Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt: Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission). Band II: Erstgutachten der Unterkommissionen [2 ed.] 9783428480906, 9783428080908


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German Pages 1052 Year 1994

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Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt: Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission). Band II: Erstgutachten der Unterkommissionen [2 ed.]
 9783428480906, 9783428080908

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Band 11

Erstgutachten der Unterkommissionen

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission) herausgegeben von Hans-Dieter Schwind (Vorsitzender) Jürgen Baumann (stellv. Vorsitzender) Friedrich Lösel (UK Psychologie) Helmut Remschmidt (UK Psychiatrie) Roland Eckert (UK Soziologie) Hans-Jürgen Kerner (UK Kriminologie) Alfred Stümper (UK Polizei praxis) Rudolf Wassermann (UK Strafrechtspraxis) Harro Otto (UK Strafrechtswissenschaft) Walter Rudolf (UK Öffentliches Recht) Friedhelm Berckhauer (AG A) Edwin Kube (AG B) Monica Steinhilper (AG A) Wiebke Steffen (AG B)

Band 11 Erstgutachten der Unterkommissionen Zweite, unveränderte Auflage

Duncker & Humblot . Berlin

Die Redaktion der einzelnen Erstgutachten lag bei dem Koordinator der jeweiligen Unterkommission Gesamtredaktion zu Band 11: Hans-Dieter Schwind und Manfred Winter

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt : Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission) / hrsg. von Hans-Dieter Schwind ... Berlin : Duncker und Humblot. NE: Schwind, Hans-Dieter [Hrsg.]; Unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt Bd. 2. Erstgutachten der Unterkommissionen / [Gesamtred. zu Bd. 2: Hans-Dieter Schwind und Manfred Winter]. 2., unveränd. Aufl. - 1994 ISBN 3-428-08090-4

Band

I = Endgutachten und Zwischengutachten der Arbeitsgruppen

Band 11 = Erstgutachten der Unterkommissionen Band III = Sondergutachten (Auslandsgutachten, Inlandsgutachten) Band IV = Bevölkerungsumfragen

Erste Auflage, 1990 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-08090-4

Unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission) Band 11 Erstgutachten der Unterkommissionen

Vorbemerkung Der Band 11 des Berichts der "Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt" (kurz "Gewaltkommission") enthält die Erstgutachten der Unterkommissionen: Unterkommission I:

Psychologie

Unterkommission 11:

Psychiatrie

Unterkommission III:

Soziologie

Unterkommission IV:

Kriminologie

Unterkommission V:

Polizeipraxis

Unterkommission VI:

Strafrechtspraxis

Unterkommission VII:

Strafrechtswissenschaft

Unterkommission VIII:

Öffentliches Recht

Arbeitsgruppe A

Arbeitsgruppe B

Aus diesen Erstgutachten sind nach interdisziplinärer Diskussion die Zwischengutachten der Arbeitsgruppe A (UK I bis IV) und der Arbeitsgruppe B (UK V bis VIII) hervorgegangen, die wiederum die Basis für das interdisziplinär erarbeitete Endgutachten der Regierungskommission gebildet haben. Die Zwischengutachten und das Endgutachten sind in Band I abgedruckt; der Band III enthält eingeholte Sondergutachten, der Band IV die Ergebnisse von zwei Umfragen: einer Repräsentativumfrage in der Bundesrepublik Deutschland und einer Eurobarometer-Erhebung. Auftrag und Arbeitsweise der Regierungskommission werden in Band I beschrieben.

Inhaltsübersicht Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychologischer Sicht (Gutachten der Unterkommission I) ............................................... . Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychiatrischer Sicht (Gutachten der Unterkommission 11) ...............................................

157

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus soziologischer Sicht (Gutachten der Unterkommission 111) ..............................................

293

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht (Gutachten der Unterkommission IV) ..............................................

415

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus der Sicht der Polizeipraxis (Gutachten der Unterkommission V) ...............................................

607

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus der Sicht der Strafrechtspraxis (Gutachten der Unterkommission VI) ..............................................

755

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus der Sicht der Strafrechtswissenschaft (Gutachten der Unterkommission VII) .............................................

857

Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt aus öffentlich-rechtlicher Sicht (Gutachten der Unterkommission VIII) ............................................

955

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 Stichwortverzeichnis ..................................................... . ...... . .....

1021

Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychologischer Sicht Gutachten der Unterkommission I (Stand: Frühjahr 1989) von Friedrich Lösel Herbert Selg Ursula Schneider unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckmann Redaktion: Friedrich Lösel (Koordinator der Unterkommission I)

t Gewaltkommission, Bd. II

Vorbemerkung Der Unterkommission I (Psychologie) gehörten an: Prof. Dr. Friedrich Lösel (Erlangen, Koordinator), Prof. Dr. Elisabeth Müller-Luckmann (Braunschweig, s.a. UK 11), Prof. Dr. Herbeet Selg (Bamberg). An der Abfassung des vorliegenden Gutachtens wirkte außerdem Frau Dr. Ursula Schneider (Münster) mit (insbesondere bei Teil C. V). Das Gesamtkonzept und die einzelnen Gewaltbereiche wurden in sechs Sitzungen der UK I erörtert. In drei Plenarsitzungen der Gewaltkommission, zwei Sitzungen der Arbeitsgruppe A und in zwei Treffen mit Mitgliedern anderer Unterkommissionen wurden interdisziplinär Argumente ausgetauscht. Mitglieder der UK I nahmen außerdem an zwei Ortsbesichtigungen und Informationsveranstaltungen der Polizei teil. In drei der UK-Sitzungen äußerten sich dankenswerterweise folgende Experten zu speziellen Themen: Frau Prof. pr. C. Hagemann-White (Berlin), Frau Prof. Dr. R. Klockhaus (Nürnberg), Frau Dr. P. Maeder (Isernhagen), Herr Prof. De. H.-D. Dann (Nürnberg), Herr Dipl.Psych. H. Trum (München), Herr Dipl.-Psych. K.-E. Thiessen (Wiesbaden).

t*

Inhaltsübersicht A. Gutachtenauftrag und Arbeitskonzept ....................................

7

B. Grundlegende Konzepte und Probleme der Gewaltprävention . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Gewaltbegriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

11. Gewaltverbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

111. Gewaltursachen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

IV. Gewaltprävention ................................................

23

C Spezifische Gewaltbereiche ............................................

26

I. Politisch motivierte Gewalt ........................................

26

1. Phänomene und Verbreitung ....................................

26

2. UrsachenlErklärungsansätze ..................................... a) Bedingungen der Gewaltbereitschaft ........................... al) Persönlichkeitsmerkmale ................................. a2) Familiale Sozialisation ................................... aJ) Schulische Sozialisation .................................. a4) Soziale Bezugsgruppen ................................... aS) Massenmedien.......................................... a6) Wertpluralismus und Wertkonflikte ........................ a7) DefIzite der Politik ...................................... b) Bedingungen der Auslösung von Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bl) Situative Modellwirkungen ............................... b2) Wahrgenommene aversive Reize .......................... b3) Motivierende Anreize .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b4) Befehle und Anweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b5) Bizarre Denkweisen ..................................... c) Bedingungen der Stabilisierung/Destabilisierung von Gewalt ...... cl) Externe Bekräftigung .................................... c2) Bestrafung ............................................. c3) Stellvertretende Bekräftigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c4) Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 34 34 35 37 37 38 39 41 42 43 43 45 46 47 47 48 49 50 50

3. Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung .................... a) Maßnahmen der Forschung und Dokumentation ................ b) Rekultivierung des Demonstrationsgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbeugende Öffentlichkeitsarbeit ............................. d) Polizeiliche Taktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 54 55 56 57

Inhaltsübersicht

5

e) Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten f) Grundwertverdeutlichung durch Parteien und Protestgruppen . . . . . .

59 60

g) h) i) k)

60 62 63 66

Maßnahmen Maßnahmen Maßnahmen Maßnahmen

im Bereich der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in den Bereichen Familie und Schule . . . . . . . . . . . . . . . in der Gesetzgebung und Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . der offensiven politischen Gestaltung ...............

II. Gewalt auf Straßen und Plätzen

67

1. Phänomene und Verbreitung

67

2. Ursachen/Erklärungsansätze .....................................

68

3. Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung ....................

68

III. Gewalt im Stadion ...............................................

70

1. Phänomene und Verbreitung ....................................

70

2. Ursachen/Erklärungsansätze .....................................

73

3. Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung .................... a) Umfeld des Spiels ........................................... b) Gestaltung der Stadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fans ...................................................... d) Fußballsport allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sporterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 77 80 80 81 82

f) Gesellschaftliche Veränderungen ..............................

82

IV. Gewalt in der Schule .............................................

83

1. Vandalismus .................................................. a) Phänomene und Verbreitung .. " .. . .. . . .. . . . . . . . . .. . .. . . .. . .. . b) Ursachen/Erklärungsansätze .................................. c) Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung. . . ... . .. . . ... . ...

84 84 85 86

2. Gewalt zwischen Schülern ...................................... a) Phänomene und Verbreitung. . .. .. . .. . . . .. . ... .. .... ... . . .. .. . b) Ursachen/Erklärungsansätze .................................. c) Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung. .. . .. . . .. . .. . . ...

90 90 91 92

V. Gewalt in der Familie ............................................

93

1. Phänomene und Verbreitung .................................... a) Begriff und Formen ......................................... b) Umfang ............................... : . .. . .. . . . . ... . . .. .. .

93 93 93

c) Entwicklung ................................................ d) Verteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96

e) Muster der Gewalt .......................................... 97 el) Opfermerkmale ......................................... 97 e2) Syndromatische Erscheinungsbilder ........................ 98 e3) "Geschlechtsspezifische Muster" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100

Inhaltsübersicht

6

2. Ursachen/Erklärungsansätze ..................................... a) Täterpersönlichkeit .......................................... b) Sozialer und wirtschaftlicher Druck ............................ c) Sozialökologische Bedingungen: Isolation und Desintegration ..... d) Sexuelle Ungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Gewalt in der Interaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. el) Familienspezifische Strukturen und kulturelle Nonnen ....... e2) Kindheitserfahrungen: "Kreislauf der Gewalt" ...............

101 101 102 103 103 105 105 106

3. Soziale Folgen von Gewalt in der Familie: "Gewalttransfer" . . . . . . . . .. 107 4. DefIzite bei der Verhinderung und Kontrolle von Gewalt in der Familie a) Traditionelle Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen . . . . . . . . . . . .. al) Beratung............................................... a2) Fremdunterbringung des mißhandelten Kindes.. . . . .. . . .. . .. a3) Strafverfolgung ......................................... b) Alternative Schutzeinrichtungen ............................... bl) Frauenhäuser........................................... b2) Kinderschutzzentren ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

108 109 109 109 109 110 110 111

5. Möglichkeiten und Modelle einer wirksameren Vorbeugung und Kontrolle ................................................. a) Gewaltlosigkeit und Kindererziehung .......................... b) Präventivfunktion der Schule. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Soziale Reintegration der Familie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Krisenintervention durch die Polizei ........................... e) Therapiemodelle ............................................ Selbsthilfe.................................................. g) Weiterentwicklungen der FrauenhausarbeiUFamilienkrisenzentren .. h) Rechtspolitische Maßnahmen ................................. hl) Nonnative Mißbilligung von Gewalt ....................... h2) Meldegesetze ........................................... h3) Diversionsverfahren .....................................

112 113 113 114 115 116 117 118 119 119 119 120

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Anhang D. Vorschlagskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 121 E. ForschungsdefIzite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133 Literaturverzeichnis ..................................................... 136

A. Gutacbtenauftrag und Arbeitskonzept Im Rahmen des Arbeitskonzepts der Gewaltkommission hat die Unterkom- 1 mission I (Psychologie) den Auftrag erhalten, aus der Sicht ihres Fachs "in einer Sekundäranalyse die Ursachen und Phänomene insbesondere 1. 2. 3. 4. 5.

der der der der der

politisch motivierten Gewalt, Gewalt auf Straßen und Plätzen, Gewalt im Stadion, Gewalt in der Schule, Gewalt in der Familie

zu untersuchen und Konzepte zu entwickeln, die so praxisnah und handlungsorientiert gefaßt sein sollen, daß sie von Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz auch ~öglichst kurzfristig umgesetzt werden können." Die Unterkommission hat in ihrem Arbeitskonzept auch allgemeinere 2 Überlegungen über die Ursachen und die Prävention bzw. Reduktion von Gewalt für wichtig erachtet, da die einzelnen Phänomene nicht zu isoliert gesehen werden dürfen. Sie hat darauf Wert gelegt, verschiedene Aspekte und Ursachen von Gewalt zu integrieren. Außerdem hat die Unterkommission versucht, der relativen Bedeutung der obengenannten Gewaltbereiche insofern gerecht zu werden, als trotz der Breite und Vielfalt der Thematik alle fünf behandelt werden. Es sind jedoch sowohl aus fachlichen Gründen als auch aus Gründen der vorgegebenen Gutachtenlänge thematische Schwerpunktsetzungen und partielle Umstrukturierungen erforderlich gewesen. So befassen wir uns mit Phänomenen der politisch motivierten Gewalt und der Gewalt auf Straßen und Plätzen ausführlich am Beispiel der Gewalt bei demonstrativen Aktionen. Dies ist deshalb sinnvoll, weil die Ursachen und Präventionsansätze in beiden Bereichen teilweise ähnlich sind, so daß Wiederholungen venmeden werden können. Da sie sich auch mit der Gewalt im Stadion überschneidet, wird die unscharfe Kategorie der Gewalt auf Straßen und Plätzen als eigenes Thema vergleichsweise knapp abgehandelt.

B. Grundlegende Konzepte und Probleme der Gewaltprävention Gutachten zu einem solch komplexen Thema wie dem der Verhinderung und 3 Kontrolle von Gewalt in unserer Gesellschaft stehen vor ähnlichen Schwierigkeiten, wie sie Robert Musil in seinem "Mann ohne Eigenschaften" an einem strafrechtlichen Beispiel schildert: "Die Kommission bestand aus ungefahr zwanzig Gelehrten, denen es möglich war, einige Tausend Standpunkte

8

Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

zueinander einzunehmen, wie sich leicht nachrechnen läßt." Dies gilt es u. a. deshalb zu vermeiden, weil nach den Erfahrungen in der Evaluationsforschung und Politikberatung neben der instrumentellen Nutzung von wissenschaftlichen Ergebnissen für unmittelbar umsetzbare Maßnahmen die konzeptuelle Nutzung im Sinne einer längerfristigen Konsensbildung über ein komplexes Problem besonders bedeutsam ist (vgl. Rossi & Freeman 1982, Lösel & Nowack 1987). 4

Konsens über bestimmte Problemlagen und deren Veränderung zu erreichen ist dort leichter, wo klare Begriffe, eindeutige Fakten und unumstrittene Grundwerte vorliegen. All dies ist bei unserem Thema nicht der Fall. Erst wenn hinsichtlich Wert- und Sachfragen Konsens besteht, ist nach Cronbach et al. (1980) die Stufe einer "rationalen Analyse" erreicht. Um uns dieser Stufe anzunähern, sollen vor der Behandlung der einzelnen Themen einige allgemeine Fragen der Gewaltverhütung geklärt werden. Der Konsens über grundlegende Konzepte und unvermeidbare Probleme ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, auch bei spezifischen Fragen der Gewaltverhütung eine Annäherung erzielen zu können. Solche allgemeinen Fragen betreffen insbesondere 1. den Begriff, 2. die Verbreitung (Prävalenz), 3. die Erklärung (Ursachen) und 4. die Prävention (Verhinderung/Reduzierung) von Gewalt.

I. Gewaltbegriff 5

Gewalt hat zu allen Zeiten und an allen Orten das Zusammenleben der Menschen - soweit es rekonstruierbar ist - geprägt. In diesem breiten Sinn ist Gewalt "normal". Gewalt löst aber verschiedene Reaktionen aus: Die Hoffnung, sie direkt verhindern zu können, fasziniert die einen; die Überzeugung, erst die als Ursachen der Gewalt interpretierten Phänomene aufheben zu müssen, betonen die andern. Diese Grundreaktionen sind mit allgemeinen politischen Einstellungen korreliert. West (1986) ordnet sie dem Schema "rechtslinks" zu. Sich über Gewalt zu äußern, ist kaum ohne politisches Bekenntnis möglich, auch dem Wissenschaftler nicht - trotz der regulativen Prinzipien der Wertfreiheit, Neutralität, Wahrheitssuche etc., die wissenschaftliches Arbeiten begleiten sollen. "Gewalt" pflegt sich schnell als "Kampfbegriff' (Neidhardt 1986) zu offenbaren: Gelingt es, jemandes Handeln erfolgreich als "Gewalt" einzustufen, so ist es negativ besetzt und abgewertet; es gilt als anstößig. Damit ist ein Risiko aller Definitionsversuche skizziert: Sie können - in kaum vorhersehbarem Ausmaß - politisch ausgenutzt werden.

6

Dennoch müssen Umschreibungen ("Definitionen") von Gewalt vorgelegt werden. In einem beträchtlichen Ausmaß verfügt der Gesetzgeber über definitorische Macht. Sozialwissenschaftler können sich vom Gesetzgeber die Definition relevanter Begriffe nicht ohne weiteres vorgeben lassen, weil ein allgemeinerer theoretischer Rahmen angestrebt wird. Jeder Umschreibungsversuch sollte aber unter bestimmten Einschränkungen geschehen: Er darf nicht so weit sein, daß er inflationär oder praktisch grenzenlos wird; er darf nicht so eng sein, daß

Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

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er nicht mehr genügend dem - allerdings nur vage erfaßbaren - Sprachgebrauch im Alltag entspricht, und er muß möglichst alles umspannen, was mit breitem Konsens über Gewalt schon erarbeitet worden ist. Jeder Umschreibungsversuch hat die Funktion einer Verständigungshilfe und kann nicht den Anspruch erheben, allgemein-verbindlich und endgültig zu sein. Begriffe sind Werkzeuge, die in Richtung auf größere Brauchbarkeit und Nützlichkeit modifizierbar sein müssen. In der Literatur liegen zahlreiche Umschreibungsversuche von Gewalt vor 7 (zusammenfassend z. B. Mummendey 1984, Neidhardt 1986, Selg et al. 1988). Nach Neidhardt hat der Begriff a) im Zivilisationsprozeß eine zunehmend negative moralische Ladung erhalten, b) ist er von dem ursprünglich hauptsächlich gemeinten körperlichen Angriff gegen Personen auf Angriffe gegen Sachen, psychische Zwangsmittel sowie Zwangsmerkmale in sozialen Systemen ("strukturelle Gewalt") sehr stark ausgeweitet worden und hat c) zugleich eine Umdisposition im Sinne eines Gegenbegriffes zur Freiheit erfahren. Ein einheitliches Verständnis ist weder im Alltag noch in der Wissenschaft vorauszusetzen. Unter Gewalt/Aggression werden zumeist gerichtete oder intentionale 8 Verhaltensweisen zusammengefaßt, die andere schädigen (destruktiv, aversiv sind), wobei die Zuschreibung der Gewalt im Alltag vom Bezugssystem des Beurteilers sowie situativen und normativen Kriterien der Angemessenheit abhängt. So haben z. B. Borkowski et al. (1983) am Beispiel der Gewalt in der Ehe festgestellt, daß der Gebrauch des Begriffs von folgenden Kriterien abhängt: a) Anwendung physischen Zwangs, b) entstandene Verletzung, c) Ausmaß der Verletzung, d) Häufigkeit der Handlungen, e) Vorliegen einer Absicht, f) Ansichten darüber, was in Ehen "normal" ist, g) Tolerierung durch das Opfer, h) sozialer Kontext, i) Rechtfertigung angesichts des Partnerverhaltens. Auch in der Rechtsprechung scheint ein in jeder Hinsicht verbindlicher Gewaltbegrifffraglich zu sein. Zwar lassen sich, wie Krey (1986) am Beispiel der Nötigung mit Gewalt darlegt, selbst in schwierigen Grenzbereichen einheitliche Kriterien begründen, doch zeigen die Rechtsprechung verschiedener Gerichte und die Stimmenverteilung beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sitzblockade, daß im Kern keine einheitliche Rechtsauffassung vorliegt (kritisch dazu z.B. Starck 1987, Wassermann 1988). Derartige Konsensprobleme in manchen Grenzbereichen bedeuten freilich 9 nicht, daß auch dort der Gewaltbegriffin Frage zu stellen ist, wo die Rechtslage gemäß StGB eindeutig ist, und "rechtsfreie Räume" nicht durch Rechtsunsicherheit, sondern mangelnde Rechtsdurchsetzung gefördert werden. Die Unschärfe und Ideologiegeladenheit des Gewaltbegriffs als partiell unvermeidbar hinzunehmen, heißt auch nicht, konsensfähige Abgrenzungen bestimmter Gewaltphänomene grundsätzlich in Frage zu stellen. Für konkrete Bereiche, wie sie Gegenstand des Gutachtens sind, ist ein hinreichend gemeinsames Verständnis des Gewaltbegriffs durchaus möglich. Wir teilen dabei zugleich die

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Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

Auffassung von Bandura (1979), daß die abstrakte Kategorie der Aggression für die Erforschung von Bedingungen und Änderungsmöglichkeiten bestimmter Phänomene oft zu unspezifisch ist. 10

Mit diesen Einschränkungen gehen wir hier von der in der psychologischen Aggressionsforschung vorherrschenden Begriffiichkeit aus. Wir verstehen Gewalt als eine Teilmenge von Aggression. Ein Verhalten wird dann als Aggression eingestuft, wenn ein gerichtetes Austeilen schädigender Reize erkannt wird; eine Aggression kann offen (körperlich, verbal) oder verdeckt (phantasiert), sie kann positiv (von der Kultur gebilligt) oder negativ (mißbilligt) sein (ausführlicher bei Selg et al., 1988). Die in dieser Umschreibung genannte "Gerichtetheit" soll zufällige Schädigungen nicht als Aggressionen gelten lassen. Die Möglichkeit, Aggression in positive und negative einzuteilen, erlaubt es, normentsprechendes und abweichendes Verhalten als Aggression anzusehen.

11

"Gewalt" wird in unserem Gutachten auf ausgeübte oder glaubwürdig angedrohte physische Aggressionen eingeschränkt, mit denen einem angezielten Objekt etwas gegen dessen Bedürfnisse, gegen dessen Willen geschieht; und nur jene Aggressionen, die mit relativer Macht einhergehen, sollen als Gewalt gelten. Gewalt setzt also keine Normverletzung voraus; es gibt Gewalt, die rechtmäßig ist (Staatsgewalt; bestimmte Formen des Widerstandes). Um den Konsens in der Gewaltkommission zu erleichtern und aufgrund von Argumenten, die Neidhardt (1986) anführt, konzentrieren wir uns hier auf die ausgeübte physische Gewalt. Neidhardt hat (u. a. auf Narr 1980 aufbauend) herausgearbeitet, daß der physischen Gewalt eine besondere Sicherheit der Wirkung, eine Überlegenheit als Machtinstrument zukommt, die keine Nichtbetroffenheit erlaubt. Galtungs (1971) Begriff der "strukturellen Gewalt" benutzen wir nicht, da er "Gewalt" inflationär ausweitet; aber die von Galtung vorwiegend gemeinten sozialen Ungerechtigkeiten werden bei den Ursachen von Gewalt thematisiert werden müssen.

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Von den vielen möglichen Unterteilungen der Aggression dürfte hier neben der oben bereits genannten "positiven" und "negativen" Aggression vor allem die Einteilung in instrumentelle, feindselige und expressive Aggression bedeutsam sein. Instrumentell sind Aggressionen, wenn mit ihrer Hilfe versucht wird, Probleme zu lösen. Es sind Aggressionen um eines für erstrebenswert gehaltenen Zieles willen. Sie werden vornehmlich dann als Hilfe zur Problemlösung gewählt, wenn andere Wege nicht erkannt werden oder nicht zum Ziel zu führen scheinen. Solche Gewalt läßt auf eine angespannte Lage der Hilflosigkeit und Überforderung schließen. Feindselige Aggression zielt auf den Schmerz oder Schaden des Opfers; sie ist eine Aggression um der Aggression willen - evtl. mit Lust am aggressiven Verhalten. Expressive Aggressionen sind Ärger /WutAusbrüche, die Befreiung von aktueller Spannung bringen sollen; ihnen ist eine starke Ausdruckskomponente eigen. Wichtig ist auch die Unterteilung in spontane und reaktive Aggressionen; sie muß um "Aggressionen auf Befehl" (s. Milgram, 1966) ergänzt werden. Bestimmte happening-artige Erscheinungen

Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

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lassen auch noch die Unterscheidung von ernster und spielerischer Aggression relevant erscheinen. Gewalt wird in den Sozialwissenschaften immer weniger als "Eigenschaft" 13 bestimmter Individuen oder Gruppen gesehen; sie wird vielmehr den Interaktionen zwischen Personen zugesprochen, wobei sie starken Situationseinflüssen unterliegt. Gewalt kennzeichnet die Endphasen mehr oder weniger schneller Eskalationen von aggressiven Interaktionen. Wenn dieser Prozeß weit fortgeschritten ist, ist es fast immer unmöglich, klare Schuldzuweisungen vorzunehmen, m. a. W. den Beginn eines unangemessenen Verhaltens auszumachen. "Interaktion" bedeutet auch: Gewalt ist nicht einseitig zu sehen; vielmehr ist die Eskalation auf beiden Seiten zu untersuchen. 1 Gewalt erscheint weniger als "Schrei der Stummen", wie der PeyrefitteReport schreibt (nach Hobe, 1988), sondern eher als "Sprache" derer, mit denen kein ausreichender Dialog geführt worden ist oder werden konnte. Wo Gewalt ausbricht, geschieht dies selten wirklich überraschend. Die Vor-Geschichte läßt oft langsam wachsende Konflikte und Kommunikationsbarrieren erkennen. Die anfangs relativ harmlos vorgetragenen Proteste bleiben unbeachtet, oft geradezu demonstrativ unbeachtet: Man hört nicht auf die "Straße". Dies weckt bei den "Unerhörten" den Gedanken an dramatischere Schritte, die zumindest in den Medien schnell "Erfolg" bringen. Wer grundsätzlich Eskalationsschritte auf beiden Seiten zu sehen bereit ist, wird als positive Funktion der Gewalt erkennen, daß sie immer auf Schwachstellen in unserem Zusammenleben aufmerksam macht.

14

Wer Gewalt als Interaktion begreift, tut sich leichter, sein eigenes Vorgehen 15 flexibel zu ändern, als derjenige, der Gewalt beim Gegenüber als relativ festgefügtes Wesensmerkmal betrachtet. Im politischen Feld ist für die Genese von Gewalt weniger ein absolutes Ausmaß sozialer Ungerechtigkeit entscheidend als vielmehr ein subjektives: Offensichtlich interpretieren aufbegehrende Menschen erlebte Ungerechtigkeiten immer wieder als gegen sich gerichtete Gewalt. Hier ist vor Ausbruch der Gewalt staatliche Dialogbereitschaft vonnöten, die aber nicht in Inkonsequenz übergehen darf. Wer sich auf Dauer ungerecht behandelt fühlt, entwickelt eine affektive Lage, die sich ebenso durch Angst und Hilflosigkeit wie durch Ärger und Wut auszeichnet. 2 Schließlich kann eine Situation entstehen, in der es aus Mangel an Einsicht in alternative Verhaltensmöglichkeiten zu dysfunktionalen Aggressionen kommt. 1 Daß sich z. B. bei der Eskalation zwischen Staat und gewalttätigen Demonstranten nicht Gleichbe-recht-igte gegenüberstehen, ist selbstverständlich; nur der Rechtsstaat hat ein Recht auf Gewalt (s. Wassermann 1988). Aber aufbeiden Seiten können bei konkreten Auseinandersetzungen gleiche psychische Mechanismen ins "Spiel" kommen, mit Angst und Wut am Anfang, mit Kurzschlußaktivitäten am Ende. 2 Gerade Angst als Vorstufe der Wut wird gern übersehen, obwohljeder diese Angst-inWut-Umwandlung kennt, der z. B. abends lange auf sein zu spät nach Hause kommendes Kind gewartet hat.

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Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

11. Gewaltverbreitung 16

Da Gewalt in der Geschichte stets aufgetreten und sie insofern Bestandteil der menschlichen Ausstattung ist, kann es bei Maßnahmen der Gewaltverhinderung nicht darum gehen, sie generell und absolut beseitigen zu wollen. Angestrebt werden kann sinnvollerweise nur eine Reduzierung bestimmter Phänomene, die gesellschaftsspezifisch als besonders gravierend erlebt werden. Als Grundlage für einen - je nach Standpunkt - befürworteten oder verneinten Handlungsbedarf dienen oftmals Aussagen darüber, daß bestimmte Gewaltphänomene im Laufe der Zeit zugenommen haben oder im internationalen Vergleich besonders ausgeprägt sind. Dabei sollte von vornherein Klarheit darüber bestehen, daß jede Aussage über die Prävalenz, d. h. die Auftretenshäufigkeit der jeweiligen Phänomene in einer bestimmten Population und zu einem bestimmten Zeitpunkt, problembehaftet ist. Heftige Debatten darüber, ob und wie sehr bestimmte Gewaltphänomene zu- oder abgenommen haben, können versachlicht werden durch den Grundkonsens, daß kein objektives Abbild möglich ist, sondern nur eine mehr oder weniger angemessene (Re-)Konstruktion.

17

Die Ermittlung von Prävalenzraten wirft gravierende methodische Probleme auf (vgl. Dohrenwend et al. 1980, Brandstädter & von Eye 1982). Erforderlich wäre eine repräsentative direkte Beobachtung oder valide Befragung zu den jeweiligen Ereignissen. Die direkte Beobachtung ist in der Regel ausgeschlossen. Bei vielen Gewaltphänomenen liegen auch keine Repräsentativbefragungen vor. Bei einem Teil der Phänomene - z. B. der Gewalt und dem sexuellen Mißbrauch in der Familie - besteht zudem eine solch starke Tabuisierung, daß mit erheblichen Verzerrungen durch Antworttendenzen der sozialen Erwünschtheit, Lügen, Verweigerung etc. zu rechnen ist. Andererseits kann durch die öffentliche Diskussion bzw. Medienberichterstattung die Bevölkerung für bestimmte Gewaltphänomene zeitweise besonders sensibilisiert werden, so daß z. B. schlagartig über wesentlich mehr einschlägige Taten berichtet wird.

18

Die zahlreichen methodischen Probleme der Täter-, Opfer- und Beobachterbefragung zur Prävalenz von Gewaltphänomenen sind in der Dunkelfeldforschung zur Kriminalität ausführlich erörtert worden (vgl. Lösel 1975, Kaiser 1988, Schwind 1988). Teilweise ähnliche und andere Schwierigkeiten bestehen aber auch bei den von staatlicher Seite regelmäßig gesammelten Daten über Gewaltakte bzw. Kriminalstatistiken (vgl. Kerner 1985, Kaiser 1988). Abgesehen von dem immensen Dunkelfeld, das gerade durch die Befragung abgeschätzt werden soll, sind die statistischen Daten im Quer- und Längsschnitt nur partiell vergleichbar. Sie hängen von historisch oder interkulturell unterschiedlichen Deliktdefinitionen und Zählweisen, dem Anzeigeverhalten der Bevölkerung, den Handlungsmustern der Polizei und Justiz sowie zahlreichen anderen Faktoren ab, so daß es sich nicht zuletzt um ein Abbild von Tätigkeitsstrukturen der sozialen Kontrolle und nicht um die "wahre" Prävalenz handelt (Sack 1985).

Erstgutachten der Unterkommission Psychologie

13

Diese Einflüsse sind im Bagatellbereich bedeutsamer als in Fällen der gravierenden Gewalt, aber auch dort nicht unwesentlich (vgl. Pfeiffer & Schöckel1988, 3). Abgesehen von derartigen unvermeidbaren Unschärfen der Prävalenzdaten ist bei der Diskussion über die Gewalt und ihre Entwicklung der statistisch erfaßte Zeitraum oftmals zu kurz, um wirklich stichhaltige Zeitreihenanalysen über Veränderungen machen zu können (zur Methodik: Cook & Campbell 1979). Dies zeigt sich z. B. am Beispiel der Gewalt bei Demonstrationen, wo zwischen manchen Jahren zwar deutliche Unterschiede bestehen, insgesamt aber seit den siebziger Jahren kein Anstieg des Anteils unfriedlicher Verläufe an der Gesamtzahl der Demonstrationen festzustellen ist (siehe dazu CI 1). Dies bedeutet wiederum nicht, daß unter Berücksichtigung von qualitativen Merkmalen - z. B. Art der Gewalthandlungen, Verletztenzahl, Ausmaß körperlicher Schäden, finanzielle Belastung - nicht doch eine Problemverschärfung vorliegt (vgl. z. B. das Gutachten der UK 5).

19

Was die Gewaltkriminalität im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik 20 (PKS) betrifft, ist in letzter Zeit kein zahlenmäßiger Anstieg, sondern relative Konstanz bzw. ein leichter Rückgang zu beobachten (vgl. Baurmann, Plate & Störzer 1988, Pfeiffer & Schöckel1988, Stümper 1988). Dies gilt - wie Tabelle 1 zeigt - etwa seit 1982/83 für die meisten der unter "Gewaltkriminalität" subsumierten Straftatbestände: Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Kindstötung, Vergewaltigung, Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung, Vergiftung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Angriff auf den Luftverkehr. Das bedeutet freilich nicht, daß die (im längerfristigen Rückblick immer noch 21 relativ hohen) Zahlen der registrierten Gewaltkriminalität gegen einen zusätzlichen Handlungsbedarf sprechen. Der Rückgang der PKS-Gewaltdelikte von 1982 bis 1987 um ca. 8000 auf ca. 100000 ist auch kein Indiz dafür, daß die Prävention in jüngster Zeit besonders erfolgreich gewesen sein muß. Es handelt sich u. a. um eine Folge der demographischen Entwicklung, in der sich die Population der überproportional für die "alltägliche" Gewaltkriminalität verantwortlichen Jugendlichen/ Jungerwachsenen verringert hat. Das Bild ist zudem etwas anders, wenn die Abgrenzung der Gewaltkriminalität laut PKS um Straftatbestände wie einfache vorsätzliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Brandstiftung, Freiheitsberaubung, Nötigung u. a. erweitert wird (siehe Tabelle 2 und Abbildung 1). Bei diesen Delikten besteht teilweise auch in den letzten Jahren ein leichter Anstieg der Häufigkeitsziffern. Es soll hier nicht über die weitere Entwicklung der Gewaltkriminalität 22 aufgrund demographischer Veränderungen spekuliert werden (vgl. Pfeiffer & SchöckeI1988). Über wesentliche Parameter (wirtschafts- und gesellschaftspolitische Rahmendaten, Entwicklung der Ausländer-, Aussiedler- und Übersiedlerpopulation, generatives Verhalten der Gruppen des "Baby-Booms" etc.) läßt

28 0,04 6904 11,2

28 0,04 6576 10,7

27 0,04

6598 10,8

Totschlag und Tötung auf Verlangen

Kindstötung

Vergewaltigung

6

3

Geiselnahme

-

83403 136 + 5,4%

87889 143,3

1981

+ 12,8%

99554 161,7

-

66 0,1

43 0,1

+ 7,1%

106762 173,1

6

-

58 0,1

68876 111,7

65479 106,4

158 0,3

27710 44,9

6925 11,2

23 0,03

1794 2,9

1146 1,8

+ 1,3%

108024 175,3

-

7

- 2,1%

105421 171,6

3

-

57 0,1

70 0,1

65 0,1 93 0,2

66057 107,5

142 0,2

168 0,3 67474 109,5

29561 48,1

6763 11,0

38 0,06

1674 2,7

30465 49,4

6708 10,9

32 0,05

1761 2,8

1983 1083 1,8

1982 1251 2,0

1985

29685 48,7

28012 45,8

102967 168,8 +2,5%

100736 164,7 -4%

-

2

3

-

59 0,1

69 0,1

64314 105,4

72 0,1

67 0,1

63746 104,2

123 0,2

5919 9,7

5954 9,7

122 0,2

18 0,02

1654 2,7

1124 1,8

38 0,06

1671 2,7

1051 1,7

1984*) 1986

- 1,7%

101307 165,9

-

2

96 0,2

87 0,1

64079 105,0

-1,4%

100003 163,6

2

-

62 0,1

66 0,1

63711 104,2

108 0,2

112 0,2

28122 46,0

5281 8,6

19 0,03

1662 2,7

970 1,6

1987

28581 46,8

5604 9,2

26 0,04

1657 2,7

1045 1,7

- 0,3%

99872 163,1

(Fehlklass.)

(1)

68 0,1

50 0,1

62889 102,7

118 0,2

28952 47,3

5251 8,6

25 0,04

1596 2,6

922 1,5

1988

Quelle: PKS 1978-1988 *) Landesinterne Maßnahmen in BW und Bremen führten zu einer Mindererfassung, wodurch die Steigerungsrate 1984 vermindert und 1985 überhöht wurde.

Veränderung gegenüber Vorjahr, bezogen auf Häufigkeitszahl (HZ)

Gewaltkriminalität

-

-

54 0,1

45 0,1

Erpresserischer Menschenraub

5

39 0,1

40 0,1

Angriff auf den Luftverkehr

38 0,1

56487 92,1

52334 85,4

Gefahrliche und schwere Körperverletzung sowie Vergiftung

158 0,3

148 0,2

169 0,3

Körperverletzung mit Todesfolge

24193 39,3

21950 35,8

21648 35,3

Raub, räub. Erpressung und räub. Angriff auf Kraftfahrer

1589 2,6

1536 2,5

1500 2,4

Mord

1980

1037 1,7

1116 1,8

1979 1086 1,7

1978

Delikte

Anzahl der bekanntgewordenen Fälle - Häufigkeitszahl (HZ) = Fälle pro l00000EW

der Polizeilichen Kriminalstatistik (nach Stümper 1988, ergänzt)

Tabelle 1: Verbreitung und Entwicklung der Gewaltkriminalität gemäß der Definition

o Ö ~.

CI>

'r::r 3

"'0

~.

g

CI>

~.

....

::I Cl.

c;-

::r

~

'" ~

....tI1

'"

~

VI

457

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 10 Die Längsschnittentwicklung der registrierten Gewaltkriminalität (Summenschlüssel PKS) zwischen 1971 und 1987, Bundesrepublik Deutschland - Fälle, Häufigkeitszahlen (HZ) und Aufklärungsquoten (AQ) Jahr 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

Erfaßte Fälle N HZ

N

59.947 68.024 69.408 72.810 80.699 79.285 83.545 83.403 87.889 99.554 106.762 108.024 105.421 100.736 102.967 101.307 100.003

46.469 50.109 53.086 54.824 62.009 61.203 63.833 64.178 67.131 76.005 80.341 80.312 78.301 74.910 76.266 74.554 73.409

97.8 110.3 112.0 117.4 130.5 128.9 136.1 136.0 143.3 161.7 173.1 175.3 171.6 164.7 168.8 165.9 163.6

Aufgeklärte Fälle AQ. % HZ 75.8 81.5 85.7 88.4 100.3 99.3 103.9 104.6 109.5 123.7 130.3 130.1 127.2 122.2 124.9 122.2 120.1

77.5 73.7 76.5 75.3 76.8 77.2 76.4 76.9 76.4 76.3 75.3 74.3 74.3 74.4 74.1 73.6 73.4

Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundeskrirninalamt, Wiesbaden 1972-1988.

delikte dagegen sind im Verlauf der zwölf Jahre auf dem Stand von 1971 geblieben oder nur geringfügig angestiegen (vgl. Tabelle 11; "Angriffe auf den Luftverkehr" wurden nicht in die Tabelle aufgenommen, weil die Fallzahl nur zwischen 2 und 7 schwankte). Der insgesamt seit 1982 zu beobachtende Rückgang der Gewaltkriminalität 57 ist bei den unter Verwendung von Schußwaffen begangenen Gewaltstraftaten besonders deutlich ausgeprägt und hat teilweise bereits erheblich früher eingesetzt (vgl. Tabellen 12.1 und 12.2). So beginnt die rückläufige Tendenz bei den mit Schußwaffen begangenen Tötungsdelikten bereits im Jahr 1972. Die Zahl der registrierten Fälle lag im Jahr 1987 mit 272 um 62,8% unter dem Höchststand des Jahres 1972 (731). Bei den Körperverletzungen und der Vergewaltigung ist im Vergleich zum Höchststand der Jahre 1981 bzw. 1973 bis zum Jahr 1987 eine Abnahme des Schußwaffengebrauchs um41,7% bzw. 52,3% zu verzeichnen. Lediglich bei den Raubdelikten entsprechen die Daten der generellen Entwicklung der Gewaltkriminalität. Das Mitfohren von Schußwaffen wird erst seit dem Jahr 1986 registriert. 1987 wurden im Vergleich zum

458

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 11 Entwicklung bei einzelnen GewaItdelikten bzw. Deliktsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland - Fälle, Häufigkeitszahlen (HZ) und Aufklärungsquoten (AQ) Jahre

Delikt etc.

1977

1978

1979

1980 1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Kindestötung 2.644 2.564 2.632 2.733 2.963 3.044 2.768 2.760 2.728 2.796 2.651 N 4 4 4 4 5 5 5 4 HZ 5 5 5 A.Q.% 95.1 96.2 95.1 95.6 95.3 95.9 94.8 94.1 95.0 93.9 94.0 Vergewaltigung 6.725 6.598 6.576 6.904 6.925 6.708 6.763 5.954 5.919 5.604 5.281 N 11 HZ 11 11 11 11 11 11 10 10 9 9 A.Q.% 72.7 72.8 71.8 72.0 71.6 71.2 69.1 70.1 70.6 70.8 71.2 Raub, räub. Erpressung, räub. Angriff auf Kraftfahrer N 21.26521.64821.95024.193 27.710 30.465 29.561 28.012 29.685 28.581 28.122 m ~ ~ ~ ~ ti ~ ~ % ~ ~ % A. Q. % 52.3 54.3 52.7 53.0 52.3 50.3 49.8 49.9 50.0 48.4 47.5 KV mit tödl. Ausgang 166 169 0.3 0.3 94.6 92.9

N HZ A.Q.%

148 0.2 96.6

158 0.3 94.9

158 0.3 96.2

168 0.3 91.7

142 0.2 93.7

122 0.2 97.5

123 0.2 92.7

112 0.2 95.5

108 0.2 95.4

gefährl. schwere KV sowie Vergiftung N 52.62052.33456.487 65.479 68.876 67.474 66.057 63.746 64.314 64.097 53.711 HZ 86 85 92 106 112 110 108 104 105 105 104 A.Q.% 85.6 85.8 85.2 84.5 83.9 84.5 84.9 84.6 84.6 84.2 84.1 erpress. Menschenraub 65 40 0.1 0.1 69.2 80.0

N HZ A.Q.%

39 0.1 66.7

43 0.1 55.8

66 0.1 69.7

65 0.1 87.7

70 0.1 74.3

67 0.1 70.1

69 0.1 71.0

87 0.1 64.4

66 0.1 69.7

54 0.1

38 0.1

58 0.1

93 0.1

57 0.1

72 0.1

59 0.1 ??

96 0.1

62 0.1

Geiselnahme N HZ ??

% . 0.1

??

45 0.1

??

??

??

??

??

??

??

??

??

Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik fiir die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundeskriminalamt Wiesbaden 1978-1988.

459

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Vorjahr um 8,4% weniger Fälle von Gewaltkrirninalität erfaßt, in denen der Täter eine Waffe mit sich geführt hat (4211 zu 4595). Allerdings sind entsprechende Angaben nach Praxiseindrücken generell wenig zuverlässig. Die Unterkomrnission Polizeipraxis weist ferner intern erläuternd darauf hin, daß gerade in Großstädten und dort im Umfeld organisierten Verbrechens jeder Ganove, der etwas auf sich halte, seine Waffe zum Eigenschutz und nicht nur dazu dabei habe. Die bisher dargelegten Entwicklungstrends der Gewaltkriminalität basieren 58 ausschließlich auf Daten der PKS. Die Kriminalstatistik gilt aus schon des längeren erörterten Gründen, auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann, generell als nur begrenzt taugliches Instrument zur verläßlichen Beurteilung des Krirninalitätsgeschehens (Kerner 1985, 250ff.; Herold 1976; Pfeiffer 1989, 3ff., 23ff.; zur Grundlagenkritik s. aus neuerer Zeit z. B. Steinert 1988, 3 ff.). Durch die Erstellung komplexerer KriminalitätslagebilTabelle 12.1 Schußwaflengebrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis 1987 - Alle registrierten Fälle des Schußwaffeneinsatzes durch Tatverdächtige -

Jahr

1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

Schußwaffengebrauch insgesamt % der Index GewaltN 1971 delikte PKS = 100 N

Nur gedroht Geschossen N

N

18.969 20.805 16.353 13.510 15.494 14.054 13.381 13.370 13.306 14.995 15.949 16.967

100 110 86 71 82 74 71 70 70 79 84 89

31.6% 30.6% 23.6% 18.6% 19.3% 17.7% 16.0% 16.0% 15.1% 15.1% 14.9% 15.7%

6.065 7.096 5.875 5.429 6.104 5.825 5.787 5.453 5.470 6.103 6.980 7.789

12.904 13.709 10.487 8.081 9.490 8.229 7.594 7.917 7.836 8.892 8.969 9.187

13.321 13.915 13.122 11.993

70 73 69 63

13.2% 13.5% 13.0% 12.0%

6.440 7.128 6.804 6.584

6.881 6.787 6.318 5.429

I

I

I

I

I

Quelle: Teils übernommen aus, teils eigene Berechnung nach Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundeskriminalamt Wiesbaden 19721988. Vermerk: Für 1983 sind Angaben nicht verfügbar.

460

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 12.2 Schußwaffengebrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis 1987 - Ausgewählte Delikte bzw. Deliktsgruppen -

Jahr

1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1984 1985 1986 1987

Mord und Totschlag

Raub, räuberische Erpressung etc.

Gef. und schwere Körperverletzung

Vergewaltigung

geschossen

geschossen

gedroht

geschossen

gedroht

644

93 92 215 173 235 195 199 187 216 248 289 339 278 328 282 233

l.633 2.039 l.623 l.468 l.727 2.019 2.249 2.109 2.112 2.356 2.859 3.748 3.097 3.663 3.428 3.248

2.309 l.809 l.694 l.744 2.434 2.109 l.987 2.032 2.180 2.559 2.639 2.626 l.914 l.867 1.649 1.536

183 248 256 228 212 211 175 202 160 145 203 193 153 156 117 122

731 528 488 565 467 381 364 371 355 382 416 296 333 275 272

Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundeskriminalamt Wiesbaden 1972-1988.

der versucht die Polizei, einige der Schwächen zu kompensieren (vgl. Koch 1988 und PFA 1988). In der Wissenschaft dienen die oben erwähnten Opferbefragungen als Vergleichsmaßstab mit dem Ziel, einen Teil der Schwächen zu kompensieren. Bei der Gewaltkriminalität wird die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik teilweise dadurch zusätzlich geschmälert, daß die Polizei zu Beginn der Ennittlungen den Sachverhalt vordringlich aus der Perspektive des Opfers oder diesem nahestehenden Personen präsentiert bekommt. Der Vorgang wird unter der Tatbezeichnung bearbeitet, die sich aus der ersten, noch stark von Emotionen und Ängsten geprägten Darstellung durch die Opferseite ergibt. Außerdem dürften die Fälle nicht selten sein, in denen der Beschuldigte bei der Polizei die Aussage verweigert und erst gegenüber der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht im Beisein seines Anwalts Entlastendes vorbringt. Dadurch wird es der Polizei objektiv erschwert, eine ausgewogene und neutrale Beurteilung des Tatgeschehens zu entwickeln.

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

461

Gegen eine solche Interpretation kann man freilich beispielsweise das Argument ins Feld führen, daß seit der erwähnten Umstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik auf eine sogenannte "Ausgangsstatistik" die Einstufung der Tat für Statistikzwecke erst zum Zeitpunkt der Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft erfolgt. In allen solchen Fällen, in denen die polizeilichen Ermittlungen länger gedauert haben, deren Anteil am Gesamtdeputat hier aber nicht präzise bestimmt werden kann, wären dann die emotionalen Komponenten in ihrem bestimmenden Einfluß potentiell zurückgegangen. Für diese Interpretation sprechen demgegenüber die Ergebnisse einer von Pfeiffer durchgeführten Analyse, mit der in bezug auf die Gewaltkriminalität und ihre größeren Deliktsgruppen die Reduktion des ursprünglichen Tatvorwurfs auf dem Weg von der Einstufung durch die Polizei bis zur Einstufung durch die Strajjustiz dargestellt wird (vgl. Tabelle 13). Es zeigen sich dabei deutliche "Ausfallquoten" . Bei den 14 bis 21jährigen stehen 25 619 wegen Gewaltkriminalität Tatverdächtigen nur 8200 oder 32% wegen dieser Delikte Verurteilte gegenüber. Von den erwachsenen Tatverdächtigen mußte im Jahr 1986 nur etwa jeder Fünfte (21,3 %) mit einer Verurteilung wegen einer Gewaltstraftat rechnen. Quantitativ besonders gravierend fallen die Umdefinitionen, hinter denen sich unter anderem von der Strafjustiz ausgeübte materielle Reduktionen des Tatvorwurfs verbergen, bei den Tötungsdelikten aus. Offenbar stufen Staatsanwaltschaften und Gerichte vor allem Sachverhalte, die von der Polizei noch als versuchte Tötung definiert worden waren, im Zuge des Strafverfahrens nur noch als Körperverletzungsdelikte ein (vgl. schon Sessar 1981 und Kreuzer 1982). Entsprechende Vorgänge kann man bei der noch einmal stärkeren Ausfilterung in Fällen von ursprünglich gefährlicher und schwerer Körperverletzung vermuten. Nur zu den Raubdelikten ergibt sich mit 44,9% bei den Jugendlichen und Heranwachsenden und 33,0% bei den Erwachsenen ein deutlich höheres einschlägiges Verurteilungsrisiko. Insofern haben die Untersuchungen von Förster (1986) und Dölling (1989) gezeigt, daß der dennoch deutliche "Täterschwund" neben Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft schon den Tatverdacht als nicht bestätigt ansieht, auf solchen Fällen beruht, bei denen die strafrechtliche Subsumption des Geschehens weniger gravierend ausgefallen ist. Die im Vergleich zur Polizei aus größerer Distanz operierende Strajjustiz, die zudem bei der Beweiswürdigung dem Grundsatz "in dubio pro reo" verpflichtet ist, sieht sich anscheinend nach der Beweislage häufig dazu veranlaßt, das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen oder gelangt zu einer weniger gravierenden Beurteilung des Sachverhalts. Die Staatsanwaltschaftliche Erledigungsstatistik läßt leider nicht erkennen, zu welchem Anteil der wegen Gewaltkriminalität eingeleiteten Verfahren die verschiedenen Alternativen der Erledigung ohne Anklage zum Zuge kommen. Die von Kriminologen vermuteten und generell wirksamen bürokratischen Erledigungsroutinen, die auch eventuell für Gewaltdelikte gelten könnten, bleiben verborgen. Insbesondere bleibt offen, zu welchem Prozentsatz die von

59

60

462

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 13 Die Reduktion der polizeilichen Tateinstufung durch die Straijustiz im Vergleich von 14- bis 2Jjährigen sowie über 2Jjährlgen im Jahr 1986

Delikt bzw. Deliktsgruppe Altergruppe und Bezeichnung

I. 14-21jährige Tatverdächtige N Abgeurteilte N Verurteilte N

Gewaltdelikte (Defin. PKS)

Tötungsdelikte

Vergewaltigung

Raubdelikte

Gef. und schwere Körperverletzung

25.619 11.625 8.200

409 125 120

845 327 276

6.544 3.461 2.942

18.634 7.679 4.828

63.125 20.007 13.461

2.315 740 582

3.168 1.110 864

10.480 4.458 3.462

48.335 13.516 8.398

III. Abgeurteilte zu Tatverdächtigen bei 14-21jährigen über 21jährigen

45.4% 31.7%

30.6% 32.0%

38.7% 35.0%

52.9% 42.5%

41.2% 27.9%

IV. Verurteilte zu Tatverdächtigen bei 14-21jährigen über 21jährigen

32.0% 21.3%

29.3% 25.1%

32.7% 27.3%

44.9% 33.0%

25.9% 17.4%

V. Verurteilte zu Abgeurteilten bei 14-21jährigen über 21jährigen

70.5% 67.3%

96.0% 78.6%

84.4% 77.8%

85.0% 77.7%

62.9% 62.1%

11. Über 21jährige Tatverdächtige N Abgeurteilte N Verurteilte N

Quelle: Sonderauswertung eh. Pfeiffer, KFN Hannover.

der Polizei vorgenommene strafrechtliche Subsumption unter den Tatbestand eines Gewaltdelikts zwar von der Staatsanwaltschaft bestätigt, der Fall dann jedoch trotzdem nicht etwa aus Beweisgründen, sondern im Subsidiaritäts- oder Opportunitätsbereich nach § 45 Abs. 2 JGG bzw. § 153a StPO eingestellt wird (Beispiel: die als Raubdelikt registrierte gewaltsame Wegnahme der Fanmütze eines Fußballanhängers im Wert von 10,- DM). Entsprechende alternative Erledigungen auf der nächsten Stufe, d. h. durch die Jugendgerichte und die allgemeinen Strafgerichte, lassen sich ebenfalls bisher nicht präzise erfassen, weil bei der Einstellung des Verfahrens nach Eröffnung des Hauptverfahrens in der Strafverfolgungsstatistik die einzelnen Gründe nicht erfaßt werden. Aus der

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

463

Tabelle 14

Bedeutung von Einstellungen und Freisprüchen im Vergleich m Verurteilungen durch die Strafgerichte in der Bundesrepublik Deutschland - vier ausgewählte Jahrgänge Auf je 100 Verurteilungen kamen (gerundet) Freisprüche und Einstellungen

Straftat

Einstellungen allein

1960

1970

1980

1986

1960

1970

1980

1986

Diebstahl §242 Betrug §263 Unterschlagung §246 Falsche Verdächtigung§ 164 Verletzung der Unterhaltspflicht § 170 b Fahrlässige Tötung (§ 222 (ohne Verkehr)

15 25 19 58

32 23 58

11

17 51 44 85

17 44 48 82

6 9 8 22

6 17 12 29

12 37 30 58

13 34 34 62

19

28

49

85

12

24

45

77

77

98

158

129

24

97

46

Nötigung §240 Beleidigung § 185 Widerstand § 113 Körperverletzung §223 Gefährliche KV §223 a Erpressung §253 Sachbeschädigung § 303 Gemeinschädl. SB §§ 304/305 Landfriedensbruch § 125

29 40

47 43 18 25 37 81 17

96 40 41 46 66 94 41

90 37 35 44 64 105 39

15 29 6 11

27 35 14 18 21 43 11

74 34 36 38 50 61 29

75 33 32 38 51 80 30

11

16 (1282)

36 69

36 50

5 0

11 (1136)

27 46

36 27

116

235

470

265

37

77

190

165

Jahr

Körperverletzung im Amt §340

11

21 29 38 13 0

11

10 6

Quelle: Eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik.

Praxis wird von der allgemein steigenden Bereitschaft der Gerichte berichtet, Vereinbarungen nach § 153a Abs. 2 StPO zu akzeptieren oder sogar anzuregen. Vor diesem Hintergrund ist der Befund aufschlußreich, daß gerade auch bei Gewaltdelikten die Einstellungen im Vergleich zu den Verurteilungen deutlich zunehmen. Der Trend scheint äußerlich betrachtet selbst die Delikte zu ergreifen, die mit Demonstrationsgewalt verbunden sind (vgl. Tabellen 14-16). In der Sache allerdings steht zu vermuten, daß es bevorzugt dort Beweisschwierigkeiten sind, die dann eher zu Freisprüchen als zu Einstellungen führen (s. anschauliche Beispiele in der Anhörung des BMI 1987a).

464

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 15 Die wachsende Rolle der Einstellung des Verfahrens nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Strafgerichte in der Bundesrepublik Deutschland - vier ausgewählte Jahrgänge, Verfahren nach allgemeinem Strafrecht -

Straftat(en) nach dem StGB

1986 N

1960

1970

1980

1986

4.298 3.404 4.309 3.789 2.177 3.025 6.217 8.457 5.220 4.984 6.376 7.470

5.1 11.4 5.6

12.2 18.4 9.6

25.4 37.8 20.2

23.5 39.4 21.5

1960 N Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 Nötigung § 240 Sachbeschädigung § 303 Gemeinschädliche Sachbeschädigung §§304/305 Landfriedensbruch § 125 Schwerer Landfriedensbruch § 125 a Terroristische Vereinigung § 129 a

Einstellungen d. Verfahrens in % der Abgeurteilten

Abgeurteilte / Jahr 1970 N

1980 N

%

%

%

%

1.342 1.015 1.114 / 152 66

890 105

4.8 /

9.8 82.2

19.6 27.3

24.4 18.1

/

3

22

66

/

0.0

22.7

45.5

/

/

16

5

/

/

0.0

0.0

Quelle: Eigene Berechnungen nach der Strafverfolgungsstatistik.

61

Die Betrachtung der Längsschnittentwicklung der Gewaltkriminalität nach der PKS und der Strafverfolgungsstatistik läßt erkennen, daß der oben beschriebene Ausjilterungsprozeß seit 1971 erheblich zugenommen hat (vgl. Tabelle 17 und Schaubild 3). Der für den Zeitraum zwischen 1971 und 1982 registrierte Anstieg der Gewaltkriminalität könnte mithin auch auf eine verstärkte Erfassung von solchen Straftaten zurückzuführen sein, die von den Strafgerichten später als weit weniger gravierend eingestuft worden sind als zuvor von der Polizei. Nimmt man die Verurteiltenziffern als Maßstab, dann ist die Gewaltkriminalität zwischen 1971 und 1977 um 32,2% angestiegen. Danach läßt sich bis 1982 ein weiterer Zuwachs um 19,5% verzeichnen, der jedoch bis 1986 wieder vollständig durch einen entsprechenden Rückgang der Verurteiltenziffern ausgeglichen wird. Dieser Vorgang, den man als Entdramatisierung der Gewaltkriminalität durch die Strafjustiz bezeichnen kann, war bei den Erwachsenen noch deutlicher ausgeprägt als bei den 14- bis 21jährigen (vgl. im Detail Pfeiffer 1989, 18ff.; zu der Praxis der Umdefinition vgl. Förster 1986 und Dölling 1989, 205ff. zu Raub und 227 ff. zu Vergewaltigung). Inwieweit auch angewachsene Kapazitätsnöte der Justiz eine bedeutsame Rolle spielen, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. In persönlichen Befragungen jedenfalls erklärten Staatsanwälte und Richter immer wieder, daß sie sich in erheblicheren Fällen durch entsprechende Zwänge nicht beeinflussen ließen.

465

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 16 Die wachsende Rolle der Einstellung des Verfahrens (einschlieB6ch des Absehens von der Strafverfolgung nach §§ 45, 47 JGG) nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Jugendgerichte (allg. Strafgerichte) in der Bundesrepublik Deutschland - vier ausgewählte Jahrgänge, Verfahren nach Jugendstrafrecht -

Straftat(en) nach dem StGB

1960 N Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 Nötigung § 240 Sachbeschädigung § 303 Gemeinschädliche Sachbeschädigung §§304/305 Landfriedensbruch § 125 Schwerer Landfriedensbruch § 125 a Terroristische Vereinigung § 129 a

Einstellung und Absehenb) als Anteil der Sankt. / Jahr

"Sanktionierte"a) / Jahr 1970 N

1980 N

1986 N

1960

1970

1980

1986

255 363 567 558 356 522 1.153 1.340 2.615 3.346 4.889 4.326

8.6 14.6 38.8

15.7 24.5 40.9

30.3 40.2 54.7

37.1 39.0 57.4

1.203 1.711 2.455 1.796 / 144 57 53

18.6 /

32.6 43.8

50.9 35.1

54.7 30.2

/

/

48

/

/

6

42 0

%

%

%

%

/

/

6.7

7.1

/

/

0.0

0.0

Quelle: Eigene Berechnungen nach der Strafverfolgungsstatistik.

a) "Sanktionierte" = Abgeurteilte sowie Fälle, in denen der Richter nach § 45 I JGG entschieden hat. b) Entscheidungen nach §§ 45, 47 JGG und ggf. §§ 153 ff. StPO.

Fragt man sich, inwieweit jüngere Menschen trotz der Tendenz der Staatsan- 62 waltschaften und Gerichte, Zurückhaltung walten zu lassen, amtliche Auffälligkeit sozusagen kumulieren, dann können Kohortenstudien relativ am besten Aufschluß geben. Im Bremer Generalpräventionsprojekt von Schumann und Mitarbeitern gelang es insoweit, für rund 9200 Jugendliche des Geburtenjahrgangs 1964 (aus dem Land Bremen) die Eintragungen im BZR bis Ende 1983, also im Zeitraum bis zum Erreichen des 19. Lebensjahres, zu erfassen. Es fanden sich 1646 Jugendliche im Register (rund 18%) mit 2705 Entscheidungen und 3259 Deliktsnennungen; 81 % der Registrierten waren männlichen und 18% weiblichen Geschlechts. Die Deliktsnennungen zu Raub, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, sexueller Nötigung (Vergewaltigung) und Erpressung beliefen sich auf 7% aller Nennungen. Bei Einbeziehung von (gemeinschädlicher) Sachbeschädigung, Widerstand und Nötigung stieg der Anteil der "Gewaltkriminalität auf 13,4% aller registrierten Jungtäter (vgl. Gerken/ Berlitz 1988,11-39, bes. 19 und 37). Im übrigen waren die Ergebnisse im wesentlichen konsistent mit Ergebnissen zur erfragten Delinquenzbelastung. 30 Gewaltkommission Bd. II

466

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Schaubild 3 Entwicklun der Gewaltkriminalität nach der Definition PKS von 9 1 s 19 ,ausgewah te a rgange: rate e u ge rte Fälle, Abgeurteilte, Verurteilte - Jeweils pro lOD 600 der Wohnbevöl erung

Rate 200

180

HZ

erfaSte Fiill e

160

, ,,

140 120

100

HZ .... -aufgeklärte __ - - Fälle , ",-

. , , '"

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""

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80

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- ......... - ........

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60 40

... .... _- ---

-.

... -.-.-. . VUZ _Jr- + . . -.-+- .-.. AbgZ

.

+-

........ + --

.--+-- •

-. -- "'-- ..

20

O+-----.------,-------r------,------r------r-----,-----, 1971 73 75 77 79 81 82 84 86 Jahrgang Quelle: 8erechnung nach PKS und Strafverfolgungsstatistik, jeweiliger Jahrgang

467

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 17 Gewaltkriminalitit (Definition PKS) im Verlauf der Jahre 1971 bis 1986 in der Bundesrepublik Deutschland

Registrierte Fälle HZ N 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1982 1984 1986

59.947 69.408 80.699 83.545 87.889 106.762 108.024 100.736 101.307

126 142 162 168 174 206 207 192 192

Aufgeklärte Fälle N HZ

Abgeurteilte N

AbgZ

N

VUZ

46.459 53.086 62.009 53.833 67.131 80.312 80.312 74.910 74.554

19.325 22.382 23.612 28.878 30.064 36.974 36.974 34.998 31.632

40 46 47 58 59 71 71 67 60

14.662 16.663 17.610 20.331 20.680 23.217 25.542 24.394 21.661

31 34 35 41 41 45 49 46 41

97 109 125 128 133 154 154 143 142

Verurteilte

HZ = Häufigkeitszahl (= Fälle pro 100.000 der Wohnbevölkerung). AbgZ = Abgeurteiltenzahl (= Abgeurteilte pro 100.000 der Wohnbevölkerung). VUZ = Verurteiltenzahl (= Verurteilte pro 100.000 der Wohnbevölkerung). Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnungen nach Polizeiliche Kriminalstatistik rur die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom BKA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang, sowie Strafverfolgungsstatistik (Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

3. Gewaltkriminalität durch Ausländer und Deutsche Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 1987 waren 22,1 % aller 63 registrierten Gewalttäter Nichtdeutsche. Gemessen an dem Bevölkerungsanteil von 7,6% erscheinen damit die ausländischen Tatverdächtigen erheblich überrepräsentiert. Eine vergleichende Längsschnittanalyse zu den wichtigsten Tatbestandsgruppen der Gewaltkriminalität zeigt überdies, daß die Tatverdächtigenziffern der Ausländer ganz überwiegend seit 1984 angestiegen sind, während die der Deutschen durchweg leicht abgenommen haben (vgl. Pfeiffer 1989, 25ff.). Lediglich zur Vergewaltigung ergibt sich auch bei den Ausländern bereits seit 1978 ein starker Rückgang der Tatverdächtigenziffern auf weniger als die Hälfte der Ausgangsbelastung. Besonders belastet erscheinen die jüngeren Altersgruppen der Ausländer. Bei der Interpretation dieser Daten sind verschiedene Faktoren zu berücksich- 64 tigen, die das Gesamtbild zu Lasten der Ausländer verzerren (vgl. auch Traulsen 1989, 191 ff.). Im Jahr 1984 selber können differentielle Auswirkungen der Umstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (1983) auf die sogenannte Echttäterzählung eingetreten sein. Im übrigen können generell bei der zur Berechnung der Tatverdächtigenziffer herangezogenen Bevölkerungszahl der 30'

468

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Ausländer Touristen, Durchreisende, Stationierungsstreitkräfte und Personen, die sich illegal im Bundesgebiet aufhalten, nicht erfaßt werden. Auf diese Gruppe von Ausländern sind im Jahr 1987 allein 9,4% der wegen Gewaltkriminalität registrierten ausländischen Tatverdächtigen entfallen. Ferner ist zu beachten, worauf zu Recht bereits die Kommentierung der PKS hinweist (PKS 1987,59), daß die nichtdeutsche Wohnbevölkerung in ihrer Zusammensetzung durch ihre andere Sozialstruktur von der deutschen Wohnbevölkerung abweicht. Hierfür seien zwei Beispiele genannt. Ausländische Arbeitnehmer sind in besonderem Maß vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen. Ihre Arbeitslosenquote ist zwischen 1980 und 1985 von 5% auf 13,9% angestiegen. Die Gesamtarbeitslosenquote der Bundesrepublik hatte in diesem Zeitraum von 3,8% auf9,3% zugenommen. Zwischen 1985 und 1988 ist bei den Ausländern ein weiterer Anstieg auf 14,7% zu verzeichnen, während die Arbeitslosenquote für die Bundesrepublik insgesamt. auf 8,7% zurückging (Bundesanstalt für Arbeit 1981, 1986 und 1989). Ferner dürfte der starke Zuwachs an Asylsuchenden den Anteil der sozial randständigen Ausländer beträchtlich erhöht haben. Asylbewerber erhalten für die Zeitdauer ihres Anerkennungsverfahrens keine Arbeitserlaubnis. Die Zahl der in der Bundesrepublik einreisenden Asylbewerberwarvon 35000 im Jahr 1984 und 74000 im Jahr 1985 auf 99 000 im Jahr 1986 angestiegen. 1987 waren es nur 57379, 1988 jedoch bereits wieder 103076. Ihr Anteil an allen wegen Gewaltdelikten registrierten ausländischen Tatverdächtigen wird in der PKS erst seit 1984 registriert. Er hat seitdem von 7% auf 14,9% im Jahr 1987 zugenommen. 65

Ein weiterer Faktor, der das Bild zu Lasten der Ausländer verzerrt, ist die im Vergleich zu Deutschen andere Geschlechts- und Altersstruktur der ausländischen Wohnbevölkerung. Die aufgeklärten Fälle der Gewaltkriminalität sind im Jahr 1987 nach den Angaben der PKS zu 72,3% von Männern im Alter von 14 bis 40 Jahren begangen worden. Deren Bevölkerungsanteil an der deutschen Wohnbevölkerung betrug im Jahr 1987 19,6%, bei den Ausländern lag ihr Anteil dagegen bei 27,5%.

66

Schließlich ist zu beachten, daß die Ausländer in der Bundesrepublik überwiegend in großstädtischen Ballungszentren leben, in denen auch die deutsche Bevölkerung eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wesentlich höhere Kriminalitätsbelastung aufweist. Dieser Verzerrungsfaktor hat in der Zeit seit 1980 noch deutlich zugenommen. Die ausländische Wohnbevölkerung ist in Großstädten mit mehr als 500000 Einwohnern zwischen 1980 und 1986 um 9,7% angestiegen. Insgesamt hat sie in dieser Zeit dagegen nur um 5,7% zugenommen (Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2, 1980 und 1986).

67

Die höhere Kriminalitätsbelastung der Ausländer wird schließlich auch mit einer, allerdings nur partiell nachgewiesenen, gesteigerten Anzeigebereitschajt der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern erklärt (vgl. für die Schweiz zu solchen Annahmen kritisch Killias 1988, 156ff.). Man schließt in der kriminologischen Diskussion ferner nicht generell aus, daß im weiteren Verlauf

469

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

die Polizei dann gelegentlich dazu tendieren könnte, bei angezeigten Ausländern ihren Definitions- und Handlungsspielraum in einer Weise wahrzunehmen, die deren Kriminalisierungsrisiko erhöht (besonders Mansell1988, 349fT.; vgl. auch Hamburger u.a. 1981, 147 und Villmow 1988; zur Polizeisicht vgl. Kusber 1989, 52f[). Für diese Annahme könnte auch eine im KFN Hannover durchgeführte Datenanalyse zum Verurteilungsrisiko von Deutschen und Ausländern sprechen. Sie betrifft die Umdefinitionen im Verlauf des Strafverfolgungsgangs bei der Gewaltkriminalität insgesamt sowie bei den Hauptdeliktsgruppen von Deutschen im Vergleich zu Ausländern. Die Studie erfaßt HäufigkeitszifTern der Tatverdächtigen, der Abgeurteilten und Verurteilten des Jahres 1986, außerdem Prozentquoten bezogen auf die TVZ für den Bereich der Bundesrepublik ohne Bremen. Anders als oben in Tabelle 13 werden hier HäufigkeitszifTern und nicht absolute Zahlen verwendet, weil bei den Verurteilten und Abgeurteilten nur

Tabelle 18.1 Deutsche und Ausländer im Vergleich, Jugendliche und Heranwachsende (14-21) sowie Erwachsene (über 21), Bundesrepublik Deutschland (ohne Bremen) 1986 - Tatverdächtige, Abgeurteilte, Verurteilte -

Delikt bzw. Deliktsgruppe Bezeichnung

I. Deutsche J. + Hw. TVZ AbgZ VUZ II. Ausländische J. TVZ AbgZ VUZ

Gewaltdelikte insgesamt

Tötungsdelikte

Vergewaltigung

Raubdelikte

Gef. und schwere Körperverletzung

331 160 114

5.46 2.30 2.10

9.9 4.3 3.6

79.0 45.1 39.0

246 109 70

998 351 241

17.60 6.20 5.30

44.0 12.5 11.1

310.0 132.0 109.0

661 201 115

4.18 1.30 1.04

5.3 2.1 1.6

19.5 9.0 7.0

89.1 26.5 16.8

17.30 5.40 4.40

19.5 7.7 5.6

70.0 20.7 16.3

337.0 74.0 43.2

+ Hw.

IlI. Deutsche Erwachsene TVZ AbgZ VUZ

116 39.0 26.6

IV. Ausländ. Erwachene TVZ AbgZ VUZ

449 109 70

TVZ, AbgZ, VUZ = Tatverdächtige, Abgeurteilte, Verurteilte je 100.000 der gleichaltrigen Wohnbevölkerung. Quelle: Eigene Berechnung ehr. Pfeiffer, KFN Hannover. Hier umgestellt.

470

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 18.2 Verdeutlichung der unterschiedlich ausgeprägten Reduzierung des polizeilichen Tatvonnufs durch die StraQustiz bei Deutschen und Ausländern (Bezug = Tabelle 18.1)

Bezeichnung

Gewaltdelikte insgesamt

I. Jugendliche und Heranwachsende AbgZ als % der TVZ: D 48.4 A 35.2

Delikt bzw. Deliktsgruppe TötungsVerRaubgewaldelikte delikte tigung

Gef. und schwere Körperverletzung

42.1 35.3

43.4 28.4

57.0 42.6

44.3 30.4

VUZ als % der TVZ: D A

34.5 24.2

38.5 30.2

36.4 25.3

49.4 35.3

28.5 17.4

TVZ-A zu TVZ-D AbgZ-A zu AbgZ-D VUZ-A zu VUZ-D

3.0 2.2 2.1

3.2 2.7 2.5

4.4 2.9 3.1

3.9 2.9 2.2

2.7 1.8 1.6

11. Erwachsene AbgZ als % der TVZ: D A

33.7 24.3

31.1 31.3

39.6 39.5

46.2 29.6

29.2 22.0

VUZ als % der TVZ: D A

23.0 15.6

24.9 25.5

30.2 28.8

35.9 23.3

18.9 12.9

TVZ-A zu TVZ-D AbgZ-A zu AbgZ-D VUZ-A zu VUZ-D

3.8 2.8 2.6

4.1 4.2 4.2

3.7 3.7 3.5

3.6 2.3 2.3

3.8 2.8 2.6

Daten zur Bundesrepublik ohne das Bundesland Bremen zur Verfügung standen. Bei den Ausländern ist jeweils angegeben, um welchen Quotienten ihre Häufigkeitsziffer den Vergleichswert der Deutschen übersteigt. 68

Den Tabellen 18.1 und 18.2 läßt sich entnehmen, daß insbesondere die Staatsanwaltschaft und dann auch die Strafjustiz bei ausländischen Tatverdächtigen weit häufiger als bei Deutschen Anlaß hat, das Verfahren einzustellen oder einen von der Polizei als Gewaltdelikt eingestuften Sachverhalt zu einer Straftat geringerer Schwere umzudefinieren. Anklagerisiko und Verurteilungsrisiko der Ausländer liegen fast durchweg niedriger als das der Deutschen. Die Höherbelastung der Ausländer reduziert sich dadurch beispielsweise bei den 14- bis 21jährigen vom dreifachen Wert der Tatverdächtigenziffer auf den zweieinhalb-

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

471

fachen bei der Verurteiltenziffer. Anders ausgedrückt: Bei 14- bis 21jährigen Deutschen entfällt auf 2,9 Tatverdächtige eine Verurteilung, bei gleichaltrigen Ausländern ist das Verhältnis 4: 1. Besonders bemerkenswert fallen die Unterschiede bei der gefährlichen/schweren Körperverletzung aus. Bei 14- bis 21jährigen Deutschen beträgt das Verhältnis von Tatverdächtigen zu Verurteilten 3,5 zu 1, bei den Ausländern dagegen 5,7 zu 1. Der Vergleich der Erwachsenen bietet ein entsprechendes Bild. Der 3,9fachen Tatverdächtigenziffer der Ausländer steht bei den Gewaltdelikten generell nur noch eine 2,6fache Verurteiltenziffer gegenüber. Im Spezialfall der für Definitionsprozesse besonders "anfälligen" leichten Körperverletzung sei die Gruppe der 21- bis 30jährigen Erwachsenen herausgegriffen: Einer 3,3fach stärkeren Tatverdächtigenziffer der Ausländer steht eine Verurteiltenziffer gegenüber, die nur noch das 1,Hache der Deutschen beträgt. Starke Differenzen zeigen sich dann generell auch bei der Vergewaltigung sowie den Raubdelikten. Während von den deutschen wegen Raubes tatverdächtigen Erwachsenen fast jeder zweite damit rechnen muß, angeklagt zu werden, waren es von den Ausländern nur knapp 30%. Lediglich bei den Tatverdächtigen der Tötungsdelikte bleiben die Relationen Deutsche zu Ausländer im Verlauf der Strafverfahren nahezu unverändert. Die Daten sind nicht mehr als, aber immerhin doch ein Indiz dafür, daß 69 Wahrnehmungs- und Handlungsmuster bei Polizei und Anzeigeerstattern einander ergänzend dazu führen könnten, daß im Ergebnis bei ausländischen erheblich stärker als bei deutschen Tatverdächtigen Sachverhalte dramatisiert und in der strafrechtlichen Einstufung als Gewaltkriminalität überbewertet werden. Eine gewichtige Rolle dürften freilich bei der Polizei generell schon Kommunikationsprobleme spielen, die gerade bei ausländischen Beschuldigten die Ermittlungsarbeit überhaupt, die präzise Tatbestandserfassung im besonderen und damit die Beweisführung vergleichsweise überproportional erschweren. Keine Bedeutung kommt anscheinend dagegen der bei ausländischen Gewalttätern häufig angeordneten Ausweisung zu. Nach Auskunft der Landesjustizverwaltungen erfolgen Ausweisung und Abschiebung schon aus generalpräventiven Gründen in solchen Fällen fast durchweg erst nach der Verurteilung bzw. nach einer Teilverbüßung der Strafe, sofern es sich nicht um leichte Delikte handelt. 4. Die Strafverfolgung gegenüber Gewaltkriminalität I Sanktionspraxis In einer 1988 vorgelegten Expertise zum 8. Jugendbericht hat Pfeiffer 70 dargestellt, daß die jugendstrafrechtliehe Praxis seit 1982 die Anwendung freiheitsentziehender Sanktionen stark reduziert hat. Wenn man die Anordnung von Untersuchungshaft ohne nachfolgenden Freiheitsentzug zu den Verurteilungen zu Jugendarrest und Jugendstrafe addiert, wurde 1982 in ca. 45000 Fällen auf Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender mit Freiheitsentzug

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

472

Tabelle 19 Die Entwicklung der gerichtlichen Sanktionspraxis gegenüber Gewalttätern in drei ausgewählten Jahrgängen bei Jugendlichen·und Heranwachsenden im Vergleich zu Erwachsenen

Bezeichnung

Jahr

Differenz

Jug. + Hw.

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr/FrStr. - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N N

11.152 8.447 2.217 3.804 2.102 1.694

14.767 10.836 2.889 4.838 2.589 2.249

11.625 8.200 2.212 3.422 2.002 1.420

-

11. Jug. + Hw. Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr./Fr. Str. - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ HZ

1977 169.20 128.16 33.63 57.72 31.89 25.70

1982 200.04 146.79 39.14 65.54 35.07 30.47

1986 175.49 123.79 33.39 51.66 30.22 21.44

1982/86 % - 12.3 - 15.7 - 14.7 - 21.2 - 13.8 - 29.6

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N

17.726 11.864 6.339 2.701 3.635

21.387 14.617 8.702 3.692 5.011

20.007 13.461 7.786 3.682 4.104

IV. Erwachsene Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ

1977 41.04 27.47 14.68 6.25 8.42

1982 47.23 32.28 19.22 8.15 11.07

1986 43.35 29.24 16.91 8.00 8.91

I.

III. Erwachsene

Rate (HZ)

21.3 24.3 23.4 29.3 22.7 36.9

- 6.5 - 7.9 - 10.5 - 0.3 - 18.1

1982/86 % - 8.0 - 9.4 - 12.0 - 1.8 - 19.5

= jeweils pro 100.000 der altersgieichen Wohnbevölkerung.

Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik (Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

reagiert. 1986 geschah dies nur noch gegenüber ca. 30500 der 14- bis 21jährigen. Diese Entwicklung kann nur zu einem Viertel auf den Geburtenrückgang zurückgeführt werden. In ca. 10700 Fällen haben die Jugendstaatsanwälte und Jugendrichter im Jahr 1986 auf Freiheitsentzug verzichtet, in denen sie noch fünf Jahre zuvor mit Untersuchungshaft, Jugendarrest oder Jugendstrafe ohne Bewährung reagiert haben (vgl. Pfeiffer 1988b, 55ff.). 71

Von dieser Entwicklung ist auch die Strafverfolgung gegenüber Gewaltkriminalität nicht unberührt geblieben. Die Reduktion der freiheitsentziehenden

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

473

Sanktionen bei den 14- bis 21jährigen Gewalttätern ist sogar noch etwas stärker ausgeprägt als bei den insgesamt angeklagten Jugendlichen und Heranwachsenden. So wurden pro 100000 der 14- bis 21jährigen Wohnbevölkerung 1986 um 29,7% weniger Jugendliche und Heranwachsende wegen Gewaltstrafen zu Jugendstrafe/Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt als noch im Jahr 1982. Insgesamt betrachtet hat die Häufigkeitsziffer der zu Jugendstrafe/Freiheitsstrafe ohne Bewährung Verurteilten in diesem Zeitraum um 25,4% abgenommen. Der Rückgang auch der anderen freiheitsentziehenden Sanktionen beruht offenbar teilweise darauf, daß bereits die Zahl der wegen Gewaltkriminalität Angeklagten seit 1982 abgenommen hat. Die Häufigkeitsziffer der Abgeurteilten ist zwischen 1982 und 1986 um 12,3% zurückgegangen (vgl. Tabelle 19). Bei den Erwachsenen zeichnet sich eine entsprechende Entwicklung erst seit 72 1984 ab. Der stärkste Rückgang ist auch hier mit 19,5% bei den Häufigkeitsziffern der zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilten Gewalttäter zu verzeichnen. Die Zahl der Abgeurteilten ist bei den Erwachsenen ebenfalls seit 1984 zurückgegangen - in absoluten Zahlen um 6,5% und bei den Häufigkeitsziffern um 8,0%. Sowohl bei 14- bis 21jährigen wie bei den Erwachsenen haben die gegenüber Gewalttätern verhängten J ugend- / Freiheitsstrafen unter 2 Jahren in den beiden Vergleichszeiträumen besonders stark abgenommen (-41,9% bzw.-25,2%). Aber auch bei den Freiheitsstrafen zwischen 5 und 10 Jahren ist ein überraschend starker Rückgang zu verzeichnen (-27,7% bzw. -16,5%). Im Vergleich der 4 Hauptdeliktsgruppen der Gewaltkriminalität fällt auf, daß 73 der Rückgang der Verurteilung zu Jugendstrafe/Freiheitsstrafe ohne Bewährung relativ gleichmäßig erfolgt ist. Die Häufigkeitsziffern haben am stärksten bei der gefährlichen/schweren Körperverletzung abgenommen (- 35,2%), die geringste Reduktion ist in dem Fünfjahreszeitraum bei der Vergewaltigung zu verzeichnen (- 23,7%). Die Daten der Erwachsenen zeigen bei einer insgesamt geringeren Abnahmequote ein entsprechendes Bild. Der Vergleich der Prozentwerte der Abgeurteilten, die wegen eines Gewaltdelikts zu Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe verurteilt wurden, bestätigt den Gesamteindruck: Die deutschen Jugendrichter sind in der Reaktion auf Gewaltkriminalität seit 1982 deutlich milder geworden. Und die Strafrichter sind auf dem Wege, es ihnen gleichzutun (vgl. Tabellen 20-23). Im Jugendstrafrecht ist diese neue Entwicklung durch eine Reihe von 74

Modellversuchen miteingeleitet bzw. gefördert worden. Regionalanalysen haben

gezeigt, daß die Reduktion freiheitsentziehender Sanktionen dort früher eingesetzt hat und inzwischen noch erheblich weiter vorangeschritten ist, wo den Jugendrichtern bereits seit Ende der 70er Jahre durch verschiedene Sozialarbeitsprojekte ambulante Alternativen zu Jreiheitsentziehenden Sanktionen angeboten werden. Aus diesen Modellprojekten und der durch sie ausgelösten

474

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 20 Die Entwicklung der gerichtlichen Sanktionspruis gegenüber Gewalttätern in drei ausgewählten Jahrgilngen bei Jugendlichen und Heranwachsenden im Vergleich zu Erwachsenen bei ausgewählten Delikten - Hier: Raub, räuberische Erpressung, Autostraßenraub -

Bezeichnung

+ Hw.

Jahr

Differenz

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr/FrStr. - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N N

3.089 2.680 417 2.044 1.096 948

4.389 3.819 647 2.807 1.446 1.361

3.498 2.942 529 2.037 1.172 865

-

11. Jug. + Hw. Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr./Fr. Str. - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate

HZ HZ HZ

1977 47.00 40.66 6.33 31.01 16.63 14.38

1982 59.58 51.74 8.77 38.03 19.59 18.44

1986 52.25 44.41 7.99 30.75 17.69 13.06

1982/86 % - 12.3 - 14.2 - 8.9 - 19.1 - 9.7 - 29.2

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N

3.333 2.516 2.382 717 1.665

4.611 3.685 3.530 1.112 2.418

4.458 3.462 3.265 1.194 2.071

-

3.3 6.1 - 7.5 + 7.4 - 14.4

IV. Erwachsene Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate

1977 7.72 5.83 5.52 1.67 3.86

1982 10.18 8.14 7.80 2.46 5.34

1986 9.68 7.52 7.09 2.59 4.50

1982/86 % - 4.9 - 7.6 - 9.1 - 5.3 - 15.7

I.

Jug.

111. Erwachsene

HZ HZ HZ

HZ HZ HZ HZ HZ

21.3 12.3 18.2 27.4 19.0 36.6

Rate (HZ) = jeweils pro 100.000 der altersgleichen Wohnbevölkerung. Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik (Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

Diskussion um eine innere Reform des Jugendstrafrechts hat sich eine bundesweite, sogenannte "ambulante Bewegung" mit einer Fülle von Nachfolgeprojekten entwickelt (s. Bundesarbeitsgemeinschaft 1986). Die Praxis selber hat sich im Wege einer "Kriminalpolitik von unten" in vielen Regionen mit Erfolg darum bemüht, das Reaktionsspektrum des JGG differenzierter zu gestalten und den Gebrauch freiheitsentziehender Sanktionen zurückzudrängen.

475

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 21

Die Entwicklung der gerichtlichen Sanktionspraxis gegenüber Gewalttätern in drei ausgewählten Jahrglingen bei JugendUchen und Heranwachsenden im Vergleich zu Erwachsenen bei ausgewählten Delikten - Hier: Geflihrliche und schwere Körperverletzung, einschließlich Vergiftung Bezeichnung

+ Hw.

Jahr

Differenz

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr/FrStr. - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N N

7.381 5.234 1.767 1.264 834 430

9.698 5.436 2.210 1.508 959 549

7.679 4.828 1.666 983 664 319

-

11. Jug. + Hw. Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr.lFr. Str. - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ HZ

1977 111.99 79.41 26.81 19.30 12.65 6.52

1982 131.38 87.19 29.94 20.43 12.99 7.44

1986 115.92 72.88 25.15 14.84 10.02 4.82

1982/86 % - 11.8 - 16.4 - 16.0 - 27.4 - 22.9 - 35.2

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N

12.273 7.792 2.416 1.643 773

14.479 9.080 3.331 2.240 1.091

13.916 8.398 2.957 2.080 877

IV. Erwachsene Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ

1977 28.42 18.04 5.60 3.80 1.79

1982 31.97 20.05 7.36 4.95 2.41

1986 30.22 18.24 6.42 4.52 1.91

I.

Jug.

III. Erwachsene

20.8 25.8 24.6 35.0 31.0 41.9

- 3.9 - 7.5 - 11.2 - 7.1

- 19.6

1982/86 % - 5.5 - 9.0 - 12.8 - 8.7 - 20.8

Rate (HZ) = jeweils pro 100.000 der altersgleichen Wohnbevölkerung. Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik (Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

Die Staatsanwaltschaften haben seit 1982 bei Jugendlichen und Heranwachsenden und seit 1984 auch gegenüber Erwachsenen den Anteil der Verfahren beträchtlich erhöht, die sie nach § 45 Abs. 2 JGG bzw. § 153a StPO einstellen (vgl. Pfeiffer 1988 b, 40ff. und 1989, 41 ff.). Daher könnten die sogenannten Diversionsstrategien der Staatsanwaltschaft zu dem Rückgang der freiheitsentziehenden Sanktionen ebenfalls beitgetragen haben. Für einen Angeklagten, der bereits zum zweiten- oder drittenmal auffällig geworden ist und wegen eines

75

476

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 22

Die Entwicklung der gerichtlichen Sanktionspruis gegenüber Gewalttätern in drei ausgewählten Jahrgängen bei Jugendlichen und Heranwachsenden im Vergleich zu Erwachsenen bei ausgewählten Delikten - Hier: Vergewaltigung Bezeichnung

+ Hw.

Jahr

Differenz

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr/FrStr. - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N N

454 346 30 307 152 155

426 364 29 320 152 168

327 276 15 255 140 115

-

11. Jug. + Hw. Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr./Fr. Str. - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ HZ

1977 6.89 5.25 0.46 4.66 2.31 2.35

1982 5.77 4.93 0.39 4.34 2.09 2.28

1986 4.94 4.17 0.23 3.85 2.11 1.74

1982/86 % - 14.4 - 15.4 - 41.0 - 11.3 + 2.4 - 23.7

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N

1.249 844 835 264 571

1.258 984 980 265 715

1.110 864 858 320 538

- 11.8 - 12.2 - 12.5 + 20.8 - 24.8

N. Erwachsene Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ

1977 2.89 1.95 1.93 0.61 1.32

1982 2.79 2.17 2.16 0.59 1.58

1986 2.41 1.88 1.86 0.70 1.17

1982/86 % - 13.6 - 13.4 - 13.9 + 18.6 - 26.0

I.

Jug.

III. Erwachsene

Rate (HZ)

23.2 24.2 48.3 20.3 - 7.9 - 31.6

= jeweils pro 100.000 der altersgleichen Wohnbevölkerung.

Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik

(Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

zuletzt begangenen Gewaltdelikts nun erstmalig vor Gericht steht, ergibt sich eine vergleichsweise günstige Prozeßsituation. Es wäre interessant, folgender Überlegung dazu näher nachzugehen: Die Richter werten möglicherweise ein früheres Verfahren, das von der Staatsanwaltschaft nach § 45 Abs. 2 JGG oder nach § 153 a StPO eingestellt worden ist, nicht in gleicher Weise als straferhöhenden Faktor wie ein Gerichtsverfahren, das sie selber - unter Umständen sogar mit einem Urteil- abgeschlossen haben.

477

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 23

Die Entwicklung der gerichtlichen Sanktionspraxis gegenüber Gewalttätern in drei ausgewiihlten Jahrgängen bei Jugendlichen und Heranwachsenden im Vergleich m Erwachsenen bei ausgewiihlten Delikten - Hier: Tötungsdelikte Bezeichnung

Differenz

Jahr

Jug. + Hw.

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr/FrStr. - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N N

168 151 0 150 14 136

198 176 0 173 21 152

125 120 0 119 20 99

- 36.9 - 31.8 0 - 31.2 - 4.8 - 34.9

H. Jug. + Hw. Abgeurteilte Verurteilte Jugendarrest JugStr.lFr. Str. - mit Bewährung - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ HZ

1977 2.55 2.29 0 2.28 0.21 2.07

1982 2.68 2.39 0 2.34 0.29 2.06

1986 1.89 1.81 0 1.80 0.30 1.50

1982/86 % - 29.5 - 24.3 0 - 23.1 + 3.5 - 27.2

Anzahl

1977

1982

1986

1982/86 %

Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährung - ohne Bewährung

N N N N N

696 567 564 39 525

850 701 698 51 647

740 582 577 61 516

- 12.9 - 17.0 - 17.3 + 19.6 - 20.3

IV. Erwachsene Abgeurteilte Verurteilte Freiheitsstrafe - mit Bewährungs - ohne Bewährung

Rate HZ HZ HZ HZ HZ

1977 1.61 1.31 1.31 0.09 1.22

1982 1.88 1.55 1.54 0.11 1.43

1986 1.66 1.26 1.25 0.13 1.12

1982/86 % - 14.4 - 18.7 - 18.8 + 18.2 - 21.7

I.

HI. Erwachsene

Rate (HZ) = jeweils pro 100.000 der altersgleichen Wohnbevölkerung. Quelle: Teils entnommen aus, teils eigene Berechnung nach Strafverfolgungsstatistik (Rechtspflege 10/3), hrsg. vom StatBA Wiesbaden, jeweiliger Jahrgang.

Sie sehen den Angeklagten in solchen Fällen zum ersten Mal und könnten deshalb eher dazu tendieren, ihn faktisch wie einen Ersttäter zu behandeln, d. h., die verbreitete Strafverschärfung wegen Rückfall noch nicht oder zumindest nicht voll zum Tragen kommen zu lassen. Eine weitere Erklärungshypothese geht dahin, daß Jugendrichter und Straf- 76 richter heute dem Strafvollzug erheblich skeptischer gegenüberstehen als noch Anfang der 80er Jahre. Weniger als früher sind die Richter offenbar bereit, ihn

478

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

als Einrichtung zu bewerten, in dem mit Aussicht auf Erfolg eine stationäre Erziehung oder eine Behandlung der Gefangenen stattfindet (s. Pfeifler 1989, 44). Die vom Bundeszentralregister seit einigen Jahren veröffentlichten Rückfallquoten zu allen aus dem Jugendstrafvollzug bzw. dem Strafvollzug Entlassenen, die recht hoch sind und, bei Berücksichtigung aller neuen Verurteilungen, fünf Jahre nach der Entlassung jeweils bei 85% bzw. 70% liegen (vgl. Bundeszentralregister 1986, 1987 und 1988 sowie Uhlig 1987, 293 ff.), erscheinen geeignet, diese Skepsis nachhaltig zu unterstützen. 77

Der leichte Rückgang der polizeilich registrierten Gewaltkriminalität hat in dem Jahr eingesetzt, in dem der Gebrauch freiheitsentziehender Sanktionen erstmalig bundesweit abgenommen hat. Weil nur knapp die Hälfte der wegen Gewaltkriminalität registrierten Abgeurteilten frühere Verurteilungen aufweist und weil nur ein weit geringerer Prozentsatz von der oben beschriebenen Änderung der Strafverfolgungspraxis betroffen ist, kann aus der bloßen Parallelität beider Entwicklungen noch keine Aussage über einen Ursachenzusammenhang abgeleitet werden. Eine Schlußfolgerung erscheint jedoch erlaubt: Die deutliche Abnahme der freiheitsentziehenden Sanktionen, die insbesondere im Jugendstrafrecht zu beobachten ist, hat die generalpräventive Wirkung der strafrechtlichen sozialen Kontrolle offenbar nicht beeinträchtigt.

78

Die Einsicht, daß Spielraum dafür besteht, auch gegenüber Gewalttätern die Anordnung von Freiheitsentzug zu reduzieren, wird durch die von Pfeifler (1989,55 ff.) durchgeführte Regionalanalyse bestätigt. Seine auf den Zweijahreszeitraum 1985/86 bezogene Datenanalyse zur Verfahrens- und Sanktionspraxis gegenüber 14- bis 21jährigen und Erwachsenen, die in den beiden Jahren wegen Gewaltdelikten abgeurteilt wurden, zeigt, daß insbesondere zur Anordnung von Untersuchungshaft erhebliche regionale Divergenzen bestehen. Bei den 14- bis 21jährigen Abgeurteilten, die wegen gefährlicher/schwerer Körperverletzung abgeurteilt wurden und 1-4 frühere Verurteilungen aufweisen, sind beispielsweise die Landgerichtsbezirke Bochum, Frankfurt und Hannover in den beiden Jahren völlig ohne Untersuchungshaft ausgekommen. In Bremen dagegen wurde bei 10,3% und in einem bayerischen Bezirk sogar 21,6% dieser Tätergruppe Untersuchungshaft angeordnet. Bei Raubdelikten und ansonsten gleichen Tätermerkmalen reicht das Spektrum von 12,1 % Untersuchungshaft in Essen bis zu 75,5% in dem bayerischen Landgerichtsbezirk B-18. Entsprechend durchgeführte Datenanalysen zur U-Haft-Praxis gegenüber Erwachsenen zeigen nur bei der gefährlichen/schweren Körperverletzung ähnliche große Divergenzen. Die U-Haft-Quote reicht von 1,7% im Landgerichtsbezirk Braunschweig bis zu 16,1 % im Landgerichtsbezirk B-18. Wenn es sich dagegen um Delikte mit größerer Tatschwere handelt und die erwachsenen Angeklagten vorbestraft sind, ergeben sich nur noch geringe Differenzen.

79

Bei der Strafzumessungspraxis zeigt sich ein weitgehend entsprechendes Bild. Ausgeprägten regionalen Unterschieden der jugendstrafrechtlichen Sanktionspraxis stehen bei der Analyse zur Praxis des Allgemeinen Strafrechts nur dann

479

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 24

Anordnung von Untersuchungshaft und Verurteilung zu Jugend-/Freiheitsstnfen bei Jugendlichen und Heranwachsenden (14-2Jjährige) im Veqleich zu Erwachsenen (über 21 Jahre) im Jahr 1985/86. Sonderauswertung Pfeiffer - Tatvorwurf = Raubdelikte; Vorverurteilungen = keine Jugendliche und Heranwachsende

Bereich: Bund, Länder, ausgew. Landgerichtsbezirke

Abgeurteilte

Verurteilte zu Jugendo.Freiheitsstrafe

Erwachsene Abgeurteilte

% mit HZ V-Haft

insges. %

ohne Bew. %

26

15.5

21.4

11.9

4

119 82 52

5.5 22.3 20.5

27.7 45.3 34.2

12.4 15.3 5.5

Saarland Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Niedersachsen Schieswig-Hoistein Bayern

29 27 26 22 20 20 19 17

16.4 12.2 11.3 17.6 20.7 8.7 21.1 27.5

68.7 36.7 38.7 58.0 51.0 38.6 36.8 48.0

Baden-Württemberg 12 Köln Essen Bayern 18 Düsseldorf Darmstadt Hannover Dortmund Duisburg Bayern 02 Bielefeld Bayern 19 Baden-Württemberg 03 Frankfurt Kiel Bochum

67 55 41 40 36 30 30 29 25 21 21 20 19 I I I

7.6 14.4 5.1 38.2 7.3 17.4 7.2 6.8 10.3 20.7 20.7 31.7 20.8 I I I

53.0 41.5 21.2 47.1 14.6 47.7 46.6 35.6 37.2 41.4 41.4 65.9 54.5 I I I

Bundesrep. Deutschland Hamburg Berlin Bremen

% mit HZ V-Haft

Verurteilte zu Freiheitsstrafe insges. %

ohne Bew..

26.3

45.1

21.9

11

7 7

19.2 29.4 17.3

33.7 51.2 37.3

17.8 25.6 8.0

19.4 7.6 13.7 18.7 14.9 9.9 12.3 13.7

5 4 3 3 3 4 3 2

20.8 22.3 45.8 29.7 30.0 18.8 30.2 29.9

43.1 41.7 62.3 55.2 47.4 41.6 54.8 42.4

18.1 21.1 31.3 25.5 21.0 19.9 30.2 20.8

9.1 5.7 4.2 14.7 2.4 19.8 7.2 5.5 6.4 5.2 5.2 19.5 15.6 I I I

1 1 I 5 I I 7 I I I I 4 3 5 5 I

1 16.2 17.1 37.3 I I 19.8 16.0 30.4 I I 29.2 38.1 55.2 20.3 25.6

1 30.1 30.8 42.7 I I 34.5 28.7 66.1 I I 35.4 53.6 63.2 53.1 43.6

1 13.9 13.7 26.4 I I 17.2 16.0 30.4 I I 20.8 27.8 28.7 23.4 23.1

%

480

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 25

Anordnung von Untersuchungshaft und Verurteilung zu Jugend-/Freiheitsstrafen bei Jugendlichen und Heranwachsenden (14-2ljährige) im Vergleich zu Erwachsenen (über 21 Jahre) im Jahr 1985/86. Sonderauswertung Pfeift'er - Tatvorwurf = Raubdelikte ; Vorverurteilungen = 1-4 -

Bereich: Bund, Länder, ausgew. Landgerichtsbezirke

Jugendliche und Heranwachsende Verurteilte Abgeur-· zu Jugendteilte o.Freiheitsstrafe

Erwachsene Verurteilte Abgeurzu Freiheitsteilte strafe

% mit HZ V-Haft

insges.

ohne Bew.

Bundesrep. Deutschland

21

33.7

77.3

36.9

3

Berlin Harnburg Bremen

58 40 31

44.6 24.6 43.2

81.3 83.6 86.4

45.6 54.9 47.7

Schleswig-Hoistein Saarland Hessen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Niedersachsen

30 29 29 22 21 20 18 18

34.6 41.5 25.5 26.8 26.8 38.5 54.3 22.1

77.5 95.4 74.5 72.1 80.4 78.4 84.1 71.2

Wiesbaden Bayern 18 Duisburg Dortmund Hannover Kiel Bayern 02 Kassel Köln Bochum Baden-Württemberg 03 Essen Frankfurt Düsseldorf

51 40 39 39 35 32 29 26 25 25 24 20 / /

23.4 75.5 23.7 13.1 15.0 36.8 67.9 51.1 28.8 28.6 38.8 12.1 / /

87.2 88.2 69.9 71.7 66.3 77.9 84.0 78.7 72.1 87.8 85.7 53.4 / /

%

% mit HZ V-Haft

insges.

ohne Bew.

54.2

90.9

53.8

7 6 5

49.0 40.4 53.8

86.6 91.5 88.5

50.5 52.5 50.0

28.6 50.8 37.4 24.5 38.7 43.4 45.7 34.6

3 4 3 3 2 3 2 3

44.9 54.2 68.4 51.8 55.3 55.7 65.7 46.5

92.9 96.6 89.1 88.3 94.7 90.5 95.0 94.6

50.0 50.8 55.5 52.6 60.6 53.3 61.6 50.3

31.9 47.1 9.7 15.2 32.5 29.4 40.7 57.4 17.3 53.1 39.8 19.0 / /

/ 4 / / 4 / / / /

/ 75.0 46.6 / 67.7 / / / 46.9 / / / 81.3 52.1

/ 95.2 84.9 / 95.2 / / / 83.4

/ 65.5 47.9 / 54.8 / / / 45.5 / / / 43.8 53.4

%

/ / /

5 /

%

/ / /

93.8 91.8

%

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

481

ähnlich große Divergenzen gegenüber, wenn es sich um Angeklagte ohne Vorstrafen oder um Fälle der gefährlichen/ schweren Körperverletzung handelt (vgl. Tabellen 24-26). Bei der Anordnung von Untersuchungshaft wird man aus den zur Verfügung 80 stehenden Daten eine erste Schlußfolgerung dahingehend ziehen, daß Staatsanwaltschaften und Gerichte in Landgerichtsbezirke mit sehr niedrigen U-HaftQuoten ihren restriktiven Kurs korrigiert hätten, wenn sie die Erfahrung gemacht haben würden, daß sich ihre relativ günstigen Einschätzungen zum zukünftigen Verhalten der Beschuldigten in einer relevanten Anzahl von Fällen nicht bestätigen. Speziell würden gegenüber denjenigen Personen, die ihre Freiheit mißbraucht haben, nunmehr doch Haftbefehle ergehen mit der Folge, daß die globalen U-Haft-Zahlen mit Verzögerung erneut ansteigen würden. Eine derartige Trendwende zu häufigerer Anordnung von Untersuchungshaft ist jedoch aus den von Pfeiffer zu einem großen Teil der Bundesländer und Landgerichtsbezirke ergänzend durchgeführten Längsschnittanalysen nicht erkennbar (vgl. Pfeiffer 1988a; 1988b, 55ff. und 68ff.). Demnach besteht erheblicher Spielraum dafür, die Anordnung von Untersuchungshaft in einem großen Teil der Landgerichtsbezirke zu reduzieren. Dafür spricht auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das den Haftrichter verpflichtet, die Erforderlichkeit dieser einschneidenden Maßnahme besonders gründlich zu prüfen, ferner die Überlegung, daß gerade der sofortige Vollzug der U-Haft die soziale Existenz von Betroffenen in besonderer Weise gefährdet und damit das Risiko erneuter Straträlligkeit, statt es zu verringern, in nicht wenigen Fällen erhöhen könnte. Zur Frage der richtigen Strafzumessungspraxis erscheinen die Daten der Regionalanalyse dagegen weniger aussagekräftig (vgl. Pfeiffer 1988 b, 73ff.). Die Praxis offeriert der empirischen Forschung durch die stark voneinander 81 abweichenden Sanktionsmuster der verschiedenen Regionen natürliche Experimente der Strafverfolgung. Dadurch sind günstige Voraussetzungen dafür gegeben, im Rahmen einer breit angelegten Wirkungsanalyse durch Untersuchungen zu überprüfen, in welcher Weise die Entstehung von Gewaltdelinquenz von der Strafjustiz beeinflußt wird. Die Tatsache, daß knapp die Hälfte der angeklagten Gewalttäter bereits vorbestraft ist, stützt die Annahme, daß aus derartigen Forschungen Erkenntnisse zur Prävention von Gewaltkriminalität gewonnen werden können. Bisher sind zu dieser Frage zwar keine spezifischen Untersuchungen durchgeführt worden. Insbesondere zur Praxis des Jugendstrafrechts liegen jedoch eine Reihe von Forschungen vor, deren Befunde durchweg in eine Richtung weisen: aus spezialpräventiver Sicht wird danach eine vorsichtige, den Gebrauch freiheitsentziehender Sanktionen möglichst vermeidende Sanktionspraxis empfohlen (vgl. Pfeiffer 1983, 235ff.; Kerner 1984, 14ff., Heinz / Hügel 1988, Spiess 1989).

31 Gewaltkommission Bd. II

Erstgutachten der Vnterkommission Kriminologie

482

Tabelle 26 Anordnung von UntersuebungshUt und Verartellung zu Jnaend-/Freiheitsstrafen bei Jugendlieben und Heranwachsenden (14-2Jjährige) im Vergleich zu Erwachsenen (über 21 Jahre) im Jahr 1985/86. Sonderanswertung Preiffer - Tatvorwurf= Geflihrliche und schwere Körperverletzung; Vorverurteilungen = 1-4-

Jugendliche und Heranwachsende Verurteilte Abgeurzu Jugendteilte o.Freiheitsstrafe % mit ins- ohne HZ V-Haft ges. Bew.

Bereich: Bund, Länder, Landgerichtsbezirke

.. ,

%

%

Erwachsene Verurteilte Abgeur- zu Freiheitsstrllfe teilte: % mit insHZ V-Haft ges. %

ohne Bew. %

Bundesrep. Deutschland

41

4.0

23.6

7.2

7

6.5

32.2

8.1

Berlin Bremen Hamburg

57 28 23

4.7 10.3 5.7

25.0 17.9 41.4

7.3 7.7 21.4

18 9 8

5.4 11.2 6.6

23.0 28.1 52.6

9.0 7.9 11.8

Nordrhein-Westfalen Saarland Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Hessen Niedersachsen Bayern Baden-Württemberg

51 48 45 43 38 38 35 32

1.7 3.7 2.9 4.5 3.0 2.6 9.6 4.9

19.2 52.3 13.4 33.0 24.3 18.5 28.7 22.5

4.2 11.0 3.3 8.5 8.0 5.4 10.5 10.6

8 8 7 8 6 6 7 7

5.3 5.7 5.7 5.0 7.8 4.0 11.1 6.1

31.8 54.5 31.6 31.8 28.3 30.6 36.0 30.4

6.7 8.9 8.4 8.8 8.8 7.6 9.3 7.4

77 70 62 62 61 59 56 53 53 46 44 44 37 31 30

9.7 0.5 1.4 1.0 5.0 4.3 0.0 8.9 0.0 2.0 21.6 0.0 10.6 2.3 2.9

26.2 14.4 27.8 17.1 43.3 26.7 37.3 37.5 15.8 6.1 33.6 12.2 33.8 16.2 17.4

5.6 2.5 11.7 1.0 11.7 9.5 13.6 16.1 4.2 2.0 11.2 0.0 13.9 3.8 0.0

11

16.1 9.0

31.9 33.7

7.7 5.7

/ /

/ /

/ /

/ / / / /

/ / / / /

/ / / / /

/ / / / /

'.

Bayern 18 Essen Rheinland-Pfalz 4 Lübeck Baden-Württemberg 12 Braunschweig Bochum Gießen Hannover Kiel Bayern 02 Frankfurt Baden-Württemberg 03 Köln Oldenburg Baden-Württemberg 06 Dortmund Duisburg Düsseldorf Darmstadt

/ / /

13 13

3.0 1.7

/ /

/ /

7 7 10 11 8

5.7 3.1 9.3 7.2 6.4 8.9

7

8.9 5.6 3.3 5.0 10.0

/ /

/ / /

5

/

19.0 22.2

2.0 4.0

/ /

/ /

28.7 21.6 45.3 17.8 30.2 34.7 /

55.7 41.0 26.2 35.0 39.0

11.5 4.6 10.5 4.4 5.5 6.7 /

13.9 7.6 3.7 9.2 11.0

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

483

5. Gewalttäter im Strafvollzug / Maßregelvollzug Infolge der Ausfilterungsprinzipien, die auch durch das Gesetz mit determi- 82 niert werden, findet von Stufe zu Stufe der Strafverfolgung eine "Verdichtung" statt, die am Ende dazu führt, daß der Anteil der Gewalttäter unter den im Strafvollzug Einsitzenden im Vergleich zum Anteil der Gewalttäter bei den polizeilich ermittelten Tatverdächtigen überproportional hoch ist. Bei der für die Strafvollzugsstatistik verwendeten Stichtagserfassung findet noch einmal eine methodisch verursachte Erhöhung dadurch statt, daß die verurteilten Gewalttäter im Zweifel zu denjenigen gehören, die eine längere Strafe zu verbüßen haben, so daß ihre Chance, am Stichtag (31. 3.) gezählt zu werden, je 100 der Betroffenen größer ist als bei anderen Deliktskategorien. Der Unterschied macht sich dann bemerkbar, wenn es gelingt, den jährlichen Zugang zum Strafvollzug deliktstypisch aufzuschlüsseln. Nach einer vom MPI in Freiburg 1988 durchgeführten Sonderauswertung aller am 3.11. 1986 in hessischen Vollzugsanstalten einsitzenden 3311 Strafgefangenen hatten 38% mindestens ein Gewaltdelikt unter den Einweisungsdelikten. Die kriminalpraktisch und kriminalpolitisch wichtigere Teilfrage aus dem 83 Bereich von Strafvollzug und Maßregelvollzug ist indes die potentielle oder tatsächliche Gefahr, die durch die Reformen der 70er Jahre hervorgerufen worden sein könnten, insbesondere durch die damit verbundene größere Bereitschaft der Vollzugsbehörden, Lockerungen und Urlaub an Gefangene und Untergebrachte zu gewähren. Von seiten der Polizei wird seit langen Jahren erhebliche Kritik am Vollzug vorgebracht, die von Gefangenen ausgehende Gefahr jUr die öffentliche Sicherheit und Ordnung werde nicht ernst genug genommen. Umgekehrt verweisen bisher die Vollzugsverwaltungen gegenüber der Kritik überwiegend darauf, daß die Mißbrauchsquote bei gesteigerter Gewährung von Auflockerungen nicht nur nicht gestiegen sei, sondern sogar überwiegend abgenommen habe. Dafür lassen sich in der Tat eindrückliche Zahlen vorlegen (vgl. Tabelle 27 für NRW von 1970 bis 1987). Inzwischen ist die Kritik an der Lockerungspraxis im gesamten öffentlichen Raum gestiegen, nicht erst seit der Gladbecker Geiselaffäre. Bei jener ist freilich am Rande zu vermerken, daß einer der Täter, der nach einer Lockerung nicht mehr zurückgekehrt war, eigentlich nicht als Belegfall genommen werden darf, weil er zum Zeitpunkt der Tat nach den Angaben, die in polizeilichen Fachblättern veröffentlicht worden sind, eigentlich auch schon entlassen gewesen wäre, wenn er seine Strafe voll verbüßt gehabt hätte. Ein Teil des oft emotional geführten Streites zwischen Polizei- und Vollzugs- 84 behörden beruht auf einer Perspektivendifferenz, die wenigstens teilweise durch präzise gegenseitige Mitteilungen (und Bereitschaft zur Wahrnehmung) ausgeräumt werden könnte. Um es vereinfacht zu beschreiben: Wenn 1000 Urlaube gewährt werden und dabei 4% Versagensfälle auftreten, dann ist die Polizei 31·

484

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 27

Beurlaubung von Gefangenen am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen 1970-1987 Jahr 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1987

Durchschnittsbelegung

Beurlaubungen

N

N

je 100 Gefangene

14.173 15.204 15.518 14.602 15.645 15.584 16.915 17.106 15.015 14.174

5.779 7.357 10.780 15.168 36.765 47.900 65.078 70.375 83.658 76.409

41 48 69 104 244 307 385 411 557 539

Fälle der Nichtrückkehr, nicht freiwilligen Rückkehr N

%

403 502 741 1.008 1.717 1.946 1.944 1.603 1.435 1.175

6.97 6.82 6.87 6.64 4.67 4.17 2.99 2.15 1.71 1.54

Quelle: Teils bearbeitet, teils selbst berechnet nach den Angaben in "Justiz in Zahlen 1988", hrsg. vom Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1988, Teil 2.5.

gegebenenfalls mit 40 Fällen beschäftigt, wo sie nachsuchen oder sogar fahnden muß. Wenn 10000 Urlaube gewährt werden und die Versagensquote auf 2% absinkt, dann sind dies nominal 200 Fälle, was für die konkret befaßten Polizeibeamten in ihrer Eigenwahmehmung bedeutet, daß sie das Fünffache an Problemen bewältigen müssen. Ein anderer Teil beruht auf besonders schweren EinzeWillen und wirft die Frage nach der Sorgfalt von Diagnose und Prognose im Vollzug auf (vgl. Gähner 1989, 127f.). 85

Bei der erwähnten Freiburger MPI -Sonderauswertung wurden auch Vollzugslockerungen im Hessischen Strafvollzug im Vergleich von Gewalttätern gegenüber Nichtgewalttätern erhoben. Daraus kann man erste und für die Bundesrepublik Deutschland bisher so nicht mögliche Einsichten gewinnen. Im einzelnen: Vollzugslockerungen, soweit sie den Daten zum Vollzugsverlaufin den Gefangenenpersonalakten zu entnehmen waren, bezogen sich auf Urlaub (85,1 %), Ausgang (72,7%) und Freigang (38,8%), daneben noch - in quantitativ erheblich geringerem Umfang - auf Ausführung (5,4%), Außenbeschäftigung mit Aufsicht (3,3%) und Sonstiges (1,2%). Damit lagen für 51,6% aller Gefangenen Angaben zu Vollzugslockerungen vor, wobei Gewalttäter nach ihren Anteilen relativ stärker bei Urlaub, Ausgang, Ausführung und Außenbeschäftigung vertreten sind. Beim Mißbrauch dieser Lockerungen findet sich kein Unterschied in der Verteilung auf Gewalttäter und Nichtgewalttäter. Aufschlußreicher sind allerdings die Daten, die durch die Auswertung besonderer Bögen in den Akten mit detaillierteren Angaben zu Urlaub und

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

485

Ausgang gewonnen werden konnten: Danach haben insgesamt 47,8% aller Gefangenen Urlaub erhalten. Gewalttäter sind hier signifikant überrepräsentiert, was sich aus den höheren Einweisungsstrafen, im besonderen aber durch die Vollzugsdauer zum Erhebungszeitpunkt erklärt. Gewalttäter befanden sich im Durchschnitt 26 Monate in Haft, Nichtgewalttäter 17 Monate, was für erstere eine zeitlich erhöhte Möglichkeit Urlaub zu erhalten - und damit auch des Mißbrauchs - bedeutet. Dies trifft natürlich in gleicher Weise für Ausgangsgewährungen zu. Betrachtet man nun die Urlaubssituation im einzelnen, so zeigt sich entsprechend eine in der absoluten Zeit signifikant längere, jedoch relativ gesehen kürzere Urlaubsdauer bei Gewalttätern, im Durchschnitt der insgesamt gewährten Urlaubstage entfallen auf sie 36, auf Nichtgewalttäter 30 Tage. Bei den Urlaubsarten dominiert zu fast % der Regelurlaub, gefolgt vom Sonderurlaub mit knapp %. Der Entlassungsurlaub fällt kaum ins Gewicht. Die Urlaubsarten verteilen sich in etwa gleichmäßig auf die beiden Gruppen. Angesichts des häufigeren und längeren Urlaubs von Gewalttätern ist es aber 86 bemerkenswert, daß keine signifikanten Unterschiede, bei der pünktlichen Urlaubsrückkehr auftreten, auch die durchschnittliche Abwesenheitsdauer nahezu gleich ist, Gewalttäter sich sogar eher selbst stellen als festgenommen werden. Ausgang wurde 39,1 % aller Gefangenen gewährt, wobei die Gewalttäter signifikant überrepräsentiert sind. Dies gilt auch bei der Anzahl der Ausgangsgewährungen. Hierfür ist - wie beim Urlaub gezeigt - eine längere Vollzugsdauer ausschlaggebend. Gewalttäter erhalten durchschnittlich knapp 13 Ausgänge, Nichtgewalttäter 10. Der Regelausgang ist mit 61 % die am häufigsten gewährte Ausgangsart, gefolgt von Sonderausgang (23%) und Freigang (15,8%). Beim Regelausgang haben die Gewalttäter ein leichtes relatives Übergewicht, beim Freigang die Nichtgewalttäter. Die pünktliche Ausgangsrückkehr zeigt auch hier, trotz relativ häufigeren Ausgangsgewährungen für Gewalttäter, keine Unterschiede, wohl aber die Abwesenheitsdauer: Hier liegen die Nichtgewalttäter mit durchschnittlich 49tägiger Abwesenheit deutlich über den 33 Tagen der Gewalttäter. Letztere sind auch stärker unter Selbststellern bei überzogenem Ausgang zu finden als Nichtgewalttäter, die eher festgenommen werden. Die erhobenen Daten erlauben noch weitere Gegenüberstellungen von Gewalttätern und Nichtgewalttätern bei Lockerungsformen und deren Mißbrauch. So können innerhalb des sogenannten A-Bogens der Gefangenenakten Angaben zu den Strafunterbrechungen vorliegen, darunter auch in 9,8% der Fälle aufgrund von Urlaubs- oder Ausgangsmißbrauch. Speziell beim Urlaubsmißbrauch ergeben sich keine signifikanten Unterschiede, ebensowenig wie bei dessen Häufigkeit. Es zeigt sich ferner, anhand von Angaben zur Flucht, daß trotz durchschnittlich längerer Haftstrafen Gewalttäter nicht häufiger fliehen als Nichtgewalttäter.

486

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Eine weitere Möglichkeit der Überprüfung bieten die Rückverlegungen aufgrund von Mißbrauch bei Gefangenen im offenen Vollzug bzw. Freigang. Die Rückverlegung trifft etwas eher auf Gewalttäter zu, ohne aber Signifikanz

aufzuweisen. Im einzelnen ausschlaggebend für die Rückverlegung erweist sich bei Gewalttätern etwas eher der Urlaubs-, Alkohol- oder Drogenmißbrauch, sowie Begehung einer Straftat und die Rückverlegung auf eigenen Wunsch; bei den Nichtgewalttätern sind eher Ausgangsmißbrauch und Disziplinarmaßnahmen verantwortlich. Beim Freigangsmißbrauch liegt überhaupt kein Unterschied vor. Ein letzter Bereich der Überprüfung möglicher Unterschiede liegt in den

Gründenfür eine Änderung des Vollzugsplans, unter denen auch Urlaubs- bzw. Ausgangsmißbrauch vorkommen. Hier sind die Gewalttäter bei der Nennung von Urlaubs- wie Ausgangsmißbrauch im Rahmen der genannten Gründe für eine Vollzugsplanänderung sogar eher unterrepräsentiert. Tabelle 28 StrafvoUzog und GewaItkriminalität in den USA im Jahr 1985/86, am Beispiel der ersten 10 und der letzten 10 unter erfaHten SO Bundesstaaten

Name des Bundesstaates

Gefangenenrate pro 100.000

Rangplatz des Staates bei der bei der Gefangenenrate Gewaltkriminalität

Nevada South Carolina Louisiana Delaware Maryland Alaska Alabama Oklahoma Arizona Georgia

448 319 316 301 284 282 273 272 267 259

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

9 10 8 22 3 12 21 24 11

Colorado Iowa Rhode Island Massachussetts Maine Vermont West Virginia New Hampshire Minnesota North Dakota

103 100 100 98 91 87 85 72 58 55

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

20 42 30 16 45 47 46 48 38 50

17

Quelle: Bearbeitet nach den Ausgangszahlen bei O'Brien, D.: Survey-Ranking the States. In: Corrections compendium XI/8 (1987), 10.

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

487

Tabelle 29

Strafvollzug, Haftkostenaufwand und Gewaltkriminalltiit in den USA im Jahr 1985/86 am Beispiel der ersten 10 und der letzten 10 unter 50 erfaHten Bundesstaaten

Name des Bundesstaates Florida New York Maryland California Michigan New Mexiko lllinois Louisiana Nevada South Carolina Hawaii Iowa Montana Wisconsin Maine West Virginia Vermont New Hampshire South Dakota North Dakota

Rangplatz des Staates beim durchnittl. bei der HaftkostenGewaltaufwand pro Gefangenen kriminalität

2 3 4 5 6 7 8 9 10 41 42 43

44

45 46 47 48 49 50

bei der Gefangenenrate

23 6 10 4 3 8 37 22 13 15

12 20 5 21 15 30 26 3 1 2

7 38 41 25 36 46 29 20 43 48

33 42 34 39 45 47 46 48 32 50

Quelle: Bearbeitet nach den Ausgangszahlen bei O'Brien, D.: Survey-Ranking the States. In: Corrections compendium XI/8 (1987), 10.

Zusammenfassend lassen die aufgefundenen Verteilungen mit einerseits leicht höheren relativen Anteilen der Gewalttäter bei den Mißbrauchsformen, die aber nur schwach ausgeprägt sind und nie statistische Signifikanz aufweisen, mit andererseits in entgegengesetzter Richtung - wie bei den zuletzt behandelten Vollzugsplanänderungen - weisenden höheren Anteilen von Nichtgewalttätem keinen Schluß auf Verhaltensunterschiede der Gefangenenpopulation in Reaktion auf Lockerungsangebote zu, je nachdem, ob nach den Einweisungsdelikten eine Aufteilung in "Gewalttäter" und "Nichtgewalttäter" vorgenommen wird. Aus diesen Erhebungen kann man schließen, daß an der in Wissenschaft und Kriminalpolitik vertretenen These viel richtiges sein muß, daß nämlich mit einem rigiden Strafvollzug (in quantitativer Hinsicht der Erhöhung von Gefangenenquoten und in qualitativer Hinsicht der Erhöhung der Sicherheits-

87

488

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

kategorien) eine Eindämmung (des Anstiegs) der Gewaltkriminalität in wesentlichem Ausmaß nicht erreicht werden könne. Als weiterer Beleg mag die Sonderauswertung O'Briens (1987) für die USA in den Jahren 1985/86 dienen. Ein Rangreihenvergleich (unter anderem) der Gefangenenrate und der Gewaltkriminalitätsrate erbrachte für 50 Bundesstaaten keine Signifikanz (vgl. auch Tabellen 28 und 29). Die entscheidende Streitfrage für den Bereich der Gewaltkommission läßt sich indes bis jetzt nicht wissenschaftlich befriedigend beantworten. Die Analysen, die in Untersuchungen staatlicher Forschungsinstitutionen durchgeführt wurden, belegen vorläufig deutlich, daß das Straftatenrisiko durch beurlaubte und in Lockerung befindliche Strafgefangene nicht überproportional hoch ist, jedenfalls nicht jene Dimensionen erreicht, die in der kritischen Debatte unterstellt werden (vgl. besonders Berckhauer 1986, 57fT., speziell 68fT. und, zu Einzelfällen von Schwerkriminalität, 73). Die Freiburger Sonderauswertungen für Hessen konnten im übrigen zeigen, daß innerhalb der Gesamtheit derjenigen Gefangenen, die Urlaub und Lockerungen erhielten, speziell die Gewalttäter gar nicht oder nur mit leichter, nicht signifikanter Erhöhung (bei Ausgang) gegenüber den sonstigen Tätern auffielen. 88

Auf der anderen Seite ist das Argument der Polizei nicht ohne weiteres zurückzuweisen, daß gerade erfahrene Straftäter mit ihren Straftaten besonders häufig im Dunkelfeldverbleiben würden. Einen empirischen Weg, die Problematik zu klären, hat man bisher nicht beschritten. Im Ergebnis hängt es von einer abwägenden Wertentscheidung ab, welches Risiko aus dem übergreifenden Gesichtspunkt der Resozialisierung in Kauf zu nehmen ist. Ob der Staat in diesem Bereich gefordert ist, eine Art Versicherungslösung oder eine ähnliche Lösung zum Ausgleich der Schäden bereitzustellen, die bei Opfern eintreten, ist eine schwierige Frage, die nur im Rahmen einer Gesamtlösung der Stellung des Opfers im Recht und in der Strafrechtspflege befriedigend bewältigt werden kann. 6. Gewalttäter unter Führungsaufsicht

89

Von der Möglichkeit, die seit 1975 besteht, nach § 68 Abs. 1 StGB bei der Verurteilung wegen bestimmter Delikte primäre Führungsaufsicht anzuordnen, vor allem bei Gewaltdelikten, haben die Gerichte bis heute überaus sparsamen Gebrauch gemacht. Der Zugang zur Führungsaufsicht war im Übergangszeitraum zur Reform zunächst einmal im wesentlichen von den "angestauten" Fällen dominiert gewesen, die im Maßregelvollzug auf eine bedingte Entlassung warteten (vgl. Brusten 1986, 273ff.). Nach und nach hat sich jedoch die Automatik in den Vordergrund geschoben, die dadurch begründet ist, daß nach § 68f. StGB die sogenannten Vollverbüßer, also diejenigen Gefangenen, die eine Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren im Vollzug vollständig verbüßt haben, automatisch der Führungsaufsicht unterliegen (sekundäre Führungsaufsicht ),

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

489

wenn nicht im Einzelfall die zuständigen Strafvollstreckungskammern ein positives Prognoseurteil gewinnen und deswegen gegenteilig entscheiden (vgl. Materialien bei Kerner 1987). Derzeit stehen an einem beliebigen Stichtag in der Bundesrepublik Deutsch- 90 land rund 12000 Personen unter Führungsaufsicht. Der Anteil derer, die wegen eines Gewaltdelikts unterstellt sind, ist relativ hoch. Die ersten wissenschaftlichen Analysen zur Führungsaufsicht sind zu wenig deliktsspezifisch bestimmt, als daß abgesicherte präzise Aussagen dazu möglich wären, ob die Führungsaufsicht sich gerade bei dieser Tätergruppe als ein wirksames Instrument der Kontrolle (und ergänzend der Hilfe) erwiesen hat, vor allem als ein Instrument, das wirksamer ist als die frühere Polizeiaufsicht. Diese wurde von seiten der Polizei im Rahmen der Strafrechtsreform nicht energisch verteidigt, was darauf hindeutet, daß sie als nicht besonders effektiv betrachtet wurde. Aus der Studie Jacobsens (1975, 153ff.) kann man im Sinne einer mittelbaren Differenzierung immerhin entnehmen, daß Probanden in Niedersachsen, die nach Maßregelvollzug in sekundäre Führungsaufsicht gekommen waren, deutlich besser bei der Wiederverurteilung (Rückfälligkeit) abschnitten als Vollverbüßer oder Probanden aus der Sicherungsverwahrung. Aus persönlichen Kontakten mit Bewährungshelfern bzw. mit anderen 91 Sozialarbeitern, die den Führungsaufsichtsstellen zugeordnet sind, ergibt sich, daß die Klientel zwar als schwierig angesehen wird, daß man aber keine besonderen Probleme im Vergleich zu schwierigen Klienten der Bewährungshilfe feststellt. Dementsprechend wird das allgemeine Versagen als hoch eingeschätzt, spezifische praktische Erkenntnisse bezüglich des Rückfalls in gewalttätige Kriminalität scheinenjedoch nicht vorhanden zu sein. Eine Auswertung der FAStatistik Bayerns (s. Tabelle 30) und Sonderauswertungen für den Bereich des Bundeslandes Hamburg (s. Tabellen 31.1 und 31.2) zeigen wenigstens anhand kleiner Probandenmengen, daß dieses Risiko für die Gesellschaft unter Umständen viel geringer sein könnte, als vielfach angenommen. Hier liegt eines der Felder, die wissenschaftlich aus verschiedenen kriminalpolitischen und grundsätzlichen Erwägungen der weiteren Klärung bedürftig sind. Zur Absicherung der Führungsaufsicht hat der Gesetzgeber den unter rechtsstaatlichen Aspekten umstrittenen Straftatbestand des § 145a StGB geschaffen (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht), der Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht, wobei die Tat nur auf Antrag der Aufsichtsstelle erfolgt. Anhand der Strafverfolgungsstatistik kann man nun feststellen, daß die Praxis von diesem Mittel so gut wie keinen Gebrauch macht. Aus Praxisberichten scheint man folgern zu dürfen, daß freilich die Aufsichtsstellen an der einen oder anderen Stelle der Bundesrepublik die Möglichkeit eines Antrags nach § 145a StGB als gezieltes Drohrnitte1 einsetzen, um gefährdete Probanden sozusagen bei der Stange zu halten.

490

Erstgut!:lchten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 30

Verlauf von Filhmngsaufsichten in Bayern

Jahr

Ungünstiger Verlauf insgesamt Widerruf")

Beendete Unterstellungen N

N

%

N

N

167 217 213 268 323 385 448 429 489

58 63 81 110 146 144 199 203 231

34,7 29,0 38,0 41,0 45,2 37,4 44,4 47,3 47,2

I I

I I

1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

21 48 70 73

131

135 165

Straftatb)

60 62 76 71

68 66 66

Quelle: Führungsaufsichtsstatistik, Jahrestabellen, mitgeteilt durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz, März 1989. Umstellungen gegenüber dem Original. Prozentwerte eigene Berechnung. a) Widerruf der Maßregelaussetzung, §67 g Abs. 1-3 StGB. b) Rechtskräftige Verurteilung wegen neuer Straftat(en).

Tabelle 31.1

Filhmngsaufsicht als Teil der Zugänge zur Bewähmngshilfe am Beispiel der Bewähmngshilfe fiir Erwachsene, Hamburg 1987 Art des Zugangs

Strafrestaussetzung § 88 lOG, § 57 StGB Strafaussetzung §21 JGG, §56 StGB Gnadenentscheide Führungsaufsicht Alle Zugänge Zugänge zur Führungsaufsicht, davon - Vollverbüßung einer Strafe, § 68 f StGB - Aussetzung weiterer Unterbringung, §67 d StGB - Aussetzung der Unterbringung schon bei der Anordnung, § 67 b StGB - Primäre FA im Urteil §68 I StGB - Aussetzung der Vollstreckung §67 c StGB

N

%

745 676 123 130

44.5

1.674

100.0

130

100.0

93 20

71.5

10 10

3

40.4 7.3

7.8

15.4 7.7

3.1 2.3

Quelle: Bearbeitet nach den Angaben bei Möller, W. (Bearb.): Statistischer Jahrbericht der Bewährungshilfe rur Erwachsene 1987. Ramburg 1988 (SR 321), 20.

491

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 31.2

Beendigung der Fübrungsaufsicht sm Beispiel der Abgänge in Hamburg 1987 Art der Abgänge bei Führungsaufsicht

N

%

Alle Abgänge Nicht rechtskräftig geworden Verstorben Abgabe an auswärtige Bewährungshelfer Andere BeendigungenlAbgänge

112 3 8 36 65

100.0 2.7 7.1 32.1 58.0

Von den anderen Abgängen waren: Einstellung nach erneuter Verurteilung Aufhebung nach Inhaftierung Vorzeitige AufhebunglVerkürzung Aufhebung der FA ohne Maßnahmen

65 2 3 9 51

100.0 3.1 4.6 12.3 78.5

"Mißerfolg" gesamt (2 + 3)') "Erfolg" gesamt (9 + 51)

60

5

7.7 92.3

8) Bei den Mißerfolgsfällen: Rechtsgrund der Unterstellung war gewesen bei 4 Pb = § 68 f (Vollverbüßer), bei 1 Pb = § 67 c StGB (Aussetzung der Vollstreckung der weiteren Unterbringung). Deliktsbereich derneuen Straftaten war gewesen bei 2 Pb = §§ 173-184; IPb = §§223-233, bei 1 Pb = §§242-248; bei 1 Pb = §§ 263-281. Quelle: Bearbeitet nach den Angaben bei Möller, W. (Bearb.): Statistischer Jahrbericht der Bewährungshilfe rur Erwachsene 1987. Ramburg 1988 (SR 321), 20.

7. Gewalttäter in der Bewährungshilfe Bei den schwereren Gewalttaten kommt vom Strafrahmen bzw. der tatsäch- 92 lich verhängten Strafe her in der Regel eine primäre Strafaussetzung nach § 56 StGB oder § 21 JGG in der Regel nicht in Betracht. Dennoch hat sich der Anteil von Gewalttätern unter der Klientel der Bewährungshilfe allmählich durch die großzügigere Praxis der Aussetzung des Strafrestes auch bei Langstrafern, verbunden mit einer wachsenden Neigung der Gerichte, dies mit einer Unterstellung unter einen Bewährungshelfer zu verbinden, deutlich erhöht. Die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe durch die Gerichte nach § 57 a StGB fällt zusätzlich seit 1982 qualitativ ins Gewicht. Über den Erfolg der Strafaussetzung zur Bewährung bei Gewalttätern ohne 93 Unterstellung unter einen Bewährungshelfer kann derzeit wissenschaftlich so wenig gesagt werden wie über den Erfolg der primären Strafaussetzung ansonsten. Denn bislang gab es keine Statistik, die die entsprechenden Fälle überhaupt verzeichnete. Im Rahmen der beim Bundeszentralregister im Aufbau begriffenen Rückfallstatistik des Bundes könnten freilich mittelfristig oder langfristig entsprechende Differenzierungen eingeführt werden.

492 94

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Die Bewährungshilfestatistik erlaubt immerhin einen begrenzten Zugriff auf das Problem. Und zwar läßt sie nach verschiedenen Deliktskategorien die Prüfung dahingehend zu, ob bei den den Bewährungshelfern unterstellten Probanden die Bewährungszeit mit einem Straferlaß oder einem Widerruf oder mit sonstigen Entscheidungen endete, ferner, ob der gegebenenfalls erfolgende Widerruf durch Straftaten bedingt war oder durch sogenannte technische Verstöße, also beispielsweise Verstöße gegen Auflagen oder Weisungen. Nach dem bisherigen Stand der Analyse zeigt sich, daß nach dem so definierten Erfolgsrnaßstab (- also fehlender Widerruf während der Bewährungszeit -) die wegen Tötungsdelikten Unterstellten im Vergleich zur Gesamtheit der Unterstellten zu den "guten Risiken" gehören. Sie schließen also überproportional häufig die Bewährungszeit mit einem Straferlaß ab. Bezüglich der dennoch eintretenden Widerrufsfälle wegen neuer Straftaten wäre es für die Beurteilung der Beeinträchtigung der inneren Sicherheit besonders interessant zu wissen, ob es sich um neue einschlägige Straftaten oder um andere Straftaten oder gar um ausgesprochene Bagatellen handelt. Eine entsprechende Differenzierung erlaubt jedoch die Bewährungshilfestatistik nicht. Aus allgemeinen Erhebungen ansonsten wissen wir indes, daß bei Tötungsdelinquenten der einschlägige Rückfall zu den großen Ausnahmefällen gehört. Dies hängt natürlich auch damit zusammen, daß bei insgesamt durchaus großzügig gewordener Begnadigungspraxis die eigentlichen "Risikofälle" dennoch im Strafvollzug bzw. Maßregelvollzug zurückgehalten wurden. Auch die bisherige Praxis der Gerichte, die nunmehr für die Entscheidung über eine bedingte Entlassung nach § 57 a StGB bei sogenannten Lebenslänglichen zuständig sind, deuten in der statistischen Struktur darauf hin, daß man nicht gewillt ist, der Bevölkerung ein unkalkulierbares Risiko zuzumuten (vgl. Kaiser 1988, 922ff')'

95

Bei einer längerfristigen Analyse der Bewährungshilfestatistik stellt man im übrigen fest, daß die in früheren Jahren deutlich erkennbaren Unterschiede im Mißerfolgsrisiko verschiedener Alters- und De/iktsgruppen sich nach und nach nivelliert haben. War noch nach Angaben der Statistik in den 70er Jahren davon auszugehen, daß junge Raubtäter ihre Bewährungszeit in der Regel mit einem Mißerfolg beenden würden, so hat sich ihr Mißerfolgsprozentsatz inzwischen auch auf die Standardquote von 40% zubewegt. So betrachtet hat es die Bewährungshilfe geschafft, gerade schwierige Probandengruppen trotz schwieriger werdender allgemeiner Bedingungen immer erfolgreicher zu resozialisieren. Dieser Trend wird bei einer anderen Art von Betrachtung auf den ersten Blick auch ohne weiteres bestätigt: Der relative Zuwachs an Erfolg in den letzten Jahrzehnten war am stärksten bei denjenigen, die nicht nur vorbestraft waren, sondern auch schon mehrfach unter Bewährungshilfe gestanden hatten. Er war viel höher als bei den Erstbestraften bzw. Erstunterstellten (vgl. Spiess 1982, 571 ff.).

96

Vor einer wissenschaftlich soliden Schlußfolgerung müssen jedoch erst noch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Aus sonstigen Erhebungen und

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

493

Gesprächen mit der Praxis wird deutlich, daß die Gerichte in den letzten Jahren sich zunehmend bereit gezeigt haben, die erweiterten Möglichkeiten beispielsweise des § 56f. StGB auszunutzen, also bei erneuten Straftaten keinen Widerruf auszusprechen, sondern die Bewährungsbedingungen zu modifizieren oder die Bewährungszeit zu verlängern. Zudem hat sich die Praxis eingebürgert, sozusagen (- dogmatisch vereinfacht formuliert -) die alte Bewährung "weiterlaufen" zu lassen und den Probanden mit einer neuen Bewährung demselben Bewährungshelfer zuzuordnen. Fälle von bis zu fünf nebeneinandergeschalteten Bewährungsaufsichten bzw. Bewährungshilfen sind nicht mehr absolut selten. Unter pädagogischen bzw. sozialpädagogischen bzw. resozialisierungstheoretischen Gesichtspunkten kann diese Vorgehensweise begründet und mit Blick auf den endgültigen Erfolg sogar die vorzugswürdige sein, nämlich insofern, als Straftatenfreiheit gerade beijüngeren Probanden oft erst in einem längeren und von Rückschlägen gekennzeichneten Prozeß erreicht werden kann, der nicht verkürzt, sondern verlängert wird, wenn man bei erneutem Scheitern lediglich repressiv eingreift. Dennoch wäre es unter wissenschaftlichen wie kriminalpolitischen Aspekten äußerst wichtig, zunächst einmal statistisch und dann an genau erforschten Einzelfällen wirklich genau zu prüfen, welche differentiellen Effekte sich bei dem Wandel des Zugriffs herausgestellt haben. Auch juristisch hat die inzwischen geübte Praxis einige Folgeprobleme hervorgerufen (z. B. vollstreckungsrechtliche), die noch keineswegs befriedigend gelöst sind. Nach dem letzten Stand der Bewährungshilfestatistikjedenfalls ist das äußere 97 Bild dahingehend zusammenzufassen, daß Alternativen zum Strafvollzug im Prinzip auch bei Gewalttaten greifen. Die Tabellen 32 und 33 vermitteln dazu einen groben Überblick, auch bezüglich der Varianz bei unterschiedlichen Unterstellungsgründen unter Bewährungshilfe einerseits, bei Unterstellung nach Jugendstrafrecht gegenüber allgemeinem Strafrecht andererseits; die absoluten Zahlen sind, worauf vorsorglich hingewiesen sei, bei einzelnen Zellen in den Tabellen z. T. freilich gering, was bei einer präzisen Würdigung berücksichtigt werden müßte.

111. Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen der Gewaltkriminalität I Kriminalitätsprognostik. Bedeutung des Geburtenrückgangs Oben im Abschnitt 11. 1. ist bereits darauf hingewiesen worden, daß im Jahre 98 1987 rund 61 % der wegen Gewaltkriminalität registrierten Tatverdächtigen zwischen 14 und 29 Jahre alt waren. Diese Altersgruppe, deren Bevölkerungsanteil im Jahr 1987 noch 25,4% betragen hat, wird nach der letzten Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2000 von gegenwärtig ca. 15 Millionen auf etwa 10 Millionen und bis zum Jahr 2010 auf etwa 7,6 Millionen abnehmen. Danach liegt es auf der Hand, daß die vom Geburtenrück-

494

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 32 Bewährungserfolg (Straferlaß) bei Probanden, die nach allgemeinem Strafrecht unter Bewiihrungsaufsicht mit Bewährnngshilfe standen, und nach Delikten und UntersteUungsgriinden, BR Deutschland 1986

Deliktsart

§1l3 §§ 123-140; 144-145 d §§303-305

Durch Straferlaß (in % der Unterstellungen) beendet nach §56 I §56II §57 I §57II StGB StGB StGB StGB

56.8 46.7 54.8

100.0 /

50.0

66.7 63.6 10.0

/ / /

100.0 60.3 80.7 70.0 65.5 55.1

92.9 69.4 83.3 78.6 65.0 63.8

75.0 64.2 66.1 60.4 64.0 58.4

45.5 100.0 42.9

Trunkenheit im Verkehr gesamt BTMG-Delikte

60.9 69.5

77.8 77.4

66.6 64.9

71.4 67.6

StGB ohne Verkehr gesamt

59.7

64.5

60.4

57.1

Straftaten gesamt

59.6

64.4

61.2

57.6

§§211-222 §§223-233 § 177 §§ 178, 179 §§249-256 §§263-266

/

70.6 36.4

Quelle: Eigene Berechnungen nach den Grundzahlen i.n: Bewährungshilfestatistik (Rechtspflege 10/5), hrsg. vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart u. a. 1988.

gang ausgelöste Veränderung in der Alterszusammensetzung der Bevölkerung der Bundesrepublik die Häufigkeit der Gewaltkriminalität beeinflussen wird (zu sonstigen rechtlich relevanten Auswirkungen vgl. Roellecke 1989, 21 ff.). In der Tabelle 35 wird für die Gewaltkriminalität und ihre Hauptdeliktsgruppen das Ergebnis einer von Pfeiffer (1989, 33ff.) angestellten Hochrechnung zu den Auswirkungen des demographischen Wandels dargestellt. Grundlage der Berechnungen waren zum einen die letzte Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 1987 (vgl. Tabelle 34), zum anderen die Tatverdächtigenziffern der Gewaltkriminalität des Jahres 1987 zu verschiedenen Altersgruppen. Nach der Hochrechnung wäre bis zum Jahr 2000 mit einem Rückgang der wegen Gewaltkriminalität registrierten Tatverdächtigen um 16,5% zu rechnen (vgl. auch Schaubild 4). Die stärksten Auswirkungen sind danach bei den Raubdelikten zu erwarten (- 22,0%), die geringsten bei der gefährlichen/schweren Körperverletzung (-11,8%). 99 Als verläßliche Grundlage für eine materiell abgesicherte sozialwissenschaftliche Prognose dürfen diese Trendberechnungen allerdings night gewertet werden.

495

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie Tabelle 33 Bewiihrungserfolg (Straferlaß) bei Probanden, die nach JugendstIBfrecht unter Bewiihnmgsaufsicht mit Bewiihrungshilfe standen, und nach Delikten und UnterstellungsgrüDden, BR Deutschland 1986

Durch Straferlaß (in % der Unterstellungen) beendet nach Deliktsart

§21 I JGG

§21II JGG

§88 JGG

§89 JGG

§ 113 §§123-140; 144-145d §§303-305

65.2 82.5 75.0

40.0 28.6 80.0

(0) 50.0 71.4

/ / /

§§211-222 §§223-233 § 177 §§ 178, 179 §§249-256 §§263-266

88.9 77.3 93.1 83.5 84.2 69.2

81.3 72.8 85.7 75.0 71.9 59.4

85.2 68.5 67.6 59.1 67.2 51.5

100.0 77.8 100.0 100.0 52.2 100.0

Trunkenheit im Verkehr gesamt BTMG-Delikte

77.0 80.8

66.7 79.7

70.5 68.7

100.0 66.7

StGB ohne Verkehr gesamt

76.5

69.6

61.4

56.1

Straftaten gesamt

76.8

69.8

61.6

56.4

Quelle: Eigene Berechnungen nach den Grundzahlen in: Bewährungshilfestatistik (Rechtspflege 10/5), hrsg. vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart u. a. 1988.

Tabelle 34 Der demographische Wandel - Prognose des Statistischeu Bundesamtes zur Bevölkenmgsentwicklung in den verschiedenen Altersgruppen für die Jahre 1993, 2000 und 2010

Altergruppen in Lebensjahren 8 bis unter 14 14 bis unter 18 18 bis unter 21 . 14 bis unter 21 21 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 40 40 bis unter 50 50 bis unter 60 60 und älter

Bestand im Jahr 1987

Vorausschätzung für die Jahre 1993 2000 2010

N

N

N

N

3.524.839 3.200.651 3.076.436 6.277.087 4.330.025 4.939.649 8.507.261 8.627.199 7.549.153 12.583.500

3.643.300 2.340.100 1.936.700 4.276.800 3.517.700 5.391.100 9.541.600 7.920.400 8.723.500 13.189.000

3.930.900 2.453.800 1.851.900 4.305.700 2.371.300 3.578.400 10.485.500 8.948.800 7.874.400 14.766.100

3.309.100 2.610.300 2.032.600 4.642.900 2.612.500 3.178.800 6.671.600 10.476.800 8.653.300 15.522.300

Quelle: Sondertabellen Statistisches Bundesamt Wiesbaden.

496

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Schaubild 4 Vorausschätzung der Gewaltkriminalität tUr alle fatverdächt1gen zum Jahr 2000

30000 ~ 1987

o

25000

20000

15000

10000

5000

1000

Quellen: Berechnung und Gestaltung nach den bel Tabellen 34 und 35 ausgewiesenen Unterlagen

2000

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

497

Denn beide der Hochrechnung zugrunde liegenden Annahmen sind ihrerseits einer Fülle von Einflußfaktoren unterworfen, deren Entwicklung gegenwärtig nicht sicher eingeschätzt, z. T. nur spekulativ abgewogen werden kann. So ist schon zu erwarten, daß die Ergebnisse der letzten Volkszählung und der in den Jahren 1987 und 1988 eingetretene Zustrom an Aussiedlern eine baldige Korrektur der Bevölkerungsvoraussagen des Statistischen Bundesamts zur Folge haben werden. Eine grundlegende Veränderung seiner bisherigen Prognosen zur Altersstruktur der Bevölkerung des Jahres 2000 ist freilich auch dann nicht zu erwarten: Um das beschriebene Defizit von 5 Millionen 14- bis 30jähriger auszugleichen, müßte die Zahl der bis zum Jahr 2000 faktisch einwandernden Personen, angesichts der Alterszusammensetzung der Aussiedler oder Asylbewerber und der im Wege des Familiennachzuges in die Bundesrepublik einreisenden Ausländer, insgesamt ca. 12 bis 15 Millionen betragen. Wenn wir bedenken, welche Probleme der Zuzug von ca. 300000 Aussiedlern und Asylbewerbern im Jahr 1988 ausgelöst hat, erscheint es unrealistisch, für die nächsten elf Jahre von mehr als insgesamt 2 bis 2,5 Millionen Zuwanderungen auszugehen. Dann aber würden sich die Ausgangsdaten der obigen Hochrechnung nur in begrenztem Umfang ändern. Auch der zweite Berechnungsfaktor, die Tatverdächtigenziffern (TVZ) der 100 verschiedenen Altersgruppen, unterliegt einer Fülle von Einflüssen, die im einzelnen zu prognostizieren ausgeschlossen erscheint. Zwar hat auf der einen Seite die TVZ insgesamt gesehen in den vier Jahren seit 1984 leicht abgenommen. Die den eigenen Berechnungen zugrunde liegende Annahme einer konstanten TVZ negiert also einen sich abzeichnenden Trend. Auf der anderen Seite kann bereits eine verstärkte Zuwanderung von Aussiedlern und Ausländern dazu beitragen, daß die TVZ insgesamt betrachtet wieder ansteigt. Damit ist nur ein Aspekt unter vielen genannt, die für die Gesamtentwicklung der registrierten Gewaltkriminalität von Bedeutung sind (zum Problem etwa der vermuteten steigenden Kontrolldichte der Behörden gegenüber Jungtätern vgl. für die zurückliegenden Jahre, die kritischen Überlegungen von Traulsen 1988, 397fT.). Die in 'tabelle 35 enthaltenen Daten können angesichts der vielfaltigen Einschränkungen zur Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden Hochrechnung deshalb nur als Orientierungshilfe dafür gewertet werden, welche Bedeutung dem demographischen Wandel als Einflußfaktor zukommen wird. Sie bedürfen laufender Korrektur, sobald jeweils neue Eckdaten der Bevölkerungsentwicklung und der TatverdächtigenzifTern bekannt werden. Andererseits sollte man auf derartige Berechnungen nicht verzichten, weil nur auf diese Weise das in dem demographischen Wandel liegende erhebliche Veränderungspotential für das Kriminalitätsgeschehen in kriminalpolitische Überlegungen und Planungen einfließen kann. In qualitativer Hinsicht wird man 'Überlegungen dahingehend anzustellen 101 haben, wie Wert- und Rechtsbewußtsein der nachwachsenden Generationen (s. Schwind 1988a, 65ff.) angesichts durchaus schwacher Vorbilder in der Erwach32 Gewaltkommission Bd. 11

498

Erstgutachten der Unterkotnmission Kriminologie

Tabelle 35

Die Entwicklung der GewaItkriminalität und ausgewählter Delikte bzw. Deliktsgruppen. Prognose für die Jahre 1993, 2000 und 2010 unter Verwendung der Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundesamtes und der Tatverdächtigenzifrem des Bundeskriminalamtes für das Jahr 1987

Deliktsbereich

Tatverdächtige Bestand 1987 N

Gewaltkriminalität Mord, Totschlag, Tötung aufVeriatigen, Kindestötung

89.215

2.678

Vorausschätzung der Tatverdächtigen für

Abnahme gegenüber 1987 für

1993 N

1993 %

2000 N

2010 N

81.186 74.513 70.398

2.395

2.186

2.105

2000 %

2010 %

- 9.0 -16.5

-21.1

-10.6 -18.4 -21.4

Raub, räub. Erpressung, räuberischer Angriff im StraßellVerkehr

17.227

14.964 13.450 12.832

-13.1

Gefährliche und schwere Körperverletzung sowie Vergiftung

67.528

65.684 59.552 56.282

- 2.8 -11.8 -16.6

-22.0 -25.5

Quelle: Sondertabellen Statistisches Bundesamt Wiesbaden und, für Tatverdächtige 1987, Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundeskriminalamt Wiesbaden 1988. Prognoseberechnungen 1993, 2000, 2010 bei ehr. Pfeiffer, KFN Hannover.

senenwelt gefördert werden können, um Anlässe für (auch) Gewaltkriminalität (in ihrer bestimmenden Kraft) zu mindern. Insoweit ist es interessant, einen Blick nach Japan mit seiner traditionell geringen Gewaltkriminalität zu werfen. Euler-Cook (1988, 3 ff.) hat Einstellungen japanischer "Strafrechtsexperten" mit den Einstellungen von Praktikern in Österreich und einigen anderen Staaten verglichen. Auf der einen Seite setzt man in Japan ersichtlich in hohem Maße auf eine effIZiente Polizei und Justiz. Auf der anderen Seite gibt es viel Übereinstimmung über die Länder hinweg dahingehend, daß es sehr auf die Familie und Schule ankommt, auf Anlernen der Kinder zur Aggressionskontrolle, auf Erziehung der Kinder zur Gewaltlosigkeit durch Liebe und Vermittlung moralischer Werte seitens der Erziehungsberechtigten (vgl. Details in Tabelle 36). Zur Vermeidung vorschneller Bewertungen solcher Ergebnisse sei darauf hingewiesen, daß es auch in Japan (nur ganz allmählich offener thematisiert) Minoritätenprobleme gibt, daß die organisierte Kriminalität eine bedeutsame Rolle spielt und daß schließlich, im vorliegenden Zusammenhang besonders einschlägig, in jüngerer Zeit anscheinend das Aufbegehren der Kinder gegenüber ihren Erziehern in Familie und Schule als großes Problem angesehen wird, also eine "Idylle" nicht unterstellt werden kann.

499

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

Tabelle 36 Einstellungen zur Gewaltkriminalität bei Strafrechtsexperten in Japan, Österreich und anderen Liindern um 1983

Fragestellungen

I. Wahrscheinlichste Faktoren für niedrige Gewaltkrirninalität - wenig Kulturkonflikt durch ethn. Homogenität - Effizienz der Polizei und Justiz - starke moralische Werte in der Gesellschaft - niedrige Arbeitslosenrate - wenig Klassengegensätze in der Gesellschaft - friedliche politische Atmosphäre - langsame Urbanisierung - starke religiöse Werte in der Gesellschaft - niedrige Scheidungsrate

Bewertungshöhe der Fakten in Japan Öster- anderen reich Ländern N=112

N=U4

N=104

208 146 99 91 74 50 5 4 3

38 57 114 113 139 73 15 14 39

49 70 125 114 65 56 71 44 13

250 116 74 68 49 28 25 13 1

286 127 38 63 51 36 8

251 161 37 87 42

11. Gesellschaftliche Institutionen und ihre

Eignung zur Vorbeugung von Gewaltkriminalität - Familie - Schule und Fortbildungsinstitutionen - Polizei, Justiz, Gefängnisse - Gemeinschaftseinrichtungen (öffentl. Kooperation) - Soziale Einrichtungen (öffentl. Wohlfahrt) - Medien - Kulturinstitutionen - Sporteinrichtungen - Kirche und religiöse Institutionen

III. Warum wird ein Mensch gewalttätig? - hat niemals gelernt, seine Aggressionen zu kontrollieren 169 - wird Mitglied einer gewalttätigen Bande 112 - nimmt Drogen oder Alkohol 95 - wurde oft von den Eltern geschlagen 68 - haßt Menschen 52 - hat in der Schule versagt 37 - kann keine Arbeit fmden 35 - ist äußerst arm 30 - sieht viele gewalttätige Filme 14 IV. Ratschläge für Eltern zur Erziehung der Kinder zur Gewaltlosigkeit - Liebe - Vermittlung moralischer Werte - Geduld - Disziplin - Kontrolle der kindlichen Aggression - Kontrolle der elterlichen Aggression - gute Manieren - gute Nahrung - Sauberheit 32"

218 118 92 57 42 36 36 14 10

10

17

14

17 7 33

217 54 82 163 20 6 31 11 33

123 144 83 129 31 7 39 16 42

240 84 76 22 50

198 82 76 65 61 115 13 6 4

131

5 8 0

500

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie (Tabelle 36, Fortsetzung)

Fragestellungen

Bewertungshöhe der Fakten in Japan Österandere reich Länder

N=112 V. Geeignete staatliche Maßnahmen zur Verringerung der Gewaltkriminalität - ~ncouragieren einer größeren Involvierung der 155 Offentlichkeit in der Verbrechensvorbeugung - Aufklärungskampagne gegen Kindesmißhandlung und Gewalt in der Familie 100 - Strengere Kontrolle der Waffenbesitzgesetze 84 - Größeres Budget für Polizei, Justiz, Gefängnisse 63 - Encouragieren der Opfer von Gewaltverbrechen durch besseren Schutz u. bessere Entschädigung, 61 öfters Anzeige bei der Polizei zu erstatten - Mehr Abschreckung durch strengere Strafen 51 - Größeres Budget für psychiatrische Einrichtungen 45 - Mildere Strafen u. Alternativen zu Gefängnisstrafen 36 - Legislative Maßnahmen gegen Gewaltdarstellungen 23 im Fernsehen VI. Wichtigste Faktoren der niedrigen Gewaltkrirninalität in manchen Ländern - Sozio-ökonomische Faktoren - Kulturelle Faktoren - Ökologische Faktoren - Strafverfolgungsfaktoren - Historische Faktoren - Politische Faktoren - Psychologische Faktoren - Demographische Faktoren - Religiöse Faktoren

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72

16 80 45 27 48 87 15

52 26

44

27

Quelle: Schura Euller-Cook: Herrschaft, Gewalt und Gewaltfreiheit. SWS-Rundschau 28

(1988), 3-17.

Strafrechtsexperten = Polizeibeamte, Justizbeamte, Gefängnisbeamte, Kriminologen, Bewährungshelfer, Pädagogen, Psychologen, Sozialwissenschaftler, Studenten. Bewertungshöhe = Summe der Auszählungsergebnisse. Multiplikation mit 3 bei 1. Stelle, mit 2 bei 2. Stelle. Ordnung der Antwortvorgaben: Hier gegenüber der Quelle umgestellt entsprechend der für Japan erfragten Hierarchie. Genauer Wortlaut der Fragen: Vgl. Fragebogen in der Quelle, S. 5-7.

Erstgutachten der Unter kommission Kriminologie

501

IV. Ergebnisse, ErkenntnisdefIZite, Schlußfolgerungen aus der allgemeinen Analyse der Gewaltkriminalität Im ganzen ist es dringend erforderlich, einen amtlich präzisen und vor allem möglichst restriktiven Gewaltbegriff zu etablieren. 1. Zu Kapitel CA I: Wahrnebmung von Gewalt und Gewaltkriminalität

Bezüglich der Umfrageforschung ist bisher von einer noch unbefriedigenden 102 Situation insoweit auszugehen, als die Erfassung von Gewaltbereitschaft gegenüber der Erfassung tatsächlich geübter Gewalt dominiert, und dies auch noch mit einem eindeutigen Schwerpunkt bei politischer Gewalt im weiteren Sinne. Zur Abschätzung des gesamten Gewaltpotentials in der Gesellschaft und zur Gewinnung eines realistischen (für Präventionsansätze geeigneten) Bildes über die spezielle Sicherheitslage müßte regelmäßig die Afltagsgewalt erfragt werden. Wegen des bevorstehenden Wegfalls der innereuropäischen Grenzen wird sich auch ein erweiterter grenzüberschreitender Gefahrenbereich nicht ausschließen lassen. Zunehmende Binnenmigration wird dazu beitragen, daß sich Volksgruppen stärker noch als bisher mischen werden. Aus den "mitgebrachten Sitten" mögen sich Verwerfungen ergeben. Zur positiv vorbeugenden Einstellung von Praxisinstitutionen auf erwartbare "Reibungsflächen", aber natürlich auch für vielfältige Zwecke von Wissenschaft und (Sozial- bzw. Rechts-)Politik, wäre die Einrichtung eines regelmäßigen "European Crime / Violen ce Survey" angebracht. Dieser Survey könnte zugleich die Funktion einer übergreifenden Opferbefragung im europäischen Maßstab erhalten. Bezüglich der Probleme von Medienberichterstattung und Medienwirkung 103 bietet die derzeitige nationale Rechtslage, insbesondere im Bereich des Jugendmedienschutzes, keinen Anlaß für besondere (neue) Reformvorhaben. Vorgeschlagen wird jedoch, daß in Modellprojekten die Chancen engerer Behördenkooperation auf örtlicher Ebene erprobt werden sollten. Dies gilt vor allem für den Video-Markt und den Video-Konsum. Nach dem Muster der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) sollte das Videogewerbe angeregt werden, effektiver als bisher vor allem Kassetten mit entwürdigenden Gewalttätigkeiten aus dem Angebot zu nehmen. Eine derartige Freiwillige Videoselbstkontrofle (FVK) würde den Gefahren staatlicher Zensur zugleich besser vorbeugen, als dies mit behördlich verwalteten Eingriffsgesetzen möglich wäre. Wegen des künftigen europäischen Binnenmarktes wäre die Bundesrepublik gut beraten, alsbald Initiativen für die Bildung einer entsprechenden europäischen Institution bei wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbänden anzuregen bzw. zu fördern. Internationale Kooperation wird erst recht bei den nach und nach sich entwickelnden Angeboten des Satellitenfernsehens und der sonstigen privaten Fernsehgesellschaften erforderlich.

502

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

2. Zu Kapitel CA 11: Entwicklung und Verfolgung der amtlich registrierten Kriminalität 104

Bei der Polizeilichen Kriminalstatistik gelingt es bisher nur in groben Umrissen, ein für Praxis, Kriminalpolitik und Wissenschaft sinnvoll auswertbares bzw. umsetzbares Bild der Gewaltkriminalität und damit auch des jeweiligen Standes der Sicherheitslage zu zeichnen. An zahlreichen Stellen wären Verbesserungen der Aussagekraft möglich. Dies gilt besonders für qualitative Kriterien wie Deliktsschwere, Schadensfolgen, Täter-Opfer-Beziehungen und Opfergruppen überhaupt. Die Verbesserungen der PKS müssen aber so durch andere Maßnahmen kompensiert werden (z. B. Vereinfachungen an anderen Erhebungskriterien), daß die Praxis nicht zusätzlich unnötig belastet wird. Deshalb wird die Einsetzung einer gemischten Arbeitsgruppe aus Kriminalisten und Kriminologen vorgeschlagen, die einen praktikablen Revisionsvorschlag der P KS entwickeln soll.

105

Die Verschiebungen bei ermittelten Tatverdächtigen im Deliktsbild und in der schieren Menge der Betroffenen, die sich auf dem Weg von der Polizei über die Staatsanwaltschaft zum Gericht ereignen, sind seit Jahren bemerkenswert hoch. Die Strafverfolgungsstatistik (im Verein der anderen sog. Rechtspflegestatistiken) erlaubt keine verläßliche Beurteilung. Eine solche wäre aber für eine ganze Reihe wichtiger kriminalpolitischer und kriminalpraktischer Fragen (etwa der Notwendigkeit und der Wirkung des Sanktionseinsatzes) erforderlich. Deshalb wird vorgeschlagen, durch eine gemischte Arbeitsgruppe aus Justizpraktikern, Kriminalisten, Kriminologen, Informatikern und Datenschutzspezialisten einen praktikablen und rechtsstaatlich haltbaren Entwurffor eine sog. Verlaufsstatistik erstellen zu lassen.

106

Alle statistischen und sonstigen amtlichen Erkenntnisse zur Kriminalitätsstruktur und Kriminalitätsentwicklung (insbesondere bei der Gewaltkriminalität) sollten, in Anlehnung an das Vorbild Österreichs, in Form eines jährlichen Sicherheitsberichts dem Bundestag vorgelegt werden. Dafür wäre ein (kleiner) Sachverständigenrat zu bilden, mindestens jedoch wären zu Einzelfragen regelmäßig sachverständige Stellungnahmen einzuholen.

107

Bezüglich der Prophylaxe der Gewaltkriminalität wird vorgeschlagen, unbedingt an einem restriktiven Waffenrecht für alle Bevölkerungsgruppen festzuhalten. Ausländergruppen (besonders wichtig für die sog. zweite Generation der im Inland Geborenen) sollten vermehrt positive Angebote zur Integration gemacht werden. Dazu rechnen Minderheitsrepräsentanten (auch ehrenamtliche) in den Behörden und Institutionen, die im Routinebetrieb Einfluß ausüben und gegebenenfalls akute Konflikte abbauen helfen können. Dazu gehört weiter gerade bei Jugendlichen, die straffällig geworden sind, ein inhaltlich verbesserter Ausbau der Jugendgerichtshilfe durch die verantwortlichen Kommunen.

108

Imjustiziellen Zugriffist es dringend erforderlich, regionale Ungleichheiten zu vermindern. Dies gilt für die Anwendung von Untersuchungshaft, für die Wahl

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

503

der Sanktionen, für die Höhe der bei Gewaltkriminalität schließlich verhängten Sanktionen, für die Vollstreckung und endlich für die konkrete Ausgestaltung des Straf- und Maßregelvollzugs. Dabei ist festzuhalten, daß aufallen Ebenen die empirischen Ergebnisse, wenn und sofern sie denn überhaupt schon etwas Verbindliches aussagen, dahingehend interpretiert werden können, daß die mildere Art / Form des Zugriffs weder in generalpräventiver noch in spezialpräventiver Sicht kontraproduktiv ist. Speziell im Strafvollzug wird noch vorgeschlagen, Überlegungen anzustellen, ob Modelle für die "Opfervorbereitung" entwickelt werden könnten. Gemeint ist damit, daß (gerade auch bei vollständiger Strafverbüßung) ehemalige Opfer eines wegen Gewalttaten Verurteilten erheblich psychisch beeinträchtigt werden können, wenn sie sozusagen ohne Vorwarnung "ihrem" Täter (etwa gerade auch nach der Entlassung) auf der Straße begegnen. Im übrigen gilt vom Vorverfahren bis zum Strafvollzug, daß Täter-Opfer-Ausgleich gerade auch bei Gewaltdelikten wenn schon nicht durchweg eine Alternative, so doch eine zu sozialer Befriedigung führende Ergänzung des Strafrechts sein kann (vgl. auch Überblick bei Schuster 1986, 161 ff.).

109

Bei psychisch kranken, alkoholkranken und drogenabhängigen Insassen des Strafvollzugs, die als gefährlich gelten, müssen verbesserte (rechtliche) Möglichkeiten der Überweisung in andere Vollzugsarten oder sonst geeignete Einrichtungen zur individuell abgestimmten Behandlung geschaffen werden.

110

3. Zu Kapitel CA DI: Bevölkerungsentwicklung Die voraussehbaren Verschiebungen in der künftigen Bevölkerungsstruktur infolge des Geburtenrückgangs und zum Teil infolge von Immigrations- und Migrationsbewegungen müssen in die Behördenplanung und in langfristige kriminalpolitische Strategien als ständig mit zu bedenkender Faktor eingebaut werden.

111

CH. Einzelne Gewaltbereiche I. Politisch motivierte Gewalt und Gewalttätigkeit 1. Erscheinungsformen Politisch motivierte Gewalt, insbesondere spezifische Gewalttätigkeit, äußert sich vorwiegend in Hausbesetzungen und unfriedlich verlaufenden Demonstrationen. Sie steigert sich bis hin zu terroristischen Handlungen. In juristischer Sicht reicht die Qualität des Verhaltens über Ordnungswidrigkeiten hinaus und meint ausschließlich strafbare Gewalttaten.

112

Formen allgemeinen Protestverhaltens und zivilen Ungehorsams - obschon sie mitunter in hohem Maße Gewaltbereitschaft indizieren - werden generell

113

504

Erstgutachten der Unterkommission Kriminologie

vom Begriff politisch motivierter Gewalt nicht mehr erfaßt. Zwar verbindet Terrorismus und unfriedliehe Demonstrationen, militanten Jugendprotest und ziviler Ungehorsam das Bestreben nach politisch-gesellschaftlicher Veränderung sowie teilweise auch das gemeinsame offene Auftreten und öffentliche Bekennen zum Widerstand. Doch Art und Einsatz der Gewalt unterscheiden sich voneinander. Allgemeine Protestbewegung und ziviler Ungehorsam verharren gewöhnlich noch bei "begrenzter Regelverletzung" und dem Einsatz psychischer Gewalt, etwa durch Besetzung und Blockade. Demgegenüber greifen die hier gemeinten militanten Aktivitäten darüber hinaus, indem sie bewußt auch physische Gewalt gegen Menschen und Sachen einsetzen oder billigend in Kauf nehmen. Doch die Vielfalt in Erscheinung, Bedeutung und rechtlicher Relevanz erschwert die Beurteilung, vor allem die einheitliche Würdigung. 114

Die politischen Beweggründe zielen im Gegensatz zu sonstiger Motivation Krimineller Gewalthandlungen zwar auf einen über die persönliche Bedürfnisbefriedigung (z. B. Gewinnsucht) des Täters hinausweisenden politischen, moralischen oder sonst wertbezogenen Zweck der Gl

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Ergänzung § 243 StGB um "Waffendiebstahl"

Erhöhung der Strafandrohung in § 316b StGB

214

215

217

218

219

11.

12.

13.

14.

15.

Erhöhung, Mindeststrafe in §§ 239a, 239b StGB

Verbesserung der verdeckten Aufklärung, Ermächtigungsgrundlagen für Aufklärung im Vorfeld

Erweiterung § 112a Abs. 1 StPO um Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei schwerem Landfriedensbruch nach § 125a StGB

Schaffung einer Regelung für KontrollsteIlen (Vorkontrollen) im VersG

213

10.

Strafbewehrung der Aufforderung zur Teilnahme an einer verbotenen oder aufgelösten Veranstaltung

Personen außerhalb von Veranstaltungen (§ 17 a VersG)

Vorschlag

212

Rdnr.

9.

Lfd. Nr.

Gesetzgeber Bund

Gesetzgeber Bund

Gesetzgeber Bund

Gesetzgeber

Polizei

Gesetzgeber Bund

Gesetzgeber Bund BMI

Gesetzgeber Bund

Adressat

Wie Drucksache 11 /2834

2. Prüfung erforderlich, ob Änderung anderer Eigentumsdelikte analog notwendig ist.

1. Wie Drucksache 11 /2834

Wie Drucksache 11 /2834

2. Zusätzliche Aufnahme § 125 StPO zu prüfen

1. Wie Drucksache 11 /2834

BMI soll Angelegenheit initiieren

Wie Drucksache 11 /2834

Bemerkung

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Justiz Justiz

Einsatz von Demonstrations- und Aktionsberatem

Entwicklung von Distanzmitteln

Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten in Konfliktbeherrschung und Konflikthandhabung

Anwendung des "Beschleunigten Verfahrens" nach § 212 StPO

Einsetzung von Fachstaatsanwälten

224

227

288

229

230

132

18.

19.

20.

21.

22.

23.

Verbesserung der Datenerhebung, Datenweitergabe im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen (Kriminalpolizeilicher Meldedienst Landfriedensbruch und verwandte Straftaten)

Polizeiführung Bund und Länder

Innenressorts Bund und Länder

Polizeiführung Bund und Länder

Innenressorts Bund und Länder

Polizeiführung Bund und Länder

Innenressorts Bund und Länder

Innenressorts Länder

Polizeiführung Länder

223

Adressat Innenressort Länder

17.

Verbesserung der Beweissicherung und Festnahme

Vorschlag

222

Rdnr.

16.

Ud. Nr.

2. Aus- und Fortbildung

1. Beauftragung speziell ausgebildeter Einheiten

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233ff.

26.

Praktizierung der Diversion

267

283ff.

-

266

Vorfeldarbeit und unmittelbare Einwirkung in Zusammenarbeit mit dem Verein durch

-

o

Aufbau fanspezifischer Ordnungsdienste

Pflege und Betreuung von FanClubs durch den Verein

Vorfeldarbeit in Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten

-

o

Gewalt im Stadion -

-

Einbeziehung sozialer Einrichtungen

Schaffung eines Gremiums

-

265

Gewalt auf Straßen und Plätzen -

Langfristige strukturelle Präventionsansätze unter Einbeziehung staatlicher und privater Stellen durch z.B.

-

Verbesserung des Verlaufs der Hauptverhandlung bei Verfahren in politisch motivierten Sachverhalten

Vorschlag

264

232

Rdnr.

25.

24.

Lfd. Nr.

Vereine

Vereine

Deutscher Fußballbund

Vereine

Deutscher Fußballbund

Polizei

Kommunalpolitik

Vereine

Deutscher Fußballbund

Soziale Dienste

Polizei

Justiz

Bundesregierung mit nahezu allen Ressorts

Justiz

Adressat

Bemerkung

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286

287

288

289

290

28.

29.

30.

31.

32.

Rdnr.

27.

Lfd. Nr.

Präventives und repressives Einschreiten bei Veranstaltungen

Beteiligung von Fan-Clubs an Sonderveranstaltungen

Förderung der Fan-ClubFreundschaft

Durchführung von Fan-ClubFußball-Turnieren

Bemühen um Kenntnis der Namen der Gewalttäter und deren gezielte Ansprache

Trennung gewaltbereiter Personen von friedlichen Fans

-

-

Erinnerung der Sportfunktionäre an gesellschaftliche Mitverantwortung

Soweit noch nicht geschehen, Umsetzung Leitlinien des UALEX

Integrierten Polizeieinsatz in Fankurven intensivieren

Aufklärung der Fans, was sie tun sollen über Lautsprecher, Flugblätter; Hinweis auf Straftatbestände

Vermeidung von Kontakten der Gruppen außerhalb des Stadions

-

Prävention durch

-

o

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Vorschlag

Vereine

Deutscher Fußball bund

Polizei

Polizei

Polizei

Polizei

Polizei

Polizei

Vereine

Vereine

Vereine

Adressat

Appell

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Prävention Vorrang einräumen

290

290

299

300

301

317

34.

35.

36.

37.

38.

39.

Gewalt in der Schule -

Schaffung eines fakultativen Einstellungstatbestandes in Ergänzung der §§ 153 StPO, wenn

Gewalt in der Familie -

Gesetzgeber Bund

Justiz

Schulressorts Innenressorts

Mitwirkung der Polizei im Rechtskundeunterricht

-

Schulressorts

Vereine

Deutscher Fußballbund

Polizei

Polizei

Veranstalter jVereine

BMI

Vereine

Polizei

Adressat

Einführung Lehrfach "Pädagogik j Rechtskunde" oder stärkere Berücksichtigung solcher Themen in anderen Fächern

Hinweis auf erwartete Vorschläge anderer Unterkommissionen mit Hinweis auf Bildungs- und Schulreform in der Vergangenheit

-

Wissenschaftliche und praktische Beobachtung zur rechtzeitigen Erkennung eventuellen politischen Abdriftens von Fangruppen in extreme Positionen

Eröffnung rechtlicher Möglichkeiten für Vorfeldmaßnahmen (Meldedienst, Eingriffsermächtigungen)

Vorschlag

290

Rdnr.

33.

Ud. Nr.

Regelungsinhalt unter Berücksichtigung § 37 Abs. 1 BtMG

Hat sich bei der Rauschgiftaufklärung und Verkehrserziehung bewährt

Beobachtung, ob Handlungsbedarf besteht

Bemerkung

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Rund-um-die-Uhr-Ansprechbarkeit geeigneter Interventionstellen, vorrangig bei Jugend- und Sozialamt

Förderung von Diversionsverfahren

321

322

323

324

42.

43.

44.

45.

Durchdachte Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, um Täter und Zeugen zu erreichen; in Zusammenarbeit mit anderen Stellen, damit

In Ausführung des Gesundheitsreformgesetzes Überprüfung familiärer Verhältnisse zur Erkennung von Mißständen zum Nachteil älterer Menschen

Übertragung von Aufgaben zur Interessenwahrnehmung für geschädigte Frauen und zur wirtschaftlichen Existenzsicherung von Frauenhäusern s. ä. auf Frauengleichstellungsstellen oder das Sozialamt

320

41.

Verletztenbeistand für Kinder, der die Interessen des Kindes und der Familie wahrnimmt

sozialpädagogische oder familientherapeutische Maßnahmen eingeleitet sind

Vorschlag

317

Rdnr.

40.

Lfd. Nr.

Jugendbehörden

Sozialbehörden

Polizei

Gesetzgeber Bund

Justiz

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Jugendressorts

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58.

Lfd. Nr.

-

375

-

-

374

378

-

373

Rdnr.

Verbesserung der technischen Ausstattung und Abbau von Gebührenhemmnissen

Anerkennung, politischer Rückhalt, leistungsgerechte Entlohnung und Auszeichnungen

zeitgemäße Aus- und Fortbildung, die zeitnah und innovativ ist

angemessene Personalverstärkung

Vorschlag

Deutsche Bundespost

Innenressorts Bund und Länder

Polizeiführung

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Landesregierungen Innenressorts Bund und Länder

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Bemerkung

Bundesregierung

Innenressorts Bund u. Länder

Landesregierungen

Bundesregierung

Adressat

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