassungen aus dem Ausland die Ausstattung mit einem solchen Dotationskapital verlangen. aa) Festlegung des Gesetzes

Eine gesetzliche Regelung findet sich nur fiir Zweigniederlassungen ausländischer Kreditinstitute in § 53 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 des Kreditwesengesetzes. Da die Zweigstelle selbst als Kreditinstitut gilt (§53 I 1), muß sie gemäß § 10 I 1 KWG über ein angemessenes haftendes Eigenkapital verfügen. Als solches nennt nun § 53 II Nr. 4 S. 1 ein "zur Verfügung gestelltes Betriebskapital". Jedoch ist gemäߧ 53 b I 2 KWG die o.g. Norm auf Zweigniederlassungen aus EU-Mitgliedstaaten nicht anzuwenden, sofern das ausländische Unternehmen in seinem Heimatstaat zugelassen ist, der dortigen Aufsicht unterliegt und der zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie209 genügt. Die Verantwortung fiir die Kapitalunterlegung unterliegt damit der Heimataufsicht.210 Für Zweigniederlassungen aus Nicht-EU-Staaten schafft § 53 c Nr. 2 KWG eine Rechtsgrundlage fiir eine Rechtsverordnung des Bundesministers der Finanzen zur vollständigen oder teilweisen Befreiung derselben von den Anforderungen des § 53 KWG, sofern die Gegenseitigkeit gewährleistet und weitere Grundanforderungen im Ausland erfüllt sind. Die Ausnahme von§ 53 KWG entwickelt sich folglich zwn RegelfalL Schon fiir Zweigniederlassungen ausländischer Kreditinstitute ist damit das Erfordernis eines Dotationskapitals weitgehend entfallen. Sonstige gesetzliche Vorschriften existieren nicht.

S. 77 Rdnr. 10 I. Siehe zu den Begriffsmerkmalen im ersten Kapitel I 10. 209 Abgedr. in Amtsbl. EG Nr. L 38611 v. 30.12.1989. 210 Vgl. Eicke, Die Bank 93, 702, 702; Häuselmann, WM 94, 1693, 1693 Wld 1702. 207 Knieperl Jahrmarkt, 208

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bb) Ungeschriebene Kapitalisierungspflicht? Wird im Schrifttum dennoch vereinzelt eine separate Kapitalausstattung der Zweigniederlassung verlangt, 211 so läßt sich diese Pflicht möglicherweise auf Umgehungsgesichtspunkte stützen. Inländische Gläubiger, die über die Zweigniederlassung mit dem ausländischen Unternehmen kontrahiert haben, gehen ein höheres Risiko ein, wenn im Ausland weniger strenge Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften (für Kapitalgesellschaften) gelten als im deutschen Recht. Je mehr Vermögen des Hauptunternehmens sich in Deutschland befindet, desto besser können sich diese Gläubiger im Wege der Vollstreckung befriedigen. Nimmt aber ein ausländisches Unternehmen eine vom deutschen Recht legitimierte Betätigungsform im Inland vor, so fehlt die zur Annahme einer Gesetzesumgehung erforderliche Absicht. 212 Die bloße Vorteilhaftigkeit der deutschen Kapitalsicherungsvorschriften, rechtfertigt noch keine Analogie; eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke fehlt, da der Gesetzgeber für den sensiblen Bereich des Kreditwesens eine (Sonder-) Regelung getroffen hat. Überdies geriete die Annahme einer derartigen ungeschriebenen Kapitalisierungspflicht zumindest im EU-Bereich in Konflikt mit der durch Art. 52 u. 58 EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit Für den Bereich der Zweigniederlassungen außerhalb des Kreditwesens ist demzufolge ein notationskapital nie notwendig. 213

2. Anwendbares Vertragsrecht I vertragliche Haftung Seit aufgrund des Römischen Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19.6.1980214 der Bereich des deutsehen internationalen Schuldvertragsrechts in Art. 27 ff. EGBGB geregelt ist, hat sich ein früherer Grundsatzstreit über das anwendbare Recht bei Fehlen einer Rechtswahl zwischen der sog. subjektiven Theorie, die den hypothetischen vernünftigen Parteiwillen bei Kenntnis des Problems heranzuziehen suchte, und der sog. Schwerpunkttheorie, die eine Interessenahwägung auf objektiver Grundlage vornahm, 215 zugunsten der letzteren erledigt. Trotz die211 Gonella, DB 86, 297, 297; Staub!Hüffer vor § 13 Rdnr. 15; Saame, S. 31 ; wohl auch Weil, S. 10 (un compte de banque). 212 Zu den Voraussetzungen der Gesetzesumgehung vgl. Kegel,§ 14 II S. 350. 213 Gienow, S. 47; Martz, S. 10; Schlosser, S. 94; Marxheimer, S. 63 u. 66 (nur faktische Möglichkeit). 214 Abgedr. bei Soergel/v.Ho.ffmann Vor Art. 27 EGBGB vor Rz 1, S. 1406 ff. 215 Vgl. MünchKomm!Martiny Art. 28 EGBGB Rdnr. 1.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnwtg

ser Neuregelung bedürfen aber einige kollisionsrechtliche Rechtsfragen auf diesem Gebiet, sei es wegen fehlender Normen, sei es wegen der Unklarheit des Gesetzeswortlautes, noch besonderer Prüfung. Dies gilt insbesondere fiir die Anknüpfung der Voraussetzungen und des Umfangs einer Rechtswahl, die Anknüpfung allgemeiner Geschäftsbedingungen (auch im Hinblick auf eine Rechtswahl durch AGB) sowie die Qualifikation der vertraglichen Sekundärhaftung, speziell der culpa in contrahendo. Zwar sind kollisionsrechtliche Fragen des Schuldrechts grundsätzlich kein spezifisches Rechtsproblem der Zweigniederlassungen, sondern betreffen das ausländische Unternehmen als Ganzes. Gerade aber innerhalb dieses Rechtsbereiches findet wirtschaftlich die Hauptaktivität der Zweigniederlassung im Inland statt: Sie wird gezielt eingesetzt, um Rechtsgeschäfte mit Inlandskunden abzuschließen. An die Bestimmung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts knüpft sich in erster Linie die Investitionsfreudigkeit des ausländischen Unternehmens am Ort der Zweigniederlassung. Nur wenn das Unternehmen das Statut der über seine Zweigniederlassung abzuschließenden Verträge voraussehen kann, wird es eine derartige dauerhafte Betätigungsform wählen und nicht nur von Fall zu Fall direkt aus dem Ausland heraus operieren. Lediglich marginal werden dagegen beispielsweise Fragen des Deliktsstatuts den Investitionswillen beeinflussen, da deliktisches Verhalten i.d.R. nicht von der Unternehmensplanung erfaßt wird. Kollisionsrechtliche Relevanz kommt der Zweigniederlassung im Tatbestand des Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB zu, da sie als "andere Niederlassung" im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen ist, so daß eine besondere Vermutung zugunsten der engsten Verbindung des Vertrages zum Staat des Zweigniederlassungssitzes greifen kann. An die Bestimmung des Vertragsstatuts wird sich auf der Ebene des deutschen Sachrechts dies Frage anschließen, ob eine Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Zweigniederlassung möglich ist. Erst an späterer Stelle werden aus Gründen der Übersichtlichkeit Probleme der Rechtsfähigkeit, der Stellvertretung und der Kaufmannseigenschaft (soweit diese als Tatbestandsvoraussetzung vertraglicher Haftungsnormen relevant wird) erörtert. Gleiches gilt fiir die Bestimmung des Statuts von Arbeitsverhältnissen.216 a) Verpflichtetes Subjekt Festzuhalten ist als Ausgangspunkt dieses Abschnittes: Die Zweigniederlassung als solche kann wegen ihrer rechtlichen Unselbständigkeit nie Schuldnenn einer Verbindlichkeit sein, da diese Fähigkeit nur Rechtssubjekten zu216

Hierauf wird unten im vierten Kapitel wtter Punkt 12 a eingegangen.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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kommt. Berechtigt und verpflichtet wird also - wenn dies in Frage steht - nur der Träger des Gesamtunternehmens217 und ggf. dessen Gesellschafter (sofern das ausländische Personalstatut eine solche persönliche Haftung kennt). 218

b) Vertragsstatut nach Art. 27 fJ. EGBGB (Primärhaftung) Seit der oben angeführten Neuregelung wird die Bestimmung des Vertragsstatuts im deutschen IPR positivrechtlich von Art. 27 ff. EGBGB erfaßt. Hier soll zunächst die Anknüpfung der vertraglichen Primärhaftung erläutert werden, d.h. die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich der Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen bestimmt. Ausgegangen wird dabei jeweils von der Sachlage, daß ein ausländisches Unternehmen über seine deutsche Zweigniederlassung im Inland kontrahiert. aa) Vorrang der Rechtswahl Für den Bereich des internationalen Schuldrechts ist das von den Parteien gewählte Recht vorrangig (Art. 27 I 1 EGBGB). Da in dieser Norm der Grundsatz der Parteiautonomie zur Geltung kommt, 219 unterliegt die Rechtswahl zunächst keinen Beschränkungen. Nicht unumstritten ist, ob Grundbedingung einer jeden Rechtswahl auch nach der neuen Rechtslage des EGBGB das Vorliegen irgendeines Auslandsbezuges ist. Ein derartiges Erfordernis wird z.T. aus Art. 3 I 1 EGBGB abgeleitet, so daß reine Inlandsfalle eine Rechtswahl ausschließen sollen.220 Daß Art. 3 I 1 EGBGB allerdings diese Aussage trifft, darf bezweifelt werden, da schon die Rechtswahlabsicht als solche einen zumindest inneren Bezug zu der angestrebten ausländischen Rechtsordnung schafft; dann aber wird auch der Anwendungsbereich des EGBGB eröffnet. 221 Vielmehr setzt gerade Art. 27 III EGBGB voraus, daß der Sachverhalt lediglich mit einem Staat verbunden sein Köhler, BB 69, 845, 845. Nach dem Wirkungsstatut richtet sich dagegen die Möglichkeit der persönlichen Hafumg wegen Erweckung eines entsprechenden Anscheins, vgl. Erläuterungen zur Anscheinsvollmacht 219 Schlosshauer-Selbach, S. 65 Rdnr. 236; v. Bar, IPR Band 2, S. 303 Rdnr. 412. 220 Rehbinder, in: Beiträge, S. 122, 131; v. Bar, IPR Band 2, S. 309 Rdnr. 417; ähnl. Schlunck, S. 39 (internationaler Vertrag als Voraussetzung); zurückhaltender Kropholler, § 40 IV S. 274 (nur bei Willkür); unklar Gamillscheg, AcP 157 (1957), 303, 313 (räwnliche oder personale Elemente des Vertrags erforderlich, die ins Ausland weisen). 221 Heilmann, S. 87 (bloße Rechtswahlvereinbarung ausreichend filr Art. 3 I EGBGB, nicht aber filr den Auslandsbezug i.S.d. Art. 27 Ili EGBGB); vgl. Soergel/Kegel Art. 3 EGBGB Rdnr. 1 (Vorschrift nur tautologisch). 217

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

kann. 222 Da die Zweigniederlassung jedoch Teil eines ausländischen Rechtssubjektes ist, läßt sich ein Auslandsbezug grundsätzlich bei jedem in Deutschland geschlossenen Vertrag bejahen, 223 so daß eine Rechtswahl auch nach der zuerst genannten Auffassung nicht a priori ausgeschlossen wird. Dieser Auslandsbezug besteht selbst dann, wenn ein Vertragsschluß in Deutschland zwischen einem ausländischen Unternehmen (über eine Zweigniederlassung) und einem Ausländer gleicher Nationalität erfolgt und das beiderseitige ausländische "Heimat"-Recht gewählt wird. Schon der Vertragsschluß auf deutschem Boden eröffnet den Anwendungsbereich des deutschen

IPR.

Möglich ist grundsätzlich auch die Wahl einer "neutralen" Rechtsordnung, mit der keine der Parteien verbunden ist. 224 Für die hier zu untersuchende Konstellation bedeutet dies, daß das Recht eines Staates wählbar ist, das weder dem Personalstatut der Hauptniederlassung des betreffenden Unternehmens noch dem Personalstatut des Vertragspartners zugrunde liegt und auch nicht dem (deutschen) Recht des Ortes der charakteristischen Vertragsleistung entspricht. Vor diesem Hintergrund wird jedoch als weitere immanente Einschränkung der Rechtswahl, offenbar unter Heranziehung des Gedankens des Rechtsmißbrauchs, gefordert, daß ein anerkennenswertes Interesse an der Anwendung der Herrschaft des gewählten Rechts bestehen müsse225 , die Rechtswahl also nicht willkürlich sein dürfe. 226 In bezug auf eine ausländische Zweigniederlassung in Deutschland müßte diese Auffassung dazu fuhren, daß nur in Ausnahmefällen ein Interesse an der Anwendung einer dritten Rechtsordnung neben detjenigen des Inlands und der fiir die Hauptniederlassung maßgeblichen anzuerkennen wäre; derartige Fälle bestünden etwa, wenn der Vertragsgegenstand noch aus einem Drittstaat zu beschaffen wäre oder die Parteien auf eine ihnen bereits aus früheren gemeinsamen Vertragsbeziehungen vertraute bzw. eine faktisch den Markt dominierende Rechtsordnung zurückgreifen wollten. 227 Eine nur fiir eine Seite vorteilhafte Rechtswahl müßte als unzulässig eingestuft werden. Nach anderer Auffassung ist die Rechtswahlfreiheit dagegen unbeschränkbar. Man beruft sich hierbei zum einen darauf, 222 Keine Auslandsberührung verlangen daher Schlosshauer-Selbach, S. 67 Rdnr. 245; Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher § 12 AGBG Rdnr. 3; Birk, RdA 89, 201, 203; ähnlich Kegel, IPR, S. 484. 223 Vgl. Soergellv.Hoffmann Art. 27 EGBGB Rdnr. 91 (schon Sitz der Hauptniederlassung im Ausland ausreichend für den Auslandsbezug); Heilmann, S. 88. 224 Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217,223/224. 225 Kegel, IPR, S. 483; Heilmann, S. 89 (ftlr Arbeitsverhältnisse); abgeschwächt MünchKomm/Martiny Art. 27 EGBGB Rdnr. 18 (vernünftiges futeresse ausreichend). 226 Kropholler, § 40 IV S. 274. 227 Vgl. Gamillscheg, AcP 157 (1957), 303, 312/313, der aber nur bei fraudulösem Verhalten von einer Unzulässigkeit der Rechtswahl ausgeht (S. 308).

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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daß der internationale Rechtsverkehr einer solchen Freiheit im Interesse der Rechtssicherheit bedürfe;228 Zum anderen soll durch eine derartige Einschränkung nicht wiederum der örtlichen Beziehung des Vertrages der Vorrang vor dem erklärten Parteiwillen verschafft werden.Z29 Außerdem reiche eine Korrekturmöglichkeit der Rechtswahl durch die Anwendung zwingenden Rechts aus. 230 Systematisch läßt sich zugunsten dieser liberalen Stimmen anfUhren, daß die frühere Regelung des § 10 Nr. 8 AGBG, die fiir eine Rechtswahl durch AGB ein besonderes Interesse verlangte, ersatzlos gestrichen worden ist. Erfolgt aber schon im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen keine Beschränkung der Voraussetzungen einer Rechtswahl mehr, sondern werden lediglich die Wirkungen einer Rechtswahl über§ 12 AGBG begrenzbar, muß eine Parallele auch fiir diejenige Rechtswahl gezogen werden, die auf gewöhnlicher Parteivereinbarung ohne AGB beruht. Das Gesetz nimmt folglich das Risiko, daß eine rechtskundigere Partei die andere zur Wahl einer einseitig vorteilhaften Rechtsordnung verleitet, zunächst in Kauf. Schutz erfährt eine Partei ausreichend auf der Rechtsfolgenseite der Rechtswahl, indem zwingende Normen des dem Sachverhalt nahen Rechts die entsprechenden Bestimmungen des gewählten Rechts verdrängen (Art. 27 III EGBGB). Mithin ergibt sich kein Bedürfnis mehr, die Zulässigkeit der Rechtswahl durch das Erfordernis eines legitimen Interesses zu begrenzen. 231

Nicht die Zulässigkeit einer Rechtswahl, sondern die Wirkungen einer solchen, d.h. den Umfang der aus ihr resultierenden Verweisung,232 schränkt Art. 27 III EGBGB ein.233 Hiernach darf bei einem Binnensachverhalt die Wahl des Rechts eines anderen Staates nicht von zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates jener Binnenbeziehung abweichen. Zwingende Bestimmungen in diesem Sinne stellen alle Vorschriften des materiellen Rechts dar, die nicht vertraglich abdingbar sind.234 Nicht erfaßt werden die sog. halbzwingenden Bestimmungen, von denen zugunsten der schwächeren Partei abgewichen werden darf. 235 Fälle, in denen eine Rechtswahl mit einem reinen Binnensachverhalt zusammentrifft, sind indessen nahezu ausgeschlossen, wenn eine deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland einen Vertrag schließt. Allein die Tatsache, daß sich die HauptKeller/Siehr, § 28 IV 1 b dd S. 382. Gamillscheg, AcP 157 ( 1957), 303, 311 . 23 Keller/Siehr, S. 382. 231 Ebenso Firschingl v.Ho.lfmann, § 10 Rdnr. 27 S. 357; Schlunck, S. 33. 232 Vgl. Schlunck, S. 50. 233 Kropholler, § 52 li 3 S. 410 (Die Parteiautonomie als solche erfaßt zunächst auch zwingende Vorschriften.). 234 Soergel/v.Ho.lfmann Art. 27 EGBGB Rdnr. 85; Heilmann, S. 89. 235 v.Bar, IPR Band 2, S. 313 Rdnr. 422. 228 229

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niederlassung im Ausland befindet, führt einen Auslandsbezug herbei?36 Ein deutscher Binnensachverhalt kann daher bei einem Vertragsschluß in Deutschland nicht entstehen, so daß Art. 27 III EGBGB nicht zugunsten deutscher zwingender Bestimmungen eingreifen kann. Umgekehrt ist allenfalls ein ausländischer Binnensachverhalt in dem sehr unwahrscheinlichen Beispielsfall denkbar, daß etwa ein Franzose, der sich nur zufallig und vorübergehend in Deutschland aufhält, hier unter Vereinbarung deutschen Rechts einen Vertrag mit einer französischen Zweigniederlassung abschließt, dessen Leistungspflichten ausschließlich in Frankreich erfüllt werden sollen. Trotz einer Wahl des deutschen Rechts blieben in diesem Fall, wenn man darin einen französischen Binnensachverhalt erblickte, zwingende Bestimmungen - allerdings des französischen Rechts - über Art. 27 III EGBGB anwendbar. Demzufolge erweist sich die Relevanz des Art. 27 III EGBGB in der hier zu untersuchenden Grundkonstellation als äußerst gering. Neben einer ausdrücklichen Rechtswahl kann eine solche auch konkludent erfolgen, soweit sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Vertragsbestimmungen oder den Umständen des Falles ergibt (Art. 27 I 2 EGBGB). Indizien hierfür können u.a. die Benutzung von AGB oder Formularen sein, die auf einer bestimmten Rechtsordnung aufbauen. 237 Die übereinstimmende Korrektur einer Rechtswahl durch die Parteien ist jederzeit, sogar noch in einem Prozeß, 238 möglich (Art. 27 II 1 EGBGB). bb) Zustandekommen der Rechtswahl Da die Rechtswahl selbst einen eigenen Vertrag darstellt, der vom schuldrechtlichen Vertrag über den Sachgegenstand zu unterscheiden ist, 239 muß auch fiir diese eine kollisionsrechtliche Einordnung vorgenommen werden. Kollisionsnorm fiir den Rechtswahlvertrag ist Art. 27 IV EGBGB, der diesbezüglich auf Artt. 11, 12, 29 III und 31 EGBGB verweist. Am wichtigsten ist darunter die Verweisung auf Art. 31 I EGBGB; aus ihr ergibt sich, daß auf Zustandekommen und Wirksamkeit des Rechtswahlvertrages die Rechtsordnung anzuwenden ist, die durch die Rechtswahl berufen werden soll. 240 Erfolgt Art. 27 EGBGB Rdnr. 91. Kropholler, § 52 li S. 409; Hüßtege, S. 90; ablehnend in bezug auf AGB Lindacher in Wolf!Hom/Lindacher Anh. § 2 Rdnr. 24. 238 v.Bar, IPR Band 2, S. 305/306 Rdnr. 413; BGH, Urt. v. 21.10.92 (XII ZR 182/90), BGHR EGBGB (1986) Art. 27 Abs. I Rechtswahl I; BGH, Urt. v. 12.12.90 (VIII ZR 332/89), BGHR EGBGB Art. 27 Abs. 2 Rechtswahl l. 239 Hüßtege, S. 89; Schlosshauer-Selbach, S. 66 Rdnr. 240. 240 Kegel, S. 486; Kropholler, § 52 li S. 410; BGH, Urt. v. 24.11.88 (ill ZR 150/87), BGHR ZPO § 38 Rechtswahlklausel 2; Schlunck, S. 46. 236 Soergellv.Hoffmann 237

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also zwischen einer französischen Zweigniederlassung in Deutschland und einem deutschen Kontrahenten eine Rechtswahlvereinbarung zugunsten des französischen Rechts, so gilt die französische Rechtsordnung bereits für den Rechtswahlvertrag. cc) Einschränkung der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen Eingeschränkt wird die Rechtswahl gemäß Art. 29 EGBGB für sog. Verbraucherverträge.241 Dient der Vertrag nicht der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Berechtigten, so darf eine Rechtswahl nicht zum Entzug zwingender Schutzrechte des Aufenthaltsstaates fiihren, sofern die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vorliegen. Diese Bestimmung unterscheidet sich von dem o.g. Art. 27 III EGBGB dadurch, daß sie auch die sog. halbzwingenden Schutznormen erfaßt242 und selbst dann greift, wenn der Sachverhalt keine überwiegende Verbindung mit einem Staat aufweist. Mithin kann eine durch eine Zweigniederlassung initiierte Rechtswahl zugunsten des Vertragsstatutsam Sitz ihres Mutterunternehmens nicht zu einer Umgehung der deutschen Verbraucherschutznormen fiihren. Unklar ist dabei, ob deutsche Schutzbestimmungen auch dann zur Anwendung kommen sollen, wenn das ausländische Vertragsstatut dem Verbraucher insgesamt weitergehenden Schutz gewährt.243 Auch Art. 29 EGBGB steht indessen der Möglichkeit einer freien Rechtswahl nicht entgegen, sondern begrenzt nur ihre Wirkungen. 244 dd) Rechtswahl durch AGB Eine Rechtswahl ist auch durch Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen möglich. Sie kann darin ausdrücklich oder mittelbar (insbes. durch Gerichtsstandsklauseln) getroffen werden. 245 Fraglich ist, nach welcher Rechtsordnung eine derartige Rechtswahl zu beurteilen ist. Die Antwort darauf liegt ebenfalls in der durch Art. 27 IV EGBGB ausgesprochenen Verweisung auf Art. 31 EGBGB. Gilt das durch die Rechtswahl berufene Recht auch 241 Der neueren Rechtstendenz folgend stellt Art. 29 EGBGB nicht auf die Kaufmannseigenschaft, sondern auf den gewerblichen Verwendungszweck ab. Dies korrespondiert mit der geplanten Änderung des Kaufmannsbegriffs im Handelsgesetzbuch. 242 So z.B. § 225 BGB. 243 Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217, 225, hält es fiir zulässig, dem Betroffenen doppelten Schutz nach zwei Rechtsordnungen zu gewähren, will aber sinnwidrige Auswüchse im Wege der Allgleichung begrenzen; anders Palandt/Heldrich Art. 29 EGBGB Rdnr. 4. 244 Firschinglv.Ho.ffmann, § 10 Rn 71 S. 375. 245 Lindacher in Wolf!Horn/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 32; skeptisch Sieg, RlW 97,811, 815.

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für das Zustandekommen des Rechtswahlvertrages, so bestimmt sich die Wirksamkeit der durch AGB erfolgten Rechtswahl nach dem gewählten Recht. 246 Eine Regelung in § 10 Nr. 8 AGBG, die für eine derartige Rechtswahl ein besonderes Rechtswahlinteresse forderte, wurde am 25.7.1986 aufgehoben.

Jedoch kann sich in dieser Beziehung eine Einschränkung durch § 12 des deutschen AGBG ergeben. Diese Norm läßt die Anwendung des AGBG auch auf einen Vertrag zu, der ausländischem Recht unterliegt, wenn der andere Vertragsteil bei Abgabe seiner Willenserklärung seinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Geltungsbereich des AGBG hatte und dem Vertrag eine öffentliche Werbung oder ähnliche Tätigkeit des Verwenders vorausgegangen ist. 247 Diese Ausgangssituation ist beim Tätigwerden einer ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland die Regel. Verwendet die Zweigniederlassung mithin allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Rechtswahl enthalten, so führt § 12 AGBG für diesen Rechtswahlvertrag, der sich zwar (wie gezeigt) grundsätzlich nach dem gewählten Recht beurteilt, dazu, daß auf ihn das deutsche AGBG anwendbar ist. Bedeutung dürfte diese Anwendung wohl weniger für die Inhaltskontrolle haben, da eine Rechtswahl in§§ 10 und 11 AGBG keine Erwähnung findet und i.d.R. keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 9 I AGBG darstellen wird;248 allerdings können §§ 2 und 3 AGBG eine solche Klausel häufiger zum Scheitern bringen, insbesondere wenn eine Rechtswahl angesichts des konkreten Vertragsinhalts völlig unüblich ist. Letzteres dürfte bei Bargeschäften des täglichen Lebens der Fall sein. Nicht ausreichen soll als Überraschungseffekt grundsätzlich die Wahl einer im konkreten Fall exotischen Rechtsordnung. 249 Hinzuweisen ist einschränkend darauf, daß gemäß § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG gegenüber Kaufleuten § 12 AGBG keine Anwendung findet, sofern der Vertrag zum Betrieb ihres Handelsgewer-

246 Sieg, RIW 97, 811, 815; Palandt/Heldrich Art. 27 EGBGB Rdnr. 8; Baumert, RIW 97, 805, 806, der auch herausstellt, daß die Qualifikation eines Verhaltens als Rechtswahl allerdings der Iex fori unterliegt. 247 Kegel, !PR, S. 499 weist jedoch einschränkend darauf hin, daß nach dem Wortlaut des § 12 AGBG in diesen Fällen das AGBG nur zu berücksichtigen, nicht notwendigerweise anzuwenden sei; ebenso Jayme, ZHR 142 (1978), 105, 119. Dagegen hält H.Schmidt in Ulmer!Brandner!Hensen § 12 AGBG Rdnr. I diese Norm filr eine echte Sonderanknüpfung; so auch GroßkommAGBG!v. Westphalen § 12 AGBG Rdnr. 3. Dieser Streit hat mit der Neufassung des§ 12 AGBG zum 19.7.1996 seine Bedeutung verloren, da nunmehr das AGB-Gesetz bei Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen "anzuwenden" ist. 248 Nach Auffassung von Sieg, RIW 97, 8ll, 816, ist eine Inhaltskontrolle der Rechtswahl durch AGB seit Abschaffung des § 10 Nr. 8 AGBG gänzlich ausgeschlossen. 249 Baumert, RIW 97, 805, 809.

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bes gehört. 250 Wird ihnen gegenüber eine Rechtswahl durch AGB vorgenommen, ist auf diese folglich nur die gewählte Rechtsordnung anzuwenden. Handelt es sich bei dem über die Zweigniederlassung abgeschlossenen Kontrakt um einen Verbrauchervertrag i.S.d. Art. 29 I EGBGB, so führt häufig schon diese Norm bei einer formularmäßigen Rechtswahl der Zweigniederlassung gegenüber einer Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland zu einer Anwendung des AGB-Gesetzes, da es sich bei dessen Regelungen um zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts handelt. 251 Eines Rückgriffs auf § 12 AGBG bedarf es dann nicht mehr. 252 Allerdings greift Art. 29 I EGBGB nur ein, soweit der Verbraucher nicht ohnehin durch die gewählte Rechtsordnung begünstigt wird. 253 Erfährt er durch sie stärkeren Schutz gegen formularmäßige Klauseln als nach deutschem AGB-Gesetz, können deutsche Normen wiederum allein über § 12 AGBG zur Anwendung gelangen.

c) Vertragsstatut ohne Rechtswah/: Art. 28 EGBGB Liegt ein Auslandsbezug vor, fehlt aber eine Rechtswahl, so bestimmt sich das Vertragsstatut im Wege einer objektiven Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB. Bei Verträgen, an denen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland beteiligt sind, wird dieser Weg den Regelfall darstellen, da insbesondere eine unerwartete Rechtswahl durch AGB die Zweigniederlassung, deren Tätigkeit auf Dauer konzipiert ist, in die Gefahr bringt, vom inländischen Publikum gemieden zu werden. Art. 28 I 1 EGBGB unterstellt den Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Dieser Grundsatz wird in den Absätzen 2 bis 4 durch Vermutungen konkretisiert, die aber, wie sich aus Abs. 5 ergibt, widerlegbar sind. Art. 28 II 1 EGBGB stellt die Vermutung auf, daß die engste Verbindung des Vertrages zu demjenigen Staat besteht, in dem die Vertragspartei, welche die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. - bei Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen ihre Hauptverwaltung hat. Präzisiert wird diese Vermutung durch Art. 28 II 2 EGBGB, wenn die betreffende Partei in Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt; dann gilt eine engste Verbindung zum Staat des 250 Auf der Grundlage des neuen Regierungsentwurfes Handelsrecht, Teil I (abgedr. in ZIP 97, S. 942), soll § 24 S. l Nr. l AGBG künftig auf alle Unternehmer, auch auf Freiberufler, Anwendung finden (S. 948). 251 Vgl. Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217,222. 252 Vgl. H.Schmidt in U/mer!Brandner/Hensen § 12 AGBG Rdnr. 3 und Anh. § 2 AGBG Rdnr. l; Lindacher in Wolf!Hom/Lindacher § 12 AGBG Rdnr. 5; Palandt!Heldrich Art. 29 EGBGB Rdnr. l (§ 12 AGBG ergänzt Art. 29 EGBGB). 253 MünchKomm/Martiny Art. 29 EGBGB Rdnr. 28.

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Sitzes der Hauptniederlassung dieser Partei als bestehend. Wird die charakteristische Leistung dagegen von einer anderen Niederlassung aus erbracht, greift die Vermutung zugunsten des Rechts am Sitz dieser Niederlassung. Als "andere Niederlassung" i.S.d. Art. 28 li 2 Hs. 2 EGBGB ist jedenfalls eine Zweigniederlassung einzustufen. 254 Das Erfordernis der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit erfaßt jede auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko ausgeübte Betätigung, die dem Erwerb von Einkommen dient. 255 Demzufolge spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob der ausländische Träger der Zweigniederlassung als Kaufmann einzuordnen ist; auch Zweigniederlassungen von Nichthandelsgesellschaften unterfallen dieser Norm. Eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit liegt nur dann nicht vor, wenn der Vertragsschluß lediglich den privaten Bereich des ausländischen Unternehmensträgers berührt. Hinter diesen Vermutungen treten sonstige Anhaltspunkte fiir die engste Verbindung i.S.d. Art. 28 I EGBGB zurück, sofern sich nicht aus den Gesamtumständen eine engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates ergibt (Art. 28 V EGBGB). 256 aa) Bestimmung der charakteristischen Leistung

Gemäß Art. 28 li 3 EGBGB gelten die Vermutungen des Art. 28 li EGBGB nicht, wenn sich die charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt. Dies ist regelmäßig bei Tauschverträgen der Fall. 257 Ansonsten handelt es sich bei der ausschlaggebenden Leistung um die den jeweiligen Vertragstyp kennzeichnende Verpflichtung, d.h. die Sach- oder Dienstleistung, jedoch nicht die Geldzahlung. 258 Dies gilt auch fur Darlehensverträge; dort ist die Leistung des Darlehensgebers, nicht die Rück- oder Zinszahlung, ausschlaggebend. 259 Bei Warenkaufverträgen kommt es somit auf den Verkäufer an, bei Werkverträgen auf den Werkunternehmer und bei Dienstverträgen auf den Dienstleistenden260; fiir Schenkungen ist die Leistung des Schenkers prägend261 , fur Ge-

§ 52 III 2 S. 417; Soerge/lv.Hoffmann Art. 28 EGBGB Rdnr. 8. Soerge/lv.Hoffmann Art. 28 EGBGB Rdnr. 5. 256 Palandt/Heldrich Art. 28 EGBGB Rdnr. 4. 257 Palandt/Heldrich Art. 28 EGBGB Rdnr. 9; v.Bar, IPR Band 2, S. 359 Rdnr. 486; überwiegt ein Tauschgegenstand den anderen merklich, gelangt man in die Problematik der gemischten Schenkung, was u.U. zu einer Spaltung des Vertragsstatuts filhren kann. 258 Sch/osshauer-Selbach, S. 76 Rdnr. 284; Kropholler, §52 ill S. 416. 259 Palandt!Heldrich Art. 28 EGBGB Rdnr. 12. 26 Kropho/ler, §52 ill S. 418. 261 Palandt!Heldrich Art. 28 EGBGB Rdnr. 10. 254 Kropholler, 255

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schäftsbesorgungsverhältnisse diejenige des Geschäftsbesorgers. 262 Bei Leasingverträgen wird die charakteristische Leistung durch den Leasinggeber erbracht, bei Franchisingverträgen durch den Franchisegeber. 263 Auf den Erfüllungsort kommt es dagegen nicht an. 264 bb) Charakteristische Leistung durch den inländischen Vertragspartner Ist die charakteristische Vertragsleistung durch den inländischen Vertragspartner zu erbringen, so führt die Vermutung des Art. 28 II 1 EGBGB grundsätzlich zur Anwendung des deutschen Rechts als Vertragsstatut Aus diesem Blickwinkel ergeben sich mithin keine Schwierigkeiten. Ob der Vertrag beruflichen oder gewerblichen Bezug hat, ist insoweit unerheblich. cc) Charakteristische Leistung durch das ausländische Untemelunen; Einordnung des Direktversendungskaufs Für den vertraglichen Rechtsbereich von Zweigniederlassungen ist vor allem Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB von Bedeutung. Soll die charakteristische Leistung von einer anderen Niederlassung als der Hauptniederlassung erbracht werden und geschieht dies in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei, so gilt eine Vermutung zugunsten des Rechts am Ort dieser Niederlassung. Soweit also eine ausländische Zweigniederlassung in Deutschland in dieser Weise tätig wird, ist auf den Vertrag das Recht an ihrem Sitz anzuwenden, mithin deutsches Recht. 265 Es bleibt jedoch auch denkbar, daß ein Vertrag zwar über die Zweigniederlassung im Inland geschlossen wird, die Vertragsleistung aber direkt von der Hauptniederlassung an den inländischen Kontrahenten zu erbringen ist. Darunter fallt insbesondere ein Direktversendungskauf, bei dem die Lieferung der Kaufsache vertragsgemäß aus dem Ausland unmittelbar an den Käufer erfolgen soll. Für diese Fälle greift die Vermutung des Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB nicht mehr. Folglich müßte über die nun einschlägige Vermutung des Art. 28 II 2 Hs. 1 EGBGB grundsätzlich das Recht am Ort der Hauptniederlassung zur Anwendung kommen. Dennoch erscheint es m.E. aus Gründen der Rechtssicherheit, die gerade im Verkehr mit einer Zweigniederlassung anzustreben ist, ungerechtfertigt, diesen Sachverhalt durchgehend ebenso zu be-

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v. Bar, IPR Band 2, S. 366 Rdnr. 496 illld S. 367 Rdnr. 497 (insbes. für Bankge-

schäfte).

v. Bar, IPR Band 2, S. 371 Rdnr. 502. Kropholler, §52 III 2 S. 417. 265 Kegel, IPR, S. 490.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

handeln wie den Vertragsschluß durch einen nur einmalig nach Deutschland eingereisten Vertreter. Die Zweigniederlassung stellt gerade ein organisatorisch und örtlich relativ verselbständigtes Gebilde dar. Fälle, in denen über die Zweigniederlassung ein Versendungskauf mit der Zentrale eingeleitet wird, unterscheiden sich in ihrer Abwicklung (und damit ihrem örtlichen Schwerpunkt) nur gering von jenen, in denen die Kaufsache zunächst aus dem Ausland an die Zweigniederlassung gesandt und erst dann an den deutschen Vertragspartner ausgeliefert wird. Dieses Ergebnis läßt sich dogmatisch entweder mit Hilfe des Art. 28 V EGBGB begründen, indem man annimmt, daß in diesem Fallaufgrund der Gesamtumstände doch eine engere Verbindung zum Inland besteht, 266 oder durch eine teleologische Extension der Vermutung in Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB. Zuzugeben ist allerdings, daß aus dem genannten Gedanken wegen der im klaren Wortlaut des Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB zum Ausdruck kommenden gesetzgebensehen Regelungsabsicht keine allgemeine Abweichung fiir Fälle hergeleitet werden darf, in denen die ausländische Hauptniederlassung eine Leistung erbringt. 267 dd) Ausnahmen Für schuldrechtliche Verträge über dingliche Rechte an Grundstücken erfolgt gemäß Art. 28 III EGBGB eine Vermutung zugunsten des Rechts des Lageortes. Für Güterbeförderungsverträge gilt ebenfalls eine gesonderte Vermutung durch Art. 28 IV EGBGB. Widerlegbar sind schließlich sämtliche Vermutungen über Art. 28 V EGBGB. Gesondert bestimmt sich das Vertragsstatut bei Verbraucherverträgen. Gemäß Art. 29 II EGBGB ist hierfür das Recht des Staates, indem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, maßgeblich. d) Willenserklärungen, Willensmängel

Gemäß Art. 31 I EGBGB gilt schon fiir das Zustandekommen des Vertrages die auf den Vertrag selbst anwendbare Rechtsordnung. Folglich sind Angebot und Annahme, der Zugang von Willenserklärungen, Willensmängel (und daraus folgend die Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung) sowie die Frage eines Dissenses nach dem Vertragsstatut zu beurteilen.268 Das Vertragsstatut 266 Einen Bruch der Vennutungen des Art. 28 ll zugunsten Art. 28 V läßt v.Bar, IPR Band 2, S. 361 Rdnr. 490, unter Berücksichtigung des Vertragsabschluß- und des Erfüllungsortes zu. Beide liegen in diesem Fall im Inland. 267 Soweit ersichtlich, hat eine Erörterung dieser Frage bisher nicht stattgefunden. 268 v. Bar, IPR Band 2, S. 391 Rdnr. 536.

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soll in dieser Hinsicht bereits Anwendung finden, sobald auch nur der Rechtsschein eines Vertrages gesetzt worden ist. 269 e) Einbeziehung von AGB in den Schuldvertrag Für die Einbeziehung von AGB in den schuldrechtlichen Vertrag, die von einer Rechtswahl durch AGB zu unterscheiden ist, gilt grundsätzlich ebenfalls Art. 31 I EGBGB, 270 da sie Zustandekommen bzw. Wirksamkeit von Vertragsbestinunungen betrifft. Die Anknüpfung der Wirksamkeit allgerneiner Geschäftsbedingungen erfolgt somit nach dem Vertragsstatut Ist deutsches Recht - wie dies bei Inlandsverträgen unter Beteiligung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen überwiegend der Fall sein wird - Vertragsstatut, so konunt das deutsche AGB-Gesetz kollisionsrechtlich demnach ohne weiteres zur Anwendung. 271 Eines Rückgriffs auf§ 12 AGBG bedarf es in dieser Konstellation nicht. Fraglich ist jedoch, ob im Rahmen der Inhaltskontrolle, insbesondere in bezug auf die Generalklausel des § 9 I AGBG, trotz deutschen Vertragsstatuts eine Auslegung vorzunehmen ist, die der Internationalität des Sachverhaltes Rechnung trägt. Während dies fiir den kaufmännischen Verkehr bejaht wird, da der arn internationalen Geschäftsverkehr teilnehmende Kaufmann tendenziell weniger Schutz verdiene, 272 lehnt man eine solche Einschränkung fiir nichtkaufmännische Kunden ab.273 Dieser Lösung ist zuzustimmen, da anderenfalls der durch die gesetzliche Regelung eindeutig bezweckte besondere Verkehrsschutz fiir Nichtkaufleute274 ausgehebelt würde. Bei Kaufleuten, denen das AGBG schon fiir den rein inländischen Verkehr eine geringere Schutzwürdigkeit zumißt, läßt sich auf den dieser Darstellung zugrunde liegenden Erkennbarkeilsaspekt zurückgreifen. Ihnen ist eine Kenntnis besonderer internationaler Handelsbräuche bzw. eine Erkundigung nach denselben

269 Fischer, IPRax 89, 215, 217 (gegen eine Vetomöglichkeit über Art. 31 II); v.Bar, IPR Band 2, S. 390 Rdnr. 535. 27 Kropholler, §52 I S. 405; abweichendJayme, ZHR 142 (1978), 105, 121 (Maßgeblichkeit des dem Annehmenden vertrauten Rechts). 271 Vgl. H.Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen Anh. § 2 AGBG Rdnr. 4. 272 Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 60. 273 BGH, Urt. 20.1.83 (Vll ZR 105/81), BGHZ 86, 284,290 (inländisches Interesse an wirksamem Verbraucherschutz hier vorrangig ggü. Streben nach internationaler Rechtssicherheit); H.Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen Anh. § 2 AGBG Rdnr. 34 a.E. 274 Dieser kommt mittelbar in § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG zum Ausdruck.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

zuzumuten, sobald der Auslandsbezug der Zweigniederlassung kenntlich wird?75 Eine weitere Einschränkung wird dahingehend vorgenommen, daß trotz Geltung des inländischen Personalstatuts bei der Auslegung der allgemeinen Geschäftsbedingungen das "internationale Moment" Berücksichtigung finden soll. 276 Dieser Ansatz bezieht sich jedoch primär auf grenzüberschreitende Vertragsschlüsse. Bei Beteiligung einer Zweigniederlassung erschöpft sich i.d.R. der internationale Bezug des Vertrages in der Rechtseinheit zwischen Zweigniederlassung und Hauptgesellschaft, die verpflichtet wird; Abschlußverhandlungen und Vertragsschluß als solcher finden im Inland statt. Der Gesetzgeber hat aber in Art. 29 EGBGB und § 12 AGBG zu erkennen gegeben, daß er unter den dortigen Voraussetzungen eine Sonderanknüpfung deutscher Schutzbestimmungen für erforderlich hält. Zwar sollte, wie bereits oben unter IV erläutert, dem Verkehrsschutz im internationalen Privatrecht grundsätzlich kein Vorrang vor der Rechtssicherheit eingeräumt werden. Dies kann aber nicht in Rechtsbereichen gelten, in denen gesetzliche Regelungen mit deutlicher Schutztendenz vorgegeben sind. 277 Überdies fehlen für den inländischen Vertragspartner sowohl Möglichkeit als auch Anlaß, sich nach ausländischen oder internationalen AGB-Gepflogenheiten zu erkundigen, wenn er von der Geltung des deutschen Vertragsrechts ausgehen darf. Für diese Beschränkung der Auslegung auf inländische Gepflogenheiten spricht schließlich Art. 31 I Nr. 1 EGBGB. Folglich ist m.E. bei einem inländischen Vertragsschluß über eine Zweigniederlassung mit deutschem Vertragsstatut nicht auf internationale Aspekte zur Auslegung von AGB abzustellen. 278 Ist indessen ausländisches Recht Vertragsstatut, sei es aufgrund einer Rechtswahl oder weil die charakteristische Leistung von der ausländischen Hauptniederlassung erbracht wird, so unterfallt diesem über Art. 31 I EGBGB grundsätzlich auch die Einbeziehung und Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das ausländische Unternehmen.279 Die Regelungen des deutschen AGB-Gesetzes kommen allenfalls bei einer Rechtswahl und nur unter den Voraussetzungen des Art. 29 I EGBGB oder auf der Grundlage des § 12 AGBG280 zur Anwendung. Greift § 12 AGBG, so führt die Unwirksam275 Um so mehr wird dies gelten, sobald der Kaufmannsbegriff reformatorisch dem Umfang des Gewerbesangepaßt sein wird; vgl. Fn 13. 276 Lindacher in Wolf!Hom/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 66-69. 277 Vgl. GroßkommAGBG!v. Westphalen § 12 AGBG Rdnr. 1 (§ 12 verlangt substantiell gleichen Schutz vor AGB eines ausländischen Verwenders). 278 Ablehnend auch H.Schmidt in Ulmer!Brandner!Hensen Anh. § 2 AGBG Rdnr. 35. 279 Lindacher in Wolf!Hom/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 65. 280 Zu den Einzelheiten des§ 12 AGBG siehe vorstehend unter b) dd).

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keit einer Klausel jedoch nicht zu einem Rückgriff auf deutsches dispositives Gesetzesrecht, 281 da sonst das ausländische Vertragsstatut unterlaufen würde. § 6 II AGBG ist insoweit nicht anwendbar. j) Vertragliche Haftungsbeschränkungen auf das Zweigniederlassungsvermögen

Da der ausländischen Hauptniederlassung die aus der einheitlichen Rechtsträgerschaft resultierende Verpflichtung des Gesamtunternehmens unerwünscht ist, wird sie versuchen, ihr Risiko zu minimieren und eine Haftungsbegrenzung auf das Vermögen, das räumlich und organisatorisch der Zweigniederlassung zugewiesen ist, durchzusetzen. Zu denken wäre zunächst an eine dahingehende Klausel im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung des ausländischen Unternehmens (sofern es sich um eine Gesellschaft handelt). Weil aber die Bestinunung des Zweigniederlassungsbegriffs nach deutschem Recht erfolgt282 und dieses von der genannten rechtlichen Einheit ausgeht, entfaltet eine solche Freizeichnungsklausel gegenüber inländischen Geschäftspartnern keine Wirkung; 283 um eine umfassende Trennung in zwei haftende Vermögensmassen zu erreichen, hätte eine Tochtergesellschaft errichtet werden müssen.284 Es verbleibt allerdings der Weg einer vertraglichen Haftungsbeschränkung im Einzelfall. Wegen der rechtlichen Identität zwischen Zweig- und Hauptniederlassung kann indessen die grundsätzliche Verpflichtung, d.h. die Stellung des Gesamtunternehmens als Schuldner, auch auf diese Weise nicht verhindert werden. Wird die Zweigniederlassung verpflichtet, so gilt dies auch für die Hauptniederlassung. Möglich ist dagegen eine Beschränkung des Haftungssubstrats auf den Vermögensteil, der wirtschaftlich dem Betrieb der Zweigniederlassung zugeordnet ist. 285 Verpflichtet wäre in diesem Fall zwar nach wie vor das Gesamtunternehmen, jedoch gegenständlich beschränkt auf jenes Vermögen. Erfolgt eine solche Haftungsbeschränkung durch AGB, so besteht aber - bei Anwendbarkeit des deutschen AGBG - angesichts ihrer

Soergel/Lüderitz [11. Aufl.] Vor Art. 7 EGBGB Rdnr. 292. Zur Qualifikation ausländischer Strukturen als Zweigniederlassungen s.o. erstes Kapitel li. 283 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 580. 284 Möglicherweise läßt sich ein Gesellschaftsvertrag mit einer solchen Klausel als Vertrag zur Gründung einer Tochtergesellschaft interpretieren. Solange aber kein dahingehender Eintragungsantrag gestellt, sondern eine Zweigniederlassung angemeldet worden ist, handelt es sich allenfalls um eine Vorgründungsgesellschaft, woraus ebenfalls eine persönliche Haftung des Hauptunternehmens resultiert. 285 Knieper/Jahrmarkt, S. 112 Rdnr. 155. 281

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Systemfremdheit eine Überraschungsgefahr i.S.d. § 3 AGBG bzw. eine Gefahr der unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 9 I AGBG. g) Sekundärhaftung (Leistungsstörungen i. w.S.)

Den (hier weit gefaßten) Bereich der vertraglichen Sekundärhaftung deckt im wesentlichen die Kollisionsnorm des Art. 32 EGBGB ab; sie ist demnach in dem dort geregelten Umfang dem Vertragsstatut unterworfen. Zu den von Art. 32 I Nr. 3 EGBGB erfaßten Folgen einer vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen gehören unstreitig die Mängelgewährleistung, die Unmöglichkeit sowie Schuldner- und Gläubigerverzug. 286 Mithin ist bei deutschem Vertragsstatut z.B. § 377 HGB anwendbar, sofern dessen besondere Voraussetzungen vorliegen. 287 Gleiches gilt für die Bestimmung der Eigenschaft als Erfiillungsgehilfe. 288 Ebenso wird eine Haftung wegen positiver Vertragsverletzung erfaßt, da sie auch auf einer teilweisen Nichterfiillung, i.e. Schlechterfiillung, basiert. 289 Fraglich ist dagegen, ob auch eine Haftung wegen Verschuldeos bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) unter diese Kollisionsnorm zu fassen, also als Form der Nichterfiillung zu qualifizieren ist. Da das Verhalten, welches die Haftung auslöst, dem Vertragsschluß zeitlich vorgelagert ist, handelt es sich genaugenommen (noch) nicht um die Nichterfiillung einer vertraglichen Verpflichtung. Ferner kann diese Rechtsfigur, da sie nicht nur Äquivalenz-, sondern auch Integritätsinteressen schützt, materiell durchaus eine gewisse Nähe zum Deliktsrecht aufweisen; bei Verletzungen der Integrität könnte man daher die Haftung als deliktsrechtlich qualifizieren, zumal sie dann insbesondere einen weitergehenden Schadensersatz als das gewöhnliche Deliktsrecht bezweckte. 290 Wird jedoch die culpa in contrahendo durchgehend als Vorwirkung eines zukünftigen Vertrages wegen eines gesteigerten sozialen Kontaktes begriffen, rechtfertigt sich eine derartige Unterscheidung nicht. Hier wirft ein potentieller Vertrag seine Schatten bzw. seine Lichter voraus und schafft dadurch ein gesetzliches Schuldverhältnis. Ebenso wie es sich bei dem Konstrukt der culpa post contractum finitum um eine Nachwirkung der Pflichten einer v.Bar, IPR Band 2, S. 398 Rdnr. 546. Über die Bestimmung der Kautmannseigenschaft als Tatbestandsvoraussetzung des § 377 HGB trifft Art. 32 I Nr. 3 EGBGB keine Aussage. 288 v.Bar, IPR Band 2, S. 398 Rdnr. 546. 289 Palandt!Heldrich · Art. 32 EGBGB Rdnr. 5; v. Bar, IPR Band 2, S. 406 Rdnr. 557. 29 Für eine solche Aufspaltung Erman/Hohloch Art. 32 EGBGB Rdnr. 21 ; Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281, 286 u. 288; v.Bar, IPR Band 2, S. 407 Rdnr. 558; unklar OLG Frankfwt, Urt. v. 11.7.85 (1 U 134/84), IPRax 86, 373, 377 a.E. 286

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VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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an sich abgeschlossenen vertraglichen Beziehung handelt, weist die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß eine Nähe zu den späteren Vertragspflichten auf. 291 Eine faktische Ähnlichkeit zum Delikt kann ebenso bei der positiven Vertragsverletzung auftreten, die der culpa in contrahendo eng verwandt ist; auch dort hindert sie eine Einordnung unter Art. 32 I Nr. 3 EGBGB nicht. Folglich sprechen die besseren Gründe fiir eine generelle Qualifikation der Haftung fiir Verschulden bei Vertragsschluß als Teilfrage der Nichterfüllung i.S.d. Art. 32 I Nr. 3 EGBGB. Sie unterfällt demnach gleichfalls dem Vertragsstatut 292 In bezug auf die kollisionsrechtliche Einordnung von Fragen des Bereicherungsrechts ist zu unterscheiden: Die Leistungskondiktion stellt sich als Folge der Nichtigkeit eines Vertrages i.S.d. Art. 32 I Nr. 5 EGBGB dar und folgt demzufolge nach einhelliger Auffassung dem Vertragsstatut 293 Dagegen unterliegt die Nichtleistungskondiktion nach wohl überwiegender Auffassung derjenigen Rechtsordnung, in deren Geltungsbereich der Eingriff erfolgte. 294

h) Zweigniederlassung und UN-Kaufrecht Die Bundesrepublik Deutschland hat das Wiener UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf (Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG) 295 ratifiziert. In seinem Anwendungsbereich (Kaufund Werkverträge296) verdrängt es das nationale Kollisionsrecht Da Deutschland die Abkommen des Raager Einheitlichen Kaufrechts (Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen - EKG, Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen - EAG) gekün-

Vgl. OLG München, Urt. v. 15.7.54 (6 U 891/54), RIW 56, 127. Soerge/lv.Hoffmann Art. 32 EGBGB Rdnr. 32; Soergel!Lüderitz Art. 38 EGBGB Rdnr. 85; Palandt/Heldrich Art. 32 EGBGB Rdnr. 8. 293 BGH, Urt. v. 17.11. 94 (ill ZR 70/93), DtZ 95, 250, 253 a.E.; OLG Köln, Urt. v. 8.4.94 (20 U 226/92), NJW-RR 94, 1025, 1025 a.E.; Palandt/Heldrich Art. 32 EGBGB Rdnr. 7; Ennan/Hohloch Art. 32 EGBGB Rdnr. 15; v.Bar, lPR Band 2, S. 400 Rdnr. 549; Firschinglv.Hoffmann, S. 390 Rdnr. 4; Einsele, JZ 93, 1025, 1025. 294 Vgl. Firsching/v.Hoffmann, S. 392 Rdnr. 5; a.A. Kegel, S. 527 (Rechtsordnung, nach der sich die dingliche Wirksamkeit der Vennögensverschiebung beurteilt); ablehnend auchEinsele, JZ 93, 1025, 1029 und 1030 (Erfolgsort insbesondere bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in Forderungsrechte zweifelhaft). 295 Abgedr. in BGBI. 1989 II, 586 ff.; Ratifikation in BGBI. 1990 II, 1477. 296 Siehe Art. 3 I CISG. 291

292

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

digt hat297 , sind nunmehr für internationale Warenkäufe lediglich die Regelungen des CISG ausschlaggebend. 298 Voraussetzung des CISG ist in räumlicher Hinsicht gemäß Art. 1 Abs. 1, daß die am Vertrag beteiligten Parteien ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben. Stellt man darauf ab, daß in den hier behandelten Fällen die Hauptniederlassung des einen Vertragsteils im Ausland liegt, so wäre das CISG grundsätzlich anzuwenden. Jedoch ergibt sich aus Art. 10 lit. a CISG, daß bei mehreren Niederlassungen einer Partei diejenige mit der engsten Beziehung zum Vertrag ausschlaggebend ist. Bei einem Vertragsschluß unter Beteiligung einer Zweigniederlassung in Deutschland ist demnach grundsätzlich auf diese Bezug zu nehmen?99 Dannjedoch liegen die i.S.d. Art. 1 CISG maßgeblichen Niederlassungen nicht mehr in verschiedenen Staaten, so daß der Anwendungsbereich des CISG nicht mehr eröffnet ist. Besteht indessen ausnalunsweise - eine engere Beziehung der Hauptniederlassung zu dem betreffenden Vertrag, wie dies in den für den Versendungskauf angesprochenen Ausnahmemöglichkeiten zu Art. 28 II 2 Hs.2 EGBGB denkbar ist,300 so befinden sich die maßgeblichen Niederlassungen wieder in verschiedenen Staaten; das CISG kommt zur Anwendung. 301 Auch wenn der Anwendungsbereich des CISGeröffnet ist, können die Vertragsparteien gemäß Art. 6 CISG seine Geltung ganz oder teilweise ausschließen. 302 Umgekehrt wird aber auch angenommen, daß die Unterwerfung unter das CISG durch eine Rechtswahl möglich ist, sofern das maßgebliche IPR eine Rechtswahl kennt. 303 Die Bedeutung des CISG für Verträge, die unter Beteiligung einer Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland geschlossen werden, ist aufgrund des vorstehend Gesagten insgesamt gering einzuschätzen.

BGBI. 1990 IT, 2894 u. 2895. in Wolf/Hom/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 78; vgl. v. Westphalen/Piltz UN-Kaufrecht Rdnr. 13. 299 Vgl. v.Caemmerer/Schlechtriem/Herber Art. 1 CISG Rdnr. 27; Staudinger!Magnus Art. 1 CISG Rdnr. 65. 300 s.o. drittes Kapitel VIT 2 c) cc). 301 Skeptisch v.Caemmerer!Schlechtriem/Herber Art. 10 CISG Rdnr. 3: Auch dann habe die vertragsschließende Niederlassung die rechtliche Disposition über den Vertrag. 302 Auch stillschweigend: Reinhart Art. 6 Rdnr. 5; Lindacher in Wo/f/Horn/Lindacher Anh. § 2 AGBG Rdnr. 80; durch AGB: H.Schmidt in Ulmer!Brandner/Hensen Anh. § 2 AGBG Rdnr. 16. 303 Staudinger!Magnus Art. 1 CISG Rdnr. 60 u. 61 . 297

298 Lindacher

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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i) Zwischenresümee

Für den überwiegenden Bereich des Schuldrechts finden sich gesetzliche Regelungen, die Kollisionsfragen beantworten und eindeutig vom Personalstamt abgekoppelt worden sind. Wendet man diese auf Verträge an, die unter Beteiligung einer deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland mit inländischen Rechtsträgem geschlossen werden, so gelangt man in der überwiegenden Zahl der Fälle zur Maßgeblichkeit des deutschen Schuldrechts. Denkbare Ausnahmen wie der genannte Direktversendungskauf sind praktisch kaum relevant. Eine Rechtswahl, die ausdrücklich oder durch AGB erfolgen kann, dürfte nur bei Verträgen mit inländischen Großkunden realistisch sein. Gleiches gilt für eine Wahl des CISG. Wegen der klaren Leitlinien des Gesetzgebers - gerade in bezug auf die Schutznormen in Art. 29 EGBGB und § 12 AGBG - ist in diesem geregelten Kollisionsrechtsbereich kein Raum für Reziprozitätserwägungen; ein Rückgriff auf das Personalstatut kommt mithin nicht in Frage. Ergänzend sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, daß für den Erlaß eines Mahnbescheides, der durch die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens beantragt wird, gemäß § 689 II 2 ZPO ausschließlich das Amtsgericht Schöneberg zuständig ist; dies beruht darauf, daß für ein solches ausländisches Unternehmen zwar ein besonderer Gerichtsstand arn Ort der (Zweig-) Niederlassung (§ 21 ZPO), jedoch kein allgemeiner Gerichtsstand im Inland besteht. 304

3. Recbtsf"ä.higkeit Zu den umstrittensten Fragen des internationalen Gesellschaftsrechts zählt die kollisionsrechtliche Bestimmung des Umfangs der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft. Während sich das Problem des Bestehens der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft im Wege der Anerkennung löst, 305 mit deren Hilfe die Verleihung der Rechtsfähigkeit durch das Ausland auch im Inland akzeptiert wird, stellt sich für den Umfang der Rechtsfähigkeit eine originäre Anknüpfungsfrage. Die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens betrifft die letztgenannte Problemstellung besonders, da sie nur einen Teil eines ausländischen Rechtsträgers bildet. Ist der Umfang der Rechtsfähigkeit der ausländischen Hauptgesellschaft beschränkt, kommt dies möglicherweise auch bei Rechtsgeschäften zum Tragen, die von 304 BGH, Beschl. v. 11.10.1990 (I ARZ 611/90), BGHR ZPO § 689 Abs. 2 Satz2 Ausländische Handelsgesellschaft I. 305 Vgl. Balser/Pichura, S. 10; Nußbaum, S. 190.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

der Zweigniederlassung in Deutschland abgeschlossen werden. Mithin treffen Interessen des Heimat- und des Sitzstaates der Zweigniederlassung an der Geltung der jeweils vertrauten Rechtsordnung aufeinander. Leitlinie wird dabei der oben entwickelte Grundsatz der positiven Reziprozität sein. Keine Relevanz hat eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit bei Zweigniederlassungen ausländischer Einzelunternehmer. Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person ist ohnehin nur denkbar, wenn eine ausländische Rechtsordnung Fälle fehlender Geschäftsfähigkeit dem Bereich der Rechtsfähigkeit zuordnet, also eine dem deutschen Recht vergleichbare Unterscheidung nicht kennen sollte. 306 Art. 12 S. 1 EGBGB schützt in diesen Fällen den gutgläubigen inländischen Geschäftsverkehr unmittelbar. Bezüglich des Umfangs der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft fehlt es indessen an einer geschriebenen Kollisionsnorm des deutschen Rechts. Folglich muß unter Berücksichtigung und Bewertung der betroffenen Interessen eine ungeschriebene Kollisionsregel herausgearbeitet werden. a) Bedeutung

Solange sich die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft des Auslandes in ihrem Heimatstaat in einer dem deutschen Recht vergleichbaren Weise bestimmt, also in bezug auf ihren Umfang derjenigen des deutschen Rechts entspricht, spielt die Anknüpfung der Reichweite dieser Rechtsfähigkeit keine praktische Rolle. Von Bedeutung wird die Frage nach dem anwendbaren Statut erst, wenn - hier - über eine deutsche Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, sich die ausländische Gesellschaft aber nachfolgend darauf beruft, die Materie des Geschäfts sei außerhalb der Grenzen ihrer Rechtsfähigkeit angesiedelt, so daß sie keine Primärverpflichtung treffe. b) Konstellationen

In der Praxis werden für den abendländischen Rechtskreis grundsätzlich zwei Arten der Beschränkung der Rechtsfähigkeit nach ausländischen Rechtsordnungen genannt, die dem deutschen Recht (möglicherweise) fremd sind. Es sind dies die ultra-vires-Doktrin des anglo-amerikanischen Rechtes sowie der Spezialitätsgrundsatz des romanischen Rechtes; 307 letzterer soll anband der französischen specialite statutaire erläutert werden. Die systematische Veror-

306 Nach deutschem Recht sind Beschränkungen der Rechtsfähigkeit bei natürlichen Personen nicht möglich, § 1 BGB. 307 Vgl. hierzu beispielhaft Maser, in: FS Bürgi, S. 283, 287.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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tung dieser Einschränkungen, insbesondere der ultra-vires-Lehre, ist in der Literatur allerdings noch unklar. Von der wohl überwiegenden Zahl der Autoren werden sie als Problem der Rechtsfähigkeit eingeordnet. 308 Andere halten diese Rechtsfiguren dagegen für Beschränkungen der organschaftliehen Vertretungsmacht 309 Da dem deutschen Recht - wie noch zu zeigen sein wird Beschränkungen der organschaftliehen Vertretungsmacht aus dem Gesellschaftszweck durchaus nicht unbekannt sind, läge es näher, diese Frage ausschließlich im Rahmen der Bestimmung der gesetzlichen Vertretung zu erörtern. Um aber der überwiegenden Einordnungsweise Rechnung zu tragen, soll hier auf die genannten Beschränkungen in beiden Bereichen eingegangen werden. aa) Ultra-vires-Lehre Die ultra-vires-Doktrin310 des anglo-amerikanischen Rechtskreises kennzeichnet sich dadurch, daß eine Gesellschaft nur in den Grenzen ihres durch die Satzung (articles of association) festgelegten Unternehmensgegenstandes (objects clause)311 verpflichtet werden kann. Geschäfte, deren Inhalte über diesen Zweck hinausgehen, binden die Gesellschaft grundsätzlich nicht. 312 (1) England

Die ursprünglich, wie oben dargestellt, strikt zu verstehende ultra-viresDoktrin hat bereits in England gravierende Einschränkungen erfahren. So wurde sie auf der Grundlage der ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der

308 Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 7; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 262; Kaligin, DB 85, 1449, 1452; Bumeder, S. 152 Rdnr. 239; Wo/ff. S. 118; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 637; Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 104; Staub!Hüffer § 13 b HGB Rdnr. 1; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 18; MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 282; Zimmer, S. 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.1964 (2 U 114/61), AG 65, 16; auch Farrar, Company Law, S. 101 (capacity); unklar Großfeld, Untemehmensrecht, S. 42/43; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1589 einerseits und Rdnr. 1577 andererseits. 309 Nußbaum, S. 192 Fußn. 6; Saame, S. 96; Martz, S. 50; K.Schmidt, AcP 184 (1984), 529; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184; wohl auch Eggert, JA 78, 6, 10; Balser!Pichura, S. 12. 310 Zur Vielschichtigkeit des ultra-vires-Begriffs vgl. Gower!Prentice!Pettet, S. 166 U. 167. 311 Farrar, Company Law, S. 103 l.Abs.; Charlesworth & Morse, S. 71. 312 Gower/Prentice/Pettet, S. 167 :"If a Company (...] acted beyond the scope of the objects stated in the statute or in its memorandum of association, such acts were void as beyond the company's capacity."; vgl. auch Zimmer, S. 241.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWig

EG313 zunächst 1973 durch Sect. 9 des European Communities Act dahingehend begrenzt, daß man den daraus resultierenden Einwand gutgläubigen Dritten nicht mehr entgegenhalten konnte. 314 In Sect. 35 I des Companies Act 1985 wurde zugunsten einer gutgläubigen Person vermutet, daß sich das betreffende Rechtsgeschäft innerhalb des Unternehmensgegenstandes (capacity of the company) bewegt. 315 Sect. 108 des Companies Act 1989 ersetzt nun Sect. 35 und fugt Sect. 35 a und 35 b hinzu. 316 In Sect. 35 wird dabei die Bedeutung der ultra-vires-Handlung im wesentlichen in das Innenverhältnis der Gesellschaft verlegt. Nach außen ist grundsätzlich von der Gültigkeit des Geschäftes auszugehen (Sect. 35 I). Gleiches gilt gemäß Sect. 35 a CA fiir die Vertretungsmacht der Direktoren, wobei hier noch die Gutgläubigkeit des Geschäftspartners verlangt wird. Überdies wird in Sect. 35 b CA festgelegt, daß einen Vertragspartner keine Verpflichtung trifft, sich danach zu erkundigen, ob die streitige Maßnahme sich noch innerhalb der Grenzen des Unternehmensgegenstandes bewegt. Schließlich darf gemäß Sect. 3 a CA nunmehr ein umfassender satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand festgelegt werden, so daß eine Überschreitung der capacity von vornherein ausgeschlossen werden kann.317 Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß nach englischem Recht die ultra-vires-Lehre nur noch durchschlägt, wenn ein Gesellschaftsorgan die inhaltlichen Unternehmensgrenzen überschritten hat und der Vertragspartner bösgläubig war. 318 Der ultra-vires-Einwand kann demnach praktisch nicht mehr zum Erfolg fuhren. (2) USA

Für die USA ergibt sich generell die Schwierigkeit, daß das Gesellschaftsrecht in erster Linie der einzelstaatlichen Gesetzgebung unterliegt. Eine gewisse Koordinierung findet durch den sog. Model Business Corporation Act von 1946 statt, bei dem es sich um ein Modellgesetz handelt, nach dem sich zahlreiche Einzelstaaten gerichtet haben. 319 Eine Ergänzung ist durch den Revised Model Business Corporation Act von 1984 erfolgt. Ursprünglich war die ultra-vires-Lehre wie in England dahingehend zu verstehen, daß ein Geschäft, das die der Gesellschaft in engem Rahmen verliehenen Rechte überAbgedr. in Amtsbl. EG 1968 Nr. L 65/8. Vgl. Zimmer, S. 242. 315 Abgedr. in Butterworths Company Law Handbook, S. 35. 316 Abgedr. in Butterworths Company Law Handbook, S. 556 u. 557. 317 Vgl. Triebel!Hodgson/Kellenter!Müller, Rdnr. 621 . 318 v.Bemstorff, S. 50/51. Mithin ist die Problematik in der Tat von der Rechtsfähigkeit hin zur organschaftliehen Vertretung verlagert worden. 319 Merkt, S. 127 Rdnr. 132. 313 314

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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schritt, nichtig war. 320 Es wurden jedoch durch die Rechtsprechung zahlreiche Fallgruppen entwickelt, in denen der ultra-vires-Einwand ausschied.321 Neuere Entwicklungen des Gesellschaftsrechts führten schließlich dazu, daß nun in den Statuten der Gesellschaften eine Vielzahl von Unternehmensgegenständen (multi purpose clause) oder sogar eine umfassende Zweckangabe (general purpose clause) festgelegt werden kann. 322 Auf dieser Grundlage tritt die Gefahr einer Überschreitung des Unternehmensgegenstandes, also eines Handeins ultra vires kaum noch auf. Auch nach dem Revised Model Business Corporation Act reduziert sich die Bedeutung des ultra-vires-Einwands im wesentlichen auf das Innenverhältnis323 sowie auf die Spendentätigkeit von Gesellschaften. 324 Letztere spielt bei einer deutschen Zweigniederlassung keine Rolle. Schließlich wird der ultra-vires-Einwand dann verwehrt, wenn das betroffene Rechtsgeschäft bereits von einer Seite erfiillt worden ise25 oder wenn sämtliche Gesellschafter dem Geschäft zuvor zugestimmt hatten.326 Im Ergebnis gilt mithin das für den englischen Bereich Gesagte. bb) Specialite statutaire in Frankreich Auch das französische Recht geht - ähnlich der ultra-vires-Lehre - grundsätzlich davon aus, daß die Fähigkeit einer Gesellschaft zur rechtsgeschäftliehen Tätigkeit vom Unternehmensgegenstand (objet social) her bestimmt wird, wie er in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist. 327 Es wurde indessen bereits angenommen, daß dieses Prinzip ohnehin nur die Geschäftsfiihrungsbefugnis der Gesellschaftsorgane betreffe. 328 Im Hinblick auf

320 Solomon/Stevenson/Schwartz, S. 58; Moody!Rossen/Sogg, S. 85 (Nr.3); vgl. Merkt, S. 187 Rdnr. 254. 321 Merkt, S. 188 u. 189 Rdnr. 254. 322 Moody!Rossen/Sogg, S. 84 (Nr.4); Solomon/Stevenson!Schwartz, S. 58/59; Merkt, S. 189 Rdnr. 255 323 Solomon/Stevenson/Schwartz, S. 59: "The doctrin is now nearly defunct." 324 Vgl. Merkt, S. 190 Rdnr. 257. 325 Moody!Rossen/Sogg, S. 88 (Case 32, Answer). 326 Zimmer, S. 243. 327 Guyon, Droit des Affaires Tome 1, Tz 189: ,,La capacite des societes est [... ] limitee par Ia specialite statutaire, en ce sens que la societe ne peut agir que dans Ia Iimite de son objet, tel que precise par !es statuts". 328 So Ripert/Roblot, Traite de Droit Commercial, Tz 683 1, S. 556: "La specialite statutaire de!imite seulment Ia competence respective des differents organes sociaux."

8 Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

eine echte Außenwirkung diskutiert man diese Frage auch im Zusammenhang mit der organschaftliehen Vertretungsmacht. 329 Allerdings hat der französische Gesetzgeber seit 1969 die Außenwirkung einer Beschränkung auf den Gesellschaftsgegenstand stark eingegrenzt. Das Reformgesetz über die Handelsgesellschaften (Code des Societesi30 von 1966 in der geänderten Form von 1969331 bestimmt in Art. 49 V S. 2 für die societe a responsabilite limitee und in Art. 98 II für die societe anonyme eine Bindung der Gesellschaft selbst durch Rechtsak:te, die den objet social überschreiten, es sei denn, dem Geschäftspartner wird Bösgläubigkeit (positives Wissen oder Erkennbarkeil aus den Umständen) nachgewiesen. 332 Klauseln des Gesellschaftsvertrages, die die Organvertretungsmacht auf den Unternehmensgegenstand beschränken (wodurch mittelbar derselbe Effekt wie durch eine Begrenzung der Rechtsfahigkeit erreicht würde), können Dritten gar nicht mehr entgegengehalten werden (Art. 49 VI für die societe responsabilite limitee, Art. 98 III für die societe anonyme, Art. 255 III Code des Societes für die societe en commandite par actions sowie Art. 1849 III Code Civil für die societe civile).

a

Die Bedeutung des Grundsatzes der specialite statutaire hat sich damit wie schon im englischen und amerikanischen Recht - im wesentlichen auf das gesellschaftliche Innenverhältnis verlagert und reduziert. Schlägt sie bei Bösgläubigkeit des Kontrahenten noch nach außen durch, stellt dies im Ergebnis eine Parallele zur deutschen Figur des Mißbrauchs der Vertretungsmacht in sog. Evidenzfällen dar. cc) Bewertung Zahlreiche Erörterungen des Problems einer dem deutschen Recht fremden Beschränkung der Rechtsfahigkeit einer Gesellschaft stammen noch aus der Periode vor der Aufweichung der zuvor erörterten ultra-vires- bzw. Spezialitätsmodelle. Aus der Übernahme dieser alten Wurzeln erklärt sich, daß diese

329 So Sonnenberger!Dammann, S. 129 Rz III 54- 58; SoergeVLaderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 39; sowohl als Rechtsfähigkeits- als auch Vertretungsbeschränkung Comu, Vocabulaire Juridique, S. 776 Specialite, principe de. 330 Loi no 66-537 v. 24. 7.1966, abgedr. in Journal Officiel (Juillet) 1966, S. 64026440. 331 Ordonnance n° 69-1176 V . 20.12.1969, abgedr. in Journal Officiel (Decembre) 1969,8. 12679-12680. 332 Ebenda: "La societe est engagee meme par Ies actes du gerant qui ne relevent pas de l'objet social, a moins qu'elle ne prouve que Je tiers savait que l'acte depassait cet objet ou qu'il ne pouvait l'ignorer compte tenu des circonstances [...]"; vgl. auch Zimmer, S. 242.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Figuren in der neueren Literatur noch immer untersucht und als Beispiele fiir die Notwendigkeit einer kollisionsrechtlichen Reaktion durch das deutsche Recht genannt werden. Praktisch dürften jene Einschränkungen indessen kaum noch eine Rolle spielen. Weitere Beschränkungen der Rechtsfahigkeit, die vergleichbaren deutschen Gesellschaften fremd sind, werden im allgemeinen nicht mehr genannt. Angesichts der Vielzahl der einzelnen Rechtsordnungen auf dem Globus wäre es zwar übereilt, diese Frage im kollisionsrechtlichen Rahmen nicht mehr zu erörtern; im Hinblick auf die aus der Kolonialzeit bzw. der Blütezeit des Commonwealth resultierenden Orientierung zahlreicher Staaten an der englischen bzw. der französischen Rechtsordnung muß die Bedeutung "exotischer" Beschränkungen der Rechtsfahigkeit aber als sehr gering eingestuft werden. c) Kollisionsrechtliche Anknapfung- Grundsatzstreit

Ist die Rechtsfahigkeit der ausländischen Gesellschaft, die eine Zweigniederlassung in Deutschland errichtet hat, in einer dem deutschen Recht fremden Weise begrenzt und erhebt sie den Einwand jener Beschränkung gegen die Wirksamkeit eines über die Zweigniederlassung abgeschlossenen Vertrages, so bleibt es (trotz der Unwahrscheinlichkeit einer derartigen Begrenzung) erforderlich, die auf die Rechtsflihigkeit anwendbare Rechtsordnung zu ermitteln. Bevor auf etwaige Sonderanknüpfungen aus Gründen des Verkehrsschutzes einzugehen ist, stellt sich erneut die bereits am Anfang der Überlegungen erörterte Grundsatzfrage333 , ob in der Form eines Zweigniederlassungsstatuts oder zwecks Begünstigung des Verkehrs stets auf die deutsche Rechtsordnung zurückzugreifen ist. Die Rechtsfahigkeit der Gesellschaft zeitigt in erster Linie Wirkungen im Rechtsverkehr mit Dritten; demzufolge wird sie von den Vertretern des Zweigniederlassungsstatuts bzw. der Differenzierungslehre dem sog. Außenverhältnis zugeordnet. 334 Aufgrund einer Interessenahwägung kommen jene Verfasser zu dem Schluß, dieses Außenverhältnis und folglich auch die Rechtsfahigkeit der Gesellschaft generell dem deutschen Recht zu unterwerfen, d.h. den Umfang wie bei einer vergleichbaren deutschen Gesellschaftsform zu bestimmen. 335

333

m.

Zu Zweigniederlassungsstatut bzw. Günstigkeitslehre s.o. drittes Kapitel II bzw.

Grasmann, System, Rdnr. 55; Staehelin, S. 57 u. 61; Bumeder, S. 124 Rdnr. 183. Bumeder, S. 152 Rdnr. 238 und 239; Grasmann, System, Rdnr. 623; fllr Beschränkungen der Rechtsfah.igkeit in Bezug auf die Zweigniederlassung auch Wolff, IPR, S. 118 Fn 17 (keinerlei Wirkung der ultra-vires-Lehre). 334

335

s•

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Diese Unterscheidung ist jedoch, wie schon an früherer Stelle gezeigt wurde, aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. 336 Eine Aufspaltung des Statuts verunsichert nicht nur die Träger der ausländischen Gesellschaft und deren dortige Gläubiger, sondern letztlich auch den Rechtsverkehr des Inlandes, der aufgrundeiner langen Übung von der Maßgeblichkeit des Personalbzw. Gesellschaftsstatuts ausgeht. 337 Die Einheit des Unternehmens steht im Vordergrund. 338 Demnach ist der überwiegenden Auffassung insoweit zu folgen, als sie den Umfang der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft auch bei Tätigwerden über eine deutsche Zweigniederlassung im Grundsatz nach dem Personalstatut beurteilt. 339 Diese Einstufung entspricht überdies dem Reziprozitätsgedanken, weil auch deutschen Gesellschaften bei einer Auslandstätigkeit über eine Zweigniederlassung an der einheitlichen Geltung des deutschen Rechts gelegen ist. Wenn bei einer derartigen Aktivität in Ländern, deren Gesellschaften in ihrer Rechtsfähigkeit beschränkt sind, sich die deutsche Gesellschaft unverhofft mit darauf gestützten Einwänden konfrontiert sähe, könnte sich dies als Hemmschuh für Auslandsinvestitionen und mittelbar für den deutschen Export erweisen.

d) Sonderanknüpfung aus Verkehrsschutzgründen Wird grundsätzlich das Personalstatut für die Rechtsfähigkeit des ausländischen Unternehmens für maßgeblich erachtet, schließt sich aber die Frage an, ob aus Gründen des Verkehrsschutzes bei Tätigwerden der inländischen Zweigniederlassung in denjenigen Fällen eine Sonderanknüpfung vorzunehmen ist, in denen sich die Hauptgesellschaft auf eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit beruft, die einem vergleichbaren Gesellschaftstyp des deutschen Rechts fremd ist. Stets vorauszusetzen ist dabei, daß ein solcher Fall tatsächlich konstruiert werden kann.

336 Vgl. z.B. Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 240; Esche/bach, MittRhNotK 93, 179; Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 131; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 9. 337 Letzteres gesteht auch Grasmann, System, Rdnr. 33 u. 745, ein. 338 Vgl. Mann, SJZ 86, 21 , 22; Koppensteiner, S. 138 (Einheit des Gesellschaftsrechts). 339 Nußbaum, S. 191; Raape, IPR, § 25 V S. 201; Zimmer, S. 246; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1572; Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 7; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 262; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 251; Saame, S. 131; Kegel, S. 417; Staub!Hüffer § 13 b HGB Rdnr. 13; Koppensteiner, S. 142; Kropholler, § 55 II S. 495; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 17.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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aa) Gutglaubensschutz durch die h.M. Überwiegend wird zugunsten des gutgläubigen inländischen Geschäftsverkehrs gegenüber einer fremdartigen Beschränkung der Rechtsfahigkeit in Analogie zu Art. 12 S. 1 EGBGB eine Sonderanknüpfung vorgenommen. Man stützt diese auf Aspekte des Verkehrsschutzes;340 dieser sei dann erforderlich, wenn das Geschäft unter Anwesenheit beider Parteien im Inland vorgenommen werde, also immer beim Handeln durch eine Zweigniederlassung.341 So sollen dem ausländischen Unternehmen, das sein Tätigkeitsfeld erweitert hat, auch die damit verbundenen Risiken zugewiesen werden. 342 Ferner wird angeführt, Art. 12 EGBGB könne in Bezug auf die Rechtsfahigkeit ohnehin nur im Gesellschaftsrecht bedeutsam werden, da es nicht vorstellbar sei, daß sich eine natürliche Person auf ihre Rechtsunfahigkeit berufe.343 Dagegen soll der gutgläubige deutsche Geschäftspartner stets die fehlende Rechtsfahigkeit der ausländischen Gesellschaft reklamieren können; dann wirke diese auch zugunsten der Gesellschaft.344 bb) Kritik Gegen die Notwendigkeit eines Verkehrsschutzes auf diese Weise spricht in erster Linie, daß Beschränkungen der Rechtsfahigkeit einer Gesellschaft ähnlich der ultra-vires-Lehre dem deutschen Recht nicht von vornherein unbekannt sind. 345 Sie kommen mittelbar durch Begrenzungen der Vertretungsmacht der Organe zum Ausdruck; auf sie wird im einzelnen im Zusammenhang mit der organschaftliehen Vertretung einzugehen sein. Ist dem inländischen Geschäftspartner der Auslandsbezug der Zweigniederlassung erkennbar, wird ein Verkehrsschutz- jedenfalls in einer so weitgehenden Form wie durch die Analogie zu Art. 12 S. 1 EGBGB - entbehrlich. 346 Überdies käme der 340 Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 7; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 180; Kegel, S. 417; Staub!Hüffer § l3 b HGB Rdnr. 14; Wiedemann, S. 819; Großfeld, Untemehmensrecht, S. 42/43, Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 254 und 262; Kaligin, DB 85, 1449, 1452; v.Bar, IPR Band 2, S. 461; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. I 0 EGBGB Rdnr. 266; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1589; Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 120. 341 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 255; vgl. auch MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 284 (Verkehrsgünstigkeit). 342 Zimmer, S. 249; ähnl. Wiedemann, S. 819/820: Die ausländische Gesellschaft müsse sich die übliche Beurteilung der Rechtsfähigkeit gefallen lassen. 343 v.Bar, IPR Band 2, S. 461 Fn 160. 344 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 256. 345 Vgl. Eggert, JA 78, 6, 10. 346 Einschränkend auch MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 267, der schon aus der Kenntnis der Ausländereigenschaft u.U. auf Fahrlässigkeit schließen will.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Rückgriff auf Art. 12 S. 1 im Ergebnis einem Wirkungsstatut gleich, da diese Norm von der Geltung des deutschen Rechts als Regelfall ausgeht und der ausländischen Gesellschaft die Beweislast fUr die Bösgläubigkeit des Kontrahenten auferlegt; dieser Beweis wird jedoch schwerlich gelingen. Der Gedanke der Risikozuweisung gegenüber einem ausländischen Unternehmen läuft m.E. auf eine Vergeltungsmaxime hinaus, die unter Berücksichtigung der Gegenseitigkeit der deutschen Außenwirtschaft schwersten Schaden zufiigen könnte. Wenn v. Bar glaubt, die Erwähnung der Rechtsfähigkeit in Art. 12 S. 1 EGBGB impliziere schon eine Einbeziehung der Gesellschaften, so ist dem zuzugeben, daß Beschränkungen der Rechtsfähigkeit bei natürlichen Personen kaum denkbar sind; vielmehr ergeben sich i.d.R. allenfalls in bezug auf die Geschäftsfähigkeit Probleme. Dennoch scheint es denkbar, daß ein Staat die im deutschen bürgerlichen Recht bei der Geschäftsfähigkeit zu verortenden Fragen in dem Bereich der Rechtsfähigkeit ansiedelt. Folglich stellt sich die Erwähnung der Rechtsfähigkeit im Zusammenhang mit natürlichen Personen durch Art. 12 S. 1 EGBGB nicht als überflüssig, sondern als Absicherung gegen eine dem deutschen System möglicherweise gänzlich fremde Zuordnung dar. Man kann mithin aus dieser Norm nicht ableiten, daß sie Gesellschaften bereits notwendigerweise erfasse. Die genannte Wahlmöglichkeit des Kontrahenten, sich auf die fehlende Geschäftsfähigkeit zu berufen, widerspricht der innerstaatlichen Rechtssicherheit, da sie die deutsche Rechtsfigur der Anfechtung unterläuft. Entscheidend streitet gegen eine analoge Heranziehung jedoch die Tatsache, daß es ihrer wegen mangelnder Schutzwürdigkeit des inländischen Rechtsverkehrs schon nach dem Heimatrecht der Gesellschaft kaum bedarf. Sind die Figuren der ultra-vires-Lehre und der specialite statutaire bereits nach dem Gesellschaftsstatut so sehr eingeschränkt, daß sie gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden können, wird eine Sonderanknüpfung mittels einer Analogie nach deutschem Recht überflüssig. Für andere, allenfalls theoretische Beschränkungen der Rechtsfähigkeit nach ausländischen Rechtsordnungen kommt in Ausnahmefällen nach dem hier vertretenen Erkennbarkeitsmodell eine Sonderanknüpfung über den ordre public in Betracht. 347 Die Vorgehensweise der vorherrschenden Literatur ist somit abzulehnen? 48

347 Vgl. auch Balser!Pichura, S. 10; ähnl. wie hier Denzler, S. 377 (Durchbrechung des Personalstatuts nur durch absolut zwingende Rechtsvorschriften). 348 Kritisch ggü. der genannten Analogie auch Kropholler, § 55 ll S. 495; Koppensteiner, S. 161 (Sonderanknüpfung abzulehnen, da "loi de protection individuelle"); jeglicher Hinweis auf einen Verkehrsschutz fehlt in diesem Zusammenhang auch bei Raape, IPR, § 25 V S. 201.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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e) Publizitätswirkung über§ 15 I und 11 HGB bei Zweigniederlassungen? Die Frage, wie der Umfang der Rechtsfähigkeit der ausländischen Hauptgesellschaft kollisionsrechtlich zu beurteilen ist, läßt sich jedoch möglicherweise über die Publizitätswirkung des § 15 HGB lösen, wenn eine derartige, dem deutschen Recht fremde bzw. ungewohnte Beschränkung im Zusammenhang mit der Eintragung der Zweigniederlassung zugleich in das deutsche Handelsregister aufgenommen werden muß bzw. darf. In einem solchen Falle käme bei fehlender Eintragung im Wege der negativen Publizität des § 15 I HGB (i.V.m. der Verweisungsvorschrift des § 15 IV HGB fiir das Register der Zweigniederlassung) grundsätzlich das deutsche Recht zum Tragen, während sich die Rechtsfähigkeit bei einer eingetragenen Beschränkung über die positive Publizitätswirkung des § 15 II 1 HGB nach den Regelungen des Personalstatuts bestimmen ließe. §§ 15 I und II HGB beziehen sich ihrem Wortlaut nach nur auf einzutragende Tatsachen, setzen also grundsätzlich die Anordnung einer Einttagungspflicht voraus.349 Für den Bereich von Rechtsfähigkeitsbeschränkungen fehlt jedoch eine explizite gesetzliche Vorschrift des deutschen Rechts. 350 aa) Ungeschriebene Einttagungspflicht Die Wirkungen des § 15 HGB ließen sich indessen herbei.ftihren, wenn man von einer ungeschriebenen Einttagungspflicht ausginge; eine solche könnte sich ausnahmsweise aus wertenden Gesichtspunkten ergeben. 351 Offenbar auf dieser Grundlage gehen einige Autoren davon aus, daß Beschränkungen der Rechtsfähigkeit nach Maßgabe der ultra-vires-Lehre in das Handelsregister der deutschen Zweigniederlassung einzutragen seien.352 Eine Kundbarmachung sei in diesen Fällen elementar und deshalb besonders erforderlich. 353 Für eine analoge Anwendung des Art. 12 S. 1 EGBGB bleibt dann mangels einer Regelungslücke bei der Tätigkeit einer Zweigniederlassung kein Raum. 354

349 Vgl. GK-HGB/Nickel!Dreher vor§§ 8-16 HGB Rdnr. 7; Staub!Hüffer § 15 HGB Rdnr. 6. 350 Anders möglicherweise, wenn die Problematik in den Bereich der gesetzlichen Vertretung verlegt wird (dazu unten). 351 Staub!Hüffer § 15 HGB Rdnr. 6. 352 Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 22 (Analogie zu§ 13 fiT 2 bzw. 13 g II 2 HGB); Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 186; unklar v.Bar, IPR Band 2, S. 637 Fn 162. 353 Saame, S. 100; vgl. andererseits ders., S. 116 (nur Eintragungsfahigkeit). 354 Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184; inkonsequent Saame, S. 131, der dennoch auch den Weg über die Analogie geht.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Der Wortlaut des§ 15 I HGB spricht gegen die Annahme ungeschriebener Eintragungspflichten, da diese Norm wegen der Auferlegung einer öffentlichrechtlichen Pflicht Eingriffscharakter hat und daher restriktiv auszulegen ist. Im Hinblick auf Art. 2 I GG bedarf somit der Zwang, eine Tatsache zum Handelsregister anzumelden, einer gesetzlichen Grundlage zumindest in generalklauselartiger Form. Da eine solche fiir den Bereich der Rechtsfahi.gkeit fehlt, läßt sich eine Pflicht nicht im ungeschriebenen Bereich konstruieren. 355 Selbst wenn man ungeschriebene Einttagungspflichten ausnahmsweise anerkennen wollte, besteht in bezug auf die Fälle einer beschränkten Rechtsfahigkeit kein dringendes Bedürfnis fiir eine Registereintragung. Wie gezeigt, sind die ultra-vires-Doktrin und die specialite statutaire mittlerweile von derart untergeordneter praktischer Bedeutung, daß sie keine ausreichende Argumentationsgrundlage mehr fiir die Forderung eines besonderen Verkehrsschutzes im Inland bieten. Auch Wertungsgesichtspunkte rechtfertigen daher die Konstruktion einer ungeschriebenen Pflicht, Beschränkungen der Rechtsfahi.gkeit zum deutschen Handelsregister einzutragen, nicht. Mithin ist diesem Ansatz die Gefolgschaft zu versagen. bb) Mittelbare Einttagungspflicht gern. § 13 d III HGB a.E. Der Weg zur Registerpublizität des§ 15 HGB könnte aber mittelbar über eine nach ausländischem Recht erforderliche Abweichung von den deutschen Registerpflichten eröffnet sein. § 13 d III a.E., § 13 f II 3, V a.E., VI a.E., § 13 g II 3, V u. VI HGB legen diverse Anmeldepflichten im Hinblick auf die deutsche Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft jeweils mit der Einschränkung "soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht" fest. Ließe sich dieser Passus dahingehend verstehen, daß sich aus den Abweichungen durch das ausländische Recht auch zusätzliche Einttagungspflichten ergeben können, so wäre darunter möglicherweise auch eine beschränkte Rechtsfahigkeit zu fassen. 356 Zu diesem Ergebnis läßt sich gelangen, indem man den genannten Vorbehalt schon dann für anwendbar hält, wenn durch die ausländische Rechtslage den Erfordernissen des deutschen Rechts nicht entsprochen werden kann.357 Selbst auf der Basis dieser Interpretation wäre eine Eintragungspflicht aber schwer zu begründen, da für die bekannten Einschränkungen der Rechtsfahi.gkeit ein ausreichender Verkehrsschutz bereits durch das jeweilige Heimatrecht 355 Im Erg. auch GK-HGB/Nickel § 15 HGB Rdnr. 8 (Eintragung muß gesetzlich vorgeschrieben sein); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 15 HGB Rdnr. 6. 356 So wohl v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 627 Fn 162. 357 Vgl. Bokelmann, EWiR 86, 1113, 1114.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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besteht. 358 Überdies wird allgemein betont, daß durch die genannte Einschränkung lediglich verhindert werden soll, daß das deutsche Registerrecht in die Organisation des ausländischen Unternehmens eingreift. 359 Der Vorbehalt wirkt folglich nur zugunsten der ausländischen Gesellschaft,360 nicht zu ihren Lasten. Würde man ihn als Einfallstor fiir Eintragungspflichten bezüglich aller vom deutschen Recht abweichenden Haftungskonstellationen (d.h. als Auffangklausel) einstufen, so wäre die Norm wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit als Eingriffsgrundlage ungeeignet. 361 Dies spricht fiir eine restriktive, d.h. ausländerfreundliche Interpretation. Folglich läßt sich auch unter Heranziehung der in den §§ 13 d ff. HGB genannten Vorbehalte zugunsten des deutschen Rechts keine Pflicht begiiinden, Beschränkungen der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft bei Gründung einer Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister eintragen zu lassen. cc) Eintragungsfähigkeit Die Wirkung des § 15 HGB könnte unter Umständen aber schon dann erzielt werden, wenn fremdartige Beschränkungen der Rechtsfähigkeit im Register der Zweigniederlassung eintragungsfähig wären. Eine solche Eintragungsfähigkeie62 wird zuweilen mit der Begründung bejaht, hier mache das ausländische Recht eine Abweichung im o.g. Sinne von der deutschen Unterscheidung erforderlich. 363 Als Grenze der Eintragungsmöglichkeit soll fiir das deutsche Handelsregister nur der ordre public anzusehen sein. 364 Da das deutsche Handelsrecht bereits Tatsachen kennt, die lediglich eintragungsfähig, jedoch nicht -pflichtig sind (z.B. in § 25 II HGB), bestehen keine grundlegenden Bedenken, auch die Beschränkung der Rechtsfähigkeit zur Eintragung in das Handelsregister zuzulassen. Die Vertreter dieses Lösungsansatzes übersehen jedoch, daß die Annahme einer Eintragungsfähigkeit das vorgestellte Ergebnis nicht herbeiführen kann. Da die Publizitätswirkung des § 15 HGB ausschließlich eintragungspflichtige,

Siehe die Erläuterungen zur ultra-vires-Lehre und zur specialite statutaire. Staub!Hü./Jer § 13 b HGB Rdnr. 20. 360 Bokelmann, EWiR 86, 1113, 1114. 361 Die Nonnen der§§ 13 d ff. HGB sind öffentlich-rechtlicher Natur, so daß Maßstäbe des Verwaltungs- und des Verfassungsrechts anzuwenden sind. 362 Ohne Begründung Grasmann, System, Rdnr. 696. 363 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 606; KG, Beschl. v. 8.3. 1929 (I b X 1021128), IPRspr. 1929Nr. 21 , S. 36; Fischer, Verkehrsschutz, S. 226 und 244 (Eintragungsfähigkeit über § 13 b III HGB a.F. ). 364 Saame, S. 117; KG IPRspr. 1929 Nr. 21, S. 36; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1599. 358 359

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

nicht aber lediglich eintTagungsfähige Tatsachen erfaßt,365 könnte mit Hilfe dieser Norm keine verbindliche Rechtswirkung erreicht werden. Lediglich in bezug auf die Erkennbarkeil für den inländischen Geschäftsverkehr kann der Eintragung einer beschränkten Rechtsfähigkeit im Register der Zweigniederlassung Bedeutung zukommen. Mithin scheidet eine Heranziehung der Registerpublizität des § 15 I bzw. II HGB zur Bestimmung der Wirkung einer beschränkten Rechtsfähigkeit des ausländischen Unternehmens, das eine deutsche Zweigniederlassung errichtet hat, aus. j) Ergebnis - Lösung über Erkennbarkeilsmodell

Der Umfang der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die über eine Zweigniederlassung in Deutschland tätig wird, bestimmt sich nach dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut Eine Sonderanknüpfung bei fremdartigen Beschränkungen mittels einer analogen Heranziehung des Art. 12 S. 1 EGBGB ist nicht zulässig. Ebenso kommt mangels einer EintTagungspflicht zum Handelsregister der Zweigniederlassung die Anwendung des § 15 HGB nicht in Betracht. Diese Lösung korrespondiert mit dem Modell der positiven Reziprozität im Sinne einer auslandsfreundlichen Herausbildung kollisionsrechtlicher Normen und fördert die internationale Rechtssicherheit Insbesondere angesichts der geringen Relevanz dieser Problematik überwiegt der Aspekt der Rechtssicherheit gegenüber den Interessen des inländischen Rechtsverkehrs jedenfalls solange, als dieser von einer Beschränkung der Rechtsfähigkeit nach ausländischem Recht Kenntnis erlangen kann. Die - wohl nur noch theoretischen - Fälle, in denen nicht schon das Recht des Auslandes gegenüber einer Beschränkung der Rechtsfähigkeit einen Schutz zumindest des gutgläubigen Verkehrs gewährt, lassen sich mit dem oben entwickelten Modell der Erkennbarkeil des Auslandsbezuges lösen. Ergibt sich aus der Firma der deutschen Zweigniederlassung ein deutlicher Bezug auf den ausländischen Ursprung, kann dem deutschen Kontrahenten zugemutet werden, sich nach der ausländischen Rechtsordnung zu erkundigen. Nur eine Beschränkung durch eine Rechtsordnung, deren Inhalt nicht in zumutbarer Weise oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann, rechtfertigt eine Sonderanknüpfung, da anderenfalls die Gefahr eines gezielten Mißbrauchs des deutschen Marktes nicht auszuschließen wäre. In diesen Fällen läßt sich eine derartige Sonderanknüpfung auf den ordre public (Art. 6 S. 1 EGBGB) stützen. Dadurch bleibt ihr Ausnahmecharakter gewahrt. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Ermittlung des mlillgeblichen Rechts trägt auf dieser Grundlage - mit der

365

GK-HGB!Nickel § 15 Rdnr. 8 (S. 100); Staub!Hüffer § 15 HGB Rdnr. 16.

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an früherer Stelle genannten Erleichterung- der inländische Geschäftspartner. Diese Zuweisung ist schon deshalb erforderlich, da sonst die Maßgeblichkeit des Personalstatutes (wie bereits gegen die Analogie zu Art. 12 EGBGB vorgebracht) ausgehöhlt würde. Für den Problemkreis des Umfangs der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft des Auslandes, die eine Zweigniederlassung in Deutschland errichtet, hat sich folglich eine kollisionsrechtliche Lösung finden lassen, die den Anforderungen des Gedankens der vorleistenden Reziprozität entspricht. 4. Gesetzliche Vertretung Im Bereich der gesetzlichen bzw. organschaftliehen Vertretung ausländischer Gesellschaften mit deutscher Zweigniederlassung liegen die Anknüpfungsprobleme weitgehend parallel zur Thematik der Rechtsfähigkeit. Bei Zweigniederlassungen von Einzelunternehmern spielt auch hier diese Frage keine Rolle, da jene stets über eine umfassende gesetzliche Vertretungsmacht verfügen. a) Beschränkungen

Einschränkungen der organschaftliehen Vertretung sind in zwei Richtungen denkbar: Zum einen kann eine Mehrfach- oder Gesamtvertretung angeordnet sein. Eine solche ist bereits dem deutschen Recht an zahlreichen Stellen bekannt, so bei Personenhandelsgesellschaften in § 125 II HGB (als Ausnahme) und bei Kapitalgesellschaften in § 78 II AktG bzw. § 35 II GmbHG (als gesetzlicher Regelfall, von dem die Satzung aber zumeist abweicht). Begrenzungen haben demnach in dieser Richtung kollisionsrechtlich keine Schwierigkeiten zur Folge. Zum anderen ist jedoch auch eine Beschränkung des Umfangs der organschaftliehen Vertretungsmacht durch das ausländische Recht oder die Satzung der Gesellschaft denkbar. Da diese Fälle dem deutschen Recht weniger geläufig sind, bieten sie Anlaß zu einer kollisionsrechtlichen Fragestellung. Als Beispiele für derartige Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht werden wiederum - wie schon im Rahmen der Rechtsfähigkeit - die anglo-amerikanische ultra-vires-Lehre366 sowie die französische specialite statutaire367 genannt. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Verortung beider Rechtsinstitute in der Tat schwer vorzunehmen, weil sich jedenfalls eine Be366 Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1577; Saame, S. 96 (aber auch als Frage der Rechtsfähigkeit, S. 131); Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184;Martz, S. 50. 367 Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 39.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

schränkung der Rechtsfähigkeit notwendigerweise auch auf die Vertretungsmacht der Organe auswirken muß. b) Statutsbestimmung

Da auch die Frage der organschaftliehen Vertretungsmacht vom Anwendungsbereich des deutschen internationalen Schuldrechts ausdrücklich ausgenommen worden ist (Art. 37 Nr. 3 EGBGB), stehen sich in diesem Bereich erneut die Grundauffassungen der Anhänger des Zweigniederlassungs- bzw. Wirkungsstatuts und derjenigen des Gesellschaftsstatuts gegenüber. Von denjenigen Autoren, die die Rechtsverhältnisse der in Deutschland tätigen Unternehmen nach Außen- und Innenverhältnissen unterscheiden, wird der Umfang der organschaftliehen Vertretungsmacht im Zusammenhang mit einer deutschen Zweigniederlassung als Teil des Außenverhältnisses nach dem Recht bestimmt, das fiir eine vergleichbare Gesellschaft in Deutschland maßgeblich ist. 368 Diese Auffassung ist jedoch mit den bereits genannten Argumenten der Unternehmenseinheit und Rechtssicherheit abzulehnen. 369 In diesem Sinne wird überwiegend der Umfang der gesetzlichen Vertretung grundsätzlich dem Personalstatut unterstellt. 370 Dieses wird daher auch hier Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Prüfung sein; mithin richtet sich die gesetzliche Vertretung einer Gesellschaft, die in Deutschland eine Zweigniederlassung betreibt, primär nach ihrem Heimatrecht, i.e. dem Recht des Unternehmenshauptsitzes. c) Sonderanknüpfung zwecks Verkehrsschutzes

Zu fragen bleibt aber, ob bei Beschränkungen, die nach der Rechtslage des Auslandes zulässig, dem deutschen Recht jedoch nicht oder nicht in dem betreffenden Umfang geläufig sind, eine Sonderanknüpfung zugunsten des gutgläubigen Geschäftsverkehrs vorzunehmen ist.

368 Bumeder, S. 124 Rdnr. 183 u. S. 159 Rdnr. 249; Grasmann, System, Rdnr. 55; Staehelin, S. 56 u. 57; hier im Ergebnis auch Soergel!Lüderitz Vor Art. 7 Rdnr. 234 [11. Auflage} (wegen Gleichsetzung mit gewillkürter Vertretung). 369 Siehe zur Problematik der Rechtsfähigkeit im dritten Kapitel VI13. 370 Zimmer, S. 246; Pa/andt!Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 10; Kegel, S. 419; Staub!Hüffer § 13 b HOB Rdnr. 14; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 263; MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 280; v.Bar, lPR Band 2, Rdnr. 639; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1577; Saame, S. 134; Koppensteiner, S. 142; Woljj; S. 118; Balser!Pichura, S. 12; Nußbaum, S. 192.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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aa) Überwiegende Tendenz Bei fremdartigen Beschränkungen der gesetzlichen Vertretung greift die überwiegende Zahl der Autoren wieder auf eine Sonderanknüpfung zurück und bedient sich dabei einer analogen Anwendung des Art. 12 S. 1 EGBGB. Zur Begründung stellen sie auf die Notwendigkeit eines Schutzes des inländischen Rechtsverkehrs ab. 371 bb) Kritik Die Auffassung der herrschenden Literatur begegnet auch hier umfangreichen Bedenken. Methodisch ist bereits dem Zugriff auf Art. 12 S. 1 EGBGB über die früher geäußerte Kritik hinaus vorzuwerfen, daß nun schon zwei Tatbestandsmerkmale analogisiert werden müssen. Die Norm wird nicht nur auf Gesellschaften übertragen, sondern auch um das Merkmal der Vertretungsmacht ergänzt. Es handelt sich demnach um eine zweistufige Analogie; bei dieser weiten Entfernung von der Ausgangsbedeutung der Norm wird eine Übereinstimmung der Interessenlagen, die für eine Analogie erforderlich ist, immer unwahrscheinlicher. Ferner sind Beschränkungen der organschaftliehen Vertretung dem Umfang nach selbst dem deutschen Recht keinesfalls unbekannt. Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts schlagen interne Absprachen über die Vertretungsmacht ohne weiteres nach außen durch. 372 In bezug auf Personenhandelsgesellschaften scheint zwar eine Begrenzung nach außen von § 126 II HGB völlig ausgeschlossen zu sein, doch wird eine ungeschriebene Beschränkung für sog. Grundlagengeschäfte vertreten, die dem Gesellschaftszweck elementar zuwiderlaufen. 373 § 26 II 2 BGB läßt es bei Vereinen zu, den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands durch die Satzung zu limitieren. Der Verein stellt immerhin die "Urmutter" der Kapitalgesellschaften dar. Auch wenn für die AG in§ 82 I AktG und für die GmbH in§ 35 II 1 GmbHG eine 371 Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 180; Kaligin, DB 85, 1449, 1452; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 640; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. I 0 EGBGB Rdnr. 282; Großfeld, Untemelunensrecht, S. 42/43; Wiedemann, S. 819; Staub!Hüffer § 13 b HGB Rdnr. 14; Kegel, S. 419 und 454; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 264 (sofern Beschränkung nicht auch bei vergleichbaren deutschen Gesellschaften bekannt); ebenso Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1590 (Parallelwertung nach dt. Recht). 372 Vgl. Eggert, JA 78, 6, 10; Kaligin, DB 85, 1449, 1452. 373 Sehr strittig: so MünchKomm/Ulmer § 714 BGB Rdnr. 16 (Fn 28); HeidelbergerKomm/Stuhlfelner § 126 HGB Rdnr. 1 a.E. ; Heymann!Emmerich § 126 HGB Rdnr. 10; Baumbach/Hopt § 126 HGB Rdnr. 3; nur fi1r die GbR Soergel!Hadding § 714 BGB Rdnr. 16 u. 17; dagegen Grunewald, 1 B Rdnr. 23 S. 100; K.Schmidt, AcP 184 (1984), 529, 532; Zimmer, S. 244; Fischer, Verkehrsschutz, S. 201.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

solche Wirkung verboten wird, 374 kennt das Gesetz sie auch für diese Gesellschaftsformen in§ 293 I AktG. 375 Wenn zugunsten eines derartig weiten Verkehrsschutzes argumentiert wird, dem inländischen Publikum sei eine Einsichtnahme in ein ausländisches Register nicht zuzumuten,376 so greift dieses Bedenken gerade im Falle eines Geschäftskontaktes mit einer kaufmännischen Zweigniederlassung nicht, da diese im örtlichen deutschen Handelsregister einzutragen ist. Hierbei ist gemäß § 13 f II 3 HGB bei Kapitalgesellschaften auch der Gegenstand der Zweigniederlassung anzugeben; überdies muß die Satzung mit einer beglaubigten Übersetzung eingereicht werden (§ 13 f II 1 bzw. § 13 g II 1 HGB). Somit besteht für inländische Geschäftspartner eine zurnutbare Möglichkeit, den Unternehmensgegenstand festzustellen und sich vor Geschäftsabschlüssen, die diesen überschreiten, zu schützen. 377 Vor allem jedoch sollte man die Risikoverteilung des deutschen Rechts in bezugauf die Vertretungsmacht berücksichtigen. Die §§ 164 ff. BGB, die als Grundregeln sowohl für die gewillkürte als auch die gesetzliche Vertretung gelten, weisen das Risiko des Fehlens der Vertretungsmacht demjenigen zu, der sich auf die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes beruft. 378 Dies wird i.d.R. der andere Teil sein, da der Vertretene bei Geltendmachung eines Anspruches eine Vertretung konkludent (i.S.d. § 177 I BGB) genehmigt. Einen Vertrauensschutzkennt das deutsche Vertretungsrecht nur eingeschränkt in den Figuren der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Mit der vorgeschlagenen analogen Anwendung des Art. 12 S. 1 EGBGB würde diese Maßgabe in weitem Umfang umgedreht. Es besteht aber kein Grund, den inländischen Geschäftspartner einer Zweigniederlassung des Auslands besser zu stellen als bei einem Geschäftsschluß mit einem anderen Inländer.

374 Vgl. BGH, Urt. v. 25.2.82 (II ZR 174/80) ["Holzmüller"], BGHZ 83, 122, 131 (Außenvertretungsmacht des AG-Vorstandes deckt auch grundlegende Entscheidilllgen ab). 375 Die Zustimmung der Hauptversamml\Ulg begrenzt die Vertretungsmacht des Vorstands bei Unternehmensverträgen; Koppensteiner, S. 143. 376 Vgl. Grasmann, System, Rdnr. 655. 377 Auf dieser Gr\Uldlage erschiene es selbst bei einer Anknüpfung an das deutsche Recht denkbar, die Problematik unter Zuhilfenahme der deutschen Figur des Mißbrauchs der Vertretungsmacht bei evidenter Überschreitung zu lösen. 378 Müller, RIW 79, 379, 381 ; vgl. Soergel/Hadding § 714 BGB Rdnr. 32; anders im Falle einer Anscheinsvollmacht (hierzu später).

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Demzufolge kann auch für den Bereich der gesetzlichen bzw. organschaftliehen Vertretung ausländischer Gesellschaften mit deutscher Zweigniederlassung eine Sonderanknüpfung analog Art. 12 S. 1 EGBGB nicht überzeugen. 379 d) Registerpublizität des§ 15 HGB aufder Grundlage einer Eintragungspjlicht über§ 13 e 114 Nr. 3 HGB?

Diskutiert wird auch im Rahmen der organschaftliehen Vertretung wieder ein Lösungsweg über die Publizitätswirkung des § 15 HGB. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man zu einer Pflicht gelangen kann, abweichende Beschränkungen der gesetzlichen Vertretung in das deutsche Register der Zweigniederlassung einzutragen; eine bloße Eintragungsfahigkeit hat diese Wirkung nicht. 380 Eine Eintragungspflicht wird wie schon in bezug auf die Rechtsfähigkeit vertreten. Zu stützen scheint man sich dabei auf die Regelung des§ 13 e li 4 Nr. 3 HGB, der eine Anmeldung der ständigen Vertreter unter Angabe ihrer Befugnisse vorschreibt. 381 Indessen ergibt sich aus § 13 e IV HGB, der zwischen den in Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 genannten Personen und den gesetzlichen Vertretern ausdrücklich unterscheidet, daß sich die o.g. Norm nur auf Formen der gewillkürten Stellvertretung bezieht. 382 Der gleiche Schluß läßt sich auch aus§ 325 a I 1 HGB ziehen, der sich auf die Offenlegung von Rechnungsunterlagen bezieht, und eine parallele Unterscheidung enthält. Ständige Vertreter i.S.d. § 13 e II 4 Nr. 3 HGB sind somit nur Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte. 383 Eine gesetzliche Eintragungspflicht von Beschränkungen des Umfangs der gesetzlichen Vertretungsmacht nach ausländischem Recht zum deutschen Handelsregister der Zweigniederlassung besteht demnach nicht. Auch fehlt zur Annahme eines ungeschriebenen Eintragungserfordernisses ein elementares Bedürfnis, da die genannten Beschränkungen weder dem deutschen Rechtskreis völlig fremd noch von ausreichender praktischer Relevanz sind. Mithin bietet auch für diesen Problemkreis der Weg über die Registerpublizität keine Lösung. 379 Vgl. Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 93 (Informationsobliegenheit des Inländers); vgl. auch Ackmann, IPRax 91, 220, 222; ähnl. Koppensteiner, S. 159 u. 161; Kropholler, § 55 II S. 495; skeptisch auch Eidenmüller!Rehm, ZGR 97, 89, 98. 380 Anders Balser!Pichura, S. 12; Wolff, lPR, S. 118; ähnlich MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 606. 381 So offenbar Saame, S. 96 u. 100 (zwn früheren§ 44 V AktG); Heymann!Sonnenschein!Weitemeyer § 13 f HGB Rdnr. 5 (zu § 13 f II 2, der auf§ 13 e verweist); wohl auchEschelbach, MittRhNotK 93, 173, 184. 382 Seibert, GmbHR 92, 738, 740; ders., DB 93, 1705, 1706; HeidelbergerKomm!Ruß § 13 fHGB Rdnr. 1. 383 Staudinger/Großfeld futGesR Rdnr. 951.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

e) Ergebnis Ergibt sich keine Notwendigkeit des von den überwiegenden Auffassungen betriebenen umfangreichen Vertrauensschutzes über eine Analogie zu Art. 12 S. 1 EGBGB und sind auch über das deutsche Handelsregister keine Wirkungen zu erzielen, so bleibt für den Umfang der gesetzlichen bzw. organschaftliehen Vertretung das Personalstatut maßgeblich. Dies muß um so mehr unter Berücksichtigung der für das deutsche Recht der Stellvertretung gültigen Risikoverteilung gelten. Ist deutsches Recht Vertragsstatut, so regelt dieses über Art. 31 I EGBGB auch die Frage der formellen Grunderfordernisse der Stellvertretung, d.h. die Notwendigkeit einer eigenen Willenserklärung, des Handeins in fremdem Namen und des Bestehens von Vertretungsmacht Nur über den Umfang der Vertretungsmacht wird damit keine Aussage getroffen; letzteres ergibt sich aus Art. 37 Nr. 3 EGBGB. Mit dem deutschen Vertragsstatut muß dann aber konsequenterweise auch die deutsche Beweislastverteilung verbunden sein. Beruft sich die ausländische Muttergesellschaft auf eine Überschreitung der organschaftliehen Vertretungsmacht, so ist es Sache des inländischen Kontrahenten, deren Bestehen zu beweisen. Vielmehr läßt sich auch hier auf die Erkennbarkeil des Auslandsbezuges abstellen. Ist der ausländische Ursprung aus der Firma der Zweigniederlassung ersichtlich. so hat der inländische Geschäftspartner alle ilun zurnutbaren Nachforschungen vorzunehmen, um den Umfang der organschaftliehen Vertretungsmacht nach dem ausländischen Heimatrecht der Gesellschaft zu ermitteln. Schlägt die Ermittlung fehl und besteht eine Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem deutschen Recht unbekannt ist, was nach dem oben Gesagten wohl nur noch bei Kapitalgesellschaften denkbar scheint, kommt zum Zwecke des Verkehrsschutzes in derartigen Einzelfallen eine Sonderanknüpfung unter Heranziehung des ordre public in Betracht. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer gezielten Ausnutzung der deutschen Rechtslage durch ausländische Gesellschaften. Des weiteren gewährt die Figur der Anscheinsvollmacht, die sich nach deutschem Recht beurteilt, einen Verkehrsschutz für Ausnahmesituationen. 384 Das Modell der positiven Reziprozität kommt auf diese Weise auch für die kollisionsrechtliche Beurteilung des Umfangs der organschaftliehen Vertretungsmacht zum Tragen. Die Beschränkung von Sonderanknüpfungen auf Einzelfalle gewährleistet im Bereich der gesetzlichen Vertretung ein Höchstmaß an internationaler Rechtssicherheit, da eine Gesellschaft mit multinationaler Aktivität in Form von Zweigniederlassungen auf die gleichbleibende Außenwirkung des Handeins ihrer Organe vertrauen kann. Diese Rechtssi384

Siehe zur Anknüpfung der Anscheinsvollmacht unten 6 d).

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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cherheit ist geeignet, die Niederlassung ausländischer Unternehmen zu fördern und trägt daher zur Standortsicherung bei. Nur bei Einräumung dieser Rahmenbedingungen kann erwartet werden, daß auch das Ausland gegenüber Zweigniederlassungen deutscher Unternehmen deren Heimatrecht in diesen Bereichen fiir maßgeblich erachtet. Diese Beurteilung bezieht sich allerdings nur auf die Tätigkeit ausländischer Gesellschaften über deutsche Zweigniederlassungen. Nur bei Zweigniederlassungen findet sich eine ausreichende Basis fiir das Erkennbarkeitsmodell, da durch das Registerrecht eine formelle Beziehung zum deutschen Staat besteht und das deutsche Aufsichtsrecht auf die Firma der Zweigniederlassung Einfluß nehmen kann. Wird eine ausländische Gesellschaft aber direkt aus dem Ausland heraus rechtsgeschäftlich in Deutschland tätig, kann der inländische Kontrahent keine Informationen mit Hilfe des deutschen Registers erlangen und muß sich mit der Geltung des ausländischen Firmenrechts begnügen, so daß die Gewichtung der maßgeblichen Interessen dann möglicherweise zugunsten des inländischen Verkehrs ausfallen und einen weitergehenden Vertrauensschutz rechtfertigen kann. Die zur Zweigniederlassung erarbeitete Lösung darf demnach nicht dahingehend verstanden werden, daß sie auf alle Konstellationen zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung der organschaftliehen Vertretung angewendet werden könne. Aussagen, die über die Thematik der Zweigniederlassungen hinausgehen, sollen und müssen hier nicht getroffen werden. Nicht nach dem Personalstatut, sondern nach der Iex fori concursus beurteilt sich dagegen die Handlungsmacht eines ausländischen Konkursverwalters einer Gesellschaft. 385 5. Gewillkürte Vertretung (Vollmacht)

Auch die Einordnung des Umfangs der gewillkürten Stellvertretung wird von den deutschen gesetzlichen Regelungen zum internationalen Schuldrecht nicht erfaßt, wie Art. 37 Nr. 3 EGBGB bestimmt. Gerade im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Zweigniederlassungen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Einsatzes gewillkürter Vertreter auf Seiten des ausländischen Unternehmens. Sogar die Leitung einer Zweigniederlassung muß nicht in den Händen eines Organes liegen, sondern kann auch durch einen Bevollmächtigten mit weitreichender Vertretungsmacht erfolgen.386 In allen Fällen der gewillkürten Vertretung stellt sich daher die Frage nach dem anzuwendenden 385

BGH, Urt. v. 11.7.85 (IX ZR 178/84), BGHZ 96, 256, 257 f.; MünchKomm/

Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 361. 386 Siehe die Begriffsmerkmale im ersten Kapitel I 6. 9 Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Recht, wobei zu untersuchen ist, ob dabei bestimmte Vertretungsformen wegen der Wirkung der Publizität des Handelsregisters am Ort der Zweigniederlassung eine gesonderte Beurteilung erfahren müssen. a) Besondere kaufmännische Vertretungsformen

An erster Stelle sind Formen umfassender Vertretung zu erörtern, da auf diese mit§ 13 e II 4 Nr. 3 HGB eine besondere EintTagungspflicht zum Handelsregister Anwendung findet, woraus sich über die Registerpublizität des § 15 HGB u.U. auch eine kollisionsrechtliche Wirkung ableiten läßt. Überdies kann bei solchen Vertretungsarten eine Beschränkung auf die Zweigniederlassung dahingehend erfolgen, daß zwar wegen der Rechtseinheit der Niederlassungen eine Verpflichtung des Gesamtunternehmens stattfindet,387 die Haftung aber auf die Vermögensmasse der Zweigniederlassung begrenzt ist. aa) Filialprokura Das deutsche Recht kennt in dieser Hinsicht die Filialprokura gemäß § 50 III HGB, die unter den dort genannten Voraussetzungen eine Beschränkung der Haftungsmasse zur Folge hat. Wäre diese Norm auf Zweigniederlassungen des Auslandes anzuwenden, könnte sie mittelbar auch das Finnenrecht beeinflussen, als sie eine unterschiedliche Firmierung von Haupt- und Zweigniederlassung bzw. einen Finnenzusatz der Zweigniederlassung voraussetzt. Für die Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmens hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß die Filialprokura im Register der Zweigniederlassung ohne Zusatz einzutragen sei, da dieses nur über die Rechtsverhältnisse der Zweigniederlassung Auskunft gebe und die Beschränkung dann dem Register der Hauptniederlassung zu entnehmen sei. 388 Selbst wenn aber in bezug auf die Prokura deutsches Recht anwendbar sein sollte, könnte diese Argumentation auf eine Zweigniederlassung ausländischer Herkunft m.E. nicht übertragen werden, da den Inlandsgläubigem nur das Register der Zweigniederlassung zur Verfugung steht und das deutsche Registerrecht auf die Hauptniederlassung keinen Einfluß hat. 389

Vgl. Knieper!Jahnnarkt, S. 114 Rdnr. 158. BGH Beschl. v. 21.3.88 (II ZB 69/87), RPfleger 88, 315, 316; vgl. Arun. v. Deuchler, WuB IV D. § 50 HGB 1.88; kritisch Bokelmann, EWiR 88, 597, 598. 389 Für diesen Fall wäre also ein Beschränkungsvermerk im Register der Zweigniederlassung erforderlich (vgl. Bake/mann, EWiR 88, 597, 598). 387 388

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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bb) Filialhandlungsvollmacht Ohne gesetzliche Regelung, aber aus § 53 I HGB ableitbar, ist die sog. Filialhandlungsvollmacht des deutschen Rechts. Die Beschränkung auf den Betrieb der Zweigniederlassung läßt sich hierbei als Unterform der Art- oder der Einzelhandlungsvollmacht einordnen. cc) Publizitätswirkung des§ 15 HGB Für den Bereich der Filialprokura und der Filialhandlungsvollmacht könnte sich in bezug auf Kapitalgesellschaften über das deutsche Registerrecht eine eigenständige kollisionsrechtliche Anknüpfungssystematik ableiten lassen. § 13 e II 4 Nr. 3 HGB legt eine Anmeldepflicht von ständigen gewillkürten Vertretern der Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die gerichtlich und außergerichtlich tätig werden dürfen, unter Angabe der Befugnisse fest. Hierunter werden Personen gefaßt, die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten nach deutschem Recht gleichstehen. 390 Um letztere als ständige Vertreter zu qualifizieren, wird bei ihnen allgemein eine generelle Vertretungsmacht gefordert; 391 ferner bedürfen sie einer gesonderten Prozeß:fiihrungsbefugnis vergleichbar§ 54 II HGB. 392 Die in § 13 e II 4 Nr. 3 HGB für diese Personen normierte Anmeldungs- und somit auch Eintragungspflicht erstreckt sich ausdrücklich auf den Umfang der Befugnisse, d.h. die Reichweite der Vertretungsmacht für die Zweigniederlassung. Ist aber somit das deutsche Registerrecht anwendbar, kann auch die Publizitätswirkung des§ 15 I bzw. II HGB eintreten. Wird folglich der Umfang der Vertretungsmacht solcher ständigen Vertreter der Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft ins Handelsregister eingetragen und beschränkt sich dieser auf das Betriebsvermögen der Zweigniederlassung, muß sich der deutsche Verkehr diese Beschränkung über§ 15 II HGB entgegenhalten lassen. Eines Rückgriffs auf§ 50 III bzw. § 54 III HGB bedarf es dann nicht. Umgekehrt kann sich die ausländische Kapitalgesellschaft auf eine gegenständliche Beschränkung der Vertretungsmacht der genannten Personen wegen § 15 I HGB bei fehlender Eintragung nicht berufen. Die ausdrückliche Anmeldungspflicht der ständigen Vertreter mit Angabe des Umfangs der Vertretungsmacht wäre unverständlich, wenn der Gesetzgeber in diesem Bereich von einer Maßgeblichkeil des Inlandsrechts ausgegangen wäre. Dann hätte (jedenfalls) die Prokura ohnehin gemäß § 53 HGB einer Eintragung ins Han390 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 e Rdnr. 13; Plesse, DStR 93, 133, 134. M.E. ist hierzu die Methode der Substitution anzuwenden. 391 Heide/bergerKornm/Ruß § 13 fRdnr. l; Staudinger/GroßfeldintGesR Rdnr. 953. 392 Plesse, DStR 93, 133, 134.

9•

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

delsregister bedurft und würde sich in ihrem Umfang nach§ 49 HGB bestimmen. Daß die Befugnis der Vertretung anzugeben ist, spricht vielmehr für eine grundsätzliche Zugrundelegung des Gesellschaftsstatuts, die erst über die deutsche Registerpublizität zugunsten des Inlandspublikums abgefedert werden soll. Demnach läßt sich fiir die weitreichende gewillkürte Vertretung der Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften der Schluß ziehen, daß diese sich - soweit sie der deutschen Prokura oder einer umfassenden Handlungsvollmacht gleichkommt - nach dem Gesellschaftsstatut bestimmt.393 b) Allgemeine Statutsbestimmung Für alle anderen Formen gewillkürter Stellvertretung, die von § 13 e II 4 Nr. 3 HGB nicht erfaßt werden, muß indessen eine kollisionsrechtliche Lösung auf ungeschriebener Grundlage unter Ermittlung und Abwägung der maßgeblichen Interessen entwickelt werden. Dies betrifft sämtliche Arten von Bevollmächtigungen kaufmännischer und nichtkaufmännischer Natur. aa) Vertragsstatut Vereinzelt wird die gewillkürte Stellvertretung als Bestandteil des Schuldvertrages verstanden und daher unselbständig dem Geschäftsstatut unterworfen.394 Man begründet dies mit der Wertung, daß Vertretener und Dritter von der Einschaltung des Vertreters profitierten. 395 So soll das Statut, das die Interessen der Beteiligten hinsichtlich des Vertragsverhältnisses regelt, auch den Mittelweg zwischen ihnen in bezug auf die Vollmacht darstellen. 396 Dieser Lösung ist zuzugestehen, daß sie auf den ersten Blick jedenfalls in Fällen eines gewählten Vertragsstatuts interessengerecht erscheint, da die Rechtswahl grundsätzlich auf der Entscheidung beider Seiten beruht. 397 Schon für diese Konstellation ist jedoch zu bedenken, daß eine Rechtswahl auch durch AGB der einen oder anderen Seite erfolgen kann, wodurch sich die Interessenlage wieder verschöbe. Überdies könnte bei Koppelung der Vollmacht an das Vertragsstatut der Vertreter durch die Initialisierung einer Rechtswahl zugleich

hn Erg. ähnlich Gierke!Sandrock, § 5 AI 4 a S. 66 (fiir die Prokura). Spellenberg, Geschäftsstatut und Vollmacht, S. 226; ManchKomm/Spellenberg Vor Art. 11 Rdnr. 268. 395 Spellenberg, S. 226. 396 Ders., S. 226. 397 Schon hier ablehnend Schäfer, RIW 96, 189, 190, da man nicht davon ausgehen könne, die Parteien wollten auch die Vollmacht mit der Rechtswahl erfassen. 393 394

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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den Umfang seiner Vertretungsmacht zu seinen Gunsten beeinflussen. 398 Wird aber der Umfang der Vollmacht vom Vertreterhandeln abhängig, folgt daraus ein nicht hinnehmbarer Verlust an Rechtssicherheit fiir beide Vertragsparteien. Gerade die Herausnahme der Vollmacht aus dem Anwendungsbereich des deutschen internationalen Schuldrechts gemäß Art. 37 Nr. 3 EGBGB auf Basis des römischen Schuldrechtübereinkommens spricht jetzt vor allem gegen diese Lösung. 399 Der Gesetzgeber ist offensichtlich nicht von einer parallelen An· knüpfung von Schuldvertrag und Vollmacht ausgegangen. Mithin kann die kollisionsrechtliche Koppelung der gewillkürten Vertretung an das Geschäftsstatut nicht überzeugen. 400 Damit verbleiben als mögliche Anknüpfungswege ein eigenständiges Vollmachtsstatut oder eine Zuordnung zum Personalstatut bb) Eigenes Vollmachtsstatut Die Mehrzahl der Autoren sowie die Rechtsprechung legt der Vollmacht ein eigenständiges Statut zugrunde. Dies wird mit einem Vorrang der Interessen des Dritten vor denjenigen des Geschäftsherrn begründet. 401 Maßgeblich soll für die Anknüpfung unter dem Blickwinkel des Verkehrsschutzes das Wirkungsland der Vollmacht sein.402 Dies führe zum Recht am Ort der (festen) Niederlassung des Vertreters, da dort für beide Seiten der Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit desselben liege403 und der Vertreter unter diesem Recht erkennbar auftrete. 404 Auch bestehe ein Interesse des Prinzipals, daß die Vertretungsmacht seines Bevollmächtigten immer nach demselben Recht 398 Vgl. Ebenroth, JZ 83, 821, 822; Schäfer, RIW 96, 189, 190; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 586. 399 Ebenso Hausmann in ReithmannMartiny Rdnr. 1717. 400 Ebenso BGH Urt. v. 5.2.58 (IV ZR 204/57), IPRspr. 58/59 Nr. 38, S. 151; BGH Urt v. 26.4.90 (Vll ZR 218/89), IPRax 91, 247, 248 oben; Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 32 EGBGB Rdnr. 1; Hausmann in ReithmannMartiny Rdnr. 1716. 401 OLG Hamm, Urt. v. 6.6.57 (17 U 185/56), IPRspr. 1956/57 Nr. 27 S. 103. 402 BGH Urt. v. 26.4.90 (Vll ZR 218/89), IPRax 91, 247, 248; BGH Urt. v. 27.5.93 (IX ZR 66/92), IPRspr. 1993 Nr. 27, S. 71 a.E.; Saame, S. 135; Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 32 EGBGB Rdnr. 1; Kropholler, § 41 I S. 279; Hausmann in ReithmannMartiny Rdnr. 1719; OLG Hamm IPRspr. 1956/57 Nr. 27 S. 103; Schäfer, RIW 96, 189, 192; vgl. auch Fischer, Verkehrsschutz, S. 294; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 588 (grundsätzlich tatsächlicher Gebrauchsort). 403 Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 108; Kropholler, § 40 I S. 280; auch Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 32 EGBGB Rdnr. 2; auch Schlosshauer-Selbach, Rdnr. 230. 404 Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 101.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

beurteilt werde. 405 Die Anknüpfung an den Gebrauchsort wird sogar schon fiir Gewohnheitsrecht in Deutschland gehalten. 406 Bei der Tätigkeit eines Vertreters über eine Zweigniederlassung ist nach dieser Lösung das Recht am Ort der Zweigniederlassung auf den Umfang der Vollmacht anzuwenden. 407 Der Dritte soll sich aber alternativ auch auf das fiir ihn günstigere Personalstatut berufen können. 408 Z.T. hält man allerdings auch eine einseitige Rechtswahl des Prinzipals fiir möglich. 409 Das Konzept eines isolierten Vollmachtsstatuts muß sich- wie schon eine Sonderanknüpfung der gesetzlichen Vertretung - entgegenhalten lassen, daß bereits das deutsche Recht das Risiko fehlender Vertretungsmacht grundsätzlich nicht dem Prinzipal, sondern demjenigen auferlegt, der einen vertraglichen Primäranspruch geltend macht. 410 Der Leitsatz, daß die Person, die einen Vertreter einschalte, auch die damit verbundenen Risiken zu tragen habe, 411 trifft nach deutscher materieller Rechtslage zwar fiir Irrtümer des Vertreters zu (§ 166 I BGB), giltjedoch nicht fiir die Frage der Wirksamkeit der Vertretung als solcher. Zwar ist die Erteilung der Vollmacht nach inländischem Recht grundsätzlich abstrakt; 412 dennoch erfolgt aber eine gewisse Bindung der Vollmacht an das ihr zugrunde liegende Rechtsgeschäft über § 168 S. 1 BGB. 413 Insbesondere hängt der Umfang einer Innenvollmacht des deutschen Rechts ausschließlich vom Handeln des Vollmachtgebers ab. Ist der inländische Geschäftsverkehr diese Beweislastverteilung aber gewohnt, läßt sich ein besonderes Verkehrsschutzbedürfnis nicht mehr begründen.414 Gerade wenn ein Vertreter erkennbar im Zusammenhang mit einer Zweigniederlassung tätig wird, deren Auslandsherkunft deutlich ist, erscheint das Vertrauen Dritter weniger schutzwürdig als bei einer direkten Vertretertätigkeit aus dem AusKropho/ler, § 41 I S. 288. Grasmann, System, Rdnr. 679. 407 Bumeder, S. 159 Rdnr. 249. 408 Saame, S. 135; Fischer, Verkehrsschutz, S. 302; dagegen Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1724 a.E. 409 Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1722 (zweifelsfreie Erkennbarkeit für 405

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den Dritten erforderlich) m.w.N. 410 Anders Fischer, Verkehrsschutz, S. 282 (Rückfrage des Dritten widerspreche dem Zweck der Stellvertretilllg). 411 Ihn legen Schäfer, RlW 96, 189, 192 Wld Fischer, Verkehrsschutz, S. 283, zugrWlde. 412 HieraufstelltHausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1718 ab. 413 Das GrW1dgeschäft liefert zwnindest Anhaltspilllkte für deren AuslegWlg. So kann die WeisWlg im Rahmen eines Auftrages zugleich eine BestimmWlg des Umfangs der Vollmacht darstellen. 414 Diese Risikoverteilung darf indessen nicht dahingehend mißverstanden werden, in§§ 164 ff. BGB seien versteckte Kollisionsnormen enthalten!

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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land heraus. Über eine Interessenbewertung gelangt man demnach zu umgekehrten Folgerungen: Tritt der Vertreter im Rahmen einer Zweigniederlassung auf, muß der Verkehr mit der Anwendung des Heimatrechts rechnen; handelt er, ohne seine Herkunft kundzutun, separat, dürfen Dritte eher von einer Maßgeblichkeit des Inlandsrechts ausgehen. Wenn die isolierte Anknüpfung mit einem Interesse des Prinzipals an einer einheitlichen Rechtsordnung begründet wird, folgt daraus noch nicht die Maßgeblichkeit des Rechts des Wirkungsortes. Vielmehr erfordert das Interesse des Vollmachtgebers eine Angleichung an das Personalstatut; dies gilt um so mehr fur ein Unternehmen, das Vertreter in verschiedenen Staaten positioniert hat. Der Aspekt der Rechtssicherheit verlangt lediglich, daß eine Grundlinie fur die kollisionsrechtliche Einordnung gefunden wird, zwingt aber nicht zur Bevorzugung des Niederlassungsortes. Die Wahlmöglichkeit des Dritten zur Anwendung der fur ihn günstigsten Rechtsordnung stellt eine einseitige Bevorzugung dar und behindert wegen des ständigen Vergleichs der Rechtsordnungen den Rechtsverkehr. 415 Schließlich kann auch nicht von einer bereits gewohnheitsrechtliehen Geltung des Wirkungsstatuts ausgegangen werden, da hierzu angesichts der Streitigkeit der Thematik die erforderliche allgerneine Rechtsüberzeugung fehlt. Aus diesen Gründen wird einer isolierten Anknüpfung der Vollmacht zumindest fur die Tätigkeit eines gewillkürten Vertreters im Rahmen einer Zweigniederlassung nicht gefolgt. cc) Personalstatut (Hauptniederlassung) In Ablehnung der zuvor genannten Ansätze sind Stimmen laut geworden, die die gewillkürte Stellvertretung an das Recht arn Ort der Niederlassung des Vertretenen anknüpfen. Sie fuhren demnach im Ergebnis zu einer Anwendung des Personalstatuts. Zur Begründung wird angefuhrt, daß schon nach deutschem Recht die Vollmacht primär vorn Handeln des Prinzipals abhänge und das Risiko des Bestehens von Vertretungsmacht dem Dritten zugeordnet sei. 416 Durch die Anknüpfung an das Recht des Wirkungslandes werde das Verkehrsinteresse überbewertet. 41 7 Von den drei arn Vertretergeschäft beteiligten Parteien kennen zwei - Vertreter und Prinzipal - das Sitzrecht des Vertretenen; aus diesem Grunde hält man ein Überwiegen der Interessen des Dritten

Vgl. Ebenroth, JZ 83, 821, 824. Müller, RIW 79, 377, 381. 417 Kegel, IPR, S. 455; ähnl. LG Hamburg, Urt. v. 16.3.77 (5 0 142/76), RIW 78, 124, 126 li. Sp. (Kumulation zw. Aufenthaltsrecht des Volhnachtgebers und Wirkungsrecht). 415 416

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

für konstruiert. 418 Dem Dritten soll es zuzumuten sein, sich nach dem am Sitz des Vertretenen geltenden Recht zu erkundigen, wenn er erkennt, daß dieser im Ausland residiert. 419 Daher stellt man bei gewerbetreibenden Geschäftsherrn auf das Recht ihres Geschäftssitzes und bei Gesellschaften auf das Recht des Sitzes der Hauptverwaltung ab.420 Jedoch wird auch an dieser Stelle wieder eine Einschränkung i.S.d. zu den zuvor erörterten Problemkreisen überwiegenden Tendenz vorgenommen. Zugunsten gutgläubiger Dritter soll unter dem Aspekt des Verkehrsschutzes analog Art. 12 S. 1 EGBGB erneut eine Anknüpfung an den Gebrauchsort der Vollmacht erfolgen.421 Hierbei sei die Unkenntnis des Dritten zu vermuten. 422 Im Ergebnis käme damit wiederum das Recht am Ort der Zweigniederlassung zur Geltung, solange das ausländische Unternehmen dem inländischen Kontrahenten keine Bösgläubigkeit nachweisen kann. dd) Bewertung Da die Rechtsposition des Dritten, der mit einer Zweigniederlassung in Geschäftsverbindung tritt, nicht risikoärmer ausgestaltet werden muß als diejenige bei Geschäften mit einem inländischen Rechtsträger, zugleich aber das Interesse des Prinzipals auf die Anwendung des Rechts seines Hauptsitzes zielt, kann eine Abwägung zugunsten des letzteren ausfallen. Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ließe sich zwar auch zugunsten des Wirkungsortes anführen, doch blieben deren Effekte auf das Inland beschränkt; fiir multinationale Unternehmen mit Zweigniederlassungen in diversen Staaten müßte jene Anknüpfung zu einer kaum übersehbaren und lähmenden Rechtszersplitterung führen, die längerfristig die Attraktivität einer solchen Auslandsinvestition in Frage stellt. Auch die Interessen der Gläubigergesamtheit des ausländischen Unternehmens verlangen, soweit nicht ausdrückliche und zwingende einzelstaatliche Regelungen existieren, die Anwendung gleicher Maßstäbe für die Entstehung von Verbindlichkeiten, d. h. auch für die Einordnung der Vollmacht. Dies kommt vor allem bei derErteilungvon Untervollmachten Müller, RIW 79, 377, 382. Ebenroth, JZ 83, 821 , 822 u. 824; Müller, RIW 79, 377, 382; älmlich Ackmann, IPRax 91, 220, 222 (erkennbare Tätigkeit von einer Niederlassung aus dem Ausland heraus); ansatzweise auch Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1727 ff. (Rdnr. 1728 fiir die Prokura; Rdnr. 1730 fiir die Zweigniederlassung, jedoch mit gegenteiligem Schluß). 42 Kegel, IPR, S. 455; im Erg. wohl auch Balser!Pichura, S. 12 (fiir alle Vertretungsformen ). 421 Kegel, IPR, S. 455; Müller, RIW 79, 377, 383; unter Berufung auf Kegel hier auch Fischer, Verkehrsschutz, S. 302. 422 Ebenroth, JZ 83, 821 , 824 (ohne Nennung der Analogie). 418 419

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VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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durch gesetzliche Vertreter zum Tragen. Könnte wegen der Anwendung eines fremden Vollmachtsstatuts ein Organ eine wnfangreichere Vertretungsmacht erteilen, als es selbst besäße, wäre in die Frage einer Verpflichtung des Unternehmens ein weiterer Unsicherheitsfaktor einbezogen, der Einbußen an Rechtssicherheit zur Folge hätte. Da indessen im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts der staatsübergreifenden vor der innerstaatlichen Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist, kann lediglich eine Anknüpfung der gewillkürten Stellvertretung an das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut überzeugen. Auf der Grundlage dieser Risikozuweisung und -bewertung erscheint es aber inkonsequent, das gefundene Ergebnis über eine Analogie zu Art. 12 S. 1 EGBGB im wesentlichen wieder aufzuheben. Wird vermutet, daß der Dritte das Recht am Ort der Hauptniederlassung nicht kennt und dem ausländischen Unternehmen die Beweislast für die Bösgläubigkeit auferlegt, verschiebt sich die zugrunde gelegte Interessengewichtung wieder. Überdies bestehen gegen die Analogie dieselben methodischen Bedenken, die schon im Zusammenhang mit der organschaftliehen Vertretung geltend gemacht wurden.423 Der Inländerschutz läßt sich auch hier auf wirkliche Ausnahmefälle begrenzen, in denen der Bezug des über eine Zweigniederlassung auftretenden Vertreters zum Ausland nicht erkennbar ist. Nur dann rechtfertigt sich eine Sonderanknüpfung, und zwar wie schon hinsichtlich Rechtsfähigkeit und gesetzlicher Vertretung über das Korrektiv des ordre public, 424 wenn die Erkundigung nach der maßgeblichen Rechtsordnung nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu bewerkstelligen ist. Mithin bestimmt sich der Umfang der Vertretungsmacht des gewillkürten Stellvertreters eines ausländischen Unternehmens, der aus einer Zweigniederlassung heraus agiert, auch in denjenigen Konstellationen, die durch § 13 e II 4 Nr. 3 HGB nicht abgedeckt werden, nach dem Personalstatut des Unternehmens. Wie bereits zur gesetzlichen Vertretung gesagt wurde, ist diese Aussage jedoch nicht der Verallgemeinerung für das gesamte internationale Privatrecht fähig. Wird ein Vertreter direkt aus dem Ausland heraus in Deutschland tätig, ohne sich einem festen inländischen Bezugspunkt zuordnen zu lassen, so mögen sich die Gewichte der Interessen substantiell so weit verschieben, daß sich eine Anknüpfungsregel im Sinne des Wirkungsstatuts rechtfertigen lassen kann. Diese Frage würde aber den Bereich der vorliegenden Untersuchung überschreiten. Man könnte in systematischer Hinsicht zwar einwenden, daß die Bindung eines aus dem Ausland heraus tätig werdenden Vertreters an seinen Prinzipal 423 Siehe zur Anknüpfung der organschaftliehen Vertretung der Zweigniederlassung drittes Kapitel VII 4 c) bb ). 424 Im Erg. wohl auch Balser!Pichura, S. 10.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

noch enger sei als diejenige des Vertreters, der mit relativer Selbständigkeit von einer Zweigniederlassung aus operiere, so daß, wenn schon bei jenem Einzelvertreter auf das Wirkungsstatut abgestellt werde, dies in der Form eines argurnenturn a maiore ad minus auch fiir die Zweigniederlassung zu gelten habe. Die Selbständigkeit der Zweigniederlassung ist aber nur wirtschaftlicher, nicht rechtlicher Natur, so daß die Bindung an den Prinzipal bei gewillkürter Vertretung nicht weniger eng ist. Hinzu kommt, daß das Herkunftsrecht der Zweigniederlassung durch ihre registerrechtlichen Erfassung425 wesentlich transparenter wird als das des Einzelvertreters ohne Niederlassung. Daraus folgt die oben dargelegte besondere InteressenJage, bei der der Rechtssicherheit der Vorrang gebührt. Somit sind die Grundlagen dieser beiden Konstellationen letztlich derartig verschieden, daß aus ihnen keinerlei Stufenverhältnis gebildet und auch keine wechselseitigen Schlüsse gezogen werden können. Der Vergleich spricht folglich nicht gegen die Anwendung des Personalstatuts auf die Vollmacht bei inländischen Zweigniederlassungen. ee) Sachenrechtliche Vollmachten Eine kollisionsrechtliche Sonderstellung könnten jedoch Vollmachten auf dem Gebiet des Sachenrechts einnehmen. Das im Bereich des Sachenrechts wegen der umfassenden Wirkung dinglicher Rechte allgemein fiir maßgeblich erachtete Recht des Belegenheitsortes (Iex rei sitae)426 zeitigt möglicherweise auch Auswirkungen auf die Bevollmächtigung zu dinglichen Geschäften. (1) Vollmacht zu schuldrechtlichen Geschäften mit dinglichen Verpflichtungen

In der Literatur finden sich keine allgemeinen Ansätze, die Iex rei sitae bereits immer dann anzuwenden, wenn eine Bevollmächtigung zu einem obligatorischen Rechtsgeschäft erfolgt, das eine dingliche Verpflichtung beinhaltet. Eine derartige Anwendung wäre schon deshalb problematisch, da alle Fahrniskäufeund Werklieferungsverträge dann unter den Einfluß der Iex rei sitae gerieten, obgleich dort im Regelfall wegen der Austauschbarkeit der Vertragsgegenstände kein besonderes Verkehrsinteresse am Recht des Belegenheitsortes besteht. Jedoch wird eine Anknüpfung an die Iex rei sitae fiir Vollmachten zu obligatorischen Grundstücksgeschäften vertreten.427 Als Begründung werden die

Jedenfalls bei ZweigniederlassWlgen kaufmännischer Unternehmen. Vgl. Kropholler, §54 I S. 477. 427 Spellenberg, Geschäftsstatut und Vollmacht, S. 169; Sandrock!Müller, Band 2, Rdnr. D45. 425 426

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Rechtsklarheit hinsichtlich der Lage des Grundstücks und die aus der Anwendung der lex rei sitae folgende bessere Durchsetzbarkeil fremder Entscheidungen im Belegenheilsstaat genannt. 428 Eine Anwendung der lex rei sitae auf Vollmachten zu Schuldverträgen in bezugauf Grundstücke verwischt m.E. die durch das deutsche Abstraktionsprinzip gezogenen Grenzen zwischen Schuldund Sachenrecht. Die Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Immobilien mag auf dinglicher Ebene zum Recht des Belegenheilsstaats hinfuhren, fiir das Schuldrecht überzeugt sie nicht und wird daher auch lediglich in einer Vennutung durch Art. 28 III EGBGB berücksichtigt. Schuldrechtliche Ansprüche haben keinen absoluten, gegen jedennann wirkenden Charakter. Widerspricht das Recht des Belegenheilsstaates dem dinglichen Geschäft, zu dem die schuldrechtliche Verpflichtung erfolgte, läßt sich der Interessenausgleich im vertraglichen Sekundärrecht, also über das Vertragsstatut lösen. Auch die Vollmacht zum obligatorischen lmmobiliargeschäft bedarf dann nicht der Unterstellung unter die lex rei sitae. 429

(2) Vollmachtfür Verfügungsgeschäfte Bei der kollisionsrechtlichen Einordnung der Bevollmächtigung zu dinglichen Rechtsgeschäften kommt die Erwägung zum Tragen, daß wegen der umfassenden Wirkung von Verfügungen über Sachenrechte grundsätzlich ein weiterer Kreis betroffener Interessen zu berücksichtigen ist als bei schuldrechtlichen Geschäften. Die dingliche Zuordnung erfordert ein Höchstmaß an Rechtssicherheit im Verkehr. 430 Demzufolge wird überwiegend die Vertretung bei Verfügungen über Immobiliarsachenrechte der Iex rei sitae unterworfen, da der Schwerpunkt eindeutig am Ort des Grundstücks liegt.431 Die Rechtsverhältnisse an Grundstükken bedürften auch in bezug auf die Vollmacht besonderer Klarheit und Einfachheit.432 Die Gegenmeinung unterstellt indessen auch dann die Vertretungsmacht den allgemeinen Kollisionsregeln. 433 Zugunsten der herrschenden

Spellenberg, Geschäftsstatut und Vollmacht, S. 169. Im Erg. auch Erman!Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 17; Fischer, Verkehrsschutz, S. 286; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1739. 430 Vgl. Kropholler, § 54 I S. 478. 431 Kegel, IPR, § 17 V 2 a; Spellenberg, S. 166; Erman!Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 17; Sandrock/Müller, Band 2, Rdnr. D 44; Kropholler, § 41 I S. 281; Fischer, Verkehrsschutz, S. 286; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1736 und 1737; Staudinger/Stall IntSachenR Rdnr. 171 (ohne Begründung); Schlosshauer-Selbach, Rdnr. 231 (bejahend, obgleich als systemwidrig eingeordnet). 432 Spellenberg, S. 166. 433 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 779 (ohne nähere Begründung). 428

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Auffassung läßt sich die in den Rechtsordnungen und nach dem Selbstverständnis aller Staaten betonte besondere Bedeutung des Grund und Bodens anfuhren. Verlangt die staatliche Souveränität, auf deren Grundlage ein Staat in der Lage bleiben muß, die Veräußerung von Immobilien zu reglementieren,434 eine Maßgeblichkeit der Iex rei sitae fiir Verfiigungen über Grundstücksrechte, selbst wenn das dingliche Geschäft im Ausland stattgefunden hat, so wäre es inkonsequent, die daraufbezogene dingliche Vertretungsmacht abweichend anzuknüpfen und auf solche Weise die Rechtsklarheit wieder zu zerstören. Grundstücke lassen sich räumlich aufgrund ihrer natürlichen Unbeweglichkeit dauerhaft und ausschließlich einem einzigen Lageort zuordnen435 und werden maßgeblich über diese örtliche Lage definiert. Folglich vertraut zwangsläufig auch der internationale Rechtsverkehr von Beginn an auf die Geltung der Rechtsordnung am Ort der Belegenheit oder legt sie zumindest neben anderen Vorstellungen zugrunde. Demnach ergeben sich im Hinblick auf die Vollmacht zu dinglichen Immobiliargeschäften weder schutzwürdigere Auslandsinteressen an der Geltung des Personalstatuts noch Erfordernisse fiir einen Verkehrsschutz am Ort des dinglichen Geschäftsabschlusses. Mithin unterfällt auch die gewillkürte Stellvertretung bei Verfiigungen über Grundstücksrechte der lex rei sitae. Umgekehrt zeigt sich das Meinungsbild im Hinblick auf die Vollmacht zu Mobi/iarverfiigungen. Während allgemein anerkannt wird, daß die lex rei sitae fiir das Verfiigungsgeschäft maßgeblich ist, 436 wendet man diese mehrheitlich auf die Vertretung bei Verfiigungen über Fahrnis nicht an.437 Speilenberg will jedoch auch die Vollmacht zu Verfiigungen über bewegliche Sachen der Iex rei sitae unterstellen; dadurch könne man Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien vermeiden. 438 Bei Fahr434 Siehe hierzu Erwerbsbeschränkungen ftlr Ausländer durch Art. 6 u. 7 preußisches AG-BGB (Gesetzessammlung 1899, S. 177), Art. 10 bayerisches AG-BGB (GVBI. 1899, Beilage zu Nr. 28, S. 1), § 1 ll badisches Stiftungsgesetz (GVBI. 1918, S. 254), Art. 128 württembergisches AG-BGB (Reg.Bl. 1931, S. 545); hessisches Gesetz über Erwerbsbeschränkungen ftlr Ausländer und juristische Personen (GVBI. 1948, S. 96) jeweils i.V.m. Art. 88 EGBGB. Die dort genannten Beschränkungen wurden jedoch ftlr Angehörige von Staaten der EG durch Bundesgesetz vom 2.4.1964 (BGBI. 1964 I, S. 248) abgeschaffi. 435 Ein "Ortswechsel" kommt nur bei einer Änderung von Staatsgrenzen in Betracht. 436 Statt vieler Kropholler, § 54 I S. 478. Von dieser Prämisse wird hier ausgegangen, wenngleich m.E. daftlr angesichts der Zufillligkeit des Belegenheitsortes bei beweglichen Sachen und fehlender gesetzlicher Regelungen keine zwingenden Gründe der Staatssouveränität sprechen. Man wird indessen dieses Ergebnis schon als Gewohnheitsrecht bezeichnen können. 437Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1739; v. Bar, IPR Band 2, Rdnr. 591; vgl. auchErman!Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 17. 438 Spellenberg, S. 169.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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nisverfligungen soll genauso wie bei Verfugungen über Immobilien ein allgemeines Interesse an der Geltung des Belegenheitsrechts auch :fiir die Vollmacht bestehen. 439 Gegen eine derartige Gleichsetzung von Vollmachten zu Grundstücks- und zu Fahrnisverfugungen spricht zunächst, daß der Aufenthaltsort einer Mobilie rasch wechseln kann, so daß der Rechtsverkehr nicht allgemein auf ein festes Ortsrecht vertrauen darf. Die Lage einer Mobilie stellt in der Regel keinen wirtschaftlich bedeutenden Faktor dar. Zwar werden auch in dieser Konstellation absolute Rechte betroffen, deren Veränderung ein erhöhtes Maß an allgemeiner Rechtssicherheit erfordert. Es besteht demnach wohl ein Interesse an der Geltung des Ortsrechts, in dessen Bereich sich die Sache gerade befindet, jedoch kann der Verkehr nicht- wie bei Immobilien- von einem dauerhaft einheitlichen dinglichen Ortsrecht ausgehen. Diesem Anliegen wird aber schon durch die Unterstellung des Verfugungsgeschäftes selbst unter die Iex rei sitae ausreichend genügt; die Vollmacht hierzu bedarf dann keiner speziellen Regelung mehr. Muß der Rechtsverkehr bereits in bezug auf die Verfugung bei beweglichen Sachen mit einem Rechtswechsel durch örtliche Verschiebung rechnen, läßt sich auch kein hinreichendes Vertrauen auf die Akzessorietät des Vollmachtsrechts zu derjenigen Rechtsordnung, der die Verfugung unterliegt, unterstellen. Ferner besteht kein besonderes Interesse des Staates an einer durchgehenden intensiven Kontrolle dinglicher Rechtsänderungen bei beweglichen Sachen, wie dies bei Grundstücken bejaht wurde. Soweit eine staatliche Kontrolle in diesem Bereich gewünscht wird, 440 läßt sich diese durch spezialgesetzliche Regelungen erreichen, ohne daß dazu Einfluß auf die kollisionsrechtliche Verortung der Vollmacht genommen werden müßte. Das Argument, Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien vermeiden zu können, setzt voraus, daß derartige Probleme in nennenswertem Umfang akut werden können; diesen Nachweis bleibt diese Auffassung indessen schuldig.441 Die Vollmacht zur Verfugung über bewegliche Sachen ist daher den allgemeinen zur Vollmacht entwickelten Regeln zu unterstellen; sie wird mithin nach der hier vertretenen Auffassung bei einem Handeln über eine Zweigniederlassung an das Personalstatut des Unternehmens angeknüpft.

Ders., S. 169. Ein solches staatliches Interesse betriffi allenfalls Kunstgegenstände oder besondere mobile Gefahrenquellen; diese fallen aber zahlenmäßig im Rahmen der Fahrnisverfügungen nicht ins Gewicht. 441 Die Unterscheidung zwischen beweglichen Sachen und Grundstücksbestandteilen ist nicht derartig problematisch, daß eine einheitliche Regelung erforderlich WUrde. 439

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

c) Ergebnis

Für den Umfang der gewillkürten Vertretungsmacht eines Vertreters, der von der inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens aus in Deutschland tätig wird, ist grundsätzlich das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut maßgeblich. Dies gilt sowohl für die handelsrechtliehen Vollmachten als auch bloße Einzelbevollmächtigungen. Eine Abweichung ergibt sich aufgrundeines allgemeinen Vertrauens des Verkehrs und eines erhöhten staatlichen Interesses lediglich fiir die Vollmacht zu Verfiigungen über Immobiliarsachenrechte. Sie unterfallt wie die VerfUgung selbst der lex rei sitae. Diese Lösung korrespondiert wiederum mit dem Leitgedanken der positiven Reziprozität zur Bestimmung des Kollisionsrechts ausländischer Zweigniederlassungen in Deutschland. Werden die hierüber betätigten Vollmachten ebenfalls dem Personalstatut unterstellt, trägt diese Rechtsvereinheitlichung erneut zu einer Steigerung der Attraktivität dieser Investitionsform bei, an der der Bundesrepublik Deutschland gelegen sein muß. Die im Gegenzuge bezweckte Beeinflussung ausländischer Rechtsordnungen in gleichem Sinne fördert die deutschen Außenwirtscha:ftsinteressen. Der inländische Rechtsverkehr, dem es ohnehin schon obliegt, den Umfang der Vertretungsmacht des Gegenübers zu ermitteln und der auch schon bisher die Reichweite einer Innenvollmacht durch Nachfrage beim Vertretenen erforschen mußte, wird solange nicht unzumutbar belastet, wie er den Inhalt des ausländischen Vertretungsrechts erfahren kann. Dieser Weg steht ihm auch hier offen, solange sich der Vertreter der Zweigniederlassung zuordnen und diese einen Auslandsbezug erkennen läßt. 6. Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins: Anscheins- und Duldungsvollmacht Tritt über eine Zweigniederlassung eine nicht bevollmächtigte und nicht als Organ einzuordnende Person als Vertreter auf, deren Verhalten das ausländische Unternehmen duldet oder vermeiden kann, kommt die Konstruktion einer Vertretungsmacht über die Rechtsfigur der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht. Zu ermitteln ist dann wiederum, nach welcher Rechtsordnung diese Figuren anzuknüpfen sind. Erneut steht dabei die Anwendung des Vollmachtsstatuts und des Personalstatuts zur Diskussion. Des weiteren ist die Maßgeblichkeil des Rechts am Ort der Entstehung des Rechtsscheins möglich. Denkbar wäre schließlich eine Differenzierung nach dem Umfang des Anscheins bzw. der Duldung.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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a) Vollmachtsstatut Häufig werden Duldungs- und Anscheinsvollmacht dem sog. Vollmachtsstatut unterworfen442, wobei man bezüglich der Vollmacht als solcher auf den Niederlassungsort des Vertreters abgestellt hatte, der sich mit dem Ort der Zweigniederlassung deckt, so daß im vorliegenden Themenbereich die Anwendung des deutschen Rechts die Folge wäre. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß der Verkehrsschutz eine einheitliche Behandlung verlange, 443 zumal eine Abgrenzung zwischen der Vertretungsmacht durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung und durch Rechtsschein häufig kaum möglich sei.444 Schon die Einordnung der erteilten Vollmacht wurde indessen abweichend zur h.M. vorgenommen. Existiert mithin fiir die gewillkürte Vertretung über eine Zweigniederlassung kein eigenständiges Vollmachtsstatut, kann auch kein Gleichlauf der Anscheins- und Duldungsvollmacht mit demselben begründet werden. Zwar werden Anscheins- und Outdungsvollmacht nach deutschem Recht der (ausdrücklichen oder konkludenten) Erteilung einer Vollmacht gleichgesetzt, 445 doch ist zu berücksichtigen, daß es an einem rechtsgeschäftliehen Handeln des Prinzipals gerade fehlt. 446 Sind aber die erteilte Vollmacht und die Anscheins- bzw. Outdungsvollmacht letztlich (trotz gleicher Wirkung) wesensverschieden, müssen sie auch nicht einer gleichartigen Anknüpfung unterliegen. Eine Parallele zur Verortung der erteilten Vollmacht ist daher aus diesem Grunde nicht geboten; doch schließt dies nicht aus, mit anderer Begründung im Ergebnis fiir die Anscheins- und Outdungsvollmacht

442 OLG Frankfurt, Urt. v. 8.7.69 (5 U 137/68), RIW 69, 415, 415 (Duldungsvollmacht); OLG Ramm, Urt. v. 6.6.57 (17 U 185/56), IPRspr. 1956/57 Nr. 27, S. 102 (Recht des Gebrauchsortes fii.r Anscheinsvollmacht); v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 593; Kropholler, § 41 I S. 281/282; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1763; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 107; abweichend ManchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 283 (Unterstellung unter das Vo1lmachtsstatut, jedoch Entstehungsort des Rechtsscheins maßgeblich); ebenso Sandrock/MUI/er, D 53 S. 654; mißverständlich Ebenroth JZ 83, 821, 825, der bei der Vollmacht selbst zum Persanalstatut tendiert. 443 Kropholler, § 41 I S. 282; Fischer, IPRax 89, 215, 215 a.E. 444 Vgl. Kropholler, § 41 I S. 282, Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1763. 445 Hierauf stellt inzident Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 107 ab. 446 Vielmehr verbirgt sich hinter der Konstruktion der Anscheinsvollmacht, die auf die Möglichkeit des Prinzipals abstellt, das Auftreten des vermeintlichen Vertreters zu erkennen und zu verhindern, ein Fahrlässigkeitsvorwurf Da dem deutschen Zivilrecht jedoch die Begründung vertraglicher Primärverpflichtungen über ein Verschulden unbekannt ist, weist die Anscheinsvollmacht dem Grunde nach eine gewisse Nähe zum Bereich des Deliktsrechts auf.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

ebenfalls zu einer Maßgeblichkeit des Rechts des Zweigniederlassungsortes zu gelangen. b) Geschäftsstatut Speilenberg knüpft auch Duldungs- und Anscheinsvollmachten wie die tatsächlich erteilte Vollmacht an das Geschäftsstatut an. 447 Die Duldungsvollmacht sei Teil der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre und daher dem sonstigen rechtsgeschäftliehen Handeln gleichzustellen. 448 Gleiches gelte für die Anscheinsvollmacht, da deren Grenze zur Duldungsvollmacht fließend und der Unterschied für den Dritten nicht zu erkennen sei. 449 Hiergegen läßt sich einerseits anführen, daß schon fiir die bestehende Vollmacht eine kollisionsrechtliche Angleichung an das vom Vertreter geschlossene Geschäft nicht überzeugen konnte, so daß die behauptete enge Beziehung zur rechtsgeschäftliehen Erteilung der Vollmacht nicht mehr zum Geschäftsstatut fuhren kann. Andererseits wurde bereits die wesensmäßige Gleichheit der genannten Formen nach deutschem Recht abgelehnt. Sind erteilte Vollmacht und Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht aber nicht aneinander gebunden, können sie auch nicht gemeinsam dem Geschäftsstatut unterstellt werden. Entscheidend spricht jedoch gegen diese Einordnung, daß sie bei einer Rechtswahl zu absurden Ergebnissen fuhrt. Es erscheint nicht vorstellbar, daß sich eine Rechtswahl auf einen Bereich erstrecken kann, den eine Vertragspartei (der Vertretene) - so zumindest bei der Anscheinsvollmacht - per definitionem nicht kennt. Mithin wird einer Anknüpfung der Anscheins- und Duldungsvollmacht an das Geschäftsstatut ebenfalls nicht gefolgt. c) Personalstatut Mit dem häufig gebrauchten Argument der Nähe zwischen tatsächlicher Bevollmächtigung und Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht könnte man, wenn die über eine Zweigniederlassung betätigte Vollmacht grundsätzlich dem Personalstatut unterstellt wurde, ebenfalls zu einer Anknüpfung an dasselbe gelangen.450 Jedoch liegt dem Rechtsschein, der eine Vertretungsmacht begründet, (wie bereits oben angefiihrt) gerade kein Rechtsgeschäft zugrunde; er ist S. 255 u. 257. Ders., S. 255. 449 Ders., S. 257. 450 Hierauf läuft die Argumentation von Ebenroth, JZ 83, 821, 825 hinaus, der die Vollmacht grundsätzlich dem Recht der Niederlassung des Prinzipals unterstellt und Anscheins- und Duldungsvollmacht daraufhin diesem "Vollmachtsstatut" unterwirft. 447 Spellenberg, 448

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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lediglich tatsächlicher Natur. 451 Weiß der Vertretene aber i.d.R. vom Auftreten des vermeintlichen Vertreters nichts, kann schwerlich ein überwiegendes Interesse desselben an der Anwendung seines Heimatrechts begründet werden. Anscheins- und Duldungsvollmacht sind nach deutschem Recht allein aus Verkehrsschutzgesichtspunkten entwickelt worden. Der Konstellation fehlt damit bereits eine interessenneutrale Ausgangslage. Ferner kann sich der inländische Kontrahent nach dem Umfang einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht mangels einer rechtsgeschäftliehen Grundlage auch nicht erkundigen. Folglich ist auch eine Anknüpfung an das Personalstatut des ausländischen Unternehmens in diesen Fällen abzulehnen.

d) Ort der Entstehung des Rechtsscheins Andere knüpfen die genannten Rechtsfiguren an das Rechts des Ortes an, an dem der Rechtsschein entstanden ist. 452 Grundlage hierfur sind ebenfalls Verkehrsschutzerwägungen. In ihren Ergebnissen läßt sich diese Auffassung von den Vertretern des Vollmachtsstatuts nur schwer trennen; im Falle einer Zweigniederlassung in Deutschland wird sie ebenfalls auf eine Anwendung des deutschen Rechts hinauslaufen. Sie stellt jedoch im Gegensatz zu jener Lösung ein eigenständiges Anknüpfungsmodell fiir Duldungs- und Anscheinsvollmachten dar. Überdies müssen Gebrauchsort und Ort der Rechtsscheinsetzung nicht notwendigerweise zusammenfallen, 453 so daß sich zumindest theoretisch Unterschiede zum Vollmachtsstatut ergeben können. Angesichts der Tatsache, daß zwar die rechtsgeschäftliche Vollmacht grundsätzlich dem Personalstatut unterstellt wurde, letzteres jedoch in bezug auf die Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht wegen der überwiegenden Verkehrsinteressen nicht überzeugen kann, erweist sich die Anknüpfung an den Ort der Rechtsscheinsetzung als ausgewogenste KollisionsregeL Wegen der Faktizität des Rechtsscheins ist dieser notwendig ortsabhängig; da der ausländische Unternehmensträger die Vorgänge nicht kennt, 454 läßt sich auch kein überwiegendes Interesse an der generellen Anwendung des Gesellschaftsstatuts begründen. Schließlich bietet auch das an anderer Stelle zulasten des inländischen Rechtsverkehrs vorgebrachte Erkennbarkeitsmoment insoweit keinen Lösungsweg, als ein deutscher Kontrahent i.d.R. aus dem bloßen So BGH, Urt. v. 9.12.64 (VIII ZR 304/62), BGHZ 43, 21, 27. Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 32 EGBGB Rdnr. 3; Zimmer, S. 310 (für die Anscheinsvollmacht); Kegel, § 17 V 2 S. 455; Hüßtege, S. 93; wohl auch Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 266 (Vornahmeort); Kaligin, DB 85, 1449, 1452. 453 Vgl. Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1764. 454 Wäre dies der Fall, könnte man u.U. von einer konkludenten Vollmachtserteilung ausgehen. 451

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Rechtsschein einer Vollmacht keinen ausreichend konkreten Auslandsbezug ableiten kann; ferner sind, auch wenn sich ein Auslandsbezug ergeben sollte, Anscheinsregelungen des ausländischen Rechts grundsätzlich nicht in zumutbarer Weise zu ermitteln. Demnach verschiebt sich die Interessenlage im Vergleich zur tatsächlich erteilten Vollmacht hier zugunsten des Verkehrsam Ort, an dem sich ein Rechtsschein der Bevollmächtigung auswirkt. Bisweilen wird die Anknüpfung an den Ort des Rechtsscheins jedoch noch zugunsten des inländischen Kontrahenten erweitert, indem man diesem die Berufung auf das Personalstatut des Unternehmens gestattet, wenn sich dieses für ihn günstiger darstellt. 455 Dem ist jedoch wie schon der Lehre von der Anwendung des drittgünstigen Rechts entgegenzuhalten, daß dadurch der Verkehrsschutz zulasten der Rechtssicherheit nun überbetont wird, zumal bereits die deutsche Rechtslage im Bereich der Anscheins- und Duldungsvollmacht als sehr verkehrsfreundlich einzustufen ist. Folglich überzeugt die Anknüpfung an den Ort der Rechtsscheinsetzung. Ein Wahlrecht des Dritten ist allerdings abzulehnen.

e) Einschränkung zugunsten des Vertretenen (Art. 3111 EGBGB analog) Als Einschränkung der Maßgeblichkeif des Wirkungs- oder Gebrauchsorts wird dem Vertretenen die Möglichkeit eingeräumt, sich auf das Recht an seinem Aufenthaltsort zu berufen, wenn er mit einer Wirkung des Rechtsscheins als Vollmacht nicht rechnen mußte, weil sein Heimatrecht derartiges nicht vorsieht; methodisch begründet man dies mit einer Analogie zu Art. 31 II EGBGB. 456 Gegen diese Rückeinschränkung wird vorgebracht, Art. 31 II EGBGB sei nicht zugunsten des Vertretenen analog anwendbar, da die Frage einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht nicht die Wirksamkeit des Vertrages betreffe.457 Dem Bedenken ist zuzugeben, daß die hiesige Problematik im Vorfeld eines Vertragsschlusses angesiedelt ist und dessen unmittelbares Zustandekommen noch nicht betrifft. Ferner könnte die Tatsache, daß die Vertretung aus dem Anwendungsbereich der Artt. 27 ff. EGBGB durch Art. 37 Nr. 3 EGBGB explizit ausgenommen ist, einer solchen Analogie entgegenstehen. Andererseits wurde bereits darauf hingewiesen, daß Duldungs- und Anscheinsvollmacht zwar in ihrer Wirkung einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht Kaligin, DB 85, 1449, 1452; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 266. Zimmer, S. 310; Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 32 EGBGB Rdnr. 3; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1764 a.E. 457 Erman/Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 19 (Anm.: Die genannte Textstelle muß um ein "nicht" ergänzt werden, da sie anderenfalls nicht plausibel wird.); Staudinger/Firsching Vor Art. 12 EGBGB Rdnr. 297. 455 456

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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gleichgestellt werden, jedoch dem Grunde nach gerade keinen rechtsgeschäftliehen Charakter haben. Sie sind vielmehr dogmatisch in der Nähe einer Fiktion zu einzuordnen. Besteht demnach in ihrer Grundlage ein signifikanter Unterschied zur eigentlichen Vollmacht, muß der Ausschlußregelung des Art. 37 Nr. 3 EGBGB in dieser Hinsicht keine absolute Wirkung beigemessen werden. Somit läßt sich die primäre Analogievotaussetzung, eine unbeabsichtigte Regelungslücke, bejahen. In einem zweiten Schritt kann daraufhin aber auch eine zu Art. 31 II EGBGB vergleichbare Interessenlage begründet werden. Mag auch die Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht noch nicht direkt das Zustandekommen des Vertrages betreffen,458 so ist sie doch eine mittelbare Voraussetzung. Wenn aber ein Beteiligter bei einem unmittelbaren Tätigwerden zu einem Vertragsschluß Schutz durch Art. 31 II EGBGB genießt, wäre es widersinnig, ihm diesen Schutz bei einer im Vorfeld angesiedelten Fiktion zu versagen, zumal deijenige, welcher durch die Wirkung des Rechtsscheins gebunden wird, keine Tätigkeit entfaltet hat, sondern sich an einer vermeidbaren Untätigkeit festhalten lassen muß. Es könnte indessen zu fragen sein, ob trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer Analogie zu Art. 31 II EGBGB eine solche dann scheitert, wenn der zu Verpflichtende - hier in Deutschland - eine Zweigniederlassung außerhalb seines Sitzstaates betreibt. Dann muß dieser möglicherweise stets mit einer Anwendung des fremden Rechts rechnen.459 Eine derartige Beschränkung des Analogieweges wird aber der Faktizität des Rechtsscheins nicht gerecht. Da der Vertretene die Existenz des Rechtsscheins i.d.R. nicht kennt, 460 läßt sich nicht behaupten, daß durch die Auslandsbetätigung eine bewußte Risikoerhöhung entsteht. Überdies käme eine solche Differenzierung einer Diskriminierung der Auslandsinvestition gleich. Da dem deutschen Wirtschaftsstandort (auch aus Reziprozitätsgesichtspunkten) an einer niederlassungsfreundlichen Normauslegung gelegen sein muß, erscheint es nicht gerechtfertigt, hier zwischen einem Ausländer, der sich nur in seinem Heimatstaat betätigt, und einem solchen mit Geschäftstätigkeit in Deutschland zu differenzieren. Folglich kommt eine analoge Anwendung des Art. 31 II EGBGB zugunsten eines ausländischen Unternehmensträgers mit deutscher Zweigniederlassung dann in Betracht, wenn das ausländische Sitzrecht die Zurechnung eines Ver-

Die Anhindung an das Geschäftsstatut war abzulehnen, s.o. So dürfte Fischer, IPRax 89,215,216, zu verstehen sein, der Art. 31 II nur dann für analog anwendbar hält, wenn der Vertretene nicht am Rechtsverkehr im Ausland teilnimmt und deshalb nicht mit einer dortigen Rechtsscheinswirkung rechnen muß. 460 Anders möglicherweise, wenn eine Du1dungsvo11macht in Frage steht. 458

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

treterhandeins über Rechtsscheinsgesichtspunkte überhaupt nicht kennt461 und der Vertretene im jeweiligen Einzelfall mit einer Vollmachtswirkung aufgrund Rechtsscheins nicht rechnen mußte; die Tätigkeit über die Zweigniederlassung allein reicht dabei zur Vorhersehbarkeit der Rechtsscheinswirkungen nicht aus. Bei Erfiillung dieser Voraussetzungen scheidet die Anwendung des Rechtes am Ort der Entstehung des Rechtsscheins analog Art. 31 II EGBGB aus.

j) Differenzierung nach Umfang des Rechtsscheins? Denkbar wäre schließlich eine vom Umfang des Rechtsscheins her bestimmte differenzierende Herausbildung kollisionsrechtlicher Regeln zur Anscheinsund Duldungsvollmacht. Dabei könnte zwischen der Tätigkeit eines Vertreters, der an sich über eine begrenzte rechtsgeschäftliche Vollmacht verfiigt, und derjenigen einer Person, die mit keinerlei Vollmacht versehen ist, zu unterscheiden sein. Überschreitet ein über eine deutsche Zweigniederlassung tätiger Vertreter eines ausländischen Unternehmens seine an sich bestehende Vertretungsmacht und entsteht der Anschein, auch diese Tätigkeit sei durch eine Vollmacht gedeckt, legt bereits die bestehende rechtliche Verwurzelung der Vertretertätigkeit am Ort der Zweigniederlassung eine Anknüpfung an·das Recht des Ortes der Auswirkung des Rechtsscheins nahe. 462 In dieser Konstellation bleibt es demnach bei der gefundenen Lösung. Anders könnte aber die Situation zu beurteilen sein, in der eine Person im Zusammenhang mit der Zweigniederlassung als Vertreter auftritt, ohne auch nur über eine "Rumpf'-Vertretungsmacht zu verfUgen. Möglicherweise tritt für diesen Sachverhalt das Interesse des Vertretenen in den Vordergrund, der grundsätzlich keinen Bezug zu einem solchen vermeintlichen Vertreter aufweist; eine solche Sichtweise würde in dieser Konstellation mithin zur Anwendung des Personalstatuts fiihren. Andererseits ist zu bedenken, daß es letztlich nicht von entscheidender Bedeutung sein kann, ob der Vertretene sich mit der Überschreitung einer Vollmacht oder einer insgesamt fehlenden Vollmacht konfrontiert sieht; in beiden Fällen wird die Tätigkeit nicht von einer tatsächlich erteilten Vollmacht abgedeckt. Da aber gerade dieser an sich vollmachtlose Bereich in Frage steht, spielt es auch für den inländischen Kontrahenten keine Rolle, ob der Scheinvertreter für andere Rechtsgeschäfte eine Vollmacht besitzt. Schließlich verlangt ebenfalls der Aspekt der Rechtssicher461 In Frankreich ist z.B. eine Anscheinsvollmacht unbekannt, doch wird der Vertretene grundsätzlich verpflichtet, wenn das Geschäft ft1r ihn günstig ist (Art. 1375 CC); vgl. auch Constantinesco!Hübner, S. 123. 462 Verträte man - wie hier nicht geschehen - bereits filr die Vollmacht das Wirkungsstatut, so wäre dieses wegen der Nähe zu derselben anwendbar.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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heit eine einheitliche kollisionsrechtliche Beurteilung des Problemkreises der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Den Interessen des Vertretenen kann bei Annahme eines Rechtsscheins im Einzelfall durch eine analoge Heranziehung des Art. 31 II EGBGB genügt werden. Somit vermag eine Differenzierung der Anknüpfung der Anscheins- und Duldungsvollmacht nach dem Umfang des Fehlens der rechtsgeschäftliehen Vertretungsmacht nicht zu überzeugen. g) Ergebnis

Die kollisionsrechtliche Einordnung der Frage einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht erfolgt somit durchgehend nach dem Recht des Ortes, an dem sich der Rechtsschein ausgewirkt hat, also der vermeintliche Vertreter als ein solcher aufgetreten ist. Da die Problematik hier im Hinblick auf die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens behandelt wird, fiihrt dieser Weg im Ergebnis zur Anwendung der deutschen Regeln über die Anscheins- und Duldungsvollmacht. Demnach muß, um die einer bestehenden Vertretungsmacht gleichstehende Wirkung zu erreichen, zur bloßen Existenz des Rechtsscheins einer Vertretungsmacht als weiteres Tatbestandsmerkmal hinzutreten, daß das ausländische Unternehmen (i.e. bei einer Gesellschaft deren Organe) denselben zurechenbar veranlaßt hat. Wußte der ausländische Unternehmensträger nichts vom Auftreten des vermeintlichen Vertreters im Rahmen der deutschen Zweigniederlassung, hätte er dieses aber erkennen und verhindem können, kommt der Vertretertätigkeit in Form der Anscheinsvollmacht bindende Wirkung zu, duldete der Vertretene, daß sich eine Person als scheinbarer Vertreter gerierte, ohne diese konkludent bevollmächtigt zu haben,463 wird er über die Konstruktion einer Duldungsvollmacht gebunden. Der Vertretene kann der Bindungswirkung jedoch im Einzelfall analog Art. 31 II EGBGB entgehen, wenn sein Sitzrecht eine solche Relevanz des Rechtsscheins nicht kennt und er mit der Anwendung des deutschen Vertretungsrechts nicht zu rechnen brauchte. Da diese Analogie jedoch eine Einschränkung der Grundregel darstellt. obliegt ihm die Beweislast in bezug auf ihre Voraussetzungen. Aus der Tatsache, daß die Vollmacht mehrheitlich dem Recht ihres Gebrauchs- oder Wirkungsortes unterstellt wird, erklärt sich, daß die Stimmen, die der Anscheins- und Duldungsvollmacht das Vollmachtsstatut zugrunde 463 Zwar liegen die Duldung des Auftretens eines Vertreters und die konldudente Bevollmächtigung in der Praxis nahe zusammen, doch kommt der bloßen Duldung kein rechtsgeschäftlicher Charakter zu; sie hat keinen Erklärungswert Daß im Ergebnis aber der Rechtsschein dennoch einer Erklärung gleichgesetzt wird, stellt von Beginn an ein Grundproblem dieser Konstruktionen dar, dessen Erörterung hier indessen vom Thema wegfuhren müßte.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

legen, ebenso wie die Anhänger einer selbständigen Anknüpfung für den Fall eines Auftretens im Ralunen einer Zweigniederlassung zur Anwendung des Rechts an ihrem Sitz gelangen. 464 Die wesentliche Übereinstimmung der Ergebnisse darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei dogmatisch um höchst unterschiedliche Wege handelt. Für den zuletzt behandelten Problemkreis zeigt sich folglich, daß dem Postulat der vorleistenden Reziprozität aus Gründen einer Verschiebung der Gewichtung von Interessen und Schutzbedürfnissen hier nur mit Einschränkungen genügt werden kann. Es kommt nur in der genannten Analogie zu Art. 31 II EGBGB zum Tragen. Diese Restriktion rechtfertigt sich aber auch aus Sicht der deutschen Außenwirtschaft. Da deutsche Unternehmen schon nach inländischem Recht dem Risiko einer Vollmachtswirkung nach Grundsätzen des Rechtsscheins ins Auge sehen müssen, besteht auch kein relevantes Schützenswertes Interesse, vor ähnlichen Regelungen des Auslandes verschont zu bleiben, wenn sie ausländische Zweigniederlassungen gründen. Durch aufmerksame Kontrolle der Aktivitäten der Zweigniederlassung - eine solche kann schon wegen der Rechtseinheit von Haupt- und Zweigniederlassung erwartet werden- läßt sich überdies der Rechtsschein als solcher bzw. dessen Zurechnung an den Unternehmensträger vermeiden. Demnach bedarf es auch aus deutscher Sicht einer Anknüpfung an das Personalstatut nicht. 7. Vertretung ohne Vertretungsmacht Verfügt eine Person, die im Zusammenhang mit einer Zweigniederlassung in Deutschland tätig wird, nicht oder nicht in dem notwendigen Umfang über die erforderliche Vertretungsmacht und läßt sich eine Bindungswirkung gegenüber dem ausländischen Unternehmen auch nicht mittels einer Anscheinsoder Duldungsvollmacht herbeifiihren, sind für die Beteiligten zwei Wege denkbar, ihren Interessen zum Erfolg zu verhelfen: Der Vertretene kann seine vertragliche Primärberechtigung und -Verpflichtung durch eine Genehmigung des Handeins des vermeintlichen Vertreters begründen. Geschieht dies nicht, haftet der falsus procurator gegenüber dem inländischen Kontrahenten. In beiden Fällen ist aber zuvor zu ermitteln, welche Rechtsordnung diesen Wegen zugrunde zu legen ist. Während diesbezüglich zumeist allgemeine Lösungen vertreten werden, die sich an der Anknüpfung des Vertretergeschäfts oder 464 Als Beispiel fur eine häufige Vennischung der Argwnentationen sei Erman/Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 19 genannt, der auf das Vollmachtsstatut zurückgreift und sodann das Recht des Ortes, an dem Vertrauen geweckt wurde, fur maßgeblich hält. An sich wäre aber im Rahmen des Vollmachtsstatuts eine Erörterung der Wirkung des Rechtsscheins unnötig, da sich der Gleichlauf dann schon aus der Gleichsetzung von erteilter Vollmacht und Rechtsscheinvollmacht ergäbe.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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der Vollmacht orientieren, soll jedoch auch die Möglichkeit erörtert werden, die Anknüpfung je nach der Qualität des Vertretungsmangels differenziert vorzunehmen. a) Genehmigung durch den Vertretenen

Bei der Einordnung der Genehmigung durch den Vertretenen sind sowohl die kollisionsrechtlichen Fragen der Möglichkeit einer solchen als auch deren Voraussetzungen zu untersuchen. aa) Geschäftsstatut Sowohl die Möglichkeit zur Genehmigung des Vertretergeschäfts als auch deren Voraussetzungen werden überwiegend dem Geschäftsstatut des Vertretergeschäfts unterstellt. 465 Dies begründet man damit, daß die Genehmigung weniger eine Ergänzung oder Erteilung der Vollmacht darstelle, sondern letztlich zu einer Heilung des Hauptgeschäfts fiihre. 466 Der Vertretene könne nicht mehr Rechte beanspruchen, als die Rechtsordnung der Forderung, die er mit der Genehmigung erwerbe, vorsehe. 467 Diese Argumentation entspricht dem Wortlaut der deutschen Regelung der Genehmigung in § 177 I BGB, die sich auf die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts bezieht. Zu ihren Gunsten ließe sich auch anfUhren, daß statt der Genehmigung in ähnlicher Weise auch eine Neuvornahme des Geschäftes zwischen Vertretenem und Drittem mit derselben Wirkung denkbar wäre, die dann zwingend dem Geschäftsstatut unterfiele. Andererseits ist schon nach deutschem Recht zu berücksichtigen, daß die Genehmigung auch gegenüber dem vollmachtlosen Vertreter erfolgen kann. 468 Bei dieser Vorgehensweise muß sich die Genehmigung jedoch auch auf die Vertretung selbst beziehen, da anderenfalls die fehlende Vertretungsmacht bestehen bliebe, die Genehmigung dem Dritten aber noch nicht zugegangen wäre; in dieser Konstellation könnte man die Wirksamkeit des Vertrages sonst kaum begründen. Demnach weist die Genehmigung zwar eine Nähe zum Vertretergeschäft auf, doch ergibt sich daraus noch kein zwingender Schluß auf die Anwendung des Geschäftsstatuts. Ferner wird der Vertretene in

465 Erman/Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 19; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 593; Palandt/Heldrich Anh. Art. 32 EGBGB Rdnr. 3; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1770; BGH, Urt. v. 8.10.91 (XI ZR 64/90), NJW 92,618, 619; OLG Celle, Urt. v. 7.9.83 (9 U 34/83), ZIP 84, 594, 600/601; Haßtege, S. 93; Soergel!Laderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 103; Raape, IPR, § 46 II S. 502/503. 466 Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1770. 467 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 593 (S. 533 oben). 468 Dies ergibt sich als Rückschluß aus § 177 II 1 BGB.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

denjenigen Fällen, in denen eine ihm unbekannte Person ohne jegliche Vertretungsmacht für ihn aufgetreten ist, schon von deren Handeln als solchem mehr als der Dritte überrascht; dieser Effekt rechtfertigt es durchaus, seine Entscheidung über eine Genehmigung des Geschäfts nicht dem Geschäfts-, sondern dem ihm vertrauten Personalstatut zu unterstellen. Grundsätzlich muß niemand damit rechnen, daß eine Person als Vertreter für ihn in Erscheinung tritt, selbst wenn er geschäftliche Schwerpunkte an verschiedenen Orten, auch im Ausland, besitzt. Mithin wird einer Anknüpfung der Genehmigung an das Geschäftsstatut nicht gefolgt. Der Dritte am Ort der hier maßgeblichen Zweigniederlassung kann - nach deutschem Recht - einseitig die Wirksamkeit des Geschäftes ohnehin nicht herbeiführen, sondern allenfalls verhindern oder die Rechtslage einer frühen Klärung zuführen469 ; erzwingen läßt sich die Genehmigung nicht. Kommt somit dem Dritten schon hiernach nur eine schwache Rechtsposition zu, so ist auch sein eventuelles Vertrauen auf eine Geltung des Vertragsstatuts nicht hinreichend schutzwürdig; seinen Interessen wird durch die Möglichkeit, den falsus procurator in Anspruch nehmen zu können, 470 genügt. bb) Vollmachtsstatut Bisweilen unterstellt man die Genehmigung des Vertreterhandeins auch dem Vollmachtsstatut. 471 Dies sei vorteilhaft, als die zusammenhängenden Fragen einer Anscheinsvollmacht und einer Vertretung ohne Vertretungsmacht nach einer Rechtsordnung behandelt werden könnten. 472 Haben der über eine Zweigniederlassung auftretende falsus procurator und der Dritte keine Rechtswahl getroffen, so führt diese Einordnung über den Gebrauchsort demnach zum gleichen Ergebnis wie die o.g. Auffassung. Eine differenzierende Auffassung will nur Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Genehmigung dem Vollmachtsstatut unterwerfen, die Möglichkeit zur Genehmigung jedoch nach dem Gesellschaftsstatut beurteilen. 473 Wird die Genehmigung bei vollmachtloser Vertretung in ihrer Wirkung nicht auf das Vertretergeschäft, sondern auf die Vertretungsmacht selbst bezogen, erscheint es aufgrund des daraus resultierenden engen Zusammenhangs zur Vollmacht durchaus folgerichtig, sie kollisionsrechtlich letzterer anzugleichen. Andererseits berücksichtigt diese Lösung die Doppelwirkung der GeVgl. für das deutsche Recht § 177 II 2, § I 78 BGB. Siehe dazu die Ausfilhrungen unten b ). 471 So offenbar Kropholler, § 41 I 3 S. 282; Kaligin, DB 85, 1449, 1456. 472 Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 112; Kropholler, § 41 I S. 282. 473 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 263 (2.Abs. ). 469 470

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

153

nehmigung nicht. Kann sie aber weder ausschließlich dem Vertretergeschäft noch der Vollmacht zugeordnet werden, erweist sich auch eine Allgleichung an diese Institute nicht als geboten. Überdies wurde nach der hier favorisierten Ansicht bereits die Vollmacht selbst dem Personalstatut unterworfen. Auf dieser Grundlage könnte eine Parallele zur bestehenden Vollmacht auch für die Genehmigung einer Vertretung ohne Vertretungsmacht ebenfalls nicht zur Anwendung des Rechts des Gebrauchsortes fiihren. Zwar ähneln sich die Institute der Anscheinsvollmacht und der Vertretung ohne Vertretungsmacht insoweit, als eine Vollmacht in beiden Fällen nicht erteilt worden ist, doch fiihrt die Anscheinsvollmacht im Ergebnis automatisch zu einer Vertretungsmacht, während eine solche fiir den falsus procurator erst durch ein Rechtsgeschäft, die Genehmigung, geschaffen werden muß. Da die Bindungswirkung demnach nur vom Vertretenen abhängt, besteht ein signifikanter Unterschied zur Anscheinsvollmacht; eine kollisionsrechtliche Parallele mag zwar die Konfliktlösung im Einzelfall erleichtern, strukturell kann sie jedoch nicht überzeugen. Aus diesen Erwägungen scheidet auch eine Anknüpfung der Genehmigung an den Gebrauchsort unter Gleichstellung mit dem Vollmachtsstatut aus. cc) Personal-/Gesellschaftsstatut Aufgrund der dargelegten Kritik erscheint es vielmehr vorzugswürdig, Möglichkeit, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Genehmigung dem Personalstatut des Vertretenen zu unterstellen. Eine zwingende Zuordnung der Genehmigung zum Vertretergeschäft oder zur Vertretungsmacht läßt sich nicht vornelunen, so daß eine selbständige Anknüpfung erforderlich wird. Dies mag eine Überlegung zum Innenverhältnis zwischen Vertretenem und falsus procurator stützen: Wenn der Vertretene durch eine Anscheinsvollmacht gebunden wird, untersteht der interne Rückgriff gegenüber dem Vertreter, sei es in Form einer unberechtigten Geschäftsfiihrung ohne Auftrag oder einer positiven Vertragsverletzung, 474 dem Statut des Innenverhältnisses, d.h. grundsätzlich dem Recht am Sitz des Vertretenen. 475 Auch bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht liegt der primäre Fehler ebenfalls im Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter; erstgenannter hat keine Vollmacht erteilt. Die Genehmigung des Vertreterhandeins stellt zugleich notwendigerweise einen Verzicht auf einen internen Rückgriff dar. Folglich besteht auch eine gewisse Nähe zwischen dem Innenverhältnis und der Genehmigung. Diese fiihrt dazu, daß die Genehmigung des vollmachtlosen Vertreterhandeins im

474 475

So etwa bei Überschreitung einer bestehenden Vertretungsmacht Dies ergibt sich filr das deutsche Recht aus Art. 32 I Nr. 3 EGBGB.

154

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Schnittpunkt von Vollmacht, Vertretergeschäft und Innenverhältnis zu verorten ist. Daraus folgt wiederum das Erfordernis, die Anknüpfung derselben unabhängig von allen genannten Verhältnissen nach eigenständiger Gewichtung vorzunehmen. Als Maßstäbe können somit zum einen der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, zum anderen die Abwägung der involvierten Interessen herangezogen werden. Der falsus procurator selbst wird zwar an einer Genehmigung interessiert sein, um eine Bindungswirkung herbeizuführen und seine Haftung gegenüber dem Dritten auszuschließen, doch verdienen seine Interessen den geringsten Schutz, da er die Ursache des Konfliktes gesetzt hat. Auch dem Dritten ist an einer Klärung der Rechtsverhältnisse des vom falsus procurator abgeschlossenen Geschäfts gelegen, doch kann er schon nach deutschem Recht die Verpflichtung des Vertretenen, wie oben dargelegt, nicht herbeiführen, sondern lediglich verhindern. Die gravierendsten Auswirkungen hat die Genehmigung jedoch für den Vertretenen. Er wird durch sie an ein Geschäft gebunden, von dem er keine Kenntnis hatte476 und an dessen Zustandekommen er nicht beteiligt war. Die Tatsache, daß der vollmachtlose Vertreter im Ausland über eine mit Willen des Prinzipals errichtete Zweigniederlassung auftrat, darf dem Vertretenen dabei nicht zum Nachteil gereichen, um die Auslandsinvestition nicht zu sanktionieren. 477 Um ihn somit nicht schlechter zu stellen als gegenüber einem Geschäft eines falsus procurator im Staat seines Hauptsitzes, liegt eine Anwendung des dem Vertretenen vertrauten Personalstatuts auf die Genehmigung nahe. Überdies wird ihm bei einer Genehmigung bereits das Zugeständnis abverlangt, sich mit einem zwingenden fremden Vertragsstatut abzufinden, so daß das Abstellen auf das Personalstatut keinen übermäßigen Vorteil darstellt. Die Rechtsposition des Dritten wird hierdurch nicht signifikant verschlechtert; selbst wenn das Personalstatut eine Genehmigung nicht vorsieht, kann er sich an den falsus procurator halten. Der Rechtssicherheit läuft dieses Ergebnis nicht zuwider. Hängt die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts in erster Linie vom Vertretenen ab, so liegt auch aus der Sicht Unbeteiligter die Anwendung von dessen Personalstatut am nächsten. Eine gewisse Einbuße an Rechtssicherheit für den mit dem vollmachtlosen Vertreter in Kontakt getretenen Verkehrskreis erscheint wegen der Absicherung durch die Haftung des falsus procurator hinnehmbar. Folglich ist die Frage nach einer Genehmigung des Vertretergeschäfts kollisionsrechtlich über das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut zu beantworten.478 Sonst läge i.d.R. eine Duldungsvolhnacht vor. Vgl. schon die Argumentation zur Einordnung der Volhnacht. 478 So zumindest partiell auch Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 263; wohl auch Kegel, § 17 V 2 c S. 457, der die Vertretung ohne Vertretungsmacht zwar der Vollmacht zuordnet, jene aber nach dem Personalstatut bestimmt hatte (s.o.). 476

477

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

155

b) Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht Bei der Einordnung der Haftung des falsus procurator gegenüber dem Dritten kommen dem Grunde nach die gleichen Wege in Betracht wie schon zuvor im Rahmen der Genehmigung. Zusätzlich soll hier diskutiert werden, ob eine Differenzierung der Anknüpfung nach dem Grade des Fehlens der Vertretungsmacht möglich ist. aa) Vollmachtsstatut Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht gegenüber dem Dritten wird häufig auf der Grundlage des Vollmachtsstatuts angeknüpft und dem Recht des Gebrauchsortes unterstellt. 479 Als Begründung dienen erneut der angenommene Vorteil einer Gleichbehandlung mit der Anscheinsvollmacht480 und die Tatsache, daß es sich hier wie bei dieser um eine verschuldensahhängige Vertrauenshaftung handele. 481 Außerdem wurzele die Problematik im Vertretungstatbestand. 482 Der Dritte solle sich aber auch auf die Regelungen eines fiir ihn günstigeren Personalstatuts berufen können. 483 Diese Zuordnung verdient zwar im Ergebnis, der Anknüpfung an den Gebrauchsort, grundsätzlich Zuspruch, ist jedoch strukturell nach der hier vertretenen Anknüpfung der Vollmacht an das Personalstatut (und nicht den Gebrauchsort) nicht gangbar. Auch die Parallele zur Anscheinsvollmacht erscheint bedenklich, da jene unmittelbar das Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter betrifft, die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht aber als Folgeproblem nur zwischen Drittem und falsus procurator auftritt. Überdies handelt es sich bei der Anscheinsvollmacht nicht um eine Haftung, also ein Einstehenmüssen fiir eine an sich fremde Sachlage, sondern um einen der vertraglichen Primärverpflichtung vorgelagerten Aspekt, während die Inanspruchnahme eines Vertreters ohne Vertretungsmacht sekundären Charakter hat. 484 Daß die Haftungsfrage letztlich aus dem Problemkreis des Vertretungsrechts resultiert, fiihrt nicht zu einer kollisionsrechtlichen Bindung an die Vollmacht, da ein 479 Kropholler, § 41 I S. 282; Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 112; Palandt/Heldrich Anh. Art. 32 EGBGB Rdnr. 3; auch MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 284 (Vomaluneort); Fischer, Verkehrsschutz, S. 313; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 266; Kaligin, DB 85, 1449, 1452; Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 121 ("Iex loci actus"). 480 Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80, 112. 481 Kropholler, § 41 I S. 282. 482 Soergei!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 105. 483 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 284; Kaligin, DB 85, 1449, 1452. 484 Auch wenn vom vollmachtlosen Vertreter u.U. Erfullung verlangt werden kann.

156

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

Vertretungstatbestand bei dieser Problematik gerade nicht existiert, sondern der Aufbau eines gesetzlichen Schuldverhältnisses im Verhältnis zwischen Drittem und vollmachtlosem Vertreter erfolgt. Schließlich widerspricht die Möglichkeit einer Wahl des günstigeren Rechts durch den Dritten dem Gedanken der Rechtssicherheit und sanktioniert das Vertreterhandeln unverhältnismäßig.485 Demnach wird der Anknüpfung an das Vollmachtsstatut auch in diesem Fall nicht gefolgt. bb) Personalstatut des (nicht) Vertretenen In Anlehnung an die obige Einordnung der Vollmacht könnte auch die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht dem Personalstatut des Vertretenen zu unterstellen sein. 486 Zumindest dann, wenn der vollmachtlose Vertreter erkennbar fiir die Zweigniederlassung aufgetreten wäre, wäre ein Auslandsbezug fiir den Dritten vorhersehbar und daher eine Anwendung des Personalstatuts grundsätzlich zumutbar. Allerdings fehlt der Haftung des vollmachtlosen Vertreters eine unmittelbare Beziehung zum Vertretenen. Dieser hat zwar auf die Entstehung der Haftung insoweit Einfluß, als er sie durch eine Genehmigung der Vertretung verhindem kann; später aber wird er davon nicht mehr berührt. Sind jedoch seine Interessen von der Vertreterhaftung selbst nicht mehr tangiert, fehlt ein Grund, an sein Personalstatut anzuknüpfen. Auch gegenüber anderen Gläubigem des vollmachtlosen Vertreters wäre eine eventuelle Bevorzugung des Dritten durch die Anwendung des Personalstatuts des Vertretenen nicht gerechtfertigt. Demzufolge ist die Haftung des falsus procurator nicht an das Personalstatut zu binden. cc) Geschäftsstatut Andere halten fiir die Haftung des vollmachtlosen Vertreters das Vertragsstatut des Vertretergeschäfts fiir maßgeblich, d.h. dasjenige Statut, das auf den Vertrag zwischen Vertretenem und Drittem anwendbar gewesen wäre, wenn der Vertreter mit wirksamer Vertretungsmacht gehandelt hätte. 487 Es handele sich um Fragen der Erfiillung oder des Schadensersatzes, aber nicht der Voll485 Es erscheint nicht gerechtfertigt, dem vollmachtlosen Vertreter pauschal das Risiko seines Verhaltens durch zwei RechtsordnWlgen zuzuweisen. Überwiegend wird er zwar Verursacher des Konfliktes sein, doch kann der VertretWlgsmangel auch daraus resultieren, daß eine bestehende Vollmacht {rückwirkend) durch den Vertretenen angefochten worden ist. 486 So offenbar Kegel, § 17 N 2 c S. 457, mit dem Hinweis, dies entspreche den Folgen fehlender Geschäftstahigkeit. 487 Erman!Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 19; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1773; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 593; Raape, IPR, § 46 li S. 503.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

157

macht. 488 Die Haftung sei materiellrechtlich vertragsähnlicher Natur, also auch dem Vertragsstatut zu unterstellen. 489 Außerdem hätten Dritter und Vertreter das anwendbare Recht frei aushandeln können.490 In Anbetracht der Tatsache, daß die Interessen des Vertretenen in diese Haftungskonstellation nicht involviert sind und auch der Gesichtspunkt der internationalen Rechtssicherheit ein Abstellen auf den Vertretenen nicht gebietet, kommt die Bindung an das Geschäftsstatut des beabsichtigten Vertrages den Interessen der Beteiligten - soweit schutzwürdig - am nächsten. Zwar könnte man einwenden, es handele sich hier um ein gesetzliches Schuldverhältnis, das wiederum eigenen Regeln, etwa über eine selbständige Bestimmung des Schwerpunkts, zu urtterwerfen sei, doch beruht seine Entstehung lediglich darauf, daß der Hauptvertrag mangels Vertretungsmacht nicht zustande kommen konnte. Die Haftung des vollmachtlosen Vertreters ähnelt mit Ausnahme der fehlenden Verschuldeoskomponente materiellrechtlich sehr einer solchen aus culpa in contrahendo, da der Vertreter mit dem Dritten ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis aufgebaut, dieses Vertrauen jedoch gebrochen hat. 491 Auch im Rahmen der culpa in contrahendo kann ausnahmsweise ein Erfüllungsanspruch (wie in der deutschen Regelung des § 179 I Alt. 1 BGB vorgesehen) entstehen. 492 Wenn dieses Haftungsinstitut indessen kollisionsrechtlich dem Vertragsstatut unterfällt, 493 kann dies ebenso fiir die ihm ähnliche Vertreterhaftung gelten. Der inländische Dritte verdient ebensowenig eine eventuelle Besserstellung durch das Recht des Gebrauchsortes, da auf diese Weise diejenige Rechtsordnung Anwendung findet, mit deren Geltung er im Vertrauen auf einen wirksamen Vertragsschluß ohnehin rechnen mußte und die er bei einer Rechtswahl mitbestimmt hat. Er wird so aber auch wertungsmäßig nicht bevorzugt, weil er sich zwar nach deutschem Recht nach dem Umfang einer Vollmacht erkundigen müßte, ihm aber eine Kompensation des Risikos durch die Vertreterhaftung gewährt würde, wobei dort die Beweislast bezüglich des Besteheus der Vollmacht dem Vertreter zugewiesen wird494 . Der vollmachtlose Vertreter wiederum konnte als Vertragschließender das anwendbare Statut vorhersehen;

488 Ennan!Hohloch Art. 37 EGBGB Rdnr. 19; ablehnend Fischer, Verkehrsschutz, S. 313 (Zusammenhang mit der Frage einer Rechtsscheinvollmacht). 489 Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1773. 490 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 593 (S. 533 oben). 491 Nicht wnsonst wird eine Analogie zu § 179 BGB häufig als eine der Grundlagen der culpa in contrahendo genannt. 492 SieheMünchKomm!Emmerich Vor§ 275 BGB Rdnr. 85. 493 Siehe zur Anknüpfung der culpa in contrahendo in diesem Kapitel VII 2 g). 494 Vgl. § 179 I BGB: ''[. .. ] sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist [...] "

158

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

soweit diesbezüglich eine Rechtswahl stattgefunden hatte, gilt dies ebenso, da er dem Grunde nach einen gleichberechtigten Einfluß auf diese hatte. Folglich ist die Haftung des falsus procurator wie schon die culpa in contrahendo dem Vorfeld des beabsichtigten Vertrages zuzuordnen und somit dessen Geschäftsstatut zu unterwerfen; methodisch entspricht dies zugleich einer Analogie zu Art. 32 I Nr. 3 EGBGB. Im Falle des hier zu betrachtenden Auftretens eines vollmachtlosen Vertreters über eine ausländische Zweigniederlassung führt diese Einordnung, sofern keine abweichende Rechtswahl getroffen wird, i.d.R. zur Anwendung des deutschen Rechts, so daß die tatsächlichen Unterschiede zu denjenigen Stimmen, die im Zuge des Vollmachtsstatuts den Gebrauchsort für maßgeblich halten, gering einzuschätzen sind. dd) Differenzierung nach Grad des Vertretungsmangels? Denkbar wäre schließlich, für das genannte Ergebnis noch insoweit eine Einschränkung zu machen, als zwischen dem völligen Fehlen und einer bloßen Überschreitung bestehender Vertretungsmacht zu unterscheiden sein könnte. Während für die Haftung des Vertreters ohne jegliche Vertretungsmacht das Geschäftsstatut gilt, ergibt sich eventuell in der zweiten Konstellation eine andere Gewichtung, da sie sich als qualitative Abweichung einer eingeräumten Vertretungsmacht darstellt, so daß eine Allgleichung an die Einordnung der Vollmacht naheläge. Zwar wird im letzteren Fall das Verhalten des Vertreters in die Nähe der Vollmacht gerückt, die maßgebliche Interessentage ändert sich dadurch aber nicht. Ist schon beim Zustandekommen des Vertretergeschäfts nicht irgendeine Vertretungsmacht, sondern gerade eine solche, die den konkreten Vertrag erfaßt, entscheidend, so kommt es auf den Grund des Fehlens derselben ebensowenig an. Daß dem Vertreter ohne Vertretungsmacht bei bloßer Überschreitung einer Vollmacht möglicherweise ein geringerer Unwertvorwurf zu machen ist, spielt bereits nach materiellem Recht keine Rolle. 495 c) Ergebnis

Bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der Vertretung ohne Vertretungsmacht, die im Rahmen einer deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens zu Tage tritt, ergibt sich demzufolge ein nach Pri495 In dieser Konstellation wird nach deutschem Recht zwar faktisch häufiger eine Haftungsreduzierung durch § 179 II BGB greifen, diese setzt aber eine Unkenntnis des Vertreters vom Mangel der Vertretungsmacht voraus und ist daher nicht spezifisch fil.r eine Überschreitung bestehender Vertretungsmacht

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

159

mär- und Sekundärebene zu differenzierendes Bild. Während fiir die Genehmigung einer vollmachtlosen Vertretung auf das Personalstatut zurückzugreifen ist, entscheidet das Statut des (gescheiterten) Vertretergeschäfts über die Inanspruchnahme des falsus procurator durch den Dritten. Auf den ersten Blick mag zwar diese Lösung dem Postulat dieser Arbeit zuwiderlaufen, aus Gründen der Reziprozität zu einer möglichst einheitlichen Anwendung des Personalstatuts auf alle Rechtsverhältnisse zu gelangen, die im Zusanunenhang mit der Zweigniederlassung be- und entstehen. Bei der Haftung des vollmachtlosen Vertreters wird aber der Interessenschwerpunkt auf das Verhältnis verlagert, das zwischen diesem und dem Dritten existiert. Die Attraktivität einer Auslandsniederlassung vermindert sich fiir das ausländische Unternehmen nicht dadurch, daß der am Ort der Zweigniederlassung tätige vollmachtlose Vertreter nach einer von seinem Personalstatut abweichenden Rechtsordnung haften muß. Lediglich bei der Überschreitung der (gesetzlichen) Vertretungsmacht durch Organe könnten die Interessen des ausländischen Unternehmensträgers insoweit betroffen werden, als dann eine Rückgriffsmöglichkeit des haftenden falsus procurator gegenüber dem Unternehmen wahrscheinlicher ist. 496 Auch dieses Rückgriffsrisiko stellt indessen nur eine mittelbare Folge der Vertreterhaftung dar, der das Unternehmen auch in seinem Inlandsbereich ausgesetzt ist. Überdies kann die Gefahr eines Rückgriffs grundsätzlich dadurch ausgeschlossen werden, daß das Unternehmen (i.e. ein handlungsfaltiges Organ) die Tätigkeit des vollmachtlosen Vertreters genehmigt; 497 dabei kann - wie gezeigt - auf das vertraute Recht am Hauptsitz zurückgegriffen werden, so daß die Genehmigung ohne Aufwand an Ermittlungen des anwendbaren Rechts planbar ist. Würde aber die Anknüpfung der Haftung des vollmachtlosen Vertreters an das Personalstatut keinerlei, nicht einmal mittelbare Erleichterungen fiir die Gründung von Zweigniederlassungen in Deutschland schaffen, kann sich die kollisionsrechtliche Lösung allein an den Interessen der unmittelbar beteiligten Personen, d.h. des falsus procurator und des Dritten, ausrichten. Demzufolge steht der Gesichtspunkt der hier so benannten vorleistenden Reziprozität einer Anwendung des Vertragsstatuts nicht entgegen. Wegen der Zuordnung von Genehmigung einerseits und Haftung des falsus procurator andererseits zu verschiedenen Rechtsebenen gerät eine derart differenzierende kollisionsrechtliche Lösung auch nicht mit der internationalen Rechtssicherheit in Konflikt. Für den internationalen Verkehr ist nur die Verpflichtung des Gesamtunternehmens von Interesse, zur Person des Vertre496 Etwa wenn das Organ nicht darüber aufgeklärt worden war, daß das Vertretergeschäft den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand überschritt. 497 Sofern nicht eine Bindung durch den Unternehmensgegenstand entgegensteht.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

ters besteht kein Bezug. Die zum Problemkreis der Vertretung ohne Vertretungsmacht herausgearbeitete Lösung steht somit den Zielen dieser Arbeit nicht entgegen. 8. Firma der Zweigniederlassung Das Modell einer Erkennbarkeit des Auslandsbezuges einer Zweigniederlassung in Deutschland, das zur Rechtfertigung einer überwiegenden Maßgeblichkeit des Personalstatuts dient, läßt sich insbesondere mit Hilfe der Anforderungen an die Firmierung der Zweigniederlassung absichern. Da eine Firma lediglich von Kaufleuten und Handelsgesellschaften gefiihrt wird, kann das Kollisionsrecht die- zulässigen498 - Zweigniederlassungen von Nichtkaufleuten und Nichthandelsgesellschaften auf dieser Ebene nicht erfassen. Für diese kann zur Frage der Erkennbarkeit des Auslandsbezuges auf die bereits gemachten Ausfiihrungen verwiesen werden. 499 Daß bei jenen Unternehmensformen mangels staatlicher Aufsichtsmöglichkeiten über bloße Geschäftsbezeichnungen (wie sie im deutschen Firmenrecht in§ 37 I HGB normiert sind) diese Erkennbarkeit nicht aufsichtsrechtlich überwacht werden kann, dürfte hinnehmbar sein, zumal die zahlenmäßige Bedeutung von Zweigniederlassungen dieser Träger kaum ins Gewicht fallen wird. Kollisionsrechtliche Spannungen lösen sich in diesem Bereich demnach allein auf der sachrechtliehen Ebene. Tritt einem inländischen Kontrahenten eine solche Zweigniederlassung gegenüber, muß der Auslandsbezug folglich positiv aus der konkreten Situation, etwa dem Auftreten eines Vertreters, der Geschäftsbezeichnung, Hinweisen auf Geschäftspapieren oder ausdrücklichen Erklärungen hervorgehen und auf einen bestimmten Staat hindeuten; 500 ist dies der Fall, trifft den Kontrahenten in denjenigen Bereichen, die sich kollisionsrechtlich nach dem Personalstatut beurteilen, die genannte, weitgehende Erkundigungspflicht nach dem maßgeblichen ausländischen Recht, so daß erst bei Versagen der Nachforschungen auf das Recht am Ort der Zweigniederlassung zurückgegriffen werden kann. Fehlt dagegen eine erkennbare Verbindung zum Ausland, kommt im Wege des ordre public sogleich das Recht des Zweigniederlassungsortes zur Anwendung. Für handelsrechtliche Zweigniederlassungen, die der Bereich des Firmenrechts betriffi:, ist kollisionsrechtlich zunächst das fiir die Firmenbildung maßgebliche Recht zu ermitteln. In diesen Zusammenhang fallen auch die Fragen, Vgl. oben zum Begriff der Zweigniederlassung im ersten Kapitel I 3. Siehe zur Grundlage der positiven Reziprozität drittes Kapitel VI 6 b) bb). 500 Vgl. zur rechtstechnischen Durchsetzung des Erkennbarkeitsmodells im dritten Kapitel VI 6 b) aa). 498 499

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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ob und in welchem Umfang die Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung abweichend firmieren kann und ob die Zweigniederlassung gar eine eigenständige Firma fuhren darf. Hierbei wird auch das deutsche Handelsregisterrecht zu berücksichtigen sein. Schließlich ist, falls man insoweit zur Anwendung des Personalstatuts gelangen sollte, zu erörtern, ob bestimmte Grundsätze des deutschen Firmenrechts im Wege von Sonderanknüpfungen, einerseits zum Schutze inländischer Konkurrenten, andererseits zur Absicherung des Erkennbarkeitsmodells, für den allgemeinen Rechtsverkehr herangezogen werden können. a) Firmenbildung und -gebrauch des ausländischen Unternehmens Als Vorüberlegung zur Firmierung der Zweigniederlassung ist zunächst die Firmenbildung des ausländischen Unternehmens im Ganzen zu beleuchten. Einigkeit herrscht in diesem Bereich darüber, daß die Bildung der Firma des Unternehmens als solchem, d.h. jedenfalls der Hauptniederlassung, dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut unterliegt. 501 Dies ergibt sich schon daraus, daß durch das hoheitsrechtlich begrenzte deutsches Sach- oder Aufsichtsrecht ein Eingriff in die Struktur des ausländischen Unternehmens nicht erfolgen darf502 ; die Träger eines Unternehmens des Auslands könnten schwerlich schon bei seiner Errichtung eine potentielle grenzüberschreitende Betätigung einkalkulieren und sich bei der Firmenbildung nach allen in Frage kommenden fremden Rechtsordnungen richten. Ferner läge bei einer umfassenden Anwendung des deutschen Firmenrechts (und damit verbunden auch der Firmenaufsicht) eine unzulässige Erstreckung staatlicher Gewalt in den ausländischen Hoheitsbereich vor. 503 Einschränkungen können sich jedoch u.U. in bezug auf den Firmengebrauch ergeben, wenn das ausländische Unternehmen (als Vorstufe der Zweigniederlassung) lediglich in Einzelfallen grenzüberschreitende Tätigkeiten entfaltet. Schon hier wäre im Wege einer Sonderanknüpfung die Anwendung deutscher Firmenrechtsprinzipien, etwa der Firmenwahrheit, denkbar. Käme man zu diesem Ergebnis schon bei jeder wirtschaftlichen Betätigung aus dem Ausland, könnte eine gesonderte Diskussion im Rahmen der Zweig-

501 Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 8 (Name einer juristischen Person); auch Bokelmann, ZGR 94, 325, 329 u. 335; vgl. auch Roth in Koller!Roth!Morck § 13 d HGB Rdnr. 7. 502 Dies gilt jedenfalls in dem hier allein zu diskutierenden Fall einer Hauptniederlassung im Ausland. Daß diese Aussage auf dem Boden der Sitztheorie bei einer inländischen Hauptniederlassung ausländischer Gründung zu korrigieren sein mag, bedarf an diese Stelle keiner Erörterung. 503 Vgl. allgemein Mann, SJZ 86, 21, 27.

II Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

niederlassung dahinstehen, da jene dann als gesteigerte Form staatenübergreifenden Tätigwerdens bereits erfaßt wäre. Gegen eine Anwendung auch nur von Teilen des deutschen Firmenrechts im Wege einer Sonderanknüpfung bei einer unternehmefischen Tätigkeit ohne feste deutsche Niederlassung direkt aus dem Ausland heraus bleiben aber die genannten Bedenken bestehen. Hinzutreten kann die Überlegung, daß ein Zwang, die Firmenfiihrung für Einzelfälle wirtschaftlicher Betätigung im Ausland anzupassen, zumindest im innereuropäischen Bereich der Dienstleistungsfreiheit bzw. Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages wenigstens mittelbar zuwiderliefe. Widersprüchlich wäre ein solches Vorgehen auch schon nach deutschen Maßstäben, da hierdurch gerade die im deutschen Recht betonte Firmeneinheit im Hinblick auf das betroffene Unternehmen zerstört würde. Insgesamt müßte sich eine derartig frühe Sonderanknüpfung als ein unerwünschtes Handelshenunnis erweisen, da sie den Unternehmen oder Gesellschaften des Auslandes eine vielfältige Berücksichtigung fremden Rechts zumutet, die wegen ihrer rechtszersplitternden Wirkung der Rechtssicherheit im Ausland und darauf folgend auch der Investitionsfreude zuwiderlaufen muß. Mithin ist für eine singuläre Tätigkeit eines ausländischen Unternehmens mit grenzüberschreitender Wirkung in bezug auf die Firmierung weder eine generelle Anwendung des deutschen Rechts als Wirkungsstatut noch eine Sonderanknüpfung deutscher Firmenrechtsgrundsätze504 vorzunehmen. Schutzlos wird der inländische Verkehr auch dann nicht gestellt, da im Falle von Rechtsscheintatbeständen das Recht des Wirkungsortes, mithin die deutsche Rechtsordnung, zum Tragen kommen kann, 505 soweit nicht ohnehin deutsches materielles Recht anzuwenden ist. Regeln zur Firmierung der Zweigniederlassung ergeben sich folglich noch nicht aus generalisierenden Gesichtspunkten, sondern sind gesondert herauszuarbeiten. b) Firmenbildung und-führungder Zweigniederlassung Positiv sind somit aus den allgemeinen Überlegungen zum Firmenrecht noch keine kollisionsrechtlichen Regeln für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen abzuleiten; jedoch auch in negativer Hinsicht kommt den obigen Erörterungen keine präjudizielle Wirkung zu, da die Zweigniederlassung im Vergleich zur bloß grenzüberschreitenden Tätigkeit eine engere Verbindung zum Staat ihres Sitzes aufWeist, so daß eine abweichende Wertung der betroffenen Interessen nicht auszuschließen ist. Folglich bedarf es hierzu 504

505

So beiläufig auch Köge/, RPfleger 93, 8, 10. Vgl. Arun. zur Anscheinsvollmacht im dritten Kapitel VII 6).

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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selbständiger Überlegungen. Zur Debatte stehen wie schon bei früheren Problemkreisen auf der einen Seite die generelle Anwendung des Wirkungsstatuts bzw. Zweigniederlassungsstatuts sowie andererseits die Maßgeblichkeit des Personalstatuts; letzteres wird u. U. noch durch Sonderanknüpfungen beschränkt. aa) Wirkungsstatut/Zweigniederlassungsstatut Von den Vertretern einer Unterscheidung zwischen Außen- und Innenrecht bei Zweigniederlassungen wird die Firma derselben als Bestandteil des Außenverhältnisses aufgefaßt und somit dem Recht am Ort der Zweigniederlassung unterworfen. 506 Offenbar aus Verkehrsschutzerwägungen schließen sich ihnen hier auch Autoren an, die der genannten Trennung ansonsten nicht folgen. 507 Der Name sei bei Kaufleuten ohnehin nicht mehr so eng mit der Person verbunden, 508 und deutsches Firmenrecht diene überwiegend dem Schutz der Öffentlichkeit. 509 Weil Kaufmannseigenschaft und Firma eng zusammenhängen, soll letztere der Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs, der nach Inlandsrecht bestimmt wird, folgen. 510 Schließlich wird die Firmenbildung als Bestandteil der Errichtung der Zweigniederlassung eingeordnet und deshalb wie diese dem deutschen Recht unterstellt. 511 Da schon nach deutschem Recht die Firma als Name des Kaufmanns im Handelsverkehr definiert wird und die einzelkaufmännische Firma sowie diejenige einer Personenhandelsgesellschaft aus einem Familiennamen zu bilden ist (§ 18 I und 19 I HGB), besteht jedenfalls fiir diesen Bereich noch immer eine starke Bindung an die Person eines Rechtsträgers; daß diese Bindung bei Firmenfortfiihrungen i.S.d. §§ 22, 25 und 27 HGB durchbrochen wird und bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich entfallt, ändert nichts an jener Grundaussage. Ferner erscheint die Bewertung, das deutsche Recht bezwecke überwie506 Bumeder, S. 124 Rdnr. 183 u. S. 166 Rdnr. 262; wohl auch Grasmann, System, Rdnr. 55. 501 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 615; Kegel, § 17 IV 3 S. 444; wohl ebenfalls Gienow, S. 47; Staudinger !Großfeld IntGesR Rdnr. 299 (Recht des Verwaltwlgssitzes der Zweigniederlassung); Baumbach!Hopt § 13 d HGB Rdnr. 4 (Finna muß im Inland zulässig sein); Mankowski, EWiR 96, 29, 30; Heide/bergerKornm/Ruß § 13 d HGB Rdnr. 2; abgeschwächt Wo/ff. S. 113 (Finnenbildung zwar nach deutschem Recht, aber an sich auch hiernach unzulässige Finna der Hauptniederlassung zu übernehmen). 508 Woljf, IPR, S. 113. 509 Bumeder, S. 166 Rdnr. 262 u. 263. 510 Hagenguth, S. 30 I. 511 So Bokelmann, ZGR 94, 325, 328, allerdings insoweit mißverständlich, als ausländische Phantasiefinnen sonst grundsätzlich auch in Deutschland zulässig sein sollen.

II*

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

gend den Schutz der Öffentlichkeit, angreifbar, da zwar die Firmierung der Erleichterung des Verkehrs dient, jedoch ebenso der Schutz der Firmenträger selbst intendiert wird, wie sich aus§ 37 11 HGB ergibt. Läßt sich demnach die behauptete Gewichtung des Schutzes schon nach innerstaatlichem Recht nicht nachweisen, kann hieraus auch kein zwingender Rückschluß fiir Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen abgeleitet werden. Zutreffend geht zwar die Gleichstellung zwischen der Anknüpfung der Firma mit deljenigen der Kaufmannseigenschaft davon aus, daß nach deutschem Recht die Firma von der Qualität als Kaufmann abhängig ist; sie nimmt aber dadurch fiir sich eine Verknüpfung nach demjenigen Recht in Anspruch, zu dessen Anwendung sie kollisionsrechtlich erst gelangen will. Die Definition der Firma nach deutschem Recht läßt indessen nicht erkennen, daß dadurch zugleich eine kollisionsrechtliche Parallele zur Kaufmannseigenschaft vorgegeben werden sollte. Auf diese Weise vermengt man m.E. unterschiedliche Ebenen. Eine derartige Aussage läßt sich ebensowenig aus den deutschen registerrechtlichen Vorschriften ableiten. 512 § 13 d 11 Hs. 2 HGB legt lediglich die Eintragung eines vorhandenen Firmenzusatzes fest, setzt also das Bestehen einer Firma der Zweigniederlassung bereits voraus. Als Eingriffsnorm ist diese Bestimmung ohnehin restriktiv zu interpretieren. Wenn schon die in den §§ 13 d ff. HGB enthaltene Einschränkung zugunsten des ausländischen Rechts in formellem Sinne nicht als Erweiterung von EintTagungspflichten eingeordnet werden konnte, 513 hindem dieselben Erwägungen ebenso die Annahme einer materiellen kollisionsrechtlichen Wirkung. Schließlich muß sich die Methode, das Zweigniederlassungs- bzw. Wirkungsstatut auf das gesamte Firmenrecht der Zweigniederlassung anzuwenden, vorwerfen lassen, das Interesse des ausländischen Unternehmensträgers nicht zu berücksichtigen. Aus der Tatsache der Errichtung einer Zweigniederlassung kann noch nicht der Schluß gezogen werden, hiermit unterwerfe sich deren Träger uneingeschränkt dem Recht an ihrem Sitz. Vielmehr wird natürlicherweise ein Interesse daran bestehen, bei Gründung einer rechtlich unselbständigen Einheit grundsätzlich dem vertrauten Firmenrecht der Hauptniederlassung zu unterstehen. Wie jede pauschale Anknüpfung an das Recht am Ort der Zweigniederlassung könnte eine solche auch in bezug auf die Firma von einer Auslandsniederlassung abschrecken. Dieser Effekt kann indessen gerade unter der vorangestellten Betonung der positiven Reziprozität nicht gewollt sein. Erschwert eine solche Vorgehensweise demnach die Gründung von Zweigniederlassungen, so erscheint es nicht ausgeschlossen, daß hierin im europäischen Bereich 512 513

Siehe auch oben zur Frage verdeckter Kollisionsnormen (drittes Kapitel IV). Zum Verständnis des § 13 d mHGB s.o. drittes Kapitel Vll 3 d) bb).

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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ein Eingriff in die durch Artt. 52 und 58 EG-Vertrag gewährte Niederlassungsfreiheit liegt. Ist diese über ein Diskriminierungsverbot hinaus mehr und mehr auch als Beschränkungsverbot zu verstehen, 514 reichen die innerstaatlichen Interessen zur Rechtfertigung einer umfassenden Unterstellung des Firmenrechts an den Zweigniederlassungsort nicht aus. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß eine generelle Anknüpfung des Rechtes der Firma an den Ort der Zweigniederlassung nicht überzeugen kann. bb) Personalstatut Wohl überwiegend wird in diesem Sinne die Firmenbildung der Zweigniederlassung grundsätzlich dem Personalstatut unterworfen. 515 Man begründet dies insbesondere mit der rechtlichen und unternehmerischen Einheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassung. 516 Die Firma wird als wesentlicher Bestandteil auch von juristischen Personen angesehen. 517 Ferner soll auf diesem Wege die Einheitlichkeit der Firma des Gesamtunternehmens gewahrt werden. 518 Zudem stelle die Firma ein besonderes Persönlichkeitsrecht des Unternehmensträgers dar. 519 Zwar erscheint es zweifelhaft, ob die Firma der Zweigniederlassung tatsächlich einheitlich zu derjenigen der Hauptniederlassung zu bilden ist; möglicherweise kommt auch eine unterschiedliche Firrnierung in Betracht. 520 Die Frage, ob der deutsche Grundsatz der Firmeneinheit auf die Firma der Zweigniederlassung anwendbar ist, kann erst nach der Ermittlung des maßgeblichen Kollisionsrechts beantwortet werden, so daß die Einheit der Firma als Argument zur Begründung des Personalstatuts fragwürdig ist. Ebenso kommt der Betonung des Persönlichkeitsrechts nur für Rechtsträger einzelkaufmännischer 514 v. Borries, EuZW 97, 446, 446 u. 447; Lenz!Erhard Art. 52 EGV Rdnr. 7; skeptisch HandkommEUVIEGV!Hailbronner Art. 52 Rdnr. 14. 515 KG, Beschl. v. 12.4.34 (1 b X 103/34), IPRspr. 1934 Nr. 13 (Ls.); Nußbaum, S. 209; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 318 (mißverständlich zuvor in Rdnr. 64); Staub!Hü./Jer § 13 b HGB Rdnr. 14; GK-HGB/Achilles § 13 d Rdnr. 12; Balser/Pichura, S. 10; Kaligin, DB 85, 1449, 1454; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184; Saame, S. 144; auch Siebel,DB 54, 572, 573; wohl auch Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten, S. 95, 123; Roth in Koller/Roth/Morck § 13 d HGB Rdnr. 7 (Finnenbildung nach ausländischem Recht). 516 Saame, S. 144. 517 Bumeder, S. 101. 518 So dürfte Schlosser, S. 101, zu verstehen sein, der zwar inländisches Recht auf die "Finnenpflicht" anwendet, jedoch bei einer Zweigniederlassung auf das Firmenrechtssystemdes Heimatstaates abstellt. Vgl. auch Mann, SJZ 86, 21, 22. 519 Denzler, S. 377. 520 Zu den Anforderungen der Finneneinheit unten cc) (3).

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Unternehmen oder Personenhandelsgesellschaften Bedeutung zu, da eine Berufung ausländischer juristischer Personen auf das deutsche Persönlichkeitsrecht an Art. 19 III GG scheitern dürfte. Auch die Kollisionsnonn des Art. 10 I EGBGB erfaßt lediglich die Namen natürlicher Personen, bietet folglich keinen Ansatz fiir die Finnenbildung. Überzeugend ist es in bezugauf die Finnenbildung dagegen, auf die juristische und wirtschaftliche Einheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassung zu abzustellen. Um dem ausländischen Unternehmensträger die Niederlassung in Deutschland zu erleichtern, sollte ihm (im nicht gesetzlich geregelten Bereich) nur in Ausnahmefallen die Anwendung des ihm vertrauten Rechtes verwehrt werden. Dies muß dem Grunde nach auch fiir das Finnenrecht gelten. Die dem deutschen Finnenrecht innewohnenden Zwecke, der Schutz des inländischen Rechtsverkehrs sowie der Konkurrenten am Ort der Zweigniederlassung, erfordern es auch hier nicht, das gesamte Finnenrecht dem Wirkungsstatut zu unterstellen. Vielmehr kann ein solcher Verkehrsschutz auch auf der Basis des Personalstatuts ggf. durch Sonderanknüpfungen im Wege des ordre public bzw. über einzelne elementare deutsche Finnengrundsätze erreicht werden, indem man auf diese Weise sicherstellt, daß einerseits der Auslandsbezug in der Finna zum Ausdruck kommt, um potentiellen Geschäftspartnern eine Erkundigung nach dem ausländischen Recht zu ennöglichen, und daß andererseits gravierende Wettbewerbsvorteile durch (nach dem ausländischen Heimatrecht erlaubte) Täuschungen verhindert werden. Dadurch wird das ausländische Unternehmen gegenüber inländischen Konkurrenten nicht unverhältnismäßig bevorzugt. Mithin sprechen die besseren Gründe dafiir, Firmenbildung und Finnengebrauch der Zweigniederlassung grundsätzlich dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut zu unterstellen. cc) Einschränkung durch Sonderanknüpfungen Wie bereits angedeutet, sind indessen Konstellationen denkbar, in denen die uneingeschränkte Anwendung des ausländischen Finnenrechts auf Zweigniederlassungen in Deutschland zu Ergebnissen :fiihren könnte, die fiir den inländischen Rechtsverkehr untragbar erscheinen, insbesondere wenn die ausländische Rechtsordnung nur minimale Regelungen zur Firrnierung enthält. Das hier favorisierte Modell der Erkennbarkeil des Auslandsbezuges läßt sich aufsichtsrechtlich nur über das Finnenrecht durchsetzen. Zwar könnte die Erkennbarkeit auch allein auf der sachrechtliehen Ebene bewältigt werden, 521

521 Bei Zweigniederlass\Ulgen nichtkaufinännischer Unternehmen ist ohnehin nur dieser Weg gangbar.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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doch bietet eine zusätzliche partielle aufsichtsrechtliche Sonderanknüpfung522 den Vorteil einer besseren Durchsetzungskraft, weil siegezielten Täuschungen vorbeugen kann. Da als Grundlage fiir diese Vorgehensweise keine Analogie zu vertrauensschützenden Normen des deutschen IPR akzeptiert wurde, kommt hierfür nur der Gesichtspunkt des ordre public in Betracht. 523 Wenn davon ausgegangen werden kann, daß der ordre public in bestimmten deutschen Firmenrechtsgrundsätzen zum Ausdruck kommt, 524 ist nachfolgend die Reichweite derartiger Prinzipien für die Firmierung der Zweigniederlassung zu ermitteln. (1) Firmenwahrheit (Niederlassungszusatz; Phantasiefirma; Auslandsbezug)

Der Grundsatz der Firmenwahrheit, der in § 18 II HGB zum Ausdruck kommt, verbietet täuschende Zusätze über die Art des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers. Weitgehende Einigkeit besteht zumindest insoweit, daß dieses Prinzip auf Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen anzuwenden ist. 525 526 Aus dem Prinzip der Firmenwahrheit leiten einige Stimmen ein Erfordernis ab, die ausländische Zweigniederlassung mit einem Zusatz zu versehen, der sie als solche kennzeichnet. 527 Jedoch ist der Grundsatz der Firmenwahrheit zu522 Bisweilen wird dieser Weg auch eingeschlagen, indem man die Verwendung der Firma im Unterschied zur Firmenbildung an den Gebrauchsort anknüpft (etwa Roth in Koller/Roth!Morck § 13 d HGB Rdnr. 7). Da aber filr den Firmengebrauch kein eigenständiges Statut geschaffen werden sollte, erscheint der Begriff der Sonderanknüpfung zur KeiUJZeichnung des Ausnahmecharakters geeigneter. 523 So auch Kaligin, DB 85, 1449, 1454; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184. 524 Balser!Pichura, S. 10; MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 65; Nußbaum, S. 210; im Erg. auch Denzler, S. 377 u. 378 mit Hinweis auf deren absolut zwingenden Charakter. 525 MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 65; Balser!Pichura, S. 10; HeidelbergerKomm!Ruß § 13 d HGB Rdnr. 5; Baumbach/Hopt § 13 d HGB Rdnr. 4; GK-HGB!Achilles § 13 d Rdnr. 12; Saame, S. 145; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 184; Bokelmann, DB 90, 1021, 1027; Rothin Koller!Roth!Morck § 13 d HGB Rdnr. 7; Müller-Grajf, WuB II N. § 13 b HGB 1.87 S. 476; Siebe/, DB 54, 572, 573; Nußbaum, S. 210; Denzler, S. 378. 526 Köge/, RPfleger 93, 8, I 0, lehnt eine Anwendung des § 18 II HGB auf Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen ganz ab, da das ausländische Unternehmen auch direkt aus dem Ausland heraus tätig werden könnte und dann einer solchen Beschränkung nicht unterworfen wäre. Schon diese Prämisse ist indessen zweifelhaft [a.A. daher wohl Nußbaum, S. 210]. Überdies bleibt dabei unberücksichtigt, daß durch die Errichtung einer Zweigniederlassung gerade eine Bindung an das deutsche Registerrecht gewählt bzw. in Kauf genommen wurde, um den Inlandskontakt zu festigen. 527 Baumbach/Hopt § 13 d HGB Rdnr. 4; Schlosser, S. 102 (wenn nach ausländischem Recht zulässige doppelte Firmenführung besteht); wohl auch Staub!Hü.!Jer

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

mindest :fur Zweigniederlassungen von Unternehmen aus Staaten der Europäischen Union wiederum im Lichte des Art. 52 EG-Vertrag auszulegen. 528 Demzufolge muß die Sonderanknüpfung über diese Norm auf krasse Fälle der Täuschung beschränkt werden. 529 In diesem Sinne reicht es aber aus, wenn die Firma der Zweigniederlassung in irgendeiner Form den Auslandsbezug klar erkennen läßt, was durch einen Zusatz als Zweigniederlassung geschehen kann, jedoch nicht muß. Dann besteht Anlaß, am Ort der Zweigniederlassung Einsicht in das Handelsregister zu nehmen, das die Eigenschaft als Zweigniederlassung ohne weiteres ersichtlich macht. Die Kennzeichnung als Zweigniederlassung in der Firma brächte deutschen Geschäftspartnern auch nach materiellem Recht keinen weitergehenden Vorteil, da das Haftungssubjekt unverändert bliebe. Überdies spricht schon der Wortlaut des § 13 d II Hs. 2 HGB, der die Eintragbarkeil der Firma ohne einen solchen Zusatz voraussetzt, gegen ein derartiges Erfordernis. Selbst wenn die Firma nach dem Wirkungsstatut zu bilden wäre, könnte demnach die erstgenannte Auffassung nicht überzeugen.530 Folglich kann auf einen zwingenden, die Zweigniederlassung als eine solche kennzeichnenden Finnenbestandteil verzichtet werden. 531 Fraglich ist weiterhin, ob der deutsche Grundsatz der Firmenwahrheit sich auch dahingehend auswirkt, daß der Zweigniederlassung die Führung einer nach deutschem innerstaatlichen Recht unzulässigen Phantasiefirma untersagt werden kann. Bei uneingeschränkter Anwendung des§ 18 II HGB müßte der reinen Phantasiefirma die Anerkennung versagt werden, da die §§ 18 und 19 HGB für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften sowie § 4 I 1 AktG bzw. § 4 I 1 GmbHG fiir AG und GmbH (mehr oder weniger starke) Bindungen an den Gesellschafterbestand bzw. den Unternehmensgegenstand fordern und die von derartigen Grundsätzen losgelöste Firmierung zu Täuschungen im Verkehr fuhren könnte. Allerdings hat auch in diesem Zusammenhang wiederum die Normauslegung vor dem Hintergrund europäischen Rechts zu erfolgen. Ist die Phanta§ 13 b HGB Rdnr. 14 (deutsches Recht für den Firmenzusatz der Zweigniederlassung); im Ansatz ebenfalls Bokelmann, ZGR 94, 325, 329 (Erkennbarkeit der Eigenschaft als Zweigniederlassung); wie vor auch GK-HGB!Achilles § 13 d Rdnr. 12. 528 Saame, S. 147. 529 Bokelmann, DB 90, 1021, 1028; vgl. in diesem Zusammenhang auch den Referentenentwurf zur Novellierung des § 18 II HGB, der die Anforderungen an die Firmenwahrheit senken will, ZIP 96, 1445, 1448 rechte Spalte 2. Absatz. 530 Anders für Zweigniederlassungen deutscher Unternehmen Dirksen!Volkers, BB 93, 598, 598 (Firma muß Zugehörigkeit zur Gesellschaft eindeutig erkennen lassen). Auch beim reinen lnlandssachverhalt streitet hiergegen aber der Wortlaut des § 13 ill 3 Hs. 2 HGB, der mit demjenigen des § 13 d II Hs. 2 HGB übereinstimmt. 531 So im Ergebnis schon Heymann, S. 63; vgl. auch HeidelbergerKomm!Ruß § 13 HGBRdnr. 4.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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siefinna nach dem ausländischen Recht zulässig, kollidiert ein Verbot mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 52 EG-Vertrag. 532 Auch ist die Phantasiefinna bereits bei einer deutschen Aktiengesellschaft nicht schlechthin undenkbar, da § 4 I 1 AktG eine Entnahme der Finna aus dem Unternehmensgegenstand nur "in der Regel" festlegt. Schließlich kann durch eine Unternehmensfortfiihrung die Firmenwahrheit in den §§ 22 ff. HGB durchbrochen werden. 533 Demzufolge kommt dem deutschen Grundsatz der Firmenwahrheit kein unbeschränkter Wirkungsraum zu. Mithin verstößt die nach dem Recht der Hauptniederlassung zulässige Phantasiefirma einer Zweigniederlassung nicht gegen ihn, 534 solange nicht weitere Aspekte der Täuschung hinzutreten. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der voraussichtlichen zukünftigen deutschen Firmenrechtslage im Regierungsentwurf zum Handelsrecht. Die dortige Neufassung des § 18 I HGB läßt Phantasiefirmen grundsätzlich zu. 535 Unter den Begriff der Firmenwahrheit läßt sich indessen die bereits oben geforderte Erkennbarkeit des Auslandsbezuges in der Firma der Zweigniederlassung fassen.536 Wird der ausländische Ursprung nicht kenntlich, so täuscht die Firma vor, daß es sich um eine rein inländische Unternehmung handele. Dann besteht für den Rechtsverkehr auch keine Veranlassung, sich prophylaktisch unter Zuhilfenahme des Handelsregisters nach dem maßgeblichen Auslandsrecht zu erkundigen. Insofern wird ein überwiegendes öffentliches Interesse berührt, so daß eine Sonderanknüpfung an den deutschen Grundsatz der Firmenwahrheit in dieser Hinsicht auf der Grundlage des ordre public erfolgen kann. Da der Auslandsbezug aber lediglich dazu dienen soll, zur Konsultation des Handelsregisters zu veranlassen, erfordert er weder zwingend die Angabe der konkreten ausländischen Unternehmensform noch des Charakters als Zweigniederlassung. Es kann sogar die fremdsprachige Firmenführung ausreichen, sofern diese nicht schon bei Inlandsunternehmen gebräuchlich ist. 537

ZGR 94, 325, 335 und 345. sich Bokelmann, ZGR 94, 325, 336. 534 Ähnlich Schlosser, S. 101 (bei voller Firmenfreiheit im Heimatstaat kann unveränderte Firma der Hauptniederlassung übernommen werden). 535 Abgedr. in ZIP 97, 942, 950. 536 Vgl. hierzu auch die Begründung des Erkennbarkeitsmodells im dritten Kapitel Vl6 b) aa). 537 Bei einem "Copy Shop" in Deutschland können sich Geschäftspartner gewiß nicht mehr veranlaßt fuhlen, das Handelsregister einzusehen. 532 Bokelmann,

533 Hieraufberuft

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

(2) Firmenunterscheidbarkeil In Fonn einer Sonderanknüpfung auf die Zweigniederlassung anwendbar ist auch der in § 30 III HGB festgelegte Grundsatz der Unterscheidbarkeit der Finnen. 538 Er bringt als elementare Nonn zum Schutz des Verkehrs ebenfalls den ordre public zum Ausdruck. 539 Vor dem Hintergrund einer weit zu fassenden Niederlassungsfreiheit muß jedoch auch diese Regel restriktiv gehandhabt werden, so daß an die Unterscheidbarkeil keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Dem inländischen Rechtsverkehr ist es zuzumuten, Finnen, die sich lediglich ähneln, auseinanderzuhalten.

(3) Firmeneinheit Als weiterer Grundsatz des deutschen Rechts könnte die Finneneinheit auf die ausländische Zweigniederlassung anzuwenden sein. Nach innerstaatlichem Recht darf ein Kaufmann bzw. eine Gesellschaft ftir ein Unternehmen nur eine Finna fuhren. Falls dies auch ftir Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen gilt, haben sich danach möglicherweise auch die ausländischer Rechtsträger bei Errichtung einer solchen zu richten. Für Zweigniederlassungen des Inlands wird vertreten, daß die Finnen von Haupt- und Zweigniederlassung übereinstimmen müssen540 und eine abweichende Firmierung nur bei einer Übernahme einer früheren Finna durch die Zweigniederlassung zulässig ist. 541 Dagegen stehtjedoch der Wortlaut des§ 13 III 3 HGB; kennt das Gesetz die "Finna der Zweigniederlassung", so spricht dies daftir, daß es letztere als separat finnenfahige Einheit auffaßt. Daran ändert auch § 30 III HGB, in dem die Hauptfinna nur "ftir die Zweigniederlassung" mit einem Zusatz zu versehen ist, nichts, da diese Nonn nur die Unterscheidbarkeil gegenüber fremden Finnen sichern will, die aber auch bei eigenständiger Firmierung der Zweigniederlassung erreicht wird. Ausdrücklich wird schließlich in § 50 III HGB die Möglichkeit separater Finnen ftir mehrere Niederlassungen genannt, die sich nicht nur durch einen Zweigniederlassungszusatz unterscheiden. 542 Folglich 538 Rothin Koller!Roth/Morck § 13 d Rdnr. 7; Saame, S. 145; HeidelbergerKomm! Ruß § 13 d Rdnr. 5; Balser!Pichura, S. 10; Gienow, S. 47; Baumbach!Hopt § 13 d HGB Rdnr. 4 (keine Verwechslungsllihigkeit); Denzler, S. 378 (Finnenausschließlichkeit). 539 So wohl Balser!Pichura, S. 10 (im öffentlichen Interesse erlassen). 540 Marxheimer, S. 96 (nur Zusätze gestattet); Knieper/Jahrmarkt, S. 98 Rdnr. 134; so schon Förtsch § 12 GmbHG Arun 4. 541 Knieper/Jahrmarkt, S. 106 Rdnr. 144. 542 Daraufberufen sich auch K.Schmidt, Handelsrecht,§ 4 ill S. 77 u. § 12 II S. 363 (daher sogar Unterscheidung im Finnenkern zulässig) und GK-HGB/Achilles § 13 Rdnr. 13.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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zwingt bereits das deutsche Recht bei Zweigniederlassungen inländischer Unternehmungen nicht zu einer Identität der Firma mit detjenigen der Hauptniederlassung. 543 Dannjedoch besteht keine Veranlassung zu einer derartigen Sonderanknüpfung auf Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, da der ordre public nicht tangiert wird. Zumindest seit der Neufassung der §§ 13 b ff. HGB streitet dafiir auch der Wortlaut des § 13 d II Hs. 2 HGB. Folglich kann die Zweigniederlassung - sofern das Recht der Hauptniederlassung dies zuläßt eine eigenständige Firma besitzen, die sich von detjenigen der Hauptniederlassung im Ausland auch im Kern unterscheidet. 544 Die Finneneinheit könnte allerdings insoweit durchschlagen, daß die (ggf. eigenständige) Firma der Zweigniederlassung zumindest die Zugehörigkeit zu ihrer Hauptniederlassung erkennen lassen müßte. 545 Doch erscheint ein konkreter Hinweis auf die ausländische Gesellschaft in der Firma der Zweigniederlassung nicht erforderlich. 546 Solange sich nur ein Auslandsbezug aus der Firmierung ergibt, kann unter Einsichtnahme des Handelsregisters am Ort der Zweigniederlassung die Hauptniederlassung exakt festgestellt werden. Das öffentliche Interesse bedarf demnach einer solchen direkten Bezugnahme durch die Firma nicht, so daß eine derartige Sonderanknüpfung über den ordre public abzulehnen ist. Unter dem o.g. Gesichtspunkt der positiven Reziprozität kommt dieses Ergebnis einer erwünschten liberalen Handhabung des Niederlassungsrechts entgegen, ohne den inländischen Rechtsverkehr schutzlos zu stellen. (4) Firmenklarheit (Geschäftsgegenstand und Verhältnisse des Inhabers; Rechtsformzusatz; Sprache)

Nach einer Auffassung muß die Firma der Zweigniederlassung Art und Umfang des Geschäftsgegenstandes sowie die Verhältnisse des Geschäftsinhabers erkennen lassen. 547 Dabei wird offenbar auf den Grundsatz der Firmenklarheit zurückgegriffen. 548 Auf diese Weise ginge manjedoch sogar über

543 MünchKommHGB!Boke/mann § 17 Rdnr. 31 (keine Finneneinheit, aber dann Zusatz als Zweigniederlassung); auch Heymann, S. 62/63. 544 hn Erg. Bake/mann, ZGR 94, 325, 329; SchlosserS. 102 (doppelte Finnenfilhrung zulässig); a.A. aber Balser!Pichura, S. 26 (keine wesentliche Verschiedenheit). 545 So Bake/mann, ZGR 94, 325, 329; für innerstaatliche Sachverhalte Dirksen/Vo/kers, BB 93, 598, 598; enger Ammon, DStR 94, 325, 325 (Finna der Hauptniederlassung muß in deljenigen der Zweigniederlassung enthalten sein). 546 Auch Heymann, S. 63. 547 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 301; MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 318. 548 MünchKomm/Ebenroth Nach Art. lO EGBGB Rdnr. 318.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

das deutsche innerstaatliche Firmenrecht hinaus. § 18 II HGB erfordert lediglich in negativer Form, daß über Geschäftsart bzw. -umfang sowie die Verhältnisse des Inhabers549 nicht durch Zusätze getäuscht werde. Eine positive Angabe dieser Charakteristika ist nicht erforderlich. 550 Auch die Firmen deutscher Aktiengesellschaften (§ 4 I AktG) und Gesellschaften mbH (§ 4 I GmbHG) müssen nicht den Unternehmensgegenstand nennen, sondern sind diesem nur "in der Regel[... ] zu entnehmen" bzw. müssen von ihm "entlehnt" werden. Weshalb an die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens höhere Anforderungen gestellt werden sollen als an die Firmen inländischer Unternehmungen, ist indessen nicht einzusehen. Selbst wenn die deutsche Firmenklarheit aber in der genannten Weise zu verstehen wäre, müßte eine Anwendung auf die ausländische Zweigniederlassung im Ergebnis einer Geltung des Wirkungsstatuts gleichkommen, da keine nennenswerten Unterschiede zur Firmenpflicht inländischer Unternehmen mehr bestünden. Dieses wurde bereits abgelehnt. Schließlich lassen sich bei einer eingetragenen Zweigniederlassung die fraglichen Angaben dem deutschen Handelsregister entnehmen. 551 Demzufolge erfaßt der deutsche ordre public weder Art und Umfang des Geschäftsgegenstandes noch die Verhältnisse des Inhabers. Diese müssen somit in der Firma der Zweigniederlassung nicht genannt werden, sofern dies nicht das ausländische Firmenrecht vorschreibt. Ebenfalls unter den Gesichtspunkt der Firmenwahrheit zu fassen ist die Frage, ob die Firma der Zweigniederlassung Zusätze über die Gesellschaftsform des Unternehmensträgers wiedergeben muß.552 Derartige Angaben sind für inländische Unternehmen obligatorisch, so daß insofern keine Benachteiligung der ausländischen Gesellschaft die Folge wäre. Läßt jedoch das Firmenrecht des Auslands für Zweigniederlassungen eine Firmierung ohne Angaben der Gesellschaftsform zu, gilt dies auf der Grundlage des hier vertretenen Personalstatuts auch für die Tätigkeit in Deutschland. Die Firma muß hier lediglich einen Auslandsbezug herstellen, um Kontrahenten die Erforschung des maßgeblichen Rechts zu ermöglichen. 553 Dieser Bezug kann sich zwar aus Als Beispiel kann die Führung eines Doktortitels in der Finna dienen. "Müller OHG" ist z.B. nach deutschem Firmenrecht eine ohne weitere Angaben zulässige Bezeichnung; anders der Regierungsentwurf Handelsrecht Teil 1 (zu § 19 I Nr. 1 HGB), ZIP 97, 950. 551 Insbesondere aufgrund der eingereichten Satzung bei Aktiengesellschaften (siehe § 13 fiT 1 HGB) und des eingereichten Gesellschaftsvertrages bei Gesellschaften mbH (§ 13 g II 1 HGB). 552 So Siebe/, DB 54, 572, 573; wohl auch Roth in Koller!Roth!Morck § 13 d HGB Rdnr. 7 (Zusatz, der die ausländische Gesellschaftsform andeutet). 553 Dem Merkmal eines bloßen Auslandsbezuges mag entgegengehalten werden, daß dieses wegen einer gewissen Unbestimmtheit filr die deutschen (Register-) Gerichte schwer zu handhaben sein wird. Schon das deutsche Finnenrecht ist aber durch 549

550

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

173

einer Abkürzung einer ausländischen Gesellschaftsform ergeben (etwa S.A. oder Ltd. ), sofern diese nicht auch fiir Gesellschaften inländischen Rechts gebräuchlich ist, aber auch in anderer Weise hervortreten. Der deutsche ordre public bleibt so gewahrt. Aufbauend auf die (hier abgelehnten) Anforderungen im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb wird schließlich im Rahmen der Firmenwahrheit verlangt, daß die Firma der Zweigniederlassung die wesentlichen Angaben grundsätzlich in deutscher Sprache enthalten müsse. 554 Sind derartige Angaben indessen nicht erforderlich, stellt sich diese Frage nicht mehr.555 Daß die ausländische Firmenbezeichnung nicht übersetzt wird, kommt dem geforderten Merkmal der Erkennbarkeit des ausländischen Ursprungs vielmehr entgegen. 556 Sofern das Heimatrecht dies erlaubt, kann die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland demzufolge auch in fremder Sprache firmieren. c) Registereintragung der Firma

Ist eine Firmierung der Zweigniederlassung in fremder Sprache zulässig, so muß die Firma auch ohne deutsche Übersetzung in das Handelsregister eingetragen werden. 557 Dies ergibt sich zum einen als Rückschluß aus § 13 d II Hs. 2 HGB, der die Eintragung der Firma, also des tatsächlichen Namens im Handelsverkehr, voraussetzt. Bestandteil des Handelsnamens ist aber auch dessen Sprache. Bei einer Übersetzung der Firma könnte die gedankliche Verbindung zwischen der existierenden und der eingetragenen Zweigniederlassung unter Umständen erschwert werden; dadurch würde das Erkennbarkeilsmodell untergraben. Zum anderen deutet darauf auch § 13 d III HGB hin, der auf die Regeln zur Eintragung inländischer Firmen verweist. Diese kennzeichnen sich gerade durch die Identität von geführter und eingetragener Firmenbezeichnung.

richterliche Konkretisierungen über den Gesetzeswortlaut hinaus geprägt worden. Die erforderliche Herausbildung genauer Kriterien durch die Gerichte ist demzufolge nicht systemfremd. 554 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 30 I . 555 Ablehnend auch ManchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 318, obgleich dort Angaben über Geschäftsverhältnisse fUr erforderlich gehalten; vgl. auch Saame, S. 115, der die Zulässigkeit fremdsprachiger Firmierung voraussetzt. 556 Ein Blick in das Handelsregister müßte sich etwa bei einer Firmenbezeichnung in asiatischen Schriftzeichen geradezu aufdrängen! 557 Vgl. Janberg, BB 51 , 653, 653; Saame, S. 115 (Registerwahrheit).

174

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

d) Ergebnis

Firmenbildung und Firmenführung der Zweigniederlassung sind nicht an das Wirkungs-, sondern das Personalstatut zu knüpfen. Das Regelungsmodell, welches dem für die Hauptniederlassung maßgeblichen Firmenrecht zugrunde liegt, 558 gilt demnach auch für die Zweigniederlassung in Deutschland. Gestattet ersteres Zweigniederlassungen die Bildung einer eigenständigen, von der Hauptniederlassung abweichenden Firma, kann diese auch in Deutschland gefiihrt werden, zumal schon dem deutschen Recht eine doppelte Finnenführung nicht fremd ist. Einschränkungen ergeben sich nur durch diejenigen Finnenrechtsprinzipien des deutschen Rechts, die als Ausprägung des ordre public angesehen werden können, und (um in bezugauf Zweigniederlassungen von Unternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Niederlassungsfreiheit sowie bezüglich den gesamten ausländischen Zweigniederlassungen dem Leitgedanken der positiven Reziprozität zu genügen) in einem auf schwerwiegende Fälle begrenzten Umfang. So kommt der in § 18 II HGB niedergelegte Grundsatz der Finnenwahrheit insoweit zum Tragen, als sich aus der Firma ein irgendwie gearteter, hinreichend eindeutiger Auslandsbezug ergeben muß, da ansonsten von einer Irreführung über die Rechtsverhältnisse des Unternehmens auszugehen ist. Sonstige Täuschungen des Rechtsverkehrs durch Firmenbestandteile können auf dieser Grundlage nur über die Firmenwahrheit untersagt werden, wenn sie gezielt erfolgen und gravierend sind, da nach der hier vertretenen Auffassung dem inländischen Geschäftspartner zugemutet werden kann, das maßgebliche ausländische (Firmen-) Recht zu ermitteln, wenn er durch die Firma auf einen ausländischen Ursprung der Zweigniederlassung hingewiesen wird. Der Auslandsbezug muß indessen noch nicht auf den konkreten Ursprungsstaat hindeuten; es genügt, wenn dieser mit Hilfe des deutschen Handelsregisters festgestellt werden kann. Auch weitere Zusätze, die deutlich machen, daß es sich um eine Zweigniederlassung handelt, erfordert der deutsche ordre public nicht. Erlaubt das Auslandsrecht Phantasiefirmen, so sind diese auch für Zweigniederlassungen in Deutschland zulässig. Der ordre public als Kern des Grundsatzes der Firmenunterscheidbarkeit (§ 30 I HGB) wird nur verletzt, wenn die Firma der Zweigniederlassung zu einer bereits bestehenden Firma einen hohen Ähnlichkeitsgrad aufweist. Dagegen ist der im deutschen Recht gültige Grundsatz der Firmeneinheit auf die ausländische Zweigniederlassung nicht anzuwenden. Sie kann von ihrer Hauptniederlassung abweichend firmieren, sofern das Heimatrecht diese doppelte Firmenführung zuläßt. Auch muß sich aus ihrer Finna über den Aus558

Vgl. die Übersicht bei Schlosser, S. 101.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

175

Iandsbezug hinaus keine Zugehörigkeit zur Hauptniederlassung ergeben. Weil der Hinweis auf den ausländischen Ursprung zur Durchsetzung des Erkennbarkeitsmodells ausreicht, kann über die Firmenwahrheit weder eine Angabe des Geschäftsgegenstandes noch eine solche der Verhältnisse des Unternehmensinhabers verlangt werden. Da kein zwingendes öffentliches Interesse daran besteht, muß die Firma ebensowenig einen Rechtsformzusatz der Hauptniederlassung wiedergeben oder in die deutsche Sprache übersetzt sein. Mit einer derartigen eng gefaßten Sonderanknüpfung des Firmenrechts der Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen an deutsche Prinzipien wird gewährleistet, daß Firmenaufsicht und Sachrecht (mit Schwerpunkt auf dem Personalstatut), d.h. materielles Kollisionsrecht, ineinandergreifen. Es ergibt sich damit eine Argumentationskette: Das deutsche Firmenrecht erfordert, den Auslandsbezug in der Firma der Zweigniederlassung erkennen zu lassen. Dieser Bezug veranlaßt den inländischen Verkehr dazu, Einsicht in das örtliche Handelsregister zu nehmen. Aus ihm wird der konkrete Ursprungsstaat ersichtlich, so daß dem deutschen Kontrahenten (i.d.R.) ermöglicht wird, die einschlägigen ausländischen Rechtsnormen zu ermitteln. Diesen wesentlichen Gleichlauf zwischen Aufsichts- und Kollisionsrecht verlangt überdies die Rechtssicherheit Wie bereits erwälmt, kann diese Kombination bei Zweigniederlassungen ausländischer Nichtkaufleute und sonstigen Personengesellschaften nicht greifen, da sie von den deutschen Registernormen der§§ 13 d ff. HGB nicht erfaßt werden. Damit die o.g. Argumentationskette nicht unterbrochen wird, sind bei ihnen höhere Anforderungen an die Erkennbarkeit des Auslandsbezuges aus der Geschäftsbezeichnung oder dem Auftreten im Rechtsverkehr zu stellen. Sie müssen nötigenfalls auch diejenigen Angaben kundtun, die sich bei den anderen Unternehmensträgern aus dem deutschen Register ergäben, d.h. den konkreten Ursprungsstaat sowie Namen, Rechtsform und Sitz ihrer Hauptniederlassung. Mit aufsichtsrechtlichen Mitteln sind diese Anforderungen freilich nicht durchsetzbar.559 Sie haben lediglich fiir die Herausbildung des Kollisionsrechts Bedeutung. Zusammenfassend zeigt sich folglich auch bei der Bestimmung des Firmenkollisionsrechts, daß das aus dem Gedanken der vorleistend reziproken Regelbildung abgeleitete Erfordernis einer Anwendung des Personalstatuts keinen überwiegenden schutzwürdigen Interessen des inländischen Verkehrs zuwiderläuft; nur wenn und soweit der ordre public in deutschen Firmen-

559 Eine analoge Anwendung des § 37 I HGB scheitert daran, daß es sich bei den Finnenrechtsnonnen um kaufmännisches Sonderrecht handelt, also keine unbeabsichtigte Lücke besteht.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

rechtsgrundsätzen zum Ausdruck kommt, gelten diese fiir Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen. 9. Haftung bei Untemebmensfortfiibrung mit Finnenübernahme

Ein ausländisches Unternehmen kann eine Zweigniederlassung in Deutschland auch in derjenigen Weise errichten, daß es ein selbständiges inländisches Unternehmen560 oder die inländische Zweigniederlassung eines solchen561 erwirbt und als unselbständige Einheit fortfuhrt. Gestattet das ausländische Personalstatut eine getrennte Firmierung von Haupt- und Zweigniederlassung, so kann die neue Zweigniederlassung grundsätzlich auch die Firma des übernommenen Unternehmens (-teils) beibehalten. Deutsche Finnenrechtsgrundsätze stehen schon deshalb nicht entgegen, weil § 22 HGB die Finnenübernahme ausdrücklich zuläßt. Kundzutun ist in der Firma aufgrund der oben entwickelten Ergebnisse nun lediglich der Auslandsbezug des Unternehmens. a) Anknüpfung

Nach deutschem Recht hätten Geschäftserwerb und Finnenübernahme eine Haftung des Erwerbers gemäß § 25 I 1 HGB zur Folge; der fiir die ausländische Zweigniederlassung erforderliche Auslandsbezug in der Firma wäre darauf ohne Einfluß, da in dieser Hinsicht die Fortfiihrung des alten Finnenkerns ausreicht. 562 Für die Frage, ob das deutsche Recht zur Anwendung gelangen kann, bieten die Regelungen der Artt. 27 ff. EGBGB keinen Ansatzpunkt. Zwar beruht die Haftung bei Finnenübernahme auf dem rechtsgeschäftliehen Erwerb eines Handelsgeschäfts, doch ist ihre unmittelbare Grundlage gesetzlicher Natur. Da die Mithaftung fiir Altschulden keine Forderungsübertragung darstellt, greift auch Art. 33 EGBGB nicht. Die kollisionsrechtliche Einordnung hat sich somit an den beteiligten Interessen und der Zielrichtung der deutschen Nonnen zu orientieren. Kennt das ausländische Personal- bzw. Gesellschaftsstatut eine ähnliche Mithaftung nicht, wird dem betreffenden Unternehmen an einer Maßgeblichkeil desselben gelegen sein. Indessen fehlt fiir eine Anwendung des Personalstatuts bereits eine Verbindung des fraglichen Haftungstatbestandes mit der Unternehmenspersönlichkeit, d.h. der organisatorischen Struktur des übernehmenden Subjekts. Ferner kann das ausländische Unternehmen mit der Fortführung der ursprünglichen Firma durch die Zweigniederlassung auf eine bestehende günstige Position im Geschäfts560 Braun,

Niederlassungsrecht, S. 69.

Vgl. MünchKommHGB/Lieb § 25 Rdnr. 37. 562 MünchKommHGB!Lieb § 25 Rdnr. 65.

561

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

177

verkehr (good will) zugreifen, erleichtert sich also mit der Finnenfortfiihrung den Beginn der Tätigkeit. Eine Hinnahme der Mithaftung fur Altschulden kann somit nicht als unzumutbar eingestuft werden. Auf der Gegenseite haben Altgläubiger des übernommenen Handelsgeschäfts keinerlei Möglichkeit, auf die Person des Übernehmenden Einfluß zu nehmen. 563 Sie würden durch eine Anwendung des Personalstatuts, sofern diesem eine derartige Konstellation nicht bekannt wäre, schlechter gestellt als gegenüber einem deutschen Übernehmer, ohne hiermit rechnen zu können. 564 Somit können an dieser Stelle die Argumente, die bei einem freiwilligen rechtsgeschäftliehen Kontakt zum ausländischen Unternehmensträger zur Anwendung des Personalstatuts geführt haben, nicht herangezogen werden. Schließlich kommt in den §§ 25 ff. HGB wiederum ein elementares Prinzip des Finnenrechts, die Haftungskontinuität bei Handelsgeschäften, zum Ausdruck. 565 Dessen Bedeutung im geschäftlichen Verkehr rechtfertigt auch eine Einbeziehung ausländischer Unternehmen. Die Haftung bei Unternehmensübernahme mit Firmenfortfiihrung richtet sich daher nach der Rechtsordnung am Sitz des übernommenen Unternehmens (-teils),566 folglich im hier zu untersuchenden Zusammenhang nach deutschem Recht. b) Übernahme und Fortführung einer bestehenden Zweigniederlassung

Schwierigkeiten ergeben sich nach materiellem deutschen Recht, wenn das ausländische Unternehmen die Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmens erwirbt und unter ihrer bisherigen Firma fortführt. § 25 I HGB erfordert den Erwerb eines Handelsgeschäfts. Wird der Grundgedanke dieser Norm in der Unternehmenskontinuität gesehen, kann sie nicht fur die gesamte Bandbreite von Zweigniederlassungen zur Anwendung kommen.567 Die Fortfiihrung einer unternehmerisch bedeutsamen (unselbständigen) Einheit findet ÄhnlichMankowski, EWiR 96, 29, 30. Zuzugeben ist allerdings, daß grundsätzlich niemand berechtigt darauf vertrauen kann, über eine gesetzliche Haftungserweiterung einen zusätzlichen Schuldner zu erlangen. 565 Sehr strittig; wie hier BGH, Urt. v. 4.11.91 (II ZR 85/91), NJW 92, 911 , 912; K.Schmidt, Handelsrecht, S. 220; Schnelle, RIW 97, 281, 285; abweichend GKHGB/Nickel § 25 HGB Rdnr. I (Firmenfortfil.hrung als Vertrauenstatbestand); Roth in Koller!Roth/Morck § 25 HGB Rdnr. I (Verkehrsschutz). Die Kontinuitätslehre trägt m.E. zutreffend der Tatsache Rechnung, daß sich das gesamte Handelsrecht nach und nach zu einem Unternehmensrecht fortentwickelt. Dies kommt insbesondere im Regierungsentwurf Handelsrecht, ZIP 97, 942 zum Ausdruck. 566 Schnelle, RIW 97, 281 , 285; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 616; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 69 u. 71; Saame, S. 149. 567 K.Schmidt, Handelsrecht, § 8 II S. 245. 563

564

12 Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

nur bei umfangreichen Zweigniederlassungen statt. An dieser Stelle hat die Rechtsprechung lediglich Zweigniederlassungen mit gesonderter Buchführung als Handelsgeschäfte im Sinne des§ 25 I HGB eingeordnet, so daß eine Mithaftung fiir Altschulden auch nur in derartigen Fällen greifen kann. 568 Ferner kann sich die Haftungserstreckung bei Übernahme einer Zweigniederlassung ausschließlich auf diejenigen Verbindlichkeiten beziehen, die gerade im Betrieb der Zweigniederlassung und fiir dieselbe begrtindet worden sind. 569

10. Firmenschutz Kann sich die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland abhängig vom Firmenrecht des Ursprungsstaates sowohl mit der Firma der Hauptniederlassung oder eigenständig (jeweils mit Einschränkungen durch den deutschen Grundsatz der Firmenwahrheit) bezeichnen, so stellt sich im Gegenzuge die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich der Schutz dieser Firma gegen Beeinträchtigungen im Inland richtet. Gangbar sind auch dabei grundsätzlich zwei Wege, die Maßgeblichkeil des Wirkungs- oder des Personalstatutes. Letzteres könnte wie schon bei der Firmenbildung einem gewissen Korrektiv durch das inländische Recht zu unterwerfen sein. Darüber hinaus sind die Wirkungen der Pariser Verbandsübereinkunft zu berücksichtigen, die gegebenenfalls abweichende Ergebnisse zur Folge haben.

a) Wirkungsstatut Zum Teil wird der gesamte Firmenschutz sowohl im Hinblick auf Unterlassungs- als auch auf Schadensersatzansprüche dem inländischen Recht unterworfen.570 Dies hätte zur Folge, daß das ausländische Unternehmen wegen Verletzung der Firma der Zweigniederlassung in Deutschland Unterlassungsansprüche gemäß § 37 II 1 HGB, § 12 S. 2 BGB analog571 und § 15 IV, II i.V.m. § 5 II S. 1 i.V.m. § 5 I MarkenG sowie Schadensersatzansprüche gemäß § 15 V MarkenG unter den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen geltend machen könnte. Dabei stünde der registerrechtliche Unterlassungsanspruch des § 37 II 1 HGB auch nichtkaufmännischen Unternehmensträgem

BGH, Urt. v. 8.5.72 (ll ZR 155/69), NJW 72, 1859, 1860. K.Schmidt, Handelsrecht, § 8 ll S. 246. 570 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 302 (ohne Begründung); Soergei!Kegel Anh. Art. 12 EGBGB Rdnr. 14 (allerdings nur für die Finna der Zweigniederlassung; sonst Sitz des Unternehmens); Baur, AcP 167 (1967), 535, 554. 571 Der Namensschutz des § 12 BGB gilt dann auch für Auslandsfmnen; v.Gamm, Wettbewerbsrecht 2. Halbbd., Kapitel 58 Rdnr. I. 568 569

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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zu, da diese Norm nur an die Finnenführung durch den Verletzer anknüpft. 572 Ordnet man den Finnenschutz, insbesondere wegen seiner wettbewerbsrechtlichen Ausrichtung in § 5 li MarkenG, auch als Teil der gewerblichen Schutzrechte und damit als Vermögensrecht ein,573 so steht diese Auffassung in Einklang mit dem auf jenem Gebiet vorherrschenden Territorialitätsgrundsatz, der jeweils das Recht des einzelnen Staates auf dessen Gebiet fiir maßgeblich hält. 574 Als Argument gegen die Anwendung des Personalstatuts wird vorgebracht, Namensrechte dienten im Handelsverkehr primär der Erhaltung und Verbesserung der eigenen Marktstellung und seien weniger persönlichkeitsbezogen.575 Einem solchen Wirkungsstatut stehen jedoch Einwände entgegen. So wäre es auf der Grundlage der hier vertretenen Lösung zur Finnenbildung inkonsequent, diese zwar grundsätzlich dem Heimatrecht zu unterwerfen, den Finnenschutz jedoch wiederum davon abzukoppeln. Bildung und Schutz dieses Instituts sollten vielmehr schon unter dem Gesichtspunkt der internationalen Rechtssicherheit einer einheitlichen Anknüpfung unterliegen. Ferner verdient das Vertrauen des ausländischen Unternehmensträgers auf eine einheitliche Geltungskraft seines Handelsnamens Berücksichtigung. Die Konfrontation inländischer Verletzer mit einem möglicherweise umfassenderen Schutzinstrumentarium des ausländischen Rechts, die wegen der fehlenden Vorhersehbarkeit, gerade einen ausländischen Rechtsträger zu beeinträchtigen, nicht zurnutbar wäre, läßt sich dadurch verhindern, daß das inländische Recht im Wege einer Oberbegrenzung des Schutzes Anwendung findet. Auch die Reduktion der Bedeutung der Finnenführung auf die Marktposition überzeugt nicht; selbst wenn Firma und Name auseinanderfallen können und bei juristischen Personen die Namen der Gesellschafter in der Firma zumeist nicht mehr in Erscheinung treten, so bleibt schon nach deutschem Recht eine einmal gewählte Finnenbezeichnung mit dem Träger verbunden und wechselt nur in Ausnahmefallen bei der Fortfiihrung von Unternehmen; die Qualifizierung der Firma als Persönlichkeitsrecht dürfte vorrangig zur derjenigen als Vermögensrecht einzuordnen sein. 576 Vgl. MünchKommHGB/Lieb!Krebs § 37 Rdnr. 45. v.Gamm, Wettbewerbsrecht 2. Halbbd., Kapitel 58 Rdnr. 2; ders., Wettbewerbsrecht 1. Halbbd., Kapitel 15 Rdnr. 3 (Firma als hnmaterialgüterrecht, nicht Persönlichkeitsrecht); Fezer, § 5 Rn 2. 574 Vgl. hierzu Soergel/Kegel Anh. Art. 12 EGBGB Rdnr. 16, der allerdings die Firma davon ausninunt; auch EuGH, Urt. v. 26.11.96 (Rs. C-313/94), RIW 97, 78 Ls. 2 (fur das Markenrecht);Fezer, § 14 Rn 19. 575 Baur, AcP 167 (1967), 535, 556; ähnlich Lüderitz, NJW 62, 2142, 2143 ("ein Markt, ein Recht"). 576 SoRG, Urt. v. 14.9.38 (II 17/38), RGZ 158, 226, 230: Firma als Vennögenswert, jedoch nicht als Vennögensrecht, sondern als persönliches Recht. 572 573

12•

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Weshalb diese enge Bindung an den Unternehmensträger nun aber fiir das Kollisionsrecht geleugnet werden sollte, ist nicht einsichtig. Darüber hinaus spricht gerade der deutsche Beitritt zur Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums von 1883,577 der am 1.5.1903 erfolgte, gegen ein allgemeines Wirkungsstatut als kollisionsrechtlichem Ausgangspunkt des Firmenschutzes. Dieses Übereinkommen, dem alle wichtigeren Industriestaaten beigetreten sind,578 findet gemäß Art. 1 11 auf Handelsnamen, somit auch aufFirmen Anwendung. 579 Gemäß Art. 8 i.V.m. Art. 2 I genießen die Angehörigen der Verbandsländer in bezugauf ihre Handelsnamen Schutz nach den Gesetzen des jeweiligen Staates, in denen Rechtseingriffe erfolgen. Daraus wird bei Anwendbarkeit des Abkommens allgemein eine Geltung des Rechts des Wirkungsstaates abgeleitet. 580 Der Schutz nach inländischem Recht besteht dabei unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Heimatstaat einen solchen gewährt. 581 Wäre indessen nach deutschem internationalen Privatrecht ohnehin ausschließlich inländisches Recht fiir den Firmenschutz zur Anwendung berufen, hätte es einer deutschen Beteiligung an der Pariser Übereinkunft insoweit nicht bedurft. 582 Schließlich ist·auch das Gegenseitigkeitserfordernis des § 28 UWG, aus dem ein Rückschluß auf die Maßgeblichkeit des Territorialitätsgrundsatz zumindest fiir den Firmenschutz über § 16 UWG a.F. hätte abgeleitet werden können, mit der Neuregelung des Markengesetzes entfallen und dort nicht eingebaut worden. Mithin wird der Firmenschutz der Zweigniederlassung außerhalb des Anwendungsbereichs der Pariser Verbandsübereinkunft nicht nach dem Wirkungsstatut beurteilt. 583

BGBI. 1970 II, S. 391 (Stockhohner Fassung v. 14.7.1967). So schon Baur, AcP 167 (1967), 535, 546. 579 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 305 (auf Firmenbezeichnung, Firmenschlagwort, -bestandteil, -abkürzung, besondere Geschäftsbezeichnung). 580 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 305; Baur, AcP 167 (1967), 535, 549 (völlige Gleichstellung ausländischer mit inländischen Geschäftsbezeichnungen, daher insoweit Geltung des Territorialitätsprinzips). 581 BGH, Urt. v. 12.7.95 (I ZR 140/93), GRUR 95, 825, 827; strittig. 582 Möglicherweise ist indessen die Pariser Verbandsübereinkunft mit dem genannten Ergebnis stets bei ausländischen Zweigniederlassungen in Deutschland anzuwenden, da Art. 3 eine Ausweitung auch auf Niederlassungen aus nicht der Übereinkunft angehörigen Staaten anordnet, die in einem Mitgliedstaat belegen sind. Jedoch dürfte Art. 3 nach dem Sinn der gesamten Übereinkunft dahingehend zu verstehen sein, daß die Anwendung auch dann wiederum ein grenzübergreifendes Tätigwerden in einen anderen Mitgliedstaat voraussetzt. 583 Ähnl. MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 68. 577

578

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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b) Personalstatut

Auf der Basis einer Ablehnung des Wirkungsstatutes ist somit grundsätzlich den Stellungnahmen zu folgen, die auch den Firmenschutz dem Personalstatut unterwerfen. 584 Diese Sichtweise beruht auf der i.d.R. engen Bindung zwischen Firmenbezeichnung und Rechtsträger, sei dieser eine natürliche oder eine juristische Person; selbst bei Personen(handels)gesellschaften, denen die allgemeine Rechtsfahigkeit fehlt, besteht ein solcher Zusammenhang zwischen der Gesamthand der Gesellschafter und der Firma. Demnach dient die Firma nicht nur zur Festigung der Wettbewerbsposition, sondern in erster Linie als Identifikationsmittel des Unternehmensträgers. Ist sie folglich als Ausdruck der Unternehmenspersönlichkeit zu werten, sollte das Kollisionsrecht des Firmenschutzes wie schon die Firmenbildung primär vom Unternehmen und erst sekundär von den Bedürfnissen beteiligter Verkehrskreise des Inlands ausgehen. Da inländische Verletzer über eine partielle Sonderanknüpfung vor unvorhersehbaren Firmenschutznormen ausländischen Rechts bewahrt werden können (s.u.), läßt sich diese Vorgehensweise wiederum auf den Gesichtspunkt der vorleistenden Reziprozität stützen. 585 Soll die Attraktivität des deutschen Standortes für die Betätigungsform der Zweigniederlassung erhöht werden, ist dem Vertrauen ausländischer Unternehmen auf den Schutz ihrer Firmenbezeichnungen nach dem für die Hauptniederlassung geltenden Recht Vorrang einzuräumen. Folglich unterliegt auch der Schutz der Firma außerhalb des Anwendungsbereiches der Pariser Verbandsübereinkunft grundsätzlich dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut c) Inlandsschutz als Obergrenze

Denkbar, wenngleich angesichts des ohnehin beträchtlichen Umfangs des deutschen Firmenschutzes und der Reichweite der Pariser Verbandsübereinkunft unwahrscheinlich, bleibt jedoch die Konstellation, daß die Finnenschutzbestimmungen der für die Hauptniederlassung des Unternehmens geltenden Rechtsordnung über diejenigen des deutschen Rechts hinausreichen. Da der inländische Verletzer der Firma einer Zweigniederlassung im Regelfall kein bewußtes Plagiat verübt, also nicht notwendigerweise zuvor in Kontakt zu ihr getreten ist, kann er sich auf die Geltung derartiger Normen und eine strengere Haftung als nach deutschem Recht nicht einstellen. Ihm dieses Risi584 Kaligin, DB 85, 1449, 1454; Nußbaum, IPR, S. 210 (Recht der Hauptniederlassung); MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 67. 585 Für diesen methodischen Ansatz ist hier im Gegensatz zur Hafumg bei Unternehmens- und Firmenfilhrung wieder Raum, da der inländische Verletzer einen Risikotatbestand setzt und nicht ohne jegliche Veranlassung mit einem ausländischen Gegenüber konfrontiert wird.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

ko dennoch uneingeschränkt aufzubürden, hieße, der Haftung Strafcharakter zuzumessen. 586 Um derartige Ergebnisse zu vermeiden, ist die Anwendung des Personalstatuts durch eine partielle Sonderanknüpfung an deutsches Firmenschutzrecht einzuschränken. Hiernach kann der Schutz der Firma nach ausländischem Recht nicht weiter reichen als der durch die deutschen Normen gewährte; der Schutzumfang des deutschen Rechts bildet somit eine allgemeine Obergrenze. 587 Als dogmatische Grundlage dieser partiellen Sonderanknüpfung kann erneut der ordre public herangezogen werden. 588 Die Begrenzung des ausländischen Firmenschutzes durch das inländische Recht ist überdies aus systematischen Erwägungen stimmig. War zwar bereits die Firmenbildung dem Personalstatut zugewiesen, so erfuhr dieses aber Einschränkungen durch die deutschen Grundsätze der Firmenwahrheit und -unterscheidbarkeit, die ebenfalls als Ausdruck des ordre public eingeordnet wurden. Wird nun der Firmenschutz einer ähnlichen Beschränkung durch das Inlandsrecht unterworfen, gewährleistet dies einen Gleichlauf des Kollisionsrechts der Firma, der überschaubar und somit der Rechtssicherheit förderlich ist. 589 d) Ergebnis

Im Geltungsbereich der Pariser Verbandsübereinkunft ist :fiir den Firmenschutz der Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland das sogenannte Territorialitätsprinzip maßgeblich, er richtet sich nach dem jeweiligen Staat, auf dessen Gebiet eine Verletzung in Frage steht. Dagegen bestimmt sich der Schutz der Firma :fiir Zweigniederlassungen aus anderen Staaten (in der Praxis folglich in der eher geringeren Zahl der Fälle) nach dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut Eine Einschränkung aus Gründen des ordre public erfährt diese Regel insoweit, als der Schutz des ausländischen Rechts denjenigen, der durch deutsche Firmenschutzbestimmungen 586 Eine derartige Kollisionsnorm dürfte gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG verstoßen). 587 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 67; a.A. Nußbaum, !PR, S. 210 (keine Einschränkungen). 588 Kaligin, DB 85, 1449, 1454; ähnlich wohl MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 67 ("aus Wettbewerbsgründen"); fiir den Markenschutz über Art. 38 EGBGB auch Sack, RlW 95, 178, 185, der andererseits jedoch am Territorialitätsprinzip festhält 589 Grundsätzlich wäre auch hier an eine noch weitergehende Falldifferenzierung im Hinblick darauf zu denken, ob dem Verletzer der ausländische Ursprung der betroffenen Firma bekannt und er somit das Risiko, mit ausländischem Recht konfrontiert zu werden, bewußt eingegangen war. Doch dürfte einerseits der Nachweis dieser Kenntnis mangels eines rechtsgeschäftliehen Kontaktes zwischen den Kontrahenten kaum zu führen sein, zum anderen bringen allzu feine Fallunterscheidungen die Gefahr der Rechtszersplitterung mit sich.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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gewährt wird, nicht übersteigen darf. Das Inlandsrecht bildet hier eine Obergrenze. 11. Kaufmannseigenschaft Ebenfalls in kollisionsrechtlicher Hinsicht zu untersuchen ist, wie sich der Kaufmannsbegriff bei Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen bestimmt. Dieser ist zum einen bei Einzelpersonen gemäß § 13 d HGB Voraussetzung der Registereintragung einer Zweigniederlassung, zum anderen knüpfen Sachnormen des deutschen Rechts insbesondere in §§ 343 ff. HGB an die Eigenschaft als Kaufmann besondere Rechtsfolgen, sofern - wie i.d.R. bei Verträgen, die über eine Zweigniederlassung geschlossen werden- deutsches Recht als Vertragsstatut zur Anwendung kommt. Die Streitigkeit dieser Materie läßt sich letztlich auf das Grundproblem zurückfiihren, ob die Kaufmannseigenschaft in der Systematik des internationalen Privatrechts als separat zu behandelnde Vorfrage oder unselbständige Teilfrage einzuordnen ist. 590 Hierbei muß erneut betont werden, daß das deutsche Recht keine versteckten Kollisionsnormen zur Bestimmung der Kaufmannseigenschaft enthält. 591 Durch die zu erwartende Neuregelung des deutschen Kaufmannsbegriffs592 wird sich die kollisionsrechtliche Problematik in diesem Bereich keineswegs erledigen. Da nach der neuen Definition des Handelsgewerbes eine wesentlich größere Zahl von Personen unter § 1 HGB zu fassen sein wird, werden besondere kaufmännische Normen des deutschen materiellen Rechts, sofern sie auch kollisionsrechtlich maßgeblich sein sollten, in Zukunft erheblich mehr ausländische Unternehmensträger deutscher Zweigniederlassungen betreffen. 593 a) Wirkungsstatut

Häufig wird im Zusammenhang mit deutschen Zweigniederlassungen fiir die Bestimmung der Kaufmannseigenschaft des Gesamtunternehmens durchgehend das Wirkungsstatut herangezogen594 also auf das Recht am Sitz der Vgl. van Veenroy , S. 7. Vgl. Hagenguth, S. 118. 592 Referentenentwurf in ZW 96, 1401 ff.; nunmehr Regierungsentwurf, Teil l, ZW 97, 942 ff. 593 Zwar bringt die Kaufmannseigenschaft im deutschen Recht z.B. in Fonn der positiven Registerpublizität des § 15 li l HGB Vorteile, doch dürfte sie sich insgesamt -man denke an die Einschränkung der Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen und die Rügepflicht des § 377 HGB - eher als belastend darstellen. 594 Kaligin, DB 85, 1449, 1454; Häuselmann, WM 94, 1693, 1695; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 306. 590 591

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Zweigniederlassung abgestellt. 595 Zur Begründung verweist man darauf, daß das Registerrecht (§ 13 d III HGB) die Behandlung der eingetragenen Zweigniederlassung gleich einer inländischen Hauptniederlassung anordne. 596 Ausländisches Recht werde der den deutschen Kaufmannsbegriff kennzeichnenden Abgrenzung zwischen geschäftserfahrenen und -unerfahrenen Personen unter Umständen nicht gerecht. 597 Der Begriff des Kaufmanns sei stets auf die Besonderheiten eines Rechts zugeschnitten und dürfe nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. 598 Schließlich soll sich das Wirkungsstatut auch aus Verkehrsschutzinteressen ergeben. 599 Ob aus der genannten Norm auch auf eine materielle Gleichbehandlung inländischen Haupt- und fremder Zweigniederlassungen zu schließen ist, erscheint indessen fraglich. § 13 d III HGB bezieht sich lediglich auf formelle Erfordernisse im Rahmen der Anmeldung und gibt inhaltlich keine Begriffsauslegung vor. 600 Daß das deutsche materielle Recht (zumindest ursprünglich) der Geschäftserfahrenheit von Kaufleuten Rechnung tragen wollte, ist zwar unbestritten, diese Intention gilt aber nicht notwendigerweise auch für formelle Normen, etwa das Registerrecht der kaufmännischen Zweigniederlassungen; hier kommen vielmehr ordnungspolitische Absichten zum Ausdruck. 601 Wenn das Ziel eines Verkehrsschutzes auch gegenüber Zweigniederlassungen ausländischer Nichtkaufleute (auf sachrechtlieber Ebene) erreicht werden kann, versagt das Schutzargument jedenfalls im Bereich der Registervorschriften. Die pauschale Anknüpfung an den Wirkungsort wird daher den Besonderheiten der unterschiedlichen Regelungen nicht gerecht und ist somit, wenn auch nicht in bezug auf das Ergebnis, so doch methodisch abzulehnen.

595 Hagenguth, S. 181; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 609; Kind/er, NJW 93, 3301, 3303 (Iex fori); Heide/bergerKornm/Ruß § 13 d HGB Rdnr. 2; Bumeder, S. 162 Rdnr. 256 (nach dem dortigen Modell zwingend, da die Frage dem Außenverhältnis der Zweigniederlassung zuzurechnen ist). 596 Hagenguth, S. 181. 597 Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 307. 598 Ders., Rdnr. 308. 599 Kaligin, DB 85, 1449, 1454. 600 Anderenfalls müßte man wiederum von einer verdeckten Kollisionsnorm sprechen. 601 Dies gilt um so mehr, als die §§ 13 d ff. HGB keinen nennenswerten Anwendungsraum fiir die Publizitätswirkung des § 15 HGB eröffuen, s.o. drittes Kapitel VII 3 d) u. VII 4 d).

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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b) Personalstatut

Denkbar wäre ferner, auch die Kaufmannseigenschaft dem Personalstatut zu unterstellen. 602 Diese Anknüpfungsform versagt indessen, wenn die fiir die Hauptniederlassung maßgebliche Rechtsordnung ein dualistisches Normensystem, d.h. ein Sonderrecht fiir Kaufleute, nicht kennt. 603 In einem solchen Falle liefen die Registervorschriften der§§ 13 d ff. HGB leer und könnten ihre Ordnungsfunktion nicht mehr erfiillen. Legt man die Forderung nach einer möglichst weitreichenden Anwendung des Personalstatuts aufgrund des zuvor entwickelten Verständnisses der Reziprozität zugrunde, könnte man unter Umständen zu einer gesplitteten Anknüpfung in einer Weise gelangen, daß fiir Zweigniederlassungen aus Rechtsordnungen, die einen gesonderten Kaufmannsbegriff kennen, diesbezüglich das Gesellschaftsstatut, fiir die übrigen das Recht an ihrem Standort, mithin die deutsche Definition, zur Geltung käme. Da die oben verlangte Erkennbarkeit eines Auslandsbezuges sich bei Zweigniederlassungen kaufmännischer Unternehmensträger jedoch nicht auf eine konkrete Nationalität beziehen muß, 604 würde das hier vertretene Modell insoweit unpraktikabel, als die betreffenden Rechtsträger die an sie gestellten Anforderungen nicht ohne weiteres übersehen könnten. Folglich wäre eine derartige Aufspaltung mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren und müßte wiederum das Ziel einer Erleichterung der Niederlassung konterkarieren. Demnach scheidet auch ein Rückgriff auf das Personalstatut des Gesamtunternehmens zur Bestimmung der Charakteristik als Kaufmann aus.6os c) Vertragsstatut

In der Form einer unselbständigen Anknüpfung ließe sich die Kaufmannseigenschaft auch durchgehend dem Vertragsstatut unterstellen.606 Ist jedoch die Zweigniederlassung gerade errichtet und noch kein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden, stößt diese Einordnung auf unlösbare Schwierigkeiten fiir den Bereich des Registerrechts. Allein die Erwartung, daß zukünftige, über die 602 So Kegel, IPR, § 17 IV 4 S. 444 (Recht des Unternehmenssitzes); für das schweizerische RechtMartz, S. 41 (Geschäftssitz des Einzelunternehmers). 603 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 610; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 239; vgl. Beispiele beiJayme, ZHR 142 (1978), 105, 115 Fn 57 a. 604 Siehe oben zu den Anforderungen an die Erkennbarkeit des ausländischen Ursprungs im dritten Kapitel VII 6 b. 605 Im Erg. auch van Veenroy, S. 46; Nußbaum, S. 211 (für das Vertragsrecht, da Vertragsinhalt einheitlich zu bestimmen). 606 Wohl Fischer, Verkehrsschutz, S. 268 (allerdings ohne Erwähnung der registerrechtlichen Fragestellung); ebenso Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 239.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

Zweigniederlassung abzuschließende Verträge dem deutschen Recht zu unterwerfen seien, könnte eine Unterstellung der Kaufmannseigenschaft unter das deutsche Recht und darauf folgend eine Anwendung des Registerrechts nicht rechtfertigen; fielen derartige Verträge ausnahmsweise unter fremdes Recht, etwa weil die Zweigniederlassung nicht selbst die charakteristische Vertragsleistung erbrächte, müßte die erste Entscheidung nachträglich korrigiert werden. Gleiches gilt, wenn entgegen einer solchen anfänglichen Prognose Verträge überwiegend per Rechtswahl fremdem Recht unterworfen würden. Schließlich brächte eine Koppelung der Kaufmannseigenschaft einzig an das auf Verträge anwendbare Recht die Gefahr mit sich, daß die Anwendung des deutschen Registerrechts durch die Vertragsparteien mittels einer Rechtswahl vermieden werden könnte. 607 Öffentliches Recht darf indessen nicht abdingbar sein. Demzufolge scheidet auch ein Zugriff auf das Vertragsstatut als alleiniger Maßstab fiir die Qualifikation als Kaufmann aus. d) Differenzierende Lösung

Um Widersprüche zwischen den genannten Rechtsgebieten zu vermeiden, bietet sich vielmehr eine differenzierende unselbständige Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im Rahmen des jeweiligen Zusammenhangs an. 608 Dabei ist zuzugeben, daß sich im Ergebnis keine Unterschiede zu den Vertretern des Wirkungsstatuts ergeben. Doch erweist sich methodisch eine unselbständige Anknüpfung als flexibler und dem jeweiligen Normzweck besser entsprechend. aa) Registerrecht Als öffentlich-rechtliche Normen sollen die §§ 13 d ff. HGB gewisse Kontrollfunktionen über die Tätigkeit ausländischer Zweigniederlassungen kaufmännischer Unternehmen und Handelsgesellschaften in Deutschland wahrnehmen. 609 Diese Ordnungsintention läßt sich jedoch nur erreichen, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen nach im wesentlichen einheitlichen Kriterien ermittelt werden können. Ebenso wie eine Bestimmung des in § 13 f HGB genannten Begriffes "Aktiengesellschaft" und des Tatbestandsmerkmals "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" in § 13 g HGB nur unter Vergleich 607 Hiergegen

auchMünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 43. § 13 b HGB Rdnr. 15; Saame, S. 139/140; auch van Veenroy, S. 47 (obgleich von einer selbständigen Vorfrage ausgehend). 609 Es werden dabei nicht nur die Interessen möglicher Geschäftspartner, sondern auch gesamtstaatliche Belange berührt, da das Handelsregister z.B. als GrWldlage zur ErstellWig von Statistiken herangezogen werden kann. 608 Staub!Hüffer

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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mit den deutschen Gesellschaftsformen im Wege der Substitution erfolgen kann, 610 muß dies daher auch fiir die Begriffsbestimmung der Kaufmannseigenschaft in § 13 d HGB gelten.611 Dieses Ergebnis läßt sich mit einer entsprechenden Anwendung des Art. 34 EGBGB begründen; soweit §§ 13 d ff. HGB Ordnungsfunktionen als zwingende Normen wahrnehmen wollen, bedingen sie auch eine einheitliche Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs nach denselben Maßstäben. 612 Auf die Kaufmannseigenschaft ist daher im Registerrecht der Zweigniederlassungen deutsches Recht anzuwenden. 613 bb) Handelsgeschäfte und allgemeine Geschäftsbedingungen Um im Rahmen der Handelsgeschäfte ein Versagen des Vertragsrechts bei Fehlen eines dualistischen Systems im Ausland zu verhindern, bedarf es zwar keines Rückgriffs auf das Wirkungsstatut614, doch wird der besonderen Sachnähe zwischen Vertragsrecht und Kaufmannseigenschaft am wirksamsten dadurch entsprochen, daß letztere unselbständig dem Vertragsstatut unterworfen wird. 615 Daß der Kaufmannsbegriff dann mittels einer Rechtswahl der Parteien verändert werden kann, 616 läuft keinen übergeordneten Interessen zuwider, da sich deren Wirkungaufgrund der differenzierenden Anknüpfung auf das materielle Handelsrecht beschränkt. Dort stehen sich lediglich die Interessen der Vertragsparteien gegenüber, so daß der Effekt der Rechtswahl dem beiderseitigen Willen entspricht. M.E. läßt sich dieses Ergebnis nicht nur auf eine Bewertung der beteiligten Interessen, sondern auch auf geschriebene Normen des deutschen internationalen Privatrechts stützen. So kann fiir die praktisch bedeutsame Frage einer Rügepflicht i.S.d. §§ 377, 378 HGB auf Art. 32 I Nr. 2 u. 3 EGBGB abgestellt werden. Soll das Vertragsstatut die Folgen von Leistungsstörungen erfassen, verstieße es gegen die Absicht des Gesetzgebers, über eine Abkoppelung des Kaufmannsbegriffs Normen, die sich auf diesen Rechtsbereich beziehen, wiederum aus dem Vertragsstatut

Vgl. Rothin Koller!Roth/Morck § l3 e HGB Rdnr. 2. Vgl. van Veenroy, S. 299. 612 Dieses Ergebnis konunt der Annahme einer verdeckten Kollisionsnorm zwar nahe, erreicht aber wegen der Beschränkung auf das Registerrecht nicht einen solchen Stellenwert. 613 Schlosser, S. 101; Baumbach!Hopt § l3 d Rdnr. 3; Roth in Koller/Roth/Morck § 13 d HGB Rdnr. 5; Staub!Hüffer § l3 b HGB Rdnr. 15; Saame, S. 140; GK-HGBI Achilles § 13 d Rdnr. 3. 614 So aber trotz Differenzierung Staub!Hü./Jer § 13 b Rdnr. 15. 615 Saame, S. 139; auch Nußbaum, S. 211. 616 Dies kritisiertMünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 43. 610 6 1!

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

herauszulösen. 617 Für die in § 362 I HGB dem Schweigen eines Kaufmanns zugemessene Bindungswirkung greift Art. 31 I EGBGB, da das Zustandekonunen eines Vertrages in Frage steht. Ob die Beteiligten als Kaufleute anzusehen sind, ist auch hier ein nicht abtrennbarer Bestandteil des Vertragsschlusses. Dieser Lösung steht auch Art. 37 EGBGB nicht entgegen, da eine Ausnahme der Kaufmannseigenschaft vom Kollisionsrecht der Schuldverhältnisse nicht angeordnet ist. Demnach richtet sich die Bestinunung der Eigenschaft als Kaufmann für den gesamten Bereich des Vertragsrechts nach dem Vertragsstatut 618 Ist das deutsche AGB-Gesetz anwendbar, so kann gleichfalls über Art. 31 I EGBGB die Eigenschaft als Kaufmann hinsichtlich des in § 24 S.1 Nr. 1 AGBG angeordneten eingeschränkten Schutzes dem Vertragsstatut unterworfen werden, denn diese Charakteristik betrifft im Zusanunenhang der Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen ebenfalls die Wirksamkeit des Vertrages. 619 Vereinzelt ist in diesem Zusammenhang eine Verbindung zwischen der Anknüpfung der Kaufmannsbegriffe im Registerrecht und im Vertragsrecht gezogen worden. Sei die Zweigniederlassung in das deutsche Handelsregister eingetragen worden, so werde der ausländische Unternehmensträger über § 5 HGB auch fiir das Vertragsrecht als Kaufmann eingestuft. 620 Soweit dadurch aber der deutsche Kaufmannsbegriff auch in ein ausländisches (Handels-) Vertragsrecht implementiert werden soll, ist diese Anwendung abzulehnen. Eine derartige Interpretation des § 5 HGB verstößt gegen die genannten Parteiinteressen, ohne durch übergeordnete Gesichtspunkte gerechtfertigt zu sein. Selbst wenn deutsches Recht als Vertragsstatut anwendbar ist, stößt diese Verbindung auf methodische Bedenken, da sie der fiir das Registerrecht maßgeblichen Anknüpfung vorrangige Wirkung einräumt und dadurch dem bereits

617 Die Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs ergibt sich somit gleichsam als Annex der Kollisionsnonn. 618 Weiter differenzierend van Veenroy, S. 27 und 47: Eine einheitliche Anknüpfung sei selbst in den §§ 343 - 372 HGB nicht möglich, so daß auch dort je nach den konkreten Interessen auf das Recht der Niederlassung oder die Iex causae abzustellen sei. Dies erscheint jedoch als unnötige Beeinträchtigung der Rechtssicherheit überzogen zu sein. 619 Ähnlich lange vor Erlaß des AGBG Nußbaum, S. 211 (Kaufmannseigenschaft als "Bestimmung des Vertragsinhalts"); anders Hagenguth, S. 334 (Ort der Niederlassung). 620 Saame, S. 141; auchMünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 597.

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abgelehnten Wirkungsstatut nahekommt 621 Es empfiehlt sich daher, § 5 HGB auf ausländische Zweigniederlassungen nicht anzuwenden. 622 cc) Buchfiihrungs- und Bilanzrecht Problematisch stellt sich die Kaufmannseigenschaft in den §§ 238 bis 263 HGB dar, die Kaufleuten Buchführungs- und Bilanzierungspflichten auferlegen. Obgleich die Neuregelung der§§ 238 ff. HGB aus dem Jahre 1985 unter anderem auf die vierte Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft623 zurückgeht, dürfte es selbst im europäischen Bereich aufgrund der zahlreichen Kannbestimmungen und Abweichungsmöglichkeiten, die diese Richtlinie beinhaltet, noch immer zu Spannungen kommen. Einerseits dienen diese Bestimmungen der Lauterkeit des Handelsverkehrs und somit öffentlichen Interessen. Andererseits gilt es, einen Eingriff in die Organisation und Struktur des ausländischen Unternehmens zu verhindern. Wegen der ordnungspolitischen Funktion dieser Normen kann auch der Kaufmannsbegriff wiederum nicht isoliert angeknüpft werden; er ist folglich nach der Rechtsordnung am Sitz der Zweigniederlassung, also deutschem Recht zu bestimmen. 624 Um der Gefahr zu begegnen, wegen der Rechtseinheit von Haupt- und Zweigniederlassung auf diese Weise die Buchfiihrungspflicht auf das gesamte ausländische Unternehmen zu erstrecken, bietet sich eine teleologische Reduktion der deutschen Bestimmungen an: Begrifiliche Voraussetzung der Zweigniederlassung war eine gewisse organisatorische Verselbständigung. Demnach ist es auch möglich, die Buchführungspflicht auf den Betrieb der Zweigniederlassung zu beschränken.625 Die Buchführungsund Bilanzierungspflicht trifft den nach deutschem Recht als Kaufmann einzustufenden Unternehmer mithin nur für den Geschäftsbetrieb der in Deutschland belegeneo Zweigniederlassung. Zu diesem Ergebnis gelangt man für Kapitalgesellschaften aus dem EU-Bereich auch durch einen Rückschluß aus § 325 a I HGB. Dort ist zwar eine Offenlegung von Unterlagen über die Rechnungslegung der Hauptniederlassung angeordnet, doch wird für deren

621 Für eine differenzierte Anknüpfung bliebe dann nur noch Rawn, wenn und solange die (nur deklaratorische) Registereintragung der Zweigniederlassung (noch) nicht erfolgt wäre. 622 Denkbar wäre allenfalls, auf § 5 HGB zuzugreifen, wenn der ausländische Unternehrnensträger in einem Register an seinem Hauptsitz als Kaufinann eingetragen ist. 623 Jahresabschlußrichtlinie, abgedr. in Amtsbl. EG 1968 Nr. L 222/ll. 624 Auch Saame, S. 140. 625 Erneut zeigt sich, daß eine separate Buchführung nicht Voraussetzung, sondern allenfalls Rechtsfolge des Besteheus einer Zweigniederlassung ist.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

Erstellung und Prüfung allein das Recht der Hauptniederlassung als maßgeblich angesehen. dd) Gewerbe(aufsichts)recht Sofern das deutsche Gewerberecht-etwa in§ 14 GewO- den Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen Anmeldepflichten auferlegt und sie einer gewissen behördlichen Aufsicht unterwirft, ist es ohne Bedeutung, ob das Unternehmen die Voraussetzungen des Kaufmannsbegriffes erfiillt. Maßgeblich ist lediglich die Ausübung eines Gewerbes. Da es sich bei diesem Normbereich um Ordnungsrecht handelt, also der Schutz der Allgemeinheit intendiert wird, muß, um dem Gesetzeszweck zu genügen, die Bestimmung des Gewerbebegriffs ebenfalls dem deutschen Recht unterworfen werden.

e) Ergebnis Die Bestimmung des Kaufmannsbegriffs bei Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland hat sich arn jeweiligen rechtlichen Kontext zu orientieren. Somit scheiden umfassende Anknüpfungsmodelle für die Qualifikation von vornherein aus. Da sich die Kaufmannseigenschaft nicht isoliert betrachten läßt, sondern nur im jeweiligen rechtlichen Kontext Bedeutung entfaltet, stellt sie sich folglich nicht als selbständige Vorfrage, sondern vielmehr als unselbständige Teilfrage dar. Ein Vorrang des Personalstatuts besteht aus diesem Grunde und auch deshalb nicht, weil das kaufmännische Recht keine einheitliche und selbständige Regelung erfahren hat. Die Registereintragung der Zweigniederlassung stellt jedoch für das ausländische Unternehmen keine relevante Belastung dar; eine Anwendung des deutschen materiellen Handelsrechts für Kaufleute kann mittels einer Rechtswahl vermieden werden. Demzufolge dürfte diesem Ergebnis nicht die Wirkung eines Niederlassungshemmnisses zukommen. Dem Gedanken der (hier so bezeichneten) positiven Reziprozität wird somit nicht widersprochen. j) Anwendung der einzelnen Begriffsmerkmale

Zu prüfen ist schließlich, wie die Bestimmung des Kaufmannsbegriffs, i.e. die Qualifikation des jeweiligen ausländischen Rechtssubjektes als Kaufmann, im einzelnen zu erfolgen hat, wenn als Ergebnis der kollisionsrechtlichen Fragestellung das deutsche Recht maßgebend ist.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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aa) Betrieb der Zweigniederlassung als Bezugsmoment Hierzu wird vertreten, daß es allein auf Art und Umfang des Betriebes der Zweigniederlassung ankomme.626 Die Betätigung der Zweigniederlassung unterscheide sich nicht von derjenigen anderer inländischer Untemehmen. 627 Eine Kaufmannseigenschaft nur im Ausland reiche daher nicht aus. 628 Für den Bereich des deutschen Registerrechts steht gegen diese Auffassung bereits der Wortlaut des§ 13 d HGB. Nennt dieser "die Hauptniederlassung eines Einzelkaufmanns" im Ausland, so ergibt sich daraus ein deutlicher Bezug auf das Gesamtuntemehmen. Auch im Rahmen des Vertragsrechts erweist sich diese Vorgehensweise als nicht stichhaltig. Sie stellt allein auf die faktische Betätigung der Zweigniederlassung ab und übersieht, daß Haupt- und Zweigniederlassung eine untrennbare Rechtseinheit bilden und somit ein wesentlicher Unterschied zur Tochtergesellschaft besteht. Da die Kaufmannseigenschaft aber schon nach deutschem Recht stets an ein Rechtssubjekt, d.h. an Einzelpersonen oder Gesellschaften (als Fonnkaufleute}, geknüpft wird, kommt als Bezugspunkt nur das Unternehmen als Ganzes in Betracht. Ob die Tätigkeit der Zweigniederlassung selbst kaufmännische Dimensionen erreicht, wird somit nur dann erheblich, wenn die Hauptniederlassung die Merkmale des deutschen Kaufmannsbegriffs noch nicht erfiillt. bb) Substitution Statt dessen sind bei einer Qualifizierung der Tätigkeit des Gesamtunternehmens im Rahmen der Anwendung der §§ l ff. HGB bei den einzelnen Tatbestandsmerkmalen auch ausländische Rechtsinstitute im Wege der Substitution zu berücksichtigen, 629 so daß es einer völligen Identität mit den inländischen Erfordernissen nicht bedarf.630 Denkbar wäre z.B., das Merkmal eines nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes i.S.d. § 2 HGB auch unter Hinzuziehung der Gepflogenheiten des Rechtes am Ort der Hauptniederlassung zu bestimmen. 631 Gleiches könnte für 626 Bumeder, S. 162 Rdnr. 256 [insoweit konsequent, als Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft gleichgestellt werden]; Hagenguth, S. 182. 627 Bumeder, S. 162 Rdnr. 256. 628 Hagenguth, S. 182. 629 Baumbach/Hopt § 13 d HGB Rdnr. 2; Roth in Koller/Roth!Morck § 13 d Rdnr. 5. 63 Kind/er, NJW 93, 3301, 3303. 631 Da nach der zu erwartenden Novellierung der deutschen kaufmännischen Definitionsnonnen der Umfang des Gewerbebetriebes ft1r die Einordnung als Handelsgewerbe i.S.d. § 1 HGB maßgeblich sein wird, würde sich diese Vorgehensweise dann auch unmittelbar auf die Grundnorm des sog. Mußkaufmanns beziehen.

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den in § 1 HGB genannten, aber dort nicht definierten Begriff des Gewerbes und für das als Einschränkung in einigen Varianten des§ 1 II HGB aufgeführte Merkmal der handwerksmäßigen Tätigkeit gelten.632 Mit einer solchen Annäherung an örtliche Gegebenheiten am Hauptsitz des Unternehmens läßt sich überdies der Gefahr entgegensteuern, daß sich die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft an das deutsche Recht hemmend auf die Bereitschaft ausländischer Unternehmen auswirkt, in Deutschland Zweigniederlassungen zu gründen. Ein ausländischer Rechtsträger wird demnach in bezugauf das deutsche Registerrecht- fiir das Vertragsrecht verbleibt ihm die Möglichkeit einer "Flucht" durch Rechtswahl - zwar u.U. mit einem Rechtsinstitut konfrontiert, das ihm fremd ist, doch mildert sich dieser Effekt durch die substituierende Berücksichtigung seiner vertrauten Rechtsordnung ab. Sie kommt folglich dem Anliegen dieser Arbeit, die Gründung von Zweigniederlassungen durch Ausarbeitung auslandsfreundlicher Regeln des Kollisionsrechts zu erleichtern, entgegen. Mithin stellt das fiir die Kaufmannseigenschaft erzielte Ergebnis, eine Anwendung des Personalstatuts aufgrund übergeordneter Wertungen633 zu verwerfen und diese vielmehr unselbständig nach ihrem jeweiligen sachlichen Zusammenhang anzuknüpfen, keinen Bruch mit dem obigen Postulat einer weitgehenden Maßgeblichkeil des Heimatrechts dar, da sie über die zuletzt genannte Modifikation dessen Ziel nicht behindert. 12. Arbeitsrechtliche Aspekte Wenn die Tätigkeit einer deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens nicht im bloßen Vertriebs- oder Dienstleistungssektor, in dem ein verhältnismäßig geringer Bedarf an Arbeitskräften herrscht, angesiedelt ist, sondern sich im produzierenden Bereich bewegt, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß am Orte der Zweigniederlassung eine größere Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird, die nicht von der Hauptniederlassung abgeordnet, sondern aus dem Inland rekrutiert werden.

632 Die .Gefahr einer derartigen Berücksichtigoog besteht allerdings darin, sich an das hier abgelehnte Personalstatut anzunähern. 633 Insoweit fmdet sich hier eine Parallele zum Problernkreis der Anscheinsvollmacht Daß sich einzelne Bereiche schlechterdings nicht über das Personalstatut lösen lassen, zerstört das System indessen nicht, da es gegenüber den anderen Modellen einer einheitlichen Anknüpfung des fi1r die Zweigniederlassoog bestimmenden Rechts noch immer einen Vorteil größerer Rechtssicherheit hat.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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a) Statut der Arbeitsverhältnisse Auf diese Arbeitsverhältnisse findet bei Fehlen einer Rechtswahl als Vertragsstatut das inländische Recht über Art. 30 II Nr. 1 oder 2 EGBGB Anwendung, wenn davon ausgegangen wird, daß die genannten Arbeitnehmer ihre Tätigkeit im Betrieb der Zweigniederlassung verrichten. Bestünde diese besondere Kollisionsnorm nicht, ergäbe sich bereits über Art. 28 I, II S. 1 u. 2 EGBGB ein im wesentlichen gleiches Ergebnis, da die charakteristische Leistung eines Arbeitsvertrages (als Unterfall des Dienstvertrages) vom inländischen Arbeitnehmer erbracht wird. 634 b) Reichweite der Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages Auf den Inhalt der Arbeitsverträge nehmen gegebenenfalls auch Tarifverträge Einfluß. In direkter Form ist dies der Fall, wenn der ausländische Unternehmensträger Tarifvertragspartei, d.h. insbesondere Mitglied eines deutschen Arbeitgeberverbandes, ist(§§ 3 I, 2 I TVG). aa) Ohne Rechtswahl fiir das Arbeitsverhältnis Zweifelhaft ist aber die Geltung eines Tarifvertrages, der fiir allgemeinverbindlich erklärt worden ist, ohne daß der betroffene Unternehmensträger einem solchen Verband angehört. Ob auf diese Weise auch die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten am Sitz einer Zweigniederlassung modifiziert werden, hängt (zumindest auch) von der Rechtsnatur der Allgemeinverbindlichkeitserklärung ab. Sie dehnt gemäß § 5 IV TVG die Wirkung des Tarifvertrages auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Geltungsbereich desselben aus. Wäre sie als Bestandteil des Privatrechts anzusehen, könnte insoweit Art. 30 I EGBGB zur Anwendung kommen; ihre Anknüpfung würde unselbständig derjenigen des Arbeitsverhältnisses folgen635 . Dies ist jedoch nicht der Fall, da schon der TarifVertrag als solcher nicht als Privatrecht, sondern als soziale Rechtssetzung einzuordnen ist. 636 Das Bundesverfassungsgericht hat sie als Rechtsetzungsakt eigener Art eingestuft, der in Art. 9 III GG wurzelt. 637 Andererseits kann davon ausgegangen werden, daß die Allgemeinverbindlichkeitserklärungwegen ihrer Verbindung zum Tarifvertrag konzep634 Vgl. Palandt!Heldrich Art. 28 EGBGB Rdnr. 13; Soerge/lv.Hoffmann Art. 28 EGBGB Rdnr. 24. 635 So wohl MünchKomm/Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 84 a (Anwendung auf Arbeitsverhältnisse mit Schwerpunkt im Geltungsbereich des Tarifvertrags). 636 Kempen!Zachert § 5 TVG Rdnr. 32 (kollektiv legitimierte soziale Rechtsetzung). 637 BVertGE 44, 320, 340; diese Frage ist indessen noch irruner umstritten.

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tionell jedenfalls diejenigen Arbeitsverhältnisse erfassen will, die dem betroffenen Tarifvertrag unterfielen, wenn die Vertragsparteien tarifgebunden wären. 638 Sie führt demnach über § 5 IV TVG zwingend lediglich das Merkmal der Tarifgebundenheit herbei. Für die Tarifgebundenheit spielt es indessen wie auch bei der betrieblichen Mitbestimmung (s.u.) - keine Rolle, daß der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat. Folglich fehlt m.E. dann, wenn das bei einer Zweigniederlassung ausgeübte Arbeitsverhältnis dem deutschen Recht unterfällt, im Hinblick auf die Anwendung eines Tarifvertrages eine relevante Auslandsberührung. Somit stellt sich auch keine echte kollisionsrechtliche Frage mehr. Gleiches muß für die Wirkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, die die Tarifbindung nur ausdehnt, in diesen Fällen gelten. Sie erfaßt demnach zumindest alle Arbeitsverhältnisse der entsprechenden Branche, die sich nach deutschem Vertragsrecht richten. bb) Bei abweichender Rechtswahl für das Arbeitsverhältnis Ist auf den über eine Zweigniederlassung abgeschlossenen Arbeitsvertrag mit einem inländischen Arbeitnehmer dagegen aufgrund einer wirksamen Rechtswahl das Recht der Hauptniederlassung anwendbar und wird ein Tarifvertrag fiir die Branche, der auch die Zweigniederlassung angehört, fiir allgemeinverbindlich erklärt, hat dies möglicherweise zur Folge, daß dadurch der Inhalt des ausländischen Arbeitsvertrages von deutschem Recht überlagert wird. 639 Als Ansatzpunkt könnte hierzu Art. 30 I EGBGB herangezogen werden. 640 Wären die von der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit erfaßten tarifvertragliehen Regeln als zwingende Bestimmung im Sinne dieser Norm anzusehen, hätte die Rechtswahl in dieser Hinsicht keine Wirkung.641 Eine derartige Norminterpretation führt aber dazu, daß im Falle des Bestehens einer Allgemeinverbindlichkeit die Möglichkeit der Rechtswahl für den Arbeitsvertrag fast gänzlich ausgeschlossen wäre. Da die Allgemeinverbindlichkeit den gesamten Tarifvertrag erfaßt, dieser wiederum die Arbeitsverhältnisse nahezu umfassend regelt, wären alle Bestimmungen des Tarifvertrages zugleich zwinVgl. auch Löwisch/Rieble § 5 TVG Rdnr. 32 (Tarifvertrag als Bezugsobjekt). So Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15 Rdnr. 129, soweit die Arbeitsleistung im Wand erbracht werde. Mit dem wirtschaftlichen Interesse des ausländischen Unternehmens, sich durch die Rechtswahl von strengerem deutschen Arbeitsrecht zu lösen, ist dies aber nicht zu vereinbaren. Allerdings unterliegt die Rechtswahl gern. Art. 30 I EGBGB ohnehin einer Beschränkung in bezug auf zwingende Schutzbestimmungen. Überdies wird in der Praxis nur ein geringer Teil der Tarifverträge filr allgemeinverbindlich erklärt. 640 Schlunck, S. 147 (auch kollektivrechtliche Normen als Schutzgesetze i.S.d. Art. 30 EGBGB); Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15 Rdnr. 29. 641 So MünchKomm!Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 83; Bei/mann, S. 100. 638 639

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gend, so daß für das ausländische Vertragsrecht kein nennenswerter Anwendungsraum übrig bliebe. Eine bedeutungserhaltende Auslegung der in Art. 30 I (i.V.m. Art. 27 I 1) EGBGB grundsätzlich gewährten Rechtswahlfreiheit spricht mithin dafür, die Allgemeinverbindlichkeit nicht als zwingende Bestimmung im Sinne dieser Norm einzustufen. Andererseits könnte indessen die Allgemeinverbindlichkeit inhaltlich über Art. 34 EGBGB als sonstiges zwingendes Recht anzuwenden sein. 642 Dafür spricht, daß § 5 I 1 Nr. 2 TVG als eine ihrer Voraussetzungen ein öffentliches Interesse nennt. 643 Der Zweck der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit besteht darin, eine Tarifgebundenheit deijenigen Parteien herbeizufiihren, die vom Tarifvertrag erfaßt würden, wenn sie Mitglied des in § 3 I TVG genannten Personenkreises wären. 644 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 5 IV und des § 4 I TVG. Bei Beschäftigungsverhältnissen an Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, die nicht dem deutschen Vertragsrecht unterfallen, ist solches grundsätzlich der Fall; sie würden vom Tarifvertrag erfaßt, wenn die Beteiligten den Verbänden der Tarifvertragsparteien beiträten, da Art. 30 EGBGB insoweit Anwendung findet. 645 Jedoch läßt sich aus einer neueren Rechtsentwicklung ableiten, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, eine Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit habe für sich allein noch keine Wirkung auf Arbeitsverhältnisse im Inland, die fremdem Recht unterstellt wurden. Gerade um hier Wettbewerbsgleichheit und Mindeststandards zugunsten der Arbeitnehmer zu sichern, wurde im Bereich des Baugewerbes durch § 1 AEntG646 festgeschrieben, daß sich die Wirkung einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Auslandssitz und einem im räumlichen Geltungsbereich des entsprechenden deutschen Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer erstrecken kann, sofern das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin deutschem Recht unterliegt.

642 So Soergellv.Hoffmann Art. 30 Rdnr. 24 wlter anderem im Hinblick auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen. 643 Vgl. Kempen!Zachert § 5 TVG Rdnr. 33: Es gelte der Grundsatz, daß das öffentliche Arbeitsrecht auf jede Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland anwendbar sei, gleichgültig ob der Arbeitgeber Ausländer sei oder ein ausländisches Arbeitsrecht vertraglich vereinbart wurde. 644 Wiedemann!Stumpf § 5 TVG Rdnr. 71; ähnl. Gamillscheg, in: FS Hyung-Bae Kim, S. 35, 47 (keine räumliche Ausdehnung des Tarifvertrages); Reichold, Anm. zu BAG, Urt. v. 22.9.93 (10 AZR 207/92), SAE 95, 21, 21; auch Löwisch!Rieble § 5 TVG Rdnr. 26 (Die Allgemeinverbindlichkeit reicht so weit wie der Tarifvertrag.). 645 Vgl. MünchKomm!Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 21. 646 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) vom 26.2.1996, BGBI. 1996 I, S. 227.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Anlaß fiir diese Regelung war die Entsendung von Billigarbeitskräften aus dem Ausland. 647 Doch besteht wegen der rechtlichen Unselbständigkeit von Zweigniederlassungen kein nennenswerter Unterschied zwischen Arbeitskräften, die unter ausländischem Arbeitsvertragsstatut ins Inland gesandt werden, und Arbeitnehmern inländischer Zweigniederlassungen, die aufgrund einer Rechtswahl dem ausländischen Vertragsstatut unterw01fen worden sind; auch in letzterem Fall sind Konkurrenten und Arbeitnehmer vor Lohndumping zu schützen. Das AEntG wäre indessen überflüssig, wenn sich die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit ohnehin auf die genannten Arbeitsverträge des fremden Rechts bezöge.648 Folglich kann aus dieser Neuregelung der Schluß gezogen werden, daß, wenn ein örtlicher Tarifvertrag fiir allgemeinverbindlich erklärt wird, diese Erklärung ein Arbeitsverhältnis am Ort der Zweigniederlassung, das fremdem Recht unterfällt, nicht automatisch berührt. 649 Dieses Ergebnis erhöht die Attraktivität des deutschen Standortes insofern, als einer Rechtswahl eine weitreichende Bedeutung zukommt. Ist eine solche erfolgt, muß der ausländische Unternehmensträger nicht mit tarifvertragliehen Einschränkungen rechnen. Zwar mag dann eine Rechtlösstellung inländischer Arbeitnehmer zu befiirchten sein, doch kann der Gesetzgeber einer solchen Entwicklung - wie im genannten Beispiel - gegebenenfalls durch Spezialnormen Einhalt gebieten.

c) Mitbestimmung

Keine Regelung trifft das geschriebene deutsche internationale Privatrecht dagegen für die Frage, ob derartige Zweigniederlassungen zugleich den inländischen Bestimmungen über die Mitbestimmung unterworfen sind. 650 Wäh647 Eine zwingende Beschränkung auf Arbeitnehmer ausländischer Nationalität ergibt sich indessen schon aus dem Wortlaut der Norm nicht. 648 Daraufläuft die Auffassung von Däubler, DB 95, 726, 727, hinaus, der trotz dieser gesetzlichen Regelung die Allgemeinverbindlichkeit ohnehin auf Arbeitsverhältnisse ausländischen Rechts wirken lassen will. Er schlägt dazu eine gesetzgebensehe Erweiterung des § 5 TVG oder einen Rückgriff auf Art. 34 EGBGB vor (S. 728); ähnlich Kempen!Zachert § 5 TVG Rdnr. 33 (AEntG nur als spezielle Regelung zu Art. 30 II Nr. 1 EGBGB). 649 Gegen den zwingenden Charakter einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung BAG, Urt. v. 4.5.77 (4 AZR 10176) BAGE 29, 138, 149 = AP Nr. 30 zu § I TVG Tarifverträge: Bau (ordre public gebietet keine Anwendung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf ausländische Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen nach ausländischem Arbeitsstatut); Ring, BuW 94, 354, 356 (für aus dem Ausland entsandte Arbeitskräfte); skeptisch auch Heilmann, S. 138, da grundlegende Arbeitnehmerschutzvorschriften ohnehin schon in einzelgesetzlichen Regelungen verankert seien. 650 Es sei denn, man ordnet die unternehmefische Mitbestinunung dem zwingenden Recht i.S.d. Art. 34 EGBGB als Bestandteil des Rechts der Arbeitsverhältnisse zu; so die unten bb) aa) aufgefiihrte Auffassung.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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rend die Bedeutung der kollisionsrechtlichen Problematik im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung, die sich im wesentlichen auf die Bildung eines Betriebsrates (§§ 1, 9 bis 11 BetrVG) und dessen Mitwirkungsrechte bei Kündigungen von Arbeitnehmern(§§ 99 ff., insbes. § 102 BetrVG) erstreckt, die Struktur des ausländischen Gesamtunternehmens nicht berührt, sondern lediglich dessen wirtschaftliche Flexibilität betriffi.,651 greift die deutsche unternehmerische Mitbestimmung in die Grundlagen einer Gesellschaft ein, wenn durch die Einrichtung eines Aufsichtsrates mit Beteiligung der Arbeitnehmer (§§ 1, 6, 7 MitbestG, §§ 1, 5 MitbestErgG, §§ 1, 3, 4 MontanMitbestG, § 76 BetrVG 1952) letzteren ein wenigstens mittelbarer Einfluß auf die Geschäftspolitik eingeräumt wird. Dies gilt um so mehr dann, wenn ein derartiges Organ nach dem fiir die Hauptniederlassung maßgebenden Recht nicht zu bilden wäre, 652 so daß möglicherweise ein Aufsichtsrat des Gesamtunternehmens geschaffen werden müßte, in dem sich ftir die Arbeitnehmerseite nur Beschäftigte des Betriebes der Zweigniederlassung befänden. aa) Betriebliche Mitbestimmung Die durch das Betriebsverfassungsgesetz vermittelte betriebliche Mitbestimmung wird ganz überwiegend dem Recht am Ort der Betriebsstätte unterworfen. 653 Man führt zur Begründung an, es handele sich dabei um einen Teil des Arbeitsrechts. 654 Gegen diese Argumentation bestehen jedoch Bedenken. Unterwürfe man die betriebliche Mitbestimmung unselbständig dem Statut des Arbeitsverhältnisses, 655 könnte ihr Schutzzweck, die Arbeitnehmersicherung, über eine Rechtswahl möglicherweise umgangen werden. 656 Überzeugender erscheint es vielmehr, die betriebliche Mitbestimmung als Ausdruck eines (historisch gewachsenen) öffentlichen Interesses und demnach des ordre pu651 Wird es aufgrund der Mitwirkungsmöglichkeit des Betriebsrates z.B. erschwert, sich von inetT!zienten Arbeitnehmern zu trennen, hat dies höhere Personalkosten zur Folge, wenn zur Erhaltung des Niveaus Neueinsteilungen erfolgen müssen. 652 So etwa im einstufigen Verwaltungssystem des US-arnerikanischen Rechts (Board System), vgl. K6lnerKomm!Jvfertens Vorb. § 95 AktG Rdnr. 19. 653 MünchKomm/Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 75; Großfeld/Erlinghagen, JZ 93, 217, 217; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 180; Soergellv.Hoffmann Art. 30 EGBGB Rdnr. 23; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 459; Diehl, S. 11; Zimmer, S. 143; Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444, 474. 654 Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 180. 655 So aber noch Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 372/373; ders., S. 371, hält sogar Teilbetriebsräte für Arbeitnehmer einer bestimmten Nationalität für denkbar. 656 Zwar kann die Rechtswahl nicht einseitig herbeigeftl.hrt werden, doch wird sich ein Arbeitnehmer bei hoher Inlandsarbeitslosigkeit häufiger mit einer solchen einverstanden zeigen.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

blic einzustufen, 657 dem für das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ein zwingender Charakter zukommt. Auf diese Weise läßt sich über Art. 34 EGBGB auch bei einer abweichenden Rechtswahl die Anwendbarkeit der deutschen Normen begründen. 658 Da diese Form der Mitbestimmung sich ohnehin zunächst an die Organisationseinheit des Betriebes und nicht an einen Gesamtrechtsträger knüpft, 659 spielt bereits tatbestandlieh der ausländische Ursprung des Betriebsinhabers keine Rolle. Mithin beurteilt sich die betriebliche Mitbestimmung bei einer Zweigniederlassung nach dem Wirkungsstatut, also nach deutschem Recht. bb) Unternehmerische Mitbestimmung Nach wie vor sehr umstritten ist dagegen (unabhängig vom Statut der Arbeitsverhältnisse) die Anknüpfung der Unternehmerischen Mitbestimmung bei Zweigniederlassungen ausländischen Ursprungs in Deutschland. Die Auffassungen scheiden sich vor allem an der Frage, ob die Arbeitnehmervertretungen des deutschen Rechts Ausdruck des ordre public und folglich zwingender Natur fiir alle Gesellschaften, auch mit nur unselbständiger Betätigungsform im Inland, sind. (1) Wirkungsstatut/Zweignieder/assungsstatut

Deutsche Normen zur unternehmerischen Mitbestimmung könnten über Art. 34 EGBGB unmittelbar auch auf Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften anzuwenden sein, falls sie als zwingende Vorschriften einzuordnen wären. Wenn als zwingende Normen Regelungen angesehen werden, die dem unverzichtbaren Schutz eines Personenkreises dienen660, käme dies für die unternehmerische Mitbestimmung insoweit in Betracht, als sie das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsleitung, d.h. die klassische Diskrepanz von fremdbestimmter Arbeit und Kapital, durch-

657 Ähnlich ManchKomm!Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 75 (Sozialordnung gestaltendes Privatrecht) und Rdnr. 80. 658 Mit gleichem Ergebnis Soergel/v.Hoffmann Art. 30 EGBGB Rdnr. 23 (filr Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates). 659 Auch sog. Gesamtbetriebsräte i.S.d. § 47 BetrVG orientieren sich am Betriebsbegriff. Hiernach wäre ein Gesamtbetriebsrat nach deutschem Recht nur filr die in Deutschland belegenen Zweigniederlassungen zu bilden. Vgl. Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444, 474; ManchKomm!Martiny Art. 30 EGBGB Rdnr. 81. 660 Vgl. Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 515.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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bricht und folglich eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse innerhalb der Unternehmen bewirkt. 661 Gegen eine unmittelbare Anwendung der deutschen Mitbestimmungsregeln spricht zunächst die gesetzgebensehe Intention bei der Normierung des MitbestG, die eine Anwendung desselben auf Gesellschaften mit Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes beschränkte. 662 Überdies müßte sie zu uDüberwindbaren organisatorischen Schwierigkeiten fuhren, wenn das ausländische Recht das Organ eines Aufsichtsrates nicht kennt; 663 entweder wäre ein solcher nur unter Beteiligung der Arbeitnehmer der Zweigniederlassung zu bilden, wodurch die Kräfteverhältnisse im Unternehmen verzerrt würden, oder die deutsche Regelung erzwänge mit der Gründung der deutschen Zweigniederlassung auch die Vertretung der Arbeitnehmer im Ausland, ohne daß diese hiermit zuvor rechnen konnten. Vor allem ginge die Leitung des Gesamtunternehmens mit der Errichtung einer deutschen Zweigniederlassung größeren Umfangs das Risiko ein, einer zuvor nicht bekannten Kontrolle ihrer gesamten geschäftlichen Tätigkeit unterworfen zu werden. Somit fande ein unerlaubter Eingriff in die Unternehmensstruktur statt. 664 Dieser wäre auch fiir weitere Gläubiger der Gesellschaft überraschend. Da diese Gefahr den Vorteil der Auslandstätigkeit übersteigen könnte, sänke höchstwahrscheinlich die Motivation, Zweigniederlassungen mit einer hohen Zahl von Arbeitnehmern in Deutschland zu gründen. Ein nennenswerter positiver Effekt auf den deutschen Arbeitsmarkt wäre von dieser Investitionsform nicht mehr zu erwarten. Die direkte Heranziehung der deutschen unternehmerischen Mitbestimmung liefe also letztlich den Interessen der zu schützenden Klientel zuwider, da sie schon deren Entstehung, also die Beschäftigung einer großen Arbeitnehmerzahl bei einer Zweigniederlassung, hintertriebe. Somit überzeugt die direkte Anwendung der Mitbestimmungsnormen als zwingende Vorschriften i.S.d. Art. 34 EGBGB nicht. 665

661 Für eine EinordnWlg als zwingendes Recht, jedoch mit jeweils Wlterschiedlichen Rechtsfolgen: Großfeld!Erlinghagen, JZ 93, 217, 220; auch Grasmann, ZGR 73, 317, 334; Birk, RlW 75, 589, 590 (dennoch keine AnwendWlg auf Zweigniederlassungen, S. 595). 662 Bericht des Ausschusses fi1r Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zwn Entwurf des MitbestG, BT-Drucks. 7 I 4845, S. 4. 663 Zimmer, S. 1691161 (deutsche Normen sind rechtsformspezifisch). 664 Rehbinder, in: Beiträge, S. 122, 141; GK-MitbestG!Rumpff § 1 Rdnr. 26 (keine Gesetzgebungskompetenz der Bundesrepublik Deutschland); auch Birk, RlW 75, 589, 595. 665 Auch Palandt!Heldrich Art. 34 EGBGB Rdnr. 3 (S. 2300 a.E.); Hanau!Ulmer § 1 MitbG Rdnr. 33

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

(2) Umgründungspjlicht durch Analogie zu deutschen Vorschriften aus Gründen des ordre public Um den aufgezeigten Widersprüchen zwischen den deutschen Mitbestimmungsregeln und der Organisation der ausländischen Gesellschaft zu entgehen, wird vertreten, Zweigniederlassungen, deren Arbeitnehmerzahl die in den deutschen Vorschriften genannte Größe erreiche, seien in selbständige Tochtergesellschaften umzugründen. 666 Man stützt sich hierzu auf eine analoge Anwendung des Art. 34 EGBGB; das deutsche Mitbestimmungsrecht sei als Sozialordnungsrecht dem ordre public zuzurechnen. 667 Könne die ausländische Gesellschaft die Mitbestimmung nicht im Rahmen des ausländischen Rechts realisieren, müßten fiir große Zweigniederlassungen Tochtergesellschaften gegründet werden. 668 Zur Initialisierung der Umgründung sei das sog. Statusverfahren der §§ 98 u. 99 AktG analog anzuwenden, das zur Erzwingung der Errichtung eines Aufsichtsrates dient. 669 Als Kehrseite dieser Umgründungspflicht soll sich zugleich ein Verbot ergeben, eine mitbestimmungspflichtige deutsche Tochtergesellschaft in eine Zweigniederlassung umzugründen.670 Der o.g. Ausschußentwurf zum MitbestG widerspricht jedoch auch dieser Auffassung. Auf seiner Grundlage erscheint die Analogiebildung zu Art. 34 EGBGB fragwürdig. Weil sich der Gesetzgeber der für Zweigniederlassungen im Hinblick auf die Unternehmerische Mitbestimmung bestehenden Lücke bewußt war, kann diese nicht als unbeabsichtigt gelten. 671 Mithin wird aber auch der deutsche ordre public nicht berührt. Die Umgründung stellt ebenso wie die obige direkte Rechtsanwendung einen Eingriff in die Organisation des Gesamtunternehmens mit den geschilderten Gefahren dar, da die Zweigniederlassung nur einen rechtlich unselbständigen Teil desselben bildet. 672 Eine analoge Anwendung des Statusverfahrens des AktG scheitert einerseits kollisionsrechtlich daran, daß diesem ein zwingender Charakter i.S.d. Art. 34 EGBGB nicht zukommt, andererseits würde auf diese Weise eine unzulässige Rechtsfolgenanalogie betrieben, da §§ 98, 99 AktG nur die Einrichtung eines Aufsichtsrates des Gesamtunternehmens regeln. Schließlich läuft die Um666 Zuerst Beitzke DB 58, 224, 225; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 467; Großf eld/Erlinghagen, JZ 93, 217, 222. 667 Großfeld!Erlinghagen, JZ 93, 217, 222; auch Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 467 (Charakter einer Inhalts- Wld SchrankenbestimmWlg i.S.d. Art. 14 I 2 GG). 668 Beitzke, DB 58, 224, 225. 669 Großfeld!Erlinghagen, JZ 93,217,222. 670 Dies., S. 223; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 469 (AuflösWlgssperre). 671 So auch Zimmer, S. 161. 672 Vgl. Rehbinder, in: Beiträge, S. 122, 141; Schilling, RlW 54, 37, 37.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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gründungspflicht, die zwangsläufig mit einem Verbot, Zweigniederlassungen mit einer hohen Arbeitnehmerzahl zu errichten, einhergehen müßte, den Artt. 52 und 58 EG-Vertrag zuwider, da sie eine dort genannte Niederlassungsform u.U. völlig ausschließt673, und widerspricht dem Wortlaut der§§ 13 d ff. HGB, die eine Größenabstufung bei Zweigniederlassungen nicht kennen. 674 Demzufolge ist auch die mittelbare Anwendung der deutschen unternehmenseben Mitbestimmung im Wege einer Pflicht zur Umgründung von Zweigniederlassungen in deutsche Tochtergesellschaften abzulehnen.675 (3) Einsetzung eines Gesamtbevollmächtigten (analog§ 106 VAG)

Grasmann hat vorgeschlagen, zu einem der Anwendung der deutschen Mitbestimmungsregeln ähnlichen Ergebnis auf fremdenrechtlichem Weg durch die Bestellung eines Hauptbevollmächtigten fiir Deutschland zu gelangen, wenn der betreffende Betrieb im Inland über 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Lösung stützt er auf eine Analogie zu § 106 II VAG676 , verbunden mit dem zwingenden Charakter der deutschen Vorschriften über die unternehmensrechtliche Mitbestimmung. 677 Sie sei durch Gründe der Wettbewerbsgleichheit gerechtfertigt, da die deutschen Betriebe ausländischer Kapitalgesellschaften sonst einen Vorteil im Wettbewerb gegenüber deutschen Kapitalgesellschaften hätten. 678 Vermeidet dieser Vorschlag zwar, die grundlegende Unternehmensstruktur anzutasten, so erfolgt aber auf diese Weise wiederum ein Eingriff in die Unternehmensorganisation, da dem Hauptbevollmächtigten eine Stellung ähnlich einem Aufsichtsrat(steil) eingeräumt wird. Das Argument, die Wettbewerbsgleichheit verlange eine solche Lösung, läuft leer, wenn das Unternehmen ohne Gründung einer Zweigniederlassung auf dem deutschen Markt tätig wird und fiir inländische Projekte eine größere Arbeitnehmerzahl einstellt. Trotz unveränderter wettbewerblieber Situation wäre es dann keinen derartigen Beschränkungen unterworfen, da ein deutscher Betrieb nicht existierte. Die Gründung einer unselbständigen deutschen Zweigniederlassung mit Beschäf673 So wohl Grasmann, ZGR 73, 317, 330; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 468 hat in dieser Hinsicht keine Bedenken. 674 Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444,474. 675 Vischer, in: FS Mann, S. 639, 648/649; Soergei!Lüderitz Vor Art. 7 EGBGB Rdnr. 239; Grasmann, ZGR 73, 317, 330; Zimmer, S. 163; Birk, RIW 75, 589, 595; auch Schilling, RIW 54, 37, 37; KölnerKomm!Mertens Anh. § 117 B § 1 MitbestG Rdnr. 3. 676 Grasmann, ZGR 73, 317, 332. 677 Ders. , ZGR 73, 317,330. 678 Ders., ZGR 73,317,331.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

tigung einer größeren Arbeitnehmerzahl rechtfertigt bei gleichbleibender Wettbewerbssituation indessen keine "Bestrafung" durch Bestellung eines Inlandsbevollmächtigten. Die schon oben geäußerten wirtschaftspolitischen Bedenken gegen den Weg einer Ausweitung der Mitbestimmung auf ausländische Rechtsträger überwiegen auch hier letztlich den Vorteil einer Stärkung der Interessen der Arbeitnehmer. Diesem Ansatz kann demnach gleichfalls nicht gefolgt werden. (4) Aufsichtsrechtliche Anordnung durch Auflagen

Ein weiterer Vorschlag geht dahin, mitbestimmungsähnliche Strukturen mit Hilfe des deutschen Aufsichtsrechts einzuführen. So sollen entsprechende Auflagen über § 12 I 2 Gew0679 erteilt werden können. 680 Das Grundgesetz schreibe wenigstens ein Minimum an Unternehmensmitbestimmung vor; es handele sich demnach um einen Verfassungsbefeh1. 681 Methodisch dürfte hinter dieser Auffassung eine verfassungskonforme Auslegung bzw. Extension des Gewerbeaufsichtsrechts zu sehen sein. Für eine derartige Auflage stellt jedoch die Gewerbeordnung schon von ihrer Zielsetzung her keine geeignete Rechtsgrundlage dar. Gewerberecht ist besonderes Polizeirecht und hat daher die Funktion, Gefahren fiir die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Daß die fehlende unternehmefische Mitbestimmung der Arbeitnehmer einer Zweigniederlassung eine derartige Gefahr bildet, darf angesichts anderweitiger Mitwirkungsmöglichkeiten bezweifelt werden. Zudem wäre aus dem deutschen öffentlichen Recht keine Wirkung auf die innere Struktur eines Unternehmens im Ausland ableitbar. Angehörige fremder Nationalitäten können ihm im Inland, nicht jedoch im Ausland unterworfen werden. Deutsches öffentliches Recht kann daher gleichfalls die Einrichtung von Strukturen, die denen eines Aufsichtsrates gleichkommen, bei Unternehmen des Auslandes nicht durchsetzen. Aus der als Grundrecht ausgestalteten arbeitsrechtlichen Koalitionsfreiheit des Art. 9 III 1 GG läßt sich zwar ableiten, daß die Mitgliedschaft in derartigen Vereinigungen mit der reellen Möglichkeit verbunden sein muß, auf solche Weise Arbeitsbedingungen zu verbessern. Hierzu bedarf es aber nicht notwendiger-

679 Hinweis:§ 12 GewO ist zwischenzeitlich neugefaßt worden,§ 12 a GewO entfallen. Eine Möglichkeit zur Erteilung von Auflagen fmdet sich in der GewO nicht mehr, der Betrieb von Zweigniederlassungen unterfallt über § 14 GewO (i.d.R.) nur noch einer Anzeigepflicht. Als Rechtsgrundlagen filr die genannte aufsichtsrechtliche Lösung kämen dann allenfalls die Generalklauseln in den Polizeigesetzen der Länder in Betracht. Die Bedenken ändern sich dadurch nicht. 680 Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444, 475. 681 Ders., RabelsZ 39 (1975), 444, 475.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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weise einer unternehmerischen Mitbestimmung. Einen Grundstock schafft hier die in jedem Fall anwendbare Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene. Da ferner, wie dargelegt, die Arbeitsverhältnisse am Ort einer deutschen Zweigniederlassung zumeist dem deutschen Arbeitsvertragsstatut unterliegen, können sie z.B. von der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages erfaßt werden, die durch gewerkschaftlichen Antrag initiiert worden ist. Ein Leistungsanspruch auf Erlangung einer stets optimalen Rechtsposition des AIbeitnehmers gegen den Staat respektive den Gesetzgeber kann dem Grundgesetz dagegen nicht entnommen werden. Mithin befiehlt die Verfassung nicht die Ausweitung der deutschen unternehmerischen Mitbestimmung auf ausländische Gesellschaften. Demzufolge sind auch Nonnen des Sicherheitsrechts nicht über eine verfassungskonforme Auslegung zur Anordnung derartiger Strukturen geeignet. Auf mittelbarem Wege über das deutsche Aufsichtsrecht läßt sich daher die deutsche Unternehmerische Mitbestimmung ebenfalls nicht auf Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in Deutschland anwenden. (5) Persona/-/Gesellschaftsstatut

Da die zuvor aufgeführten Modelle die Bedeutung der deutschen unternehmerischen Mitbestimmung überdehnen, wird folgerichtig überwiegend das Personalstatut in diesem Bereich für maßgeblich erachtet. 682 Diese Auffassung entspreche auch sonstigem deutschem IPR.683 Eine Ausweitung auf die ausländische Gesellschaft scheitere an der territorialen Begrenzung der Gesetzgebungskompetenz des deutschen Gesetzgebers. 684 Weil die Frage der unternehmerischen Mitbestimmungaufgrund der rechtlichen Einheit zwischen Hauptund Zweigniederlassung die interne Organisation und damit einen Kernbereich der Gesellschaft berührt, muß grundsätzlich das Gesellschaftsstatut (als Parallele des "Persönlichkeitsrechts" der rechtsfahigen Gesellschaft zum Personalstatut der natürlichen Person) den Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Lösung bilden. Eine Abkehr hiervon bedarf somit eines besonderen Be682 Hanau/Ulmer § 1 MitbG Rdnr. 33; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 292; Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 514; Saame, S. !57; Kaligin, DB 85, 1449, 1454; Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 9; Soergel!Lüderitz Anh. Art. 10 EGBGB Rdnr. 43; Zimmer, S. 160 - 163; Esche/bach, MittRhNotK 93, 173, 180; Kropholler, § 55 II S. 495; Schilling, RIW 54, 37, 37. 683 Steindor:IJ, ZHR 141 (1977), 457, 460. 684 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 302 (ftlr ausländische Konzernmutter); ähnl. Rehbinder, in: Beiträge, S. 122, 141. Eine exterritoriale Rechtsanwendung hält Zimmer, S. 153, dagegen ftlr völkerrechtlich nicht ausgeschlossen, da sie nicht willkürlich erfolge; wer grenzüberschreitend tätig werde, habe sich den örtlichen Regeln anzupassen (S. 152). M.E. muß jedoch wie beim Personalstatut natürlicher Personen von einer umgekehrten Regel ausgegangen werden.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

gründungsaufwandes. Die zuvor genannten Auffassungen vermögen indessen nicht darzulegen, weshalb die Erstreckung der unternehmerischen Mitbestimmung auf die ausländische Gesellschaft, sei es unmittelbar, sei es durch Schaffung ähnlicher Strukturen oder im Wege des Aufsichtsrechts, aus deutscher Sicht notwendig sein sollte. Zwar stellt sie eine nun bereits klassische Mitwirkungsart der Arbeitnehmer dar; deren Interessen werden aber auch auf andere Weise geschützt. Zwingt man ausländische Gesellschaften bei Existenz einer deutschen Zweigniederlassung größeren Umfangs durch eine Umgründungs- oder Umstrukturierungspflicht zu einer Adaption an die deutschen Normen, steigt der mit dieser Auslandsinvestition verbundene Aufwand erheblich. Die Bereitschaft, unter diesen Umständen in Deutschland zu verbleiben, dürfte zwangsläufig sinken, so daß durch eine Gefährdung der Arbeitsplätze im deutschen Betrieb die scheinbare Motivation, Arbeitnehmerinteressen zu wahren, sogar kontraproduktive Wirkung entfaltet. Im Gegenzug gilt auch fiir deutsche Unternehmen, daß sie sich bei der Gründung von Zweigniederlassungen im Ausland nur ungern strukturellen Änderungen unterwerfen werden. Der Verbleib bei den Regelungen des Gesellschaftsstatuts ist somit auch unter diesem reziproken Aspekt zu bevorzugen. Mithin lassen sich grundsätzlich die deutschen Regeln über die unternehmensehe Mitbestimmung auf Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften nicht übertragen. (6) Umgehungsaspekt bei Grandung einer Auslandstochter

Eine Ausnahme könnte sich indessen unter dem Gesichtspunkt einer Gesetzesumgehung in Einzelfällen ergeben. Denkbar ist hierbei der Fall, daß ein deutsches Unternehmen eine Tochtergesellschaft in einem Staate errichtet, dem eine unternehmensehe Mitbestimmung fremd ist, worauf letztere wiederum in Deutschland eine Zweigniederlassung gründet. Nach dem oben erarbeiteten Ergebnis wären die Arbeitnehmer am Ort der Zweigniederlassung lediglich der ausländischen Konzerntochter zuzurechnen, so daß sie keine unternehmerischen Mitbestimmungsrechte besäßen. In bezug auf die Mitbestimmung bei der Tochtergesellschaft würde sich daran auch bei Annahme einer Rechtsumgehung nichts ändern, da durch diese Konstruktion eine solche auch nicht verhindert werden sollte. 685 Jedoch könnten die Arbeitnehmer der Zweigniederlassung möglicherweise an der Mitbestimmung der deutschen

685 Anders wohl Großfeld!Kötter, IPRax 83, 60, 62: Wenn schon die Auslandstochter gegründet wurde, um den deutschen Mitbestimmungsnonnen zu entgehen, sollen diese auch auf sie anzuwenden sein.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Konzernmuttergesellschaft teilnehmen und in diesem Zusammenhang für die deutschen Normen mitzuzählen sein. 686 Die Annahme einer Rechtsumgehung mit der Folge, das umgangene Recht anzuwenden, 687 setzt allerdings den Nachweis einer Umgehungsabsicht voraus.688 Dieser wird bei einer derartigen Vorgehensweise schwer zu führen sein, zuma1 auch mit der Zwischengründung der sonst nutzlosen Tochtergesellschaft immerhin Kosten verbunden sind, die durch die Umgehung u.U. nicht kompensiert werden. Überdies kann sich im europäischen Bereich die Tochtergesellschaft ebenfalls auf die Niederlassungsfreiheit der Artt. 52 und 58 EG-Vertrag berufen; auch unter diesem Gesichtspunkt sind an die Annahme einer Umgehung strenge Voraussetzungen zu knüpfen. 689 Ergebnisse, die letztlich denen der sog. Kontrolltheorie nahekommen, müssen vermieden werden, da sie die Staatszugehörigkeilen zweiereigenständiger Rechtssubjekte, Gesellschaft und Gesellschaftern, unzulässig vermischen. Unter demselben Blickwinkel läßt sich auch ein Sachverhalt konstruieren, bei dem eine deutsche Gesellschaft in eine Zweigniederlassung umgegründet wird. Errichtet ein deutsches Unternehmen eine Tochtergesellschaft im Ausland zu dem Zweck, eine andere Gesellschaft in Deutschland mehrheitlich zu erwerben und zu einer unselbständigen Zweigniederlassung jener Auslandstochter aufzulösen, könnten die Arbeitnehmer dieser Zweigniederlassung wiederum der unternehmefischen Mitbestimmung für die deutsche Muttergesellschaft zufallen. Eine Auflösungssperre, die schon an obiger Stelle abgelehnt wurde, hätte diese Konstellation indessen ebenfalls nicht zur Folge. Die Nachweisschwierigkeiten laufen überdies zum ersten Fall parallel. In der Praxis wird demnach auch über die Figur einer Gesetzesumgehung die deutsche unternehmensehe Mitbestimmung auf inländische Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften nur in seltenen Fällen anwendbar sein. cc) Ergebnis Die Forderung nach einer umfassenden Anwendung des Personalstatuts läßt sich somit für den Bereich der Mitbestimmung bei Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger nur zum Teil durchsetzen. So ist die betriebliche Mitbestimmung als Ausdruck einer Grundausstattung arbeitnehmenscher

So Ebenroth/Sura, ZHR 144 (1980), 610, 619. § 23 ll S. 1451146 (teleologische RechtsanwendWlg der wngangenen Norm). 688 Vgl. die Tatbestandsvoraussetzungen bei Kegel,§ 14 ll S. 350. 689 Ähnl. bei allgemeinerer FragestellWlg Müller-Graf!, WuB ll N. § 13 HGB 1.87 S. 477/478. 686

687 Kropholler,

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Rechte stets dem Recht am Ort der Zweigniederlassung, also den entsprechenden Normen des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes, unterworfen und wird auch von der Wahl ausländischen Rechts für das Arbeitsverhältnis nicht beeinträchtigt. Insoweit wird man auch davon ausgehen können, daß das Grundgesetz durch Art. 9 III 1 GG eine "Mindestausstattung" an Mitbestimmung für inländische Arbeitnehmer verlangt. Die weiterreichende unternehmensehe Mitbestimmung bedarf dann auf kollisionsrechtlicher Ebene keines Schutzes durch deutsches Verfassungsrecht mehr. Nur im Falle einer Rechtlosstellung der Arbeitnehmer wären deren Interessen als fiir das Kollisionsrecht ausschlaggebend zu bewerten. 690 Hierzu kommt es selbst bei der Übernahme einer Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmens durch eine ausländische Gesellschaft nicht, da die betriebliche Mitbestimmung bestehen bleibt. Infolgedessen wird auch der deutsche ordre public nicht beruhrt, wenn eine unternehmensehe Mitbestimmung bei einer Zweigniederlassung nicht erfolgt. Dann aber geben die Interessen der ausländischen Gesellschaft an einer Unversehrtheit ihrer Organisationsstruktur und mittelbar wiederum des Inlands an der Schaffung von Arbeitsplätzen durch ausländische Investoren den Ausschlag mit der Folge, die unternehmensehe Mitbestimmung ausschließlich nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Daß auf diese Weise ein Zweiklassensystem der Mitbestimmung bei inländischen Arbeitnehmern entsteht, auch wenn die Arbeitsverhältnisse an Zweigniederlassungen sich überwiegend nach deutschem Vertragsstatut richten, muß angesichts immenser Arbeitslosenzahlen im Interesse der Standortsicherung hingenommen werden. Man beeinträchtigt auch die Rechtssicherheit durch eine getrennte Anknüpfung der beiden Mitbestimmungsformen nicht, da sie schon materiell wegen ihrer unterschiedlichen Ausrichtung einer Vermengung nicht zugänglich sind, so daß berechtigte Verkehrserwartungen nicht tangiert werden.

13. Deliktische Haftung Dem Ansatz nach kein spezifisches Problem der Zweigniederlassung ist die Frage nach der Anknüpfung der deliktischen Haftung des Gesamtunternehmens. Da die ausländische Gesellschaft bzw. der Einzelunternehmer jedoch mit der Zweigniederlassung eine Betätigungsform in Deutschland von gewisser Dauer gewählt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß im Rahmen ihres Betriebes auch Handlungen oder Unterlassungen deliktischen Charakters zu Tage treten, die sich nicht im Rahmen einer vertraglichen oder vorvertragli690 Zu den für das Kollisionsrecht bedeutsamen Interessen vgl. Rehbinder, in: Beiträge, S. 122, 123.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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eben Beziehung bewegen, so daß eine Lösung über die Institute der positiven Vertragsverletzung oder der culpa in contrahendo nicht möglich ist. Zunächst stellt sich bei einem solchen Vorkommnis die Grundfrage nach dem anzuwendenden Deliktsrecht Fällt die Antwort zugunsten des deutschen Rechts am Ort der Zweigniederlassung aus, ist des weiteren zu prüfen, inwieweit deutsche Rechtsfiguren, wie die Zurechnung eines Organverschuldens, eines Organisationsverschuldens und eines Organisationsmangels, ebenfalls zur Anwendung kommen. Dies setzt die Bestimmung der Organeigenschaft voraus. Hat in der Zweigniederlassung dagegen eine Person gehandelt, die nicht als Organ einzustufen ist, haftet der Unternehmensträger nach deutschem Deliktsrecht allenfalls, wenn sie die Qualität eines Verrichtungsgehilfen aufweist. Schließlich soll auf die Haftung wegen Verletzung besonderer Schutznormen eingegangen werden. Von Bedeutung sind dabei für§ 823 II BGB auch Normen des deutschen Gesellschaftsrechts. Fraglich ist dann, ob für das Deliktsrecht insoweit eine unselbständige Anknüpfung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften an das Deliktsstatut erfolgen kann.

a) Anknüpfung des Deliktsrechts Wie schon bei vorherigen kollisionsrechtlichen Problemkreisen kommen auch im deliktischen Bereich grundsätzlich unselbständige und selbständige Anknüpfungen in Betracht, da eine direkte Regelung im EGBGB nicht getroffen wurde; es findet sich lediglich eine Beschränkung für deliktische Ansprüche gegen Deutsche für im Ausland begangene Handlungen in Art. 38 EGBGB. 691 aa) Personalstatut Wird zwar die Anwendung des Personalstatuts in der Literatur - soweit ersichtlich - nicht vertreten, so ist sie doch aufgrund des als obige Leitlinie aufgestellten Postulates hier anzuprüfen. Für eine Anknüpfung an das Recht der Hauptniederlassung könnte wiederum die Vorhersehbarkeit und Vertrautheit des Heimatrechts aus der Sicht des ausländischen Unternehmensträgers sprechen. Doch war diese Vorgehensweise insbesondere dadurch gerechtfertigt 691 Umstritten ist, ob Art. 38 EGBGB gegen Art. 6 bzw. 7 EG-Vertrag verstößt. So Brödermann, MDR 92, 89, 91 (Diskriminierung ausländischer Schädiger); Palandt!Heldrich Art. 38 EGBGB Rdnr. 28 (Verstoß gegen Art. 6 EG-Vertrag); differenzierend Soergel/Lüderitz Art. 38 EGBGB Rdnr. 105 (Verstoß gegen Art. 7 I EGVertrag bezüglich Delikten im gewerblichen oder beruflichen Bereich, da sonst Wettbewerbsverzerrung im Ausland; in bezug auf den Privatbereich dagegen zulässiger Ausdruck des deutschen ordre public ); grundsätzlich ablehnend, aber im wesentlichen offen gelassen durch OLG Hamburg, Urt. v. 8.12.94 (3 U 64/94), NJW 95, 790. 793.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

worden, daß ein inländischer Kontrahent bei Erkennbarkeit des Auslandsbezuges die anwendbare Rechtsordnung feststellen könne. Gerade im Deliktsrecht muß das Erkennbarkeitsmodell aber im wesentlichen versagen. Dem inländischen Verletzten fehlt hier i.d.R. die Möglichkeit einer gewillkürten Einflußnahme; er wird grundsätzlich von dem deliktischen Geschehen unerwartet betroffen. Da die deliktisch relevante Handlung keineswegs im Rahmen einer vertraglichen Beziehung erfolgen muß, steht somit nicht der Weg offen, sich vor Entstehung des Schuldverhältnisses nach der anwendbaren Rechtsordnung zu erkundigen und ggf. von rechtsgeschäftlichem Kontakt abzusehen. 692 Demzufolge greift auch der Hinweis auf die Eigenverantwortlichkeit des Betroffenen nicht. Somit läßt sich eine einheitliche Anwendung des Personalstatuts auf Delikte, die im Zusammenhang mit einer Zweigniederlassung begangen werden, gegenüber den inländischen Geschädigten nicht rechtfertigen.693 bb) Differenzierte Anknüpfung nach Kontext der Rechtsverletzung Denkbar wäre ferner, das anzuwendende Deliktsrecht differenzierend nach dem Zusammenhang zu ermitteln, in dem die deliktische Rechtsverletzung erfolgt. So wird vertreten, diejenigen deliktischen Handlungen, die in den tatsächlichen Rahmen einer rechtsgeschäftliehen Beziehung fallen, unselbständig dem Vertragsstatut zu unterwerfen (sog. vertragsakzessorische Anknüpfung).694 Dies hätte zur Folge, daß von einer vertraglichen Rechtswahl zugleich auch wesentliche Teile des Deliktsrechts erfaßt würden. Zugunsten einer Parallelanknüpfung zum Vertragsrecht läßt sich anfUhren, daß gerade in Fällen positiver Forderungsverletzungen vertragliche und deliktische Verletzungshandlung tatsächlich zusammenfallen, so daß auch eine kollisionsrechtliche Gleichbehandlung von Nutzen wäre.695 Andererseits wird auf diese Weise die unterschiedliche Struktur vertraglicher und deliktischer Haftung außer Acht gelassen. Erstere basiert in erster Linie auf dem Äquivalenzinteresse (das freilich auch einen Schutz der Integrität des Kontrahenten nach sich zieht), mithin einem Vermögensschutz, letztere schützt allein Integritätsinteressen,696 d.h. bestimmte wertvolle Rechtsgüter. Daß zum Zeitpunkt 692 Denkbar wäre eine solche Argwnentation lediglich filr Konstellationen, in denen das Delikt in den Zusammenhang eines über die ZweigniederlassWlg abgeschlossenen

oder in AnbahnWlg befmdlichen Vertrages fällt. 693 Ausdrücklich ablehnend auch Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 294. 694 Firsching, in: FS Zajtay, S. I43, I47; Mansel, ZVglRWiss 86 (I987), I, I5; Palandt!Heldrich Art. 38 EGBGB Rdnr. I2 695 SoMansel, ZVglRWiss 86 (I987), I, 9. 696 Vgl. v.Bar, IPR Band 2, S. 405 Rdnr. 556.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

209

einer deliktisch relevanten Rechtsgutverletzung auch eine vertragliche Beziehung existiert, ist aus materiell-rechtlichem Blickwinkel lediglich zufälliger Natur; die Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter bleibt gleich. Dieser grundlegende Unterschied darf m.E. nicht im Wege des Kollisionsrechts wieder verwischt werden. Überdies ist der tatsächliche Zusammenhang zwischen der deliktischen Rechtsgutverletzung und einem Schuldverhältnis in Einzelfällen schwer festzustellen: So wird nicht leicht zu ennitteln sein, ob die deliktische Handlung bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch in den zeitlichen Rahmen der Geschäftsbesorgung fiel. Die Akzessorietät zum Vertragsstatut liefe in solchen Fällen der Rechtssicherheit zuwider. Eine solche Differenzierung wäre auch unter Gesichtspunkten der Erkennbarkeil nicht zwingend, da der inländische Kontrahent zwar mit der Anwendung fremden Rechts rechnen kann, das für den Bereich des Vertrages von Bedeutung ist; doch muß er nicht davon ausgehen, daß er mit dem Kontrakt zugleich ein Risiko eines (möglicherweise) geringeren Schutzes seiner absoluten Rechte eingeht. Die akzessorische (Teil-) Anhindung an das Vertragsstatut ist folglich abzulehnen.697 cc) Tatort Mehrheitlich wird als Folge dieser Selbständigkeit das Deliktsrecht einem eigenständigen Statut unterworfen und auf das Recht des sog. Tatortes (Iex loci delicti commissi) abgestellt. 698 Man bedient sich hierzu eines Rückschlusses aus Art. 38 EGBGB. 699 Zwar beinhaltet diese Norm keine direkte Kollisionsregel für das Deliktsrecht, doch läßt sich aus der in ihr vorgeschriebenen Begrenzung der Haftung eines Deutschen für Delikte im Ausland entnehmen, daß der Gesetzgeber für jene Konstellation grundsätzlich von der Maßgeblichkeit des ausländischen Deliktsrechts ausging. Bei Delikten am Ort einer deutschen Zweigniederlassung käme somit grundsätzlich das deutsche Recht der unerlaubten Handlungen zur Anwendung. 700 Unklar bleibt aber, da sich deliktische Tatbestände sowohl durch eine Verletzungshandlung als auch einen

697 hn Erg. ebenso v.Bar, IPR Band 2, S. 408 Rdnr. 561; auch BGH, Urt. v. 28.2.96 (XII ZR 181/93), NJW 96, 1411, 1414 (in bezugauf Verlöbnisse). 698 Schon RG, Urt. v. 30.5.19 (VII 33119), RGZ 96, 98; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 287; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 295; Kegel,§ 18 IV 1 S. 533; Hüßtege, S. 97; Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 113; Kaligin, DB 85, 1449, 1452/1453; gnmdsätzlich auchPalandt!Heldrich Art. 38 EGBGB Rdnr. 2. 699 Hüßtege, S. 97. 700 So generell Schlosser, S. 103, der indessen offenbar hier ein reines Wirkungsstatut für Zweigniederlassungen vertritt und nicht mit dem Begriff des Deliktsstatuts operiert. 14 Rinne

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Verletzungserfolg kennzeichnen, an welchem dieser Merkmale sich der Begriff des Tatorts zu orientieren hat. (1) Handlungsort

Ein Abstellen auf den Handlungsort ist in denjenigen Fällen leicht handhabbar, in denen sich eine Handlung bestimmen läßt, die vom Schädiger ausgeht oder diesem zumindest zuzurechnen ist. Dieser Bezugspunkt fiihrt indessen zu Problemen, wenn nur an einem Unterlassen angesetzt werden kann. Gerade im Zusammenhang mit einer deutschen Zweigniederlassung kann es bei einem Unterlassen höchst zweifelhaft sein, ob ein solches einem am Ort derselben Tätigen oder dem ausländischen Unternehmensträger (in Form eines Organisationsmangels) anzulasten ist. Diese Rechtsunsicherheit erscheint aber angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Schadensersatzes701 nicht tragbar. Ferner widerspricht es den Interessen des inländischen Geschädigten, der die Organisation des Unternehmens nicht übersehen und nur den Erfolgsort bestimmen kann, ihn mit dem - aus seiner Sicht zufalligen - Handlungsort zu konfrontieren. Das Recht des Handlungsortes heranzuziehen, überzeugt demnach jedenfalls fiir Delikte, die einen Zusammenhang zu einer Zweigniederlassung aufweisen, nicht. (2) Erfolgsort

Diese Schwierigkeiten vermeidet jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang eine Anknüpfung an den Ort, an dem die Verletzung des geschützten Rechtsguts eintritt (sog. Erfolgsort). Dies kann zwar fiir den Schädiger erneut eine gewisse Rechtsunsicherheit bergen, als dieser Ort bei Verletzung immaterieller Rechte variieren kann,702 doch ist die praktische Relevanz hier eher gering einzuschätzen. Das ausländische Unternehmen hat mit der Errichtung der Zweigniederlassung einen festen (potentiellen) Risikobereich gesetzt.703 Werden absolute Rechte von Inländern dort verletzt, ist das anwendbare Recht auch fiir den Unternehmensträger ausreichend vorhersehbar. 704 Demzufolge ist

Man denke an die sog. pwtitive damages nach US-amerikanischem Recht. Vgl. v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 664. 703 Da der Rechtsgüterschutz des Deliktsrechts bereits eine vom Gesellschaftsstatut abweichende kollisionsrechtliche Anknüpfung erfordert, widerspricht dieser Ansatz auch nicht der zuvor betonten Rechtseinheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassung. 704 Ähnlich Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 117: "Der Geschädigte kann auf Ersatz immer nur in dem Maße vertrauen, wie seine Rechtsgüter an dem Ort geschützt werden, wo sie sich befmden." 701

702

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

211

die Konzentration auf den Ort der Rechtsgutverletzung gegenüber dem Handlungsort vorzugswürdig. 705

(3) Günstigkeil Häufig werden die genannten Modelle schließlich auch kombiniert, so daß sich der Geschädigte alternativ auf die Rechtsordnung des Handlungs- oder des Erfolgsortes berufen kann bzw. bei fehlender Wahl das günstigere Recht angewendet wird. 706 Bei Beteiligung einer juristischen Person bzw. (teil-) rechtsfahigen Gesellschaft auf der Seite des Schädigers bewertet man indessen m.E. auf diese Weise das Interesse des Geschädigten über. Wird eine Person im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Zweigniederlassung in Deutschland verletzt, kommt in jedem Fall eine Inanspruchnahme des unmittelbaren Schädigers in Betracht. Dies kann, sofern die Verletzung durch eine Handlung eingetreten ist, der konkret Handelnde, bei einem Unterlassen der Unterlassende (wenn dieser nicht feststellbar ist, über die Figur eines Organisationsmangels die Gesellschaft als solche) sein. Das Risiko, daß der unmittelbare Schädiger insolvent ist, trifft den Geschädigten nach jeder Rechtsordnung. Daneben noch auf einen weiteren Rechtsträger im Wege einer bloßen rechtlichen Zurechnung Zugriff nehmen zu können, stellt sich dagegen gleichsam als "Geschenk" dar, das nicht erwartet werden kann. Ein schutzwürdiges Bedürfnis des Geschädigten zur Anwendung des günstigeren Rechts, das eine solche Zurechnung gewährt, dürfte demnach zu verneinen sein. Dann jedoch ist wiederum das Interesse einer Gesellschaft beachtlich, ihr Risiko, sich die unerlaubte Handlung eines Organes zurechnen lassen zu müssen, einschätzen zu können und nicht alternativ mit mehreren Rechtsordnungen konfrontiert zu werden. Unter Abwägung der Interessen der Beteiligten und dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sollte es daher zumindest bei deliktischen Ansprüchen gegen Gesellschaften lediglich bei einer Anknüpfung an den Erfolgsort bleiben. 707

705 Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 113; Kaligin, DB 85, 1449, 145211453; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 294. 706 BGH, Urt. v. 17.3.81 (VI ZR 286178), NJW 81, 1606, 1606 r.Sp.; Palandt!Heldrich Art. 38 Rdnr. 3; Firschinglv.Hoffmann, IPR, S. 400; Schlosshauer-Selbach, Rdnr. 325; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 667; abschwächend Kegel, S. 536/537 (keine Wahlmöglichkeit); BGH, Urt. v. 28.2.89 (XI ZR 70/88), ZIP 89, 830, 832 li.Sp. 707 Zumindest skeptisch auch v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 668.

14•

212

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

dd) Zwischenergebnis Sieht man von dem unwahrscheinlichen Fall der Wirkung einer Rechtsgutverletzung in einem Drittland ab, ist somit Deliktsstatut einer unerlaubten Handlung im Rahmen einer Zweigniederlassung in Deutschland das deutsche Recht.

b) Haftungfür Dritte: Organe und Verrichtungsgehilfen Ist das deutsche Recht als Deliktsstatut anzuwenden, so kommt neben der deliktischen Haftung derjenigen Person, die unmittelbar gehandelt hat, eine Inanspruchnahme der ausländischen Gesellschaft in Betracht. Möglich ist dies zum einen in Form der Zurechnung eines Organdeliktes (§ 823 I BGB i.V.m. § 31 BGB analog) sowie der Haftung für rechtswidriges deliktisches Verhalten eines Verrichtungsgehilfen (§ 831 I 1 BGB). aa) Kollisionsrecht der Begriffsbestimmung Kollisionsrechtlich stellt sich bei der Subsumtion eines Tatbestandes unter eine dieser Normen sogleich die Frage, nach welcher Rechtsordnung die Eigenschaft des Handelnden als Organ bzw. Verrichtungsgehilfe zu qualifizieren ist. Ist diese Charakterisierung als Vorfrage einzustufen, gibt die Definition des Heimatrechts den Ausschlag, handelt es sich aber um eine unselbständige Teilfrage, unterfällt sie gleichfalls dem Deliktsstatut Wären diese Merkmale unter Anwendung des Personalstatuts zu definieren, käme dies zwar - sofern das Personalstatut die Begriffe eng auslegt - dem Interesse der ausländischen Gesellschaft an einem geringen Haftungsrisiko entgegen; doch kann im deliktischen Bereich keine Interessengewichtung erfolgen, die mit derjenigen des rechtsgeschäftliehen Kontextes identisch ist. Da sich das Delikt für den Geschädigten im Regelfall als nicht vorhersehbares und nicht beeinflußbares Ereignis darstellt, darf er darauf vertrauen, daß das einmal anwendbare Deliktsstatut durchgehend greift und nicht durch ein zuvor nicht erkennbares Gesellschaftsstatut durchbrochen wird. Überdies zeigt sich auch im deutschen Deliktsrecht, daß der Organbegriff des § 31 BGB sich mit demjenigen des Gesellschaftsrechts nicht notwendig deckt. 708 Folgt das Deliktsrecht mithin eigenen Zielen, läßt sich diese Wertung auch auf die Ebene des Kollisionsrechts übertragen. Die Bestimmung der Eigenschaft als Verrieb-

708

Vgl. Soergel!Hadding § 31 BGB Rdnr. 10 u. Rdnr. 18.

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

213

tungsgehilfe oder Organ als Tatbestandsvoraussetzung deliktischer Anspruche unterliegt demnach unselbständig dem Deliktsstatut 709 bb) Eigenschaft des Leiters der Zweigniederlassung Ein Begriffsmerkmal einer Zweigniederlassung war die Befugnis ihres Leiters zu selbständigem Handeln in nicht ganz unwesentlichen Angelegenheiten, die nach außen einer Handlungsvollmacht gleichkommt. 710 Es entspricht somit dem Organbegriff des deutschen Deliktsrechts, der einen zur eigenverantwortlichen Erfullung zugewiesenen Tätigkeitsbereich erfordert. 711 Folglich ist der Leiter der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens, auch wenn er keinem Gremium der Gesellschaft angehört, bei deutschem Deliktsstatut als Organ einzustufen. 712 Demjenigen, der durch eine deliktische Tätigkeit dieses Leiters im Rahmen von dessen unternehmerischem Aufgabenkreis eine Rechtsgutverletzung sowie einen Schaden erleidet, bringt dies den Vorteil eines Anspruches über § 823 I BGB i.V.m. § 31 BGB analog, ohne daß sich das Unternehmen exculpieren kann. 713 cc) Haftung fur Organe und ultra-vires-Lehre Erfullt der Leiter einer Zweigniederlassung in Deutschland den Tatbestand einer unerlaubten Handlung, so könnte sich die ausländische Gesellschaft möglicherweise gegen ihre Inanspruchnahme nach §§ 823 I, 31 BGB mit dem Hinweis zur Wehr setzen, schon die Tätigkeit habe gegen den Unternehmenszweck verstoßen, sei also "ultra vires". Indessen kann die Berufung auf Beschränkungen der Rechtsfähigkeit nur fur Bereiche greifen, die dem Personalstatut unterliegen. Dies ist bei der deliktischen Haftung nicht der Fall. Kollisionsrechtlich spielt demnach wie in gesellschaftsrechtlichen Fragen auch fur Delikte die ultra-vires-Lehre keine unmittelbare Rolle. 714 Die ausländische

709 H.M., vgl. MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 288; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 296; Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 118 u. 120; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 712; Kropholler, §53 IV S. 460; Koppensteiner, S. 144; Kaligin, DB 85, 1449, 1453. 7 10 Siehe die Begriffsbestinunung im ersten Kapitel I 6. 711 BGH, Urt. v. 30.10.67 (Vll ZR 82/65), BGHZ 49, 19,21 (filr den Filialleiter einer Auskunftei). 712 Knieper!Jahnnarkt, Rdnr. 165 S. 119; Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 120. 713 Knieper/Jahnnarkt, Rdnr. 166 S. 119 wollen, wenn der Leitungsperson die Organeigenschaft fehlt, § 31 BGB ggf. über die Figur des Organisationsmangels anwenden. 714 Beitzke, in: FS Mann, S. 107, 120.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

Gesellschaft kann sich also nicht darauf berufen, Delikte der Organe lägen generell außerhalb der gesellschaftlichen Rechtsfähigkeit. Denkbar ist jedoch, daß der ultra-vires-Einwand tatbestandlieh bedeutsam wird, wenn deutsches Deliktsrecht zur Anwendung kommt. § 31 BGB erfordert als Voraussetzung der Haftungszurechnung eines Organs, daß dessen deliktische Handlung "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen worden ist. Der Aufgabenkreis des Organs wird durch die Gesellschaft intern festgelegt, ist also Bestandteil des Personalstatuts. Dient der genannte Gesetzeswortlaut grundsätzlich nur zur Ausgrenzung von Tätigkeiten, die nur "bei Gelegenheit" der Erfiillung betrieblicher Aufgaben erfolgt sind, 715 so läßt diese Formulierung doch Raum zu einer Ausgestaltung des Aufgabenfeldes durch die Gesellschaft auch mit Wirkung fiir die Haftung. M.E. kann daher die Bestimmung der "ihm zustehenden Verrichtungen" insoweit als Vorfrage aufgefaßt werden, als der satzungsmäßige Zweck der Gesellschaft diese Verrichtungen festlegt und daher nur eine Haftungszurechnung an die Gesellschaft fiir solche Delikte erfolgen kann, die bei der Erfiillung dieser Aufgaben begangen wurden. Zu diesem Ergebnis scheint man zwar schon nach deutschem Recht zu gelangen, doch sind Einschränkungen der Organschaftlichen Befugnisse durch die Satzung hier nur begrenzt möglich; die Auswirkungen ausländischer ultra-vires-Einschränkungen können folglich gravierender sein. Diese Auslegung des Kreises der Verrichtungen als Vorfrage der analogen Anwendung des § 31 BGB fuhrt zwar dazu, daß der Geschädigte trotz deutschen Deliktsstatuts schlechter stehen kann, als wenn seine Verletzung durch den Leiter der Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmens erfolgt wäre. Da er aber durch die Haftungserweiterung zulasten des Unternehmens ohnehin zuf'ällig, d.h. unerwartet, begünstigt wird, indem ihm auf diese Weise ein i.d.R. finanzkräftigerer Schuldner zur Verfügung steht, bleibt diese Einschränkung mit Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft zumutbar. Rechnen kann ein deliktisch Geschädigter auch nach deutschem Recht grundsätzlich nur mit einem Anspruchsgegner; das Risiko von dessen Insolvenz muß in Kauf genommen werden. c) Weitere Bestandteile Kommt deutsches Deliktsrecht zur Anwendung, so erfaßt es auch die Bestimmung der Deliktsfähigkeit, 716 die Frage eines Organisationsverschuldeos § 31 BGB Rdnr. 40. Kegel, IPR, § 18 IV 2 S. 552; Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 294; MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 287; anders Grasmann, System, Rdnr. 894 u. 895, der auch hier das fiir den Verletzten günstigere Recht anwenden will. 715 Staudinger/Weick 716

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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und die Zurechnung eines Organisationsmangels. Auch die inländischen deliktischen Grundsätze über die Produzentenhaftung sind anwendbar. Diese Problemkreise unselbständig einzuordnen, rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß sie keine personellen Haftungserweiterungen, sondern Fragen der Inanspruchnahme eines Schädigers darstellen. Der inländische Geschädigte liefe ansonsten Gefahr, schutzlos gestellt zu werden. d) Haftung wegen Verletzung von Schutznormen Das deutsche Deliktsrecht kennt mit § 823 II BGB auch eine Haftung bei Verletzung eines Schutzgesetzes. Stehen hierbei strafrechtliche Normen- wie Diebstahl oder Betrug - zur Debatte, ist eine Anwendung des deutschen Rechts hierauf ohnehin zumindest über § 7 StGB möglich, selbst wenn die eigentliche (Betrugs-) Handlung im Ausland begangen wird. Fraglich bleibt allerdings, ob über § 823 II BGB auch Normen des deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts zu beachten sind, die drittschützenden Charakter besitzen. Zu denken ist dabei etwa an § 37 II 2 HGB, § 64 I GmbHG717 oder § 92 II AktG. Soweit diese Schutznormen indessen auf dem Innenverhältnis einer Gesellschaft basieren, würde ihre Anwendung über § 823 II BGB letztlich das Primat des Personalstatuts unterlaufen, als die Gesellschaft mit Rücksicht auf ein solches Haftungsrisiko nun doch gezwungen wäre, ihre Organisation deutschen Maßstäben anzunähern. §§ 64 I GmbHG und 92 AktG stellen daher keine Schutznormen dar. Anders ist dies dagegen bei § 37 II 2 HGB; soweit Grundsätze des deutschen Firmenrechts auch bei ausländischen Zweigniederlassungen zu beachten sind,718 schützt diese Vorschrift auch inländische Firmenträger gegen Verletzungen. Auch hier basiert das Ergebnis aber nicht auf einer etwaigen kollisionsrechtlichen Aussage in § 823 II BGB, sondern auf einer separaten Ermittlung der Schutzrichtung und des Geltungsbereichs der potentiellen Schutznorm. Die Frage, ob es sich bei einer Norm um ein Schutzgesetz handelt, stellt folglich eine selbständige Vorfrage des § 823 II BGB dar. Erst wenn die betreffende Norm auch auf den ausländischen Unternehmensträger anzuwenden ist, kann sie für § 823 II BGB herangezogen werden. Daraus folgt zugleich, daß gegebenenfalls auch Vorschriften der Rechtsordnung des Gesellschaftssta-

717 Diese Nonn begründet nach neuerer Rechtsprechung des BGH, Urt. v. 17.5. 94 (XI ZR 144/93), ZIP 94, 1103, 1107, über§ 823 II BGB wunittelbare Schadensersatzansprüche aller sog. Neugläubiger gegen die Geschäftsf:Uhrer der GmbH. 718 Näheres zu den frrmenrechtlichen Sonderanknüpfungen im dritten Kapitel VII 8 b) bb).

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

tuts eine Schutzwirkung zukommen kann, die deutsches Deliktsrecht anwendbar macht. 719

e) Ergebnis Die deliktische Haftung für unerlaubte Handlungen, die im Rahmen einer Zweigniederlassung in Deutschland begangen worden sind, ist selbständig anzuknüpfen. Hierbei stellt das deutsche Recht das Deliktsstatut, sofern der Erfolg der Rechtsgutverletzung in Deutschland eintritt. Die alternative Anwendung des Rechts des Erfolgs- und des Handlungsortes ist ebenso wie eine Wahl des dabei günstigeren Rechts abzulehnen. Das Deliktsstatut erfaßt auch die Bestimmung der Deliktsfähigkeit, eines eventuellen Organisationsverschuldens sowie die Haftung für Organe oder Verrichtungsgehilfen. Kommt deutsches Recht zur Anwendung, ist der Leiter der Zweigniederlassung als Organ i.S.d. § 31 BGB (analog) einzuordnen. Beschränkungen der Rechtsfahigkeit der ausländischen Gesellschaft haben allenfalls im Rahmen des Tatbestandes des § 31 BGB Bedeutung. Ob eine Norm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB darstellt, ist dagegen selbständig zu ermitteln. 14. Fragen dinglicher Rechte an beweglichen Sachen bei grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften unter Beteiligung einer Zweigniederlassung Schuldrechtliche Verträge, zu deren Erfüllung dingliche Rechtsgeschäfte in grenzüberschreitender Weise geschlossen werden, sind nicht an eine bestimmte unternelunerische Handlungsform gekoppelt. Gerade wenn ein ausländisches Unternelunen sich über eine Zweigniederlassung in Deutschland betätigt, besteht aber aufgrund der rechtlichen und - im wesentlichen - auch organisatorischen Einheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassung eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, daß zur Vertragserfüllung bestimmte Gegenstände aus einem Lager des Unternelunens im Ausland herbeigeschaffi: oder in umgekehrter Weise in das Ausland verbracht werden.720 Da Forderungen zwischen den einzelnen unselbständigen Unternelunensteilen nicht begründet werden können, sind derartige Verschiebungen von Gegenständen sehr viel leichter möglich und daher auch wahrscheinlicher als bei Beteiligung selbständiger Tochtergesellschaften in konzernrechtlichen Strukturen. Letztere laufen u.U. Gefahr, durch Weitergabe von Vermögensgegenständen an die 719 So möglicherweise die englische Hafumg fUr "wrongful trading" in § 214 Insolvency Act; vgl. Zimmer, S. 285/286. 720 Denkbar ist sogar die Verschiebung von Sachen über mehrere Zweigniederlassungen des Unternehmens in verschiedenen dritten Staaten.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Muttergesellschaft (oder Schwestergesellschaften) gegen Kapitalerhaltungsvorschriften zu verstoßen. Aus diesen Gründen sind die Auswirkungen von Statutenwechseln bei Verfiigungen über dingliche Rechte an beweglichen Sachen gerade im Zusammenhang mit Zweigniederlassungen von erhöhter praktischer Relevanz. Hierbei sollen zunächst die Regeln fiir den gewöhnlichen Eigentumsübergang aufgezeigt werden; daraufhin sind exemplarisch Fragen der Entstehung sowie des Bestehens besitzloser dinglicher Sicherheiten bei grenzüberschreitender Verschiebung von Waren zu erläutern. Bedeutung kommt hier insbesondere dem Eigentumsvorbehalt und der Sicherungsübereignung zu, da für diese Rechtsinstitute auch im europäischen Bereich noch erhebliche Unterschiede der einzelnen staatlichen Rechtsordnungen bestehen. Spannungen ergeben sich dabei nicht nur aufgrund der Tatsache, daß derartige Übereignungskonstellationen in anderen Staaten nicht oder nur in schwächerem Maße existieren, sondern vor allem aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des Verhältnisses von schuldrechtlichem Kausal- und dinglichem Erfüllungsgeschäft. Wird die Einigung des Verpflichtungsgeschäftes zugleich als maßgeblich fiir das Vollzugsgeschäft angesehen, kann u.U. trotz Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes in Deutschland mit Verbringung der Sache ins Ausland ein Eigentumsübergang eintreten, da die Einigung im Kausalvertrag unbedingt erfolgt ist. a) Lex rei sitae als Ausgangspunkt

Den Ausgangspunkt der sachenrechtliehen Erörterungen bildet mangels geschriebener Normen fiir das deutsche internationale Sachenrecht die Anwendung des Rechts des Belegenheitsortes (Iex rei sitae) auf alle dinglichen Rechtsgeschäfte. Dieses Sachstatut wird allgemein auf Verkehrsschutzerwägungen gestützt; 721 da Sachenrechte gegenüber jedermann wirken, soll ein Schutz des Verkehrs über eine feste Anknüpfung notwendig sein.722 Mittlerweile kann bereits von einer gewohnheitsrechtliehen Geltung dieser kollisionsrechtlichen Regel ausgegangen werden. 723 Die Iex rei sitae erfaßt dabei die

721

Kegel, § 19 I S. 570.

722

Kropholler, § 54 I S. 478.

BGH, Urt. v. 20.3.63 (VIII ZR 130/61), NJW 63, 1200, 1200 li.Sp.; Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 38 EGBGB ll Rdnr. 2; Fritzemeyer, S. 12; fiir das englische Recht Benjamin's Sale ofGoods, Rdnr. 25-107. 723

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

rechtsgeschäftliche Begründung und Übertragung dinglicher Rechte, Besitz,724 Besitzschutz sowie dingliche Zurückbehaltungs- und Vorzugsrechte. 725 Wird eine bewegliche Sache in einen anderen Staat verbracht, so ist hinsichtlich des anwendbaren Sachstatuts zu unterscheiden: War ein dinglicher Rechtsvorgang nach bisherigem Sachenrecht bereits beendet worden, so verbleibt es für die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts bei der Geltung des Sachenrechts des Absendestaates; lediglich für die mit der erworbenen dinglichen Rechtsposition verbundene Rechtsausübung finden die Bestimmungen des Empfängerstaates Anwendung, wobei Sachenrechte, die dem Empfängerstaat unbekannt sind, an dort bekannte Institute - soweit möglich - angeglichen werden. 726 War dagegen nach demRecht des Absendestaates ein solcher Vorgang noch nicht abgeschlossen, soll auf seine Wirksamkeit zur Gänze das neue Sachstatut anzuwenden sein. 727 Die abweichende Auffassung, wonach sich der Erwerb auch dann nach dem Recht des Ortes richtet, der diesen am ehesten eintreten läßt (sog. lex validationis)728, muß sich entgegenhalten lassen, daß sie den hohen Anforderungen an die Rechtssicherheit, die aus dem absoluten Charakter der Sachenrechte resultieren, nicht genügt. Nicht vom Sachstatut erfaßt, sondern den allgemeinen Regeln zur Anknüpfung von Verträgen unterworfen, sind die von der Begründung der Sicherungsrechte zu unterscheidenden schuldrechtlichen Sicherungsabreden. 729 b) M6glichkeit einer Rechtswahl des Sachstatuts

Probleme des auf Erwerbstatbestände, die noch nicht abgeschlossen sind, anwendbaren Sachenrechts bzw. der Anerkennung im Ausland erworbener dinglicher Rechte ließen sich dann vermeiden. wenn eine Rechtswahl des Sachstatuts zulässig wäre. So ist möglicherweise, um bei einem Eigentumsvorbehalt Kollisionen mit den auf dem Konsensualprinzip basierenden Rechtsordnungen Frankreichs und Englands zu verhindern, von folgendem auszugehen: Bei der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts unter Beteiligung einer deutschen Zweigniederlassung werde zugunsten des inländischen Kontrahenten konkludent zugleich die Rechtswahl getroffen, daß jener Eigen724 Einsele, IPRax 95, 163, 164 (Besitz den dinglichen Rechten insoweit gleichstehend). 725 Nußbaum, IPR, S. 304; Kegel, § 19 II S. 572; ähnlich Kropholler, § 54 I S. 478. 726 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 763. 727 Schilling, S. 48; Kropholler, § 54 ill S. 483; v.Bar, IPR, Band 2, Rdnr. 757; Kegel, § 19 ill S. 574; Haßtege, S. 103; Nußbaum, IPR, S. 307. 728 Lüden·tz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 198, allerdings wie oben filr Sicherungsrechte (S. 204- 206). 729 Staudinger/Stall IntSachenR Rdnr. 345.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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turnsvorbehalt sich auch bei Verbringung der Sache in den Staat der Hauptniederlassung allein nach deutschem Recht beurteilen solle. Gleiches könnte gelten, wenn ein Gegenstand einem inländischen Geschäftspartner zur Sicherung übereignet, jedoch an den englischen Hauptsitz verbracht würde, nach dessen Sachenrecht eine Anerkennung u. U. versagt wäre. 730 aa) Grundsatz Überwiegend wird die Zulässigkeil einer Rechtswahl nicht nur bei Grundstücken, sondern auch bezüglich dinglicher Rechte an Mobilien verneint. Es fehle ein Schützenswertes Rechtswahlinteresse. 731 Man bemängelt ferner, daß das von den Parteien gewählte Recht nicht publik sei. 732 Die Verkehrssicherheit gehe insoweit vor; 733 der sachenrechtliehen Maxime der Klarheit der Rechtsverhältnisse soll sonst nicht genügt werden können. 734 Außerdem dürfe der deutsche numerus clausus der Sachenrechte nicht angetastet werden. 735 Nach anderer Auffassung ist dagegen eine Rechtswahl bei Mobilien in beschränktem Umfang zulässig, soweit schutzwürdige Belange Dritter dabei nicht beeinträchtigt werden. 736 Das deutsche internationale Sachenrecht darf, da es den Bezug zum materiellen Sachenrecht schafft, aus Gründen der Rechtseinheit keinen grundlegenden Werten der innerstaatlichen Rechtsordnung zuwiderlaufen. Ein Grundprinzip dieser Ordnung ist die Publizität dinglicher Rechte. Zwar bedarf es keiner generellen Registereintragung; gerade die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs basiert aber darauf, daß in der Regel die dingliche Rechtszuordnung erkennbar ist. 737 Wirken dingliche Rechte absolut, kann fiir den Schutz von Drittinteressen auch keine Abwägung im Einzelfall, sondern nur eine abstrakte Ausgestaltung maßgeblich sein; ein dingliches Recht läßt sich grundsätzlich nur dann eindeutig zuordnen, wenn der Rechtsverkehr sich an einer bestimmbaren Rechtsordnung orientieren kann. Derartige Grundlinien des Sachenrechts können als Ausdruck des ordre public angesehen werden. 730 Als Beispiel könnte die Sicherungsübereignung eines Geschäftsfahrzeugs dienen, das bestimmungsgemäß für Transporte zur Hauptniederlassung eingesetzt wird. 731 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 753. 732 Lüderitz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 188. 733 Palandt/Heldrich Anh. Art. 38 EGBGB II Rdnr. 2; auch Kegel, § 19 I S. 571 . 734 Fritzemeyer, S. 14 (wiederum mit Hinweis auf den gewohnheitsrechtliehen Charakter der Iex rei sitae). 735 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 753. 736 Kropholler, § 54 II S. 480. 737 Wesentliche Voraussetzung eines solchen ist gerade der durch Besitz vermittelte Rechtsschein.

220

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Diese Aussage läßt sich zumindest für Eigentumsrechte durch deren verfassungsrechtlich angeordnete Sozialbindung (Art. 14 II GG) untermauern: Über eine Rechtswahl zugunsten einer fremden Rechtsordnung könnte dem deutschen Staat die Möglichkeit einer Einflußnahme auf im Inland belegene Eigentumsgegenstände zum Zwecke der Durchsetzung der Sozialbindung genommen werden. Eine Aushöhlung dieses Verfassungsprinzips liefe indessen der öffentlichen Ordnung zuwider. 738 Die Zulässigkeit einer Rechtswahl des Sachstatuts ist somit mit der herrschenden Auffassung abzulehnen. bb) Ausnahme für Exportgeschäfte? Von dem Verbot einer Rechtswahl ist jedoch möglicherweise eine Ausnahme zu machen, wenn das dingliche Rechtsgeschäft in den Rahmen eines sog. Import-/Exportgeschäftes, auch als internationales Verkehrsgeschäft bezeichnet, fallt. Ein solches wird definiert als Vertrag, dessen Inhalt entweder einen Gebietswechsel intendiert739 oder bei dem für beide Parteien zumindest erkennbar ist, daß die Sache über eine Staatsgrenze verbracht werden soll. 740 Bei einer derartigen Konstellation könnten die Interessen der Vertragspartner an der Wahl derjenigen Rechtsordnung, die das erstrebte dingliche Recht ermöglicht, und somit an der Angleichung der dinglichen Rechtslage an das Vertragsstatut überwiegen. 741 Der Lageort der Sache sei ohnehin oft zufällig.742 Für Geschäfte unter Beteiligung von Zweigniederlassungen in Deutschland wäre eine solche Einschränkung besonders relevant und u.U. sogar die Regel, da der inländische Vertragspartner (als Veräußerer) hier, sofern ihm die Qualität als Zweigniederlassung erkennbar ist, durchaus damit rechnen muß, daß der zu übereignende Gegenstand an die Hauptniederlassung im Ausland weitergeleitet werden soll. Demnach könnte für solche Fälle regelmäßig von

738

Vgl. auchRaape, §56 ll S. 587 (Interesse des Staates auch bei Mobilien).

739 Fn"tzemeyer,

S. 16.

Vgl. Kraphaller, § 54 lll S. 480; eingeschränkt auch Drabnig, in: FS Kegel (1977), S. 141, 150 (nur bei ausdrtlcldicher Erklärung); weiter Weber, RabelsZ 44 ( 1980), 510, 525 (bei jeder Auslandsberührung). 740

741 Stall, RabelsZ 38 (1974), 450, 452 (Gleichschaltung von Schuld- und Sachstatut zur Vermeidung von Unklarheiten); Kraphaller, §54 ll S. 480; Staudinger/Stall IntSachenR Rdnr. 262; Drabnig, RabelsZ 32 (1968), 450, 461 ; Stadler, § 10 S. 678 (vertragsakzessorische Anknüpfung des Sachenrechts unabhängig von einer Rechtswahl zumindest de lege ferenda); wohl auchHanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61 , 64. 742 Staudinger/Stall

IntSachenR Rdnr. 262.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

221

einer konkludenten Rechtswahf 43 auszugehen sein, die auf eine Anwendung des deutschen Sachenrechts auch noch im Ausland gerichtet wäre. 744 Die genannten Parteiinteressen vermögen indessen die grundsätzlichen Bedenken gegen eine Rechtswahl nicht zu zerstreuen. Zwar ist eine Entstehung dinglicher Rechte Dritter an der in das Ausland verbrachten Sache wenig wahrscheinlich, so daß in dieser Hinsicht kaum Drittinteressen beliihrt werden. Eine Beeinträchtigung erfolgt allerdings bei einer Insolvenz des Unternehmens im Ausland; dortige Gläubiger sehen sich dann u.U. mit Sicherungsrechten konfrontiert, die sie selbst nach inländischem Recht nicht hätten erwerben können und mit deren Bestehen sie nicht rechnen mußten. 745 Wurde oben darauf verwiesen, daß die Geltung der lex rei sitae zumindest für die Entstehung dinglicher Rechte auch staatlichen Erfordernissen entspricht, dürfte trotz einer Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung auch dem Empfangerstaal das berechtigte Interesse zuzugestehen sein, dingliche Konstruktionen, die seiner Rechtsordnung nicht entsprechen, nicht anerkennen zu müssen. Dieses Interesse würde durch die Wirksamkeit einer Rechtswahl beeinträchtigt. Wegen der absoluten Wirkung dinglicher Rechte dürfen die Interessen der Vertragsparteien bei Exportgeschäften nicht allein ausschlaggebend sein. Schließlich ist aber schon ein wirkliches Bedürlnis der Parteien, das Sachstatut zu wählen, fraglich. Sie können sich ohne weiteres durch die (kaum Beschränkungen unterliegende) Wahl eines günstigen Vertragsstatutes auf schuldrechtlicher Ebene gegen dingliche Risiken absichern. 746 Mithin muß auch für Exportgeschäfte, die unter Beteiligung einer Zweigniederlassung abgeschlossen werden, eine Rechtswahl des Sachstatuts als

743 Für konkludente Rechtswahl Stall, RabelsZ 38 (1974), 450,456 (mutmaßliches futeresse ausreichend). 744 Ein Einverständnis des in der Zweigniederlassung tätigen Vertreters des Unternehmens zur dinglichen Rechtswahl wäre dann - sofern keine gegenteilige Äußerung vorläge- über Treu und Glauben (möglicherweise als Nebenpflicht des Schuldvertrages oder des Sicherungsvertrages) zu unterstellen, da der Vertragszweck sonst gefährdet werden könnte. 745 So jetzt auch der BGH, Urt. v. 25.9.96 (VIII ZR 76/95), NJW 97,461,462 (Vertrauen der Gläubiger; Iex rei sitae als international anerkannter Grundsatz). Dies gilt z.B. für eine Sicherungsübereignung in England; vgl. auch Fritzemeyer, S. 17. Eine Rechtswahl im dinglichen Bereich wäre mithin einem in Deutschland unzulässigen Vertrag zulasten Dritter vergleichbar. Weber, RabelsZ 44 (1980), 510, 523 will eine Rechtswahl deshalb so beschränken, daß sie ihre Grenzen am Schutz Dritter nach der jeweiligen Iex rei sitae fmdet. Das liefe aber dem Ziel der Befürworter, den Vertragsparteien die Rechtsübersicht zu erleichtern, zuwider. 746 Laderitz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 188 a.E.

222

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

unzulässig angesehen werden, so daß die Anwendung der Iex rei sitae auf diese Weise nicht durchbrochen werden kann. 747 c) Kurzer Rechtsvergleich deutscher besitzloser Sicherungsrechte mit dem englischen und französischen Recht

Um mögliche Konflikte bei Sicherungsrechten zwischen verschiedenen Rechtsordnungen für Fälle zu verdeutlichen, in denen sich Erwerbs- oder Veräußerungstatbestände bei Grenzübertritt der Sache noch in der Schwebe befinden, soll nachfolgend in Kürze auf die englische und französische Rechtslage bei Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung eingegangen werden. Behandelt werden an dieser Stelle jedoch nur die materiellrechtlichen Aspekte beim Wechsel des Sachstatuts und die spätere Geltendmachung im ausländischen Insolvenzverfahren über das Gesamtuntemehmen. Fragen der Durchsetzung von Sicherungsrechten in der Insolvenz der Zweigniederlassung sollen erst im Zusammenhang des insolvenzrechtlichen Abschnittes erörtert werden. aa) Eigentumsvorbehalt Das französische Recht basiert auf dem Konsensualprinzip und kennt eine Unterscheidung zwischen obligatorischem Vertrag und davon losgelöstem dinglichem Rechtsgeschäft nicht. 748 Somit geht grundsätzlich das Eigentum an der zu veräußernden Sache mit Abschluß des Kaufvertrags über.749 Da diese Vorschriften aber nicht zwingend sind, kann im Kaufvertrag auch vereinbart werden, daß das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung wechseln soll. 750 Ein Eigentumsvorbehalt (reserve de propriete) ist demnach dem französischen Recht bekannt. 751 Die Eintragung dieses Eigentumsvorbehalts in ein

747 BGH NJW 97, 461, 462; Schilling, S. 70 u. 211; Fritzemeyer, S. 18; durchgehend ab1elmend auch Kegel, § 19 I S. 571; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 753; Nußbaum, S. 305 oben; Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 38 EGBGB ll Rdnr. 2; offengelassen durch Martiny in Reithmann!A1artiny Rdnr. 695; MünchKomm!Kreuzer Nach Art. 38 EGBGB Anh. I Rdnr. 67 (nur in uner1äß1ichen Fällen). 748 Vgl. Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 129. 749 Artt. 711, 1138, 1583 CC; Stad/er,§ 2 S. 31 750 Vgl. Staudinger/Sto/1 IntSachenR Rdnr. 328; Fritzemeyer, S. 75176 m.w.N.; Sonnenberger!Dammann, Rdnr. VI 127; Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 130; zu den in der französischen Lehre vertretenen Theorien Stad/er, § 6 S. 280/281. 751 Sonnenberger/Dammann, Rdnr. VI 118.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

223

Register ist für seine materielle Wirksamkeit nicht erforderlich. 752 Der Eigentumsvorbehalt bewirkt ein Veräußerungsverbot für den Käufer, doch ist ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums durch Dritte möglich; wenn· der Käufer seine Zahlungspflicht nicht erfiillt, kann der Verkäufer den Vertrag auflösen.753 Im Falle einer Vollstreckung durch Dritte hat der Veräußerer zunächst ein Vorausbefriedigungsreche54 sowie zur deren Abwehr die Möglichkeit, eine Herausgabeklage oder eine einstweilige Verfugung zu betreiben. 755 Um den Eigentumsvorbehalt dagegen auch im Konkurs geltend machen zu können, muß er schriftlich und spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung vereinbart worden sein.756 Bei Einfuhr einer Sache soll es ausreichen, wenn die schriftliche Vereinbarung spätestens zum Zeitpunkt der Einfuhr der Sache erfolgt. 757 Unter diesen Voraussetzungen steht dem Veräußerer ein Aussonderungsrecht zu, das innerhalb von drei Monaten758 nach Verfahrenseröffnung geltend zu machen ist. 759 Diese Wirksamkeit kommt allerdings nur dem einfachen Eigentumsvorbehalt zu760 und ist daran gebunden, daß sich die Sache noch in natura beim Käufer befindet. 761 Das Fehlen einer Trennung zwischen Verpflichtungs- und Erfiillungsgeschäft gilt ebenfalls für das englische Recht, so daß das Eigentum grundsätzlich durch Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages übergeht. 762 Dennoch ist

752 Zimmermann in Stumpf!Fichna/Zimmermann, S. 131 oben; auch Laderitz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 211; mißverständlich insoweit Kegel, § 19 ill S. 575, der vorn Erfordernis einer Registereintragung ausgeht und daher mündlich oder schriftlich vereinbarte Eigenturnsvorbehalte aus anderen Staaten in Frankreich erlöschen läßt. Gegen Kegel ausdrücklich Sonnenberger!Dammann, Rdnr. VIII 43 Fußn. 73. Selbst ftlr die Geltendrnachung in der Insolvenz bedarf es dagegen nur der Schriftform; vgl. hierzu auch Storp, RIW 96, 464, 464. 753 Hierzu Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 132/133. 754 Vgl. Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 133 (gesetzliches Verkäuferprivileg des Art. 2102 Nr. 4 CC, das jedoch auch ohne Eigenturnsvorbehalt besteht). 755 Sonnenberger!Dammann, Rdnr. Vll28. 756 Art. 65 und 59 des franz. Konkursgesetzes i.d.F. des loi n° 80-335 V. 12.5.1980, abgedr. in Journal Ofticiel 1980, S. 1201 bzw. Art. 121 ll des Insolvenzgesetzes i.d.F. des loi n° 85-98, abgedr. in Journal Officie1198S, 1097. 757 Schilling, S. 304. 758 Art. 11 S des franz. Insolvenzgesetzes i.d.F. des loi n° 85-98 (zuvor vier Monate). 759 Vgl. Baur/Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band ll, Rdnr. 39.13; Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmermann, S. 135; Fritzemeyer, S. 78 u.79; Sonnenberger!Dammann, Rdnr. Vl128 S. 350. 760 Hanisch, IPRax 92, 187, 190. 761 Stad/er, § 6 S. 303. 762 Fn'tzemeyer, S. 79; abweichend Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmermann, S. 160 (Eigenturnsübergang stets den Parteien überlassen); Staudinger!Stoll IntGesR Rdnr. 331.

224

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

ein Eigentumsvorbehalt zulässig und in Section 17 und 19 des Sale of Goods Act gesetzlich geregelt. Er wird als reservation ofright of disposal, als reservation of title oder reservation of ownership bezeichnet. 763 So kann wiederum ein abweichender Zeitpunkt des Eigentumswechsels durch die Parteien bestimmt werden; insbesondere die Vereinbarung einer Bedingung der Kaufpreiszahlung (conditional sale)764 ist möglich, 765 muß jedoch grundsätzlich schon bei Vertragsschluß erfolgen. 766 Der Eigentumsvorbehalt bedarf zu seiner materiell-rechtlichen Wirksamkeit keiner Form. 767 Ein gutgläubiger Erwerb der Vorbehaltssache durch Dritte ist möglich, wenn die Veräußerung im Zuge des gewöhnlichen Geschäftsablaufs des Vorbehaltskäufers stattfindet. 768 Bei Zahlungsverzug des Käufers kann der Verkäufer die Sache herausverlangen und gegebenenfalls auf Herausgabe klagen. 769 Erfolgt eine Einzelzwangsvollstreckung anderer Gläubiger des Erwerbers in den Gegenstand, hat der Veräußerer einen Freigabeanspruch, der jedoch nur bei Bestehen eines Rückforderungsrechtes geltend gemacht werden kann. 770 War der Käufer eine natürliche Person, so lief mit Eröffnung eines Konkursverfahrens nach früherer Rechtslage des Sect. 38 Bankruptcy Act v. 1914 der Verkäufer Gefahr, sein Eigentum nicht mehr durchsetzen zu können, da der Käufer im Konkurs als Eigentümer aller Sachen angesehen wurde, die er mit Zustimmung des wahren Eigentümers in Besitz hatte (sog. reputed ownership clause). 771 Diese Vorschrift ist indessen entfallen; der Insolvency Act von 1986 enthält sie nicht mehr.772 Der Verkäufer kann somit die Sache auch im Konkurs herausverlangen.

Vgl. Triebel/Hodgson/Kellenter!Müller, Rdnr. 216. im Consumer Credit Act 1974 Sect. 189 ( 1). 765 Vgl. Dobson/Schmidthoff, Business Law, S. 367 ("[ ...) preventing the property from passing to the buyer until he has paid bis instalments."); Benjamin's Safe of Goods, Rdnr. 1-052; Fichna in Stumpf!Fichna!Zimmennann, S. 160. 766 Triebel/Hodgson!Kellenter!Müller, Rdnr. 355. 767 Staudinger!Stol/ IntGesR Rdnr. 331; Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmennann, S. 162; Martiny in Reithmann!Martiny Rdnr. 701. 768 Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmennann, S. 162. 769 Baur/Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 39.28; Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmennann, S. 162. 77 Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmennann, S. 163. 771 Auf diese Grundlage noch Fritzemeyer, S. 80/81; Fichna in Stumpf!Fichna/Zimmennann, S. 163. 772 Vgl. Staudinger/Stoll IntSachenR Rdnr. 331. 763

764 Definition

°

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

225

bb) Sicherungsübereignung

Demfranzösischen Recht ist die Eigentumsübertragung zur Sicherung einer Forderung nicht bekannt. 773 In einer Entscheidung des Cour de Cassation ist einer Sicherungsübereignung die Anerkennung in Frankreich versagt worden. 774 Diese Ablehnung beruht auf den zwingenden Vorschriften der Artt. 2074 ff. CC zum Faustpfandprinzip; besitzlose Pfandrechte werden als unzulässig eingestuft. 775 Die fehlende Publizität der Sicherungsübereignung verstößt gegen den französischen ordre public. 776 Diese Ausrichtung fuhrt auch bei einem nachträglich (i.e. nach Abschluß des Kaufvertrages) vereinbarten Eigentumsvorbehalt zu Schwierigkeiten. Da ein solcher in seiner Wirkung einer Sicherungsübereignung nahekommt, muß damit gerechnet werden, daß er in Frankreich nicht anerkannt wird. 777 Eine Sicherungsübereignung im eigentlichen Sinne ist auch dem englischen Recht fremd. Zwar kommt ihr die sogenannte chatte/ mortgage nahe, doch handelt es sich dabei wohl nur um ein besitzloses Pfandrecht. 778 Schon deren Wirksamkeit ist durch den Bill of Sales Act an strenge Form- und Publizitätserfordernisse geknüpft. 779 Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, daß eine in Deutschland vereinbarte Sicherungsübereignung bei einem Statutenwechsel des Sicherungsgutes wegen der potentiellen Benachteiligung ande-

Vgl. Fritzemeyer, S. 87. Cour de Cassation v. 8.7.1969, JCP 1970 II 16182. 775 Sonnenberger!Dammann, Rdnr. VIII 44; Zimmermann in Stumpf!Fichna/Zimmermann, S. 144; auch Raape, S. 610; Schilling, S. 305. 776 Hübner, ZlP 80, 825, 825 u. 830; Fritzemeyer, S. 95; dies. , S. 96, hält es jedoch nach der Aufwertung des ebenfalls publizitätslosen Eigentumsvorbehalts im französischen Recht fiir möglich, daß auf eine deutsche Sicherungsübereignung die französischen Pfandrechtsbestimmungen anwendbar seien; anders Zimmermann in Stumpf/ Fichna/Zimmermann, S. 130 (auch nachträglicher Vorbehalt seit loi n° 80-335 stets wirksam); offen gelassen bei Martiny in Reithmann/Martiny Rdnr. 702. 777 Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 130; Staudinger/Sto/1 lntSachenR Rdnr. 342; Sonnenberger!Dammann, Rdnr. VIII 44 (kein Ersatz durch Rückübereignung an den Kreditgeber verbunden mit Eigentumsvorbehaltsklausel); Hanisch, lPRax 92, 187, 189; auch Schilling, S. 305 (zumindest keine Wirkung Dritten gegenüber). 778 Vgl. Fichna in Stu"!pf!Fichna/Zimmermann, S. 167; anders Fritzemeyer, S. 88 u. 96, die die mortgage als Ubertragung des Eigentums zu Sicherungszwecken einordnet; ebenso Triebel!Hodgson!Kellenter!Müller, Rdnr. 306 (bei der legal mortgage Vollrechtsübertragung des Eigentwns); offener auch Mozeley & Whiteley's Law Dictionary, "mortgage", S. 175 (conveyance oder demise, d.h. [Eigentums-] Übertragung oder Miete). 779 Vgl. Triebel!Hodgson/Kellenter!Müller, Rdnr. 311 ; Fichna in Stumpf/ Fichna/ Zimmermann, S. 168. 773

774

15 Rinne

226

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

rer Gläubiger in England gegen den dortigen ordre public verstößt, so daß mit einer Anerkennung nicht zu rechnen ist. 780

d) Problemkonstellationen Wird am Ort der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens zur Sicherung eines Anspruches eines der genannten besitzlosen Sicherungsrechte vereinbart, können beim Wechsel der betroffenen Sache über Staatsgrenzen hinweg Schwierigkeiten der Umsetzung derartiger Vereinbarungen in zwei Richtungen auftreten: Denkbar ist zunächst, daß sich das ausländische Unternehmen einen Eigentumsvorbehalt an einem Gegenstand einräumen läßt, der noch vom Hauptsitz aus angeliefert werden soll, so daß die Übereignung der herbeizuschaffenden Sache mit einer Bedingung verknüpft wird. Die gleiche Konstellation könnte auch bei einer Sicherungsübereignung zugunsten eines deutschen Gläubigers auftreten. Umgekehrt ist das Schicksal eines am Ort der Zweigniederlassung zugunsten des deutschen Gläubigers vereinbarten Eigentumsvorbehaltes oder einer dem ausländischen Unternehmen zur Sicherheit übereigneten Sache fraglich, wenn - für den deutschen Kontrahenten vorhersehbar oder überraschend - die Sache an den Hauptsitz des Unternehmens verbracht wird. aa) Verbringung einer Sache aus dem Ausland (Einfuhr) Ist eine Sache zur Erfiillung eines (Kauf-)Vertrages bestimmungsgemäß von der ausländischen Hauptniederlassung nach Deutschland auszuliefern, so kann das ausländische Recht dann (ausnahmsweise) für den schuldrechtlichen Vertrag zur Geltung kommen, wenn eine Direktlieferung an den Erwerber erfolgt, die sich als Leistung der Haupt- und nicht der Zweigniederlassung darstellt. 781 Soll nun ein Eigentumsvorbehalt am Vertragsgegenstand zugunsten des ausländischen Unternehmens vereinbart werden, bevor die Sache das Ursprungsland verlassen hat, richten sich dessen Entstehungsvoraussetzungen über die Iex rei sitae nach dem Recht des Ursprungslandes. Folgt dieses dem Konsensprinzip, bedarf es einer separaten dinglichen Vereinbarung nicht mehr; der bedingte Übereignungswille aus dem Kausalverhältnis reicht aus. 782 Doch auch bei Maßgeblichkeit des deutschen Vertragsrechts findet zunächst das Sachenrecht des ausländischen Lageortes Anwendung. Wurde dessen Anforderungen nicht genügt, dürfte aber der beiderseitige Wille, die Wirkungen

°Fritzemeyer, S. 98.

78

Siehe die dahingehenden Ausfiihrungen zwn Vertragsrecht im dritten Kapitel VII 2c)cc). 782 Vgl. Stad/er, § 10 S. 657 (Konsensprinzip setzt sich durch). 781

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

227

eines Eigentumsvorbehaltes in Deutschland herbeizuführen, auch dahin ausgelegt werden können, daß dieses Sicherungsrecht erst in Deutschland nach dem hiesigen Recht als Sachstatut begründet werden solle. 783 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes als unbeendeter Tatbestand des Rechtserwerbes aufgefaßt wird, dessen Voraussetzungen sich bei einem Statutenwechsel ohnehin nur nach dem Recht des Empfangsstaates richten. 784 Wird dagegen zugunsten eines deutschen Gläubigers die Sicherungsübereignung einer Sache vereinbart, die sich noch im Ausland befindet, aber nach Deutschland an den Ort der Zweigniederlassung gescha:ffi werden soll, so handelt es sich dabei um einen bereits abgeschlossenen Tatbestand, da die Parteien einen sofortigen Eigentumserwerb bezwecken. Ist diese nach dortigem Sachenrecht unwirksam, scheidet deshalb zwar eine automatische Entstehung mit Verbringung der Sache auf deutsches Territorium aus, zumal aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich ein bloßer Statutenwechsel keine Heilung herbeiführen soll.785 Doch kann m.E. auch hier davon ausgegangen werden, daß der Wille der Parteien fortbesteht, eine Sicherungsübereignung zumindest nach Verbringung der Sache in den inländischen Rechtskreis eintreten zu lassen; angesichts des beabsichtigten Statutenwechsels könnte die Sicherungsübereignung ohnehin nach Ankunft der Sache am deutschen Bestimmungsort wirksam vereinbart werden. Da eine derartige erneute Vereinbarung jedoch nach deutschem Recht keinen Publizitätserfordernissen unterläge, steht ihrer stillschweigenden Annahme nichts entgegen. Im Ergebnis wird man folglich am Ort einer Zweigniederlassung vereinbarte Eigentumsvorbehalte und Sicherungsübereignungen von beweglichen Sachen, die nach Deutschland eingeführt werden sollen, zwnindest ab dem Zeitpunkt des Grenzübertritts regelmäßig nach deutschem Recht beurteilen können. bb) Verbringung einer Sache in das Ausland (Ausfuhr) bei Eigentumsvorbehalt oder Sicherungsübereignung Zeigt sich das deutsche internationale Privatrecht in bezug auf Sicherungsrechte an einzuführenden Sachen mithin eher großzügig, bereitet das Bestehen in Deutschland vereinbarter besitzloser Sicherheiten bei Statutenwechsel der

783 In diesem Sinne - also als Auslegungs- und nicht als Rechtswahlfrage - ist die häufig zitierte Entscheidung in BGHZ 45, 95 zu verstehen; auch Laderitz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 200. 784 Zu dieser Frage nachfolgend bb). 785 Vgl. Fritzemeyer, S. 23; Palandt/Heldrich Anh. zu Art. 38 EGBGB II Rdnr. 7.

15*

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Sache in das Ausland größere Schwierigkeiten. Die Erörterung derselben soll in mehreren Stufen erfolgen. Wird ein Eigentumsvorbehalt zugunsten des deutschen Kontrahenten vereinbart, besteht nach Verbringung der Sache in einen Staat, der dem Konsensprinzip folgt, möglichemeise die Gefahr, daß der unbedingte Abschluß des schuldrechtlichen (Kauf-)Vertrages schon mit Grenzübertritt zu einem Eigentumsübergang fiihrt. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage einer Anerkennung des Sicherungsrechtes im Ausland; u.U. kann eine Angleichung an dortige Sicherungsrechte erfolgen. Wenn sich dagegen die Rechtsposition des deutschen Gläubigers aufgrund des Statutenwechsels der Sache wesentlich verschlechtert, da Anerkennung oder Angleichung nicht erfolgen können, sind schuldrechtliche Ansprüche aus dem Kausalverhältnis oder der Sicherungsabrede in Betracht zu ziehen. (1) Vollübereignung?

Ist in Deutschland zugunsten eines inländischen Veräußerers an der den (Kauf-) Vertragsgegenstand darstellenden beweglichen Sache ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden und wird dieselbe daraufhin in das Ausland verbracht, können bereits dann, wenn der Empfängerstaat für dingliche Rechtsgeschäfte dem Konsensprinzip folgt, Rechtsfragen für die dingliche Zuordnung der Sache entstehen. Insbesondere, wenn der Abschluß des schuldrechtlichen und des dinglichen Vertrages zeitlich auseinanderfallen, könnte beispielsweise das französische Recht als lex rei sitae möglichemeise zu dem Ergebnis eines Eigentumsüberganges bei Grenzüberschreitung der Sache gelangen. Die im (Kauf-) Vertrag enthaltene Verpflichtung zur Eigentumsübertragung war noch unbedingt. Ist aber allein diese Willensübereinstimmung auch dinglich maßgebend und besteht sie zum Zeitpunkt des Statutenwechsels noch fort, 786 geht das Eigentum u.U. über, sobald die Sache das neue Staatsgebiet erreicht hat, 787 da der Eigentumswechsel nach deutschem Recht noch nicht eingetreten war und somit diesbezüglich ein gestreckter Tatbestand vorliegt. 788 Die dingliche Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes wäre folglich unerheblich. Da jedoch über diesen sehr formalistischen Blickwinkel ein deutscher Eigentumsvorbehalt in Staaten, die das Eigentum dem Konsensprinzip untemerfen, auch dann zumeist wirkungslos wäre, wenn der Empflingerstaat einen solchen kennte, und der Übergang des Vollrechts dem (dinglichen) Willen der Nußbaum, S. 309, will dies im Zweifel vennuten. So in der Tat v.Bar, IPR Band II, Rdnr. 758. 788 Diskutiert wird diese Frage i.d.R. für Fälle, in denen der Empflingerstaat für den Eigentumsübergang keine Übergabe der Sache voraussetzt; allgemein hierzu Schilling, S. 54; Kropholler, §54 IIl S. 484; Nußbaum, S. 309; Raape, S. 613; Stad/er, § 10 S. 664 u. 669. 786 787

Vll. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Parteien nicht entspräche, behilft sich das internationale Privatrecht dieser Staaten mit einer Ausweitung des Vertragsbegriffes. In die Gesamtheit eines einheitlichen Vertrages werden auf diese Weise nicht nur sämtliche persönlichen Verpflichtungen, sondern auch alle sachenrechtliehen Vereinbarungen einbezogen; die sachenrechtliche Einigung wird als Bestandteil der vertraglichen Übereinkunft aufgefaßt. 789 Dies hat zur Folge, daß die sachenrechtliche Bedingung zugleich die maßgebliche schuldvertragliche Einigung beein:flußt, so daß ein Übereignungswille auch auf der Grundlage des Konsensprinzips nicht angenommen werden kann. Demzufolge schließt die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts in Deutschland, selbst wenn diese dem Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages im eigentlichen Sinne zeitlich nachfolgen sollte, einen Eigentumsübergang durch bloßen Wechsel des Sachstatuts aus. (2) Schicksal von Anwartschaftsrechten

Ist die Übereignung bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes in Deutschland als noch schwebender Tatbestand einzuordnen, so daß daher das neue Sachstatut sowohl auf ihre Voraussetzungen als auch ihre Rechtsfolgen anzuwenden ist, 790 gilt möglicherweise ein anderes fiir dingliche Anwartschaftsrechte. Regelmäßig erwirbt der Vorbehaltskäufer nach deutschem Recht ein solches Anwartschaftsrecht als Vorstufe des Eigentums, wenn der Bedingungseintritt zum Vollrecht nur noch von ihm selbst abhängt, etwa der überwiegende Teil des Vertragsentgelts entrichtet ist. 791 In bezug auf dieses Anwartschaftsrecht könnte daher der Erwerbsvorgang bereits abgeschlossen sein, wenn die Sache ins Ausland verbracht wird. 792 Dann wäre in dieser Hinsicht das neue Sachstatut nur noch zur Entscheidung über die Anerkennung eines solchen Rechts sowie seine Wirkung, nicht aber über seine Entstehung berufen.793 Wegen der unmittelbaren rechtlichen Abhängigkeit (Akzessorietät) des 789 Mayer, Droit international prive, S. 424 Nr. 654: "Les effets reels et !es effets personnels ont ete envisages par !es parties !es uns en fonction des autres, ils sont !es uns comme !es autres englobes dans l'unite psychologique du contrat." 790 v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 758; Palandt!Heldrich Anh. zu Art. 38 EGBGB li Rdnr. 9; OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.65 (5 U 101/64), lPRspr. 1964/1965 Nr. 73, S. 234. 791 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 I 2 a S. 642 (Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers schon mit der bedingten Übereignung). 792 So Lüderitz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 185, 202 (Fonn des gespaltenen Eigentwns, die als solche abgeschlossen ist); Soergel!Lüderitz Art. 38 EGBGB Anh. li Rdnr. 54; Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 450, 464 (bereits eingetretene Rechtsänderung); auch Woljf, IPR, S. 182. 793 Auf den ersten Blick erscheint es unerheblich, ob die Lösung dieser Frage bei der Bestimmung der Entstehungsvoraussetzungen oder im Zusammenhang mit der Anerkennung erfolgt. Doch ist zu belilcksichtigen, daß eine Ablehnung der Anerken-

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Anwartschaftsrechtes von der bedingten Vollrechtsübertragung erscheint es dagegen sachgerechter, auch kollisionsrechtlich das Schicksal des Anwartschaftsrechtes an den Eigentumsvorbehalt zu koppeln. Nach deutschem Verständnis kann dem Anwartschaftsrecht zwar eine vollrechtsähnliche Wirkung zukommen, doch bleibt es stets ein Minus desselben. 794 Würde man die Entstehung des Anwartschaftsrechtes bei Grenzüberschreitung der Sache als abgeschlossen einstufen, wäre es dagegen einem eigenständigen Vollrecht gleichgestellt. Da das Anwartschaftsrecht indessen nur ein - wenngleich mit gewissen Rechtswirkungen versehenes - Durchgangsstadium auf dem Weg zum Eigentum darstellt, 795 rechtfertigt sich eine separate Anknüpfung nicht. Es ist vielmehr als Teil eines noch nicht abgeschlossenen Erweri>svorganges einzuordnen. Folglich entscheidet die Iex rei sitae des Ernprangerstaates bei einem im Ursprungsstaat vereinbarten Eigentumsvornehalt auch über die Voraussetzungen eines Anwartschaftsrechtes, selbst wenn ein solches nach der alten lex rei sitae zunächst schon entstanden sein sollte. 796 (3) Rechtsfolgen für im Inland vereinbarte Sicherungsrechte (Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung)

Ob eine in Deutschland vereinbarte besitzlose Mobiliarsicherheit auch im Ausland Wirkung entfaltet, kann entweder auf der Ebene des Entstehungstatbestandes oder der Anerkennung zu prüfen sein. Da der Eigentumsvorbehalt einen noch nicht abgeschlossenen Tatbestand darstellt, ist über ihn insgesamt, mithin auch in bezug auf seine Entstehungsvoraussetzungen, das Recht des Ernprangerstaates der Sache zur Entscheidung berufen. Somit entsteht, wenn die Sache nach England oder Frankreich verbracht wird, aufgrund des in Deutschland vereinbarten bedingten Bigenturnsüberganges ein Eigentumsvorbehalt nach dortigem Recht, da materiell keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen sind. 797 Die Frage einer Anerkennung stellt sich in diesen Fällen nicht. 798

nungnuraus Gründen des ordre public erfolgen kann, dessen Voraussetzungen i.d.R. streng zu handhaben sind. Überdies kann auch eine Allgleichung an bestehende Rechte nur erfolgen, wenn der Entstehungstatbestand dem Ursprungsrecht vorbehalten bleibt. 794 Vgl. BGH, Urt. v. 24.6.58 (VIII ZR 205/57), BGHZ 28, 16, 21 a.E. 795 Skeptisch ggü. einer Einordnung als dingliches Recht auch Stad/er, § 6 S. 290 u. 300. 796 Die überwiegende Literatur setzt sich mit dieser Problematik leider nicht auseinander. 797 Zu den konkursrechtlichen Besonderheiten eines Eigentumsvorbehalts siehe unten im sechsten Kapitel I 2. 798 Vgl. MünchKomm/Kreuzer Nach Art. 38 Anh. I Rdnr. 84.

VTI. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Ist der Erwerbstatbestand eines Sicherungsrechtes an der betreffenden Sache bereits vor Verbringung in das Ausland vollendet worden, wie dies bei einer Sicherungsübereignung geschieht, beurteilen sich die Voraussetzungen der Entstehung des Rechts ausschließlich nach der Iex rei sitae des Ursprungslandes799 (hier demnach nach deutschem Recht). Eine Wirkung im Empfängerstaat entfaltet die Sicherungsübereignung jedoch nur, wenn sie vom dortigen Recht anerkannt wird. Dies ist, wie dargelegt, in Frankreich und England nicht der Fall. Möglich könnte aber im Wege der Angleichung die automatische Entstehung eines nach diesen Rechtsordnungen der deutschen Sicherungsübereignung am nächsten verwandten Sicherungsrechtes sein. Im englischen Recht käme dazu ein besitzloses Pfandrecht als chattel mortgage oder floating charge800 in Betracht. Beide Sicherungsrechte sind jedoch an besondere Formvorschriften geknüpft. 801 Da diese Formen von den Parteien einzuhalten sind und nicht automatisch vorgenommen werden können, scheidet folglich eine gesetzliche Umwandlung der in Deutschland begründeten Sicherungübereignung in jene besitzlosen Pfandrechte aus. 802 Nach französischem Recht steht dem deutschen Sicherungseigentümer zumindest das Verkäuferprivileg des Art. 2102 Nr. 4 CC zu, wenn sich die Sicherungsübereignung auf eine Sache bezieht, die zuvor dem ausländischen Vertragspartner verkauft worden war. 803 Dieses bietet jedoch keinen vergleichbaren Schutz. Bekannt sind dem französischen Recht dagegen verschiedene besitzlose Pfandrechte (gages sans depossession). Diese setzen jedoch jeweils Registereintragungen voraus. 804 Folglich kann hier ebenfalls wegen der Bedeutung der Publizität eine automatische Umwandlung in ein besitzloses Pfandrecht nicht erfolgen. 805 Als Lösung auf einer niedrigeren Stufe ist daher vorgeschlagen worden, der Sicherungsübereignung in Staaten, in denen Anerkennung und Umsetzung versagen, zumindest eine Wirkung inter partes zuzusprechen. 806 Wenn das 799 Soergel!Lüderitz Art. 38 EGBGB Anh. li Rdnr. 57.

Diese bezieht sich allerdings auf das gesamte Vermögen des Schuldners und ist nur gegenüber einer Company möglich (Fichna in Stumpf!Fichna!Zimmermann, S. 168). 801 Vgl. Fritzemeyer, S. 89 und 96; Fichna in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 168 bzw. S. 169. 802 Allgemein zur Frage, ob ausländische Publizitätsvorschriften bereits im Inland antizipiert werden können MünchKomm/Kreuzer Nach Art. 38 EGBGB Anh. I Rdnr. 85. 803 Diese Konstellation einer Rückübereignung zu Sicherungszwecken ist äußerst unwahrscheinlich, da statt dessen i.d.R. sogleich ein Eigenturnsvorbehalt vereinbart wird. 804 Zimmermann in Stumpf/Fichna/Zimmermann, S. 139 ff.; Sonnenberger!Dammann, Rdnr. VI 126. 805 Fritzemeyer, S. 95. 806 Schilling, S. 76. 800

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Recht jedoch Dritten nicht mehr entgegengehalten werden kann, wird sein absoluter Charakter beseitigt, die Sicherungsübereignung hätte dann nur noch relative, also schuldrechtliche Wirkungen. 807 M .E. handelt es sich somit um ein Problem vertraglicher Primär- oder Sekundäransprüche der Parteien aus der in Deutschland geschlossenen Sicherungsabrede. Für die dingliche Ebene bietet die Inter-partes-Wirkung dagegen keine Ansatzpunkte. 808 Festzuhalten ist demzufolge, daß eine Sicherungsübereignung ihre Wirkung verliert, wenn die Sache nach Frankreich oder England verbracht wird. War sie in Deutschland in Form einer auflösend bedingten Übereignung an den Sicherungsnehmer erfolgt, so führt dies nicht etwa zur bloßen Unwirksamkeit der Bedingung allein. 809 Vielmehr wird der Eigentumsübergang als solcher negiert, der Sicherungsgeber gilt (wieder) als Eigentümer.810 Gelangt dagegen der Sicherungsgegenstand erneut nach Deutschland zurück, lebt das Sicherungseigentum wieder auf. 811 Ob die Verbringung der Sache mit oder ohne Willen des inländischen Sicherungsnehmers erfolgte, spielt auf der Ebene des Sachenrechts keine Rolle. 812 Es ist demzufolge hier unerheblich, ob der inländische Kontrahent den Auslandsbezug der Zweigniederlassung erkennen und deshalb mit einer Verbringung der Sache in das Ausland rechnen konnte.

(4) Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche Wenn der Sicherungsgegenstand vom Sitz der deutschen Zweigniederlassung in einen Staat verbracht worden ist, der das in Deutschland vereinbarte Sicherungsrecht nicht anerkennt, verbleibt für einen Schutz des deutschen Sicherungsnehmers lediglich der Weg über Ansprüche schuldrechtlicher Natur. Diese können aus der Sicherungsabrede resultieren, die den Rechtsgrund für die Bestellung der Sicherheit bildet. Ihre kollisionsrechtliche Anknüpfung richtet sich nicht nach der Iex rei sitae, sondern den allgemeinen Regeln für

807 Zwar würde das Eigentum des Sicherungsneluners im Innenverhältnis zwar noch vom deliktsrechtlichen Schutz erfaßt, doch ergeben sich gleichwertige Ansprüche schon aus der in Deutschland vereinbarten Sicherungsabrede. Die Konstruktion eines hinkenden dinglichen Rechts dürfte somit überflüssig sein und auch nicht im Interesse der Parteien liegen. 808 Ablehnend fiir das englische Recht wohl auch Fritzemeyer, S. 90. 809 Anders aber fiir einen im Ausland nicht anerkannten Eigentumsvorbehalt Nußbaum, S. 308, der einen Wlbedingten Eigentumsübergang nach dem neuen Sachstatut annimmt. Doch ist darauf der Parteiwille auch unter dem neuen Statut nicht gerichtet. 810 Vgl. Sonnenberger/Dammann, Rdnr. Vlll44. 811 Raape, S. 610; MünchKomm!Kreuzer Nach Art. 38 EGBGB Anh. I Rdnr. 94. 812 Vgl. Staudinger/Stoll IntSachenR Rdnr. 260 u. 261.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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Schuldverträge, i.e. Art. 27 ff. EGBGB. 813 Die charakteristische Vertragsleistung der Sicherungsabrede wird vom Sicherungsgeber erbracht. 814 Da die Sicherheit über die deutsche Zweigniederlassung des ausländischen Unternehmens zu bestellen war, kann die in Art. 28 II 2 Alt. 2 EGBGB enthaltene Vermutung der engsten Verbindung zum Ort der Zweigniederlassung greifen, so daß die Sicherungsabrede dem deutschen Recht unterfallt Inhaltlich kommen vertragliche Ansprüche sowohl auf der primären als auch der sekundären Ebene in Betracht. Die Sicherungsabrede verpflichtete zur Bestellung einer bestimmten Sicherheit. Diese Verpflichtung wurde zwar bei einer Sicherungsübereignung in Deutschland zunächst grundsätzlich erfüllt, jedoch hat der Sicherungsgeber - das ausländische Unternehmen in Gestalt seiner deutschen Zweigniederlassung - mit der Verbringung der Sache ins Ausland den dauerhaften Vertragserfolg verhindert. Denkbar wäre daher zum einen, die Unwirksamkeit des Sicherungsrechtes als Wegfall der Geschäftsgrundlage einzuordnen und eine Anpassung der Sicherungsabrede unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens vorzunehmen. Diese könnte u.U. darin münden, dem inländischen Sicherungsnehmer einen Anspruch auf Bestellung eines Registerpfandrechtes am ausländischen Lageort zuzusprechen. 815 Entspricht dagegen ein derartiger Sicherungsanspruch den Interessen des Sicherungsnehmers nicht, kann er vom Sicherungsgeber ggf. Schadensersatz aufgrund nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung (§ 325 Abs. 1 S. 1 BGB) bzw. über das Institut der positiven Forderungsverletzung erlangen. 816 Erst auf dieser Ebene wird die Tatsache relevant, ob die Verbringung der Sache ins Ausland mit Willen des inländischen Sicherungsnehmers erfolgte oder er damit zumindest rechnen konnte. Wußte er, daß dem Gegenstand ein Statutenwechsel bevorstand, läßt sich der Abschluß der Sicherungsabrede m.E. zugleich als Verzicht auf einen Anspruch aus der Unmöglichkeit

Staudinger!Stoll IntSachenR Rdnr. 345. Ders., IntSachenR Rdnr. 345. 815 Dieser Anspruch wäre im Wege einer Leistungsklage auf Abgabe einer auf Begründung des Rechts gerichteten Willenserklärung vor deutschen Gerichten am Gerichtsstand der Niederlassung(§ 21 ZPO) durchzusetzen, wobei die Willenserklärung durch das Urteil gern. § 894 I I ZPO fmgiert würde. Zur Erlangung eines besitzlosen Pfandrechtes im Ausland bedürfte es aber auch der dortigen Anerkermung des deutschen Urteils, so daß eine vollständige Absicherung durch einen Primäranspruch nicht zu gewährleisten wäre. 816 Sind Sicherungsgeber und Schuldner der zu sichernden Forderung identisch, nützt allerdings ein solcher Schadensersatzanspruch .wenig. Ein wirklicher Vermögensschaden entsteht dem Sicherungsnehmer erst dann, werm er mit der Inanspruchnahme seines Schuldners ausfällt und nun nicht auf die Sicherheit zugreifen kann. Bei einer Identität von Schuldner und Sicherungsgeber sieht sich der Sicherungsnehmer nun mit seinem Schadensersatzanspruch wieder demselben insolventen Gegner gegenüber. 813 814

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche EinordnWlg

der Sicherungsleistung817 bzw. als rechtfertigende Einwilligung in die positive Forderungsverletzung deuten. Konnte er - etwa aufgrund der erkennbaren geringen Lagerkapazitäten arn Sitz der Zweigniederlassung - damit rechnen, daß der Gegenstand an den Sitz der ausländischen Hauptniederlassung geschafft würde, sind seine Schadensersatzansprüche wegen Mitverschuldeos i.S.d. § 254 BGB zu kürzen.

e) Ergebnis Werden besitzlose Mobiliarsicherheiten zwischen einer Zweigniederlassung und einem Vertragspartner in Deutschland vereinbart, so unterfallen deren Voraussetzungen dem Recht des Staates, auf dessen Territorium sich die Sache zum Zeitpunkt des Abschlusses des Entstehungstatbestandes befindet. Eine Rechtswahl ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann abzulehnen, wenn der Gegenstand bestimmungsgemäß seinen Lageort wechselt. Auch fiir Reziprozitätserwägungen bleibt auf der Ebene des internationalen Sachenrechts schon mit Rücksicht auf den Entscheidungseinklang und die allgemeine Anerkennung der Iex rei sitae kein Raum. Daher kommt der Erkennbarkeil eines Auslandsbezuges der Zweigniederlassung fiir den inländischen Sicherungsnehmer auf dinglicher Ebene keine Bedeutung zu. 818 Erfolgt ein Statutenwechsel der Sache vom Ausland zum Inland, ergeben sich regelmäßig wegen der geringen Publizitätserfordernisse des deutschen Sachenrechts keine Schwierigkeiten bei Anerkennung und Umsetzung eines im Ausland begründeten Sicherungsrechts. Gegebenenfalls kann die im Ausland unwirksame Rechtsentstehung, falls der Wille der Parteien zur Begründung des Sicherungsrechts in Deutschland bei Eintreffen der Sache noch besteht, dazu fuhren, daß die Sicherheit als nach deutschem Recht bestellt gilt. Wegen der im Ausland zumeist hohen Anforderungen an die Publizität besitzloser Mobiliarsicherheiten gestaltet sich die Rechtslage dagegen häufig ungünstiger, wenn die Sache nach Vereinbarung eines solchen Sicherungsrechts von Deutschland aus in einen anderen Staat verbracht wird. Läßt der Empfängerstaat eine Veräußerung unter Eigenturnsvorbehalt nicht zu, beurteilt sich der Eigenturnserwerb ausschließlich nach seiner Rechtsordnung. Selbst in Systemen kausaler Übereignung nach dem Konsensprinzip geht dann aber das Eigenturn noch nicht mit Grenzüberschreitung der Sache über, da 817 Ein~ rechtfertigende Einwilligung wäre bei einem Anspruch aus § 325 BGB irrelevant, da dessen Tatbestand keine Rechtswidrigkeit erfordert. Anstelle eines Verzichts wäre auch die Annahme eines überwiegenden Wld daher den Anspruch ausschließenden Mitverschuldeos denkbar. 818 Abgesehen von Fragen der Rechtsfähigkeit zu dinglichen Rechtsgeschäften, die sich nach den allgemeinen Regeln beurteilt.

VII. Einzelne kollisionsrechtliche Problemfelder

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zwar der deutsche schuldrechtliche Vertrag unbedingt abgeschlossen wurde, jedoch Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft nach der neuen Rechtsordnung einheitlich zu betrachten sind, so daß ein Übereignungswille der Parteien zum Zeitpunkt des Wechsels des Sachstatuts nicht besteht. Der deutsche Vorbehaltsverkäufer geht somit zunächst nur ein geringes Risiko ein, da er jedenfalls sein Eigentum nicht verliert819 und die ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf Übereignung nach neuem Sachstatut hat, weil sowohl schuldrechtlicher Vertrag als auch eine eventuelle Sicherungsabrede (i.d.R.) dem deutschen Recht unterfallen und dort die Übereignung zumindest schuldrechtlieh erst fiir den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung vereinbart war.820 Materiellrechtlich unproblematisch ist die Rechtslage bei einer nach England oder Frankreich verbrachten Vorbehaltssache, da beide Staaten die Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung ebenfalls formlos zulassen. 821 Wurde in Deutschland eine Sicherungsübereignung vereinbart, handelt es sich dagegen um einen abgeschlossenen dinglichen Tatbestand, so daß eine kollisionsrechtliche Lösung im Wege der Anerkennung erfolgen muß. 822 Neben Deutschland kennen im europäischen Bereich die Niederlande823 und Österreich824 eine Sicherungsübereignung als Form der besitzlosen Mobiliarsicherung. Dagegen muß insbesondere in Frankreich und England davon ausgegangen werden, daß man ihr die Anerkennung unter Berufung auf den dortigen ordre public versagt, da bereits echte besitzlose Pfandrechte strengen Publizitätserfordernissen unterworfen werden. Mit dem Sachwechsel in jene Staaten verliert demzufolge das deutsche Sicherungseigentum seine Wirkung, der Sicherungsgeber wird dort als Eigentümer eingestuft. Einen (wenngleich nur eingeschränkten) Schutz erfährt der deutsche Sicherungsnehmer aufgrund der Sicherungsabrede, die i.d.R. in diesen Konstellationen dem deutschen Schuldrecht unterfällt U.U. resultiert aus ihr ein (Primär-) Anspruch auf Neubestellung einer Sicherheit am Sicherungsgegenstand im Ausland nach dortigem Sachenrecht bzw. ein Schadensersatzanspruch im Wege der vertraglichen Sekundärhaftung. Konnte er dagegen mit einer Ver-

819 Im Konkurs des ausländischen Unternehmens kann er es jedoch u.U. nicht geltend machen. 820 Sollte dies verneint werden, kann der inländische Veräußerer die Übereignung zumindest im Wege eines Zurückbehaltungsrechtes verweigern. 821 Zu konkursrechtlichen Fragen der Sicherungsübereignung siehe unten sechstes Kapitel 12. 822 Vgl. Soerge//Luderitz Art. 38 EGBGB Anh. II Rdnr. 61. 823 Von der dortigen Rechtsprechung formlos zugelassen; jedoch ist fraglich, ob dies auch nach neuererRechtslagenoch gilt, vgl. Staudinger/Stol/ IntSachenR Rdnr. 343. 824 Nur bei Erfullung besonderer Formerfordernisse gern. §§ 451 , 427 ABGB, vgl. Staudinger!Stol/ lntSachenR Rdnr. 343.

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

bringung der Sache ins Ausland rechnen, sind auch solche Ansprüche ausgeschlossen bzw. reduziert. Mittelbaren Schutz wird dem inländischen Vertragspartner im Wege der Abschreckung dadurch zuteil, daß bei Verbringung des Sicherungsgutes ins Ausland dem Handelnden u.U. Sanktionen des deutschen Strafrechts drohen. 825 Jedoch dürfte die Erfiillung deutscher Straftatbestände gerade bei Zweigniederlassungen häufig am fehlenden, wenigstens bedingten Vorsatz des Handelnden scheitern, soweit die Verschiebung von Vennögensgegenständen zwischen Zweig- und Hauptniederlassungen zum üblichen Betriebsablauf zu zählen ist. Mithin birgt der geschäftliche Kontakt mit einer ausländischen Zweigniederlassung in Deutschland für den inländischen Kontrahenten auch auf dinglicher Ebene Risiken. Um ihnen auszuweichen, ist ihm immer dann, wenn der Auslandsbezug seines Gegenübers erkennbar ist und er folglich mit einer Verbringung eines nicht in seinem Besitz befindlichen Sicherungsgegenstandes in das Ausland rechnen kann, zu raten, sich ein Faustpfandrecht einräumen zu lassen oder ein Grundpfandrecht an in Deutschland belegeneo Immobilien des ausländischen Unternehmens zu erwerben bzw. auf Personalsicherheiten auszuweichen.

VIII. Ergebnisse der Fragestellungen zum IPR der Zweigniederlassung 1. Grundsätzliche Einordnung Die internationalprivatrechtliche Behandlung deutscher Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen richtet sich nicht pauschal nach dem am Ort der Zweigniederlassung geltenden Recht (Wirkungsstatut). Ebenso überzeugt die Anwendung der jeweils drittgünstigeren Rechtsordnung nicht. Vielmehr gibt, einerseits aus Gründen der Rechtssicherheit, andererseits zum Zwecke der Förderung von Inlandsinvestitionen durch ausländische Träger und schließlich, um eine zukünftige reziproke Einordnung von ausländischen Zweigniederlassungen deutscher Unternehmen nach ihrem Heimatrecht zu

825 In Betracht kommt eine Unterschlagung gern. § 246 I StGB, wenn im Ausland deutsches Sicherungseigentum nicht anerkannt wird. Möglich erscheint auch eine Vereitelung der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 288 I StGB sowie- sofern insoweit die Sicherungsübereignung einem Pfandrecht gleichgestellt werden kann - eine Pfandkehr gern. § 289 StGB. Dagegen dürfte der Bankrottatbestand des § 283 I Nr. l StGB daran scheitern, daß der Gegenstand durch Verbringung ins Ausland nicht notwendigerweise dem Konkursverfahren entzogen wird, da ein solches auch im Ausland noch möglich ist; relevant kann dieser Tatbestand dagegen werden, wenn ein gegenständlich auf die Zweigniederlassung beschränktes Insolvenzverfahren bevorsteht.

VTII. Ergebnisse der FragestellWlgen zum IPR der ZweigniederlassWlg

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initiieren, grundsätzlich das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut des Gesamtunternehmens den Ausschlag. Letzteres ist entgegen der wohl herrschenden Lehre nicht durch eine analoge Anwendung des Art. 12 S. 1 EGBGB einzuschränken, da eine solche Analogie letztlich die Gründe, die zur Anwendung des Gesellschaftsstatuts gefiihrt haben, unterläuft und überdies bereits die Analogiefahigkeit der Norm zu verneinen ist. Der Schutz des inländischen Rechtsverkehrs vor unbekannten Beschränkungen des Auslandsrechts bestimmt sich dagegen nach dem Modell der abstrakten Erkennbarkeil des Auslandsbezuges. Ergibt sich fiir einen inländischen Kontrahenten ein Anhaltspunkt des ausländischen Ursprungs der Zweigniederlassung, obliegt ihm eine Erkundigungspflicht nach den Regelungen des Gesellschaftsstatuts. Erst wenn diese Nachforschungen mißlungen sind, was der Betreffende nachzuweisen hat, wird ein Rückgriff auf die Bestimmungen des deutschen Rechts möglich. Grundlage einer solchen Sonderanknüpfung im Einzelfall ist nicht Art. 12 S. 1 EGBGB analog, sondern der deutsche ordre public. Fremdartige Rechtsbeschränkungen können zwar möglicherweise in das deutsche Handelsregister der Zweigniederlassung eingetragen werden, doch besteht keine Eintragungspflicht, so daß die Publizitätswirkungen des§ 15 HGB nicht greifen. Die Erkennbarkeil des Auslandsbezuges muß sich bei firmenfahigen Rechtsträgern aus der Firma, bei sonstigen Trägern z.B. aus der Geschäftsbezeichnung der Zweigniederlassung ergeben. Da der deutsche Grundsatz der Firmenwahrheit insoweit anzuwenden ist, läßt sich das Erkennbarkeitsmodell zumindest gegenüber kaufmännischen Unternehmen auch (firmen-) aufsichtsrechtlich absichern. 2. Reichweite Das Gesellschaftsstatut unter Hinzuziehung des Modells der (abstrakten) Erkennbarkeil des Auslandsbezuges bestimmt in diesem Sinne die Rechtsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung des ausländischen Unternehmens bei Handeln über eine Zweigniederlassung, auch wenn geltend gemachte Beschränkungen dem inländischen Recht unbekannt sind. Da fiir den Bereich des Vertragsrechts gesetzliche Regelungen in Artt. 27 ff. EGBGB bestehen, findet dort das Gesellschaftsstatut keine Anwendung. Sofern das Vertragsstatut nicht aufgrund einer wirksamen Rechtswahl vom deutschen Recht abweicht, greift bei einer Erbringung der charakteristischen Vertragsleistung durch die inländische Zweigniederlassung die Vermutung des Art. 28 II 2 Hs. 2 EGBGB zugunsten der engsten Verbindung des Vertrages zum Ort der Zweigniederlassung, so daß deutsches Recht zur Anwendung gelangt. Wird zwischen Zweigniederlassung und inländischem Vertragspartner ein Versendungskauf mit Direktlieferung durch die Hauptniederlassung vereinbart, verweist die

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

Vermutung des Art. 28 II 2 Hs. 1 EGBGB zwar grundsätzlich auf das Vertragsrecht am Sitz der Hauptniederlassung, doch ist m.E. dennoch der vertragliche Schwerpunkt am Sitz der Zweigniederlassung zu verorten, so daß auch in diesem Fall deutsches Vertragsrecht anwendbar wird. Willenserklärungen, Willensmängel sowie die Einbeziehung von AGB beurteilen sich über Art. 31 EGBGB nach dem zuvor ermittelten Vertragsstatut, wobei bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Kaufleuten internationale Handelsbräuche berücksichtigt werden düJfen. Die vertragliche Haftung kann auf das Vermögen, das wirtschaftlich der Zweigniederlassung zugeordnet ist, beschränkt werden; jedoch scheidet wegen der rechtlichen Einheit der Unternehmensteile ein genereller Haftungsausschluß der Hauptniederlassung aus. Über Art. 32 I Nr. 3 EGBGB unterliegen auch die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen einschließlich der culpa in contrahendo dem Vertragsstatut; gleiches gilt fur die Leistungskondiktion über Art. 32 I Nr. 5 EGBGB. Das UN-Kaufrecht (CISG) kommt bei Kaufverträgen zwischen Zweigniederlassungen und Inländern regelmäßig nicht zur Anwendung. Für die gewillkürte Stellvertretung des ausländischen Unternehmens im Wirkungskreis der Zweigniederlassung ergeben sich z.T. argumentative Unterschiede zwischen den besonderen kaufmännischen Vertretungsformen und den sonstigen Vollmachten. Da der Umfang der Vertretungsmacht ständiger Vertreter von Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften gemäß § 13 e II 4 Nr. 3 HGB in das deutsche Handelsregister einzutragen ist, greift diesbezüglich die Registerpublizität des § 15 HGB. Hieraus läßt sich schließen, daß im Hinblick auf solche Unternehmensträger fiir Vertretungsformen, die der deutschen Prokura bzw. der umfassenden Handlungsvollmacht gleichkommen, bei Eintragung im Handelsregister grundsätzlich das Personalstatut gilt. Auf sonstige Formen der gewillkürten Stellvertretung findet ebenfalls das Recht der Hauptniederlassung Anwendung, sofern der inländische Kontrahent der Zweigniederlassung den Auslandsbezug erkennen kann. Die von den Vertretern eines eigenständigen Vollmachtsstatuts vorgebrachten Argumente mögen bei Vollmachten, die direkt aus dem Ausland heraus betätigt werden, überzeugen, schlagen jedoch bei Zweigniederlassungen im Inland nicht durch. Dem Leitgedanken der vorleistenden Reziprozität kommt somit auch fiir die gewillkürte Vertretung einer Zweigniederlassung Bedeutung zu. Eine Ausnahme gilt fiir Vollmachten zu Verfugungen über lmmobiliarsachenrechte. Sie richten sich nach der Iex rei sitae. Gesondert zu beurteilen sind auch Anscheins- und Duldungsvollmacht. Maßgeblich ist hier aufgrund überwiegender Verkehrsschutzinteressen das Recht am Ort der Entstehung des Rechtsscheins; dem inländischen Gegner steht allerdings kein Wahlrecht zwischen diesem und dem Gesellschaftsstatut zu. Lediglich dann, wenn das Recht der Hauptniederlassung Vollmachten

VIIT. Ergebnisse der Fragestellungen zum IPR der Zweigniederlassung

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kraft Rechtsscheins nicht kennt, kommt eine Einschränkung der inländischen Wirkung über eine Analogie zu Art. 31 II EGBGB in Betracht. Die Möglichkeit, das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters der Zweigniederlassung zu genehmigen, richtet sich nach dem Personalstatut des vertretenen Unternehmens; da der Kontrahent in diese Genehmigung nur mittelbar involviert ist, bedarf es keiner weiteren Begrenzung nach Erkennbarkeitskriterien. Dagegen bestimmt das Statut des vom Vertreter abgeschlossenen Geschäfts über die Haftung des falsus procurator. Firmenbildung und Firmengebrauch handelsrechtlicher Zweigniederlassungen unterfallen grundsätzlich dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut Sieht das Heimatrecht dies vor, kann die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens mithin eine eigenständige Firma fuhren. Einschränkungen ergeben sich aus deutschen Firmenrechtsgrundsätzen, soweit diese den inländischen ordre public zum Ausdruck bringen. Neben der Unterscheidbarkeit der Firma von bereits vorhandenen Bezeichnungen läßt sich aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit ableiten, daß der Auslandsbezug in der Firma zu erkennen gegeben werden muß. Nicht erforderlich sind indessen aus deutscher Sicht ein konkreter Zweigniederlassungszusatz, Hinweise auf die Rechtsform des Gesamtunternehmens oder Übersetzungen. Dem Wirkungsstatut, d.h. dem deutschen Recht, unterfällt zum Schutz unbeteiligter Gläubiger dagegen die Haftung für Altschulden bei Erwerb eines inländischen Unternehmens mit Fortführung der Firma. § 25 I HGB ist infolgedessen stets dann anwendbar, wenn ein inländisches Unternehmen unter Beibehaltung der Firma als Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens weitergeführt wird. Der Schutz der Firma einer Zweigniederlassung bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesellschaftsstatut, wobei er denjenigen, der durch das inländische Recht gewährt wird, nicht übersteigen darf. Im Anwendungsbereich der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums gilt dagegen der Territorialitätsgrundsatz, so daß sich auch der Firmenschutz ausländischer Zweigniederlassungen dann allein nach deutschem Recht richtet. Eine einheitliche Anknüpfung scheidet für die Kaufmannseigenschaft des ausländischen Unternehmens aus, weil sie sich nicht aus dem jeweiligen Zusammenhang herauslösen läßt. Insbesondere scheitert ein Rückgriff auf das Personalstatut daran, daß kaufmännische Sonderregelungen nicht allen Rechtsordnungen bekannt sind. Für das Registerrecht (§ 13 d HGB) ist der Kaufmannsbegriff aus Ordnungsgesichtspunkten nach deutschem (Wirkungs-) Recht zu bestimmen; da hierfür die Methode der Substitution gewählt wird, kann Besonderheiten des ausländischen Rechts zumindest partiell Rechnung getragen werden. Gleiches gilt für die Buchfiihrungspflicht in §§ 238 bis 263 HGB, die einen aus deutscher Sicht als Kaufmann einzustufenden Unterneh-

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Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordnung

mensträger nur in bezug auf seine Zweigniederlassung trifft. Im Rahmen der Handelsgeschäfte und allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt eine unselbständige Anknüpfung an das Vertragsstatut Ansatzpunkt für die Bestimmung der Eigenschaft als Kaufmann ist nie die Zweigniederlassung allein, sondern stets das gesamte Unternehmen. Für Arbeitsverhältnisse, die am Ort der Zweigniederlassung für Tätigkeiten im Rahmen derselben abgeschlossen werden, kommt ohne eine Rechtswahl über Art. 30 II Nr. 1 bzw. 2 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung. Ist der ausländische Unternehmensträger Partei eines Tarifvertrages, wirkt dieser auch für die Arbeitsverhältnisse der Zweigniederlassung. Gehört der Träger dagegen keinem Tarifverband an, kann der Tarifvertrag der entsprechenden Branche dennoch über eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung Wirkungen entfalten. Dies ist zumindest der Fall, wenn sich die fraglichen Arbeitsverhältnisse nach deutschem Recht richten. Unterliegt ein Arbeitsverhältnis am Ort einer Zweigniederlassung dagegen ausländischem Recht, wirkt sich die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit darauf nur aus, wenn dies in besonderer Weise gesetzlich angeordnet wird, so in§ 1 AEntG. Die betriebliche Mitbestimmung für den Bereich der Zweigniederlassung unterfällt als Ausdruck des ordre public deutschem Recht (als Wirkungsstatut). Hingegen ist für die unternehmerische Mitbestimmung nur das Personalstatut maßgeblich, da anderenfalls durch deutsches Recht in die Gesamtstruktur des ausländischen Unternehmens eingegriffen würde. Ebensowenig besteht eine Pflicht zur Umgründung von Zweigniederlassungen in deutsche Tochtergesellschaften. Nur in Einzelfällen ist bei einer gezielten Umgehung deutscher unternehmerischer Mitbestimmung durch Griindung ausländischer, dort aber untätiger Gesellschaften mit inländischen Zweigniederlassungen die Anwendung deutschen Rechts denkbar. Wird im Zusammenhang mit der Tätigkeit einer Zweigniederlassung ein Delikt verübt, so richtet sich die daraus resultierende Haftung nach dem Recht des Ortes, an dem die Rechtsgutverletzung eintritt, also in der Regel nach deutschem Recht; auf ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen dem Recht des Handlungs- oder Erfolgsortes ist im Interesse der Rechtsklarheit zumindest gegenüber ausländischen (Handels-) Gesellschaften zu verzichten. Das Deliktsstatut bestimmt zugleich darüber, ob und in welchem Umfang der ausländische Unternehmensträger für das Handeln von Organen oder Verrichtungsgehilfen . einzustehen hat. Hierbei sind die Begriffe "Organ" bzw. "Verrichtungsgehilfe" nicht dem Gesellschaftsstatut unterworfen, sondern unselbständig ebenfalls auf der Grundlage des Deliktsstatuts zu definieren. Kommt deutsches Deliktsrecht zur Anwendung, läßt sich der Leiter der betreffenden Zweigniederlassung als Organ i.S.d. § 31 BGB einordnen, selbst wenn der gesellschaftsrechtliche Organbegriff nicht erfüllt sein sollte. Ein ultra-

VIII. Ergebnisse der Fragestelhmgen zwn IPR der Zweigniederlassung

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vires-Einwand des ausländischen Unternehmens kann einer deliktischen Inanspruchnahme zwar nicht pauschal, wohl aber im Rahmen von § 31 BGB entgegengehalten werden, wenn das Organ die deliktische Handlung nicht "in Ausfiihrung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen hat, da der Kreis jener Verrichtungen sich als selbständige Vorfrage nach dem Personalstatut bestimmt. Deliktsfähigkeit, Organisationsverschulden und Produzentenhaftung richten sich dagegen unselbständig nach dem Deliktsstatut Ob eine Norm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB darstellt, ist jeweils selbständig festzustellen. Dingliche Rechtsgeschäfte, die unter Beteiligung der Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens abgeschlossen werden, unterfallen dem Recht des Belegenheilsortes zum Zeitpunkt des Rechtsüberganges. Eine Wahl des Sachstatuts ist auch dann abzulehnen, wenn ein Gebietswechsel während eines noch nicht abgeschlossenen Erwerbstatbestandes dem Willen der Vertragsparteien entspricht. Werden Gegenstände nach vorheriger inländischer Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes zugunsten des ausländischen Unternehmens oder nach Abschluß einer Sicherungsübereignung zugunsten eines inländischen Gläubigers über die Zweigniederlassung aus dem Ausland eingeführt, ist auf den Eigentumsübergang im ersten Fall aufgrunddes unbeendeten Tatbestandes deutsches, im zweiten ausländisches Sachenrecht anzuwenden. Kennt letzteres eine Sicherungsübereignung nicht, darf jedoch regelmäßig davon ausgegangen werden, daß der entsprechende Parteiwille auch nach Einfuhr der Sache ins Inland fortbesteht, so daß eine originäre Entstehung des Rechts nach inländischen Normen begründet werden kann. Wechselt eine Sache, die nach inländischer Vereinbarung am Ort der Zweigniederlassung einem (einfachen) Eigentumsvorbehalt bzw. einer Sicherungübereignung zugunsten eines deutschen Kontrahenten unterliegt, ihren Lageort in das Ausland (insbesondere zur Hauptniederlassung des Unternehmens), sind Konflikte in bezug auf den Eigentumsvorbehalt auf der Ebene des Kollisionsrechts, bezüglich der Sicherungübereignung auf deijenigen der Anerkennung zu lösen. Der Tatbestand des Eigentumsübergangs ist bei einem vereinbarten Eigentumsvorbehalt noch nicht abgeschlossen. Mithin regelt den Bigenturnsübergang allein die neue Iex rei sitae; auch in Systemen mit kausaler Übereignung reicht die Willensübereinstimmung aus dem in Deutschland geschlossenen schuldrechtlichen Vertrag hierzu nicht aus. Sicherungsübereignungen, deren Tatbestand stets vor dem Statutenwechsel abgeschlossen ist, werden insbesondere in England und Frankreich nicht anerkannt. Anwartschaftsrechte beurteilen sich als Minus zum Vollrecht ausschließlich nach der neuen lex rei sitae, auch wenn sie nach altem Sachstatut schon entstanden sein sollten. Verliert ein inländischer Kontrahentaufgrund einer Verbringung des Vertragsgegenstandes in das Ausland sein Sicherungseigentum, verbleiben ihm lediglich schuldrechtliche Sekundäransprüche; diese richten sich, da der 16 Rinne

242

Drittes Kapitel: Die internationalprivatrechtliche Einordmmg

Vertrag im Inland über die Zweigniederlassung geschlossen wurde, im Regelfall nach deutschem Recht. 3. Bewertung Die Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt, daß die Lösung internationalprivatrechtlicher Kollisionsprobleme im Zusammenhang mit deutschen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in zahlreichen Fällen zugunsten des Personal- bzw. Gesellschaftsstatuts des Unternehmensträgers ausfallen und ein Inländerschutz entgegen den mehrheitlichen Auffassungen auf die bloße Erkennbarkeil des Auslandsbezuges der Zweigniederlassung beschränkt werden kann. Zugleich ist zuzugeben, daß sich einige Ergebnisse, die das Erkennbarkeitsmodell nach sich zieht, methodisch in mehreren Bereichen auch über eine analoge Anwendung des Art. 12 S.1 EGBGB hätten erreichen lassen. Da jene Norm fremdartige Rechtsbeschränkungen des ausländischen Personalstatuts in ihrer Wirkung u.a. an ein Kennenmüssen, mithin an eine fahrlässige Nichtkenntnis des anderen Teils,826 knüpft und der Begriff der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit einer Entwicklung voraussetzt,827 wäre es auch bei ihrer analogen Heranziehung grundsätzlich möglich gewesen, über eine Modifikation des konkreten Sorgfaltsmaßstabes die Kriterien für Sonderanknüpfungen aus Gründen des Verkehrsschutzes einzuengen. Selbst dann könnten jedoch die grundsätzlichen Bedenken gegen die Analogiefahigkeit der Norm nicht überwunden werden. Überdies bliebe die zu Beginn abgelehnte Verteilung der Beweislast auf diese Weise bestehen. Mithin rechtfertigt sich insgesamt die Konstruktion des Erkennbarkeitsmodells ohne jeden Rückgriff auf Art. 12 S.1 EGBGB. Bewußt wurde in diesem Zusammenhang auf die besondere Konstellation der Betätigung über eine Zweigniederlassung abgestellt. Die Ergebnisse sind folglich nicht oder nur beschränkt veral1gemeinerungstahig; tritt ein ausländisches Unternehmen rechtsgeschäftlich unmittelbar im Inland in Erscheinung, kann sich die Interessenlage u.U. zugunsten des inländischen Verkehrs so weit verschieben, daß eine Beurteilung anband des· Wirkungsstatutes erforderlich wird. Zugleich kommt indessen zum Ausdruck, daß einige Rechtsbereiche im Zusammenhang mit der Betätigungsform einer Zweigniederlassung dem Allwendungsbereich des Personalstatuts entzogen sind. Dies gilt in erster Linie im Rahmen der (spärlich vorhandenen) gesetzlichen Regelungen, darüber hinaus für die deliktische Haftung sowie Fragen des Sachenrechts, trifft aber 826 Die Legaldefmition des Kennenmüssens in § 122 II BGB ist zwar im IPR nicht unmittelbar anwendbar, läßt sich aber zur Auslegung hinzuziehen. 827 Palandt/Heinrichs § 276 BGB Rdnr. 20.

VIII. Ergebnisse der Fragestellungen zum IPR der Zweigniederlassung

243

aus systematischen oder Wertungsgründen auch auf Bestandteile anderer Bereiche, wie etwa die Beurteilung von Anscheinsvollmachten oder die Haftung eines falsus procurator, zu. Von Bedeutung ist darüber hinaus stets, ob Aspekte von Einzelgebieten systematisch als selbständige Vorfragen oder unselbständige Teilfragen eingeordnet werden. Während im erstgenannten Fall Kollisionsnormen originär gebildet werden können, ist bei Teilfragen eine Abweichung vom systematischen Zusammenhang allenfalls über Sonderanknüpfungen zu erreichen. 4. Vereinbarkeit des methodischen Ansatzes mit der Sitztheorie Auf den ersten Blick könnte der hier bevorzugte Zugriff auf das Personalstamt zur Lösung kollisionsrechtlicher Fragestellungen, der nur geringen Einschränkungen zugunsten des Rechtsverkehrs unterworfen wird und sich nach außen als vorleistende Rechtsbildung mit dem Ziel einer internationalen Liberalisierung charakterisiert, in Konflikt mit der wohl noch herrschenden deutschen Auffassung zum internationalen Gesellschaftsrecht geraten, die die Verhältnisse einer Gesellschaft nach der Rechtsordnung an ihrem effektiven Verwaltungssitz beurteilt (sog. Sitztheorie)828 • In der Tat laufen die Motivation der Sitztheorie, aus Gründen staatlicher Kontrolle Gesellschaften ausländischen Rechts mit effektivem Inlandssitz die Anerkennung zu versagen, und der hier favorisierte Gedanke der vorleistenden, für den ausländischen Investor günstigen Normbildung einander zunächst zuwider. Doch löst sich dieser scheinbare Widerspruch auf, wenn der Vorleistungsgedanke auf den spezifischen Zusammenhang mit Zweigniederlassungen beschränkt wird. Sie kennzeichnen sich gerade dadurch, daß der Hauptsitz im Ausland verbleibt und nur eine unselbständige Einheit im Inland errichtet wird. Ist aber das (fremde) Personalstatut des Hauptsitzes vorgegeben und damit den ordnungspolitischen Zielen der Sitztheorie ohnehin entzogen, können ihre Absichten nicht mehr durchschlagen. Da die Gründung von Zweigniederlassungen in Deutschland als Investitionsform erwünscht ist, darf nicht der Versuch erfolgen, ordnungspolitische Restriktionen mittelbar auf Unternehmen ausländischen Rechts auszuweiten. Bezieht sich die Sitztheorie aber nur auf inländische Unternehmenshauptsitze, sind die Motive zur kollisionsrechtlichen Normbildung gegenüber Zweigniederlassungen durch sie keinen Beschränkungen unterworfen und dürfen andere Wege gehen.

828

16*

Übersicht bei Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 17 ff.

Viertes Kapitel

Aufsichtsrechtliche Bestimmungen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen sind in Deutschland neben der bereits erwähnten Finnenaufsicht - weiteren aufsichtsrechtlichen Regelungen unterworfen. Da das Aufsichtsrecht auf staatlichen Interessen fußt, ist in diesem Bereich fiir eine Anwendung des Personal- bzw. Gesellschaftsstatuts kein Raum. Statt dessen muß, sofern keine besonderen fremdenrechtlichen Nonnen existieren, ermittelt werden, ob der Zweck der fraglichen Vorschrift eine derartige unselbständige Betätigung im Inland erfaßt. Die Erörterung beschränkt sich dabei auf einige wesentliche Punkte.

I. Gewerberecht Nach früherer Rechtslage bedurfte ein deutscher Gewerbebetrieb einer ausländischen juristischen Person, mithin auch derjenige, der die Tatbestandsvoraussetzungen einer Zweigniederlassung erfüllte, gemäß § 12 I GewO einer Erlaubnis; freigestellt waren über § 12 a GewO lediglich juristische Personen aus Mitgliedstaaten der EWG. Diese fremdenrechtliehen Nonnen wurden durch Gesetz vom 25.7.1984 ersatzlos gestrichen.

1. Anzeigepflicht Nunmehr erfordern alle Zweigniederlassungen des stehenden Gewerbes gemäß § 14 I 1 GewO eine Anzeige an die zuständige Behörde des betreffenden Ortes. 1 Obgleich der Wortlaut der Norm nur den "Betrieb einer Zweigniederlassung" voraussetzt, wird allgemein aus dem systematischen Zusammenhang abgeleitet, daß die Anzeigepflicht lediglich besteht, wenn die begonnene Tätigkeit (in bezug auf das gesamte Unternehmen) ein Gewerbe darstellt. 2 Ge1 Daß eine gewerbliche Zweigniederlassung stets dem stehenden Gewerbe zuzuordnen ist und somit den §§ 14 ff. GewO unterfll.llt, ergibt sich m.E. schon aus ihrer Eigenschaft als Niederlassung; einschränkend Fröhler!Konnann § 14 GewO Rdnr. 3. 2 Landmann/Rohmer/Marcks § 14 GewO Rdnr. 13; Sieg/Leifennann/Jettinger § 14 GewO Rdnr. 6 (Definition wie handelsrechtliche Zweigniederlassung).

I. crewerberecht

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werbe i.S.d. Gewerberechts ist jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, selbständige Tätigkeit, die fortgesetzt und nicht nur gelegentlich ausgeübt wird, mit Ausnahme der Urproduktion, der Verwaltung eigenen Vennögens, künstlerischer und schriftstellerischer Berufe sowie persönlicher Dienstleistungen höherer Art. 3 Zweigniederlassungen von Freiberuflern sind demnach anzeigefrei. 4 Unerheblich fiir die Anzeigepflicht ist es dagegen, ob es sich um ein zulassungsbedürftiges Gewerbe (§§ 29 bis 40 GewO) handelt. 5 Da die Anzeige gemäß § 14 I 3 GewO dazu dient, der zuständigen Behörde die Überwachung der Gewerbeausübung zu ennöglichen, dieser Überwachungszweck aber unabhängig von der Herkunft des Unternehmensträgers greift, gilt § 14 I 1 GewO auch fiir Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen. Die Anzeigepflicht trifft bei juristischen Personen die Gesellschaft als solche, bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit alle geschäftsfiihrenden Gesellschafter,6 nicht aber den Betriebsleiter oder Geschäftsfiihrer der Zweigniederlassung, weil diese Personen nicht als Gewerbetreibende anzusehen sind. 7 Erfüllt werden kann sie dagegen durch alle vertretungsberechtigten Personen. Sie entsteht mit dem Betriebsbeginn, i.e. der ersten Handlung, die von außen als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr erscheint, worunter auch Vorbereitungshandlungen fallen können. 8 Auf eine korrekte Anzeige hin wird gemäߧ 15 I GewO eine Anmeldebestätigung (sog. Gewerbeschein) erteilt; sie stellt keinen Verwaltungsakt dar, 9 hat also keine rechtseinschränkende oder -begründende Wirkung. Eine Auflösung der Zweigniederlassung muß als Aufgabe des Betriebes über§ 14 I 2 Nr. 3 GewO ebenfalls angezeigt werden. 10 Gleiches gilt, wenn die Zweigniederlassung in eine selbständige Tochtergesellschaft umgegründet wird, da ein Inhaberwechsel stattfindet. 11 Das Unterlassen der Anzeige stellt gemäß § 146 II Nr. 1 GewO eine Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß § 146 III 3. Alt. GewO eine Geldbuße von bis zu zweitausend DM nach sich ziehen kann. Nicht jedoch kann allein aufgrund einer unterlassenen Anzeige eine Gewerbeuntersagung 3 Amdt in Steiner, BesVervvR, VII Rdnr. 235; ähnl. Badura in Schmidt-Aßmann, BesVervvR, 3. Abschnitt Rdnr. 119. 4 Vgl. Landmann/Rohmer/Marcks § 14 CJewO Rdnr. 13. 5 Friauf!Heß § 14 CJewO Rdnr. 4 . 6 Landmann/Rohmer/Marcks § 14 CJewO Rdnr. 55; Sieg/Leifermann/Jettinger § 14 CJewO Rdnr. 14. 7 Fröhler/Kormann § 14 CJewO Rdnr. 22; vgl. Friauf!Heß Vorb. vor § 14 CJewO Rdnr. 21. 8 Sieg/Leifermann/Jettinger § 14 CJewO Rdnr. 8 u. Rdnr. 15 (unverzügliche An zeige). 9 Amdt in Steiner, BesVervvR, VII Rdnr. 254. 10 Sieg/Leifermann/Jettinger § 14 CJewO Rdnr. 11 . 11 Fröhler/Kormann § 14 CJewO Rdnr. 15; Friauf!Heß § 14 CJewO Rdnr. 19.

246

Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

erfolgen. 12 Gemäß § 53 b I 3 KWG bleibt das Anzeigeerfordernis auch fiir Zweigstellen europäischer Kreditinstitute, die unter die EG-Bankenrichtlinie13 fallen, erhalten. 2. Untersagung des Gewerbebetriebes Die Fortsetzung des Betriebes eines Gewerbes kann gern. § 15 II 1 GewO untersagt werden, wenn eine erforderliche gewerberechtliche Zulassung fehlt. Hierunter fallt nicht die unterlassene Gewerbeanzeige. 14 Derartige Erlaubnisoder Genehmigungsbedürfnisse ergeben sich aus den§§ 29-40 GewO sowie gewerberechtlichen Nebengesetzen, 15 stellen aber vor dem Hintergrund der Gewerbefreiheit des § 1 I Gew016 Ausnahmen dar. Eingeschränkt wird die Möglichkeit einer Untersagung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.17 Speziell der inländische Gewerbebetrieb ausländischer juristischer Personen und demnach gerade der Betrieb ihrer inländischen Zweigniederlassungen kann über § 15 II 2 GewO untersagt werden, wenn ihre Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird. Dies gilt trotz des unklaren Wortlautes, der auf§ 15 II 1 GewO verweist, auch dann, wenn nicht gegen eine Erlaubnis-, Genehmigungs- oder Anzeigepflicht verstoßen wurde.18 Allerdings stellt die fehlende Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft einen Ausnahmefall dar und greift nach der herrschenden Sitztheorie nur, wenn sich der effektive Verwaltungssitz einer nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft in Deutschland befindet, die deutschen gesellschaftsrechtlichen Gründungsvorschriften aber nicht eingehalten worden sind.

12 Amdt in Steiner, BesVerwR, VII Rdnr. 254. 13 Zur Bankenaufsicht siehe unten Gliederungspunkt Ill.

Scholz!Manssen, S. 14. Etwa§§ 8, 37, 80 GüKG, § 2 PersBeiD. In anderen Gesetzen existieren Untersagungsnonnen, die§ 15 II 1 GewO vorgehen, etwa§ 16 II11 HandwO. 16 Die Gewerbefreiheit gilt auch für Ausländer, die sich nicht auf Art. 12 GG berufen können. 17 Sehr strittig ist dabei, ob die bloß fonneUe Rechtswidrigkeit des Gewerbes, i.e. das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung, bereits eine Untersagung gern. § 15 II 1 GewO rechtfertigt: dafür VGH Baden-Worttemberg, Urt. v. 1.12.92 (14 S 2038/91), GewArch 93, 203, 203; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.2.84 (4 B 2552/83), GewArch 84, 332, 333; Friauf!Heß § 15 GewO Rdnr. 27; dagegen OVG Lüneburg, Urt. v. 23.11.83 (9 OVG A 52/82), GewArch 84, 298, 299; Sieg/Leifermann!Iettinger § 15 GewO Rdnr. 8; Landmann/Rohmer!Marcks § 15 GewO Rdnr. 8; Fröhler!Kormann § 15 GewO Rdnr. 16. 18 Friauf!Heß § 15 GewO Rdnr. 45; Sieg/Leifermann!Iettinger § 15 GewO Rdnr. 12. 14

15

II. Kartellrecht

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3. Publizität In § 15 a GewO wird die Anbringung von Namen (Absatz 1) bzw. Finna (Absatz 2) an Außenseite oder Eingang des gewerblichen Betriebes vorgeschrieben. Zweigniederlassungen sind zwar nicht ausdrücklich erwähnt, fallen aber dann unter "sonstige offene Betriebsstätten", wenn sie jedermann zur Anbahnung von Rechtsgeschäften zugänglich sind. 19 Da die gewerbliche Zweigniederlassung der Gewinnerzielung dient, ist dies regelmäßig der Fall. Muß als Ergebnis der kollisionsrechtlichen Untersuchungen die Firma der ausländischen Zweigniederlassung den Auslandsbezug erkennen lassen, kann § 15 a GewO somit im Bereich gewerblicher Zweigniederlassungen zur Stützung jenes oben entwickelten Erkennbarkeitsmodells herangezogen werden, indem auf diese Weise die formelle der inhaltlichen Kenntnisnalune einer solchen Firma vorgeschaltet wird. Eine fremdenrechtliche Sondervorschrift fiir Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen enthält § 15 b II GewO. Sie müssen (zusätzlich zu den Anforderungen des§ 15 a GewO) zum Schutz inländischer Gläubige.-2° auf Geschäftsbriefen den Ort und den Staat des Satzungs(haupt)sitzes sowie die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens angeben. Die Norm ergänzt die seit 1993 geltenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen fiir Geschäftsbriefe und Bestellscheine von Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften (§ 80 IV AktG) und Gesellschaften mbH (§ 35 a IV GmbHGi1 und verwirklicht demnach ebenfalls die Erkennbarkeit des Auslandsbezuges. Nicht anzuwenden ist sie gemäß Abs. 3 auf juristische Personen aus der Europäischen Gemeinschaft. Verstöße gegen §§ 15 aJb können dieselben Sanktionen wie bei unterlassener Anzeige zur Folge haben (§ 146 III Alt. 3 i.V.m. II Nr. 2 GewO). Nicht anwendbar sind die genannten Regelungen der Gewerbeordnung auf Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsuntemehmen. Dies ergibt sich aus§ 6 S. 2 Hs. 2 GewO.

II. Kartellrecht Für das Kartellrecht bietet die Betätigungsform der Zweigniederlassung keinen speziellen gesetzlichen Ansatzpunkt, da jeweils an den Begriff des Unter-

Vgl. Friauf!Heß § 15 a GewO Rdnr. 6 (S. 7). § 15 b GewO Rdnr. 3. 21 Ob§ 15 b II GewO noch erforderlich ist, erscheint seit der Ergänzung der §§ 80 AktG, 35 a GmbHG zweifelhaft, da die Norm ursprünglich eingefilhrt wurde, wn die jene frühere Lücke im Gesellschaftsrecht auszuftlllen; vgl. amtl. Begründung zu § 15 b II, BT-Drucks. 10/1125 S. 16 li.Sp. (Erkennbarkeit der ausländischen Herkunft fiir den Geschäftspartner bezweckt). 19

20 Sieg/Leifermann/Tettinger

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Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

nehmens angeknüpft wird?2 Gleichwohl spielt ihre Unselbständigkeit insoweit eine Rolle, als das GWB im Gegensatz zu Tochtergesellschaften in Deutschland nicht ohne weiteres anwendbar ist. 1. Artt. 85 und 86 EG-Vertrag

Dem deutschen nationalen Kartellrecht gehen die Regelungen des Europäischen Kartellrechts (Artt. 85 und 86 EG-Vertrag) vor, soweit sie den betreffenden Sachverhalt tatsächlich erfassen. 23 Ihre Bestimmungen gelten in den Mitgliedstaaten unmittelbar. 24 Neben den einzelnen Tatbeständen zur Kartellbildung bzw. zum Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung setzen beide Normen jeweils voraus, daß das zu sanktionierende Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt nach der Rechtsprechung des EuGH vor, wenn eine Maßnahme unmittelbar oder mittelbar geeignet ist, die Freiheit des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann. 25 Hierzu erfolgt jeweils eine Wahrscheinlichkeitsprognose anband der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände. 26 Wird ein Unternehmen mit Hauptsitz in einem EU-Mitgliedstaat über eine Zweigniederlassung in Deutschland in kartellrechtlich relevanter Weise tätig, so fiihrt jedoch nicht allein die rechtliche Einheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassung dazu, daß das betreffende Verhalten schon eine Eignung zur zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung aufweist. Unerheblich ist gleichfalls, ob Gegenstände fiir Inlandsverträge von der Zweigniederlassung aus oder direkt von der Hauptniederlassung aus dem Ausland an den Kunden geliefert werden. Vielmehr ist die Sachlage nicht anders zu beurteilen, als wenn das ausländische Unternehmen ohne Zwischenschaltung jener Substruktur direkt im Inland tätig würde. Es kommt mithin allein darauf an, auf welche Märkte sich das konkrete Verhalten auswirkt bzw. auswirken kann. Betreibt das Unternehmen bezüglich des Produktabsatzes im Inland beispielsweise Preisdumping unterhalb seiner Herstellungs- bzw. Einkaufskosten zula22 Vgl. Gleiss!Hirsch, Band 1, Art. 85 I Rdnr. 52; Beck, RIW 90, 91, 92 (bezogen auf das EG-Kartellrecht). 23 Burkhardt, S. 20 Rdnr. 66; Bunte in Langen/Bunte Ei.nfilhrung zum EGKartellrecht Rdnr. 51; einschränkend Immenga!Mestmäcker in Immenga!Mestmäcker Einleitung Rdnr. 35 (Vorrang nur, sofern beide Rechtsordnungen eingreifen und sich inhaltlich widersprechen). 24 BGH, Beschl. v. 18.5.93 (KVZ 10/92), BGHR GWB § 18 Konkurrenzen I. 25 EuGH, Urt. v. 13.7.66 (Rs. 56 u. 58/64), Slg. 66, 322, 389. 26 Bunte in Langen/Bunte Art. 85 EG-Vertrag Rdnr. 89.

Il. Kartellrecht

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sten anderer ausländischer Anbieter innerhalb der EU, ist der zwischenstaatliche Bezug gegeben, nicht aber, wenn potentielle Konkurrenzanbieter nur im Inland zu finden sind. Eine mittelbare Beeinträchtigung des Binnenhandels kann auch dann vorliegen, wenn die Gemeinschaft von Drittländern isoliert wird. 27 Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist nach allgemeiner Ansicht die Spürbarkeit der zu besorgenden Handelsbeeinträchtigung notwendig.28 Nach dem Wortlaut der Artt. 85 und 86 EG-Vertrag ist der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht auf Unternehmen mit Hauptsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union beschränkt. Eine Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels der EU kann sich auch durch ein Verhalten eines Unternehmens aus einem Drittstaat ergeben, mithin also in den Fällen, in denen ein Unternehmen, das außerhalb der EU residiert, mittels einer europäischen Zweigniederlassung tätig wird. Da auf diese Weise jedoch u. U. in die Hoheitsrecht des betreffenden Drittstaates eingegriffen werden könnte, muß die extraterritoriale Anwendung des europäischen Kartellrechts Einschränkungen unterliegen.29 Auf der Grundlage des (völkerrechtlichen) Auswirkungsprinzips ist eine solche zwar allein wegen der Wirkungen der zu sanktionierenden Handlungen im EU-Gebiet möglich; vorauszugehen hat aber eine konkrete Abwägung zwischen den Gemeinschaftsinteressen und den Interessen des betroffenen Auslandes. 30 Auszusprechende Verbote schließlich greifen nur für den EU-Bereich. Verstöße gegen Art. 85 I EG-Vertrag führen gern. Art. 85 II zur Nichtigkeit der Vereinbarungen bzw. abgestimmten Verhaltensweisen. Dies gilt nicht, sofern Freistellungsverordnungen i.S.d. Art. 85 III EG-Vertrag greifen, für deren Erlaß gern. Art. 87 EG-Vertrag der Rat zuständig ist. Das Verfahren ist im wesentlichen in der Verordnung 17/6231 geregelt. Solange die Kornmission kein Kartellverfahren eingeleitet hat, bleiben hiernach die nationalen Kartellbehörden zuständig (Art. 9 III VO 17/62).32 Dagegen bedarf eine Mißbrauchshandlung i.S.d. Art. 86 EG-Vertrag einer Untersagungsverfiigung. Sofern hierzu im einzelnen noch keine Richtlinien oder Verordnungen gemäß Art. 87 EG-Vertrag erlassen worden sind, bleiben gemäß Art. 88 EG-Vertrag fiir diese VerfUgung die nationalen Kartellbehörden zuständig. Durch§ 47 I GWB wird die Zuständigkeit zur Durchsetzung des EG-Rechts dem Bundeskartellamt

Gleiss/Hirsch, Band I , Art. 85 I Rdnr. 25I. Bunte in Langen/Bunte Art. 85 EG-Vertrag Rdnr. 93. 29 Vgl. Emmerich, § 4 S. 51. 30 Beck, RIW 90, 9I , 95. 31 Abged.r. in Amtsbl. EG I 979 Nr. L 291193. 32 Vgl. BGH, Beschl. v. I8.5.93 (KVZ I0/92), BGHR GWB § 70 Abs. 2 S. I Verletzungstatbestand I. 27 28

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Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

zugewiesen; dies gilt auch fiir ein Einschreiten aufgrund einer nach Art. 87 EG-Vertrag erlassenen Rechtsvorschrift Für die Einzelbefugnisse und das Verfahren verweist § 47 II 1 GWB auf das deutsche Recht. Relevant sind dabei insbesondere VertUgungen gegen Kartelle nach§ 12 III und gegen marktmißbräuchliches Verhalten in§ 22 V GWB. 2. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Über die Kollisionsregelun~3 des § 98 II 1 GWB wird der Einsatz des deutschen kartellrechtlichen Instrumentariums auch gegenüber Unternehmen mit ausländischem Hauptsitz ermöglicht, da diese Norm lediglich die Wirkung einer (im Ausland veranlaßten)34 Wettbewerbsbeschränkung im Inland voraussetzt. Somit kann auch die inländische Betätigung über eine Zweigniederlassung den Anwendungsbereich des GWB eröffnen. Wegen der rechtlichen Einheit von inländischer Zweig- und ausländischer Hauptniederlassung bezieht sich das zu prüfende Verhalten stets auf das Gesamtuntemehmen. Da dessen Leitung am Sitz der Hauptniederlassung stattfindet, wird eine Wettbewerbsbeschränkung, auch wenn sie sich nur faktisch bei der Tätigkeit der Zweigniederlassung zeigt, stets als im Ausland veranlaßt einzuordnen sein. Nach allgemeiner Auffassung sind dabei die Anforderungen an eine Inlandswirkung nicht einheitlich, sondern aus dem Schutzbereich der jeweiligen Sachnorm heraus zu bestimmen.35 Überdies muß die Inlandswirkung auch spürbar sein. 36 Eine bloße Eignung zur Inlandswirkung genügt in diesem Zusammenhang nicht. 37 Unproblematisch ist dabei der praktisch relevanteste Fall, daß das ausländische Unternehmen über der Tätigkeit seiner Zweigniederlassung konkret den inländischen Wettbewerb beschränkt, indem es z.B. eine auf dem inländischen relevanten Markt bestehende beherrschende Stellung i.S.d. § 22 GWB mißbraucht. 38 Eine von § 98 II GWB verlangte Inlandswirkung liegt in einer solchen Konstellation vor. Ebenso besteht eine Inlandsauswirkung, wenn sich ausländische Unternehmen im Ausland zu33 v.Gamm § 98 GWB Rdnr. 3 (sowohl Kollisionsnorm des IPR als auch des öffentlichen Kollisionsrechts); Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217, 234; Jungbluth in Langen/Bunte § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 99; vgl. Immenga/Mestmticker/Rehbinder § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 7. 34 Vgl. Bechtold § 98 Rdnr. 3 (aber völkerrechtliches Einmischungsverbot zu beachten). 35 lmmimga/Mestmäcker/Rehbinder § 98 Abs.2 GWB Rdnr. 40; GK-GWB!Koenigs § 98 Abs. 2 Rdnr. 11 u. 16; v.Gamm § 98 GWB Rdnr. 5. 36 Emmerich, § 4 S. 51; Jungbluth in Langen/Bunte § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 108. 37 Bechtold § 98 Rdnr. 10; anders Jungbluth in Langen/Bunte § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 111. 38 Vgl. Westrick!Loewenheim/Stockmann § 98 Abs.2 GWB Rdnr. 66.

li. Kartellrecht

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sammenschließen, die im Inland eine Zweigniederlassung (oder eine Tochtergesellschaft) besitzen. 39 Fraglich ist dagegen, ob deutsches Kartellrecht auch bei einer mittelbaren Inlandswirkung Anwendung findet. Eine solche liegt vor, wenn zwar eine Zweigniederlassung im Inlandsmarkt keine nennenswerte Position innehat, jedoch das Trägerunternehmen den ausländischen Markt beherrscht und diese Marktbeherrschung auch die Handlungsfreiheit inländischer Unternehmen auf dem Inlandsmarkt beeinflußt. Dies wird mit der Begliindung bejaht, daß durch die Mißbrauchsaufsicht des § 22 GWB auch die Handlungsfreiheit von Unternehmen auf der nachfolgenden Marktstufe geschützt werden solle, woraus man Rückschlüsse auf die Auslegung des § 98 II GWB zieht. 40 Außerdem enthalte der Wortlaut des§ 98 II GWB keine Einschränkungen. 41 Nach anderer Meinung setzt § 22 GWB den Mißbrauch inländischer Marktmacht voraus; anderenfalls überschreite man die Grenze der Schutzfunktion dieser Bestimmung.42 Für die letztgenannte Auffassung spricht zwar der Wortlaut des§ 22 GWB, der fiir die Marktbeherrschung auf das Verhältnis zu den Wettbewerbern abstellt; da deutsches Aufsichtsrecht aber nach dem Auswirkungsgrundsatz durchaus (mittelbar) in ausländische Verhältnisse hineinwirken kann, muß der Wettbewerb nicht allein auf das Inland bezogen werden. Demnach dürfte auch die Beherrschung des Auslandsmarktes, die mittelbar im Inland ge- bzw. mißbraucht wird, dem Erfordernis der Inlandswirkung genügen. Wird im Anwendungsbereich des GWB auf die Beeinflussung bzw. Beherrschung des Marktes abgestellt (etwa in §§ 1, 15, 22 und 26 GWB), so kann der hierfiir jeweils zu ermittelnde relevante Markt räumlich nicht über das Bundesgebiet hinausgehen, da das GWB den Wettbewerb nur auf dem inländischen Markt schützt.43 In bezog auf einen Boykottaufruf i.S.d. § 26 I GWB reicht es nicht aus, wenn ein ausländisches Unternehmen seine inländische Zweigniederlassung zum Boykott veranlaßt, da Adressat des Aufrufes ein anderes (selbständiges) Unternehmen sein muß.44 Im Rahmen der für die Ermittlung einer unbilligen Behinderung i.S.d. § 26 II GWB maßgeblichen Interessenahwägung dürfen wegen des Vorrangs der Art. 85 und 86 HGVertrag keine Interessen als schutzwürdig gewertet werden, die gegen Art. 85 § 4 S. 52. GK-GWB!Koenigs § 98 Abs.2 Rdnr. 99; Immenga!Mestmäcker/Rehbinder § 98 Abs.2 GWB Rdnr. 159; auchRehbinder, in: Beiträge, S. 122, 143. 41 Jungbluth in Langen/Bunte § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 109, jedoch einschrä.nlcend fur den Marktmißbrauch in Rdnr. 163. 42 Westrick/Loewenheim/Stockmann § 98 Abs.2 Rdnr. 65 u. 66. 43 BGH, Beschl. v. 24.10.95 (KVR 17/94), BGHR GWB § 24 Abs. 1 Marktabgrenzung 2. 44 Carlhoffin Frankfurter Kommentar§ 26 GWB Tz. 15. 39 Emmerich,

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Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestinunungen

und 86 EG-Vertrag verstoßen. 45 Läßt sich im Einzelfall dagegen die inländische Auswirkung eines Verstoßes gegen eine Norm des GWB über eine Zweigniederlassung bejahen, greift auch das inländische Instrumentarium der Aufsicht gegenüber dem ausländischen Unternehmen. Dies gilt aber nur, soweit die Inlandswirkung der Wettbewerbsbeschränkung reicht; nur sie ist Gegenstand der Anknüpfung des GWB. 46 Hervorzuheben sind wiederum die Ermächtigungen zu Verfügungen gern. § 12 III und § 22 V GWB. Zuständige Kartellbehörde ist für Verfügungen i.S.d. § 12 III GWB der Bundesminister für Wirtschaft gemäß § 44 I Nr. 2 GWB und für solche i.S.d. § 22 V GWB die jeweilige oberste Landesbehörde gemäß § 44 I Nr. 3 GWB. Ein Eingreifen des deutschen Wettbewerbsschutzes über§ 98 II GWB ist nicht durch Rechtswahl abdingbar. 47 Im Gegenzuge wird das ausländische Unternehmen ebenso in den Schutzbereich des GWB gegenüber inländischen Wettbewerbsbeschränkungen einbezogen. 48

111. Bankenaufsicht Eine zumindest partiell eigenständige Bedeutung kommt Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, die im Kreditwesen tätig werden, für das deutsche Bankenaufsichtsrecht zu. Das Kreditwesengesetz trifft in §§ 53 ff. Sonderregelungen für inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im einem anderen Staat. Unter Sitz ist hierbei die Hauptniederlassung des Unternehmens zu verstehen. 49 Da lediglich auf die Tätigkeit der Zweigstelle abgestellt wird, kommt der Einordnung der Geschäftsausrichtung des Gesamtunternehmens keine Bedeutung zu. Der Begriff der Zweigstelle im Sinne der genannten Normen erfaßt nicht nur Zweigniederlassungen auf der Grundlage der im zweiten Kapitel genannten Definitionen,50 sondern auch die Tätigkeit von Handelsvertretern, sofern nur ein maßgeblicher Einfluß der Hauptniederlassung gesichert ist. 51 Nicht darunter fallen indessen Tochtergesellschaften, da für diese selbständigen Unternehmen der Anwendungsbereich des Kredit-

BGH, Beschl. v. 18.5.93 (KVZ 10/92), BGHR GWB § 18 Konkurrenzen 1. Langen/Bunte§ 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 101. 47 v.Gamm § 98 GWB Rdnr. 6. 48 Immenga/Mestmäcker!Rehbinder § 98 Abs. 2 GWB Rdnr. 13. 49 Bähre!Schneider § 53 KWG Anm. 2. 50 VG Berlin, Urt. v. 12.3.75 (VG IV A 12/74), in: Heckmann/Bauer Nr. 1 zu § 53 Abs. 1 KWG. 51 Vgl. Bähre/Schneider § 53 KWG Anm. 2. 45

46 Jungbluthin

III. Bankenaufsicht

253

wesengesetzes schon allgemein eröffnet ist. 52 Ebenfalls nicht erfaßt sind, wie sich aus § 53 a KWG ergibt, sogenannte Repräsentanzen im Inland; sie dienen nur der Anbahnung von Geschäften, sind aber an deren weiterer Durchführung nicht beteiligt53 und weder Vertreter noch Empfangsboten fiir Willenserklärungen. 54 Eine Zweigniederlassung auf der Grundlage der dieser Arbeit vorangestellten Definition stellt eine Zweigstelle im Sinne des Kreditwesengesetzes dar. 55 1. Grundvorschrift des§ 53 KWG

Die genannten inländischen Zweigstellen ausländischer Unternehmen gelten trotzihrer Unselbständigkeit gemäß § 53 I 1 KWG als Kreditinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes, wenn sie selbst Bankgeschäfte im Umfang des § 1 I KWG betreiben. Bankgeschäfte sind in§ l I 2 KWG definiert; es genügt auch die teilweise Durchfiihrung dieser Bankgeschäfte bzw. ihre Vorbereitung.56 Ihr Umfang muß einen im kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern. Da gemäß § 53 I 2 KWG mehrere inländische Zweigstellen desselben Unternehmens zusammen als ein Kreditinstitut gelten, reicht es aus, wenn alle diese Zweigstellen gemeinsam den Umfang eines kaufmännischen Geschäftsbetriebes erreichen. 57 Für eine derartige Zweigstelle gelten die organisatorischen Vorschriften des § 52 II KWG. So sind gemäß §53 II Nr. 1 KWG mindestens zwei natürliche Personen mit Inlandswohnsitz58 und Vertretungsmacht als Geschäftsleiter zu bestellen und in das Handelsregister einzutragen. Ihre Befugnis darf nach außen nicht beschränkt sein, muß also die Form einer erweiterten Prokura oder Generalhandlungsvollmacht (§§ 49 II, 50 III bzw. 54 II HGB) fiir den Bereich aller Zweigstellen haben. 59 Das Bundesaufsichtsamt fiir das Kreditwesen kann gemäß § 36 I KWG sol52 Hütz, S. 87; Panowitz/Jung § 53 KWG Rdnr. 1; vgl. auch BGH, Urt. v. 2.4.70 (VII ZR 128/68), in: Beckmann/Bauer Nr. 1 a zu§ 53 Abs. 1 KWG S. 2 b (keine eigene Rechtspersönlichkeit der Zweigstelle). 53 VG Ber1in, Urt. v. 22.1.79 (VG 14 A 4/78), in: Beckmann/Bauer Nr. 5 zu§ 53 Abs. 1 KWG S. 7. 54 OVG Berlin, Urt. v. 6.6.79 (OVG I S 321/78), in: Beckmann/Bauer Nr. 7 zu§ 53 Abs. 1 KWG S. 10. 55 Bähre/Schneider § 53 KWG Anm. 2; zurückhaltender Szagunn/Neumann § 53 Rdnr. 7 (nur regehnäßig). 56 Bähre/Schneider § 53 KWG Anm. 2. 57 VG Ber1in, Urt. v. 12.3.75 (VG IV A 12/74), in: Beckmann/Bauer Nr. 1 zu § 53 Abs. 1 KWG. 58 Auf ihre Nationalität kommt es dagegen nicht an, Szagunn!Neumann § 53 KWG Rdnr. 10; Panowitz/Jung § 53 KWG Rdnr. 3. 59 Bähre/Schneider § 53 KWG Anm. 3; Panowitz!Jung § 53 KWG Rdnr. 3.

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Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

eben Geschäftsleitern bei Unzuverlässigkeit die Ausübung ihrer Tätigkeit wieder untersagen. § 53 II Nr. 2 KWG legt eine separate Buchfiihrungs- und Rechnungslegungspflicht für diese Zweigstellen fest, wobei die Normen des HGB über Handelsbücher entsprechend anwendbar sind. Dieser Verweis ist partiell überflüssig, da § 340 I 1 HGB für als Kreditinstitute tätige Zweigstellen von Unternehmen aus Staaten außerhalb der EWG oder des EWR (i.V.m. der Regelung des § 340 a I HGB, die auf §§ 328 ff. HGB verweist) bereits unmittelbare Buchfiihrungspflichten statuiert. Die Bücher müssen, da die Zweigstelle hierzu als Kreditinstitut verpflichtet wird, am Ort derselben geführt werden. 60 Als haftendes Eigenkapital fingiert § 53 II Nr. 4 KWG unter anderem das der Zweigstelle vom Gesamtunternehmen zur Verfugung gestellte Betriebskapital; dabei handelt es sich um das Vermögen, das dem Geschäftsbetrieb der Zweigstelle dient. 61 Aufgrund dieser Fiktion werden auf Zweigstellen die Grundsätze des § 10 KWG über die Allgemessenheit des haftenden Eigenkapitals anwendbar. Mithin muß das ausländische Unternehmen seine Zweigstelle, die als Kreditinstitut gilt, mit einem adäquaten notationskapital ausstatten. 62 Durchsetzen kann das Bundesaufsichtsamt diese Pflicht mit den Mitteln des § 45 KWG, wobei jedoch Eingriffe in die Struktur des inländischen Unternehmens an dessen Hauptsitz ausscheiden. 63 Von größter Bedeutung ist für derartige Zweigstellen das in §53 II Nr. 5 KWG festgelegte Erfordernis einer Erlaubnis zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs. Auf die Voraussetzungen dieser Erlaubnis finden zum einen die allgemeinen Vorschriften der §§ 32 und 33 KWG Anwendung, 64 wobei insbesondere gemäß § 32 I 2 zahlreiche Nachweise und Angaben erbracht werden müssen. Hinzu tritt zum anderen in § 53 II Nr. 5 S. 2 KWG die Möglichkeit, die Erlaubnis zu versagen, wenn nicht die Gegenseitigkeit durch zwischenstaatliche Vereinbarungen gesichert ist.

60 Szagunn/Neumann § 53 KWG Rdnr. 12; abw. Panowitz!Jung § 53 KWG Rdnr. 6 (Führung im Geltungsbereich des KWG). 61 Bähre/Schneider § 53 KWG Anm. 5. 62 Schork § 53 KWG Anm. 2; vgl. Panowitz!Jung § 53 KWG Rdnr. 11; Bähre/ Schneider § 53 KWG Anm. 5 a.E. 63 Siehe Szagunn/Neumann §53 KWG Rdnr. 29 (tatsächliche Durchsetzung problematisch). 64 Szagunn/Wohlschieß in Obst/Hintner, Anm. 2.4.3.2 S. 266; Panowitz!Jung § 53 KWG Rdnr. 13.

m. Bankenaufsicht

255

2. Ausnahmen für Zweigstellen von Unternehmen aus der EU: §53bKWG In Umsetzung der EG-Bankenrichtlinie vom 15.12.198965 wurden die Anforderungen des deutschen Bankenaufsichtsrechts fiir Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten stark liberalisiert (sog. Europäischer Paß66). Gemäß §53 b I entfallt fiir die dort genannten Geschäfte das Erlaubnisbedürfnis nach deutschem Recht, sofern das Unternehmen im Ausland zugelassen und beaufsichtigt wird, die Geschäfte der Zweigstelle von der Zulassung gedeckt werden und das Unternehmen den Anforderungen der Zweiten Bankrechtskoordinierungs- sowie der Richtlinie über einen Solvabilitätskoeffizienten unterliegt. Folglich leitet sich der Umfang der Tätigkeit einer solchen Zweigstelle primär von der Heimatlizenz ab.67 Da § 53 b I 2 KWG die Anwendung des§ 53 KWG ausschließt, entfallt auch das Erfordernis des o.g. Dotationskapitals der Zweigstelle. 68 Die Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt fiir das Kreditwesen ermöglicht § 53 b IV KWG nur noch subsidiär zu derjenigen des Herkunftsstaates des Unternehmens. Erst nach Unterrichtung und Untätigkeit der Behörden des Herkunftsstaates kann das Aufsichtsamt selbst Maßnahmen gegen die Zweigstelle richten (§ 53 b IV 2 und 3). Ein sofortiges Tätigwerden ist über § 53 b V 1 KWG nur noch in dringenden Fällen zulässig. Insgesamt gilt mithin fiir Zweigstellen von Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten auf dem Sektor des Kreditwesens der Grundsatz der Heimatlandkontrolle. 69 3. Freistellungsmöglichkeiten für Zweigstellen aus anderen Staaten: §53cKWG § 53 c KWG schafft zwei Ermächtigungsgrundlagen für den Bundesminister der Finanzen, auf Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Gemeinschaft durch Rechtsverordnung ebenfalls die Regelungen des § 53 b KWG anzuwenden (Nr. 1) bzw. sie ganz oder teilweise unter Anwendung des§ 53 b von§ 53 KWG freizustellen (Nr. 2). Voraussetzung ist in der ersten Variante, daß ein Abkommen der Europäischen Gemeinschaft mit

Abgedr. in Amtsbl. EG 1989 Nr. L 38611. Amtliche Begründung zu § 53 b I 1 KWG, abgedruckt bei Schork § 53 b KWG. 67 Eicke, Die Bank 93, 702, 705. 68 Ausdrücklich Art. 6 I EG-Bankenrichtlinie, Amtsbl. EG 1989 Nr. L 386/2; Beck § 53 b KWG Rdnr. 13; Kümpel, Rdnr. 15.120. 69 Kümpel, Rdnr. 15.121; vgl. Häuselmann, WM 94, 1693, 1693; Beck §53 b KWG Rdnr. 15. 65

66

Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestinunungen

256

dem betreffenden Sitzstaat solches erfordert,70 in der zweiten Variante neben einer adäquaten Heimataufsicht die Gewährleistung der Gegenseitigkeit. Eine Verordnung i.S.d. § 53 c Nr. 2 KWG ist bereits in bezug auf Zweigstellen japanischer Unternehmen erlassen worden. 71 Die Regelung des §53 c KWG wird ergänzt durch § 340 I II 2 HGB, wonach fiir derartige Zweigstellen auch die Offenlegung von Rechnungsunterlagen in Deutschland entfallt, sofern sie nach einem an die Richtlinie 86/635/EWG72 angepaßten Recht aufgestellt und geprüft worden bzw. ihre Rechnungsunterlagen denjenigen, die jener Richtlinie unterfallen, gleichwertig sind.

IV. Versicherungsaufsicht Die Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterscheiden sich in ihrem Aufbau insoweit von denjenigen des Bankenaufsichtsrechts, als sie keine Grundvorschrift fiir alle ausländischen Unternehmen aufstellen, sondern sogleich nach der Herkunft derselben differenzieren. Zu unterscheiden ist inhaltlich indessen ebenfalls nach Unternehmen aus Mitgliedstaaten der EWG bzw. des EWR und aus Drittstaaten. Für die letztgenannte Gruppe wird die Errichtung einer (Zweig-) Niederlassung im Inland unter bestimmten Voraussetzungen zur Pflicht.

1. Unternehmen aus Staaten außerhalb von EWG oder EWR Gemäß § 105 I VAG bedürfen Unternehmen mit Sitz in einem Staat, der nicht EWG- bzw. EWR-Mitglied ist, unter bestimmten Voraussetzungen einer Erlaubnis, wenn sie in Deutschland Versicherungsgeschäfte betreiben wollen. Man spricht hierbei von Drittlandsunternehmen. 73 Versicherungsgeschäfte sind Verträge, bei denen ein den einen Teil treffendes Risiko, Kostennachteile zu erleiden, dadurch abgedeckt wird, daß der Partner sich gegen Entgelt zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet, wobei er dies wirtschaftlich dadurch ermöglicht, daß er derartige Verträge in großer Zahl abschließt und das Risiko 70 Die amtliche Begründung, abgedr. bei Schork § 53 KWG, nennt EWR- und EFTA-Abkommen. 71 Zweite Verordnung über die Freistellung von Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europliischen Gemeinschaft von den Vorschriften des Gesetzes über das Kartellwesen vom 13.12.1995, abgedr. in BGBI. 1995 I, S. 1703. 72 Richtlinie des Rats vom 8.12.1986 über den Jahresabschluß und den koordinierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten, abgedr. in Amtsbl. EG 1986

Nr. L 37211. 73

Prölss/R.Schmidt Vor§ 105 VAG Rdnr. 4.

IV. Versicherungsaufsicht

257

so auf eine größere Gefahrengemeinschaft verteilt. 74 § 105 I VAG betriffi allerdings nur das Drittversicherungs-, d.h. nicht das Rückversicherungsgeschäft.75 Ferner greift die Vorschrift nur, wenn dieses Drittversicherungsgeschäft durch Mittelspersonen im Inland betrieben werden soll. Hierunter fällt grundsätzlich jede Zwischenperson, deren sich der Versicherer bedient, nicht allerdings eine Person, die nicht geschäftsmäßig tätig wird, 76 etwa ein bloßer Werbeträger. Aus dem Erfordernis der Tätigkeit über eine Mittelsperson ergibt sich, daß sog. Korrespondenzverträge, die direkt vom Ausland aus abgeschlossen werden, nicht erfaßt sind.77 Eine derartige Tätigkeit unterfällt nur der Heimataufsicht Für die Erteilung der Erlaubnis ist gemäß § 106 b I VAG der Bundesminister der Finanzen zuständig. Ein Rechtsanspruch auf ihre Gewährung besteht grundsätzlich nicht. Etwas anderes kann sich jedoch u.U. dadurch ergeben, daß die Behörde durch zweiseitige völkerrechtliche Verträge gebunden wird; 78 durch die Zusicherung einer Inländergleichbehandlung wird das freie Ermessen bei der Erteilung der Erlaubnis ausgeschaltet. 79 Erfolgt eine Versicherungstätigkeit ohne die erforderliche Erlaubnis, so stellt der Betrieb eine strafbare Handlung (§ 140 I Nr. 1 VAG), der einzelne Vertragsabschluß eine Ordnungswidrigkeit (§ 144 a I Nr. 1 VAG) dar. Eine Rechtfertigung kann sich lediglich unter dem Gesichtspunkt des sog. Versicherungsnotstandes ergeben.80 Liegen die Voraussetzungen des § 105 VAG vor, so hat das ausländische Unternehmen in Deutschland eine Niederlassung zu errichten (§ 106 II 1 VAG). Diesbezüglich verweist das Gesetz auf§§ 13 d bis fHGB. Daraus geht hervor, daß es sich bei einer derartigen Niederlassung nicht um eine bloße Betriebsstätte handelt; ebensowenig kann die Niederlassung eine selbständige Tochtergesellschaft sein, da in diesem Fall bereits die allgemeine deutsche Versicherungsaufsicht zur Geltung käme. Demnach erfüllt eine solche Struk-

74 BGH, Urt. v. 29.9.94 (IZR 172/92), VersR 95,344,345.

in Fahr/Kau/bach§ 105 VAG Rdnr. 18. Prölss!R.Schmidt § 105 VAG Rdnr. 9 u. 10; Fahr in Fahr/Kau/bach§ 105 VAG Rdnr. 25. 77 Fahr in Fahr/Kau/bach§ 105 VAG Rdnr. 35. 78 Prölss/R.Schmidt § 105 Rdnr. 14; auch Fahr, VersR 92, 1033, 1044; es kommen insbesondere Handels- und Niederlassungsverträge bzw. Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträge in Betracht. 79 Fahr in Fahr/Kau/bach§ 105 VAG Rdnr. 5 ff. und§ 106 b VAG Rdnr. 13 und 14. 80 Prölss/R.Schmidt § 106 VAG Rdnr. 18; Fahr in Fahr/Kau/bach § 105 VAG Rdnr. 36 (Gewohnheitsrecht). 75 Fahr

76

17 Rinne

258

Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

tur die Merkmale einer Zweigniederlassung. 81 Der Verweis auf sämtliche Vorschriften der §§ 13 d bis f HGB ist nur fiir die strukturelle Einordnung der Niederlassung von Bedeutung; ist dieselbe erst einmal als Zweigniederlassung erkannt, sind §§ 13 d ff. HGB ohnehin direkt anwendbar, da das ausländische Unternehmen den deutschen Kaufmannsbegriff i.S.d. § 1 I i.V.m. § 1 II Nr. 3 HGB erfüllt. Neben der Versicherungstätigkeit dieser Zweigniederlassung in Deutschland darf das ausländische Unternehmen gemäß § 107 VAG keine weiteren Korrespondenz- oder sonstige Direktversicherungsgeschäfte direkt aus dem Ausland heraus mit deutschen Kunden mehr abschließen (sog. Kumulverbot); dies gilt auch, wenn das beabsichtigte Geschäft einen anderen Versicherungszweig als denjenigen der Niederlassung betrifft. 82 Eine Pflicht zur gesonderten Rechnungslegung dieser Zweigniederlassung in Deutschland legt § 106 II 3 VAG fest. 83 Ergänzt wird diese über besondere Anforderungen an die Buchfiihrung gemäß § 341 II HGB. Mithin muß eine eigene, auf die Erfordernisse des deutschen Rechts zugeschnittene Buchhaltung erfolgen.84 Für die Niederlassung ist gemäß § 106 III VAG ein (einzige) natürliche85 Person als Hauptbevollmächtigter zu bestellen, der seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Inland hat und die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, die für den Vorstand deutscher Versicherungsunternehmen gelten. Nicht erforderlich ist, daß es sich um einen deutschen Staatsangehörigen handelt. 86 Er muß gern. § 106 III 4 VAG in das Handelsregister der Zweigniederlassung eingetragen werden. Mit der Bestellung verknüpft das Gesetz eine fingierte Vertretungsmacht in der Form einer gesetzlichen Generalhandlungsvollmacht fiir das ausländische Unternehmen. Sie kann nicht übertragen werden. 87 Neben dem Hauptbevollmächtigten ist eine Vertretung durch andere Organe des Unternehmens ausgeschlossen; jedoch kann er Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und Einzelbevollmächtigte für die Nieder-

81 Goldberg/Müller § 106 VAG Rdnr. 5; vgl. Prölss/R.Schmidt § 106 VAG Rdnr. 4; so benannt auch bei Fahr in Fahr/Kau/bach § 106 VAG Rdnr. 4; ebenso bei Fahr, VersR 92, 1033, 1034. 82 Fahr in Fahr/Kau/bach§ 107 VAG Rdnr. 2. 83 Anmerkung: Aus der gesonderten Anordnung der Buchführungspflicht ergibt sich einmal mehr, daß eine solche keine begriffliche Voraussetzung einer Zweigniederlassung darstellt. 84 Prölss!R.Schmidt § 106 VAG Rdnr. 4. 85 Koch, VersR 86, 401, 401 (Ableitung aus dem Gesetzeswortlaut "seinen Wohnsitz"). 86 Goldberg/Müller § 106 VAG Rdnr. 12; Fahr in Fahr/Kau/bach § 106 VAG Rdnr. 4;Prölss/R.Schmidt § 106 VAG Rdnr. 8. 87 Koch, VersR 86, 401,402.

IV. Versichenmgsaufsicht

259

lassung bestellen. 88 In analoger Anwendung des § 80 IV AktG bzw. des § 35 IV GmbHG muß der Hauptbevollmächtigte auf Geschäftsbriefen der Zweigniederlassung angegeben werden.89 Die Antragserfordernisse für die Erlaubnis regelt § 106 b VAG. Darunter fallen u.a. bestimmte Anforderungen an die Kapitalausstattung. Aufgrund des Verweises auf § 8 VAG in Abs. 2 ist insbesondere auf der Grundlage des § 8 I 1 Nr. 3 V AG genügend darzutun, daß die Verpflichtungen aus Versicherungen dauernd erfüllbar sind. 90 Eine Erleichterung für Unternehmen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat des EWR oder der EWG eine versicherungsrechtliche Erlaubnis erhalten oder beantragt haben, schafft § 106 V VAG. Bei ihnen ist auf Antrag eine Gesamt-Solvabilitätsspanne zu bilden bzw. sind diejenigen Eigenmittel des Unternehmens einzurechnen, die innerhalb des EWG- oder des EWR-Staatengebietes belegen sind. Widerrufstatbestände für die Erlaubnis nennt § 106 b IV VAG; von Bedeutung ist dabei der Verlust der Erlaubnis im Herkunftsland, d.h. am Unternehmenshauptsitz.

2. Unternehmen mit Sitz in EWG-Mitglied- oder EWR-Vertragsstaaten Unternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EWG oder einem Vertragsstaat des EWR haben, benötigen für ihre Versicherungstätigkeit in Deutschland grundsätzlich keine Erlaubnis; diese Regelung basiert auf der Niederlassungs- sowie der Dienstleistungs:freiheit. 91 Das Direktversicherungsgeschäft über Niederlassungen wie auch über Mittelspersonen im Dienstleistungsverkehr ist gern. § 110 a I 1 VAG automatisch zulässig. Die Tätigkeit muß jedoch den Anforderungen des § 110 a II VAG genügen; insbesondere sind Benachrichtigungen des Bundesaufsichtsamtes durch die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaates abzuwarten. Eine Pflicht zur Errichtung von Niederlassungen in Deutschland besteht nicht. Ebenso sind das Direktversicherungsgeschäft auch ohne Mittelspersonen sowie die Korrespondenzversicherung aus dem Ausland in Deutschland aufsichtsfieL 92 Allein bei den Aufsichtsbehörden des Herkunftsstaates liegt gern. § 110 a III VAG die Finanzaufsicht über eine solche Direktversicherungstätigkeit in Deutschland. Sie können gern. § 110 a III 2 VAG nach vorheriger 88 Fahr in Fahr/Kau/bach § 106 VAG Rdnr. 4.; Goldberg/Müller § 106 VAG Rdnr. 16. 89 Prölss!R.Schmidt § 106 VAG Rdnr. 9. 90 Vgl. Fahr in Fahr/Kau/bach§ 106 VAG Rdnr. 6. 91 Prölss/R.Schmidt § 110 a VAG Rdnr. 1. 92 Fahr in Fahr/Kau/bach § 110 a VAG Rdnr. 3; Prölss/R.Schmidt § 110 a VAG Rdnr. l .

17•

260

Viertes Kapitel: Aufsichtsrechtliche Bestimmungen

Unterrichtung des Bundesaufsichtsamtes auch Maßnahmen im Inland vornehmen.93 Dagegen erfolgt die allgemeine rechtliche Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt im Zusammenwirken mit den Behörden des Herkunftsstaates (§ 110 a III 1 a.E.). Sie richtet sich nach den Grundnormen der §§ 81 ff. VAG unter Modifikationen durch§ 110 a IV und § 110 b VAG; insbesondere ordnet § 110 b I 2 VAG die Subsidiarität des Eingreifens des Bundesaufsichtsamtes an. In dringenden Fällen kann es gern. § 111 b I 3 VAG auch sogleich tätig werden. Zu messen sind die Eingriffsbefugnisse des Bundesaufsichtsamtes zusätzlich daran, ob sie im Allgemeininteresse geboten sind.94 Ein Erlaubnisbedürfnis fiir Unternehmen aus Mitgliedstaaten der EWG bzw. des EWR, die das Direktversicherungsgeschäft über eine Niederlassung in Deutschland betreiben wollen, ordnet ausnahmsweise § 110 d I VAG an, wenn diese Unternehmen nicht den Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften über das Versicherungswesen unterliegen. Erfaßt werden insbesondere Pensions- und Sterbekassen.95 Wie im Bankenaufsichtsrecht schafft § 111 III Nr. 2 VAG eine Rechtsgrundlage fiir den Bundesfinanzminister, per Rechtsverordnung die Anwendung der §§ 110 a bis d auf Versicherungsunternehmen aus Nicht-EU-Staaten auszudehnen, allerdings nur, sofern Abkommen der EU mit diesen Staaten solches erfordern.

93 Vgl. Fahr/Kau/bach § 110 a VAG Rdnr. 16 (Fall der Übertragung von Hoheitsrechten i.S.d. Art. 23 I 2 GG). 94 Prölss!R.Schmidt § 110 a VAG Rdnr. 16 und 17 (Allgemeininteresse auch als Rechtfertigung filr weitere, in § 110 a IV VAG nicht genannte Eingriffe); Fahr in Fahr/Kau/bach § 110 a VAG Rdnr. 22 ff. 95 Prölss!R.Schmidt § 110 d VAG Rdnr. 1.

Fünftes Kapitel

Die Zweigniederlassung im Steuerrecht Das deutsche Steuerrecht sucht die Zweigniederlassung, entweder direkt oder unter Zuordnung zu den Betriebsstätten, dem inländischen Steuerzugriff zu unterstellen, während eine Besteuerung des ausländischen Unternehmens insgesamt wegen der territorialen Begrenztheit der Steuerhoheit nicht möglich ist. Schwierigkeiten ergeben sich wie im internationalen Gesellschaftsrecht für das Steuerrecht ebenfalls dann, wenn sich nur der Satzungssitz eines Unternehmens im Ausland, der effektive Verwaltungssitzjedoch im Inland befindet. Hier treffen wiederum die Modelle der Sitz- und der Gründungstheorie aufeinander;1 die Erörterung dieses Streites würde indessen den vorliegenden Rahmen sprengen. Wegen der rechtlichen Unselbständigkeit der Zweigniederlassung erweist sich ferner die Ermittlung ihres zu besteuernden Gewinns als problematisch. Schließlich sind Abweichungen von deutschen gesetzlichen Regelungen durch Doppelbesteuerungsabkommen zu betiicksichtigen.

I. Abgabenordnung Die Abgabenordnung als für alle bundes- oder HG-rechtlichen Steuern geltendes Gesetz (§ 1 I AO) ordnet im Rahmen der Definitionsnormen in § 12 S. 2 Nr. 2 AO die Zweigniederlassung dem steuerrechtliehen Begriff der Betriebsstätte zu. Die Tatbestandsvoraussetzungen entsprechen dabei grundsätzlich denjenigen des Handelsrechts.2 Um als Betriebsstätte eingestuft werden zu können, muß die Zweigniederlassung tatsächlich unternehmerisch tätig sein. 3 Fraglich ist jedoch, ob der Begriff der Zweigniederlassung in § 12 S. 2 Nr. 2 AO die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister voraussetzt. 4 Einer dahingehenden Auffassung liegt die m.E. bereits verfehlte Beschränkung der Zweigniederlassung auf kaufmännische Träger zugrunde.5 War

bei Eicher in Littmann!Bitz!Hellwig § 1 EStG Rdnr. 12. § 12 AO Arun. 6 b; vgl. auchBumeder, Rdnr. 16 S. 32. j Vgl. Ax/Große/Cämmerer, S. 44 vorletzter Abs. 4 So Klein!Orlopp § 12 AO Arun. 6 b. 5 Siehe oben zum Begriff der Zweigniederlassung erstes Kapitel I 3. 1 Nachweise

2 Klein!Orlopp

262

Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

schon jene nicht zu rechtfertigen, so muß auch hier der Begriff der Zweigniederlassung nichtkaufmännische Unternehmensträger mit umfassen; eine Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang, zuma1 § 12 S. 1 AO lediglich das Unternehmen als Bezugsgröße nennt. 6 Somit werden von § 12 S. 2 Nr. 2 AO auch Zweigniederlassungen nichtkaufmännischer Träger erfaßt, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.

II. Einkommensteuer Das Einkommensteuergesetz enthält für grenzüberschreitende Sachverhalte fremdenrechtliche Regelungen, die über den Betriebsstättenbegriff auch Zweigniederlassungen erfassen. Bei einer ausländischen Gesellschaft richtet sich die Abgrenzung zwischen der Steuerpflicht der Einzelgesellschafter als natürliche Personen und derjenigen der Gesellschaft als solcher nach deutschem Recht. 7 Möglich ist fur eine natürliche Person des Auslands, die in Deutschland eine Zweigniederlassung betreibt, auf Antrag eine unbeschränkte Steuerpflicht mit ihren inländischen Einkünften gemäß § 1 III i. V.m. § 49 I Nr. 2 a EStG zu begründen. § 1 III EStG setzt jedoch voraus, daß mindestens 90 % der Gesamteinkünfte dieser Person der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht inländischen Einkünfte 12 000 DM jährlich nicht übersteigen. Eine unbeschränkte Steuerpflicht bei Zweigniederlassungen dürfte auf der Grundlage dieser Voraussetzungen nur theoretischer Natur sein. 8 Möglicherweise verstoßen aber die in dieser Norm gezogenen Grenzen in bezugauf Zweigniederlassungen gegen Art. 52 EG-Vertrag. Der EuGH entschied bereits im Jahr 1995, daß die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 48 EG-Vertrag auch gegen mittelbare bzw. versteckte Diskriminierungen von Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnhaft und in einem anderen tätig seien, über das Steuerrecht schütze. 9 Diese Entscheidung fuhrte zur Änderung des früheren § 1 III EStG, der ausländischen Steuerpflichtigen die Teilnahme

6 Vgl. auch Kühn!Hofmann/Hofinann § 12 AO Anm. 2 (sogar Freiberufler vom Begriff des Unternehmens erfaßt) und Anm. 3 b (Firmenfti.higkeit nach§ 13 HGB irrelevant). 7 Schmidt/Heinicke § I EStG Rdnr. 13; Kluge, § 18 S. 183. 8 Zwar bleibt die Konstellation denkbar, daß die Hauptniederlassung im Ausland im wesentlichen organisatorische Fwllctionen wahrnimmt und die Einkünfte ganz überwiegend durch die Zweigniederlassung erzielt werden. Doch dürfte gegenüber den damit verbundenen organisatorischen Kosten der Vorteil eines günstigen ausländischen Personalstatuts in den Hintergrund treten. 9 EuGH, Urt. v. 14.2.95 (Rs. C-279/93) ["Schumacker"], DStR 95, 326, 327.

ll. Einkommensteuer

263

am Steuersplitting versagte, und zur Einführung des § 1 a EStG. In einer darauffolgenden Entscheidung aus dem Jahr 1996 wurden diese Grundsätze auch auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 52 EG-Vertrag ausgedehnt. 10 Gegen die Niederlassungsfreiheit verstieß daher eine niederländische Regelung, die im Ausland wohnhafte, aber im dortigen Inland in selbständiger Form tätige Personen mit einem höheren Steuersatz belastete als Inländer und die Möglichkeit, unter die günstigere Inländerbesteuerung zu fallen, für diese unter anderem daran knüpfte, daß mindestens 90 % ihrer Welteinkünfte in den Niederlanden erzielt wurden. Zwar beruhte das zuletzt genannte Urteil auf einem Sachverhalt, in dem die betreffende Person im Inland einer anderen gewerblichen Betätigung als im Ausland nachging; wenn aber schon ein derartiger Fall einer solchen Lösung zugeführt wurde, müßte von dieser Entscheidung eine identische Betätigungsrichtung der Person im In- und Ausland, wie dies bei dem einzelunternehmerischen Träger einer Zweigniederlassung der Fall ist, ebenso erfaßt werden. Das derzeitige deutsche Einkommensteuerrecht belegt eine beschränkt steuerpflichtige natürliche Person mit ausländischem Wohnsitz nicht generell mit einem höheren Steuersatz als einen unbeschränkt steuerpflichtigen Inländer; es unterscheidet sich also insoweit von der verworfenen niederländischen Rechtslage. Dennoch ist zu bedenken, daß für einen unbeschränkt steuerpflichtigen Steuerinländer z.B. die Vorschrift des § 50 EStG nicht gilt, so daß er in weit größerem Umfang Steuerabzüge geltend machen kann als eine beschränkt steuerpflichtige Person.11 Folglich ist die Rechtslage im Ergebnis nicht anders einzuordnen als bei einem generell höheren Steuersatz fiir beschränkt steuerpflichtige Personen. Die 90o/o- bzw. 12 000 DM-Regelung des § 1 III EStG begegnet somit ernsten Bedenken und steht m.E. mit den Anforderungen des EuGH nicht in Einklang, da sie ebenfalls diskriminierenden Charakter hat und eine besondere Rechtfertigung fehlt. 12 So hatte die HG-Kommission bereits empfohlen, die Grenze fiir die Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger auf 75% der Welteinkünfte festzusetzen. 13

EuGH, Urt. v. 27.6.96 (Rs. C-107/94) ["Asscher"), IStR 96, 329, 330. Weitere Vorteile der liDbeschränkten Steuerpflicht bei Zenthöfer/Schulze zur Wiesehe, S. 1069. 12 So auch Rainer, IStR 96, 332; anders noch auf der Basis der SchumackerEntscheidung Kischel, IStR 95, 368, 370 ; ohne Begründung auch Schmidt!Heinicke § 1 EStG Rdnr. 54. 13 Abgedr. in Amtsbl. EG 1994 Nr. L 39/22. Blümich!Ehmcke § 1 EStG weist zwar zutreffend darauf hin, daß die 7So/o-Grenze von Art. 48 EG-Vertrag nicht zwingend vorgegeben werde, doch vennag dies an den Bedenken gegen die derzeitige Regelung nichts zu ändern. Nur fonneBen Charakter trägt auch die Argumentation von Frerichs, FR 95, 574 575, die [damalige] 90 %-Regelung sei nicht Gegenstand der EuGHEntscheidung im Fall Schumacker gewesen. 10 11

264

Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

In allen anderen Fällen sind natürliche Personen ohne Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die über eine inländische Zweigniederlassung tatsächlich Einkünfte erzielen, mit diesen beschränkt einkommensteuerpflichtig. Dies ergibt sich aus dem Territorialitätsprinzip14 des§ 1 IV i.V.m. § 49 I Nr. 2 a EStG, da für die Definition der Betriebsstätte auf die Abgabenordnung zurtickzugreifen ist. Sachlich handelt es sich im Rahmen der Zweigniederlassung eines Gewerbetreibenden um Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit über eine Betriebsstätte nach § 2 I 1 Nr. 2 u. § 15 I Nr. 1 i.V.m. § 49 I Nr. 2 a EStG bzw. bei einem freiberuflichen Träger um solche aus selbständiger Tätigkeit i.S.d. § 2 I 1 Nr. 3 und§ 18 I Nr. 1 i.V.m. § 49 I Nr. 315 EStG; auch die Voraussetzungen des § 49 EStG beurteilen sich nach deutschem Reche 6 . Mithin stößt die Einbeziehung nichtkaufmännischer Unternehmensträger in den Zweigniederlassungsbegriff für das Einkommensteuerrecht nicht auf Schwierigkeiten, da bei Gewerbetreibenden (die lediglich das Merkmal des Handelsgewerbes im deutschen Sinne nicht erfüllen) die Betriebsstätte maßgebend ist und Freiberufler (die nicht unter den deutschen Gewerbebegriff fallen) mit ihrer Betätigung in Deutschland ebenfalls erfaßt werden; dies bestätigt erneut die Richtigkeit jener oben zugrunde gelegten weiten Definition. Die zu versteuernden Einkünfte bildet sowohl bei gewerblichen als auch freiberuflichen Trägern der Zweigniederlassung über § 2 II Nr. 1 EStG der inländische Gewinn, dessen Definition und Bewertung in §§ 4 ff. EStG (mit Einschränkungen durch § 50 EStG aufgrundder beschränkten Steuerpflicht) geregelt sind.

111. Körperschaftsteuer Das deutsche Körperschaftsteuergesetz enthält, ohne daß es dabei besonderer kollisionsrechtlicher Überlegungen bedarf, fremdenrechtliche Normen, die auf Zweigniederlassungen ausländischer Träger anwendbar sind. Es orientiert sich insoweit nicht am Merkmal der Betriebsstätte. Hierbei entspricht der Begriff der Zweigniederlassung wiederum demjenigen des Handelsrechts. 17 Ein ausländisches Unternehmen, das sich aus deutscher Sicht (im Wege eines Typen14 Eicher in Littmann/Bitz!Hellwig § I EStG Rdnr. 26 und Handzig!Hellwig in Littmann/Bitz/Hellwig § 2 Rdnr. 84. 15 Hierbei setzt die Verwertung der freiberuflichen Tätigkeit die Zuführung eines körperlichen oder geistigen Arbeitsproduktes des Steuerpflichtigen an das Inland voraus, Schmidt/Heinicke § 49 EStG Rdnr. 48. Dies dürfte bei der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Freiberuflers (etwa zum Vertrieb selbst hergestellter Werke eines Künstlers) unproblematisch sein. 16 Schmidt/Heinicke § 49 EStG Rdnr. 5. 17 Vgl. Bumeder, S. 32 Rdnr. 16.

ill. Körperschaftsteuer

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vergleiches) 18 als Kapitalgesellschaft qualifizieren läßt und eine inländische Zweigniederlassung errichtet hat, ist mit den auf diese Zweigniederlassung entfallenden inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Dies ergibt sich aus § 2 Nr. I KStG. Gleiches gilt über § 3 I KStG auch fiir eine nichtrechtsfaltige (ausländische) Personengesellschaft, sofern das betreffende Einkommen nicht schon aufgrunddes Einkommensteuergesetzes unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist. Der Körperschaftsteuersatz beträgt gemäß § 23 III KStG wegen der beschränkten Steuerpflicht fiir die Zweigniederlassung 42 % dieser zu versteuernden Einkünfte.1 9 Zur Definition und Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens verweist § 8 I KStG auf das EStG; folglich beinißt sich die Körperschaftsteuer ebenfalls nach dem Gewinn der Zweigniederlassung. Die zu versteuernden Einkünfte der inländischen Zweigniederlassung erhöhen sich unter den Tatbestandsvoraussetzungen des§ I8 S. I KStG, wenn das ausländische Unternehmen über sie als Organträger einer inländischen Organgesellschaft einzustufen ist. 20 Diese Organgesellschaft muß die Rechtsform einer AG oder KGaA (§ I4 KStG) bzw. einer sonstigen Kapitalgesellschaft (§ 17 S. 1 KStG) aufweisen und sich zur Abfiihrung ihres gesamten Gewinnes an das ausländische Unternehmen verpflichtet haben. Die Rechtsform des ausländischen Organträgers spielt hierbei keine Rolle. 21 § 18 S. 1 KStG greift indessen nur, wenn die Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist. Da die EintTagungspflicht nur fiir inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute besteht, kann die Zurechnung der Einkünfte aus einer Organschaft ausländische Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit deutschen Zweigniederlassungen nicht erfassen. Insoweit ist die Rechtsform des Organträgers mithin nicht völlig irrelevant. Ferner müssen die Anteile des ausländischen Organträgers an der deutschen Organgesellschaft gemäß § 18 Nr. 2 KStG zum Betriebsvermögen der Zweigniederlassung gehören22 und setzt § 18 S. 1 Nr. 3 KStG die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft gerade im Verhältnis zur Zweigniederlassung voraus. Strittig ist, ob § 18 KStG analoge Anwendung findet, wenn der Organträger eine ausländi18Streck § 2 KStG Anm. 3; Eicher in Littmann/Bitz/Hellwig § 1 EStG Rdnr. 11. 19 Vgl. Streck ABC Ausländer als Unternehmer im Inland Anm. 2; dies gilt nicht

nur für Unternehmensträger i.S.d. § 1 Nr. 3-6, sondern für alle beschränkt Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 Nr. 1, Streck§ 23 KStG Anm. 8. 20 Bumeder, S. 33 Rdnr. 16 a, geht unzutreffend davon aus, die Zweigniederlassung als solche sei Organträger. Organträger ist aber der Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrages, also das ausländische Unternehmen als solches, vgl. Streck§ 18 KStG Anm. 5. 21 Lange/Reiss, Rdnr. 332 S. 244; Streck§ 18 KStG Anm. 3. 22 Vgl. Lange/Reiss, Rdnr. 332 S. 244.

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Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

sehe Mitunternehmerschaft mit inländischer Zweigniederlassung ist, wobei einige Mitunternehmer beschränkt, andere unbeschränkt steuerpflichtig sind. 23

IV. Gewerbesteuer Das Gewerbesteuergesetz orientiert sich fur die Ausübung eines steuerpflichtigen Gewerbes ebenfalls an der Belegenheit eines Betriebes im Inland (§ 2 I 3 GewStG), so daß hiervon eine gewerblich tätige Zweigniederlassung erfaßt wird. Da § 2 I 2 GewStG zur Bestimmung des Gewerbebetriebes auf das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes verweist, kann die Gewerbesteuerpflicht dagegen mangels einer § 2 I Nr. 3 EStG vergleichbaren Vorschrift Zweigniederlassungen ausländischer Freiberufler nicht erfassen. Eine Ausnahme von der Steuerpflicht fur inländische (gewerbliche) Betriebsstätten ausländischer Unternehmen wird über § 2 VI GewStG parallel zum EStG geregelt; § 2 VI schließt die Steuerpflicht aus, wenn die Zweigniederlassung nur beschränkt einkommensteuerpflichtig ist und der ausländische Staat eine Gewerbesteuerbefreiung fur entsprechende Unternehmen gewährt oder eine der deutschen Gewerbesteuer vergleichbare Abgabe nicht kennt. Zur Ermittlung des Umfangs der Gegenstände der Gewerbesteuerpflicht, des Gewerbeertrages (§§ 7 ff. ) und des Gewerbekapitals (§ 12 f. GewStG), ist wiederum allein auf die gewerbliche inländische Zweigniederlassung abzustellen. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluß aus§ 12 IV 1 GewStG.

V. Vermögensteuer Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung des § 10 Nr. 1 VStG fur mit

Art. 3 I GG unvereinbar erklärt24 und die Anwendung der bisherigen Rechts-

lage nur noch bis zum 31.12.1996 zugelassen?5 Diese Entscheidung betrifft jedenfalls Zweigniederlassungen natürlicher Personen. Nicht ausdrücklich erwähnt wird dagegen § 10 Nr. 2 VStG; hierunter fallen Zweigniederlassun23 Dafiir Streck § 18 KStG Anm. 9; wohl skeptisch Lange!Reiss, Rdnr. 333 S. 244/245. 24 BVerfG, Beschl. v. 22.5.95 (2 BvL 37/91), BVerfGE 93, 121, 133 u. 142 = NJW 95, 2615 .. 25 Gestritten wird in diesem Zusammenhang darüber, ob dadurch auch der Erlaß von Steuerbescheiden nach dem 31.12.96, die sich auf Sachverhalte im davor liegenden Zeitraum beziehen, ausgeschlossen ist. So Schappen, DStR 97, 225, 227; dagegen Bundesfmanzministerium, DStR 97, 529; FG Saarland, Beschl. v. 18.4.97 (1 V 98/97), NJW 97, 1728; ebenso Amdt!Jenzen, NJW 97, 1678, 1683; nunmehr auch BFH, Beschl. v. 18.6.97 (ll B 33/97), NJW 97, 2007, 2008.

VI. Methoden der Gewinnermittlung

267

gen von Kapitalgesellschaften. Weil jedoch bei Kapitalgesellschaften über §§ 121, 121 a BewG ebenfalls u.a. auf die vom Bundesvetfassungsgericht kritisierten Einheitswerte abgestellt wird, muß sich die genannte Entscheidung auch auf§ 10 Nr. 2 VStG beziehen, so daß die Erhebung der gesamten Vermögensteuer ab dem 1.1.1997 endet. 26 Da eine Ersatzregelung bisher nicht getroffen wurde, kann an dieser Stelle lediglich informatorisch die bisherige Rechtslage dargestellt werden. Ein ausländisches Unternehmen mit inländischer Zweigniederlassung war mit dem auf diese entfallenden Vermögen beschränkt vermögensteuerpflichtig.27 Dies ergab sich aus § 2 I VStG. Den Steuergegenstand bildete das Inlandsvermögen (§ 2 II VStG i.V.m. § 121 BewG). Bei Zweigniederlassungen stand dabei das inländische Betriebsvermögen i.S.d. § 121 II Nr. 3 BewG im Vordergrund; zu dessen Definition wurde erneut auf den Begriff der Betriebsstätte abgestellt. Maßgeblich für die Zuordnung von Vermögensgegenständen sollte deren Hauptzweck sein. 28 Gewerbliche Tätigkeiten und freie Berufe stellten§§ 95 und 96 BewG hierbei gleich.

VI. Methoden der Gewinnermittlung Da der ausländische Unternelunensträger, sei es nach Einkommen-, sei es nach Kapitalsteuerrecht, in Deutschland nur den Gewinn der Betriebsstätte bzw. Zweigniederlassung zu versteuern hat, muß dieser Gewinn zunächst ermittelt werden. Gleiches gilt fiir den (teilweise) für die Gewerbesteuer maßgeblichen Gewerbeertrag i.S.d. § 7 GewStG. Als problematisch erweist sich diesbezüglich die rechtliche Unselbständigkeit der Zweigniederlassung, da ihr Gewinn nur ein Element des gesamten Unternehmensertrags darstellt. 29 Für die Feststellung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte, die auf die deutsche Zweigniederlassung entfallen, stehen grundsätzlich zwei Wege zur Verfiigung.3o

26 Für ein völliges Entfallen der Vermögensteuer wie hier Schappen, DStR 97, 225, 226; Amdt/Schumacher, DStR 95, 1813, 1816; Erlaß des Finanzministeriums BadenWürttemberg vom 21.10.1996 (S 3548/1), DStR 96, 1934; Amdt/Jenzen, NJW 97, 1678, 1678. 27 Gone/la, DB 86, 297, 297. 28 Gone/la, DB 86, 297, 297. 29 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, § 9 B Rdnr. 16 S. 347. 30 Zu Einschränkungen durch Doppelbesteuerungsabkommen nachfolgend VI12.

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Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

1. Indirekte Methode

Die sog. indirekte Methode geht vom Gesamtgewinn des ausländischen Unternehmens aus, der nach deutschen Regeln berechnet wird. 31 Diesen Gesamtgewinn teilt man sodann im Wege einer Schätzung zwischen Haupt- und Zweigniederlassung auf. 32 Dazu muß im Einzelfall ein Verteilungsschlüssel bestimmt werden. 33 Handhabbar ist diese Vorgehensweise, wenn beide Unternehmensteile vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Sind die Aufgaben jedoch unterschiedlich, 34 wird die Wahl eines Verteilungsschlüssels als willkürlich kritisiert. 35

2. Direkte Methode Nach der sog. direkten Methode wird der Gewinn der Betriebsstätte bzw. Zweigniederlassung eigenständig ermittelt. Hierbei geht man von der fiktiven Selbständigkeit dieses Unternehmensteils aus, bestimmt also den Ertrag so, als ob er bei einer deutschen (Tochter-) Gesellschaft angefallen wäre. 36 Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf den Geschäftsverkehr zwischen Stammhaus und inländischer Zweigniederlassung schwierig, da echte Forderungen wegen der rechtlichen Einheit beider Unternehmensteile nicht begründet werden.37 Zur Lösung dieses Problems stellt man auf die Verrechnungspreise ab, die zwischen unabhängigen Dritten üblich wären. 38 Allerdings wird häufig nur

31 Kluge, § 18 S. 181; bei Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften wird dessen Ermittlung durch die in § 325 a HGB normierte Pflicht zur Vorlage der Rechnungsunterlagen der Hauptniederlassung zum deutschen Handelsregister erleichtert. 32 Vgl. Schmidt/Heinicke § 50 EStG Rdnr. 24.

§ 9 Rdnr. 16; Kluge, § 18 S. 181. Diese Konstellation ist bei Zweigniederlassungen wahrscheinlich, da bereits begrifflich die Betätigungsfelder von Haupt- und Zweigniederlassungen auseinanderfallen können, s.o. erstes Kapitel I 4. 35 Kluge, § 18 S. 182; zu den Schwierigkeiten der indirekten Methode vgl. Riecker, 1. Teil 1. Abschn. C Ili S. 47. 36 Schmidt/Heinicke § 50 Rdnr. 23; Kluge, § 18 S. 176; Jakob, § 9 Rdnr. 16 S. 347; auch BFH, Urt. v. 20.7.88 (IR 49/84), BStBl. II 1989, 140, 142 (ohne ausdrückliche Nennung). 37 Vgl. BFH, BStBl. 1989 II, 140, 142. 38 Jakob, § 9 Rdnr. 16 S. 347 (sog. dealing at arm's length); Riecker, 1. Teil 2. Abschn. B Ili 3 a S. 68/69; Gonella, DB 86, 297, 298 li.Sp.; Kluge, § 18 S. 178. 33 Jakob,

34

VII. Vermeidung doppelter Besteuerung

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ein sogenannter eingeschränkter Fremdvergleich39 vorgenommen, so daß derartige Preise keine Gewinnaufschläge enthalten sollen. 40

3. Verhältnis der Metboden zueinander Vielfach wird die direkte als der indirekten Gewinnermittlungsmethode vorrangig eingeordnet. 41 Man begrtindet dies damit, daß Zweigniederlassungen bzw. Betriebsstätten ohnehin buchführungspflichtig seien, so daß ein direkter Ansatz möglich werde. 42 Soweit man sich hierbei auf § 140 AO i.V.m. §§ 238 ff. HGB stützt, 43 ist dem indessen nicht zu folgen. Eine separate Buchführungspflicht für handelsrechtliche Zweigniederlassungen ordnet das HGB nicht an; gegen eine solche spricht ferner § 325 a HGB, der lediglich eine Vorlagepflicht der Unterlagen der ausländischen Hauptniederlassung bei Kapitalgesellschaften festlegt. Nur für Zweigniederlassungen von Banken ist die Buchführung gemäß § 53 II Nr. 2 KWG vorgeschrieben. Allerdings läßt sich wohl unter Beiiicksichtigung des steuerrechtliehen Territorialitätsgrundsatzes zumindest bei gewerblichen Unternehmensträgern für deren deutsche Zweigniederlassung eine Buchfiihrungspflicht über § 141 I 1 AO begiiinden, sofern der inländische Betrieb die dort genannten Zahlen erreicht. 44 Demnach bestimmt sich die Gewinnermittlung der Zweigniederlassung bei buchfiihrungspflichtigen gewerblichen Unternehmensträgern nach der direkten, bei nicht buchfilhrungspflichtigen und solchen Trägern, die nicht dem Gewerbebegriff unterfallen, nach der indirekten Methode.

VII. Vermeidung doppelter Besteuerung Gerade bei der Tätigkeit ausländischer Zweigniederlassungen in Deutschland besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung der auf sie entfallenden Einkünfte des Unternehmens, wenn der Staat des Sitzes der Hauptniederlassung

39 Zum Meinungsstand vgl. Kroppen in Becker!Höppner/Grotherr!Kroppen Art. 7 OECD-MA Rdnr. 100-106 u. Rdnr. 117. 40 Kluge, § 18 S. 1781179; a.A. wohl für interne Darlehen (Eigendarlehen) Bellstedt, S. 356 und Gone/la, DB 86, 297, 299 (Zinszahlungen beachtlich). 41 Vgl. Bellstedt, S. 360; Schmidt /Heinicke §50 EStG Rdnr. 23; Kluge, § 18 S. 183. 42 Gone/la, DB 86, 297, 298 1i.Sp. oben. 43 So Jakob,§ 9 Rdnr. 16 Fn 12 S. 347. 44 Bellstedt, S. 352; Riecker, I. Teil 1. Abschn. C II S. 40; vgl. Jakob, § 9 Rdnr. 16 Fn. 12 S. 347.

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Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

parallel zur deutschen Quellenbesteuerung dem Prinzip der Wohnsitzbesteuerung folgt und eine Steuerpflicht an denselben Gegenstand anknüpft. 45 1. Unilaterale Konfliktlösung Einseitig und unter engen Voraussetzungen wird dieses Ergebnis im deutschen Einkommensteuerrecht für das über die Zweigniederlassung beschränkt steuerpflichtige Unternelunen in § 50 VI EStG vermieden, der auf § 34 c I bis III EStG verweist. 46 Danach sind im Ausland für denselben Gegenstand zu entrichtende Steuern von der inländischen Einkommensteuer (Abs. I) oder auf Antrag schon bei der Ermittlung der Inlandseinkünfte (Abs. 2) abzuziehen. 2. Bilaterale Lösungen; Doppelbesteuerungsabkommen Da eine doppelte Besteuerung die Attraktivität einer derartigen grenzüberschreitenden Investition sinken ließe, 47 hat die Bundesrepublik mit zahlreichen Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (sog. DBA) geschlossen. 48 Hierbei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge i.S.d. Art. 59 li GG, die bei einer Umsetzung in innerstaatliches Recht das jeweilige Steuerrecht der beteiligten Staaten überlagern und als spezielles Gesetz diesem gemäß § 2 AO vorgehen.49 Offen ist lediglich, ob ein bestehendes Abkommen nachträglich wiederum durch nationales Recht eingeschränkt werden darf (sog. treaty overriding). 50 Die Besteuerungsrechte können in DBA auf dreierlei Weise festgelegt werden: 51 So kann der im Inland erzielte Gewinn der ausschließlichen Besteuerung durch den ausländischen Wohnsitzstaat oder durch den inländischen Quellenstaat unterfallen oder das Besteuerungsrecht zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat aufgeteilt werden. 45 Vgl. Wilke, S. 32 Rdnr. 21 u. 22; zu den Gründen der Doppelbesteuerung vgl. auchEbke, Double Taxation, S. 1099. 46 Übersicht bei Wilke, S. 34 /35 Rdnr. 27. 47 Das ausländische Unternehmen könnte dann den Weg vorziehen, seine inlandsbezogenen Geschäfte direkt aus dem Ausland ohne Schaffung einer deutschen Betriebsstätte zu betreiben oder sogar ganz auf eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivität zu verzichten. Vgl. Ebke, Double Taxation, S. 1099 a.E. ("[...) it hinders transnational commercial and industrial activities as weil as the transfer of capital"); Vogel, DStZ 97, 269, 277li.Sp. 48 Aktuelle Übersicht in RIW 97, 174-177; zu multinationalen Lösungen siehe Grotherr in Becker!Höppner/Grotherr!Kroppen DBA-Komm. Grundlagen Teil 1 Abschn. 1 Rdnr. 40; zur Geschichte der DBA vgl. Vogel, DStZ 97, 269, 278. 49 Jakob, Einkommensteuer,§ 10 Rdnr. 2 S. 363. 50 Vgl. Schmidt!Heinicke § 50 d EStG Rdnr. 2 m.w.N. 51 Vgl. Hellwig in Littmann/Bitz/Hellwig § 50 d EStG Rdnr. 5.

Vll. VenneidWlg doppelter BesteueT\IDg

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Eine Umgehungsklausel auch fiir den Fall von Doppelbesteuerungsabkommen enthält § 50 d I a EStG. Die Vorteile eines solchen Abkommens werden nicht gewährt, wenn eine ausländische Trägergesellschaft ohne weitere eigenständige Betätigung von Personen errichtet worden ist, die selbst von dem betreffenden DBA nicht erfaßt wären. Würde demnach von Personen aus dem Nicht-DBA-Land X eine Gesellschaft mit einer Hauptniederlassung im DBALand Y und sodann eine deutsche Zweigniederlassung derselben errichtet, 52 ohne daß die Hauptniederlassung selbst in nennenswertem Umfang wirtschaftlich tätig wäre, fänden die Vorteile des DBA auf die ausländische Gesellschaft des Landes Y keine Anwendung. 3. OECD-Musterabkommen Die Mehrzahl der neueren Doppelbesteuerungsabkommen orientiert sich am OECD-Musterabkommen 197753 (MDBA 1977), bei dem es sich lediglich um eine Empfehlung, nicht um gesetztes Recht handelt. 54 Definitorisch unterstellt auch das MDBA in Art. 5 II die Zweigniederlassung dem Begriff der Betriebsstätte. Träger der Zweigniederlassung muß ein Unternehmen sein, wobei eine Beschränkung auf kaufmännische oder gewerbliche Betätigungen nicht erfolgt. 55 Art. 7 I MDBA läßt die Besteuerung des Betriebsstättengewinns durch den Staat am Sitz derselben zu. Für die Ermittlung des Inlandsgewinns einer ausländischen Betriebsstätte legt Art. 7 II MDBA die direkte Methode (dealing at arm's length-Prinzip)56 fest, d.h. die Zweigniederlassung (Betriebsstätte) ist insoweit wie ein unabhängiges und selbständiges Unternehmen zu behandeln. 57 Die indirekte Methode wird als Ausnahme58 in Art. 7 IV zugelassen, sofern sie in einem Vertragsstaat üblich ist und in ihren Ergebnissen mit den Grundsätzen des Art. 7 übereinstimmt. Faßt man Zweigniederlassungen freiberuflicher ausländischer Unternehmensträger nicht bereits unter Art. 7 I, so ermöglicht zumindest Art. 14 I MDBA eine Besteuerung von 52 Ähnliches Beispiel in Hellwig in Littmann/Bitz!Hellwig § 50 d Rdnr. 13 a (Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft mit Sitz in einem Abkommensland). 53 Abgedruckt in Internationale Wirtschaftsbriefe Fach G 10 Gruppe 2 S . 35; zu den späteren Teilrevisionen, die hier nicht durchschlagen, siehe Lüthi in Becker/HiJppnerl Grotherr/Kroppen Vor OECD-MA Rdnr. 5- 15. 54 Jakob, § 10 Rdnr. 4 Fn 4 S. 364. 55 Enger Vogel DBA Art. 5 Rdnr. 52 Wlter Rückgriff auf den handelsrechtliehen Begriff; zur Auslegung von DBA allgemein Wilke, Rdnr. 229 S. 114. 56 Wilke, Rdnr. 280 S. 132; vgl. auch Bellstedt, S. 365; Riecker, 1. Teil 3. Abschn. B II 1 S. 97 u. 98.; Ebenroth, VennögenszuwendWlgen, S. 82 (rein wirtschaftlich zu interpretierender Maßstab). 57 Vogel, DStZ 97, 269, 280. 58 Vgl. Vogel DBA Art. 7 Rdnr. 86, 91 u. 95; Wilke, Rdnr. 286 S. 135.

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Fünftes Kapitel: Die Zweigniederlassung im Steuerrecht

deren Inlandseinkünften, da sich Zweigniederlassungen als feste Einrichtung i.S. dieser Vorschrift einordnen lassen. Die Bewertungsmethoden des Art. 7 können auch hier herangezogen werden. 59 Art. 22 II MDBA ermöglicht die Besteuerung des beweglichen Vermögens, das als Betriebsvermögen einer Betriebsstätte oder sonstigen festen Einrichtung einzuordnen ist. Davon wird auch das inländische Betriebsvermögen einer Zweigniederlassung erfaßt. Zur Vermeidung der nach dem Abkommen an sich möglichen Besteuerung desselben Gegenstandes in zwei Staaten bieten Artt. 23 A und B MDBA zwei Varianten an. Bezieht man diese auf Zweigniederlassungen, so führt die in Art. 23 A I festgelegte Befreiungsmethode dazu, daß der fur die Besteuerung der Hauptniederlassung zuständige Staat Einkünfte und Betriebsvermögen der Zweigniederlassung nicht berücksichtigt. Nach der Anrechnungsmethode des Art. 23 B I rechnet der Staat der Hauptniederlassung den im Sitzstaat der Zweigniederlassung zu entrichtenden Steuerbetrag auf seine Steuersumme an. 60 Der mittels der Anrechnungsmethode abziehbare Betrag wird durch Art. 23 BIS. 2 jedoch auf die Maximalhöhe begrenzt, die sich unter Zugrundelegung des Steuersatzes des Staates der Hauptniederlassung für den Gewinnteil der Zweigniederlassung ergäbe. In der ersten Variante vermeidet man folglich die doppelte Besteuerung auf der Ebene der Gewinn- bzw. Vermögenserrnittlung, in der zweiten auf der Ebene der Steuerfestsetzung. Beide Methoden beinhalten ferner einen sog. Progressionsvorbehalt, d.h. eröffnen dem Hauptsitzstaat die Möglichkeit, bei der Festlegung des Steuersatzei1 fur die übrigen Inlandseinkünfte die Auslandseinkünfte zu berücksichtigen (Art. 23 A III bzw. Art. 23 B II). Welche Methode sich fur den Betrieb einer Zweigniederlassung als vorteilhafter erweist, hängt u.a. davon ab, ob bzw. in welchem Umfang sich die Steuersätze in beiden Staaten fur die konkrete Summe der Einkünfte bzw. des Vermögens unterscheiden und ob der Staat des Hauptsitzes vom Progressionsvorbehalt Gebrauch macht. 62

Vogel DBA Art. 14 Rdnr. 3. Mißverständlich Jakob, § 10 Rdnr. 11 S. 367 (immer Betrag an inländischer Steuer, der der Auslandssteuer entspricht). Der entsprechende inländische Steuerbetrag bildet jedoch nur die Obergrenze des Abzugs. 61 Vogel DBA Art. 23 Rdnr. 207. 62 Beispiel: Haben die Hauptniederlassung im Staat X (separat betrachtet) 900 000 DM Gewinn und die Zweigniederlassung im Staat Y 100 000 DM Gewinn erzielt und liegt der Steuersatz für den Gewinn im Staat X bei 10 %, im Staat Y bei 20 %, so beläuft sich die Steuersumme für das Unternehmen insgesamt nach der Befreiungsmethode auf 110 000 DM (90 000 DM im Staat X+ 20 000 DM im Staat Y) und nach der Anrechnungsmethode auch auf ll 0 000 DM ( l 00 000 DM - l 0 000 DM [eigentlich 20 000 DM, aber lO% von 100 000 DM als Abzugsobergrenze] im Staat X zuzüglich 20 000 DM im Staat Y). Bei progressiven Steuertarifen können sich die Ergebnisse indessen ändern. Ausfuhrliehe Rechenbeispiele bei Vogel DBA Art. 23 Rdnr. 20-27. 59

60

Sechstes Kapitel

Insolvenzrecht Eine Kodifikation des deutschen internationalen Insolvenzrechts fehlte nach bisheriger Rechtslage; erst die neue Insolvenzordnung schafft eine solche in Art. 102 des Einfiihrungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1.1.1999. Wird am Sitz der Hauptniederlassung ein Insolvenzverfahren nach dortigem Recht über das Unternehmen eröffnet, so stellt sich die Frage, inwieweit dieses sich auch auf Vermögensgegenstände am Ort der Zweigniederlassung in Deutschland bezieht und ob, falls dies grundsätzlich zu bejahen sein sollte, die ausländische Rechtsordnung dann zusätzliche insolvenzrechtliche Anforderungen an inländische Sicherungsrechte aufstellen kann. Ferner sind unterschiedliche Möglichkeiten der Eröffnung insolvenzrechtlicher Verfahren darzustellen. Hierbei werden neben der noch bestehenden Rechtslage sowohl die neue Insolvenzordnung (bzw. das dazu gehörige Einfiihrungsgesetz) als auch- auf der Ebene der EU - das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren zu berücksichtigen sein.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens Da die Zweigniederlassung nur eine unselbständige Rechtseinheit darstellt, kommt es bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrensam Sitz der Hauptniederlassung zwangsläufig zur Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang dieses auch für die im Inland belegenen und der Zweigniederlassung zuzuordnenden Vermögensgegenstände und damit auch für inländische Gläubiger Wirkungen zeitigt. Bei einer inländischen Tochtergesellschaft kann wegen der Zugehörigkeit von Vermögensbestandteilen zu unterschiedlichen Rechtssubjekten diese Problematik dagegen nicht auftreten; die Universalität eines Konzernkonkurses wird nicht vertreten. 1

1

Vgl. Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 143/144.

18 Rinne

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Sechstes Kapitel: fusolvenzrecht

1. Zugriff auf Vermögensgegenstände am Ort der Zweigniederlassung (Reichweite des Verfahrens)

Für die Frage der Wirkungen eines im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens spielt es, zumindest nach derzeitiger Rechtslage, keine Rolle, daß das deutsche Inlandsvermögen des ausländischen Gemeinschuldners in concreto in der Form einer Zweigniederlassung organisiert ist, sofern im Inland kein Partikularverfahren angestrengt wird. Diese Konstellation unterscheidet sich nicht von derjenigen bei gewöhnlichem, d.h. keinem zusammenhängenden Zweck dienendem, Inlandsvermögen des ausländischen Gemeinschuldners. 2 Vorauszusetzen ist lediglich, daß kein eigenständiges Rechtssubjekt hinzutritt. Da im Zusammenhang mit einer bestehenden Zweigniederlassung aber bei einem Konkurs des Gesamtunternehmens stets die Erfassung des Inlandsvermögens zur Debatte steht, ist die Rechtslage aus praktischen Gründen gleichwohl darzulegen. a) Bisherige Rechtslage-§ 237 KO Wird über die ausländische Hauptniederlassung ein Insolvenzverfahren eröffnet, so findet sich ein kollisionsrechtlicher Ansatzpunkt nach derzeitigem Recht lediglich in§ 237 I K03, ohne daß diese Norm eine explizite Anknüpfungsregel aufstellt. aa) Territorialität oder Universalität Auf Basis des § 237 I KO war die Bestimmung der Reichweite eines ausländischen Insolvenzverfahrens lange Zeit von der Kontroverse zwischen der territorialen und der universellen Charakterisierung des Konkurses geprägt. Insbesondere die frühere Rechtsprechung4 begrenzte die Wirkungen eines Konkurses im Ausland wegen ihres hoheitlichen Charakters grundsätzlich auf den Staat der Konkurseröffnung (sog. Territorialitätsprinzip). Inländische Beachtung kam dagegen bereits dem ausländischen Konkurs juristischer Per2 Es sei denn, man setzte die ZweigniederlassWlg auch im internationalen Konkursrecht wiederum der Tochtergesellschaft gleich, indem man die fusolvenz den AußenrechtsbeziehWlgen Wlterstellte. Dieser auf der Grundlage der oben (drittes Kapitel ll) genannten, indessen abgelehnten AuffassWlgen möglicherweise durchaus konsequente Ansatz wird jedoch nicht vertreten. 3 Für das Gebiet der neuen BWldesländer gilt die GesamtvollstreckWlgsordnWlg von 1990, abgedr. in BGBI. 1991 I, S. 1185. § 22 I GesO regelt die KonlrursanerkennWlg zugWlsten des Universalitätsprinzips. 4 Etwa BGH, Urt. v. 4.2.60 (Vll ZR l6l/57), NJW 1960, 774, 774li.Sp.; BGH, Urt. v. 30.5.62 (Vlll ZR 39/61), NJW 62, 1511, 1512li.Sp.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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sonen insoweit zu, als die Anerkennung des ausländischen Konkursverwalters in diesem Zusammenhang als Vertretungsfrage dem Personalstatut zugeordnet wurde.5 Zugleich ging man indessen auf der Grundlage des § I I KO davon aus, daß ein inländisches Konkursverfahren auch das Auslandsvermögen des Gemeinschuldners erfasse. 6 Hierbei sollte aus deutscher Sicht die Anerkennung durch den ausländischen Staat unerheblich sein. 7 Im Jahr 1985 schloß sich die Rechtsprechung schließlich der herrschenden Literaturmeinung an und läßt seitdem, vorbehaltlich eines deutschen Partikularverfahrens, den Auslandskonkurs stets grenzüberschreitend auch Vermögen erfassen, das in Deutschland belegen ist (sog. Universalitätsprinzip). 8 Man stützt sich dabei zum einen auf den dahingehenden Willen des historischen Gesetzgebers. 9 Zum anderen sei die Gleichbehandlung aller Gläubiger des gesamten Vermögens10 gerade im Hinblick auf die zunehmende internationale Verflechtung der Wirtschaft maßgeblich. 11 Ferner soll die in § 237 I KO gewährte Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in das Inlandsvermögen als Ausnahmeregel aufzufassen sein, 12 die die inländische Zwangsvollstreckung bei schon bestehenden Titeln zuläßt. 13 Schließlich entstehe bei Annahme einer territorialen Begrenzung eine konkursrechtliche Lücke fiir das inländische Vermögen, wenn ein deutscher Partikularkonkurs i.S.d. § 238 I KO mangels Vorliegen einer gewerblichen Inlandsniederlassung nicht möglich sei. 14 Das 5 BGH, Urt. v. 7.12.61 (li ZR 11/60), WM 62, 263, 266 li.Sp. (Frage der gesetzlichen Vertretung und nicht des Beschlags des inländischen Vermögens); BGH, Urt. v. 2.4. 70 (VII ZR 128/68), BGHZ 53, 383, 387. 6 BGH, Urt. v. 10.12.76 (V ZR 145174), BGHZ 68, 16, 17; BGH, Urt. v. 13.7.83 (VIIl ZR 246/82), BGHZ 88, 147, 150 ff. 7 Vgl. Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1797. 8 BGH, Urt. v. 11.7.85 (IX ZR 178/84), BGHZ 95,256, 263; jüngst bestätigt durch BGH, Urt. v. 14.11.96 (IX ZR 339/95), NJW 97, 524, 525 (li.Sp.); so bereits in einer frühen Entscheidung das RG, Urt. v. 28.3.1882 (Rep. Ill. 241/82), RGZ 6, 400, 404; zustinunend Hess!Goetsch § 237 KO Rdnr. 1 ff 9 BGHZ 95, 256, 265. 10 BGHZ 95, 256, 264 und 268; zustinunend Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 33. 11 Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1792; BGHZ 95, 256, 267; ähnlich Hanisch, ZIP 94, 1, 2. 12 BGHZ 95, 256, 267; Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 123; Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 21 (Wortlaut erklärt lediglich ein ausländisches Vollstrekkungsverbot im Inland für unbeachtlich) und Rdnr. 36; Kilger/Schmidt § 237 KO Anm. 7; auch Jaeger/Jahr §§ 237, 238 KO Rdnr. 123; abweichend Baur!Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.25 (Entwicklung contra Iegern; dennoch insgesamt zustinunend). 13 MünchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 Rdnr. 352; Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 24. 14 BGHZ 95, 256, 267.

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Territorialitätsprinzip führe zu Vermögensspaltungen und "hinkenden Rechtsverhältnissen. nlS Mit der genannten Entscheidung des BGH dürfte demgemäß dieser Grundsatzstreit im wesentlichen erledigt sein. Dem Universalitätsprinzip ist in bezug auf inländische Zweigniederlassungen schon deshalb zu folgen, weil es der Unselbständigkeit dieser Betätigungsform besser gerecht wird und demzufolge der internationalen Rechtssicherheit dient. Geht das deutsche Konkursrecht fiir Inlandskonkurse von diesem Prinzip aus, darf es auch ausländischen Konkursverfahren nicht versagt werden. Ferner wäre ein Vertrauen des ausländischen Unternehmensträgers auf die Nichteinbeziehung seines in Deutschland belegenen Vermögens ohnehin nicht schutzwürdig, da anderenfalls die Zweigniederlassung zur Umgehung des Auslandskonkurses mißbraucht werden könnte. bb) Tatbestandsvoraussetzungen der Anerkennung Rechtsprechung und Literatur verlangen zur Anerkennung der universellen Wirkung eines ausländischen Konkursverfahrens, daß diese "in das Gesamtgefiige der deutschen konkursrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze eingebettet" 16 ist, und haben diverse Kriterien herausgebildet, die kumulativ vorliegen müssen. Bei dem ausländischen muß sich um ein dem deutschen Konkurs insoweit vergleichbares Verfahren handeln, als es auf gleichmäßige Gläubigerbefriedigung abzielt; es hat auf eine Gesamtexekution ausgerichtet zu sein. 17 Deutsche Gläubiger müssen am Auslandskonkurs teilnehmen können. 18 Vergleichbar ist das Verfahren nur, wenn das ausländische Recht selbst von seiner universellen, d.h. auch exterritorialen Wirkung ausgeht. 19 Der Konkurs muß durch die international zuständige Stelle eröffnet worden sein. Diese bestimmt man grundsätzlich aus der Sicht des deutschen internationalen Konkursverfahrensrechts. 20 Über die dabei maßgebliche Rechtsgrundlage herrscht jedoch keine Einigkeit. Überwiegend stellt man hierzu auf

Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 36. BGHZ 95, 256, 269/270. 17 Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 13; Kilger!Schmidt § 237 KO Arun. 6 b. 18 Baur!Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band Il, Rdnr. 37.26; ähnlich Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1808. 19 MünchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 356; Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 125. 2 Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 38. 15 16

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I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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§§ 71 I, 238 I KO ab. 21 Danach beurteilt sich die Zuständigkeit fiir ein umfassendes Verfahren nach dem Recht am Ort der Hauptniederlassung oder am allgemeinen Gerichtsstand des Gemeinschuldners. Besteht im Staat der Eröffnung dagegen nur eine sonstige Niederlassung, erkennt man die Zuständigkeit nur fiir das dortige Vermögen an. 22 Darüber hinaus wird vorgeschlagen, ausschließlich § 71 I KO als allseitige Kollisionsnorm analog heranzuziehen. 23

Jedoch ist nicht plausibel, weshalb ein ausländisches Konkursverfahren, ohne daß dort eine Hauptniederlassung besteht, noch weitergehende Wirkungen haben soll als ein solches deutschen Ursprungs im umgekehrten Fall. 24 Das Ziel der Universalität, eine Erhöhung der Rechtssicherheit, würde auf diese Weise verfehlt. 25

Erwogen wird schließlich, die Zuständigkeit parallel zum Gesellschaftsstatut zu ermitteln und stets auf den effektiven Verwaltungssitz des Gemeinschuldners abzustellen, da sich dort der Mittelpunkt dessen wirtschaftlichen Lebens befinde. 26 Damit soll das Risiko einer eventuell abweichenden Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes durch das ausländische Recht vermieden werden. 27 Diese Auffassung mag zwar fiir den Fall eines Hauptkonkurses im Ausland zweckmäßig sein, wäre aber zugleich mit der Universalität eines deutschen Inlandskonkurses, bei dem § 71 I KO direkt anzuwenden und demzufolge hilfsweise der allgemeine Gerichtsstand maßgebend ist, kaum zu vereinbaren. 28 Demzufolge sollte die Eröffnungszuständigkeit der ausländischen Stelle unter Zugrundelegung der §§ 71 I, 238 KO spiegelbildlich29 bestimmt werden. Für die Konstellation einer ausländischen Haupt- und einer inländischen Zweigniederlassung dürften sich in der Praxis zwischen den genannten Auffassungen ohnehin kaum Unterschiede ergeben.

21 BGHZ 95, 256, 270; ebenso Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1809 (spiegelbildliche AnwendWlg der deutschen Vorschriften); Hess!Goetsch § 237 Rdnr. 13; Soergel/Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 229; Gottwald!Amold, lnso1venzrechtsHandbuch, § 122 Rdnr. 7. 22 Baur!Sttimer, Zwangsvollstreckungsrecht Band IT, Rdnr. 37.26; Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 128 (Umkehrschluß aus§ 238 KO). 23 Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 Rdnr. 69. 24 Die analoge AnwendWlg des § 71 I KO WUrde nur eine gewerbliche Nieder1assWlg voraussetzen, jedoch keinen Hauptsitz. 25 ÄhnlichEbenroth, ZZP 101 (1988), 121, 126. 26 Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 127/128; v.Oertzen, S. 44 (Geschäftszentruirt). 27 Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121 , 126 Fn 35. 28 Die Kritik durch Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 69, der effektive VerwaltWlgssitz sei zu schwer zu bestinunen, ist allerdings nicht überzeugend. 29 Ausdrücklich BGH, Urt. v. 27.5.93 (IX ZR 254/92), ZIP 93, 1094, 1095 a.E.

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Der Konkurs muß im Ausland wirksam eröffnet worden sein; für den Eröffnungsakt ist die Iex fori concursus maßgeblich. 30 Dabei reicht dessen formelle Wirksamkeit aus. 31 Die Kenntnis des inländischen Publikwns von der Konkurseröffnung im Ausland wird nicht vorausgesetzt.32 Ferner darf die universelle Wirkung des ausländischen Konkurses keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public darstellen.33 Doch soll ein solcher Verstoß nur in extremen Fällen die Nichtanerkennung zur Folge haben; eine bloße Begrenzung der Inlandswirkungen geht vor.34 Kontovers ist noch, ob man die Anerkennung des ausländischen Konkurses durch ein Erfordernis der Gegenseitigkeit beschränken soll, d.h. ob die Universalität desselben unter dem Vorbehalt steht, daß das internationale Konkursrecht des Eröffnungsstaates auch einem deutschen Verfahren ähnliche Wirkungen für das dortige Inland zwnißt. Dies wird zumindest eingeschränkt für den Fall vertreten, daß der andere Staat dem deutschen Konkurs selbst keinerlei Anerkennung verschafft. 35 Ein solches Erfordernis soll sich aus § 72 KO ergeben, der wegen der dortigen Verweisung auf die ZPO auch eine Anwendung des § 328 Nr. 5 ZPO zuläßt. 36 Rechtsprechuni7 und überwiegende Literatu~8 lehnen eine derartige Beschränkung ab. Die Berufung des ausländischen Konkursrechts erfolge, weil eine einheitliche Zuordnung des Konkursrechts zum eröffnenden Staat rechtspolitisch geboten sei. 39

§ 237 Rdnr. 13; Kilger/Schmidt § 237 KO Arim. 6 b. Baur!Stürner, Zwangsvollstreclamgsrecht Band 2, Rdnr. 37.26. 32 Trunk, KTS 1987, 415, 424/425 (Effektivität vorrangig vor Einzelinteressen). 33 Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 39; Baur!StUrner, Zwangsvollstreklamgsrecht Band II, Rdnr. 37.26 (so bei Verstoß gg. Art. 103 I GG oder verkappten Auslandsenteigmmgen); Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1811 (Diskriminierung deutscher Gläubiger unter Verstoß gegen Art. 3 GG). 34 Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 131. 35 Baur/Sturner, Zwangsvollstreclamgsrecht Band II, Rdnr. 37.27; Trunk, KTS 1987,415,426 ff.; auchMUnchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 358. 36 Trunk, KTS 1987, 415, 429. 37 BGH ZIP 93, 1094, 1095 a.E.; BGH NJW 97, 524, 527 (bei ausländischem Vergleich). 38 Gottwald/Arnold, Insolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 21 (möglichst umfassendes geordnetes Verfahren liegt auch im Interesse der deutschen Gläubiger); Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 74; Hess/Goetsch § 237 Rdnr. 14; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1812; Soergel!Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 229; wohl auchEbenroth, ZZP 101 (1988), 121, 131; vgl. auch Trunk, KTS 94, 33, 39/40; v.Oertzen, S. 24 (§ 328 ZPO erfaßt nur verfahrensrechtliche Anerkennung) u. S. 58 (Grundprinzip der Gleichstellung schon im deutschen Sachrecht prägend). 39 Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 74. 30 Hess/Goetsch 31

I. Inlandswirkwlgen eines Auslandsverfahrens

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Nachdem die Grundentscheidung zugunsten des Universalitätsprinzips gerade auch unter Berücksichtigung der fortschreitenden wirtschaftlichen Internationalisierung gefallen ist, bedeutet die Schaffung eines Korrektivs in Gestalt der Gegenseitigkeit einen Rückschritt hin zum Prinzip der Territorialität. Soll durch die universelle Anerkennung indessen eine internationale Liberalisierung erreicht werden, so rechtfertigt sich eine auslandsfreundliche Konkursanerkennung auch gegenüber Staaten mit restriktiverer Handhabung fremder Insolvenzwirkungen. Der Verzicht auf ein Gegenseitigkeitserfordernis korrespondiert überdies mit der hier favorisierten Anknüpfungslinie bei internationalprivatrechtliehen Fragen, insbesondere der Rechtsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung, in Form einer vorleistenden Normbildung. Daher unterstützt er die grenzüberschreitende Rechtssicherheit Eine Anerkennung ausländischer Konkursverfahren setzt infolgedessen keine Gegenseitigkeit voraus. § 238 I KO ermöglicht die Eröffnung inländischer Partikularkonkurse insbesondere bei bestehenden Zweigniederlassungen40 und beschränkt somit die Universalität. Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, ob die Anerkennung des ausländischen Hauptkonkurses in Deutschland schon dann ausscheidet, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des§ 2381 KO erfüllt sind, ein Partikularverfahren jedoch noch nicht eröffnet worden ist. Zu einer solchen Sichtweise ließe sich auf der Grundlage des vom BGH genannten Argumentes der Lückenvermeidung gelangen, falls man unterstellte, eine konkursrechtliche Lücke existiere schon dann nicht mehr, wenn die Eröffnung eines deutschen partikularen Konkursverfahrens lediglich möglich sei.41 Dagegen dürfte bereits der Wortlaut des § 238 I KO sprechen. Wenn "das Verfahren" bei einer einfachen Niederlassung des Schuldners nur das Inlandsvermögen erfaßt, so ist hiermit das deutsche Partikularverfahren gemeint. Von einem solchen Verfahren kann jedoch erst ab Eröffnung ausgegangen werden. Überdies würde den Gläubigem ohne Not die Möglichkeit entzogen, an einem - möglicherweise für sie günstigeren - ausländischen Konkursverfahren auch in bezug auf das Inlandsvermögen teilzunehmen. 42 Sollte sich dieses Universalverfahren als unvorteilhaft erweisen oder dem ausländische Konkursrecht gar eine Erstreckung auf in Deutschland belegenes Vermögen unbekannt sein, können diese Gläubiger gemäß § 103 II KO die Eröffnung eines Partikularverfahrens i.S.d. § 238 I KO beantragen und dadurch die eventuelle Inlandswirkung des Auslandskonkurses beseitigen. Auch der Gesetzeszweck gebietet folglich eine derartige Interpretation des§ 238 I KO nicht. Solange ein inländisches Partikularverfahren zwar möglich, aber nicht eröffnet worden ist, Zu Partikularkonkursen über Zweigniederlassungen unten 111 a). So offenbar Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 125. 42 Älml. v.Oertzen, S. 46 (wlhaltbarer Schwebezustand).

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

bleibt es daher bei der Anerkennung der universellen Wirkung eines ausländischen Hauptkonkursverfahrens. 43 cc) Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis des Gemeinschuldners im Inland Ist ein ausländischer Hauptkonkurs ohne Vorliegen eines inländischen Partikularverfahrens eröffnet worden, so verliert der Gemeinschuldner seine Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis auch für das ·Inland, d.h. hier für den Bereich seiner deutschen Zweigniederlassung. Maßgebend ist nunmehr das ausländische Konkursrecht 44 dd) Wirkung auf schwebende Rechtsstreitigkeiten (§ 240 ZPO) Noch nicht abschließend geklärt ist, welche Auswirkungen die Eröffnung eines ausländischen Konkursverfahrens auf schwebende Rechtsstreitigkeiten des Gemeinschuldners, die Gegenstände der Konkursmasse betreffen, vor deutschen Gerichten hat. Der BGH hatte in seiner Grundsatzentscheidung zur Universalität des Auslandskonkurses diese Frage zunächst offengelassen,45 doch in einer späteren Entscheidung eine Anwendung des § 240 ZPO abgelehnt. 46 Nunmehr will allerdings der neunte Zivilsenat von der bisherigen Rechtsprechung abweichen und hat vorbereitend eine entsprechende Anfrage an den ersten Zivilsenat und den Kartellsenat beschlossen. 47 Die bisherige restriktive Handhabung der Rechtsprechung wird damit begründet, daß die automatische Unterbrechung des Prozesses der Rechtssicherheit widerspreche, da die Parteien nicht ohne weiteres frühzeitige Kenntnis von der Konkurseröffnung im Ausland erlangen könnten. 48 Nach abweichender Auffassung wird bereits aus dem grundsätzlichen Übergang der Prozeßführungsbefugnis auf den ausländischen Konkursverwalter, d.h. aus der Universalität des Konkur-

43 Im Erg. auch Ki/ger!Schmidt § 237 KO Arun. 6 b; Baur!Stamer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.31 (§ 238 ordnet keine ausschließliche Zuständigkeit an); Kuhn!Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 30 (3); v.Oertzen, S. 46. 44 Soergei/Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 230; Baur!StUmer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.32; Hess!Goetsch § 237 Rdnr. 19. 45 BGHZ 95, 256, 269. 46 BGH, Beschl. v. 7.7.1988 (I ZB 7/88), NJW 88, 3096, 3069; vgl. zur früheren Rechtsprechung unter dem Territorialitätsprinzip noch BGH, Urt. v. 20.6.79 (VIII ZR 228176), NJW 79, 2477, 2478. 47 BGH, Beschl. v. 13.5.1997 (IX ZR 309/96), NJW 97,2525. 48 BGH NJW 88, 3096, 3097.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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ses, 49 abgeleitet, daß § 240 ZPO ebenfalls anzuwenden sei. 5° Ferner will man auf diese Weise auch den ausländischen Konkursgläubigem den Schutz durch eine Unterbrechung zukommen lassen; die Voraussetzungen einer Konkursanerkennung sollen hierzu von Amts wegen im deutschen Verfahren zu prüfen sein. 51 Zwar widerspricht die (hergebrachte) Auffassung des BGH insoweit nicht seiner grundlegenden Entscheidung, als dort die Anerkennung des ausländischen Konkursverfahrens auch von einer Einbettung in das System deutscher Vorschriften abhängig gemacht worden war. Zu bezweifeln ist aber, daß die automatische Wirkung des § 240 ZPO zu unzumutbaren Rechtsunsicherheiten fiihrt. Haben inländische Gläubiger einen Prozeß gegen den späteren Gemeinschuldner angestrengt, so wird ihnen (gleichsam automatisch) spätestens zu diesem Zeitpunkt52 bekannt, daß sich der Hauptsitz ihres Gegners im Ausland befindet. Auf dieser Grundlage müssen sie mit Einflüssen des ausländischen Rechts rechnen. Überdies ist nicht einzusehen, weshalb man sie auf diese Weise sogar besser stellen sollte als bei Prozessen gegen einen Schuldner mit inländischem Hauptsitz. Schließlich würde inländischen Gläubigem bei Unanwendbarkeit des § 240 ZPO die Möglichkeit eröffnet, das Verfahren durch eine rechtzeitige Prozeßeinleitung in Deutschland zu manipulieren, wenn sie von einer drohenden Konkurseröffnung im Ausland erfUhren. Eine darin liegende mißbräuchliche Rechtsausübung wäre kaum nachweisbar. Nach alledem erweist sich die Unterbrechung inländischer Verfahren durch eine Konkurseröffnung weder als systemfremd noch als unvorhersehbar, so daß § 240 ZPO auch auf diese Fälle anzuwenden ist.

49 Stein/Jonas!Roth § 240 I ZPO Rd.nr. 14 (für Aktiv- Wld Passivprozesse); Z61/erl Greger § 240 ZPO Rd.nr. 1 b; Soergel!Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rd.nr. 230; v.Oertzen, S. 107 (UnterbrechWlg als flankierende Maßnahme); Gottwald!Amold, Insolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rd.nr. 108; auch Kuhn!Uhlenbruck Vorbem §§ 10-12 KO Rd.nr. 2; nWl auch BGH NJW 97, 2525, 2526 li.Sp. 5 Kilger/Schmidt § 237 KO Rd.nr. 6 b (nur ftlr Aktivprozesse); Baur!Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rd.nr. 37.32; auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.2.1992 (9 W 83/91), RIW 92,940,940 (sofern auch das ausländische Insolvenzverfahren eine entspechende UnterbrechWlg vorsieht); vgl. Hausmann in Reithmannl Martiny Rd.nr. 1825 (FolgefWlg aus der Qualifikation des ausländischen Verfahrens als "Konkurs"). 51 Kuhn!Vhlenbruck §§ 237, 238 KO Rd.nr. 77. 52 War der inländische Kontakt über eine ZweigniederlassWlg erfolgt, greift ohnehin das oben entwickelte Erkennbarkeitsmodell, so daß sich inländische Gläubiger schon vor Beginn des Prozesses auf mögliche Einflüsse fremden Rechts einstellen konnten.

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

ee) Befugnisse des ausländischen Konkursverwalters im Inland Grundsätzlich richten sich die Befugnisse des ausländischen Konkursverwalters :fiir das Inlandsvermögen ebenfalls nach dem materiellen Konkursrecht des Eröffnungsstaates. 53 Jedoch sollen sie nicht über die Befugnisse, die ein inländischer Konkursverwalter beanspruchen könnte, hinausgehen. 54 Gegen diese Limitierung wird argumentiert, sie unterlaufe das Universalitätsprinzip. 55 Da sich die vorliegende Bearbeitung ausschließlich an inländischen Zweigniederlassungen orientiert, kann die allgemeine Beantwortung dieser Frage indessen dahinstehen. Ein Schutz inländischer Gläubiger vor unerwarteter Rechtsmacht des ausländischen Konkursverwalters ist durch die Beantragung und Eröffnung eines deutschen Partikularkonkurses möglich, so daß ein Bedürfnis nach einer nur beschränkten Anerkennung des Hauptkonkurses insoweit entfällt.

ff) Anfechtung Auch zur Anknüpfung einer Konkursanfechtung bestehen noch unterschiedliche Ansichten. Mehrere Stimmen ordnen die Konkursanfechtung als solche dem Verfahrensrecht zu, so daß ihre Voraussetzungen der Iex fori concursus unterliegen sollen, mithin bei einem ausländischen Hauptkonkurs dem dortigen Recht. 56 Jedoch wird auch vertreten, deutsche Einschränkungen im Sinne eines Verkehrs- und Vertrauensschutzes (insbesondere die Beschränkungen der Anfechtbarkeil bei Gutgläubigkeit des Anfechtungsgegners in §§ 30 ff. KO) zur Anwendung zu bringen. 57 Nach einer weiteren Auffassung soll die Zulässigkeit der Anfechtung stets kumulativ nach der Iex fori concursus und dem Wirkungsstatut der anfechtbaren Rechtshandlung zu prüfen sein, da das Vertrauen des Anfechtungsgegners in die Rechtmäßigkeit seines Erwerbs zu schützen sei. 58 Schließlich will man die Konkursanfechtung unter 53 ManchKomm/Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 361; SoergeVKronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 230; Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 16; Gottwald/Arnold, Inso1venzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 102. 54 Strittig: so Kilger/Schmidt § 237 KO Anm. 6 b; Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 17; nur bei erheblichen Rechtsunterschieden Gottwald/Arnold, Insolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 101; a.A. v.Oertzen, S. 87. 55 Kuhn/Uhlenbrock §§ 237,238 KO Rdnr. 90 und 91. 56 Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 21; Kilger!Schmidt § 237 Anm 6 b; Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 79; Hanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61, 70. 51 Baur!Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht Band Il, Rdnr. 37.34 a.E. 58 Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1836; SoergeVKronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 231; Gottwald!Amold, Inso1venzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 121; jetzt auch BGH, Urt. v. 21.11.96 (IX ZR 148/95), Will 97, 136, 138 unter ausdrücklichem Vorgriff auf Art. 102 II EGinsO.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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Hinweis auf ihre materiell-rechtlichen Effekte stets unselbständig und unabhängig von der lex fori concursus der Rechtsordnung unterwerfen, die für die Wirksamkeit der anzufechtenden Rechtshandlung maßgeblich ist. 59 M.E. ist schon im Interesse der Rechtssicherheit ausschließlich auf die Regeln der lex fori concursus abzustellen. Daß daraus u.U. eine Belastung der deutschen Gläubiger resultiert, läßt sich unter konsequenter Zugrundelegung des Universalitätsprinzips mit der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger rechtfertigen. Überdies kann ein inländischer Kontrahent einer Zweigniederlassung erneut auf die Erkennbarkeit des Auslandsbezuges und eine damit verbundene Risikoerhöhung verwiesen werden. Gegen eine Anknüpfung an das Recht der anzufechtenden Erwerbshandlung spricht, daß diese von Zufälligkeiten geprägt werden könnte:60 Wäre eine zunächst in Deutschland belegene Sache vom Gemeinschuldner ins Land Y verbracht, einem dort nur vorübergehend anwesenden Deutschen veräußert und darauf am Hauptsitz des Gemeinschuldners im Land X ein Konkursverfahren eröffnet worden, so richtete sich nun die Anfechtung nach der lex rei sitae des Landes Y, selbst wenn keiner der Beteiligten zu ihr einen gegenwärtigen Bezug besäße. 61 Sofern die Anfechtungsmöglichkeiten der lex fori concursus sich daher nicht elementar von den deutschen Regelungen unterscheiden, widerspricht ihre Anwendung auch nicht dem ordre public. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs einer zur Konkursmasse gehörigen und daher einer Verfügungsbeschränkung unterliegenden Sache richtet sich dagegen nach den sachenrechtliehen Bestimmungen an ihrem Lageort. 62 gg) Inländische Zwangsvollstreckung nach § 237 I KO Nachdem sich die universelle Sichtweise des Auslandskonkurses durchgesetzt hat, beschränkt sich die Bedeutung des§ 237 I KO auf Ausnahmefälle. 63 Die Zwangsvollstreckung in inländische Vermögensgegenstände ist dann zulässig, wenn der in- oder ausländische64 Gläubiger bereits vor dem Zeitpunkt der ausländischen Konkurseröffnung einen Titel erlangt hatte. 65

59 Henckel, in: FS Nagel (1987), S. 93, 106; Henckel, in: Stellungnahmen, S. 156, 158 u. 159; v.Bar, IPR Band 2, Rdnr. 551. 60 Vgl. Hanisch, in: FS La1ive (1993), S. 61 , 70. 61 Unklar bleibt ferner, ob in einem solchen Fall die alte oder neue lex rei sitae anzuwenden wäre. 62 Vgl. Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1844 u. 1845. 63 Vgl. Jaeger/Jahr §§ 237, 238 KO Rdnr. 74 (Spezialnonn des deutschen ordre public). 64 Strittig ist, ob § 237 I auch ausländischen Gläubigern zugute kommt; vgl. Hess/Goetsch § 237 KO Rdnr. 23.; Kilger!Schmidt § 237 KO Anm. 7; bejahend die

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Fraglich ist, ob diese Vorschrift zugleich eine Aussage über die endgültige materielle Wirksamkeit einer solchen Einzelzwangsvollstreckung, i.e. die abschließende Vermögenszuweisung, beinhaltet. 66 Schließt der Wortlaut der Norm zwar eine dahingehende Deutung nicht aus, so gilt es doch zu verhindern, daß die einmal festgelegte universelle Konkurswirkung auf diese Weise unterlaufen wird. Folglich ist § 237 I KO restriktiv auszulegen und auf die Zwangsvollstreckung als solche zu beschränken. Der Gläubiger muß gegebenenfalls nach den Vorschriften der lex fori concursus das durch die (zulässige) Zwangsvollstreckung Erlangte an den ausländischen Konkursverwalter herausgeben.67 Allerdings scheidet eine (frühzeitige) Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) des Konkursverwalters in Deutschland aus, da der Anspruch, welcher der Zwangsvollstreckung zugrunde lag, nicht betroffen ist. 68 Ein Herausgabeanspruch ist demnach erst nach der Vollstreckung im Wege einer gewöhnlichen Leistungsklage geltend zu machen.

b) Insolvenzordnung Im Zuge der Schaffung einer neuen deutschen Insolvenzordnung hat auch das internationale Insolvenzrecht in deren Einfiihrungsgesetz (EGins0) 69 vom 5.10.1994 mit Wirkung zum 1.1.1999 (Art. 110 I EGinsO) eine ~egelung gefunden. Art. 102 I und II EGinsO erfassen dabei Anerkennung und Wirkung ausländischer Insolvenzverfahren. In Art. 102 I wird nunmehr die Universalität des Auslandskonkurses festgeschrieben, 70 sofern die Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts feststeht und kein Widerspruch zu wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen hervorgerufen wird. Insoweit hat man die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien übernommen. Eine Einschränkung

h.M., vgl. Pielorz, S. 79; v.Oertzen, S. 65; Gottwald!Amold, Insolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 42. 65 BGHZ 95, 256, 270. 66 So auf Basis der früheren Auff. zur Konkurswirkung Pielorz, S. 81, 88/89; ähnlich Jaeger/Jahr §§ 237, 238 Rdnr. 229 (keine Anerkennung des aus1änd. Konkursrechts, das eine nach § 237 I zulässige Zwangsvollstreckung filr materiellrechtlich unwirksam erklärt). 67 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.90 (13 U 84/90), IPRspr. 1990 Nr. 254 b (S. 557/558); Kilger/Schmidt § 237 KO Anm. 7; Kuhn/Uhlenbntck §§ 237, 238 KO Rdnr. 86; Hausmann in Reithmann!Martiny Rdnr. 1817; filr den umgekehrten Fall (Zwangsvollstreckung im Ausland bei inländischem Konkursverfahren) schon BGH, Urt. v. 13.7.83 (Vlll: ZR 246/82), BGHZ 88, 147, 153-155 (Grundsatz der Oleichbe~ handlUIIg der Gläubiger); 68 Kuhn/Uhlenbrnck §§ 237, 238 KO Rdnr. 86 a.E. 69 Abgedr. in BGBl. 1994 I, S. 2911. 70 Bork, Rdnr. 443.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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durch ein Erfordernis der Gegenseitigkeit findet sich nicht. 71 Bestehen bleibt auch mit der Neuregelung die Kontroverse über eine Unterbrechung inländischer Prozesse; zwar erfährt § 240 ZPO eine Änderung durch Art. 18 Nr. 2 EGinsO, jedoch beschränkt sich diese auf einen Austausch des Konkursbegriffes. 72 Dagegen wird mit Art. 102 II EGinsO der auf die Zulässigkeil einer Konkursanfechtung bezogene Streit zugunsten einer kumulativen Anwendung von Iex fori concursus und inländischem Recht entschieden, sofern letzteres für die Wirkung der anzufechtenden Handlung maßgebend ist. 73 Nicht hiervon erfaßt sind indessen Fälle, in denen die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes dem Sachenrecht eines weiteren Staates unterfieL Die materiellrechtliche Wirkung der Konkursanfechtung bestimmt sich auch weiterhin nach der Iex fori concursus. 74 Nicht mehr vorhanden ist die - bisher durch § 237 I KO gewährte- Möglichkeit einer inländischen Zwangsvollstreckung aus Titeln, die vor der Konkurseröffnung erlangt worden sind. c) Neuerungen durch das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren (ohne Partikular-/Sekundärverfahren)

Das internationale Konkurskollisionsrecht hat für den Bereich der Europäischen Union eine Regelung durch das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren75 (EuiVÜ) erfahren. Nach der Verabschiedung am 23.11.1995 wurde das Abkommen bisher von allen Mitgliedstaaten außer Großbritannien gezeichnet. 76 Unklar ist noch, ob der Rat der Europäischen Gemeinschaften aus diesem Grunde eine erneute Frist zur Zeichnung beschließen wird oder diejenigen Staaten, die das Abkommen bereits gezeichnet haben, über die Materie einen völkerrechtlichen Vertrag unter Streichung des

71 Tronk, KTS 94, 33, 39 auf Basis des Regierungsentwwfs zum neuen Insolvenzrecht. 72 Anders neuerdings BGH NJW 97, 2525, 2527: hn neuen Insolvenzrecht sei die Unterbrechungswirkung vorgegeben, da das ausländische Verfahren zugleich ein Insolvenzverfahren i.S.d. § 240 ZPO n.F. darstelle. 73 Enger als der Wortlaut aber die Begründung des Rechtsausschusses, abgedr. bei Kübler!Prütting, S. 309: Grundsatz der Geltung des ausländischen Rechts, der lediglich eingeschränkt wird; so auch Schmidt-Räntsch Art. 102 EGinsO Rdnr. 3; vgl. Bork, Rdnr. 444; gegen diese Erschwerung der Anfechtung Tronk, KTS 94, 33, 37; Flessner, IPRax 97, 1, 9. 74 Vgl. Tronk, KTS 94, 33, 37 oben (auf der Grundlage des Regierungsentwwfs). 75 Abgedr. in ZIP 1996, 976. 76Die britische Verweigerung beruhte auf der Boykottpolitik im Zusammenhang mit dem EG-Exportverbot fitr britisches Rindfleisch nach Auftreten der Rinderseuche BSE. Mit dem Regierungswechsel in London dürfte eine Zeichnung wahrscheinlicher geworden sein.

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

vereinbarten Rechtswegs zum EuGH schließen werden. 77 Art. 4 I EuiVÜ unterwirft ein Insolvenzverfahren und dessen Wirkungen grundsätzlich dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung. Artt. 16 und 17 EuiVÜ legen die automatische Anerkennung eines wirksam eröffneten Verfahrens in allen übrigen Vertragsstaaten fest und geben dadurch dem Universalitätsprinzip Ausdruck. Wie sich aus einer Zusammenschau mit Art. 3 I ergibt, erfaßt somit ein Insolvenzverfahren im Staat der Hauptniederlassung78, solange ein deutsches Partikularverfahren nicht eröffnet wird, auch das Vermögen einer deutschen Zweigniederlassung. Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens aus Gründen des ordre public zu verweigern, erlaubt Art. 26. Eine etwaige Einschränkung, daß schon die bloße Möglichkeit zur Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens (Art. 3 IV) im Inland die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens beschränke, 79 findet sich im EuiVÜ nicht. Art. 17 I begrenzt die Wirkung des Hauptinsolvenzverfahrens nur, wenn ein Partikularverfahren tatsächlich eröffnet wird. 80 Zuständig für die Verfahrenseröffnung sind gemäß Art. 3 I EuiVÜ die Gerichte des Staates, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, wobei dieser bei Gesellschaften und juristischen Personen widerlegbar am Satzungssitz vermutet wird. Die Verfügungsbefugnis des Schuldners richtet sich gemäß Art. 4 II c nach dem Recht des Eröffnungsstaates. Gleiches gilt grundsätzlich für die Befugnisse des Verwalters gemäß Art. 4 II c und Art. 18 I, doch sind gemäß Art. 18 III 1 bei der Ausübung dieser Befugnisse die ausländischen Ortsrechte zu beachten; diese bestimmen insbesondere die Verwertung von Massegegenständen. 81 Bezüglich der Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten erklärt Art. 15 EuiVÜ ausschließlich das Recht des Staates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, für anwendbar. Wäre darin eine materielle Rechtsfolgenverweisung zu sehen, könnte im Geltungsbereich des Abkommens bei einem deutschen Prozeß möglicherweise § 240 ZPO direkt zur Anwendung kommen, so daß eine Unterbrechung erfolgen müßte. Für eine derart extensive Auslegung bietet der Wortlaut des Art. 15 indessen keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Er legt vielmehr den Schluß auf eine Gesamtverweisung auf das Kollisionsrecht des jeweiligen Staates nahe. Mithin bleibt Siehe Balz, Zll' 96, 948, 955. 3 I 1 stellt hierzu auf den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners ab; in Art. 3 I 2 fmdet sich ft1r Gesellschaften eine widerlegbare Vermutung zugunsten des Satzungssitzes. Mithin dürfte insoweit eine Entscheidung zugunsten der Sitztheorie gefallen sein. 79 Vgl. dazu im Rahmen der Konkursanerkennung sechstes Kapitel a) bb) (6 ). 80 Vgl. Balz, Zll' 96, 948, 949. 81 Ders., Zll' 96, 948, 952. 77

78 Art.

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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auf der Ebene des deutschen Konkurskollisionsrechts die o.g. Kontroverse, ob auch ein ausländisches Konkursverfahren zur Unterbrechung inländischer Prozesse fiihrt, im Anwendungsbereich des EuiVÜ weiterhin bestehen. Für die Anfechtbarkeil von Rechtshandlungen stellt Art. 4 II m EuiVÜ zwar auf die Iex fori concursus ab; jedoch kann sich der Anfechtungsgegner gemäß Art. 13 entlasten, wenn die Rechtshandlung nach dem materiell fiir sie maßgeblichen Recht in keiner Weise, also weder durch eine Konkursanfechtung noch durch sonstige Einschränkungen des materiellen Rechts, 82 angreifbar wäre. Hierdurch werden - im Ergebnis ähnlich wie durch die zukünftige deutsche Regelung (Art. 102 II EGinsO)- Konkurs- und Wirkungsstatut kumuliert, wenngleich das EuiVÜ dem Gegner die Beweislast fiir ein ihm günstigeres Wirkungsstatut auferlegt. Eine mit den Auslegungsfolgen des deutschen§ 237 I KO korrespondierende Regelung findet sich in Art. 20 I EuiVÜ. Der Gläubiger muß einen Gegenstand herausgeben, den er nach der Verfahrenseröffnung, insbesondere durch Zwangsvollstreckung, in einem anderen Vertragsstaat aus der Masse erlangt hat; dies setzt voraus, daß eine Zwangsvollstreckung auch nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens noch zulässig bleibt. Ist einem Leistenden in einem anderen Staat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bekannt, wird er gemäß Art. 24 I befreit; nach öffentlicher Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung trifft ihn jedoch die Beweislast fiir seine Unkenntnis, Art. 24 II 2. 83 2. Auswirkungen auf deutsche besitzlose Sicherungsrechte Die Universalität eines Auslandskonkurses stößt dann auf Schwierigkeiten, wenn die Iex fori concursus auf inländische Rechtsfiguren trifft, die sie konkursrechtlich nicht verarbeiten kann oder an deren Geltendmachung sie erhöhte Anforderungen stellt. Diese Probleme werden insbesondere gegenüber den deutschen besitzlosen Mobiliarsicherheiten Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung aufgeworfen, wenn, wie beispielsweise in Frankreich, für die Geltendmachung eines Aussonderungsrechts aufgrund eines Eigentumsvorbehaltes im Konkurs die Schriftform desselben verlangt oder die Sicherungsübereignung schon materiellrechtlich nicht anerkannt wird. 84 Da Lieferungen unter einfachem Eigentumsvorbehalt in Deutschland bereits den Regelfall darstellen, tritt diese Anknüpfungsfrage gerade bei inländischen Erwerbs-

Vgl. Balz, ZIP 96, 948, 951 ("eingeschränkte Kumulation"). Angesichts der Gefahr einer probatio diabolica wird man daran m.E. keine hohen Anforderungen stellen dürfen. 84 Siehe die Kurzdarstellung des französischen Rechts im dritten Kapitel VII 14 c) aa) zum Eigentwnsvorbehalt und bb) zur Sicherungsübereignung. 82 83

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

geschäften deutscher Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, über die ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, häufig auf. Erneut soll - soweit möglich - nach bisheriger und zukünftiger deutscher Rechtslage sowie dem EuiVÜ differenziert werden. a) Bisherige Rechtslage

Eine Kodifizierung des internationalen Konkursrechts liegt für besitzlose Mobiliarsicherheiten gleichfalls nicht vor. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage bisher nicht auseinandergesetzt Mithin können dem Grunde nach mehrere unterschiedliche Lösungsansätze gewählt werden. aa) Sachstatut Denkbar wäre zunächst die generelle Anknüpfung der konkursrechtlichen Wirksamkeit von Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung an das ihnen zugrunde liegende Sachstatut, die Iex rei sitae. 85 Bei in Deutschland belegeneo Gegenständen des Vorbehalts- oder Sicherungseigentums fande dann lediglich deutsches Konkursrecht Anwendung. Bedenklich erscheint eine derartige Vorgehensweise jedoch aufgrund ihrer mangelnden Differenzierung. Systematisch wäre die unterschiedliche Einordnung von hier genannten und weiteren Mobiliar- bzw. Immobiliarsicherheiten kaum zu begründen. Knüpfte man aber als Konsequenz des notwendigen Gleichlaufs sämtliche dinglichen Sicherungsrechte an die Iex rei sitae, hätte dies zur Folge, daß die Universalität des ausländischen Konkursverfahrens auf ein geringes Maß zurückgestuft würde. Ansatzpunkt zur Entwicklung des Universalitätsgrundsatzes war jedoch insbesondere die Einbeziehung im jeweiligen Ausland belegener Vermögensgegenstände, i.e. die Überwindung des Sachstatuts. Scheidet demzufolge eine Herausnahme aller dinglichen Sicherheiten aus der Iex fori concursus aus, sind generelle Sonderregeln für besitzlose Mobiliarsicherheiten aus Gründen der Rechtseinheit gleichfalls nicht empfehlenswert.86

85 So fi1r alle Mobiliarsicherheiten Soergei!Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 228; auch Gottwald/Arnold, Insolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 98. 86 Ablehnend gleichfalls Hanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61, 66 (spezifische Organisation des Insolvenzverfahrens im Insolvenzstaat würde gestört); Favoccia, S. 83 (kein höherer Stellenwert der inländischen Gläubigerordnung).

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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bb) Vertragsstatut Noch weniger dürfte sich eine Zuordnung zum Statut schuldrechtlichen Vertrages, der der Begründung der besitzlosen Mobiliarsicherheit zugrunde liegt, rechtfertigen lassen. Da dieses aufgrund der Möglichkeit einer Rechtswahl ohne weiteres sowohl vom Recht des Lage- als auch des Verfahrenseröffnungsstaates abweichen kann, käme lediglich ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu, wenn nun das Konkursrecht des Vertragsstatuts zur Anwendung berufen wäre. Eine Anknüpfung an das Vertragsstatut muß demzufolge ausscheiden. cc) Häufung der Statute Dem Bedenken einer beiderseitig nicht vorhersehbaren Rechtsordnung wäre dagegen eine Kumulation des Konkursrechts des Eröffnungs- und des Sachrechts des Belegenheitsstaates87 zunächst nicht ausgesetzt. Da es sich jedoch bei Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung aus deutscher Sicht um echte dingliche Sicherungsrechte handelt, müßte eine derartige Häufung konkursrechtlicher Rechtsfolgen, 88 sollte sie nicht systemfremd werden, auch fiir alle anderen dinglichen Sicherheiten gelten. Bei der Mehrzahl der Sicherungsrechte dürfte sich indessen ein Bedürfnis zur Überprüfung anband zweier Rechtsordnungen nicht ergeben, da die Unterschiede ohnehin nicht von Bedeutung sind. Daß die wirtschaftliche Relevanz der besitzlosen Mobiliarsicherungen in Deutschland allein ausreicht, um die konkursrechtliche Anknüpfung sämtlicher dinglicher Sicherheiten an beweglichen Sachen zu beeinflussen, ist zu bezweifeln. Selbst wenn man ihnen aber einen solchen Effekt zumessen wollte, bliebe hier derselbe Einwand wie schon gegenüber den zuvor genannten Modellen, bestehen: Auch im Wege einer Rechtskumulation würde die aus Gründen der Rechtssicherheit (und letztlich auch, um im Gegenzug deutsche Ansprüche auf Einbeziehung ausländischen Vermögens bei einer inländischen Konkurseröffnung zu rechtfertigen) geschaffene Figur der Universalität des Auslandskonkurses unterlaufen. Somit überzeugt auch dieser Lösungsweg nicht.

87 So wohl Drobnig, in: Stellungnahmen, S. 177, 181 (Inso1venzstatut und »Sachen«statut); ähnl. Baur/Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band ll, Rdnr. 37.11 (Iex rei sitae als Ausgangspunkt, dann "Angleichung" an das Konkursstatut). 88 Zumeist fehlt eine Erläuterung, wie die genannte Kumulation vonstatten gehen soll. hn Ergebnis kann nur die Überwälzung eines deutschen Aussonderungsrechts auf das fremde Insolvenzrecht gemeint sein. Da das Aussonderungsrecht aber nach deutschem Recht insolvenzrechtlicher Natur ist, handelt es sich faktisch bei der hier genannten Auffassung um eine Häufung zweier Insolvenzrechte.

19 Rinne

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

dd) Lex fori concursus und Anerkennung Aus Gründen des Einklangs zwischen universellem Inlands- und Auslandskonkurs sind daher sämtliche Mobiliarsicherheiten insolvenzrechtlich der Iex fori concursus zu unterwerfen. 89 Dies muß grundsätzlich auch fiir besitzlose Sicherungsrechte gelten. Die Auflösung von Konflikten zwischen dem innerstaatlichen Recht, in dem sich besitzlose Sicherheiten etabliert haben, und dem Konkursrecht des Staates der Verfahrenseröffnung ist, sofern erforderlich, vielmehr auf der Ebene der Anerkennung des Verfahrens zu suchen.90 Sollten sich die Anforderungen der Iex fori concursus an die Geltendmachung deutscher Mobiliarsicherheiten als dem inländischen Rechtsverkehr unzumutbar erweisen, könnte dem Konkursverfahren insoweit die Anerkennung versagt werden, als die betroffenen Vermögensbestandteile von seiner Wirkung auszunehmen wären. 91 Berücksichtigt man die oben vertretene Linie zur Stellung der Zweigniederlassung im internationalen Privat- respektive Gesellschaftsrecht, erscheint zunächst eine uneingeschränkte Anwendung der Iex fori concursus auf sämtliche deutsche Sicherungsrechte konsequent. Wird vorausgesetzt, daß Firma oder Geschäftsbezeichnung der Zweigniederlassung in Deutschland einen Bezug zum Ausland erkennen lassen und auf diese Weise die abstrakte Möglichkeit fiir potentielle Kontrahenten eröffnen, sich nach der maßgeblichen ausländischen Rechtsordnung zu erkundigen, kann die grundlegende Risikozuweisung auch fiir das Konkursrecht übernommen werden. Wer mit einem erkennbar auslandsbezogenen Rechtssubjekt in (voluntativen) rechtsgeschäftliehen Kontakt tritt, muß sich demnach durch die Wahl konkursfester Sicherungen oder durch Vorleistungen des Gegners absichern. 92 Überdies kann er nach derzeitiger Rechtslage - auch nach Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens- gemäߧ 238 I i.V.m. § 103 II KO die Eröffnung eines Partikularkonkurses über das der Zweigniederlassung zugeordnete Vermögen bean-

89 hn Erg. auch Hanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61, 66; ähnlich Staudinger/Sto/1 IntSachenR Rdnr. 183 (Einwirkungen des Insolvenzrechts auf die dingliche Rechtslage richten sich nach dem Insolvenzstatut); Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 92. 90 Vgl. Favoccia, S. 78 (Anerkennung nicht pauschal, sondern fi1r jede einzelne Rechtsfolge des Insolvenzverfahrens zu prüfen). 91 So dürfte Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 139/140 zu verstehen sein; ähnl. fi1r das neue Insolvenzrecht Flessner, IPRax 97, I, 8 (Schutz nur vor ausländischen Rechtsbeschränkungen, die über das deutsche Insolvenzrecht hinausgehen); zurückhaltend Weinbömer, Rdnr. A438. 92 Ähnl. Favoccia, S. 83/84 (Vertrauen der Sicherungsgläubiger auf bestimmte Rechtsposition im Falle der Insolvenz nicht überzubewerten).

I. Inlandswirkungen eines Auslandsverfahrens

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tragen, der sich wiederum nach deutschem Recht richtet. 93 Schließlich wäre es auch für die ausländischen Gläubiger des Unternehmens im Staat der Eröffnung des Hauptkonkursverfahrens unzumutbar, die Bevorzugung eines deutschen Gläubigers durch ein Sicherungsrecht, das sie selbst nicht erwerben konnten, erdulden zu müssen; der Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger würde durchbrochen. 94 Eine Abwägung der Interessen betroffener Personen kann folglich die Anwendung der Iex fori concursus nicht erschüttern. Eine abweichende Wertung könnte sich hingegen aus Gründen des ordre public ergeben95, wenn die Wirkungslosigkeit deutscher besitzloser Mobiliarsicherheiten in einem ausländischen Konkursverfahren mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar wäre. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung sind im deutschen Wirtschaftsrecht mittlerweile fest verwurzelt. Insbesondere der Sicherungsübereignung wird nach frtiheren Kontroversen weitgehend der Status des Volleigentums zuerkannt. Die Versagung der Wirkung in einem ausländischen Konkursverfahren griffe diese gesicherte Rechtsposition an. 96 Ein anerkanntes Recht könnte auf diese Weise entwertet werden, zumal die Sicherungsübereignung primär zur Absicherung in einer Insolvenz des Schuldners vereinbart wird. Diese Bedenken greifen indessen für die hier allein zu untersuchende Konstellation, daß besitzlose Mobiliarsicherheiten zulasten eines ausländischen Unternehmens mit inländischer Zweigniederlassung vereinbart werden, nicht durch. Da dann in jedem Fall die Möglichkeit eines deutschen Partikularverfahrens offensteht, bleibt die Sicherungsfunktion der genannten Rechte auch im Konkurs erhalten. Lediglich wenn dem inländischen Sicherungsnehmer die Eröffnung des ausländischen Konkursverfahrens nicht bekannt wird und er einen Partikularkonkurses nicht anstrengt, besteht das Risiko, daß der Sicherungsgegenstand vom ausländischen Konkursverwalter zur dortigen Konkursmasse gezogen und verwertet wird. Doch wohnt diese Gefahr, mangels Kenntnis der Konkurseröffnung bei der Vermögensverteilung übergangen zu werden, jeder Gläubigerstellung inne, stellt sich also nicht als spezifisch für

93 Näheres unten; dies ändert sich auch nach Inkrafttreten der Insolvenzrechtsnovelle nicht. 94 Ebenso Hanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61, 65. 95 Der ordre public kann nicht nur die Anerkennung generell, sondern auch nur für einzelne Verfahrenswirkungen verhindern; siehe Favoccia, S. 87. 96 Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 140; ManchKomm!Ebenroth Nach Art. 10 EGBGB Rdnr. 360; so auch Favoccia, S. 89 u. 90, die den deutschen ordre public verletzt sieht, wenn das Konkursstatut ein deutsches Sicherungsrecht nicht anerkennt und auch keine Ausweiclunöglichkeit auf eine äquivalente Sicherheit bietet. Die besondere Konstellation einer deutschen Zweigniederlassung bleibt jedoch unerwähnt.

19•

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Inhaber besitzloser Sicherungsrechte dar. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann demnach durch die Anwendung der lex fori concursus auf deutsche besitzlose Mobiliarsicherheiten an Gegenständen einer Zweigniederlassung nicht festgestellt werden. 97 ee) Ergebnis Die insolvenzrechtliche Wirksamkeit deutscher besitzloser Sicherheiten an Mobilien, die bei der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens belegen sind, richtet sich ohne Einschränkungen nach der lex fori concursus. b) Insolvenzordnung

Entgegen früherer Absichten im Regierungsentwurf8 ist eine Regelung zur Behandlung von Sicherungsrechten im internationalen Insolvenzrecht auch in der Neuregelung der InsO unterblieben. Art. 102 EGinsO erfaßt diese Problematik nicht. Wie sich aus der Begründung der Vorschrift99 ergibt, wurde vielmehr in Erwartung des EuiVÜ eine spätere Gesetzesänderung favorisiert, die das Abkommen auch auf Nichtvertragsstaaten anwendbar machen sollte. Weil diese Absicht bisher nicht umgesetzt worden ist und man die Möglichkeit von Partikularverfahren beibehalten hat, wird für deutsche besitzlose Mobiliarsicherheiten im ausländischen Insolvenzverfahren auch unter der neuen InsO das zur bisherigen Rechtslage Gesagte gelten. c) Europäisches Übereinkommen tiber Insolvenzverfahren

Das EuiVÜ nimmt in Art. 5 I dingliche Rechte Dritter an Massegegenständen, die sich zum Eröffnungszeitpunkt in einem anderen Vertragsstaat befinden, von der Wirkung der Verfahrenseröffnung aus. Eine Regelung, Sicherungsrechte positiv dem Insolvenzrecht des Belegenheitsortes zu unterwerfen, wurde abgelehnt. 100 Hieraus folgt indessen nicht, daß das Übereinkommen die Behandlung derartiger Sicherheiten automatisch dem jeweiligen intemationa97 Besteht eine Zweigniederlassung nicht und ist dem Sicherungsnehmer daher eine Befriedigung in einem deutschen Partikularkonkursverfahren verwehrt, wird diese Wertung u.U. gegenteilig ausfallen. Dies zwingt indessen nicht zu einer Korrektur des Ergebnisses ftl.r die hier zu untersuchende Problemlage. 98 Abgedr. in BI-Drucks 12/2443, S. 69 (§ 399 des Entwurfs zur InsO) und S. 243 (Begründung zu § 399). 99 Abgedr. in Kübler/Priitting, Band II, S. 309/310. 100 Balz, ZIP 96, 948, 950.

II. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

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len Konkursrecht der einzelnen Vertragsstaaten zuweist. Demnach kann etwa für die konkursrechtliche Wirksamkeit einer deutschen Sicherungsübereignung keine Verweisung- wie sonst vom deutschen internationalen Insolvenzrecht bestimmt - zum Recht des ausländischen Hauptverfahrens erfolgen (wodurch das betreffende Sicherungsrecht dann wiederum in den Anwendungsbereich das EuiVÜ gelangte, was Art. 5 I aber ausschließen wollte). Art. 5 EuiVÜ ist vielmehr so auszulegen, daß die Gegenstände außerhalb des Erö:ffnungsstaates, an denen die fraglichen Sicherungsrechte bestehen, von vornherein nicht in die Insolvenzmasse fallen. 101 Statt dessen bleibt dem ausländischen Konkursverwalter unter den Voraussetzungen des Art. 3 II u. III EuiVÜ die Möglichkeit, ein Sekundärinsolvenzverfahren zu beantragen, wenn das daraufhin (über Art. 4 I) anwendbare Recht des Belegenheitsstaates eine Einbeziehung des Sicherungsrechts (in das Partikularverfahren) zuläßt. 102 Dies ist im deutschen Recht der Fall. 103 Das Risiko, Sicherungseigentum an Gegenständen, die einer Zweigniederlassung in Deutschland zugeordnet sind, in einem ausländischen Hauptinsolvenzverfahren zu verlieren, besteht folglich im Anwendungsbereich des Eulvü nicht mehr, selbst wenn der Sicherungseigentümer kein deutsches Partikularverfahren beantragt. Auch ein Eigentumsvorbehalt an einer in Deutschland belegenen Sache ist, wie sich aus Art. 7 I EuiVÜ ergibt, gegenüber einem ausländischen Verfahren insolvenzfest Die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens allein berechtigt aber nicht zur Auflösung des Kaufvertrages (Art. 7 II). Folglich kann der deutsche Vorbehaltsverkäufer nicht gemäß § 455 BGB vom Vertrag zurücktreten, sofern nicht ein tatsächlicher Zahlungsverzug des Käufers vorliegt.

II. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren Sowohl das bisherige Konkursrecht als auch die neue Insolvenzordnung, ebenso das zukünftige EuiVÜ ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen So wohl auch Weinborner, Rdnr. A470 S. 219 (keine Antastung). ZIP 96, 948, 950; Hanisch, in: FS Lalive (1993), S. 61, 68 (Sicherungsrechte können nur über das Partikularinsolvenzverfahren einer insolvenzrechtlichen Beurteilung unterworfen werden). 103 Interessanterweise ergibt sich dann eine Lücke filr Sicherungsrechte an Gegenständen, die in einem anderen Staat als demjenigen der Verfahrenseröffuung belegen sind, ohne daß dort eine Niederlassung existiert. Sie werden von der Eröffuung des Hauptverfahrens nicht erfaßt, auch ein sekundäres Partikularverfahren ist nicht möglich. Da aber das internationale Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates nicht zur Anwendung gelangt, kann auch auf diesem Wege keine universelle Zuweisung mehr zur Iex fori concursus des Eröffuungsstaates erfolgen. 101

102 Balz,

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

die Eröffnung eines auf das im Inland belegene Vermögen des Gemeinschuldners beschränkten, also partikularen Konkursverfahrens. Nachfolgend sollen die Voraussetzungen und Arten derartiger Verfahren, wiederum differenzierend nach drei möglichen Rechtsgrundlagen, sowie die Behandlung ausländischer Sicherungsrechte an den erfaßten Gegenständen aufgeschlüsselt werden. Dabei ist jeweils zu unterstellen, daß der ausländische Schuldner über eine Zweigniederlassung in Deutschland verfügt.

1. Verfahrensarten und Wirkung In den Voraussetzungen fiir die Eröffnung eines Partikularverfahrens ähneln sich die bisherige deutsche Konkursordnung und das EuiVÜ. Geringere Anforderungen stellt dabei die Insolvenzordnung auf. Dagegen bringt in bezug auf die Wirkungen eines solchen Verfahrens das EuiVÜ eine Unterscheidung zwischen primären und sekundären Partikularinsolvenzen, die den autonomen deutschen Regelungen nicht bekannt sind.

a) Bisherige Rechtslage: § 2381 u. 111 KO Die geltende Konkursordnung ermöglicht die Eröffnung eines auf das inländische Vermögen begrenzten Konkursverfahrens in§ 238 KO, das für alle Forderungen in- und ausländischer Gläubiger offensteht. 104 aa) Verfahrensformen

Ein derartiges Partikularverfahren kann allein (§ 238 I KO) oder parallel zu einem bereits laufenden ausländischen Konkursverfahren (§ 238 III) eröffnet werden. Im ersten Fall richten sich die weiteren Konkursvoraussetzungen nach allgemeinem deutschen Recht. Grundsätzlich ist daher gemäß § 102 I KO die Zahlungsunfahigkeit des Gemeinschuldners notwendig; hinzu tritt fiir Kapitalgesellschaften in § 207 I KO (ggf. i.V.m. § 213 KO) und für Personengesellschaften ohne Beteiligung natürlicher Personen in § 209 I 2 u. 3 KO der Konkursgrund der Überschuldung. 105 Eine solche soll bereits dann anzunehmen sein, wenn das im Inland belegene Vermögen die Forderungen aller inund ausländischen Gläubiger nicht mehr deckt. 106 Diese Auffassung läßt je-

104

BGH, Urt. v. 11.7.91 (IX ZR 230/90), ZIP 91, 1014, 1014.

Die Einordnung des ausländischen Trägers hat dabei wiederum unter Annäherung an die deutschen Gesellschaftsformen zu erfolgen, so daß die Übereinstimmung in wesentlichen Kriterien ausreicht. 106 Kuhn/Uhlenbrock §§ 237, 238 KO Rdnr. 10. 105

II. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

295

doch die Unselbständigkeit der Inlandsbetätigung außer Acht. Überdies würde dadurch der Träger einer Niederlassung mittelbar gezwungen, ihr ein (hohes) Dotationskapital zur Verfügung zu stellen, um - auch bei insgesamt solider Unternehmenslage - einen sehr früh greifenden inländischen Partikularkonkurs mit rufschädigenden Folgen zu vermeiden. Demnach ist bei der Ermittlung der Überschuldung auf das gesamte Unternehmen abzustellen. 107 Ist im Ausland bereits ein (Haupt-) Konkursverfahren eröffnet worden, schafft § 238 III KO fiir den deutschen Partikularkonkurs insofern eine Verfahrenserleichterung, als die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr nachzuweisen ist. Dies wird als unwiderlegliche gesetzliche Vermutung108 bzw. als bloßes Indiz109 interpretiert. bb) Gewerbliche Niederlassung Vorausgesetzt ist, sieht man von dem in§ 238 II genannten praktisch kaum relevanten Fall eines landwirtschaftlichen Gutes ab, daß der Schuldner in Deutschland eine gewerbliche Niederlassung unterhält. Da bei einer Hauptniederlassung des Schuldners ohnehin nur ein universelles inländisches Konkursverfahren in Betracht käme, ist darunter eine Zweigniederlassung zu verstehen. 11 0 Problematisch wird fiir die hier vertretene Auffassung, nach der der Begriff der Zweigniederlassung die Ausübung eines Gewerbes nicht voraussetzt, der einschränkende Wortlaut des § 238 I KO. Muß die Niederlassung gewerblicher Natur i.S.d. handelsrechtliehen Definition des Gewerbes sein, scheidet ein Partikularverfahren insbesondere über das Vermögen der deutschen Zweigniederlassungen ausländischer Freiberufler aus. M.E. kann diese unbefriedigende Rechtsfolge auf zwei Arten vermieden werden: Zum einen bietet sich eine abweichende Auslegung des Gewerbebegriffes in § 238 I KO aus teleologischen Gründen an. Diese Norm ist nicht dem Handelsrecht zuzuordnen, stellt also kein Sonderrecht fiir Kaufleute dar, sondern will zugunsten einer effektiven Befriedigung aller Gläubiger einen wirtschaftlich tätigen Organisationsteil erfassen. Mithin ist fiir die Zulassung eines Partikularverfahrens die unternehmerische Tätigkeit111 in der Form einer 107 Vgl. auch BGH, Urt. 11.7.91 (IX ZR 239/90), ZIP 91, 1014, 101411015 (fil.r das Merkmal der Zahlungseinstellung gesamtes Verhalten des Unternehmens ausschlaggebend). 108 Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 101. 109 Hess!Goetsch § 238 KO Rdnr. 13. 11 Kilger/Schmidt § 238 KO Arun 1; v.Oertzen, S. 47; Jaeger!Jahr §§ 237, 238 KO Rdnr. 76. 111 So auch, allerdings ohne Erörterung dieser Problemstellung, v.Oertzen, S. 47 u. (unternehmerische Tätigkeit im weitesten Sinne); ähnlich Kuhn/Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 96 (Gewerbe im weitesten Sinne); Hausmann in Reithmann/Martiny

°

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Niederlassung ausschlaggebend, nicht aber, ob über die Filiale gerade ein klassisches Gewerbe oder nur eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt wird. 112 Des weiteren käme die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 238 I KO in Betracht. Eine solche wird bisweilen fiir jede Form des Inlandsvermögens vertreten. 113 Doch muß man gegenüber der Methode einer Analogie in bezug auf § 238 Vorsicht walten lassen, da die Vorschrift zumindest dann, wenn ein ausländisches Hauptkonkursverfahren bereits eröffnet worden ist oder noch wird, als Fremdkörper das Universalitätsprinzip durchbricht. Ist diese Grundlinie indessen vorgegeben, sollte der Anwendungsbereich des Partikularverfahrens begrenzt bleiben.114 Eine fiir die Analogisierung notwendige Regelungslücke dürfte mithin zu verneinen sein. Somit kann auch über das Vermögen von Zweigniederlassungen ausländischer Träger, die kein Gewerbe betreiben, jedoch unternehmerisch tätig sind, auf der Grundlage einer teleologischen Auslegung des § 238 I KO ein Partikularkonkurs in Deutschland eröffnet werden. cc) Reichweite des Verfahrens und Eröffnungszuständigkeit Das inländische Partikularverfahren knüpft zwar in seinen Voraussetzungen an das Vorhandensein einer (Zweig-) Niederlassung an, erfaßt aber nicht nur das der betreffenden Zweigniederlassung zugeordnete, sondern das gesamte im Inland belegene Vermögen des ausländischen Gemeinschuldners.115 Zuständig fiir die Eröffnung des inländischen Partikularkonkurses ist, da auf das Verfahren deutsches Recht zur Anwendung kommt, gemäß § 71 I K0116 das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich die (Zweig-) Niederlassung befindet.

Rdnr. 1794 (Erfüllung der handelsrechtliehen Kriterien einer Zweigniederlassung nicht erforderlich). 112 Hess/Goetsch § 238 KO Rdnr. 4 will sogar Betriebsstätten in den Anwendungsbereich der Norm einbeziehen; doch ist dann eine wirkliche unternehmensehe Betätigung nicht sichergestellt. Dagegen Kuhn/Uhlenbrock §§ 237, 238 KO Rdnr. 96. 113 Soergel/Kronke Art. 38 EGBGB Anh. IV Rdnr. 225 (sofern das inländische Vermögen die Kosten des Partikularkonkurses decken kann); Hanisch, ZIP 94, I, 3; tendenziell auch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.31. 114 So Ebenroth, ZZP 101 (1988), 121, 130; Kuhn/Uhlenbrock §§ 237, 238 KO Rdnr. 96 u. 98. 115 Hess!Goetsch § 238 KO Rdnr. 9; Kuhn/Uhlenbrock §§ 237,238 KO Rdnr. 102. 116 Ähnlich Kuhn/Uhlenbrock §§ 237, 238 KO Rdnr. 99; Baur!Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.26 (§§ 71, 238 KO).

TI. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

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dd) Anrechnung von Auszahlungen aus ausländischem Hauptverfahren Findet das inländische partikulare Konkursverfahren parallel zu einem ausländischen Hauptverfahren statt, so ist fraglich, ob Gläubigem, die an beiden teilnehmen, im Partikularverfahren eine Befriedigung aus dem Hauptverfahren anzurechnen ist. Die grundsätzliche formelle Unabhängigkeit der Konkursverfahren, von der die gesetzliche Regelung in § 238 III KO erkennbar ausgeht, steht einer Berücksichtigung zunächst entgegen. 117 Doch ist zu bedenken, daß § 238 KO trotz dieser formellen Trennung vor dem Hintergrund der Universalität des ausländischen Konkurses zu sehen ist. Jene Universalität war u.a. entwickelt worden, wn die Gleichbehandlung aller in- und ausländischen Gläubiger zu sichern. Könnte ein Gläubiger, der auf dieselbe Forderung bereits eine Befriedigung im ausländischen Verfahren erlangt hat, am Partikularverfahren ohne Einschränkung teilnehmen, würde er gegenüber anderen Gläubigem, die lediglich an letzterem beteiligt sind, bevorzugt. Um dieses Ergebnis zu verhindern, wären alle Gläubiger gezwungen, ihre Forderungen in beiden Verfahren anzumelden; faktisch hätte dies zur Folge, daß das Verfahren des § 238 KO auch seine formell eigenständige Funktion verlöre. Soll diese Norm nicht bedeutungslos werden, ist mithin schon aus systematischen Gründen eine Anrechnung der im Auslandsverfahren erlangten Befriedigung notwendig. Des weiteren läßt sich für dieses Ergebnis auch materiell-rechtlich eine Stütze in§ 362 I BGB finden und der im Ausland erreichte Teil als Erfiillung der Forderung einstufen. 118 Demnach kann der betreffende Gläubiger entweder seine Forderung nicht mehr in der ursprünglichen Höhe im inländischen Verfahren anmelden oder muß sich die im Ausland erlangte Quote von der inländischen abziehen lassen. 119 ee) Ausländische Haftungsansprüche gegen Leitungspersonen Von besonderer Bedeutung ist bei einem partikularen deutschen Konkurs der Zweigniederlassung einer französischen Kapitalgesellschaft die Qualifikation der action en comblement du passif. Das französische Recht (Art. 180 des Insolvenzgesetzes)120 läßt es unter bestimmten Voraussetzungen zu, die Haftung von Leitungspersonen fiir die Schulden der Gesellschaft anzuordnen. 117 BayObLG, Urt. v. 17.2.1908 (Rep. I 213/07), LZ 1908, Sp. 550,552 unten; Kalter, Anm. zu OLG Köln, KTS 78, 249,254 (zwei gesonderte Vennögensmassen). 118 Gottwald/Amold, lnsolvenzrechts-Handbuch, § 122 Rdnr. 47; Hess/Goetsch § 238 KO Rdnr. 12; Hausmann in Reithmann/Martiny Rdnr. 1803; wohl auch Kuhn/ Uhlenbruck §§ 237, 238 KO Rdnr. 105; Kilger!Schmidt § 238 KO Anm. 4 b a.E. 119 Baur/Stümer, Zwangsvollstreckungsrecht Band TI, Rdnr.37.31; vgl. auch Weinhörner, Rdnr. A445. 120 Loi n° 85-98, abgedr. in Jownal Officiel 1985 (Janvier), S. 1097 - 1117.

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

Spielt die Einordnung bei einem. alleinigen Konkursverfahren im Ausland wegen des Zusammenfallens von Konkurs- und Gesellschaftsstatut keine Rolle, so kann eine Inanspruchnahme im deutschen Partikularverfahren indessen nur erfolgen, wenn die Haftung dem Gesellschaftsstatut zugeordnet wird.121 Der EuGH hat 1979 die action en comblement du passif im Zusammenhang mit dem Europäischen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen als Konkurssache eingestuft; 122 die Frage der internationalprivatrechtliehen Einordnung wurde aber nicht erörtert.123 Ein Indiz fiir eine konkursrechtliche Charakterisierung124 bietet zumindest die systematische Stellung der Haftungsnorm im insolvenzrechtlichen Kontext. Für eine gesellschaftsrechtliche Einordnung des Anspruchs spricht dagegen, daß auf diese Weise die Entstehung einer Haftungslücke im deutschen Partikularverfahren vermieden wird. Geschäftsführer bzw. Vorstand einer deutschen Kapitalgesellschaft wären im Konkurs dem Risiko einer Inanspruchnahme gemäß § 64 GmbHG bzw. § 92 II AktG ausgesetzt. Bei konkursrechtlicher Qualifikation der action en comblement du passif würden die französischen Leitungspersonen der dortigen Gesellschaft mithin sowohl gegenüber vergleichbaren Personen deutscher inländischer Gesellschaften125 als auch gegenüber denjenigen anderer französischer Gesellschaften, über die in Frankreich ein (Haupt-) Konkursverfahren eröffnet wird, bevorzugt. 126 Ferner können die betroffenen Personen mit der Gefahr einer Haftung im Insolvenzfall rechnen, ohne daß insoweit eine Unterscheidung nach dem Ursprung des Verfahrens erforderlich ist. Vor allem aber knüpft der Tatbestand jener Inanspruchnahme an Pflichtverletzungen an, die im Rahmen der spezifischen Position in der Gesellschaft begangen worden sind, 127 hat also zwangsläufig Rückwirkungen auf die innere Organisation derselben. 128 Schon deshalb erscheint eine Abspaltung dieser Haftungsfrage vom Gesellschaftsstatut willkürlich. Demzufolge ist die action en comblement du passif an das Gesellschaftsstatut anzuknüpfen, so daß der Konkursverwalter des Partikularverfahrens in Deutschland diesen Anspruch geltend machen und durchsetzen kann. Aus 121 Zimmer, S. 294; vgl. allgemein Baur!Stamer, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, Rdnr. 37.47. 122 EuGH, Urt. v. 22.2.79 (Rs 133178 (Gourdain gg. Nadler]), Slg. 79, 733, 745. 123 Zimmer, S. 295/296. 124 Ohne Begründung für das deutsche Recht Staudinger/Großfeld IntGesR Rdnr. 339. m §§ 64 GmbHG, 92 II AktG sind nicht konkurs-, sondern gesellschaftsrechtlicher Natur, vgl. auch die Problematik des Statuts deliktsrechtlicher Schutzgesetze im dritten Kapitel VII 13 d). 126 Ähnl. Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19,29 (5). 127 Ebenroth!Kieser, KTS 1988, 19, 31. 128 Vgl. Zimmer, S. 294/295.

Il. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

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denselben Envägungen kann auch die englische Haftung von Direktoren fiir die Fortführung eines konkursreifen Unternehmens (wrongful trading)129 gesellschaftsrechtlich qualifiziert werden und im deutschen Partikularkonkurs einer englischen Zweigniederlassung Anwendung finden. b) lnsO

Nach zukünftigem deutschen internationalen Insolvenzrecht wird gemäß Art. 102 III 1 EGinsO ein partikulares Konkursverfahren über das inländische Vermögen des Schuldners eröffnet werden können, auch ohne daß dieser eine inländische Niederlassung betreibt, da diese Einschränkung nicht übernommen worden ist. 130 In Allgleichung an § 22 II GesO ist der Gerichtsstand der Eröffnung eines derartigen Verfahrens an jedem Ort gegeben, an dem Gegenstände des inländischen Schuldnervermögens belegen sind. 131 Wie sich aus Art. 102 III 2 EGinsO ergibt, kann das Partikularverfahren zeitlich sowohl vor einem Insolvenzverfahren im Ausland als auch während eines solchen geführt werden. Läuft bereits ein Verfahren im Ausland, enveitert Art. 102 III 2 die schon in § 238 III KO enthaltene Vermutung über die Zahlungsunfähigkeit hinaus auf die Überschuldung. Da hiervon abgesehen die Neuregelung keine Modifikationen der bisherigen Rechtslage mit sich bringt, kann in bezug auf die Fragen der Anrechnung von Auszahlungen in verschiedenen Verfahren sowie der Haftung von Leitungspersonen nach ausländischem Recht auf obige Ausführungen verwiesen werden. c)Eu!VÜ

Das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren ermöglicht ebenfalls die Eröffnung partikularer Verfahren im Inland. Es unterscheidet diese weiterhin in primäre und sekundäre Insolvenzverfahren.

Sect. 214 Insolvency Act von 1986. Vgl. Schollmeyer, IPRax 95, ISO, ISI; nach Flessner, IPRax 97, I, 3, soll zusätzlich § 396 II des Regierungsentwurfs in § I4 InsO hineinzulesen sein, so daß ein Interesse eines Gläubigers an der Eröffuung des inländischen Partikularverfahrens nur vorliegen soll, wenn dieser in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen würde. Dem widerspricht m.E. die Begründung zu Art. I 03 EGinsO (vgl. oben S. 284). 131 Begründung des Rechtsausschusses, abgedr. in Kübler!PriUting, Band II S. 309. 129

130

300

Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

aa) Partikularverfahren Voraussetzung jedes Partikularverfahrens ist gemäß Art. 3 li l EuiVÜ, daß der Schuldner in jenem Staat über eine Niederlassung verfUgt. Als solche definiert Art. 2 h jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Dauer nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Daß es sich dabei nicht um eine Haupt-, sondern nur um eine Zweigniederlassung handelt, ergibt sich daraus, daß am Ort des Mittelpunktes der Interessen des Schuldners, i.e. der Hauptniederlassung, gemäß Art. 3 I nur ein Hauptverfahren eröffnet werden kann. Bemerkenswert ist die offene Definition dieser Niederlassung, die lediglich an eine wirtschaftliche, nicht aber an eine gewerbliche Tätigkeit anknüpft. Mithin sind vom EuiVÜ schon dem Wortlaut nach ohne weiteres auch Zweigniederlassungen freiberuflicher ausländischer Unternehmensträger erfaßt. Solange ein ausländisches Hauptinsolvenzverfahren nicht stattfindet, stellt Art. 3 IV EuiVÜ weitere Anforderungen an die Eröffnung des Partikularverfahrens auf. Es kann nur betrieben werden, wenn die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nicht möglich ist (lit. a) oder wenn es von einem inländischen Gläubiger bzw. einem solchen, dessen Forderung aus dem Betrieb der Niederlassung herrührt, beantragt wird (lit. b). Die Wirkungen eines solchen primären Partikularverfahrens132 richten sich, da Art. 4 I EuiVÜ Anwendung findet, grundsätzlich nach dem Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung, somit bei einer Zweigniederlassung in Deutschland nach deutschem Recht. Eine Erweiterung gilt gemäß Art. 18 II für die Befugnisse des Verwalters des Partikularverfahrens in anderen Vertragsstaaten. Gemäß Art. 3 II 2 EuiVÜ beschränkt sich das Verfahren auf das Vermögen des Schuldners, das in diesem Staat belegen ist. Seine insoweit begrenzten Wirkungen werden von den anderen Vertragsstaaten anerkannt (Art. 17 II 1), können also von einem Hauptverfahren im Ausland nicht mehr geändert werden.133

132 Im EulVÜ fmdet sich der Begriff des Primärverfahrens nicht. Gleichwohl geht aus ihm hervor, daß ein Partikularverfahren primärer oder sekundärer Art sein kann, während fiir Hauptverfahren eine solche Unterscheidung nicht getroffen wird; etwas abweichend die Begriffserklärung bei Balz, RIW 96, 948, 949 (III.l ). 133 Siehe Balz, ZlP 96, 948, 949 (III.3) und 953 (VII. I).

ll. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

301

bb)Sekundärverfahren Selbst wenn ein Hauptinsolvenzverfahren i.S.d. Art. 3 I EuiVÜ schon wirkeröffnet worden ist, kann in einem anderen Vertragsstaat, sofern die Voraussetzungen des Art. 3 II (i.e. das Bestehen einer Zweigniederlassung) vorliegen, ein partikulares Verfahren betrieben werden (Art. 27 S. 1). Bei diesem muß es sich jedoch gemäß Art. 3 III 2 um ein Liquidationsverfahren handeln, das in Art. 2 c definiert ist. 135 Entbehrlich ist, vergleichbar zu Art. 102 III 2 EGinsO, gemäß Art. 27 S. 1 die Prüfung der Insolvenz des Schuldners. sam134

Ebenso wie das primäre Partikularverfahren beschränken sich auch die Wirkungen des sekundären auf das Inlandsvermögen des Schuldners (Art. 27 S. 2). Anwendbar ist grundsätzlich gemäß Art. 28 das Recht des Staates, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, demnach in der hiesigen Ausgangslage deutsches Insolvenzrecht Das Antragsrecht reicht dagegen über dasjenige zu einem primären Partikularverfahren weit hinaus. Gemäß Art. 29 können die Eröffnung des Sekundärverfahrens der Verwalter des Hauptverfahrens sowie alle nach dem Recht des Sekundärverfahrensstaates Antragsberechtigten anstrengen; folglich erfaßt das Antragsrecht, da§ 103 II KO es allen Konkursgläubigem zugesteht, auch Gläubiger, die weder ihren (Wohn-) Sitz in Deutschland haben, noch ihre Forderungen auf die deutsche Zweigniederlassung des ausländischen Unternehmens zurückfuhren. Letzteres ergibt sich überdies aus Art. 32 I EuiVÜ. Art. 31 bis 35 statuieren besondere Kooperationspflichten und Mitwirkungsrechte des Hauptinsolvenzverwalters am Sekundärverfahren sowie die Auskehrung eines Überschusses aus dem Sekundär- an das Hauptverfahren. Diese Vorschriften sind gemäß Art. 36 - soweit erforderlich- auch auf primäre Partikularverfahren anzuwenden, sobald ein Hauptverfahren eröffnet wird. Die Frage, ob und aufwelche Weise sich ein Gläubiger, der an einem Partikularverfahren in Deutschland teilnimmt, die Befriedigung in einem ausländischen Verfahren anrechnen lassen muß, beantwortet sich im Anwendungsbereich des EuiVÜ eindeutig. Wie sich aus Art. 20 II ergibt, wirkt die Befriedigung im Ausland zwar nicht als Erfiillung der Forderung, so daß die Anmeldung zum deutschen Partikularverfahren nicht beschränkt wird, 136 doch muß 134 Die formelle Rechtskraft der Eröffuung des Hauptinsolvenzverfahrens ist nicht erforderlich, Balz, ZIP 96, 948, 953 (Vll.4). 135 Art. 2 c verweist auf den Anhang B des Abkommens, so daß nach derzeitiger deutscher Rechtslage ein sekundäres Partikularverfahren als Konkurs, Vergleich oder Gesamtvollstreckung möglich ist. Art. 27 S. 2 EuiVÜ, der dieselbe Einschränkung anordnet, stellt eine überflüssige Doppelregelung dar. 136 Balz, ZIP 96, 948, 952 (V.4).

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Sechstes Kapitel: Insolvenzrecht

der betreffende Gläubiger bei der Verteilung so lange hinter anderen Gläubigem gleichen Ranges zmückstehen, bis diese die Quote, die ihm im Ausland gewährt worden ist, erreicht haben.

2. Sicherungsrechte an Gegenständen des Partikularverfahrens Auf der Grundlage des bisherigen Rechts werden dingliche Sicherungsrechte, die nach deutschem Sachenrecht begrtindet worden sind, im partikularen Konkursverfahren über Vennögensgegenstände in Deutschland am Ort einer Zweigniederlassung auch nach deutschem Konkursrecht beurteilt, da letzteres die maßgebliche Iex fori concursus darstellt (§ 238 I bzw. III KO). Ist ein Sicherungsrecht im Ausland wirksam vereinbart und die Sache noch vor der Verfahrenseröffnung nach Deutschland verbracht worden, stellt sich auf der Ebene des Sachenrechts zunächst die Frage der Anerkennung bzw. Angleichung; fiir die Geltendmachung im partikularen Konkursverfahren bleibt es bei der Maßgeblichkeit des deutschen Konkursrechts. Sofern der Erwerbstatbestand beim Wechsel des Sachstatuts noch nicht abgeschlossen war, findet ohnehin insgesamt deutsches Sachenrecht Anwendung, so daß ein Gleichlauf mit dem Konkursrecht gesichert ist. In bezug auf die bereits früher erörterten besitzlosen Mobiliarsicherheiten kann der Vorbehaltseigentümer die Sache folglich aussondern (§ 43 KO), der Sicherungseigentümer abgesonderte Befriedigung verlangen (§ 48 KO analog137). Unter der neuen Insolvenzordnung werden sich diesbezüglich keine Abweichungen ergeben, da auf Partikularverfahren ebenfalls nur die Iex fori concursus des Eröffnungsstaates anwendbar ist. Sind die insolvenzrechtlichen Wirkungen von Sicherungsrechten am Insolvenzstatut zu messen, gilt auch dann deutsches Insolvenzrecht Das Aussonderungsrecht aufgrundeines (einfachen) Eigentumsvorbehalts findet sich in § 49 InsO, der Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aufgrund Sicherungseigentums nun ausdrücklich in § 51 Nr. 1 i.V.m. §50 InsO. Das Eu!Vü macht zur Frage von Sicherungsrechten in partikularen Insolvenzverfahren keine Aussagen. Art. 5 I ist nicht anwendbar, da er nur Sicherungsrechte an Sachen betrifft, die in einem anderen Vertragsstaat als dem Eröffnungsstaat belegen sind. Derartige Gegenstände können in Partikularverfahren ohnehin nicht einbezogen werden. Demzufolge greift die Grundregel des Art. 4 I EuiVÜ, so daß das Insolvenzrecht des Staates, in dem das Partikularverfahren eröffnet wird, auch die Wirkung derartiger dinglicher Sicherungsrechte regelt. Mithin ist in einem deutschen Partikularverfahren sowohl 137 BGH, Urt. v. 10.2.71 (VIII ZR 188/69), NJW 71, 799, 799 li.Sp.; insoweit erfolgt eine Gleichstellung mit dem Pfandrecht.

ll. Inländisches Partikularinsolvenzverfahren

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nach derzeitiger als auch künftiger Rechtslage deutsches Insolvenzrecht auf die Auswirkungen von Sicherungsrechten an Sachen, die zur partikularen Insolvenzmasse zählen, anwendbar.

Schlußbetrachtung und wichtige Ergebnisse Die Untersuchung der Außenrechtsverhältnisse inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in unterschiedlichen Problemkreisen hat gezeigt, daß diese Betätigungsformtrotz ihrer rechtlichen Unselbständigkeit durchaus eine Vielzahl spezifischer Rechtsfragen aufwirft. Gleichwohl können diese, ohne schutzwürdige Interessen beteiligter Personen oder der Öffentlichkeit zu verletzen, befriedigenden und vor allem transparenten Lösungen zugefuhrt werden. Nur wenn Risiken der Gründung von Zweigniederlassungen in Deutschland für den ausländischen Unternehmer vorhersehbar sind und eine derartige Investitionsform attraktiv bleibt, werden Zweigniederlassungen in Zukunft breiteren Raum neben selbständigen Tochtergesellschaften gewinnen können. Den Schwerpunkt der vorangegangenen Untersuchungen bildete die Klärung internationalprivatrechtlicher Fragen für die Betätigung von Zweigniederlassungen in Deutschland. Hier konnte das Ziel, für jene Betätigungsform eigenständige Lösungsansätze zu schaffen, die sowohl ihre Abhängigkeit vom ausländischen Hauptsitz als auch ihre gewisse organisatorische Verselbständigung und daraus resultierende Bedürfnisse des inländischen Rechtsverkehrs berücksichtigen, grundsätzlich erreicht werden. 1 Nachgewiesen werden konnte, daß bei Fehlen geschriebener kollisionsrechtlicher Regelungen des deutschen IPR im wesentlichen auf das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut des ausländischen Unternehmens zurückzugreifen ist. Ist dies zwar schon bisher der Tenor des überwiegenden Schrifttums gewesen, so wird aber den zahlreichen Einschränkungen, die andere zugunsten des inländischen Verkehrsschutzes vornehmen, nicht gefolgt. Sie beruhen zum einen darauf, daß das Schutzbedürfnis des inländischen Verkehrs überbewertet und (insbesondere im Bereich der gewillkürten Stellvertretung) die Risikoverteilung des deutschen Sachrechts übersehen wird. Zum anderen lassen sie sowohl Vorgaben des europäischen Rechts, den Aspekt der internationalen Rechtssicherheit als auch nachteilige wirtschaftliche Folgen außer acht. Unternehmen, die sich auf dem internationalen Markt betätigen, werden Zweigniederlassungen in Staaten außerhalb ihres Hauptsitzes nur errichten, wenn sie in möglichst weitem Umfang mit der Anwendung einer einheitlichen Rechtsordnung, ihres Gesell1 Vgl. die ausführlichen Ergebnisse zum internationalprivatrechtliehen Teil im dritten Kapitel IV.

Schlußbetrachtung und wichtige Ergebnisse

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schaftsstatuts, rechnen können. Die außenwirtschaftliehen Interessen deutscher Unternehmen sind ebenfalls in dieser Fonn zu berücksichtigen. Mithin legitimiert sich die auslandsfreundliche Kollisionsrechtsbildung fiir Zweigniederlassungen auch unter dem Gesichtspunkt der Reziprozität. Bedarf der inländische Rechtsverkehr gegenüber fremdartigen Rechtsbeschränkungen des Trägers einer Zweigniederlassung dennoch einer Absicherung, so läßt sich diese unter Zugrundelegung der genannten Interessenbewertungen mit Hilfe des Modells der Erkennbarkeit des Auslandsbezuges erreichen. Ist danach der ausländische Ursprung der Zweigniederlassung nicht zu ermitteln, rechtfertigt sich eine Sonderanknüpfung der betreffenden Rechtsfrage an das deutsche Sachrecht; Grundlage hierfiir ist nicht eine Analogie zu Art. 12 S. 1 EGBGB, sondern der deutsche ordre public. Abzulehnen war dagegen der Yersuch, ein eigenes Zweigniederlassungsstatut zu entwickeln. Sämtliche Modelle, die das Kollisionsrecht der Zweigniederlassungen ausnahmslos einem einheitlichen Statut unterwerfen, sind bereits wegen der spezifischen Stellung dieser Substruktur als organisatorisch selbständiger, aber doch rechtlich subjektloser Einheit zum Scheitern verurteilt. Sollte sich die Grundlage fiir das hier favorisierte Erkennbarkeitsmodell, die vorleistende Ausländerbegünstigung mit dem Ziel, eine reziproke Beurteilung deutscher Zweigniederlassungen im Ausland zu erreichen, längerfristig als erfolglos erweisen, mag sich eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Selbst dann jedoch kann die ausländerfreundliche Anwendung des Personalstatuts zumindest Investitionen begünstigen und dadurch zur Standortverbesserung beitragen. Die ausländerfreundliche Kollisionslösung korrespondiert überdies mit der universellen Anerkennung ausländischer Konkursverfahren, die ein Gegenseitigkeitserfordernis nicht aufstellt. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu der fiir das deutsche internationale Gesellschaftsrecht überwiegend vertretenen Sitztheorie. Nicht zugrunde zu legen ist das Erkennbarkeitsmodell der Anknüpfung von Anscheins- und Duldungsvollmachten. Ebenso werden im Bereich der Schuldverträge sowie im Arbeitsrecht von Art. 27 ff. EGBGB bereits gesetzliche Lösungen vorgegeben. Sachenrechtliche Fragen richten sich grundsätzlich nach der Iex rei sitae, die bereits gewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen kann und ein Höchstmaß an Rechtssicherheit schaffi:. Selbst in diesen Rechtsbereichen wirft die Zweigniederlassung indessen noch Fragen auf, die wiederum darin begründet sind, daß sie einerseits ortsgebunden tätig wird, andererseits in engem Kontakt zu ihrer Hauptniederlassung im Ausland steht. Dies gilt fur Versendungskäufe, deren Schwerpunkt bei der Zweigniederlassung angesiedelt ist, obgleich die Anlieferung vertragsgemäß aus dem Ausland erfolgt, so daß deutsches Recht als Vertragsstatut zur Anwendung kommt. Von hoher praktischer Relevanz ist die sachenrechtliche Wirksamkeit besitz20 Rinne

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Schlußbetrachtung und wichtige Ergebnisse

loser Sicherheiten, insbesondere des Eigentumsvorbehaltes und der Sicherungsübereignung, wenn Gegenstände in den Staat der Hauptniederlassung verbracht werden, dieser aber an die Geltendmachung derartiger Rechte besondere Voraussetzungen knüpft bzw. ihnen die Anerkennung versagt. Fremdenrechtliche Regelungen speziell fiir inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen finden sich im deutschen Aufsichtsrecht neben den firmenrechtlichen Normen insbesondere in § 14 I 1 GewO fiir gewerbliche Betätigungen und - differenzierend nach der Rechtsqualität des Gesamtunternehmens - in §§ 80 IV AktG, 35 a IV GmbHG, 15 b II GewO. Für Banken gelten in§§ 53 ff. KWG und fiir Versicherungen in§ 106 II VAG besondere Bestimmungen, die jedoch fiir Zweigniederlassungen aus Mitgliedstaaten der EU weitgehend entfallen und auch in bezug auf weitere Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung ausgesetzt werden können. Bemerkenswert sind fiir inländische Zweigniederlassungen europäischer Kreditinstitute der Wegfall des Dotationskapitals und der Grundsatz der Heimatlandkontrolle, der die Befugnisse des Bundesaufsichtsamtes fiir das Kreditwesen subsidiär auf dringende Fälle begrenzt (§ 53 b IV u. V KWG). Bei sonstigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die nicht auf Zweigniederlassungen zugeschnitten sind, bedarf es dagegen einer gesonderten Prüfung, ob die jeweiligen ordnungspolitischen Zwecke auch derartige Betätigungsformen erfassen. Im deutschen Kartellrecht ist dies gemäß § 98 II GWB der Fall, wenn sich eine Wettbewerbsbeschränkung in Deutschland auswirkt; zum Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung über eine Zweigniederlassung reicht dagegen die überragende Stellung auf dem ausländischen Markt am Sitz der Hauptniederlassung allein nicht aus. Zweigniederlassungen ausländischer natürlicher Personen oder nichtrechtsfähiger Personengesellschaften unterfallen mit ihrem inländischen Gewinn in Deutschland regelmäßig der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 IV i.V.m. § 49 I Nr. 2 a bzw. bei Freiberuflern§ 49 I Nr. 3 EStG). Leiten sie sich von ausländischen Kapitalgesellschaften ab, ergibt sich eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG; der derzeitige Steuersatz beträgt gemäß § 23 III KStG 42%. Zu den inländischen Einkünften zählen ggf. auch Erträge einer steuerrechtliehen Organschaft einer ausländischen Kapitalgesellschaft an einer inländischen AG oder KGaA, die ausschließlich unter Zwischenschaltung einer Zweigniederlassung möglich ist (§ 18 S. 1 KStG). Wird über eine Zweigniederlassung ein Gewerbe ausgeübt, kommt wegen der Orientierung des Gewerbesteuergesetzes am Betriebsstättenbegriff des § 12 AO eine Gewerbesteuerpflicht hinzu(§ 2 I 3 GewStG). Mit dem der Zweigniederlassung wirtschaftlich zugeordneten Inlandsvermögen war das Unternehmen beschränkt vermögensteuerpflichtig (§ 2 I VStG i.V.m. § 121 BewG). Zur Ermittlung des Inlandsgewinnes, der über eine Zweigniederlassung erzielt

Schlußbetrachtung und wichtige Ergebnisse

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wird, ist bei buchfiihrungspflichtigen Zweigniederlassungen nach der direkten, bei nicht buchfiihrungspflichtigen nach der indirekten Berechnungsmethode zu verfahren. Eine doppelte Besteuerung desselben Gegenstandes im Inland und im Staate des Sitzes der Hauptniederlassung wird nach deutschem Steuerrecht nur in § 50 VI EStG vermieden. Doch bestehen überwiegend bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen, zumeist auf der Grundlage des OECDMusterabkommens von 1977, deren Regelungen gemäß § 2 AO den nationalen Bestimmungen vorgehen. Artt. 23 A und 23 B MDBA stellen hierzu die Befreiungsmethode sowie die Anrechnungsmethode zur Verfugung, die jeweils mit einem Progressionsvorbehalt versehen werden können. Begrifflich spielt die Zweigniederlassung fiir die Möglichkeit zur Eröffnung partikularer Konkursverfahren im derzeitigen deutschen Insolvenzrecht (§ 238 I K02) und in dem bisher nicht in Kraft getretenen Europäischen Übereinkommen über Insolvenzverfahren eine eigenständige Rolle. Nur noch von faktischer Bedeutung ist sie dagegen in Art. 102 III EGinsO, der Partikularverfahren lediglich an das Vorhandensein von Inlandsvermögen knüpft. Sollte dem EuiVÜ ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie dem Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen, werden sich unter der Geltung des Art. 102 EGinsO erhebliche Schwierigkeiten in bezug auf die Zuständigkeit zur Eröffnung partikularer Inlandsinsolvenzverfahren ergeben; der Verzicht auf eine ausfuhrliehe Neuregelung des deutschen internationalen Insolvenzrechts angesichts des erwarteten EuiVÜ kann sich somit als voreilig erweisen und ein erneutes Tätigwerden des Gesetzgebers erfordern. Ausländische Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren über das Gesamtunternehmen erfassen nach dem Grundsatz der Universalität auch Zweigniederlassungen in Deutschland. Durchbrachen wird dieser nur, sofern inländische Partikularverfahren tatsächlich eröffnet werden. Die Konkursanfechtung unterfallt nach derzeitiger Rechtslage der Iex fori concursus, nach Art. 102 II EGinsO kumulativ dem Recht des Eröffnungsstaates und dem Recht der anfechtbaren Handlung. Möglich bleibt über § 237 I KO, jedoch nicht in der neuen Insolvenzordnung, die Einzelzwangsvollstreckung aus Titeln, die vor der Eröffnung des ausländischen Verfahrens erlangt worden sind, allerdings schafft diese Norm keine endgültige materielle Rechtszuordnung. Nach derzeitigem und zukünftigem deutschen internationalen Insolvenzrecht knüpft sich die insolvenzrechtliche Wirksamkeit deutscher besitzloser Mobiliarsicherheiten an inländischen Gegenständen, die vom universellen Auslandsverfahren erfaßt werden, an die Iex fori concursus. Schützen kann sich ein Gläubiger gegen die Gefahr, im ausländischen Verfahren seine Rechte zu verlieren, in einem solchen Fall durch Beantragung eines inländischen 2 Der Gewerbebegriff umfaßt in diesem Kontext auch freiberufliche Unternehmer, sechstes Kapitel II I a) bb).

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Partikularverfahrens, sofern dessen weitere Voraussetzungen vorliegen. Abweichend löst diesen Konflikt das EuiVÜ, das dingliche Sicherungsrechte von der universellen Wirkung des (Haupt-) Insolvenzverfahrens ausnimmt; insolvenzfest bleibt dort ein Eigentumsvorbehalt. Im Hinblick auf partikulare Insolvenzverfahren im Inland unterscheiden sich jetzige Konkurs- und zukünftige Insolvenzordnung nur bezüglich der Qualität des erforderlichen Inlandsvermögens (s.o.). Beide lassen sowohl primäre als auch parallele Partikularverfahren zu. Nach§ 237 III KO entfallt bei parallelem Verfahren der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, nach Art. 102 III 2 EGinsO auch derjenige der Überschuldung; abzustellen ist fiir eine Überschuldung stets auf die Finanzlage des Gesamtunternehmens. Lediglich das EuiVÜ gestaltet Voraussetzungen und Wirkungen primärer und sekundärer Partikularinsolvenzverfahren unterschiedlich aus. Gläubiger eines Verfahrens haben sich die Befriedigung aus einem anderen Verfahren über das Vermögen desselben Schuldners anrechnen zu lassen. Haftungsansprüche gegen Leitungspersonen von Unternehmen wie die französische action en comblement du passif oder die englische Haftung fiir wrongful trading sind gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, können also vom Verwalter eines deutschen Partikularverfahrens geltend gemacht werden. Die Geltendmachung ausländischer Sicherungsrechte beurteilt sich in einem deutschen Partikularverfahren nach deutschem Konkursrecht, bringt aber keine wesentlichen Schwierigkeiten mit sich, da eine Anerkennung oder Angleichung schon auf sachenrechtlicher Ebene regelmäßig ermöglicht wird. Die vorangegangenen Untersuchungen haben schließlich gezeigt, daß der Begriff der Zweigniederlassung fiir alle Rechtsbereiche grundsätzlich auch auf freiberufliche Träger ausgedehnt werden kann, solange in einzelnen Regelungen nicht ausdrücklich eine engere Definition erfolgt. Selbst dann gelingt es jedoch, Zweigniederlassungen freiberuflicher Unternehmensträger denselben Ergebnissen zuzufiihren, so im Steuerrecht über besondere Vorschriften bzw. im Konkursrecht (nach derzeitiger Rechtslage) mittels einer teleologischen Extension bzw. einer Normenanalogie. Angesichts der Tatsache, daß die starre Anknüpfung des deutschen Handelsrechts an den Begriff des Handelsgewerbes durch die zu erwartende Novellierung des Handelsgesetzbuches zumindest eingeschränkt wird, schließt sich die hier zugrunde gelegte Definition der Entwicklung des Handels- zu einem Unternehmensrecht an und vermeidet die auf rein historischen Gesichtspunkten beruhende willkürliche Ausgrenzung von Unternehmensträgern, die zwar nicht gewerblich, aber in wirtschaftlich ebenso bedeutendem Umfang tätig sind.

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Sachwortverzeichnis Abgabenordnung 261 f. action en comblement du passif297 ff. Agentur 33 Allgemeine Geschäftsbedingungen 103 ff. - Rechtswahl durch 97 ff. Allgemeininteresse 57 Anerkennung 88, 109,246, 286,290 Anfechtung - wegen Irrtums I 02 -des Konkurses 282 f., 285,287 Anscheinsvollmacht 126, 142 ff., 153 Anwartschaftsrecht bei Eigentwnsvorbehalt 229 Arbeitsrecht 192 ff. Arbeitsvertrag - Rechtswahl 194 f. - Statut des 193 Aufsichtsrat 197, 199 Ausfuhr 227 ff. Auslandsbezug 45, 93 Außenverhältnisse 45, 76, 115

Bankenaufsicht 252 ff. -Ausnahmen 255 -Europäischer Paß 255 - Freistellungen 255 Bereicherungsrecht Betriebsstätte 261, 264, 266, 271 Betriebsvermögen 272 Bilanzrecht 189 Binnensachverhalt 95 Besitz, Besitzschutz 269, 218 Brietköpfe 83 Buchführung 35, 189, 254, 258

capacity ofthe company 112 chattel mortgage 225 conditional sale 224 culpa in contrahendo 106 f., 157 Dauerhaftigkeit 35 dealing at arm's length 268, 271 Defmition der Zweigniederlassung 37 Deliktsrecht 206 ff. - Deliktsfähigkeit 214 - Organisationsverschulden 214 - Schutzgesetz 215 Direktversendungskauf I 0 I Diskriminierung 52 Dissens 102 Doppelbesteuerungsabkommen 40, 270 f. - Anrechnungsmethode 272 - Befreiungsmethode 272 Doppelnatur der Zweigniederlassung 44 notationskapital 36, 90 f., 254 f. , 295 Duldungsvollmacht 126, 142 ff.

EDV 35 f. Eigeninteresse 57 Eigentwnsvorbehalt 218, 222 ff., 230 -im ausländischen Insolvenzverfahren 288 ff. Einfuhr 226 Einkommensteuer 262 ff. -beschränkte Steuerpflicht 264, 266 - unbeschränkte Steuerpflicht 262 Erfullungsgehilfe I 06 Erkennbarkeit des Auslandsbezuges 77 ff., 83, 103, 122, 128, 169, 242, 247, 283

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Sachwertverzeichnis

- Beweislast 79, 122 - Substantiierungserleichterungen 79 Errichtung 84 f. Exportgeschäfte 220 Fiktion 147 Filialhandlungsvollmacht 131 Filialprokura 89, 130 Firma 80, 160 ff. - Bildung der 161 ff. -Fortführung 176 ff. - Gebrauch der 161 - Phantasiefmna 168 - Registereintragung 173 Firmeneinheit 170 f. Firmenerkennbarkeit Firmenklarheit 171 ff. - Geschäftsgegenstand 171 f. - Rechtsformzusatz 172 Firmenschutz 178 ff. Firmenunterscheidbarkeit 170 - Zweigniederlassungszusatz 80, 170 - Rechtsformzusätze 80 f. Firmenwahrheit 80, 167 ff. Folgenorientierung 67 Freiberufler 30, 245, 266, 295, 306 Freizeichnungsklausell05 Fremdenrecht 61 Gegenseitigkeit siehe Reziprozität general pwpose clause 113 Generalhandlungsbevollmächtigter 127, 253 Gerichtsstand 109 Geschäftsgegenstand 30 Geschäftsumfang 31 Geschäftsvermögen siehe notationskapital Gesellschaftsstatut 43, 55 Gewerbeaufsicht 190 Gewerberecht 244 ff. - Anzeigepflicht 244 ff.

-Publizität 247 - Untersagung 246 Gewerbesteuer 266 Gewinnermittlung 267 ff. -direkte Methode 268, 271 -indirekte Methode 268,271 Gewohnheitsrecht 134,217 Gläubigerverzug 106 Gleichbehandlung 47, 52 - der Gläubiger 54 Gleichheitsgrundsatz 47 good will 177 Grundrechtsträgerschaft 53 Haftungsbeschränkungen, vertragliche 105 -durch AGB 105 Handelsregister -Anmeldung 85 ff. , 131 - anmeldungspflichtige Personen 87 - Charakter der Eintragung 89 - Eintragungsfähigkeit 121 - Eintragungspflichten 119 ff. - Prüfungskompetenz des Registergerichts 88 -Publizität 54, 119 ff., 131 Handlungsvollmacht 33 Hauptbevollmächtigter, inländischer 88, 201,258 Hauptniederlassung 30, 32, 34, 220, 252 -Insolvenz 273 -Rufder41 Imperativ, kategorischer 68 Inhaber29 Inkorporationstheorie 49 Insolvenzverfahren, ausländisches 273 ff. -Anerkennung 276 ff. - und Partikularverfahren 279 -Territorialitätsprinzip 274 - Universalitätsprinzip 275 f., 283, 286, 297

Sachwortverzeichnis Italien, IPR 63 Kartellrecht 247 ff. - europäisches 248 ff. - fulandswirkung 250 ff. Kaufinannseigenschaft 183 ff. - und Rechtswahl 187 Koalitionsfreiheit 202 Körperschaftsteuer 40, 264 ff. -Organschaft 265 Kollisionsnormen, versteckte 54 Konkursverwalter 129,282 Konsensualprinzip 218 Kooperationspflicht 58 Kooperationsvölkerrecht 58 Leistung, charakteristische 99 ff. Leistungskondiktion 107 Leistungsstörungen 106 ff. Leiter der Zweigniederlassung 33, 129, 213 Iex fori concursus 129, 284 Iex rei sitae 138, 217 f., 288 Iex validationis 218 Mängelgewährleistung 106 Mahnbescheid 109 Mitbestimmung 39, 196 ff. - betriebliche 197 f. - unternehmensehe 198 ff. multi purpose clause 113 Nichtleistungskondiktion I 07 Niederlassung 28 f., 35, 295 f., 300 Niederlassungsfreiheit 56, 69, 91, 165, 205,263 objects clause lll objet social 113 OECD-Musterabkommen 271 f. ordre pub1ic 72, 118, 128, 137, 169, 182, 278,291

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Organe, Haftung filr 212 ff. Organisation 33 -Mangel der 211, 215 -Vorteile 39 Pariser Verbandsübereinkunft 180 Partikularinsolvenzverfahren 279, 290, 293 ff. -Anrechnung von Auszahlungen 297, 301 - Eröffuungszuständigkeit 296 -Reichweite 296 Prokurist 127 Prozeßfilhrungsbefugnis des Gemeinschuldners 280 Prozeßunterbrechung durch Auslandsinsolvenz 280 f., 285 Quellenbesteuerung 270 Recht, drittgünstigstes 50 Rechte, dingliche 216 ff. Rechtsfähigkeit 109 ff. Rechtsschein 103, 145 Rechtssicherheit, internationalprivatrechtliche 70, 116, 118, 133, 137, 154, 218 Rechtswahl -durch AGB 97, 132 - filr Arbeitsverhältnisse -Freiheit der 94 - des Sachstatuts 218 ff. -durch Vertrag 96 - filr Verträge 93 ff. Repräsentanz 31,253 Repression 58 n!serve de propriete 222 Retorsion 58 Reziprozität 55 ff. -klassischer Umfang 65 -positive 58, 59, 116, 122, 128, 142, 150, 159, 164, 181

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Sachwortverzeichnis

- Drittwirkung 62 f. Sachstatut siehe lex rei sitae Schuldnerverzug 106 Schweiz, IPR der 48 ff. Schwerpunkttheorie 91 Sekundärinsolvenzverfahren 293, 301 f. Sichenmgsrechte 221, 287 ff. - Ausgleichsansprüche, schuldrechtliche 232 - an Gegenständen eines Partikularinsolvenzverfahrens 302 -Publizität 234 - Sichenmgsabrede 235 Sichenmgsübereignung 219, 225 ff., 231 f. - in ausländischem Insolvenzverfahren 287,289,293 Sitztheorie 48, 243, 246, 261 Sonderanknüpfungen 72, 82, 116, 122, 166 specialite statutaire 110, 123 Sprache 173 Statut42 Substitution 86, 87, 187, 191 Tarifvertrag, Allgemeinverbindlichkeit 193 ff. Tatort 209 ff. - Erfolgsort 210 f. - Handlungsort 210 Teilfrage 183 Territorialitätsgnmdsatz 179, 264 Tochtergesellschaft 29, 37, 39 ff., 105, 216, 273 treaty overriding 270 TRIPS 60 Überschuldung 294,299 ultra vires 110 ff., 123, 213 Umgehung 204 f. Umgründungspflicht 200

UN-Kaufrecht 60, 107 f. Unmöglichkeit 106 Unselbständigkeit, rechtliche 92 Unternehmensfortfilhrung, Haftung 176 ff. Verbraucherverträge - und Rechtswahl 97 Verfilgungsbefugnis des Gemeinschuldners 286 Verkehrsgeschäft, internationales 220 Verkehrsschutz 117, 124 Vermögensteuer 266 f. Verrichtungsgehilfen, Haftung filr 212 ff. Versicherungsaufsicht 256 ff. - Drittlandsunternehmen 256 - Korrespondenzverträge 257 Vertragsrecht 91 ff. Vertragsstatut 93 ff., 185 Vertragsverletzung, positive 106, 153, 233 Vertreter ohne Vertretungsmacht 150 ff. - Genehmigung 151 ff. - Haftung 155 ff. Vertretung - Außenverhältnis 51 - Beweislast 128, 134 - Gesamtvertretung 123 -gesetzliche 123 ff. - Gnmdlagengeschäfte 124 - Innenverhältnis 51 - Mehrfachvertretung 123 Verwaltungskosten 41 Verwaltungssitz, effektiver 43, 277 Völkerrecht 57 ff. Vollmacht 129 ff. - filr Gnmdstücksgeschäfte 138 - filr Imrnobiliarverfilgungen 139 - filr Mobiliarverfilgungen 140 - Rechtswahl 134 - sachenrechtliche 138 -Statut 133, 143 ff., 155

Sachwertverzeichnis - Untervollmacht 136 Vollstreclrungszugriff, inländischer 37 Vorfrage 183 Vorleistung 290 Willenserklärungen 102 Willensmängel 102 Wohnsitzbesteuerung 270

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wrongful trading 299

Wf059 Zahlenmaterial 25 Zahlungsunfähigkeit 294, 299 Zwangsvollstreckung, inländische 283 Zweigniederlassungsstatut 44 ff.