Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten: 2. Halbbd.: Geltendes Recht und Kritik. Nach dem Tode des Verfassers hrsg. und bearb. von Herta Mattes [1 ed.] 9783428450794, 9783428050796


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German Pages 523 Year 1982

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Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten: 2. Halbbd.: Geltendes Recht und Kritik. Nach dem Tode des Verfassers hrsg. und bearb. von Herta Mattes [1 ed.]
 9783428450794, 9783428050796

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HEINZ MATTES

Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten Zweiter Halbband

STRAFRECHT UND KRIMINOLOGIE Untersuchungen und Forschungsberichte aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg im Breisgau herausgegeben von den Direktoren Prof. Dr. Dr. h. c. H.·H. J escheck und Prof. Dr. G. Kaiser

Band 2/2

Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten Zweiter Halbband

Geltendes Recht und Kritik Von

Dr. Heinz Mattes WissensmaftIimer Referent am M.,,·Plandt.lnstitut fClr ausländiscbes und internationales Strafremt, Freiburg im Breisgau

Nach dem Tode des Verfas8ers herausgegeben und bearbeitet von Dr. Herta Mattes Vorsitzende Rimterin am Landgerimt Freiburg im Brei.gau

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Prlnted in Germany

© 1982 Duncker

ISBN 3 428 05079 7

Dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg im Breisgau

Vorbemerkung Im Vorwort des ersten Bandes über Geschichte und Rechtsvergleichung habe ich angekündigt, daß ein zweiter Band ähnlichen Umfangs folgen wird, dessen Manuskript von meinem Mann ebenfalls weitgehend fertiggestellt war und an dem er bis zuletzt gearbeitet hatte. Er hat darin seine Gedanken zum geltenden Recht und die Kritik an ihm niedergelegt. Der zweite Band knüpft an die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung im ersten Band an und führt diese bis zum Erlaß des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1968 fort. Das Thema wird unter strafrechtsdogmatischem, rechtsphilosophischem und staatsrechtlichem Blickwinkel behandelt. Erst im zweiten Band hat mein Mann versucht, eine Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Ordnungswidrigkeit zu geben und auf die nach der Zuständigkeit für deren Ahndung zu finden. Beide Bände bilden so ein Ganzes, sind aber jeweils in sich geschlossen. Das Manuskript zu diesem Band ist in den sechzig er Jahren entstanden. Die Darstellung über das Wesen der Ordnungswidrigkeit (Kapitel I-VIII) und die Rechtsnatur der Geldbuße (Kapitel IX) war in den Jahren 1966 beziehungsweise 1967 abgeschlossen. Sie beruht somit auf dem Rechtszustand vor und nach Erlaß des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952. Eine Ausnahme bildet das Kapitel 16 über den Standpunkt der Gesetze über Ordnungswidrigkeiten von 1952 und 1968, das noch von meinem Mann verfaßt, aber nachträglich eingefügt wurde. Darin wird der Wandel in der Auffassung des Wesens der Ordnungswidrigkeit bei und nach Erlaß des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1968 deutlich gemacht. Das abschließende Kapitel X, das darüber handelt, ob das Verhängen der Geldbuße Verwaltungsausübung oder Rechtsprechung ist, stammt aus den Jahren 1969-1970/7l. Es setzt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der einschlägigen Frage auseinander und würdigt beide Gesetze über Ordnungswidrigkeiten unter dem angegebenen Gesichtspunkt. Die einzelnen Teile der Bearbeitung hat der Verfasser in einem Brief vom 26. Oktober 1971 an seinen Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich Jescheck, selbst dahin beschrieben, daß er "viel Material beisammen habe und ein ausgearbeitetes Manuskript vorliege, das zu ergänzen und zu verbessern ist". Dazu kam es infolge der langen und schweren Krankheit, die am 19. März 1973 zum Tode führte, nicht mehr.

VIII

Vorbemerkung

Das hinterlassene Manuskript meines Mannes ist daher ein Fragment. Ich habe mich gleichwohl für seine Bearbeitung entschieden, um das Gesamtvorhaben nicht unvollendet zu lassen. Eine Fortführung bis zum heutigen Tage, wie ich sie im rechtsvergleichenden Teil des ersten Bandes vorgenommen habe, schied allerdings aus mehrfachen Gründen aus. Es kam nur eine "werkgetreue" Herausgabe nach dem "Manuskriptstand" in Betracht. Auch dies bedeutete neben der Gliederung des letzten Kapitels (X) die Sichtung, überprüfung und Einarbeitung umfangreichen Materials, das in Hunderten von Notizzetteln und Randnotizen enthalten war. Ich habe dieses nur insoweit berücksichtigt, als mir daraus sowie aus den zahlreichen Gesprächen die Vorstellung meines Mannes genügend klar geworden ist. Der Gedankengang des Autors sollte nicht verfälscht werden, die Darstellung in ihren Grundlagen unangetastet bleiben. Dies bedingte zugleich eine Beschränkung bei der Einarbeitung neuer Literatur. In dieser Hinsicht war vom Verfasser vieles vorgesehen, das nun unberücksichtigt bleiben mußte. Es erschien mir wenig sinnvoll, die wissenschaftliche Auseinandersetzung des Textes durch bloßes Anfügen weiteren Schrifttums und Nachtragen neuester Auflagen anzufüllen, ohne selbst kritisch dazu Stellung zu nehmen. Dies allein wäre wenig fruchtbar gewesen und unterblieb daher. Wo allerdings Gesetzesänderungen und jüngste Entwicklungen einen Hinweis geboten, habe ich Ergänzungen vorgenommen und diese jeweils durch Einfügen in eckige Klammern kenntlich gemacht sowie einschlägige neue Literatur gesondert zusammengestellt. Wenn der zweite Band nunmehr nahezu zehn Jahre später vorgelegt wird, nachdem der Autor die Arbeit daran abbrechen mußte, so geschieht dies trotz der geschilderten Nachteile in der Hoffnung, daß die in dem Buch niedergelegten Gedanken die Diskussion wieder in Gang bringen mögen, die nach Erlaß des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1968 weitgehend zum Stillstand gekommen ist. Außerdem dürfte nach einer Anwendung des Gesetzes während mehr als zehn Jahren der Zeitpunkt gekommen sein, um sich Rechenschaft darüber zu geben, ob die Erwartungen sich erfüllt haben, die in die Neuregelung gesetzt wurden. In einer Schlußbemerkung habe ich versucht, einige mir wesentlich erscheinende Gesichtspunkte zusammenzufassen. Dabei bin ich auch auf die Änderungsvorschläge im Referentenentwurf des Bundesministers der Justiz vom 17. Dezember 1980 eingegangen, der mir am Schluß der Fahnenkorrektur durch freundliche überlassung von Herrn Ministerialrat Dr. Göhler zugänglich wurde. Bei meinem Bemühen habe ich wieder großzügige und freundschaftliche Hilfe erfahren. Ich danke an erster Stelle erneut dem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich

Vorbemerkung

IX

Jescheck, für seine Ermunterung und vielfältige Unterstützung und nächst ihm Herrn Professor Dr. Jose Maria Rodriguez Devesa, der die übersetzung des ersten Bandes in die spanische Sprache* besorgt und mich dadurch wesentlich in dem Entschluß bestärkt hat, die unvollendet gebliebene Arbeit meines Mannes zu veröffentlichen. Der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften schulde ich Dank für namhafte finanzielle Zuwendungen für die Zeit der Ausarbeitung und für den Druck des Buches. Die Reinschrift des Manuskripts hat Frau Käthe Obermaier-Hiß mit größter Genauigkeit besorgt. Sie hat außerdem - wie schon beim ersten Band - die Mühsal des Korrekturlesens mitgetragen. Ich danke ihr herzlich für ihre Mithilfe. In den Dank schließe ich die Mitarbeiter des Verlages Duncker & Humblot und der Druckerei ein für die Sorgfalt, die sie der Satzgestaltung und dem Druck der beiden Bände haben angedeihen lassen. Freiburg i. Br., im Dezember 1981 Herta Mattes

* Problemas de Derecho Penal Administrativo, Historia y Derecho Comparado. Madrid 1979, Verlag EDERSA,

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

I. Vbersicht über die Literaturmeinungen zur behaupteten Verschiedenartigkeit von kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten

5

1. Bemerkungen zur Terminologie ..............................

5

2. Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten und ihre Spielarten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

3. Insbesondere die Auffassung Richard Langes .. . . . . . . . . . . . . . . ..

20

4. Die [frühen] Gegner der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten 25 5. Die Aussprache in der Großen Strafrechtskommission ........

33

6. Die Haltung der Gesetze über Ordnungswidrigkeiten von 1952 und 1968 .................................................... 34 7. überlegungen zur Grundlage der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten ................................................. 43 11. Die Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952 ................................

50

1. Das übermaß der Ordnungswidrigkeiten ........... . . . . . . . . . ..

50

2. Die Grenzlinie zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten ................................................. 53 3. Mögliche Kriterien der Abgrenzung ..........................

75

4. Verschiedene Besonderheiten des Ordnungswidrigkeitenrechts 80 111. Wesensverschiedenheit oder Wertverschiedenheit von strafbaren Handlungen und Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten .......

85 Die Änderung der Unrechtsqualität durch Steigerung der Unrechtsquantität. Insbesondere die Schmidtsche Formel. . . . . . . . . . . . . . . . .. 85

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen als Grundlage der Lehre von den Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten .....

1. Die Begründung des Rechts aus der sozialen Wesenheit des Menschen ....................................................

a) Der Mensch als soziales Wesen. . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . .. . ..

93

95 95

XII

Inhaltsverzeichnis b) Die Sozialität des Menschen als Grund und Richtmaß des Rechts .................................................... 101 2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen und der Begründung des Rechts aus ihr in Literatur und Rechtsprechung 111 a) Auseinandersetzung mit Werner Maihofer und Ulrich Hommes ...................................................... 111 b) Andere Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung .. 122 3. Folgerungen ................................................. 124

V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen 126

1. Gerechtigkeit und gerechtigkeitsfreie Verwaltungszwecke als

Merkmale eines Gegensatzes von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung ................................................ 126 a) Das Verhältnis von Gerechtigkeit und Zweckverwirklichung. Das Gemeinwohl .......................................... 126 b) Die Sozialentscheidung des Grundgesetzes ................. 135 c) Die Unmöglichkeit einer materiellen Unterscheidung von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung .................. 139

2. Rechtsgut und Verwaltungsgut ............................... 143 a) Das Rechtsgut ............................................ 143 b) Die Rechtsguteigenschaft der angeblichen Fürsorgeobjekte der Verwaltung ........................................... 147 3. Der Bürger als Hilfsorgan der Staatsverwaltung .... . ......... 152 VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße .............. 154

1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlun-

gen .......................................................... a) Der Begriff des materiellen Unrechts als Beziehungsbegriff. Der materielle Verbrechensbegriff ........................ b) Die Tat in ihrer typischen sozialen Erscheinung als Grundlage des Urteils über den materialen Unrechtsgehalt ........ c) Das materiale Unrecht als notwendige Grundlage der förmlichen Verhaltensbefehle (Normen) ........................

155 156 159 163

2. Der Gedanke reiner Ungehorsamsdelikte. Abschließende Stellungnahme zur Schmidtschen Formel ........................ 170 3. Aufspaltung der Rechtsordnung in eine vorgegebene sittliche und eine positiv geschaffene, wertneutrale Ordnung. Insbesondere die Lehre Richard Langes ................................ 175 a) Die Möglichkeit einer solchen Unterscheidung nach Aufgabe, Geltungsgrund und inhaltlicher Gestaltung der Rechtsordnung sowie nach Aufgabe und Wirksamkeit des Gesetzgebers 176 b) Insbesondere die Sozialgestaltung und das Errichten neuer Ordnungen als Aufgabe des Rechts ........................ 183

Inhaltsverzeichnis

XIII

4. Die Verselbständigung der Ordnungsfunktion des Rechts

189

5. Zwei verschiedene Möglichkeiten gesetzlicher Unrechtserfassung (§§ 2, 2 a WiStG 1954) ........................................ 194 VII. Ordnungswidrigkeiten als sittlich indifferentes Unrecht .......... 199

1. Allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Ethik 200

a) Gewinnung des Ausgangspunktes an Hand der Lehre Kants b) Begrenzung der Aufgabe .................................. c) Die Bedeutung der materialen Wertethik für den Gegenstand der Untersuchung ......................................... d) Grundsätzliche Übereinstimmung von Recht und Ethik ....

200 204

2. Das Verhältnis der Inhalte rechtlicher und sittlicher Normen .. a) Die Bestimmung des Sittlichen als möglicher Grundlage der Rechtsordnung ............................................ b) Die Abweichungen rechtlicher und sittlicher Verhaltensanweisungen voneinander ................................. c) Die Selbständigkeit des Rechts gegenüber der Ethik bei der Ausprägung der Einzelnormen ............................ d) Ergebnis ..................................................

216

3. Die sittliche Verpftichtungskraft der Rechtsordnung im ganzen und in ihren Einzelsätzen .................................... a) Die sittliche Verpftichtungskraft der Rechtsordnung ........ b) Das Problem der Rechtspfticht ............................ c) Folgerungen für die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten .. d) Die angebliche sittliche Indifferenz des Anspruchs auf Rechtsoder Gesetzesgehorsam im Bereich der Ordnungswidrigkeiten ....................................................... e) Zur Herkunft des Gedankens von der sittlichen Indifferenz der Ordnungswidrigkeiten ................................ f) Zur Lehre Wimmers ......................................

206 211

217 220 222 226 230 230 236 238 241 242 244

VIII. Die naturrechtliche Begründung der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten .................................................... 247 IX. Die Rechtsnatur der Ordnungsbuße (Geldbuße) .................. 251

1. Die Literaturmeinungen über die Rechtsnatur der Geldbuße im Recht der Ordnungswidrigkeiten [dargestellt vorzugsweise nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952] ............ 252

a) Die Geldbuße als Rechtsfolge verwaltungs- oder bloß ordnungswidrigen Unrechts oder reinen Ungehorsams auf der Grundlage der Lehren Goldschmidts und Erik Wolfs ........ 253 aa) Goldschmidt .......................................... 254 bb) Erik Wolf ............................................ 262

XIV

Inhal tsverzeichnis ce) Neuere Stimmen ..................................... dd) Würdigung ........................................... b) Die Geldbuße als ethisch neutrale Rechtsfolge .............. e) Die Ansichten zur Frage des Strafcharakters der Geldbuße ..

263 269 274 276

2. Die Strafe ............................ . ...................... 279 3. Die Geldbuße ........................... . .................... 288 X. Das Verhängen der Geldbuße: Verwaltungsausübung oder Rechtsprechung? ..................................................... 300

A. Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten und die Gesetze über Ordnungswidrigkeiten von 1952 und 1968 ...................... 300 1. Folgerungen aus der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten 300

2. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 .. a) Allgemeines ............................................ b) Die Bußgeldverhängung: ein materieller Verwaltungsakt? e) Das Bußgeldverfahren und sein Verhältnis zum Strafund Verwaltungsgerichtsverfahren ...................... d) Besonderheiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 ......................

304 304 306 314 328

3. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 .... 330 a) Allgemeines ............................................ 330 b) Kritische Bemerkungen ................................ 338 B. Verwaltungsausübung und Rechtsprechung .................. 349 1. Das Verhältnis der Verwaltung zum Recht ................. 353

a) Die Verwaltung als Verfolgung eigener Verwaltungszwecke außerhalb oder im Rahmen des Rechts .......... 353 b) Die Verwaltung als Rechtsanwendung .................. 363 2. Die Unterscheidung von Verwaltungsakt und Richterspruch a) Versuche zur Ableitung von Inhalt und Umfang der rechtsprechenden Gewalt aus dem Grundgesetz, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht .................... b) Verwaltungsakt und Richterspruch .................... c) Die Anwendung der Unterscheidung auf das Ausüben der staatlichen Strafgewalt ................................ aa) Die Lehre vom Strafanspruch ...................... bb) Die Verselbständigung des Strafausspruchs und sein Erkenntnischarakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ce) Der Strafausspruch als Vergewisserung über die begangene Tat in einem besonderen Verfahren. Die Strafgewalt als Rechtsschutzgewalt ................

377 377 397 412 412 423 431

Inhaltsverzeichnis

xv

dd) Ergänzende Bemerkungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 438 a) Der Rechtsprechungscharakter der Strafverhängung in der geschichtlichen Entwicklung ......... 438 ß) Die vereinfachten Verfahren .................... 450 3. Das Verhängen der Geldbuße ............................ 456

Schlußbemerkung der Herausgeberin

466

Schrifttum

472

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. Abs. AcP AE a.F. Anm. AO AöR ARSPh. Art. Auf!. BAnz. BayObLG BayObLGSt. BB bes. Bd. Bde. BFH BGBI. I, II BGH BGHSt. BGHZ BK Bundestagsdrucksache BVerfGE BVerfGG BVerwGE BZRG bzw. DAR ders. d.h. d.i. Diss. DJZ DNotZ DÖV DRZ

am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis Alternativentwurf (siehe Schrifttumsverzeichnis) alte Fassung Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Auflage Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen (zitiert nach Jahrgang) Der Betriebs-Berater besonders Band Bände Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt, Teil I, Teil II Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bonner Kommentar (siehe Schrifttums verzeichnis) zitiert nach Legislaturperiode (römische Zahl) und Nummer (arabische Zahl) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralregistergesetz bezieh ungsweise Deutsches Autorecht derselbe das heißt das ist Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Rechts-Zeitschrift

Abkürzungsverzeichnis DRiZ DStr DStRZ DVBl. E E 1962 EGGVG EGOWiG EGStPO EOWiG (EOWiG 1966) Erl. Evang. Staatslexikon EWG f.

H. FR GA Ges. GesBl. GG ggf. Grundrechte

GS GS GVG GVBl. GWB Halbbd. HdbDStR HdR HDSW

hrsg. HWBKrim

XVII

Deutsche Richterzeitung Deutsches Strafrecht Deutsche Strafrechtszeitung Deutsches Verwaltungsblatt Entwurf Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 (mit Begründung) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Entwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit Begründung. Bundestagsdrucksache V/1269 Erläuterung Evangelisches Staatslexikon, herausgegeben von Hermann Kunst und Siegfried Grundmann in Verbindung mit anderen, 1. Auflage, Stuttgart und Berlin, 1966 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgend folgende Finanz-Rundschau Goltdammer's Archiv für Strafrecht Gesetz Gesetzblatt für Baden-Württemberg Grundgesetz gegebenenfalls Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, herausgegeben von Karl August Bettermann, Hans earl Nipperdey und Ulrich Scheuner, 3. Band, 1. und 2. Halbband, 4. Band, 2. Halbband, Berlin, 1958, 1959, 1962 Der Gerichtssaal Gesetzsammlung (preußische) Gerichtsverfassungsgesetz Gesetzes- und Verordnungsblatt (Baden) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) Halbband Handbuch des Deutschen Staatsrechts, herausgegeben von Gerhard Anschütz und Richard Thoma, 2 Bände, Tübingen, 1930, 1932 Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, herausgegeben von Fritz Stier-Somlo und Alexander Elster, 7 Bände, Berlin und Leipzig, 1926-1931 Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, zugleich Neuauflage des Handwörterbuch der Staatswissenschaften, herausgegeben von Erwin v. Beckerath und anderen, 12 Bände, Stuttgart, Tübingen und Göttingen, 1956-1965, 1 Registerband, 1968 herausgegeben Handwörterbuch der Kriminologie, herausgegeben von Alexander Elster und Heinrich Lingemann, 2 Bände, Berlm und Leipzig, 1933, 1936

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

i. d. F.

IKV

i. S.

JMBlNRW

JR Jur. Diss. Jur.-Jahrb. JuS JW JZ KO LK Masch.-Schrift m.a.W. MDR N.C.C. NdsRpfl. n.F. Niederschriften NJW Nr. OGHSt. o.J. OLG OVG OWiG OWiG 1952 OWiG 1968 Protokolle PS PVG RAO Rdn. Referentenentwurf RGBl. I, II RGSt. Rpfl.

S.

SchwZStr SJZ

= =

in der Fassung Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung im Sinne Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Juristische Dissertation Juristen -Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift J uristenzei tung Konkursordnung Leipziger Kommentar (siehe Schrifttumsverzeichnis) Maschinenschrift mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Novum Corpus Constitutionum (siehe Schrifttumsverzeichnis) Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission (siehe Schrifttumsverzeichnis) Neue Juristische Wochenschrift Nummer Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen ohne Jahr Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 Protokolle über die Beratungen des Sonderausschusses "Strafrecht" (zitiert nach Legislaturperiode und Seitenzahl) Pferdestärke Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 Reichsabgabenordnung Randnote Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und und anderer Gesetze vom 17. Dezember 1980 (Bundesminister der Justiz [hektographiert]) Reichsgesetzblatt, Teil I, Teil II Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Der Deutsche Rechtspfleger Seite Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Süddeutsche Juristen-Zeitung

Abkürzungsverzeichnis sog. Sp. Staatslexikon

XIX

sogenannt Spalte Staatslexikon Recht Wirtschaft Gesellschaft, herausgegeben von der Görres-Gesellschaft, 6. Auflage, 8 Bände, Freiburg im Breisgau, 1957-1963, 3 Ergänzungsbände, 1969, 1970

StGB StPO 2. StrRG Stud. gen. StVG u.ö. usw.

vnA

vnR Verw.-Arch. vgl. Vorbem. VRS

VVDStRL VwGO WiGBl. WiStG (auch WStG zitiert) z.B. ZfvglRW ZJBlBrZ ZRP ZStW ZZP

z. Zt.

Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Zweites Strafrechtsreformgesetz Studium generale Straßenverkehrsgesetz und öfters und so weiter Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts. Allgemeiner Teil. Bände I-VI, Berlin, 1908, Registerband, 1909 Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts. Besonderer Teil. Bände I-IX, Berlin, 1905-1907, Registerband, 1909 Verwaltungs-Archiv vergleiche Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sarnmlung Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Wirtschaftsstrafgesetz zum Beispiel Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zentral-Justizblatt für die Britische Zone Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß (ab Band 64); vorher Zeitschrift für Deutschen Zivilprozeß zur Zeit

Einleitung Die rechtsgeschichtliche und die rechtsvergleichende Untersuchung konnten kein hinreichend praktisches Vorbild eines Ordnungs- oder Verwaltungswidrigkeitenrechts im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 zeigen. Vielmehr ergab sich, daß die geschichtlichen Erscheinungen, die manche für die Lehre von den Verwaltungsoder Ordnungswidrigkeiten in Anspruch nehmen wollen, auf anderen Voraussetzungen beruhen und daher eine andere Bedeutung haben als das Recht der Ordnungswidrigkeiten, und ebenso führte die Rechtsvergleichung nicht zu dem zwingenden Schluß, die Absonderung sogenannter Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten von den eigentlichen strafbaren Handlungen liege bereits in der Natur der Sache, denn dies hätte deutlich auffindbar durch die positiven Rechtsgestaltungen hindurchscheinen und demzufolge ohne weiteres rechtsvergleichend-empirisch festzustellen sein müssen. Damit ist freilich noch nicht ausgeschlossen, daß es für uns solche Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten (der Sache nach und nicht nur infolge einer entsprechenden Benennung) gibt und der mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz eingeschlagene Weg notwendig und richtig ist. Um dies jedoch beurteilen zu können, bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit den Lehren von den Ordnungs- oder Verwaltungswidrigkeiten und ihren Begründungen, soweit sie noch heute wirksam sind oder sein können. Nachfolgend soll daher versucht werden, den Gedanken von der Eigenständigkeit des sogenannten Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeitenrechts und seiner Sonderstellung gegenüber dem (Justiz- oder Kriminal-)Strafrecht vom jetzigen geschichtlichen Standort des deutschen Rechts aus vornehmlich auf der Grundlage der Ergebnisse, die die rechtsgeschichtliche Darstellung hinsichtlich der geistigen Voraussetzungen jener Lehren erbracht hat, zu überprüfen. Bei diesem Unternehmen kann man sich keineswegs, wie Richard meint, "auf einen gesicherten Lehrbestand stützen". Es bedarf

Langet

1 JZ 1956, S. 519. Zustimmend Patzig, Verw.-Arch. 50 (1959), S. 341; ähnlich BGHSt. 11, S.263, 264; dagegen Welzet, JZ 1957, S. 131; Kern, Rpfl. 1960, S. 269. Es ist auch irrig, wenn Michels (S. 2, 21) im Anschluß an Richard Lange behauptet, die Frage, ob es überhaupt Ordnungs- oder Verwaltungs-

1 Mattes

2

Einleitung

noch "einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt", denn die Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten hat nicht vermocht, "hinlänglich deutliche Kriterien für die Sonderart des Verwaltungsunrechts herauszuarbeiten, so daß sie letzten Endes über einen Appell an das Gefühl nicht hinausgekommen ist"2. Dennoch scheint die wissenschaftliche Erörterung über die Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten schon seit Jahren und insbesondere seit Einführung des Ordnungswidrigkeitengesetzes von 1952 zum Stillstand gekommen zu sein3 • Eine Überprüfung der Grundlagen hält man im allgemeinen nicht mehr für erforderlich; zweifelnde oder gar ablehnende Stimmen sind spärlich und finden in der Literatur kaum Widerhall. Überblickt man die Äußerungen im Schrifttum zu unserer Frage, so möchte man meinen, die Unterscheidung von Kriminal- oder Justizstrafrecht und Ordnungswidrigkeiten sei so selbstverständlich, daß eine tiefergehende Begründung als mit einigen allgemein gehaltenen Wendungen oder gar der Versuch, brauchbare (insbesondere für den Gesetzgeber verwertbare) Unterscheidungsmerkmale herauszuarbeiten, die die Abgrenzung nicht zu einer reinen Ermessensfrage machen, für eine überflüssige Mühewaltung gehalten werden müsse. Nur Eberhard Schmidt macht eine Ausnahme. Aber obwohl seine Abgrenzungsformel (§ 6 WiStG 1949) nicht allgemein anerkannt ist' und auch dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 nicht eingefügt wurde5, unternimmt man keine ernsthaften Versuche zu einer Lösung des Abgrenzungsproblems. Es ist daher nicht verwunderlich, daß selbst das grundlegende Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 in allen drei Lesungen ohne Aussprache verabschiedet wurde6 • widrigkeiten gebe, die gegenüber dem kriminellen Unrecht andersartig (im Sinne der Lehre) seien, habe der Gesetzgeber ein für allemal im positiven Sinne entschieden: Diese Frage kann der Gesetzgeber gar nicht entscheiden. 2 So richtig Welzel, JZ 1957, S. 132. 3 Erst in neuerer Zeit gibt es wieder Veröffentlichungen (z. B. von Eser, Michels, Steiner, Friedrich, Bolenius, [von HeydenJ), die sich eingehender mit der Lehre zu befassen suchen. 4 Vgl. z. B. Nüse, JR 1949, S. 401 ff.; Bockelmann, zstW 66 (1954), S. 121 ff.; 70 (1958), S. 654; Siegert, BB 1953, S. 393 f.; Gallas, Niederschriften, T, S. 87; Jescheck, DÖV 1953, S. 543; derselbe, JZ 1959, S. 460; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, II, S. 348; Baumann, Verkehrsgefährdung, S. 169; Sax, Grundrechte, III 2, S. 920, Anm. 38; Sommer, Abgrenzung von Wirtschaftsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten; Bericht der vom Straßenverkehrssicherheitsausschuß eingesetzten Kommission, S.7. 5 Bemerkenswert ist ferner, daß die Große Strafrechtskommission zwar an der Schaffung eines Ordnungswidrigkeitenrechts festhalten wollte, sich aber nicht auf eine bestimmte Beschreibung der Ordnungswidrigkeiten festgelegt hat. 6 Lang-Hinrichsen meint, die Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten scheine sich auf dem Wege zu befinden, Allgemeingut der Rechtsüberzeugung

Einleitung

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Dennoch erweckt diese offenbar keinen Zweifeln Raum gebende Selbstsicherheit Mißtrauen und fordert zu einer Nachprüfung heraus. Das Problem enthält vorab drei Fragestellungen. Die erste Frage ist die nach der Verschiedenartigkeit und Abgrenzbarkeit von kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten im Bereich des materiellen Unrechts, die zweite die nach der Verschiedenartigkeit der Rechtsfolgen (ob es sich bei der Ordnungsbuße um eine Strafe handelt, insbesondere, ob sie eine "bloße" Verwaltungsfolge sein kann) und die dritte die nach der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und dem Verwaltungsverfahren. Mit der Antwort auf eine Frage ist noch nicht unmittelbar die auf die andere gegeben. Von einem Ordnungswidrigkeitenrecht, wie es aus der Sicht der Lehre und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zu verstehen ist, kann man jedoch nur bei einer bejahenden Antwort auf alle drei Fragen sprechen7 • Im Verlauf der folgenden Erörterungen wird eine Reihe von Einzelproblemen zur Sprache kommen, zu denen Stellung zu nehmen der Gang der Untersuchung erheischt. Dabei ist es jedoch, um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, in der Regel nur möglich, die eigene Stellungnahme zu den erwähnten Einzelfragen unter Verzicht auf die Mitteilung des vollen Sach- und Streitstandes lediglich insoweit zu formulieren, wie es für die weitere Behandlung der Lehre in Deutschland zu werden (Goh 1957, S. 226, 227). Dagegen zählt Patzig das Recht der Ordnungswidrigkeiten "noch nicht zum gesicherten Bestand unseres Rechtslebens" (DÖV 1962, S. 739; siehe aber auch oben S. 1, Anm.l). 7 Dies verkennt Michels, S. 30 ff. Daß die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ihrem Wesen nach "Straf"-Recht sei, steht jedenfalls nicht in Einklang mit den Grundsätzen und Zielen der auf Goldschmidt zurückgehenden Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten, auf denen das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 ausweislich seiner Begründung (wie schon das Wirtschaftsstrafgesetz von 1949) beruht. Es ist gerade der Entstehungsgrund und das Bestreben jener Lehre, sogenannte Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten aus dem Strafrecht auszuscheiden und sie als zum Bereich nicht der Rechtsprechungs- (Justiz-), sondern der Verwaltungshoheit des Staates gehörig zu erweisen. Nur deshalb konnte man behaupten, die Einführung des Ordnungswidrigkeitenrechts diene der Durchführung des Gewaltenteilungsgrundsatzes, indem sie eine neue Gestaltung des Verhältnisses zwischen Justiz und Verwaltung versuche und der Justiz gebe, was der Justiz, der Verwaltung, was der Verwaltung sei (nämlich die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten; ob das Gesetz dabei folgerichtig verfuhr, ist eine andere, an dieser Stelle nicht interessierende Frage). Wollte man, wie es Michels tut, den notwendigen Zusammenhang der Verwaltungsbußgewalt mit der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten leugnen, so könnte man schon deshalb diese Lehre nicht aufrechterhalten (anders vom Standpunkt der Lehre vom ethisch indifferenten Unrecht). Es zeigt sich bereits hier, daß die Ansicht Richard Langes, auf der die Arbeit von Michels beruht, sich nicht ohne weiteres in die herkömmliche Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten einfügt. Dieser entspricht es vielmehr, wenn Patzig meint, beim Ordnungswidrigkeitenrecht handele es sich "ganz allgemein um die ,Straf'-Befugnis der Verwaltung" (Verw.-Arch. 50 [1959], S. 340). I"

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Einleitung

von den Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich erscheint8 • Jenseits der Ziele dieser Arbeit liegt die Beschäftigung mit der kriminalpolitischen Forderung nach einer Beschränkung des Strafrechts, soweit sie vom Problem der Ordnungswidrigkeiten unabhängig ist. Diese Forderung geht in zwei Richtungen: einmal, viele Handlungen, die jetzt Delikte sind, überhaupt aus dem Bereich des strafrechtlich erheblichen Unrechts (der strafrechtlichen oder strafrechtsähnlichen Sanktionen) zu entlassen, zum andern, bestimmte Handlungen nicht mehr mit eigentlich kriminellen Sanktionen zu belegen. Nur die zweite Alternative kann sich mit der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten berühren, ohne jedoch auf sie beschränkt zu sein

8 Soweit es sich jedoch unmittelbar um die Ordnungswidrigkeitenlehre selbst handelt, hat sich der Verfasser bemüht, die Auseinandersetzung mit der Literatur auch möglichst weitgehend sichtbar werden zu lassen und zu belegen.

I. TIbersicht über die Literaturmeinungen zur behaupteten Verschieden artigkeit von kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten 1. Bemerkungen zur Terminologie Zunächst soll eine Bestandsaufnahme der in der Literatur geäußerten Meinungen versucht werden. Dabei erscheinen einige Bemerkungen zur Terminologie angebracht: Für die aus dem kriminellen Strafrecht auszuscheidenden Handlungen verwendet man heute Bezeichnungen wie "Polizeidelikt" , "Polizeistrafrecht" und dergleichen in aller Regel nicht mehr, was angesichts des Sinnes, die sie nach der alten Lehre vom Polizeistrafrecht hatten, und der heute viel umfassenderen Bedeutung von "Verwaltung" nur natürlich ist1 ; man spricht statt dessen vielfach von "Verwaltungsunrecht", meistens aber von "Ordnungsunrecht" und "Ordnungswidrigkeiten", wobei im allgemeinen begrifflich kein Unterschied gemacht wird. Da die fraglichen Handlungen nicht mehr zum Strafrecht gehören sollen, unterläßt man auch Zusammensetzungen mit "Strafrecht" wie "Verwaltungsstrafrecht". Dem Ausdruck "Verwaltungsunrecht" ist allerdings aus sprachlichen und sachlichen Gründen der Ausdruck "Verwaltungswidrigkeiten" vorzuziehen; nur er wird daher in dieser Arbeit verwendet. Entsprechend unterbleibt die Bezeichnung "Ordnungsunrecht"2. Der Name "Verwaltungswidrigkeit" verweist auf die Lehre vom Verwaltungsstrafrecht, wie sie von Goldschmidt begründet und von seinen Nachfolgern fortgeführt worden ist, und kann auch nur von daher die ihm zukommende Bedeutung erhalten. Die Ordnungswidrigkeit hingegen ist in sich mehrdeutig. Sie umfaßt verschiedene Ursprünge und kann sowohl eine Synthese darstellen als auch eine Verschiedenartigkeit des jeweils gemeinten Inhalts verdecken. Als "Ordnungswidrigkeit" bezeichnete die im I. Band, S.163 ff., angeführte Lehre das ethisch indifferente Unrecht, das demzufolge an keine weitere Voraussetzung gebunden sein soll als die, daß es nicht im Widerspruch zur Sittenordnung steht, somit nicht notwendig auf die 1 Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte dabei auch eine Abneigung gegen den Gebrauch des Wortes "Polizei" spielen. 2 Die Qualität des "Unrechts" ist damit jenen Handlungen nicht abgesprochen, wohl aber meines Erachtens klarer und sprachlich richtig hervorgehoben, daß es sich im Sinne einschlägiger Lehren um "verwaltungswidriges" oder "ordnungswidriges" Unrecht handeln soll.

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

"Verwaltungswidrigkeit" beschränkt ist und nicht ursprünglich in den Bereich der Verwaltung gehört. Auch jetzt versteht man die "Ordnungswidrigkeit" vielfach in dieser Weise als sittlich indifferentes Unrecht. Sie kann jedoch auch - und so wird sie ebenfalls oft verstanden - einen Verstoß gegen die Ordnung als eine für das allgemeine Wohl, ein erträgliches und dem einzelnen förderliches Zusammenoder Nebeneinanderleben vieler zwar notwendige, aber doch die gerechte Gestaltung der Beziehungen (die rechtlichen Beziehungen) der einzelnen Menschen zueinander nicht berührende Einrichtung bedeuten, die als "gute Ordnung des Gemeinwesens" nicht auf rechtliche Ziele angelegt (nicht "gerechte" Ordnung), sondern eine - nach verbreiteter Ausdrucksweise - bloß "zweckmäßige" Ordnung zum möglichst "reibungslosen" Funktionieren des Nebeneinander ungezählter Individuen bei gewissen Lebensäußerungen und zur störungsfreien Verfolgung gemeinsamer Zwecke3 ist, welche der verwaltende Staat aufzurichten und zu wahren hat, so daß sie als bloße Verwaltungsordnung (im Gegensatz zu der im vorbezeichneten Sinne materiell verstandenen Rechtsordnung) ein Fürsorgeobjekt der Verwaltung wird. Die Ordnungswidrigkeit ist damit im wesentlichen nichts anderes als die Verwaltungswidrigkeit im Sinne der Goldschmidtschen Lehre, und zwar auch dann, wenn die Betonung nicht auf der Verletzung eines Interesses der Verwaltung, sondern eines (von der Verwaltung zu fördernden) Interesses an der allgemeinen Ordnung oder Wohlfahrt liegt; entscheidend ist nicht die Subjektivierung dieses "Verwaltungsinteresses" zu einem Interesse des verwaltenden Staates, sondern seine Auffassung als eines Interesses, das Verwaltungszwecken dient, die gerade nicht auf Verwirklichung von Rechtswerten, rechtlich wertvoller Ziele (eines gerechten Zusammenlebens) gerichtet sind, also nicht unter den Anforderungen der Gerechtigkeit stehen. Als Verstoß gegen eine lediglich zweckmäßige, bloß auf Verwaltungsziele gerichtete Ordnung, die man als solche gerne nicht für ethisch begründet erachtet, kann der Ordnungswidrigkeit dann das (nunmehr nicht ursprüngliche, sondern abgeleitete) Prädikat der sittlichen Indifferenz beigelegt werden. Auch kann man jene Ordnung (Verwaltungsordnung) als einen Teil der Rechtsordnung auffassen; aber in der Sache wird durch diese Modifikationen nichts geändert: Gliedert man die Ordnung, gegen die die Ordnungswidrigkeit verstößt, in die Rechtsordnung ein, so handelt es sich hierbei doch nur um einen nicht eigentlich auf Verwirklichung rechtlicher Ziele oder Werte (materieller Gerechtigkeit) hin angelegten, sittlich begründeten, sondern letzten Endes um einen ihres eigent3 Womit diese Ordnung in einen Gegensatz zu der im materiellen Sinne auf den Anforderungen der Gerechtigkeit gegründeten - "rechtlichen" Ordnung gerät. Siehe auch unten S. 93 ff.

1. Bemerkungen zur Terminologie

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lichen Gehalts entleerten Teil der Rechtsordnung, der nur noch formell zur Rechtsordnung gehört, ohne doch den ihrem Begriff entsprechenden materiellen Anforderungen zu genügen - also bloß um eine "Ordnung" in den für Rechtssätze bestimmten Formen. Damit kommen wir zugleich zu einer weiteren Bedeutung, die sich mit der "Ordnungswidrigkeit" verbunden findet, nämlich dem nur formell rechtswidrigen Verstoß ohne den materiellen Gehalt der Rechtswidrigkeit (dem Verstoß gegen ein formelles Gebot oder Verbot). Schließlich wäre zu beachten, daß heute in vielen Wortzusammensetzungen "Ordnung" an die Stelle von "Polizei" getreten ist, so daß die Ordnungswidrigkeit auch die "Polizeiwidrigkeit" sein könnte, was indessen, wenn man hierbei an die alte Lehre vom Polizeistrafrecht denkt, auf eine historisch längst überholte Vorstellung hinausliefe4 • Die verschiedenen Wortbedeutungen, die beim Gebrauch insbesondere der Bezeichnung "Ordnungswidrigkeit" im Spiele sind (wobei es nicht darauf ankommt, ob die einzelnen Schriftsteller eine von ihnen gewählte Bedeutung jeweils in vollem Umfang übernehmen), möge man im Auge behalten, ohne daß damit freilich die Auffassungen über das Wesen der "Ordnungswidrigkeiten" genannten Handlungen bereits erschöpft wären. Jedoch zeigt sich, was hier vor allem wichtig ist, daß die einst mit der Lehre vom ethisch indifferenten Unrecht gewollte Abkehr von der Verwaltungsstrafrechtstheorie in dem Wort "Ordnungswidrigkeit" nur höchst ungenügend ausgesprochen ist, dieses vielmehr von seiner Wortbedeutung her die Bestimmung des Begriffs der Ordnungswidrigkeit auch an Hand der wesentlichen Gedanken der Verwaltungsstrafrechtslehre zuläßt. So kann man von vornherein nicht erwarten, im heutigen Schrifttum werde die Ordnungswidrigkeit einfach als das ethisch indifferente Unrecht im Sinne jener Lehre verstanden; sie ist statt dessen, wie gezeigt, mehrdeutig und hindert nicht, sogar in derselben Definition Gedanken verschiedenartigen Ursprungs nebeneinanderzustellen, was jedenfalls so lange nicht zur Klärung beitragen kann, als darüber keine Rechenschaft gegeben wird. Eindeutig ist hingegen die Bezeichnung "Verwaltungswidrigkeiten", und sie wird daher nachfolgend auch nur in diesem einen Sinne gebraucht; der Ausdruck "Ordnungswidrigkeiten" muß jedoch, soweit er nicht durch Ergänzungen eindeutig wird, seine Mehrdeutigkeit behalten. Die "Lehre von den Ordnungswidrigkeiten" ist demnach hinfort, wenn 4 Vom "polizeilichen Unrecht" spricht z. B. noch Müller, straßenverkehrsrecht, 21. Auf!., S. 726: Es bestehe im "bloßen Ungehorsam gegen Ge- oder Verbote". Ähnlich auch Kohlhaas (siehe unten S. 10, Anm. 11); vgl. ferner Bettermann (unten S. 11, Anm. 32). Ebenfalls will Lackner wieder auf den Gedanken des polizeiwidrigen Unrechts zurückgreifen (Jur.-Jahrb. 4 [1963/64],

S. 78 f.).

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

nichts anderes bemerkt wird, nicht auf die Lehre vom ethisch indilferenten Unrecht beschränkt, sondern im umfassenden Sinne gemeint.

2. Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten und ihre Spielarten im Schrifttum Die Erörterungen in der Literatur über die Eigenart der Ordnungswidrigkeiten lassen als grundlegende Gedanken im wesentlichen, wie schon nach den vorangegangenen Bemerkungen zu erwarten ist, die des bloß verwaltungswidrigen Unrechts (Hinderung oder Nichtförderung der Verwaltungstätigkeit, der Erfüllung von Verwaltungs- beziehungsweise Wohlfahrtsaufgaben, Verletzung der nur das äußere Nebeneinanderleben vieler Menschen betreffenden Regeln des verwaltenden Staates, Ungehorsam gegenüber den Verwaltungsanordnungen oder reinen Ordnungsgeboten oder -verboten) und des ethisch belanglosen oder neutralen Verhaltens, ferner den des Verstoßes gegen naturrechtlich nicht begründete oder "künstliche" Verbote oder Gebote rein situationsbedingter Zweckmäßigkeit erkennen. Sie werden, wie die anschließende Übersicht zeigt, häufig ohne Klärung ihres gegenseitigen Verhältnisses nebeneinander verwendet. Insbesondere wird die Verwaltungswidrigkeit gern mit dem Prädikat der sittlichen Wertneutralität verbunden5 • Dies ist kennzeichnend einerseits für eine (meist nicht klar erkannte) Beschränkung des Ethischen im Prinzip auf Individualbeziehungen (ohne daß dies jedoch immer daran hinderte, von Gemeinschaftsethik und sittlichen Gemeinschaftswerten zu sprechen) und andererseits für die sittliche (und dann auch rechtliche) Abwertung der die Gemeinschaft als solche betreffenden Angelegenheiten. Die führende Stellung kommt Eberhard Schmidt zu, dessen Lehre bereits wiedergegeben wurde8 • Auf sie stützen sich die meisten Befürworter des Ordnungswidrigkeitengedankens weitgehend, teilweise ohne eigene Formulierungen zu entwickeln7 • Doch enthalten ihre Ausführungen oft heterogene Gesichtspunkte, ja manche Widersprüche und im allgemeinen wenig oder gar keine Begründung. Die Verwaltungsrechtslehre hat im ganzen zur Entwicklung der Lehre von den Ordnungs5 Wobei häufig offenbleibt, ob die sittliche Wertneutralität nur aus der angeblich bloß verwaltungswidrigen Natur bestimmter Handlungen folgen oder ein ursprüngliches Merkmal sein soll. e Siehe Band I, S. 174 ff. 7 Wie z. B. Bergold, NJW 1952, S. 405; Cordier, NJW 1959, S. 2151; RahnGrimsinski, Anm. 1 zu § 6 (S.l1), Vorbem. S. VI; auch Patzig, Einführung, S. 3 ff.; und andere. Mitunter wird auch vom "eigenen Unrechtsgehalt" der Ordnungswidrigkeiten gesprochen (vgl. z. B. OLG Celle, MDR 1960, S. 697 NdsRpfl.. 1960, S. 46), ohne daß klar würde, worin man ihn jeweils sieht.

2. Die Lehre und ihre Spielarten im Schrifttum

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widrigkeiten kaum etwas beigetragen8 ; auch in neueren Lehrbüchern findet man oft keine Bemerkung, die über einen gelegentlichen Hinweis auf das geltende Recht hinausgeht9 • Daran zeigt sich, daß die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten in der Verwaltungsrechtswissenschaft nicht heimisch geworden ist. Die wichtigsten Gesichtspunkte in der Literatur zur Kennzeichnung der Ordnungswidrigkeiten sind, entsprechend den aufgezeigten Grundlagen, die der bloßen Zuwiderhandlung gegen Vorschriften, die lediglich im Interesse einer reibungslosen Durchführung von Verwaltungs-(Wohlfahrts-) Aufgaben erlassen worden sind, des bloßen Ungehorsams gegenüber Gesetzes- oder Verwaltungsbefehlen, der Unbotmäßigkeit oder Lässigkeit in der Erfüllung von Pflichten gegenüber der Verwaltung oder im Interesse des allgemeinen Wohles, der Zuwiderhandlung gegen reine Ordnungs- und Zweckmäßigkeitsvorschriften, der sittlichen Neutralität der Ordnungswidrigkeit, ihrer Abhängigkeit vom zeit- und ortsbedingten Willen des Staates. In dem ersten größeren Kommentar zum OWiG 1952 begnügte sich Rotberg mit einer zusammenfassenden Wiedergabe dieser Argumente, um den "Wesensunterschied" zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu begründen1'o. Ähnlich verwenden auch andere mehrere Gesichtspunkte nebeneinander. Der einzige Kommentar von verwaltungsrechtlicher Seite zum OWiG 1952 (von Patzig) verzichtet überhaupt auf den Versuch einer selbständigen Erfassung jenes Unterschiedes. 8 Dies bedauert z. B. Patzig, Verw.-Arch. 50 (1959), S. 339 ff., der aber (außer bei seiner Forderung, die gerichtliche Überprüfung der Bußgeldbescheide in die Hände der Verwaltungsgerichte zu legen) lediglich die von anderen (meistens Strafrechtlern) aufgestellten Formulierungen wiederholt. g Vgl. z. B. Forsthoff, S. 286, Anm. 4; H. J. Wolff, I, S. 246; 11, S. 187; B. Bender, Verwaltungsrecht, S. 129 f. 10 Er behauptet, die Ordnungswidrigkeiten seien Verstöße gegen Vorschriften, "die im wesentlichen ordnungsetzende oder -erhaltende Bedeutung haben", sich also "ihrer Natur nach nicht gegen die ethischen Grundwerte", die "für das sittliche Zusammenleben von Menschen wesentlichen Rechtsgüter", sondern nur gegen Normen richten, "an deren Beachtung die Verwaltung im Interesse reibungsloser Verwirklichung ihrer Aufgaben interessiert ist", gegen "Maßnahmen und Anordnungen, die aus Zweckmäßigkeitsgründen erlassen werden oder marktordnenden, gesundheitlichen oder technischen Zielen dienen" und deren Verletzung "keine Auflehnung der sittlichen Persönlichkeit gegen sozialethische Grundforderungen, vielmehr nur einen Ungehorsam, einen Mangel an Aufmerksamkeit, eine Unpünktlichkeit oder Lässigkeit gegenüber Verwaltungsnormen" enthält (noch 3. Auf!., Einführung, S. 25, 26). Die Ordnungswidrigkeiten würden "nicht auf sittlicher Ebene begangen" (a.a.O., S. 27); sie seien "Ungehorsamshandlungen gegenüber Ordnungsvorschriften mit vorwiegend verwaltungsmäßigem Charakter ... (Verwal tun g s u n r e c h t )", "Verstöße gegen Ordnungsnormen, denen keine sittliche Vorwerfbarkeit anhaftet", sittlich farblose Verwaltungswidrigkeiten (Strafe gegen Verbände, S. 215, 216), Straftaten dagegen "die mit sittlichem Unrechtswert versehenen Verstöße gegen Vorschriften ... , die dem Schutz

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

Als "Verstöße gegen die Interessen der Verwaltung", objektiv oder subjektiv aufgefaßte "Verwaltungsinteressen" oder Verwaltungszwekken dienende Regelungen, "Störungen im Verhältnis zwischen einzelnem und Verwaltung", "verwaltungswidriges Verhalten" wollen

Kohlhaas ll , Kleinknecht-Müller 12 , Schwarz-Kleinknecht 13 , Merk 14 , Rotberg 15 , Drost-Erbs 16, Schwarz-Dreher 17 , N ebinger 18 , Kääb-Rösch 19 , Schlegtendal 20 , auch Maurach21 , Rudolf Schmitt 22 , Michels23 , das Bundes-

der Grundlagen der Gesellschaft oder wesentlicher persönlicher Rechtsgüter dienen (k r i m i n e 11 e s U n r e c h t)" (3. Aufl., § 1, Anm. 1). Auch Kern meint (Rpfl. 1960, S. 269), die Zusammenstellung bei Rotberg enthalte "so verschiedenartige Dinge, daß sie nicht mehr auf einen Nenner gebracht werden können". 11 Erbs-Kohlhaas, 0187, Vorbem. 4, § 1, Anm. 5: Verstöße gegen (aus Zweckmäßigkeitsgründen erlassene oder technischen Zielen dienende) Normen, "auf deren Beachtung die Verwaltung im Interesse der reibungslosen Verwirklichung ihrer Aufgabe bedacht sein muß"; durch solche Zuwiderhandlungen werde nicht zugleich über den "verwaltungsmäßigen Interessekreis" hinausgegriffen. Kohlhaas nennt jene Normen sogar "Vorschriften polizeilichen Charakters" . 12 Siehe unten S. 14, Anm. 70. 18 Siehe unten S. 13, Anm. 60. 14 Verwaltungsrecht, I, S. 1002: Das Verwaltungsdelikt sei ein "die auf das allgemeine Wohl gerichteten staatlichen Zwecke der Verwaltung störendes und insoweit verwaltungswidriges Verhalten", das durch "ein von den Verwaltungsbehörden aufzuerlegendes übel" bekämpft werde, während strafrechtliches Unrecht ein "die Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des einzelnen (Leib und Leben, Ehre, Freiheit und Vermögen) verletzendes oder unmittelbar gefährdendes, in einem Rechtssatz durch die Gemeinschaft mißbilligtes sachliches, d. h. sittliches, Unrecht" darstelle; Strafrecht sei Rechtsgüterschutz durch Bekämpfung dieses Unrechts "mit einer durch Richterspruch aufzuerlegenden Sühne zur Sicherung der ,Lebensbedingungen der menschlichen Gemeinschaft'" . 15 Siehe oben S. 9, Anm. 10. IS § 6, Anm. I: "Störung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden". 17 § 27, Anm. 1 B. 18 Er will im Anschluß an Hofacker (Staatsverwaltung, S. 496) kriminelles Unrecht und Ordnungswidrigkeiten nach der "materiellen Unterscheidung von Rechtsgüterverletzungen und Verwaltungswidrigkeiten" trennen (Polizeistrafgesetz, S. 6 f.; vgl. ferner Verwaltungsrecht, S. 234, Anm. 8, S. 237, 241), ohne jedoch diese Begriffe näher zu erläutern. Auch Patzig greift wieder auf Hofacker zurück (Verw.-Arch. 50 [1959], S.343). 19 Einführung 37: "Verletzung von Normen, an deren Beachtung die Verwaltung im Interesse einer reibungslosen Verwirklichung ihrer Aufgaben interessiert ist"; jedoch werden auch der "Ungehorsam gegenüber den zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben erlassenen Vorschriften" und die ethische Indifferenz der Verwaltungswidrigkeiten hervorgehoben. 20 S. 36, 113. 21 Siehe unten S. 16, Anm. 95. 22 Maßnahmen gegen Verbände, S. 153 (nicht ohne Zweifel). 28 S. 69. Das staatliche Verwaltungsinteresse sei aber nur gesetzgeberische::o Motiv, nicht Gesetzesinhalt, Rechtsgrund der Bestrafung daher allein die formelle Gesetzesübertretung.

2. Die Lehre und ihre Spielarten im Schrifttum

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verfassungsgericht24 , der BundesgerichtshofS, das Bayerische Oberste Landesgerkht2G , Heuschmann 27 , Cordier 28 , Hans Mittelbach 29 , Jürgen Mittelbach 3o , Steiner31 die Ordnungswidrigkeit ansehen32 • Auf den "Ver-

waltungsungehorsam", die "Unbotmäßigkeit", die "Mißachtung eines bloßen Ordnungs- oder Verwaltungsbefehls", die Verletzung lediglich eines (ethisch indifferenten) "Gehorsamsanspruchs des verwaltenden Staates" oder den Gesetzesungehorsam32a stellen ab Henkel 33, Jagusch 3 4,

24 BVerfGE 8, S. 197, 207 (bloßes Verwaltungsunrecht); siehe auch unten S. 13, Anm. 61. 25 NJW 1955, S. 351 (siehe unten S. 13, Anm. 58); BGHSt. 12, S. 273, 276 ("bloßes Verwaltungsunrecht"); 13, S. 102, 110 ("bloße Ordnungsverstöße", sogenanntes "Verwaltungsunrecht"); 16, S. 399, 401 ("schuldhafte Verfehlung gegen die staatliche Verwaltungsordnung"). BGHSt. 11, S.263, 264, kennzeichnet das "Verwaltungsunrecht" als "bloßen Verwaltungsungehorsam" (siehe unten S.15, Anm.91). Vgl. auch BGHSt. 4, S. 1,4, wo den "sogenannten sittlich fundierten Strafrechtsnormen" Bestimmungen entgegengesetzt werden, "die aus Erwägungen sozialer oder rein staatlicher Zweckmäßigkeit formale Ordnungsvorschriften aufstellen". 26 BayObLGSt. 1955, S. 16, 18; 1961, S. 81, 83 (die Ordnungswidrigkeit sei "ein bloß der Ordnung widersprechendes Verhalten"; immerhin wird zugegeben, daß die Bußgeldvorschriften "zu einem großen Teil nicht eine Ord.. nung um ihrer selbst willen regeln", vielmehr "zur Erreichung eines sozial-, wirtschafts-, gesundheitspolitischen oder aus ähnlichen Gründen erstrebten Zieles"; für diese Zielsetzung seien jedoch weitgehend "Zweckmäßigkeitsgründe" maßgebend, während die "ethische Bewertung" höchstens [!] eine untergeordnete Rolle spiele); 1962, S. 208, 210. 27 S. 10 (ohne Vertiefung). 28 NJW 1959, S. 2151. 29 MDR 1958, S. 66: Verstoß gegen alles, was der Aufrechterhaltung der guten Ordnung dient. 30 S. 5, 10, 19. Zur Begründung eines "scharfen begrifflichen Gegensatzes" wird ein ganzes Konglomerat entliehener Argumente ohne eigene Verarbeitung vorgetragen (S. 4 ff.). 31 S. 83. Vgl. ferner Maunz-Dürig, Art. 103 Abs. !l, Nr. 114 ("Nichtachtung der äußeren Ordnung"); Lerche, HDSW 11, S. 296 f.; Salzmann, S. 39. 32 Auch Baumann wäre mit gewissen Äußerungen hier zu nennen, soweit er als Ordnungswidrigkeiten Verstöße lediglich gegen die "Ordnung" oder den "äußeren Ablauf" (etwa des Straßenverkehrs) auffassen will (Verkehrsgefährdung, S. 179). - Bettermann scheint die Verstöße gegen Polizeirecht als Ordnungswidrigkeiten zu verstehen, leugnet aber offenbar deren ethische Wertneutralität und nimmt nur "graduelle Unterschiede" an (Verkehrsgefährdung, S. 203, 206, 207). 30" Verwaltungs- und Gesetzesungehorsam werden in der Literatur oft nicht mehr getrennt und deshalb auch hier zusammen erwähnt. 33 Strafverfahrensrecht, 1. Aufl., S. 86 (während über die "echte" Straftat ein "ethisch begründetes Unwerturteil " gesprochen werde). Wie allerdings mit der weiteren Bemerkung, die Verwaltungsstellen seien "mit den in ihrem Bereich vorkommenden Zuwiderhandlungen vertrauter ... als die ... Gerichte", und die Ausübung der Bußgewalt hinge "ganz unmittelbar mit den von diesen Behörden zu bewältigenden Aufgaben" zusammen (S. 84), die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden begründet werden soll - insbesondere angesichts des geltenden Verfassungsrechts -, ist nicht ersichtlich. 3' LK, 8. Aufl .. Anm. A IV 1 vor § 13 (S. 92, 93). Für ihn ist die verletzte

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

Maurach 35 , Stoecker 36 , Schwarz37, Schwarz-Dreher 38, Rotberg39 , KääbRösch40, Ebisch4 t, Kohlhaas42, v. Turegg-Kraus43 , Drews-Wacke44, Arthur Kaufmann 45 , Ostermann46 , Cordier47 , Costa48 , Patzig 49 , MüllerS°, auch Norm "nach sittlicher Grundlage und Zweck anders geartet". Eine begriffliche Abgrenzung hält er für denkmöglich (ohne sich freilich näher darüber auszulassen), nur sei sie praktisch unter Umständen - unter welchen? - schwierig und deshalb dem Gesetz vorbehalten. 35 S.13. 38 Vorbem. H. 37 Vorbem. 1 B vor § 360; nach seiner Meinung fehlt sogar ein materielles Unrecht. 38 Vorbem. 1 B vor § 360: Ordnungswidrigkeiten im engeren Sinne (?) seien "bloßer Verwaltungsungehorsam" (vgl. § 27, Anm. 1 B: Ordnungswidrigkeiten als "Verwaltungsunrecht"). Siehe auch unten S. 14, Anm. 68. 39 Siehe oben S. 9, Anm. 10. 40 Einführung 37. 41 § 3, Anm. 1. 42 Erbs-Kohlhaas, 0187, Vorbem.4. 43 S. 305: "Ordnungswidrigkeiten sind Verwaltungsungehorsam und keine Straftaten. " 44 S.115. 45 Unrechtsbewußtsein, S. 184, 187, 188, 191, 192, 195: Die Ordnungswidrigkeiten seien "Ungehorsam gegenüber den Ordnungsbefehlen des Staates" ("Ungehorsam gegen eine gesetzliche Bestimmung"), nur "formell Unrecht'" (formeller Gesetzesungehorsam), von den Justizdelikten "wesensverschieden". Jedoch erschöpfe sich die Ordnungswidrigkeit nicht in der Zuwiderhandlung gegen das "Verbot schlechthin", denn der Staat könne nicht Verbote um ihrer selbst willen aufstellen; aber die materielle Grundlage bleibe gewissermaßen latent (S. 185). - In seinem Buch über das "Schuldprinzip" hat Arthur Kauf·· mann seine früher bezogene Stellung zwar offenbar grundsätzlich beibehal·· ten wollen, aber doch besonderen Wert darauf gelegt zu betonen, daß auelJ das Ordnungswidrigkeitenrecht (nicht jedoch das konkrete, gesetzlich ver· botene Verhalten für sich betrachtet) eine "materiale, sozialethische Grund.. lage" habe, denn der Staat erfülle lImit der rechtlichen Regelung diesel Materien eine sittliche Ordnungsaufgabe, und um deswillen ist es auch sitt· liche Pflicht, den zu diesem Zweck erlassenen Vorschriften Folge zu leisten'" (S. 136, 137). Der Staat könne aus sittlichen Gründen Gehorsam verlangen, von einem "sittlich indifferenten" Gehorsamsanspruch des Staates sei daher keine Rede, die Gehorsamspflicht stelle eine "echte Gewissenspflicht" dar (S. 200), und die (wenn auch erst durch das staatliche Verbot begründete) Strafwürdigkeit des verbotswidrigen Verhaltens sei "naturrechtlich oder sittlich fundiert" (S. 201). 48 S. 46 (ohne nähere Begründung). 47 NJW 1959, S. 2151. 48 Rpfl. 1952, S. 258; mitunter fehle ein erfaßbarer Unrechtsgehalt übelhaupt (was rechtfertigt es dann, die Tat mit Sanktionen zu bedrohen?). 49 Verw.-Arch. 50 (1959), S. 374: Die Ordnungswidrigkeit habe "ein Velsagen hinsichtlich der dem einzelnen obliegenden Gehorsamspflicht ohne ethischen Bezug" zum Gegenstand. 60 Straßenverkehrsrecht, S. 726: "Bloßer Ungehorsam gegen Ge- oder Verbote" als polizeiliches Unrecht.

2. Die Lehre und ihre Spielarten im Schrifttum

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Richard Lange 51 und Michels 52 , Steiner 53 und Friedrich53a, wohl ebenfalls Kern 54 , Westhoff55, Bernd Bender56 , schließlich neben dem Bundesverfassungsgericht57 der Bundesgerichtshof58 und das Oberlandesgericht Karlsruhe 59• Die Verwaltungswidrigkeit, der Verstoß gegen die staatliche Verwaltungsordnung, die, wie man meint, "technischen" Ordnungsregeln oder den "ethisch indifferenten Gehorsamsanspruch des verwaltenden Staates", wird durchweg als sittlich belanglos hingestellt60 ; er berühre die sittliche Persönlichkeit überhaupt nicht. Deutlich hat dies das Bundesverfassungsgericht im Einklang mit einer weit verbreiteten Meinung ausgesprochen61 • Im übrigen heben die sittliche NeuSiehe unten S. 20 ff. S. 51, 55 f., 57 f., 59 f., 70. 53 S. 70, 73 ff., 79, 81 ff. Er stellt Rechtsgüterbeeinträchtigung und Ungehorsam einander gegenüber; der Gesetzgeber knüpfe an den jeweils überwiegenden Vorwurf an. Der "spezielle Ungehorsam" der Ordnungswidrigkeiten sei stets unsittlich und gemeinschaftswidrig; er begründe den "sozialethischen Vorwurf des Ungehorsams". U ' S.193 f. 64 Rpfl. 1960, S. 269. 55 S.89. 58 Verwaltungsrecht, S. 129: Verletzung "der dem einzelnen gegenüber der Verwaltung obliegenden Pflichten". 57 Siehe unten Anm. 61. 58 NJW 1955, S. 351 ("Ungehorsam gegen Vorschriften", "bloßes Verwaltungsunrecht", das nur "die reibungslose Verwirklichung von Verwaltungsaufgaben", nicht aber "wesentliche Gemeinschafts- oder Individualwerte" berühre); BGHSt. 11, S. 263, 264 f. (siehe unten S. 15, Anm. 91); 12, S. 148, 153 ("bloßer Ungehorsam auf dem Gebiete der Verwaltung" beziehungsweise "gegen Verwaltungsvorschriften"); 18, S. 12, 16. Ähnlich auch Salzmann, S. 40. 59 NJW 1955, S. 1200 (das Ordnungsdelikt sei "nur Ungehorsam gegen sittlich indifferente Verwaltungsvorschriften", das kriminelle Delikt dagegen "ethisches Unrecht"). 60 Kennzeichnend hierfür sind Äußerungen wie etwa die bei SchwarzKleinknecht, die Ordnungswidrigkeit sei eine "Zuwiderhandlung gegen eine bloße Verwaltungsvorschrift, also ein Verhalten ohne ethisches Unrecht" (A 5, Vorbem. 1): Danach ist die sogenannte "Verwaltungsvorschrift" (auch in Gesetzesform) ein ethisches Nichts. Ähnlich z. B. Rotberg: "sittlich farblose Verwaltungswidrigkeit" (Strafe gegen Verbände, S. 216). Vgl. auch Baumann, Verkehrsgefährdung, S. 179: Gehorsam sei kein materieller Gemeinschaftswert, höchstens formeller Art. - Gegen eine derartige ethische Relativierung oder Neutralisierung der Gehorsamspflicht des Bürgers mit Recht deutlich Bettermann, Verkehrsgefährdung, S. 208. - Anders ferner Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 136 f., 200 f. (siehe oben S. 12, Anm. 45); Stein er (siehe oben Anm.53). 61 BVerfGE 9, S. 167, 171: Die Ordnungswidrigkeit sei keine "Auflehnung gegen die staatliche Rechtsordnung in einem grundsätzlichen Sinne", sondern "bloßer Ungehorsam gegen ,technisches', zeit- und verhältnisbedingtes Ordnungsrecht der staatlichen Verwaltung", der die "sittliche Persönlichkeit des Menschen überhaupt nicht berührt" und bei dem der Schuldvorwurf "die Sphäre des Ethischen nicht erreicht"; daher könne eine vom (allgemeinen) Strafrecht abweichende Regelung der Schuld bei den Ordnungswidrigkeiten niemals gegen die Menschenwürde verstoßen (I). U

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

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tralität der Ordnungswidrigkeiten hervor: Gallas62 , Schönke-Schröder 63 , KarZ Peters 64, Baumann65 , Rotberg66 , Henkel 67 , Schwarz-Dreher 68 , Schwarz-Kleinknecht 69 , Kleinknecht-Müller70 , Ebisch71 , Kohlhaas72 , Kääb-Rösch78 , Stoecker 74 , Schneider/Peren/Zee-Heraeus75 , Ernst RudoZf Huber76 , Sommer77 , Niese· 8 , Bockelmann79, Rudolf Schmitt 80 , Lackner81 , Niederschriften, I, S. 87 f. Vorbem.ll vor § 13: Sie trügen "keine sittliche Wertung in sich", während die kriminellen Taten "im Raum der sozialen Lebensinteressen Rechtsgüter" (bis zur 8. Auflage: "Gebote der Sittenordnung") verletzten. 64 Strafprozeß, 1. Aufl., S. 32: "Verwaltungsunrecht ist bloße Ordnungswidrigkeit, ein Verstoß, der keinen sozialethischen Gehalt hat oder außerhalb sozialethischer Betrachtung gestellt werden kann", kriminelles Unrecht dagegen "das schwerwiegende sozialethikwidrige Verhalten". Zur Begründung wird behauptet: "Wie es Tatbestände gibt, die ein stets schwerwiegendes sozialethikwidriges Verhalten umfassen, so gibt es Tatbestände, die ein stets ethisch belangloses Verhalten zum Gegenstand haben." Vgl. auch schon den Artikel "Polizeiwidrigkeit", HWBKrim H, 1. Aufl., S. 380 (Polizeidelikt als sozialethisch belangloses Delikt), und ferner Grundprobleme, S. 86; Grundfragen, S. 32 f. 65 S. 33 f.; Verkehrsgefährdung, S. 178 ff. Je weiter sich das Strafrecht von den Geboten des menschlichen Gewissens entferne (die enge Verbindung mit dem Sittengesetz aufgebe), desto mehr verliere es den Charakter des Kriminalstrafrechts. Der übergang sei aber flüssig. Auf Rechtsgüterverletzung komme es nicht an; eine solche könne auch eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Kriminelles Unrecht liege nur vor, "soweit die staatlichen Rechtsnormen dem Sittengesetz parallel laufen". Vgl. aber auch Staatslexikon, VIII, Sp.826: Der Verstoß gegen den Ablauf der Verwaltungstätigkeit könne nie (auch nicht durch die Einstellung des Täters) zur Kriminalstraftat werden, der gegen wichtige Interessen der Allgemeinheit sei nicht stets sittlichen Normen zuwider, wohl aber "in aller Regel" die Verletzung eines Individualrechtsgutes. 66 Siehe oben S. 9, Anm. 10. 67 Strafverfahrensrecht, 1. Aufl., S. 86. 68 Vorbem. 1 B vor § 360: Ordnungswidrigkeiten im weiteren Sinne (?) seien "Verstöße ohne sozialethischen Unrechtsgehalt"; siehe oben S. 12, Anm. 38. 69 Siehe oben S. 13, Anm. 60. 70 Einleitung 4 a. Verwaltungswidrigkeiten seien Verstöße gegen Ordnungsvorschriften, "die lediglich die Durchführung von Verwaltungsaufgaben ermöglichen sollen, aber kein ethisches Gebot enthalten". Die Grenzziehung bestimme der Gesetzgeber: "Wenn er Strafe vorsieht, stempelt er die Zuwiderhandlung zur Straftat." Demnach schafft er nicht nur die rechtlichen, sondern auch die ethischen Gebote (?) - womit jede Bemühung um Abgrenzungsmerkmale wieder überflüssig wird. 71 Einführung IH, § 3, Anm. 1. 72 Erbs-KohLhaas, O 187, Vorbem. 4. 73 Einführung 37: Es fehle das "ethisch vorwerfbare Unrecht der Tat". 74 Vorbem. 11. 75 Vorbem. vor § 6 (S. 31): Es handele sich "im Prinzip und Regelfall um kein ethisches Unrecht, sondern um Verstöße gegen Ordnungsregeln". 76 Wirtschaftsverwaltungsrecht, H, S.347. 77 S. 26 ff., 88 ff. 78 ZStw 70 (1958), S. 353. 79 Schuld und Sühne, S. 9. Vgl. auch DAR 1961, S. 187 f.; Verkehrsgefährdung, S. 192, 194. 80 Maßnahmen gegen Verbände, S. 153 (mit gewissen Zweifeln). 62

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v. Schlotheim 82 , Ostman von der Leye 83, Arthur Kaufmann 84 , Sax 8S , Cordier86, Bernd Bender87 , Bouska 88 , Wernicke 89 , wohl auch Engisch!!O, ferner der Bundesgerichtshof91, das Bayerische Oberste Landesgericht92 , das Oberlandesgericht Karlsruhe 93 • Soweit die sozialethische Wertneutralität der primäre Gesichtspunkt ist, kommt es auf eine (vorhandene oder fehlende) Rechtsgüterverletzung nicht entscheidend an94 • Als (die Beziehung des einzelnen zur Verwaltung nicht überschreitende) Verwaltungswidrigkeit oder als Ungehorsam gegenüber dem Gesetzes- oder Verwaltungsbefehl beziehungsweise dem bloßen Verbot soll sich die Ordnungswidrigkeit jedoch wesentlich gegen ein Verwaltungsinteresse (Verwaltungsgut) oder den staatlichen Gehorsamsanspruch (das Verbot als DAR 1960, S. 311 f.; Verkehrsgefährdung, S. 157. DAR 1960, S. 276. 83 S. 133, 144, 160. 84 In seinem Buch über das "Unrechtsbewußtsein" spricht er von "sozial und ethisch farblosen Delikten"; der Norminhalt sei "wertindifferent" (S. 191) beziehungsweise "materiell farblos" (S. 185). Im "Schuldprinzip" wird diese Ansicht näher dahin erläutert, daß in dem konkreten Verhalten als solchem, das gesetzlich verboten sei, "keine sozialethische Wertwidrigkeit zum Ausdruck" komme (S. 136), d. h. "das strafbare Handeln für sich betrachtet gar nicht mit sozialethischem Unwert behaftet" sei (S. 201); da aber "auch die ethisch scheinbar farblosen Gebote und Verbote des Nebenstrafrechts ... dem Schutz und der Verwirklichung sittlicher Güter" dienten, sei es "sittliche Pflicht", sie zu befolgen (S. 136 f.), und die durch sie erst begründete Strafwürdigkeit der Handlungen sei somit "naturrechtlich oder sittlich fundiert" (S. 201). Siehe auch oben S. 12, Anm. 45, und unten S. 17, Anm. 120. 85 JZ 1957, S. 6: "Verhaltensweisen, die eines greifbaren sittlichen Bezugs entbehren"; "ethisch farblose Verstöße gegen das technische Ordnungsgefüge unseres Gemeinschaftslebens". Siehe aber auch unten S. 29 ff. 8S NJW 1959, S. 2151. 87 Verwaltungsrecht, S. 129. 88 DAR 1962, S. 193. 8g NJW 1963, S. 327: Die Straftat stelle "einen sittlich nicht zu rechtfertigenden Einbruch in die ethische Sphäre" (!) dar (so ist der Satz jedenfalls gemeint), die Ordnungswidrigkeit sei dagegen nur ein Verstoß "gegen Anordnungen der Zweckmäßigkeit". 90 Unrechtstatbestand, S.402 (Gegenüberstellung von "sozialethisch qualifiziertem Strafrecht und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten"); zstW 76 (1964), S. 211 f., 215. 91 BGHSt. 11, S. 263, 264: Kriminelles Unrecht unterliege einem "besonderen ethischen Unwerturteil", die Verwaltungswidrigkeit erschöpfe sich im "bloßen Ungehorsam gegen einen Verwaltungsbefehl". g2 BayObLGSt. 1955, S. 16, 18 (die Ordnungswidrigkeit richte sich nicht gegen ethische Grundwerte) ; 1962, S. 208, 210 ("keine ethische Fehlhandlung"). 93 Siehe oben S. 13, Anm. 59. Vgl. auch Maunz-Dürig, Art. 103 Abs. 2, Nr. 114; Lerche, HDSW 11, S. 296. 8~ Vgl. z. B. Gallas, Niederschriften, I, S. 87 f.; Baumann, S. 33 f.; derselbe, Verkehrsgefährdung, S. 178. - Oehler will zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten "nach der Bedeutung der Rechtsgüter" abgrenzen (Zweckrnoment, S. 32); ähnlich Sax (siehe unten S. 29 ff.). 81

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solches) richten, dem die Rechtsgutqualität fehle, wovon etwa Maurach 9S , Eberhard Schmidt96, HenkeZ 97, Richard Lange 9S, MicheZs 99 , Merk 100 , Nebinger 101 , Kääb-Rösch102 , SchZegtendazt° 3 , Heuschmann 104 , Jürgen MitteZbach 105, Arthur Kaujmann 106, Maihojer 107 , Schönke-Schröder 10S, Steiner 109 , Friedrich l10 ausgehen111 • Demgemäß wird sogar ein mate95 S. 13 f.: Es fehle "ein konkretisierbarer Angriff auf materielle, überwiegend zeitlos geschützte Güter", handele sich vielmehr um den "Ungehorsam, allenfalls die Lässigkeit gegenüber überwiegend zeit- und verhältnisbedingten Sicherungsanordnungen des Verwaltungsstaates"; es entstehe "keine Rechtsgüterverletzung, kein ,Sozialschaden', sondern allenfalls eine Beeinträchtigung der zeit- und systemgebundenen Verwaltungstätigkeit des Staates". Ähnlich Salzmann, S. 39 f. Vgl. ferner Lerche, HDSW 11, S. 296 f. 98 Wirtschaftsstrafrecht, S. ~o f. 97 Strafverfahrensrecht, 1. Aufl., S. 86. 9B Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 14: Der Rechtsgutbegriff sei "Angelpunkt" für den Gegensatz von Kriminalstraftat und Ordnungswidrigkeit (im Sinne von Zuwiderhandlung). Vgl. aber auch Richard Lange, JZ 1957, S. 238: Die "Formalvorschriften" dienten ebenfalls dem Rechtsgüterschutz, der bei ihnen aber nicht Gesetzesinhalt, sondern nur Gesetzesmotiv sei. Siehe näher unten S. 20 ff. 99 S. 48 ff., 66 f., 69 ff. Die Zuwiderhandlung sei "bloß formelle Normübertretung", "reine Widrigkeit gegen das Recht in seiner bloßen Ordnungsfunktion", Verstoß gegen das (eine positive Ordnung schaffende) Gebot oder Verbot, aus dem sich erst die materielle Ordnungsstörung ergebe. Das "ganz spezielle staatliche Verwaltungs- oder Ordnungsinteresse", dem die Gebote und Verbote dienten, bilde kein Rechtsgut im materiellen Sinne; als bloße ratio legis werde es auch nicht Gesetzesinhalt. 100 Siehe oben S. 10, Anm. 14. 101 Polizeistrafgesetz, S. 6 f. 102 Einführung 37. 103 S. 50, 127. 104 105

S.10. S.5.

108 Unrechtsbewußtsein, S. 185: "Dem Ordnungsdelikt fehlt ... der dem Kriminalunrecht wesentliche materielle Inhalt einer Rechtsgutsverletzung"; es gebe zwar auch geschützte Rechtsgüter, die aber nicht unmittelbar angegriffen würden. 107 ZStW 70 (1958), S. 193 f. 108 Vorbem. 11 vor § 13: Rechtsgutverletzung als Gegensatz zu Delikten ohne sittliche Wertung. 109 Siehe oben S. 13, Anm. 53. Das Kriminalstrafrecht rüge übergriffe in fremde Rechtssphären (S. 75, 83 f.). 110 S. 193 f.: Rechtsgüterbeeinträchtigung im Gegensatz zu Verstößen gegen Vorschriften mit überwiegender Ordnungsfunktion. Hilfsweise wird das "sozialethische Unwerturteil" herangezogen. 111 Der Sache nach sind außerdem z. B. Rotberg (3. Aufl., Einführung, S. 26) und Kohlhaas (Erbs-Kohlhaas, 0 187, § 1, Anm. 5) hierher zu rechnen, die zwar davon sprechen, daß zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem geschützten "Rechtsgut" unterschieden werden müsse (ähnlich Cordier, NJW 1959, S. 2151), wobei aber die Abweichung von den Vorigen lediglich in der Terminologie liegt, denn das "Rechtsgut" der Ordnungswidrigkeiten ist auch bei ihnen nur das "Verwaltungsinteresse", dem gerade die für das strafrechtliche "Rechtsgut" als wesentlich angesehenen Eigenschaften fehlen sollen.

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rielles Unrecht der Ordnungswidrigkeit überhaupt oder jedenfalls der Tat als solcher geleugnet112 oder den Ordnungswidrigkeiten doch der "echte Unrechtsgehalt" abgesprochen113 • Es fehlt auch nicht der Vorschlag, daß das Kennzeichen des kriminellen Unrechts nur die "konkrete, sichtbare personale Schädigung" sein dürfe 114 • Das bloße Verbotensein1l5, die Zeit- und Ortsbedingtheit des Unrechts, die fehlende Unrechtlichkeit des Verhaltens als solchen vor allem gesetzlichen Verbot betonen beispielsweise Richard Lange l18 , Michels 117 , Maurach 118 , Maihofer 119 , Arthur Kaufmann 120 , das Bayerische Oberste Landesgericht121 ; 112 Vgl. z. B. Schwarz, Vorbem. 1 B vor § 360; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 137 (es fehle "ein schon vor aller rechtlichen Regelung bestehendes materielles Unrecht"); derselbe, Unrechtsbewußtsein, S. 183 ("kein Unrecht im materiellen Sinne"), S. 185 (das materielle Unrecht liege "nicht eigentlich in der mit Strafe bedrohten Handlung begründet"); ferner Richard Lange, für den die Zuwiderhandlungen erst durch das formelle Verbot eine materielle Wertwidrigkeit des Ungehorsams erhalten (siehe unten S. 20 ff.), und ihm folgend Michels, S. 48 ff., 66 ff. 113 So ausdrücklich der Bundesgerichtshof, BGHSt. 13, S. 102, 110. Maihofer nennt das kriminelle Unrecht den "Bereich der Unrechtshandlungen", ZStW 70 (1958), S. 193. 114 Schädigung oder konkrete Gefährdung "personbezogener Werte von sozialer Relevanz"; schädliche Auswirkung "im personalen Status", schuldhaftes Vergehen "am jeweiligen Personstatus anderer": Ostman von der Leye, S. 160, Anm. 19, S. 145, 147, 159. 115 Vgl. Arthur Kaufmann, Unrechtsbewußtsein, S. 191: "Unrecht ist hier nur deshalb Unrecht, weil es verboten ist." 116 Siehe unten S. 20 ff. Vgl. auch Engisch, Zstw 76 (1964), S. 211 f., 215. 117 S. 48 ff. 118 Siehe oben S. 16, Anm. 95. 119 ZStW 70 (1958), S. 193 f. Er spricht von einer "vorgegebenen Unterscheidung von Verhaltensweisen, deren Unwert ,im Grunde' in der Rechtsgutsverletzung oder aber der Rechtspflichtverletzung ... liegt"; die Rechtspflichtverletzung sei "eine bloße ,Rechtsverletzung'" (delicta per se und delicta mere prohibita). 120 Das als Ordnungswidrigkeit beschriebene Verhalten als solches zeige für sich - unabhängig von jedem gesetzlichen Verbot - betrachtet "keine sozialethische Wertwidrigkeit", in ihm liege noch kein materielles Unrecht (eine materiell verstandene "Verbotsmaterie" - einen Unrechtstatbestand - gebe es daher hier überhaupt nicht), strafwürdig werde es erst durch das gesetzliche Verbot: delieta mere prohibita (Schuldprinzip, S. 136 f., 201). Dem verbotenen Verhalten als solchen fehle die Sozialschädlichkeit, es sei "an sich oder doch in seiner Einzelerscheinung unschädlich und ungefährlich" (nur als Massenerscheinung gefährlich); es bleibe daher nur das aus Zweckerwägungen erlassene gesetzliche Verbot zur Begründung einer Wertwidrigkeit des an sich farblosen (wertindifferenten) Verhaltens (formeller Gesetzesungehorsam). Ordnungsstrafrecht sei somit "nur temporäres Recht", "nicht etwas Bleibendes, sondern trägt das Siegel des Vergänglichen aufgeprägt und ist fortwährenden Wandlungen und Umbildungen unterworfen. Im Gegensatz zu dem Kriminalstrafrecht hat es seinen Bestand nur in der gerade geltenden staatlichen Ordnung" (Unrechtsbewußtsein, S. 185 ff., 195). Siehe auch oben S. 12, Anm. 45, und S. 15, Anm. 84. 121 BayObLGSt. 1962, S. 208, 210: "Verstöße gegen zeit- und zweckbedingte Ordnungen mehr technischer Art".

2 Mattes

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der Norminhalt sei in diesen Fällen indifferent (ohne materielle Unwertigkeit), es komme als wesentlich nur darauf an, daß überhaupt eine Regelung bestehe, nicht aber, wie diese gestaltet sei (dies stehe im Belieben des Gesetzgebers, der hier allenfalls reinen Zweckerwägungen Raum gebe)122. Welzel hat einmal versucht, einen Goldschmidtschen Gedanken wieder aufzunehmen, wonach die Verwaltungswidrigkeit eine Verletzung von Pflichten darstelle, die dem Staatsbürger gleichsam als Hilfsorgan der Staatsverwaltung auferlegt worden seien123. Wimmer schließlich beabsichtigt, eine neue Theorie aufzustellen, und gelangt in teilweise eigenartigen Formulierungen zu der Unterscheidung von "an sich bösen" Taten und "an sich nicht bösen" Taten mit "Affinität zum Bösen" (der Ungehorsam gegen das staatliche Verbot sei hier in besonderem Maße sozialschädlich beziehungsweise sozialethisch böse), die zusammen die Straftaten ausmachten, und von "an sich nicht bösen" Taten sowie "an sich bösen" Taten mit "Affinität zum Nichtbösen" (das "Klein-Böse", bei dem nur der Ungehorsam gegen das staatliche Verbot geahndet werde), die die Ordnungswidrigkeiten bilden sollen124. In aller Regel wird auf Grund der angeführten Äußerungen ein Wesensunterschied zwischen (Kriminal-, Justiz-)Straftaten und Ordnungswidrigkeiten angenommen. Häufig spricht man auch von einem Wertunterschied, ohne daß immer klar würde, ob damit der Wesensunterschied verneint werden SOll125. Manche behaupten einen logischen oder begrifflichen Unterschied126 , ohne allerdings diesen Begriffsunterschied anzugeben127 , während andere eine "logische Trennung" für unmöglich halten128. Der Bundesgerichtshof behauptet im allgemeinen 122 Vgl. dazu insbesondere Arthur Kaufmann, Unrechtsbewußtsein, S. 185 (siehe auch oben S.17, Anm.120), und Richard Lange (siehe unten S. 20 ff.) nebst Michels, S. 48 ff. 123 JZ 1957, S. 132; dagegen auch Schlegtendal, S. 39, Anm. 1. 124 NJW 1957, S. 1169 ff.; 1960, S. 1545 ff.; DAR 1957, S. 169 ff.; 1958, S. 145 ff.; Fahrlässige Verletzung und Gefährdung, S. 11 ff. Näheres zu dieser Lehre unten S. 244 ff. 125 Besonders, wenn davon die Rede ist, daß eine Tat nicht als kriminelles Unrecht, sondern "nur" als Ordnungswidrigkeit "gewertet" werde (z. B. BayObLGSt. 1960, S. 97, 100, S. 287, 290). In BayObLGSt. 1962, S. 208, 210, spricht das Bayerische Oberste Landesgericht von einem "grundsätzlichen, auf einem verschiedenen Wertmaßstab beruhenden Unterschied", den es als "Wesensunterschied" bezeichnet. 126 z. B. Heinitz, Strafbarkeit der juristischen Person, S. 75; Rahn-Grimsinski, Vorbem. S. VI; Schneider / Peren / Zee-Heraeus, Erl. zu § 6; OLG Karlsruhe, NJW 1955, S. 1200: Es bestehe "gegenwärtig ein begrifflich eindeutiger Unterschied". 127 Schon Erik Wolf hatte einen solchen als unmöglich abgelehnt; Stellung, S.520. 128 z. B. Siegert, BB 1953, S. 393 (der zwar die Trennung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bejaht, aber meint, es handele sich um "teleologische oder normative Begriffe"); Gerner, NJW 1952, S. 522 (für den die

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einen Art-(Wesens-)Unterschied (oder "sachlichen" Unterschied) zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeit129 , meint aber doch gelegentlich: "Die Dinge liegen nahe beieinander 130." Ähnlich spricht das Bundesverfassungsgericht, das sonst gleichfalls von einem qualitativen Unterschied ausgeht, dennoch von "Fällen mit geringerem Unrechtsgehalt" als "bloßem Verwaltungsunrecht"131, und ebenso hebt das Bayerische Oberste Landesgericht den "geringeren Unrechtsgehalt" als kennzeichnend für die Ordnungswidrigkeiten hervor 132. Erwähnt zu werden verdient in diesem Zusammenhang auch eine (zwar nicht in bezug auf Fragen des Ordnungswidrigkeitenrechts gemachte) Äußerung des Bundesgerichtshofes, daß eine begrifflich einwandfreie und befriedigende Abgrenzung der Strafvorschriften, die zum Schutze der öffentlichen Ordnung dienen, von anderen kaum möglich sei: "Ihr gelten im Ergebnis alle Strafbestimmungen133 ." Auch sonst erkennen manche wohl, daß viele Taten nur wegen ihrer geringeren Bedeutung Ordnungswidrigkeiten geworden sind, halten aber trotz dieser Einsicht auch für das geltende Recht daran fest, daß Ordnungswidrigkeiten und Straftaten qualitativ verschieden seien134 • Die Folge des behaupteten Unterschiedes ist, daß die Ordnungswidrigkeiten nicht mehr zum Strafrecht1 35 (oder mindestens nicht mehr zum Strafrecht im engeren Sinne oder sogenannten kriminellen Strafrecht) gehören sollen. Meistens wird aber zugegeben, daß das Recht der Ordnungswidrigkeiten nach der geschichtlichen Entwicklung zum Strafrecht im weiteren Sinne und auf jeden Fall zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG zu rechnen sei1 36 • Frage der qualitativen oder nur quantitativen Unterscheidung "mehr von methodologischer Bedeutung" ist; die Abgrenzung sei "nur von wertungsbestimmtem Denken her zu gewinnen"). - Auch gegen eine "werthafte" Unterscheidung Vogel, JZ 1958, S. 112, Anm. 26: Die Frage sei "nur technischer Natur", eine Wesensverschiedenheit bestehe nicht, beide Rechtsbereiche dienten der "Idee der Gerechtigkeit". 129 z. B. BGHSt. 12', S. 148, 154, S. 273, 276; 11, S. 263, 264, 266. 130 BGHSt. 13, S. 102, 110. In BGHSt. 17, S. 112, 119, 120, heißt es, "gemeinhin" beträfen Ordnungswidrigkeiten "minderwichtige Angelegenheiten" ("gewichtig" seien jedoch die Kartellordnungswidrigkeiten). Vgl. auch schon BGHSt. 5, S. 28, 33: "übersteigt die Zuwiderhandlung die Grenze der Ordnungswidrigkeit ... ". 181 BVerfGE 8, S. 197, 207. Vgl. auch BVerfGE 15, S. 275,281. 132 BayObLGSt. 1960, S. 89, 93. 133 BGHSt. 4, S. 1, 4. 134 z. B. Schwarz-Kleinknecht, A 5, Vorbem. 2. 135 Dagegen jedoch Michels, S. 30 ff. 136 Vgl. z. B. Eb. Schmidt, JZ 1951, S. 104; Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 36; Drews-Wacke, S. 115 (Ordnungswidrigkeiten als "strafrechtliche Verstöße"); BGHSt. 13, S. 102', 110; 12, S. 148, 153; BayObLGSt. 1960, S. 97, 100, S. 211, 212. Manche Gesetze enthalten die Ordnungswidrigkeiten zusammen mit den Straftaten in einem Abschnitt, der mit "Strafvorschriften" über2'

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

3. Insbesondere die Auffassung Richard Langes Wegen der Bedeutung, die ihr zugebilligt wird, und einer gewissen Sonderstellung, die sie einnimmt, ist die Auffassung von Richard Lange etwas eingehender wiederzugeben. Lange hat sich mehrfach zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten geäußert und dabei als einer ihrer entschiedensten Verfechter gezeigt137 , wofür er von Eberhard Schmidt vor der Großen Strafrechtskommission Beifall erhielt1 38 • Er betont einerseits einen "scharfen begrifflichen Gegensatz" zwischen kriminellen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, der "aus der Natur der Sache heraus" bestehe, den der Gesetzgeber "als wesensmäßig vorgegeben anzuerkennen" und dem er "lediglich Rechnung zu tragen" habe 139 , meint aber andererseits, die Zuwiderhandlungen gegen Verwaltungsanordnungen ließen sich "nicht ihrer Natur nach, sondern lediglich als ,gewertete' zu einer Sinneinheit zusammenfassen"140; es handele sich hierbei jeweils um ein Verhalten, das "in seiner natürlichen Eigenart unter strafrechtlichem Wertwinkel völlig nichtssagend oder ambivalent" sei1 41 . Der Behauptung von den "begrifflich-kategorialen" Gegensätzen142 , die der schrieben ist (vgl. z. B. das Bundesjagdgesetz i. d. F. vom 30. März 1961, BGBl. I S. 304). - Im Sinne der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten erscheint es nicht folgerichtig, das Ordnungswidrigkeitenrecht dem Strafrecht im weiteren Sinne einzufügen (so auch Mattern, Ordnungswidrigkeiten und Steuerstrafrecht, S. 131; derselbe, ZStw 67 [1955], S. 369, Anm. 23; ähnlich Patzig, Verw.-Arch. 50 [1959], s. 379); eine andere Frage ist es, ob es zum Strafrecht im herkömmlichen Sinne gehört, wenn dafür Vorstellungen maßgebend sind, die vor Einführung des Ordnungswidrigkeitenrechts gebildet wurden, oder ob es unter Art. 74 Nr. 1 GG fällt, dessen Begriff des Strafrechts ja nicht notwendig der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten entnommen werden muß (in dieser Richtung aber Patzig, a.a.O.). Der Bund hat seine Zuständigkeit für den Erlaß des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952 mit der Begründung in Anspruch genommen, das Recht der Ordnungswidrigkeiten gehöre zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG (Bundestagsdrucksache I12100, S.15). Vgl. auch die Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs des OWiG in § 3 OWiG 1952, die Rotberg (sicher nicht zu Unrecht) für bedauerlich hält (3. Aufl., § 3, Anm. 1). Die Frage, wie weit die Befugnis des Bundesgesetzgebers zur Schaffung von Ordnungswidrigkeitenrecht reicht, kann hier auf sich beruhen. Vgl. dazu insbesondere Tiedemann, AöR 89 (1964), S. 56 ff. [Jetzt BVerjGE 27, S. 18, 32 f.] 137 Vgl. insbesondere Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 14, 15, 23, Vorbem. E vor § 13; Richard Lange, GA 1953, S. 3 ff.; derselbe, JZ 1956, S. 73 ff., S. 519 ff.; 1957, S. 233 ff.; derselbe, Sanktionen, S. 218 ff., 221 ff., 226 f., 229, 231 ff. - Die Lehre Richard Langes wird in der Arbeit von Michels ausführlich dargestellt und gegen Angriffe zu verteidigen gesucht. Da die Ausführungen von Michels sich in dem von Lange vorgezeichneten Rahmen halten, wird auf sie hier nicht besonders Bezug genommen. 138 Niederschriften, I, S. 336. 139 GA 1953, S. 3; einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt bedürfe es nicht mehr, JZ 1956, S. 521. 140 JZ 1956, S. 79. 141 JZ 1956, S. 76. 142 JZ 1956, S. 78.

3. Insbesondere die Auffassung Richard Langes

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Gesetzgeber doch nur anzuerkennen brauche143 , steht die andere gegenüber, der Gesetzgeber habe "kategoriale Gegensätze" geschaffen144 . Ein andermal ist der Gegensatz "eine geschichtliche Tatsache", und unvermittelt wird er gar zu einer "Denkform" erhoben145 . Obwohl sich die Zuwiderhandlungen gegen Verwaltungs anordnungen "nicht ihrer Natur nach", sondern nur als "gewertete" zu einer "Sinneinheit" zusammenfassen lassen, spricht Lange dennoch von einer "Seins- und Wertverschiedenheit"146 der beiden Deliktsgattungen147 und stellt schließlich dem "sozialethisch vorgegebenen Unwert" der einen Gruppe die Wertneutralität der anderen gegenüber148. Der "scharfe begriffliche Gegensatz" läßt sich freilich nicht mit begrifflicher Schärfe fassen. Statt dessen kommt Lange schließlich zu einer Dreiteilung in kriminelles Strafrecht, echtes Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungswidrigkeiten149 , wobei auch das sogenannte echte Verwaltungsstrafrecht (z. B. die "Straftaten" des WiStG) "durch und durch ein Produkt des Gesetzgebers, aus der Forderung des Tages oder der Not entstanden, mit kurzen und rationalen Zwecksetzungen" ist150. Damit aber wird die Idee des eigenständigen Ordnungswidrigkeitenrechts bereits preisgegeben. Ein Wesensunterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, soweit sie zum "echten" Verwaltungsstrafrecht gehören, kann nun von Langes Position aus nicht mehr begründet werden. Lange führt daher, um Ordnungswidrigkeiten und echte Verwaltungsstraftaten (die miteinander die "Zuwiderhandlungen" bilden) zu unterscheiden, zwei weitere Gesichtspunkte ein, die aus dem vorherigen Merkmal der Künstlichkeit des Unrechts der Ordnungswidrigkeiten nicht folgen: Die Verwaltungswidrigkeit könne "durch ihr Ausmaß oder ihre Intensität zu einer Gefährdung von Rechtsgütern werden oder durch die Einstellung des Täters sozialethischen Unwert erhalten"151. 143 GA 1953, S. 3. 144 JZ 1956, S. 522. 145 JZ 1957, S. 238. 146 JZ 1956, S. 79. 147 In diese wandelte er ihre Sinn- oder Wertverschiedenheit um, die Erik Wolf unter Hinweis darauf, daß sie "nicht begriffs-(wesens-)verschieden" seien, angenommen hatte (Stellung, S. 520). 148 JZ 1957, S. 238. 14g JZ 1956, S. 78. 150 JZ 1956, S. 77. 151 JZ 1956, S. 78. Dennoch bleibt sie nach Lange "durch und durch ein Produkt des Gesetzgebers". Die Dreiteilung Langes in Kriminalstrafrecht, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsrecht mit Ordnungssanktionen (echte Straftaten = kriminelle Delikte, Zuwiderhandlungen mit Straffolge = Verwaltungsstraftaten, Zuwiderhandlungen mit Bußfolge = Ordnungswidrigkeiten) wird von Michels eingehend behandelt (S. 21 ff.; er begreift dabei die Ordnungswidrigkeiten im Unterschied zu Lange als Verwaltungsstrafrecht mit Ordnungssanktionen). Lange und Michels übersteigern jedoch die Bedeutung der vom Gesetz gewählten Bezeichnung "Zuwiderhandlung" (vgl. § 1 Abs. 4 OWiG 1952, §§ 3, 4 WiStG 1954).

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

Dieser Gegensatz ist aber jedenfalls nicht mehr "begrifflich". Lange faßt ihn als einen Unterschied in der Bewertung auf. Während kriminelle Straftaten und Zuwiderhandlungen (Ordnungswidrigkeiten im weiteren Sinne) wesensmäßig voneinander abgegrenzt seien (als Verletzungen des Kernbestandes vorgegebener sozialethischer Werte einerseits und Verstöße gegen erst positiv geschaffene, durch rationale Zwecksetzungen bedingte Ordnungsvorschriften im wertneutralen Bereich andererseits), könnten Ordnungswidrigkeiten und strafbare Zuwiderhandlungen (Verwaltungsstraftaten) nur auf Grund einer Bewertung des das Wesen der Zuwiderhandlung ausmachenden Ungehorsams als sozialethisch unwertig (und damit als sozialethisch erheblich) unterschieden werden. Der fehlende Wesensunterschied wird hier durch einen Wertunterschied ersetzt, um die kriminelle Straffolge zu rechtfertigen, d. h. die kriminelle Strafbarkeit soll einmal an das Wesen, ein andermal an die besondere Bewertung der in ihrem Wesen als Zuwiderhandlung gleich bleibenden Handlung anknüpfen152 . Richard Lange geht von der "grundlegenden Unterscheidung zwischen dem, was schon vor dem Verbot (materiell) Unrecht ist, und dem, was erst durch ein Verbot zu (formellem) Unrecht gemacht wird", aus (delicta per se und delicta mere prohibita)153. Dem "Kernbestand vorgegebener sozial ethischer Werte, die zur Erlangung der Rechtsgutqualität nur der rechtlichen Anerkennung bedürfen", stünden "positiv geschaffene Vorschriften" gegenüber, "die aus dem Raum grundsätzlich freien und erlaubten Verhaltens vorübergehend Exklaven rechtlicher Gebote oder Verbote ausgrenzen"154, die allein die dem verbotenen Verhalten "nur ex nunc äußerlich angehängte" Rechtswidrigkeit trügen, 152 Unabhängig von einer grundsätzlichen Stellungnahme ist hier bereits zweifelhaft, ob nicht auch die Bestimmung des sogenannten "Kernbestandes vorgegebener sozialethischer Werte" eine Wertungsfrage ist, ob ein sozialethisch unerheblicher Ungehorsam überhaupt mit einer Sanktion belegt werden darf und ob nicht auch die Verletzungen jenes "Kernbestandes" nur dann strafrechtlich zu ahnden sind, wenn sie als von gewisser Erheblichkeit "gewertet" werden können, also allein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal schließlich doch nur die Erheblichkeit des Verstoßes ist. Zur Dreiteilung Langes vgl. auch Michels, bes. S. 24 ff., 45 ff. (vor allem S. 56 ff.), S. 78 ff., wo Langes Gedanken eingehend auseinandergelegt werden. 153 JZ 1956, S. 522; durch das OWiG (1952) sei diese Unterscheidung vorgegeben. Vgl. auch JZ 1957, S. 238, und Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 15, 23 (Handlungen, die von Natur aus Unrecht sind, und andere, die erst durch positive Vorschrift widerrechtlich werden). Hier berührt sich die Ansicht Richard Langes mit der Arthur Kaujmanns (siehe oben S. 16, Anm. 106, S. 17, Anm. 112, 115, 120) und Maihojers (Zstw 70 [1958], S. 193 f.). - Jene Unterscheidung wird auch z. B. von Lang-Hinrichsen gebilligt (Zstw 73 [1961], S. 232; derselbe, Aufgaben, S. 105 f.); vgl. ferner Steiner, S. 70 ff., 81 ff.; Wimmer (siehe unten S. 244 ff.). 154 Antithese Rechtsverletzung Rechtsgutsverletzung (JZ 1956, S. 521, Anm. 15; vgl. aber JZ 1957, S. 238), die auch von Maihojer gemacht wird (ZStw 70 l1958], S. 193 mit Anm. 112).

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welche ihm "jederzeit wieder abgenommen werden" könne155. Das führt zur Unterscheidung zwischen Kriminaldelikten (Lange spricht hier auch von "klassischen Delikten") als den Verletzungen jenes "Kernbestandes vorgegebener sozial ethischer Werte", bei denen aus dem "typischen materiellen Unwert der Handlung", der materiellen Wertwidrigkeit des Verstoßes gegen sozialethisch fundierte Normen, die formelle Tatbestandsmäßigkeit erwachse, und den Zuwiderhandlungen gegen diese "positiv geschaffenen Vorschriften", bei denen erst "aus dem schneidenden formellen Verbot die materielle Wertwidrigkeit des Ungehorsams" folge 156 • Der Gesetzgeber knüpfe einmal an die von ihm vorgefundene "sozialethische Unwertsubstanz" an und beschreibe lediglich (ohne eigene Wertung) das vorgefundene Unrecht, d. h. "eine typisierte Handlung als solche nach ihrem von ihm als material wertwidrig vorausgesetzten Unrechtsgehalt" , zum andern gehe er davon aus, daß ein materiales Unwerturteil nicht bestehe, schaffe den Unrechtsbereich erst selbst durch Gebots- und Verbotsnormen und fasse das Unrecht formal "als Verstoß gegen neu errichtete Ordnungen und die sie schützenden Gebote und Verbote"157. Bei den Kriminaldelikten habe der Gesetzgeber nur das schon (vor der Erfassung im Tatbestand) vorhandene Unrecht im Tatbestand als strafwürdig anzuerkennen und zu beschreiben. Hingegen sei bei den Zuwiderhandlungen die Rechtsnorm konstitutiv für das Unrecht, d. h. erst das Verbot, die formelle Rechtswidrigkeit, mache die Tat auch materiell rechtswidrig (Umkehrung des Verhältnisses von Grund und Folge zwischen materieller und formeller Rechtswidrigkeit)15s. Demgemäß erschöpfe sich hier der Unrechtsgehalt in der "formellen Rechtswidrigkeit eben als Zuwiderhandlung" (gegen das "künstliche" Gebot oder Verbot)159, in dem reinen Ordnungsverstoß. Für sich betrachtet, sei ein solches Verhalten nicht mit rechtlichem Unwert behaftet, sondern erlaubt und frei. Unrecht werde es erst durch Verstoß gegen eine positiv geschaffene rechtliche Ordnung eines Lebensbereichs, wodurch es den Unwert einer Rechtsordnungswidrigkeit erhalte160. Der Gegenstand des Unrechts sei hier nicht der "unabdingbare Rechtswert", sondern die erst zu schaffende oder Wandlungen unter155 JZ 1956, S. 79. Vgl. auch ZStW 73 (1961), S. 90, 99, 107 ff.; 68 (1956), S. 602 f., 610, 639 ff. 156 Die Kriminaldelikte haben ihren Unrechtsgehalt "in ihrem sozialethisch vorgegebenen Unwert", während die Zuwiderhandlungen "in diesem Sinne wertneutral sind und ihren Unwert primär im Rechtsungehorsam haben" (JZ 1957, S. 238). 157 JZ 1956, S. 522; 1957, S. 238; vgl. auch Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 15, 23. 158 JZ 1956, S. 522. 159 JZ 1956, S. 78. 160 JZ 1957, S. 234. Recht und Unrecht schaffe der Gesetzgeber hier erst "als eine neu gestaltete Ordnung und Zuwiderhandlung gegen sie"; JZ 1957, S. 238.

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

worfene positive Ordnung; vor ihrer Schaffung gebe es überhaupt kein Unrecht161 . Richard Lange will Kriminaldelikte und Zuwiderhandlungen (Ordnungswidrigkeiten im weiteren Sinne) nicht mit Hilfe einer Unterscheidung von Rechtsgütern und Verwaltungsgütern trennen. Er erkennt vielmehr an, daß auch die reinen Gebots- oder Verbotssanktionen dem Rechtsgüterschutz dienten162 . Dieser sei aber bei den Zuwiderhandlungen nur Gesetzesmotiv; die Verletzung oder konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes gehöre daher nicht zum Inhalt der Norm163 . So wird der Rechtsgutbegriff doch zum "Angelpunkt" der Unterscheidung von Kriminaldelikt und Zuwiderhandlung164 . Jenes sei "die materiell rechtsgutverletzende oder -gefährdende Handlung", diese "die Verletzung der Ordnungsnormen als solche"165. Der Begriff des Rechtsgutes ließe zwar eine weite Ausdehnung des kriminellen Strafrechts zu, wenn nämlich ein geschütztes Rechtsgut in jedem schutzwürdigen Interesse gefunden und sein etwaiges Substrat im Tatbestand, das Angriffsobjekt, hinreichend abstrakt gefaßt werden könnte (wobei die schon Erik Wolf beschäftigende Frage auftaucht, wie weit diese Abstraktion eigentlich gehen darf), aber Richard Lange hat hier enge Grenzen gesetzt: Rechtsgutqualität kann nur der "Kernbestand vorgegebener sozial ethischer Werte" erlangen, der Gesetzgeber also nicht beliebig Rechtsgüter schaffen, denn sonst würde die oben dargestellte Trennungslinie zwischen Kriminaldelikten und Ordnungswidrigkeiten verändert. Dadurch wird der Rechtsgutbegriff so verengt, daß er die ihm zugedachte Funktion als strafrechtlicher Grund- (und System-)Begriff nicht erfüllen kann, also 161 JZ 1957, S. 238. Kann aber der Umstand, daß es z. B. keine Verkehrsdelikte gibt, solange ein "Verkehr" - und damit auch eine Ordnung des Verkehrs - überhaupt nicht besteht, ausreichen, um die Verkehrsdelikte zu "künstlichen" Delikten zu degradieren? Die Frage läßt sich entsprechend bei allen Ordnungen einzelner Lebensbereiche, zu denen das Recht im Laufe der Zeit geschritten ist, aufwerfen. Entscheidend ist (gegen Goldschmidt, Richard Lange und andere) nicht, ob eine Ordnung gerade geschaffen wurde oder schon lange besteht (und damit traditionell ist), sondern, ob diese Ordnung notwendig und nach den in der betreffenden Rechtsgemeinschaft geltenden Grundsätzen über die rechte Gestaltung des sozialen Zusammenlebens verwirklicht ist. Siehe unten S. 175 ff. 162 In diesem Punkt abweichend Michels, S. 48 f., 69: Sie dienten einem staatlichen Ordnungs- und Verwaltungsinteresse (Interesse an möglichst störungslosem - geordnetem - Zusammenleben der einzelnen Individuen und Interesse an bestmöglicher Organisierung der gemeinschaftlichen Zwecke, das ist einer reibungslosen Verwaltung), das kein Rechtsgut im materiellen Sinne darstelle. 163 JZ 1957, S. 238. 164 Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 14. 165 JZ 1957, S. 238, Anm. 36. Vgl. auch Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 15 (kriminelles Unrecht erfordere mindestens eine "konkrete Rechtsgutsgefährdung"), a.a.O., S. 13 (wo als "Sinn des Unrechtsbegriffs" die Rechtsgutverletzung oder -gefährdung angegeben ist).

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eigentlich unbrauchbar ist1 66 und für Langes Abgrenzungsbemühungen überhaupt entbehrlich erscheint167. Schließlich stellt Richard Lange, wie bereits angedeutet, seine grundlegende Unterscheidung selbst wieder in Frage, indem er das lediglich auf dem Verbot beruhende Unrecht durch seine Schwere oder die Einstellung des Täters zu (kriminell) strafbarem Unrecht werden läßt. Damit ist letzten Endes doch der Gesichtspunkt der Schwere des Unrechts (der im Erfolgs- oder Aktunwert begründet sein kann) auch bei den Delikten, die nicht unmittelbare Angriffe auf geschützte Rechtsgüter im Sinne Langes bilden, ausschlaggebend. Schon aus dem vorgefundenen materiellen Unrecht (mit seiner "sozialethischen Unwertsubstanz") wählt der Gesetzgeber für Richard Lange das als (kriminell) strafwürdig anzuerkennende Unrecht nur nach quantitativen Gesichtspunkten (dem Rang und der besonderen Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter, der Intensität und dem Stadium des Angriffs)168 aus. Nun verfährt er bei dem auf bloßem Verbot beruhenden Unrecht ganz entsprechend und gelangt ungeachtet dessen, daß hier ja das sonst zur Begründung krimineller Strafbarkeit neben der Schwere des Unrechts noch für erforderlich erklärte "vorgegebene" Unrecht fehlt, dennoch ebenso zur kriminellen Strafbarkeit des Verhaltens. Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß es für die Frage der kriminellen Strafbarkeit (der Begrenzung des Kriminalstrafrechts) allein auf quantitative Merkmale ankommt. Es treffen hier zwei heterogene Gesichtspunkte zusammen: der des vorgegebenen beziehungsweise künstlichen Unrechts (der verschiedenartigen Unrechtsqualität) und der unterschiedlichen Schwere des Unrechts (der verschiedenen Unrechtsquantität). Der letzte ist im Entscheidungsfall ausschlaggebend. Die Frage, welche Bedeutung dann dem ersten für die Bestimmung der Grenze des kriminellen Strafrechts noch bleibt, dürfte nur eine eindeutige Antwort zulassen169. 4. Die [frühen] Gegner der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten Gegen diese geschlossene Phalanx von Anhängern der Ordnungswidrigkeitenlehre erhoben nur wenige ablehnend oder wenigstens zweifelnd ihre Stimme. Erklärter Gegner jener Lehre ist vor allem Hell· 186 Gegen die Verengung des Rechtsgutbegriffs bei Richard Lange auch Sax, Grundrechte, III 2, S. 922, Anm. 42, 43. 167 Es ist allerdings fraglich, ob Lange denselben Rechtsgutbegriff auch sonst verwendet; vgl. z. B. die Bemerkungen zum Rechtsgut in KohlrauschLange, Vorbem. S. 13 ff. 168 Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 13. 169 Gegen Lange auch Welzel, JZ 1956, S. 238 ff.; 1957, S. 130 ff.; Boldt, ZStW 68 (1956), S. 370 ff.; Sax, Grundrechte, III 2, S. 920, Anm. 38, S. 922, Anm. 42, 43; Patzig, Verw.-Arch. 50 (1959), S. 374. Zur Lehre Richard Langes siehe weiterhin unten S. 175 ff.

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muth Mayer 170 • Er hält den mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (von 1952) eingeschlagenen Weg überhaupt für verfehlt. Zwischen dem sogenannten Verwaltungsinteresse des Staates und anderen Rechtsgütern könne kein grundlegender Unterschied glaubhaft gemacht werden, und die gute Ordnung oder die Wohlfahrt lasse sich nicht dem Gerechtigkeitswert gegenüberstellen. Die Verwaltungsnormen bauten die gerechte sittliche Ordnung zu ihrem Teil mit auf. "Alle staatliche Tätigkeit, auch die auf zeitbedingte Verwaltungsinteressen bezogene, strebt auf das einheitliche Ziel, eine gerechte und zweckmäßige Ordnung der Lebensverhältnisse herbeizuführen." Der Verstoß gegen Normen, die wichtige Verwaltungsinteressen schützten, sei ebenso sittenwidrig wie der Verstoß gegen sittliche Normen, die das wechselseitige Verhalten der Bürger regelten. Man könne daher nicht von einer moralischen oder kulturellen Indifferenz sogenannter Ordnungswidrigkeiten sprechen. Die Geldbuße des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sei eine echte Strafe (Rechtsstrafe)171. Auch Sauer sah keinen sachlichen Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und kriminellen Taten, sondern nur eine graduelle Verschiedenheit in der Sozialgefährlichkeit und sozialethischen Verwerflichkeit172 • Welzel zweifelt[e] einen solchen sachlichen Unterschied ebenfalls an und verwarf insbesondere die Gegenüberstellung von vorgegebenem (natürlichem oder naturrechtlichem) strafbaren Unrecht und künstlichen oder erst vom Staat geschaffenen Zuwiderhandlungen, von ethisch begründeten und sittlich indifferenten Delikten als unhaltbar. überall sei ein materielles Unrecht vorhanden, das zwar schwächer werde, aber niemals verschwinde, so daß man nicht nach materiellen Kriterien bloße Zuwiderhandlungen (Ordnungswidrigkeiten) von strafbaren Handlungen absondern könne; es komme insoweit nur eine quantitative Unterscheidung in Betracht173 • Der Auffassung Welzels hat sich Hirsch angeschlossen174 • Mit Entschiedenheit wendet sich Jescheck gegen die Annahme eines Wesensunterschiedes zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Er lehnt die Trennung von Rechtsgut und Verwaltungsgut, Rechtswert und Wohlfahrtswert ab und erkennt den Ordnungswidrigkeiten ein materielles Unrecht zu. Es sei auch falsch, die Ordnungswidrigkeiten als sozialethisch belanglos hinzustellen. Mit repressiven Sanktionen (auch Geldbußen) dürfe nur ein nach der Grundüberzeugung der Rechtsgemeinschaft sittlich mißbilligenswertes Verhalten bedroht werden - und auch nur, wenn es zur Sicherung eines gerechten und geordneten Zusammenlebens erforder-

Siehe auch Band I, S. 164, Anm. 324, und S. 166. S. 47,72,73; Strafrechtsreform, S. 65. 172 Strafrechtslehre, S. 29 f. Die Geldbuße unterscheide sich von der Geldstrafe nur im Grad, nicht in Wesen, Zweck oder Inhalt. 173 S. 15; JZ 1956, S. 238 ff.; 1957, S. 130 ff. Siehe aber auch oben S. 18. 174 S. 279, Anm. 40. 170

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lich sei; dann aber sei das Gebot oder Verbot sozialethisch nicht gleichgültig. Als brauchbares Abgrenzungsmerkmal erweise sich allein die Größenordnung der Tat (ihr Unwertgrad), so daß man nur die wegen der geringeren Bedeutung des Rechtsgutes und ihrer bloß abstrakten Gefährlichkeit weniger strafwürdigen Taten aus dem kriminellen Strafrecht aussondern könne175 • Für Schäfer liegt der Unterschied ebenfalls "im rein Quantitativen"; es komme auf die Nähe oder den Umfang der Gefahr an, die durch die Handlung für das geschützte Rechtsgut entstehe, das bei Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften oft gleich sei176 • Auch Bockelmann bezweifelt die Möglichkeit einer qualitativen Unterscheidung177 , und ähnliche Bedenken macht Rudolf Schmitt geltend178. Die "sozialethische Grundlage" der Ordnungswidrigkeiten wird von Schmidhäuser 179 , ihr "selbständiger innerer Bezug auf die soziale Wertordnung" von Boldt180 anerkannt. Stock leugnet die Wesensverschiedenheit von kriminellen Delikten und Ordnungswidrigkeiten; das Strafrecht sei das Recht der sozialen Verantwortlichkeit, zu dem das Ordnungswidrigkeitenrecht ebenfalls gehöre18l • Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten hält Kischa auf Grund einer eingehenden Auseinandersetzung mit ihr überhaupt für verfehlt. Der Unwert der Ordnungswidrigkeiten liege wie der der kriminellen Taten in der Beeinträchtigung von Sozialwerten. Beide Rechtsbereiche schützten die gleichen Rechtsgüter; ein Gegensatz Recht - Verwaltung sei nicht denkbar. Die Ordnungswidrigkeit richte sich stets gegen ein Rechtsgut, das zugleich Bezugspunkt der Verwaltungstätigkeit sei, und entbehre nicht der sittlichen Bedeutung, wenn sie auch weniger verwerflich sei. Das Recht der Ordnungswidrigkeiten diene nicht der Durchsetzung einer zeit- und verhältnisbedingten äußeren Ordnung, sondern der "Aufrechterhaltung der sozialen Lebensordnung"182. Auch Hans Peters nimmt gegen den 175 JZ 1959, S. 460 f.; DÖV 1953, S. 543 (es sei schwer, aus § 6 WiStG 1949 3 WiStG 1954 - "eine andere Norm als die herauszulesen, daß Bagatellsachen als Ordnungswidrigkeiten, schwerwiegende Verstöße dagegen als Wirtschafts straftaten zu behandeln sind"); Niederschriften, I, S. 298. 178 Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, A 4, Vorbem.3. 177 ZStW 66 (1954), S. 124 f.; DAR 1961, S. 187 f. Vgl. auch Sinn der Strafe, S. 27, 30 (Trennung nur von der Rechtsfolge her möglich). 178 Maßnahmen gegen Verbände, S. 153 f. - Vgl. ferner Spanner, Verw.Arch. 51 (1960), S. 172 (keine Wesensverschiedenheit). 179 Gesinnungsmerkmale, S. 166, Anm. 33 (auch bei den Ordnungswidrigkeiten gebe es nur die Alternative zwischen reiner Zwangsordnung und sozialethischem Gebot). 180 ZStW 68 (1956), S. 371. Es handele sich auch bei den Ordnungswidrigkeiten nicht um ein bloßes "Zuwider" gegen die Gehorsamsforderung, sondern um einen materiellen Unwert der Handlung (S.370, 371). Die Trennung von straf- und bußfähigem Unrecht sei aber richtig (S.369). 181 S.6. 182 S. 81 ff., 94 ff., 105, 233 ff. §

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Gedanken qualitativ abzusondernder Verwaltungswidrigkeiten Stellung. Selbst Nachlässigkeiten, die sich nur als Ordnungsstörungen auswirkten, hätten einen - wenn auch geringen - moralischen UnwertgehaJt183. Werner erklärt den Versuch, kriminelles Unrecht und Verwaltungswidrigkeiten einander gegenüberzustellen, als "mißlungen"184, für Bettermann sind die Ordnungswidrigkeiten nichts anderes als Straftaten184., und Menger meint, es sei am besten, die ganze Unterscheidung aufzugeben185 . Mezger schließlich wandte sich jedenfalls gegen die Ausgliederung der Ordnungswidrigkeiten aus dem Strafrecht186 • Sehr zurückhaltend äußert sich Ernst Rudolf Huber 187 , und Vogel will in der gesetzlichen Unterscheidung eine solche rein technischer Natur sehen188. Aus der Rechtsprechung seien hier neben den erwähnten gelegentlichen Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofes und des Bayerischen Obersten Landesgerichts189 der Bundesfinanzhof190 sowie das Oberlandesgericht eelle 191 , die ausdrücklich eine Wesensverschiedenheit zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verneint und ihren Entscheidungen statt eines qualitativen einen lediglich quantitativen Unterschied zugrunde gelegt haben, hervorgehoben. Die [frühen] Gegner der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, wie sie in den geschilderten Spielarten vertreten wird, wollten jedoch nicht immer mit dieser auch den Gedanken eines besonderen, sogenannten Ordnungswidrigkeitenrechts ablehnen; sie nahmen dann insoweit den geltenden Rechtszustand jedenfalls grundsätzlich als gegeben hin192 und 183 Lehrbuch der Verwaltung, S. 190 mit Anm. 2. "Kein Mensch bestreitet, daß es vom moralischen Standpunkt aus verschiedenartige Delikte gibt, wohl aber muß der Auffassung entgegengetreten werden, vom Qualitätsunterschied eines kriminellen und eines sog. Verwaltungsdelikts aus könnten zwei getrennte Strafrechtssysteme ... aufgebaut werden". 184 LK, 8. Aufl., Vorbem. I vor § 360. ISO' Strafgewalt, S. 33 ff., 41. 185 Verw.-Arch. 50 (1959), S. 197. 186 Studienbuch, S. 5. 181 Wirtschaftsverwaltungsrecht, II, S. 346 f. Vgl. auch a.a.O., II, S. 348, zu § 6 WiStG 1949: "Der Wortreichtum dieser Umschreibung verdeckt nur mühsam den Mangel einer echten Definition." Vgl. ferner a.a.O., I, S. 13, 70. Skepsis auch bei Armin Kaufmann, Staatslexikon, VIII, Sp. 254 f. 188 JZ 1958, S. 112, Anm. 26. 189 Siehe oben S. 18 f., Anm. 130 ff. 190 NJW 1958, S. 120: Ordnungswidrigkeiten seien wie Straftaten Verstöße "gegen das Gemeinwohl"; auf "das schwer faßbare Merkmal des sittlichen Unwerts" könne man nicht abstellen. 191 NdsRpfl. 1960, S.278, 279 = NJW 1961, S. 185, 186 (unter Berufung auf Jescheck, JZ 1959, S. 457 ff.). Anders noch OLG CeHe, MDR 1960, S. 697 = NdsRpfl. 1960, S. 46, und NJW 1957, S. 642, 643. 192 Vgl. z. B. Welzel, S. 15; Jescheck, JZ 1959, S. 461 f.; Schäfer, Schmidhäuser, Stock, Bockelmann, Boldt, alle a.a.O.

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leugneten nur die qualitative Eigenständigkeit eines Ordnungswidrigkeitenrechts, dem sie statt dessen Taten mit geringerem Unrechtsgehalt oder geringerem sozialethischen Unwert unterstellen wollten. Um die Begründung eines eigenen Ordnungswidrigkeitenrechts aus einem bloß quantitativen Unterschied der Taten (der aber schließlich zu einer zugleich qualitativen Verschiedenheit führe) hat sich insbesondere Sax bemüht193 , der die Trennung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bejaht, aber die gegenwärtige Lösung als "fragwürdig" bezeichnet. Er lehnt die Unterscheidung von "materialem sozialethischen Unrecht", das "echte Rechtsgutsverletzungen" darstelle, und Verstößen lediglich "gegen das wertneutrale technische Ordnungsgefüge des Gemeinschaftslebens, deren Unrechtsgehalt sich in ,bloßem Ungehorsam' gegenüber den staatlichen Ordnungsbefehlen erschöpfe" und es daher rechtfertige, die Durchsetzung der Ungehorsamssanktionen in die Hände der Verwaltungsbehörden zu legen, ab. Der Gedanke staatlicher Zwangsreaktionen gegen "bloßen Ungehorsam" der Rechtsunterworfenen sei unerträglich. Der Staat habe nur insoweit ein Recht, Gehorsam zu verlangen, als er berechtigt und verpflichtet sei, Gebote und Verbote zum Schutze und zur Bewährung verbindlich geltender Kulturwerte aufzustellen. Deshalb könnten auch Ordnungswidrigkeiten nichts anderes als Rechtsgutverletzungen sein. "In ihrem Wesen unterscheiden sie sich durch nichts von den Straftaten." Es bestehe nur ein quantitativer Unterschied, der dadurch bedingt werde, daß die Schutzgüter des Ordnungswidrigkeitenrechts weiter als die des Strafrechts von dem "Kernbereich sozialethischer Grundwerte" (den "Oberwerten"), nämlich der "grundgesetzlichen Wertordnung " , in der Sax "letzte sittliche Grundwerte" (beziehungsweise "letzte sozialethische Werte") zusammengefaßt sieht, "abgeschichtet" seien. Die Grenzlinie zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten lasse sich mit Hilfe des Begriffs der "Strafwürdigkeit" finden. Die Strafwürdigkeit umfasse das Verdienen von Strafe und die Strafbedürftigkeit. Entscheidend sei hier das erste. Strafe werde nur verdient bei Verletzung solcher Schutzgüter, deren sittlicher Bezug dem "sittlichen Pathos" der Strafe (nicht nur objektiv bestimmbar, sondern) erkennbar proportional sei, die also selbst sittliche Grundwerte darstellen oder zu diesen einen allgemein und greifbar deutlich erkennbaren und anerkannten Bezug hätten. Die Strafwürdigkeit setze daher "eine unmittelbare oder mittelbare Wertverletzung" (= Verletzung sittlicher beziehungsweise sozialethischer Grundwerte), "die als solche allgemein erkennbar und anerkannt ist", voraus, d. h. einen (allgemein erkennbaren und anerkannten) "Wertbezug eines verletzten Schutzgutes", der der "massiven Wertbezogenheit der angedrohten 193 Grundrechte, III 2, S. 919 ff., 929; JZ 1957, S. 6. Zustimmend unter anderem Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 26 f.

I. Übersicht über die Literaturmeinungen

Strafe" die Waage halten könne. An ihr gemessen, seien "die ihrem Wesen nach nur quantitativ verschiedenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zugleich qualitativ verschieden". Wieso allerdings die Vorstellung einer qualitativ unterschiedlichen Wesensgleichartigkeit nichts Paradoxes an sich haben soll, wie Sax meint, dürfte kaum einsehbar sein. Worauf kann mit der Bezeichnung des "Qualitativen" im Bereich unserer Fragestellung gezielt werden, wenn nicht auf das "Wesen" (der Tat, des Unrechts)? - Im übrigen geht Sax davon aus, daß Strafe und Geldbuße wesensverschieden seien, und versucht, jeder dieser qualitativ voneinander unabhängigen Rechtsfolgen das ihr entsprechende Unrecht zuzuweisen. Ob jene Voraussetzung zutrifft, wird noch zu prüfen sein. Der Wesensgleichheit des Unrechts entspräche am ehesten eine solche der Rechtsfolgen; nur so wäre ein gleichmäßiges Verhältnis von Unrecht und Folge durchgehend gewahrt. Umgekehrt könnte die Wesensverschiedenheit der Folgen eine wirkliche Entsprechung nur in einer Wesensverschiedenheit des Unrechts, an das sie anknüpft, finden (nur in einer solchen ihren zureichenden Grund haben); andernfalls entbehrte sie der inneren Berechtigung (die ja allein aus der Verschiedenartigkeit des Unrechts kommen kann). Auch auf ein weiteres Bedenken ist hier noch hinzuweisen. Sax will mit seinem Begriff der Strafwürdigkeit für den Bereich des strafbaren Unrechts (vor allem auch im Hinblick auf den Gesetzgeber) feste Grenzen abstecken. Für den Bereich der sogenannten Ordnungswidrigkeiten aber muß sich dasselbe Problem stellen, will man sich nicht mit der - unannehmbaren - Möglichkeit seiner grenzenlosen Ausdehnung abfinden. Gilt jedoch für diesen Bereich Entsprechendes und sollen beide Bereiche nur nach der Rechtsfolge geschieden werden (weil das Unrecht wesensgleich ist), so stellt sich der sachliche Unterschied zwischen straf- und bußwürdigen Taten nicht als grundsätzlich andersartig dar als etwa der zwischen Taten, die eine Freiheitsstrafe, und jenen, die nur eine Geldstrafe (oder - wie früher - eine Zuchthaus- beziehungsweise Gefängnisstrafe) "verdienen". Auf diese Weise ist der Gedanke eines eigenständigen Ordnungswidrigkeitenrechts, das mehr als eine besondere Regelung für leichte Delikte sein will, sicherlich nicht zu retten. Des weiteren darf darauf hingewiesen werden, daß für die Strafwürdigkeit (auch in ihrer einen Bedeutung als Verdienen von Strafe) einer Tat nicht nur die Art des geschützten Gutes, sondern auch Art und Stärke des Angriffs entscheidend sind194 • Dann muß aber eine Abgrenzung nach der Strafwürdigkeit, die allein am sogenannten Wertbezug der Schutzgüter ausgerichtet ist, eine Fehlvorstellung sein. In der Tat wird man nicht umhin können, für Straftaten und Ordnungswidrig194 Sax scheint dies selbst zu bemerken (Grundrechte, III 2, S. 929, Anm. 62), ohne daraus aber für seine Abgrenzungsformel Folgerungen zu ziehen.

4. Die [frühen] Gegner der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten

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keiten, wenn man schon die letzten ebenfalls als Rechtsgüterverletzungen auffaßt und die bisherigen Anschauungen über die Verteilung der Delikte auf beide Unrechtsbereiche im wesentlichen beibehalten will (was Sax ja offensichtlich tut), weithin dieselben Schutzgüter anzuerkennen, bei denen nur die Art, Nähe oder Größe des Angriffs verschieden ist, was insbesondere bei den Mischtatbeständen deutlich hervortritt1 95 • Andernfalls müßte der Begriff des Schutzgutes so verändert werden, daß er unbrauchbar wird. Schließlich ist es nicht möglich, nach dem Grad der Erkennbarkeit der Werte (der Erkennbarkeit der Wertbezogenheit der Schutzgüter) abzugrenzen. Für die Verbindlichkeit der Werte kommt es, wie auch Sax allem Anschein nach annimmt, allein auf ihre Geltung I96 an. Dieses Gelten heißt, in einer bestimmten Gemeinschaft herrschen, in ihr als maßgebend anerkannt werden, ohne daß deswegen jedes Mitglied der Gemeinschaft bereits mit dem Geltenden einverstanden sein und sich nach ihm richten müßte l97 • Nicht erkennbare geltende Werte kann es nicht geben. Die Erkennbarkeit und das Anerkanntsein (eines Wertes, der Wertbezogenheit eines Gutes), von denen Sax spricht, lassen sich nicht auf die geltenden Werte selbst beziehen, sondern sinnvoll nur so verstehen, daß mit ihnen das Gelten als solches gemeint ist. Hier ist zuzugeben, daß die Geltung unterschiedliche Stärke haben kann. Nach dem Geltungsgrad der Werte (beziehungsweise Wertbezogenheit der Güter) abzugrenzen, hieße, für jene Werte eine Art Reservatrecht zu schaffen, die der Staat auf Grund seines Rechts und seiner Pflicht, die Rechtsanschauungen (die Rechtsethik) durch seine Gesetzgebung angemessen fortzubilden, gerade zu eindeutiger allgemeiner Anerkennung und Geltung bringen wollte, wodurch es bei den hier vorgestellten Ansichten über das Recht der Ordnungswidrigkeiten unmöglich gemacht würde, jenes Ziel zu erreichen: Anstatt unzweifelhaft zu gelten, besäßen die Werte in ihrem Reservat nach der allgemeinen Anschauung stets nur eine zweifelhafte Verbindlichkeit. Dies kann aber nicht in der Absicht des Gesetzgebers liegen. Damit würde einerseits die rechtsethische Gestaltungskraft gerade neu gesetzten Rechts untergraben, und andererseits könnte umgekehrt ein großer Teil des Rechts nicht mehr Erkenntnisquelle der in der Rechtsgemeinschaft geltenden rechtsethischen Ansichten sein l98 • Als nicht haltbar erscheint endlich auch die Meinung von Sax, daß die straf195 Sax gibt dies für die Mischtatbestände des Wirtschaftsstrafrechts zu (Grundrechte, UI 2, S. 929, Anm. 62). 198 Die Streitfrage der Wertlehre, ob Werte sind oder gelten, hat hier keine Bedeutung. 107 Näher zur Frage des Geltens in hier gemeintem Sinne vgl. ZippeIius, Wertungsprobleme, S. 147 ff. Siehe auch unten S. 163, Anm. 47. 198 Auf diesen "Indizwert" des Rechts für die geltende Rechtsmoral hat Zippelius, Wertungsprobleme, S. 151 ff., eingehend hingewiesen.

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

rechtlichen Schutzgüter nur Konkretisierungen der "sozialethischen Grundwerte" , die er im Grundgesetz zusammengefaßt sieht, also rational-systematische Ableitungen aus diesen seien. Die Grundwerte will Sax offenbar aus dem Grundrechtskatalog entnehmen199 , ohne jedoch ihren Umkreis näher abzustecken. Aber schon die Grundrechte fügen sich nicht widerspruchslos zusammen. Sie sind keine Oberbegriffe (Oberwerte), sondern sichern einzelne, für sich gesehene Ausschnitte aus der rechtlichen Sozialordnung (bestimmte Lebensbereiche), die besonders hohen Rang haben20o • Ihr Verhältnis zu anderen rechtlichen Grundsätzen, durch das sie konkreten Inhalt bekommen, muß jeweils festgestellt werden - jedenfalls nicht auf Grund der Voraussetzung, daß alle übrigen Rechtsgrundsätze von ihnen abstammen. Daher sind die strafrechtlichen Schutzgüter nicht lediglich aus ihnen abgeleitet (Konkretisierungen, Entfaltungen derselben in den verschiedenen Lebensbereichen), sondern gehen häufig auf andere als in den Grundrechten verkörperte Wertvorstellungen zurück und können zu diesen sogar in einem Gegensatz stehen, ohne daß in einem solchen Konflikt der nicht grundrechtsidentische Wert stets vollständig zurücktreten müßte, wie ja bereits die Vorbehalte zeigen, die das Grundgesetz bei einzelnen Grundrechten macht201 • Es handelt sich hier weithin um Rangverhältnisse und nicht um bloße Entfaltungen von sogenannten Grundwerten in Mittel- und Unterwerte. Damit aber überzeugt die ganze Konstruktion von Sax nicht mehr 202 • Grundrechte, III 2, S. 913. Vgl. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 85. 201 Auf die Frage nach der Art einer möglichen Systematik von Rechtswerten und insbesondere des Grundgesetzes und der Grundrechte sowie der strafrechtlichen Schutzgüter wie auch auf das Verhältnis von strafrechtlicher Rechtsgüterordnung und grundgesetzlicher Wertordnung braucht hier nicht eingegangen zu werden; es genügt die Feststellung, daß das letztgenannte Verhältnis jedenfalls nicht so sein kann, wie Sax es darstellt. Die Systemeinheit einer Rechtsordnung besteht nicht darin, daß die einzelnen Normen sich auseinander ableiten lassen, sondern darin, daß sie in ein bestimmtes Verhältnis zueinander kommen und dadurch miteinander vereinbar werden (vgl. Esser, Stud. Gen. 12 [1959], S.104). In den (nicht grundrechtsidentischen) Rechtsgütern, die ihrerseits den Bestand der Rechtsgemeinschaft bedingen, sieht Häberle zugleich Bedingungen für die Grundrechte und nimmt deshalb ein "Verhältnis der gegenseitigen Bedingtheit" zwischen Grundrechten und Strafrecht an, was nur für einzelne Strafrechtssätze nicht gelten soll (Wesensgehaltgarantie, S. 12 ff.). Auch mit dieser Erwägung läßt sich die Meinung von Sax nicht aufrechterhalten, denn die Rechtsgüter, die die Grundrechte erst bedingen (und somit gerade nicht Konkretisierungen derselben sind), können nicht ebenfalls "Grundwerte" sein, soll nicht dieser Begriff eine solche Ausdehnung erhalten, daß er die ihm von Sax zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann. 202 Ihr liegen letzten Endes ähnliche Vorstellungen zugrunde, wie sie etwa bei Richard Lange und Arthur Kaufmann anzutreffen sind, auf die noch eingegangen wird; gemeinsam ist ihnen, daß man einem Kernbereich herausgehobener Grundwerte (vorgegebener, nicht beliebig änderbarer Werte, Nor199

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5. Die Aussprache in der Großen Strafrechtskommission

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5. Die Aussprache in der Großen Strafrechtskommission Die Aussprache in der Großen Strafrechtskommission 203 blieb ohne neue Erkenntnisse. Eberhard Schmidt legte in einem schriftlichen Referat204 und in seinem Vortrag 205 seine bekannten Ansichten dar. Schüfer dagegen lehnte in seinem Referat die qualitative Unterscheidung ab206 , nicht jedoch die Trennung der Ordnungswidrigkeiten vom Strafrecht überhaupt207 . Aber das Ordnungswidrigkeitenrecht soll nach ihm, "gemessen an dem Wert des verletzten Rechtsguts, die leichtesten Gesetzesverstöße umfassen", wobei die Wertung jeweils Sache des Gesetzgebers im Einzelfall" seP08. Baldus beschränkte sich darauf, es für "schlechthin unbestreitbar" zu erklären, daß ein "eminenter qualitativer Unterschied" bestehe 209 . Für Staft stellen die Rechtsgüter "einen dem Gesetzgeber vorgegebenen Begriff" dar. Er wollte daher im Rechtsgütersystem "ein geeignetes Unterscheidungskriterium" finden; auf jeden Fall aber ließe sich die Unterscheidung danach treffen, ob "eine Norm in über-· einstimmung steht mit naturrechtlichen Erwägungen"21o. Gallas stützte seine Auffassung auf seine schon in der "Kritik der Lehre vom Verbrechen als Rechtsgutsverletzung" entwickelte Ansicht. Für ihn ist die Unterscheidung nicht nach dem Rechtsgut zu gewinnen, sondern "letztlich nur durch ein sozialethisches Werturteil" möglich, dessen Gründe "nicht in einer prinzipiellen Verschiedenheit der Güter, sondern einmal in Verschiedenheiten der Begehungsweise, dann aber auch im Quantitativen" liegen könnten211 • Auch wenn ein Rechtsgut betroffen sei, könne es sich noch um eine Ordnungswidrigkeit handeln. Bagatellfälle echt krimineller Delikte sollten jedoch nicht aus dem Strafrecht herausgenommen werden. Ordnungswidrigkeit dürfe nur sein, was "keinen men oder Schutzgüter) einen anderen Bereich mit Vorschriften ohne jene besondere Weihe, über die der Gesetzgeber beliebig verfügen könne (die aber bei Sax aus jenen entfaltet sind), gegenüberstellt. Auf die Nähe dieser Vorstellungen zu naturrechtlichen Gedanken sei hier nur hingewiesen. 203 Niederschriften, I, S. 84 ff. 204 Niederschriften, I, S. 333 ff. 205 Niederschriften, I, S. 67. 206 "Ein begriffliches Unterscheidungsmerkmal des Kriminalunrechts gegenüber dem Ordnungsunrecht gibt es nicht"; Niederschriften, I, S. 71. 207 Daran sah er sich durch den Spruch des Gesetzgebers gehindert; Niederschriften, I, S. 72. 208 Niederschriften, I, S. 71. 209 Niederschriften, I, S. 85. 210 Niederschriften, I, S. 88. Dazu kann schon hier gesagt werden: Bejaht man einen naturrechtlichen Ansatz, so ist jede Vorschrift, die nicht mit "naturrechtlichen Erwägungen" übereinstimmt, nicht eine Bestimmung über Ordnungswidrigkeiten, sondern Unrecht. 211 Niederschriften, I, S. 87. 3 Mattes

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

sozialethischen Makel" trage 212 • Allein Mezger leistete noch einen gewissen Widerstand. Er wollte zwar nicht mehr "bestreiten, daß es einen qualitativen Unterschied" gebe, wünschte aber an "einem Ausdruck wie Bagatellstrafrecht, Polizeistrafrecht oder Verwaltungsstrafrecht" festzuhalten (da es sich eben doch um Strafrecht handele). "Auch bei der Reaktion auf Verstöße gegen reine Verwaltungsvorschriften sollten wir den Strafgedanken nicht einfach auf die Seite schieben213 ." 6. Die Haltung der Gesetze über Ordnungswidrigkeiten von 1952 und 1968 Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 folgte wie das Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten. Die Materialien lassen über diese Zielsetzung des Gesetzes nach dem Willen seiner Schöpfer keinen Zweifel214 • Dementsprechend ging man auch in der Literatur davon aus, die "Lehre vom Verwaltungsstrafrecht" habe im Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 "eine gesetzgeberische Verwirklichung ... gefunden"215, oder man nahm doch zumindest an, daß es nach den Absichten der Verfasser des Gesetzes so geschehen sollte, und es herrschte allgemein, selbst bei Gegnern der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, die Ansicht vor, daß das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 ihr hierin gefolgt sei218 • Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 hat diese Grundlage, ja letztlich überhaupt die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten als einem qualitativ andersartigen Unrecht aufgegeben. Ziel des neuen Gesetzes war es zwar in erster Linie, dem Bußgeldverfahren mit Rücksicht auf die Einführung von Verkehrsordnungswidrigkeiten eine grundsätzlich andere Gestalt zu geben217 , es hat sich damit aber zugleich auch eine andere Auffassung vom Wesen der Ordnungswidrigkeit zu eigen gemacht als sein Vorgänger, nämlich die des Bagatelldelikts. Die Begründung zum Entwurf des Gesetzes218 lehnt es ausdrücklich ab, in 212 Niederschriften, I, S. 88. - Im übrigen lehnte er § 6 Abs. 2 Ziffer 2 WiStG 1949 ab: Wenn solche subjektiven Merkmale - Schuldgesichtspunkte - maßgebend seien, werde das Tatprinzip preisgegeben, und man gerate in ein Gesinnungsstrafrecht. Man sollte auch keine Mischtatbestände schaffen (Niederschriften, I, S. 87). 213 Niederschriften, I, S. 86. tu Vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Bundestagsdrucksache I/2100, S. 14 f.); siehe ferner Band I, S. 180 f., und insbesondere unten S. 304, Anm. 12. 215 So z. B. W. JeHinek, Nachtrag 1950, S. 25. 211 Siehe dazu näher unten S. 251 ff., 290 ff., 300 ff., 304, Anm. 12, S. 339; vgl. schließlich noch Eb. Schmidt, Erinnerungen, S. 431 ff. 217 Siehe dazu unten S. 342 ff. m Bundestagsdrucksache V/1269, S. 22 ff.

6. Die Haltung der Gesetze von 1952 und 1968

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den Ordnungswidrigkeiten Verwaltungswidrigkeiten (mit ihren Worten: ",Verwaltungs'ungehorsam im Sinne einer Erschwerung der Verwaltungstätigkeit") zu sehen. Auch ein "wesensmäßiger Unterschied" wird nicht mehr aner kann t 219 • Es habe sich gezeigt, daß" eine scharfe Trennungslinie zwischen ethisch verwerflichem Kriminalunrecht und ethisch farblosem Ordnungsunrecht grundsätzlich nicht zu ziehen" sei; die Zuweisung zu Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten sei "vielfach nur nach pragmatischen Gesichtspunkten" möglich. Andererseits wird es dahingestellt gelassen, "ob Straftat und Ordnungswidrigkeit theoretisch streng geschieden werden können"22o. Außer "Fällen des echten Verwaltungsungehorsams" würden als Ordnungswidrigkeiten "vielfach" abstrakte Gefährdungsdelikte "bewertet"221. Das Richtmaß (der "Wert"), nach dem abstrakte Gefährdungsdelikte so oder anders zu "bewerten" sind, läßt die Begründung des Entwurfs im Dunkeln. Der wiederholte Rückgriff auf die abstrakten Gefährdungsdelikte222 legt den Verdacht nahe, daß hier der heute anachronistische Polizeistrafrechtsgedanke wieder ins Spiel gebracht werden soll, jedoch ohne daß man dabei den Unterschied von Polizeidelikt und abstraktem Gefährdungsdelikt erkennt und außerdem nicht bemerkt, daß der Gedanke des Polizeidelikts durch den Begriff des abstrakten Gefährdungsdelikts überwunden wird, der sich gerade in den durch den Rechtsgutbegriff konstituierten einheitlichen Unrechtsbegriff einfügt223 ; ferner werden ihnen "Erschleichungstatbestände, die im Vorfeld des Betruges liegen", hinzugerechnet. Im allgemeinen seien Ordnungswidrigkeiten somit Handlungen, "die zwar ethisch farblos sind, deren Bekämpfung jedoch im Interesse der öffentlichen Ordnung notwendig ist", oder solche, "bei denen der Unrechtsgehalt der Tat so gering ist, daß kein Grund für das sittliche Pathos des Strafens gegeben ist"224. Zweck der Einführung von Ordnungswidrigkeiten sei es zu erreichen, daß nicht "jeder Bagatellverstoß im ordentlichen Strafverfahren verfolgt werden" müsse225 • Der Gedanke des Bagatelldelikts ist jedoch das genaue Gegenteil der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, wie sie die Wirtschaftsstrafgesetze von 1949 und 1954 sowie das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 verwirklichen wollten oder in der Literatur mit dem Anspruch auf Darstellung eines vom strafbaren Unrecht quali219 220 221 222

Einleitung C III 1, Bundestagsd:mcksache V/1269, S. 29 f. Erl. zu § 2, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 41. Zur Wertungsfrage siehe unten S. 126 ff. Einleitung A, B I, C III 1, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 23, 24, 30. 223 Siehe Band I, S. 128, und unten S. 147 ff. 224 Einleitung A, C III 1, Bundestagsdrucksache V11269, S. 23, 29 f. 225 Einleitung C III 1, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 29. Vgl. auch Einleitung C III 3, a.a.O., S. 32, wo das Opportunitätsprinzip mit dem Bagatellcharakter der Ordnungswidrigkeiten gerechtfertigt wird. 3'

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

tativ abgesonderten Unrechts vertreten worden ist 226 ; es gehört zum eisernen Bestand aller ihrer Spielarten, daß Bagatellunrecht und Ordnungswidrigkeiten zwei verschiedene Dinge sind. Die Ansicht der Entwurfsbegründung von der Bagatellnatur der Ordnungswidrigkeiten läßt sich auch nicht aus der Gesamtheit der Ordnungswidrigkeiten des geltenden Rechts herleiten. Die letztgenannten sind zwar, wie sich zeigen wird227 , regelmäßig in den einzelnen Rechtsbereichen oder Gesetzen gegenüber den Straftaten die weniger schwerwiegenden Handlungen, im ganzen aber doch von unterschiedlicher Schwere und ohne jenen durchgängigen Bagatellcharakter wie etwa die [früheren] Übertretungen22B , was schon die Bußgeld androhungen von 100000,- DM und mehr beweisen, die ja keine Bagatellsachen mehr betreffen können. Die Geringfügigkeit der Ordnungswidrigkeiten des geltenden Rechts ist also "relativ", nämlich nur in bezug auf die ihnen jeweils benachbarten Vergehen. Dennoch scheut die Begründung des Gesetzes nicht davor zurück, ihre Auffassung vom Wesen der Ordnungswidrigkeit als der Gestaltung des bisherigen Rechts zugrunde liegend darzustellen229 , um den vollzogenen Bruch zu verdecken und die vom früheren Gesetz übernommenen Folgerungen der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten auch für sich in Anspruch nehmen zu können. Der Ansicht der Gesetzesbegründung entspricht die Regelung des Gesetzes vor allem in ihrem verfahrensrechtlichen Teil: nur vorläufige Bußgewalt der Verwaltungsbehörde, keine Nachprüfung des Bescheides der Verwaltungsbehörde, sondern selbst Entscheidung in der Sache durch das Gericht, summarische Erledigung, Selbstunterwerfung des Betroffenen USW. 230 . Mit dem Aufgeben der - wie im Vorgriff auf die folgenden Untersuchungen gesagt werden kann - verfehlten Lehre von den Ordnungswidrigkeiten würde sich das Gesetz vorbehaltlose Zustimmung verdienen, wenn es nicht trotzdem versuchte, gerade die spezifischen Folgerungen dieser Lehre hinsichtlich der Rechtsnatur der Geldbuße (als Nichtstrafe)231 und der Ahndungszuständigkeit der Ver226 Vgl. z. B. Eb. Schmidt, Lehrkommentar, I, Nr. 394, Anm. 136 [So 222], wo die "Verwässerung der Trennung kriminellen und nichtkriminellen Unrechts" durch die "Vorstellung des kriminellen Bagatelldelikts" gerade mit dem Blick auf die Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten scharf abgelehnt wird; siehe dazu auch unten S. 339, Anm. 159. 227 Siehe unten S. 50 ff., insbesondere S. 53 ff., und ferner S. 339, Anm. 159. 228 Oder auch, wie er für die Fälle des § 153 Abs. 2 StPO [a. F.] wohl anzunehmen ist. - Vgl. auch Lang-Hinrichsen, Verbandsunrecht, S. 58: "nicht nur Bagatellunrecht, sondern häufig Unrecht großen Ausmaßes". 229 Einleitung C III 1, Bundestagsdrucksache V!1269, S. 29. In der Erläuterung zu § 2 (a.a.O., S. 41) wird aber anerkannt, daß das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 auf der Grundlage der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten beruht. Siehe dazu auch unten S. 339. 230 Siehe näher unten S. 330 ff. 231 Siehe unten S. 252 ff.

6. Die Haltung der Gesetze von 1952 und 1968

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waltungsbehörden jedenfalls als legitime gesetzgeber ische Möglichkeit232 für sich zu verbuchen. Außerdem bleibt es auch für das Bagatelldelikt als Ordnungswidrigkeit bei der Behauptung von deren ethischer Farblosigkeit233 • Die zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 erschienene Literatur [233a] folgt in der Frage der Rechtsnatur der Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise ihres Unterschiedes von den Straftaten, soweit sie sie nicht übergeht23 4, zumeist den entsprechenden Ausführungen der Gesetzesbegründung, ohne über die darin liegende Abweichung von der Grundhaltung des vorangegangenen Gesetzes und des noch geltenden Wirtschaftsstrafgesetzes sowie von der bis dahin ganz herrschenden Meinung hinreichend Rechenschaft abzulegen und sich mit diesem Umschwung kritisch auseinanderzusetzen235 • Die Vorstellung von der AnSiehe unten S. 300 ff. Einleitung A, Bundestagsdrucksache V!1269, S. 23. [m a Soweit sie nachfolgend vom Verfasser nicht mehr behandelt wurde wie auch zur Unterrichtung über den neuesten Sachstand sei auf die Stellungnahmen und Nachweise bei Göhler, 6. Aufl., Vorbem. 5 vor § 1; derselbe, JZ 1968, S. 583 ff., S. 613 ff.; Jescheck, 3. Aufl., S. 43 ff.; derselbe, LK, 10. Aufl., Einleitung, Nr. 10 ff.; Maurach-Zipf, Allgemeiner Teil, I, 5. Aufl., S. 14 ff.; Rebmann-Roth-Herrmann, Vorbem. 4-15 vor § 1; Rotberg, 5. Aufl., Einführung, S. 46 ff.; Schmidhäuser, 2. Aufl., S. 256 ff.; Schönke-Schröder-Stree, 20. Aufl., Vorbem. 35, 36 vor §§ 38 ff.; Tiedemann, ZStW 81 (1969), S. 869 ff.; 83 (1971), S. 792 ff.; 91 (1979), S. 139 ff., und aus verwaltungsrechtlicher Sicht für den übergang auf Patzig, DVBl. 1967, S. 309 ff., S. 352 ff., verwiesen.] 234 Groß-Trapp, Einleitung und Anm. zu § 1 (allenfalls § 1, Anm. 1 e: "bloßes Ordnungsrecht", das sich "außerhalb des ,sozialethisch' Relevanten" bewege); Haniel, Vorbem. und Anm. zu § 1. 235 Rebmann-Roth-Herrmann, § 1, Anm. 2 [Erstbearbeitung] ; Hans Meier, Einführung 1, wo auf die Abkehr vom OWiG 1952 zwar hingewiesen wird mit Gründen, die eigentlich zur Ablehnung der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten führen müßten, aber dennoch wird sie nicht in Zweifel gezogen, Einführung 2 c; vielmehr begnügt man sich mit der Feststellung (Einführung 4 [Erstbearbeitung]) : "Die Frage nach dem wesensmäßigen Unterschied und der Abgrenzung des Bagatellunrechts vom ethisch bedingten Strafrecht ist ein Jahrhunderte altes Problem." Ähnlich Cramer, S. 20: "Das Bemühen, zwischen kriminellem Unrecht und Verwaltungsunrecht zu unterscheiden, ist älter als das Strafgesetzbuch." Bode, S. 15. Mit gewissen Einschränkungen gilt das Gesagte auch für Göhler, Vorbem. 2 vor § 1. - Demgegenüber stellt Rudolf Schmitt, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 11 ff., bes. S. 14 f., deutlich die Entwicklung dar und weist auf die Änderung in der Auffassung hin. "Danach sind Ordnungswidrigkeiten diejenigen strafrechtlich relevanten Verstöße, deren Abrügung der Gesetzgeber erstinstanzlich den Verwaltungsbehörden zugewiesen hat." (S. 14; vgl. auch Göhler, Vorbem. 2 vor § 1). [Eberhard Schmidt mußte unter dem Eindruck der Reform des Rechts der Ordnungswidrigkeiten unter Berufung auf Göhler bekennen (JZ 1969, S. 401): "Die qualitative Unterscheidbarkeit von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wird nicht mehr anerkannt; es wird nur noch ein quantitativer Unterschied gesehen, dessen Bestimmung im einzelnen ganz dem Entscheidungswillen des Gesetzgebers überlassen werden könne. Das hat denn auch in § 1 OWiG 1968 seinen Niederschlag gefunden." Ebenso hat jetzt das Bunt;lesver,ft;Lssungsgericht (BVerfGE 51, S. 60, 74) entschieden, es bestünden "nur graBue11e 232

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I. übersicht über die Literaturmeinungen

dersartigkeit der Ordnungswidrigkeiten gegenüber den Straftaten, aus der heraus der Ordnungswidrigkeitengedanke im deutschen Recht zu gesetzlicher Wirksamkeit gelangte, wird sang- und klanglos aufgegeben236 oder allenfalls noch für die "Kernbereiche" beider Rechtsgebiete gelten gelassen237 und als überholte Ansicht abgetan238 , im übrigen aber eine rein quantitative Unterscheidung als mehr oder minder selbstverständlich hingestellt239 • Gegenüber der dann naheliegenden Annahme vom Bagatellcharakter der Ordnungswidrigkeiten240 findet sich doch auch die Erkenntnis, daß zu den Ordnungswidrigkeiten des geltenden Rechts "nicht nur Bagatellverstöße" gehören241 • Sind Ordnungswidrigkeiten aber nicht schlechthin allgemein die minder schweren Delikte, so ist die Frage nicht zu umgehen, worin eigentlich ihr "einigendes Band" liegt, d. h. nach welchen Kriterien, die dann nur qualitativer Art sein können, sich die Ordnungswidrigkeit in abstracto (als Begriff) von der Straftat unterscheiden soll (und die z. B. dem Gesetzgeber zur Bestimmung dessen dienen können, ob eine RechtsgüterUnterschiede"; die Grenze sei durch den Gesetzgeber festzulegen "im Einklang mit der verfassungs rechtlichen Wertordnung" ... und "auch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Grundgesetzes". In den früheren Entscheidungen (BVerfGE 27, S. 18, 29 ff.; 37, S. 201, 212) hat das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Rechtsnatur der Ordnungswidrigkeit nicht ausdrücklich Stellung genommen, sondern lediglich den Maßstab für die vom Gesetzgeber zu ziehende Grenze entsprechend den oben wiedergegebenen Kriterien festgelegt. In einer anderen Sache (BVerfGE 45, S. 272, 288, 289) hat es einerseits von einem "Unterschied" ... "in wesentlichen Punkten", andererseits von Fällen lImit geringerem Unrechtsgehalt" gesprochen; vgl. ferner BVerfGE 8, S. 197,207.] 236 Hierin mag man sich durch die unzutreffende Darstellung der Begründung zum Entwurf des OWiG 1968, Einleitung A, B I, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 23, bestärkt sehen, wo behauptet wird, nicht die Trennung von Justiz und Verwaltungsbereich, sondern die Bewältigung der Massenverstöße, die Entlastung der Gerichte und in diesem Rahmen auch eine Entkriminalisierung seien entscheidend. Nach diesen Zielsetzungen des neuen Gesetzes wird auch der materielle Begriff der Ordnungswidrigkeit bestimmt. Siehe außerdem unten S. 342 f. 237 Göhler, Rebmann-Roth-Herrmann, jeweils a.a.O. Bode, S. 15, hält die Frage überhaupt für gleichgültig. 238 Göhler, Vorbem. 2 vor § 1 ("ursprünglich vertretene These"); RebmannRoth-Herrmann, § 1, Anm. 2 [Erstbearbeitung] ("früher vertretene Auffassung"). In Wahrheit war diese Ansicht in der Nachkriegsliteratur bis zum Erlaß des OWiG 1968 ganz herrschend, wie die hier vorangegangene Darstellung zeigt. 239 Trotzdem wUI Göhler die Ordnungswidrigkeit "von der Reaktion her betrachtet" und damit infolge einer "positiven Willens entscheidung" des Gesetzgebers als ein "aliud" gegenüber der Straftat ansehen (Vorbem. 2 vor § 1).

240 Vgl. Bode, S. 15 (Ordnungswidrigkeiten als Tatbestände, die früher übertretungen waren oder geworden wären - was offensichtlich in dieser Allgemeinheit nicht richtig ist, auch wenn es mit der Entwurfsbegründung, Einleitung A, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 23, übereinstimmt). 2U Göhler, Einleitung, S. 5.

6. Die Haltung der Gesetze von 1952 und 1968

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gefährdung oder -beeinträchtigung242 Straftat oder Ordnungswidrigkeit sein soll); die Berufung lediglich auf die "Wertung" des Gesetzgebers ohne hinreichend genaue Festlegung des "Wertes", den bestimmte Unrechtstatbestände zumindest in den Augen des Gesetzgebers tragen müssen, damit sie Ordnungswidrigkeiten sein können, ist kein genügender Ersatz dafür. Demgemäß findet man nichts dabei, weiterhin die Existenz von Ordnungswidrigkeiten anzunehmen, obwohl man genau weiß, daß es keine "eindeutigen Kriterien" für deren Unterscheidung von den Straftaten243 beziehungsweise keine "rechtsdogmatisch klare Trennungslinie"244 gibt; für die Einordnung einer Tat soll ja auch deren "materialer Gehalt" nicht maßgebend sein245 • Dies bedeutet, daß das "Ordnungsunrecht" lediglich noch eine Bezeichnung ist, für die es an jedem gedanklich erfaßbaren Inhalt fehlt, der dem Begriff der Ordnungswidrigkeit einen dem Anspruch, mit dem er aufgestellt wurde, gemäßen sachlichen Gehalt geben könnte - eine bloße, ihres eigentlichen Sinnes entleerte Worthülse. Im Gegensatz zu der geschilderten ganz überwiegenden Meinung wollen manche auch unter dem neuen Gesetz an einer qualitativen Unterscheidung der Ordnungswidrigkeiten von den Straftaten im Unrecht festhalten und in der Ordnungswidrigkeit weiterhin die Verwaltungswidrigkeit sehen246 • Derartige Bemühungen stehen im Gegensatz zu der oben wiedergegebenen, die Absichten des Gesetzgebers bekundenden Begründung des Entwurfs und der ihr entsprechenden gesetzlichen Regelung insbesondere des Verfahrens247 , woraus die Gegenmeinung ihre Rechtfertigung herleitet248 • 242 243 244

245 246

Vgl. Göhler, Vorbem. 2 vor § 1. Bode, S. 15. Göhler, Vorbem. 2 vor § 1. Göhler, Vorbem. 2 vor § 1. Rotberg (Kleinewefers-Boujong- Wilts), 4. Aufl., Einführung, S. 43 ff.

Durch das neue Gesetz habe sich "in sachlicher Beziehung ... an dem grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Unrechtsformen im Kern nichts geändert" (S. 44). Die Beschreibung der Verwaltungswidrigkeit folgt der 3., noch von Rotberg besorgten Auflage (siehe oben S. 9, Anm. 10). [Die Meinung wurde aufgegeben von Rotberg (Kleinewefers-Boujong-Wilts) in der 5. Aufl., Einführung, S. 47: "Für eine qualitative Unterscheidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in diesem strengen Sinne ist nun freilich heute kein Raum mehr." In diesem Sinne jetzt ebenfalls Baumann, seit der 6. Aufl., S. 38; derselbe bereits ZRP 1972, S. 273, und - die Änderung einleitend JZ 1972, S. 1 ff., bes. S. 3. Zum Wandel in der Auffassung bei Eberhard Schmidt und zur Stellungnahme durch das Bundesverfassungsgericht siehe oben S.37, Anm. 235.] 247 Die Vorigen setzen sich damit nicht auseinander. 248 Man wird deshalb auch die Äußerung Eberhard Schmidts, der Gesetzgeber sei mit dem OWiG 1968 auf dem Wege des WiStG 1949 und des OWiG 1952 "fortgeschritten" (Erinnerungen, S. 434), doch für zu optimistisch halten

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

Daran ändert auch die vom Bundesverfassungsgericht angeführte "rechtspolitisch andere Wertung des Unrechtsgehalts bisheriger Straftatbestände" durch "Qualifizierung einer Verhaltensweise als bloße Ordnungswidrigkeit"249 nichts. Abgesehen davon, daß man einen Unrechtsgehalt nicht, wie es diese Formulierung nahelegt, beliebig" bewerten" kann und die Berufung auf rechtspolitische "Wertungen" nicht von der Notwendigkeit entbindet, die Ordnungswidrigkeit als einen eigenständigen Unrechtsbereich (den diesen konstituierenden "Wert") zu erweisen und die Wertmerkmale anzugeben, auf Grund derer eine Handlung als nur "ordnungswidrig" "gewertet" werden kann250 , besagt die Qualifizierung eines Unrechts als Ordnungswidrigkeit noch nicht, daß das Verhängen der der Ordnungswidrigkeit entsprechenden Ahndungsfolge materiell keine Rechtsprechung sein könne251 . Es würde auch dem bei der Reform des Ordnungswidrigkeitenrechts, insbesondere der Einführung von Ordnungswidrigkeiten in das Verkehrsstrafrecht, herausgestellten Zweck der Entlastung der Gerichte widersprechen, sie mit dem Verhängen von Geldbußen sogar materielle Verwaltungsakte vornehmen zu lassen. Scheidet danach die Alternative aus, die gerichtlichen Bußgeldentscheidungen gehörten ihrer Natur nach zur verwaltenden Staatsgewalt, so bleibt, daß sie entweder den Charakter materieller Richtersprüche haben oder als rechtsneutrale Maßnahmen gedacht sind. Mit der gerichtlichen Bußgeldentscheidung wollte das Gesetz, wie die weiteren Erörterungen sogleich zeigen werden, keine (als solche) im Hinblick auf ihre Einordnung als materieller Richterspruch oder materieller Verwaltungsakt rechtsneutrale Entscheidung schaffen. Es ist ohnehin zweifelhaft - und wohl abzulehnen - , ob es derartige rechtsneutrale Entscheidungen geben kann. Möglich mag es indessen sein, daß der Ausspruch bestimmter Folgen (Maßnahmen) für sich allein weder notwendig einen Verwaltungsakt noch einen Richterspruch darstellt, sondern als beides möglich und insofern von Hause aus rechtsneutral ist. Man kann auch annehmen, daß das Gesetz das Verhängen müssen. Eberhard Schmidt meint selbst, bei den Rechtsänderungen durch das OWiG und das EGOWiG 1968 handele es sich nicht nur um den "Abschichtungsprozeß" zwischen kriminellem Unrecht und Verwaltungswidrigkeit (a.a.O., S.435, Anm.46). [Siehe oben S.37, Anm.235, und S.39, Anm.246, jeweils am Ende.] 248 BVerfGE 22, S. 49, 78. 250 Das hierzu Erforderliche ist oben S. 34 ff. gesagt. 251 D:l.s Bundesverfassungsgericht greift hier offensichtlich auf seine in BVerfGE 8, S. 197, 207 f., geäußerte, aber bereits dort nicht zureichend begründete Ansicht zurück, das Verhängen der Geldbuße gehöre nicht zur Rechtsprechung, weil es keine strafgerichtliche Verurteilung, das Bußgeldverfahren kein Strafverfahren sei (siehe dazu unten S. 316 f.). Daß der Ausspruch einer Rechtsfolge schon deswegen keine Rechtsprechung sei, weil das 'dab"ei verwendete Verfahren kein Strafverfahren sei oder der Rechtsfolge -deli Str.afchal'akter fehle, ist eine Behauptung, die so nicht überzeugen kann.

6. Die Haltung der Gesetze von 1952 und 1968

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der Geldbuße als solche an sich rechtsneutrale Maßnahme auffaßt. Aber die gerichtliche Bußgeldentscheidung will es doch offensichtlich als Akt der Rechtsprechung gewertet wissen. Zunächst sieht es, indem es die gerichtliche Entscheidung nicht als Nachprüfung des Bußgeldbescheides der Verwaltungsbehörde, sondern selbst als Erstentscheidung in der Sache versteht, die Zuständigkeit der Gerichte unmittelbar aus der Blickrichtung des Art. 92 GG statt (wie das OWiG 1952) aus der des Art. 19 Abs. 4 GG. So dann will es der gerichtlichen Bußgeldentscheidung allem Anschein nach beilegen, was es dem Bußgeldbescheid abspricht: den Charakter eines "Wahrspruchs", der "nach Aufklärung des Sachverhalts mit dem Anspruch auf Richtigkeit" ergeht252 • Die Begründung des Gesetzes sagt zwar nicht ausdrücklich, daß sie diesen Wahrspruch charakter für das entscheidende Merkmal eines materiellen Richterspruchs hält. Sie könnte sogar daran zweifeln lassen, weil sie den Bußgeldbescheid des OWiG 1952 ebenfalls einen solchen "Wahrspruch" nennt253 , ihn aber hiermit möglicherweise nicht nachträglich als materiellen Richterspruch anerkennen will. Wenn sie indessen die Ahndungsbefugnis der Verwaltungsbehörden damit rechtfertigt, daß deren Entscheidungen (durch ihre Vorläufigkeit, die eine Selbstunterwerfung des Betroffenen zu ihrer Bestandssicherung notwendig mache) jener Wahrspruchcharakter fehle, so kann dies nur bedeuten, daß das genannte Merkmal aus der Sicht des Gesetzes kennzeichnend für Entscheidungen zumindest in der fraglichen Materie ist, die den Gerichten vorbehalten bleiben sollen (und infolgedessen ohne dieses Merkmal auch anderen Stellen anvertraut werden dürfen), was seinen Grund nur darin haben kann, daß es sich insoweit um materielle Richtersprüche handelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bußgeldverhängung, wie nach der Anlage des neuen Gesetzes, nicht schon als solche, nämlich durch die Verwaltungsnatur von Unrecht und ihm entsprechender Rechtsfolge, den Charakter einer materiellen Verwaltungsentscheidung erhält. Jene Art der Rechtfertigung ist allein dann erforderlich, wenn die Bußgeldverhängung entweder an sich oder doch in Form eines "Wahrspruchs" einen Akt der rechtsprechenden Gewalt darstellt. Ein weiteres Indiz dafür, daß das Gesetz die gerichtliche Bußgeldentscheidung als materiellen Richterspruch gewollt hat, bildet die ihr in § 84 OWiG 1968 verliehene volle materielle Rechtskraftwirkung. So deutet doch alles darauf hin, daß die Bußgeldentscheidung des Gerichts im Selbstverständnis des Gesetzes ein materieller Richterspruch ist, mag es sich nach der Auffassung des Gesetzes bei der Bußgeldverhängung nun um eine wegen der Rechtsnatur des Unrechts oder seiner Rechtsfolge originäre Rechtsprechungsaufgabe handeln oder der Rechtsprechungscharakter erst 252 253

Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32. Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32.

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1. übersicht über die Literaturmeinungen

durch die Art der Entscheidung beziehungsweise ihrer Findung oder Wirkung zustande kommen. Hat man in der gerichtlichen Bußgeldentscheidung einen Akt der rechtsprechenden Gewalt zu sehen, so ist es fraglich, ob der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde etwas anderes sein kann. Der letztgenannte wird im gerichtlichen Verfahren nicht bloß nachgeprüft (was von sich aus eine unterschiedliche Rechtsnatur beider Entscheidungen ermöglichte); vielmehr haben beide denselben Verfahrensgegenstand. Wenn und soweit es aber für die materielle Qualifizierung der Bußgeldentscheidung als Akt der Rechtsprechung oder der Verwaltung auf den Inhalt (den Gegenstand, die auszusprechende Rechtsfolge) der Entscheidung ankommt, bietet das Gesetz für eine unterschiedliche Beurteilung des Bußgeldbescheides der Verwaltungsbehörde und des gerichtlichen Urteils oder Beschlusses keine Handhabe. Es gilt hier dasselbe, was der Bundesgerichtshof im gleichgelagerten Falle für das Verhältnis von Steuerstrafbescheid und nachfolgendem gerichtlichen Urteil anerkannt hat, daß nämlich beide "nicht gewaltverschiedenen Ursprungs" sein können254 . Das Gesetz will allerdings nach seiner Begründung die Ahndungsbefugnis der Verwaltungsbehörde mit dem "Grundgedanken" der "Selbstunterwerfung des Betroffenen", der mit dem weiteren der "summarischen Erledigung von Ordnungswidrigkeiten" in engem Zusammenhang gestellt wird, rechtfertigen; der Bußgeldbescheid soll demgemäß "nur ein vorläufiger Spruch in einem vereinfachten Verfahren sein, der zu einem endgültigen erst durch die Selbstunterwerfung des Betroffenen wird"255. Daraus ist zu schließen, daß der Bußgeldbescheid nach Auffassung des Gesetzes deshalb kein Richterspruch ist, weil ihm ein wesentliches Merkmal eines solchen abgeht; diese Differenz wird mit den Begriffen der "Vorläufigkeit" der Entscheidung, der "Selbstunterwerfung des Betroffenen", der "summarischen Erledigung" gekennzeich-· net. Kann aber die Bußgeldverhängung, wenn sie als gerichtliche Entscheidung ein materieller Richterspruch ist, diese Rechtsnatur dadurch verlieren (und die einer Verwaltungshandlung erlangen), daß ihr ein zunächst vorläufiger Charakter beigelegt wird? Zieht man zum Vergleich das Verhältnis von Strafbefehl, der von manchen ebenso wie der Bußgeldbescheid in der Begründung des Entwurfs zum OWiG 1968 gekennzeichnet wird256 und dem das Gesetz den Bußgeldbescheid nachbilden wollte257 , und Urteil heran, so muß die Frage verneint werden, BGHSt. 13, S. 102, 105. Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32. m z. B. Kleinknecht, A 5, § 65, Anm. 1; Vorbem. 1--4 vor § 407. 267 Vgl. §§ 66, 71 OWiG 1968. 254 255

7. überlegungen zur Grundlage der Lehre

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denn ungeachtet aller Meinungsverschiedenheiten über das Wesen des Strafbefehls ist dessen Charakter als Akt der rechtsprechenden Gewalt doch unbestreitbar. Entsprechendes ergibt sich aus einer Parallele zum Steuerstrafbescheid. Auch diesen konnte die behauptete Vorläufigkeit nicht in einen materiellen Verwaltungsakt umwandeln258 • Es bliebe dann nur, aus der verschiedenen Zuständigkeit auf eine unterschiedliche Rechtsnatur der Entscheidungen zu schließen, was indessen im Falle des Strafbescheides bereits abgelehnt worden ist259 • Die verfahrens rechtliche Regelung des OWiG 1968 kann also für sich allein keine unterschiedliche Rechtsnatur von Bußgeldbescheid und gerichtlicher Bußgeldentscheidung glaubhaft machen. Die gerichtliche Bußgeldentscheidung will das Gesetz offensichtlich als Akt der rechtsprechenden Gewalt verstanden wissen. Folgt man ihm hierin, so kann aus dem Verfahrensrecht des Gesetzes unter Zugrundelegen der zu vergleichbaren prozessualen Einrichtungen in Rechtsprechung und Lehre entwickelten herrschenden Auffassung nicht zwingend geschlossen werden, bei dem Bußgeldbescheid handele es sich um einen materiellen Verwaltungsakt. Zwar liegt es in der Absicht des Gesetzes, daß das Verhängen der Geldbuße wegen deren angenommener Rechtsnatur nicht schon als solches ein Richterspruch sein soll. Dies müßte dann aber auch für die gerichtliche Entscheidung gelten, die das Gesetz jedoch als der Rechtsprechung zugehörig begreift, ohne indessen insoweit durch seine verfahrensrechtliche Gestaltung hinreichende Kriterien für eine materielle Differenzierung von Bußgeldbescheid und gerichtlicher Bußgeldentscheidung zur Verfügung zu stellen. Es fragt sich, ob durch Einbeziehen von Erwägungen jenseits der positiven Verfahrensregelung des Gesetzes eine andere Beurteilung ermöglicht wird. Die endgültige Klärung setzt eine nähere Untersuchung des Rechtsprechungsbegriffs voraus260 • 7. Vberlegungen zur Grundlage der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten

Der Ausgangspunkt der Lehre von den Verwaltungs-(Ordnungs-) Widrigkeiten tritt oft nicht klar zutage, enthüllt sich aber bei näherem Zusehen. Eberhard Schmidt lehrt[e], die Verletzung materieller Lebensinteressen sei kriminelles Unrecht, die von Verwaltungsinteressen Ordnungswidrigkeit2ft1 • Diese Formel klärt nicht, sondern verdeckt. Was 258 Vgl. BGHSt. 13, S. 102, 105; offengelassen in BVerfGE 8, S. 197, 207; siehe näher unten S. 347 f. m Siehe vorige Anmerkung. 280 Siehe dazu unten S. 353 ff., 377 ff. 261 Wirtschaftsstrafrecht, S. 20.

I. übersicht über

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die Literaturmeinungen

sind materielle Lebensinteressen und was Verwaltungsinteressen, warum gehören diese nicht zu jenen, und weshalb müssen beide verschieden behandelt werden? Darüber erhält man aus der angeführten Wendung keinen Aufschluß. Zugrunde liegt der Gegensatz von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung, der noch auf der Goldschmidtschen Gegenüberstellung von Individuum und Gemeinschaftswesen beruht. Die Verwaltung steht außer halb der Rechtsordnung; sie mag wohl an ihr eine Grenze finden, lebt aber im übrigen nach eigenen, nicht vom Recht bestimmten Grundsätzen und verfolgt keine rechtlichen Ziele, sondern lediglich (die Gerechtigkeit nicht berührende) Verwaltungsinteressen. Diese Sicht ist nur möglich von einem Standort aus, nach dem die Rechtsordnung vom Menschen als (ursprünglichem) Individuum her begriffen wird und demzufolge all das nicht erfaßt, was den Menschen als Gemeinschaftswesen und sein (ursprüngliches) Eingebettetsein in die Welt des Sozialen voraussetzt. Es ist das Feld der "öffentlichen" Dinge, das der Verwaltung überlassen bleibt und die Rechtsordnung, deren Mittelpunkt das Individuum bildet, nicht betrifft. Daher wird im Wirtschaftsstrafrecht die Wirtschaftsordnung nicht auf die Sicherung des Lebens der Gemeinschaft und des Daseins in ihr, um deswillen jeder einzelne sich Beschränkungen gefallen lassen muß, bezogen, sondern auf den als Person gedachten Staat, der durch die Wirtschaftsordnung gleichsam für die Erhaltung seiner eigenen Existenz sorgt (so der Gedankengang bei Eberhard Schmidt): Das Interesse des Staates an Bestand und Erhaltung der Wirtschaftsordnung ist Schutzobjekt der Wirtschaftsstrafnormen (§ 6 WiStG 1949). Dadurch wird die Beziehung auf ein individuelles Dasein als Anknüpfungspunkt für kriminelles Strafrecht hergestellt. Entsprechend sind die "materiellen Lebensinteressen" als Gegensatz zu den Verwaltungsinteressen nur durch ihre Bezogenheit auf das Individuum gekennzeichnet (es sind individuelle Interessen). Verdeutlicht wird das Gesagte durch die geläufigen Formulierungen (für welche etwa die bei Stoecker als Beispiel dienen möge), nach denen der "wesensmäßige Unterschied" im "materiellen Unrechtsgehalt" der strafbaren Handlungen und der Ordnungswidrigkeiten darin liegt, daß die "kriminelle Straftat das anerkannte Interesse einer Individualperson oder einer Personengemeinschaft" (der als solcher ebenfalls Individualcharakter beigelegt wird) verletzt, während dem Verwaltungsunrecht "eine derartige Beziehung" fehlt. Der "Verstoß gegen Ordnungsnormen ist seiner Natur nach nicht ethisch bezogen, sondern stellt eine Mißachtung der im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenlebens notwendigen Gehorsamsverpflichtung des einzelnen gegenüber den zur Durchführung von Verwaltungs aufgaben erlassenen Geboten dar"262. 282

Stoecker, MDR 1952, S. 385. Siegert wendet (BB 1953, S. 393) gegen

7. überlegungen zur Grundlage der Lehre

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Demzufolge dient die kriminelle Strafe dem Schutz des Rechtsfriedens, die Geldbuße dagegen lediglich der Verfolgung äußerer Ordnungszwecke, weshalb die erste sich an die autonome sittliche Persönlichkeit des einzelnen, die zweite nur an die Gliedpersönlichkeit (die nicht mit rechtlich geschützten ethischen Werten, sondern allein mit staatlichen Ordnungs- oder Verwaltungs interessen in Beziehung gebracht werden darf) wendet, wie das ganz bezeichnend wieder Michels im Banne Goldschmidtscher Gedankengänge bei der Entfaltung und Erläuterung der Lehre Richard Langes dargetan hat263 • Ähnlich behauptet z. B. Schlegtendal, die Rechtsprechung diene "der Verwirklichung individueller Ansprüche", die Verwaltung "dem allgemeinen Wohl"; sie weise "mehr kollektivistische Züge" auf264 • In allen diesen Äußerungen erscheint als Grundlage der Trennung von (Kriminal-)Straftat und Verwaltungswidrigkeit der Gegensatz von Individuum und Gemeinschaftswesen. Nur aus dieser Sicht läßt es sich begreifen, daß eine Straftat da vorliegen soll, "wo der Mensch, sein Eigentum oder der Staat geschütztes Rechtsgut" ist, während die Ordnungswidrigkeit sich "einzig und allein gegen die staatliche Ordnung" richtet 265 • Dahinter steht immer der Gedanke, daß die Rechtsordnung durch individuelle Rechte oder Güter konstituiert und daher eigentlich auch nur durch Eingriffe in Stoecker ein, es entstehe der "Eindruck, als ob die öffentlichen Interessen

weniger schutzbedürftig seien". Jedoch erkennt auch er nicht, daß die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten auf der genannten Gegenüberstellung beruht. Wenn die nicht mehr einem individuellen Interesse, sondern nur noch dem "gesellschaftlichen Zusammenleben" dienenden Normen nicht als ethisch indifferent und ursprünglich oder eigentlich nicht zur Rechtsordnung gehörig betrachtet werden können, ist der Lehre von den Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten der Boden entzogen. 263 S. 57 f. 264 Auch Heuschmann stellt dem "Verwaltungsschaden" ("Beeinträchtigung irgendwelcher Verwaltungsinteressen und Störung konkreter Verwaltungsaufgaben") die Verletzung eines individuellen Rechtsgutes zur Bezeichnung des fraglichen Unterschiedes gegenüber (S. 10), und bei Kowalski ist das Verwaltungsstrafrecht nur dadurch möglich, "daß das Individuum ständig von der im Staate herrschenden Gemeinschaftsverbundenheit umfangen gehalten wird" (S. 50). 265 Cordier, NJW 1959, S. 2151. Entsprechend Michels, S. 63 ff.: Rechtsgüter als die "präexistenten" Schutzobjekte des Kriminalstrafrechts seien die "von den Tatbeständen des Strafrechts geschützten Interessen des Einzelnen oder des Staats als einer personifiziert gedachten Gesamtheit"; den Zuwiderhandlungen dagegen liege nur das Interesse des verwaltenden Staates, daß sich die Verwaltungsunterworfenen "um der guten Ordnung willen" in bestimmter Weise verhielten, zugrunde. Auch Schlegtendal meint, eine gegen Interessensphären anderer gerichtete Handlung könne keine Ordnungswidrigkeit sein (S. 113). Lackner versteht die Unterscheidung der Lehre aus dem "Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz individueller Lebensinteressen und der bloßen Förderung von Belangen allgemeiner Wohlfahrt" (Jur.-Jahrb. 4 [1963/ 64], S. 77, 79). Vgl. auch Krüger, Staatslehre, S. 757 f. (Verfehlung des Menschen gegen seinen Mitmenschen als am Gerechtigkeitsmaßstab zu messende Kriminaltat, Verfehlung des im Staat verfaßten Bürgers an der gemeinsamen Anstrengung als Verwaltungswidrigkeit).

I. übersicht über die Literaturmeinungen

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diese verletzt werde, das Wesen des Verbrechens und der Grund der Strafe für das staatliche Strafrecht in solchen Eingriffen liege. Man hat es hier mit einem Verständnis des Rechts zu tun, das der staatlich gewährleisteten Rechtsordnung die alleinige Aufgabe zuweist, einen vorhandenen Bestand an Individualsphären und individuellen (Rechts-) Machtbezirken zu garantieren und gegen Änderungen möglichst zu schützen, während ein Sozialgestaltungszweck des Rechts abgelehnt wird. Die Gestaltung der sozialen Lebensordnung (des sozialen Lebensraumes) als solche (soweit sie von jener Bestandssicherung getrennt zu denken ist) erscheint nicht als Frage der Gerechtigkeit, sondern des bloßen Nebeneinander für sich seiender Individuen, des gesellschaftlichen Zusammenlebens, an dessen (reibungsloser) Ordnung nur ein Verwaltungsinteresse besteht. Es ist klar, daß diese Ansicht nicht der heutigen Rechtsauffassung entspricht. Dennoch bildet sie die notwendige Voraussetzung der dargestellten, die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten befürwortenden Literaturmeinungen. Mit aller wünschenswerten Deutlichkeit geht dies auch aus den Erläuterungen Steiners zu seiner Verteidigung des Ordnungswidrigkeitengedankens hervor: Das Kriminalstrafrecht knüpfe an die "Einzelhaftigkeit" (Individualität) des Menschen an und rüge "Übergriffe in fremde Rechtssphären" (Persönlichkeitssphären). Das Recht der Ordnungswidrigkeiten begreife dagegen den Menschen als "Funktionär"; es sei ein "Organisationsstrafrecht" und dadurch gekennzeichnet, "daß nicht das Individuum, sondern der Funktionär im Menschen ... angesprochen wird". Die Lehre vom Rechtsgut, dessen Verletzung zum Kriminalstrafrecht führe, zieht Steiner ausdrücklich als "Ergebnis individualistischen liberalen Denkens" heran266 • Vor diesem Hintergrund ist auch die Meinung des Bundesgerichtshofes zu sehen, eine Tat habe "erst dann einen kriminellen Unrechtsgehalt, wenn sie nicht bloß die reibungslose Verwirklichung von Verwaltungsaufgaben, sondern wesentliche Gemeinschafts- oder Individualwerte" berühre267 , oder von Kääb-Rösch 268 , das kriminelle Delikt mißachte "anerkannte Rechtsgüter oder Interessen des einzelnen, einer Personengemeinschaft oder der Allgemeinheit", oder wenn Henkel erklärt, die "echte Straftat" greife "die vom Staat gewährleistete Ordnung durch Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern" an269 • Zwischen den Gütern (Werten) der Gemeinschaft oder der Allgemeinheit, von denen hier als vom Strafrecht (im Gegensatz zum Ordnungswidrigkeitenrecht) geschützten Gütern gesprochen wird, und den sogenannten 266 167 268 16g

s. 71 f., 75 ff., 83.

NJW 1955, S. 351. Einführung 37. Strafverfahrensrecht, 1. Aufl., S. 86.

7. überlegungen zur Grundlage der Lehre

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Verwaltungsgütern (Verwaltungs aufgaben) ist eine qualitative Unterscheidung ohne Zuhilfenahme solcher Kriterien, die aus den erwähnten Voraussetzungen abgeleitet sind, nicht möglich. überindividuelle Güter lassen sich nicht in Rechts- und Verwaltungsgüter aufteilen, wenn man nicht das Unterscheidungsmerkmal und damit den für die Bestimmung des Rechtsgutes erforderlichen Begriff des Rechtlichen an eine (unmittelbare) Beziehung zur Individualgüterwelt, deren Bestandssicherung Aufgabe des Rechts sei, bindet. In den erwähnten Formulierungen wird entweder die Gemeinschaft rechtlich entsprechend einer Individualperson aufgefaßt und die ihr zugeordneten - individuell begriffenen - Güter oder Werte als Bestandteile der Rechtsordnung (Rechtsgüter) den - nicht zur Rechtsordnung gehörenden, weil nicht einem Individuum zugeordneten - Verwaltungsinteressen (Verwaltungsgütern) gegenübergestellt (wobei die Unterscheidung nicht ohne Willkür ist), oder die Gemeinschaftswerte sind allenfalls als Werte des Individuums gemeint, die in der Gemeinschaft lediglich eine allgemeine Geltung haben sollen, oder doch nur als solche (der Gemeinschaft zugeordneten) Werte (Güter), die unmittelbar die "Individualgüterwelt" betreffen270 • Anders wäre es nicht zu verstehen, weshalb die mit der Verwaltungstätigkeit verfolgten Ziele (die sogenannten Verwaltungsinteressen) keine wesentlichen Gemeinschaftswerte, anerkannten Interessen der Allgemeinheit oder Rechtsgüter sein können. Ähnliches ließe sich bezüglich vieler Versuche bemerken, mit denen die Ordnungswidrigkeiten als ethisch indifferent hingestellt werden sollen. Auch hier ist weithin eine Rückbeziehung des Sittlichen auf das Individuum festzustellen, so daß alles, was unmittelbar nur die Allgemeinheit angeht, außerhalb seines Bereiches bleibt271 • Dasselbe Bild ergibt sich auch aus der Lehre Richard Langes. Er will zwar die Verwaltungs- oder Ordnungsvorschriften ausdrücklich zu Bestandteilen der Rechtsordnung machen, wie auch seine "Antithese" 270 Es handelt sich also stets um Auswege, um den schlimmsten Konsequenzen jener grundsätzlichen Auffassung entgehen zu können. 271 So steht bei Ostman von der Leye zu lesen, wertvoll könne lediglich das sein, was der Vervollkommnung der Person diene, weshalb nur der Allgemeinheit zugehörige Werte an sich nicht, sondern höchstens als auf die Einzelperson rückbezogene Werte denkbar seien. Obwohl die Sozialität des Menschen - ebenso wie seine Personalität - als "absolute anthropologische Grundstruktur" gesehen wird, soll das Strafrecht zum Ziel doch nur die personale Vollkommenheit des Menschen haben, so daß die strafbare Handlung in einer Verletzung des jeweiligen Personstatus anderer besteht, durch die der verletzte andere den Selbstentwurf zur personalen Vollkommenheit nicht mehr oder nur erschwert vollziehen könne. Demgemäß ist das Kriterium des kriminellen Unrechts die "konkrete, sichtbare personale Schädigung"; fehlt sie, so kann nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegen (S. 19, 111 f., 133, 144 f., 147 f., 159, 160, Anm. 19). Siehe auch oben S. 14, Anm. 65 am Ende

(Baumann).

I. Übersicht über die Literaturmeinungen

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Rechtsverletzung - Rechtsgutsverletzung zeigt272 ; aber zu welcher Kümmerform von Rechtssätzen werden diese erst "positiv geschaffenen" Vorschriften abgewertet! Gerade der materielle Kern der Rechtssätze fehlt ihnen; es bleibt nur der nackte Befehl ohne eine andere Berechtigung als die in der Befehlsgewalt selbst liegende und ohne daß er eine innere, von der Sache her gebotene Verpflichtung enthielte273 , denn auch soweit eine solche nach den Motiven des Gesetzgebers in Betracht kommen könnte, bleibt sie doch für die Erfassung des Wesens der Ordnungswidrigkeiten gleichgültig 274 • Derartige Gebote oder Verbote ohne den sachlichen Gehalt von Rechtssätzen sind nur als "despotische Befehle"275 mit "Kadavergehorsam" denkbar. Die volle Bedeutung der Ansicht Langes läßt sich ermessen, wenn man die weitere Bemerkung berücksichtigt, das Spannungs verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit sei "letzten Endes Ausdruck der Spannung zwischen Individualität und sozialer Funktion im Bilde des Menschen selbst"276. Damit ist die Gerechtigkeit auf die "Individualität" des Menschen bezogen (der Gerechtigkeitsbegriff vom Individuum her gesehen), und es wundert nicht mehr, daß, was nicht auf sie bezogen wird, nur als "nüchterne Ordnungsgesetze" mit "rationalen Zwecken" und als "künstliche Tatbestände" erscheinen kann. - Entsprechend steht in der von Richard Lange betreuten Dissertation von Jürgen Mittelbach zu lesen, bei den Ordnungswidrigkeiten erleide kein durch die Strafrechtsordnung geschütztes Rechtsgut Schaden. "Anders als bei der Rechtsgutverletzung des Kriminaldelikts fehlt hier die Beziehung auf eine individuelle Person oder die als solche gedachte Personengemeinschaft277 ." Wie sehr schließlich der Täter einerseits als Individualperson (im Kriminalstrafrecht), andererseits als Gliedperson (im Ordnungswidrigkeitenrecht) aufgefaßt wird, geht auch aus der verbreiteten Behauptung über die Andersartigkeit der Schuld hervor 278 : Schuld im OrdJZ 1956, S. 521, Anm. 15. Es soll in diesen Fällen nur die von der Autorität der anordnenden Stelle ausgehende "bloße" Ordnungsfunktion des Befehls wesentlich sein, während die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit der Anordnung gar nicht gestellt werden dürfe, weil der Inhalt gleichgültig oder doch beliebig und von sich aus ohne materiellen Gehalt sei. 274 Rechtsgrund der Bestrafung ist hier "einzig und allein die formelle übertretung des gesetzlichen Verbots": Diesen Lehrsatz Langes wiederholt Michels, S. 69. 275 Welzel, JZ 1957, S. 132. Schon Frank hatte sich gegen die Annahme "einfacher Ungehorsamsdelikte" gewandt (siehe Band I, S. 132); ähnlich Erik Wolf, Stellung, S. 532. Vgl. auch Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 136 f., 200 f. 276 Kohlrausch-Lange, Vorbem. A UI 1 vor § 13. Dieser Satz stand noch nicht in den von Eduard Kohlrausch verfaßten Ausgaben. 277 S.5. 272

273

7. überlegungen zur Grundlage der Lehre

49

nungswidrigkeitenrecht soll nur eine "formelle Willensschuld", die bloße Fehlerhaftigkeit des Willens sein, das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt279 ohne eigentliche (in der Regel als " ethisch" bezeichnete) Persönlichkeitsbeziehung, eine "generalisierte Vermeidbarkeit"280, so daß der Vorwurf die sittliche Persönlichkeit des Menschen überhaupt nicht berühre 281 und auch keine Sühne für ein Verschulden in Betracht komme282 . Demgegenüber werde im Kriminalstrafrecht für die Ahndung ein sittlicher (ethischer) Vorwurf, die "höchstpersönliche, der Individualethik angehörende Schuld"283 vorausgesetzt. Dies ist die selbstverständliche Folge dessen, daß sich die Normen des Ordnungswidrigkeitenrechts "an den Menschen als an einen Träger bestimmter Aufgaben im Unterordnungsverhältnis" wenden, während im Kriminalstrafrecht "der Mensch als Individuum angesprochen" wird 284 .

278

Gegen einen unterschiedlichen Schuldbegriff jedoch unter anderem

Baumann, Verkehrsgefährdung, S. 168; Bettermann, Verkehrsgefährdung, S. 207 f.; Bockelmann, NJW 1960, S. 1284; derselbe, DAR 1961, S. 185 ff.; derselbe, Verkehrsgefährdung, S. 189 ff.; Boldt, zstW 70 (1958), S. 372; Jescheck, JZ 1959, S. 462; derselbe, DÖV 1953, S. 543; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 136 f., 200 f.; Welzel, JZ 1956, S. 238 ff.; 1957, S. 130 ff. Vgl. auch BGHSt. 16, S. 399, 401; OLG Köln, NJW 1961, S. 422. 279 Haertel-Joel-Schmidt, Einleitung, S. 33; Eberhard Schmidt, Wirtschafts-

strafrecht, S. 52. 280 Wimmer, NJW 1960, S. 1546 (keine individuelle Vermeidbarkeit, die zur sozialethischen, höchstpersönlichen Schuld führt, sondern nur die Feststellung, daß "man" den Verstoß vermeiden kann). 281 Deshalb könne die Verschuldensregelung bei den Ordnungswidrigkeiten niemals gegen die Menschenwürde verstoßen; BVerfGE 9, S. 167, 171. 282 Vgl. z. B. Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 27, 28; BayObLGSt. 1962, S. 208, 210; Wimmer, NJW 1960, S. 1547. 283 West hoff, S. 82. Auch Maihofer will für die Ordnungswidrigkeiten eine Schuldfeststellung danach, ob "man" unter diesen Umständen hätte anders handeln können, zulassen, nicht aber für das kriminelle Unrecht (Unrechtsvorwurf, S. 160). Wernicke sieht einen Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten darin, daß bei den letzten "jeder Täter nach seiner eigenen Verantwortung erfaßt wird" (NJW 1963, S. 329). 284 Wie auch hier wieder mit hinreichender Deutlichkeit den Ausführungen Steiners, S. 84, zu entnehmen ist. 4 Mattes

11. Die Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952 Mit der Unterscheidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wollten das Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 und das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 die Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten gesetzlich verwirklichen1 • Es liegt daher nahe zu überprüfen, ob die Tatbestände des darauf fußenden Ordnungswidrigkeitenrechts den von der Lehre gegebenen Beschreibungen der Verwaltungswidrigkeiten oder wenigstens des ethisch neutralen Unrechts entsprechen oder nach welchen Merkmalen sie sich sonst richten. Zu diesem Zweck ist eine gewisse übersicht nötig, die die Ordnungswidrigkeiten zumindest beispielhaft vor Augen führt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kommt es nicht darauf an, das Gesamtgebiet der Ordnungswidrigkeiten zu erfassen, sondern die Grenzlinie zum kriminellen Unrecht, wie sie in zahlreichen Gesetzen des Bundesrechts gezeichnet ist, möglichst klar hervortreten zu lassen2 • Dies kann nicht dadurch geschehen, daß man versucht, die Tatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts in eine systematische Ordnung zu bringen, sondern nur durch kasuistische Bestimmung jener Grenzlinie an Hand einzelner Gesetze. 1. Das übermaß der Ordnungswidrigkeiten

Im ganzen haben die Bußgeldandrohungen einen kaum mehr übersehbaren Umfang angenommen[2a l. Die Fülle der Einzelvorschriften ist 1 Vgl. die Begründung zum OWiG 1952, Bundestagsdrucksache 1/2100, S. 14, wonach die im WiStG 1949 gemachte Unterscheidung auf die Lehre Goldschmidts zurückgeht. 2 Es können deshalb im wesentlichen nur seit 1952 erlassene Bundesgesetze (abgesehen von einigen älteren Wirtschaftsgesetzen aus der Zeit nach 1949) berücksichtigt werden, frühere Gesetze nur dann, wenn sie nach 1952 erheblich geändert und dabei Ordnungswidrigkeiten eingeführt worden sind oder hätten eingeführt werden können. Die Beschränkung auf Bundesrecht ist notwendig, um die Übersicht nicht unangemessen auszudehnen; sie rechtfertigt sich wegen der allgemeineren Bedeutung des Bundesrechts. - Zum Landesrecht findet man einige Hinweise bei Patzig, DÖV 1956, S.261, S.295; 1962, S. 737. [Die übersicht gibt den Stand bis zum Jahre 1965 wieder.] [28 Dies beklagt neuestens Ulrich Weber, Die überspannung der staatlichen Bußgeld gewalt, ZStW 92 (1980), S. 313 ff., ebenfalls. Vgl. auch LangHinrichsen, Verbandsunrecht, S. 62: "Die Ordnungswidrigkeiten sind im Laufe

1. Das übermaß der Ordnungswidrigkeiten

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verwirrend; andererseits kommen in vielen Nebengesetzen gleichartige, in manchen sogar wörtlich übereinstimmende3 Tatbestände vor. Die Kasuistik dürfte in dieser Breite kaum notwendig sein; aber es fehlt an Versuchen, sie einzuschränken, genügend klare und einfache Tatbestände zu schaffen, die Tatbestände für ein bestimmtes Rechtsgebiet über ein einzelnes Gesetz hinaus zu systematisieren. Durch entsprechende Rechtsgestaltung und Einsatz anderer Mittel hätte es auch möglich sein müssen, viele Straf- und Bußgeldandrohungen zu beseitigen. Derartige Bemühungen scheint der Gesetzgeber aber, vielleicht wegen der angeblichen ethischen Indifferenz der anzudrohenden Geldbuße, nicht für erforderlich angesehen zu haben. Die Straf- oder Bußgeldbestimmungen enthalten zwar im allgemeinen keine generellen Verweisungen auf alle Vorschriften eines Gesetzes mehr4, sondern zählen die in Betracht kommenden Vorschriften auf (selbständige Tatbestandsformulierungen sind dagegen seltener); aber auch auf diese Weise bleibt vielfach kaum ein denkbarer Verstoß gegen ein Gesetz ohne Strafoder Bußbewehrung. In der Pönalisierung geht der Gesetzgeber dabei oft sehr weit. Selbst die Nichtbeachtung reiner Formalien ohne irgendeinen sachlichen Verstoß wird zuweilen zur Ordnungswidrigkeit gemacht, wie etwa das Erstatten vorgeschriebener Meldungen, Ausstellen eines ärztlichen Gesundheitszeugnisses, Führen des erforderlichen Stammblattes durch den behandelnden Arzt ohne Verwendung des jeweils vorgesehenen Formblattes oder die Unterlassung z. B. der Berufsangabe oder der Angabe des Geburtsortes des Geschlechtskranken in den vorgeschriebenen Aufzeichnungen des behandelnden Arztes (§ 8 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 28. Dezember 1954, BGBl. I 523). Den Verstoß gegen eine Vorschrift über die Form einer Meldung sieht auch etwa § 17 Abs.2 Nr.1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft vom 29. August 1961, BGBl. I 1622, als Ordnungswidrigkeit an. - Nach § 29 Abs.1 Nr.2 des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964, BGBl. I265, begeht der zum Empfang der Zeit ein Sammelbecken für heterogene Verhaltensweisen geworden, die nicht kriminalrechtlich geahndet werden sollen."] 3 Vgl. z. B. die §§ 38, 39, 41 einerseits im Wasserhaushaltsgesetz vom 27. Juli 1957, BGBL I 1110, 1386, und andererseits im Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vom 17. August 1960, BGBL I 724, II 2125 (für nichtig erklärt vom Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen Art. 70, 75 Nr. 4 GG; BVerfGE 15, S. 1). Ferner kann z. B. auf die in vielen Gesetzen wiederholten Tatbestände der Geheimnisverletzung (Vergehen) und der Verletzung der Aufsichtspflicht hingewiesen werden. 4 Solche Verweisungen finden sich aber noch z. B. in § 25 des Ladenschlußgesetzes vom 28. November 1956, BGBL I 875 (Ordnungswidrigkeiten; einzelne herausgehobene Fälle sind Vergehen), in § 20 des Mutterschutzgesetzes vom 24. Januar 1952, BGBL I 69 (Vergehen; einzelne herausgehobene Fälle sind Ordnungswidrigkeiten), in § 43 der Luftverkehrsordnung vom 10. August 1963, BGBL I 652, usw. 4'

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II. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

von Kindergeld Berechtigte eine Ordnungswidrigkeit, wenn er auf Verlangen des Arbeitsamtes vorsätzlich oder fahrlässig nicht die Auskünfte erteilt oder die Beweisurkunden vorlegt, die zur Begründung seines Anspruchs notwendig sind, nachdem ein anderer, der ein berechtigtes Interesse an der Gewährung des Kindergeldes besitzt, den Antrag auf Kindergeld gestellt hat. Bei dem weiten Begriff des "berechtigten Interesses" erfaßt dieser Tatbestand auch Fälle, in denen für eine Gewährung des Kindergeldes ohne oder gegen den Willen des Berechtigten kein Bedürfnis besteht (die einschränkende Auslegung der Auffassung des Bundestagsausschusses für Sozialpolitik in seinem schriftlichen Bericht zum Entwurf des Kindergeldkassengesetzes 4a hat sich im Wortlaut des Gesetzes nicht niedergeschlagen; der Bericht bezeugt vielmehr die hier angedeutete Gefahr); das Opportunitätsprinzip kann nicht als Regulator für eine ungenaue Tatbestandsbildung dienen. Davon abgesehen, dürften bei den nach der genannten Vorschrift in Betracht zu ziehenden Fällen, in denen ein solches Bedürfnis anzuerkennen ist, regelmäßig und auch im Sinne des Bemühens um eine quantitative Einschränkung des Strafrechts die Mittel des Verwaltungszwanges die geeigneten Maßnahmen darstellen und die wirklich bußwürdigen und bußbedürftigen Verhaltensweisen in der Minderzahl sein; ganz überwiegend handelt es sich doch hier in erster Linie um die Erzwingung der Befolgung einer Einzelanordnung ("Verlangen" des Arbeitsamtes nach Auskunfterteilung oder Urkundenvorlegung) und nicht um die Sühne ("Ahndung") der Verletzung einer allgemeinen Rechtsnorm. Auf Grund dieser Beispiele gewinnt man den Eindruck, daß die Möglichkeit, mit einer sogenannten "nichtstrafenden Ahndung" einzuschreiten, dazu führt, die Hemmungen, die einer Ausdehnung der Sanktionsandrohungen entgegenstehen können, immer weiter abzubauen. Unter diesem Gesichtspunkt kann keine Rede davon sein, daß das Ordnungswidrigkeitenrecht zu der geforderten Begrenzung des Strafrechts, das man hierbei im weiteren Sinne (als Sanktionsrecht) zu verstehen hätte, wesentlich beitragen werde. Statt dessen sieht man sich der Gefahr einer Vermehrung der Ordnungswidrigkeiten ins Unbegrenzte gegenüber. Dem Problem des Übermaßes staatlichen Strafens ist mit der Schaffung des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht beizukommen; es wird dadurch nur verlagert und zudem der gebührenden Aufmerksamkeit entzogen. Die Durchforstung und Bereinigung des Nebenstrafrechts wäre eine viel dringendere gesetzgeberische Aufgabe als eine mehr oder minder weitgehende Umwandlung in Ordnungswidrigkeitenrecht mit der Folge, daß dann ein undurchdringliches Gestrüpp vermeintlich ethisch indifferenter Ordnungswidrigkeiten ohne gehörige Kontrolle wuchern kann, weil man sich ja um sol•• Bundestagsdrucksache IH/2868, S. 4.

2. Die Grenzlinie

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che Zuwiderhandlungen wegen ihrer angeblichen ethischen Indifferenz nicht zu kümmern brauche. All dies ist jedoch nicht Gegenstand vorliegender Arbeit. Insbesondere geht es hier nicht darum, die Grenzziehung zwischen Ordnungswidrigkeit und sanktionslosem Verhalten nach den einzelnen Gesetzen kritisch zu überprüfen (sondern im gegebenen Rahmen kommt es nur auf die Grenze zwischen strafbarem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten an). Daher mögen die wenigen Andeutungen genügen, die lediglich einmal auf jene bisher kaum beachteten unerfreulichen Erscheinungen hinweisen sollen. - Nachfolgend wird versucht, die Abgrenzung zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Gesetzen zu verdeutlichen, um einmal ermessen zu können, inwieweit die Grundsätze verwirklicht worden sind, die die Unterscheidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten rechtfertigen sollen, und zum andern erkennen zu können, nach welchen Maßstäben der Gesetzgeber verfährt5 • 2. Die Grenzlini,e zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungswidrigkeiten Für viele Tätigkeiten oder Handlungen ist eine vorherige behördliche Erlaubnis oder eine sonstige Befugnis erforderlich (weil solche Verrichtungen nicht von ungeeigneten Personen vorgenommen werden dürfen oder aus anderen Gründen leicht für die Gesamtheit nachteilige Folgen zeitigen können, gegen die Vorsorge getroffen sein muß, oder überhaupt zu ihrer Vornahme eine besondere Rechtsstellung voraussetzen usw.). Die unbefugte Vornahme solcher Tätigkeiten oder Handlungen wird auch in den nach 1952 erlassenen Gesetzen unterschiedlich beurteilt; sie ist teils Vergehen, teils Vbertretung und teils Ordnungswidrigkeit. Ein Vergehen liegt z. B. vor nach § 45 Abs. 1 Nr. 1-5, Abs. 2 Nr. 1, 2 des Atomgesetzes vom 23. Dezember 1959, BGBl. I 814, § 16 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 20. April 1961, BGBl. I444, § 45 Abs. 1 Nr. 2-4 des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961, BGBl. I 533, 1076, § 64 Abs. 2 Nr. 1, 2, § 67 des Bundesseuchengesetzes vom 18. Juli 1961, BGBl. I 1012, 1300, §§ 9 Abs. 4, 20 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes vom 23. Juli 1953, BGBl. I700, § 11 Abs.1 Nr. 1 des Paßgesetzes vom 4. März 1952, BGBl. I 290, § 23 des Apothekengesetzes vom 20. August 1960, BGBl. I 697, § 60 des Perso5 Alle nachfolgend angeführten Gesetze werden in der Regel bei ihrer ersten Erwähnung mit ihrer ursprünglichen (bei späterer Neufassung mit deren) Fundstelle und ohne Angabe etwaiger späterer Änderungen zitiert. Alle genannten Vorschriften sind jedoch mit ihrer (im Jahre 1965] geltenden Fassung herangezogen worden.

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II. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

nenbeförderungsgesetzes vom 21. März 1961, BGBL I 241, § 35 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957, BGBL I 745, § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Kreditwesengesetzes vom 10. Juli 1961, BGBL I 881, § 13 der Bundesärzteordnung vom 2. Oktober 1961, BGBL I 1857, § 60 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes i. d. F. vom 10. Januar 1959, BGBL I 9, § 16 des Gebrauchsmustergesetzes i. d. F. vom 9. Mai 1961, BGBL 1570, § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957, BGBL I 844, § 16 Abs. 1 Buchstabe a des Gesetzes zum Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1955, BGBL I 501, § 110 Nr. 1,2 der Handwerksordnung vom 17. September 1953, BGBL I 1411, § 133 der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. Juli 1961, BGBL I 1049, usw., Übertretungen enthalten § 15 Abs. 1 Nr.2 der Getränkeschankanlagenverordnung vom 14. August 1962, BGBL I 561, § 22 Abs.1 Nr.1 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten vom 18. Februar 1960, BGBL 183, und zu Ordnungswidrigkeiten ist das unbefugte Verhalten ausgestaltet z. B. in § 33 Abs. 1 Nr. 1 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961, BGBL 1481, § 69 Abs. 1 Nr.5 des Bundesseuchengesetzes, § 99 Abs. 1 Nr. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 17. Oktober 1952, BGBL I 697, § 88 Abs.1 Nr.1, Abs.2 Nr. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes i. d. F. vom 11. August 1961, BGBL I 1205, 1875, § 17 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft vom 29. August 1961, BGBL I 1622, § 23 Abs. 1 Nr. 1, 4 des Bundesfernstraßengesetzes i. d. F. vom 6. August 1961, BGBL I 1741, § 58 Abs.1 Nr. 2-6, 8,12 des Luftverkehrsgesetzes, § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Mühlengesetzes i. d. F. vom 9. Juni 1959, BGBL I 282, § 35 Abs.1 Buchstabe a-c des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes i. d. F. vom 23. Juni 1960, BGBL 1418, § 25 Abs. 1 Nr. 1 des Apothekengesetzes, § 27 Abs.1 Nr.1 des Schutzbereichsgesetzes vom 7. Dezember 1956, BGBL I 899, § 9 des Gesetzes über die Berufsausübung im Einzelhandel vom 5. August 1957, BGEL I 1121, § 111 Abs. 1 Nr. 1 der Handwerksordnung, § 56 Abs.1 Nr. 1, 2 der Ersten Strahlenschutzverordnung vom 24. Juni 1960, BGBL 1430, § 154 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953, BGBL I 591, § 16 des Krankenpflegegesetzes vom 15. Juli 1957, BGBL I 716, § 41 Abs.1 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. Juli 1957, BGBL I 1110, 1386, usw. - Schon die bloße Aufzählung der Gesetze legt die Vermutung nahe, daß die Frage, ob das Verhalten strafbare Handlung oder Ordnungswidrigkeit sein soll, danach entschieden wird, welche Nachteile aus einer unkontrollierten und ohne die Feststellung bestimmter Voraussetzungen möglichen Ausübung der jeweiligen Tätigkeit oder Handlung entstehen können. Wären statt dessen die von der Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeitenlehre aufgestellten Richtlinien maßgebend, so müßte diese Frage in allen hier in Betracht kommenden Fällen im wesentlichen gleich beantwortet werlien, Nur unter jenem Gesichtspunkt, nicht aber mit dieser Lehre ist es

2. Die Grenzlinie

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zu erklären, warum etwa die unbefugte Einfuhr, Ausfuhr, Beförderung, Lagerung, Abgabe an Dritte ein Vergehen ist, wenn es sich um Kernbrennstoffe, eine Ordnungswidrigkeit, wenn es sich um radioaktive Stoffe handelt6 , die unbefugte Berufsausübung einerseits ein Vergehen (Ausüben der Heilkunde, Betreiben oder Verwalten einer Apotheke7 ), andererseits eine Ordnungswidrigkeit (Betreiben eines Einzelhandels oder eines Handwerks als stehendes GewerbeS) darstellt, die unbefugte Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen als Vergehen, von Gütern als OrdnungswidrigkeitO anzusehen ist, die ungenehmigte Errichtung einer Anlage einmal Vergehen (Anlage zur Erzeugung oder Spaltung von Kernbrennstoffen), ein andermal Ordnungswidrigkeit (Mühle) sein kann10 , die Ausbildung von Luftfahrern insgesamt ohne Erlaubnis Ordnungswidrigkeit, die praktische Flugausbildung ohne Lehrberechtigung Vergehenl l , das Inverkehrbringen bestimmter Arzneimittel ohne Prüfvermerk Vergehen, von Arzneispezialitäten ohne Eintragung im Spezialitätenregister Ordnungswidrigkeit12 ist. Das unbefugte Überlassen von Orden und Ehrenzeichen oder von Wohnraum ist eine Ordnungswidrigkeit, von Kriegswaffen, Kernbrennstoffen oder Arzneimitteln Vergehen13 , das Verwalten einer Apotheke ohne Genehmigung ebenfalls Vergehen, hingegen das Verwaltenlassen der Apotheke durch eine nicht im Besitz einer Genehmigung befindliche Person seitens der Erben nur eine Ordnungswidrigkeit14, die unbefugte Tätigkeit als Seelotse in einem Revier (einer Fahrtstrecke, für die zur Sicherheit der Schiffahrt einheitliche ständige 8 § 45 Abs. 1, 2 Atomgesetz, § 56 Abs. 1 Nr. 1, 2 Erste Strahlenschutzverordnung. Vgl. auch § 26 Abs. 1 Nr. 2 Zweite Strahlenschutzverordnung vom 18. Juli 1964, BGBl. I 500 (unbefugte Abgabe von Neutronenquellen als Ordnungswidrigkeit). 7 § 13 Bundesärzteordnung, § 23 Apothekengesetz. 8 § 9 Einzelhandelsgesetz, § 111 Abs. 1 Nr. 1 Handwerksordnung. 9 § 60 Personenbeförderungsgesetz; § 99 Abs. 1 Nr. 1 Güterkraftverkehrsgesetz. Das unbefugte Betreiben von Luftfahrtunternehmen (gewerbsmäßiges Befördern von Personen oder Sachen durch Luftfahrzeuge) oder von Fluglinienverkehr ist Ordnungswidrigkeit, § 58 Abs. 1 Nr. 5, 6 Luftverkehrsgesetz. 10 § 45 Abs. 1 Nr. 4 Atomgesetz; § 12 Abs. 1 Nr. 1 Mühlengesetz i. d. F. vom 9. Juni 1959, BGBl. I 282. Vgl. auch etwa § 108 Abs. 1 Nr. 11 Luftverkehrszulassungsordnung vom 19. Juni 1964, BGBl. I 370 (unbefugtes Einrichten oder Betreiben von Bodenfunkstellen als Ordnungswidrigkeit), sowie dazu § 15 Abs. 1 Fernmeldegesetz vom 14. Januar 1928, RGBl. I 8 (unbefugtes Errichten oder Betreiben von Fernmeldeanlagen als Vergehen). 11 § 58 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 1 Nr. 3 Luftverkehrsgesetz. 12 § 45 Abs. 1 Nr. 5, § 47 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz. 13 § 16 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen, § 35 Abs. 1 Buchstabe a Wohnraumbewirtschaftungsgesetz; § 16 Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffengesetz, § 45 Abs. 2 Nr. 2 Atomgesetz, § 45 Abs. 1 Nr. 6-8 Arzneimittelgesetz. 14 §§ 23, 25 Abs. 1 Nr. 1 Apothekengesetz.

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11. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

Lotsendienste angeordnet sind) wiederum Vergehen, jedoch über See oder auf einer Seeschiffahrtsstraße, die nicht zu den Lotsrevieren gehört, nur Ordnungswidrigkeit1 5 • Wer die Grenze ohne gültigen Paß überschreitet, begeht ein Vergehen, wer sich beim Grenzübertritt der amtlichen Prüfung entzieht oder die Grenze an unzulässiger Stelle überschreitet, eine Ordnungswidrigkeit1 6 • Wer eine ihm nicht zustehende, gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung führt, kann sich eines Vergehens oder einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen: Ein Vergehen liegt vor nach § 13 Nr. 1 der Bundesärzteordnung, § 111 Nr.2 der Handwerksordnung (unbefugte Führung der Bezeichnung "Meister"), § 133 der Wirtschaftsprüferordnung, § 16 des Krankenpflegegesetzes vom 15. Juli 1957, BGBl. I 716, eine Ordnungswidrigkeit dagegen nach § 14 Abs.l Nr.l des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin vom 21. Dezember 1958, BGBl. I 981, und § 14 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958, BGBl. I 985. Das Führen einer Bezeichnung, die den Anschein einer Berechtigung zur Berufsausübung erweckt, ist nach § 13 Nr.l der Bundesärzteordnung ebenfalls Vergehen, nach § 132 der Wirtschaftsprüferordnung aber nur Ordnungswidrigkeit. Das unbefugte Halten oder Anleiten von Lehrlingen findet man unter den Vergehen (§ 110 Nr.l Handwerksordnung), das Ausbilden von Luftfahrern oder Fallschirmspringern ohne Erlaubnis unter den Ordnungswidrigkeiten (§ 58 Abs.l Nr.2 Luftverkehrsgesetz). Vergehen sind das unbefugte Herstellen von Kriegswaffen oder Arzneimitteln, das unbefugte Benutzen eines Gebrauchsmusters, die unbefugte Ausgabe oder Verwendung von Geldzeichen, das Betreiben von Bankgeschäften ohne Erlaubnis, die unerlaubte Berufsberatung, Arbeitsund Lehrstellenvermittlung oder Arbeitsvermittlung von und nach dem Ausland, die unbefugte Behandlung meldepflichtiger übertragbarer Krankheiten oder von Geschlechtskrankheiten, die Ausfuhr eingetragenen Kultur- oder Archivgutes ohne Genehmigung, das Führen eines nicht zugelassenen Luftfahrzeuges, das Führen oder Bedienen eines Luftfahrzeuges ohne Erlaubnis, das unbefugte Starten oder Landen außerhalb von Flugplätzen usw., Ordnungswidrigkeiten das ungenehmigte Benutzen von Wohnraum, das Inverkehrbringen von Inhaberoder Orderschuldverschreibungen ohne Genehmigung, das unerlaubte Betreiben einer Mühle, die unbefugte Veröffentlichung von Stellenangeboten für eine Beschäftigung im Ausland, die Beschäftigung von 15 §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954, BGBl. 11 1035. 16 § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 1, 2 Paßgesetz. Das Ein- und Ausfliegen ohne Erlaubnis ist eine Ordnungswidrigkeit, § 58 Abs. 1 Nr. 12 Luftverkehrs-

~esetz.

2. Die Grenzlinie

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Personen ohne das erforderliche Gesundheitszeugnis, die unbefugte Aufnahme oder Betreuung von Pflegekindern, das Anpflanzen von Weinreben in Weinbergen ohne Genehmigung, die Errichtung, Änderung, Beseitigung von Anlagen oder sonstige Änderungen in dem der Landesverteidigung dienenden Schutzbereich ohne Genehmigung, die unbefugte Grundstücks- oder Nutzungsänderung während des. Flurbereinigungsverfahrens, das Anlegen oder Betreiben eines Flugplatzes oder Errichten von Luftfahrthindernissen ohne Genehmigung usw.17. Die Einfuhr von Waren ohne die erforderliche Genehmigung ist eine Ordnungswidrigkeit, die von Kriegswaffen ohne die erforderliche Beförderungsgenehmigung Vergehen, die Ausfuhr von Waren ohne die vorgeschriebene Genehmigung je nach Waren art ein Vergehen oder eine Ordnungswidrigkeit18 • Häufig kommt es auch vor, daß der Gesetzgeber zwar die Ausübung einer Tätigkeit ohne Erlaubnis oder Genehmigung als Vergehen, mit Erlaubnis oder Genehmigung, aber entgegen einer Auflage oder Bedingung (so daß die konkrete Betätigung als Zuwiderhandlung gegen die Auflage ebenfalls unerlaubt oder die Erlaubnis wegen Nichteintritts der Bedingung überhaupt unwirksam ist) nur als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet hat. Beispiele dieser Art bieten etwa das Kreditwesengesetz (§ 56 Abs. 1 Nr. 3, § 32 Abs. 2 Satz 1: Betreiben von Bankgeschäften unter Verstoß gegen die mit der Erlaubnis gegebene Auflage), das Bundesseuchengesetz (§ 69 Abs. 1 Nr. 2: Verrichtungen mit Krankheitserregern ohne Einhaltung der mit der Erlaubnis zur Verhütung übertragbarer Krankheiten verbundenen Auflagen), das Luftverkehrsgesetz (§ 58 Abs. 1 Nr. 11: Mitführen bestimmter Sachen ohne Beachtung der in der Erlaubnis gemachten Auflagen; fehlt die Erlaubnis, so liegt auch hier nach § 60 Abs.l Nr.5 ein Vergehen vor), das Kriegswaffengesetz (§ 18 Abs. 1 Nr. 1: Herstellen, Inverkehrbringen, Befördern von Kriegswaffen ohne Erfüllung der mit der Genehmigung verbundenen Auf17 § 16 Abs. 1 Nr. 1 Kriegswaffengesetz, § 45 Abs. 1 Nr. 2, 3 Arzneimittelgesetz, § 16 Gebrauchsmustergesetz, § 35 Bundesbankgesetz, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Kreditwesengesetz, §§ 210, 211 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung i. d. F. vom 3. April 1957, BGBL I 321 (mehrfach geändert), § 67 Bundesseuchengesetz, § 9 Abs. 4 Geschlechtskrankheitengesetz, § 16 Abs. 1 Buchstabe a Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes, § 60 Abs. 1 Nr. 1,2,4 Luftverkehrsgesetz; § 35 Abs.1 Buchstabe a Wohnraumbewirtschaftungsgesetz, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen vom 26. Juni 1954, BGBI. I 147, § 12 Abs. 1 Nr. 1 Mühlengesetz, § 217 Nr. 2 Gesetz über Arbeitsvermittlung usw., § 69 Abs. 1 Nr. 5 Bundesseuchengesetz, § 88 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz, § 17 Abs. 1 Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft, § 27 Abs. 1 Nr. 1 Schutzbereichsgesetz, § 154 Abs. 1 Flurbereinigungsgesetz, § 58 Abs. 1 Nr. 3, 4 Luftverkehrsgesetz. 18 § 33 Abs. 1 Nr. 1 Außenwirtschaftsgesetz, § 16 Abs. 2 Nr. 1 Kriegswaffengesetz, § 70 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1 Nr. 1 Außenwirtschaftsverordnung vom 22. August 1961, BGBL I 1381.

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

lagen). Stellt schon die unbefugte Vornahme einer Handlung nur eine Ordnungswidrigkeit dar, so ist es der Verstoß gegen eine Auflage oder Bedingung gleichfalls. In manchen Fällen können beide Arten von Zuwiderhandlungen auch Vergehen sein: Das Wasserhaushaltsgesetz stellt (ebenso wie das für nichtig erklärte Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen) in § 38 Abs.l Nr. 1 das Einbringen oder Einleiten von Stoffen in ein Gewässer, wodurch dessen Eigenschaften nachteilig verändert werden, einheitlich unter Vergehensstrafe, gleich, ob es unbefugt oder unter Nichtbefolgen einer Auflage geschieht. Ebenso wird die Vornahme von Handlungen, die allgemein oder im Einzelfall verboten sind, in den Gesetzen teils unter die Vergehen, teils unter die Ordnungswidrigkeiten eingereiht. Vergehen sind z. B. das verbotene Fortführen von Heimen für Jugendliche, die Verwendung bestimmter Krankheitserreger zur Schädlingsbekämpfung, die verbotene Beschäftigung an bestimmten Krankheiten Leidender mit gewissen Arbeiten, die untersagte Ausübung bestimmter Tätigkeiten durch Kranke, Krankheitsverdächtige usw., die Durchführung von Veranstaltungen entgegen einem wegen Seuchengefahr erlassenen Verbot, der Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung jugendgefährdender Schriften, die Ausfuhr von Kulturgut entgegen dem Verbot, die Schwarzarbeit, das Inverkehrbringen von Hypotheken- oder Schiffspfandbriefen über den Betrag des Deckungswertes hinaus, Ordnungswidrigkeiten unter anderem die Fortsetzung der Tätigkeit als Inhaber oder Geschäftsleiter eines Kreditinstituts trotz Untersagung wegen Unzuverlässigkeit, mangelnder Eignung oder Gefahr für die Gläubiger des Instituts, das Errichten von Hochbauten oder Beseitigen von Schutzwaldungen längs der Bundesfernstraßen, die verbotene Benutzung von Grundstücken oder Gewässern innerhalb eines Schutzbereichs, der Umgang mit Kernbrennstoffen trotz Verbotes, das Führen eines Luftfahrzeuges in betrunkenem Zustand, Fortsetzung der Bauarbeiten an einem Gebäude, dessen Errichtung oder Änderung untersagt ist, trotz Einstellungsverfügung. der Erwerb von Vermögenswerten, der dem Erwerber gesetzlich verboten ist, die Durchführung einer nicht genehmigten und daher unwirksamen Vereinbarung (eines Kartells!) von Schiffahrtsverbänden untereinander oder mit Schifffahrttreibenden über die Verteilung von Fracht- und Schleppgut, das auf Bundeswasserstraßen befördert werden soll, die Durchführung von Kartellverträgen oder Kartellbeschlüssen, die unwirksam oder für unwirksam erklärt worden sind, USW. 19 . Das Betreiben allgemein ver19 § 87 Jugendwohlfahrtsgesetz, § 64 Abs. 2 Nr. 3, 5, § 65 Bundesseuchengesetz, § 21 Abs. 1 Schmutz- und Schundgesetz i. d. F. vom 29. April 1961, BGBl. I 497, § 16 Abs. 1 Buchstabe b Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes, § 1 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 30. März 1957, BGBl. I 315, § 37 Hypothekenbankgesetz i. d. F. vom 5. Februar 1963, BGBl. I

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botener Einlagen- oder Kreditgeschäfte ist ein Vergehen, die Vornahme bestimmter, in besonderen Fällen (bei unzureichendem Eigenkapital oder unzureichender Liquidität) untersagter Geschäfte eine Ordnungswidrigkeit20 • Wer bestimmte früher verliehene Auszeichnungen herstellt oder in Verkehr bringt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer sie öffentlich trägt, macht sich eines Vergehens schuldig 21 • Die verbotene Werbung sieht der Gesetzgeber als Vergehen an, wenn sie sich auf jugendgefährdende Schriften bezieht, hingegen als Ordnungswidrigkeit, wenn sie Mittel oder Verfahren zur Heilung von Geschlechtskrankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane betrifft oder von Kreditinstituten vorgenommen wird22 • 81, § 38 Schiffsbankgesetz i. d. F. vom 8. Mai 1963, BGBL I 302; § 56 Abs. 1 Nr. 7 Kreditwesengesetz, § 23 Abs. 1 Nr. 2, 3 Bundesfernstraßengesetz, § 27 Abs. 1 Nr. 2 Schutzbereichsgesetz, §§ 46 Abs. 1, 19 Abs. 3 Nr. 3 Atomgesetz, §§ 1 Abs. 3, 43 Luftverkehrsordnung, § 3 Abs. 1 Gesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit vom 8. Juni 1962, BGBL I 365, § 18 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens vom 5. Juni 1953, BGBL I 276, § 37 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. Oktober 1953, BGBL I 1453, § 38 Abs. 1 Nr. 1, 2 Kartellgesetz vom 27. Juli 1957, BGBL I 1081. Vergehen sind auch das Fortführen, Unterstützen usw. eines verbotenen Vereins (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Vereinsgesetz vom 5. August 1964, BGBL I 593), das Beschäftigen von Nackttänzerinnen, Bardamen und dergleichen unter 21 Jahren oder von Jugendlichen bei Veranstaltungen mit verrohendem Einfluß (§ 3 Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 21 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten vom 3. April 1964, BGBL I 262), das nicht erlaubte Aufsuchen oder Gewinnen von Bodenschätzen des deutschen Festlandsockels sowie nicht erlaubte Forschungshandlungen an diesem unter Verstoß gegen eine Unterlassungs- oder Beseitigungsanordnung (§ 7 Abs. 1 Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel vom 24. Juli 1964, BGBL I 497), das Anbieten, Inverkehrbringen usw. von Känguruhfleisch oder Fleisch wildlebender Nagetiere außereuropäischer Herkunft als Lebensmittel (§ 3 Abs. 1 Wildfleischverordnung vom 18. April 1964, BGBL I 284), Ordnungswidrigkeiten z. B. der Verstoß gegen das Verbot, radioaktive Stoffe oder Röntgengeräte in Schulen durch andere als dazu bestellte Lehrer verwenden zu lassen, das Weiterbetreiben von Neutronenquellen oder Röntgengeräten, deren Zulassung widerrufen ist (§ 26 Abs. 2 Nr. 3, 5, Abs. 3 Nr. 2 Zweite Strahlenschutzverordnung), der Verstoß gegen das Verbot, den mit Bodennutzungs- oder Ernteerhebungen Beauftragten das Betreten der Grundstücke zu verweigern (§ 16 Abs. 2 Gesetz über Bodennutzungs- und Ernteerhebung vom 23. Juni 1964, BGBL I 405). 20 § 54 Abs. 1 Nr. 1, §§ 45, 56 Abs. 1 Nr. 3 Kreditwesengesetz. 21 § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 3 Ordensgesetz. Ebenso ist das Vertreiben von Orden und Ehrenzeichen ohne Erlaubnis eine Ordnungswidrigkeit, das unbefugte Tragen ein Vergehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1). Vergehen ist ferner das Verwenden von Abzeichen, Fahnen und anderen Kennzeichen eines verbotenen Vereins in der Öffentlichkeit oder in Veröffentlichungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Vereinsgesetz). 22 § 21 Abs. 1 Schmutz- und Schundgesetz; § 27 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Geschlechtskrankheitengesetz (das Inverkehrbringen von Verhütungs- oder Heilmitteln ohne Genehmigung ist Vergehen, § 20 Abs. 2), §§ 23 Abs. 2, 56 Abs. 1 Nr. 3 Kreditwesengesetz. - Ein Vergehen ist auch das Feilbieten von Arzneimitteln im Reisegewerbe oder das Aufsuchen von Bestellungen darauf, § 45 Abs. 1 Nr. 9 Arzneimittelgesetz.

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Für viele Stoffe wird in den Gesetzen eine bestimmte Beschaffenheit vorgeschrieben, damit aus ihrer Verwendung kein Schaden entstehen kann. Verstöße gegen solche Vorschriften über die Beschaffenheit kommen als Vergehen, übertretungen und Ordnungswidrigkeiten vor. Das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind, schädliche Wirkungen hervorzurufen, oder nicht den Vorschriften des Deutschen Arzneibuches entsprechen, die Abgabe unvorschriftsmäßigen Wassers usw. sind Vergehen, während etwa das Inverkehrbringen von unvorschriftsmäßigen Waschund Reinigungsmitteln oder Düngemitteln eine Ordnungswidrigkeit darstellt23 • Eine übertretung enthält die Getränkeschankanlagenverordnung vom 14. August 1962, BGBl. I 561,660 (Erzeugung des Förderdrucks durch nicht zugelassene Mittel, Verwenden eines nicht zugelassenen Anlageteils oder Reinigungsmittels; § 15 Abs. 1 Nr. 1, 5, 6). Häufig bestehen besondere Mitwirkungs- oder Duldungspflichten bei der Durchführung von Schutz- oder anderen im allgemeinen Interesse liegenden Maßnahmen oder zur Sicherung einer notwendigen Überwachung. Zuwiderhandlungen sind überwiegend Ordnungswidrigkeiten, können in schwerwiegenderen Fällen aber auch Vergehen sein, wie z. B. nach § 45 Abs. 1 Nr.4 des Arzneimittelgesetzes (Verstoß gegen Vorschriften über die Beaufsichtigung), § 64 Abs. 2 Nr.4 des Bundesseuchengesetzes, § 18 Abs. 3 des Geschlechtskrankheitengesetzes (wonach sich strafbar macht, wer sich einer zwangsweisen Absonderung beziehungsweise Einweisung zur Behandlung entzieht). Interessant ist die Abgrenzung im Bundesseuchengesetz: Wer einer Anordnung auf Absonderung, Entseuchung, Entwesung usw. nicht nachkommt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer sich aber der bereits zwangsweise durchgeführten Absonderung entzieht, ist eines Vergehens schuldig (§ 64 Abs.2 Nr.4, § 69 Abs. 1 Nr. 10). Hier führen die größere Gefährlichkeit des Täterverhaltens und die stärkere Mißachtung der (strengeren) Schutzmaßnahme zu der schwereren Deliktsform. Falsche Meldungen, Auskünfte oder Anzeigen sind durchweg zu Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet. Daß die Lüge ethisch indifferent sei, 23 §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz, § 64 Abs. 1 Bundesseuchengesetz; § 5 Gesetz über Detergentien in Wasch- und Reinigungsmitteln vom 5. September 1961, BGBl. I 1653, § 7 Abs. 1 Nr. 1 Düngemittelgesetz vom 14. August 1962, BGBl. I 558. Vgl. auch § 3 Abs. 1 Wildfleischverordnung (betreffend Erzeugnisse zur Herstellung von Känguruhschwanzsuppe sowie Fleisch von wildlebenden Nagetieren außereuropäischer Herkunft: Vergehen), Art. 6 Abs. 3 Gesetz über das Internationale übereinkommen von 1954 zur Verhütung der Verschrnutzung der See durch Öl i. d. F. des Gesetzes vom 13. September 1961, BGBl. 11 1595 (betreffend Schiffsausrüstungen beziehungsweise Maßnahmen zur Verhinderung des Eindringens von Öl in die Bilgen: Vergehen), § 26 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 Zweite Strahlenschutzverordnung (betreffend Röntgengeräte, Neutronenquellen: Ordnungswidrigkeit).

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wird wohl niemand behaupten wollen. Für die gegenüber einer Verwaltungsbehörde abgegebene Lüge gilt nichts anderes. Rechtlich ist natürlich stets erforderlich, daß im Einzelfall ein gesetzlicher Anspruch auf wahrheitsgemäße Bekundung besteht. Der Staat kann einen auch sittlich verpflichtenden Anspruch auf Wahrheit nicht nur haben, wenn er als Gericht (§§ 153, 154 StGB), sondern ebenso, wenn er in Gestalt der Verwaltungsbehörden in Erscheinung tritt. Fehlt einem Verlangen auf Auskunft die sittliche Begründung, so ist ein Auskunftsrecht überhaupt zu bestreiten, nicht aber der Weg zu den Ordnungswidrigkeiten eröffnet. Es ist auch nicht der Verstoß gegen ein Interesse der Verwaltung, der den Gesetzgeber veranlaßt hat, etwa die falsche Meldung oder Anzeige über den Bestand oder Verbleib von Kriegswaffen, die falschen Angaben bei der Anmeldung einer Arzneispezialität zur Eintragung in das Register, die falsche Auskunft eines an einer ansteckenden Krankheit im Sinne des Bundesseuchengesetzes Leidenden oder einer solchen Erkrankung Verdächtigen, die falsche Anzeige über die Zahl der Arbeitsplätze und der beschäftigten Schwerbeschädigten, falsche Angaben in der Anzeige eines Kreditinstituts über gewährte Millionenkredite oder Organkredite USW. 24 mit Geldbuße zu bedrohen, genausowenig wie die Art des Unrechts sich wandelt, wenn die falschen Angaben in Arbeitsbescheinigungen, Auskünften über die Beschäftigung und die Gegenleistung, Nachweisen über witterungsbedingten Arbeitsausfall, Kurzarbeit oder Stillegung gemacht werden, wobei sie aber Vergehen sind25 • Falsche Angaben zur Erschleichung einer günstigen (vorteilbringenden) Entscheidung (für sich oder auch für einen anderen) bilden häufig eine Ordnungswidrigkeit, nicht selten aber auch ein Vergehen. Daß hier von einer sittlich indifferenten Verhaltensweise keine Rede sein kann, dürfte außer Zweifel stehen. Die Handlungen sind vielfach durchaus der falschen Aussage nach § 153 StGB vergleichbar, deren Tatbestand sie (außer wenn sie nur auf eine Entscheidung zugunsten des Handelnden selbst abzielen) lediglich deshalb nicht erfüllen können, weil die Verwaltungsbehörde keine "zuständige Stelle" im Sinne dieser Be24 Vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffengesetz, § 47 Abs. 1 Nr. 3 Arzneimittelgesetz, § 69 Abs. 1 Nr. 3 Bundesseuchengesetz, § 39 Abs. 1 Buchstabe d Schwerbeschädigtengesetz i. d. F. vom 14. August 1961, BGBL I 1233, 1348, 1652, § 56 Abs. 1 Nr. 4 Kreditwesengesetz. Weitere Fälle z. B. in § 9 Gesetz über eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft vom 31. Dezember 1960, BGBL I 9, § 14 Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953, BGBL I 1314 (mehrfach geändert). 25 § 212 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Vgl. demgegenüber den weiter unten genannten Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (falsche Bescheinigung des Arbeitgebers über den Arbeitslohn des zum Empfang von Kindergeld Berechtigten), bei dem es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

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stimmung ist. Sie gefährden aber wie die falsche Aussage die Richtigkeit der staatlichen Entscheidung in einem anhängigen Verfahren, das zwar nicht in den Bereich der Rechtspflege gehört, dessen Ziel aber ebenfalls die Gewinnung einer gerechten Entscheidung ist, wie besonders bei der Leistungsverwaltung deutlich wird. So besteht in diesen Fällen kein prinzipieller Unterschied zur falschen Aussage (wenngleich der Unterschied in der Schwere beträchtlich sein kann), denn der Staat hat an einer nach Maßgabe seiner Gesetze richtigen und damit in seinem Bereich gerechten Entscheidung kein qualitativ andersartiges Interesse, je nachdem er diese Entscheidung durch seine Gerichte oder seine Verwaltungsbehörden fällt. Es gibt hier also kein besonderes Verwaltungsinteresse (an der Kenntnis der Wahrheit) im Sinne der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten, das durch die falschen Angaben verletzt werden könnte. Schließlich liegt auch der Vergleich mit Betrugshandlungen nahe, doch geht es häufig nicht darum, eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung herbeizuführen. - An Beispielen seien genannt: falsche Angaben zur Erschleichung einer im Außenwirtschaftsverkehr oder zur Ausgabe von Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen erforderlichen Genehmigung für sich oder andere oder einer Kartellerlaubnis, der Eintragung einer Wettbewerbsregel oder der Genehmigung einer Kartellvereinbarung im gewerblichen Binnenschiffsverkehr für sich oder andere, falsche Auskünfte zur Erlangung einer Genehmigung für das Herstellen, Inverkehrbringen oder Befördern von Kriegswaffen, falsche Angaben oder Unterlagen zur Erwirkung eines begünstigenden oder Verhinderung eines belastenden Verwaltungsaktes nach dem Bundesbaugesetz, falsche Auskunft zur Täuschung über den Umfang der Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter, falsche Angaben des Wehrpflichtigen, seiner Familienangehörigen, der Arbeitgeber über Umstände, die zur Festsetzung der Unterhaltsleistungen wichtig sind, falsche Bescheinigung des Arbeitgebers über den Arbeitslohn des zum Empfang von Kindergeld Berechtigten, falsche Auskunft des Berechtigten selbst über die Anspruchsvoraussetzungen (jedoch nur, wenn er nicht der Antragsteller ist) usw. als Ordnungswidrigkeiten26 , falsche Angaben zur Erschlei26 § 33 Abs. 4 Nr. 1 Außenwirtschaftsgesetz, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen, § 38 Abs. 1 Nr. 7 Kartellgesetz, § 37 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr, § 18 Abs. 1 Nr. 4 Kriegswaffengesetz, § 156 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960, BGBl. I 341, § 39 Abs. 1 Buchstabe e Schwerbeschädigtengesetz, § 24 Abs. 1 Nr. 1, 3 Unterhaltssicherungsgesetz i. d. F. vom 31. Mai 1961, BGBl. I 661, 1079, § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 Bundeskindergeldgesetz. In den beiden letzten Fällen wird vielfach Betrug oder Beihilfe dazu vorliegen, so daß die genannten Vorschriften wegen § 4 OWiG 1952 nicht anzuwenden sind. Bei fahrlässiger Begehung bleibt es jedoch bei einer Ordnungswidrigkeit, so daß hier die Grenzziehung zwischen Vergehen und Ordnungswidrigkeiten in der Regel durch die Unter-

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chung oder Beschaffung eines Ausweises, Sichtvermerks oder sonstiger Eintragungen für sich oder einen anderen oder zur Erschleichung von Rechten oder Vergünstigungen, die Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlingen oder Evakuierten vorbehalten sind, für sich oder andere als Vergehen27 • Auch hier besteht zwischen den Ordnungswidrigkeiten und den Vergehen allenfalls ein gradueller Unterschied. Der Verstoß gegen Kennzeichnungspflichten, die im Interesse eines redlichen Verkehrs oder aus Sicherheitsgründen bestehen, wird in den Gesetzen ebenfalls unterschiedlich beurteilt. Das Feilbieten oder Inverkehrbringen von Erzeugnissen der Landwirtschaft oder Fischerei unter einer falschen Handelsklassenbezeichnung oder unter fälschlicher Bezeichnung als Handelsklassenware oder das Einführen, Inver-· kehrbringen usw. von Eiern ohne gehörige Herkunftsbezeichnung ist eine Ordnungswidrigkeit, das Inverkehrbringen irreführend bezeichneter Arzneimittel ein Vergehen28 • Falsche Angaben auf Waren über deren Ursprung, Beschaffenheit oder Wert stellen eine übertretung dar 29 • Hinwiederum hat man in der unberechtigten Verwendung des Zeichens für Blindenwaren eine Ordnungswidrigkeit vor sich 30 • Die für bestimmte Einrichtungen oder Veranstaltungen geltenden Vorschriften müssen an den in Betracht kommenden Orten in der jeweils bezeichneten Weise bekanntgemacht werden; die Zuwiderhandlung ist, wenn es sich um den Jugendschutz handelt, eine Ordnungswidrigkeit, bezüg· lich der Bedienungs- und Reinigungsanleitung für Getränkeschankscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit bedingt ist (bei vorsätzlichem Handeln wird der Täter im allgemeinen auch die Bereicherungsabsicht haben). - Falsche Angaben zur Erschleichung einer erforderlichen Genehmigung oder Bescheinigung sind auch z. B. in den Gesetzen zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) sowie zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 (Schweinefleisch), 21 (Eier) und 22 (Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, beide vom 26. Juli 1962, BGBl. I 455, 465 (§ 13 beziehungsweise § 9, jeweils Abs. 3 Nr. 1), ferner in den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 13/64/EWG (Milch und Milcherzeugnisse), Nr. 14/64/EWG (Rindfleisch) und Nr. 16/64/EWG (Reis) vom 28. Oktober, 3. November und 13. August 1964, BGBl. I 821, 829, 633 (§§ 12, 11 beziehungsweise 9, jeweils Abs. 3 Nr. 1) als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße bedroht. 27 § 11 Abs. 1 Nr. 4 Paßgesetz, § 98 Bundesvertriebenengesetz i. d. F. vom 23. Oktober 1961, BGBl. I 1882, § 22 Bundesevakuiertengesetz i. d. F. vom 13. Oktober 1961, BGBl. I 1865. 28 § 7 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei i. d. F. vom 8. Juni 1955, BGBl. I 266, §§ 7, 5 Gesetz zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft vom 31. März 1956, BGBl. I 239; § 44 Abs. 1 Arzneimittelgesetz. Der Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht bezüglich Känguruhschwänzen ist bei Vorsatz Vergehen, bei Fahrlässigkeit übertretung (§ 3 Abs. 2 Wildfleischverordnung). 29 § 26 Warenzeichengesetz i. d. F. vom 9. Mai 1961, BGBl. I 574. 30 § 8 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über den Vertrieb von Blindenwaren vom 9. September 1953, BGBl. I 1322.

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anlagen eine übertretung und im Hinblick auf Spielregeln, Gewinnplan, Zulassungssschein usw. für ein Spielgerät ein Vergehen31 • Wer eine Erlaubnis oder Genehmigung für den Güterkraftverkehr durch entsprechende Kennzeichnung vortäuscht, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer eine Bezeichnung führt, die eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes vortäuscht, erfüllt den Tatbestand eines Vergehens32 • Das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten ohne bestimmte Angaben auf der Verpackung oder von Hypotheken- oder Schiffspfandbriefen ohne die erforderliche Bescheinigung über das Vorhandensein der vorschriftsmäßigen Deckung und deren Eintragung ist Ordnungswidrigkeit, von gewissen Arzneimitteln ohne den vorgeschriebenen Prüfvermerk Vergehen 33 • Zuwiderhandlungen gegen Preisvorschriften sind in der Regel Mischtatbestände, können also unter den Voraussetzungen des § 3 WiStG Vergehen sein34 • Eine Ordnungswidrigkeit ist demgegenüber das For31 § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit i. d. F. vom 27. Juli 1957, BGBl. I 1058; § 15 Abs. 1 Nr. 10 Verordnung über Getränkeschankanlagen vom 14. August 1962, BGBl. I 561, 660; § 14 Abs. 1 Nr. 1-3 Spielverordnung vom 6. Februar 1962, BGBl. I 153. 82 § 99 Abs. 1 Nr. 2 Güterkraftverkehrsgesetz; § 13 Bundesärzteordnung. Dagegen ist das Führen bestimmter verwechslungsfähiger Bezeichnungen, die eine Befugnis zur Ausübung des Berufes als Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer vortäuschen können, nur eine Ordnungswidrigkeit; § 132 Wirtschaftsprüferordnung. 83 § 45 Abs. 1 Nr. 5, § 47 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz, § 38 Hypothekenbankgesetz, § 39 Schiffsbankgesetz. - Die Verletzung von Buchführungsoder Eintragungspflichten, die weithin als typischer Fall einer Ordnungswidrigkeit zu gelten scheint, wird auch in vielen Gesetzen nur unter Bußgeldandrohung gestellt (obwohl die Taten nicht selten unter dem Gesichtspunkt insbesondere des Vorbereitungsdelikts oder auch der Falschbeurkundung einen beträchtlichen Unrechtsgehalt haben können), wie z. B. in § 18 Abs. 1 Nr. 2 des Kriegswaffengesetzes (unterlassenes oder falsches Führen des dem Nachweis über den Verbleib der Kriegswaffen dienenden Kriegswaffenbuches), § 56 Abs. 1 Nr. 3 der Ersten Strahlenschutzverordnung (falsche oder fehlende Buchführung über Gewinnung, Erzeugung, Erwerb und Abgabe von radioaktiven Stoffen), § 69 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesseuchengesetzes (unterlassene oder falsche Eintragung im Impfbuch durch den impfenden Arzt), § 99 Abs. 1 Nr. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes (falsche Angaben in vorgeschriebenen Papieren), § 33 Abs. 4 Nr. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes (Verhinderung oder Erschwerung von Nachprüfungen durch unterlassenes oder nicht ordentliches Führen, Verheimlichen, Nichtaufbewahren der handelsoder steuerrechtlich vorgeschriebenen Bücher oder Aufzeichnungen). Eines Vergehens ist hingegen der Schiffsführer schuldig, der die vorgeschriebenen Eintragungen in das Öltagebuch nicht oder wahrheitswidrig macht (Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes über das Internationale übereinkommen von 1954 zur Verhütung der Verschrnutzung der See durch Öl i. d. F. des Gesetzes vom 13. September 1961). Vgl. auch etwa § 239 Abs. 1 Nr. 3, 4, § 240 Abs. 1 Nr. 3 KO [a.F.]. 34 Vgl. §§ 1-2 a WiStG 1954; ferner z. B. § 46 Arzneimittelgesetz, die jährlichen Getreidepreisgesetze (z. B. vom 19. Juni 1961, BGBl. I 772, 1652, § 8 Abs. 1 Nr. 1) usw.

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dern anderer als der zulässigen Beförderungsentgelte nach § 61 Abs. 1 Nr.3 Buchstabe c des Personenbeförderungsgesetzes35 • Überhaupt erscheinen im Geltungsbereich des Wirtschaftsstrafgesetzes viele Delikte als Mischtatbestände, die in anderen Bereichen nur als Ordnungswidrigkeiten oder (seltener) auch als Vergehen vorkommen (manchmal findet man die entsprechenden Verhaltensweisen auch in Ordnungswidrigkeiten und Vergehen aufgeteilt). Verstöße gegen die Meldepflicht werden von den neueren Meldeordnungen der Länder 36 sowie im Rahmen der Wehrüberwachung und der Ersatzdienstpflichtigkeit37 als Ordnungswidrigkeiten behandelt, von der Asylverordnung vom 6. Januar 1953, BGBL 13, jedoch als Vergehen (§ 25: vorsätzliche oder leichtfertige Nichterfüllung der für Zuflucht suchende Ausländer bestehenden Pflicht, sich in einem Sammellager zu melden). Zuwiderhandlungen gegen wirtschaftliche Schutzmaßnahmen (zur Wahrung wichtiger wirtschaftlicher oder anderer Belange) sind im Außenwirtschaftsgesetz als Vergehen ebenso wie als Ordnungswidrigkeiten vorgesehen (§§ 33 Abs. 2, 34), dagegen nur als Ordnungswidrigkeiten möglich nach den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 19, Nr. 20-22 sowie Nr. 13/64/EWG und Nr. 14/64/EWG des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Eine entsprechende Aufteilung wie nach dem Außenwirtschaftsgesetz ergibt sich hinsichtlich der Schutzmaßnahmen auf Grund des Atomgesetzes (§§ 12, 45 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 2 Nr. 1). Das Gesetz zum Schutze der Kulturpflanzen i. d. F. vom 26. August 1949, WiGBl. S.308, enthält die Verstöße gegen bestimmte Vorschriften zum Schutze der Kulturpflanzen, insbesondere zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten der Kulturpflanzen, als Mischtatbestände (§ 13), während der Schutz des Mutterbodens ausschließlich in den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts fällt (§ 156 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesbaugesetzes). Zuwiderhandlungen gegen Bauvorschriften im Rahmen des Luftschutzes bilden Ordnungswidrigkeiten, können sich aber unter erschwerenden Umständen zu Vergehen wandeln38 • Die Verletzung bestimmter Sicherheitsvor35

Ähnlich § 56 Abs. 1 Nr. 4 Seelotsgesetz vom 13. Oktober 1954, BGBl. II

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36 Vgl. z. B. § 18 Meldegesetz für Baden-Württemberg vom 7. März 1960, GesBl. S. 67. 37 § 45 Abs. 1 Nr. 1 Wehrpfiichtgesetz i. d. F. vom 25. Mai 1962, BGBl. I 349, § 39 Abs. 1 Gesetz über den zivilen Ersatzdienst vom 13. Januar 1960, BGBl. I 10. Vgl. ferner § 21 Vereins gesetz (Verstoß gegen die in einer Rechtsverordnung aufgestellte Melde- oder Auskunftspfiicht für Ausländervereine und ausländische Vereine). 38 §§ 33, 34 Luftschutzgesetz vom 9. Oktober 1957, BGBl. I 1696. Vgl. auch den ähnlichen Tatbestand der Verletzung von Herstellungs- und Lieferpfiich-

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schriften nach der Schiffsraumanstrichverordnung vom 7. September 1961, BGBL I 1713, durch Arbeitgeber ist Vergehen, die Verletzung einzelner dieser Sicherheitsvorschriften durch Arbeitnehmer eine Übertretung (§ 14). Die Verordnung über gefährliche Seefrachtgüter vom 4. Januar 1960, BGBL II 9, stellt die Verletzung von Sicherheitsvorschriften nur unter Vergehensstrafe (§ 15). Um eine Ordnungswidrigkeit handelt es sich dagegen beim Anbringen der für Sicherheitskinefilme vorgeschriebenen Kennzeichen auf anderen Filmen39 • Ordnungswidrigkeiten sind ferner die Störung der Errichtung, Unterhaltung oder Beseitigung baulicher oder anderer Anlagen oder der Anpflanzung oder Beseitigung von Wald oder anderen Aufwuchses innerhalb eines (dem Schutz und der Erhaltung der Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen dienenden) Schutzbereichs40 , das Beseitigen, Verändern oder falsche Setzen von Markierungen zur Durchführung von Maßnahmen nach dem BundesbaugE'setz41 , die Errichtung, Beseitigung oder Änderung von Bauwerken oder anderen Anlagen, die Beseitigung von gäumen, Beerensträuchern, Hecken usw. sowie Holzeinschläge über den Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung hinaus während des Flurbereinigungsverfahrens und ohne Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde 42 , die Beendigung der Lotsentätigkeit vor Ablösung, Entlassung durch den Kapitän oder Erreichen des Bestimmungsortes oder der Reviergrenze, die nicht rechtzeitige Bekanntgabe eines Fischfanges in der an Fischmärkten üblichen Weise durch Hochseefischereibetriebe, die den Fang an einem deutschen Seefischmarkt veräußern wollen, oder das Anlandenlassen eines Fischdampfers an einem anderen Platz, nachdem die Ankunft bereits einem deutschen Seefischmarkt angekündigt worden war und die Änderung nicht rechtzeitig ten in § 48 Atomgesetz. Die Unterhaltung eines Flughafens in nicht betriebssicherem Zustand ist Ordnungswidrigkeit (§ 108 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe a Luftverkehrszulassungsordnung). 39 § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sicherheitsfilmgesetz vom 11. Juni 1957, BGBl. I 604. Die Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen nach § 20 der Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Räumen vom 15. August 1963, BGBl. I 697, sind übertretungen (bei vorsätzlicher oder leichtfertiger Gefährdung von Menschen Vergehen). 40 § 27 Abs. 1 Nr. 3 Schutzbereichsgesetz. Vgl. auch die schon erwähnten weiteren Verstöße (gegen die Genehmigungspflicht für Anlagen und Veränderungen, verbotene Benutzung von Grundstücken oder Gewässern innerhalb eines Schutzbereichs) und das unbefugte bildliche Darstellen oder Fotografieren des Schutzbereichs, § 27 Abs. 1 Nr. 1, 2. Unbefugtes Fotografieren ist auch nach § 61 Luftverkehrsgesetz eine Ordnungswidrigkeit. Qualifizierungen der genannten Fälle zu Vergehen sind nicht vorgesehen; hier kommen nur die §§ 109 e, 109 g StGB in Betracht. 41 § 156 Abs. 1 Nr. 2 Bundesbaugesetz. 42 § 154 Flurbereinigungsgesetz. Auch hier sind erschwerte Fälle nicht zu Vergehen ausgestaltet worden.

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mitgeteilt wird 43 • Nicht selten bleiben Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften zur Verhütung bestimmter Gefahren (abstrakte Gefährdungsdelikte) im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, während der Übergang zum Vergehen beim Eintritt einer konkreten Gefahr oder auch erst einer Schädigung liegt, wie sich aus etlichen Beispielen dieser Zusammenstellung ergibt. Aber man kann dies keinesfalls als allgemeine Regel auffassen, was die Übersicht ebenfalls beweist; abstrakte Gefährdungen sind oft Vergehen, und konkrete Gefährdungen und selbst Schädigungen können Ordnungswidrigkeiten sein, oder es ist nicht vorgesehen, daß die Zuwiderhandlung durch den Eintritt einer konkreten Gefahr oder Schädigung zum Vergehen wird. Personen mit bestimmten ansteckenden Krankheiten dürfen verschiedene Tätigkeiten im Lebensmittelgewerbe nicht ausüben; tun sie es doch, so machen sie sich eines Vergehens schuldig. Ebenso dürfen Lehrer, Schüler und andere mit denselben Krankheiten Behaftete die Unterrichtsräume nicht betreten und Einrichtungen der Schule nicht benutzen; ihre Zuwiderhandlung stellt aber nur eine Ordnungswidrigkeit dar 44 • - Für die Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb von Anlagen zu ihrer Erzeugung oder Spaltung kann in der Genehmigung ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben werden, von dem ohne Genehmigung nicht wesentlich abgewichen werden darf. Außerdem kann die Genehmigung mit Auflagen verbunden werden. Unbefugte wesentliche Abweichung von dem vorgeschriebenen Verfahren ist ein Vergehen, Nichterfüllen der Auflage eine Ordnungswidrigkeit45 • - Das Außenwirtschaftsgesetz schafft unter anderem die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung unter näher bezeichneten Voraussetzungen Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr in gewisser Weise zu beschränken. Zuwiderhandlungen gegen solche Beschränkungen können teils Vergehen, teils Ordnungswidrigkeiten sein. Soweit es sich um Vorschriften zur Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen, zur Abwehr schädigender Einwirkungen aus fremden Wirtschaftsgebieten, zum Schutze der Sicherheit und der auswärtigen Interessen, zur Abwehr einer Gefährdung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs durch Beschränkung der Warenausfuhr, über die Kapitalausfuhr, Kapital- und Geldanlagen, den Verkehr mit Gold handelt, hat es das Gesetz dem Verordnungsgeber überlassen, die Zuwiderhandlungen nach eigenem Ermessen zu Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten zu machen 43 § 56 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954, BGBL II 1035, § 13 Abs. 1 Nr. 2, 4 Fischgesetz vom 31. August 1955, BGBL I

567. 44 45

5*

§ 64 Abs. 2 Nr. 5, § 69 Abs. 1 Nr. §§ 9, 17,45 Abs. 1 Nr. 5, § 46 Abs.

11 Bundesseuchengesetz. 1 Atomgesetz.

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

(§§ 33 Abs. 2, 34). Der Verordnungsgeberhat diese Befugnis in den §§ 70, 71 der Außenwirtschaftsverordnung ausgeübt. Die Ausfuhr einer ganzen Reihe von Waren z. B. bedarf der Genehmigung (wobei teilweise auch das Empfangsland und der Vertragswert eine Rolle spielen; §§ 5, 6, 6 a Außenwirtschaftsverordnung). Je nach der Art der Waren ist die ungenehmigte Warenausfuhr dann ein Vergehen oder eine Ordnungswidrigkeit (§ 70 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1 Nr. 1 Außenwirtschaftsverordnung). Soweit die Genehmigungsbedürftigkeit der Waren ausfuhr in der Außenwirtschaftsverordnung auf die Ermächtigung, zum Schutze der Sicherheit und der auswärtigen Interessen Beschränkungen anzuordnen, gestützt wird (§ 5 der Verordnung, § 7 des Gesetzes), hat sich der Verordnungsgeber für Vergehen, soweit sie mit der Ermächtigung zu Beschränkungen, die eine Gefährdung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs abwehren sollen, begründet wird (§ 6 der Verordnung, § 7 des Gesetzes), hat er sich für Ordnungswidrigkeiten entschieden. Daß die Staatssicherheit sowie die auswärtigen Interessen auf Grund ihrer Natur notwendig auf Vergehen und ebenso die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs auf Ordnungswidrigkeiten hinwiesen, ist noch nicht einmal die Ansicht des Gesetzgebers, der ja beide als taugliche Schutzgüter sowohl im Bereic..~ der Vergehen als auch der Ordnungswidrigkeiten angesehen hat. Für die Verteilung der ungenehmigten Waren ausfuhren auf die Vergehen und die Ordnungswidrigkeiten können also nur Gesichtspunkte der relativen Schwere maßgebend gewesen sein (die Bedarfsdeckung ist in der heutigen Lage geringeren Gefährdungsmöglichkeiten ausgesetzt als die Staatssicherheit und die auswärtigen Interessen). So handelt es sich beispielsweise bei der ungenehmigten Ausfuhr von Schrott aus Nickellegierungen mit mindestens 32 Ofo Nickelanteil oder von Seeschiffen (Fahrgastschiffen, Frachtschiffen, Tankern, Fischereifahrzeugen usw.) mit mindestens 20 Knoten Geschwindigkeit, Eisbrechern mit mindestens 10000 PS Wellenleistung um ein Vergehen, bei der von Schrott aus Nickellegierungen mit weniger als 32 Ofo Nickelanteil (und ohne bestimmte andere Anteile) oder von gebrauchten Seeschiffen und Eisbrechern mit geringerer Leistung (und ohne bestimmte andere Merkmale) um eine Ordnungswidrigkeit46 • - Den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht in den vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorge46 In der Begründung zum Außenwirtschaftsgesetz heißt es, Verstöße gegen dieses Gesetz seien "unter den gegenwärtigen Verhältnissen als Verwaltungsungehorsam zu bewerten"; sie sollten im Regelfall Ordnungswidrigkeiten und nur ausnahmsweise Straftaten sein. "Einzelne besonders schwerwiegende Verstöße" könne der Verordnungsgeber mit Strafe bedrohen (Bundestagsdrucksache III/1285, S. 252). Außer einer Bestätigung, daß die Abgrenzung nur quantitativ gedacht ist, ergibt sich hier der Zweifel, ob die Vorstellungen der Gesetzesbegründung in der Außenwirtschaftsverordnung verwirklicht (d. h. die Strafdrohungen auf außergewöhnliche Fälle beschränkt) worden sind.

2. Die Grenzlinie

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sehenen Formen hält der Gesetzgeber für eine Ordnungswidrigkeit47 und will statt dessen den für die Grundlagen der geltenden Wirtschaftsordnung sicher weniger gefährlichen Schwarzarbeiter mit dem schwerwiegenden sozialethischen Vorwurf der Verhängung einer kriminellen Geldstrafe belasten48 • Wildarten, deren Bestand bedroht ist, können dadurch Schutz erhalten, daß die Jagdzeit ausgeschlossen oder beschränkt oder der Abschuß in bestimmten Bezirken oder Revieren verboten wird. Außerdem ist bei manchen Wildarten der Abschuß allgemein, um einen gesunden Bestand dieser Arten in angemessener Zahl zu erhalten und Wildschäden möglichst zu vermeiden, nur nach einem Plan zulässig, dessen Überschreitung ebenfalls zu einer (wenn auch geringeren) Gefahr für den Bestand der Wildart führt 49 • Den wegen Bestandsbedrohung verbotenen Abschuß hat das Gesetz zum Vergehen gemacht, den Abschuß unter Überschreitung des Abschußplanes zur Ordnungswidrigkeit50 • Der Verstoß gegen Schonzeitbestimmungen ist Vergehen, der gegen das (vorwiegend ebenfalls aus Gründen der Bestandserhaltung erlassene) Verbot der Jagd auf manche Tiere zu bestimmten anderen Zeiten51 Ordnungswidrigkeit52 • Abweichend von der allgemeinen Regel des § 303 StGB begeht nur eine Ordnungswidrigkeit, wer sogar vorsätzlich Jagdschaden anrichtet 53 • Die Verletzung fremden Jagdrechts, die nach § 292 StGB ein Vergehen ist, 47 Offensichtlich wollte er schon mit der Benennung des Gesetzes den Eindruck vermeiden, als ginge er von einer Verwerflichkeit des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht aus - im Gegensatz zum Grundgesetzgeber, der in Art. 74 Nr. 16 GG vom "Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung" spricht, und vom Gesetzgeber der Kartellverordnung vom 2. November 1923 (Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen, RGBl. I 1067). Damit verfehlt er jedoch seine Aufgabe, in seiner Gesetzgebung die rechtsethischen überzeugungen der Rechtsgemeinschaft angemessen auszudrücken und fortzubilden. Daß in der Bevölkerung (soweit sie über Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge verfügt) kein Gefühl für die Anstößigkeit der fraglichen Geschäftspraktiken vorhanden sei, wird man der Begründung zum Kartellgesetz (Bundestagsdrucksache II/1158) kaum zugeben können (die Ansichten der beteiligten Wirtschaftskreise sind hierbei nicht maßgebend). Das Gesetz kann durchaus an ein "sozialethisch bereits vorgegebenes Unwerturteil" anknüpfen ( Vogel, JZ 1958, S. 112). 48 § 1 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 30. März 1957, BGBl. I 315. Der Entwurf (Inhaltsangabe NJW 1954, S. 1478) sah sogar Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe oder eine dieser Strafen vor. 49 Vgl. § 1 Abs. 2, §§ 21, 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Bundesjagdgesetz i. d. F. vom 30. März 1961, BGBl. I 304. 50 §§ 38, 39 Abs. 2 Nr. 3 Bundesjagdgesetz. 51 Jagd auf Federwild zur Nachtzeit, auf Schalenwild in Notzeiten bei Futterstellen, Such- oder Treibjagd auf Waldschnepfen im Frühjahr (d. h. während der Brutzeit), § 19 Abs. 1 Nr. 4, 11, 15 Bundesjagdgesetz. 52 §§ 38, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 Bundesjagdgesetz. 53 § 39 Abs. 1 Nr. 8 Bundesjagdgesetz, der insoweit den § 303 StGB verdrängt (Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, B IX 1, Anm. 8 zu § 39).

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11. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

wird unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr.3 des Bundesjagdgesetzes (Jagdausübung auf Grund eines Jagdpachtvertrages, der wegen der dort bezeichneten Mängel nichtig ist) zur Ordnungswidrigkeit51 • Auch sonst kommen Eingriffe in fremde Rechte oder Schädigungen anderer als Ordnungswidrigkeiten vor. So handelt z. B. ordnungswidrig, wer einem anderen, weil dieser eine Verfügung der Kartellbehörde beantragt oder einen Kartellvertrag oder -beschluß aus wichtigem Grunde gekündigt hat oder von ihm aus ebensolchem Grunde zurückgetreten ist, einen wirtschaftlichen Nachteil zufügt55 • Auch die Beschränkung von Arbeitnehmern in der Ausübung ihres Amtes als Mitglied in Organen und Ausschüssen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung oder ihre Benachteiligung wegen der übernahme oder Ausübung des Amtes und der Abzug höherer als der zulässigen Beitragsteile vom Arbeitsentgelt sowie Abzüge entgegen den gesetzlichen Vorschriften sind Ordnungswidrigkeiten56 • Eines Vergehens macht sich schuldig, wer vorsätzlich oder fahrlässig jugendgefährdende Schriften einem Kind oder Jugendlichen feilbietet oder zugänglich macht oder außer halb von Geschäftsräumen vertreibt oder verbreitet 57 , aber nur einer Ordnungswidrigkeit, wer als Veranstalter, Gewerbetreibender oder dessen beauftragter Vertreter vorsätzlich oder fahrlässig einem Kind oder Jugendlichen Branntwein in einer Gaststätte verabreicht, die Anwesenheit in einer öffentlichen Glücksspielhalle, einer für ihn verbotenen Filmvorführung, einer Variete- oder einer ähnlichen Veranstaltung oder die Teilnahme am Glücksspiel in der Öffentlichkeit gestattet oder duldet, daß ein Kind oder Jugendlicher unter 16 Jahren in der Öffentlichkeit Tabak genießt, sich ohne Begleitung Erziehungsberechtigter in einer Gaststätte aufhält oder an Tanzveranstaltungen teilnimmt, ferner, wer vorsätzlich ein solches Verhalten eines Kindes oder Jugendlichen herbeiführt oder fördert, sofern er selbst über 21 Jahre alt ist58 • - Zuwiderhandlungen M Die Tragweite des § 39 Abs. 1 Nr. 3 Bundesjagdgesetz und sein Verhältnis zu § 292 StGB sind unklar. Folgt man der etwas gekünstelten Auslegung bei Mitzschke-Schäfer, Anm. 4 zu § 39 (ebenso Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, B IX 1, Anm. 2 zu § 39), der sich Lorz (bei Erbs-Kohlhaas, J 12, § 39, Anm. III A) anschließt, so wird die Vorschrift zu einer Art Verdachtsstrafdrohung für die Fälle, in denen der (sowohl für § 292 StGB als auch für § 39 Abs. 1 Nr. 3 Bundesjagdgesetz erforderliche) Vorsatz nicht eindeutig nachzuweisen ist. 55 § 38 Abs. 1 Nr. 9 Kartellgesetz. 58 § 215 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Das Nichtabführen von Beitragsteilen an die berechtigte Kasse ist dagegen ein Vergehen, § 213. 57 § 21 Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. 58 § 14 Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. Nur unter den Voraussetzungen des § 13 können die Zuwiderhandlungen Vergehen werden; darüber weiter unten im Text.

2. Die Grenzlinie

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gegen Vorschriften über den Ladenschluß sind grundsätzlich Ordnungswidrigkeiten59 • Wenn sie sich jedoch gegen das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit richten (Beschäftigung außerhalb zugelassener Sonntagsöffnungszeiten und weiterer 30 Minuten für notwendige Vorbereitungsund Abschlußarbeiten, Nichtgewähren des Ausgleichs für Sonntagsarbeit), verwandeln sie sich in Vergehen, falls sie vorsätzlich ausgeführt werden und ein Beschäftigter ausgebeutet oder seine Arbeitskraft oder Gesundheit gefährdet wird oder Wiederholung trotz Abmahnung oder Nichteinverständnisses des Arbeitnehmers vorliegt60 • Das Hauptabgrenzungsmerkmal bildet hier der Schutz der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen (Verstöße gegen die Bestimmungen über den Ladenschluß an Werktagen können, auch unter den genannten erschwerenden Voraussetzungen, immer nur Ordnungswidrigkeiten sein61 ); in diesem Rahmen sind für die Unterscheidung von Straftat und Ordnungswidrigkeit die vorsätzliche Zuwiderhandlung sowie das Ausnutzen eines anderen aus Gewinnsucht, das Herbeiführen einer konkreten Gefahr für das Angriffsobjekt (das auf das geschützte Rechtsgut hinweist) oder die Wiederholung unter erschwerenden Umständen maßgebend. - Eine ähnliche Trennung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten besteht im Rahmen des Jugendarbeitsschutzes. Verstöße gegen die Vorschriften über die zeitliche Beschränkung der Beschäftigung Jugendlicher und einige andere Bestimmungen sind grundsätzlich Ordnungswidrigkeiten, werden aber unter gewissen Voraussetzungen zu Vergehen62 • Als Unterscheidungsmerkmale verwendet das Gesetz die vorsätzliche Begehung der Zuwiderhandlung (bei Fahrlässigkeit bleibt die Tat ohne Rücksicht auf die Folgen Ordnungswidrigkeit) und dazu einerseits die (vorsätzliche oder fahrlässige) Gefährdung der Arbeitskraft oder Gesundheit des Kindes oder Jugendlichen sowie andererseits die Gewinnsucht oder die wiederholte Begehung trotz zweimaliger schriftlicher Abmahnung. Zuwiderhandlungen gegen das Verbot der Kinderarbeit (einschließlich der überschreitung der Erlaubnis, Kinder in gewissem Rahmen zu beschäftigen) oder der Betrauung von Kindern und Jugendlichen mit gefährlichen Arbeiten, Akkord- oder Fließ arbeiten sowie gegen Mutterschutzvorschriften bilden stets Vergehen, ohne daß es erst einer besonderen Begehensweise oder bestimmter Folgen bedürfte63 • - Auch an59

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§ 25 Gesetz über den Ladenschluß § 24 Ladenschlußgesetz.

vom 28. November 1956, BGBL I 875.

61 Sofern nicht die Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938, RGBL I 447, i. d. F. des Gesetzes vom 17. Mai 1942, RGBL I 321, oder etwa das Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend vom 9. August 1960, BGBL I 665, oder das

Mutterschutzgesetz eingreift. 62 § 67 Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Mischtatbestand; Abgrenzungsrichtlinie in § 67 Abs. 3). 63 § 66 Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Verstöße gegen weitere, weniger bedeutsame Vorschriften über den Jugendarbeitsschutz faßt

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

dere Gesetze benutzen zur Abgrenzung die Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung in Verbindung mit vorsätzlicher oder fahrlässiger Herbeiführung gewisser Folgen64 • Die fahrlässige Zuwiderhandlung bleibt dann stets Ordnungswidrigkeit. Ferner kann, ähnlich wie in den schon genannten Fällen, die "beharrliche" Wiederholung die Ordnungswidrigkeit zum Vergehen machen65 • Demgegenüber hat sich der Gesetzgeber in der Begründung zum Außenwirtschaftsgesetz zu der Einsicht bekannt, die wiederholte Begehung oder die rechtsfeindliche Einstellung des Täters könne den Unrechtsgehalt einer Ordnungswidrigkeit nicht so ändern, daß diese zum kriminellen Unrecht werde 66 . Andererseits macht erst die Beharrlichkeit des Verstoßes das Verhalten des Arbeitgebers, der sich der Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter entzieht, überhaupt zur Ordnungswidrigkeit67 ; ein Übergang zu Vergehen kommt hier nicht in Betracht. Im übrigen ist es keineswegs eine allgemeine Erscheinung, daß Ordnungswidrigkeiten durch Wiederholung oder die Einstellung des Täters zu Vergehen werden können. Manche Gesetze versuchen, den Punkt, an dem eine Ordnungswidrigkeit in ein Vergehen "umschlägt", mit Hilfe eines quantitativen Merkmals (meist in Verbindung mit den schon erwähnten subjektiven Voraussetzungen) zu bestimmen. Beispiele bieten schon die zuvor genannten Fälle. So sind Vergehen nur diejenigen vorsätzlichen Verstöße gegen den Jugendschutz, die eine schwere Gefährdung der körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen mit sich bringen (während die leichteren Gefährdungsfälle Ordnungswidrigkeiten bleiben), oder solche vorsätzlichen Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Vorschriften des Atomgesetzes, aus denen eine Gefahr (außer für Leib oder Leben eines Menschen) für fremde Sachen von bedeutendem Wert entsteht (handelt es sich um Sachen von geringerem Wert, so bleibt die Tat eine Ordnungswidrigkeit)68. Die Verletzung von § 68 nur als Ordnungswidrigkeiten zusammen); § 20 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (Vorsatz; bei Fahrlässigkeit liegt nach Abs. 2 eine übertretung vor). Vgl. auch § 3 der Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 21 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten (siehe oben S. 58 f., Anm.19). 64 Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, § 70 Bundesseuchengesetz, § 47 Atomgesetz, auch § 85 Bundesleistungsgesetz. 65 Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. 66 Bundestagsdrucksache III/1285, S. 252. 67 § 39 Abs. 1 Buchstabe c Schwerbeschädigtengesetz i. d. F. vom 14. August 1961, BGBL I 1233, 1348, 1652. 68 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, § 47 Atomgesetz.

2. Die Grenzlinie

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Arbeitsschutzvorschriften durch den Kapitän oder den Reeder hat grundsätzlich nur den Charakter einer Ordnungswidrigkeit und wird zum Vergehen erst bei erheblicher Gefährdung der Arbeitskraft oder Gesundheit eines Besatzungsmitgliedes 69 • Das (vorsätzliche oder fahrlässige) Unterlassen oder falsche oder unvollständige Bewirken einer nach dem Bundesleistungsgesetz angeforderten Leistung, das Nichterfüllen der Pflicht, den Anforderungsbehörden auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und dergleichen, sowie das (vorsätzliche) Beiseiteschaffen, Zerstören, Unbrauchbarmachen usw. eines Gegenstandes, der bei einem anderen, der leistungspflichtig ist, angefordert wurde, sind Ordnungswidrigkeiten. Handelt der Täter in der Absicht der Leistungsvereitelung und gefährdet er dadurch das öffentliche Wohl erheblich, so ist die Tat ein Vergehen (bei weniger schwerer Gefährdung wiederum nur Ordnungswidrigkeit)1°. Wer gegen Bauvorschriften des zivilen Luftschutzes verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. wer vorsätzlich Schutzraumbauten, andere Luftschutzeinrichtungen, Werkstoffe oder Geräte für den zivilen Luftschutz fehlerhaft herstellt oder liefert und dadurch die bezweckte Schutzwirkung vorsätzlich oder fahrlässig mindestens erheblich beeinträchtigt, ein Vergehen (die weniger schwere Beeinträchtigung kann auch hier nur Ordnungswidrigkeit sein, ebenso die fahrlässige Zuwiderhandlung)71. Die Entnahme (Ableitung) von Wasser oder festen Stoffen (soweit deren Entnahme auf den Zustand des Gewässers oder den Wasserabfluß einwirkt) aus oberirdischen Gewässern, das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, die Entnahme von Grundwasser, alle Maßnahmen, die die Beschaffenheit des Wassers dauernd oder nicht nur unerheblich schädlich verändern können, usw. sind Ordnungswidrigkeiten, wenn sie unbefugt oder entgegen einer Auflage geschehen. Von diesen Handlungen kann nur das Einbringen oder Einleiten von Stoffen (nicht aber eine andere Maßnahme) zum Vergehen werden; erforderlich ist dazu eine nachteilige Veränderung des Gewässers. Stoffe dürfen nur so ge69 §§ 121, 126, 123, 127 Nr. 2 Seemannsgesetz vom 26. Juli 1957, BGBL II 713, geändert durch Gesetz vom 25. August 1961, BGBL II 1391. Der übergang zu Vergehen findet ferner statt beim Nichtbefolgen dienstlicher Anordnungen durch die Gefährdung von Menschen, Schiff oder Ladung, §§ 115, 124 Abs. 1 Nr. 2, bei der Verletzung der Bordanwesenheitspflicht (Verlassen des Schiffes, nicht rechtzeitige Rückkehr), die für die Ordnungswidrigkeit gröblich sein muß, durch Begehen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes und erhebliche Verzögerung des Auslaufens des Schiffes oder Verursachung erheblicher Kosten zur Abwendung der Verzögerung, §§ 114, 124 Abs. 1 Nr. 3. 10 § 84 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2, § 85 Bundesleistungsgesetz. Man wird allgemein davon auszugehen haben, daß durch jede Leistungsbeeinträchtigung, auf die die vorgenannten Handlungen objektiv abzielen, das öffentliche Wohl gefährdet wird (andernfalls hätte kein Anlaß bestanden, die Leistung anzufordern; vgl. § 1 des Gesetzes); dann bilden Vergehen auch hier die schwerwiegenderen Fälle. 11 §§ 33, 34 Luftschutzgesetz.

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

lagert und Flüssigkeiten oder Gase durch Rohrleitungen nur so befördert werden, daß eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Gewässers nicht zu besorgen ist. Wird dieser Regel zuwidergehandelt und tritt die Veränderung tatsächlich ein, so liegt ein Vergehen vor; bleibt sie nur zu besorgen, so hat man eine Ordnungswidrigkeit vor sich72 • Die Zuführung von Stoffen in Gewässer kann nur dann allgemein bußwürdig sein, wenn es für den Zustand der Gewässer nicht gleichgültig ist, ob sich die Stoffe im Wasser befinden oder nicht. Das Gesetz geht also davon aus, daß grundsätzlich jede Zuführung eine nachteilige Wirkung hat (mag sie auch im Einzelfall nicht meßbar sein). Diese überlegung und die Höhe der Strafdrohung für die Vergehensfälle (Gefängnis bis zu zwei Jahren) nötigen zu der Annahme, daß nur die schweren Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts (der Reinheit der Gewässer) Straftaten, alle Bagatellfälle jedoch Ordnungswidrigkeiten sein sollen73 • Demgemäß kann die für den übergang von der Ordnungswidrigkeit zum Vergehen erforderliche "nachteilige Veränderung" nur in einer Schädigung des Zustandes des Gewässers von gewissem Erheblichkeits(Schwere-)Grad gesehen werden. - Selbst dort, wo die einfache Gefährdung eines geschützten Gutes (z. B. der Arbeitskraft oder der Gesundheit wie nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz und dem Ladenschlußgesetz) als Abgrenzungsmerkmal verwendet wird, kommt es wesentlich auf quantitative Umstände an, nämlich auf die mehr oder minder nahe Möglichkeit einer Schädigung, um ein Vergehen oder eine Ordnungswidrigkeit annehmen zu können. In allen diesen Fällen, bei denen die Angriffe auf dasselbe geschützte Gut je nach ihrer Nähe und Stärke unter die Vergehen oder die Ordnungswidrigkeiten eingeordnet werden, verläuft die Grenze zwischen beiden Deliktsgruppen doch nicht gleichartig. Es ist keineswegs so, daß Verletzungen oder gar schon konkrete Gefährdungen des geschützten Gutes (beziehungsweise seiner Konkretisierung in Gestalt des Angriffsobjekts) die Zuwiderhandlung stets zum Vergehen machten oder daß die Zuwiderhandlung ohne solche Erschwerungen immer Ordnungswidrigkeit wäre. Häufig bildet bereits der Verstoß gegen Schutzvorschriften (also die vom Gesetz angenommene bloß abstrakte Gefährdung) ein Vergehen (Beispiel: § 66 Jugendarbeitsschutzgesetz)1\ in an72 §§ 38, 41 Abs. 1 Nr. 1 Wasserhaushaltsgesetz; vgl. entsprechend die §§ 38, 41 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen. 73 So auch ausdrücklich der Ausschußbericht zum Entwurf des Wasserhaushaltsgesetzes, Bundestagsdrucksache 1II3536, S. 15: Die Vergehen sollten "auf die wirklich schwerwiegenden Angriffe gegen das zu schützende Rechtsgut, die Reinheit des Wassers, beschränkt" und die "unschädlichen Bagatellfälle ausgeschieden" werden. Ebenso Wernicke, NJW 1961, S. 2338; 1963, S.327. 74 Dementsprechend meint auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 13, S. 367, 372 f.), daß Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Bestimmungen, die

3. Mögliche Kriterien der Abgrenzung

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deren Fällen bedarf es dazu einer konkreten Gefahr, die aber, wie sich gezeigt hat, verschieden groß sein muß: So fordert bei vergleichbaren Tatbeständen das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit eine "schwere Gefährdung" der Entwicklung (des Kindes oder Jugendlichen), während sich das Jugendarbeitsschutzgesetz (ebenso wie das Ladenschlußgesetz) mit der einfachen Gefährdung (der Arbeitskraft oder Gesundheit) begnügt, obwohl die Strafdrohungen in beiden Jugendschutzgesetzen gleich sind. Gewisse Zuwiderhandlungen nach dem Bundesleistungsgesetz werden zu Vergehen, wenn sie das öffentliche Wohl erheblich gefährden, während für die ähnlichen Tatbestände des Flüchtlingsnotleistungsgesetzes75 , die mit Geldbußen von derselben Höhe wie die des Bundesleistungsgesetzes bedroht sind, eine entsprechende gesetzliche Erschwerung fehlt. Die ebenfalls in diesen Zusammenhang gehörenden Tatbestände des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen WirtschafF6 bilden Mischtatbestände, für die das Wirtschaftsstrafgesetz von 1954 gilt. Andere Gesetze knüpfen die Umwandlung in Vergehen an den Eintritt eines Verletzungs- oder Schädigungserfolges, wobei nicht immer jeder derartige Erfolg genügt, sondern zuweilen, wie im Wasserhaushaltsgesetz, eine Schädigung von gewisser Schwere erforderlich ist. Auch hier lassen sich beachtliche Verschiebungen der Grenzlinie feststellen. So bewirkt z. B. nach dem Atomgesetz bereits die Gefahr für Leib oder Leben eines Menschen den Übergang zum Vergehen, wogegen nach dem Bundesseuchengesetz die Gefahr der Krankheitsverbreitung sich noch im Rahmen der Ordnungswidrigkeiten hält und erst die Verbreitung selbst zum Vergehen wird. Schließlich kommen sogar Verletzungsdelikte überhaupt nur als Ordnungswidrigkeiten vor, wie etwa das Anrichten von Jagdschaden nach dem Bundesjagdgesetz.

3. Mögliche Kriterien der Abgrenzung Diese Verschiedenartigkeit der Abgrenzung im Rahmen der Angriffe auf einzelne geschützte Güter ist nur verständlich, wenn man einen quantitativen Unterscheidungsmaßstab annimmt (wobei dahingestellt sein mag, ob der Gesetzgeber ihn immer gleichmäßig angewandt hat). eine Gefahr verhindern sollen, schon als kriminelles Unrecht "gewertet" werden können, und schließt aus der alleinigen Androhung von Freiheitsstrafe auf den kriminalstrafrechtlichen Charakter eines Tatbestandes (§ 9 Abs. 2 Sprengstoffgesetz vom 9. Juni 1884, RGBl. S. 61). 75 Vom 9. März 1953, BGBl. I 45 (mehrfach geändert); § 37: Sich der Leistungspflicht entziehen, insbesondere Veräußern, Beiseiteschaffen, Unbrauchbarmachen, wesentliche Verschlechterung des Gegenstandes einer zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Vertriebenen angeforderten Leistung, Verstoß gegen die Anforderung einer Leistungsvorbereitung. 76 Vom 22. Dezember 1959, BGBl. I 785; § 5.

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11. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

Es bleibt dann noch der Rückzug auf die beliebte Redewendung vom Umschlagen der Quantität in die Qualität unter Hinweis auf die Schmidtsche Formel in § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG 1949. Auf beide ist später näher einzugehen. Wie immer die Verwendung quantitativer Gesichtspunkte für eine qualitative Abgrenzung zu beurteilen sein mag, es widerspricht auf jeden Fall dem Gedanken von der qualitativen Andersartigkeit der Ordnungswidrigkeiten, wenn man als solche einfach die leichteren Angriffe auf geschützte Güter auffaßt77, wie es in den zuletzt behandelten Gesetzen durch die Verwendung quantitativer Abgrenzungsmerkmale geschieht. Würde man dieses Verfahren zur allgemeinen Regel erheben, so wären die Ordnungswidrigkeiten von vornherein als die Bagatelldelikte gekennzeichnet, die sie nach der zugrunde liegenden Lehre gerade nicht sein sollen. Demzufolge kann die Abgrenzung in den fraglichen Fällen nicht auf den Grundsätzen der Ordnungswidrigkeitenlehre beruhen, sondern nur eine solche nach der Schwere der Taten sein. Nichts anderes ergibt sich aber auch aus der Betrachtung aller übrigen, vorher erwähnten gesetzlichen Abgrenzungen. Etwa nach einer Unterscheidung der Schutzgüter (in Rechtsgüter und Verwaltungsgüter) wird nicht zu trennen versucht; diesseits und jenseits der Grenzlinie handelt es sich weithin um dieselben geschützten Güter, wie die angeführten Beispiele zeigen. Auch die Gegenüberstellung von Verwaltungsungehorsam und Rechtsgutverletzung oder -gefährdung hilft nicht weiter. Was man als Ungehorsam gegenüberVerwaltungsanordnungen anzusehen geneigt sein könnte (z. B. Vornahme von Handlungen ohne Genehmigung oder entgegen Verboten, Verstoß gegen Auflagen oder Mitwirkungs- oder Duldungspflichten, gegen Kennzeichnungspflichten usw.), findet man unter den Vergehen genauso, wie die Ordnungswidrigkeiten alle Stufen der Angriffe auf Rechtsgüter aufweisen. Mit der Regel, daß Ordnungswidrigkeiten nur die Beziehung zwischen dem einzelnen und der Verwaltung beträfen, kommt man angesichts der vorgeführten Beispiele nicht aus, und dasselbe gilt von der Annahme, daß Ordnungswidrigkeiten nur gegen spezifische Verwaltungsinteressen verstießen. In den Fällen unserer Übersicht geht es zu beiden Seiten der Grenzlinie zumeist um dieselben Interessen; sie müßten dann auf der Vergehens- ebenso wie auf der Ordnungswidrigkeitenseite spezifische Verwaltungs interessen sein oder auf keiner von beiden, und dasselbe ergibt sich hinsichtlich der Beziehung, die zwischen dem einzelnen und der Verwaltung angenommen werden mag. Oder sollte etwa das öffentliche Wohl oder die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen ein 71 Ohne daß sich zugleich das Bezugssystem, in das die Tat eingestellt ist, in einer den übergang vom kriminellen Unrecht zur Ordnungswidrigkeit bedingenden Weise ändert: Die Tat behält ihren Charakter als Angriff auf dasselbe Schutzgut.

3. Mögliche Kriterien der Abgrenzung

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Verwaltungs interesse sein (gegen sie gerichtete Handlungen nur jene Beziehung betreffen), solange das eine oder die andere nicht schwer (nur leicht) gefährdet wird, und dann plötzlich diese Eigenschaft verlieren? Manche mögen auf den Ausweg verfallen, bei geringfügigen Eingriffen in geschützte Güter überwiege der Verwaltungsungehorsam, werde vornehmlich das Verwaltungsinteresse berührt oder jene Beziehung gestört. Nimmt man dies als allgemeine Regel (dann würde z. B. auch der kleine Diebstahl vorwiegend aus Verwaltungsungehorsam bestehen und in erster Linie das ungetrübte Verhältnis des Diebes zur Polizei stören), so wäre man wiederum beim Bagatelldelikt als Ordnungswidrigkeit mit der Folge, daß die Ahndung der kleinen Kriminalität eine Aufgabe der Verwaltung darstellte. Es handelt sich also um eine bloße Ausflucht und einen Verzicht auf eine wirkliche Begründung. Unvereinbar mit der Verwaltungswidrigkeitenlehre ist ferner, daß eine Tat bei Vorsatz des Täters Vergehen, bei Fahrlässigkeit Ordnungswidrigkeit sein soll (das OWiG verlangt sogar für die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit grundsätzlich Vorsatz). Können aber Vergehen und Ordnungswidrigkeiten nicht nach den subjektiven Voraussetzungen ihrer Begehung getrennt werden, so gehört schon deswegen die Ermöglichung eines Vergehens durch Verletzung der Aufsichtspflicht, die nach vielen Gesetzen eine Ordnungswidrigkeit isF8, nicht zu den Verwaltungswidrigkeiten, sondern in die Nähe der Teilnahme. Wollte man in der Vernachlässigung der Aufsichtspflicht, soweit sie auf die Hinderung von Vergehen bezogen wird, einen Verwaltungsungehorsam (die Verletzung eines Verwaltungsinteresses, die Nichterfüllung einer Pflicht gegenüber der Verwaltung) sehen, so müßte die Verhütung (das Nichtermöglichen) strafbarer Handlungen ein spezifisches Verwaltungsinteresse sein, was dann erst recht für die Einordnung der unterlassenen Verbrechensanzeige oder der Beihilfe zu gelten hätte. Ebenso versagen 78 Vgl. z. B. § 5 WiStG 1954, § 22 Abs. 2 Mutterschutzgesetz, § 69 Abs. 3 Jugendarbeitsschutzgesetz, § 36 Außenwirtschaftsgesetz, § 58 Kreditwesengesetz, § 26 Abs. 3 Ladenschlußgesetz, § 20 Kriegswaffengesetz, § 219 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Die genannten Bestimmungen bedrohen die (vorsätzliche oder fahrlässige) Verletzung der Aufsichtspflicht auch dann mit Geldbuße, wenn durch sie eine Ordnungswidrigkeit ermöglicht wurde. Andere beziehen die Verletzung der Aufsichtspflicht nur auf die Ermöglichung einer Ordnungswidrigkeit, wie z. B. § 42 Wasserhaushaltsgesetz, § 156 Abs. 3 Bundesbaugesetz, § 30 Bundeskindergeldgesetz, § 7 Gesetz über Detergentien, § 99 b Abs. 2 Güterkraftverkehrsgesetz, § 15 Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953, BGBl. I 1314 (mehrfach geändert), § 40 Kartellgesetz. Erforderlich ist, daß die Zuwiderhandlung auf der (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verletzung der Aufsichtspflicht beruht; jedoch verlangt § 22 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes die Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zur Verhütung der Zuwiderhandlung (vgl. auch § 23 WiStG 1949). Zum Vergehen ist die Verletzung der Aufsichtspflicht des Intendanten und seines Vertreters ausgestaltet in § 35 des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 20. November 1960, BGBl. I 862.

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

Begriffe wie die des zeit- oder ortsbedingten Unrechts, einer bloß zweckmäßigen oder technischen Ordnung usw. oder gar naturrechtliche Überlegungen, um die vorgefundene Abgrenzung zu begründen. Und daß für diesen Zweck das Merkmal der sittlichen Indifferenz völlig unbrauchbar ist, dürfte bei der Lektüre der angegebenen Beispiele bereits so hinreichend deutlich geworden sein, daß sich weitere Ausführungen erübrigen. Richard Lange wird vielleicht für sich in Anspruch nehmen wollen, mit seiner Lehre die positiv-rechtliche Grenzziehung erklären zu können. Dies mag auf sich beruhen, denn von Langes Argumentation bleibt als entscheidendes und tragfähiges Kriterium einzig die relative Schwere der Delikte übrig. So muß man die Feststellung treffen, daß die Unterscheidung zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Gesetzen nicht den Anspruch der Lehre, die Andersartigkeit beider Deliktsgattungen darstellen zu können, erfüllt. Zwar erscheinen die Gründe für die Entscheidungen des Gesetzgebers nicht immer ganz verständlich (vgl. z. B. den unterschiedlichen Schutz der Berufsbezeichnungen für Krankenpfleger, medizinisch-technische Assistentinnen und Masseure); sieht man davon aber einmal ab, so ergibt sich im ganzen doch eine quantitative Abstufung (und auch nur eine solche) von Ordnungswidrigkeiten und strafbaren Handlungen. Maßgebend für die Einordnung einer Tat in die eine oder andere Gruppe sind ganz offensichtlich die größere oder geringere Bedeutung des jeweiligen Schutzgutes und des ihm entsprechenden Angriffsobjekts, die Nähe beider zueinander, der Grad ihrer Abstraktion und (damit zusammenhängend) ihre leichtere oder schwerere Verletzbarkeit, ihr Bedürfnis nach Schutz gerade mit mehr oder minder starken Mitteln des Strafrechts, um ihrer rechtlichen Ordnung die erforderliche allgemeine Achtung zu sichern, die Ausdehnung, Stärke und Nähe des Angriffs, der in dem jeweils verbotenen Verhalten von Gesetzes wegen objektiv zu sehen ist, d. h. der Grad der Bedrohtheit des geschützten Gutes, die mehr oder minder große Möglichkeit eines Schadens, das Ausmaß des möglichen Schadens auf Grund jenes Verhaltens (die Größe der objektiv von ihm ausgehenden Gefahr), die Umstände auf der Täterseite, die für die Gefährlichkeit des Einzelverhaltens (der in ihm liegenden Verletzung der Schutznormen) oder des Täters (seines Gesamtverhaltens, seiner fehlenden Gesetzestreue) wichtig sind, kurzum, alle die (und auch nur die) Umstände, aus denen insgesamt die größere oder geringere Strafwürdigkeit79 eines mit Sanktionen zu bedrohenden Verhaltens, also seine für die anzudrohende Sanktion maßgebende (im Hinblick auf sie zu sehende) relative Schwere, nicht aber eine Wesensverschiedenheit des in ihm verkörperten Un79 Diesen Ausdruck hier im weitesten Sinne (unter Einschluß der Bußwürdigkeit) verstanden.

3. Mögliche Kriterien der Abgrenzung

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rechts im Sinne der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten abgeleitet wird80 . Dieser Sachverhalt wird auch zugegeben. So kann man aus berufener Feder lesen, bei der Frage, ob ein Tatbestand dem kriminellen Strafrecht oder den Ordnungswidrigkeiten zuzuweisen sei, werde "nicht auf den Verwaltungsgesichtspunkt abgestellt, sondern allein darauf, ob die Verwirklichung eines bestimmten Handlungstyps nach dem Durchschnitt der vorkommenden Fälle einen so erheblichen sozialethischen Vorwurf begründet, daß der allgemeine Ausspruch eines sozialethischen Unwerturteils über Taten solcher Art geboten ist"81. Ähnliche Gedankengänge findet man verschiedentlich in Gesetzesbegründungen. Die Begründung zum Jugendarbeitsschutzgesetz z. B. gibt als Gesichtspunkte für die Abgrenzung zwischen Vergehen und Ordnungswidrigkeiten die mehr oder minder hohe Einschätzung des Rechtsgutes, das Gewicht der Bestimmungen, denen zuwidergehandelt wird, und die "erschwerenden Umstände" der Tatbegehung an82 , und die zum Außenwirtschaftsgesetz läßt die Notwendigkeit des strafrechtlichen Schutzes ebenso von der Bedeutung des geschützten Rechtsgutes und den Verhältnissen abhängen, so daß Vergehen die "besonders schwerwiegenden Verstöße" gegen die gesetzlichen Vorschriften sein sollen83 . Derartige Eingeständnisse bedeuten die Preisgabe des Gedankens von der Existenz eigenständiger Ordnungswidrigkeiten, wie ihn das Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 und das Ordnungswidrigkeitengesetz von 1952 der weiVgl. auch die ähnliche Beurteilung von Jescheck, JZ 1959, S. 461. Lackner (damals Ministerialrat im Bundesjustizministerium), DAR 1960, S. 311. In der "Folgenlosen Verkehrsgefährdung", S. 157, gibt er als Abgrenzungskriterium des Gesetzgebers den Grad der Erheblichkeit des Unwerts an, den der Durchschnittsfall eines Tatbestandes habe. "überhaupt hat die These von dem tiefgreifenden, aus dem Begriff des VerwaItungsunrechts abgeleiteten qualitativen Unterschied zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit in der Praxis der Gesetzgebung zunehmend an Substanz verloren. Von Anbeginn an war die Ordnungswidrigkeit kein bloßer VerwaItungsungehorsam im eigentlichen Sinne des Wortes" (DAR 1960, S. 311; ähnlich "Folgenlose Verkehrsgefährdung", S. 157). - Bemerkenswert ist auch, daß die vom Straßenverkehrssicherheitsausschuß eingesetzte Kommission meinte, aus Gründen der Praktikabilität eine "großzügige Umstellung" vorschlagen zu sollen, worunter sie versteht, alle aus dem Gedanken der Verwaltungswidrigkeit oder des ethisch indifferenten Unrechts (oder einer sonstigen Begründung eigenständiger Ordnungswidrigkeiten) abzuleitenden Unterscheidungsmerkmale überhaupt beiseite zu schieben (und damit doch den Ordnungswidrigkeitengedanken aufzugeben) und einfach "Unrecht geringen Grades" (die übertretungen des Straßenverkehrsrechts - einige vielleicht ausgenommen -, die in ihrer Masse "kaum ein sozialethisches Unwerturteil" verdienten) in Ordnungswidrigkeiten umzubenennen (Bericht, S. 8). Hierin liegen das offene Bekenntnis, daß die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten gesetzgeberisch gar nicht zu verwirklichen ist, und damit der Verzicht auf sie. 82 Bundestagsdrucksache 111/317, S. 36 f. 83 Bundestagsdrucksache 111/1285, S. 252. 80

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11. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

teren Rechtsentwicklung zugrunde legen wollten. Jedoch scheint man daraus einstweilen keine Folgerungen für die Behandlung der positivrechtlichen Ordnungswidrigkeiten, insbesondere für die Zuständigkeit zur Verhängung der Geldbuße, zu ziehen84 • Daß gewisse Zuwiderhandlungen wegen eines ihnen zugeschriebenen besonderen Unrechtsgehalts durch Verwaltungsbehörden zu ahnden wären, ist aber allenfalls (nämlich, sofern die Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten richtig ist) dann zu rechtfertigen, wenn sie wirklich verwaltungswidriges Unrecht bilden, nicht aber, wenn der Gesichtspunkt der Verwaltungswidrigkeit gar nicht entscheidend ist und zu Ordnungswidrigkeiten einfach Taten geringeren Unrechts oder geringerer Schwere gemacht (also die Voraussetzungen der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten schon überhaupt nicht erfüllt) werden. Unter dieser Voraussetzung ist dem Grundsatz, daß die Ahndung Aufgabe der Gerichte sei, von der Art des Unrechts der zu ahndenden Handlungen her nichts entgegenzusetzen. Dies gilt auch für die ethische Indifferenz als alleiniges oder entscheidendes Merkmal der Ordnungswidrigkeiten, was jedoch übersehen wird; sie kann die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden auf Grund der Art des Unrechts nicht tragen, denn das Aufgabengebiet der Verwaltung ist von dem der Justiz nicht dadurch abgegrenzt, daß zu jenem alles ethisch Indifferente, zu diesem alles ethisch Differente gehöre.

4. Verschiedene Besonderheiten des Ordnungswidrigkeitenrechts Die einzelnen Gesetze gehen häufig über grundsätzliche Regeln des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952 hinaus85 • So sind Ordnungswidrigkeiten vielfach (und nicht nur ausnahmsweise) auch fahrlässig begehbar (vgl. § 11 OWiG 1952, § 5 [a. F., jetzt § 10] OWiG 1968). Besonders wichtig ist die Höhe der angedrohten Geldbußen. Die Obergrenze von 1000,- DM (vgl. § 5 OWiG 1952, § 13 [a. F., jetzt § 17] Abs. 1 OWiG 1968) wird sehr oft überschritten. Geldbußen bis zu 5000,- DM drohen an z. B. das Bundesseuchengesetz (§ 69), das Jugendarbeitsschutzgesetz (§§ 67, 69 Abs. 3), das Luftschutzgesetz (§ 34), das Luftverkehrsgesetz (§§ 58, 61), die Luftverkehrsordnung (§ 43), das Fischgesetz (§ 13); 10 000,- DM (die normale Höhe der [früheren] kriminellen Geldstrafe für Verbrechen und Vergehen, § 27 StGB [a. F.]) können sie nach S~ Nicht verständlich ist die Behauptung bei Schwarz-Kleinknecht, die Ordnungswidrigkeit sei gegenüber der Straftat ein aliud, obwohl der Gesetzgeber auch solche Zuwiderhandlungen mit Geldbuße bedrohe, "die zwar sozialethisch verwerflich sind, aber wegen der geringen Bedeutung des Rechtsgutes und wegen ihrer lediglich abstrakten Gefährlichkeit nicht mit krimineller Strafe bedroht zu werden brauchen" (A 5, Vorbem. 2). 85 Entsprechende Feststellungen lassen sich nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 treffen.

4. Verschiedene Besonderheiten

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vielen Gesetzen erreichen, wie dem Kriegswaffengesetz (§ 18), dem Schutzbereichsgesetz (§ 27), dem Luftverkehrsgesetz (§ 58), dem Wasserhaushaltsgesetz (§§ 41, 42), dem Arzneimittelgesetz (§ 47), dem Apothekengesetz (§ 25), dem Gesetz über Detergentien (§§ 5, 7, 8), dem Düngemittelgesetz (§ 7), dem Personenbeförderungsgesetz (§ 61), dem Güterkraftverkehrsgesetz (§§ 99, 99 a, 99 b), dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr (§ 37), dem Mühlengesetz (§ 12), dem Einzelhandelsgesetz (§ 9), dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (§§ 14, 15), dem Gesetz über eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft (§ 9), dem Gesetz über forstliches Saat- und Pflanzgut vom 25. September 1957, BGBL I 1388 (§§ 15-17); 20000,- DM nach dem Kriegswaffengesetz (§§ 20, 21), dem Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (§ 7). Geldbußen bis zu 50000,-DM sehen vor das Wirtschaftsstrafgesetz 1954 (§ 4 Abs. 3) für Verstöße gegen die in § 1 Nr. 1-8 genannten Vorschriften, für Preisverstöße und Preisüberhöhungen, soweit sie Ordnungswidrigkeiten sind, und für die Verletzung der Aufsichtspflicht (die nach anderen Gesetzen mit unterschiedlicher Geldbuße bedroht ist) [ähnlich das Wirtschaftsstrafgesetz 1954/1975 nach den §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 2, 4 Abs. 2, 5 Abs. 2, 6 Abs. 2], das Außenwirtschaftsgesetz (§§ 33, 36, 37), die Gesetze zur Durchführung der Verordnungen Nr.19 (§§ 13, 15, 16), Nr. 20-22 (§§ 9, 11, 12), Nr. 13/64/EWG (§§ 12, 14, 15), Nr. 14/64/EWG (§§ 11, 13, 14) und Nr. 16/64/EWG (§§ 9, 11, 12) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, das Bundesleistungsgesetz (§ 84), das Flüchtlingsnotleistungsgesetz (§ 37), das Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961, BGBL I 607 (§ 6). Bis zu 100000,- DM schließlich kann die Geldbuße gehen nach dem Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens (§ 18), dem Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (§ 6), dem Gesetz zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (§ 7), dem Kartellgesetz (§§ 38, 40, 41), dem Atomgesetz (§ 46), dem Kreditwesengesetz (§§ 56, 58, 59), dem Gesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit (§§ 3, 5), dem Hypothekenbankgesetz (§§ 38, 39), dem Schiffsbankgesetz (§§ 38, 39). Das Kartellgesetz (§ 38 Abs. 4) läßt sogar zu, die Grenze von 100 000,- DM bis zum Dreifachen des durch die Zuwiderhandlung erzielten Mehrerlöses zu überschreiten 86 • - Geldsanktionen in dieser Höhe kann man schon wegen ihres Ausmaßes nicht mehr als ethisch indifferente Ordnungsrufe oder nüchterne Zweckmäßigkeitsmaßnahmen ohne sittlichen Bezug ansehen. Entsprechendes muß dann auch für die Taten gelten, bei denen man solch schwere Sanktionen für erforderlich hält. Mit dem Hinweis auf die Kapitalkraft möglicher Täter 88

Vgl. auch § 6 OWiG 1952, § 13 [a. F., jetzt § 17] Abs. 3 und 4 OWiG 1968.

6 Mattes

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Ir. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

lassen sich derartige Sanktions androhungen allein nicht rechtfertigen, denn sie müssen auch objektiv in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des verbotenen Verhaltens (für die freilich der Kreis der als Täter in Betracht kommenden Personen wichtig sein kann) stehen. Einige Gesetze gestatten es, Geldbußen auch gegen juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften wegen der von ihren Organen oder vertretungsberechtigten Personen begangenen Ordnungswidrigkeiten zu verhängen. Nach manchen Gesetzen kann die Geldbuße sogar wegen einer von den genannten Personen begangenen Straftat festgesetzt werden, so daß sie nicht einmal der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit dient87 • Auch die Verletzung der Aufsichtspflicht führte nach dem Vorbild des früheren § 5 WiStG 1954 nicht selten zur Androhung einer Geldbuße gegen juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften. Verschiedene Gesetze wollen die juristischen Personen und Personenvereinigungen, anstatt sie selbst mit Geldbußen zu bedrohen, für die von ihren Vertretern rechtskräftig verwirkten Geldbußen und Kosten mithaften lassen88, doch scheint dies nur in den ersten Jahren nach Einführung des Ordnungswidrigkeitengesetzes von 1952 vorgekommen zu sein (abgesehen vom Kartellgesetz [GWB], das diese Mithaftung in § 42 alternativ neben der Festsetzung der Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung vorsah). Eine weitere Erscheinung soll hier noch angeführt werden, auch wenn sie nicht nur im Bereich der Ordnungswidrigkeiten zu finden ist. Nach vielen Gesetzen können Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen, die auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift ergehen (blankettausfüllende Normen), nur geahndet werden, wenn die betreffende Verordnung oder Verfügung auf die gesetzliche Sanktions androhung verweist, wobei die angedrohte Sanktion nicht immer eine Geldbuße, sondern oft eine kriminelle Strafe ist89 • Ein solcher Hinweis mag einerseits der Warnung des Normadressaten dienen (so daß man die Regelung insoweit als 81 Vgl. z. B. § 37 Außenwirtschaftsgesetz, § 59 Kreditwesengesetz, § 21 Kriegswaffengesetz, § 39 Hypothekenbankgesetz, § 39 Schiffsbankgesetz. 88 Vgl. § 20 Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens, § 7 Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen. 89 Vgl. z. B. § 45 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz, § 45 Abs. 1 Nr. 4 Arzneimittelgesetz, § 24 Ladenschlußgesetz, § 34 Außenwirtschaftsgesetz, § 146 Abs. 1 Nr. 5 b, § 147 Abs. 1 Nr. 2 a, 4, § 148 Abs. 1 Nr. 2, 3 a, 4 a, 7 a Gewerbeordnung (i. d. F. der Gesetze vom 29. September 1953, BGBl. I 1459, und 5. Februar 1960, BGBl. I 61), § 15 Abs. 1 Nr. 11 Getränkeschankanlagenverordnung, § 22 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, § 2 WiStG 1954, § 21 Abs. 1 Nr. 5 Getreidegesetz (i. d. F. vom 24. November 1951, BGBl. I 900), § 13 Abs. 1 Gesetz zum Schutze der Kulturpflanzen, § 9 Abs. 2 Tierzuchtgesetz vom 7. Juli 1949, WiGBl. S. 181, § 123 a Seemannsgesetz, § 20 Mutterschutzgesetz.

4. Verschiedene Besonderheiten

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Schutz des Normadressaten auffassen kann). Aber andererseits verpflichtet das Gesetz die ermächtigte Stelle nicht, ihre Verordnung oder Verfügung stets mit der gesetzlich vorgesehenen Straf- oder Bußgeldandrohung zu verbinden. Sie entscheidet vielmehr völlig frei darüber, in manchen Fällen sogar außerdem, ob der Verstoß gegen die blankettausfüllende Vorschrift eine Straftat oder nur eine Ordnungswidrigkeit sein so1l90. Auf diese Weise wird die Strafbarkeit eines Verhaltens erst durch die Verordnung oder gar die Verfügung begründet; das Gesetz schafft nur die Möglichkeit hierzu und bestimmt im voraus lediglich Art und Umfang der etwaigen Strafdrohung. Es handelt sich also in Wahrheit gar nicht um eine Blankettausfüllung, sondern um die Ermächtigung zur Straf- oder Bußgeldandrohung. Die Rechtsgültigkeit einer solchen unterliegt jedoch strengen Voraussetzungen. Nach Art. 103 Abs. 2 GG, der auch im Recht der Ordnungswidrigkeiten gilt 91 , kann die Strafbarkeit einer Tat nur durch ein förmliches Gesetz oder eine im Rahmen einer rechtsgültigen Ermächtigung geschaffene Verordnung begründet werden. Dem widerspricht es, wenn eine Behörde selbst befinden kann, ob ein Verstoß gegen ihre Verfügung mit Sanktionen bedroht werden soll oder nicht. Wegen Art. 104 GG ist es ferner unzulässig, dem Verordnungsgeber die Entscheidung zu übertragen, ob seine Vorschrift mit einer Freiheitsstrafdrohung bewehrt sein soll. - Soweit es dem Verordnungsgeber oder der verfügenden Behörde überlassen ist, nach eigenem Gutdünken unter den innerhalb der Ermächtigung gegebenen Vorschriften diejenigen auszuwählen, an die eine Sanktionsdrohung geknüpft wird, fehlt es an der hinreichend deutlichen Bestimmung durch den Gesetzgeber92 , was strafbar sein soll, und wird die Verantwortung hierfür auf den Verordnungsgeber oder die verfügende 90 Vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 2 Nr. 1 Atomgesetz (die Erste und Zweite Strahlenschutzverordnung enthalten nur Ordnungswidrigkeiten), §§ 33 Abs. 2, 34 Außenwirtschaftsgesetz (die Außenwirtschaftsverordnung hat die Zuwiderhandlungen teils zu Vergehen, teils zu Ordnungswidrigkeiten gemacht, §§ 70, 71 Abs. 1), §§ 24, 25 Ladenschlußgesetz. - Mit der übertragung dieser Befugnis auf den Verordnungsgeber wollte man Mischtatbestände im Gesetz umgehen. Vgl. auch die Begründung zum Außenwirtschaftsgesetz (Bundestagsdrucksache III/1285, S. 252): Mit der dem Verordnungsgeber eingeräumten Möglichkeit, "einzelne besonders schwerwiegende Verstöße" gegen Vorschriften einer Verordnung durch Verweisung auf das Strafblankett des Gesetzes mit Strafe zu bedrohen, werde "der von den Mischformeln der bisherigen Art dem Richter überlassene Beurteilungsspielraum in der Bewertung einer Zuwiderhandlung als eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat als Wahlmöglichkeit zwischen Geldbußdrohung und Strafdrohung in die Hand des Verordnungsgebers gelegt". Der Unrechtscharakter eines Verstoßes werde somit nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Verordnungsgeber (von vornherein endgültig) bestimmt. - Eine Beurteilungsrichtlinie hat das Gesetz dem Verordnungsgeber nicht vorgeschrieben. 91 Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 29, 34. 92 An dessen Stelle kann bei Verfügungen der Verordnungsgeber treten, soweit seine Ermächtigung dazu ausreicht.

11. Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage des Gesetzes von 1952

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Behörde übertragen, so daß man nicht mehr von einer blankettausfüllenden Norm sprechen kann, die lediglich den Tatbestand im einzelnen festlegt, während im übrigen die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe bereits im Blankettgesetz selbst hinreichend deutlich umschrieben sind 93 . Die Verantwortung für das, was strafbar sein soll, darf der Gesetzgeber nur auf den Verordnungsgeber übertragen und auch nur insoweit, als dieser keine Freiheitsstrafe androht. Aber auch in einem solchen Falle muß der Gesetzgeber "die Ermächtigung zur Strafandrohung unzweideutig aussprechen und dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung so genau umreißen, daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aus der Ermächtigung und nicht erst aus der auf sie gestützten Verordnung voraussehbar sind"9(. Inwieweit die dafür in Betracht kommenden Vorschriften dieser Anforderung genügen, ist hier nicht zu untersuchen. Es sei lediglich noch auf die Bedenklichkeit jener Vorschriften hingewiesen, die dem Verordnungsgeber nicht nur die Entscheidung über die Strafbarkeit, sondern auch die Wahl zwischen krimineller Straftat und Ordnungswidrigkeit überlassen. Hier ergibt sich die Art der "Strafe" (kriminelle Geldstrafe oder Geldbuße) nicht schon aus dem Gesetz, sondern erst aus der Verordnung95 .

Vgl. hierzu die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE In der Blankettbestimmung legt der Gesetzgeber die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens, nämlich der Zuwiderhandlung gegen eine im Umriß beschriebene Ordnung, im voraus eindeutig fest; die Verwaltung hat, soweit sie zur Blankettausfüllung berufen ist, nur noch die erforderlichen Einzelzüge dieser Ordnung hinzuzufügen. Der Gesetzgeber gibt bereits zu erkennen, daß er die Nichterfüllung gewisser Arten von Pflichten, sobald diese auf Grund der Lebensverhältnisse in Vorschriften niedergelegt sein werden, für so schwerwiegend erachtet, daß sie bestraft werden müssen. In den angeführten Fällen obliegt die Entscheidung über die Strafoder Bußwürdigkeit einer Zuwiderhandlung der Verwaltung; diese kann (in dem gesetzlich vorgezeichneten Rahmen und gebunden an Art und Höhe der Straf- oder Bußdrohung) nach ihrem Ermessen Tatbestände schaffen, nicht nur ausfüllen. 93

14, S. 174, S. 245, S. 254. -

P4 95

BVerfGE 14, S. 174, 185 f. Richard Lange billigt die Übertragung der dargestellten Befugnisse auf

die Verwaltung: Es werde nur "das natürliche Indiz, das eine unrechtstypische Handlung für die Rechtswidrigkeit darstellt, durch das künstliche Indiz ersetzt, welches in dem ausdrücklichen Hinweis auf die Strafbarkeit liegt" (JZ 1956, S. 520). Da der Gesetzgeber im Bereich dieser Zuwiderhandlungen Recht und Unrecht erst schaffe, könne er der Verwaltung nicht nur vorbehalten, wie das Blankett, sondern auch, ob es ausgefüllt werde (JZ 1957, S. 238). Lange folgt Michels, S. 93 f.

III. Wesensverschiedenheit oder Wertverschiedenheit von strafbaren Handlungen und Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten Die Änderung der Unrechtsqualität durch Steigerung der Unrechtsquantität. Insbesondere die Schmidtsche Formel

Wenn Ordnungswidrigkeiten und (kriminell) strafbare Handlungen in ihrem Wesen voneinander verschieden sind und also im Gesamtgebiet des zu ahndenden Unrechts zwei objektiv gegeneinander abgegrenzte Bereiche bilden (mag die Grenze dabei auch einer nach Maß und Zahl bestimmbaren Genauigkeit entbehren), so muß diese Wesensverschiedenheit in Merkmalen zutage treten, die die verschiedene Wesenheit der jeweils gemeinten Unrechtsart begründen und erkennbar machen; in ihnen wird sie dann wirklich und greifbar. Diese Merkmale müssen an dem tatbestandlich erfaßten Unrecht wiederkehren und damit dort festzustellen sein, sei es allgemein an dem in einem Tatbestand beschriebenen Unrechtstypl oder besonders an dem im Einzelfall verwirklichten Unrecht. Die Einsicht oder das Eingeständnis, daß es solche Merkmale nicht gibt, verneint zugleich die Möglichkeit eines eigenständigen Ordnungswidrigkeitenrechts, wobei es (da es sich um die Gestaltung der rechtlichen Wirklichkeit handelt) ganz gleichgültig ist, ob derartige Kriterien überhaupt nicht vorhanden sind oder ihnen nur die gehörige Bestimmbarkeit und Erkennbarkeit mangelt. Vielfach wird gesagt, die Unterscheidung der beiden Unrechtsbereiche sei eine Wertfrage. Damit meint man in der Regel, es sei nicht notwendig, gegenständlich-sachliche Merkmale anzugeben, um die Behauptung von der Verschiedenartigkeit der Ordnungswidrigkeiten und der strafbaren Handlungen aufrechterhalten zu können. Dem mag die werttheoretische Vorstellung zugrunde liegen, die einer Welt des Wirklichen (des realen Seins) ein von ihr unabhängiges Reich der (ideal-seienden oder geltenden) Werte entgegensetzen will. Man glaubt dann offenbar, beliebigen Tatsachen des realen Seins bestimmte Werte aus dem Wertreich zuordnen und sie auf diese Weise so oder anders "bewerten" zu können. Das Interesse an der realen Beschaffenheit der wirklichen Dinge tritt dadurch zurück; als wichtig erscheinen nur die Werte selber, deren be1 Das bedeutet umgekehrt, daß die Tatbestandsbeschreibung sich nach diesen Merkmalen richten kann.

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IU. Wesensverschiedenheit oder Wertverschiedenheit

grifflicher Erfassung jedoch Grenzen gesetzt sind: daher der Verzicht auf eine Definition mit der Begründung, es handele sich um eine "Wertfrage". Ungeachtet einer kritischen Stellungnahme zur Werttheorie überhaupt2 , lassen sich doch auf jeden Fall nicht beliebige Sachverhalte mit beliebigen Werten verbinden, vielmehr kann auch vom Standpunkt der Werttheorie aus ein bestimmter Wertcharakter nur einer spezifischen Wertmaterie zukommen, die eine Gegebenheit des realen Seins ist und mit ihrer Verwirklichung (die allein beliebig sein kann) zum Träger des ihr zugehörigen Wertes wird, wobei diese Zuordnung nicht mehr im Belieben steht. Nimmt man also einmal an, es handele sich hier um ein Wertproblem im Sinne der Werttheorie, läßt man auch außer acht, ob z. B. "ordnungswidrig" nicht etwa eine Relation und damit nur eine Wertmaterie (der das Prädikat der Wertwidrigkeit zukäme) und nicht selber einen (negativen) Wert (Unwert) bezeichnet (so daß diese Materie erst auf einen näher zu beschreibenden Wert oder Unwert bezogen werden müßte), so ist es erforderlich, als erstes die den Gegensatz von strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten (beide nun als die realen Substrate möglicher Werte gemeint) konstituierenden Werte (oder Unwerte) und als weiteres die dem jeweiligen Wert zuzuordnende Wertmaterie zu bestimmen, d. h. die Beschaffenheit des realen Geschehens anzugeben, auf Grund welcher dieses allein sich als tauglicher Träger z. B. des die Ordnungswidrigkeit konstituierenden (dem zugehörigen Wert polaren) Unwerts erweist. Man hätte also einmal den mit der Aufstellung von Tatbeständen des Ordnungswidrigkeitenrechts intendierten Wert zu konkretisieren (Wohlfahrtswert? Wert der bloßen, äußeren, "guten" Ordnung? Wert sittlich indifferenten Gesetzesgehorsams? Wenn die Ordnungswidrigkeit materiell durch ihre ethische Neutralität gekennzeichnet ist, gerät man einigermaßen in Schwierigkeiten: Welcher Wert soll mit der Sanktionierung sittlich indifferenten Verhaltens erstrebt werden, der dann gerade die sittliche Indifferenz als das Wesentliche des Verhaltens, das es vor anderem Auszeichnende und gegen anderes Abgrenzende, es als das Sanktionierungswürdige Identifizierende erscheinen lassen müßte?) und zum andern die Struktur der Akte, die eine Verletzung dieses Wertes darstellen, d. h. die Wertmaterie, die tauglicher Träger des polaren Unwerts sein kann, zu ermitteln. Dasselbe gilt für das Unrecht der strafbaren Handlungen. Unter diesem Gesichtspunkt hat auch Erik Wolf recht, wenn er den Unter2 Für eine solche ist hier nicht der Ort. Es sei aber angemerkt, daß bei einer grundsätzlichen Bejahung des Wertdenkens im Sinne der Wertphilosophie der Wert immer etwas von der Wirklichkeit Verschiedenes ist und in dieser nie aufgehen kann. Dieser Hinweis erscheint gegenüber manchen Äußerun~en über Werte und Wertdenken im Recht angebracht.

III. Wesensverschiedenheit oder Wertverschiedenheit

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schied zwischen Justiz- und Verwaltungs delikten als einen in der verschiedenen Wertbeziehung (anstatt in der Bewertung) liegenden ansieht3 • Die überlegungen zeigen, daß sich unSer Problem nicht, wie viele offenbar meinen, dadurch vereinfachen läßt, daß man eS zu einer Wertfrage erklärt; die sachlichen Probleme bleiben im Gewande der Werttheorie genau dieselben; um die Angabe gegenständlich-sachlicher Merkmale kommt man auch hier nicht herum. Nichts anderes gilt hinsichtlich des Rückgriffs auf die "Natur der Sache", auf deren Erörterung daher an dieser Stelle verzichtet werden darf. Es bleibt also vorderhand dahingestellt, in welcher der hier angedeuteten Weisen der fragliche Unterschied zu qualifizieren wäre, und der weiteren Untersuchung überlassen, die Möglichkeiten einer Unterscheidung unter den in Betracht kommenden Blickrichtungen zu prüfen. Bemerkt zu werden verdient indessen noch, daß es jedenfalls vom werttheoretischen Standpunkt aus unmöglich ist, strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten als seins- und wertverschieden4 hinzustellen. Dasjenige, was das Eigentümliche jeweils einer Unrechtsart ausmacht und sie gegen die andere abhebt, kann nicht zugleich ein Wert und eine Kategorie des realen Seins sein - dies widerspräche jeder werttheoretischen Vorstellung, aus der jene Behauptung von der Wertverschiedenheit ja doch ihre Berechtigung zu ziehen vorgibt. Liegt das Unterscheidende im Wert und macht dieser eine reale Erscheinung zu demjenigen, was sie für unSere jeweilige Beurteilung ist, so ist die Struktur ihres realen Seins jedenfalls insoweit völlig unbeachtlich, als sie nicht ihren Charakter als Materie für den anhaftenden Wert bedingt, und hat auch als solche Bedingung nicht die Kraft, das wesensmäßig Unterscheidende bereits ursprünglich in die Sphäre des realen Seins zu verlegen, sondern erlangt Bedeutung nur als Träger des primär allein unterscheidenden W ertes5 • Bleibt man in den Bahnen der Werttheorie, so ist im Bereich unserer Fragestellung überhaupt jede Wesensverschiedenheit primär nur als Wertverschiedenheit zu vollziehen; sie kann erst aus der Sphäre des idealen Seins der Werte in die des realen Seins auf Grund der angeführten inhaltlichen Deckung beider (Identität des Soseins im Sinne Nicolai Hartmanns) hinübergehen. Diese Verschiedenheit im Bereich des realen Seins gelangt aber, wie gesagt, nur in den Blick aus der Wertperspektive, so daß die Wertverschiedenheit das 3

4

Stellung, S. 532.

R. Lange, JZ 1956, S. 79.

5 Auf die Frage des Verhältnisses von Seinsstruktur und Wertung kann hier nicht näher eingegangen werden. Unter den rechtswissenschaftlichen Äußerungen vgl. etwa Engisch, Natur der Sache, S. 99 ff.; Strutenwerth, Natur der Sache, S. 16 ff., 24 ff., mit weiteren Nachweisen.

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allein maßgebliche Kriterium bleibt. Andererseits heißt Wesensverschiedenheit zweier Dinge, daß diese in dem, was ein jegliches von ihnen als das sein läßt, was es (in sich als das jeweilige Seiende) ist, verschieden sind, Wertverschiedenheit, daß sie für ein Drittes, auf das hin sie bezogen werden, einen verschiedenen Wert besitzen. Im ersten Fall kommt es nicht auf eine Verschiedenheit im Wert für ein anderes, im zweiten nicht auf die reale Wesenseigentümlichkeit des Seienden an. Daraus können sich grundsätzliche Einwendungen gegen das Wertdenken überhaupt ergeben, die hier jedoch auf sich beruhen sollen. Will man menschliche Verhaltensweisen rechtlich qualifizieren, so ist die Frage, ob sie seins-, wesens- oder wertverschieden seien, ein Scheinproblem. Es wird nicht nach einer Handlung "an sich" oder ihrer Beziehung zu einer absoluten Rangordnung an sich seiender Werte gefragt, sondern danach, was sie für die jeweilige soziale Mit- und Umwelt, in die hinein sie getan wird, nach deren immanenten rechtlichen Ordnungsprinzipien und im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten bedeutet. Jede menschliche Handlung steht also von vornherein im Ordnungszusammenhang derjenigen geschichtlich bedingten menschlichen Welt, von der sie selber ein Teil wird; daraus empfängt sie auch ihre Qualifikation. Häufig ist jedoch die angeführte Behauptung von der Wertfrage nicht so anspruchsvoll gemeint, wie sie unter dem Blickwinkel der Werttheorie aussieht; man will damit im wesentlichen nur sagen, die Durchführung der Abgrenzung sei eine Ermessensfrage. Daran ist richtig, daß ein Sachverhalt Anknüpfungspunkte für verschiedenartige Entscheidungen (Ordnungsprinzipien oder Wertbeziehungen) enthalten kann, unter denen der Gesetzgeber einen nach dem Maßstab seiner kriminalpolitischen Zielsetzung auswählt. In diesem beschränkten Sinne kann man von einer "Wertung" sprechen, durch die der Gesetzgeber eine Verhaltensweise als Ordnungswidrigkeit oder strafbare Handlung bestimmt. Eine solche "Wertung" ist jedoch keine Beliebigkeit. Abgesehen davon, daß ihr, wenn sie nicht willkürlich sein soll, ein gesetzgeberischer Maßstab zugrunde liegen muß, setzt sie auf der Seite des zu wertenden Sachverhalts die für die möglichen Wertungen erforderlichen Anknüpfungspunkte voraus, die bestimmt und aufgewiesen werden müssen. Die Befürworter des Ordnungswidrigkeitengedankens haben also auch hiernach keine Veranlassung, mit dem Hinweis auf die Wertfrage und die Mission des Gesetzgebers, ihre Aufgabe, Abgrenzungsmerkmale anzugeben, bereits für erfüllt zu halten. Gegenüber der Behauptung, das Unrecht der strafbaren Handlungen weise zu dem der Ordnungswidrigkeiten nur eine quantitative Steigerung auf (wofür viele Beispiele aus dem geltenden Recht Anlaß geben können), nimmt man gerne zu der Formel vom Umschlagen der Quanti-

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tät in die Qualität Zuflucht6 • Wenn man ihr für die Abgrenzungsfrage aus der Sicht der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten einen Sinn abgewinnen will, so müßte man annehmen, daß bestimmte Handlungen je nach ihrem Ausmaß oder ihrer Reichweite sich entweder gegen Verwaltungsinteressen (die Verwaltungsordnung) oder gegen die im materiellen Sinne rechtliche Ordnung (Rechtsgüter) richten. Die Verschiedenartigkeit der Wertbeziehung im Sinne Erik Wolfs, die den Unterschied zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten begründen soll, hinge dann von der Größenordnung der Tat ab. Auf einer solchen Vorstellung beruht die sogenannte Schmidtsche Formel, wie sie in § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG 1949 enthalten isF. Hier wird davon ausgegangen, daß die Wirtschaftsordnung nur durch Taten von einer gewissen Schwere beeinträchtigt werden kanna, also nur bei solchen die für eine strafbare Handlung nach der Ansicht Eberhard Schmidts erforderliche Beziehung auf ein geschütztes Rechtsgut vorliegt; für Taten, die jene "Erheblichkeitsschwelle" nicht erreichen (denen daher die genannte Beziehung fehlt), bleibt das Verwaltungsinteresse als das den Unrechtscharakter bestimmende Bezugsobjekt. Der den § 6 WiStG 1949 ablösende § 3 WiStG 1954 verwässert den Grundgedanken der Schmidtschen Formel9 • Entscheidend ist jetzt nicht mehr die Geeignetheit der Tat, überhaupt die Wirtschaftsordnung zu beeinträchtigen (in die den kriminellen Charakter der Tat begründende Beziehung zu einem Rechtsgut einzutreten), sondern ihre Eignung zur "erheblichen" Beeinträchtigung der Wirtschaftsordnung (ihrer Ziele). Der kriminelle Charakter einer Tat folgt hier nicht (wie in § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG 1949) aus deren Bezogenheit auf ein Rechtsgut, sondern aus dem Grad dieser Bezogenheit, d. h. der möglichen Verletzung des Rechtsgutes. Die Rechtsgutbeziehung unterscheidet nicht mehr die strafbare Handlung von der Ordnungswidrigkeit, sondern ist zu einem Kennzeichen bei der geworden; für das Verwaltungsinteresse als Bezugsobjekt der Ordnungswidrigkeiten bleibt kein Raum. Der Unterschied zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten hat sich im Sinne Erik Wolfs von einer Verschieden6 Vgl. insbesondere Eb. Schmidt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 37 f.; R. Lange, JZ 1956, S. 77; Lang-Hinrichsen, GA 1957, S. 229; zweifelnd Bockelmann, ZStW 66 (1954), S. 124; ablehnend unter anderem Schlegtendal, S. 45; Kischa, S.92. 7 Siehe Band I, S. 179 f.

8 Es kommt an dieser Stelle nicht darauf an, ob diese Voraussetzung richtig ist. Unterstellt man es einmal, so erscheint die Regel des § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG 1949 im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenlehre folgerichtig. • Die allgemeine Ansicht geht im Einklang mit der Begründung zum WiStG 1954 (Bundestagsdrucksache II/478) dahin, daß beide Bestimmungen grundsätzlich gleich seien: Vgl. z. B. Gerner-Winckhler, § 3, Anm. 2; Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, B IV 7, Anm. 1 zu § 3; Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 31; Lang-Hinrichsen, GA 1957, S. 228.

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heit in der Wertbeziehung zu einer solchen in der Bewertung (bei gleicher Wertbeziehung) gewandelt. Die Ordnungswidrigkeit ist damit nur der leichtere Fall des Angriffs auf dasselbe geschützte Rechtsgut. Es bleibt allenfalls der mitunter begangene Ausweg, in diesem leichteren Fall als Grund der Bestrafung in erster Linie nicht die geringe Gefährdung des Rechtsgutes, sondern den Gesetzesungehorsam sehen zu wollen (so daß hier weniger jene, als vielmehr dieser bestraft werde), um die Unterscheidung aufrechterhalten zu können, wie man es schon am Ende der Polizeistrafrechtsepoche getan hat, als man den Grundgedanken der Lehre ebenfalls aus dem Auge verlor10 • Damit soll aber auf eine eigentliche, materiale Unterscheidung gerade verzichtet werden, denn mit der Feststellung der Normwidrigkeit ist über den besonderen materialen Gehalt der Tat (der Normwidrigkeit) nichts ausgesagt. Aus der erwähnten Abgrenzungsformel des Wirtschaftsstrafgesetzes von 1954 folgt vielmehr, daß die Vorschriften, gegen die in ihrem Geltungsbereich verstoßen werden kann, zu beiden Seiten der Grenzlinie auf dasselbe geschützte Rechtsgut bezogen sind (seinem Schutze dienen), auch soweit man die Zuwiderhandlungen gegen sie als Ungehorsamsdelikte begreifen möchte. Damit tritt notwendig auch der Verstoß gegen die Vorschriften in eine (mehr oder minder nahe) Beziehung zu diesem Rechtsgut. Aus der unterschiedlichen Stärke (Nähe) der Beziehung (zwischen Handlung und Gut) läßt sich keine Artverschiedenheit der Unrechtsnatur der Handlungen ableiten. Dies setzte eine Verschiedenartigkeit der Bezugsobjekte vorausl l , die den auf sie bezogenen Handlungen einen jeweils verschiedenen Unrechtscharakter verleihen können, was lediglich die unterschiedlich starke (negative) Bezogenheit auf dasselbe Objekt nicht vermag. Denn soweit (wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 WiStG 1954) die Handlungen in rechts erheblicher Weise im Hinblick auf ihre Eignung zur Beeinträchtigung geschützter Güter erfaßt werden, ist die Art der Güter für die Art des Unrechts der Handlungen maßgebend; die größere oder geringere Nähe der Handlung zu dem geschützten Gut kann nur die Schwere des Unrechts bestimmen. Das Dilemma des § 3 WiStG 1954 ist bereits in der ursprünglichen Anlage der Schmidtschen Formel vorgebildet. Indem Eberhard Schmidt das gesamte Wirtschaftsstrafrecht (einschließlich des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts) auf die staatlich geschützte Wirtschaftsordnung ausrichtete und sie zugleich als das für die Wirtschaftsstraftaten konstituSiehe Band I, S. 126 ii. Siehe dazu näher unten S. 156 ff., 175 ff. Richtig bemerkt Maurach, S. 171: "Wert und Unwert einer Handlung richten sich nach ihrer Tendenz zu einem bestimmten sozialen Effekt." Der Satz gilt nicht nur für die Frage, ob die Handlung überhaupt Wert oder Unwert hat, sondern auch für die, welcher Art z. B. der "Unwert" ist. 10

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tive Rechtsgut begriff12 , begab er sich der Möglichkeit, eine entsprechende Gutsbeziehung für die Ordnungswidrigkeiten glaubhaft zu machen, und begnügte sich schließlich damit, von Zuwiderhandlungen zu sprechen, die sich im "Ungehorsam gegenüber der Verwaltungsbehörde" erschöpften13 • Eberhard Schmidt hat zwar den materialen Unrechtsgehalt des Justizdelikts als Rechtsgüterbeeinträchtigung bestimmt und dies in seiner Abgrenzungsformel auch hinreichend klar ausgedrückt; demgegenüber ist es ihm aber nicht gelungen, das Wesen des verwaltungswidrigen Unrechts ebenso faßbar und konkret festzulegen, und die Abgrenzungsformel läßt darüber auch nichts erkennen. Die Ordnungswidrigkeiten werden von ihr rein negativ begriffen, wodurch eine Ungewißheit entsteht. Diese Unklarheit konnte leicht zur Verwischung des Grundgedankens führen, wie es in § 3 WiStG 1954 geschehen ist. Als Ergebnis bleibt also festzuhalten, daß eine Steigerung der Quantität nur dann eine Änderung der Qualität des Unrechts im Sinne der Lehre von den Verwaltungswidrigkeiten zur Folge haben kann, wenn sich mit der Quantität zugleich das Bezugsverhältnis des Unrechts, das seine Art bestimmt, ändert. Auf jeden Fall wird ein Verwaltungsgut nicht dadurch zum Rechtsgut, daß es erheblich, und ein Rechtsgut nicht dadurch zum Verwaltungsgut, daß es nur geringfügig beeinträchtigt wird oder werden kann. Es kommt also auch hier darauf an, ob sich eine (materiell, vom Gerechtigkeitsgedanken her verstandene) Rechtsordnung und eine Verwaltungsordnung beziehungsweise zwei auf sonstige Weise bestimmbare Ordnungsbereiche, die der Gegenüberstellung von Kriminal-(Justiz-)Delikt und Ordnungswidrigkeit entsprechen, unterscheiden und gegeneinander abgrenzen und alle mit Sanktionen 12 Nach der Lehre Goldschmidts und Erik Wolfs hätte es nähergelegen, sie als Verwaltungsgut aufzufassen. Eberhard Schmidt schreibt selbst, die Wirtschaftsordnung sei nicht geschaffen, um "einen sittlich hochbewerteten Rechtswert aus der Individualsphäre des Einzelnen oder einer personifiziert gedachten Gesamtheit (etwa des Fiskus) zu schützen", vielmehr sollten "in allervorderster Reihe staatliche Interessen Bestand haben" (SJZ 1948, Sp. 231). Dem entspricht es, wenn Michels, gestützt auf Richard Lange (JZ 1956, S. 77), erklärt, auch die Wirtschaftsstraftat sei "ihrem innersten Wesen nach der Verstoß gegen eine in Befolgung rationeller Zweckgesichtspunkte durch und durch ,gemachte', an sich wertneutrale, allein vom positiven Rechtssatz abhängige, konstitutive Ordnungsnorm" und unterscheide sich "weder in ihrem Wesenskern noch in ihren formalen Strukturelementen durch nichts von der bloßen Wirtschaftsordnungswidrigkeit" (S. 54). Vgl. auch die Begründung zum Außenwirtschaftsgesetz, Bundestagsdrucksache !II! 1285, S. 252: Es bestehe die Tendenz, "Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts als Verwaltungsunrecht anzusehen" (und die Androhung von Strafe auf schwere Fälle zu beschränken). 13 Wirtschaftsstrafrecht, S. 28. Engisch bemerkt denn auch, daß es sich hier offenbar um die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Gefährdung handele (Konkretisierung, S. 58, Anm. 17).

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IH. Wesensverschiedenheit oder Wertverschiedenheit

zu bedrohenden Handlungen sich auf beide Ordnungs bereiche restlos in der Weise aufteilen lassen, daß jedem von ihnen jeweils spezifische (allein ihn oder doch maßgeblich nur ihn betreffende) Handlungen als zu ihm gehörig zugeordnet werden können.

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen als Grundlage der Lehre von den Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeiten Die geschichtliche Untersuchung hat ergeben, daß der Gegensatz zwischen (Kriminal-, Justiz-)Straftaten und Verwaltungswidrigkeiten aus einem Verständnis der Rechtsordnung herrührt, für welches die Vorstellung vom Menschen als ursprünglichem Individuum konstitutiv ist. Diese bedingt eine Verschiedenheit von eigentlich rechtlicher Ordnung und einer auf Verwaltungszwecke ausgerichteten Ordnung als zweier einander ausschließender Bereiche, womit die unterschiedlichen Bezugssysteme für die vermeintliche qualitative Andersartigkeit von (kriminell) strafbaren Handlungen und Verwaltungswidrigkeiten begründet sind. Beide Ordnungen unterscheiden sich, wie es Erik Wolf sehr klar gezeigt hat, dadurch, daß nur für die erste die Gerechtigkeit als oberster Grundsatz gilt, d. h. nur sie auf Verwirklichung der Gerechtigkeit angelegt ist1• Für das, was man unter Verwaltungsordnung zu verstehen hätte, wäre hingegen nicht die Gerechtigkeit, sondern etwa die Wohlfahrt, die (äußere) gute Ordnung oder eine sonstige Zwecksetzung oder überhaupt nur die (gleich wie beschaffene) Ordnung ohne weitergehende Ziele, kurz, ein Zweck maßgebend (konstitutives Prinzip), der gerade nicht von der Gerechtigkeit bestimmt, sondern als ein ihr gegenüber wesentlich anderes von ihr klar geschieden ist1a • Alle derartigen Zwecke 1 Dem tut es keinen Abbruch, daß die rechtliche Ordnung nicht nur von der Gerechtigkeit, sondern ebenso von Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit bestimmt wird, denn einmal verweist schon die Rechtssicherheit als Sicherheit des Rechts wiederum auf die Gerechtigkeit und zum andern bleibt trotz dieser Grundsätze die Gerechtigkeit insofern konstitutiv für die Rechtsordnung, als diese die Gerechtigkeit unter Wahrung von Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit zu verwirklichen hat. Siehe dazu auch unten S. 128 ff., 189 ff. Vgl. ferner z. B. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 123 ff., 168 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 13 ff.; Engisch, Einführung, S. 30; Henkel, Recht und Individualität, S.16; Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 148 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, S. 15 ff., 90 ff., 147 ff., 179 ff. ,. In der von Erik Wolf besorgten Ausgabe von Radbruchs Rechtsphilosophie findet sich bei der Erörterung der drei "Bestandteile" der Rechtsidee: Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit, Rechtssicherheit, die auf Grund von Eintragungen Radbruchs (vgl. S.9) hinzugefügte Bemerkung: "In naher Beziehung zu der hier begründeten Wert-Trias die Unterscheidung von Rechtswert, Wohlfahrtswert, Machtwert des Staates" (S. 168, Anm. 1, unter Hinweis auf Würtenberger, System, S. 3). Damit wird offenbar die Zweckmäßigkeit auf den Wohlfahrtswert bezogen (vgl. auch Dahm, Deutsches Recht, S. 17 unten);

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

als Kristallisationspunkte für die Bildung von Ordnungen lassen sich als Verwaltungszwecke, die zu ihrer Verwirklichung errichteten Ordnungen als Verwaltungsordnung zusammenfassen. Diese ist (heute) ein Teil der Rechtsordnung, insofern hierzu alle in Rechtssatzform auftretenden verbindlichen Verhaltensregeln gehören. Inhaltlich (materiell) bildet jedoch nur die erstgenannte Ordnung "Recht", insofern man darunter eine der Gerechtigkeit verpflichtete Ordnung versteht. Sie soll daher hier die "eigentlich rechtliche Ordnung" oder "Rechtsordnung im materiellen Sinne" genannt werden, während die zweite (unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zur Rechtsordnung im formellen - oder weiteren Sinne) die "Verwaltungsordnung" (als die nicht durch die Gerechtigkeit bedingte Ordnung) heißen mag. In diesem Sinne (und nur in diesem) wird hier auch von einem Gegensatz zwischen Rechtsordnung und Verwaltungsordnung gesprochen. So verstanden, bildet er die denknotwendige Grundlage für die Annahme arteigener Verwaltungswidrigkeiten, wie sie in dieser Arbeit nach den Vorstellungen der Lehre beschrieben worden sind. Anders kann man nicht zu einem Qualitätsunterschied im materiellen Unrecht von strafbaren Handlungen und Verwaltungswidrigkeiten gelangen. Die Lehre vom Polizeistrafrecht ging von solchen Voraussetzungen aus, die Ansichten Goldschmidts, seiner Anhänger und Nachfolger führen auf einen Dualismus von Individuum und Gemeinschaftswesen (Individualperson und Gliedperson) zurück, und manche Äußerungen im Schrifttum zur Lehre von den Verwaltungsoder Ordnungswidrigkeiten weisen auf dieselbe Grundhaltung hin1b • im Sinne des Herausgebers müßte sie also zum Verwaltungs strafrecht führen (nach den Ausführungen des Textes eine "Verwaltungsordnung" begründen, die für Verwaltungswidrigkeiten konstitutiv wäre). Ob die von Radbruch erwähnten "Bestandteile" oder "Antinomien" der Rechtsidee (Dahm, a.a.O., S. 15 ff., spricht von den "Funktionen", Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 148, von der "Orientiertheit" beziehungsweise den "Polen" des Rechts) in einer Weise zu trennen sind, daß sie Anknüpfungspunkte für jeweils abgrenzbare Ordnungsbereiche (Rechtsordnung und Verwaltungsordnung im materiellen Sinne, "bloße", inhaltsindifferente Ordnung) sein können, wird so für die im Text gestellte Frage entscheidend. Eine ähnliche Problemlage zeigt sich in den Auseinandersetzungen um die (im Anschluß an earl Schmitt insbesondere von Forsthojj, Menger und Ballerstedt entwickelte) Lehre vom Maßnahmegesetz (vgl. hierzu die Darstellungen und umfassenden Literaturnachweise bei Zeidler, K. Huber, Maunz-Dürig, Art. 20, Nr. 93 ff.), derzufolge die durch eine konkrete Sachlage bedingten Gesetze danach in Rechts- und Maßnahmegesetze eingeteilt werden sollen, ob sie an der Gerechtigkeit orientiert oder nur Mittel zu bestimmten (gerechtigkeitsindifferenten) Zwecken sind (siehe unten S. 130, Anm. 17, S. 132, Anm. 29). Die Befugnis des Gesetzgebers zum Erlaß solcher Gesetze wird durchweg anerkannt; vgl. auch BVerjGE 10, S. 89, 108; 4, S.7, 18 f., sowie Jesch, Gesetz und Verwaltung, S.l72, und die dort Genannten. lb Vgl. die Ableitung eines Unterschiedes von kriminellem Unrecht und Verwaltungswidrigkeiten aus einem Dualismus von Mensch und Bürger bei Krüger, Staatslehre, S. 757 f. Kennzeichnend ist auch etwa die von Lackner, Jur.-Jahrb. 4 (1963/64), S. 77, gebrauchte Gegenüberstellung des "Schutzes individueller Lebensinteressen" und der "bloßen Förderung von Belangen

1. Begründung des Rechts aus der sozialen Wesenheit des Menschen

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Leugnet man jenen Gegensatz von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung im hier gemeinten Sinne, so kann es auch keine eigenständigen Verwaltungswidrigkeiten, wie man sie im einzelnen auch immer auffassen mag, geben. Es kommt also darauf an, ob jener Gegensatz möglich und in unserer Rechtsordnung vorhanden ist. Da seine Annahme in der überlieferten Lehre, wie gezeigt, auf dem Begreifen der Rechtsordnung aus der Auffassung vom Menschen als ursprünglichem Individuum beruht, wird zunächst untersucht, ob die Rechtsordnung so begriffen werden kann, und danach, ob jener Gegensatz noch auf andere Weise zu denken ist. 1. Die Begründung des Rechts aus der sozialen Wesenheit des Menschen

Recht "hat" der Mensch nie als isoliertes Einzelwesen (für Robinson gibt es kein Recht), sondern immer nur in einer Gemeinschaft, d. h. als Glied einer solchen (Rechtsgenosse). Es besteht daher nur in einer Gemeinschaft; jede Rechtsordnung setzt diese (deren - rechtliche - Ordnung sie bestimmt und die sie so zur Rechtsgemeinschaft macht) voraus. Mit dem Menschen ist das Recht infolgedessen nur dann ursprünglich gegeben, wenn er von Natur aus ein in einer Gemeinschaft stehendes soziales Wesen, nicht aber, wenn er anfänglich ein Einzelwesen ist, das erst durch einen (sei es auch nur gedanklichen) "Gesellschaftsvertrag" oder einen anderen Vorgang einen sozialen Status erlangt. a) Der Mensch als soziales Wesen1c Die Sozialnatur des Menschen tritt heute in mancherlei Hinsicht wieder stärker ins Bewußtsein. Hinzuweisen wäre hier etwa auf Äußerungen im Bereich der Soziologie2 und der Anthropologie 3 , die auch für die rechtswissenschaftliche Betrachtung bedeutsame Ansätze bieten. Von diesen soll hier jedoch nicht die Rede sein. Statt dessen werden für den weiteren Gang der Untersuchung einige wesentliche Aufallgemeiner Wohlfahrt". Lackner legt allerdings selbst dar, daß die Gesetzgebung nicht nach dieser Abgrenzungsformel verfährt. 1c Mit den folgenden Ausführungen wird nur die eigene Ansicht entwickelt. Auf eine Wiedergabe der Literaturmeinungen und eine nähere Auseinandersetzung mit ihnen mußte, um den gegebenen Rahmen nicht zu sprengen, weitgehend Verzicht geleistet werden. Zitate mit lediglich ausschmückendem Charakter erschienen überflüssig. 2 Vgl. statt vieler z. B. die übersicht bei Werner Ziegenfuß, Wesen und Formen der Soziologie, im Handbuch der Soziologie, hrsg. von Werner Ziegenfuß, Stuttgart, 1956, S. 121. 3 Es mag genügen, einige der "Anthropologien" anzuführen, z. B. Werner Sombart, Vom Menschen, 2. Aufl., Berlin, 1956, S. 64 ff.; Hans Eduard Hengstenberg, Philosophische Anthropologie, Stuttgart, 1957, S. 110 ff.; Arnold Gehlen, Der Mensch, 6. Aufl., Bonn, 1958, S. 65, 218 f., 408, 413.

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

schlüsse aus einer Betrachtung der Sprache erhofft, die in besonderer Weise den Menschen als Menschen auszeichnet und nach den Worten Bollnows in "Kernnähe ... zur Natur des Menschen" steht und diesen "wirklich in seinem innersten Wesen" betrifft4 • Die Sprache ist keine willkürliche Hervorbringung des Menschen, sondern gehört demselben so wesentlich an, daß er, wie Heidegger bemerkt, erst durch sie das Lebewesen sein kann, das er als Mensch ist5 • Von hier aus liegt die Erkenntnis nicht fern, daß die Sprache eine "lebensgestaltende Macht" ist und wir "in der Welt nur durch das Medium der Sprache hindurch" leben6• Dies vorausgesetzt, könnte es sein, daß vom Recht in einer grundsätzlichen Hinsicht Ähnliches wie von der Sprache gilt. Schon am Anfang eines tieferen neuzeitlichen Sprachverständnisses hatte Herder erkannt, daß die Sprache mit der Existenz des Menschen unmittelbar und notwendig gegeben sein müsse, weil sie in dem wurzele und das sei, was den Menschen zum Menschen mache; er bezeichnete die Sprache dem Menschen als so wesentlich (natürlich), wie er ein Mensch seF. Auch auf den hier wichtigen Zusammenhang zwischen Sprache und sozialer Wesenheit des Menschen (der Mensch sei "in seiner Bestimmung ein Geschöpf der Herde, der Gesellschaft") hat Herder hingewiesenB. Wilhelm von Humboldt, auf dessen grundlegenden Untersuchungen die heutige Sprachwissenschaft beruht, schrieb: "Die Sprache muss ... als unmittelbar in den Menschen gelegt angesehen werden; denn als Werk seines Verstandes ... ist sie durchaus unerklärbar ... Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache; um aber die Sprache zu erfinden, müsste er schon Mensch seyn ... Sie geht nothwendig aus ihm selbst hervor, und gewiss auch nur nach und nach, aber so, dass ihr Organismus nicht zwar, als eine todte Masse, im Dunkel der Seele liegt, aber als Gesetz die Functionen der Denkkraft bedingt, und mithin das erste Wort schon die ganze Sprache antönt und voraussetzt"9. Die Sprache identifiziert 4 Einfache Sittlichkeit, S. 190 (im Anschluß an Hans Lipps, Die Verbindlichkeit der Sprache). 5 Unterwegs zur Sprache, S. 11. Das Menschenwesen beruhe in der Sprache (Der Weg zur Sprache, S.93), der Mensch sei das "sprachfähige Lebewesen", er habe "den eigentlichen Aufenthalt seines Daseins in der Sprache" (Unterwegs zur Sprache, S. 11, 159). 6 Bollnow, Einfache Sittlichkeit, S. 170 (anknüpfend an Hans Lipps), S. 172. 7 Abhandlung über den Ursprung der Sprache, S. 41, 47, 49 (S. 41, 52, 56 der Originalausgabe, Berlin, 1772). 8 Abhandlung über den Ursprung der Sprache, S. 111 ff. (S. 170 ff. der Originalausgabe). Er deutet dabei an, wie der einzelne durch die Sprache in der "Denkart" (dem "Geist") seiner Sprachgemeinschaft steht und in seiner Entwicklung an diese gebunden ist. 9 Ueber das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung (1820) (abgekürzt: Sprachstudium), § 13 (Werke, IIr, S. 10 f.).

1. Begründung des

Rechts aus der sozialen Wesenheit des Menschen

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sich so mit dem Menschen10 ; sie ist letzten Endes das menschliche Wesen selbst. Zu dessen Erkenntnis kann deshalb eine Einsicht in die Sprache verhelfen. Hier ist zunächst wichtig, daß die Sprache "kein freies Erzeugniss des einzelnen Menschen" ist, sondern immer einer Gemeinschaft (Sprachgemeinschaft) im ganzen angehörtl l • Daran zeigt sich schon, daß der Mensch, weil er Sprache haben muß und Sprache nur in einer Gemeinschaft möglich ist, unabweisbar infolge seines Menschseins in einer sprachlichen Gemeinschaft steht, menschliches Dasein also bedingt ist durch das Dasein in dieser Gemeinschaft. Wie die Teilhabe an einer Sprache, so gehört auch das Eingefügtsein in eine Sprachgemeinschaft zur Existenz des Menschen. Die Sprache führt bereits im ersten Ansatz mit Wilhelm von Humboldt zu der Erkenntnis, daß das menschliche Leben "nothwendig an Geselligkeit geknüpft" ist, zu welcher als seinem "ursprünglichen Berufe" der Mensch "durch seine Natur unbedingt hingewiesen wird"12. Es gibt jedoch nicht eine Sprache überhaupt, sondern nur Muttersprachen, d. h. die lebendigen, konkreten Sprachen konkreter Gemeinschaften: "Jede wirkliche und denkbare Sprache ist konkreter Geist, d. h. Muttersprache13 ." Der Mensch ist also von seiner "Natur" her notwendig nicht auf Gemeinschaft überhaupt, sondern auf das Eingefügtsein in eine geschichtlich-konkrete (Sprach-)Gemeinschaft verwiesen. Damit erhält der Satz, daß der Mensch, von der Sprache aus gesehen, ein soziales, in einer Gemeinschaft stehendes Wesen ist, schon eine gen aue re Bedeutung. Ein tieferes Verständnis erschließt indessen erst die Einsicht, daß es vom einzelnen 10 Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues (1827-1829) (abgekürzt: Verschiedenheiten), § 8 (Werke, IH, S. 155). 11 Sprachstudium, § 19 (Werke, IH, S. 18). Die Sprachen lassen sich nur insofern als "Schöpfungen" der Sprachgemeinschaften bezeichnen, als sie mit deren "intellectueller Eigenthümlichkeit", der in ihnen Jeweils individualisierten "menschlich geistigen Kraft" innig verbunden sind. In Wahrheit gehen sie aus der "innersten Natur des Menschen" weit mehr selbsttätig hervor, als daß sie willkürlich erzeugt werden: Die Sprache "besitzt eine sich uns sichtbar offenbarende, wenn auch in ihrem Wesen unerklärliche, Selbstthätigkeit, und ist, von dieser Seite betrachtet, kein Erzeugniss der Thätigkeit, sonderr~ eine unwillkührliche Emanation des Geistes, nicht ein Werk der Nationen, sondern eine ihnen durch ihr inneres Geschick zugefallene Gabe". Daher ist die Sprache, "in ihrem wirklichen Wesen aufgefaßt, ... kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia) ... nemlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den articulirten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen" (Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts [18301835] [abgekürzt: Sprachbau], §§ 3, 9, 12; Verschiedenheiten, § 12 = Werke, III, S. 386, 410, 418, 162). 12 Dagegen ist die Sprache nicht aus einem "Bedürfniss gegenseitiger Hülfsleistung" abzuleiten oder indem man "die Menschheit in einen eingebildeten Naturstand versetzt" (Sprachbau, §§ 4, 9, 14; Verschiedenheiten, § 46 = Werke, III, S. 390, 408, 434 f., 200). 13 Rothacker, Muttersprache, S. 39.

7 Mattes

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als einem für sich seienden Individuum nicht eigentlich deswegen kei· nen Zugang zur Sprache gibt, weil die Sprache als Verständigungsmittel das Vorhandensein mehrerer Individuen voraussetzt, sondern weil in der Sprache die "Geisteseigentümlichkeit" der Sprachgemeinschaft Wirklichkeit wird: "Die Sprache ist gleichsam die äusserliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nie identisch genug denken14 ." Dieser Geist ist eine "Weltanschauung"15, dabei jedoch nichts bloß in sich Ruhendes, sondern zugleich ein (geistiger) "Zugriff" auf die Welt. Danach ist die Sprache ein Verfahren geistiger Gestaltung, das dem Menschen seine Welt erst schafft, sie in eine Ordnung bringt und ihm so geistig zugänglich macht l6 • Jede Sprache stellt den Weg einer Sprachgemeinschaft dar, "mit der ihr einwohnenden Kraft" die Welt "in das Eigenthum des Geistes umzuschaffen"; gegenständlich betrachtet, ist sie dann eine "wahre Welt ... , welche der Geist zwischen sich und die Gegenstände durch die innere Arbeit seiner Kraft setzen muss"17. Infolgedessen eröffnet erst die Sprache dem Menschen (als Angehörigen einer Sprachgemeinschaft) den Zugang zur Welt, und zwar zu der, wie sie durch die Sprache als die der jeweiligen Sprachgemeinschaft eigentümliche erschlossen beziehungsweise konstituiert ist. Wilhelm von Humboldt kann deshalb die Sprache zu Recht als eine "Weltansicht" begreifen: "Durch die gegenseitige Abhängigkeit des Gedankens, und des Wortes von einander leuchtet es klar ein, dass die Sprachen nicht eigentlich Mittel sind, die schon erkannte Wahrheit darzustellen, sondern weit mehr, die vorher unerkannte zu entdecken. Ihre Verschiedenheit ist nicht eine von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbstI8 ." Hieraus dürfen wir mit Rothacker 14 W. v. Humboldt, Sprachbau, § 10 (Werke, 111, S. 414 f.). 15 "Zu welcher der Mensch nur gelangen kann, indem er sein Denken an dem gemeinschaftlichen Denken mit Anderen zur Klarheit und Bestimmtheit bringt" (W. v. Humboldt, Sprachbau, § 4 = Werke, 111, S. 390). 16 Vgl. Weisgerber, I, S. 14. Er spricht auch von "Worten der Welt", von "sprachlicher Welterschließung" und dem "Weltbild der Sprache". 11 W. v. Humboldt, Ueber den Nationalcharakter der Sprachen (Bruchstück); Sprachbau, § 31 (Werke, 111, S. 64, 567). Vgl. auch Sprachbau, §§ 8, 9 (Werke, 111, S. 408, 413): "Auffassungsweise der gesammten Denk- und Empfindungsart", "Act der Verwandlung der Welt in Gedanken". Daraus folgt, daß die Sprache nicht nur als Mittel zur übermittlung schon fertiger Gedanken. sondern als "das bildende Organ des Gedanken" aufgefaßt werden muß (Sprachbau, § 14 = Werke, 111, S. 426). - Heute spricht man auch vom Weltbild der Sprache als einer "sprachlichen Zwischenwelt" (Weisgerber). 18 Sprachstudium, § 20 (Werke, IU, S. 19 f.). In seinem letzten Werk nimmt er diesen Gedanken wieder auf: " ... da auch auf die Sprache in derselben Nation eine gleichartige Subjectivität einwirkt, so liegt in jeder Sprache eine eigenthümliche Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die innerlich

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schließen, "daß das Subjekt aller Objektivität: eine historisch gewordene, sprachlich geeinte Gemeinschaft sei"19. Die Sprache stellt den Menschen in eine sie selbst seiende und von ihr vermittelte Gemeinsamkeit des Geistes und der Welt; erst dadurch wird er befähigt, als ein von dieser Gemeinsamkeit Geprägter selbst menschliches Leben zu gestalten und zu seinem je eigenen Dasein zu kommen. Die dem Menschen notwendige Umwelt20 ist eine sprachlich konstituierte und erschlossene, durch die Sprache geordnete und dem Menschen so für sein Leben zugänglich und verfügbar gemachte Welt. Die gemeinsame Sprache führt zu einer Gemeinsamkeit der Welt und ihrer Ordnung, in denen der Mensch sich je immer schon vorfindet und die ihm die Möglichkeiten seines Daseins vermitteln; auch von dieser "Welt" her steht der Mensch von Anfang an notwendig in einer Gemeinschaft, weil er sie nur als Glied derselben haben kann21 . Die Sprache bringt auf diese Weise wie nichts anderes die Sozialität des Menschen in die Erscheinung, worunter nicht nur das Angelegtsein auf Geselligkeit, die Fähigkeit zur Gemeinschaftsbildung, sondern auch die Verwiesenheit und Angewiesenheit auf die Zugehörigkeit zu einer konkreten geschichtlichen Gemeinschaft, ohne welche sich kein menschliches Dasein vollziehen kann, sowie das jede solche Gemeinschaft Bedingende zu verstehen ist. Im Begriff der Sozialität müssen immer die Zugehörigkeit zu einer konkreten Gemeinschaft und deren Existenz selbst mitgedacht werden. Die Sprache steht dem einzelnen als eine objektive, "selbständige Macht" gegenüber, gehört ihm aber als sein Wesen (mit-)bestimmend an22 • Als überindividuelle, die Gemeinschaft konstituierende Macht und äusserlich auf ihn einwirkende Natur. Er umgiebt sich mit einer Welt von Lauten, um die Welt von Gegenständen in sich aufzunehmen und zu bearbeiten. Diese Ausdrücke überschreiten auf keine Weise das Mass der einfachen Wahrheit. Der Mensch lebt mit den Gegenständen ... ausschliesslich so, wie die Sprache sie ihm zuführt" (Sprachbau, § 14 = Werke, IH, S. 434). - Heidegger nennt die Sprache "das Haus des Seins": "Das Sein von jeglichem, was ist, wohnt im Wort" (Unterwegs zur Sprache, S. 166). 19 An Stelle "des traditionellen Ego, des Geistes überhaupt, des Bewußtseins überhaupt" usw.: Muttersprache, S.40. 20 Das "In-der-Welt-sein" ist eine "Grundverfassung des Daseins" (Heidegger, Sein und Zeit, S. 52 ff.). 21 Vgl. auch Rothacker, Muttersprache, S. 39, 41: Dem Menschen als Glied einer Gemeinschaft werde "die Gesamtwirklichkeit nur im Lichte seiner Muttersprache sichtbar", denn die Muttersprachen "schaffen ... (konstituieren) erlebte und gelebte Welten um uns herum". 22 Als ein "Werk der Nation, und der Vorzeit" ist die Sprache "für den Menschen etwas Fremdes; er ist dadurch auf der einen Seite gebunden, aber auf der andren durch das von allen früheren Geschlechten in sie Gelegte bereichert, erkräftigt und angeregt" (W. v. Humboldt, Sprachstudium, § 20 Werke, IH, S. 20). 7'

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wirkt sie auf den einzelnen ihn prägend ein; hier ist seine Sozialität offenkundig. Er findet sich durch die Sprache in einer seinem Dasein vorgegebenen und dieses in seinen Möglichkeiten zunächst bedingenden Gemeinschaft vor, an der er mit seinem ganzen, von der Sprache her bestimmten und erschlossenen Wesen teilhat23 . Der Zusammenhang des einzelnen mit der ihn umgebenden Sprachgemeinschaft ruht gerade "in dem Mittelpunkte ... , von welchem aus die gesammte geistige Kraft alles Denken, Empfinden und Wollen bestimmt"24. Die Sprache eröffnet und umgrenzt dem einzelnen die Möglichkeiten seines geistigen Seins, seines Denkens, seiner Gedankenbildung usw.; in diesen Möglichkeiten ist er ein durch die Gemeinschaft der Sprache Bedingter, in der dadurch begründeten Gemeinschaft Stehender25 . Die Möglichkeit der Selbstwerdung ist immer nur in dem Maße gegeben, in dem der Mensch zuvor in die ihm durch die Sprache vermittelte (gemeinsame) Welt hineingewachsen ist (Aktualisierung der gemeinsamen Welt und seines in der 23 Der Mensch ist insofern durch die Sprache bedingt, obwohl er doch selbst die Sprache hervorgebracht hat, weil "es überhaupt ein Gesetz der Existenz des Menschen in der Welt ist, dass er nichts aus sich hinauszusetzen vermag, das nicht augenblicklich zu einer auf ihn zurückwirkenden und sein ferneres Schaffen bedingenden Masse wird" (W. v. Humboldt, Sprachbau, § 35 = Werke, 111, S. 650 f.). Die Tragweite dieses Satzes etwa für das Recht und seine Bedeutung im Leben des Menschen liegt auf der Hand. Zu dem hier berührten Problem der Objektivation vgl. z. B. auch N. Hartmann, Problem, S. 407 ff., 411, 447 ff., 412; Heidegger, über den Humanismus, S. 5, 16 ff.; derselbe, Sein und Zeit, S. 117, 126; Max Müller, Existenzphilosophie, S. 60 f.; Maihofer, Recht und Sein, S. 104. Vgl. ferner Hommes, S. 97 ff. M W. v. Humboldt, Sprachbau, § 9 (Werke, 111, S. 412). Die "menschlichgeistige Kraft" wirkt in der Sprache als "innerer Sprachsinn", worunter "nicht eine besondere Kraft, sondern das ganze geistige Vermögen, bezogen auf die Bildung und den Gebrauch der Sprache, also nur eine Richtung" zu verstehen ist (a.a.O., § 35 = Werke, 111, S. 650). 25 Vgl. hierzu W. v. Humboldt, Sprachbau, § 14 (Werke, 111, S. 438): "Die Sprache gehört mir an, weil ich sie so hervorbringe, als ich thue"; da ich sie aber nicht anders hervorbringen kann, als ich tue, "so ist es die Sprache selbst, von der ich dabei Einschränkung erfahre. Alles was mich in ihr beschränkt und bestimmt, ist in sie aus menschlicher, mit mir innerlich zusammenhängender Natur gekommen, und das Fremde in ihr ist daher dies nur für meine augenblicklich individuelle, nicht meine ursprünglich wahre Natur" (mit der ich in der Abfolge der Generationen und dem Ganzen der Sprachgemeinschaft stehe, so daß die von dieser in der Generationenfolge hervorgebrachte Sprache meine eigene ist). Weil "im immanenten Sinne" die Sprachen "ja nur die in Beziehung auf ihr Vermögen der Gedankenbezeichnung durch Töne betrachteten Nationen selbst" sind, spricht der Mensch nicht, "weil er so sprechen will, sondern weil er so sprechen muss" (Verschiedenheiten, § 12 = Werke, 111, S. 162 f.). Dies zeigt, "wie gering eigentlich die Kraft des Einzelnen gegen die Macht der Sprache ist", obwohl doch die Sprache ihre letzte Bestimmtheit erst im Individuum erhält. Aber der durch die Sprache bedingte Mensch wirkt wieder auf sie zurück, und dadurch bringt "jede Generation eine Veränderung in ihr hervor ... In der Art, wie sich die Sprache in jedem Individuum modificirt, offenbart sich, ihrer im Vorigen dargestellten Macht gegenüber, eine Gewalt des Menschen über sie" (Sprachbau, § 14 = Werke, 111, S. 438 f.).

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Sozialität stehenden Menschseins in seinem je eigenen Dasein, womit allein er seine ihm je eigene Seinsweise verwirklichen kann26). Unsere überlegungen nötigen zu dem Schluß, daß die Sprache "die Sozialität des Menschen schlechthin" und der Mensch "ein durch und durch soziales Geschöpf" ist27 • Man kann zwar nicht sagen, die Gemeinschaft habe die Sprache erfunden, aber der Mensch muß als sprachbegabtes Wesen ein soziales Wesen sein, sonst ist er nicht als das Wesen zu denken, das Sprache haben kann. - Die Einsichten, die das Nachdenken über die Sprache erbracht hat, sind auf dem weiteren Gang der Untersuchung im Auge zu behalten. b) Die Sozialität des Menschen als Grund und Richtmaß des Rechts

Es hatte sich gezeigt, daß die Sprache dem Menschen seine Mit- und Umwelt, ohne die er nicht sein kann, immer schon als eine in bestimmter Weise geordnete vermittelt. Das "In-der-Welt-sein" setzt also eine Ordnung dieser Welt voraus. Bereits die Sprache erweist, daß menschliches Dasein notwendig an eine aus dem Menschen selbst hervorgegangene (freilich nicht willkürlich erfundene) "Ordnung" gebunden ist. Zu dieser Ordnung gehört auch die rechtliche Ordnung. So gelangen wir zu der im folgenden eingehender zu verifizierenden These, daß menschliches Dasein ohne Recht nicht denkbar ist. Dies vorausgesetzt, läßt sich sagen, daß der Mensch auch erst durch das Recht Mensch ist: Es ist als zu seinem Wesen gehörig notwendig immer schon mit ihm gegeben. Aber nur seine (ursprüngliche) Sozialität macht Recht zu einem ihm angehörenden Wesensmerkmal. Der Mensch besitzt keine ihm von der Natur unabänderlich gegebene Umwelt (sondern muß sie sich - wie die Sprachbetrachtung deutlich gemacht hat - "schaffen") und wird, abgesehen von den physischen Lebensvorgängen, die den "Naturgesetzen" unterliegen, in seinem Verhalten nicht von Trieben und Instinkten fest geleitet, weshalb man ihn gern als "Mangelwesen" bezeichnet. Er ist nicht von vornherein zu bestimmten Reaktionen auf vorausgesetzte Gegebenheiten aus einer genau umrissenen Umwelt "festgestellt", in dieser Hinsicht also "offen" für viele Möglichkeiten28 • Die Offenheit oder das 26 "Denn jeder Mensch ist ... in die ... Gemeinschaft verflochten, und es ist eine Täuschung, daß er außerhalb dieser Beziehungen er selbst sein könnte" (Knittermeyer, Grundgegebenheiten des menschlichen Daseins, S. 20). 27 Vonessen, ARSPh. 41 (1954/55), S. 388, 391. Vgl. auch Binswanger, Sprache und Denken, S. 35. Die soziale Wurzel der Sprache betont ferner unter anderem Karl Bühler (vgl. S. 3, 8, 24 ff., 38, 48, 232). 28 Zur Frage der Willensfreiheit soll damit nicht Stellung genommen werden.

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Freigestelltsein des Menschen bezüglich seines Verhaltens und seines Umweltverhältnisses 29 bedeutet, daß er sich insoweit selbst zu bestimmen hat. Dies kann er sinnvoll aber nur, wenn er "Regeln" besitzt, die ihm erkennbare Richtschnuren für sein Verhalten und die Gestaltung (Ordnung) seines Umweltverhältnisses liefern. Die "Regeln" bilden dann selber einen Teil der "Welt" des Menschen. Zu ihnen gehört das Recht. Seine Notwendigkeit und sein Vorhandensein sind in diesem Maße durch das Nichtfestgestelltsein des Menschen bedingt; es muß die durch das letzte gegebene "Lücke" (mit) ausfüllen30 • Das heißt zugleich, daß der Mensch (auch) des Rechtes bedarf, um überhaupt als Mensch leben zu können: Menschliche Existenz ist nicht ohne Recht denkbar (dabei ist gleichgültig, ob die Rechtsgebote von denen der Religion, Moral usw. geschieden sind)31. Im Recht "schafft" und erschließt der Mensch sich einen Teil der ihm existenznotwendigen "Welt" (seines "In-der-Welt-seins"), nämlich sein Zusammenleben in Gemeinschaften dadurch, daß er es in eine bestimmte Ordnung bringt. Das faktische Vorhandensein von Menschen ist menschliches Dasein durch (auch) rechtlich geordnetes MitZur Umwelt gehört insbesondere die mitmenschliche "Welt". Es ist demzufolge nicht richtig, das Recht aus dem Unrecht, der Neigung der Menschen, Unrecht oder Böses zu tun, oder aus dem Streit ableiten oder erklären oder doch darin den Grund für sein Vorhandensein sehen zu wollen. Wenn vom Unrecht oder vom Bösen die Rede ist, so wird schon ein Maßstab vorausgesetzt, welcher (auch) derjenige des Rechts ist, in dem also das Recht bereits als ursprüngliche Gegebenheit des menschlichen Daseins mitgedacht wird. Wäre menschliches Verhalten von vornherein und mit Naturnotwendigkeit festgelegt, so wäre es (abgesehen davon, daß man nicht mehr von "menschlichem" Verhalten sprechen könnte) sinnlos, es als gut oder böse beurteilen zu wollen. Ebensowenig ist der Streit (im üblichen Sinne des Wortes) der Grund des Rechts; auch Tiere "streiten" und haben trotzdem kein Recht. Wird der "Streit" als ein solcher um das Recht gemeint, so ist auch hier bereits das Recht vorausgesetzt. Daß der "Streit" ein Weg zur Verwirklichung (Durchsetzung) des Rechts sein kann, bleibt davon unberührt. 31 Das Recht schränkt somit nicht eine ursprünglich vorhandene, als prinzipiell unbegrenzt gedachte Freiheit ein, sondern ermöglicht sie erst (zusammen mit den anderen Verhaltensordnungen) und gewährleistet sie, indem es die jeweils den Bedingungen einer Rechtsgemeinschaft entsprechende Art ihrer Betätigung angibt. Ohne Richtmaß für mögliche Verhaltensweisen vermöchte der Mensch keine Freiheit zu entfalten, wäre er zu menschlich-sinnvollem Tun überhaupt nicht in der Lage. Das bloße Nichtfestgelegtsein auf vorausbestimmte Reaktionen gegenüber Umweltreizen ist jedenfalls nicht das, was man unter menschlicher Freiheit zu verstehen hat. Freiheit ist hier gemeint als Selbstseinkönnen nach dem in einer Rechtsgemeinschaft ausgebildeten, in der Rechtsordnung ausgeprägten (ihr zugrunde liegenden, für den Bereich der Rechtsgemeinschaft also gemeinsamen) Verständnis von Selbst:sein. Vom Recht her ist kein anderer Begriff der Freiheit möglich, wenn Recht nicht bloßer Zwang sein soll. Siehe auch unten S. 109, Anm. 41, S. 137, Anm. 48. Vgl. ferner Hommes, S. 88 f. Auch Kants Freiheitsbegriff beruht nicht auf dem Gedanken der Beliebigkeit, vielmehr dem der Möglichkeit der Befolgung des Sittengesetzes (der Pflichterfüllung). 29

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einandersein, durch die Gemeinsamkeit der rechtlichen Erfassung (Ordnung) des Miteinanderseins in der gemeinsamen Umwelt. Das Recht ist demnach allererst eine (objektive) Ordnung des Zusammenlebens, die eine Rechtsgemeinschaft aus sich (d. h. aus dem, worin ihr Zusammenhalt als Rechtsgemeinschaft gründet) heraussetzt, wodurch sie sich selbst (als Rechtsgemeinschaft) und die Art des Zusammenlebens in ihr konstituiert32 • Es läßt sich begreifen als Entäußerung der in der Sozialität des Menschen begründeten, die Gemeinsamkeit der Ordnung des Miteinanderseins verbürgenden Kraft zur Ordnung des Mitseins, d. h. des Daseins in einer Gemeinschaft, in der der Mensch je anfänglich steht und auf die er durch seine Sozialität unvermeidlich 32 Das Recht muß als ein in solcher Weise gemeinschaftskonstitutives Element ganz ursprünglich angesetzt werden; es geht nicht erst aus Religion, Sitte, Moral oder sonst einer als "tatsächlich" aufgefaßten Gestaltung der sozialen Verhältnisse (einer "Wirklichkeit") nachträglich hervor, sondern kann nur von diesen Ordnungen ungeschieden sein oder mit ihnen inhaltlich übereinstimmen. Ebensowenig tritt es zu einer wie auch immer aufgefaßten "Wirklichkeit" hinzu, da die "Wirklichkeit" der menschlichen Welt stets eine geordnete und das Recht ein Teil dieser Ordnung ist. Das Miteinandersein in einer Gemeinschaft weist sich durch seine je geschichtlich bestimmte, auch rechtliche Ordnung als spezifisch menschliche Daseinsweise aus. Bei alledem darf man Recht nicht mit Gesetz oder gar mit juristischer Begriffsbildung gleichsetzen. Es ist auch nicht nur als abstraktes Normengefüge zu verstehen, sondern (wie jede vom Menschen aus sich herausgesetzte Ordnung) als voraus entworfene "Ordnung" für die Gestaltung der Wirklichkeit des Miteinanderseins ("Sollensordnung"), die insofern eine wirklich seiende ist, als sie fortdauernd (nicht notwendig ausnahmslos) "verwirklicht" wird (wenn auch nur in der sekundären Form gerichtlicher Urteile). Dieser Rechtsbegriff wird allerdings dadurch gewissermaßen eingeschränkt, daß das Recht heute infolge seiner notwendigen Positivierung in der Hauptsache Gesetzesrecht ist und das Gesetzgebungsmonopol dem Staat zusteht, neben dem es noch andere Ordnungsrnächte geben kann. Der Staat entscheidet dann (ohne daß sich hierin seine Rechtsetzungsaufgabe erschöpfte), was von den ohne sein Zutun entstandenen Ordnungen gesetzlich verfestigt und damit "Recht" sein soll (dies ist nicht damit zu verwechseln, daß das Recht heute weithin der Positivierung bedarf, um überhaupt als konkrete Ordnungsregel in Erscheinung treten zu können). Die grundsätzliche Auffassung des Rechts bleibt von alledem unberührt. Insbesondere folgt daraus keine Verdoppelung der Rechtsordnung in eine staatliche und eine gesellschaftliche, wie Schmidhäuser, Zwei Rechtsordnungen, annimmt. Nur ist zu beachten, daß es neben der rechtlichen noch andere Ordnungen gibt; sie können vom möglichen Inhalt her objektiv nicht mit allgemeiner Gültigkeit voneinander abgegrenzt, sondern nur in einer bestimmten Rechtsgemeinschaft geschieden werden (dabei mag es unter anderem auf die Erscheinungsform, den Inhalt oder den Geltungsbereich - die Reichweite einer Regel ankommen). Der Begriff der Gerechtigkeit kann hier nicht als allgemeines Unterscheidungsmerkmal gelten, da er als solches inhaltlich nicht hinreichend genau zu bestimmen ist. Soweit die Regeln einer anderen denn der rechtlichen Ordnung mit den Gerechtigkeitsvorstellungen nicht in Einklang befindlich angesehen werden, liegt es oft daran, daß sie keine für die Rechtsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit verbindlichen Regeln sein können. Im übrigen sind solche anderen Ordnungen nicht notwendig der Gerechtigkeit entgegengesetzt. Zum Verhältnis von Recht und Sittlichkeit insbesondere siehe unten S. 199 ff.

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hin- und angewiesen ist. Als Ordnung des In-der-(gemeinsamen)Weltseins der Rechtsgemeinschaft ist das Recht deren (äußere) Verfaßtheit, in der sich das Leben in der Rechtsgemeinschaft vollziehen kann, die (voraus entworfene und stets erneut zu verwirklichende) Ordnung, in der die Sozialität des Menschen in der äußeren Welt einer bestimmten Rechtsgemeinschaft sich in generalisierten Formen institutionalisiert und Verhaltensmodelle (allgemeine Verhaltensregeln, Imperative) hervorbringt, mit anderen Worten die Ordnung des Mitseins, der in die Erscheinung getretenen Sozialität33 • Das Recht ist also durch die Sozialnatur des Menschen bedingt: Indem der Mensch als soziales Wesen notwendig und von Anfang an in einer Gemeinschaft steht, bedarf er für dieses sein Mitsein, welches das Dasein je immer schon ist (menschliches Dasein kann sich nur in geschichtlich bestimmten Gemeinschaften vollziehen), der Ordnung, welche die Gestaltung des Miteinanderlebens in derselben Gemeinschaft bestimmt und die Verhaltensanweisungen liefert. Als Ordnung des Mitseins ist das Recht demnach die Gemeinschaftsordnung, in der der Mensch als Glied einer Gemeinschaft sich auf Grund seiner sozialen Wesenheit von Anfang an vorfindet (in die er durch seine Existenz "geworfen" ist). Der Mensch "hat" infolgedessen Recht als das soziale Wesen, das er je immer schon ist, und auch nur als solches. Das Recht ist mit der sozialen Existenz des Menschen (dem ursprünglichen Mitsein seines Daseins) unabdingbar verknüpft und in seinem Wesen nur von hier aus zu erfassen. Wie erst die Sozialität des Menschen das Recht zu einem ihm zugehörigen Wesensmerkmal macht, so ist umgekehrt der Mensch im Recht auch nur als soziales Wesen und kann von ihm nur als solches zureichend begriffen werden. Die Regeln, die die rechtliche Ordnung bilden, sind keine Erfindung des einzelnen Menschen, sondern ein "Werk" der Gesamtheit; insoweit gilt von der rechtlichen nichts anderes als von der sprachlichen 33 Die Ordnung der menschlichen Umwelt ist immer eine Gemeinschaftsordnung, da die Umwelt die der Gemeinschaft ist; auch von hier aus nimmt der einzelne an der gemeinsamen Ordnung nur als Angehöriger der Gemeinschaft teil. - "Sozialität" bedeutet dabei nicht "Gleichheit" oder "Gleichförmigkeit"; sie bildet die Grundlage für die Gemeinsamkeit einer Ordnung, von der aus der jeweils einzelne als das erscheint, was er innerhalb der Gemeinschaft ist, für die jene Ordnung gilt. Erst die auf dem Grunde der Sozialität entwickelten Ordnungsprinzipien (die als solche nicht schon "Recht" sein müssen, aber aus denen es hervorgeht) entscheiden über Gleichheit oder Ungleichheit. "Sozialität" darf auch nicht mit der "Sozialgestalt" Maihofers (vgl. Recht und Sein, S. 101 ff.) verwechselt werden; diese ist eine Hervorbringung der Sozialität, die daher als die ursprünglichere in ihr nie aufgehen kann. Die Sozialgestalten sind selbst schon rechtlich geformte Erscheinungen; das Recht kann nicht aus ihnen kommen, wohl aber hinter sie zurückgehen, wenn es für seine Funktion als Ordnung der Sozialität des Menschen erforderlich ist.

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"Welterschließung", und wie ein sprachliches, so gibt es auch ein rechtliches "Weltbild", aus dem heraus die Rechtsordnung einer Rechtsgemeinschaft gestaltet ist. Wie in der Ordnung der menschlichen Welt überhaupt, so steht der Mensch insbesondere in der rechtlichen Ordnung auf Grund seiner Zugehörigkeit zu der geschichtlichen Gemeinschaft, die die jeweilige rechtliche Ordnung als Ordnung des Mitseins in ihr hervorgebracht hat. Der einzelne übernimmt die in der Rechtsgemeinschaft, in der er sich vorfindet, ausgebildeten rechtlichen Institutionen und allgemeinen Verhaltensregeln, und zwar als ein ihr Angehörender und nicht als isoliertes, für sich gedachtes Einzelwesen34 • Es bestätigt sich hierin das vorher gefundene Ergebnis. In seiner eigensten Individualität wird der Mensch von der Rechtsordnung unmittelbar überhaupt nicht erfaßt35 • Die bindende Kraft des Rechts als (rechtlicher) Gemeinschaftsordnung beruht darauf, daß es den Menschen nicht als einzelnen in seiner Einmaligkeit oder für sich seienden Einzelheit, sondern als an der Rechtsgemeinschaft Teilhabenden (Rechtsgenossen) in seiner Sozialität anspricht, der mit anderen sozialen Wesen (den Rechtsgenossen) in der Rechtsgemeinschaft und ihnen insofern vergleichbar ist. Zu diesem Miteinandersein in der Rechtsgenossenschaft führt jedoch das bloße Nebeneinandersein der isolierten (je für sich seienden) einzelnen nicht 36 • Dem Recht sind also Allgemeingültigkeit 34 Er unterliegt diesen Regeln freilich nicht mit der Notwendigkeit der physischen Natur (ist auf sie nicht "festgestellt"); von hier aus gesehen, bilden sie mögliche Richtschnuren, die er ergreifen kann (aber nicht notwendig ergreifen muß - der Selbstentwurf einer Richtschnur oder die Übernahme eines für andere Fälle vorgebildeten Verhaltensmodells bleiben als weitere, denkbare Möglichkeiten offen, wenngleich die "Wahlfreiheit" faktisch im Einzelfall begrenzt ist oder gar nicht besteht). Von der Rechtsgemeinschaft aus gesehen, sind sie jedoch verbindlicher Verhaltensmaßstab und können dem einzelnen wegen seines notwendigen Zusammenhanges mit ihr als solcher Maßstab erscheinen. Die allgemeinen Regeln werden jeweils aktualisiert im Verhalten der einzelnen und konkretisieren sich dadurch (in der Weise, wie sie ständig aktualisiert werden) zur wirklichen Ordnung; insofern beeinflußt das Verhalten der einzelnen die konkrete Erscheinung der rechtlichen Ordnung (setzt aber nicht der staatlichen Rechtsordnung eine gesellschaftliche entgegen, wie Schmidhäuser, Zwei Rechtsordnungen, bes. S. 26, meint). 35 So auch Henkel, Recht und Individualität, S. 7 f. 36 Das Individuum im Sinne der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts kann erst durch einen nachträglichen Akt der Vergesellschaftung - und auch nur deshalb, weil es ein Gattungsbegriff ist: Als Individuen sind alle einzelnen gleichartig - zu einer objektiven rechtlichen Ordnung kommen, die aber nicht eigentlich eine solche des Miteinanderseins, sondern nur des Nebeneinander ursprünglich unverbundener Individuen ist, die bloß, um in der äußeren Wirklichkeit der Welt bestehen zu können, auf die Hilfe von Nebenmenschen (die für eine reine - nicht von den Unzulänglichkeiten der tatsächlichen Welt abhängige - Wesensverwirklichung gleichgültig wäre) angewiesen sind, im übrigen aber schon (subjektiv) "Recht" haben, bevor sie zueinander in Beziehung treten, während doch das Recht gerade erst durch solche Beziehungen, d. h. das ursprüngliche Miteinandersein in einer Ge-

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und Verallgemeinerung notwendig. Hieraus folgt auch, daß die Rechtsordnung auf Berechenbarkeit und Vorausschaubarkeit in der sozialen Welt, d. h. den Bestand gewisser allgemeiner, das einzelmenschliche Dasein übersteigender, generalisierender Strukturen angelegt ist, die den Menschen in umfassende Ordnungszusammenhänge eingliedern; sonst hätte es keinen Sinn, allgemein (und für die Zukunft) gültige Normen aufzustellen. Maßstab des Rechts ist niemals die Individualität des einzelnen (sei es im Sinne seiner Einzelheit - Singularität - oder seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit37), sondern stets die Sozialität des Menschen38 • Das Recht kann daher weder aus der Einmaligkeit der meinschaft bedingt und daher als eine Hervorbringung derselben für die Ordnung des Mitseins in ihr aufzufassen ist, denn Grundlage des Rechts ist das Miteinandersein in derselben Gemeinschaft. Sieht man im Individuum ausschließlich den Einzigartigen und Einmaligen, so ist der Zugang zum Recht überhaupt verschlossen, da es für ihn als solchen nichts Allgemeingültiges oder ihm mit anderen (ebenso Einmaligen) Gemeinsames gibt, das zur Grundlage des Rechts dienen könnte (es würde ihn ja nur von seiner Einmaligkeit abziehen); hier könnte allein das dem einzelnen jeweils eigentümliche Besondere (der aus der Besonderheit herauswachsende Verhaltensmaßstab, das "Recht" der Ausnahme) gelten. 37 Vgl. hierzu Engisch, Konkretisierung, S. 8 ff., 178 ff. 38 Das Gesagte gilt es bei allen Erörterungen über eine individualisierende Betrachtungsweise oder die Bedeutung der Individualität im Recht im Auge zu behalten. Jeder "Fall" wird letztlich - trotz aller Berücksichtigung seiner Besonderheiten - nicht nach seiner Einzigartigkeit und Einmaligkeit entschieden, sondern nach einer ihn übersteigenden und deshalb allgemeinen Regel, die notwendig an das anknüpft, was ihm mit anderen Fällen gemeinsam ist. Sonst wäre eine Entscheidung nach allgemeingültigen und im vorhinein festgelegten Normen unmöglich. Der Mensch in seiner einzigartigen und einmaligen Existenz ist aber auf diese Weise gar nicht faßbar. Das Recht bezieht sich auch immer nur auf Teilaspekte und umgreift nie die Ganzheit (Totalität), in der allein die Individualität sich zeigen kann. Bei der Frage nach einer möglichen Berücksichtigung der Individualität des Falles geht es nicht darum, für den jeweiligen Einzelfall eine Norm zu schaffen, die eigens für seine Besonderheit gilt, sondern darum, diejenigen Gesichtspunkte aufzufinden, unter denen die verschiedenen Einzelfälle (Individuen) einander so vergleichbar werden, daß die allgemeingültige Vorschrift richtig auf sie anzuwenden ist. Es kommt jeweils darauf an, die für die rechtliche Beurteilung, für welche stets die allgemeinen Regeln maßgebend sind, ent· scheidenden Umstände an einem Sachverhalt herauszufinden, damit der Ein· zelfall richtig als das behandelt werden kann, was er innerhalb der rechtlich geordneten Welt der Rechtsgemeinschaft unter dem Blickwinkel der rechtlichen Beurteilung ist; in diesem Rahmen kann das Wort von der Notwendigkeit einer individualisierenden Betrachtungsweise seine Berechtigung haben. Die Feststellung, welche Umstände des Falles entscheidungserheblich sind, und die rechtliche BeurteUung selbst können aber nur unter den in der rechtlichen Ordnung angelegten, verallgemeinernden und allgemeingültigen Gesichtspunkten (wobei sich die Reichweite der Verallgemeinerung und Allgemeingültigkeit nach dem Gegenstand der Regelung richtet) vor sich gehen. - Ähnlich wie hier Jescheck, zstW 75 (1963), S. 9 f. Zur Frage der Individualisierung vgl. insbesondere Engisch, Konkretisierung, vor allem S. 178 ff.; Henkel, Einführung, S. 320 f., 326 f., 351 ff.; derselbe, Recht und Individualität; Heinitz, Die Individualisierung der Strafen und Maßnahmen; Drost, Das Problem einer Individualisierung des Strafrechts; Coing, Rechts-

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Individualperson abgeleitet noch als Abgrenzung der Individualbereiche und Regelung der Individualbeziehungen zureichend begriffen werden; man muß es vielmehr als eine durch die Sozialität des Menschen bedingte objektive Gemeinschaftsordnung auffassen. Über die inhaltliche Gestaltung dieser Ordnung ist damit freilich noch wenig ausgesagt. Bleibt somit festzuhalten, daß der Mensch im Recht immer nur als soziales Wesen ist39 , so dürfen daraus doch keine voreiligen Schlüsse für philosophie, S. 17, 47 f., 114 f.; Baumann, Grenzen der individualen Gerechtigkeit. Bemerkenswert auch Thierfelder, Normativ und Wert, S. 34 ff. Baumann (a.a.O., S. 118 mit Anm. 4) kann man aus den dargelegten Gründen nicht zugeben, daß die materiale Gerechtigkeit oder Gerechtigkeit im engeren Sinne die Individualgerechtigkeit oder Einzelfallgerechtigkeit sei (im Gegensatz zu einer "allgemeinen vom Einzelfall gelösten formalen Gerechtigkeit"). 39 Unrichtig daher Maihofer, der Unrecht und Schuld nach dem Sollen und Können des Menschen als Sozialperson (Man als) - Unrecht - und als Individualperson (Du selbst) - Schuld - unterscheiden will (Unrechtsvorwurf, S. 154 ff.), sowie Maurach, S. 277 ff., mit seiner Unterscheidung von Tatverantwortung und Schuld, soweit diese auf der Annahme beruht, die Tatverantwortung werde dadurch begründet, daß der Täter sich anders (schlechter) als die anderen verhielt (Abfall vom Durchschnitt), die Schuld dadurch, daß er anders war, als er selbst sein konnte (das Maß der Anforderungen richte sich dabei "ausschließlich nach der persönlichen Individualität des Handelnden"; Aufgabe der Schuld sei "extreme Individualisierung"). Auch für die Schuldanforderungen gilt kein individueller (aus dem Täter als "ihm selbst" abgeleiteter), sondern ein genereller Maßstab (nämlich der Rechtsordnung, der jedoch nicht mit dem des "Durchschnitts" zusammenfallen muß). Eine rechtliche SoHensnorm (als Grundlage des Schuldurteils), die an einer bestimmten Individualität ausgerichtet wird (sie zum Maßstab hat und nur für sie gilt), ist ein Unding. Nur für die Antwort auf die Frage, ob der bestimmte Täter in seinem persönlichen Können hinter den allgemeinen Anforderungen zurückbleibt (ihnen also nicht genügen kann, nicht: ob er selbst höheren Anforderungen genügen könnte), hat seine Eigenart Bedeutung, aber auch hier nicht in dem Sinne, daß er in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit (für die aus ihr abgeleitete Maßstäbe gälten) betrachtet würde. Das Zurückbleiben hinter den rechtlichen Verhaltensnormen entschuldigt nur bei bestimmten, generell anerkannten Gegebenheiten, die nach einem wiederum notwendig allgemeinen Bewertungsmaßstab ihre Befolgung nicht mehr erwarten lassen. Nur in diesem Rahmen spielt das "individuelle Können" eine Rolle. Eine schrankenlose Berücksichtigung individueller Besonderheiten würde zu einer Auflösung des Strafrechts führen. Insbesondere ist für die Bewertung von Ausnahmelagen auch im Hinblick auf die Schuld des Täters nie ein aus der Einzigartigkeit und Einmaligkeit des Individuums abgeleiteter, sondern immer nur ein von der Rechtsgemeinschaft her bestimmter (den Menschen als Sozialperson voraussetzender) Wertmaßstab ausschlaggebend. Der rechtliche Schuldvorwurf richtet sich also nicht darauf, daß der Täter gegenüber sich selbst, sondern daß er gegenüber den Anforderungen der Rechtsordnung versagt habe, obwohl er ihnen hätte genügen können (vgl. Welzel, 8. Aufl., S. 122: "Schuld ist das, was der Täter, der zu rechtmäßigem Verhalten in der Lage war, durch seine rechtswidrige Handlung der Rechtsgemeinschaft schuldig geblieben ist" - mithin nicht das, was er sich selbst schuldig blieb). Ob der Täter in der Befolgung der Rechtsnorm er selbst gewesen (zur Verwirklichung seiner selbst gelangt) wäre, ist dabei gleichgültig. Da das Recht niemals verlangt, daß seinen Geboten und Verboten in der Weise des Selbstseins genügt werde, kann es

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

die Bedeutung gezogen werden, die der Mensch als Individuum und sein Selbstseinkönnen im Recht haben mögen. Dieses Problem wird häufig als Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft oder Staat und seiner Auswirkung auf die konkrete inhaltliche Gestaltung einer Rechtsordnung angesehen; damit gerät es aber bereits aus der uns hier interessierenden Blickrichtung und kann insoweit an dieser Stelle nicht erörtert werden. Mit den bisherigen Darlegungen ist über die materialen Grundsätze einer rechtlichen Regelung (nach welchen höchsten Gütern beispielsweise die Ordnung des Mitseins ausgerichtet werden soll) prinzipiell nichts entschieden und kann es mit allgemeiner Gültigkeit auch gar nicht. Ausgeschlossen ist allerdings eine Beschränkung der Rechtsordnung auf die Regelung der Individualbeziehungen und die Abgrenzung der Individualsphären (gegeneinander und gegenüber dem Staat), wie sie aus der Auffassung vom Menschen als ursprünglichem Individuum zwangsläufig folgt. Als Ordnung des Miteinanderseins (des Soziallebens) im Sinne einer das je eigene Dasein der einzelnen übergreifenden, verbindenden Gemeinsamkeit hat das Recht die Entfaltung der Individualität der Rechtsgenossen (im Rahmen ihres Rechtsgenosseseins) zu ermöglichen, d. h. dem einzelnen die Möglichkeit zu eröffnen, auf je eigene Weise ein tauglicher Rechtsgenosse zu sein (den rechtlichen Verhaltenserwartungen zu genügen). Indem der einzelne die allgemeine Regel aktualisiert und sie dabei als eigene übernimmt, kann er auch zu seinem ihm je eigenen Selbstsein gelangen40 , was jedoch ausschließlich seine eigene Leistung ist, für die das Recht lediglich die Möglichkeit bietet, indem es die notwendigen Verhaltensmodelle zur Verfügung stellt. Inwieweit und auf welche Weise das Rechtsgenossesein durch individuelle Besonderheiten verwirklicht werden kann und wo diese mit jenem unvereinbar werden, hängt von der jeweiligen Gestaltung einer Rechtsordnung und ihren leitenden Grundsätzen sowie den ihr Unterworfenen ab. Wie so das Recht die Individualität nicht regeln kann, so ist auch die Meinung unzutreffend, auch im Bereich der Schuld nicht den Vorwurf erheben, der Täter sei nicht er selbst gewesen. Die Schuld im Rechtssinne ist kein Abfall vom Selbstsein. Auch z. B. die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Unzurechnungsfähigen wird in § 51 StGB [a. F.] gerade nicht berücksichtigt (wie "er selbst" hätte sein können, ist eine Frage, die gar nicht gestellt werden darf). - [Vgl. Welzel, 10. Aufl., S.134: "Schuld ist ,Vorwerfbarkeit' der Willensbildung."] Zu Maurach vgl. auch Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 159 ff., ebenso zu Maihafer vgl. Armin Kaufmann, a.a.O., S. 160, Anm. 176. 40 Er kann es auf Grund seines ursprünglichen Verbunden seins mit seiner Gemeinschaft, auf dem die Gemeinsamkeit der Entscheidungsmöglichkeiten beruht, welche in der Gemeinschaft als Verhaltensregeln ausgebildet worden sind. Müßte statt dessen jeder seine ihm eigenen Verhaltensregeln stets selbst "erfinden", so käme man nicht zu einer für die Menschen existenznotwendigen Gemeinsamkeit dieser Regeln (sondern höchstens zu einer zufälligen Parallelität derselben).

1. Begründung des Rechts aus der sozialen Wesenheit des Menschen

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es müsse für die Individualentfaltung einen rechtsfreien Raum ausgrenzen41 • Die Rechtsordnung beruht auf gewissen grundlegenden, der Rechtsgemeinschaft immanenten, sie integrierenden Ordnungsvorstellungen (obersten Rechtsgrundsätzen, Grundwerten, Gerechtigkeitsideen), die sich in einer (wenn auch beschränkten) Gemeinsamkeit des Rechtsgewissens der Angehörigen der Gemeinschaft und den Erzeugnissen ihrer Rechtskultur zeigen und der willkürlichen Verfügbarkeit weitgehend entzogen sind (ohne daß doch damit ihre Fortentwicklung ausgeschlossen wäre). Sie bilden die die Rechtsordnung tragende rechtliche "Weltansicht". Inhaltlich bestimmte Rechtsgrundsätze lassen sich daher nur aus der einzelnen Rechtsordnung und auch nur für diese ableiten, nicht aber mit allgemeiner Gültigkeit ohne Bezug auf eine vorhandene Rechtsordnung aufstellen. Man stößt also bei der Suche nach solchen Grundsätzen auf eine rein "dogmatische" Wahrheit42 • Die rechtlichen Sozialordnungen sind nicht allein auf Grund der äußeren Verhältnisse verschieden, sondern notwendig auch durch die Verschiedenheiten des Geistes, der für sie jeweils konstitutiv ist. Es verhält sich insofern mit dem Recht nicht anders als mit der Sprache. Die "Sozialität" des Menschen bedeutet nicht nur Gemeinschaftsbezogenheit, sondern umschließt, sobald sie konkret in Erscheinung tritt, stets eine bestimmte Gestaltung, die für die jeweilige Rechtsgemeinschaft kennzeichnende, sie konstituierende und integrierende Ordnung des Miteinanderseins. Es handelt sich hierbei nicht um die besondere Ausprägung (Konkretisierung) eines sich stets gleichbleibenden Allgemeinen als unveränderlichen Merkmals "des" Menschen, sondern (über naturbedingte Verschiedenheiten der Menschen und Völker hinaus) um das Bestimmt41 Sie hängt mit der schon oben S. 102, Anm. 31, zurückgewiesenen Ansicht zusammen, das Recht schränke die Freiheit ein. Wenn das Recht ein dem Menschen zugehöriges Wesensmerkmal ist, so muß sich auch die Individualentfaltung im Recht und nicht außerhalb desselben abspielen können. Die hier entwickelte Auffassung, deren Folgen im einzelnen nicht aufgezeigt werden können, ist auch z. B. für das Verständnis der Grundrechte wichtig: Diese können danach nicht als Rechte des Individuums vor und unabhängig von seinem Eingefügtsein in eine Gemeinschaft, sondern müssen in ihrer sozialen Funktion, die sie als Bestandteile der Rechtsordnung haben, als objektive Strukturen (Ordnungsprinzipien, "Institutionen") begriffen werden. Vgl. auch Hesse, Rechtsstaat, S. 85 ff. (insbesondere über das Freiheitsprinzip nicht als "antistaatliches", sondern als "Prinzip der Gemeinschaftsordnung"). über ein institutionelles Verständnis der Grundrechte vgl. Häberle, Wesensgehaltgarantie (mit umfassenden Nachweisen). Siehe ferner unten S. 137, Anm. 48. 12 Im Sinne von Rothacker, Die dogmatische Denkform in den Geisteswissenschaften und das Problem des Historismus, Abhandlungen, Jahrgang 1954, Nr. 6 (S. 264: "Es gibt gar keine andere Methode, konkrete Sinngehalte zu entdecken, als die dogmatische"). Thul, Untersuchungen zum Begriff der Rechtsdogmatik (Auszug in ARSPh. 46 [1960], S. 241 ff.), verwendet einen abweichenden Begriff der Dogmatik.

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

machen des von vornherein durchaus Unbestimmten, dessen, worin das "Wesen" des Menschen als Menschen "offen" ist. Deshalb sind inhaltlich-konkrete Aussagen, die eine bestimmte Vorstellung vom Menschen (ein bestimmtes Menschenbild) voraussetzen (also auch über inhaltserfüllte oberste Rechtsgrundsätze), unabhängig von der je geschichtlichen Erscheinung der Kulturgemeinschaften, in denen das zunächst Unbestimmte des menschlichen Wesens bestimmt wurde (sich ein geschichtlich wirksames "Menschenbild" entwickelte), nicht möglich43 • Damit ist aber die Rechtsordnung noch nicht notwendig in allen Teilen so, wie sie ist. Der Mensch erscheint (als einzelner wie als Gemeinschaft) selbst gegenüber dem vorgefundenen Ordnungsgefüge (außer, daß er nicht physisch gezwungen ist, sich dar an zu halten) insofern "freigestellt", als er darüber hinaus Ordnungsnormen aufstellen und die vorgefundenen ändern oder beseitigen kann (freilich als "Recht" nur im Rahmen jener grundlegenden Ordnungsvorstellungen). Er muß dies sogar tun, soweit es durch eine Veränderung der Verhältnisse (Bedürfnisse) infolge seiner Angewiesenheit auf ihm entsprechende Umweltgestaltung (Gestaltung der menschlichen Welt) oder seiner Art der Umweltgestaltung bedingt ist. Die rechtlichen Regeln können nur in einfachen, homogenen Gesellschaften mit allgemein überschaubaren Lebensverhältnissen gleichsam unbewußt hervorgebracht werden. In differenzierten Gesellschaften mit komplizierteren Lebensverhältnissen wird der bewußt handelnde Gesetzgeber unerläßlich; er hat die der Rechtsgemeinschaft immanenten rechtlichen Ordnungsprinzipien im Hinblick auf die zu regelnden Lebensverhältnisse und Zwecksetzungen erkennbar zu machen, zu konkretisieren, sie sogar häufig, wenn sie zweifelhaft werden, eindeutig festzulegen, zu ihrer Fortentwicklung beizutragen, Konflikte zwischen einander widersprechenden Ordnungsprinzipien zu lösen usw. Der Gesetzgeber ist also eine aus der Eigenart des Rechts folgende Notwendigkeit (seine Aufgabe kann, mindestens zum Teil, der Richter wahrnehmen); daß er teils gebunden, teils frei ist, wurde schon angedeutet44 • Wenn auch in den bisherigen Erörterungen der Staat nicht als eine Wesensbedingung der Möglichkeit von 43 Dies schließt eine Ähnlichkeit oder auch einen Zusammenhang jener Erscheinungen (und folglich auch der rechtlichen "Weltansichten") nicht aus, gibt aber Grundlage und Grenze wie auch den Weg möglicher Wahrheitsfindung an. 44 Unberücksichtigt muß hier bleiben, was eine soziologische Betrachtung der Rechtsgemeinschaft und des Gesetzgebers noch erbringen könnte, insbesondere die realen Machtverhältnisse innerhalb der Rechtsgemeinschaft und ihr Einfluß auf die Gesetzgebung, ebenso wie auch übergangen wird, daß der Gesetzgeber seine Aufgabe verfehlen kann. Beides ist für unsere Frage nach den Ordnungswidrigkeiten unergiebig. Dasselbe gilt (jedenfalls unter den heutigen Voraussetzungen) für das Verhältnis von Gesellschaft und Staat, den Einfluß der Entwicklung der Gesellschaft auf die Rechtsordnung usw. Siehe auch unten S. 184.

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

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Recht erschien45, so ist er doch in unserer Kultur zur Ausformung des Rechts in positive Gesetze und für die Bewährung des Rechts als geltende Ordnung unerläßlich; insoweit ist er Repräsentant der Rechtsgemeinschaft und Garant und Träger der Rechtsordnung.

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen und der Begründung des Rechts aus ihr in Literatur und Rechtsprechung

a) Auseinandersetzung mit Werner Maihofer und Ulrich Hommes Auch im neueren rechtswissenschaftlichen Schrifttum zeigt sich die Einsicht in die soziale Wesenheit des Menschen und deren Bedeutung für die Begründung des Rechts. Insbesondere ist hier Maihofers Versuch zu erwähnen, das Recht mit der Sozialität des Menschen in Verbindung zu bringen46 • Er geht von der Existenzphilosophie aus (vor allem den Untersuchungen Heideggers), die bislang keinen Zugang zum Recht gefunden hatte, was durch ihr Anliegen begründet ist. Ihre Frage nach der Eigentlichkeit des Daseins, dem Selbstsein des Menschen im Gegensatz zur Oberflächlichkeit des "Man" in der übernahme von Bräuchen, Konventionen usw., wird leicht als mit individualistischer Zielsetzung gemeint verstanden. Auch Maihofer begreift sie S047. Sucht man aber in jener Philosophie nach einer Möglichkeit, zum Recht vorzustoßen, so darf man nicht daran vorbeigehen, daß für Heidegger, auf den sich Maihofer in erster Linie stützt, das Dasein "wesenhaft an ihm selbst Mitsein", das »In-der-Welt-sein des Daseins wesenhaft durch das Mitsein konstituiert"48 und das Mitsein somit "eine existenziale Bestimmtheit" ist, "die dem Dasein von ihm selbst her aus seiner Seins-art" zukommt. So bestimmt das Mitsein "existenzial das Dasein auch dann, wenn ein anderes faktisch nicht vorhanden und wahrgenommen 45 Hommes läßt die Existenz des Rechts von der des Staates abhängen (Die Existenzerhellung und das Recht, S. 110 ff., 121 ff.); dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. 46 Recht und Sein; Vom Sinn menschlicher Ordnung; vgl. ferner: Natur der Sache, ARSPh. 44 (1958), S. 158 ff.; Konkrete Existenz; Naturrecht als Existenzrecht. Vgl. dazu Thyssen, ARSPh. 43 (1957), S. 87 ff.; Würtenberger, ZfvglRW 59 (1957), S. 242 ff.; derselbe, Situation, S.22, Anm. 68; Fechner, Rechtsphilosophie, S. 231, Anm. 24; derselbe, JZ 1956, S. 70; Hommes, S. 83 ff., 95, Anm. 70; Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. Aufl., S. 215, Anm. 42; Arthur Kaufmann, Recht und Sittlichkeit, S.14. ~7 Ähnlich offenbar Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 3. Aufl., S. 188. 48 Ebenso Würtenberger, Gewissen, S. 340 f. "Auf dem Grunde dieses mithaften In-der-Welt-seins ist die Welt je schon immer die, die ich mit den Anderen teile. Die Welt des Daseins ist Mitwelt. Das In-Sein ist Mitsein mit Anderen. Das innerweltliche Ansichsein dieser ist Mitdasein." (Sein und Zeit, S. 118.)

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

ist"49. Hierin bestätigt sich, daß der Mensch wesentlich ein soziales Geschöpf ist. "Das Mitdasein erweist sich als eigene Seinsart von innerweltlich begegnendem Seienden. Sofern Dasein überhaupt ist, hat es die Seinsart des Miteinanderseins50 ." Dem Dasein eignen die beiden Seinsmodi der Eigentlichkeit und der Uneigentlichkeit51 • Es kann sich infolgedessen auch als Mitsein in der Eigentlichkeit oder in der Uneigentlichkeit vollziehen (d. h. es bleibt auch in der Eigentlichkeit "wesenhaft an ihm selbst Mitsein"). Das Dasein, das stets Mitsein ist, hat immer die Möglichkeit, "es selbst oder nicht es selbst zu sein"52. Das Mitsein geht daher nicht, wie Maihofer meint53 , notwendig in der Uneigentlichkeit des "Man" auf; es bleibt die Möglichkeit offen, daß das Dasein im Mitsein zur Eigentlichkeit gelangt. Das eigentliche Selbstsein (in der Entschlossenheit) löst das Dasein nicht von seiner Welt (die eine je geschichtlich bestimmte Mitwelt ist, auf die das Dasein, in sein "Da" geworfen, faktisch angewiesen ist) ab und "isoliert es nicht auf ein freischwebendes Ich". Aus dem "eigentlichen Selbstsein der Entschlossenheit entspringt allererst das eigentliche Miteinander". Die Entschlossenheit, in der sich das Dasein durch den Entschluß auf etwas hin erschließt, ist für Heidegger nicht "lediglich ein aufnehmendes Zugreifen gegenüber vorgelegten und anempfoh~ lenen Möglichkeiten. Der Entschluß ist gerade erst das erschließende Entwerfen und Bestimmen der jeweiligen faktischen Möglichkeit". Das Dasein, dem es in der Entschlossenheit um sein eigenstes Seinkönnen geht, kann sich nur auf bestimmte faktische Möglichkeiten entwerfen, die ihm infolge seiner Geschichtlichkeit durch seine WeJt54, wie sie ihm in ihrer überkommenen Ausgelegtheit erschlossen ist (d. h. durch die 49 Sein und Zeit, S. 120. Das Mitsein meint nicht das faktische "Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte", die unbezogen nebeneinander sind. Daß es überhaupt zwischenmenschliche Beziehungen (Verstehen, Gemeinschaft usw.) geben kann, gründet existenzial im ursprünglichen Mitsein des Daseins. Das "Mitdasein der Anderen ist nur innerweltlich für ein Dasein und so auch für die Mitdaseienden erschlossen, weil das Dasein wesenhaft an ihm selbst Mitsein ist". Das Dasein kann das Dasein anderer in seiner Welt nur begegnen lassen, weil es Mitsein (als eine Bestimmtheit des je eigenen Daseins) ist. "Das schicksalhafte Dasein" existiert "als In-der-Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen" (a.a.O., S. 120, 121, 384). 50 Sein und Zeit, S. 125. 51 Sein und Zeit, S. 42 f., 175 f., 221 f., 267 ff., 295 ff., 317, u. ö. 52 Sein und Zeit, S. 12. 53 Recht und Sein, S. 17 ff. Entsprechend Würtenberger, ZfvglRW 59 (1957), S.245; Wetzet, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 3. Aufl., S. 188 - im Anschluß an Bollnow, Existenzphilosophie, S. 49 f.: Mitsein als "Form der Verfallenheit an die Welt" - (in der 4. Aufl. fehlen die diesbezüglichen Sätze, ohne daß aber die Grundeinstellung geändert ist); Arthur Kaufmann, Recht und Sittlichkeit, S. 11, 13 f. G4 "Geworfen ist es angewiesen auf eine »Welt« und existiert faktisch mit Anderen" (Sein und Zeit, S. 383).

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

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überlieferung - aus der Geschichte der Gemeinschaft, in der der einzelne sich vorfindet, sowie der eigenen Vergangenheit, die wiederum mit jener Geschichte zusammenhängt - beziehungsweise "die jeweils heutige ,durchschnittliche' öffentliche Ausgelegtheit des Daseins"), vorgezeichnet werden55 • Die Geschichtlichkeit des Daseins erweist hier die notwendige Verbundenheit des einzelnen mit der Gemeinschaft, in die er hineingestellt ist 56 • Die existenzielle Leistung bezeugt sich nicht in einer Neuerung des Inhalts und Zieles des Verhaltens, sondern in der Intensität von deren Aneignung 57 • Dieses Sichüberliefern58 "in einer ererbten, aber gleichwohl gewählten Möglichkeit" bringt das Dasein in sein Schicksal als "das in der eigentlichen Entschlossenheit liegende ursprüngliche Geschehen des Daseins". " Wenn aber das schicksalhafte Dasein als In-der-Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes. Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Schicksalen zusammen, sowenig als das Miteinandersein als ein Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann. Im Miteinandersein in derselben Welt und in der Entschlossenheit für bestimmte Möglichkeiten sind die Schicksale im vorhinein schon geleitet59 ." Die Gemeinsamkeit des Geschicks liegt in der Entschlossenheit für bestimmte gemeinsame Möglichkeiten (oder doch ihrer faktischen übernahme). Diese gemeinsamen Möglichkeiten eröffnen sich aus der (Gemeinsamkeit der) Ordnung einer bestimmten gemeinsamen Welt, in der auch 55 Das Dasein kann Inhalt und Ziel der Entschlossenheit die Seins(Existenz-)Möglichkeiten - nicht beliebig erfinden oder aussuchen, sondern "seine eigens te Leistung immer nur in der Auseinandersetzung mit einem vorgegebenen Erbe entfalten" (Bonnow, Existenzphilosophie, S.113). 56 "Insbesondere mit der entscheidenden, geschichtlich selbständigen Lebenseinheit, dem Volk. Wie das menschliche Dasein wesensmäßig ein Inder-WeIt-sein und insbesondere ein Mit-sein mit andern ist, so ist auch das Erbe, das der Mensch sich überliefert findet, notwendig ein gemeinsames Erbe" (Bonnow, Existenzphilosophie, S. 113). 57 "Erst auf dem Boden dieser existenzphilosophischen Einsichten" wird "der Weg zum Verständnis der verantwortlichen Eingliederung des Einzelnen in eine gemeinsame Sache freigelegt" (Bonnow, Existenzphilosophie, S.116). 58 "Die Entschlossenheit, in der das Dasein auf sich selbst zurückkommt, erschließt die jeweiligen faktischen Möglichkeiten eigentlichen Existierens aus dem Erbe, das sie als geworfene übernimmt. Das entschlossene Zurückkommen auf die Geworfenheit birgt ein Sichüberliefern überkommener Möglichkeiten in sich, obzwar nicht notwendig als überkommener" (Sein und Zeit, S. 383). Inhalt, Ziel und äußere Erscheinung des VerhaItens können sich dabei durchaus wandeln, denn entscheidend ist nicht deren Wiederholung selbst, sondern die Wiedererweckung der in ihnen verwirklichten Existenz (Bonnow, Existenzphilosophie S. 117). 59 Sein und Zeit, S.169, 298, 299, 383, 384. Vgl. auch Würtenberger, Gewissen, S. 344, 353 f.

8 Mattes

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

die Ordnung des Miteinanderseins in dieser Welt als eine zu ergreifende (und immer schon ergriffene) gemeinsame Möglichkeit eingeschlossen ist. Hier böte sich ein Ansatzpunkt, um von der Existenzphilosophie zur Rechtswelt als einer Ordnung des Mitseins zu kommen6o • Maihofer hat diese Möglichkeit jedoch nicht genutzt. Er faßt das Selbstsein in einem individualistischen Sinne auf 6!, hält deshalb das Sein im Recht existenzphilosophisch (jedenfalls im bisherigen Verständnis) unausweichlich in den Bezirk der Uneigentlichkeit des Daseins (der Verfallenheit an das "Man") verwiesen und sieht sich deshalb, weil auch er erkennt, daß es im Recht im Grunde "nicht um den Menschen als Individualperson, sondern als jene Sozialperson, die er auch ist", geht, veranlaßt, ein neues Existenzial (des Sozialen) einzuführen, das (dem "Selbst-Sein" gegenübergestellte) "Als-Sein", welches dem ursprünglichen Sein (dem Selbstsein) als ein neues Sein "zuwächst" und mit dessen Hilfe er dann die Sozialität des Menschen und das Sein des Rechts begründen will. Daß hier ein Mißverstehen Heideggerscher Gedanken obwaltet, wird sich nach dem Vorangegangenen kaum leugnen lassen. Maihofer hat zwar das Eingefügtsein des Menschen als Sozialperson in die Sozialwelt als Voraussetzung für die Möglichkeit von Recht gesehen und anerkannt62 , dabei aber die individualistische Betrachtungsweise nicht verlassen. Im Anfang der Betrachtung steht für ihn das Individuum in seiner "aller rechtlichen und staatlichen Existenz vorgeordneten Eigenexistenz - einer autonomen Eigenwelt, in der sich das Selbst in der Zuordnungsganzheit seiner Entsprechungen äußeres Dasein zu geben vermag"63, also das Selbstsein der Individualperson64 • Der Zugang zum Recht wird erst dadurch eröffnet, daß die Individualentfaltung sich nur in der Welt vollziehen kann, in der das Individuum 60 Einen solchen Versuch zu unternehmen, gehört nicht zu den Zielen der vorliegenden Untersuchung. Es sollte nur die Stelle bezeichnet werden, an der meines Erachtens die überlegungen einsetzen müßten, die zur Begründung und Erfassung des Rechts führen könnten. 61 Auch z. B. Fechner wirft ihm vor, das Problem vom einzelnen her gesehen und dabei insbesondere verkannt zu haben, "was ,Mitsein' als Existenzial auch bei Heidegger bedeutet" (JZ 1956, S.70). 62 Recht und Sein, S.110; vgl. auch S.125: "Grund und Ziel allen Rechts ist ... die Eigentlichkeit des Alsseins, in der sich das Selbstsein in seinem Dasein mit Andern zu vollbringen hat". 63 Vgl. demgegenüber Heidegger, Sein und Zeit, S. 129: "Zunächst »bin« nicht »ich« im Sinne des eigenen Selbst, sondern die Anderen in der Weise des Man. Aus diesem her und als dieses werde ich mir »selbst« zunächst »gegeben«. Zunächst ist das Dasein Man und zumeist bleibt es so." "Das eigentliche Selbstsein beruht nicht auf einem vom Man abgelösten Ausnahmezustand des Subjekts, sondern ist eine existenzielle Modifikation des Man als eines wesenhaften Existenzials." (S. 130; vgl. weiter S. 267 ff.) 61 Recht und Sein, S. 96; vgl. auch Vom Sinn menschlicher Ordnung, S. 42 ff. - Fechner erkennt hier die Gefahr eines Rückfalls in individualistisches Naturrecht (JZ 1956, S. 70).

:!. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

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sich als Träger einer sozialen "Rolle" befindet, als Sozialgestalt, in die es freiwillig oder unfreiwillig eintritt65 • Nur als Träger einer sozialen Rolle hat es am Recht teil 66 . So haftet dem - an das Alssein geknüpften - Recht gegenüber der Ursprünglichkeit des Selbstseins (der Individualentfaltung) wie dem Alssein selbst etwas Sekundäres an. Es ist Maihofer nicht gelungen, Selbstsein und Alssein als "gleichursprünglich"67 darzutun, was sich bereits in der Terminologie bemerkbar macht, denn Alssein ist eben als Alssein das Nicht-Selbstsein und als solches schon minderen Ranges. Daran vermag auch die Betonung der "Doppelstruktur des Menschseins als Selbstsein und Alssein"68 nichts zu ändern, und der Hinweis, "menschliches Dasein in der Welt" sei nicht nur "Sein als jenes unvergleichbar einzigartige Selbst, sondern ebenso gleichursprünglich Sein in den aus der Welt her vorgezeichneten Bezügen jenes mit Andern vergleichbaren und gleichartigen Seins, des Alsseins"69, findet in bezug auf die Gleich-Ursprünglichkeit des Alsseins mit dem Selbstsein weder in dem angeführten Satz selbst noch in der Ausgangsposition Maihofers eine zureichende Begründung. Vielmehr stellt die Sozialität des Menschen (in der Kulturwelt) seine "zweite Natur" dar gegenüber der" ,ursprünglich' autonomen Daseinsäußerung", die in die "Heteronomie der Entäußerung" umschlägt7°. Den "Urstand" des Selbstseins sieht Maihofer in der "vorrechtlichen Individualexistenz"71. Er bleibt damit noch hinter der auch von ihm als individualistisch geziehenen Existenzphilosophie zurück. Es gibt weder geschichtlich noch gedanklich einen vorrechtlichen Zustand des Menschen. Das Recht ist mit dem Menschen ursprünglich gegeben (mit seinem Wesen untrennbar verbunden) und ihm nicht (sei es auch nur in der Hypothese) erst nachträglich beigelegt, weil der Mensch von Natur 65 Recht und Sein, S.117. Denn der Mensch ist "ein Wesen, ,geworfen' in die Einzigheit und Einzigartigkeit seines Selbstseins, zu dessen Vollbringung es in jene Gestalten der Gleichheit und Gleichartigkeit des Alsseins in der Welt hinausverwiesen ist" (a.a.O., S.122). - Aber der einzelne Mensch hat nur die Möglichkeit, ein Selbst, ein Eigener zu werden, er ist es nicht schon von Anfang an: Das Dasein als "eigentliches Selbstseinkönnen" ist, wie Heidegger sagt (Sein und Zeit, S. 175), vom Selbstsein "zunächst immer schon abgefallen und an die »Welt« verfallen". Der einzelne "tritt nicht in das Mitsein ein, sondern er kommt daraus her (um es dann als Eigener erst zu bestehen)", was Fechner zutreffend hervorhebt (JZ 1956, S.70). 66 Vgl. Recht und Sein, S. 110, 125. Dabei entspricht dem Selbstsein und Alssein auch im Recht ein Doppelstatus: der status naturalis des "einzigen" einzelnen und der status civilis des einzelnen als "einer von den Andern", a.a.O., S. 100. 67 Recht und Sein, S. 100. 68 Recht und Sein, S. 100. 69 Recht und Sein, S. 114. 70 Recht und Sein, S. 110. 71 Recht und Sein, S.97.

8"

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IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

aus ein soziales Wesen ist und das Recht schon in seiner Sozialität begründet liegt. Die soziale Wesenheit des Menschen erschließt sich nicht erst, wie Maihofer meint, "vom Sozialstandpunkt der Andern her"72, sondern von der bereits ursprünglich auf das Mitsein angelegten menschlichen Struktur: Der Mensch ist an sich selbst (ursprünglich) soziales Wesen, nicht erst durch "geschichtliches Schaffen" "als" Vater, Mutter USW. 73 . Unklar bleibt bei Maihofer, woher die "unausweichlich vorgegebenen Gestalten unserer Weltordnung" kommen, in die wir uns hineinbegeben (einfügen), wodurch unser Alssein begründet wird. Diese "vorgegebenen Gestalten" können doch nur durch die Sozialnatur des Menschen vorgegeben sein (die damit das Ursprünglichere ist), nicht aber kann die Sozialität des unvergleichbaren einzelnen erst durch Einfügung in sie entstehen74 . Das Sein "als" etwas setzt immer schon voraus, was erst begründet werden soll, nämlich die Sozialität des Menschen und aus ihr folgend die Gemeinschaft (das Mitsein in ihr) und deren gemeinsame Ordnung (das Recht als Ordnung des Mitseins), in der und auf Grund welcher jemand als etwas (Mieter, Käufer, Lehrer, Richter, Arzt, Gatte usw.) sein kann75 . Maihofer verwechselt den Grund und Ursprung des Rechts mit dessen Ordnungs stiftung. Der Mensch ist im Recht bereits vor und unabhängig von jedwedem "Alssein", und zwar nicht, weil er schon als für sich seiende, unvergleichbare Individualperson Recht hätte, sondern auf Grund seines wesenhaften Mitseins, aus dem heraus erst ein Alssein erwachsen kann, ohne daß dieses aber eine notwendige Vorbedingung des Im-Recht-seins wäre (es ist vielmehr die Folge desselben). Die Verbundenheit im Mitsein (wie die Zusammenordnung im Recht) ist nicht davon abhängig, daß der eine dem anderen als bestimmte Sozialgestalt erscheint (zum mindesten kommt es darauf nicht an). Was einer als etwas ist, ist er auf dem Hintergrund der Gemeinschaft, in deren stets schon vorhandenen 72 Recht und Sein, S. 105. 73 Menschsein ist "an und für sich schon ein Sein mit andern in einer irgendwie gegliederten Welt" (Binswanger, Sprache und Denken, S.37), das Dasein wesenhaft Mitsein (Heidegger, Sein und Zeit, S. 120). Vgl. auch Thyssen, ARSPh. 43 (1957), S. 95. 74 Der unvergleichbare einzelne als solcher kann sich nicht aus sich heraus in ",bestimmte', mit Anderen vergleichbare Daseinsgestalt" (Sozialgestalt) verwandeln; der Hinweis auf das Phänomen der Objektivation reicht zur Erklärung dieser "Verwandlung" nicht aus (vgl. Recht und Sein, S. 104; Vom Sinn menschlicher Ordnung, S. 47 ff.). - Maihojer will seine Lehre auch für die Aufstellung eines personalen Unrechtsbegriffs und die Unterscheidung von Unrecht und Schuld nutzbar machen (Unrechtsvorwurf, bes. S. 150, 154, 164): Der Vorwurf gegen den Menschen als Sozialperson begründe den Unrechts-, der gegen ihn als Individualperson den Schuldvorwurf (zum letzten siehe oben S. 107, Anm. 39). 75 Bevor jemand z. B. "Käufer" sein kann, muß er Rechtsgenosse, das Recht also vorhanden, die Sozialität des Menschen bereits ausgemacht sein.

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

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Ordnung des Mitseins, der gemeinschaftlichen, geordneten Welt, in deren Geordnetsein das Recht immer mit enthalten ist und die Sozialgestalten Maihofers (das Alssein) erst hervorbringt7 6 • Auch Rommes erkennt die Schwäche der Lehre Maihofers. Er sieht, daß das Mitsein "wesentlich früher" ist "als die Trennung von Individualgestalt und Sozialgestalt, von Selbstsein im Sinne des subjektiven Fürsichseins und Alssein im Sinne der äußeren sozialen Verbundenheit", die Existenzphilosophie also nur dann zum Recht führen kann, "wenn diese ursprüngliche mitmenschliche Verbundenheit ernstgenommen", d. h. "aus der eigenen Struktur der Existenz deren ursprüngliche Verwiesenheit auf das soziale Sein und die Gegebenheiten seiner Wirklichkeit aufgedeckt" wird (nicht aber, "solange wir Existenz als isolierte Subjektivität verstehen")17. Das Recht ist "die Ordnung der Gemeinschaft des Daseins ... , die ursprünglich im Wesen der Existenz gründet"; sein Wesen und seine Aufgabe sind deshalb weder von der Individualität (dem Selbstsein) noch von der Sozialgestalt Maihofers her zu fassen und zu begründen, sondern "aus dem solcher besonderen Entfaltung vorausliegenden Grundverhältnis des menschlichen Seins überhaupt". Es ist als Recht "wesentliches Moment der Wirklichkeit der Existenz selbst", d. h. "eine Weise der Wirklichkeit der ursprünglichen Zusammengefügtheit allen menschlichen Seins"78, nämlich "die gültige und geltende Weise des Miteinanders des Daseins, in der dies sich institutionalisiert und organisiert, das Sein des Einzelnen mit den Andern und den Vielen auf verläßliche Weise ordnet und bestimmt. Es ist wesentlich Wirklichkeit des Miteinanders selbst, denn es gründet in der Gemeinschaftlichkeit des Daseins und dessen Willen zur sicheren Ordnung"79. 78 Das ist für Begriffe wie Richter, Lehrer, Käufer, Mieter usw., die die rechtliche Ordnung augenfällig voraussetzen, ganz selbstverständlich, gilt aber ebenso etwa für die "Sozialgestalt" des Vaters. Es gibt keinen natürlichen Begriff des Vaters in dem Sinne, daß bei ihm von dem spezifisch menschlichen Vatersein abgesehen werden könnte, das sich doch nur in einer geordneten menschlichen Welt ereignen kann und von der Ordnung des Mitseins seine spezifische Bedeutung erhält, d. h. bei dem die Bezogenheit auf diese Ordnung mitgedacht wird, die zugleich und notwendig (wenn auch nicht ausschließlich) rechtliche Ordnung (die nicht gesetzlich verfestigt zu sein braucht) ist. Der Mensch ist also nicht soziales Wesen, weil er Vater, Lehrer, Käufer sein kann, sondern er kann dies, weil er jenes ist. Alle diese menschlichen Verhältnisse können als menschliche nur als auch rechtliche sein; als immer schon (auch) rechtlich geordnete beruhen sie auf der ursprünglichen sozialen Existenz des Menschen. 77 S. 85, 89, 95, Anm.70. Vgl. auch S. 83 ff., 89, Anm.60. 78 S. 95 f. Rommes bezeichnet die "Sozialgestalt" auch als "Sozialität" und verwendet damit diesen Ausdruck in anderer Bedeutung, als er hier gebraucht wird. 79

S. 121 f.

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

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Kann man insoweit Rommes nur zustimmen, so dürfen doch in einer grundsätzlichen Hinsicht Bedenken nicht unterdrückt werden80 . Rommes geht (auf der Suche nach dem "möglichen Ort des Rechts im Denken von Karl Jaspers'(81) von der Kommunikation als der "Grundform des Miteinanders", dem "wesentlichen Verhältnis zwischen Einzelnen" aus 82 , um die Gemeinschaft und das Recht existenziell zu erfassen. Die existenzielle Kommunikation, in der das Selbstwerden geschieht, kann sich aber nur in der Begegnung zwischen jeweils zweien, dem "Ichselbst" und dem "Du-selbst", ereignen ("Selbstsein ist wesentlich Dialog"): Die Unmittelbarkeit der Begegnung schließt "jede Ausweitung des Begriffs der existentiellen Kommunikation auf ein Verhältnis zu Dritten oder zu Vielen ... geradezu aus"83. Damit erweist sich dieser Begriff als untauglich zur Begründung der Gemeinschaft und des ursprünglichen Mitseins in ihr, woraus erst die Gemeinsamkeit des Rechts (als Ordnung des Mitseins) hervorgehen kann. Rommes vermag deshalb auch die Gemeinschaft nicht anders denn als Ermöglichung der Grundform des "unmittelbaren Miteinanders von je Zweien" (des "wesentlichen Verhältnisses zwischen Einzelnen") zu begreifen, das die "Mitte des gemeinschaftlichen Seins" darstellt und jedem "Miteinander von Vielen mit Vielen" erst einen Sinn gibt84, womit die Gemeinschaft als solche eigentümlich leer erscheint85 und gerade das Spezifische an ihr, was sie als solche ausmacht (in dem jedes Miteinander in ihr gründet) und ihr eine eigene Bedeutung gibt, verfehlt wird. Dieselbe Haltung nimmt Hommes gegenüber Staat und Recht und überhaupt der ganzen objektiven Wirklichkeit des Gemeinschaftslebens ein86 . Indessen sind die Gemeinschaft und ihre rechtliche Ordnung doch offenbar mehr als die bloße Möglichkeit existenzieller Kommunikation von je zwei Gliedern der Gemeinschaft untereinander und erhalten nicht lediglich von dorther ihre Legitimation. Auch etwa die Institution der Familie gründet nicht allein in der Ermöglichung des Selbstseinkönnens des einzelnen und geht über das Ich-Du-Verhältnis im vorbezeichneten Sinne 80 Eine umfassende Würdigung der gedanken reichen Darstellung von Rammes ist hier jedoch nicht möglich. 81 S.9. 82 "Erst in der Kommunikation mit dem Andern bin ich ich selbst; erst in ihr und durch sie werde ich, was ich eigentlich bin" (S.63). 83 S. 63, 66, 69, Anm. 19. 84

S. 94 f.

"Denn neben dem Verhältnis von Ich-selbst und Du-selbst kann es offensichtlich nicht in derselben Weise ein wesentliches Verhältnis des Einzelnen zu einer Vielheit der Andern geben. Die Einzigkeit der existentiellen Kommunikation unterscheidet deren Wirklichkeit von allem gleichsam öffentlichen Miteinander, in dem mehr als je nur zwei zusammen sind" (So 94). Von hier führt kein Weg zu einer umfassenderen Gemeinschaft. 86 Vgl. S. 86, 87, 94 f., 108 ff., 121 ff., 129 ff., 218. 85

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

119

hinaus, ebenso wie der Staat nicht bloß "Weise des Seins des Einzelnen mit dem Andern" (gleichfalls einzelnen) ist. Letztlich überwindet Hommes nicht eine im Grunde individualistische Position: Er bezieht zwar die Erscheinungen des Soziallebens nicht auf das isolierte Individuum als solches, begreift sie aber aus der möglichen Kommunikation als der Grundverfügtheit des Daseins, in der es dem einzelnen in der Begegnung um das (jede weitere Gemeinschaft ausschließende) eigens te Selbstseinkönnen des Ich-selbst und des Du-selbst geht. Die (auf Dritte nicht erweiterungsfähige) Kommunikation zwischen je zweien ist als solche, auch in ihrer bloßen Möglichkeit gedacht, etwas durchaus anderes als das, worin die umfassendere Gemeinschaft gründet (eher könnte jene in dieser gründen) und worauf die Möglichkeit einer gemeinsamen Ordnung des Rechts beruht. Das Recht hat es entscheidend nicht mit dem eigensten Selbstseinkönnen zu tun; es muß vielmehr noch vor der Frage nach der Eigentlichkeit oder Uneigentlichkeit des Daseins angesetzt werden, denn es soll ja auch da wirken, wo die Eigentlichkeit des Daseins nicht erreicht wird. Das Recht hat die Aufgabe, nach dem in einer Rechtsgemeinschaft ausgebildeten Seinsverständnis objektive Seinsgestalten und Verhaltensanweisungen (Entscheidungsregeln) zur Verfügung zu stellen, die sowohl eine allgemeine rechtliche Grundlage des Mitseins verbürgen als auch in dieser die Daseinsverwirklichung ermöglichen, wobei weder die Ordnung noch die Daseinsverwirklichung eine beliebige, sondern nur die dem Seinsverständnis der Rechtsgemeinschaft gemäße sein kann. Mit dieser Erkenntnis steht es in Einklang, daß das Grundgesetz die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht schlechthin, sondern (soweit nicht Rechte anderer verletzt werden) nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes gewährleistet (Art. 2 Abs. 1). Den Inhalt des Sittengesetzes hat man dabei aus dem "sittlichen Bewußtsein unserer Rechtsgemeinschaft" zu entnehmen87 , während die" verfassungsmäßige Ordnung" (jedenfalls dann, wenn man die freie Entfaltung der Persönlichkeit als allgemeine Handlungsfreiheit versteht) die formell und materiell verfassungsgemäße Rechtsordnung 87 Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 16. Vgl. auch BVerjGE 6, S.389, 434 ff., 437, wo es dem Bundesverfassungsgericht entscheidend darauf ankommt, ob

die Homosexualität gerade in Deutschland "sittlich mißbilligt" wird; ferner Zippelius, Wertungsprobleme, S. 23 ff., 131 ff., 134; BGHSt. 4, S. 1, 5. Anders dagegen z. B. von Mangoldt-Klein, Art. 2, Anm. IV 3; Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S.821, mit weiteren Nachweisen; aber die sittlichen Normen, die "Allgemeingut der abendländischen Kultur" oder überhaupt "aller Kulturvölker" sind, kommen hier nur in Betracht, soweit sie Bestandteile der deutschen sittlichen Anschauungen sind und auch nur auf Grund dessen; andererseits können diese über jene hinausgehen, ohne deshalb ihre Verbindlichkeit im Rahmen des Art. 2 Abs.l GG zu verlieren, wie auch Nipperdey, a.a.O., einräumt.

120

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

ist 88 ; andernfalls wäre eine unerträgliche Auflösung der Ordnung des Soziallebens zu besorgen89 • Eine Persönlichkeit kann sich infolgedessen wirklich "frei" nur aus einer Vorstellung über die Gestaltung menschlichen Daseins heraus entfalten, wie sie der in unserer Rechtsgemeinschaft geltenden rechtlichen und sittlichen Ordnung entspricht90 , d. h. praktisch, es ist nur ein Verhalten erlaubt, das nicht dem in der Rechts88 BVerfGE 6, s. 32, 38 ff., S. 389, 433; 7, S. 111, 119; 9, s. 3, 11, S. 137, 146; 10, S. 89, 99, S. 354, 363; 11, S. 234, 236; 12, S. 296, 308; 14, S. 288, 305 f.; 15, S. 235, 239; 16, S. 286, 304; ebenso BVerwGE 4, S. 332, 336; 5, S. 291, 292; 6, S.134, 141, S. 354, 356; 7, S. 125, 134, S. 189, 196; 10, S. 340, 343 f.; Wernicke, BK, Art. 2, Anm. II 1 b (anders jedoch Art. 9, Anm. II 2 c [Erstbearbeitung]); Stree, S. 153; Wintrich, Problematik, S.27; derselbe, Auslegung, S. 6 f.; Roemer, Grundrecht, S. 552; Coing, BB 1954, S. 141; dagegen insbesondere Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 17 ff.; von Mangoldt-Klein, Art. 2, Anm. IV 2; Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S. 773, 788 ff. (jeweils eingehend und mit weiteren Nachweisen); Maunz, S. 110 f., die zu einer Begrenzung der Handlungsfreiheit vor allem durch die "Sozialentscheidung" beziehungsweise den "Gemeinschaftsvorbehalt" des Grundgesetzes (als Bestandteilen der verfassungsmäßigen Ordnung) gelangen, aus der sie die Gemeinschaftsbindung des eirizelnen ableiten. 89 Vgl. Hans Peters, Die freie Entfaltung der Persönlichkeit als Verfassungsziel, S. 669 :!f., 674; Coing, BB 1954, S. 141; Stree, S. 153. 90 Dies bedeutet nicht, daß ein bestimmtes begrenztes Persönlichkeitsideal als allein verfassungsgemäß zu postulieren wäre. Andererseits kann sich die rechtliche Ordnung nicht (wie Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, S. 97, meint) für die "unübersehbare Fülle individuellen Daseins" offenhalten, wenn sie überhaupt noch eine inhaltserfüllte gemeinsame Ordnung in einer konkreten Gemeinschaft sein soll (vgl. BVerfGE 7, S. 198, 205, wonach die Verfassung eine "objektive Wertordnung" bildet), sondern nur für die mit den Prinzipien, die für die jeweilige rechtliche Gemeinschaftsordnung konstitutiv sind, zu vereinbarenden Möglichkeiten individuellen Daseins, und ebenso kann die Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht schlechthin die zu "Lebensstilen anderer Kulturen" umfassen (so aber Roemer, Grundrecht, S. 569), also unter anderem nicht dazu, ein Leben mit fünf Ehefrauen zu führen. Es wäre anders z. B. nicht zu erklären, weshalb der Staat Erziehungsaufgaben haben kann (die sich etwa in einem Bildungsziel der Schulen ausdrücken). Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt: "Denn die Institution der Ehe ist nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung gewährleistet, die unseren heute herrschenden Anschauungen entspricht, wie sie in der konsequent beibehaltenen gesetzlichen Regelung maßgeblichen Ausdruck gefunden haben" (BVerfGE 15, S. 328, 332), so weist dies über die Garantie des Art. 6 Abs. 1 GG hinaus auf einen übergeordneten Grundsatz hin, der auch für die Auffassung der allgemeinen Handlungsfreiheit maßgebend ist. Die von Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte rechtliche Freiheit kann eben von vornherein nur die einer Persönlichkeitsentfaltung oder sonstigen nicht eigentlich als solche aufzufassenden Verhaltensweise sein, die der Gemeinschaftsordnung, ihren Grundentscheidungen und darauf beruhenden Erfordernissen entspricht. Vgl. z. B. auch BVerfGE 13, S. 97,106,117; 17, S. 232,242 ff. (zur Beschränkung der Persönlichkeitsentfaltung - Freiheit der Berufswahl - durch gesetzlich bestimmte typische "Berufsbilder"); BGHSt. 4, S. 1, 5 (der Täter habe seiner Gewissensanspannung die von seiner Rechtsgemeinschaft anerkannten Wertvorstellungen von Recht und Unrecht zugrunde zu legen); BayObLGSt. 1963, S. 209, 210 (auch der aus dem Ausland Gekommene habe sich den Anschauungen der Rechtsgemeinschaft anzupassen, in der er nunmehr lebe); BGHZ 38, S. 317, 320 ff.

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

121

und Sittenordnung der Rechtsgemeinschaft ausgeprägten Seinsverständnis zuwiderläuft 91 • In diesem Sinne ist das Recht die Ordnung des Miteinanderseins und nichts weiter. Mit ihr bietet es je geschichtliche, in der Rechtsgemeinschaft gültige und damit gemeinsame Möglichkeiten des Selbstseins, die der einzelne ergreifen kann, um zur Eigentlichkeit seines Daseins zu gelangen92 • Er kann sie als je eigene Seinsweisen übernehmen, wenn und soweit er mit seiner Rechtsgemeinschaft innerlich zusammenhängt, d. h. das in der Rechtsgemeinschaft gültige, die Rechtsordnung tragende Seinsverständnis sein eigenes ist93 ; ein solcher Zusammenhalt ist aber notwendig für eine Gemeinschaft des Rechts, das mehr sein soll als nur eine Zwangsordnung. Es zeigt sich hierin zugleich, daß die gemeinsame Ordnung des Rechts, die von der Rechtsüberzeugung der Gesamtheit getragen werden soll, nicht weiter reichen darf, als die Gemeinsamkeit des Seinsverständnisses geht94 • Der Voll91 Hier liegt auch die Bedeutung des rechtlichen "Weltbildes" oder des "Menschenbildes" für eine Rechtsordnung. Das Bundesverfassungsgericht z. B. beruft sich auf das "Menschenbild des Grundgesetzes" (BVerfGE 4, S. 7, 15), Jescheck geht dem der Strafrechts reform nach (Das Menschenbild unserer Zeit und die Strafrechtsreform, 1957). Vgl. auch Radbruch, Der Mensch im Recht (1927, 3. Auf!. 1957). In Engischs "Weltbild des Juristen" (1950, 2. Auf!. 1965) wird der Begriff des Weltbildes durchweg anders als hier verwendet. Gegen ein "Menschenbild" des Grundgesetzes unter anderem Forsthoff, Umbildung, S. 44; Hamann, Art. 1, Anm. B 1 a, Art. 2, Anm. 4 a. - Vgl. ferner Henkel, Einführung, S. 166 ff. 92 In diesen vom Recht vorgezeichneten und offengehaltenen (gewährleisteten) Möglichkeiten des Selbstseins zeigt sich die Geschichtlichkeit des Daseins, das je immer schon in einer ihm mit anderen gemeinsamen (in einer bestimmten gemeinsamen - auch rechtlichen - Ordnung befindlichen) Welt ist und nur in dieser es selbst sein kann, weil es allein aus ihr seine ihm je geschichtlich bestimmten Möglichkeiten erhält. 93 Nur unter dieser Voraussetzung ist der Satz des Bundesverfassungsgerichts richtig, die Entfaltung der Persönlichkeit innerhalb eines ihr eigentümlichen Kernbereichs könne nicht gegen das Sittengesetz, die Rechte anderer oder die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen (BVerfGE 6, S. 32, 36), darüber hinaus aber nicht haltbar (dagegen auch Ehmke, VVDStRL 20 [1963], S. 83). Eine andere Folgerung läßt sich nicht ziehen, wenn die vom Grundgesetz vorgezeichnete Ordnung keine bloß formale, sondern eine inhaltserfüllte, materiale sein soll (vgl. z. B. BVerfGE 7, S. 198, 205 ff.; Hesse, Rechtsstaat, S. 77 f.; anders vor allem Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes), deren Sachhaltigkeit nicht auf einem farblosen Allerweltsverständnis, sondern auf geschichtlich-bestimmten materialen Entscheidungen hinsichtlich der gemeinsamen Daseinsgestaltung beruht, die jedoch (vom Standpunkt menschlichen Daseins überhaupt) nicht die einzig möglichen sind, was ihrer Verbindlichkeit keinen Abbruch tun kann. - Vgl. auch Würtenberger, Gewissen, S. 351 ff. 94 Indem das Recht niemals alle denkbaren Möglichkeiten (Weisen) des Selbstseins freigibt, sondern nur die in der geschichtlich-konkreten Rechtsgerneinschaft ausgebildeten, hic et nunc gültigen, im Rechtsgenossesein zur Eigentlichkeit des Daseins zu gelangen, ist, bei aller sich hieraus ergebenden Verpflichtung für den einzelnen, der extreme Fall nicht auszuschließen, daß ein konkreter einzelner in diesen Möglichkeiten nicht (nicht immer) er selbst sein kann.

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

122

zug des Selbstseins ist aber allein Sache eines jeden einzelnen; die Rechtsordnung bietet für diese je eigens te Leistung des Menschen kein "Rezept", sondern nur die sich aus dem ihr zugrunde liegenden gemeinsamen Seinsverständnis ergebenden Möglichkeiten, in denen das Selbstsein vollzogen weden kann, verlangt jedoch nicht, daß ihren Anforderungen in der Weise der Eigentlichkeit des Daseins genügt wird. Sie ist demzufolge keine Ordnung des Selbstseins, sondern des Mitseins; als solche ist sie auf dieses und nur auf dieses angelegt, wenn sie nicht ihre Aufgabe verfehlen Will 95 . Im übrigen erfaßt das Recht den Menschen nicht in seiner Totalität. Der Mensch ist zwar immer im Recht, auch in seinem eigentlichen Selbstsein, aber nicht nur und ausschließlich, sondern er steht in seinem Sein im Recht noch über dieses hinaus, d. h. das Recht begreift ihn nie in seiner vollen Ganzheit, sondern nur in Teilaspekten (Teilbezirken)96. b) Andere Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung Außer in den vorerwähnten existenzphilosophischen Ansätzen einer Rechtsbegründung wird auch sonst die soziale Existenz (das "Mitsein") des Menschen vielfältig hervorgehoben und als "tragender Grund für die Rechtsordnung" anerkannt97 . Man betrachtet den Menschen im Recht als "Glied der Gemeinschaft mit primären sozialen Pflichten, die sei95 Wollte sie sich des Selbstseins annehmen, so würde sie es geradezu verhindern, indem sie das Dasein etwa in eine alles umfassende Fürsorge oder in die Extravaganz und das Andersseinwollen um jeden Preis (aus der Vorstellung eines von allen es am Selbstseinkönnen angeblich hindernden Bindungen an eine gemeinsame Welt "befreiten", in Wahrheit entwurzelten Individuums, deren Propagierung jede Gemeinschaft und mit ihr die Möglichkeit eigentlichen Selbstseinkönnens zerstört, Ziel- und Richtungslosigkeit des Daseins hervorruft und das Wählen der faktischen Möglichkeiten aus Bereichen der Abartigkeit begünstigt) abdrängte und darin auflöste. Hieraus erhellt, daß die Möglichkeiten eigentlichen Selbstseinkönnens auch dann um so geringer sind, je weniger eine Zusammenfassung von Individuen eine von einem gemeinsamen Seinsverständnis getragene Gemeinschaft ist und je mehr das Leitbild des bindungslosen Individuums Geltung erlangt und die Ordnung des Zusammenlebens bestimmt. 96 Vgl. auch Coing, Rechtsphilosophie, S. 48, 114 f. 97 Würtenberger, Situation, S. 22 (vgl. auch S. 27); derseLbe, Gewissen, S. 340 f., 344. Sehr deutlich betont z. B. Fechner, daß es "außerhalb des Sozialen kein Recht" gibt (Rechtsphilosophie, S. 196); dessen Ziel sei Ordnung und Befriedung menschlichen Zusammenlebens: "Recht ist wirklich im sozialen Raum, selbst etwas spezifisch Gesellschaftliches, Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen, und zwar nach durchschnittlichen, für alle brauchbaren Maßstäben" (ARSPh. 41 [1954/55], S. 307). Vgl. ferner etwa Larenz, Methodenlehre, S. 351, Anm. 1; WeLzeL, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, S. 178; Drath, Verbindlichkeit des Rechts, S. 27; Dahm, Deutsches Recht, S. 13; ZeidLer, Maßnahmegesetz, S. 147, 148; KrieLe, S. 84; Arthur Kaufmann, Recht und Sittlichkeit, S. 15 f.; Sm end, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 123; de'/selbe, HDSW 5, S. 299; Messner, Kulturethik, S. 368 f.; derseLbe, Naturrecht,

S.125.

2. Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen

123

nem Status als Individuum nicht nur wie ein Fremdkörper gewissermaßen angehängt sind"98. Es ist demzufolge nicht die Berührung mit einem Individualdasein, sondern gerade der "Bezug auf das Soziale", was ein Verhalten dem Recht zugänglich macht 99 • Das Bundesverfassungsgericht spricht in einer für die Verfassungs auslegung bedeutsamen Weise von dem "Menschenbild des Grundgesetzes", das "nicht das eines isolierten souveränen Individuums" sei, sondern "das der in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit", d. h. das Bild des Menschen "als verantwortlich lebenden Gliedes der Gemeinschaft": "Das Grundgesetz hat ... die Spannung Individuum Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten"lOO. In der Literatur haben diese Sätze durchweg Zustimmung gefunden 101 , und auch das Bundesverwaltungsgericht sieht für sein Verständnis des Grundgesetzes den Menschen als "verantwortlich lebendes Glied" der Gemeinschaft an 102 . Die Sozialentscheidung (das Sozialstaatsprinzip) des Grundgesetzes 103 läßt die Gemeinschaftsgebundenheit des Menschen deutlich hervortreten. Ebens~ ist etwa das vielerörterte Problem der Sozialadäquanz nur auf dem Hintergrund dieser Gemeinschaftsgebundenheit recht verständlich_ Und bei der Strafrechtsreform schließlich hat man sich nach den Worten Jeschecks von der Vorstellung eines Menschen leiten lassen, der "seine mitmenschlichen Beziehungen als ein Stück seiner eigentlichsten Existenz empfindet"104. Jescheck, JZ 1959, S. 461. Entsprechend Würtenberger, Gewissen, S. 341 BVerfGE 6, S. 389, 433. Ähnlich auch z. B. OVG Bremen, DVBl. 1963, S. 69. Vgl. ferner Larenz, Methodenlehre, S. 351, Anm. 1: "Was die Sozial98

99

sphäre des Menschen in keiner Weise berührt ... , fällt ... in den ,rechtsfreien Raum'''. '00 BVerfGE 4, S. 7, 15 f.; 7, S. 320, 323; 12, S. 45, 51; BVerwGE 4, S. 95; vgl. auch BVerfGE 6, S. 32, 36, S. 389, 422; 7, S. 377, 403; 8, S. 274, 329. '0' Vgl. z. B. Maunz-Dürig, Art. 1, Nr. 46 ff., Art. 2, Nr. 25 (mit weiteren. Nachweisen); von Mangoldt-Klein, Art. 2, Anm. IV; Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S. 773; Marcic, S. 306 f.; Wintrich, Problematik, S. 6 f., 20; Roemer, Grundrecht, S. 551, 552; Geiger, Staatslexikon, III, Sp. 1126 (der Mensch sei "ein auf die Gemeinschaft angewiesenes, auf sie hin und in sie hinein geordnetes Wesen", woraus sich die "immanente Schranke" der Grundrechte ergebe); Dahm, Deutsches Recht, S. 298 f. '02 BVerwGE 14, S. 21, 25; vgl. auch BVerwGE 6, S. 134, 140; 7, S. 304, 317; 12, S. 140, 161.

Siehe unten S. 135 ff. Menschenbild, S. 13; vgl. ferner zstw 75 (1963), S. 7. Erik Wolf wie~ schon im "Wesen des Täters" (1932) darauf hin, daß der Täter im Strafrecht nicht als Individuum, sondern als Rechtsgenosse begriffen werde; die Verneinung der Gemeinschaftsbindung kennzeichnete er als PersonverfaU (S. 19, 27 ff.). Vgl. auch Maihofer, Unrechtsvorwurf, S. 148, der aus dem von Erik Wolf nicht weiter verfolgten Gedankengang Anknüpfungspunkte für seine eigene Unrechtslehre zu gewinnen sucht. '03

'04

124

IV. Der Gegensatz von Individuum und sozialem Wesen

3. Folgerungen

Mit der Feststellung, daß der Mensch im Recht und für das Recht ein soziales Wesen ist, wird der auf dem Dualismus Individualperson Sozialperson beruhenden Lehre Goldschmidts und seiner Anhänger der Boden entzogen. Wir verstehen den Menschen in dem für das Recht maßgeblichen Sinne nicht als isoliertes Einzelwesen, sondern in seiner ihm eigentümlichen Gemeinschaftsverbundenheit. Nur dieses Verständnis des Menschen ist konstitutiv für die Rechtsordnung, und zwar in ihrer Gesamtheit. Damit kann es auch kein Ahndungsrecht geben, das auf einer anderen Grundlage beruhte. Dies gilt nicht nur für die Begründung des Rechts überhaupt, sondern ebenso für seine inhaltliche Ausgestaltung. Deren Grundsätze haben das Mitsein in einer Gemeinschaft, in der der einzelne je immer schon steht, mit der er verbunden ist und deren Bestand er mitträgt, zum Gegenstand und nicht das Dasein des einzelnen als für sich seienden Individuums. Zu den Grundsätzen der objektiven Gemeinschaftsordnung, in der der Mensch als soziales Wesen ist, gehören auch die aus dem Personsein oder der Personalität abgeleiteten. Die Grundrechte haben hier gleichfalls ihren Platz. Es handelt sich dabei nicht in erster Linie um subjektive Rechte des Individuums, sondern um objektive Grundsätze, die für erforderlich gehalten werden, um eine bestehende Vorstellung von der rechten Ordnung des Gemeinschaftslebens, des Daseins als Mitseins in einer gemeinsamen mitmenschlichen Welt, verwirklichen zu können105 • Als solche sind sie nicht Anknüpfungspunkte etwa für eine besondere Art von Straf- oder Ahndungsrecht, sondern durchziehen in ihrem Geltungsbereich und mit ihrer Wirkungsrichtung die gesamte Rechtsordnung, in welcher der Mensch überall nur soziales Wesen ist, gleichermaßen. Aus der Schutzrichtung der Rechtsnormen kann man nichts anderes herleiten, insbesondere nicht auf Grund etwa einer Gegenüberstellung von Freiheitsgarantie und Sozialentscheidung des Grundgesetzes106 • Deshalb lassen sich von hier aus keine Ansatzpunkte für eine (sei es vom Subjekt - in seiner Freiheit oder in seiner Sozialbindung gesehen -, sei es von der Art des Schutzgegenstandes zu gewinnende) Differenzierung des Ahndungsrechts bilden. Auch der Bundesgerichtshof erkennt als für das Strafrecht konstitutive Schutzobjekte Gemeinschafts- und Individualgüter(-werte) gleichberechtigt nebeneinander an107 • 105 Nicht aber sind es Grundsätze für die Gestaltung des Individualdaseins: Eine allgemein verbindliche Regelung desselben soll durch sie ja gerade ausgeschlossen werden. 106 Siehe hierzu näher oben S. 109, Anm. 41, sowie unten S. 135 ff., bes. S. 137, Anm. 48. 107 Siehe oben S. 46. Er meint dann irrigerweise, den Ordnungswidrigkeiten fehle der Bezug auf solche Güter oder Werte.

3. Folgerungen

125

Es zeigt sich also, daß man auf die Gegenüberstellung von Individualperson und Gliedperson, von Pflichten des Individuums gegenüber anderen Individuen (oder einer Mehrheit von Individuen) und von solchen der Sozialperson gegenüber oder im Interesse der Gemeinschaft (Gesamtheit) keinen Wesensunterschied von Kriminalstraftaten und Ordnungs- oder Verwaltungswidrigkeiten gründen kann. Diese Erkenntnis muß als fundamental für die Behandlung unseres Themas bezeichnet werden. Es ist deshalb zu vermuten - was die folgende Untersuchung bestätigen wird -, daß sie auch unter den für die weitere Erörterung des Problems maßgebenden Gesichtspunkten stets erneut zutage tritt und sich auf diese Weise noch in mehrfacher Hinsicht verifiziert.

V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen 1. Gerechtigkeit und gerechtigkeitsfreie Verwaltungszwecke als Merkmale eines Gegensatzes von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung

a) Das Verhältnis von Gerechtigkeit und Zweckverwirklichung Das Gemeinwohl Zunächst bleibt die Frage, ob es für die Unterscheidung von strafbaren Handlungen und Ordnungs- oder Verwaltungswidrigkeiten eine andere Grundlage gibt. Sind zwar aus einem Gegensatz von Individuum und Gemeinschaftswesen keine verschiedenen Bezugssysteme herzuleiten, so ist noch nicht ausgemacht, ob Rechtsordnung und Verwaltungsordnung im hier gemeinten Sinne sonstwie als für jenen Unterschied konstitutive Bezugsgrößen begriffen werden können. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn sie sich auf Gerechtigkeit und Wohlfahrt (Rechtswert und Wohlfahrtswert, wie es Erik Wolf in der Sprache der Wertphilosophie ausdrückte) zurückführen, d. h. aus diesen sich zwei abgegrenzte oder doch abgrenzbare Bereiche realen staatlichen Wirkens entfalten ließen, deren Unterschiedlichkeit diejenige von kriminellem Unrecht und Verwaltungswidrigkeiten begründen könnte. Erik Wolf hatte eine solche Meinung verfochten1 . Auch an die Lehre vom Maßnahmegesetz 2 mit ihrer Gegenüberstellung von Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit als Merkmalen zur Abgrenzung von Rechts- und Maßnahmegesetzen (Gesetzen mit und ohne substantiellen Rechtsgehalt) sei hier erinnert sowie ferner an die Versuche von Herbert Krüger und Forsthoff, mit Hilfe der Unterscheidung von Rechtswert und Verwaltungswert3 zu einer materialen Bestimmung und Trennung von Rechtssatz und Verwaltungssatz zu gelangen4 • 1 Siehe Band I, S. 158 ff. Eine dreifache Staatswertentfaltung (in Rechtswert, Wohlfahrtswert und Machtwert) nahm schon Smend (Verfassung und Verfassungsrecht, S. 193 ff., 207 ff.) unter Berufung auf Georg JeHinek (Staatslehre, 3. Aufl., S. 255 ff.) und Scheler (Formalismus, S. 568 f. [5. Aufl., S.534]) an, aber (anders als Erik Wolf) in der Weise, daß "keine Staatsfunktion, keine staatliche Einrichtung rein und ausschließlich von einem der drei Werte beherrscht wird" (S. 195). Siehe auch oben S. 93, Anm. 1a. 2 Siehe oben S. 93 f., Anm. 1a. 3 Vgl. dazu Sm end, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 193 ff., 207 ff. 4 Krüger, Rechtsverordnung und Verwaltungsanweisung, S. 211, 230:

1. Gerechtigkeit und gerechtigkeits freie Verwaltungszwecke

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Hinsichtlich des Verhältnisses von Gerechtigkeit und Wohlfahrt kann nun gerade die Wertphilosophie einige Einsichten vermitteln, die auch über sie hinaus Gültigkeit haben. Nicolai Hartmann unterscheidet unter anderem zwischen Güterwerten (Sachverhaltswerten) und sittlichen Werten, wobei jene Wertmaterie für diese sind (sie fundieren), d. h. sittliche Werte setzen zu ihrer Verwirklichung Güter voraus, auf die als Wertobjekte sich die sittlichen Akte beziehen5 • Geht man davon aus, so wäre die Wohlfahrt als ein Güterwert aufzufassen, der möglicherweise Materie für den sittlichen Wert der Gerechtigkeit ist (Wertmaterie, an der die Gerechtigkeit erscheinen kann - nämlich sofern jener die dazu erforderliche Struktur eignet -, nicht notwendig muß)6. Hiernach ergibt sich ein ganz anderes Verhältnis von Gerechtigkeit und Wohlfahrt: Beide sind nicht einander ausschließende Gegensätze, sondern die Wohlfahrt kommt als ein Mittel in Betracht, durch das Gerechtigkeit verwirklicht werden kann. Diese Erkenntnis ist nicht an die Voraussetzungen der Wertphilosophie gebunden, sondern beruht darauf, daß die Gerechtigkeit überhaupt nie unmittelbar, sondern nur durch die Verfolgung bestimmter für wertvoll erachteter realer Zwecke (Herbeiführen beziehungsweise Erstreben wertvoller Sachverhalte oder Zustände, Schaffen, Sichern, Zuteilen von Gütern) zu erreichen ist7. Die nach dem zuvor Ausgeführten entscheidende Frage, ob man die Gesetze (rechtsförmlichen Vorschriften)8 in solche, die ihrer Zielsetzung nach Gerechtigkeit verwirklichen sollen (Rechtsgesetze), und andere, die schon von vornherein nicht an der Gerechtigkeit ausgerichtet sind (Verwaltungszweckgesetze), einteilen kann, muß also, da auch die Gerechtigkeit nicht ohne das Erstreben bestimmter Zwecke auskommt, "Rechtssatz ist eine Norm, die dem Frieden zu dienen bestimmt und nach dem Maßstab der Gerechtigkeit gebildet ist. Verwaltungssatz ist eine Norm, die die Wohlfahrt fördern soll und nach dem Maßstab der Zweckmäßigkeit gestaltet wurde"; auch ausführlich derselbe, Staatslehre, S. 713 ff., 730 ff.; Forsthoff, S. 134. Gegen Krüger insbesondere Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37, 59 f., 67; derselbe, Verwaltungs akt und innerdienstliche Weisung, S. 285, 288 ff., 293 f. Vgl. auch Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 160. 5 Ethik, S. 251 ff., 361 ff., 369 ff. 6 Auch wo die Gerechtigkeit nicht als Aktwert (sittlicher Wert), sondern als Sachverhaltswert (Gut) auftritt (N. Hartmann, Ethik, S. 420), bleibt das Verhältnis gleich. Sie könnte dann als höherer Güterwert auf dem niederen der Wohlfahrt fundiert sein. 7 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 146 ("Gerechtigkeit bestimmt nur die Form Rechtens. Um den Inhalt des Rechts zu gewinnen, muß ein zweiter Gedanke hinzutreten: die Zweckmäßigkeit"); Dahm, Deutsches Recht, S. 17; derselbe, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 1; Engisch, Einführung, S. 30,129. 8 Der Umfang des hier verwendeten Gesetzesbegriffs braucht nicht näher bestimmt zu werden. Er umfaßt auf jeden Fall allgemein Gesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG und des § 2 StGB [a. F., jetzt § 1 StGB] (also z. B. auch Rechtsverordnungen) .

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

genauer dahin gestellt werden, ob es als Gesetzeszwecke neben Gerechtigkeits- oder Rechtszwecken noch andere, als "Verwaltungszwecke" zusammengefaßte, gerechtigkeitsindifferente Gesetzeszwecke gibt, die einen dem "Gerechtigkeitswert" entgegengesetzten, im einzelnen noch näher zu bestimmenden "Wert" (bloßen "Verwaltungswert"?) fundieren und deshalb für materiell verstandene Verwaltungssätze konstitutiv sind, welche insgesamt die Verwaltungsordnung (im Gegensatz zur Rechtsordnung, beide im materiellen Sinne aufgefaßt) bilden. Allenfalls könnte der gesuchte Unterschied, wenn schon nicht in der Gerichtetheit der Vorschriften auf bestimmte Zwecke (Zweckhaftigkeit), so doch in der Art und Weise der Zweckverfolgung (Zweckmäßigkeit) liegen. Als Zwecke, durch deren Verfolgung Gerechtigkeit im sozialen Lebensraum verwirklicht werden kann, kommen alle in Betracht, die im Hinblick auf die als richtig vorgestellte, rechtlich zu gewährleistende Sozialordnung wertvoll sind (in bezug auf die Sicherung des Bestandes der Gemeinschaft, die von ihr oder in ihr zu erstrebenden Ziele, die Gestaltung der rechten Ordnung in ihr). Die Zwecke erhalten ihre vom Standpunkt der Rechtsgemeinschaft aus zu beurteilende Werthaftigkeit mithin durch ihre Orientierung am Gemeinwohl. Unter diesem hat man die Gesamtheit der Ziele, nach denen die gemeinsame Ordnung des Soziallebens zu gestalten ist und die im Gemeinwesen den ihre Einheit bedingenden Bezugspunkt haben, sowie die Ausgewogenheit der sozialen Ordnung auf ihre Ziele hin zu verstehen9 • Die Ziele müssen immer im Rahmen der in der Rechtsgemeinschaft geltenden grundlegenden, sie integrierenden Vorstellungen111 über die rechte Ordnung 9 Der Begriff des Gemeinwohls (als Staatszweck oder Rechtsidee) hatte in der Naturrechtslehre erhebliche Bedeutung (heute wird er in der katholischen Rechtsphilosophie viel verwendet); darauf und auf seine verschiedenen Sinngehalte kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der hier gebrauchte Gemeinwohlbegriff ist nicht bloß aus dem Gedanken der Fürsorge als Staatsaufgabe oder der Pfiichtigkeit des einzelnen gegenüber der Gesamtheit und überhaupt nicht in einem lediglich utilitaristischen Sinne zu verstehen, sondern im Hinblick auf eine nach den Zielen des Mitseins in der jeweiligen staatlich verfaßten Gemeinschaft ausgerichteten, ausgewogenen und den sozialen Frieden sichernden, insofern also dem Gesamtinteresse dienenden allgemein verbindlichen Regelung als gemeinsamer Lebensordnung. Innerhalb dessen führt der Gedanke des Gemeinwohls auch zur Pfiichtigkeit des einzelnen gegenüber und im Interesse der Gesamtheit und ihrer Glieder (des sozialen Zusammenlebens: Sozialpfiichtigkeit) und zur Wohlfahrt in einem engeren Sinne der sozialen Fürsorge für die Gesamtheit und die in ihr zusammengefaßten einzelnen (Daseinsvorsorge, soziale Sicherung und Befriedung) als heute besonders in den Vordergrund getretene Staatsaufgabe. Zum Gemeinwohl vgl. auch Henkel, Einführung, S. 365 ff. 10 Sie sind für eine Rechtsgemeinschaft wesentlich; ohne sie könnte sie nicht als solche bestehen. "Integration" wird hier im Sinne der Integrationslehre Rudolf Smends verstanden (vgl. Verfassung und Verfassungsrecht; ferner HDSW 5, S. 299 ff.).

i. Gerechtlgkeit und gerechtigkeits freie Ver-waltungszwecke

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des Mitseins in einer gemeinsamen Welt liegen oder unmittelbar aus ihnen folgen; ihre Feststellung in der jeweiligen geschichtlichen Lage der Rechtsgemeinschaft erfordert zumeist die Mitwirkung des Gesetzgebers als Repräsentanten der Rechtsgemeinschaft. Das Gemeinwoh1 wird so für den Inhalt der vom Gesetzgeber zu erstrebenden, durch die' staatliche Rechtsordnung zu verwirklichenden Gerechtigkeit maßgebend, d. h. nach ihm sind im einzelnen die (näheren) Zwecke, durch die der Gedanke der Gerechtigkeit für eine Rechtsgemeinschaft jeweils den notwendigen konkreten Inhalt erhält, zu ermitteln (umgekehrt kann die Gerechtigkeit ihren Inhalt nur solchen nach dem Gemeinwohl ermittelten Zwecken entnehmen). Zu seiner Ausprägung bedarf es einerseits des Rückgriffs auf die integrierenden grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen und andererseits der Konkretisierung in unmittelbare, reale Zwecke, die im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse zur Durchsetzung der von jenen Zielen des Zusammenlebens abhängigen Ordnungsvorstellungenll ausgewählt werden12 . Daß hierfür der Gesetzgeber und das positive Gesetz unerläßlich sind und der Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum sowohl bei der Ausprägung der Ziele und Ordnungsvorstellungen als auch bei ihrer Verwirklichung haben muß, liegt auf der Hand und besagt nichts für oder gegen die Gerechtigkeit des Gesetzes13 • Die Werthaftigkeit für die Ordnung eines sozialen Lebensbereichs im beschriebenen Sinne macht den Gesetzeszweck zum Rechtszweck (gerechten Zweck) und gibt dem Gesetz rechtliche Substanz und zugleich materiell auch über die Autorität des historischen Gesetzgebers hinaus Grund und Rechtfertigung. So ist jeder Zweck, der für die rechtlich zu gewährleistende Gemeinschaftsordnung wertvoll ist, in diesem Sinne ein Rechtszweck und geeignet, das Gesetz zu einem Bestandteil der materiell verstandenen Rechtsordnung zu machen (seine rechtliche Substanz zu begründen)!'. Das gewonnene Ergebnis gilt ganz allgemein für das 11 Solche Ziele können auch neu auftreten und dadurch neue Ordnungsoder Wertvorstellungen erzeugen. 12 Auf die Einzelprobleme des Verhältnisses zwischen Gerechtigkeit und Gemeinwohl (etwa, welche der möglichen Gemeinwohlzweckverfolgungen in einem gegebenen Falle Gerechtigkeit schaffen, wie das Verhältnis verschiedener derartiger, unter Umständen einander widerstreitender Zwecke ist usw.) einzugehen und damit zu konkreteren Aussagen zu gelangen, liegt nicht im Bereich unserer Untersuchung; für diese kommt es nur auf die Gewinnung der aufgezeigten grundsätzlichen, wenn auch notwendigerweise allgemein gehaltenen Stellungnahme an. IS Siehe auch unten S. 176 ff. 14 Hierbei erscheint es müßig, nach "an sich" gerechtigkeits indifferenten Zwecken fragen zu wollen, denn jeder Zweck ist - worauf es allein ankommt - stets dann gerechtigkeitsdifferent, wenn er zum Bestimmungsgrund der rechtlichen Ordnung eines Bereiches menschlichen Zusammenlebens gemacht werden muß. - Siehe ferner unten S. 177, 183 ff.

9 Mattes

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Zweckverwirklichung (die Zwecksetzung im Recht und durch das - staatliche - Gesetz) und damit prinzipiell für alle Gesetze. Kein erstrebenswerter Zweck ist von vornherein untauglich, als Grundlage der Gerechtigkeit zu dienen15 • Der Staat darf als Gesetzgeber gar nicht beliebige Zwecke verfolgen, sondern nur solche des in der angegebenen Weise verstandenen Gemeinwohls, und die Gemeinwohlzwecke haben allgemein Gerechtigkeitswert. Dasselbe ist gegenüber der Lehre vom Maßnahmegesetz 16 zu bemerken. Dieses stellt kein bloßes Mittel zur Verwirklichung eines gerechtigkeitsindifferenten Zweckes in Form eines rein zweckmäßigen gesetzlichen Eingriffs in eine konkrete Situation dar, sondern soll auf die gegebene Sachlage durch Verfolgen bestimmter Zwecke gerade GerechtigkeitsvorsteIlungen, die das positive Gesetz in ihr nicht durchsetzen kann (so daß hier, gemessen an den leitenden Ordnungsgedanken, ein Mangel in Gestalt einer Störung oder Fehlentwicklung der rechtlichen Sozialordnung vorliegt), unmittelbar anwenden. Aus dieser Zielsetzung empfängt das Maßnahmegesetz seinen materialen Rechtsgehalt (Gerechtigkeitswert)17. Aus dem Vorangegangenen ergibt sich einerseits, daß das Gesetz, sieht man vom Problem des ungerechten Gesetzes ab, das in unserem Zusammenhang ja keine Rolle spielt, stets "Recht", die gesetzliche Regelung also eine rechtliche Ordnung ist1 8 , und andererseits, daß der Staat, was auch immer er sich zum Gegenstand seiner gesetzlichen Vgl. auch N. Hartmann, Ethik, S. 362, 368 f. Siehe oben S. 93 f., Anm. 1a. 17 K. Huber, S. 117 ff. Daß man die durch eine konkrete Sachlage bedingten Gesetze nicht danach, ob sie an der Gerechtigkeit oder nur an der Zweckmäßigkeit orientiert sind, in Rechtsgesetze (Normgesetze) und Maßnahmegesetze einteilen, d. h. nicht vom Rechtsbegriff aus zwischen ihnen unterscheiden kann, hat insbesondere Zeidler nachgewiesen (vgl. vor allem Maßnahmegesetz, S.145 ff., 201, 203); ähnlich Ehmke, Wirtschaft, S. 67 ff.; Wehrhahn, VVDStRL 15 (1957), S. 35 ff.; K. Huber, S. 122; gegen einen eigenständigen Typus des Maßnahmegesetzes außerdem z. B. Maunz-Dürig, Art. 20, Nr. 107; Hans Schneider, über Einzelfallgesetze, S. 159, 162 (vgl. ferner die Zusammenstellung bei Zeidler, a.a.O., S. 45 ff., 48 ff.; K. Huber, S. 15 ff.). Konrad Huber will zwar dem Maßnahmegesetz eigene rechtliche Bedeutung zuerkennen, aber nicht als bloße Zweckmaßnahme ohne Rechtsgehalt, sondern als unmittelbare Entscheidung, die die rechtliche Ordnung eines Lebensbereichs durch Intervention herbeiführt: Es diene dem Rechtszweck (nämlich der Herstellung eines rechtlichen Zustandes), indem es einen Rechtsgedanken auf eine konkrete Situation anwende; deshalb sei es eine "nicht rein zweckmäßige, sondern an der Gerechtigkeit orientierte, unmittelbare Entscheidung eines konkreten Einzelfalls" und zu definieren als "jede unmittelbare Intervention in der Form eines Gesetzes zur Behebung einer Störung im rechtlichen Zustand des Gemeinwesens" (vgl. S. 120 ff., 168 ff.). 18 Umgekehrt gilt die Gleichung allerdings niCl'1t. Gegen eine Spaltung von Rechtsbegriff und Gesetzesbegriff durch zu enge Fassung des Rechtsbegriffs auch Ehmke, Wirtschaft, S. 71. Vgl. ferner Maunz-Dürig, Art. 20, Nr.72. 15

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1. Gerechtigkeit und gerechtigkeitsfreie Vetwäftungszwecke

t3f

Regelung nehmen möge, stets die Pflicht hat, gerechte Gesetze zu schaf~ fen, d. h. mit seiner Zwecksetzung eine gerechte Ordnung zu erstreben,denn die Aufgabe des Rechts, dem Sozialleben eine gerechte Ordnung zu geben, erstreckt sich auf alle sozialen Bereiche und Beziehungen, für die von der im staatlichen Gemeinwesen verfaßten Rechtsgemeinschaft aus eine verbindliche Regelung notwendig ist. Nach dieser Erkenntnis muß wie der Rechtsbegriff entsprechend auch der Gesetzesbegriff gefaßt werden19 • Daß der Gesetzgeber seine Aufgabe verfehlen kann und deswegen ungerechte Gesetze vorkommen, gehört hier nicht zum Thema. Ihrer Zielsetzung nach darf jedenfalls die rechtliche Ordnung des Zusammenlebens überall nur eine gerechte sein und niemals und in keiner Hinsicht von der Anforderung der Gerechtigkeit entbunden werden20 • So ist die Gerechtigkeit die "Idee" allen Rechts21 • Sie kann es jedoch nichtsein, wenn sie ihrerseits in einer Weise verengt wird, daß aus ihrem Geltungsbereich gewisse Sozialbeziehungen oder Gestaltungen der Sozialordnung herausfallen, obwohl sie der gesetzlichen Regelung bedürfen. Will man in der Gerechtigkeit ein Richtmaß für die rechtliche Ordnung und Gestaltung des Soziallebens sehen, muß man sie aus der Vorstellung vom Menschen als einem sozialen Wesen und gerade im Hinblick nicht auf die Abgrenzung und Sicherung von Individualsphären (vorrechtlichen individuellen Machtbezirken), die Anerkennung gegebener gesellschaftlicher Zustände und die Regelung der Beziehungen zwischen einzelnen Individuen, sondern auf die Ordnung und Gestaltung des Mitseins in einer bestimmten Gemeinschaft, wofür sie der Orientierungspunkt sein soll, begreifen. In diesem Sinne ist die Gerechtigkeit stets und nur soziale Gerechtigkeit22 • Hier erhellt die 19 Eine nähere Erörterung des Gesetzesbegriffs ist im Rahmen dieser unter strafrechtlichem Blickwinkel stehenden Arbeit entbehrlich. Insbesondere darf man die Problematik des staatsrechtlichen Gesetzesbegriffs hier übergehen. Vgl. dazu etwa Jesch, Gesetz und Verwaltung; Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 77 ff.; K. Huber, S. 126 ff.; ferner Häberle, S. 126 ff. 20 Vgl. z. B. Larenz, Methodenlehre, S. 176: "Das ,positive' Recht ... steht seinem Sinne nach unter der Anforderung der Gerechtigkeit und kann diese Anforderung nicht verleugnen, ohne aufzuhören, ,Recht' zu sein". 21 Vgl. Dahm, Deutsches Recht, S. 14; Engisch, Einführung, S. 164; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 123 ff. ("Recht ist die Wirklichkeit, die den Sinn hat, dem Rechtswert, der Rechtsidee zu dienen. Der Rechtsbegriff ist also ausgerichtet an der Rechtsidee. Die Idee des Rechts kann nun keine andere sein als die Gerechtigkeit." Vgl. aber auch S. 168 ff.); Coing, Rechtsphilosophie, S. 111ff., 147ff., 179ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 174f.; Sauer, System der Rechts- und Sozialphilosophie, S. 194 f., 198 f., 202 ff.; derselbe, Gerechtigkeit, S. 57; derselbe, Strafrechtslehre, S. 53. 22 Besonders deutlich Sauer, Gerechtigkeit, S. 4 ff.; derselbe, Strafrechtslehre, S. 53; derselbe, System der Rechts- und Sozialphilosophie, S. 194 f. Vgl. auch Dahm, Deutsches Recht, S. 17; Kriele, S. 84; Forsthofj, S. 3 f. Der Ausdruck "soziale Gerechtigkeit" meint nicht eine Unterart der Gerechtigkeit, sondern weist darauf hin, daß Gerechtigkeit nur in einer Gemeinschaft vorkommt und den Menschen als soziales Wesen voraussetzt, insofern also notwendig "sozial" ist. Der Maßstab des Gerechten wird deshalb nicht



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Richtigkeit der Ansicht Radbruchs, die austeilende, von Dahm23 als "spezifisch gemeinschaftsbezogen" bezeichnete Gerechtigkeit (justitia distributiva) stelle "die Urform der Gerechtigkeit" dar24 • Eine solche austeilende Gerechtigkeit ist die im besonderen Sinne der Daseinsvorsorge oder sozialen Fürsorge verstandene W ohlfahrt 25 • Sie bildet deshalb auch in diesem engeren Verständnis nicht den vor allem von Erik Wolf angenommenen Gegensatz zur Gerechtigkeit, sondern einen möglichen Inhalt derselben (einen Weg, Gerechtigkeit zu verwirklichen, wobei Richtmaß nur das umfassend verstandene Gemeinwohl sein kann)26. Insbesondere erweist es sich als unmöglich, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit nach der Individualität und der Sozialität des Menschen beziehungsweise nach der Bezogenheit auf das Individuum und die Gemeinschaft zu trennen. In den vorangegangenen Erörterungen ist von der möglichen Gerechtigkeit der allgemeinen Regelung des Gesetzes, nicht jedoch der Entscheidung eines konkreten Falles die Rede gewesen und damit zugleich die Meinung abgelehnt worden, Gerechtigkeit ließe sich nur aus den Besonderheiten des Einzelfalles gewinnen27 und sei deshalb allein individuelle Gerechtigkeit28 • Das Recht kann auch als Gefüge objektiver Normen gerecht oder ungerecht im materiellen Sinne sein. Die Gerechtigkeit des Gesetzes muß generelle Maßstäbe zur Geltung bringen29 • vom Individuum, sondern von der Gemeinschaft und ihrer Ordnung her gewonnen: Danach bemißt sich z. B., was gleich und was einem einzelnen das ihm gebührende (d. h. ihm nach seiner Stellung in der Gemeinschaft nicht in seiner Einzigartigkeit als isoliert betrachtetes Einzelwesen - zukommende) Seine ist. 23 Deutsches Recht, S. 14. 24 Rechtsphilosophie, S. 126. Coing, Rechtsphilosophie, S. 188, nennt sie enger überhaupt "soziale Gerechtigkeit". 25 Die für den modernen Staat kennzeichnende gestaltende Daseinsvorsorge ist nach heutiger Auffassung "im höchsten Grad ein materiales Anliegen der sozialen Gerechtigkeit" (Welzel, JZ 1957, S. 132; ebenso Dahm, Deutsches Recht, S. 327; ähnlich Forsthoff, S. 3 f.) und gehört zu den "Fundamenten unserer sozialen Ordnung" (BVerjGE 9, S. 124, 133). 28 Vgl. Hellmuth Mayer, S. 73: "Es läßt sich auch nicht ein Bereich der guten Ordnung oder der Wohlfahrt dem Gerechtigkeitswert gegenüberstellen. Alle staatliche Tätigkeit, auch die auf zeitbedingte Verwaltungsinteressen bezogene, strebt auf das einheitliche Ziel, eine gerechte und zweckmäßige Ordnung der Lebensverhältnisse herbeizuführen." Ähnlich Forsthoff, S. 3 f. 27 Hier handelt es sich in Wirklichkeit darum, die unter den Gerechtigkeitsvorstellungen, wie sie sich in den geltenden allgemeinen Rechtsregeln niedergeschlagen haben, entscheidungserheblichen Merkmale des Einzelfalles herauszufinden, um diesem die ihm im Gefüge der allgemeinen Regeln nach deren leitenden Grundsätzen zukommende Stelle anweisen zu können. Siehe auch oben S. 106, Anm. 38, S. 107, Anm. 39. 28 Vgl. z. B. Max Ernst Mayer, Rechtsphilosophie, S. 79; Wehrhahn, VVDStRL 15 (1957), S. 44; Baumann (siehe oben S. 106 f., Anm. 38) und dazu Engisch, Konkretisierung, S. 178 ff. 29 Diese Maßstäbe ermöglichen die Einzelfallgerechtigkeit, solange sie nicht eine Fallentscheidung bedingen, die mit ihnen übergeordneten Gerechtig-

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Als Ergebnis unserer bisherigen Überlegungen bleibt festzuhalten, daß es keinen eigenen Typus von Gesetzen (Rechtsvorschriften) gibt, deren Inhalt nicht durch Zwecke bestimmt sein müßte, die für die gerechte Sozialordnung (die Verwirklichung von Gerechtigkeitsvorstellungen) bedeutsam, sondern unter dem Gesichtspunkt der von der Rechtsgemeinschaft und ihrer rechtlichen Sozialordnung her verstandenen Gerechtigkeit gleichgültig (bloße Zweckerwägungen ohne Rechtsgehalt) sind, für die also an Stelle der Orientierung an der Gerechtigkeit gerechtigkeitsfremde Zwecksetzungen konstitutiv wären30 . Die oben aufgeworfene Frage ist infolgedessen dahin zu beantworten, daß Gesetzeszwecke nur Rechtszwecke sind, daneben keine diesen entgegengesetzten "Verwaltungszwecke" bestehen und der von ihnen fundierte "Wert" nur der "Gerechtigkeitswert" sein kann. Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten berührte sich bei der Prüfung der Möglichkeit von Gesetzen ohne substantiellen Rechtsgehalt mit der vom Maßnahmegesetz. Das weitere Merkmal des Maßnahmegesetzes, die Bezogenheit auf eine bestimmte, nicht normale Lage, deren unter übergeordneten Gesichtspunkten der sozialen Ordnung sich ergebende Fehlerhaftigkeit durch die gesetzliche Maßnahme (unmittelbare Entscheidung, die zur Herstellung der rechtlichen Ordnung führt) beseitigt werden soll, bietet hingegen keine Parallele. Die Lehre von den Ordnungswidrigkeiten hat in der Regel keine Vorschriften "zur Beeinflussung konkreter Situationen", sondern solche "zur Ordnung bestimmter Lebensgebiete"31 (sofern sie die von ihr behaupteten Merkmale aufweisen) im Blick, denen aber die Lehre vom Maßnahmegesetz nicht den Rechtssatzcharakter bestreitet32 . Ferner zeigt sich hier die keitsgrundsätzen in Widerspruch steht. - Die sogenannten Einzelfallgesetze sollen einen generellen Maßstab dadurch zur Geltung bringen, daß sie einen Einzelfall einem übergeordneten Grundsatz entsprechend regeln, aus dessen Sicht er nach der bestehenden Rechtslage nicht richtig behandelt werden kann; je nachdem, ob diese Zielsetzung jeweils für gerecht gehalten wird oder nicht, will ein Teil der Lehre das Einzelfallgesetz zu den Rechtsgesetzen zählen oder es als Maßnahmegesetz bezeichnen. Darüber, daß dies nicht haltbar ist, siehe oben S. 130 mit Anm. 17 und die dort Zitierten. 30 Ebenso Ehmke, Wirtschaft, S. 67 ff.; K. Huber, S. 122 ff.; Wehrhahn, VVDStRL 15 (1957), S. 44 f., 61. - Nicht folgerichtig Zeidter, wenn er einerseits meint, Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit seien zwar "unterscheidbare", aber "nicht trennbare" Teile ("Pole") der Rechtsidee, an der das Recht orientiert sein müsse, und andererseits behauptet, "auch die nur zweckmäßige oder die nur der Ordnung dienende Normierung" habe "Rechtsqualität" (Maßnahmegesetz, S. 148, 152). 81 Vgl. Maunz-Dürig, Art. 20, Nr. 96. 82 Selbst eine "reine Ordnungs- und Zweckmäßigkeitsregelung" (wofür das Rechtsfahrgebot als Beispiel genannt wird) gilt für sich allein noch nicht als Maßnahmegesetz (Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 161). Ballerstedt will zwar auch generelle Regelungen als Maßnahmegesetze zulassen (S. 374), aber nur als zweckmäßige Abhilfen oder Vorsorgen angesichts eines von der Normallage abweichenden Zustandes, nicht als Ordnung einer Normallage.

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Selbständigkeit des Strafrechts33 : Strafrechtliches Schutzobjekt ist nicht das Maßnahmegesetz als solches, sondern der rechtliche Zustand, dem dieses dient; deshalb hat der Umstand, daß das Maßnahmegesetz durch eine unmittelbare Entscheidung (Intervention) zur rechtlichen Ordnung führt, strafrechtlich keine Bedeutung. Wenn die Gerechtigkeit (im Sinne der Wertlehre als Wert) nur verwirklicht werden kann in der Verfolgung bestimmter Zwecke, so heißt das nicht, daß sie lediglich von der Gerichtetheit auf solche Zwecke abhängt, denn keine Zweckverfolgung muß schon wegen des Zweckes gerecht sein34 • Außer dem Zweck selbst (der Zweckhaftigkeit) sind hierbei das Ausmaß desselben und sein Verhältnis zu anderen Zwecken der Gemeinschaftsordnung sowie ferner die Art und Weise der Zweckverfolgung (die Zweckmäßigkeit) wichtig. Unzweckmäßigkeit kann eine Regelung ungerecht machen35 • Die dem Zweck gemäße Regelung braucht jedoch als solche noch nicht notwendig gerecht zu sein; hierfür gelten wiederum die in der Rechtsgemeinschaft maßgebenden, für ihre Rechtsordnung grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen. Damit also eine Zweckverfolgung gerecht sein kann, darf der Zweck als solcher nicht ungerecht sein, weder im übermaß erstrebt werden noch in einem Mißverhältnis zu anderen Zielen der Sozialordnung stehen und müssen im übrigen die Mittel den Gerechtigkeitsanforderungen entsprechen36 • Weitergehende allgemeingültige, konkrete Angaben über den Inhalt der Gerechtigkeit erscheinen unmöglich31 ; werden solche versucht, so gelangt man nicht über einen formalen Begriff der Gerechtigkeit hinaus38 • Im Siehe unten S. 144, Anm. 73. Vgl. z. B. Welzel, über den substantiellen Begriff, S. 119. 35 Der Baustop z. B. kann äußerst gerecht sein, sofern er nämlich ein wirksames Mittel gegen eine volkswirtschaftlich schädliche Entwicklung der Baupreise, nicht aber, wenn er im Hinblick auf dieses Ziel unzweckmäßig ist. Gewährleistet eine Verkehrsordnung die Verkehrssicherheit nicht und erschwert nur das Fortkommen, dann ist sie durch ihre Unzweckmäßigkeit auch ungerecht. Erreicht sie den ersten Zweck, bleibt aber bezüglich der Leichtigkeit des Verkehrs unzweckmäßig, so wird sie dennoch als gerecht zu beurteilen sein, weil die Sicherheit der höherwertige Rechtszweck ist (im umgekehrten Falle wäre sie deshalb ungerecht). 38 z. B. müssen die für die Erreichung eines für die Gemeinschaft wichtigen Zweckes erforderlichen Leistungen oder sonst zu erfüllenden Pflichten gleichmäßig oder nach der Leistungsfähigkeit, d. h. eben "gerecht" verteilt werden; dann ist auch das Gesetz, das jenen Zweck erstrebt, gerecht. 87 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 174 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 123 ff., 146, 169; Dahm, Deutsches Recht, S. 14; Engisch, Einführung, S. 129; Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 148 ff. 38 Z. B. entbehren der Gleichheitssatz und das Suum cuique der inhaltlichen Bestimmtheit: Entscheidend ist gerade, wann für die rechtliche Beurteilung Gleichheit vorliegt und was für einen das ihm gebührende Seine ist; vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 126, 146, 148; Dahm, Deutsches Recht, S. 14 f.; Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 149 ff. 83

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ganzen stehen demnach Gerechtigkeit und Zweckverfolgung (mit ihren Bestandteilen Zweckhaftigkeit und Zweckmäßigkeit) nicht eigentlich als "antinomische Gegensätze" nebeneinanders9 , sondern jene ist nur durch diese zu erreichen; um tauglicher Träger der Gerechtigkeit sein zu können, muß die Zweckverfolgung die aufgezeigten Voraussetzungen erfüllen. Daß "Spannungen" insbesondere zwischen Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit auftreten und sogar verhindern können, daß ein Gesetz in der Wirklichkeit jenen Anforderungen genügt, läßt sich nicht leugnen. Dabei handelt es sich jedoch um eine dem Recht, das der Mensch hervorzubringen hat, eigentümliche allgemeine und nicht nur für den Gegenstand unserer Untersuchung spezifische, auf ihn beschränkte Erscheinung. Vor allem entsteht auch keine Verwaltungsordnung dadurch, daß Rechtszwecke auf rein zweckmäßige, gerechtigkeitsindifferente Weise verfolgt werden, denn die Art und Weise (das Mittel) der Zweckverfolgung muß ebenfalls den Gerechtigkeitsanforderungen genügen. Im übrigen widerspräche eine derartige Abgrenzung der traditionellen Zielsetzung der Lehre, zwei getrennte Ordnungsbereiche als Grundlage des Gegensatzes von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufzufinden, denn solche Ordnungsbereiche können nur durch die Schutzgegenstände der Normen bestimmt werden40 , für welche allein die Normzwecke, nicht die Art und Weise ihrer Verfolgung, konstitutiv sind. b) Die Sozialentscheidung des Grundgesetzes

Die "Sozialentscheidung" (das Sozialstaatsprinzip) des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1,28 Abs. 1)41 bringt heute die Gemeinschafts- und Gemeinwohlbezogenheit der Gerechtigkeit auch positiv-rechtlich wieder stärker 39 Vgl. Dahm, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 1; derselbe, Deutsches Recht, S. 17; Zeidler, Maßnahmegesetz, S. 148; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 173 mit Anm. auf S. 322; Henkel, Einführung, S. 300 f., 331 f., 339 ff. 40 Siehe unten S. 159 ff. 41 Sie gilt als ein tragender Grundsatz des Staates ("Staatszielbestimmung", Sozialgestaltungsauftrag an den Gesetzgeber) und Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung: Maunz-Dürig, Art. 2 Abs.l, Nr. 24,25; von MangoldtKlein, Art. 20, Anm. VII 2; Maunz, S. 71 ff.; Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S. 805 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 300 ff.; Scheuner, Entwicklung, S. 261; Hesse, Rechtsstaat, S. 78 ff. (insbesondere mit der Hervorhebung, daß die Sozialgestaltung eine dem Staat "von Rechts wegen" gestellte Aufgabe ist); Häberle, S. 189 f. (jeweils mit weiteren Nachweisen); BVerfGE 3, S. 377, 381; 7, S. 129, 151 f. (der Gesetzgeber habe eine "allgemeine Pflicht zur Sorge für die Wohlfahrt der Bürger"; sie wird im Zusammenhang mit dem "Prinzip des sozialen Rechtsstaats" und der Aufgabe der Rechtsordnung gesehen); 8, S. 274, 329; 10, S. 354, 363; 14, S. 305 f. (mit weiteren Zitaten); BVerwGE 3, S. 303, 304. Vgl. auch E. R. Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat. - Art. 79 Abs. 3 GG reiht die Sozialstaatlichkeit unter die gegen Verfassungsänderungen geschützten obersten Prinzipien der grundgesetzlichen Ordnung ein.

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ins Bewußtsein und läßt vor allem die Sozialgestaltung durch den Staat sowie die Sozialpflichtigkeit des Menschen als Anliegen materialer Gerechtigkeit erscheinen. In ihr wird die Anerkennung des "Gemeinwohls" als staatstragendes Prinzip sichtbar; sie schließt auf diese Weise jede einseitig individualistische Deutung der Verfassung 42 wie überhaupt der Rechtsordnung und ihrer leitenden Gedanken aus. Ihre Grundlage hat sie gerade "in der Idee der Gerechtigkeit"43; manche bezeichnen sie in jenem schon erwähnten engeren Sinne als "soziale Gerechtigkeit"44. Inhaltlich ist mit ihr eine bestimmte, als "gerecht" vorausgesetzte Gestaltung der sozialen Ordnung gemeint 45 • Es ist heute weitgehend unbestritten46, daß sie nicht lediglich als staatliche Fürsorgeaufgabe begriffen werden darf, aus der dem einzelnen Anrechte auf staatliche Leistungen erwachsen, ohne daß ihm selbst im sozialen Lebensraum etwas anderes obläge, als Eingriffe in die Individualrechtssphäre anderer einzelner zu unterlassen, sondern daß sie vor allem im Sinne der Sozialpflichtigkeit des einzelnen als eines Gliedes der Gemeinschaft, d. h. seiner Verpflichtetheit im Interesse der Gesamtheit und der übrigen Gemeinschaftsglieder zu verstehen ist47 . Wenn man nicht annehmen will, damit werde lediglich dem Menschen als ursprünglichem Individuum nachträglich eine Sozialpflicht aufgebürdet (welche seine prinzipiell unbegrenzte Freiheit im Interesse anderer oder aller einzelner einschränkt), so muß man dem Sozialstaats42 43

Scheuner, Entwicklung, S. 261. BayObLG VRS 12, S. 304, 307. Vgl. Scheuner, Entwicklung, S. 261: Rechts-

gleichheit und Gerechtigkeitsstreben rechtsstaatlicher Art müßten auch ohnedem in die Richtung der Sozialstaatlichkeit weisen. 44 von Mangoldt-Klein, Art. 20, Anm. VII 2 b; Maunz, S. 72 (wohl "soziale Gerechtigkeit"); Dahm, Deutsches Recht, S. 300, 301, 302. Auch durch die Verbindung von "sozial" und "Rechtsstaat" ist die Sozialstaatsforderung als Anliegen der Gerechtigkeit zu verstehen. 45 In dieser Hinsicht interessiert die Sozialstaatsidee hier jedoch nicht. Auch die Problematik des sogenannten Wohlfahrtsstaates bleibt ausgeklammert. 46 Vgl. Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 25, mit weiteren Nachweisen. 47 Diese grundsätzliche Wendung im Verständnis des Wesens der Sozialstaatlichkeit hat insbesondere Fechner herausgestellt (Freiheit und Zwang, S. 14): Der Sozialstaat ziele "auf die Verpflichtung des Einzelnen zur Teilnahme an der Gesamtaufgabe, an der Aufgabe der gemeinsamen Lebensbewältigung", es handele sich "nicht um Ansprüche des Einzelnen gegenüber der Gesamtheit, sondern um den Anspruch der Gesamtheit gegenüber dem Einzelnen, um Verpflichtung des Einzelnen für das Ganze". VgI. ferner E. R. Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat, S. 16 ff.: Das "Kernprinzip" der Sozialstaatlichkeit sei die "Sozialverantwortung", d. h. die "sittliche Maxime, daß jeder Einzelne für alle, aber auch alle für jeden Einzelnen in der Gesellschaft verantwortlich sind". So folge "aus dem Sozialstaatsprinzip und seinem moralischen Gesetz, der Sozialverantwortung, eine dreifache rechtliche Sozialpflicht": der Glieder der Gesellschaft untereinander, der einzelnen gegenüber der Gesamtheit, der Gesamtheit gegenüber den einzelnen. Der Sozialstaat bezwecke das Wohl aller und des Ganzen (S.7).

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prinzip die Anerkennung der sozialen Wesenheit des Menschen zugrunde legen. Aus ihm kann dann die rechtliche Wirksamkeit der Gemeinschaftsverbundenheit der Person als von Verfassungs wegen angeordnet abgeleitet werden. Demgemäß ist es für die geltende Rechtsordnung von vornherein unmöglich, Gerechtigkeit und Recht auf den Menschen als für sich seiendes Individuum zu beziehen oder auf die Regelung von Individualverhältnissen zu beschränken48 • Das Sozial48 Das Sozialstaatsprinzip ist als wesentlicher Bestandteil der Verfassungsordnung auch im Wesensgehalt der Grundrechte mitgedacht; deshalb wirkt es auf die Grundrechte nicht nur über ausdrückliche Gesetzesvorbehalte, sondern gilt für sie (ihre Auffassung und Auslegung) auch ohne solche (von Mangoldt-Klein, Art. 20, Anm. VII 2 b; Maunz, S. 72 f.; Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S. 814; Häberle, S. 52, 61, 62 f., 189 f., 190, Anm. 378, S. 192). Schon infolge der Gemeinschaftsgebundenheit der Person (die durch das Sozialstaatsprinzip ihre rechtliche Wirkung erhält) muß den Grundrechten der Bezug auf das Gemeinwohl immanent sein (vgl. auch Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 25, zum verfassungsrechtlichen Verhältnis von Entfaltungsfreiheit und Sozialität), d. h. dieses als ihre "immanente Schranke" erscheinen (vgl. Dahm, Deutsches Recht, S. 297). Insofern ist der Gedankengang des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich richtig, daß die Grundrechte, weil sie den Bestand der sie gewährleistenden Gemeinschaft voraussetzen, nach ihrem Inbegriff "nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden" (z. B. BVerwGE 1, S. 48, 52; 7, S. 125, 139; zustimmend Dahm, a.a.O. Der daran geübten Kritik - vgl. Nipperdey, Grundrechte, IV 2, S. 814, und die dort Anm. 333 Zitierten - ist zuzugeben, daß aus dieser allgemeinen Formel allein die konkrete Entscheidung noch nicht schlüssig zu gewinnen ist; vgl. auch BVerwGE 5, S. 153, 158 f.). über die Bedeutung der Sozialstaatsklausel und ihre verschiedene Ausprägung bei der Bestimmung des Inhalts der Grundrechte und ihres Verhältnisses zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsinteressen in der Rechtsprechung vgl. z. B. BVerfGE 7, S. 377, 404 ff.; 9, S. 39, 52, S. 73, 79; 10, S. 55, 59; 11, S. 30, 42 f., S. 168, 183; 13, S. 97, 104 f., 107, 113, S. 215, 224, S. 261, 272 f.; 14, S. 19, 22, S. 76, 101, S. 263, 282, S. 288, 300; 15, S. 223; 16, S. 147, 167; 17, S. 232, 242 ff.; BVerwGE 8, S. 14, 20; 10, S. 91, 93; BGHZ 12, S. 197, 203; 23, S. 365, 371; 30, S. 132, 135; 37, S. 179, 183, S. 247, 249 f.; 38, S. 13, 16 f., S. 208, 220 f., S. 228, 234 ff. Siehe auch oben S. 122 f. und die dortigen Nachweise. Als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung hat die Sozialentscheidung insbesondere für Art. 2 Abs. 1 GG Bedeutung; vgl. hierzu Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 24, 25 (die Entfaltungsfreiheit sei "von vornherein sozialgebundene und sozialbereite Freiheit"); BVerfGE 4, S. 7, 16; BVerwGE 4, S. 95; 12, S. 140, 161; BayObLG VRS 12, S. 304, 307 (kritisch Nipperdey, a.a.O., S. 812). Ob die vom Bundesverfassungsgericht geübte Entgegensetzung von Grundrechten und Gemeinwohl und ihre gegenseitige Abwägung zur Bestimmung der Zulässigkeit eines gesetzlichen "Eingriffs" in Grundrechte richtig ist oder ob nicht vielmehr auch die Grundrechte als objektive Institutionen (Ordnungsprinzipien) Bestandteile des Gemeinwohls in dem zuvor dargelegten umfassenderen Sinne (demgegenüber der Gemeinwohlbegriff des Bundesverfassungsgerichts enger sein dürfte) sind und danach ihren jeweiligen Inhalt und Umfang erhalten, sei hier nur als Frage aufuworfen. Eng damit zusammen hängt das Freiheitsverständnis (siehe oben S. 102, Anm. 31, S. 109, Anm. 41). Wird die Freiheit als eine grundsätzlich vorrechtliche und vorstaatliche (und als solche ursprünglich unbegrenzte) begriffen, der das Recht nachträgliche (und damit ihrem eigentlichen Wesen fremde) Beschränkungen auferlegt, so gelangt man trotz aller Anerkennung einer Sozialbindung nicht über ein letztlich doch individualistisches Freiheitsverständnis hinaus (be-

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

staatsprinzip bestimmt als Aufgabe des objektiven Rechts nicht in erster Linie die Wahrung (Konservierung) des Bestandes individueller (subjektiver) Rechte und Güter (der vorgefundenen Freiheits- und Machtmerkenswert hierzu Hesse, Rechtsstaat, S. 88, Anm. 51). Anfänglich unbeschränkte Freiheit des einzelnen und umfassende Macht des rechtsetzenden Staates treffen aufeinander und müssen gegenseitig abgegrenzt werden (aber wonach ist der Grenzverlauf zu bestimmen?); dabei soll sogar noch eine Vermutung zugunsten der Freiheit gelten (vgl. insbesondere Peter Schneider, VVDStRL 20 [1963], s. 1,31 ff.; derselbe, In dubio pro libertate, S. 263, 288 ff. - dazu auch S. 290: Gemeinwohl als Ausnahme von der Freiheit? - ; BVerfGE 13, S. 97, 105; vgl. ferner z. B. Maunz-Dürig, Art. 1 Abs. 1, Nr. 15). Die zwangsläufige Folge ist das von Häberle angeprangerte "Eingriffs- und Schrankendenken" im Grundrechtsbereich. Aus dieser Sicht kommt man über eine Grundrechtsbegründung aus einem letzten Endes unversöhnlichen Gegensatz von Staat und Individuum, Recht (Ordnung) und Freiheit nicht hinaus, wobei die Grundrechte folgerichtig als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat erscheinen müssen (BVerfGE 7, S. 198, 204; BGHZ 33, S. 145, 149). Darauf ist aber keine gemeinsame Ordnung des Rechts zu gründen, ohne die menschliches Leben nicht gedacht werden und der Mensch sein eigentliches Wesen nicht entfalten kann. Der Mensch darf auch im Grundrechtsbereich nicht als isoliertes Individuum (das seine "Freiheit" durch das Recht und die von ihm gewährleistete Ordnung "bedroht" oder "eingeschränkt" sieht), sondern nur als soziales Wesen aufgefaßt werden, das notwendig in einer Gemeinschaft steht und nur als solches Freiheit haben kann (und zwar nach Maßgabe der Gestaltung der Ordnung in dieser Gemeinschaft), d. h. man kann auch insoweit nicht von dem ursprünglichen Mitsein in einer bestimmten Gemeinschaft und der Gemeinschaftsverbundenheit absehen, durch welche die Gemeinsamkeit der Ordnung bedingt wird, von der menschliche Freiheit abhängt. Andernfalls ließe sich der Satz des Bundesverfassungsgerichts über das Menschenbild des Grundgesetzes (siehe oben S. 123) nicht glaubhaft machen, und eine Sozialpflichtigkeit des Menschen im Grundrechtsbereich (die "Eingriffe" in Grundrechte zur Folge hat) müßte nach dem Wesen der Grundrechte unverständlich bleiben, ja zu einer Verfälschung desselben führen. Ist menschliche Freiheit demnach nur durch rechtliche Ordnung möglich und nicht anders denn als rechtliche Freiheit denkbar, so sollen die Grundrechte nicht das Recht von der Freiheit abwehren, sondern gerade der rechtlichen Freiheit für gewisse Lebensbereiche eine genauere, durch den Gesetzgeber im einzelnen auszubauende Gestalt geben, damit sie Wirklichkeit werden kann. Sie sind selber rechtliche Grundentscheidungen (Rechtssätze), die zu ihrem Teil beitragen, eine verbindliche gemeinsame Ordnung zu errichten und die grundsätzliche Stellung des Menschen innerhalb der Rechtsgemeinschaft als eines Gliedes derselben zu bestimmen. Sieht man die Grundrechte als solche Ordnungsprinzipien in ihrer "sozialen Funktion" (Häberle, S. 8 ff.), so kann man sie auch dem Gemeinwohl nicht entgegensetzen. Nach alledem müssen sie zuvörderst als Einrichtungen des objektiven Rechts aufgefaßt werden, aus denen erst subjektive Rechte fließen. Vgl. BVerwGE 14, S. 21, 25: Die Grundrechte seien dem Staatsbürger nicht zur freien Verfügung, sondern "in seiner Eigenschaft als Glied der Gemeinschaft und damit auch im öffentlichen Interesse" eingeräumt; ferner z. B. BVerfGE 7, S. 198, 205, und BGHZ 38, S. 317, 320 (Grundrechte als "objektive Wertordnung", "objektive Normen"); BVerfGE 2, S. 266, 285 (Grundrechte in ihrer Bedeutung für das.,soziale Leben im Ganzen"); 2, S. 79, 86 (hier sieht sich das Gericht weniger im Dienst der subjektiven Rechtsverfolgung als der objektiven Bewahrung des Verfassungsrechts). Zum Ganzen vgI. vor allem Häberle, Wesensgehaltgarantie; zum Freiheitsprinzip als "Prinzip der Gemeinschaftsordnung" Hesse, Rechtsstaat, S. 85 ff.; zur Frage der Verfassungsinterpretation namentlich Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, bes. S. 81 ff., 86 ff.; zur Gegenposition Peter Schneider, a.a.O.

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positionen), sondern die Gestaltung und Aufrechterhaltung einer gerechten Ordnung des Soziallebens. Der sich hieraus ergebende, gemeinwohlbezogene (auch die Wohlfahrt umfassende) Gerechtigkeitsbegriff gilt nicht nur für den Staat, sondern allgemein49 . Er setzt auf seiten des einzelnen die Sozialpflichtigkeit als eine originäre Rechtspflicht des Menschen in der Gemeinschaft voraus, die somit auch verfassungsrechtlich als solche anerkannt ist5o • Deswegen hat nicht nur der Staat die austeilende Gerechtigkeit zu üben; sie obliegt vielmehr allen51 • Die Sozialpflichtigkeit erfaßt das gesamte rechtlich erhebliche Verhalten jedes einzelnen und infolgedessen das Recht im ganzen, selbst wo es sich nicht eigentlich um Pflichten im Interesse oder gegenüber der Gemeinschaft handeW 2 • Es ist darum unmöglich, die Sozialpflichtigkeit des einzelnen von anderen Pflichten zu trennen53 und einen wie auch immer begrenzten, allein der austeilenden Gerechtigkeit oder der Wohlfahrt dienenden Teil der Rechtsordnung abzusondern, um aus ihm ein Recht der Ordnungs- oder Verwaltungswidrigkeiten zu begründen. c) Die Unmöglichkeit einer materiellen Unterscheidung von Rechtsordnung und Verwaltungsordnung

Die vorangegangenen Ausführungen über den verfassungsrechtlichen Sozialstaatsgrundsatz zeigen, daß auch unter der geltenden Staatsordnung durch die Entgegensetzung von Gerechtigkeit und Wohlfahrt, von Rechtszwecken und Verwaltungszwecken keine selbständigen, abgrenzbaren Ordnungsbereiche zu gewinnen, Rechtsordnung und Verwaltungsordnung also weder von den leitenden Prinzipien (oder Grundwerten) noch von den nächsten oder weiteren Zwecksetzungen her in einem materiellen Sinne zu unterscheiden sind. Insbesondere ist für das, was als Verwaltungsordnung in Betracht kommen könnte, wie für die Tätigkeit der Staatsverwaltung überhaupt, die Gerechtigkeit ebenfalls "konstitutiver Grundwert"s4. Hierin bestätigt sich das zuvor aus allgemeinen Erwägungen gewonnene Ergebnis am positiven Verfassungsrecht. Erik Wolf konnte zu seiner abweichenden Auffassung nur dadurch gelangen, Vgl. Maunz-Dürig, Art. 1 Abs. 1, Nr. 48, 52, Art. 2 Abs. 1, Nr. 25. Sie schlägt sich in rechtlicher Verpflichtetheit der die Gemeinschaft bildenden Menschen gegenüber den Anforderungen zur Gestaltung der Sozialordnung (des Gemeinwohls) nieder (Maunz-Dürig, Art. 1 Abs. 1, Nr. 52). 51 Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, S. 96. 52 Man denke an die Bedeutung der Sozialbezogenheit z. B. für das Eigentum, ferner im Arbeitsrecht, Mietrecht, selbst im Vertragsrecht usw., im Strafrecht z. B. für die Lehre von der Sozialadäquanz, für die Strafvollstrekkungusw. 53 Vgl. auch Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1, Nr. 25. 54 Welzel, JZ 1957, S. 132. Er bemerkt, "daß die Aufgaben der verwaltenden Daseinsfürsorge der materialen Gerechtigkeit zugehören, daß auch ihre Akte dem ,Gerechtigkeitswert' unterstehen". 49

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daß er die Gerechtigkeit im letzten Grunde vom Individuum her begriff und das die (Rechts-)Sphäre des Individuums übersteigende soziale Dasein (in dessen Bereich sich die Tätigkeit der Verwaltung vollzieht und der Staat für die "allgemeine Wohlfahrt" sorgt) nicht von ihr erfaßt sein ließs5. Beim Kriminal-(Justiz-)Strafrecht hat man es deshalb mit Beziehungen zwischen Individuen (auch der Staat kann ein solches sein) zu tun, und ein Verhalten wird nur im Hinblick auf seinen Zusammenhang mit Individualsphären ("Innehaltung rechtlicher Grenzen", Nichtüberschreiten des "rechtsfreien Raumes privater Triebentfaltung") und seine Berührung mit geschützten individuellen Interessen (Gütern, subjektiven Rechten) gesehen, während erst im Verwaltungsstrafrecht, das den verwalteten "Soziallebensraum" betreffe, die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen zum Vorschein kommt; hier werde vom einzelnen ein "reglementmäßiges Verhalten", ein "tätiges Verwaltungsgenosse sein" verlangt, und Verstöße berührten "nur die überindividuelle personale Güterwelt der Rechtsgemeinschaft als politischer Organisation", deren Verletzung das Verwaltungsdelikt ausmache (wie auch beim Hoch- und Landesverrat, dem "Typus der Regierungswidrigkeit"), während die "individualistische Kulturgüterwelt" unversehrt bleibe56 • Man versteht, daß Erik Wolf den hier zugrunde liegenden Gerechtigkeitsbegriff zuzeiten vom Wohlfahrtsbegriff zurückgedrängt sehen mußte 57 ; 55 Das Justizstrafrecht verlange von uns nur, "den rechtsfreien Raum privater Triebentfaltung nicht zu überschreiten" (Stellung, S. 567). Vgl. zum Text die Darstellung im I. Band, S. 161 f. Eine ähnliche Auffassung vertritt Schlegtendal: Das Strafrecht sei (als zum Bereich der Justiz gehörend) auf den Rechtswert, die Verwaltung auf den Wohlfahrtswert bezogen; die Rechtsprechung diene "der Verwirklichung individueller Ansprüche", die Verwaltung "dem allgemeinen Wohl; sie weist mehr kollektivistische Züge auf". (Vgl. hierzu jedoch Goetzeler, S. 20: Die Strafjustiz trage, "was die Bedeutung des Verbrechens im allgemeinen betrifft, durchaus kollektivistisches Gepräge".) Gedacht wird dieser Gegensatz aus einem "Spannungsverhältnis zwischen Individualismus und Kollektivismus, das sich in der Trennung der Gewalten ... zeigt", also aus einer Gegenüberstellung von Individuum und sozialem Wesen als Grundlage der Unterscheidung von (materialer) Rechtsordnung und Verwaltungsordnung. Die Ordnungswidrigkeit ist infolgedessen nur ein Verstoß gegen die "Interessen der Verwaltung", deren Sinngehalt sich aus dem Vorhergehenden ergibt (S. 31, 34 ff.). Vgl. auch die entsprechende Ansicht von Michels, S. 25. 56 Dementsprechend weise das Verwaltungsdelikt keinen "Eingriff in private oder öffentliche subjektive Rechte" auf, während das Justizdelikt ein (durch ein Tatobjekt: Sache oder Mensch, vermitteltes) "Rechtsgut als individuell geschütztes Interesse, als in den Bereich des ,Wollendürfens', der personalen Machtsphäre (G 0 I d s c h m i d t) fallend", voraussetze (Stellung, S. 561, 562, 566, 567, 568). Zur Bedeutung der von Erik Wolf verwendeten Begriffe Rechtsgut, Justizgut und Verwaltungsgut vgl. a.a.O., S. 523 f., 533, 534 f., 536 ff., 544 f., 553 f., 561 f., 563, 566. 57 Stellung, S. 526 ff. Daher auch z. B. der Satz: "Die moderne Volksstaatslehre brachte ... eine einseitige Aufsaugung des Rechts durch die Verwaltung" (S. 528).

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aber nur für diesen Begriff "löst die Wohlfahrtsidee den Rechtsgedanken" im Wohlfahrtsstaat des 20. Jahrhunderts notwendig auf 58 • Ihm kommt jedoch keine absolute Gültigkeit zu. Die Gerechtigkeit, die der Staat zu üben hat und der jeder Rechtsgenosse verpflichtet ist, kann ohne die Ausrichtung auf das Gemeinwohl nicht gedacht werden 59 • Würde der Staat sich z. B. um die Daseinsfürsorge nicht kümmern, so verhielte er sich ungerecht 60 • Gerechtigkeit ist im sozialen Bereich beheimatet, leitet sie doch ihre Existenz ganz und gar aus der sozialen Wesenheit des Menschen, dessen ursprünglichem Mitsein in einer Gemeinschaft her. Weil sich bei der Umwandlung des Gerechtigkeitsgedankens in inhaltlich konkrete Sätze eine gewisse Unbestimmtheit des materialen Gehalts der Gerechtigkeit zeigt (Unschärfe des Gerechtigkeitsgedankens), die mit der Entfernung von den Fundamentalentscheidungen einer Rechtsordnung wächst und dabei auch eine abnehmende Zweckdifferenz erkennen läßt, ist die Tätigkeit des Gesetzgebers unerläßlich. Eine Einteilung der Gesetze nach der Nähe ihrer Zwecke zu grundlegenden Gerechtigkeitsgeboten ist nach dem Gesagten nicht durchführbar (und könnte auch nur für die Schwere, nicht die Art des Unrechts Bedeutung haben). Normen, die im Interesse des allgemeinen Wohles geboten sind, entsprechen dem Sozialstaatsprinzip 61 und damit den Anforderungen der (sozialen) Gerechtigkeit. Dies gilt auch, wenn der verfolgte Zweck sich erst aus den besonderen Verhältnissen des Gemeinwesens oder den vom Gesetzgeber selbst für die Gestaltung des Zusammenlebens zulässigerweise aufgestellten Zielen (bei der Ausführung der ihm übertragenen Sozialgestaltungsaufgabe) ergibt. Der Gesetzgeber darf und muß im Rahmen der vorhandenen grundlegenden Ordnungsentscheidungen bestimmen, welche Gemeinschaftsgüter schutzwürdig sind62 , so daß es auch von ihm abhängt, was in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erhoben wird. Alledies kann nicht Anknüpfungspunkt für die Bildung von Verwaltungswidrigkeitenrecht sein, da es den betreffenden Normen nicht ihren materialen Rechtscharakter nimmt. Ebenso ist es in diesem Zusammenhang gleichgültig, ob die Zwecksetzung auf Dauer berechnet oder nur kurz ist, wie auch die Rationalität des Zweckes Stellung, S. 527. Die Aussage des Bundesgerichtshofes, daß der öffentlichen Ordnung "letzten Endes alle Strafbestimmungen" gälten (NJW 1953, S. 432; in BGRSt. 4, S. 1, 4, heißt es an derselben Stelle: "im Endergebnis"), trifft auf das Gemeinwohl insgesamt ebenso zu. 00 Vgl. Dahm, Deutsches Recht, S. 302. 81 Dessen Ausgestaltung im wesentlichen dem Gesetzgeber obliegt: BVerfGE 8, S. 274, 329. 62 BVerfGE 13, S. 97,107. 58

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nicht° 3 die Verwaltungswidrigkeiten, sondern die Tätigkeit des bewußt schaffenden neuzeitlichen Gesetzgebers kennzeichnet64 • Die mit der Begründung des Rechts aus dem Individuum, die jene materielle Unterscheidung von Rechtsordnung und Verwaltungs ordnung ermöglichte, verbundene Beschränkung des Rechts führte zu einem grundsätzlich rechtsfreien Raum, in dem der Staat nach "Ermessen" zur Verfolgung gerechtigkeitsindifferenter Verwaltungszwecke tätig werden konnte. Hieran ändert sich nichts Wesentliches, wenn dieser rechtsfreie Raum vom Recht, d. h. den Rechten der einzelnen, eingegrenzt wird oder auch der Staat rechtliche Befugnisse als Mittel zur Erreichung außerrechtlicher Zwecke (Verwaltungsziele) gebraucht. Stets bleibt die Verwaltung in ihrem Wesen und ihren Zielen rechtsfremd 65 • Die Rechtsordnung als objektive Lebensordnung der im Staat zusammengefaßten Rechtsgemeinschaft (einschließlich des Staates selbst) ergreift jedoch den gesamten Bereich des sozialen Daseins, auch soweit er Tätigkeitsgebiet der Verwaltung sein kann. Die Verwaltungsfunktion steht unter dem (formellen) Gesetz und ist gegenüber der Gesetzgebung die ausführende (vollziehende) Staatstätigkeit66 • Mit ihr nimmt der Staat grundsätzlich keine anderen Aufgaben als bei der Erfüllung seines Gesetzgebungsauftrags wahr, durch den ihm "die Aufgabe und Befugnis zur rechtlichen Ordnung und Gestaltung des Gemeinwesens anvertraut" ist 67 • Insofern gilt für das Verwaltungshandeln (die Verwaltungsvorschriften) hinsichtlich Zielsetzung und Inhalt Entsprechendes wie für das (formelle) Gesetz 68 ; auch hier muß der Staat, indem er ihm als dem Träger hoheitlicher Gewalt zustehende Rechte ausübt, Gerechtigkeit in der Rechtsgemeinschaft zu verwirklichen suchen. Demgemäß besitzen die von der Verwaltung zu verfolgenden Zwecke gleichfalls GerechtigkeitsWie Richard Lange, JZ 1956, S. 77, und Michels, S. 89, meinen. Vgl. Dahm, Deutsches Recht, S. 57. 65 Noch Erik Wolf hat diesen Gedanken nicht überwunden. Die Verwaltung ist bei ihm gleichsam nur rechtlich eingekleidet; vgl. Stellung, S. 550 ff., 557 ff. 66 So auch Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 95,171,205,211. "Ausführung" heißt Verwirklichung der vom Gesetzgeber entworfenen Regelung eines Lebensbereiches unter Ausgestaltung der von ihm nicht zu übersehenden Einzelheiten (Ehmke, Ermessen, S. 40) und schließt insoweit eine gewisse Selbständigkeit ("Handlungsfreiheit") der Verwaltung bei der Erfüllung der gesetzlich festgelegten staatlichen Aufgaben ein (Forsthoff, S. 14, verwendet einen engeren Begriff der Vollziehung). 67 Ehmke, Wirtschaft, S. 67. 68 Man kann deshalb zwischen Gesetzgebung und Verwaltung nicht nach den möglichen Zwecken oder Inhalten der Regelung unterscheiden. Vgl. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 95, 171,205,211. Dementsprechend ist auch ein inhaltsbezogener Gesetzesbegriff (siehe oben S. 127 ff.) nicht auf das Gesetz im formellen Sinne zu beschränken; das über ihn Ausgeführte gilt nach Maßgabe des Textes ebenso für die von der Verwaltung (kraft Ermächtigung) zu setzenden Verhaltensregeln. 63

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2. Rechtsgut und Verwaltungsgut

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wert 60 , denn es sind infolge des Ausführungscharakters der Verwaltungstätigkeit dieselben wie die der formellen Gesetze. Jede Unterscheidung von Rechtszwecken und Zwecken der Verwaltung bei der Gestaltung der sozialen Ordnung ist somit nicht haltbar. Es gibt auch keine rechtsfreien Räume als Verwaltungsbereiche70 • Die Verwaltung ist als Institution wie als Tätigkeit in die Rechtsordnung einbezogen und an sie gebunden; sie übt innerhalb derselben rechtliche Befugnisse aus, wendet Recht an und bringt selbst Recht (im materiellen Sinne, wenngleich im Rang unter dem formellen Gesetz) hervor. Nach alledem kann es keine Verwaltungsinteressen als "Fürsorgeobjekte" der Verwaltung geben, die materiell keine rechtlichen Interessen (Schutzobjekte der rechtlichen Ordnung) wären, weil ihnen der Bezug zum Gerechtigkeitsauftrag des Staates fehlte, so daß sie keinen Rechtswert und deshalb für die rechtliche Ordnung der Gemeinschaft keine Bedeutung hätten, und deren Verletzung das Wesen der Verwaltungswidrigkeiten ausmachte.

2. Rechtsgut und Verwaltungsgut a) Das Rechtsgut

Insbesondere ist die Gegenüberstellung von Rechtsgut und Verwaltungsgut (Verwaltungsinteresse) nicht haltbar. Der Begriff des Rechtsgutes harrt zwar nach wie vor der vollen Klärung 71 ; jedoch genügen hier einige grundsätzliche Erwägungen. Unter dem Rechtsgut versteht man allgemein das Schutzobjekt des strafrechtlichen Tatbestandes. Es läßt sich zutreffend nur erfassen von der Aufgabe des Strafrechts, die Grundlagen des rechtlich geordneten Gemeinschaftslebens zu schützen72 Ebenso Forsthoff, S. 3 f. So auch z.B. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 98f., 171, 210f.; Ehmke, Ermessen, S. 41; ähnlich Hesse, Rechtsstaat, S. 79. 71 Zur Auffassung des Rechtsgutes im neueren Schrifttum vgl. Maurach, S. 168 ff.; Welzel, S. 4; Hellmuth Mayer, S. 51 ff.; Baumann, S. 124 ff.; MezgerBlei, S. 114 f.; Schönke-Schröder, Vorbem. 21 vor § 1; Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 13 ff.; Würtenberger, Situation, S. 68; Jäger, S. 6 ff.; Hertel, S. 11 ff.; Sina, S. 96 ff. Zur früheren Diskussion vgl. insbesondere Mezger, S. 197 ff.; v. Liszt-Schmidt, S. 4 f.; v. Hippel, I, S. 10 ff.; Frank, S. 6; Binding, Normen, I, S. 338 ff.; Schwinge, S. 21 ff.; Schwinge-Zimmerl, S. 60 ff.; Dahm, ZStW 57 (1938), S. 230 ff.; Mittasch, S. 86 ff. (jeweils mit weiterer Literatur); zum methodischen Rechtsgutbegriff neben Schwinge, a.a.O., vor allem Honig, S. 83 ff.; Grünhut, Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, S. 1 ff., 8 ff. Zur Geschichte des Rechtsgutbegriffs vgl. auch Sina; Jäger, a.a.O.; Schwinge, S. 27 ff.; Honig, S. 32' ff.; Oppenheim, S. 1 ff. Vgl. ferner Würtenberger, Rechtsgüterordnung; Oehler, Legalordnung. - Ob das Unrecht mit dem Begriff der Rechtsgutverletzung oder -gefährdung zureichend zu erfassen ist, hat für die gestellte Frage keine Bedeutung und bleibt außer Betracht. 72 Vgl. Welzel, S. 1; Schwinge, S. 22; Dahm, Deutsches Recht, S. 501; ferner Baumann, S. 7 ff. (Ordnung des sozialen Zusammenlebens, Schutz der sozial wichtigsten Interessen); Oehler, Zweckmoment, S. 31 f.; Maurach, S. 20, 168. 69

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und damit für die Bewährung der rechtlichen Gemeinschaftsordnung im ganzen zu sorgen. Die Schutzobjekte sind nicht unabhängig vom Strafrecht bestehende Rechtsvorschriften (denen das Strafrecht nur eine Strafdrohung hinzufügte), sondern die Bezugsgegenstände der rechtlichen Regelungen selbst73 , d. h. dasjenige, was jeweils von diesen als zu erhalten, zu erstreben oder zu gewährleisten vorausgesetzt wird (und damit den Ansatzpunkt für die Bildung von Recht darstellt), weil es aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft für deren rechtlich zu gestaltende und zu sichernde Lebensordnung nach den in der Rechtsgemeinschaft geltenden Gerechtigkeitsvorstellungen wertvoll erscheint. Ihre Eigenschaft als Güter erhalten jene Schutzobjekte mithin durch ihre Bezogenheit auf die Rechtsgemeinschaft und die in ihr zu verwirklichende rechtliche Sozialordnung, nämlich dadurch, daß sie für diese als Bedingungen des Lebens der Rechtsgemeinschaft7 4 wertvoll sind, wobei der Maßstab der Werthaftigkeit aus den die Rechtsgemeinschaft integrierenden grundlegenden Vorstellungen über eine gerechte Sozial ordnung abgeleitet werden muß75. Die Gutseigenschaft besteht also nicht unabhängig vom Recht. Das zeigt sich vor allem an den Rechtsgütern, die gänzlich Schöpfungen des Rechts sind (Rechte, Rechtsbeziehungen, rechtliche Institutionen usw.). Dementsprechend können durch die Ordnungsund Gestaltungstätigkeit des Gesetzgebers Güter entstehen, die als Gegenstände rechtlichen Schutzes Rechtsguteigenschaft erhalten. Das Rechtsgut ist als Gut für die rechtliche Ordnung der Gemeinschaft ein Gut des Rechts76 • Wie es überhaupt nur wegen seiner sozialen Bedeutung Bezugsgegenstand rechtlicher Normierung sein kann77 , so genießt es insbesondere strafrechtlichen Schutz allein deswegen, weil es für die rechtliche Lebensordnung der Gemeinschaft wertvoll (ein Gut) ist, und 73 Deshalb folgt aus der Schutzfunktion nicht notwendig eine bloß sekundäre (akzessorische) Natur des Strafrechts (vgl. v. Hippel, I, S. 31 f.; Mezger, S. 174; Hellmuth Mayer, S. 52; Maurach, S. 20 ff.). 74 Hellmuth Mayer, S. 53; Hegler, Prinzipien, S. 39; Binding, Normen, I, S. 339, 353 ff. ("Bedingungen gesunden Gemeinlebens" beziehungsweise "gesunden Lebens der Rechtsgemeinschaft") ; v. Liszt-Schmidt, S. 5, Anm. 3 ("Lebensbedingungen der rechtlich geordneten Menschengemeinschaft") ; von Jhering, Zweck im Recht, I, S. 382 ff. ("Lebensbedingungen der Gesellschaft"). Die "Bedingungen" sind hier in einem weiten Sinne zu verstehen: Alles, was für das rechtlich geordnete soziale Zusammenleben als wesentlich (wertvoll) angesehen und als solches von der rechtlichen Ordnung vorausgesetzt wird. Diese Bedingungen kann die Rechtsgemeinschaft (an ihrer Statt der "für das Rechtsbewußtsein und den Gestaltungswillen des Gemeinwesens repräsentative" Gesetzgeber: Ehmke, Wirtschaft, S. 67) in dem Maße selbst festlegen (setzen), wie sie ihre Geschicke selbst gestalten kann. Auch Rechtsgebilde kommen in Betracht. 75 Ähnlich Maurach, S. 168, 169. 76 Hellmuth Mayer, S. 52; Schönke-Schröder, Vorbem. 21 vor § 1; MezgerBlei, S. 114; zu Unrecht ablehnend v. Liszt-Schmidt, S. 4, Anm. 1.

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Welzel, S. 4.

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auch nur insoweit, wie es dies ist: Das Recht knüpft an seine Eigenschaft als Gut für die Rechtsgemeinschaft an. Aus diesem Grunde ist das Rechtsgut stets ein Gut der Rechtsgemeinschaft78 • Auf der Gesamtheit der so bezeichneten Rechtsgüter beruht die rechtliche Lebensordnung der Gemeinschaft (die vom Recht bestimmte soziale Ordnung)19. Es obliegt dem Gesetzgeber, aus dem Bereich möglicher Schutzobjekte die Rechtsgüter durch rechtliche Regelungen zu bestimmen, zu konkretisieren und abzugrenzen. Von seinen (legitimen) Zielsetzungen hängt es zum großen Teil ab, was als Lebensbedingungen im dargestellten Sinne zu gelten hat; insoweit entscheidet er, welche Gemeinschaftsbelange konstitutiv für Rechtsgüter sein sollen80 • Die Aufgaben und Befugnisse des Gesetzgebers zur Aufstellung der Rechtsgüter sind keine anderen als die bei der Rechtsetzung überhaupt. Aus dem Bisherigen folgt, daß die Rechtsgüter durch die Zwecke bestimmt werden, auf die die rechtliche Ordnung abzielt81 • Die möglichen 78 Schönke-Schröder, Vorbem. 21 vor § 1; Mezger-Blei, S. 114; Dahm, Deutsches Recht, S. 524 (Rechts gut = Gemeinschaftsinteresse); Welzel, S. 1 ff., bes. S. 2, 4; Sauer, System des Strafrechts, S. 4 f. (vgl. auch derselbe, Strafrechtslehre, S. 53); Hellmuth Mayer, S. 52 (auch die gegen den einzelnen gerichtete Tat komme "nur in ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit strafrechtlich in Betracht"); Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 71 mit Anm. 214; v. Hippel, I, S. 15; Hegler, Prinzipien, S. 38 f.; derselbe, Betrug, VDB, VII, S. 442; derselbe, ZStW 36 (1915), S. 19 ff., 28 ff.; Binding, Normen, I, S. 340 f., 357 f., usw.; in der Sache ebenso Frank, S. 6 f. (unter Ablehnung des Rechtsgutbegriffs). Besonders deutlich Binding, a.a.O., S. 357 f. (vgl. auch S. 340 f.): "Ist das Recht Ordnung des Gemeinlebens, so sieht es Personen, Sachen und Gegenstände nur als Teile des Rechtsgemeinschaftslebens, und Alles, dem es Rechtswert zuschreibt, hat solchen nur für dieses, für das Ganze. Das Rechtsgut ist stets Rechtsgut der Gesamtheit, mag es scheinbar noch so individuell sein. Im Gesamt-»Interesse« wird das Gefühl der Einzelnen, deren Leben, deren Ehre geschützt." Selbstverständlich gibt es viele Rechtsgüter, deren Substrat oder reale (konkrete) Erscheinung an Einzelpersonen gebunden ist (Leben, Ehre, Eigentum usw.), die dadurch ihre Träger sind. Ihre Rechtsguteigenschaft erhalten sie aber einmal nicht als individuelle, sondern als allgemeine Erscheinung und so dann aus deren Beziehung auf die Rechtsgemeinschaft: Nur soweit sie in jener Form für diese ein Gut sind, können sie rechtliche Bezugs- und Schutzobjekte sein. Das Rechtsgut ist nicht das einzelne Leben, das einzelne Eigentumsrecht oder Eigentumsobjekt, sondern menschliches Leben überhaupt, die rechtliche Institution des Eigentums usw. (insoweit unrichtig z. B. Welzel, über den substantiellen Begriff, S. 110, Anm. 10). Die Einzelfragen müssen hier auf sich beruhen. 79 Vgl. Welzel, S. 4; Mezger-Blei, S. 114; Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 1 f.; derselbe, Normentheorie, S. 70; Binding, Normen, I, S. 340. 80 Vgl. BVerfGE 13, S. 97, 107. 81 Zu den Zwecken, die dem Recht und dem es beherrschenden Gerechtigkeitsgedanken konkreten Inhalt geben, siehe oben S. 128 ff. - Die Rechtsgüter sind zwar nicht mit den Zwecken der Rechtssätze identisch (zutreffend Dahm, ZStW 57 [1938], S. 233; Mittasch, S. 88 f.; Jäger, S. 14, gegen den methodischen Rechtsgutbegriff, z. B. bei Schwinge, S. 25); deren Schutzgegenstand kann aber nur von ihrem Schutzzweck her erfaßt werden. Insofern ist hier die teleolo-

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V. OrdnungswidrIgkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

Rechtsgüter bilden keinen "begrenzten Kreis"82, sondern sind so mannigfaltig wie die möglichen Zwecke des Rechts, und der Bereich, in dem Rechtsgüter vorkommen können, ist ebenso weit wie der des Rechts selbst. Jede Einschränkung in der einen oder anderen Hinsicht würde bedeuten, das Wirkungsfeld des Rechts (seinen Auftrag zu gerechter Gestaltung des Soziallebens) zu verengen und bestimmte Lebensgebiete von ihm auszuschließen. Gegenüber den Wandlungen der Welt müßte es in seiner Aufgabe versagen. Insbesondere bringen auch die Zwecke der Daseinsvorsorge Rechtsgüter hervor83 • Als Rechtsgut kommt alles in Betracht, was wegen seiner sozialen Bedeutung Voraussetzung (Anlaß) oder Gegenstand rechtlicher Regelung sein kann84 . Die nicht seltene Behauptung, Schutzobjekt könne nur werden, was schon vor jeder rechtlichen Erfassung ein Gut darstelle 85 , ist ein Scheinargument. Für den Schutzgedanken hat es keine Bedeutung, wann das Gut entstanden ist, sondern nur, daß es als solches vom Gesetz vorausgesetzt werden kann. Daß ein Gut erst unter besonderen Umständen gische Betrachtungsweise richtig; vgl. v. Liszt, Aufsätze, I, S. 223; v. LisztSchmidt, S. 4; MezgeT, S. 201; Schwinge, S. 22; Schönke-SchTödeT, Vorbem. 21 vor § 1; ReTtel, S. 15 (Rechtsgüter als materialisierte gesetzgeberische

Zwecke). 82 Wie RichaTd Lange (siehe oben S. 24 f.) und Michels (S. 66) annehmen. Die Auffassung, daß nur der "Kernbestand vorgegebener sozialethischer Werte", der bereits vor jedem Rechtsetzungsakt Gutsqualität besitze, zu Rechtsgütern werden könne, müßte in letzter Konsequenz zu der Annahme führen, daß z. B. alles, was erst unter der Voraussetzung der rechtlichen Ordnung als Gut gedacht werden kann (Rechte, Rechtsverkehr, rechtliche Institutionen, Rechtspflege, Staat usw.), keine Rechtsgutqualität habe, so daß viele Delikte (des StGB), deren krimineller Charakter sonst nicht bezweifelt wird, Ordnungswidrigkeiten wären. 83 Die Rechtsgüter sind sehr verschiedenartig (vgl. auch Welzel, S. 4): Abstraktionen aus rechtlich bedeutsamen Naturgegebenheiten (Leben, Gesundheit), vorhandenen oder erstrebten Zuständen, die für die rechtliche Sozialordnung wesentlich sind (z. B. die Eingliederung Schwerbeschädigter in das Arbeitsleben, die Reinheit des Wassers), Schöpfungen der Rechtsordnung selbst usw., auch die vom Recht zu gewährleistende Ordnung eines Lebensbereichs, die ihrerseits durch gewisse materiale rechtliche Zwecke geprägt ist (Eheordnung, Berufsordnung, Wirtschaftsordnung usw.). 84 Der substantielle Gehalt des Rechtsgutbegriffs ist hier nicht näher zu erörtern. über die diesbezüglichen Streitfragen (insbesondere um Gut, Interesse, Wert, Zustand) vgl. die angegebene Literatur. Es wird heute allgemein angenommen, daß das Rechtsgut eine Abstraktion ist, aber bei dem Abstraktionsprozeß keinen völligen Substanzverlust erleiden darf. Aus ihm muß sich eine mindestens als möglich gedachte, konkretisierbare Gegebenheit (ein solcher Zustand) der rechtlich geordneten Lebenswirklichkeit (die nicht nur empirisch-sinnliche Wirklichkeit ist) ableiten 1assen. Das Rechtsgut braucht keine Abstraktion aus dem Handlungsobjekt (dieses kein Substrat von jenem) zu sein, was z. B. Michels, S. 64, verkennt, wenn er meint, verletztes Einzelinteresse und Rechtsgut müßten im Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen stehen. 85 z. B. JägeT, S. 21; Michels, S. 67; dagegen Binding, Normen, I, S. 340; Schwinge, S. 22; ATmin Kaufmann, Normentheorie, S. 74 f.

2. Rechtsgut und Verwaltungsgut

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die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers auf sich zieht, besagt im übrigen nicht, daß es bisher nicht als solches vorhanden, sondern daß es nicht schutzbedürftig gewesen ist. Dies gilt besonders augenfällig für die Güter der Daseinsvorsorge86 • Die Normen zum Schutze eines Rechtsgutes können auch auf die Herbeiführung eines künftigen Sachverhalts gerichtet sein87 , ohne daß deswegen das Rechtsgut selbst zu einem künftigen wird, denn es ist eben niemals eine "Realität" im Sinne eines greifbar Vorhandenen, sondern es abstrahiert von dieser und gibt ein Leitbild für die Gestaltung der Lebenswirklichkeit (insofern bezeichnet es etwas, das in der Lebenswirklichkeit sein soll). b) Die Rechtsguteigenschaft der angeblichen Fürsorgeobjekte der Verwaltung

Angesichts des hier dargelegten, unseren heutigen Rechtsanschauungen und den an das Recht hinsichtlich seiner Aufgabe zur Ordnung und Gestaltung des Soziallebens nach Zielen materialer (sozialer) Gerechtigkeit zu stellenden Anforderungen allein genügenden Rechtsgutbegriffs 68 kann es keine Güter oder Interessen geben, die auf Grund ihrer sozialen Bedeutung zwar "so wichtig sind, daß sie nicht ungeschützt bleiben können", aber trotzdem "nicht den Rang von Rechtsgütern haben"89. Wie nicht eine Rechtsordnung und eine Verwaltungsordnung als zwei materiell verschiedenartige, auf gegensätzliche Staatsaufgaben (der Gerechtigkeit einerseits und der Wohlfahrt beziehungsweise bloßen 86 Sie fallen bei Richard Lange und Michels als "kurze und rationale Zwecksetzungen", die "aus der Forderung des Tages oder der Not entstanden sind" (R. Lange, JZ 1956, S. 77), gänzlich aus dem Rechtsgutbereich heraus. In Wahrheit handelt es sich bei ihnen um im höchsten Grade materiale Anliegen der "sozialen" (nämlich der austeilenden) Gerechtigkeit (Welzel, JZ 1957, S. 132) und damit um für die Gestaltung der rechtlichen Sozialordnung besonders bedeutsame Güter. Im übrigen wäre es eine merkwürdige Folgerung, daß die Gerechtigkeit gerade gegenüber den "Forderungen ... der Not" abdanken müßte und keine Ordnung hervorbringen könnte, um eben diese Not zu bestehen. 87 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 71 ("Sachverhaltswerte") ; derselbe, Unterlassungsdelikte, S. 1 f. 88 Nicht tauglich als strafrechtlicher Grundbegriff ist der von Sina, S. 69, 89, verwendete Rechtsgutbegriff, der "einen Rechtsmachtbezirk, eine Freiheitssphäre des Einzelnen bezeichnet" und durch den lediglich "konkrete Sphären der Freiheit der Person" geschützt werden. Siehe auch unten S. 184, Anm.108. 89 Schlegtendal, S. 127. Er bestreitet sogar den Gutscharakter dieser "Verwaltungsinteressen" (S. 50). Weshalb sie trotz ihrer Wichtigkeit und Schutzbedürftigkeit keine Rechtsgüter sind, wird nicht mitgeteilt. Vielfach bleibt auch der Begriff des Verwaltungsinteresses unklar. Michels z. B. hält möglicherweise die "allgemeine Rechtsordnung" für ein Verwaltungsgut (vgl. S.65).

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

Zweckmäßigkeit andererseits) zurückführbare Ordnungen nebeneinander bestehen90 , so können auch nicht Rechtsgüter, die als Gegenstände rechtlichen Schutzes die Bildung rechtlicher Normen veranlassen, von Verwaltungsgütern oder -interessen unterschieden werden, die nicht für die gerechte Gestaltung der Sozialordnung, sondern für die Durchführung der (vermeintlich gerechtigkeitsindifferenten, nicht auf rechtliche Ziele gerichteten) Verwaltungs- oder Wohlfahrtsaufgaben des Staates"1 wichtig sein und lediglich als Fürsorgeobjekte der Verwaltung (im Sinne einer Staatsaufgabe oder einer Institution) geschützt werden sollen92 . Daran ändert sich nichts, wenn statt der (objektiven) Fürsorgeobjekte der Verwaltung (der Verwaltungsaufgaben) die auf diese Objekte bezogene Verwaltungstätigkeit (die "Fürsorge" der Verwaltung, deren reibungsloses Funktionieren, der ordnungsgemäße Verwaltungsablauf)93 als Verwaltungsgut angesehen oder gar das Verwaltungsinteresse ins Subjektive gewendet wird zu einem Interesse der Staatsverwaltung an den Fürsorgeobjekten. Die (geordnete) Tätigkeit der Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann selbstverständlich als Staatstätigkeit ein Rechtsgut sein, wie es entsprechend auch die von den Gerichten geübte Rechtspflege ist; an beiden Staatstätigkeiten besteht objektiv kein grundsätzlich verschiedenartiges rechtliches Schutzinteresse. Dasselbe gilt für die Staatsverwaltung als Institution94 . Der Fehler der Verwaltungswidrigkeitenlehre liegt hier also nicht darin, daß sie die Verwaltungstätigkeit als mögliches Schutzobjekt (was diese im übrigen nur verhältnismäßig selten sein kann) behauptet, sondern darin, daß sie objektive Gemeinschaftsgüter, Ziele materialer Gerechtigkeit, nach denen die soziale Lebensordnung einzurichten ist, zu Interessen an einem geordneten Verwaltungsablauf (am "reibungslosen Funktionieren der Verwaltung") und damit Gefährdungen (wenn auch vielleicht geringen Ausmaßes) jener Ziele oder Güter (Beeinträchtigungen des von ihnen bestimmten Gemeinschaftslebens, der rechtlich gewährleisteten sozialen Lebensordnung) zu An90 Einen Gegensatz von Recht und Verwaltung lehnt ebenfalls Kischa, S. 84, im Anschluß an Trops, S. 45 ff., ausdrücklich ab; ähnlich Goetzeler, S. 20. 91 Auch z. B. die Gewährleistung von Ruhe, Sicherheit und Ordnung als Ziel der polizeilichen Tätigkeit ist keine gerechtigkeitsfreie Zweckverfolgung, sondern stellt selbst einen "Rechtswert" dar (Ballerstedt, S. 375 f.). 92 Zur Unterscheidung von Rechtsgut und Verwaltungsgut siehe auch Band I, S. 175 f., und oben S. 10 f., 15 f. Sie wird heute nicht selten abgelehnt; vgl. z. B. Jescheck, JZ 1959, S. 460 f.; Hellmuth Mayer, S. 72 f.; Sax, Grundrechte, III 2, S. 919 ff.; Wimmer, NJW 1957, S. 1172 f.; ferner die oben S. 15, Anm. 94, S. 25 ff. Genannten; Kowalski, S. 23, 40. Aus der früheren Literatur siehe Band I, S. 154 ff.; ferner etwa Hegler, Prinzipien, S. 40; Guderian, zstW 21 (1901), S. 831; Meyer-Allfeld, S. 97 f.; Roeder, S. 18 f.; und andere. 93 Vgl. z. B. Drost-Erbs, § 6, Anm. I. 94 Ahnlich schon Goldschmidt; siehe Band I, S. 145.

2. Rechtsgut und Verwaltungsgut

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griffen auf jenes imaginäre Interesse verfälscht95 • Nimmt man den geregelten (ordnungsgemäßen) Verwaltungs ablauf als Schutzobjekt, will man also den Wesensgehalt des materialen Unrechts der Verwaltungswidrigkeit und den tragenden Grund ihrer Ahndung in dem Verstoß gegen ihn sehen, so gelangt man zu merkwürdigen Interpretationen der Handlungen, die allgemein als Ordnungswidrigkeiten betrachtet werden, und der für sie geltenden Normen96 • Indessen geht es bei den fraglichen Bestimmungen immer nur darum, gewisse materiale Ziele zu erreichen, die für das Zusammenleben in der Rechtsgemeinschaft als wertvoll erkannt worden sind und die zu verfolgen daher einer Forderung der Gerechtigkeit entspricht, an deren Erfüllung mitzuwirken jeder Rechtsgenosse auf Grund seiner sozialen Verbundenheit verpflichtet ist. Hierzu gehört nicht allein, schädliche Handlungen zu unterlassen, sondern auch, wertvolle vorzunehmen97 , die zur Sicherung jener materialen Zwecke eines gerechten Zusammenlebens unerläßlich sind98 • Die Verwaltung hat mit ihrer Tätigkeit selbst diesen Zwecken zu dienen; sie ist nicht neben der Rechtsgemeinschaft selbständige Trägerin von Gütern99 , infolgedessen nicht Selbstzweck, sondern ihrerseits (als Institution) nur Hilfsorgan der Rechtsgemeinschaft als solcher, unter anderem zur Heranziehung der einzelnen Rechtsgenossen für die Gemeinschaftsaufgaben (Konkretisierung der ihnen obliegenden Pflichten, Verteilung der Lasten).

95 Der Verwaltungs ablauf als solcher (die Erleichterung der Verwaltungstätigkeit) kann regelmäßig nicht der Grund zu Anordnungen sein, die den Bürger zur Vornahme bestimmter Tätigkeiten verpflichten. Diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz (Drews-Wacke, S. 295, 396) drückt § 31 Abs. 1 des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931, GS S. 77, wie folgt aus: "Polizeiverordnungen dürfen nicht lediglich den Zweck haben, den Polizeibehörden die ihnen obliegende Aufsicht zu erleichtern." über die Polizeigesetze der Länder, die entsprechende Bestimmungen enthalten, vgl. DrewsWacke, S. 295, 395 f. Der Grundsatz gilt zwar nur für Polizeiverordnungen und Polizeiverfügungen, doch muß er auch für die Gesetzgebung eine allgemeine Richtlinie bilden, von der nur abgewichen werden darf, wenn sonst das materiale Ziel, dem die Verwaltung mit ihrer Tätigkeit zu dienen hat, gefährdet werden würde (zu den sogenannten Spezialklauseln der Sondergesetze vgl. Drews-Wacke, S. 46 ff., 396). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang OLG Oldenburg, NJW 1963, S. 366, das richtig zwischen Vorschriften, die nur "inneren Verwaltungs zwecken" dienen und daher keine Strafdrohung rechtfertigen, und anderen unterscheidet, die auf "Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs" abzielen und deshalb Grundlage für eine Bestrafung sein können. 96 Siehe unten S. 151, Anm. 106. 97 Anders wohl Erik Wolf, Stellung, S. 525 f., 566 f. 98 Der Bürger besitzt zu diesen Pflichten kein spezifisch anderes Verhältnis als zu irgendwelchen anderen, die ihn als Rechtsgenossen treffen (anders Welzel, JZ 1957, S. 132). 99 Kischa, S. 84; vgl. auch S. 96.

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

Die Subjektivierung des Verwaltungsinteresses zu einem Interesse der Staatsverwaltung - an der Durchführung der objektiven Verwaltungsaufgaben (dem Schutz beziehungsweise der Verwirklichung der Verwaltungsgüter), an der Einhaltung der Verwaltungsnormen, am geordneten Verwaltungsablauf100 bringt kein neues, selbständiges Schutzobjekt hervor. Neben dem Gesamtinteresse (des Staates, der Rechtsgemeinschaft) an den Angelegenheiten des Soziallebens besteht kein von ihm gesondertes Interesse der Verwaltungsbehörden, und es ist auch hier nur auf die Geltung der rechtlichen Ordnung und den Schutz der Rechtsgüter gerichtet. Die Subjektivierung führt jedoch zu der verfehlten Annahme eines eigenen Gehorsamsanspruchs der Verwaltung und des bloßen Ungehorsams ihr gegenüber als Wesen der Ordnungswidrigkeiten, so, wenn diese in einem Verstoß gegen Normen gesehen werden, an deren Beachtung der Verwaltung "im Interesse der reibungslosen Verwirklichung ihrer Aufgabe" gelegen istl° 1 . Damit geht jeglicher materiale Gehalt der Verwaltungswidrigkeitenlehre verloren. Nicht Interessen der Verwaltung an sich selbst, sondern objektive, sachliche Anliegen von sozialer Bedeutung bedingen Wesen und Dasein der Verhaltensregeln, die eine objektive Ordnung errichten oder aufrechterhalten sollen. Der Charakter der Zuwiderhandlungen kann daher nur von ihnen aus und nicht durch den Gedanken des bloßen Verwaltungsungehorsams zureichend bestimmt werden102 • Die vermeintlichen Verwaltungswidrigkeiten sind keine Handlungen, die sich in der Verletzung von Interessen der Verwaltung an einer ordnungsgemäßen Verwaltungstätigkeit oder von (gerechtigkeitsindifferenten) Pflichten allein 100 Auch Schlegtendal erläutert die Verwaltungsinteressen als "Interessen der staatlichen Verwaltungsbehörde an ordnungsgemäßer Durchsetzung des in den einzelnen Gesetzen geregelten Verwaltungsablaufs" (S. 127), scheint aber unter "Verwaltungsablauf" nicht die Behördentätigkeit als solche (allein) zu verstehen, sondern (mindestens auch) die Herbeiführung oder Sicherung der zu gewährleistenden objektiven Ordnung. 101 Kohlhaas, Erbs-Kohlhaas, 0 187, Vorbem. 4, § 1, Anm. 5; Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 26; Kääb-Rösch, Einführung 37; und andere. - Hingegen gelangt man zur bloß formellen Normübertretung (zum Gesetzesungehorsam; siehe dazu unten S. 154 ff.), wenn man ausschließlich auf das "Interesse des Staats an der Vornahme oder dem Unterbleiben der gebotenen oder verbotenen Handlung" abstellt, wie es z. B. Michels, S. 64, tut. Er will damit Vorschriften bezeichnen, bei denen nach seiner Ansicht ein geschütztes Rechtsgut fehlt. Aber etwa das von ihm angeführte Wohnraumbewirtschaftungsgesetz schützt nicht ein staatliches Interesse, daß niemand ohne Genehmigung Wohnraum benutzt, oder ein Interesse an "geordneten Verhältnissen" oder an "geordneter Verwaltung", sondern die gerechte Verteilung des vorhandenen Wohnraumes (die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum). 102 Selbstverständlich ist nicht ausgeschlossen, daß der Ungehorsam gegenüber Verwaltungsbehörden als solcher tatbestandlich erfaßt wird; dabei handelt es sich jedoch um eine Auflehnung gegen die Staatsgewalt, dessen im StGB vorkommende Formen kriminelle Delikte sind (vgl. z. B. §§ 110, 113117 StGB [a. F.]), nicht um Ordnungswidrigkeiten.

2. Rechtsgut und Verwaltungsgut

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gegenüber der Verwaltung erschöpften und deshalb ausschließlich "Störungen im Verhältnis zwischen einzelnem und Verwaltung"103 darstellten (nach ihrem sozialen Sinn nicht über diesen "verwaltungsmäßigen Interessekreis"104 hinausreichten)105,106.

103 Schlegtendal, S. 113; "reine Verwaltungsverstöße" (S. 112). Als solche dürften sie keiner öffentlichen Sanktion unterliegen. 104 Kohlhaas, Erbs-Kohlhaas, 0 187, § I, Anm. 5. 105 Das gilt auch in den Fällen, da die Verwaltung selbst oder ihre Tätigkeit geschützt sein mag, wie ja entsprechend z. B. das Wesen des Meineids nicht in der Verletzung einer Pflicht gegenüber dem Gericht besteht. 108 Die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung läßt sich schon auf empirischem Wege an Hand einiger Beispiele von Ordnungswidrigkeiten dartun, die auch nach der Lehre "echte" Ordnungswidrigkeiten sind. Schlegtendal, S. 129 ff., führt die meisten der nachfolgenden Beispiele (und andere dazu) mit der hier abgelehnten Auslegung an, um dadurch seine Auffassung von den Ordnungswidrigkeiten zu stützen. Demzufolge müßte das Beiseiteschaffen oder Unbrauchbarmachen einer nach dem Flüchtlingsnotleistungsgesetz zur Unterbringung von Flüchtlingen angeforderten Baracke "lediglich" gegen das Interesse der Verwaltungsbehörde an ordnungsgemäßer Durchsetzung des in diesem Gesetz geregelten Verwaltungsablaufs (die angeforderte Sache bei der Verteilung zur Verfügung zu haben) verstoßen, die Flurbereinigung, mit der die land- und forstwirtschaftliche Erzeugung gefördert werden soll, nur im Interesse der Verwaltung liegen und derjenige bloß sein gutes Verhältnis zur Behörde stören, der während des Flurbereinigungsverfahrens noch schnell die Bäume auf einem seiner Grundstücke fällt, so daß der nachfolgende Eigentümer einen Kahlschlag erhält. Das Bestreben, dem Schwerbeschädigten eine Arbeitsstelle und damit die Möglichkeit eigenen Verdienstes zu geben und ihn vor allem wieder in die Gesellschaft einzugliedern, soll nur jenem Interesse der Verwaltung entsprechen, das infolgedessen verletzt, wer durch eine falsche Auskunft über den Umfang seiner Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter zu täuschen sucht. Entsprechendes gilt z. B. für die unbefugte Verwendung des Zeichens für Blindenwaren (einheitliche Kennzeichnung der Blindenwaren als Verwaltungsinteresse?). Die Vorschriften über den Außenhandel, zur Reinhaltung des Wassers oder über die Pflicht zur Anzeige freigewordenen Wohnraumes dienen dem Interesse der Behörde, den Warenverkehr oder den Zustand der Gewässer zu überwachen oder einen überblick über leerstehenden Wohnraum zu erhalten beziehungsweise den verfügbaren Wohnraum zu verteilen (wenn die Anzeigepflicht jedoch nicht mehr der Bekämpfung der Wohnungsnot, sondern der behördlichen "Neugier" dient, hat sie ihre Berechtigung verloren - aber vielleicht deswegen, weil die Behebung der Wohnungsnot auch nur im Interesse der Verwaltung liegt?). Wer Güterfernverkehr ohne die erforderliche Genehmigung betreibt, die Schädigung eingetragenen Kulturgutes, das er besitzt, nicht anzeigt oder als Arzt einen Geschlechtskranken, von dem eine ernste Ansteckungsgefahr ausgeht oder der noch nicht 18 Jahre alt ist und sittlich gefährdet erscheint, nicht meldet, beeinträchtigt das Interesse der Verwaltung, die Sachkunde des Unternehmers zu kennen, oder die "Neugierde" der Behörde, über den Bestand an Kulturgut oder das Ausmaß der Geschlechtskrankheiten Bescheid zu wissen. Oder sollten hier gar Verpflichtungen auferlegt worden sein, deren Erfüllung "eigentlich" nicht dem Staatsbürger, sondern der Verwaltung obläge? (Vgl. dazu den nachfolgenden Text.) Müßte man vielleicht auch annehmen, die Verkehrsregeln dienten dazu, der Polizei die Verkehrsregelung zu erleichtern? - Weitere Beispiele lassen sich unschwer aus der Zusammenstellung oben S. 53 ff. bilden.

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V. Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen Verwaltungsinteressen

3. Der Bürger als Hilfsorgan der Staatsverwaltung

Auch der von Welzel für den Bereich der Daseinsvorsorge wieder aufgegriffene Gedanke Goldschmidts 107 vom Bürger als Hilfsorgan der Staatsverwaltung108 führt nicht weiter. Welzel sucht diese Vorstellung mit der Erwägung zu rechtfertigen, daß die Aufgaben der Daseinsvorsorge (der austeilenden Gerechtigkeit) "den vom Einzelnen zu gestaltenden Lebenskreis (sein persönliches Verhältnis zu den Rechtsgütern des Mitmenschen, der Gemeinschaft oder des Staates) weit übersteigen" und infolgedessen primär in die Verantwortung des (verwaltenden) Staates gehörten. Die Verwaltung müsse aber, da sie nicht über genügend eigene Kräfte verfüge, Privatpersonen zu ihrer Unterstützung heranziehen (heute über den Gesetzgeber), die auf diese Weise zu Hilfsorganen der Staatsverwaltung mit sekundären, "funktionärsähnlichen Pflichten" (aus deren Verletzung die Verwaltungswidrigkeit bestünde) gemacht würden und dadurch in eine Art Disziplinarverhältnis zur Verwaltung gerieten. Die Konstruktion wäre dann annehmbar, wenn die Tatsache der überindividuellen Aufgabe ein Kriterium für das Fehlen einer originären Pflichtenstellung des einzelnen bildete. Dann aber müßte der Rechtsgrund für die Hilfeleistungspflicht des Bürgers überhaupt zweifelhaft sein. Indessen bedeutet die aus der Sozialnatur des Menschen folgende Sozialpflichtigkeit109 gerade, daß der Mensch eine originäre (nicht erst durch einen - in Gesetzesform ergehenden - Verwaltungsbefehl oder gar den Mangel an Verwaltungsfunktionären begründete) Rechtspflicht zur Mitwirkung an überindividuellen Gemeinschaftsaufgaben hat l1O • Dabei muß dem hier naheliegenden Irrtum entgegengetreten werden, daß sich die austeilende Gerechtigkeit auf das Verhältnis der über- und Unterordnung beschränkte und ausschließlich Sache des Staates sei; vielmehr hat sie, wie bereits erwähnt, auch als Maßstab für das rechts erhebliche Verhalten eines jeden einzelnen zu gelten111 • Wenn der Staat einen Sozialgestaltungsauftrag haben soll, den ihm doch nur die Rechtsgemeinschaft selbst erteilen kann, so setzt das entsprechende Pflichten und Rechte des Rechtsgenossen als Angehörigen der Gemeinschaft voraus, die nur ursprüngliche sein können. Die Beziehungen zwischen dem Staat (als Gesetzgeber wie als Verwaltung) und dem einzelnen sind im Bereich der Daseinsvorsorge nicht grundsätzlich anSiehe Band I, S. 143 f., 146 f. JZ 1957, S. 132; ähnlich Steiner, S. 77. Dagegen auch Schlegtendal, S. 39, Anm.1. 109 Siehe oben S. 95 ff., 128 ff. 110 Wer in Notzeiten seine Vorräte angeben muß, "hilft" damit nicht der Verwaltung bei der Speisekammerbesichtigung, sondern handelt bereits im Rahmen seiner Pflicht, in der Not mit anderen zu teilen. 111 Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, S. 96. 107

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3. Der Bürger als Hilfsorgan der Staatsverwaltung

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ders als sonst bei der Gestaltung der rechtlichen Ordnung. Das Verhältnis ist also umgekehrt: Den Rechtsgenossen als Glied der Rechtsgemeinschaft trifft eine ursprüngliche Verpflichtung; die Einrichtung der Staatsverwaltung entlastet ihn aber weitgehend 112 • Soweit er nicht entlastet wird, behält er seine eigene primäre PflichtensteIlung (bekommt nicht die sekundäre als Quasi-Staatsfunktionär und Hilfsorgan bei der Erfüllung fremder Pflichten). Hierin allein ist letzten Endes der Grund zu finden, auf dem die innere Verpflichtungskraft der Normen beruht, die die Einzelanweisungen im Bereich der Daseinsvorsorge (als Konkretisierungen und Aktualisierungen jener allgemeinen Pflicht) enthalten. Manche Vertreter der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten bestreiten die Rechtsguteigenschaft bestimmter Schutzobjekte nicht oder legen doch auf die Unterscheidung von Rechtsgut und Verwaltungsgut nicht das entscheidende Gewicht, sondern stellen die Frage dahin, ob die Verletzung der wegen eines Gutes errichteten Ordnung bereits einen Angriff auf das Gut darstellt oder überhaupt diese Ordnung und das in ihrer Verletzung liegende Unrecht material begründet sind113 • Damit werden die nunmehr zu behandelnden Probleme berührt.

112 Der einzelne ist nicht Hilfsorgan der Gemeinschaft, sondern deren Glied. Die Verwaltung ist Hilfsorgan der Gemeinschaft bei der Festlegung der sich aus der Gemeinschaftsgebundenheit der Person ergebenden konkreten Einzelpflichten. Neben dieser Rechtsgestaltungsaufgabe hat die Verwaltung eine überwachungsfunktion. 113 Vgl. Richard Lange (siehe oben S. 22 ff.); Arthur Kaufmann, Unrechtsbewußtsein, S. 184 ff.; Michels, bes. S. 69 ff.

VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße Wie der Zweckgedanke häufig in der Weise verselbständigt wird, daß vermeintlich gerechtigkeitsindifferente Zwecke zur Bildung einer nicht auf Ziele materialer Gerechtigkeit angelegten Verwaltungsordnung oder von Verwaltungs- oder Wohlfahrtsgütern, denen die Rechtsguteigenschaft fehlt, führen sollen, so verfährt man entsprechend auch mit der Ordnungsfunktion des Rechts: Sie soll Normen hervorbringen, die nur die Aufgabe haben, überhaupt eine Ordnung zu schaffen, bei der es nicht auf ihren materialen Gehalt, sondern allein auf die Tatsache ihres Vorhandenseins (ihrer Geltung) und die dadurch bedingte bloße Geordnetheit (die Sicherheit der von der rechtlichen Regelung gewährleisteten, rein um ihrer selbst willen bestehenden Ordnung, die Rechtssicherheit) ankomme. Die Zuwiderhandlung gegen eine solche, nicht durch ihren Inhalt gerechtfertigte Ordnung erhält den Charakter des bloßen Ordnungsverstoßes, der Verletzung lediglich des "Ordnungswertes" einer gesetzlichen Regelung, und erschöpft sich somit im Gesetzesungehorsam, der formellen Normwidrigkeitt. Es muß keineswegs ausgeschlossen sein, daß die Ordnung um eines weitergehenden Zweckes willen errichtet ist, nur komme es dann nicht auf ihren Inhalt, sondern allein darauf an, daß sie, gleich wie beschaffen, bestehe (sie erfülle ihren Zweck schon mit ihrer bloßen Existenz), oder ihr Zweck (Schutzzweck) sei nur Normmotiv, nicht Norminhalt 2 • Selbst "kurze, rationale Zwecksetzungen" begründen noch keine materiale Ordnung, so daß der formelle Gesetzesverstoß entscheidend bleibt3 • 1 Vgl Richard Lange (siehe oben S. 22 ff.); Arthur Kaufmann, Unrechtsbewußtsein, S. 184 f., 187 f., 191 f., 195; derselbe, Schuldprinzip, S. 136 f., 200 f.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S.172; Hellmuth Mayer, S. 263; Michels, S. 48ff., 62 ff.; Bockelmann, Schuld und Sühne, S. 9; BVerfGE 9, S. 167, 171; BGHSt. 13, S. 102, 110; BayObLGSt. (siehe oben S. 11, Anm. 26); und andere. Viele verwenden den Gesichtspunkt des Verstoßes gegen eine bloße (oder rein technische) Ordnung nur als einen unter mehreren (z. B. Rotberg, 3. Aufl., Einführung, S. 25 f.; Kohlhaas, Erbs-Kohlhaas, 0187, Vorbem. 4). Nicht selten wird bei einer solchen Kennzeichnung die Ordnung als eine durch Verwaltungszwecke bestimmte Ordnung verstanden, so daß nicht eigentlich ihr materialer Gehalt geleugnet, sondern sie im Sinne des vorigen Abschnitts als Verwaltungsordnung aufgefaßt wird (so wohl insbesondere, wenn von der "guten Ordnung" die Rede ist; vgl. z. B. H. Mittelbach, MDR 1958, S. 66). Die Terminologie ist oft unklar, und häufig sind verschiedenartige Gedanken miteinander vermengt (siehe die Zusammenstellung oben S.9 ff.). 2 Vgl. Richard Lange, Arthur Kaufmann, Michels, alle a.a.O. 3 Richard Lange (siehe oben S. 22 ff.).

1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlungen

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1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlungen

Die Möglichkeit einer solchen Verselbständigung des Ordnungsgedankens 4 zur Begründung des Unrechts und der Ableitung der Sanktionswürdigkeit allein aus dem formellen Normwiderspruch ist nachfolgend näher zu prüfen, d. h. es ist zu fragen, ob die Ordnungswidrigkeiten Handlungen sein können, die des materiellen Unrechts entbehren und nur formell rechtswidrig sinds oder bei denen doch der tragende Grund der Ahndung allein im Verstoß (Ungehorsam) gegen den formellen Gesetzesbefehl (ohne Rücksicht auf ein etwa vorhandenes materiales Unrecht)6 oder in der Verletzung bloß des "Ordnungswertes" einer gesetzlichen Regelung7 liegt. Nur eine Ausflucht stellt es dar, den materiellen Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeiten im Ungehorsam gegenüber den gesetzlichen Ge- und Verboten sehen zu wollenB, denn das Bestreben nach einer materiellen Unrechtsbegründung geht ja gerade dahin, den eigentlichen Gehalt des Unrechts in etwas anderem zu finden als in dem Verstoß gegen den förmlichen Gesetzesbefehl, worin sich der Gesetzesungehorsam erschöpft9 •

, Zur Ordnungsfunktion des Rechts (Rechtssicherheit) und ihrer isolierten Betrachtung vgl. auch RadbTuch, Rechtsphilosophie, S. 168 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 15 ff.; ZeidleT, Maßnahmegesetz, S. 148, 152 f.; StTatenweTth, Verantwortung und Gehorsam, S. 91 ff., 123 ff.; SaueT, System der Rechtsund Sozialphilosophie, S. 199 f., 202 f.; Henkel, Einführung, S. 333 ff. Siehe auch unten S. 189 ff. 5 Vgl. z. B. ATthuT Kaufmann, Unrechtsbewußtsein, S. 183 ("System reiner Bestimmungsnormen"); Bockelmann, Schuld und Sühne, S. 9 (Gehorsamsverweigerung gegenüber einem formellen Befehl); R. Lange, JZ 1956, S. 78, S. 522; 1957, S. 236 ff.; Michels, S. 49, 53, 68 ff., 101 ff.; MaihofeT, ZStW 70 (1958), S. 193. Siehe auch die Angaben oben S. 11 ff., 15 f. (Ordnungswidrigkeiten als einfacher Gesetzesungehorsam, bloße Ge- oder Verbotswidrigkeit, formeller Normwiderspruch). 8 z. B. R. Lange, JZ 1957, S. 237 ff.; Michels, S. 69 ff.; Bockelmann, Schuld und Sühne, S. 9. Hier spielt auch die Behauptung eine Rolle, bei den Ordnungswidrigkeiten kehrten sich Grund und Folge von materieller und formeller Rechtswidrigkeit um (vgl. etwa R. Lange, JZ 1956, S. 522; Michels, S. 51 f., im Anschluß an ZimmeTl, GS 98 [1929], S. 306). 7 R. Lange, JZ 1957, S. 237; Michels, S. 51, 53; RadbTuch, Rechtsphilosophie, S. 172; Hellmuth MayeT, S. 263. 8 R. Lange, JZ 1956, S. 522: "Bei den Zuwiderhandlungen erwächst aus dem

schneidenden formellen Verbot die materielle Wertwidrigkeit des Ungehorsams." 9 Deswegen wird auch sonst der Gesetzesungehorsam nur als formelle Rechtswidrigkeit verstanden; vgl. z. B. Adolf MeTkel, Kriminalistische Abhandlungen, I, S. 97; Binding, Normen, I, S. 408 f., 410 f.; v. Liszt-Schmidt, S. 5, Anm. 3; v. Hippel, I, S. 16,21; II, S. 101, 114, 185; SaueT, Strafrechtslehre, S. 25. Siehe auch oben S. 11 ff., 16 ff. Zur Auffassung der Ordnungswidrigkeiten als Gesetzesungehorsam siehe unten S. 170 ff.

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VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße

a) Der Begriff des materiellen Unrechts als Beziehungsbegrijj Der materielle Verbrechens begriff Mit "formell" und "materiell" werden grundsätzlich nicht zwei verschiedene Arten des Unrechts bezeichnet, vielmehr versucht man, als "materielles Unrecht" den inneren (materialen, sachlichen) Gehalt dessen, was das Gesetz dann unter ein "formelles" Verbot stellt, zu erfassen, also in ihm den tragenden Grund zu begreifen, um deswillen es eine Verhaltensweise "formell" als Unrecht verbietetl°. Das materielle Unrecht rückt damit von vornherein unter den Aspekt der Aufgabe (Zielsetzung) des Rechtsl l und kann sich demzufolge nur aus der Beziehung der ge- oder verbotswidrigen12 Handlung zu der (vom Recht zu gewährleistenden) Gemeinschaftsordnung (der sozialen Ordnung, welche die Gesamtheit der Rechtsgüter bildet13 ), in deren Wirkungsbereich sie sich ereignet, ergeben. Seine Grundlage ist die soziale Bedeutung der Tat als objektiver Erscheinung14 , für welche jene Ordnung den Maßstab liefert. Das materielle Unrecht erweist sich so als ein Beziehungsbegriff15, und es ist grundsätzlich richtig, es als Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung, Gemeinschaftswidrigkeit oder Sozialschädlichkeit zu bestimmen16. 10 Die Unterscheidung zwischen formellem und materiellem Unrecht ist hier nicht näher zu behandeln. Vgl. die Bemerkungen und Literaturnachweise bei Schönke-Schröder, Vorbem. 3 vor § 51; Maurach, S. 234 f.; Baumann, S. 244 ff.; Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale, S. 157 ff., bes. S. 159 f.; v. Liszt-Schmidt, S. 176 f.; Mezger, S. 197 ff.; NaH, übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, S. 15 ff.; Michels, S. 38 ff. U Insofern bedenklich Schmidhäuser, der von einem "außer- oder vorrechtlichen" Verbrechen spricht (Gesinnungsmerkmale, S. 159). Richtig v. Hippel, I, S. 30: "Das Wesen des Unrechts läßt sich ... all ein aus dem Wes e n des (0 b je k ti v e n) Re c h t s ableiten"; Welzel, S. 48 (Vereitelung der Herstellung einer "wertvollen sozialen Lebensordnung"). 12 über die Notwendigkeit dieser Einschränkung vgl. z. B. Gallas, zStW 67 (1955), S. 24. 13 Welzel, S. 4; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 70; derselbe, Unterlassungsdelikte, S. 1. 14 Inwiefern hierfür subjektive Momente ausschlaggebend sein können, darf an dieser Stelle auf sich beruhen bleiben. 15 Die Substanz des Unrechts liegt also in einer (Wert-)Beziehung, nämlich der Tat (und der für ihre soziale Bedeutung wesentlichen Faktoren) zu der rechtlich zu gewährleistenden Gemeinschaftsordnung. - Inwieweit die Beziehung zu der vorausgesetzten, rechtlich zu gewährleistenden Sozialordnung durch objektive oder durch subjektive Momente hergestellt, d. h. der der Bewertung zugrunde liegende Verhaltenstyp (die Verhaltensweise, die Gegenstand des Unrechtsurteils ist) und damit der Unrechtstypus durch objektive oder subjektive (täterschaftliche, personale) Merkmale konstituiert wird, ist hier nicht zu entscheiden, denn diese Frage spielt für die Lösung des Problems der Ordnungswidrigkeiten keine Rolle. 16 Dahm, Deutsches Recht, S. 522; v. Weber, S. 7, 41; Schönke-Schröder, Vorbem. 3 vor § 51; Sauer, Strafrechtslehre, S. 26, 28, 52, 56, 59; Wetzet, S. 15, 47, 50 ff.; Maurach, S. 109; Heinitz, Entwicklung, S. 266; Kohlrausch-Lange,

1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlungen

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Eine solche Unrechtsbetrachtung gerät im Strafrecht notwendig sogleich unter eine andere Perspektive als etwa im Zivilrecht, denn da jedes Teilrechtsgebiet im Rahmen der Gesamtrechtsordnung seine eigene Zielsetzung hat, kann auch schon für die materielle Unrechtsbetrachtung jeweils ein anderes Moment wesentlich erscheinen. Die Einheit der Rechtsordnung verbürgt jedoch, daß trotz des unterschiedlichen Blickwinkels keine voneinander abweichenden Unrechtsurteile zustande kommen. Vom Begriff des materialen Unrechts ist indessen der materielle Verbrechensbegriff zu unterscheiden. Er interessiert hier nur hinsichtlich seiner Unrechtskomponente, da der behauptete grundlegende Unterschied zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten mindestens primär im Bereich des Unrechts gesucht werden muß. Hat man im Verbrechen das als strafwürdig ausgelesene (schuldhafte) Unrecht zu sehen17 , so ist der materielle Verbrechensbegriff enger als der Begriff des materialen Unrechts. Hier könnte die Frage aufgeworfen werden, ob sich der gesuchte Unterschied zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten, falls für beide Deliktsformen von einem grundsätzlich gleichartigen materialen Unrecht auszugehen wäre, in der jeweils näheren Bestimmung finden ließe, durch die sich das zunächst als gleichartig angenommene Unrecht einerseits als strafbar und andererseits als ordnungswidrig qualifizierte. Sie kann sogleich vorläufig beantwortet werden. Wer das verbrecherische aus dem übrigen Unrecht nach quantitativen Merkmalen (als Unrecht von besonderer Schwere, besonderer Unerträglichkeit usw.) aussondern will18 oder überhaupt die Möglichkeit leugnet, das strafbare vom nicht strafbaren Unrecht durch allgemeine materiale Kriterien abzugrenzen19 , der kann auch keine qualitative Verschiedenheit von strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten glaubhaft machen, wenn er die Differenzierung erst auf der Grundlage eines (etwa durch die Einheit der Rechtsordnung bedingten) zunächst gleichartigen materiellen Unrechts vornimmt. Für die Vorbem. S. 15 ff.; Hellmuth Mayer, S. 50 ff.; Jescheck, zstW 73 (1961), S. 193; S. 176; von Jhering, Zweck im Recht, I, S. 382 [490 f.]; und andere. 17 Gallas, ZStW 67 (1955), S. 18. 18 Sauer, Strafrechtslehre, S. 28; derselbe, Grundlagen des Strafrechts, s. 133 ff., 215 ff., 314 ff.; Hellmuth Mayer, Strafrecht, S. 50 ff.; derselbe, Strafrecht des Deutschen Volkes, S. 72, 84; derselbe, Strafrechtsreform, S. 105 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 501 ("unerträglicher Widerspruch zur Ordnung des Rechts"); Maurach, S. 109, 168; Welzel, S. 5, 15,47; v. Liszt-Schmidt, S. 147; Baumann, S. 8 f., 75, 84; Sax, Grundrechte, III 2, S. 923 ff.; Kohlrausch-Lange, Vorbem. S. 12 ff.; Würtenberger, Situation, S. 68; W. Mittermaier, zstW 44 (1924), S. 7 (aber "an sich" sei das verbrecherische nicht vom übrigen Unrecht zu trennen). 1U Binding, Normen, I, S. 237 ff.; derselbe, Abhandlungen, I, S. 79; v. Hippel, I, S. 31; II, S. 88, 92, 185; Gallas, ZStW 67 (1955), S. 18; Bockelmann, Sinn der Strafe, S. 25 ff.

v. Liszt-Schmidt,

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VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße

Zwecke vorliegender Untersuchung genügen folgende Erwägungen: Der besondere sachliche Gehalt gerade des "strafbaren" Unrechts kann nur das sein, was die Strafwürdigkeit und die Strafbarerklärung trägt. Das strafbare Unrecht bildet den Grund und Anknüpfungspunkt der staatlichen Strafdrohung und der Bestrafung. Damit wird die Bestimmung des materiell deliktischen Unrechts abhängig von Grund und Zweck des staatlichen Strafrechts und demnach auch von Wesen und Zweck der staatlichen Strafe überhaupt20 . Wichtig ist hierbei vor allem der Gesichtspunkt der Bewährung der (rechtlichen) Lebensordnung und der in ihr beschlossenen und das rechtliche Dasein der Gemeinschaft tragenden Gerechtigkeitsvorstellungen (Ordnungsprinzipien, Werte), soweit dies mit den Mitteln der strafrechtlichen Rechtsfolgen erforderlich und möglich ist, als Aufgabe des Strafrechts und der Strafe als Institution. Materiell deliktisch ist also das Unrecht, dessen Bestrafung zur Bewährung der rechtlichen Lebensordnung und der sie tragenden Gerechtigkeits-(Ordnungs-, Wert-)Vorstellungen für unerläßlich gehalten wird. Dieses Ergebnis trifft sich mit der Auffassung von GaHas, das Verbrechen sei "auf Grund bestimmter Zweckerwägungen und sozialethischer Wertvorstellungen als strafwürdig ausgelesenes schuldhaftes Unrecht"21. Eine weitergehende, allgemeine inhaltliche Bestimmung des strafbaren Unrechts erscheint nicht möglich22 . Was damit vom "strafbaren" Unrecht gesagt wird, gilt ganz entsprechend auch von den Ordnungswidrigkeiten. Man hätte also im Vorangegangenen das "Strafrecht" im weiteren Sinne von "Ahndungsrecht" und "Bestrafung" als "Ahndung" zu verstehen sowie unter "deliktisch" auch "ordnungswidrig" zu begreifen. Strafbares (im engeren Sinne) und ordnungswidriges Unrecht unterschieden sich dann dadurch, daß zur Ahndung des ersten Strafe, 20 Da Verbrechen und Strafe korrelative Begriffe sind, können sie in ihrem Wesen nicht unabhängig voneinander sein. Deshalb hielt es Radbruch für möglich, den Begriff des strafbaren Unrechts aus dem Strafzweck abzuleiten (Systematik, S. 160). Vgl. dazu die kritische Bemerkung Engischs, Stud. Gen. 10 (1957), S. 185. Ihr gegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß es von der Funktion abhängt, die die staatliche Strafe als Institution im ganzen des sozialen Daseins im staatlichen Gemeinwesen zu erfüllen hat, welche Verhaltensweisen als strafwürdiges Unrecht in Betracht kommen und als was dieses Unrecht strafrechtlich erfaßt werden kann (was unter strafrechtlichem Blickwinkel sein Wesen ausmacht). Vgl. auch Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale, S. 210: "Die Strafwürdigkeit eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsordnung ... ist ... als Grundlage praktischen staatlichen Strafens bedingt durch die Zwecke dieses Strafens". Vgl. ferner Bockelmann, Sinn der Strafe, S. 25 ff. Siehe unten S. 251 mit Anm. 2. 21 zstw 67 (1955), S. 18. 22 Siehe die oben S. 157, Anm.19 Zitierten. Vgl. auch Maurach, S. 110. - Die Auslese von Unrecht als strafwürdig kann nur durch Aufstellen von Verhaltenstypen (tatbestandliche Typisierung) geschehen (Gallas, zstw 67 [1955], S. 16 f.), was notwendig zum "fragmentarischen" Charakter des Strafrechts führt (vgl. Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, I, S. 20 ff.; Hellmuth Mayer, S. 56; Gallas, a.a.O., S. 17; Welzel, S. 5).

1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlungen

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zu der des letzten (Geld-)Buße erforderlich wäre. Danach könnte eine Verschiedenheit im Unrecht allenfalls aus einer solchen in den Rechtsfolgen abgeleitet werden23 • Die Frage läßt sich endgültig erst beantworten, wenn feststeht, ob die Geldbuße etwas anderes als eine Strafe ist24 . Man kann jedoch schon jetzt erkennen, daß strafbares und ordnungswidriges Unrecht jedenfalls aus sich heraus25 nicht qualitativ zu trennen sind, wenn der Unterschied in den zu einem ihnen gemeinsamen (grundlegenden) materialen Unrecht hinzutretenden spezifischen Verbrechensund Ordnungswidrigkeitsmerkmalen gesucht wird. b) Die Tat in ihrer typischen sozialen Erscheinung als Grundlage

des Urteils über den materialen Unrechtsgehalt

Ist das materiale Unrecht ein Beziehungsbegriff, so kann es hinsichtlich des den Gegenstand eines Verbotes bildenden Verhaltens nicht durch dessen isolierte Betrachtung festgestellt werden. Das eine der beiden für die Beziehung notwendigen Glieder ist auch schon von vornherein die Tat nur in ihrer sozialen Bedeutung. Dies bedarf in zweifacher Hinsicht einer Erläuterung. Zunächst besteht eine menschliche Handlung nie "an sich", sondern wird stets in eine in bestimmter Weise beschaffene und geordnete "Welt" hinein getan und wirkt in ihr. Dem Recht zugänglich ist sie nur, soweit sie einen Bezug auf das Soziale hat (d. h. zur sozialen Erscheinung wird)26. Dies setzt voraus, daß jene "Welt", zu der die Handlung in eine Beziehung tritt, die soziale Um- und Mitwelt einer Gemeinschaft ist. Die Handlung bekommt dann ihre aller rechtlichen Beurteilung zugrunde liegende objektive Bedeutung für das (rechtlich geordnete) Mitsein in der einer Rechtsgemeinschaft zugehörenden menschlichen Um- und Mitwelt aus ihrem Verhältnis zu dieser "Welt", das wesentlich durch deren Beschaffenheit und Ordnung bestimmt wird. Als für das Recht erfaßbare soziale Erscheinung ist die Handlung keine an sich seiende Größe, sondern das, was sie im Hinblick auf ihre "Welt" im vorbezeichneten Sinne und deren Ordnung (durch ihre Bezogenheit auf diese) ist; nur so läßt sich ihr "Wesen" im sozialen Insoweit ist Bockelmann, Sinn der Strafe, S. 25 ff., zuzustimmen. Siehe unten S. 251 ff. 25 Die Frage der ethischen Differenz des Unrechts bleibt hier unberücksichtigt; siehe dazu unten S. 199 ff. 26 Vgl. z. B. BVerfGE 6, S. 389, 433; OVG Bremen, DVBl. 1963, S. 69; v. LisztSchmidt, S. 153, Anm.; Eb. Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, S. 75, Anm. 29; Gallas, ZStW 67 (1955), S. 14, Anm. 40 a; Jescheck, Handlungsbegriff, S. 150 ff., mit weiteren Zitaten. Deshalb dürften die Bemühungen um eine soziale Handlungslehre grundsätzlich eine richtige Zielsetzung verfolgen; über diese vgl. Jescheck, a.a.O., S. 140, 150 ff.; Maihofer, Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem; derselbe, Der soziale Handlungsbegriff, S. 156 ff.; Gallas, a.a.O.; und die jeweils dort Zitierten. Im übrigen soll mit den hier gemachten Ausführungen nicht zum Handlungsbegriff Stellung genommen werden. 23

24

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VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße

Lebensraum bestimmen27 • Eine Tat als objektive soziale Erscheinung erhält mithin ihren sachlichen Unrechtsgehalt aus ihrem Verhältnis zu der bestehenden rechtlich zu gewährleistenden sozialen Lebensordnung der Rechtsgemeinschaft, in deren Lebensbereich sie geschieht28 • Das Bezugsobjekt (die Ordnung) wird hier zum konstitutiven Kriterium des Unrechts. Die Art des Unrechts folgt aus der Art des Bezugsobjekts (seine Größe - Stärke - hingegen aus der Intensität der Beziehung29 ). Eine Verschieden artigkeit des Unrechts kann also nur durch eine Verschiedenartigkeit der Ordnung bedingt sein, die für die Unrechtsqualifikation der Handlung maßgebend ist. Daß in dieser Hinsicht nicht zwischen Rechtsordnung im engeren (materiellen) Sinne und Verwaltungsordnung (Wohlfahrtsordnung, reiner Zweckordnung) unterschieden werden kann, wurde bereits dargelegt30 • Hier wird die Frage zu erörtern sein, ob es neben einer materialen (inhaltsdifferenten) rechtlichen Ordnung eine" bloße", inhaltsindifferente geben kann, bei der es lediglich auf das Ob (den Ordnungswert als solchen), nicht auf das Wie (die inhaltliche Gestaltung) der rechtlichen Ordnung ankommt. Dabei taucht unter anderem die weitere Frage auf, ob die materiale Ordnung eine "vorgegebene" und die "bloße" eine (künstlich) gemachte Ordnung sein kann31 • Die Handlung darf ferner auch insofern nicht isoliert gesehen werden, als sie nicht in ihrer Vereinzelung, sondern als typische Erscheinung zu erfassen ist. Gegenstand eines allgemeinverbindlichen Normbefehls kann nicht eine einzelne konkrete Tat, sondern allein eine typische Verhaltensweise (ein Handlungstypus) sein32 • Insbesondere strafrechtlich sind menschliche Handlungen immer nur als Verhaltenstypen belangvoll33 , d. h. im Tatbestand wird eine Handlung niemals als einzelne, ein27 Entgegen Wimmer (siehe oben S. 18 und unten S. 244 ff.), der seinen überlegungen die Vorstellung von "an sich" bösen und nicht bösen Taten zugrunde legen will, Richard Lange (JZ 1956, S. 77; 1957, S. 234, 237), Michels (S.50), die ebenfalls ein Verhalten an sich (die "natürliche Verhaltensweise an sich") betrachten wollen, und anderen. 28 Vgl. v. Weber, S. 7. So gesehen, ist auch die Vorstellung von delicta per se verfehlt. 29 Die Unrechtsqualität einer Handlung kann von der Intensität der Beziehung abhängen. Insofern ist ein "Umschlag" von der Quantität in die Qualität möglich, aber immer nur im Hinblick darauf, ob eine Handlung eine bestimmte Unrechtsart verwirklicht oder nicht. 30 Siehe oben S. 93 ff., 126 ff. 31 Siehe dazu unten S. 175 ff. 32 Vgl. auch Coing, Rechtsphilosophie, S. 17; Henkel, Recht und Individualität, S. 7 (der den "Ausgangspunkt und Grundsatz" als richtig anerkennt); vgl. ferner die Angaben bei Engisch, Konkretisierung, S. 282 f. 33 Schon deswegen, weil sich strafrechtlich erhebliches Unrecht nur durch Typisierung bestimmen läßt. Diese Typisierung des strafwürdigen Verhaltens ist für das Strafrecht wesentlich. Vgl. Gallas, zstW 67 (1955), S. 16 ff.; Hellmuth Mayer, S. 46; v. Weber, S. 42.

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malige, sondern als Typus beschrieben, und der strafrechtlichen Beurteilung liegt die einzelne Handlung in ihrer Zugehörigkeit zum Typus zugrunde 31 • Infolgedessen ergibt sich der Unrechtsgehalt (das Ob und die Art des materialen Unrechts) für eine einzelne Tat nicht aus deren isolierter Anschauung, sondern aus ihrer Zugehörigkeit zu einem Typus, der ein bestimmt geartetes Unrecht (eine bestimmte Art der Gemeinschaftswidrigkeit35 ) verkörpert36 • Entsprechendes gilt für die Feststellung der Strafwürdigkeit. Es erübrigt sich, an dieser Stelle den verschiedenen Bedeutungen des im Recht und insbesondere im Strafrecht verwendeten Typusbegriffs nachzugehen37 • Einem gesetzlichen Deliktstypus liegen (jedenfals nach der Vorstellung des Gesetzgebers) typische Lebensvorgänge zugrunde 38 • Insofern hat man es hier mit einem empirischen Geschehenstypus 39 zu tun. Er wird für die rechtliche Regelung als Inbegriff ("Sinneinheit") von Verhaltensweisen vorausgesetzt, welche durch die ihnen eigentümlichen typuskonstitutiven Merkmale im Hinblick auf ihr Verhältnis zur sozialen Ordnung gleichgeartet (und damit tauglich, jeweils konkret eine bestimmte - typische - Art der Gemeinschaftswidrigkeit zu verkörpern) zusammengefaßt sind 40 • Der Geschehenstypus ist zugleich ein empirischer Häufigkeitstypus 41 • Angenommen wird dabei (mindestens als möglich) eine Mehrheit oder (unbestimmte) Vielheit von Einzelhandlungen, die unter dem Blickwinkel ihrer Zugehörigkeit zum selben Typus als eine Gesamtheit (Gruppe gleichartiger Handlungen) erscheinen42 • So läßt sich sagen, daß bei der 34 Vgl. auch Hans J. Wolff, Stud. Gen. 5 (1952), S. 202 (der Einzelfall müsse "mindestens als Konkretion eines Typus" behandelt werden). 35 v. Weber, S. 42. 38 Selbstverständlich muß die konkrete Tat materiell rechtswidrig sein. Aber ihr materiales Unrecht ergibt sich nicht aus der Wirkung, die sie als einmaliges, einzelnes Geschehnis auf die soziale Ordnung hat, sondern liegt in der sozialen Unerträglichkeit des Verhaltenstypus, dem sie angehört. Die einzelnen Handlungen verwirklichen das materiale Unrecht des Typus, und zwar in verschieden hohem Maße. 37 An neueren Veröffentlichungen hierzu, in denen man weitere Literaturhinweise findet, seien genannt: Larenz, Methodenlehre, S. 423 ff.; Engisch, Konkretisierung, S. 237 ff.; Hans J. Wolf!, Stud. Gen. 5 (1952), S. 195 ff. Zu den Grenzen zulässiger Typisierung vgl. BVerfGE 17, S. 1, 8, 23 f., S. 38, 57, und die dort genannten Entscheidungen. 38 Hellmuth Mayer, S. 46; Engisch, Konkretisierung, S. 272, 276 f.; v. Weber, S.42. 39 Engisch, Konkretisierung, S. 240 ff., 272, 276 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 425 f., 432. 40 Vgl. auch v. Weber, S. 42. Der Typus erhält auf diese Weise gewisse normative Elemente. Vgl. im übrigen zum Typus als "Ganzheit" oder "Sinngebilde" Larenz, Methodenlehre, S. 424, 427 ff.; Engisch, Konkretisierung, S. 248 ff., mit weiteren Nachweisen. 41 Engisch, Konkretisierung, S. 240 ff., 272 (vgl. auch S. 274); Larenz, Methodenlehre, S. 424. 42 Zutreffend bemerkt daher etwa Binding, Normen, I, S. 398, notwendige Voraussetzung jedes Normeriasses sei die "Bildung der Handlungsgruppe " , die Gegenstand des Normbefehls sein soll.

11 Mattes

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Aufstellung eines Handlungstypus als Inbegriff (Sinneinheit) bestimmter Verhaltensweisen die typische Handlung auch in der mehr oder minder großen Häufigkeit ihres Geschehens (in ihrer als möglich vorausgesetzen Verbreitung) mit den sich daraus ergebenden oder zu erwartenden Folgen. d. h. in ihrer so verstandenen möglichen allgemeinen Erscheinung und deren Wirkungsrichtung begriffen wird 43 • Die soziale Bedeutung und der Unrechtsgehalt einer Handlung als Typus beruhen also auch auf der Bedeutung der den Typus bildenden Handlungsgruppe innerhalb des Gefüges der sozialen Ordnung. Demzufolge kann für sie die Häufigkeit des Vorkommens der typischen Handlung, d. h. die die Gesamtheit der zum Typus zusammengefaßten Handlungen bildende mögliche Vielzahl derselben, und die sich daraus ergebende mögliche Auswirkung auf die rechtliche Sozialordnung wichtig sein44 • Infolgedessen ist es nicht ausgeschlossen, daß die für das materiale Unrecht konstitutive Beziehung des Handlungstypus zu dem geschützten Rechtsgut oder der besondere Strafwürdigkeitsgehalt erst durch die Häufigkeit begründet wird, mit der sich die typische Handlung ereignet45 • Das Unrecht und die Strafwürdigkeit des Typus sind für die einzelne Tat, die unter den Typus fällt, maßgebend, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie im konkreten Falle die realen Auswirkungen hat, die für die den 43 Schon von Jhering bemerkte richtig, daß der Maßstab, nach dem der Gesetzgeber den verbrecherischen Charakter einer Handlung feststelle, "nicht die k 0 n k r e t e Gefährlichkeit der ein z eIn e n Handlung, sondern die ab s t r akt e der ganzen Kat ego r i e von Handlungen" sei (Zweck im Recht, I, S. 383 [491]). Zustimmend W. Mittermaier, ZStW 44 (1924), s. 7. Vgl. auch Sauer, Strafrechtslehre, S. 54: "Als Objekt der Beurteilung erscheint ... nicht ein einzelnes Wirken, sondern die generelle Tendenz eines Wirkens"; vgl. ferner derselbe, Grundlagen des Strafrechts, S. 133 f. 44 Daß die weite Verbreitung einer Handlung deren materielles Unrecht und die Strafwürdigkeit begründen kann, hat Wolfgang Mittermaier, ZstW 44 (1924), S. 7, im Anschluß an Sauer, Grundlagen des Strafrechts, S. 133 f., 137, 215 ff., 314 ff., besonders hervorgehoben. "Die Allgemeinheit wird berührt, wenn bestimmte Taten immer wiederkehren; sie decken dann eine besondere soziale Gefahr oder ein besonderes Widerstreben gegen die allgemeine Ordnung auf" (a.a.O.). Freilich darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, nur häufig verübte Handlungen könnten materiell rechtswidrig und strafwürdig sein. Insofern ist die Kritik v. Hippels, II, S. 92, nicht berechtigt. Einmalige, unwiederholbare Geschehnisse sind nicht strafrechtlich-tatbestandlich zu erfassen. Für die Bildung von Deliktstypen muß die Handlung mindestens als möglicher empirischer Häufigkeitstypus erscheinen können, auch wenn er nur ganz selten realisiert wird. Die "Häufigkeit der Begehung des fraglichen Delikts" zählt auch Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale, S. 211, zu den "Momenten der Strafwürdigkeit". 45 Daß man die Art des Unrechts nicht danach bestimmen kann, ob die Häufigkeit des Vorkommens für die Begründung des Unrechts oder der Strafwürdigkeit des Handlungstypus mehr oder minder große Bedeutung hat, bedarf nach dem Vorangegangenen keiner näheren Erklärung. Es handelt sich um rein quantitative Gesichtspunkte, die zwar darüber entscheiden können, ob eine bestimmte Unrechtsbeziehung vorliegt, nicht aber über die Art der Unrechtsbeziehung.

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Typus bildende Handlungsgruppe im ganzen wesentlich ist und zu deren Verbot geführt hat46 • Eine einzelne Handlung kann für sich allein sozial unerheblich sein; aber die durch die Vielzahl des Vorkommens bedingte soziale Unerträglichkeit des Handlungstypus bestimmt auch die rechtlich wesentliche soziale Bedeutung einer dem Typus zugehörenden Tat. Für die typische Unrechtsart kommt es eben immer auf die Handlung (nicht als einzelne, sondern) als typische Erscheinung an. Der einzelne kann sein Verhalten nur so beurteilt sehen, wie es als mögliches Verhalten aller (zum mindesten in gleicher Lage Befindlichen) zu beurteilen ist; er darf für sich nichts in Anspruch nehmen, was nicht vergleichbaren anderen ebenfalls zustehen würde. Kann ein vorausgesetzter rechtlich wertvoller Zweck nur verfolgt werden, wenn alle sich in bestimmter Weise verhalten, so ist dieses Verhalten unmittelbar auf Grund der Gemeinschaftsverbundenheit des Menschen geboten und entspricht einer ursprünglichen rechtlichen Verpflichtung des einzelnen als Angehörigen der Rechtsgemeinschaft; weder ist es wertneutral noch der Verstoß gegen die Verhaltenspflicht "künstliches" Unrecht. c) Das materiale Unrecht als notwendige Grundlage der förmlichen Verhaltensbefehle (Normen)

Aus den vorangegangenen Erörterungen folgt für die weitere Untersuchung, daß der materiale Gehalt des Unrechts einer tatbestandsmäßigen Handlung in der Unvereinbarkeit der Handlung als Typus im dargelegten Sinne mit der Aufrechterhaltung oder Herstellung der Geltung 47 der rechtlich zu gewährleistenden Sozialordnung oder der Ver46 Vgl. Sauer, Grundlagen des Strafrechts, S. 223 f.; vgl. auch Binding, Normen, I, S. 399 ff. - Binding geht von einem richtigen Ansatzpunkt aus (Normen, I, S. 398 ff.), legt dann aber für die Bestimmung des Unrechts gehalts zu großes Gewicht auf das Verletzungs- oder Gefährdungsmoment im Einzelfall und zieht deshalb nicht die notwendigen Folgerungen aus der Erkenntnis, daß die Norm von der Bedeutung der Handlungsgruppe, aus der sie den Handlungstyp bildet, für das Schutzobjekt ausgehen müsse und dadurch das typische materiale Unrecht bestimmt werde, an dem die einzelnen Handlungen infolge ihrer Zugehörigkeit zum Typus teilhaben; dadurch kommt er zur Annahme einfachen (reinen) Ungehorsams oder rein formellen Unrechts (S. 408 ff.). Gegen eine solche Verwechslung des Deliktstypus (und des ihm eigentümlichen Unrechts) mit dem konkreten Verbrechensfall (und seinem Verletzungserfolg) richtig Sauer, a.a.O., S. 223. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 72, vermeidet den Fehler Bindings, indem er den Aktunwert als entscheidend ansieht. 47 "Gelten" im hier gemeinten Sinne heißt, im Bereich einer Rechtsgemeinschaft die Gestaltung der Lebenswirklichkeit bestimmen (wirksam sein), Richtmaß für diese, für das Verhalten der Rechtsgenossen und Staatsorgane sowie für die Beurteilung des sozialen Geschehens sein. Nicht notwendig ist, daß eine Rechtsnorm in jedem Einzelfall befolgt und ausnahmslos anerkannt wird, wohl aber, daß sie sich im ganzen als lebensgestaltende Kraft bewährt (wenn auch nur im Wege der Durchsetzung mittels staatlicher Autorität) und ein allgemeines (nicht ausnahmsloses) Bewußtsein von ihrem Richtmaß-

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VI. Ordnungswidrigkeiten als reine Ordnungsverstöße

wirklichung ihrer Ziele im ganzen oder in einem Teilbereich liegt. Die Behauptung, die Ordnungswidrigkeiten seien nur formell rechtswidrig, besagt also, sie widersprächen inhaltlich nicht der Gemeinschaftsordnung (sei es auch nur in einem begrenzten Bezirk), d. h. für deren Bestand (ihre Geltung) sei es gleichgültig, ob sie vorgenommen werden oder unterbleiben. Dann aber ist unklar, warum sie verboten werden (dürfen). Ein Verbot oder Gebot kann nur ergehen, wenn die Vornahme des zu verbietenden oder das Unterlassen des zu gebietenden Verhaltens als im genannten Sinne mit der sozialen Ordnung oder der Verwirklichung ihrer Ziele unvereinbar befunden worden ist 48 • Der Erlaß eines Normbefehls49 setzt also ein Urteil 50 über die Beziehung des Verhaltenstypus, der Gegenstand der Norm sein soll, zu seinem Bezugsobjekt in Gestalt eines Bestandsteils jener Ordnung oder eines von ihr erstrebten Zustandes (Zieles), d. h. einem Rechtsgut, als dem Schutz gegenstand der Norm voraus. Der Verhaltenstypus muß im Hinblick auf sein als sozial "wertvoll" anerkanntes Bezugsobjekt (das geschützte Rechtsgut) als sozial "unwertig" erscheinen, was immer dann der Fall ist, wenn seine Anerkennung als rechtlich zulässige Verhaltensweise die unverbrüchliche, die soziale Wirklichkeit gestaltende Geltung des geschützten Rechtsgutes auf eine im Rahmen der Gesamtordnung nicht annehmbare Weise beeinträchtigen würde. Die Beziehung ist mithin nach heutigem Sprachgebrauch eine "Unwertbeziehung", das Urteil ein "Unwerturteil" über den Verhaltenstypus in seiner Beziehung zu einem Rechtsgut als Teil der Sozialordnung; es enthält die Feststellung des der Norm zugrunde liegenden (ihren Erlaß rechtfertigenden), im Typus verkörperten materialen Unrechts 51 • Die Beziehung zum Rechtsgut kann, abgesehen von den Fälcharakter besteht. Die geltende Ordnung ist einerseits wirkliche, daseiende Ordnung und andererseits zu verwirklichende (maßgebende) Ordnung, die als solche das Verhalten bestimmt und einen Beurteilungsmaßstab bildet. Damit soll und braucht jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit zum Problem der Rechtsgeltung im übrigen (Geltungsbegriff, Geltungsgrund) nicht Stellung genommen zu werden. Vgl. hierzu näher (mit weiteren Nachweisen) unter anderem Coing, Rechtsphilosophie, S. 227 ff., 237 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 174 ff.; Dahm, Deutsches Recht, S. 32 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 178 f., 180 ff., 339 ff.; Emge, Einführung, S. 74, 315 ff.; Henkel, Einführung, S. 438 ff.; Graf zu Dohna, Kernprobleme, S. 45 ff.; Evers, Der Richter, S. 66 ff.; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 46 f., 51, 90 f., 168 f. 48 Vgl. Binding, Normen, IV, S. 363; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 67 ff. 49 In welcher Form auch immer: Gesetz, Verordnung, Verwaltungsakt (Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 98 ff.). - Die Rechtsordnung besteht allerdings nicht nur aus Verhaltensbefehlen; daher ist die Norm im Sinne von Bestimmungsnorm (Normbefehl) nicht gleichbedeutend mit dem Rechtssatz. Hier interessieren die Normen jedoch als Verhaltensbefehle. 50 Darüber eingehend Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 67 ff., auf dessen diesbezüglichen Untersuchungen die nachfolgenden Erörterungen zum großen Teil aufbauen. 51 Siehe auch oben S. 156, Anm. 15.

1. Ordnungswidrigkeiten als nur formell rechtswidrige Handlungen

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len, in denen das Rechtsgut schon als Gut auf rechtlichen Bildungen beruht52 , von einer durch die das Sozialleben gestaltende Geltung des Rechtsgutes bedingten (seinen Bestand gewährleistenden, es sichernden usw.) Ordnung vermittelt sein; sie ist selbst dann als eine unmittelbare aufzufassen, da der Verhaltenstypus auch in seiner Beziehung zum Rechtsgut nur unter der Bedingung der vorhandenen Ordnung der sozialen Welt zu sehen ist, in der er selber vorkommt. Zur Sozialordnung im gemeinten Sinne gehört demnach die gesamte geltende, rechtlich gewährleistete Ordnung im sozialen Bereich53 mit allen ihren Teilbereichen einschließlich ihrer Ziele, Wertungen usw. Ergeht auf Grund des erwähnten Wert- oder Unwerturteils eine neue Norm, so wird sie mit ihrer das Sozialleben gestaltenden Geltung selbst Bestandteil der Gemeinschaftsordnung und bildet dann ihrerseits mit die Grundlage für künftige Bewertungen von Verhaltensweisen, die Voraussetzungen zum Erlaß weiterer Normbefehle werden können. Jede Norm als förmlicher Verhaltensbefehl54 beruht also notwendig auf einer vorgängigen, den sachlichen Unrechtsgehalt des Normverstoßes Vgl. dazu auch Binding, Normen, II 1, S. 157 ff. Der rechtlich erwünschte soziale Zustand, mag er auch in der Wirklichkeit erst noch herbeizuführen sein (insofern eine "seinsollende Ordnung"): Welzel, S. 4; Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 1 f. 54 Wie der Inhalt der Norm im einzelnen festzulegen ist (vor allem, inwieweit Finalität und Erfolg zum Gegenstand der Norm gehören), muß hier auf sich beruhen bleiben (vgl. dazu unter anderem Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 67 ff., 102 ff., 282 ff.; Stratenwerth, SchwZStr 79 [1963], S. 233 ff., 245 ff.; Engisch, Unrechtstatbestand, S. 415 ff., 421 ff.; derselbe, Natur der Sache, S. 101 ff.); in jedem Falle kann die Norm nur gebieten oder verbieten, was in der beschriebenen Weise als wertvoll oder wertwidrig erkannt worden ist. Deshalb geht in jede Norm ein Werturteil ein (Armin Kaufmann, a.a.O., S. 75), und die Normen sind imperativisch gefaßte Bewertungen (Stratenwerth, a.a.O., S. 248). Wollte man eine Bestimmungsnorm annehmen, die im Gegenstandsumfang geringer ist als die zugehörige Bewertungsnorm (wie Stratenwerth, a.a.O., S. 245 ff., indem er den Erfolg nur zum Inhalt der letzten, nicht auch der ersten zählt), so müßte man zwischen beide ein neues, aus der Bewertungsnorm abgeleitetes Werturteil (über die Verhaltensweise, die final oder erkennbar durch sorgfaltswidrige Gefährlichkeit auf Verwirklichung des Gegenstandes der Bewertungsnorm gerichtet ist) einschieben (wobei offenbliebe, warum es nicht selbst eine Bewertungsnorm sein sollte). Auch der Frage, wie sich die Gegenstände der Norm und der tatbestandlichen Unrechtsbeschreibung zueinander verhalten, braucht hier nicht nachgegangen zu werden, und ebenso nicht dem Einwand Stratenwerths (a.a.O., S. 246, 248) gegen die Identitätsthese Armin Kaufmanns, die Norm habe nicht vom wirklichen, sondern dem durch den Täter vorgestellten Sachverhalt auszugehen (sie kann aber ihre Gültigkeit im Einzelfall nicht erst durch die Sachverhaltskenntnis des Täters empfangen; vgl. auch Engisch, Unrechtstatbestand, S. 415 ff., 421 ff., 436 f.), denn er würde den Gegenstand der Norm gegenüber dem der Bewertung nicht eigentlich inhaltlich verändern, sondern nur subjektivieren. Alle derartigen Fragen bezüglich des Inhalts und des Verhältnisses von Werturteil und Norm führen nicht zu Kriterien für die Unterscheidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (insbesonen S. 453, Anm. 343, Genannten.

B. 2. Die Unterscheidung von Verwaltungs akt und Richterspruch

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Abs.2 Satz 1 StPO [a. F.]), d. h. wenn er entweder die Sache schon an sich nicht zur Erledigung im Strafbefehlsverfahren für geeignet hält oder doch aus den vorgelegten Ermittlungen zwar hinreichenden Tatverdacht 348 , aber keinen Nachweis der Schuld ableiten kann349 ; ebenso wenn er vom - beibehaltenen - Antrag der Staatsanwaltschaft abweichen will (§ 408 Abs. 2 Satz 2 StPO [a. F.]l349al. Selbstverständlich gilt das Erfordernis von der überzeugung des Richters nicht nur bezüglich der Schuld, sondern ebenso hinsichtlich der Angemessenheit der zu verhängenden Strafe350 • Der Erkenntnischarakter der in dem summarischen Verfahren zu treffenden Entscheidung hängt schließlich bei der dargestellten Sachlage nicht von der vorherigen Gewährung des gerichtlichen Gehörs ab 351 • Somit liegt das Summarische beim Erlaß von Strafbefehl, [früherer] Strafverfügung und ehemaligem Strafbescheid nicht in der Entscheidung selbst, sondern in der Erarbeitung ihrer Grundlagen: Von Gesetzes wegen ist hier nicht die Erkenntnis als solche (das Erkenntnismäßige der Entscheidung) geschmälert, sondern das Verfahren zu ihrer Gewinnung mit Rücksicht auf die Einfachheit der rechtlich vorausgesetzten Sachverhalte vereinfacht und verkürzt. Demgemäß ist im Schrifttum auch immer wieder der materielle Urteilscharakter der genannten Entscheidungen eigens hervorgehoben worden352 • 348 Ohne einen solchen muß der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls als unbegründet zurückgewiesen, nicht aber darf Hauptverhandlung anberaumt werden: §§ 203, 204 Abs. 1 StPO [a. F.; entsprechend §§ 203, 204 Abs. 1 StPO n.F.]. 349 Daß dieser Schuldnachweis auch im Strafbefehlsverfahren "mehr als hinreichender Verdacht" ist, heben unter anderem ausdrücklich hervor: Kleinknecht, § 408, Anm. 3; Löwe-Rosenberg-Schäfer, § 408, Anm. 2, 5 d; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl., S. 402 mit Anm. 6; siehe ferner die oben S. 453, Anm. 343, weiter Genannten. Anders vor allem Eb. Schmidt, Lehrkommentar, II, § 409, Nr. 1; Nachtragsband I, § 409, Nr. 3; HeHmuth Mayer, GS 99 (1930), S. 66; einschränkend auch z. B. Beling, Reichsstrafprozeßrecht, S. 474, Anm. 2. [UD. Vgl. jetzt die Zusammenfassung beider Fälle in § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO n.F.] 350 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl., S. 402; Löwe-Rosenberg-Schäfer, § 407, Anm. 7. 351 Ebenso Löwe-Rosenberg-Schäfer, § 407, Anm. 7. Die vorherige Anhörung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, die allerdings keine richterliche Anhörung zu sein braucht, ist jetzt auch mit Wirkung für das Strafbefehlsverfahren ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben (§ 163 aStPO). Im [bisherigen] Strafverfügungsverfahren war sie bereits durch § 413 stPO [a. F.] angeordnet. Zur Frage, inwieweit damit dem Gebot des rechtlichen Gehörs vor Gericht Genüge getan ist, vgl. Eser, JZ 1966, S. 660, bes. S. 666 ff. Schäfer sieht in der genannten Regelung mit der Anerkennung der Verteidigungsbefugnisse des Beschuldigten einen Beweis dafür, daß der Strafbefehl eine echte, auf Schuldfeststellung gegründete Sachentscheidung ist (LöweRosenberg, Ergänzungsband, § 407, Anm. 6). 352 Vgl. z. B. Binding, Strafprozeßrecht, S. 213 ff., 216; Beling, Reichsstrafprozeßrecht, S. 472, 517; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl., S. 400; KernRoxin, S. 297; Gantzer, S. 13; Olroth, S. 39 f.; wohl auch Stock, S. 184. Meves,

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X. Das Verhängen der Geldbuße 3. Das Verhängen der Geldbuße

Ist die Geldbuße, wie es hier dargelegt wurde 353 , eine Strafe, so kann ihre Verhängung keine andere Rechtsnatur als die der Strafe haben, muß also ebenfalls materiell ein Ausüben der rechtsprechenden Gewalt (ein materieller Richterspruch) sein. Insoweit kann nicht zwischen den einzelnen Arten der nicht auf den Bereich eines besonderen Gewaltverhältnisses beschränkten öffentlichen, staatlichen Strafe oder nach der Schwere der Strafen unterschieden werden. Dies haben die vorangegangenen Erörterungen bereits gezeigt. Auch wenn die Geldbuße keine Strafe wäre, würde für ihre Verhängung doch dasselbe wie für den Strafausspruch gelten, sofern nur ihr Ahndungscharakter aufrechterhalten wird und die Ordnung, deren Verletzung sie eine wesensgemäße Ahndung sein soll, noch ein Teil der Rechtsordnung ist. Das Verhängen der Geldbuße würde dann in gleicher Weise den beschriebenen Erkenntnischarakter aufweisen, und die Bußgeldgewalt wäre ein Teil der Rechtsschutzgewalt, nämlich bezogen auf jenen Teil der Rechtsordnung, dessen Bewährung die Geldbuße dient. Denn man hätte es beim Ausspruch der Geldbuße im Bußgeldbescheid ebenfalls nicht mit einem unmittelbaren Zufügen des Ahndungsübels innerhalb eines konkreten Verwaltungsrechtsverhältnisses, das mit der Zufügung des Übels auf seinen der gegebenen Rechtslage entsprechenden Inhalt konkretisiert wird, sondern mit einem verselbständigten Erkenntnis über Unrecht, Schuld und die diesem schuldhaften Unrecht von Rechts wegen zukommende Ahndungsfolge zu tun. Insoweit gilt das über den Erkenntnischarakter der Strafverhängung Ausgeführte ganz entsprechend. In dem Erkenntnis läge auch hier (wie beim Ausspruch der Strafe) die Ahndung und nicht in einer unmittelbar zuzufügenden Folge, genausowenig wie die Geldbuße in einer "Festsetzung" (etwa entsprechend z. B. der Steuerschuld im Steuerbescheid) von dem Betroffenen "gefordert" beziehungsweise ihm gegenüber "geltend gemacht" wird. Das Bußgelderkenntnis hätte in seinem Anwendungsbereich dieselbe Rechtsschutzfunktion wie das Straferkenntnis in dem seinen. Die Auffassung der Geldbuße als "Ahndung" und der durch die Bußgelddrohung geschützten Norm als materielle Rechtsnorm muß notwendig zum Rechtsprechungscharakter der BußgeldverhänS. 385, und Birkmeyer, S. 770, sprachen von einem "anticipierten Strafurteil", womit sie unter anderem den Erkenntnischarakter des Strafbefehls verdeutlichten. Die Anerkennung der polizeilichen Strafverfügung und des Strafbescheides als materieller Richtersprüche (siehe oben S. 443 f.) bedeutet deren materielle Gleichstellung mit dem richterlichen Urteil; dasselbe muß für den Strafbefehl gelten. Als (aufschiebend bedingtes) "Straferkenntnis" sieht den Strafbefehl schließlich auch Kleinknecht, § 409, Anm. 2, an. 353 Siehe oben S. 251 ff.

B. 3. Das Verhängen der Geldbuße

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gung führen; dieser Folgerung ist unter den genannten Voraussetzungen auf keine Weise zu entgehen. Eine andere Beurteilung wäre denkbar, wenn etwa Goldschmidts Gedanke von der Deliktsobligation des Verwaltungsrechts richtig wäre, so daß der Verwaltung aus dem Delikt ein (dem bürgerlich-rechtlichen Deliktsanspruch vergleichbarer gewissermaßen Verwaltungsschadenersatz-)Anspruch gegen den Täter erwüchse, den sie dann als ein ihr zustehendes Recht selbst unmittelbar gegen den Täter geltend machen könnte. Eine derartige Konstruktion wird heute selbst von den Anhängern der Lehre von den Ordnungswidrigkeiten nicht mehr vertreten354 • Anders könnte es auch sein, wenn die Verhängung der Geldbuße eine verwaltungsinterne Maßregelung eines Hilfsorgans als Ausfluß einer disziplinären oder disziplinarähnlichen Gewalt auf Grund eines besonderen Gewaltverhältnisses wäre. Der Staatsbürger steht jedoch nicht allgemein in einem solchen Gewaltverhältnis zur Verwaltung; diese hat deshalb keine disziplinarische oder disziplinarähnliche Gewalt über ihn. Ferner könnte man zu einer abweichenden Beurteilung kommen, wenn die Geldbuße reinen Erzwingungscharakter hätte, was voraussetzte, daß sie lediglich eine Maßnahme zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens wäre. Es hat sich bereits gezeigt, daß die Geldbuße in dieser Weise nicht aufgefaßt werden kann. Die Begründung des Entwurfs zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 will die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zur Ahndung der Ordnungswidrigkeiten aus der "Vorläufigkeit" des Spruches und der "Selbstunterwerfung des Betroffenen" herleiten355 • Sie stellt zunächst im Gegensatz zur Haltung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1952 und zur bisher herrschenden Meinung im Schrifttum356 , ohne allerdings über diese Abweichung hinreichend Rechenschaft zu geben, fest: "Aus dem Wesen der Ordnungswidrigkeit ergibt sich nicht, daß die Aufgabe der Verfolgung und Ahndung ausschließlich der Verwaltungsbehörde zufallen muß357." Ist danach die Bußgeldgewalt der Verwaltungsbehörden "nicht ... durch dogmatische Erwägungen vorgegeben"358, so soll sich statt dessen "die Festsetzung einer Geldbuße 354 Auch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 8, S. 197; 22, S. 49) und die Begründung zum Entwurf des OWiG 1968 (vgl. Einleitung C III 1, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 29 f.) bedienen sich ihrer nicht. 355 Siehe oben S. 346 f. 358 Siehe dazu oben S. 300 ff., 304 ff. 357 Einleitung C III 1, Bundestagsdrucksache V/I269, S. 29. Unter Vernachlässigung der vor allem verfassungsrechtlichen Problematik heißt es dann, die Zuständigkeitsfrage sei "im Grunde genommen... unter dem übergeordneten Grundsatz der angemessenen Verteilung von staatlichen Aufgaben auf die in Betracht kommenden Stellen zu entscheiden" (a.a.O., S.29). 35S Einleitung C III 1, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 29.

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X. Das Verhängen der Geldbuße

im Bußgeld verfahren der Verwaltungsbehörde eher durch den Grundgedanken der Selbstunterwerfung des Betroffenen ... als durch die Zulässigkeit einer verwaltungs mäßigen Entscheidung in Form eines Verwaltungsaktes" rechtfertigen359 • Der Bußgeldbescheid wird demgemäß im Gegensatz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1952 "nicht als eine Entscheidung im Sinne eines ,Wahrspruchs'" aufgefaßt, "die nach Aufklärung des Sachverhalts mit dem Anspruch auf Richtigkeit ergeht und im späteren Verfahren nur richterlich nachgeprüft wird. Der Bußgeldbescheid soll vielmehr nur ein vorläufiger Spruch in einem vereinfachten Verfahren sein, der zu einem endgültigen erst durch die Selbstunterwerfung des Betroffenen wird"360. Die Bußgeldverhängung kann also nach dieser Vorstellung bestenfalls ambivalent, d. h. im Hinblick auf ihre Zuordnung zur rechtsprechenden oder zur vollziehenden Gewalt von Hause aus rechtsneutral sein. Wenn das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 nunmehr die Gerichte keine vollwertige Erstentscheidung der Verwaltungsbehörden mehr nachprüfen läßt, sondern ihnen diese Entscheidung in der Sache vorbehält, sobald sie nach Einspruch im ordentlichen Verfahren damit befaßt werden, scheint es davon auszugehen, daß die Entscheidungsbefugnis an sich dem Gericht zusteht, denn nur aus diesem Grunde kann der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde als Entscheidung in der Sache wegfallen. Die Verwaltungsbehörde hat daher gegenüber dem in der Sache endgültig Berechtigten (dem eigentlich Entscheidungskompetenten) nur eine Hilfszuständigkeit, an der sich auch durch das Ausbleiben von dessen Eingreifen in der Sache nichts ändert. Ist ihr Spruch gegenüber der richterlichen Entscheidung in dieser Weise nur "vorläufig", so erfüllt die Verwaltungsbehörde mit ihm keine ihr ursprünglich eigene Aufgabe, sondern handelt in Ausübung einer Entscheidungsbefugnis, die an sich dem Gericht zukommt, d. h. sie wird "an Stelle des Strafgerichts in einem außergerichtlichen Vorverfahren" tätig, wie es der Bundesfinanzhof für den gleichgelagerten Fall des bisherigen Steuerstrafbescheides im Einklang mit der gesetzlichen Gestaltung der Verwaltungsstrafgewalt in Strafbescheid und einstiger Strafverfügung361 ausgesprochen hat 362 • Der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde ergeht demgemäß nach der Regelung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten von 1968 wie der ehemalige Strafbescheid der Finanzämter oder die frühere polizeiliche Strafverfügung363 stell verEinleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32. Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V!l269, S. 32. 361 Siehe dazu oben S. 347 f., Anm. 183, S. 447, Anm. 323. 3G2 NJW 1958, S. 846, 847 (dazu Hartung, NJW 1958, S. 810). 3G3 Entsprechendes gilt, worauf bereits oben S. 348, Anm. 185, hingewiesen wurde, für andere ehemals gesetzlich vorgesehene Verwaltungsentscheidun359 360

B. 3. Das Verhängen der Geldbuße

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tretend für die gerichtliche Bußgeldentscheidung. Soll die gerichtliche Entscheidung kein materieller Verwaltungsakt, sondern ein materieller Richterspruch sein, so muß ihr Rechtsprec;:hungscharakter, wenn er nicht lediglich durch die gerichtliche Zuständigkeit bestimmt wird, in der Entscheidung selbst liegen. Das Verhängen der Geldbuße kann infolgedessen entweder an sich oder als (nicht lediglich durch die Zuständigkeit ausgezeichnete) gerichtliche Entscheidung nur als materielle Rechtsprechungsaufgabe gedacht sein. Andernfalls müßte man annehmen, den Gerichten werde mit der Befugnis zum Aussprechen von Geldbußen eine Aufgabe übertragen, die ihrer Natur nach eine Verwaltungs aufgabe sei (so daß eigentlich nur eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Verwaltungstätigkeit nach Art. 19 Abs. 4 GG sachangemessen wäre). Im Selbstverständnis des Gesetzes ist das Verhängen der Geldbuße durch einen Wahrspruch also offensichtlich ein Akt der Rechtsprechung. Der "Wahrspruch" wird dabei als Entscheidung aufgefaßt, "die nach Aufklärung des Sachverhalts mit dem Anspruch auf Richtigkeit" ergeht364 • Es ist infolgedessen zu fragen, ob dem Verhängen der Geldbuße ein Wahrspruchcharakter beliebig beigelegt oder genommen werden kann. Der Anspruch auf Richtigkeit ist mit dem Erkenntnischarakter einer Entscheidung verbunden und deshalb nicht willkürlich aufstellbar. Er darf - als Attribut des materiellen Richterspruchs - nicht so verstanden werden, als ob Verwaltungsentscheidungen nicht richtig zu sein bräuchten; vielmehr kann er nur bedeuten, daß beim Richterspruch, weil sein eigentlicher Gegenstand stets die Rechtsvergewisserung ist, die darauf bezügliche Richtigkeit der Entscheidung eigens zum Thema der Erkenntnis gemacht wird365 • Der Ausspruch einer Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit ist, wenn und soweit die Geldbuße eine Ahndung darstellt und die Ordnung, deren Bewährung sie dient, einen Teil der Rechtsordnung bildet, ebenso wie der Ausspruch einer Strafe notwendig ein Erkenntnis in dem Sinne, wie es als eigentümlich für den Richterspruch beschrieben wurde 366• Auch die Verhängung einer Geldbuße enthält einerseits die Vergewisserung über das Vorliegen der gen in Strafsachen, wie nach §§ 34 ff. des früheren Postgesetzes vom 28. Oktober 1871, RGBl. S. 347, oder §§ 122 ff. der Seemannsordnung vom 2. Juni 1902, RGBI. S. 175 (dazu die Verordnung betreffend das Strafverfahren vor den Seemannsämtern vom 13. März 1903, RGBI. S. 42), die durch das Seemannsgesetz vom 26. Juli 1957, BGBI. II S. 713, abgelöst wurde, das keine Verwaltungsstrafbescheide mehr kennt. § 25 Abs. 4 des neuen Postgesetzes vom 28. Juli 1969, BGBI. I S. 1006, weist die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten der Oberpostdirektion zu. 364 Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V!1269, S. 32. 36S Siehe oben S. 398 ff. 366 Siehe oben S. 401 ff., 432 ff.

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x. Das Verhängen der Geldbuße

Voraussetzungen zum Eintritt der Ahndungsfolge (Schuldspruch) und andererseits die Vergewisserung der Geltung der Rechtsordnung in dem Bereich, in dem die begangene Ordnungswidrigkeit sie in Frage gestellt hatte - also dieselben beiden Momente, die den Erkenntnischarakter jeglichen Verhängens einer öffentlichen staatlichen Strafe und damit dessen Rechtsnatur als materiellen Richterspruchs zwangsläufig begründen. In den objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Ausspruchs einer Strafe oder einer Geldbuße besteht kein grundlegender Unterschied - einerseits nicht, weil, wovon auch die Begründung des Entwurfs zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 ausgeht 367 , strafbares und nur ordnungswidriges Unrecht nicht wesensverschieden sind, und andererseits nicht, weil die "Grundlagen der Ahndung" nach dem genannten Gesetz im wesentlichen dieselben sind wie im Strafrecht368 • Auch die in § 13 Abs. 3 [a. F., § 17 Abs. 3 n. F.] OWiG 1968 angegebenen Regeln für die Zumessung der Geldbuße halten sich im Rahmen der für die Strafzumessung geltenden Grundsätze 369 • Sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße "die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft" (d. h. der Unrechts- und der Schuldgehalt der Tat), so ist damit klargestellt, daß mit der Verhängung der Geldbuße ebenso wie mit der Verhängung der Strafe eine Ahndung schuldhaft begangenen Unrechts vorgenommen wird. Der Vorwurf ist auf das begangene Unrecht bezogen370 , ist also der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung. Der Ausspruch der Geldbuße drückt auch das (objektive und subjektive) Unwerturteil über die Tat aus; es ist dies ein ihm innewohnender Zweck und muß infolgedessen in ihm eigens Gegenstand einer Vergewisserung sein. Für ihn gilt daher dasselbe, was das Bundesverfassungsgericht für die FestErl. zu §§ 2, 6, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 41, 46. Abweichungen (wie z. B. die in § 9 [a. F., § 14 n. F.] OWiG 1968 Einheitstäter) sind lediglich Vereinfachungen gegenüber dem allgemeinen Strafrecht, die man wegen der geringeren Bedeutung der Ordnungswidrigkeiten für angebracht hält. Die bewußte Vermeidung des Begriffs "Schuld" durch das Gesetz, das statt von schuldhaftem immer nur von "vorwerfbarem" Verhalten spricht (vgl. z. B. § 1, § 6 Abs. 3 [a. F., §§ 11 Abs. 2, 12 n. F.]; dazu Erl. zu § 6, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 46), ist sachlich ohne Bedeutung, denn in Lehre und Rechtsprechung besteht bislang Einigkeit darüber, daß Schuld nichts anderes als Vorwerfbarkeit ist (vgl. auch BGHSt. 2, S. 194, 200). Eine Vorwerfbarkeit im strafrechtlichen Sinne, die etwas anderes als Schuld sein soll, gibt es nicht. Der Unterschied, den die Begründung (ebenso z. B. Göhler, Vorbem. 4 D vor § 1) aus der Verwendung von zugegebenermaßen inhaltsgleichen Begriffen herleiten will, ist nicht auffindbar. Siehe auch oben S. 292, Anm. 130. 369 Gegen sie verstößt nicht notwendig die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, d. h. in dem Bereich, der nach § 56 Abs. 1 des Gesetzes für ein Verwarnungsverfahren in Betracht kommt - vgl. dazu Göhler, § 13 [a. F.], Anm. 3 C, [jetzt § 17]. 370 Jescheck, S. 652 f.; er "bemißt sich in erster Linie nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit": Göhler, § 13 [a. F.], Anm. 3 B, [jetzt § 17]. 367

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B. 3. Das Verhängen der Geidbuße

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setzung einer Geldstrafe ausgesprochen hat, daß ihr nämlich wesentlich sei das mit ihr "notwendig verbundene Unwerturteil, der Vorwurf einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung und die Feststellung der Berechtigung dieses Vorwurfs "371. Daß die Bußgeldverhängung auch eine Rechtsvergewisserung darstellt, ist gerade in manchen Bereichen der Bußgelddrohungen besonders deutlich, in denen ohne stete Aktualisierung der Rechtsgeltung im Bußgeldausspruch (der in diesem liegenden Ahndung des geschehenen Rechtsverstoßes) die wirklichkeitsgestaltende Kraft jener betroffenen Teile der Rechtsordnung in viel stärkerem Maße bedroht (ja sogar mitunter weitgehend aufgehoben) wäre als die anderer Teile, in denen die tatsächliche Befolgung der Rechtsnormen erheblich weniger von der steten Anwendung strafrechtlicher oder strafrechtsähnlicher Sanktionen abhängt 372 • Jegliche Entscheidung über die Ahndung eines Rechtsverstoßes ist immer nur in der Weise möglich, daß einerseits das Vorliegen der Ahndungsvoraussetzungen und die Feststellung des in der Ahndung liegenden Tadels und der Ahndungsfolge und andererseits die Vergewisserung über die Rechtsgeltung eigens zum Gegenstand jener Entscheidung gemacht werden. Daraus folgt notwendig deren Erkenntnischarakter, der zwangsläufig den Anspruch auf Richtigkeit mit enthält, dem die positive Rechtsgestaltung entsprechen muß. Insoweit gilt für das Bußgelderkenntnis dasselbe wie für das Straferkenntnis, insbesondere für den Bußgeldbescheid dasselbe wie für den Strafbefehl (dessen Erkenntnischarakter bereits dargetan worden ist). Der Bußgeldbescheid verhält sich zum richterlichen Bußgelderkenntnis wie der Strafbefehl zum Strafurteil: Stets handelt es sich um Akte materieller Rechtsprechung. Die Vorstellung, der Ausspruch einer Geldbuße könne im Hinblick auf seine Zuordnung zur rechtsprechenden oder vollziehenden Gewalt ambivalent sein, ist unzutreffend. Auch die "Vorläufigkeit" des Spruches und die "Selbstunterwerfung" des Betroffenen vermögen der Festsetzung einer Geldbuße nicht den Rechtsprechungscharakter zu nehmen. Daß mit ihnen nicht die Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben an andere Stellen als Gerichte 371 BVerfGE 22, S. 49, 80, für die Geldstrafe. Daß für den Ausspruch der Geldbuße nichts anderes gelten kann, haben bereits Cordier, NJW 1967, S. 2144, sowie Menger und Erichsen, Verw.-Arch. 59 (1968), S. 72, hervorgehoben. 372 In der Literatur wird die in der Bußgeldverhängung liegende Rechtsvergewisserung durchaus gesehen, wenn auch unter dem Blickwinkel der Durchsetzung einer "bestimmten Ordnung" (vgl. z. B. Göhler, § 13 [a. F.], Anm. 3 A [jetzt § 17], § 47, Anm. 1; H. Mittelbach, DÖV 1957, S. 254; siehe ferner oben S. 272 ff., 289 f.). Erkennt man an, daß diese Ordnung keine andere als die Rechtsordnung ist, so kann die Gleichartigkeit der Bußge1d- mit der Straffestsetzung auch bezüglich der Rechtsvergewisserung nicht mehr geleugnet werden.

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X. Das Verhängen der Geldbuße

zu rechtfertigen ist, braucht hier nicht mehr ausgeführt zu werden373 ; insoweit gilt dasselbe wie für die Ausübung staatlicher Strafbefugnis durch Finanz- und andere Verwaltungsbehörden. Ebensowenig hängt von jenen Begriffen die materielle Qualifikation einer Entscheidung ab. Dem "vorläufigen" Spruch fehlt in der Vorstellung der Gesetzesverfasser vermöge seiner behaupteten "Vorläufigkeit" und solange diese andauert die besondere Bestandskraft und Wirkung (die Rechtskraft), die dem Richterspruch zukommt und die manche fälschlich überhaupt als dessen Wesensmerkmal ansehen374 , die aber doch lediglich die Folge des Erkenntnis- (Wahrspruch-)Charakters des Richterspruchs ist 375 • Der "vorläufige" Spruch wird indessen zum "endgültigen" durch die "Selbstunterwerfung" des Betroffenen. Als endgültiger Spruch hat er die Bestandskraft und Wirkung des richterlichen Urteils (§ 84 Abs. 1 OWiG 1968), mag die Rechtskraft auch in ihrem Umfang entsprechend der begrenzten Entscheidungsbefugnis der erkennenden Behörden beschränkt sein376 • Wäre die Rechtskraft das für das Vorliegen eines Richterspruchs entscheidende Merkmal, so müßte die angebliche "Selbstunterwerfung" dem Bußgeldbescheid den Charakter eines Richterspruchs verleihen können. Sie kann aber an der Rechtsnatur des Bußgeldbescheides nichts ändern. Andernfalls würde der Betroffene durch sein Verhalten (Verzicht auf den Rechtsbehelf, Einwilligung in die Entscheidung) die Rechtsnatur des Hoheitsaktes bestimmen - ein offensichtlich unmögliches Ergebnis. Der Bußgeldbescheid ist also, was er materiell ist, aus sich oder aus anderen Gründen, erhält es aber jedenfalls nicht durch Hinzutritt oder Fehlen einer angenommenen "Selbstunterwerfung". Ein Verzicht auf die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsregelung ist nicht möglich, ein Grundrechtsverzicht zweifelhaft. Folgt, wie früher dargelegt, die Rechtskraftfähigkeit einer Entscheidung aus deren Erkenntnischarakter, so muß dieser in dem vermeintlich nur "vorläufigen" Spruch bereits enthalten sein. Die "Selbstunterwerfung" beseitigt lediglich die Anfechtbarkeit der Entscheidung, wähSiehe oben S. 449. Siehe oben S. 408 ff. Sie fehlt selbstverständlich auch jeder richterlichen Entscheidung, solange diese noch anfechtbar ist - sie wird allerdings insoweit nicht als "vorläufig" bezeichnet. 375 Siehe oben S. 408 ff. 376 Denn "das Verbot der Doppelverfolgung reicht jedoch nur so weit, wie der frühere Richter rechtlich in der Lage war, den Sachverhalt abzuurteilen": BOHSt. 15, S. 259 f.; ebenso z. B. Eb. Schmidt, Lehrkommentar, I, Nr. 314; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl., S. 387 ff., mit weiteren Nachweisen. Daß eine Beschränkung des Umfangs der Rechtskraft die Rechtsnatur der Entscheidung als Richterspruch unberührt läßt, zeigt auch die (allerdings umstrittene) Rechtsprechung zur Rechtskraft des Strafbefehls (vgl. hierzu die Angaben bei Henkel, a.a.O., S. 403 f., 389 f. mit Anm. 20; Kleinknecht, § 410, Anm. 2), mit der gewiß nicht die Rechtsnatur des Strafbefehls als eines Richterspruchs verneint werden soll. 373

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B. 3. Das Verhängen der Celdbuße

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rend die materielle Rechtskraft sich auf den durchschnittlichen Inhalt des Spruches gründet. Die Selbstunterwerfung tritt erst nachträglich hinzu; die Entscheidung als solche ist zunächst "vorläufig", muß aber in dieser Form bereits als Entscheidung möglich sein (nicht erst durch "Selbstunterwerfung", die nur den Bestand sichern könnte). Ebenso sind "Vorläufigkeit" und "Selbstunterwerfung" in dem von der Begründung des Gesetzes gemeinten Sinne für den als Merkmal eines Richterspruchs angesehenen "Anspruch auf Richtigkeit" belanglos. Andernfalls müßte man annehmen, Verwaltungsbehörden dürften die an sich den Gerichten vorbehaltenen Entscheidungen dann erlassen, wenn sie ohne einen "Anspruch auf Richtigkeit" ergehen. Hoheitliche Entscheidungen jeglicher Art müssen immer den Anspruch erheben, in der zu entscheidenden Sache richtig zu sein; anders dürften sie überhaupt nicht getroffen werden. Was der einem Richterspruch beizulegende besondere "Anspruch auf Richtigkeit" gegenüber diesem allgemeinen, jeder hoheitlichen Entscheidung eigentümlichen zu bedeuten hat, ist bereits dargelegt worden; er ist von "Vorläufigkeit" und "Selbstunterwerfung" gänzlich unabhängig. Wo die Entscheidung aus anderen Gründen mit "Anspruch auf Richtigkeit" ergehen muß, kann dieses Erfordernis nicht durch "Vorläufigkeit" und "Selbstunterwerfung" ersetzt werden. Es wäre allenfalls zu fragen, ob eine Entscheidung ihrer Natur nach nicht mit diesem Anspruch zu ergehen braucht; dann könnte sie Rechtsprechung oder Verwaltungsakt sein, je nach Hinzutritt oder Fehlen dieses Anspruchs. Dabei stellt sich aber die Frage, inwieweit für den Gesetzgeber Freiheit besteht (ob jener "Anspruch" beliebig beilegbar ist oder weggelassen werden kann). Es zeigt sich also, daß diese beiden Begriffe auf die Rechtsnatur der Bußgeldverhängung keinen Einfluß haben können. Was diese ist, ist sie unabhängig von jenen; sie können dem Bußgeldausspruch der Verwaltungsbehörde keine andere Rechtsnatur verleihen, als der des Gerichts besitzt. Allerdings geben die Gedanken der "Vorläufigkeit" des Spruches und der "Selbstunterwerfung" des Betroffenen Anlaß zu fragwürdigen Folgerungen, die man in der Begründung des Gesetzgebers auch angedeutet finden kann. Der nur "vorläufige" Spruch soll keine Entscheidung sein, "die nach Aufklärung des Sachverhalts mit dem Anspruch auf Richtigkeit ergeht", sondern bloß eine "summarische Erledigung"377, bei der es dem Betroffenen anheimgestellt wird, ob er sie "hinnehmen" will oder nicht: Ihm wird "nur ein Angebot zur Unterwerfung" unter377 d. h., es wird nicht nur die Entscheidungsgrundlage in den dafür geeigneten Fällen mit einem "summarischen" Verfahren zusammengetragen, sondern überhaupt "summarisch" entschieden.

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X. Das Verhängen der Geldbuße

breitet378 • Eine solche Charakterisierung staatlicher Ahndung, durch die der Vorwurf einer schuldhaften, ahndungswürdigen Rechtsverletzung autoritativ festgestellt und die Verletzung der Rechtsgeltung beseitigt wird, kann nicht zugelassen werden. Die Ahndung einer schuldhaft rechtswidrigen Handlung muß stets den "Anspruch auf Richtigkeit" in sich tragen können, und ihre Bestandskraft darf ihr nur auf Grund dieses "Anspruchs", nicht aber durch das Einverständnis (die "Selbstunterwerfung") des Betroffenen zukommen. Man muß es auch für nicht angängig halten, dem Betroffenen die Last aufzubürden, sich gegen die Ahndung durch eine Entscheidung wehren zu müssen, die nicht "nach Aufklärung des Sachverhalts mit dem Anspruch auf Richtigkeit" ergeht. Hier wird dem Grundsatz "in dubio pro reo" von der Anlage des Verfahrens her nicht genügend Rechnung getragen. Der Betroffene hat nicht bloß einen Anspruch darauf, gegenüber jener Entscheidung ein mit größerer Gewähr für die Richtigkeit ausgestattetes Verfahren verlangen zu können, sondern schon darauf, gar nicht erst mit ihr belegt zu werden. Andererseits kann es über die Ausübung der staatlichen Ahndungsgewalt keinerlei vertragsähnliche Abmachung ("Angebot" und "Annahme") geben. Die Verfahrensordnung darf auch nicht grundsätzlich darauf abgestellt sein, daß die Entscheidungen Bestand behalten, mit denen der Betroffene "einverstanden" ist, sondern möglichst die im Sinne der Rechtsordnung richtigen Entscheidungen. Denn es kommt darauf an, nicht lediglich Entscheidungen zu verhüten, die den Betroffenen benachteiligen, sondern ebenso solche, die ihn ungerechtfertigt begünstigen. Die "Vorläufigkeit des Spruches" und die "Selbstunterwerfung" des Betroffenen sind auch nicht nur als theoretische Charakterisierungen gedacht, sondern es werden praktische Folgerungen aus ihnen gezogen: Sie dienen zur Rechtfertigung von Regelungen, bei denen die Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung gegenüber dem Strafverfahren doch bedeutsam gemindert ist. Zunächst ist hier überhaupt die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Ahndung zu nennen. Sodann wird im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 2 OWiG 1952 keinerlei besondere Qualifikation des zur Unterzeichnung des Bußgeldbescheides befugten Beamten gefordert, dessen Bestimmung allein der innerdienstlichen Behördenorganisation überlassen bleibt379 • Im Zusammenhang damit Einleitung C III 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32. Erl. zu § 54, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 92. Nach § 26 Abs. 1 StVG i. d. F. des Art. 3 Nr. 6 EGOWiG sind Bußgeldbehörden bei den im Straßenverkehr begangenen Ordnungswidrigkeiten die Behörden oder Dienststellen der Polizei, die die Landesregierung oder die von ihr weiter ermächtigte zuständige oberste Landesbehörde durch Rechtsverordnung bestimmt. Danach wäre es rechtlich möglich, selbst die Gendarmerieposten auf dem Lande oder die Polizeireviere in den einzelnen Stadtteilen als "Dienststellen" der Polizei 878

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B. 3. Das Verhängen der Geldbuße

465

ist auch der fehlende Zwang zur Begründung des Bußgeldbescheides (§ 66 Abs. 3 OWiG 1968) zu sehen380 . Zwar entspricht § 66 OWiG 1968 der Vorschrift des § 409 Abs. 1 StPO [a. F.]l380a] über den Inhalt des Strafbefehls. Was aber beim Strafrichter in einfach gelagerten Fällen (nur für diese ist das Strafbefehlsverfahren gedacht) angebracht sein kann, muß es nicht bei Verwaltungsbediensteten, denen die entsprechende Vorbildung und die Vertrautheit mit der besonderen Denk- und Arbeitsweise des Strafrichters fehlen, in Sachen sein, die von Gesetzes wegen keineswegs allgemein einfach sind. Gerade darum wäre eine gesetzliche Vorsorge für eine sorgfältige Erarbeitung der zu treffenden Entscheidung durch den Zwang zur schriftlichen Begründung besonders notwendig 381 . Auch die Verkürzung des rechtlichen Gehörs auf die bloße "Gelegenheit" zur Äußerung wird mit der "Selbstunterwerfung" des Betroffenen und der Möglichkeit ihrer Ablehnung gerechtfertigt382 . Als Ergebnis bleibt mithin festzuhalten, daß der Ausspruch einer Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit schon als solcher ein Akt der rechtsprechenden Gewalt ist und deshalb die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zum Erlaß von Bußgeldbescheiden gegen Art. 92 GG verstößt.

zu Bußgeldbehörden zu erklären und durch innerdienstliche Anordnung dem einzelnen Beamten die Befugnis zu erteilen, den Bußgeldbescheid zu erlassen - zwar nicht, solange er auf der Straße Dienst tut, wohl aber am Schreibtisch auf seiner Dienststelle. Vergleicht man diese Lösung mit den für die Bestimmung des gesetzlichen Richters - selbstverständlich auch in Bagatellfällen - geltenden strengen Grundsätzen, so ist die Regelung auch mit einem angeblichen Unterschied von Kriminalstrafe und doch (wie zugegeben wird) zumindest strafähnlicher Ahndung der Geldbuße, bei der es sich immerhin um "Strafrecht" im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG handelt, nicht mehr zu rechtfertigen. Erst recht gilt dies für die Fälle mit hohen Bußgelddrohungen. 380 Einleitung C!II 4, Bundestagsdrucksache V/1269, S. 32. [380' Jetzt noch deutlicher in § 409 Abs. 1 stpo n. F.] 381 Das Gesetz denkt hier allzu ausschließlich aus der Blickrichtung einer ihm praktikabel erscheinenden Behandlung häufig vorkommender geringfügiger, gleichartiger Verkehrsverstöße. 382 Erl. zu § 43, Bundestagsdrucksache V!1269, S. 83. 30 Mattes

Schlußbemerkung der Herausgeberin Bei der Begründung des Entwurfs für das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 19681 berief sich der damalige Bundesjustizminister Jaeger vor dem Bundesrat darauf, es seien "fast einhundert Jahre her, daß in der Reichstagssitzung vom 22. Februar 1870 in einer recht stürmischen Debatte über den Entwurf eines Reichsstrafgesetzbuches die Frage behandelt wurde, ob es sich empfehle, das sog. ,Polizeistrafrecht' ... in das Strafgesetzbuch aufzunehmen oder nicht". Er zitierte dazu aus den Motiven: "Vergeblich ist von den Rechtsschulen des Mittelalters bis herab zu unserer Zeit ... der Versuch gemacht worden, die Grenzlinie zwischen dem kriminellen und polizeilich Strafbaren zu finden"2. Für die spätere Zeit hatte Welzel 3 beklagt: "Die Malaise der an Goldschmidt anknüpfenden Lehre vom Verwaltungsunrecht ist, daß es ihr trotz mehr als 50jährigen Bemühungen nicht gelungen ist, hinlänglich deutliche Kriterien für die Sondematur des Verwaltungsunrechts herauszuarbeiten, so daß sie letzten Endes über einen Appell an das Gefühl nicht hinausgekommen ist." Zwar hat selbst Eberhard Schmidt4 unter dem Eindruck des neuen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und der dazu erschienenen Literatur sich zuletzt zu einem lediglich quantitativen Unterschied zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bekannt5 , und ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht 6 nunmehr deutlich ausgesprochen, es bestünden "nur graduelle Unterschiede". Demgegenüber vertreten mehrere Autoren eine gemischt quantitativ-qualitative Auffassung 7 • Diese klingt wohl auch an in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundestagsdrucksache V/1269; Bundesratsdrucksache 420/1/66. Sitzungsberichte des Deutschen Bundesrates, 301. Sitzung vom 11. November 1966, S. 241 D, 242 A. a JZ 1957, S. 132. « JZ 1969, S. 401. 6 Diese Auffassung kann jetzt als überwiegend angesehen werden. Vgl. die Nachweise bei Jescheck, 3. Aufl., S.46, Anm.32; derselbe, LK, 10. Aufl., Einleitung, Nr. 11, Anm. 13. Vgl. zum Stand der Meinungen die ausführliche Gegenüberstellung der Theorien mit Nachweisen bei Rebmann-Roth-Herrmann, Vorbem. 4---11 vor § 1. 6 BVerfGE 51, S.60, 74. 1 z. B. Rebmann-Roth-Herrmann, Vorbem.8 vor § 1; Rotberg, 5. Aufl., Einführung, S. 47 ff.; Schönke-Schröder-Stree, 20. Aufl., Vorbem.35 vor §§ 38 ff.; Cramer, Grundbegriffe, S. 17 f.; Michels, Zuwiderhandlung, S.83. Vgl. auch OLG Hamm, GA 1969, S. 156 f. 1

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Schlußbemerkung der Herausgeberin

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Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, wenn es dort heißt8 ; "Das Ordnungswidrigkeitenrecht zielt vorwiegend darauf ab, im Interesse des Rechtsgüterschutzes bereits in einem Vorbereich eine unter diesem Gesichtspunkt bestimmte, jedoch weitgehend nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geprägte Ordnung durchzusetzen. Während das Kriminalstrafrecht einsetzt, um rückwirkend eine Antwort auf sozial-schädliches Verhalten zu geben - und damit freilich auch eine abschreckende Wirkung gegenüber einem solchen Verhalten entfaltet -, dient das Ordnungswidrigkeitenrecht vor allem der Durchsetzung von gesetzlichen verwaltungsreehtlichen Geboten und Verboten, deren Nichtbeachtung die Schwelle der sozialschädlichen Mißbilligung nicht erreicht." In die Frage des Grenzbereichs zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gehört die Aufnahme gewisser Umweltschutzvorschriften durch das Achtzehnte Strafrechtsänderungsgesetz - Umweltschutzgesetz (BGBL 1980 I S.373) in das Strafgesetzbuch9 , während andere Bestimmungen dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugeordnet bleiben. Kann man angesichts einer von namhaften Autoren vertretenen gemischt quantitativ-qualitativen Lehre, der oben wiedergegebenen amtlichen Äußerung sowie der Gesetzgebungspraxis davon sprechen, der dogmatische Streit sei erledigt1o, das Verwaltungsstrafrecht, nach den Worten Goldschmidtsll "ein juristischer Ahasver", nunmehr "durch seinen Untergang erlöst"? Muß nicht vielmehr angenommen werden, zumindest für den Gesetzgeber sei ein besonderes Ordnungswidrigkeitenrecht eine Möglichkeit, um sanktionsbewehrte Tatbestände zu schaffen, die zu pönalisieren man sich scheut? Die Flut von Gesetzen mit Bußgelddrohungen in den vergangenen drei Jahrzehnten, wie sie im einzelnen für einen Teilausschnitt hier12 dargestellt und von Ulrich Weber 3 für die jüngste Zeit aufgezeigt sowie von ihm unter Verwendung eines entsprechenden Gedankens von Frank 14 kritisiert1 5 wurde, fordert zum Nachdenken heraus. 8 Referentenentwurf des Bundesministers der Justiz vom 17. Dezember 1980 (hektographiert) (in Auszügen wiedergegeben in der Beilage zu DRiZ 1981, Heft 3), S. 21 f. D Mit Wirkung vom 1. Juli 1980. 10 Wovon offenbar Eberhard Schmidt, JZ 1969, S.401, ausging; "Die qualitative Unterscheidbarkeit von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wird nicht mehr anerkannt; es wird nur noch ein quantitativer Unterschied gesehen, dessen Bestimmung im einzelnen ganz dem Entscheidungswillen des Gesetzgebers überlassen werden könne. Das hat denn auch in § 1 OWiG 1968 seinen Niederschlag gefunden." 11 ZStW 52 (1932), S. 526. 11 Siehe oben S. 50 ff. 13 zstw 92 (1980), S. 319 ff., bes. S. 323 ff. mit Anm. 36 ff. 14 Die überspannung der staatlichen Strafgewalt. zstw 18 (1898), S.733. 15 Die überspannung der staatlichen Bußgeldgewalt. ZStw 92 (1980), S. 313.

30·

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Schlußbemerkung der Herausgeberin

Ungeachtet aller Streitfragen zum Wesen der Ordnungswidrigkeit steht jetzt deren verfahrens rechtliche Behandlung im Vordergrund. Aber auch die Zuständigkeitsfrage sollte unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten noch einmal überprüft werden16 • Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 hat nicht die erhoffte Entlastung für die Gerichte gebracht17• Gerade in dem Bereich, für den es in erster Linie gedacht war, zur Bewältigung der massenhaft vorkommenden Verkehrsverstöße, hat es sich nicht bewährt18 • Die Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs war aber voraussehbar, wenn auch möglicherweise einerseits mit dem Schwinden des Rechtsbewußtseins in weiten Kreisen und andererseits mit dem sprunghaften Ansteigen der Rechtsschutzversicherungen nicht ohne weiteres zu rechnen war. Die Gerichte werden jedenfalls mit einer kaum mehr vorstellbaren Zahl von Bußgeldverfahren, auch wegen sogenannter Kennzeichenanzeigen19, überhäuft. Die kurze Verjährungsfrist von nur drei Monaten ist ein zusätzlicher Anreiz, das gerichtliche Verfahren zu verzögern. Dazu kommt, daß nach den eigenen Worten der Begründung des Referentenentwurfs zur Änderung des Gesetzes20 "das System der Vereinfachung und Schematisierung bei den Verwaltungsbehörden" es notwendi,gerweise auch mit sich bringt, "daß in dem justizförmigen Verfahren des Gerichts vielfach deshalb große Schwierigkeiten entstehen, weil der Sachverhalt oft nicht hinreichend aufgeklärt ist". Diese Feststellung muß außerdem im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Qualifikation des Bußgeldbeamten - im gesamten Bereich der Ordnungswid16 Dies wurde bereits von Eberhard Schmidt, JZ 1969, S. 402, angeregt. Nur auf dem Boden der "aliud-Theorie", zu der sich BVerfGE 22, S.49, 78 ff., "dann in jeder Hinsicht deutlicher" bekannt habe, könne "die Verfassungsmäßigkeit des Bußgeldverfahrens einerseits, der Geldbußen andererseits Bestand haben". "Sieht man nur einen quantitativen Unterschied zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird es schwer, das Verhältnis von Strafe und Geldbuße als ein ,aliud'-Verhältnis zu verstehen; dann aber ist die Geldbuße ... ,formell Kriminalstrafe'; dann aber muß man eingestehen, daß die Verwaltungsbehörden mit ihren Geldbußenbescheiden die... so streng perhorreszierte Strafgewalt ausüben" (a.a.O., S.402, 401). In der Entscheidung BVerfGE 51, S. 60, 74, hat das Bundesverfassungsgericht aber unmißverständlich ausgesprochen, es bestünden "nur graduelle Unterschiede". 17 Vgl. aus der Sicht des Deutschen Richterbundes Günter, DRiZ 1980, S. 247 ff. lS Auch der Referentenentwurf muß einräumen, es stelle sich die Frage, "ob das System des Ordnungswidrigkeitenrechts, das zu einem geradezu lawinenhaften Anstieg von gerichtlichen Verfahren wegen Bagatellsachen" (gemeint sind Verkehrsordnungswidrigkeiten) "geführt hat, nicht grundsätzlich überdacht werden müßte" (Begründung, S. 17). 19 Das sind solche, bei denen der Fahrer des Kraftfahrzeugs bei Aufnahme der Anzeige nicht festgestellt werden kann, was zu zusätzlichen Schwierig· keiten des Verfahrens führt. 20 S.18.

Schlußbemerkung der Herausgeberin

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rigkeiten, nicht nur bei Verkehrsordnungswidrigkeiten - gesehen werden, worauf vom Verfasser im Text hingewiesen wurde21 . Demgegenüber hatte Göhle~ noch jüngst die gesetzliche Regelung als ausreichend angesehen. Indessen wurde der Ruf nach dem Gesetzgeber immer dringlicher23 • Der Referentenentwurf sieht vor, das Zwischenverfahren (§ 69 i. d. F. des Entwurfs) wirksamer zu gestalten, um zu vermeiden, daß unaufgeklärte Fälle in das gerichtliche Verfahren gelangen. Danach soll künftig bereits die Verwaltungsbehörde nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid weitere Ermittlungen vornehmen und Erklärungen usw. einholen, bevor sie die Akten an die Staatsanwaltschaft weiterleitet. Durch § 71 Abs. 2 Satz 1 (i. d. F. des Entwurfs) wird das Gericht in die Lage versetzt, zur Vorbereitung der Hauptverhandlung in gleicher Weise tätig zu werden. Dem Betroffenen kann es Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, welche Tatsachen und Beweismittel er zur Entlastung vorbringen will (§ 71 Abs. 2 Satz 2 i. d. F. des Entwurfs). Sinn dieser Regelung ist es nach den Worten der Entwurfsbegründung24 unter anderem, "eine klare Grundlage für die Ablehnung von Beweiserhebungen nach dem neuen § 77 Abs.2 Satz 1 Nr.3 in Bagatellsachen und für eine Kostenentscheidung nach dem neuen § l09a" zu schaffen. Der letztgenannte Gesichtspunkt ist gesetzgeberisches Motiv25 auch für die vorgesehene Änderung des § 69: "Verantwortung und Kostenrisiko sind nicht richtig verteilt, wenn die Staatsanwaltschaft bei unaufgeklärten Sachverhalten das Verfahren einstellen und die Landeskasse mit den Kosten dafür belasten sollte, während die Verwaltungsbehörde, deren Träger nicht das Land ist, unaufgeklärte Sachverhalte ohne eigenes Kostenrisiko in das gerichtliche Verfahren weiterleiten könnte, wie dies auf der Grundlage des geltenden Rechts der Fall ist." Eine weitere Vereinfachung ist schließlich noch in zweifacher Hinsicht vorgesehen: Einmal soll der Amtsrichter den Umfang der Beweisaufnahme unter Einschränkung der strengen Voraussetzungen des § 244 Abs. 3-5 StPO weiter begrenzen dürfen (§ 77 Abs. 2 i. d. F. des Entwurfs); zum andern soll eine vereinfachte Art der Beweisaufnahme (§ 77 a des Entwurfs) stattfinden, Siehe oben S. 332 f. mit Anm. 130, 131, und S. 464 f. mit Anm.379. Festschrift für Karl Schäfer (1980), S. 39 ff., bes. S. 63. 23 So haben die Justizminister und -senatoren der Bundesländer sowie die Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes gesetzgeberische Maßnahmen zur Vereinfachung des Verfahrens und zur Entlastung der Gerichte für dringend geboten angesehen (Referentenentwurf, Begründung, S.19). 2' S.33. 25 Referentenentwurf, Begründung, S. 36. 21

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Schlußbemerkung der Herausgeberin

wonach mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten die Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Mitbetroffenen durch Verlesung von Niederschriften über eine frühere Vernehmung sowie von Urkunden, die eine von ihnen stammende schriftliche Äußerung enthalten, ersetzt werden kann. Davon unabhängig ist die Frage, ob das Verhängen der Geldbuße durch Verwaltungsbehörden mit der Verfassung vereinbar ist26 • Eine überprüfung ist trotz des Spruches des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 196727 angezeigt, zumal die Entscheidung heftig kritisiert wurde 28 • Sie hat nach den Worten Bettermanns29 zur Folge, daß "der Umfang dessen, was vom Richtermonopol des Art. 92 GG erfaßt wird, zur Disposition des einfachen Gesetzgebers" steht, was gewiß nicht dem Rechtsprechungsverständnis des Grundgesetzes entspricht. Ähnlich fordert Cordier30 ein verfassungs änderndes Gesetz unter Beachtung der Vorschriften des Art. 79 GG, "wenn schon der Gesetzgeber rechtsprechende Tätigkeit auf weisungsgebundene Verwaltungsbeamte übertragen Will"31. Geht man mit Tiedemann 32 davon aus, daß das Verhängen einer Geldbuße die Ausübung von "Quasi-Strafgewalt" bedeutet und nimmt man das Bekenntnis von Schmidhäuser 33 hinzu, wonach das Verhängen der Geldbuße eine Strafe und daher dem Richter vorbehalten sei, dann stimmt das aus dem offenen Eingeständnis des Verfassungsverstoßes gewonnene Ergebnis 34 , "daß sich das Prinzip: ,Strafe nur durch den Richter' auch im Rechtsstaat nicht überall verwirklichen lasse", bedenklich und sollte Anlaß zur überprüfung sein, was schon Eberhard Schmidt 35 angeregt hatte. Daß dabei eine auch kriminalpolitisch vertretbare Lösung gefunden werden muß, wurde vom Verfasser bereits im Anschluß an seinen Vor26 Verneint von Rudolf Schmitt, Ordnungswidrigkeitenrecht, S.15; Mattes, zstw 82 (1970), S.34, S. 120, 121. Bedenken hatte Kern, Strafverfahrensrecht, 8. Auf!., S.285, geäußert. überwiegend bejaht, vgl. z. B. Maunz-Dürig, Art. 92, Nr.104: "Da die Rechtsweggarantie in jedem Falle dem Richter nicht das ,erste Wort', sondern lediglich das ,letzte Wort' zuspricht, kann sie durch die Einführung eines nicht-richterlichen Vorverfahrens folgerichtig auch nicht verletzt werden." 27 BVerfGE 22, S. 49. 28 Siehe oben S. 380, Anm. 110. 29 AöR 92 (1967), S. 501. so NJW 1967, S. 2144 f. 31 Im Hinblick auf die Befugnisse nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968. 32 JZ 1980, S. 493. 33 2. Auf!., S. 258. 34 Schmidhäuser, 2. Aufl., S. 258. 35 JZ 1969, S. 401 f.

Schluß bemerkung der Herausgeberin

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trag über die Problematik der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten vom 26. Februar 1969 36 gegen vielfache Angriffe seiner Konzeption in der Diskussion ausdrücklich betont37 • Bei diesem Bemühen ist einerseits an eine Ausweitung der gebührenpflichtigen Verwarnung 38 gerade für die massenhaft vorkommenden Verkehrsverstöße zu denken39 • Andererseits gebieten es die Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung, daß geldliche Sanktionen, die im Regelfall (§ 17 Abs. 1 OWiG 1968) bis zu 1000,- DM, nach den Nebengesetzen häufig bis zu 100000,- DM und in Einzelfällen sogar bis zu 1000000,- DM betragen40 , für tatbestandsmäßig rechtswidriges und vorwerfbares Verhalten (§ 1 Abs. 1 OWiG 1968) gewiß nicht mehr unbedeutenden Ausmaßes in den von der Verfassung vorgesehenen Formen, nämlich ausschließlich und von vornherein vom Richter und nicht erst auf etwaigen Einspruch des Betroffenen von ihm verhängt werden.

ZStw 82 (1970), S. 25 ff. ZStW 82 (1970), S. 120, 121. 38 Dagegen, wenn auch teilweise aus anderen Gründen, Burandt, Die gebührenpflichtigen polizeilichen Verwarnungen nach Landesrecht für übertretungen - ein verfassungswidriger Formenrnißbrauch. 39 Auch die im Referentenentwurf in § 56 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Erhöhung auf 40,- DM erscheint zu gering, wenn man bedenkt, daß dieser Betrag nicht einmal mehr dem Gegenwert einer Tankfüllung für einen Mittelklassewagen entspricht. Im übrigen hatte bereits im Gesetzgebungsverfahren das Land Baden-Württemberg mit einem Antrag vom 9. November 1966 (Bundesratsdrucksache 420/4/66), also vor beinahe 15 Jahren, eine Erhöhung des im Gesetzentwurf (§ 45 Abs.l) (Bundestagsdrucksache V/1269) vorgesehenen Verwarnungsgeldes von zwei bis zwanzig Deutsche Mark auf 50,- DM zu erreichen versucht, um eine "möglichst wirksame Entlastung" der Gerichte herbeizuführen. 40 Vgl. Göhler, 6. Aufl., § 17, Anm. 1 D, und die Zusammenstellung Anhang B; für die frühere Zeit siehe oben S. 80 ff. 36

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Schrifttum Hinweis: Enthält das folgende Verzeichnis nur eine Schrift eines Verfassers, so wird sie in der Arbeit allein mit dem Verfassernamen ohne Titelangabe zitiert. Dasselbe gilt bei mehreren Schriften eines Verfassers für die Lehrund Handbücher sowie Kommentare, sofern nicht durch Zusammentreffen verschiedener derartiger Werke eines Verfassers eine Titelangabe notwendig ist. Im übrigen werden die Buchtitel in der Arbeit möglichst mit einer Kennzeichnung in abgekürzter Form angeführt. Urteilsanmerkungen und Diskussionsbeiträge sind, soweit es sich nicht um selbständige Beiträge handelt, grundsätzlich nur mit der Fundstelle im Text angegeben. Achterberg, Norbert: Leistungsbescheid und Funktionentrennung. JZ 1969,

S.354. Probleme der Funktionenlehre. München, 1970. Allekotte, Günther: Die Zulässigkeit des Verwaltungs-Steuerstrafverfahrens. Jur. Diss. Freiburg i. Br., 1960 (fotomechanisch vervielfältigt). Allfeld, Philipp: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts. 9. Auf!. des von Hugo Meyer begründeten Lehrbuchs, Allgemeiner Teil. Leipzig, 1934. Alternativ-Entwurf: Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Allgemeiner Teil. Vorgelegt von Jürgen Baumann und anderen, 2. Aufl., Tübingen, 1969. Anders, Georg: Verwaltungsstrafrecht. Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, hrsg. von Fritz Stier-Somlo und Alexander Elster, Bd.6, Berlin und Leipzig, 1929, S. 625. Anschiltz, Gerhard: Kritische Studien zur Lehre vom Rechtssatz und formellen Gesetz. Jur. Diss. Halle-Wittenberg, 1891. Leipzig, 1891. - Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt und den Umfang des königlichen Verordnungsrechts nach preußischem Staatsrecht. 2. Aufl., Tübingen und Heidelberg, 1901. - Verwaltungsgerichtsbarkeit. Handbuch der Politik, hrsg. von Gerhard Anschütz und anderen, 3. Auf!., Bd. 1, Berlin und Leipzig, 1920, S. 302. Arndt, Adolf: Das Bild des Richters. Karlsruhe, 1957. - Rechtsprechende Gewalt und Strafkompetenz. Festgabe für Carlo Schmid, Tübingen, 1962, S.5. - Rechtsdenken in unserer Zeit. Positivismus und Naturrecht. Tübingen, 1955. - Richter, Gericht und Rechtsweg in der Reichsverfassung. AöR 60 (1932), S.183. - Strafgewalt der Finanzämter? NJW 1959, S.605. - Ist eine Strafgewalt des Finanzamts mit dem Grundgesetz vereinbar? NJW 1957, S.249. Bachof, Otto: Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates. VVDStRL 12 (1954), S.37.

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Larz:

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-

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