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German Pages 238 Year 1960
WERNER SOMBART . A L L G E M E I N E N A T I O N A L Ö K O N O M I E
Allgemeine Nationalökonomie Von
G e h e i m r a t Prof. D r . p h i l . W e r n e r
Sombart
Nach Vorlesungen und Seminarübungen bearbeitet und herausgegeben von D r . phil. Walter Chemnitz
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
A l l e Redite vorbehalten ©
1960 D u n c k e r & H u m b l o t , B e r l i n
Gedruckt 1960 bei H a n s W i n t e r Buchdrucker ei, B e r l i n S W 61 Printed i n Germany
Vorwort Ich lege h i e r m i t vor die Allgemeine Nationalökonomie meines Lehrers Werner Sombart. D i e vorliegende A r b e i t baut sich aus dem Ertrag von Vorlesungen und Seminarübungen der Jahre 1921 bis 1934 auf. Mein hochverehrter Lehrer, dessen letzter Assistent ich sein durfte, teilte die Wissenschaft von der menschlichen Wirtschaft ein in die Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie und in die Besondere (spezielle) Nationalökonomie. Unter der allgemeinen Nationalökonomie verstand Werner Sombart die Lehre von den aller W i r t schaft gemeinsamen Denkkategorien. H i e r werden behandelt diejenigen Sachverhalte, die i n der menschlichen Wirtschaft als soldier wiederkehren. Es handelt sich also um eine „transzendentale Vorzeichnung" der wirtschaftlichen W i r k l i c h k e i t , um die allgemeinen Aprioris wirtschaftswissenschaftlichen Denkens. F ü r die Aufstellung dieser Denkschemata ist allein richtunggebend die Idee der W i r t schaft als menschliche Unterhaltsfürsorge. I n aller Wirtschaft gibt es bestimmte Erscheinungen: Vorkommnisse, Vorgänge oder Zustände, die es zu erfassen gilt in ihrer zeitlosen Sinnbedeutung. D i e allgemeine Nationalökonomie bewegt sich ausschließlich i m Bereiche des Sinnverstehens: genauer müßte diese A r t des Verstehens bezeichnet werden als reines Sinnverstehen, da alles Verstehen überhaupt a u d i Sinnverstehen ist. Gemeint ist derjenige Erkenntnisakt, mittels dessen w i r das Zeitlose erfassen an den geschichtlichen (kulturellen) Erscheinungen. I m Bereiche der Wirtschaftswissenschaft erfüllt das Simnverstehen die Aufgabe, die Ideen der Wirtschaft, der Wirtschaftssysteme u n d die Arbeitsideen zu zergliedern, das Verständnis der möglichen (potentiellen) Bestandteile der Wirtschaftssysteme, der allgemeinen Kategorien zu wecken: die verschiedenen Möglichkerten der Gestaltung, denen alles Wirtschaftsleben bis zum Ende des Menschengeschlechts ausgesetzt sein kann, erschließen sich dem Sinnverstehen als Geist oder Wirtschaftsgesinnung in den denkbaren Möglichkeiten des Bedarfsdeckungs- oder Erwerbsprinzips, des Traditiomalismus oder Rationalismus, des Solidarismus oder Individualismus; als F o r m (Regelung, Organisation) i n der Gebundenheit oder Freiheit, der Privat- oder Gemeinwirtschaft, der Demokratie oder Aristokratie, der Geschlossenheit oder Aufgelöstheit, der Bedarfsdeckungswirtschaft oder Verkehrswirtschaft, der Indi-
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Vorwort
vidual- oder gesellschaftlichen Betriebe; als Technik (Verfahren) können w i r die Möglichkeiten der empirischen oder wissenschaftlichen, der stationären oder revolutionären, der organischen oder nichtorganischen (mechanischen-organiischen) Technik erwägen. D i e vornehmlich i n Betracht zu ziehenden Wirtschaftssysteme, deren „Sinn" es zu verstehen gilt, sind aber: 1. die vorkapitalistischen Wirtschaftssysteme (wobei es sich handelt nicht u m ein geschichtliches, sondern um ein logisches Vorhergehen; man k a n n deshalb auch sprechen von einfachen (primitiven) Bedarfsdeckungssystemen); das sind: a) die Wirtschaft in urwüchsigen Geschlechtsverbänden ( W i l d beuter, Feldbauern, H i r t e n 1 ) ; b) die D o r f w i r tschaft; c) die Oikenwirtschaft (Groß-Sklavenwirtschaft) ; d) die Fronhofwirtschaft (Groß-Hörigenwirtschaft) ; e) das H a n d w e r k ; 2. das kapitalistische Wirtschaftssystem; 3. die η achkapi talis tischen Wirtschaftssysteme (man mag von sozialistischen Wirtschaftssystemen reden). Diese wiederum weisen folgende Spielarten auf: 1. zentralistische u n d dezentralistische; j e nachdem der Schwerp u n k t der Leitung i n eine Zentralinstanz verlegt ist oder i n Selbstverwaltungskörper (Gilden usw.); 2. geldwirtschaftliche und naturalwirtschaftliche, j e nachdem man sich zur Verrechnung des Geldes bedienen w i l l oder nicht; 3. entgeltende und kommunistische, j e nachdem der Anteil, den der einzelne am Gesamtprodukt erhält, nach seinen Leistungen oder nach seinen Bedürfnissen festgestellt w i r d . I n jenem Falle enthalten die sozialistischen Systeme eine Konstituierung des „Wertes". 1 Der Begriff des Wildbeuters wurde geprägt von Richard T h u r n w a l d : „Des Menschengeistes Erwachen, Wachsen u n d I r r e n " , Verlag Duncker u n d H u m b l o t , Berlin, 1950. Nach T h u r n w a l d soll Wildbeutertum heißen eine Horde — 10 bis 15 lose verbundene Menschen — oder fester verbundene Bande von 10 bis 15 Menschen, die ihren Lebensunterhalt ganz ausschließlich i n p r i m i t i v e r Sammelt ä t i g k e i t von Beeren, Früchten, Wurzeln, K n o l l e n , Käfern, Schnecken u n d Engerlingen erwerben u n d hier u n d dort ergänzen durch Jagd u n d Fischfang i n p r i m i t i v e n Formen. Der Wildbeuter ist also nicht seßhaft, sondern wandert. Das Feldbauerntum als seßhaftes Menschentum u n d H i r t e n t u m von Großviehhirten (Rind, Kamel, Pferd) als Nomadentum sind zwar entwickeltere Wirtschaftsstufen, verbleiben aber überall dort, wo es sich noch nicht u m Herrschaftsverhältnisse, geschichtete Gemeinwesen, also Staatsbildungen handelt, i m Bereich urwüchsiger Geschlechtsverbände i m Sinne Sombarts.
Vorwort
D i e wirtschaftlichen Zusammenhänge sind nur zu „verstehen" in ihrer Zugehörigkeilt zu irgendwelchen Sinn,zusammenhängen: was ein Suppenwürfel „ist", vermögen w i r nur einzusehen, wenn w i r i h n stellen in den Sinnzusammenhang „Suppe", und daß ein Metallstück mit eingeprägten Zeichen ein „Geldstück" sei, u n d welche „ G e l t u n g " es habe, w i r d uns n u r einsichtig auf G r u n d der Kenntnis des Geldsystems, von dem es einen Bestandteil bildet. A l l e Feststellungen, die das Sinnverstehen macht, sind apriorischer N a t u r : es geht i n sie keinerlei Erfahrung ein. D i e allgemeine Nationalökonomie k a n n immer nur theoretisch sein, denn es gibt keine Wirtschaft schlechthin in der W i r k l i c h k e i t , w i e es keinen Staat, keine Kunst, keine Sprache, keine Religion schlechthin gibt. Die Theorie hat ideale, die Empirie reale Sachverhalte zum Gegenstande. D i e Theorie erforscht Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Wahrscheinlichkeiten, die immer räum- und zeitlos sind, die Empirie Wirklichkeiten, die immer i n Raum und Zeit sind. So enthält der „Moderne Kapitalismus" meines Lehrers sowohl Theorie als Geschichte. Er ist Theorie, insoweit er die Sinnzusammenhänge in der europäisch-amerikanischen Wirtschaft i n ihrer räum- und zeitlosen Gestalt der Untersuchung unterzieht, Empirie aber, sofern er tatsächliches Geschehen zur Darstellung bringt. Jede Zahl, die das bewunderungswürdige W e r k enthält, u n d ich glaube, es enthält deren eine ganze Menge, weist h i n auf seinen geschichtlichen Inhalt. Was Empirie ist i m Gegensatz zu Theorie, steht fest seit Aristoteles: es ist die Erkenntnis des Besonderen, i m Gegensatz zum Allgemeinen, oder wiie w i r auch sagen können: die Erfassung und D a r stellung des Wirklichen, der Erscheinungen i n Raum u n d Zeit. Empirie, zu deutsch: wissenschaftliche Erfahrung, ist also weder soviel w i e W i r k l i c h k e i t noch soviel wie subjektives Erlebnis, sondern immer schon ein Erkenntnisinhalt, der auf G r u n d einer denkenden Verarbeitung die Bedeutungsintentionen der Begriffe i n der W i r k l i c h k e i t zu Bedeutungserfüllungen b r i n g t : das Wahrneihmungsmaterial der W i r k l i c h k e i t empirischer Feststellungen einfügt in die einsichtig strukturierten Erkenntnisgehalte der Begriffe, des Vermeinten. Was feststeht a priori, was erkenntnismäßig gewonnen w i r d , ist deshalb bindend für alle Erfahrung, welche vernünftiges Bewußtsein macht. Von der Güte der Theorie hängt daher ab die Fruchtbarkeit der empirischen Erkenntnis, wie die Ergiebigkeit eines Fischzuges abhängt von der Güte der Netze: alle übrigen Bedingungen: Fähigkeit des Fischers und Reichhaltigkeit des Fischgewässers natürlich gleichgesetzt. D i e Empirie i m Bereiche der K u l turwissenschaften nennen w i r Geschichtswissenschaft. A l l e Geschichte hat die Aufgabe, ein einmaliges Geschehen zu schildern, das heißt
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Vorwort
die einmalige V e r w i r k l i c h u n g eines idealen Tatbestandes. A l l e Verw i r k l i c h u n g ist einmalig. U n d alle Darstellung der Verwirklichung, also alle Darstellung des Geschehens, ist Darstellung eines Einmaligen und diese Darstellung des einmaligen Ablaufs der Ereignisse nennen w i r eben Geschichtsschreibung. Der „Moderne Kapitalismus" ist eine Wirtschaftsgeschichte, er enthält sowohl Theorie als Geschichte, denn eine Nationalökonomie oline Theorie ist blind, eine solche ohne Empirie ist aber leer, u m ein Wort Kants anzuwenden auf das Verhältnis der beiden Seiten der Nationalökonomie zueinander. D e r „Moderne Kapitalismus" bildet aber auch den Inhalt einer speziellen Nationalökonomie, indem Werner Sombart eben unter Spezieller Nationalökonomie verstand die Lehre von den W i r t schaftssysteman. Es gibt aber so viel spezielle Nationalökonomien, wie viele Wirtschaftssysteme es gibt in -der W i r k l i c h k e i t , in Raum und Zeit. D i e Beziehung zwischen der ersten Einteilung der Nationalökonomie i n theoretische und empirische und der hier gemachten i n allgemeine und spezielle ist n u n folgende: die allgemeine Nationalökonomie, w i e sie auf diesen Blättern zur Darstelluig gelangt, kann immer nur sein theoretisch, denn es gibt, w i e w i r schon festgestellt haben, keine Wirtschaft schlechthin i n der W i r k l i c h k e i t , wie es keinen Staat, keine Kunst, keine Sprache usw. schlechthin gibt. Es gibt als „Leben" immer n u r eine bestimmt geartete Wirtschaft wie die handwerksmäßige, die kapitalistische, die kommunistische usw. Von diesen besonderen Wirtschaften aber handelt die besondere (spezielle) Nationalökonomie. Diese nun k a n n sein sowohl theoretisch w i e empirisch i n dem oben entwickelten Sinn dieses Unterschiedes: siehe wiederum den „Modernen Kapitalismus". I n der Allgemeinen Nationalökonomie, die also immer nur theoretisch ist, fragen w i r m i t Werner Sombart nach den wirtschaftlichen D e n k kategorien, den wirtschaftlichen Stammbegriffen, die aller menschlichen Wirtschaft gemeinsam sind; die Allgemeine Nationalökonomie behandelt diejenigen Sachverhalte, die i n der menschlichen Unterhaltsfürsorge als solcher wiederkehren, die uns vorkommen i n der Wirtschaft der W i l d b e u t e r ebenso w i e bei den Feldbauern, den Hirtenvölkern, allen p r i m i t i v e n Wirtschaftssystemen und allen Wirtschaftssystemen der Vollkulturstufe bis h i n zum Kapitalismus und Kommunismus. W i e der Mathematiker, der die i n allen Werten wiederkehrenden Buchstaben herausnimmt und vor eine Klammer setzt, so so daß er statt ab + ac + ad . . . a (b + c + d . . . ) schreibt, so verfahren w i r i n der Allgemeinen Nationalökonomie, indem w i r aus aller zur erfahrbaren W i r k l i c h k e i t gekommenen menschlichen Unterhaltsfürsorge von den Uranfängen der W i l d b e u t e r bis zur
Vorwort
Gegenwart die immer wiederkehrenden Sachverhalte, die wirtschaftlichen Dominanten, gleichsam die Archetypen, die wirtschaftlichen U r b i l d e r herauslösen und als zeitlose Bedeutungsintentionen in einer transzendentalen Vorzeichnung der wirtschaftlichen W i r k l i c h k e i t zur Darstellung bringen: diese wirtschaftlichen Bedeutungsintentionen finden ihre Bedeutungserfüllungen jeweils in der speziellen Nationalökonomie, der i n Raum und Zeit verwirklichten Wirtschaft. Es ergibt sich also folgendes Schema: Allgemein
theoretisch
Speziell
{ J g g f
Theoretisch Empirisch
{gemein speziell
Jede besondere Nationalökonomie, also jede spezielle Nationalökonomie, so wiederholen w i r , b r i n g t immer nur die W i r k l i c h k e i t gewordenen Wirtschaftssysteme zur Darstellung u n d ist also immer Wirtschaftsgeschichte, sie ist theoretisch und empirisch, da Empirie als Erkenntnis des Besonderen und Erfassung und Darstellung des Wirklichen, der Erscheinungen i n Raum und Zeit i m Bereiche der Kulturwissenschaften immer GeschichtsWissenschaft ist. I n die A l l gemeine Nationalökonomie geht niemals ein irgendwelche erfahrbare W i r k l i c h k e i t , sie ist nur theoretisch, sie ist niemals empirisch, also niemals Geschichte. W i r reden von Sachverstehen, wo es sich um das Verständnis wirklicher Wirtschaft handelt, der Wirtschaft i m Raum u n d Zeit. Der Geist des Menschen schlägt sich nieder i n Sinnzusammenhängen: Einheiten innerlich zusamengehöriger Einzelheiten. H i e r handelt es sich um die Einordnung einzelner Erscheinungen in einen verwirklichten Sinnzusammenhang, also um einen Sinnzusammenhang in der Geschichte, so dafi alles Sachversteben der besonderen oder speziellen Nationalökonomie historisches Verstehen ist. A l l e zeitlosen Bedeutungsintentionen der allgemeinen Nationalökonomie erhalten erst ihre E r f ü l l u n g i m Wahrniehmungsmaterial der W i r k l i c h keit. D i e historische Betrachtungsweise ist insoweit ein A p r i o r i jeder nationalökonomischen Theorie, als auch die Kategorien der allgemeinen Nationalökonomie nur aus der lebendigen Anschauung verw i r k l i c h t e r Wirtschaft herausgearbeitet werden können, u m als das Vermeinte von Bedeutungsintentionen immer wieder die Erfüllung, Bestätigung u n d Bewährung i m Sachverstehen verwirklichter W i r t schalt zu finden. D e r Begriff „Tausch" etwa besagt gar nichts. Er bekommt seinen „Sinn" erst durch die Beziehung auf den geschichtlichen Zusammenhang, i n dem der Tausch stattfindet. „Tausch" i n der p r i m i t i v e n
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Vorwort
Wirtschaft (stummer Tauschhandel!), i n der handwerksmäßigen Wirtschaft und i n der kapitalistischen Wirtschaft sind himmelweit voneinander verschiedene Dinge. A l l e national Ökonomie che Sacherkenntnis ist also historische Erkenntnis, d a r u m aber doch noch keine Wirtschaftsgeschichte. „Geschichte", wenn w i r darunter ganz allgemein den A b l a u f der Ereignisse verstehen, ist Wirkungszusammenhang, ist Leben. W i r hingegen befinden uns einstweilen noch i n dem Bereiche des Geistes, in dem es w o h l Sinnzusammenhänge, aber keine Wirkungszusainmenhänge gibt. Einen m i t Kohle beladenen Waggon können w i r in folgende Sinnzusammenhänge eingliedern : 1. Sinnzusammenhang: D e r Waggon ist T e i l eines Eisenbahnzuiges, er gehört i n den technologischen Ganzheitsbeigriff: Eisenhahn, zu dem gehört eine Lokomotive, Eisenbahnschiene, Bahnkörper, Si gnalein r i cht u nigen. 2. Sinnzusammenhang : D i e Organisation der Eisenbahn — Staatsbahn, Privatbahn, Fahrplan, Bahnhof. 3. Sinnzusammenhang : Das Tarifsystem : Tarifklassen, T a r i f p o l i t i k . 4. Sinn Zusammenhang: Grubenförderung: Bergmann, Schacht, Stollen, Abbau. 5. Sinnzusammenhang: D i e Bergwerksgesellschaft, der die Grube gehört, Aktiengesellschaft usw. 6. Sinnz'usammenhang: Das Ziel, zu dem der Waggon läuft — terminus ad quem, Verbrauch der Kohle als Hausibrand oder zur Erzeugung von Wasserdampf usw. Das menschliche Handeln als menschliches Verhalten schlechthin, einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, D u l d e n oder Unterlassen, erfolgt immer aus einer subjektiven Sinngebung und orientiert sich als soziales Handeln an dem s u b j e k t i v gemeinten Sinn des Handeln anderer Handelnder oder dem objektiven Siinn von irgendwelchen Institutitionen, o b j e k t i v e n Sinnzusammenhängen. A l l e Kulturzusammenhänge, also auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge, sind ebensosehr W i r k u n g s - wie Sinnzusammenhänge. D e n n aus Geist und Seele m i t H i l f e körperlicher Dinge baut die K u l t u r sich auf: in der Vitalsphäre spielt sie sich ab u n d lebendige Menschen hat sie als ihre Träger. Aus lebendigen Menschenseelen und nur aus ihnen sind alle Bedeutungsgehalte und Wer+gehalte erwachsen und in lebendige Menscheniseelen tauchen sie immer wieder ein, u m hier ihre K r a f t w i ed erζ ufind en. D i e Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie, die hier abgehandelt w i r d und die allgemeinen wirtschaftlichen Sachverhalte als zeitlose Bedeutungsintentionen, als Kategorien zu erfassen ver-
Vorwort
sucht, w a r Gegenstand von Vorlesungen, die mein hochverehrter Lehrer an der Berliner Universität u n d an der Berliner Handelshochschule i n einem regelmäßigen Turnus hielt von 1920 bis zu seiner Abberufung vcxn dieser Erde am 18. M a i 1941. Werner Sombart entwickelte seine Gedanken zur Allgemeinen Nationalökonomie zum wesentlichen T e i l unabhängig von seinen Aufzeichnungen, die er auf kleinen losen Blättern i n einem Lederetui barg. So k a m es, daß die Vorlesung i m Laufe der Jahre anwuchs nach „ Q u a n t u m und Quale", siich erweiterte u n d vertiefte. D e r vorliegenden A r b e i t liieren zugrunde Kolleghefte von fünf Vorlesungen i n der Spannweite eines vollen Jahrzehntes, ergänzt durch Notizen aus den Seminarübungen. D a ich irgendeine Kurzischrift nicht schreibe, mufite ich mich während der Vorlesung i n der Hauptsache konzentrieren auf den mündlichen Vortrag meines Lehrers, so daß die spätere Ausarbeitung des Kollegs sich lediglich auf Stichworte bzw. Satzfragmente stützen konnte. Indessen verfüge ich über die Gnade eines guten Gedächtnisses, das i n Verbindung m i t dem zehnjährigen Zeitraum jeden Zweifel an der originalen Wiedergabe der Vorlesung ausschalten dürfte. D e r § 24 des vierten Kapitels über die Ökonomität, der § 34 u n d der § 35 des siebenten Kapitels über das O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums sind weitgehend ergänzt durch Darlegungen Sombarts i n den Seminarübungen des Wintersemesters 1925/1926 und des Sommersemesters 1926. I n den Vorlesungen selbst w u r d e n die drei Paragraphen über die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichstums, über das O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums u n d endlich über den Nahrungsspielraum, Bevölkerung und Reichtum abgehandelt i n einem Paragraphen. D i e letzten zwei Stunden des Semesters standen für diese Paragraphen zur Verfügung, so daß Werner Sombart sich beschränkte aiuf die Begriffsanalyse und seine Hörer auf die Seminarübungen verwies. Ich habe deshalb die beiden §§ 33 u n d 34 über die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichstums u n d über das O p t i mum des gesellschaftlichen Reichstums ergänzen müssen m i t Betrachtungen, die ich diesen Problemen unter biologischem u n d geographischem Gesichtspunkt i n zwei selbständigen Arbeiten widmete: Das deutsche Bevölkerungsproblem u n d das Problem der Entartung. Professor Meerwarth nahm beide Arbeiten auf i n die laufenden Veröffentlichungen des Preußischen Statistischen Landesamts. W e r ner Sombart 'billigte die beiden aus seinem Geist geschriebenen Arbeiten. I m Gegensatz izu den i n diesem W e r k zur Darstellung kommenden Stammbegriffen, jenem Kategoriennetz, mit dem die menschliche
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Vorwort
Unterhaltungsfürsorge bei allen Völkern, zu allen Zeiten eingefangen w i r d , also i m vollen Gegensatz zu dem fertigen Begriffsgebände der Allgemeinen Nationalökonomie, unterlagen die Begriffe der speziellen Nationalökonomie einer W a n d l u n g i m Sinne einer immer schärferen Herausarbeitung des Sinnkernes: schon ein Vergleich der ersten Auflage des Modernen Kapitalismus i m Jahre 1902 m i t der letzten Auflage aus dem Jahre 1928 zeigt dieses Mühen um die begriffliche Klärung. Werner Sombart hat i m 14. K a p i t e l seines W e r kes: D i e drei Nationalökonomien, auf S. 234, über die Eigenart der kulturwissenschaftlichen Begriffsbildung gesprochen. A u d i i n diesem W e r k kommen i m weiter führenden Gedankenzug einige Begriffe der speziellen Nationalökonomie zur Erörterung: ich denke an den Begriff des Betriebes als Veranstaltung zum Zwecke fortgesetzter Werkverrichtung. Ursprünglich verstand Werner Sombart unter Betrieb ein kontinuierliches Zweckhandeln bestimmter A r t i m Sinne des von Max Weber gezimmerten Begriffsgebäudes. I n allen Zweif eis fällen stützte ich mich auf die Begriffsdefinitionen i m Modernen Kapitalismus u n d den drei Nationalökonomien. Neben den volkswirtschaftlichen Werken von Marshai u n d John Stuart M i l l , die um die M i t t e des 19. Jahrhunderts i n England herauskamen, empfahl Werner Sombart seinen Hörern noch den Grundriß der Volkswirtschaftslehre von Gustav Schmoller. Schmoller w a r der Lehrer Werner Sombarts. Hinsichtlich einer Literatnrübersicht darf ich auf das Geleitwort verweisen, das Sombart seinem W e r k , „ D e r moderne Kapitalismus" auf S. 23, vorausschickt: „Eine ebensolche Unsitte, die immer mehr in Gelehrtenkreisen einreißt, ist die: Literaturübersichten zu geben, ohne die angeführten W e r k e zu kennen. Beim heutigen Stande unserer bibliographischen Technik ist es dann nicht schwer, beliebig lange Listen von Büchern aufzustellen, die freilich nur dem Laien den Eindruck der Gelehrsamkeit machen, während der Eingeweihte meistens die Eselsbrücken bemerkt, denen die Listen ihre Entstehung verdanken. Einem solchen Unfug sollte mit der stilischw^eigend angenommenen Regel gesteuert werden, k e i n Buch i n einer Literaturübersicht anzuführen, von dessen Verwendbarkeit f ü r den bestimmten Zweck man sich ni dit hinreichend unterrichtet hat." Möglicherweise könnte die vom Sprachusus abweichende Stellung des Verbiums i n diesem W e r k beanstandet werden. N u n handelt es sich i n einer reinen Theorie immer um Begriffsurteile i m Sinne von Heinrich Maier (vgl. Wahrheit und W i r k l i c h k e i t , 1. Band, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen, 1926). D i e Begriffsurteile sind keine Urteile über individuelle O b j e k t e wie alle Wahrnehmung®- und Erinnerungsurteile : das I n d i v i d u a l u r t e i l : „die Sonne" ist durchaus anschau-
Vorwort
l i d i und kann jederzeit aktualisiert werden; das Beg riffe u r t e i l : „die Verkehirsintensität ist sehr gering" läfit sich i n der Anschauung nicht unmittelbar vergegenständlichen, es erfordert eine komplizierte logische Operation, die w i r bezeichnen als begriffliche Abstraktion. D a m i t ist gegeben eine A b k e h r von der W i r k l i c h k e i t , während bei der anschaulichen A b s t r a k t i o n eines Individualurteils wie „die Sonne" gegeben ist eine H i n w e n d u n g zur W i r k l i c h k e i t . D i e sachkategoriale F o r m der Begriffsurteile ist die Potentialität : die reinen Begrifflichkeiten i n dieser A r b e i t sind Potentialitäten, Möglichkeiten, die ihre A k t u a l i s i e r u n g finden i n den Indi vidualitäteu : das Begriff surteil: „die Verkehrsintensität ist sehr gering", stellt dar eine Möglichkeit, die vielleicht irgendwo zur W i r k l i c h k e i t kommt, einmal zur A k t u a l i t ä t gelangt, indessen durchaus gebunden bleiben k a n n in der Zeitlosigkeit eines potentiellen Seins, während das I n d i v i d u a l u r t e i l „die Sonne" immer W i r k l i c h k e i t ist: denn die sachkategoriale F o r m aller I n d i v i d u a l i t ä t e n ist die A k t u a l i t ä t . Aus diesem Sachverhalt ergibt sich die Forderung, daß an die sprachliche Komponente des Begriffsurteils ein besonders scharfer Maßstab der logischen Richtigkeit angelegt werden muß: der Sprachusus einer Sprachgemeinschaft entwickelt für die anschaulichen l n d i v i d u a l u r t e i i e , aus denen jede Sprache ursprünglich erwächst, nicht immer die Gesichtspunkte der logischen Angemessenheit: der Sprachusus sanktioniert unlogische Elemente, wobei das Bewußtsein der D e n k w i d r i g k e i t zurücktritt. Es bleibt n u n bemerkenswert, daß überall da, wo der D r a n g besteht, die Gedanken präzis u n d k l a r herauszuarbeiten, für die Gegenstände des Denkens eine nach Möglichkeit angemessene, also insbesondere logisch adäquate Bezeidinungsweise zu gewinnen, das freie bpredien zu jenen archaischen bprachformen zurückgreift, w i e sie uns i n unübertroffener Meisterschaft die Bibelübersetzung Luthers zeigt: w i r d dem Ü rteilsgegenstand als Zeichen zugeordnet ein Aussagesatz, w i r d der Ürteilsgegenstand sprachlich bezeichnet, so ist das Band, das die Satzvorstellung zusammenschließt m i t der Geigens tandsdenkfunktion, zunächst die assoziative Verknüpfung, die innere Verwandtschaft der Vorstellungselemente. D a gehört also das Verbum zum Hilfszeitwort. D i e Vorund Nachordnung, die dem Ρrädikat ionsur teii seine Eigentümlichkeit gibt, ist zuletzt keine bloß zeitliche, sondern eine logische. I n der Gegenwart haben die Philosophen K a r l Jaspers u n d L u d w i g Klages und der größte Epiker der Moderne, Thomas Mann, die Sprache Luthers zu einem neuen Leben erweckt; i n der Vergangenheit waren es A r t h u r Schopenhauer und Friedrich Nietzsche, die sich an die Sprache Luthers anlehnten.
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Vorwort
D e r frühere Schüler Sombarts w i r d in dieser A r b e i t mehr finden, als er in seinem Kollegheft verzeichnet hat, er w i r d auch manche Gedanken anders formuliert erkennen in den letzten Kapiteln, aber er darf sicher sein, dafi dieses W e r k aus dem Geist Werner Sombarts heraus geschrieben ganz ein W e r k des großen Meisters der deutschen Wirtschaftswissenschaft ist und m i t der O r i g i n a l i t ä t seiner Aussagen zu den klassischen W e r k e n der wissenschaftlichen W e l t l i t e r a t u r gehört. Bei der Niederschrift stand ich noch einmal i m Banne dieser gewaltigen Persönlichkeit, so daß ich überzeugt sein darf, aus meinen geistigen Möglichkeiten heraus, nach bestem Wissen u n d angespanntem Wollen dieses W e r k i m Sinne meines Lehrers vollendet zu haben. Berlin-Friedenau, i m März 1960 Grazer Platz 15 D r . p h i l . Walter
Chemnitz
Inhalt Erstes Kapitel: § 1. Die § 2. Die § 3. D i e § 4. Die
Zweites Kapitel: § § §
8. 9. 10. 11. 12. 13.
Kapitel: Der Die Der Die Die Die
14. 15. 16. 17. 18. 19.
Die Die Die Die Der Der
Der Güterbedarf
Begriff des Güterbedarfs Sachgüter wirtschaftliche Güterwert A r t e n des Güterbedarfs Entstehung des Güterbedarfs Grenznutzenlehre
Viertes Kapitel: § § § § § §
Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft
5. D i e verschiedenen Bedeutungen des Wortes Wirtschaft 6. Die Wirtschaft als Kulturtatsache 7. D i e Lehre von der Wirtschaft
Drittes § § § § § §
Die Grundtatsachen des Wirtschaftslebens
Unterhaltsfürsorge Technik Arbeit u n d ihre Organisation Wirtschaft
Die Gütererzeugung: I. Der Hergang
Produktion i m Allgemeinen Elemente der Produktion Gliederung der Produktion Produktionsfaktoren i m Allgemeinen persönliche Produktionsfaktor sachliche Produktionsfaktor
17 17 18 20 22 25 25 27 37 51 51 52 57 60 65 69 75 75 78 87 100 101 120
I I . Leistung u n d Erfolg
129
§ § § § § §
129 134 141 148 157 171
20. 21. 22. 23. 24. 25.
Rohertrag und Kosten Reintrag u n d Einkommen D i e Intensität Die Produktivität Die ökonomität D i e Ertragsgesetze
I I I . Der Standort
174
§ 26. Der Zwangsstandort § 27. Der freie Standort
174 176
16
Inhalt
Fünftes
Kapitel:
Der Transport
181
§ 28. Der Güter-, Personen- u n d Nachrichtentransport — Die Transportkosten 181 Sechstes Kapitel:
Die Verteilung
189
§ 29. D i e Güterverteilung als Zuweisung u n d Aneignung — D i e vorherige u n d nachherige Verteilung 189 Siebentes Kapitel: § § § § § §
30. 31. 32. 33. 34. 35.
Der Gesamtprozeß
Die gegenseitige Bedingtheit der wirtschaftlichen Teilvorgänge.. Der Wirtschaftsplan Der gesellschaftliche Reichtum Die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums Das O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums Bevölkerung und Reichtum: Der Nahrungsspielraum
S adire gist er
193 193 197 199 203 209 211 217
Erstes
Kapitel
Die Grundtatsachen des Wirtschaftslebens § 1. Die Unterhaltsfürsorge W i e alle lebendige K r e a t u r muß der Mensch, u m sein Leben zu erhalten, unausgesetzt sein individuelles Dasein durch Bestandteile der stofflichen N a t u r ergänzen, die er zu seinem Verzehr von außen hereinnimmt u n d seinen Bedarfszwecken anzupassen trachtet. Daß der Mensch den Kreis seiner Bedürfnisse über die elementaren Unterhaltsmittel hinaus ausgeweitet und eine neue Bedarfswelt i m „ K u l t u r b e d a r f " geschaffen hat, macht nur einen Gradunterschied aus. Auch die T i e r w e l t hat einen außerordentlich verschiedenen, nach Menge u n d Güte abgestuften Sachgüterbedarf 1 . Gemeinsam mit aller lebendigen Kreatur ist der Mensch aber auch vor die Notwendigkeit gestellt, einen großen T e i l seiner Lebenskraft der Beschaf f ung jenes Sachgüter Vorrats, an dem sein Leben hängt, zu widmen. E r muß sich, w e i l die ihn umgebende N a t u r i m Verhältnis zu seinem Bedarf spröde ist, u m die „Deckung seines Bedarfs" kümmern, er muß „Unterhaltsfürsorge" betreiben. Diese Unterhaltsfürsorge, die ein, w i e gesagt, gemeinsames Kennzeichen aller Lebewesen auf dieser Erde ist, stellt sich i n einem regelmäßigen Kreislauf dar, der i n der natürlichen Beschaffenheit der bedürfenden Wesen und der zu ihrem Verzehr notwendigen Sachdinge begründet ist: Gegenstände der äußeren N a t u r werden hereingenommen u n d dem Bedarfszwecke angepaßt: der Vogel holt sich Federn und legt sie zum Nest zurecht: er „ b a u t " sein Nest: w i r nennen diesen ersten A k t Produktion. D i e Güter werden, nachdem sie produziert worden sind, ihrer Bestimmung (dem Verzehr) zugeführt: der Vogel speist die einzelnen Jungen m i t den herbeigeschleppten Mücken: das ist, wie w i r sagen, der A k t der Verteilung. D a n n werden die Güter ge- oder verbraucht: A k t der Konsumtion, also A k t des Verzehrs, auf den m i t Notwendigkeit wieder ein Pro1 Vgl. das erste K a p i t e l des „Modernen Kapitalismus" von Werner Sombart, 2. Auflage 1928, Verlag Duncker u n d H u m b l o t , Berlin.
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Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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D i e Grundtatsachen des Wirtschaftslebens
duktionsiakt folgen muß. Produktion („Erzeugung") — Verteilung — Konsumtion („Verzehr") wiederholen sich so immerfort, bis das letzte Leben von dieser Erde verschwunden sein w i r d . A l l e Gegenstände der äußeren Natur, die für die Unterhaltsfürsorge in Betracht kommen, bezeichnen w i r als (Sach-) Güter oder materielle Güter ( i m Gegensatz zu den rein geistigen [immateriellen] Gütern). Sie sind entweder schon als solche erkannt (effektive Güter) oder nicht, obschon sie eine sachliche Eignung besitzen, bei der Unterhaltsfürsorge Verwendung zu finden: der Wollfaden konnte dem Vogel von jeher als Baumaterial dienen; erst i m Getriebe der Städte w u r d e er als solches „entdeckt". Dienen die Sachdinge dem unmittelbaren Verzehr, so sprechen w i r von Komsumtivgütern, dienen sie zur Herstellung anderer Güter, so sind es Produktivgüter. Jene bezeichnen w i r nach dem Vorgange Garl Mengers als Güter erster Ordnung, diese als Güter höherer Ordnung, zweiter, dritter O r d n u n g usw. A l l e Produktion oder Gütererzeugung, wie w i r etwas v o l l m ä u l i g sagen, beruht darauf, daß w i r lebendige Wesen einen A u f w a n d von Energie machen, mittels dessen w i r i n der U m w e l t (der „ N a t u r " ) vorhandene Stoffe oder Kräfte unserm Bedarfszweck entsprechend formen. I n jedem Produktionsakt w i r k e n also A r b e i t und N a t u r notwendig zusammen, die w i r deshalb als Produktionsfaktoren bezeichnen können, jene als den persönlichen, diese als den sachlichen Produktionsfaktor. D i e äußere N a t u r erscheint in jedem Produktions vorgange 1. als Arbeitsbedingung; 2. als Arbeitsgegenstand. I n i h r e r ersten F u n k tion schafft sie die sachlichen Bedingungen p r o d u k t i v e r Arbeit, mögen nun diese Bedingungen von N a t u r gegeben sein, wie die Erde als Standort, die L u f t als Atmosphäre, die Kräfte; oder erst i n der dem Produktionszwecke entsprechenden F o r m hergestellt werden, wie Arbeitsgebäude, Wege, Kanäle, Wachszellen der Bienen. D e r Arbeitsgegenistand ist dasjenige D i n g , an dem sich die A r b e i t betätigt. Auch er w i r d entweder in der N a t u r fertig vorgefunden, oder er ist selbst schon Produkt. I n diesem Falle nennen w i r den Arbeitsgegenstand Rohmaterial. § 2. Die Technik D i e (bisherige Darstellung hat die Bestandteile der Unterihaltsfürsorge aufgewiesen, w i e sie iin jeder Unterhaltsfürsorge — tierischer wie menschlicher — gleichmäßig wiederkehren. Nunmehr sind die der menschlichen Unterhaltsfürsorge besonderen Erscheinungen zu betrachten, die diese zur Wirtschaft machen.
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Das erste, was die menschliche Unterhaltsfürsorge auszeichnet, ist ein dem Menschen eigenes Verfahren bei der Gütererzeugung (die immer für alle Sachbehandlung, also auch namentlich den Gütertransport steht): d i e A n w e n d u n g dessen, was w i r füglich die instrumentale Technik, oder wenn w i r den Sinm dieses Wortes beschränken w o l l e n : die Technik überhaupt nennen. Unter Technik verstehen w i r i m weitesten Sinne alle Verfahrungsweisen zur Erreichung eines bestimmten Zweckes, unter materieller oder ökonomischer Technik also alle Veriahrungsweisen zur Gütererzeugung. I m einzelnen besteht die technische Fähigkeit: 1. in den Kenntnissen von den Eigenschaften der uns umgebenden Natur. Dieses technische Wissen erstreckt sich auf die Nutzbarkeit der Stoffe, der Kräfte u n d der Umbildungisprozesse der N a t u r selbst; 2. i n dem technischen Können. Dieses änßert sich entweder bloß i n einer bestimmten Methode zur Ausführung von Tätigkeiten. Solcher Methoden sind vor allem zwei als besonders bedeutsam hervorzuheben: die Zerlegung der Gesamttätigkeit i n ihre einzelnen Bestandteile, die dann als besondere Verrichtungen erscheinen; und die Vereinigung des Materials, bei der ein und dieselbe Verrichtumg gleichzeitig statt nacheinander an gleichartigen Gegenständen ausgeführt w i r d . Oder aber das technische Können entwickelt sich zu einer instrumentalen Technik. D a r u n t e r verstehe i d i ein solches Verfahren, bei dem izur Herbeiführung des technischen Erfolges irgendwelche Sachdinge, Instrumente, zur Verwendung gelangen. Bei der Gütererzeugung bezeichnen w i r diese Instrumente als Arbeitsmittel, die also als d r i t t e F o r m der Naturbeteiligunig (neben Arbeitsgegenstand und Arbeitsbedingungen, die aller Unterhaltsfürsorge eigentümlich sind) bei der menschlichen Unterhaltsfürsorge zu betrachten sind. Sämtliche Bestandteile des sachlichen Produktionsfaktors können w i r auch Produktionsmittel i m weiteren Sinne nennen und ihnen diejenigen als Produktionsmittel i m engeren Sinne unterscheiden, die bereits Arbeitsprodukte sind. Ich werde i m folgenden, w o nichts besonderes gesagt ist, von Produktionsmitteln i n jenem weiteren Verstände als dem Inbelgrifif sämtlicher sachlicher Produiktionsfaktoren sprechen. Genauer angesehen ist das Arbeitsmittel ein D i n g oder ein Komplex von Dingen, die der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt, u m sie als Machtmittel auf andere Dinge seinem Zwecke gemäß w i r k e n zu lassen. W i r können aktive u n d passive Arbeitsmittel unterscheiden: a k t i v e Arbeitsmittel sind Werkzeuge (Hammer, Beil, Säge, Messer und Nadel) u n d Maschinen (Antriebsund Arbeitsmaschinen), die tätig unter der Leitung des Menschen in die neuzuformenide Materie eingreifen, während die andere Kate2 ·
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gorie der passiven A r b e i t s m i t t e l die mehr passive Rolle i n der Prod u k t i o n spielt, als Behälter f i i r Stoffe u n d Kräfte zu dienen; es sind dies die Kessel, Röhren, Bottiche, Fässer, Körbe, Krüge usw., jene Arbeitsmittel, deren Gesamtheit igamz allgemein als das Gefäßsystem der P r o d u k t i o n bezeichnet werden kann, indem die a k t i v e n Arbeitsmittel dann das Muskelsystem der P r o d u k t i o n darstellen. E i n Werkzeug ist ein Arbeitsmittel, das zur Unterstützung der menschlicheQ A r b e i t dient (Nähnadel), eine Maschine ist ein Arbeitsmittel, das menschliche A r b e i t ersetzen soll, das also das selbst tut, was ohne es der Mensch t u n w ü r d e (Nähmaschine). I n der Verwendung von Arbeitsmitteln äußert sich also die erste, ganz bedeutsame Eigenart menschlicher Unterhaltsfürsorge. Es bleibt dabei: der Mensch ist „ein Werkzeug machendes Tier" (a tool m a k i n g animal). Nicht n u r i n dem äußerlichen Sinne, daß (vielleicht rein zufällig) der Mensch sich des Arbeitsmittels bedient, das T i e r nicht. Sondern in dem tieferen Sinne, daß in der Verwendung von Werkzeugen (die für alle Arbeitsmittel und alle Waffen stehen) das dem Menschen eigentümliche Gebahren: ein bewußtes Handeln nach Zweckvorstellungen am deutlichsten zum Ausdruck kommt, daß aber auch (was noch bedeutsamer ist) aller V e r m u t u n g nach sich dieses besondere Menschtum an dem Werkzeuge in die Höhe gerankt hat. D a dieses es dem Menschen möglich u n d dann wieder notwendig machte, durch die Entfaltung der rein geistigen Fähigkeiten sich zum Herren der Erde aufzuschwingen. § 3. D i e Arbeit und ihre Organisation 1. D e r Mensch lebt, indem er seine Kräfte betätigt. D i e menschliche T ä t i g k e i t unterscheidet sich dadurch (oder w i r d von uns unterschieden) von der tierischen, daß sie ein vernunftgemäßes Handeln, d. h; ein Handeln nach Zwecken ist. Diejenige menschliche Tätigkeit, die einem außer i h r liegenden Zwecke dient, können w i r als A r b e i t dem Spiel gegenüberstellen, das i n sich selbst jenen Zweck findet. A r b e i t ist also auch die Tätigkeit, die der D i e b aufwendet, u m einen Einbruch auszuüben, obwohl sie sozial schädlich ist w i e diejenige Beschäftigung, die „keine Mühe" macht, w e n n sie n u r auf einen außer i h r selbst liegenden Zweck gerichtet ist. Dieser außer i h r liegende Zweck ist der Erfolg, so daß w i r sagen können, A r b e i t ist jede Betätigung zur Herbeiiführung eines Erfolges. D a m i t ist der Begriff der A r b e i t nach rein o b j e k t i v e n Merkmalen bestimmt. Jede Einfügung s u b j e k t i v e r Momente muß notwendig dem Arbeitsbegriff etwas Unbestimmtes u n d Schwankendes geben. D e r ausgetretene
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Weg, u m zu dem Begriff der A r b e i t zu gelangen, f ü h r t über die W e r t u r t e i l e der Mühsale einerseits, der Nützlichkeit anderseits. Jeder Versuch, diese beiden Kategorien eindeutig festzustellen, muß jedoch, eben wegen ihrer Eigenschaft als Werturteile, scheitern. Es lassen sich gerade i n der modernen Wirtschaft zahlreiche „ A r b e i t e n " anführen, die ohne jede Mühsal vollzogen werden, eine Menge A r b e i t gibt es. die ohne jeden Nutzen für die menschliche Gesellschaft ist: man denke an die Vergnügungsindustrie, an Modeartikel, an die Rüstungsindustrie oder die „ A r b e i t " des Politikers, die manchmal die w i r k l i c h lebensnotwendigen Arbeiten der Lebensmittelprod u k t i o n hemmen k a n n durch Anzettelung von Streiks. D e r Techniker hält die A r b e i t des Altertumsforschers für v ö l l i g nutzlos, der berühmte C h i r u r g Sauerbruch wertete alle Juristen als notorische Faulenzer und Parasiten, der Straßenbauarbeiter bezeichnet jeden Polizisten als Faulenzer. K a n n der V e r k a u f von Schnürsenkeln oder Streichhölzern i m Straßen- oder Hausierhandel noch als A r b e i t angesehen werden oder stellt sich diese T ä t i g k e i t als Bettelei dar? Es bleibt dabei: m i t den Merkmalen der Mühe u n d Nützlichkeit läßt sich der Begriff der A r b e i t nicht eindeutig bestimmen. P r o d u k t i v i t ä t (oder Ergiebigkeit) der A r b e i t nennen w i r ihre Fähigkeit, i n einer gegebenen Zeit eine bestimmte Menge Güter zu erzeugen; Intensität der A r b e i t die Größe des Energieaufwands in einer gegebenen Zeit. 2. A l l e menschliche A r b e i t ist gesellschaftliche A r b e i t , das Problem der menschlichen A r b e i t ist deshalb immer (auch) ein soziologisches. Gesellschaftlich ist alle menschliche A r b e i t i n dem Sinne, daß die A r b e i t keines Menschen möglich ist ohne die A r b e i t eines anderen Menschen. D i e Menschwerdung hat sich n u r vollziehen können i m Rahmen einer menschlichen Gemeinschaft, u n d auf der A r b e i t aller früheren Geschlechter r u h t die A r b e i t auch des einsamsten Menschen. Es ist oft m i t Recht betont worden, daß Robinson, als er (was nicht einmal i n vollem Umfange der F a l l war, da er ein Kleidungsstück oder sonst eine K l e i n i g k e i t gerettet hatte) ohne alle Habe an den Strand einer unbewohnten Insel gespült wurde, doch die Erinnerung an viele Kenntnisse u n d Fertigkeiten als unerläßliche Ausrüstung für seinen Daseinskampf m i t auf den W e g bekommen hatte, ohne die er nicht imstande gewesen wäre, sein Leben aufzubauen. Das heißt: n u r als kunstvolles Erzeugnis einer Jahrtausende alten K u l t u r ist ein Robinson denkbar, Diese Verkettung der menschlichen A r b e i t i n der Zeit besteht also immer; die Verkettung ist entweder eine rein ideelle (erinnerungsmäßige) oder eine materielle: durch Arbeitsprodukte vermittelte. Unsere A r b e i t r u h t zu jeder Zeit auch auf den Arbeitsprodukten der Vergangenheit. Ist die rein ideelle
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Verkettung der menschlichen A r b e i t i n -der Zeit k e i n besonderes menschliches Phänomen, sondern allen Lebewesen gemeinsam, so ist die materielle Verkettung fast ausschließlich den Menschen eigen. Das gilt i n noch höherem Grade von der anderen A r t der Verkettung, der Verkettung i m Raum: Immer ist der Erfolg der menschlichen A r b e i t an die A r b e i t anderer izu seinen Lebzeiten geknüpft. I n p r i m i t i v e n Zuständen w i r d die A r b e i t des Einzelnen ermöglicht durch die Mitarbeit oder Aucharbeit seiner Genossen i n der Gemeinschaft, in der er lebt. Heute ist die A r b e i t des einzelnen v e r k n ü p f t m i t der A r b e i t Tausender und Abertausender, deren Arbeitserzeugli'is er s i d i auf dem Wege des Produktenaustausches zu eigen macht. Es ist nur ein Gradunterschied i n dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, wenn eine bestimmte A r b e i t in räumlicher Gemeinsamkeit von mehreren zugleich ausgeführt w i r d . 3. Alile menschliche Arbeit, da sie eine gesellschaftliche Tatsache ist, steht unter einer bestimmten Ordnung. D e n n ordnungsmäßig muß jede planvolle Tätigkeit sich vollziehen, sobald sie mehrere Menschen miteinander in Verbindung bringt. I n der O r d n u n g w i r d der Plan o b j e k t i v i e r t . W i r sprechen, wenn w i r die O r d n u n g der menschlichen A r b e i t i m Auge haben, von ihrer Organisation. D e r Organisation der menschlichen A r b e i t liegen zwei — und nur zwei — Prinzipien zugrunde: die Specialisation und die Kooperation. A l l e anderen Möglichkeiten, die menschliche A r b e i t in einer bestimmten Weise zu ordnen, sind nur Unterarten dieser beiden Prinzipien. I n diem 4. Kapitel, das von der Gütererzeugung handelt, werden diese beiden Prinzipien erörtert. 4. Wenn w i r das große Phänomen: menschliche A r b e i t als Ausfluß \ ernünftigen Tuns denken, so erscheinen uns die tausend verschiedenen Einzelhandlungen izu innerlich zusammenhängenden Einheiten von Tätigkeiten verbunden durch ihre Abhängigkeit j e von einem besonderen Arbeitspläne. D i e W e l t der A r b e i t gliedert sich also in unserer Vorstellung in ebensoviele einheitlich gestaltete Arbeitsprozesse als Arbeitspläne vorhanden sind. Bei einem höheren Graid von Zusammenhang, bei dauerndem Verbundensein einzelner Handlungen zu einem Ganzen sprechen w i r von Betrieben. U n d w i r können genauer bezeichnen alls Betriebe: Veranstaltungen zum Zwecke fortgesetzter Werkverrichtung. Auch über die Betriebe handelt ausführlich das 4. Kapitel. § 4. D i e Wirtschaft Wirtschaft heißt die menschliche Unterhaltsfürsorge. M i t h i n werden w i r antreffen i n aller Wirtschaft:
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1. Eine bestimmte W i rts chajf ts ges i η η un g, w o m i t i d i bezeidme alles Geistige, von denn die einzelnen wirtschaftlichen Tätigkeiten bestimmt werden: also alle Wertvorstellungen, Ζwe ck se tzunge η, M a x i men, die in den die Wirtschaft gestaltenden Personen, die w i r W i r t schaf tss uibj e k t e nennen wollen, lebendig werden. D i e Wirtschaftsgesinnunig der Wirtschaftssubjekte o b j e k t i v i e r t sich in den W i r t sch/af ts prinzipien, die Ausfluß sind der unterschiedlichen Zwecksetzung der Wiirtschaiftssiubjekte. Dabei können w i r vor allem unterscheiden zwei wesentlich verschiedene A r t e n der Zwecksetzung: die Menschen streben nämlich entweder nach der Beschaffung eines nach Umfang u n d A r t fest umschriebenen Vorrats von Geb rau chs gü tern, das heißt, sie suchen ihren naturalen Bedarf zu decken: oder sie erstreben Gewinn, das heißt, sie suchen eine möglichst große Geldmenge durch i h r e wirtschaftliche Tätigkeit zu erwerben. I m ersten Fall, sagen w i r , stehen ihre Handlungen i m Banne des Bedarfsdeckungisprinzips, i m anderen Falle i m Banne des Erwerbsprinzips. 2. Eine bestimmte Technik, also bestimmte Verfahrensweisen, deren sich die Wiirtschaftssuibjekte zur Durchführung ihrer Zwecke bedienen. D i e Verschiedenheit der Technik w i r d b e w i r k t durch den Gegensatz des rationellen u n d empirischen Verfahrens. Ist die Herbeiführung des technischen Enderf öliges das Ergebnis einer bewußtvernjünftigen Zweckmäßigkeitserwägung, so sprechen w i r von einem rationellen Verfahren, u n d r u h t dieses auf der kausalen E r k l ä r u n g der Naturerscheinungen, von einem wissenschaftlichen Verfahren; beruht die technische Fähigkeit dagegen auf einer bloß überkommenen und gedankenlos übernommenen Kunstfertigkeit, so nennen w i r das Verfahren empirisch. 3. Eine bestimmte Organisation der Arbeit, also eine bestimmte Ordnung, der unterliegen alle einzelnen wirtschaftlichen Vornahmen. D a haben w i r die A r t u n d Weise, w i e die «für die Produktion notwendigen Faktoren — Produktionsmittel und Arbeitskräfte — zu p r o d u k t i v e r A r b e i t herangezogen werden: ob beispielsweise die Arbeitskräfte als Familienangehörige dem Befehle des Familienoberhauptes folgend ziur A r b e i t kommen; oder ob sie als Fremde zwangsweise herbeigeschleppt werden; ob sie von der staatlichen O b r i g k e i t i n einer Gesellschaft freier Mensdien zu Arbeiten bestimmt werden; ob sie als gleichberechtigte Genossen sich verabreden zu gemeinsamer A r b e i t ; ob sie als Ware auf dem M a r k t gekauft, ob siie als Gehilfen gegen Entgelt vielleicht nach obrigkeitlich festgestellten Taxen angeworben werden usw. D a haben w i r die A r t und Weise, wie die bei der P r o d u k t i o n m i t w i r k e n d e n Personen Einflufi ausüben auf die Gestaltung und den Ganig jener. Produktionsleiter ist j a das Wirtsdiaftssiubjekt. Aber die Stellung der übrigen
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Produktionsteilnehmer zu diesem k a n n außerordentlich verschieden sein: vom unbeschränktesten Despotismus bis zur freiesten demokratischen Verfassung sind hier Abstufungen i n den Beziehungen des Leiters zu den Geleiteten denkbar u n d w i r k l i c h ; die A r t u n d Weise w i e das P r o d u k t verwendet w i r d : ob es bestellenden K u n d e n gegen Entgelt geliefert, ob es auf dem M a r k t e verkauft, ob es i n der Wirtschaft des Produzenten verzehrt, ob es auf dem Meierhof oder in der A b t e i abgeliefert, ob es i n einem staatlichen Magazin deponiert w i r d usw.; die A r t u n d Weise wie die bei der P r o d u k t i o n M i t wirkenden am Produktionsertrage teilnehmen: ob gar nicht — man denke an die abgabenpflichtigen Fronbauern; ob m i t einer Quote des Ertrages, ob m i t einer unabhängig vom Ertrage festgesetzten Wertsumme — in natura oder i n Geld —; ob die Anteilnahme auf dem Wege stillschweigender Vereinbarung oder freier ausdrücklicher Abmachung oder obrigkeitlicher N o r m i e r u n g oder sonstwie stattfindet; die A r t u n d Weise, w i e der Arbeitsprozeß organisiert ist: ob in kleinen oder großen Betrieben; die A r t und Weise, w i e die W i r t schaftsform gestaltet ist. Das 7. K a p i t e l w i r d den Gesamtprozefl der menschlichen W i r t schaft abhandeln u n d Wirtschaftsgesinnung, Technik, Organisation als jeweils besondere Gestaltungen von Wirtschaftssystemen aufweisen. Es w i r d i n diesem Schlußkapitel dann auch zur Besinnung gebracht, daß die eigenartige Gestaltung, die das Wirtschaftsleben zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen V ö l k e r n erfährt, abhängig ist von der E r f ü l l u n g bestimmter Bedingungen, anders ausgedrückt, daß sich ein besonderes Wirtschaftsleben aufbaut auf einer Anzahl geistiger und materieller, natürlicher u n d künstlicher Gegebenheiten.
Zweites
Kapitel
Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft § 5. D i e verschiedenen Bedeutungen des Wortes Wirtschaft Unsere Aufgabe ist, den Gegenstand unserer Betrachtungen genau abzugrenzen. D i e Geographie hat zum Gegenstand ihrer Betrachtungen die Erde. Dieser Gegenstand ist v ö l l i g eindeutig. W i e steht es n u n m i t der Wirtschaft, dem Gegenstand unserer Wissenschaft? Wirtschaftswissenschaft können w i r nur dann treiben, wenn w i r den eigentlichen Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung ganz eindeutig umschreiben können. M i t dem W o r t „Wirtschaft" w i r d aber weder der Erkenntnisbereich genau beschrieben noch der Wissenschaftsgegenstand scharf erfafit, denn das W o r t „Wirtschaft" hat verschiedene Bedeutungen. „Hoffentlich werden w i r jetzt bald an eine Wirtschaft kommen, um unseren D u r s t zu stillen," so rufen w i r nach mühevoller Wanderung aus. „Das ist j a eine verdammte Wirtschaft", so schelten w i r , wenn uns niemand die T ü r öffnen w i l l . „ I m vergangenen Zeitalter hat die Wirtschaft den Primat gehabt." I n allen diesen Sätzen bedeutet das W o r t „Wirtschaft" etwas Verschiedenes. I m ersten Fall eine ungenaue Ausdrucksweise, aber i n den beiden letzen Sätzen erfassen w i r die beiden Hauptbedeutungen des Wortes „Wirtschaft". Das W o r t „Wirtschaft" w i r d hier gebraucht einmal i m formalen, dann iim materialen Sinn. F o r m a l : das ist eine verdammte Wirtschaft, das ist eine schlechte Wirtschaft. „Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft", so ruft Hamlet aus, als er feststellt, daß der Kuchen, der zum Begräbnis seines Vaters Verwendung fand, auch noch nützlich sein sollte als Hochzeitskuchen bei der Hochzeit seiner Mutter. Bekanntlich wollte er seinen Vater rächen. M i t der schlechten u n d verdammten Wirtschaft w i r d gemeint ein bestimmtes menschliches Verhalten als Ausdruck der Wirtschaftlichkeit. So werden m i t dem Kuchen i m „Hamlet", also doch m i t einem Aufwand, gleich zwei Zwecke erreicht: einmal zu dienen zum Schmaus der Trauergäste bei der Totenfeier, dann als Hochzeitskuchen bei der Hochzeit der Mutter, die sich wieder verheiratet. I m formalen Sinn soll Wirtschaft also heißen soviel wie ein bestimmtes Verhalten, eine gute oder schlechte W i r t -
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Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft
schaft bedeutet ein gutes oder schlechtes Verhalten des wirtschaftenden Menschen. A n welchem Mafistab w i r d nun dieses Verhalten gemessen ? Dieses Verhalten orientiert sich an dem ökonomischen Prinzip: Handle so, daß D u einen Erfolg erzielst m i t dem geringsten Aufwand. Aber diese Fassung des ökonomiischen Prinzips, in der alltäglichen Sprechweise eingewöhnt, ist ungenau: entweder bestrebt man sich, m i t einem gegebenen A u f w a n d einen möglichst großen Erfolg zu erzielen, oder einen bestimmten Erfolg m i t einem möglichst geringen Aufwand. Unter Wirtschaft w i r d h i e r verstanden ein Handeln nach dem ökonomiischen Prinzip. So haben Generationen den Gegenstand unserer Wissenschaft abgegrenzt. Aber es gibt noch einen anderen Maßstab, an dem das Verhalten des wirtschaftenden Menschen gemessen werden k a n n : handle so, daß D u m i t Deinem Handeln das M a x i m u m von Genuß erzielst. H i e r handelt es sich u m Gefühlswe rte, um ein sensualistisches Verhalten, i m anderen Falle des ökonomischen Prinzips u m ein rationales Verhalten, hier verstandesmäßig, dort bei dem sensualistischen Verhalten gefühlsmäßig. Es (gibt auch eine Wirtschaftswissenschaft, die die Lehre vom Genußstreben als Gegenstand der Wissenschaft betrachtet: die Grenznutzenlehre, vertreten durch die Namen Gossen, Liefmann, Neurath. Grenznutzenlehre als Wissenschaft vom Genuß oder von dem Nutzenprinzip. D i e ganze frühere klassische Nationalökonomie hatte das ökonomiische Prinzip zum Wissenschaftsgegenstand. W i r müssen diese Auffassungen als i r r t ü m l i c h ablehnen. Beide Prinzipien sind ganz allgemein menschliche Prinzipien, die gelten können für alles menschliche Handeln, aber nicht geeignet sind, einen Wissenschaft »gegenständ abzugrenzen. Handle so, daß D u einen bestimmten Erfolg m i t dem geringsten A u f w a n d erzielst — unter diesem Prinzip steht unser gesamtes Alltagsleben: so, wenn w i r den kürzesten Weg ziur Arbeitsstätte antreten. Unser gesamtes Verhalten k a n n beherrscht sein von diesem Prinzip, oft werden w i r es verletzen. So folgt der Zeichner diesem Prinzip, wenn er bestrebt ist, eine F i g u r zu zeichnen m i t vier Strichen statt m i t fünf. Angewandt auf gewisse Denkakte, heißt das Prinzip Logik. I n allen Bereichen des menschlichen Lebens spielt dieses Prinzip eine Rolle, hat ü b e r a l l G ü l t i g k e i t , so, wenn ich m i r überlege, ob ich Junggeselle bleiben oder heiraten soll, ob ich eine Reise antreten oder m i r f ü r das Geld einen Anzug machen lassen soll. Wenn nachts der Fensterladen klappert u n d ich erwäge, ob ich aufstehen oder liegen bleiben soll, so wirtschafte ich, wenn das Prinzip des höchsten Nutzens Gegenstand der W i r t schaftswissenschaft sein soll, im anderen Falle w ü r d e die Nationalökonomie ausmünden in eine allgemeine Genußlehre, die Erwägungen anstellt über Genußmöglichkeiten. I n der Allgemeinheit dieser
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beiden Prinzipien, des ökonomischen Prinzips, einen Erfolg m i t geringstem A u f w a n d zu erzielen, u n d des Genußprinzips, m i t seinem Handeln ein M a x i m u m von Genuß z u erzielen, einen hohen Nutzen, liegt i h r e Ungeeignetheit zur Bestimmung des Gegenstandes unserer Wissenschaft. Beide Bedeutungen sind ungeeignet, u m eine Fachoder Spezdalwissenschaft abzugrenzen. Unser Gegenstand ist die AViirtschaft i m materialen Sinne. W i r bestimmen Wirtschaft einstweilen ganz allgemein als einen Bereich der menschlichen Tätigkeit, als Kulturbereich. Als Bereich menschlicher A r b e i t und damit als Kulturtatsache ist Wirtschaft zunächst sachlich bestimmt. D i e formale Bestimmung der Wirtschaft nach dem ökonomischen u n d dem Genuß- und Nutzenprinzip, nach rationaler und sensualistischer Weise, liegt nicht auf derselben Ebene m i t dieser sachlichen Bestimmung der Wirtschaft als einer Kulturtatsache. H i e r handelt es sich u m disparate Begriffe, nicht etwa um einen Ober- u n d Unterbegriff. Wirtschaft in dem einen Sinn, Wirtschaft in dem anderen Sinn verhalten sii eli wie das Schloß an der T ü r zum Schloß am Meer, wie der große Bär i m Zoologischen Garten zum Sternbild „Großer B ä r " am Himmel. Diese verschiedenen Sinnbegriffe bezeichnen verschiedene Sinnzusammenhänge. Diie formale Wirtschaft k a n n nicht sein ein Gegenstand unserer Betrachtung, w i r haben uns zu befassen mit der materialen Wirtschaft, dem eigentlichen Bereich menschlicher Anbei t. D i e Bestimmung des Gegenstandes der Nationalökonomie erfolgt hier i m H i n b l i c k auf die Spannung, die notwendig zwischen dem Bedarf des Menschen an äußeren D i n g e n der N a t u r und deren relativer Sprödigkeit obwaltet. Wirtschaft w i r d also gefaßt als menschliche Unterhaltsfürsorge, also jene menschliche Tätigkeit, die unmittelbar und -mittelbar gerichtet ist auf Besorgung — Erzeugung, Bewegung. Gebrauch — von Sachgütern. § 6· Die Wirtschaft als Kulturtatsache Betrachten w i r nun Wirtschaft in diesem materialen Sinne als Unterhaitsfürsonge. W i r gehen aus von den Alltagserfahrungen: unser Leben ist eiligeschlossen von Sachdingen der verschiedensten A r t , auf Schritt und T r i t t stoßen w i r auf solche Sacbdiinge, m i t denen wiir uns ernähren, kleiden, in denen w i r wohnen, auf denen w i r uns fortbewegen. W i r konstatieren als wichtigste Erfahrungstatsache dieses Eingeschlossensein i n Sachdinge, die w i r selber machen. W i r stellen weiter fest, daß der größte T e i l des menschlichen Denkens und Handelns gerichtet ist auf die Beschaffung dieser Sachdinge, daß w i r uns k ü m m e r n müssen um diese Dinge vom frühen
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Wirtschaft u n d Wirtschaftswissenschaft
Morgen bis zum späten Abend, daß sich Menschen abmühen, solche D i n g e herzustellen, an den Mann zu bringen, zu verkaufen. A n die Beschaffung dieser Sachdinge k n ü p f t sich irgendwelche Sorge, irgendein Bedenken, eben ein sorgendes Bedachtseiii. Dieses Zusammen der Sachdinge m i t der menschlichen Sorge macht die Wirtschaft. Dieses Besorgtsein u m das Beschaffen dieser Sachdiiiige ist das W i r t schaftsleben. Dieses Verhältnis zwischen dem Menschen und den äußeren D i n gen der N a t u r ist k e i n zufälliges, was a u d i anders sein könnte, es ist tief begründet i m menschlichen Schicksal. Aus zwei Grundbedingungen erwächst dieses Verhältnis, aus der Bedürftigkeit des Menschen einerseits, aus der relativen Sprödigkeit der N a t u r anderseits. D e r Mensch ist seinem Wesen nach ein bedürfendes Wesen, sofern er sein individuelles Dasein durch Hereinnahme von D i n g e n der äußeren N a t u r ergänzen muß. Diese Urtatsache hat der Mensch gemeinsam m i t allen Lebewesen. Diese N a t u r - und Urtatsache w i r d beim Menschen zugleich zu einer Kulturtatsadie. I n den Hauptfällen unseres Sachgiiterbedarfes, als da sind Nahrung, K l e i d u n g u n d Wohnung, sind w i r den Tieren gleichgestellt (Bieber, Bienen, Vogelarten, Ameisen). Bekleidung ist ein spezifisch menschlicher Bedarf, der nicht hervorgeht aus der Naturtatsache. D a z u gehört auch der rein menschliche Bedarf an Schmuck, Erbauung, der Bedarf an Sachdingen, u m die äußeren Beziehungen der Menschen zu regeln. Diese Tatsache der Bedürftigkeit erstredct sich auf das gesamte menschliche Dasein. Es gibt keinen Bezirk menschlichen Daseins, auf dem sich nicht äußert dieses Abhängigsein von Dingen der äußeren N a t u r ; der Staat hat Sachdinge nötig, u m seine T ä t i g k e i t auszuüben; i n allen Bezirken geistigen Lebens sind Sachdinge nötig: Bücher als Niederschlag geistiger A r b e i t , Papier, Bleistift, Federhalter, Füllfederhalter, Tinte, Tisdi, Stuhl, aber a u d i N a h r u n g u n d Kleidung, irgendeinen Raum zum Schutz gegen die Wechselfälle der W i t t e r u n g . Ohne Sachdinge k a n n Wissenschaft nur i n sehr beschränktem Umfang getrieben werden. Es k a n n nur in Räumen doziert werden, die für diesen Zweck gebaut sind. M i t 1000 Apparaten w i r d die Naturwissenschaft betrieben. Aber w e i t e r : denken w i r an die K u n s t : der Bildhauer und der Architekt brauchen das geeignete Gestein u n d die entsprechenden Werkzeuge, der Maler neben Holz u n d L e i n w a n d die Farben u n d Pinsel. Gewiß k a n n man sich einen Sänger i n der freien N a t u r bei der Ausübung seiner Kunst denken ohne Zuhilfenahme von Sachdingen; dann muß dieser Künstler aber immer noch ernährt und gekleidet werden. Mag der Redner ohne Sachdinge seinen Vortrag halten, dann ist dieser i n einer Schrift niedergelegt. Selbst die Handlungen des reli-
D i e Wirtschaft als Kulturtatsache
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gl Ösen Kults, heilige Handlungen siind gebunden an derartige Sachdinge: Kapellen, Kirchen, Dome, Kulturgegenstände sind Sachdinge, die dem religiösen Leben dienen. Wenn Jesus durch die Lande zieht, so bleibt doch immer noch die Tatsache, daß dieser Religionsstifter leben muß, sei es auch von w i l d e m H o n i g i n der Wüste. Auch ein Sokrates u n d W a l t h e r von der Vogelweide bedurften der leiblichen Speise. Nachdem der Mensch vertrieben w u r d e aus dem Paradies, ist sein Dasein wesensnotwendig irgendwie eingewoben i n Sachdinge: es bleibt ein Erdenrest zu tragen uns sehr peinlich. D i e eine Grundtatsache der Bedürftigkeit genügt nicht, u m den Tatbestand der Wirtschaft zu begründen. Es könnte sein, daß die Güter der N a t u r dargeboten w ü r d e n i n solcher F ü l l e und Reichhaltigkeit, daß der Mensch sich um sie nicht zu k ü m m e r n hätte, daß er keine Sorge auf zu wen den brauchte, daß also der ewige Menschheitstraum vom Schlaraffenland sich v e r w i r k l i c h t hätte. So haben w i r die L u f t zur Verfügung, ohne daß w i r uns u m ihre Beschaffung zu k ü m m e r n brauchen. D e r Bergbau muß allerdings Sorge tragen, daß L u f t i n die Schächte unter der Erde gelangt: hier w i r d der Ventilator zum Gegenstand der Unterhaltsfürsorge. Zu der Grundtatsache der menschlichen Bedürftigkeit als einer Bedingung unserer Unterhaltsfürsorge t r i t t als zweite Grundtatsache die relative Sprödigkeit unserer Umwelt, die m i t ihren Stoffen u n d Kräften relativ spröde ist zu dem w i r k l i c h e n Bedarf des Menschen. D i e nach Ländern u n d K l i m a t e n ungleiche Verteilung der Nahrungspflanzen, der Genußmittel liefernden Pflanzen, der Reiz- u n d H e i l m i t t e l liefernden Pflanzen, der Gewürzpflanzen, der Ö l u n d Harz liefernden Pflanzen und der Gespinstpflanzen, also die Unterschiedlichkeit der Landbauzonen lassen i n Verbindung m i t der m a x i malen Tragfähigkeit der Nährräume niemals aufhebbare Spannungen i n der Versorgung m i t Lebensmitteln entstehen; zu diesen p r i mären Spannungen treten zeitliche wechselnde SpannungsVerhältnisse der Bevölkerungszahl, des Wachstums der Menschheit, der unsteten Geburten- und Sterbehäufigkeit, die Dichtesstufen der Ö k u mene, die verschiedene Ausstattung der Länderräume m i t Rohstoffen und Naturkräften, die unterschiedliche Begabung der Völker, sich den Bedingungen ihres Siedlungsraums anzupassen. N a t u r k a t a strophen, Seuchen und Kriege verstärken die Unsicherheitsfaktoren und halten die Menschheit in der Sorge um das tägliche Brot eisern fest. Je geringer der Bedarf, ceteris paribus, desto geringer die Spannung, j e üppiger die Natur, um so geringer die Spannung. I m Gegensatz zu dem nach Norden verschlagenen Menschen, der ein fetthaltiges Essen, fleischliche Nahrung, warme Kleidung, eine feste
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Wohniung braucht, dessen Bedarf m i t der Sprödigkeit der N a t u r wächst, braucht der Südländer der Sachgüterbeschaffung keine große A r b e i t zuzuwenden. W o die Spannung zwischen der Bedürftigkeit des Menschen und der relativen Sprödigkeit der N a t u r wächst, w o künstliche Bedürfnisse gesteigert werden, da muß ein Ausgleich gesucht werden. Dieser Ausgleich der m i t Notwendigkeit sich ergebenden Spannung ist menschliche Unterhaitafürsorge, das ist Wirtschaft. Solche Unterhaltsfürsorge finden w i r überall, w o Menschen sind. Es gehört zur Eigenart des Menschen, Unterhaltsfürsorge zu treiben. Unterhaltsfürsorge, das ist Ausgleich, das ist Ü b e r w i n d u n g der Spannung, die besteht zwischen der Bedürftigkeit des Menschen und der relativen Sprödigkeit der Natur. Zur Ergänzung seines i n d i v i duellen Daseins bedarf der Mensch einer unausgesetzten Hereinnahme von Sachdingen der äußeren Natur. Diese Tätigkeit vollzieht sich denknotwendig i n einem Kreislauf, der nie abreißt: gehen w i r aus von dem Bedarf des Menschen: der Mensch hat einen Bedarf nach Nahrungsmitteln, er befriedigt ihn, indem er sich Nahrungsm i t t e l beschafft, das ist Produktion, Erzeugung, Güterherstellung; dann muß er die Güter meistens eine Strecke w e i t fortbewegen, u m sie dem Verzehr zuzuführen: das ist Transport vom Produktionsort zum Konsumtionsort. Maßunterschiede sind hier unwesentlich, da immer eine derartige Beförderung der Güter stattfindet. D i e erzeugten Güter müssen nun zugeteilt werden: diesen Vorgang, der die produzierten Güter auf die verschiedenen Konsumenten, Verzehrer verteilt, nennen w i r die Verteilung oder D i s t r i b u t i o n . Dieser für alle Lebewesen geltende Kreislauf geht aus vom Bedarf, hat als erste Station die P r o d u k t i o n oder Erzeugung, dann den Transport oder die Beförderung, dann die D i s t r i b u t i o n oder die Verteilung, endlich die Konsumtion oder den Verzehr. Das ist der Kreislauf des Wirtschaftslebens. M i t Notwendigkeit vollzieht sich ein derartiger regelmäßiger Kreislauf innerhalb des Wirtschaftslebens. Damit ist die Wirtschaft von außen beschrieben, äußerlich bestimmt nach A r t einer Formaldefiniitiion. Was sie eigentlich ist, das wissen w i r aber damit n o d i nicht. Das wollen w i r nun untersuchen. Wirtschaft soll heißen menschliche Unterhaltsfürsorge. Unterhaltsfürsorge treiben auch die Tiere: der Vogel baut sein Nest und emsig muß er N a h r u n g herbeischaffen für die immer hungrige Brut. Aber grundlegend unterscheidet sich jede menschliche Unterhaltsfürsorge von der tierischen: der Mensch treibt als Vernunft- und Geistwesen seine Unterhaltsfürsorge und macht sie damit zur W i r t schaft. D e r Mensch teilt sein Leibliches m i t dem Tier, er ist ein animalisches, ein tierisches Lebewesen. Aber daneben ist er Geistwesen; er ist mehr als selbst das höchst entwickelte Tier, er verfügt über
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eine Fähigkeit, die die tierische E n t w i c k l ungsreihe nicht organisch fortsetzt, sondern jenseits dieser Reihe liegt als völlig Fremdes, Unbegreifliches : das Leben w i r d in seiner rein organischen Entwicklung durch diese lebensfremde Fähigkeit gebrochen : die Fähigkeit, sich aus dem Naturganzen u n d seiner Kausalität zu lösen, sich selbst und dem Leben gegenüberzustellen, sich über das Leben und die W e l t zu stellen, stammt nicht aus dem Leben selbst; das Leben hat es n u r zu t u n m i t Ernährung u n d Fortpflanzung; lebensfremd muß eine Fähigkeit bleiben, die sich dem Leben gegenüberstellen k a n n und die Frage nach einem Sinn des Lebens aufwirft, eine Fähigkeit, die fragt, w a r u m ist überhaupt nicht nichts, w a r u m ist etwas, eine Fähigkeit, die ein Lebensrätsel kennt u n d unübersteigliche Grenzen, eine Fähigkeit, aus Freiheit, aus Existenz Zwecke zu setzen und sie in freier M i t t e l w a h l zu verwirklichen. Diese Fähigkeit stammt nicht aus dem Leben, sie wurzelt in der Transzendenz: das ist eine Feststellung der positiven Wissenschaft. M i t dieser Fähigkeit t r i t t der Mensch heraus aus dem Naturzusammenhang, dem Naturnexus u n d steht außerhalb der Natur. Aus bewußter Existenz w i r d der Mensch beherrscht durch die ZweckMittelwaihl. Indem die menschliche Unterhaltsfürsorge zu einem geistigen Vorgang. w i r d , unterscheidet sie sich als Ganzes von der tierischen Unterhaltsfürsorge. Verstehen w i r unter Geist eben diese Fähigkeit, Existenz zu verwirklichen, aus Freiheit Zwecke zu setzen, Gegenstände i n zeitlosen geistigen A k t e n bedeutungsintentional zu meinen, Sinnizusammenhänge zu verstehen, ein Reich zeitloser Geltungen, ewiger Werte zu verwirklichen, neben der W e l t der N a t u r w i r k l i c h k e i t eine zweite W e l t der K u l t u r m i t seinem Menschenwerk aufzubauen, so ist i n jeder wirtschaftlichen Erscheinung Geist: in jedem Gebilde, das der Mensch schafft, verkörpert sich Geist. D e r Mensch schafft Geistgebilde, indem er wirtschaftet; aus innerster Zweck- und Sinnerfahrung seines Geistes schafft der Mensch das Werkzeug: so entsteht der Hammer als verlängerter A r m u n d verhärtete Faust, so die Maschine und jede Einrichtung des Menschengeistes: Staat, Kirche, Betrieb, Stadt, Schule, Heer, Bank, Handel, Universität, Krankenhaus, alle Bildnereien der Kunst. Deshalb sind auch alle geistwissenschaftlichen Allgemeinbegriffe, also auch die Begriffe der Nationalökonomie oder Soziologie, entweder Begriffe von geistigen Vorgängen oder Sinnzusammenhänge von Artefakten, und sind damit sämtlich wert- oder sinn- oder zweckbezogen. D e r Zweck oder Sinn ist zunächst i m Geist, bevor er sich v e r w i r k l i c h t i m Menschenwerk, das verstanden w i r d aus dieser Wert-, Sinn- oder Zweckerfüllung heraus. Deshalb verstehen w i r die menschliche K u l t u r ,
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indem w i r hier gleichsam hinter den Kulissen stehen, während w i r die N a t u r niemals verstehen können, w e i l w i r sie nicht geschaffen haben: die N a t u r können w i r n u r von außen her begreifen. Indem der Mensch also überhaupt Geist- u n d Sinnzusammenhänge schafft, steht menschliche Unterhaltsfürsorge i m vollen Gegensatz zu jeder tierischen Unterhaltsfürsorge. E i n Vogelnest k a n n man nicht vergleichen m i t einem menschlichen Gebäude. Dasjenige, was das menschliche Gebilde charakterisiert, ist ein bestimmter Sinnzusammenhang: diese Gebilde sind nach Plänen, für Zwecke, unter Anwendung der Vernunft geschaffen. D e r menschliche Baumeister unterscheidet sich nicht durch Geschicklichkeit von den Bienen, sondern durch diese eine Tatsache, daß diese Gebilde vorher i n seinem Kopfe sind; sein Handeln ist nach Zwecken orientiert, wodurch diese Gebilde Sinnzusammenhänge werden. D e r Bau des Nestes, der Höhle, des Termitenhaufens, des Bienenstocks u n d die A r t der Nahrungsbeschaffung sind nicht vorhanden in den Köpfen der Tiere. Das alles geschieht aus I n s t i n k t u n d geschieht durch a l l die Jahrtausende oder Jahrmillionen nicht anders als es die tierischen Vorfahren taten. Beim Menschen dagegen ist es dieser Hergang, daß alles, was er i n die Außenwelt hineinschafft, was er w e r k t , vorher als Plan i n seinem Kopfe, in seinen Gedanken ist. Alles, was fällt i n den Bereich des menschlichen Handelns, ist Geistgebilde. H i e r w o l l e n w i r feststellen, was die menschliche W i r t schaft als Geistgebilde enthält. D a können w i r unterscheiden i n aller Wirtschaft d r e i Bestandteile: 1. D i e Wirtschaftsgesinnung 2. D i e Geordnetheit, die Wirtschaftsordnung 3. D i e Technik, die Wirtschaftstechnik. Diese drei Bestandteile gehören m i t Notwendigkeit zu jeder W i r t schaft, sie kehren wieder i n allen Wirtschaften, die j e W i r k l i c h k e i t w u r d e n auf Erden. Betrachten w i r n u n die Wirtschaftsgesinnung. Unter Wirtschaftsgesinnung verstehen w i r den Inbegriff der Zwecke und Grundsätze, nach denen gewirtschaftet w i r d . Hier handelt es sich u m Leitgesichtspunkte, nach denen die Wirtschaft eingerichtet ist. Diese Wirtschaftsgesinnung ist gleichsam das Form-, das Gestaltpriinzdp der Wirtschaft. I n dreifacher Weise finden w i r diese Zwecke u n d Grundsätze ausgegliedert: 1. D a haben w i r zunächst die obersten Zwecke, denen die ganze Wirtschaft folgt: so k a n n die Wirtschaft Bedarf sdeck ungs- oder Erwerbswirtschaft sein, sie k a n n kommunistisch, sie kann sozialistisch gestaltet sein.
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2. Als Grundsätze für die einzelnen Formen der Wirtschaft. Das wirtschaftliche H a n d e l n der Menschen vollzieht S/ich i n Betrieben als Veranstaltungen fortgesetzter W e r k v e r r i c h t u n g , die Wirtschaft bildet I n s t i t u t i o n e n aus, H a n d w e r k s - u n d Handelskammern, Börsen und Banken: das alles sind Gebilde, die gestaltet sind unter dem Gesichtspunkt eines bestimmten Zweckes, dem sie dienen sollen, nach diesem Zweck w u r d e n sie geschaffen. D e r H a n d w e r k e r k a u f t sich eine W e r k s t a t t , schafft die E i n h e i t eines Handwerksbetriebes u n d w i r d dabei bestimmt durch Sinngehalte, die außerhalb seiner Person liegen, denen er folgen muß: der H a n d w e r k e r i m M i t t e l a l t e r w a r dabei bestimmt durch die Sinngehalte, die geprägt w u r d e n von den Zünften u n d der Kirche; er w a r eingebettet i n O r d n u n g e n u n d Reglementierungen, die er nicht geschaffen hatte u n d die seine A r b e i t einengten. D e r heutige H a n d w e r k e r ist zwar frei vom Zunftzwang, aber die H a n d w e r k e r i n n u n g wacht über die A u s b i l d u n g der i h m anvertrauten L e h r l i n g e u n d k a n n dem unsoliden u n d unfähigen H a n d w e r k e r eine solche A u s b i l d u n g untersagen. O b der m i t t e l a l t e r liche H a n d w e r k e r n u r einen vorgeschriebenen K u n d e n k r e i s versorgen durfte, m i t seiner A r b e i t lediglich den standesgemäßen U n t e r halt erwerben w o l l t e , an die strenge E i n h a l t u n g der kirchlichen Feiertage gebunden w a r , oder ob der heutige H a n d w e r k e r seine A r b e i t orientiert an dem Gewinnstreben der kapitalistischen W i r t schaft u n d einen unbekannten u n d unbeschränkten Kundenkreis beliefert, das alles w i r d bestimmt durch Sinngehalte, die außerhalb seiner Person liegen. Solche Sinngehalte oder N o r m e n sind Bedarfsdeckung u n d G e w i n n e r z i e l u n g : hier handelt es sich u m Leitideen, die zunächst i n k e i n e m Menschen leben, die von außen an i h n herangetragen werden u n d die er befolgen muß, w e n n er nicht zugrunde gehen w i l l . O b der Einzelne diese Leitideen befolgt, das ist eine Frage f ü r sich: er braucht sie nicht zu befolgen u n d es gab i m M i t t e l alter eine Menge H a n d w e r k e r , die m i t E r f o l g gewisse Beschränkungen des Zunftzwanges umgingen, sei es i n der Gesellenbeschäftigung, der A u s b i l d u n g von Lehrlingen, der Arbeitszeit u n d dem vorgeschriebenen A n k a u f von Rohmaterial, Malefikanten nach damaliger Ansicht, die i h r Verhalten orientierten am G e w i n n u n d nicht an der Idee der N a h r u n g , w ä h r e n d es heute H a n d w e r k e r gibt, die i n altväterischer Weise bei solider A r b e i t n u r an i h r W e r k u n d nicht an den G e w i n n denken. 3. Als d r i t t e F o r m der Gesinnung können w i r festhalten die Motivgestaltung beim Einzelmenschen. Es handelt sich hier u m den I n b e g r i f f der den wirtschaftenden Menschen beherrschenden M o t i v e : das V e r h a l t e n jedes Menschen w i r d durch solche d a u e r n d w i r k 3
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samen Motive bestimmt. Es ergeben sich damit Eingeübtheiten, die das Wesen des Menschen prägen: Stellt sich so der Vegetarismus als ein durchaus vernünftiges M o t i v dar, das sich sozial niemals ungünstig auswirken dürfte, so k a n n die aus der modernen Wirtschaft geborene Leitidee des schrankenlosen Gewinnstrebens so sehr i n einem Menschen W u r z e l schlagen, dafi er alle anderen Lebenszwecke v ö l l i g vernachlässigt und i n der Verfolgung dieser Leitidee sogar die Rücksichten auf seine Mitmenschen außer Augen setzt. Es k a n n aber auch der Unternehmer bestimmt werden durch das Machtstreben, indem er m i t seinem Reichtum eine Herrschaft erringen w i l l über viele Menschen; er k a n n aber auch bestimmt werden durch Pflicht oder durch das reine Sachinteresse oder durch vaterländische Motive: so hätte Hugo Stinnes ganz unzweifelhaft seine Bergwerke ersäufen und seine F a b r i k e n i n die L u f t sprengen lassen, wenn die A l l i i e r t e n auf ihren Forderungen beharrt hätten, u n d für die Unternehmertätigkeit Krupps waren immer soziale u n d vor allem altruistische Motive bei der Versorgung seiner A r b e i t e r entscheidend. Es liegt also hier vor eine bestimmte Wirtschaftsgesinnung, die geführt hat zu einer streng subjektiven E i n h a l t u n g bestimmter Maximen. A l l e Wirtschaft steht denk- und wesensnotwendig unter einer bestimmten Ordnung. Diese O r d n u n g ergibt sich aus der Tatsache, daß immer mehrere Menschen zusammen wirtschaften. Alles W i r t schaften ist wirksames Handeln, immer liegt hier vor eine Beteiligung mehrerer Personen. Wirtschaft setzt voraus eine Mehrheit von Personen. Robinson ist ein Grenzfall: Robinson hat zwar keine Genossen, aber seine Wirtschaft setzt soziale Erinnerungen voraus. Seine Erinnerungen stammen aus einer wirtschaftenden Gesellschaft von vielen Menschen. Robinson ist allein i n dem räumlichen Verstände, zeitlich verbunden ist er aber m i t seiner ganzen Vergangenheit. Sowohl nach seiner Körperbeschaffenheit w i e nach seiner geistigen Veranlagung k a n n der Mensch nicht existieren als Einzelwesen, etwa m i t zeitweiliger geschlechtlicher Paarung. D e r Mensch gehört zu den Herdentieren, das heißt zu denjenigen Tiergattungen, deren einzelne I n d i v i d u e n dauernd i n festen Verbänden leben. Diese Urtatsache ist begründet i n der biologischen Beschaffenheit des Menschen: der Mensch muß eine Reihe von Jahren zusammen sein m i t seiner Mutter, als Säugling k a n n er nicht leben ohne die Mutter oder die Pflege durch einen anderen Menschen. D e r Mensch ist von der N a t u r angewiesen auf den oder die anderen Menschen, auf ein Mehr von Menschen, auf viele Menschen. Dafür, daß vor aller historischen Zeit immer mehrere Menschen zusammen waren, läßt sich ein zwingender Beweis allerdings nicht liefern. Aus dem
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Wesen der menschlichen Wirtschaft als menschlicher Unterhaltsfürsorge ergibt sich aber denk- u n d wesensnotwendig das Zusammenwirtschaften mehrerer Menschen. W e n n mehrere Menschen irgendwie zusammenwirken, bedarf es einer Ordnung. Jedes Handeln steht unter einem Zwecke und jede Durchführung eines Zweckes bedarf eines Planes. D e r Mensch handelt nach Zwecken, das heifit planmäßig, das T i e r handelt nach U r sachen. Dieser menschliche Plan ist eine i n d i v i d u e l l e Angelegenheit des Menschen, k e i n Mensch braucht davon zu wissen, es genügt, daß der einzelne Mensch seinen Plan kennt, daß er weiß, was er w i l l . Wenn der Mensch aber zusammenhandelt m i t anderen Menschen, auch schon m i t einem anderen Menschen, so genügt es nicht, daß er einen Zweck und einen entsprechenden Plan hat; der andere Mensch muß i n Kenntnis gesetzt werden von diesem Zweck u n d Plan, w e i l er sonst seine H a n d l u n g nicht richtig, also zweckvoll ausführen würde. D a m i t ist der menschliche Plan aus dem einen Menschen herausgetreten und dem anderen Menschen gegenüber getreten als eine Vorschrift. F ü r den anderen Menschen bedeutet jetzt der Plan eine Anweisung. Sobald ein Plan heraustritt aus dem Menschen, o b j e k t i v i e r t er sich i n einer Ordnung, der subjektive Plan i m Kopf des Einzelmenschen hat sich vergegenständlicht, o b j e k t i v i e r t , indem er als O r d n u n g anderen Menschen bekannt w i r d . Alles gemeinsame Handeln der Menschen untersteht einer solchen Ordnung, sie mag gesprochen, geschrieben, gedruckt sein; sie mag stillschweigend vereinbart oder ausdrücklich erlassen, sie mag ex abrupto für eineu Sonderfall menschlichen Zusammenwirkens erlassen sein vom Einzelmenschen, sie mag autonom in der Seele des Unternehmers erwachsen oder heteronom von außen aufgezwungen oder überkommen oder nachgeahmt sein. Ist die menschliche Wirtschaft gemeinsames Handeln, so heifit das eben, daß sie denk- und wesensnotwendig untersteht einer Ordnung. Diese O r d n u n g k a n n nun sein sehr verschiedener A r t : die umfassendste O r d n u n g ist das Recht, die Eigentumsordnung. Jeder Unternehmer handelt immer i m Bannkreis einer ganz bestimmten Rechtsordnung: i n welcher Weise er Werkzeuge, Maschinen beschafft und die Arbeitskräfte erhält, die Länge der Arbeitszeit, den Schutz von Frauen und Jugendlichen, die Vorkehrungen gegen Betriebsunfälle u . a . bestimmt die Rechtsordnung; daß jedermann an jeder Sache Eigentum erwerben kann, ist Folge der Rechtsordnung. Auch die Betriebsordnung w i r d festgesetzt nach bestimmten Vorschriften einer allgemein verbindlichen Rechtsordnung. Es gibt außerordentlich verschiedene Quellen u n d Ursprünge solcher O r d nungen. A l l e Wirtschaft, wo und w i e auch immer, untersteht einer 3*
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Ordnung. K e i n Naturvorgang untersteht einer solchen Ordnung. O r d n u n g ist Ausfluß menschlichen Wesens, das menschliche Wesen ist vernünftiges Wesen, ist Geistwesen. D r e i Bestandteile, drei Elemente aller Wirtschaft haben w i r unterschieden: die Wirtschaftsgesinnumg i n ihren drei Ausstrahlungen, die O r d n u n g und die Technik. I n aller Wirtschaft finden w i r Technik. Technik i m allgemeinen Sinne ist soviel wie Verfahren, sie ist der Inbegriff der M i t t e l zur Durchführung eines bestimmten Zweckes. Bedienen w i r uns äußerer Dinge, so sprechen w i r von Instrumentaltechnik, daneben gibt es aber eine Gesangstechnik, eine Sprach-, eine Atemtechnik, ö k o n o mische Technik nennen w i r nun alle Technik zur Durchführung der Unterhaltungsfürsorge. D i e Erzeugung und Verteilung der Güter bedarf einer Technik. Technik ist die Verfahrensweise. Nehmen w i r als Beispiel eine große F a b r i k : da gibt es einen Apparat, um die Rohstoffe zu verarbeiten, nehmen w i r ein Warenhaus, so werden hier i n bestimmter Weise Waren gestapelt; die Waren werden sortiert, dann nach Warenarten so gestapelt, daß sie leicht erreichbar sind, nicht zerbrechen oder verderben oder Feuer fangen können; diese bestimmte Verfahrensweise des Stapelns von Waren nennen w i r Technik. Garnspinnen ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der als solcher enthält eine bestimmte Wirtschaftsgesinnung, eine bestimmte O r d n u n g und eine bestimmte Technik: der Betrieb, im welchem das Garnspinnen vor sich geht, ist aufgebaut nach bestimmten Leitgesichtspunkten: den Unternehmer bestimmen Grundsätze, bestimmte Zwecke, er orientiert sein Verhalten an bestimmten Sinngehalten der Gesellschaft, der Arbeitsprozeß untersteht zahlreichen Ordnungen u n d innerhalb der F a b r i k w i r d angewandt ein bestimmtes Arbeitsverfahren, eine bestimmte Technik. W o Wirtschaft ist, finden w i r diese drei Bestandteile der Gesinnung, der O r d n u n g und Technik. Wirtschaften ist also kein bestimmtes Verhalten, keine Denkweise, sondern ein Tätigkeitskreis des Menschen. Hat es einen Sinn von Technik und Wirtschaft zu reden? D i e V e r v o l l k o m m n u n g der Techn i k muß die Wirtschaft besser gestalten. H i e r fassen w i r die W i r t schaft materialiter als Handlungsbereich und die Technik als Bestandteil dieses Handlungsbereichs, so daß die Zusammenstellung von Technik u n d Wirtschaft keinen Sinn ergibt. Nehmen w i r W i r t schaft und Technik i m subjektiven Sinn als wirtschaftliches und technisches Verhalten, so ergibt diese Zusammenstellung aber einen Sinn: w i r können sagen, daß das technische Verhalten ein Verhalten nach dem ökonomischen Prinzip ist: handle so, daß du einen bestimmten Erfolg m i t dem geringsten A u f w a n d erzielst, das ist tech-
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nisches Denken, ein technisches Prinzip; hier handelt es sich um M i t t e l w a h l bei «gegebenem Zweck, bei der Wirtschaft i m Sinne von Verhalten handelt es sich um Zweckwahl bei gegebenem Mittel. D e r Techniker hat ein W e r k so auszuführen, daß er es m i t möglichst geringem A u f w a n d ausführt. Demgegenüber steht wirtschaftliches Verhalten, w o w i r wählen unter verschiedenen Zwecken, bei gegebenen M i t t e l n ; w i r haben eine bestimmte Menge von M i t t e l n zur Verfügung und können sie verwenden zu verschiedenen Zwecken. Das wirtschaftliche Denken fordert hier von uns das Einteilen und Bewirtschaften einer Summe. W i r verwenden eine bestimmte Summe für bestimmte Zwecke. Beispiele geben der private u n d der öffentliche Haushalt, w o m i t gegebenen M i t t e l n Krankenhäuser oder Panzerkreuzer gebaut werden können. Bei der Erörterung des ökonomischen Prinzips w u r d e schon angedeutet, daß der W i r k u n g s kreis beider Prinzipien ganz allgemein ist. Überall können w i r das technische oder wirtschaftliche Denken anwenden, so beispielsweise, wie verwende i d i diese Stunde Zeit für bestimmte Zwecke: gehe ich spazieren, lese ich einen Roman, ein wissenschaftliches W e r k oder sdireibe ich einen Brief? W i r folgen dem technischen Prinzip, wenn w i r den kürzesten Weg zur Universität wählen, dem w i r t schaftlichen, wenn w i r unseren Tag einteilen m i t Lesen, Schreiben und Spazierengehen ; Casanovas zehn Bände über die Kunst der Liebe sind Technik. Dies sind, wiederholen w i r es, allgemein menschliche Prinzipien. §7. D i e Lehre von der Wirtschalt Für die Gesamtlehre der Wirtschaft haben w i r leider keine Bezeichnung. Einen solchen Ausdruck wie Medizin, der Anatomie, Physiologie, allgemeine und spezielle Pathologie, Psychiatrie usw. umfiaßt, haben w i r für das Insgesamt der auf die Wirtschaft bezüglichen Lehren nicht. D e r Ausdruck „Nationalökonomie" bezeichnet nur einen bestimmten Zweig, nämlich die Wissenschaft. Es gehört dazu aber auch Philosophie als Gegenstand einer Betrachtung, die nicht Wissenschaft ist, aber untergebracht werden k a n n unter dem Namen „Nationalökonomie". Das W o r t „Nationalökonomie" ist überdies unsinnig; wörtlich übersetzt würde es heißen: nationale W i r t schaft, sinnhafter wäre also: National Ökonomik. Aber das W o r t hat sich nun einmal eingebürgert, so soll es bleiben. Daneben findet man „SozialÖkonomik", also gesellschaftliche Wirtschaftslehre; auch unsinnig, denn jede Wirtschaft hat denknotwendig gesellschaftlichen Charakter. Auch „Volkswirtschaftslehre" t r i f f t nicht den Gegenstand, da w i r j a nicht bloß betrachten die Volkswirtschaft. Eine Be-
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Zeichnung unseres Wissenschaftsgegenstandes müfite umfassen alles Erkennen, das sich richtet auf den Bereich der Wirtschaft. D i e Wirtschaftsphilosophie hat als Aufgabe, die metaphysischen, transzendenten Beziehungen aufzudecken, sie müfite umfassen: 1. Eine Wirtschaftsontologie, die zur Aufgabe hätte die Feststellung der Seinszusammenhänge, die Wirtschaft einordnet i n die großen Seinszusammenhänge, also fragt, ob die Wirtschaft das Primäre sei. 2. Eine Kulturphilosophie der Wirtschaft, die abzielt auf die Einordnung der Wirtschaft i n die Sinnzusammenhänge, nach dem Sinn der Wirtschaft, ihrer Bedeutung für das menschliche Dasein überhaupt fragt, nach dem Sinn der Weltgeschichte, nach dem Sinn des Lebens. 3. E i n d r i t t e r T e i l der Wirtschaftsphilosophie wäre die E t h i k , die Eingliederung der Wirtschaft i n die Wertzusammenhänge, diese Wirtschaftsethik hätte zu etnwickeln die Wertzusammenhänge. Diese Wirtschaftsphilosophie ist n u r vorhanden i n gelegentlichen Äußerungen, sie geht uns hier nichts an, sie hat zur Voraussetzung sowohl eine gründliche philosophische Schulung als auch ein umfassendes Wissen der Wirtschaftswissenschaft. Nicht immer findet sich beides vereint i n einem Menschen. D e r zweite T e i l der großen Gesamtlehre der Wirtschaft ist die Wirtschaftskunstlehre, man könnte sie auch bezeichnen als W i r t schaftstechnologie: sie lehrt die Methoden, die M i t t e l zur Realisierung bestimmter Zwecke; sie ist vorhanden in verschiedenen Zweigen u n d zum T e i l hochentwickelt. D i e Betriebswissenschaft behandelt die Probleme unter dem Gesichtspunkt der Einzelwirtschaft, das ist mittel-zweckhafte Einstellung, die hier i n Frage k o m m t ; es ist diejenige Lehre, welche die Gestaltung der Einzelwirtschaft betrachtet unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit. Eine andere Wirtschaftskunstlehre ist die Staatswirtschaftslehre, die sich befaßt m i t den öffentlichen Haushalten, die Finanzwissenschaft, die also zu lehren hat die Finanzen des Staates. H i e r sind die Zwecke gegeben, während die zweckentsprechenden M i t t e l zu erwägen sind. H i e r können w i r die Volkswirtschaftslehre nehmen i m Sinne der alten Kameralistik. Unter Kameralistik versteht man diejenige Disziplin, die gelehrt w u r d e i m 17. und 18. Jahrhundert. Damals w a r das die einzige Wirtschaftswissenschaft; i n ihr w u r d e zusammengetragen das Berufswissen der Kammerbeamten, ein Wissen, das Regeln zur Durchführung seiner Verwaltungstätigkeit aufstellte. I n anderen Ländern hatte man für dieses Berufswissen das W o r t „Merkantilismus", das i n einem Doppelsinn bedeutet teils Lehre, teils P o l i t i k . Diese westeuropäischen Länder hatten sich andere
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Zwecke gestellt, die der T i t e l einer berühmten Schrift verdeutlichen dürfte: W i e k a n n ein L a n d sich i n den Besitz von Gold setzen, das keine Minen hat? Das waren Zweckfragen, die zu beantworten dieser L i t e r a t u r oblag. Bei allen diesen Kunstlehren liegen vor von außen her bestimmte Zwecke, das Erkennen richtet sich darauf, die M i t t e l für diese Zwecke zu finden. W i r kommen nun drittens zur Wirtschaftswissenschaft i m engeren Sinne. Wissenschaft trachtet zu erkennen das, was ist. D i e W i r t schaftswissenschaft w i l l die gesetzmäßigen Begründungen und kausalen Verknüpfungen der wirtschaftlichen Erscheinungen erkennen; sie ist eine Lehre von der tatsächlichen Gestaltung u n d kausalen Verknüpfung der Wirtschaft als gesellschaftlicher Tatsache. Das W o r t Wissenschaft w i r d heute gebraucht i n einem bestimmten Sinne, der früheren Zeiten u n d K u l t u r k r e i s e n ferngelegen hat; es ist eine bestimmte Erkenntnisweise, die sich seit dem 16. Jahrhundert entwickelt hat. Wissenschaft ist eine bestimmte Erkenntnisweise, die bestimmt w i r d durch den Zweck, den sie sich setzt u n d der nicht herangetragen ist von außen her. Diese Erkenntnis erstrebt Wissen bestimmter A r t . D i e moderne Wissenschaft erstrebt allgemeingültiges Wissen. D a r u n t e r ist zu verstehen ein Wissen, das von jedermann, der bei gesunden Sinnen ist, anerkannt werden muß, ein Wissen, das ich beweisen kann, das beweisbar und aufzwingbar ist. Beweisen heißt dem anderen Menschen eine Erkenntnis aufzwingen unter der Voraussetzung, daß der andere Mensch geistig gesund ist. Das ist eine der Erscheinungsformen des demokratischen Zeitalters: Wissen für jedermann. Andere Zeiten, andere Länder: sag es heute niemand, n u r dem Weisen. Man denke an das Mittelalter u n d die mittelalterliche Heilkunst, die als Geheimlehre nur den Ä r z t e n bekannt war, während heute Presse u n d populärwissenschaftliche L i t e r a t u r auch den Laien an die neuesten Forschungsergebnisse der Medizin heranführen. Wissenschaft i m modernen Sinne nehmen w i r also als eine Erkenntnisweise, die sich zur Aufgabe stellt, allgemeingültiges Wissen zu erzielen, das jedem geistig gesunden Menschen beweisbar u n d damit aufzwingbar ist, ein Wissen vor allem, das nicht geheim gehalten w i r d , sondern öffentlich gelehrt u n d von jedem w i l l i g e n Menschen über die Bibliotheken erworben werden kann. D i e Allgemeingültigkeit des Wissens setzt aber voraus die Innehaltung der Erfahrung und der logischen Evidenz, das sind die Bereiche, i n denen allgemeingültiges Wissen erzielt werden kann. D i e Erfahrungsbeobachtung k a n n mitgeteilt werden: einer ordnungsgemäß aufgestellten Statistik k a n n k e i n Mensch seine Zustimmung versagen;
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Menschen mit gesunden und vollwertigen Sinnen werden damit gezwungen, diese i n Zahlen erfaßten Tatsachen anzuerkennen, diesem durch die Zahlen vermittelten Wissen zuzustimmen. D i e Menschen können aber auch gezwungen werden, logisch evidente Sätze anzuerkennen, w e i l diese denknotwendig sind: 2m«al 2 ist gleich 4, der T e i l ist kleiner als das Ganze. M i t diesem Wissen stellen w i r fest, das, was ist. A l l e die Urteile, die solcherweise gefällt sind, sind Seinsurteile. Negativ ausgedrückt: w o h i n darf die Erkenntnis sich nicht richten? 1. D i e Erkenntnis darf nicht einbrechen in die Bereiche des Transzendentalen, w o h i n weder die Nachweisbarkeit mittels Erfahrungstatsachen noch Evidenz reicht. Das Universum ist ohne A n fang und w i r d immer sein: das aber begreifen w i r nicht u n d w i r wissen, daß w i r hier auf Grenzen stoßen, die menschlicher Geist bis zum Ende seiner Tage nie überschreiten w i r d . H i e r stoßen w i r auf die Transzendenz als eine Feststellung der positiven Wissenschaft: hinter diesen Grenzen hört aber menschliche Wissenschaft auf. 2. Ferner darf Erkenntnis nicht eindringen in den religiösen Bereich: das ist die höchst persönliche Überzeugung des Einzelmenschen, sein Glauben, seine Weltanschauung sind nicht errechenbar für das allgemeine Wissen, w e i l Religion und Glauben w u r z e l n i m Transzendenten, ihre K r a f t erhalten aus der letzten Grenzsituation, die der menschliche Geist erkennt, aber nicht überschreiten kann. Jeder religiöse Glaube ist verwurzelt im Transzendenten u n d r u h t auf einer ganz bestimmten Wertewelt. Was der Sinn der W e l t , der Sinn des Lebens sei, das ist Folge einer persönlichen Stellungnahme; ohne die diesseitige W e l t zu überschreiten, k a n n ich keinen W e r t anerkennen. Jede Forderung an die W e l t ist begründet in einem U r t e i l über den Sinn des Menschendaseins. Keinen Menschen k a n n ich zwingen, meinen Glauben zu teilen. So stellten sich die großen Heilbringer der Menschheit, ein Jesus Christus, Buddha, Mohammed als Persönlichkeiten h i n : diesen Glauben habe ich, sieh mich an u n d folge m i r nach, weisen k a n n ich es d i r nicht, ich k a n n mich dafür opfern, ans Kreuz schlagen lassen, aber beweisen k a n n ich es d i r nicht. — Das ist der Unterschied zwischen Seins- und W e r t urteilen. Aus dieser Feststellung ergibt sich die Folgerung, daß die Wissenschaft sich der W e r t u r t e i l e zu enthalten hat. Wissenschaft soll wertefrei sein. Versuchen w i r den Unterschied zwischen W e r t und Seinsurteilen zu k l ä r e n am Problem des Mittelstandes: über den Mittelstand lassen sich große Mengen wissenschaftlich begründeter Aussagen machen: was Mittelstand ist, ob dieser so bestimmte Bevölkerungsteil seinen A n t e i l vermehrt oder verringert hat an der Gesamtbevölkerung. Das läflt sich statistisch nachweisen; es
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können Maßnahmen zur E r h a l t u n g des Mittelstandes getroffen werden, das wäre Technologie, Wirtschaftskunstlehre. N u n entsteht die Frage, soll Mittelstand überhaupt sein? D i e A n t w o r t hierauf muß auf einer Bewertung gründen: k a n n Mittelstand angesehen werden als ein w e r t v o l l e r Bestandteil der menschlichen Gesellschaft? Jede A n t w o r t auf diese Frage ist aber ein W e r t u r t e i l . H i e r w i r d der Entscheid nicht mehr getroffen von der Wissenschaft, sondern auf G r u n d einer persönlichen Bewertung. H i e r versagen die Kategorien richtig und falsch; nur die Kategorien gut u n d böse, heilsam, nicht heilsam, also Kategorien, die der Wissenschaft fremd sind, kommen hier in Frage. Das ist das Erste, was man lernen muß, wenn man Wissenschaft treiben w i l l : daß sich die Wissenschaft der W e r t u r t e i l e enthält. Wissenschaft verliert ihre Geltung, wenn sie ihre Grenzen überschreitet. Man kommt dann dahin, Freihandel und Schutzzoll wissenschaftlich zu begründen: das eine M i t t e l w i r d verworfen, das andere anerkannt, w e i l man sich bestimmte Ziele gesteckt hat. Werturteile sind intentional und treten als Absichten aus der Betrachtung heraus. Jedes W e r t u r t e i l wurzelt in der Transzendenz, es ist zugleich Ausdruck einer ganzen Persönlichkeit. W i e weit die Erkenntnis u n w i l l k ü r l i c h beeinflufit w i r d von den Werturteilen, ist eine andere Frage. Aber immer w ü r d e n w i r i n einem solchen Fall urteilen m i t W e r t u r t e i l e n ohne Bewußtsein, nicht aus der Wertewelt, aus bewußten Wünschen, Gefühlen, emotionalen Einstellungen unserer Persönlichkeit heraus. W i r stellen hier nur als eine A u f gabe hin, daß w i r uns der W e r t u r t e i l e enthalten müssen. Nunmehr wollen w i r jetzt die Stellung der Nationalökonomie innerhalb der Wissenschaft umgrenzen. W i r können da unterscheiden zwei Gruppen: formale und reale oder Tatsachenwissenschaften. Mathematik und L o g i k sind formale Wissenschaften, haben k e i n Erfahrungsobjekt i n der W e l t der Erscheinungen, sind keine Erfahrungswissenschaften. D i e Wirtschaftswissenschaft ist Realwissenschaft, Tatsachenwissenschaft, Erfahrungswissenschaft. W i r unterscheiden nach dem von der Erfahrung gebildeten O b j e k t die Natur- und Kulturwissenschaften, jenachdem die N a t u r oder K u l t u r , Gottes- oder Menschenwerk Gegenstand, O b j e k t ist. Diese Unterscheidung ist von grundlegender Bedeutung für die Methode, das von uns angewendete Verfahren. D a gibt es zwei grundverschiedene A r t e n der Erkenntnis, j e nachdem ich die N a t u r oder K u l t u r erkennen w i l l : die K u l t u r als Menschenwerk überhaupt ist von uns gemacht, w i r sind dabei, die N a t u r ist uns gegeben, w i r haben dabei nicht m i t g e w i r k t . W i r schauen die N a t u r als ein Schauspiel, die K u l t u r als eigenes Spiel. Es gibt nichts i n der K u l t u r , was nicht vorher i m Menschen gewesen ist; deshalb findet
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sich überall i n der K u l t u r der menschliche Geist wieder. Das Verstehen ist das Verfahren, mittels dessen w i r eintreten i n die Kulturzusammenhänge. W i r verstehen die Kulturzusammenhänge als Äußerungen unseres Geistes, erkennen von innen nach außen. D i e N a t u r i n ihren Äußerungen, Erscheinungen u n d Vorgängen verstehen w i r nicht. Das Naturgeschehen w i r d immer unverständlich bleiben für den Menschen bis zum Ende seiner Tage auf diesem Planeten. „Geheimnisvoll am lichten Tag läßt sich N a t u r des Schleiers nicht berauben." — D i e Naturerscheinungen erkennen w i r von außen her, begreifen w i r , umgreifen w i r , greifen w i r m i t Händen. W i r nehmen wahr bestimmte Vorgänge i n der N a t u r , w i r sehen sie, w i r stellen Regelmäßigkeiten fest, bringen diese auf Formeln, stellen Gesetze auf, w i r verstehen aber nicht. „Ich habe Euch gezeigt, wie die verschiedenen Körper i n Beziehung treten, was das ist, was sie zueinander treibt, weiß ich nicht: hypotheses non fingo", spricht Newton. Es ist charakteristisch für die moderne Naturwissenschaft, daß sie diese Einsicht gewonnen hat, anders w ü r d e sie zur Naturphilosophie werden. Jede D e u t u n g überschreitet die wissenschaftliche Sphäre. W i r erkennen bei der N a t u r von außen nach innen, w i r begreifen. I n der K u l t u r wissen w i r , was die W e l t i m Innersten zusammenhält. W i r sehen auf der Straße eine Masse trockenen Laubes dahin treiben vom W i n d : w i r stellen Bewegung fest, die Tatsache einer Ortsveränderung, dann die Schnelligkeit, m i t der diese Bewegung vor sich geht; diese Schnelligkeit ist abhängig von der Bewegung der L u f t , der Windstärke; so werden diese Körper, diese Blätter gehoben u n d weiter getrieben. Niemals werden w i r die Frage beantworten können, was das B l a t t w i l l , die Frage nach dem Sinn dieser Bewegung. Sehen w i r aber einen Haufen Menschen auf der Straße, so fragen w i r zunächst nicht nach der Zahl, nach der Raschheit ihrer Bewegung, sondern w i r können hier feststellen den Sinn der Bewegung: 1. Mai, Menschenmassen hervorgerufen durch den Sinn des Maifestes. D i e Bewegung dieser Menschenmassen verstehen w i r aus dem Sinn, den sie haben; es ist immanente Erkenntnis, von innen nach außen. W i r verstehen eine Volksversammlung, aber den eigentlichen Sinn einer Starversammlung verstehen w i r nicht, w i r verstehen ein Fußballspiel aus dem Sinn des Spieles, der Spielregeln heraus, aber w i r verstehen niemals den Sinn eines Vogelfluges. W i r können unterscheiden von diesem Sinn- oder Sachverstehen ein Seelverstehen. Seelverstehen ist psychologisches Verstehen, w i r verstehen die seelischen Vorgänge i m anderen Menschen i n Analogie mit unseren eigenen Vorgängen, w i r versetzen uns gleichsam i n die Seele des anderen Menschen hinein. W i r fragen dabei: was geht in
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deim Menschen vor? Das Maifest hat einen Sinn, der unabhängig ist von den Menschen, die sich dabei beteiligen. D e r Sinn des Maifestes w i r d gebildet durch den Zweck u n d ist gänzlich unabhängig von der Verwirklichung, jedenfalls v ö l l i g unabhängig von der persönlichen Anteilnahme eines Menschen. W e n n w i r ein Kommando hören, so stehen w i r dem Kommando m i t zwei Verstehensmöglichkeiten gegenüber: „Mensch, w i e bist d u denn darauf gekommen, dieses Kommando zu geben?" H i e r liegt vor das Seelverstehen, die Frage nach den Motiven, die das Kommando veranlassen. D i e Konvention von Tauroggen verstehen w i r , wenn w i r den Sinn des preußischen Staates erfaßt haben, aus dem heraus w i r verstehen die Seele des Mannes, der die Konvention abschloß. Warenhausdiebin: um hier den Seelvorgang zu verstehen, müssen w i r den Sinngehalt Warenhaus kennen, müssen fragen: was ist ein Warenhaus? D e r Sinnzusammenhang Warenhaus schafft die Situation, die den besonderen Tatbestand Warenhausdiebstahl ermöglicht. Innerhalb dieses Sinnzusammenhanges verstehe ich dann, was den A r b e i t e r bewegt, wenn er innerhalb dieses Geistgebildes Warenhaus seine T ä t i g k e i t ausübt. W i r erkannten die Nationalökonomie als Real- oder Erfahrungs-j dann als Kulturwissenschaft oder Geisteswissenscbaft und stellen nunmehr fest, daß sie drittens eine soziale Wissenschaft ist. D i e Nationalökonomie handelt von den gesellschaftlichen Zusammenhängen; man k a n n sagen, daß jede Kulturwissenschaft in einem gewissen Sinne ist Sozialwissenschaft. Jede Kulturäußerunff des Menschen steht in gesellschaftlichem Zusammenhang, jede Kulturwissenschaft hat eine soziale Grundlage. W e n n w i r etwa die Kunst u n d die W i r t schaft nehmen, so sind beide gesellschaftlich fundiert. Kunst ist da, um von anderen Menschen gesehen zu werden, der Künstler w i r d bestimmt durch seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Indessen läßt sich das Kunstproblem denken ohne gesellschaftliche Beziehungen: die Idee der Kunst k a n n gedacht werden ohne jede gesellschaftliche Grundlage; Kunst ist denkbar ohne Gesellschaft; die Formung eines Stoffes zum Kunstwerk k a n n gedacht werden ohne gesellschaftliche Beziehungen; die Gesetze des Kunstwerkes können erwogen werden ohne jeden sozialen Einschlag. Dasselbe läßt sich von der Religion sagen: Religion ist immer sozial bedingt, k a n n aber gedacht werden ohne gesellschaftliche Beziehungen; die Idee der Religion ist vollziehbar ohne Gesellschaft. Es gibt aber Kulturbereiche, die nicht gedacht werden können ohne gesellschaftliche Beziehungen. Was soll der einzelne Mensch auf einer Insel m i t dem Recht anfangen, er k a n n Religion ausüben, sich künstlerisch betätigen, aber Recht ausüben — nein, auch wirtschaften t u t
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er nicht, er treibt nur Unterhaltsfürsorge wie das Tier. Zum Wesen von Wirtschaft, Recht u n d Sprache gehört die Mehrheit von Menschen. Was bedeutet die Kategorie des Eigentums, ohne daß mehrere Menschen zusammentreten? Es gibt also Bereiche der K u l t u r , die Gesellschaft haben u n d solche, die Gesellschaft sind, die nicht gedacht werden können ohne Gesellschaft. Wirtschaft hat nicht Gesellschaft, Wirtschaft ist Gesellschaft. Schleiermacher unterscheidet ein symbolisierendes Handeln von einem organisierenden Handeln, ein Handeln, das nicht gedacht werden k a n n ohne Gesellschaft. Handeln überhaupt hat zur Voraussetzung Gesellschaft, aber es gibt ein menschliches Handeln, das ich denken k a n n ohne Gesellschaft. D i e Nationalökonomie ist also eine Real- keine Formalwissenschaft, sie ist eine e x p l i k a t i v e Erfahrungswissenschaft, sie ist eine K u l t u r - oder Geistwissenschaft, endlich ist sie eine Sozialwissenschaft. Nunmehr w o l l e n w i r die Einteilung dieser Wirtschaftswissenschaft untersuchen. D i e übliche E i n t e i l u n g unserer Vorlesungsverzeichnisse ist natürlich nicht zu gebrauchen. Allgemeine u n d theoretische, allgemeine oder theoretische, spezielle u n d praktische, spezielle oder praktische Nationalökonomie, woraus schon hervorgeht, daß ein sicheres K r i t e r i u m nicht besteht. Unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten k a n n ich die Wirtschaftswissenschaft einteilen, einerseits unter dem Gesichtspunkt der Einstellung zu den Problemen, andererseits unter dem Gesichtspunkt des Geltungsbereichs der Probleme. I. Einstellung zu den Problemen: die Wirtschaftswissenschaft zerfällt (in empirische u n d theoretische Wissenschaft, entsprechend der empirischen u n d theoretischen Einstellung. D e r empirische T e i l beschäftigt sich m i t der W i r k l i c h k e i t der Erscheinungen: die E m p i r i e hat also zu lehren, w i e die Dinge w i r k l i c h gestaltet sind, w i e das Wirtschaftsleben in Deutschland aussieht, welche Zusammenhänge bestehen, w i e sie entstanden, wie sie erwuchsen aus anderen W i r k lichkeitsbeständen; die E m p i r i e behandelt das w i r k l i c h e Leben, die sichtbare u n d greifbare Wirtschaft i n Raum und Zeit. D i e empirische Erfassung der Gegenwart u n d die Geschichte sind nicht zu trennen. D e r Begriff Gegenwart ist ein w i l l k ü r l i c h e r Begriff : Gegenwart gibt es eigentlich überhaupt nicht; das ist ein ausdehnungsloser P u n k t zwischen zwei Zeitintervallen. Dieses Kolleg, was ich jetzt lese, ist schon Geschichte, vergangen, so verweht unser kurzes Leben. I m allgemeinen u n d grundsätzlich ist empirische Kulturwissenschaft gleich Geschichte; es ist die Erfassung des tatsächlichen Zustandes, der zeitlichen W i r k l i c h k e i t und der räumlichen Bestimmtheit u n d ihrer Zusammenhänge. Zeit u n d O r t sind bestimmt, empirische Wirtschaft ist zeitlich und räumlich festgelegt, in der W i r k l i c h k e i t eindeutig
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bestimmt. Dieser Empirie steht gegenüber die Theorie. Was ist denn nun eigentlich Theorie? So w i e Empirie ist die Lehre von der W i r k lichkeit, so ist Theorie die Lehre von den Denkbarkeiten. Theorie besteht nur i m Denken: was denn nun können w i r alles denken? W i r stoßen da auf drei Momente unserer D e n k a k t e : 1. W i r können feststellen dasjenige, was man nennen kann die Möglichkeiten: w i r können Begriffe aufstellen, u m die Möglichkeiten zu erfassen; w i r können Systembegriffe entwickeln u n d fragen: welche Systeme sind überhaupt möglich? D i e Aufgabe aller Theorie besteht zunächst darin, die Möglichkeiten zu ermitteln. D i e Theorie des Transportwesens w ü r d e beispielsweise ausgehen von den verschiedenen Möglichkeiten des Transportes. 2. Zweitens zielt jede Theorie auf die Feststellung von Notwendigkeiten, von Gesetzen, w i e man auch zu sagen pflegt. E i n Gesetz ist ein Satz, der eine Notwendigkeit ausspricht, ein Sosein, das nicht anders sein kann. D e r Begriff des Gesetzes stammt aus dem Rechtsleben, dort ist Gesetz ein Befehl, der keine Ausnahme duldet: Befehl Gottes, ein Gesetz Gottes, was keinen Widerstand zuläßt. I n der modernen Zeit hat sich nun dieser Gesetzesbegriff verwandelt von G r u n d aus. Das moderne Naturgesetz ist etwas ganz anderes als jenes alte Gesetz. Das moderne Naturgesetz ist eine Formel, i n der Regelmäßigkeiten festgestellt werden. Aus der Erfahrung heraus werden die Regelmäßigkeiten festgestellt und auf eine Formel gebracht. Was w i r aus der Erfahrung nehmen, hat nicht die D i g n i t ä t der Notwendigkeit, sondern eine höhere oder geringere Wahrscheinlichkeit, k a n n 0,9, aber nicht 1 sein. Selbst nicht der Satz, alle Menschen sind sterblich^ w e i l er stammt aus der Erfahrung. M i t t l e r w e i l e haben w i r uns n u n aber besonnen, daß es auch echte Gesetze gibt innerhalb der Erkenntnis; sie dürfen nicht aus der Erfahrung genommen, sie müssen a p r i o r i sein; dann enthalten sie das Moment der Notwendigkeit. D i e Wirtschaftswissenschaft k a n n sich sehr w o h l damit befassen. Also die Aufgabe der Theorie ist es auch, neben den Möglichkeiten die Notwendigkeiten, die echten Gesetze aufzustellen. 3. Endlich kommen w i r drittens zur Aufstellung von Wahrscheinlichkeiten. H i e r schließen w i r aus tatsächlichen Beobachtungen auf zukünftige Geschehensreihen; hier ist unser Denken gerichtet auf die Aufstellung von Tendenzen, hier handelt es sich u m die Projizierung tatsächlichen Geschehens in die Z u k u n f t : Tendenz matt, das ist das tatsächliche Geschehen, daraus w i r d erschlossen der Satz: aber die Kurse werden wahrscheinlich die und die Tendenz haben. Diese Voraussagen und jene Tendenzen sind Wahrscheinlichkeitsa u f Stellungen.
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I I . V ö l l i g verschieden davon ist n u n die A u f t e i l u n g der W i r t schaftswissenschaft nach dem Geltungsbereich der Erkenntnisse, nämlich die Zerfällung der Wirtschaf t s Wissenschaft i n eine allgemeine u n d spezielle Nationalökonomie. Allgemein, j e nachdem ob die Erkenntnisse gelten für alle Wirtschaft schlechthin oder n u r für einen zeitlich u n d räumlich bestimmten Bereich; dieser Bereich w i r d umgrenzt durch das Wirtschaftssystem als eine historische Erscheinung von bestimmter Zeitdauer. So gibt es i n der speziellen Nationalökonomie Erkenntnisse, die sich nur auf bestimmte Wirtschaftssysteme erstrecken: die Lehre vom Kapitalzins hat n u r einen Sinn i m Wirtschaftssystem des Kapitalismus; der Begriff der Zunft hat n u r einen Sinn i m Wirtschaftssystem des Handwerks, w i e es bestand bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Daneben gibt es Begriffe, die für alle Wirtschaft gelten: so k a n n ich eine Wirtschaft ohne P r o d u k t i o n überhaupt nicht denken, sehr w o h l gibt es aber Wirtschaft ohne Geld, ohne Tausch und ohne Unternehmer oder Lohnarbeiter. D i e Aufgabe einer allgemeinen Wirtschaftswissenschaft besteht also darin, alle Erscheinungen zu erwägen, die wesensnotwendig gehören zur Wirtschaft überhaupt. D i e Allgemeine Nationalökonomie ist immer theoretisch, sie hat es nicht zu t u n m i t der tatsächlichen Gestaltung eines Wirtschaftssystems, beispielsweise dem deutschen Wirtschaftsleben i m M i t t e l alter oder der Geschichte der Tuchmacherzunft in Spremberg, sondern m i t Begriffen, m i t Kategorien, die aller menschlichen Wirtschaft gemeinsam sind. D i e spezielle Nationalökonomie ist theoretisch und empirisch, sie hat es immer zu t u n m i t der konkreten Gestaltung, m i t der w i r k l i c h e n Wirtschaft zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten O r t . Neben die tatsächliche Erörterung der Geldverhältnisse eines bestimmten Wirtschaftssystems t r i t t hier die Theorie des Geldes als eines historischen Begriffs, der nie hineingehört in die Allgemeine Nationalökonomie, immer n u r in eine spezielle. Dagegen gelten die Erkenntnisse der allgemeinen Nationalökonomie gleichermaßen für jedes Wirtschaftssystem, für die Fronhofswirtschaft, das Wirtschaftssystem des Handwerks ebenso wie für ein kapitalistisches, sozialistisches oder kommunistisches Wirtschaftssystem. Es handelt sich hier um wirtschaftliche Grundtatsachen, die sich ergeben, w e n n überhaupt vernünftige Menschen sich wirtschaftlich betätigen. Zur Bezeichnung unseres Lehrgegenstandes bestehen nun mehrere Ausdrücke. Das W o r t Wirtschaft stammt aus dem Griechischen: Oekonomia bedeutet die V e r w a l t u n g des Hauses und blieb eine vox media im Griechischen. Das lateinische W o r t oeconomia heißt aber „die gehörige E i n t e i l u n g der einzelnen Teile einer Rede, eines
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Theaterstücks, so daß sie ein harmonisches Ganzes ausmachen", „die Ökonomie". Diese v ö l l i g neue Bedeutung hat sich offenbar eingeschlichen auf dem Wege über das B e i w o r t : ökonomicus heißt zwar i m wesentlichen „die V e r w a l t u n g des Hauses betreffend", aber auch ein Haushalter, der sie versteht. Aus dem Lateinischen ist dann das W o r t i n die romanischen Sprachen u n d von da ins Englische übergegangen u n d behält hier i n den Ausdrücken economia, économie, economy seine Doppeldeutigkeit bei, u n d z w a r vor allein i m Beiwort, das die V e r w i r r u n g offenbar angerichtet hat. D a n n bekommt das W o r t ökonomicus m i t der Zeit die Wertbetonung des guten Wirtschaftens i m Sinne von Wirtschaftlichkeit, wobei das Beiw o r t immer die Bedeutung des „ G u t e n " hat. I m Französischen bedeutet „économie" die Haushaltung, Wirtschaft, meist m i t einem Zusatz, so économie charitable = Armenpflege, éc. ruai e = Landwirtschaft, économie domestique, privée = Hauswirtschaft, éc. nationale, publique = Nationalökonomie; dann aber auch soviel w i e Anordnung, zweckmäßige Einrichtung, Übereinstimmung, Harmonie aller Teile m i t dem Ganzen: so, économie animale = tierischer Bau, économie végétale = Pflanzenbau, l'économie présente = die jetzige Weltordnung. Endlich aber soviel w i e Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, so: v i v r e avec économie, faire des économies. So spricht man von Sparofen i n fourneau économique, fourneaux économiques = Volksküchen; soupe économique = Armensuppe. Dagegen bedeutet das H a u p t w o r t „L'économique" wieder soviel wie Haushaltungskunst, Staatswirtschaftslehre. „Économiser" heißt sparsam m i t etwas umgehen, économiser une heure = eine Stunde erübrigen. Das englische W o r t „Economy" hat folgende Bedeutungen: Haushaltung, Wirtschaft, Ersparnis, Ausnutzung der Zeit, Sparsamkeit, Anordnung, Organisation, System i n den Wendungen: Economy of Heaven. Economy of nature, Economy of salvation ( = Heilsordnung). D i e gleichen Bedeutungen finden sich im Beiwort economic. Neben dem romanischen W o r t economy hat die englische Sprache noch das germanische W o r t „ t h r i f t " . Dieses bedeutet eine nur gute Wirtschaft, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und niemals Wirtschaft im Sinne von Unterhaltsfürsorge. Es w a r also nicht ganz glücklich, als Schlegel: „ t h r i f t , Horatio, t h r i f t ! " m i t „Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft!" übersetzte. Mindestens w a r es irreführend. I m Deutschen stehen w i r vor ungelösten Sprachrätseln. Das Seltsame ist, daß i n unserer Sprache sich ein Bedeutungswandel der Worte W i r t , Wirtschaft, Wirtschaftlichkeit von grundaus vollzogen hat. I m A l t - u n d Mittelhochdeutschen bedeuten die Ausdrücke etwas völlig anderes als heute: W i r t heißt i m Althochdeutschen und M i t t e l hochdeutschen der Hausherr, Eheherr, Schutzherr, der einen gastlich
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aufnimmt, der Bewirter, hospes, und i m Mittelhochdeutschen außerdem noch Landesiherr, Ritter, der andere Gesellen bei sich hat, Inhaber eines Wirtshauses (Gastwirt). Wirtschaft i m Althochdeutschen u n d Wirtschaft (mihd.) bedeuten: 1. Bewirtung, alles, was zur B e w i r t u n g gelhört; 2. festliche Bewirtung, Fest, insbesondere Gastmahl, Gasterei, Schmaus; 3. übertragen: a) das heilige Abendmahl, b) die himmlische Freude, die ewige Seligkeit ( i j ; 4. mhd. nodi eine Eigenschaft, Tätigkeit als W i r t . Wirtschscaftsjan, wirtskaften (aihd.), wirtschaften (mhd.) bedeutet: ein Gastmahl ausrichten oder abhalten, schmausen, epulari. W i r können diesen Sinn der Worte als den seigneurialen bezeichnen: er bezieht sich nur auf die Verausgabung von Gütern und nimmt weder Rücksicht auf deren Beschaffung, noch auch auf ihre „sparsame" Verwendung. Diese Bedeutungen, die das W o r t später bekommt, tragen ein ausgesprochen bürgerliches Gepräge. D i e W o r t e r k l ä r u n g e n unserer Wörterbücher (Sanders, Grimm) befriedigen durchaus nicht; sie sind weder vollständig, noch treffen sie die wesentlichen Unterschiede, noch versuchen sie eine A b l e i t u n g der verschiedenen Begriffe. Nach Sanders: 1. „die Kunst, als W i r t z u walten und (!) die praktische Ausübung desselben (der Betrieb), wie auch (!) das Bereich solcher Ausübung und (!) die ganze Einrichtung des i n dies Bereich Gehörenden, zunächst (!) in bezug auf Haus- und Landwirte, dann auch verallgemeint"; 2. „das in sich abgeschlossene Bereich, w o r i n j e m a n d als W i r t waltet, m i t allem Zubehör (war j a in der Bedeutung zu 1. schon enthalten); 3. eine A r t von Hofmaskerade; 4. ein vielgeschäftiges Treiben, namentlich ein wildes, durcheinander lärmendes, tobendes Treiben, oft m i t dem Nebenbegriff des Unfugs. (In diesem Sinne braucht der junge Goethe m i t Vorliebe das W o r t i n den jetzt veröffentlichteil Briefen: siehe i n der Ausgabe von P h i l i p p Stein [o. J.] N r . 163, 165, 189, 238, 253, 254 u. ö.) Danach soll dann das W o r t „Wirtschaftlich" bedeuten: 1. „zur Wirtschaft gehörig, darauf bezüglich"; 2. „der guten Wirtschaft (Ökonomie) gemäß". (Hier sind die beiden Hauptbedeutungen richtig wiedergegeben.) U n d Wirtschaften heißt (ebenfalls nach Sanders): 1. Wirtschaft treiben (welche?); 2. Schankwirtschaft treiben; 3. ein wildes Treiben vollführen: „ t o l l , w i l d , bunt, furchtbar" wirtschaften. W i r haben es m i t einem W o r t zu tun, das i n tausend Farben schillert. D a können w i r uns n u r «dadurch helfen, daß w i r mit diktatorischer W i l l k ü r erklären: das w o l l e n w i r unter Wirtschaft verstehen, wie ich es oben versucht habe. U m die Vieldeutigkeit des deutschen Wortes Wirtschaft zur Anschauung zu bringen, können w i r eine Übersicht über die verschiedenen Verbindungen, i n denen das W o r t Wirtschaft gebraucht w i r d , (bringen. I n diesen Wortverbindungen
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finden w i r immer wieder die zwei Grundbedeutungen des Wortes Wirtschaft, zu denen noch eine d r i t t e Bedeutung i m Sinne von Betrieb t r i t t . Nach Sanders: Acker-, Alltags-, Alpen-, Ameisen-, Boden-, Banditen-, Bauern-, Behelf-, Bettel-, Bienen-, Bier-, Buden-, Dreifelder-, Fastnachts-, Feld-, Finanz-, Folter-, Forst-, Fraktions-, Fuhrmanns-, Gast-, Geld-, Groß-, Günstlings-, Guts-, Haus-, Heiden-, Hof-, Hütten-, Janitscharen-, Junggesellen-, Kaffee-, Keller-, Kneip-, Knuten-, Konstitutions-, Koppel-, Kuh-, Land-, Maitressen-, Milch-, Miß-, Neben-, Natural-, Papier-, Polizei-, Privilegien-, Sau-, Schweine-, Seh and-, Schein-, Speise-, Staats-, Theater-, Yieh-, Volks-, Wald-, Wasser-, Wüstlings-, Zelt-, ZunftWirtschaft. W i r d die Unbestimmtheit der Namengebung bei der Benennung der Sache dadurch hervorgerufen, daß verschiedene Begriffe m i t einem W o r t e bezeichnet werden, so bei der Bezeichnung der Wissenschaft von der Wirtschaft dadurch, daß für eine Sache mehrere Ausdrücke verwendet werden: für eine Sache, das heißt die Wirtschaft, die gerade jeder meint. A u f den Gedanken, die zwei Wissenschaften von den zwei Wirtschaften durch j e einen besonderen Namen zu unterscheiden, ist dagegen seltsamerweise noch niemand gekommen. Unterschieden werden allerdings die Lehre von der gesellschaftlichen Wirtschaft; innerhalb dieser beiden Gebiete herrscht aber i n der Namengebung vollständige W i l l k ü r . D i e Ausdrücke, die die Lehre von der gesellschaftlichen Wirtschaft bezeichnen sollen, sind zahlreich. I m Deutschen sind die wichtigsten folgende: Nationalökonomie, Nationalökonomik, Politische Ökonomie, Sozialökonomik, Sozial-Wirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Staatswirtschaftslehre, Nationalwirtschaftslehre; i m Französischen: économie politique, économie sociale, économie industrielle, Science économique, Chrysologie ou ploutonomie, Ploutologie ou ergonomie; i m Italienischen: Economia politica, Economia nazionale, Economia sociale, Economia civile, Economia publica; i m Englischen: Political Economy, Public Economy, Economic Science, Economics, Cattalactic (Whateley). Sehr viele Ausdrücke im allen Sprachen k r a n k e n an dem Fehler, daß sie die Wissenschaft m i t dem Ausdruck benennen, der eigentlich die Sache, den Gegenstand der Wissenschaft, nämlich die Wirtschaft, bezeichnet: Politische Ökonomie, économie politique, Economia politica, Political Economy — die gebräuchlichsten Ausdrücke — bezeichnen doch i n wörtlicher Übersetzung „politische Wirtschaft", nicht die Wissenschaft von der politischen Wirtschaft. Man verfährt hier also so — wiederum ein Zeichen der Zerfahrenheit, die i n unserer Wissenschaft herrscht —, als wenn man statt Jurisprudenz Recht, statt 4
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Wirtschaft u n d W i r t s c h a f t s w i s s e n s a f t
Theologie Gott, statt Mineraliagie Steinreich sagen würde, um die Wissenschaft von Redit, Gott und Steinreich zu bezeichnen. I n dem Worte Nationalökonomie stecken gleich zwei Fehler: es handelt sich weder u m „Ökonomie" noch um „National". Das W o r t ist also v ö l l i g sinnlos. D a r u m wähle ich es, weil es in seiner Sinnlosigkeit am wenigsten belastet ist m i t methodologischen Ansprüchen, w i e etwa die verfahrenen, wissenschaftlich ganz unzulässigen Bezeichnungen Politische Ökonomie und Volkswirtschaftslehre. Es kommt hinzu, daß das W o r t Nationalökonomie sich i m Deutschen doch eingebürgert hat als der Ausdruck, der die Lehre von der Gesellschaftswirtschaft und namentlich das Studium dieses „Faches" bezeichnet. Der Student, der gefragt w i r d , was er studiert, w i r d i n 99 von 100 Fällen antworten: Nationalökonomie, u n d nicht: Politische Ökonomie oder Volkswirtschaftslehre oder gar Sozi al Ökonomik usw. Also mag es sein Bewenden halben bei diesem volkstümlich gewordenen Worte. Daß ein unsinniges W o r t sich eingebürgert hat und dann einen ganz bestimmten Erkenntniszweig bezeichnet, ist nichts Neues. Das Schicksal des erlauchten Wortes „ M e t a p h y s i k " beweist es. D i e ältere historische Schule unserer Wissenschaft kommt zu Worte i n dem „System der Nationalökonomie" von Roscher, während die neuere historische Schule sidi k u n d g i b t im „ G r u n d r i ß der Volkswirtschaftslehre" von Gustav Schmoller. Conrad Hesse veröffentlichte eine „Allgemeine Volkswirtschaftslehre", O t h m a r Spann einen „ G r u n d r i ß der Sozialökonomik". I n der Richtung einer allgemeinen Nationalökonomie liegen die Werke von Gotti Linienfeld, „Grundbegriffe", Otto Effertz, „ A r b e i t und Boden", Nordenholz, „Theorie der Produktion".
Drittes
Kapitel
Der Güterbedarf § 8. Der Begriff des Güterbedarfs W i r verstellen unter Güterbedarf den Inbegriff aller zur Fristung des Daseins erforderlichen Dinge der äußeren Natur. Das wäre der Bedarf i n einem o b j e k t i v e n Sinn; i m subjektiven Sinn können w i r unter Bedarf verstehen das Streben zur Beschaffung von diesen D i n g e n der äußeren N a t u r . D e r Ausgangspunkt ist also die Grundtatsache der Spannung zwischen der Bedürftigkeit des Menschen und der Kargheit der Natur. Sehen w i r uns den Begriff näher an, so enthält er folgende Elemente: es gehört dazu das Bedürfen des Menschen, ein leibliches, seelisches und geistiges Bedürfen; teilweise gehört das Bedürfen i n die Psychologie, teilweise gehört die Lehre von den menschlichen Bedürfnissen i n die Kulturgeschichte, wo also die A r t der Wohnung, Kleidung, Nahrungsmittel usw. aufgezählt werden. Kulturgeschichte ist die Geschichte der menschlichen Bedarfsgestaltung. Teilweise gehört die Lehre von dem Bedarf i n die E t h i k , wo nachzuweisen sein w i r d , welche Bedeutung die Bedarfsgestaltung für das menschliche Leben u n d seine sittliche H a l t u n g hat. Das zweite Element des Güterbedarfs ist dann sozialer N a t u r : es ist die Ordnung, unter der die Bedarfsgestaltung erfolgt. H i e r stellen w i r fest, daß alle Bedarfsgestaltung eine Ordnungseinheit, die w i r bezeichnen können als Haushalt, zum Ausgangs- und E n d p u n k t hat. Also der sein Dasein fristende Mensch bildet m i t seinem Bedarf insoweit einen Haushalt, als seine den Bedarf tragenden Zielsetzungen u n d Grundsätze eine Ordnungseinheit bilden. Diese Ordmungseinheit k a n n unterschieden werden als privater u n d öffentlicher Haushalt. Der private Haushalt kann sein ein Haushalt eines Einzelmenschen, also Einzelhaushalt, oder Haushalt einer Familie oder sonstigen Wohngemeinschaft, also Kollektivhaushalt. Endlich haben w i r auch hier zu konstatieren das Element der Technik, also die A r t und Weise der Bedarfsgestaltung. Die allgemeine Theorie der Bedarfsgestaltung stellt sich nun zur Aufgabe, diejenigen Kategorien herauszuarbeiten, die aller Bedarfsgestaltung eigen sind. Welche notwendigen Kategorien kommen also 4*
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D e r Güterbedarf
beispielsweise für den Bedarf eines Herrenschlosses und eines Negerkraals i n Frage? D i e Frage nach der richtigen Bedarfsgestaltung gehört nicht i n unseren Bereich. D i e richtige, vernünftige, edle, unedle Bedarfsgestaltung gehört i n den Bereich der E t h i k , geht zurück auf persönliche Überzeugungen u n d läßt sich nicht beweisen. H i e r müssen w i r uns wissenschaftliche Urteile versagen, die ethischen Fragestellungen entziehen sich der wissenschaftlichen Erörterung. Soviel zur allgemeinen Orientierung. § 9. Die Sachgüter W i r haben i n der äußeren N a t u r Körper, die w i r tasten, sehen, empfinden, wahrnehmen können; diese Körper sind k l e i n u n d groß, hart, weich, glatt u n d rauh, nafi u n d trocken, leicht und schwer. Körper für uns sind: die Erde überhaupt, dann Gestein und Wasser, Pflanzen u n d Tiere, W ä l d e r und Bäume, Menschen usw. Das alles sind auch Dinge der äußeren Natur. W i r heben ein Blatt von der Erde auf, werfen es weg u n d greifen nach einem Stein; w a n n werden diese Dinge der äußeren N a t u r n u n z u Sachgütern? Immer dann, wenn sie aus irgendeinem G r u n d erwecken unsere A n t e i l nahme, sei es, daß sie geeignet sind, unseren Hunger zu stillen, unseren D u r s t zu löschen, das Behagen unserer Leiber zu erhöhen. Unter einem Sachgut i m weiteren Sinne verstehen w i r ein D i n g der äußeren Natur, das unsere Bedürfnisse befriedigen, unserem Bedarf dienen kann. Dingliche Bedarfsbefriedigungsmittel sind Sachgüter. Das Sachgut ist ein geistwissenschaftlicher, k e i n naturwissenschaftlicher Begriff, ein Funktions-, k e i n Dingbegriff. N u r soweit ein D i n g der äußeren N a t u r Beziehung zu meinem Bedarf hat, ist es Sachgut. Das Sachgut w i r d nur festgestellt auf diese Weise, der Begriff Sachgut erwächst aus dieser Beziehung des Menschen zu dem D i n g der äußeren Natur. A l l e Sachgüter müssen brauchbar sein, also dienen können irgendeinem Bedarf. E i n Sachgut ist auch dann gegeben, wenn der Bedarf selbst verwerflich ist. W i e notwendig es ist, sich der ethischen Beurteilung zu enthalten, ist hier sichtbar, jede ethische Beurteilung ist auszuscheiden aus der wirtschaftlichen Betrachtung. E i n Sachgut ist nicht nützlich, es ist n u r brauchbar. D e r Begriff der Nützlichkeit ist verbunden mit einer ethischen Bewertung. E i n D i n g k a n n sehr unnütz sein, der Bedarf selbst sehr unedel, existiert er, so muß er erfaßt werden von der Wirtschaftswissenschaft (Opium, Sklavenhandel, Alkohol, Prostitution, Hochseilartistik usw.). Auch Güter, die einem imaginären Bedarf dienen können, gehören dazu. Jedenfalls müssen die Sachgüter brauchbar sein, aber niemals nützlich. Alles, was dinghaft ist, kann Sachgut sein: also alle
Die Sachgüter
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Stoffe und Kräfte der Natur, ζ. B. der elektrische Strom, nicht aber das Licht, seine W i r k u n g . Ist ein Tunnel ein Sachgut? Natürlich. Das Felsen tor ist aber kein Sachgut. Dagegen ist es wichtig festzustellen, daß zu den Sachgütern nicht gehört dasjenige, was w i r Dienste nennen. N u n werden w i r die Arten der Sachgüter unterscheiden. Die Sachgüter erscheinen erstens entweder als latente oder als effektive Güter. Unter einem latenten Sachgut versteht man ein solches, dessen Brauchbarkeit noch nicht entdeckt, noch nicht aufgefunden ist (Kartoffel und Zuckerrübe vor der Entdeckung). Zweitens unterscheiden w i r Güter, je nachdem sie unbeschränkt oder beschränkt i n ihrer Menge sind. Dieses Merkmal des Beschränkt- und Unbeschränktseins ist relativ. E i n G u t k a n n unbeschränkt sein und w i r d beschränkt. Wald, Wasser und L u f t rechnet man i m allgemeinen zu den unbeschränkten Gütern. Es kann aber der F a l l eintreten, daß Wasser und L u f t beschränkt werden: Wasser auf einem Schlachtfeld, in einem vom Krieg verwüsteten Lande, i n der Wüste, die L u f t i m Bergwerk und i m Unterseeboot, Wälder i n Italien nach der Abholzung. Drittens unterscheiden w i r verfügbare u n d nicht verfügbare Güter. D a m i t meint man, ob die Güter, die w i r anzusehen haben als Sachgüter, die unseren Bedarf befriedigen, sich i n unserer Gewalt befinden. Sonnenlicht ist ein nicht verfügbares Gut, allerdings „corriger la fortune": Reflektoren. Regen gehört i m wesentlichen zu den nicht verfügbaren Gütern. Eine vierte Unterscheidung ist dann die, ob es sich handelt um unentgeltliche oder entgeltliche Güter, u m Kostengüter. Aus diesen Merkmalen der verschiedenen Sachgüter bilden w i r nun den Begriff des wirtschaftlichen Gutes, der uns angeht für unsere Betrachtung. Wirtschaftliche Güter sind alle diejenigen, auf die sich unser wirtschaftliches Interesse richtet, wenn sie je eine der beiden Möglichkeiten verwirklichen oder erfüllen. E i n wirtschaftliches Gut muß sein: 1. effektiv, 2. beschränkt, 3. verfügbar, 4. kostend. N u r dadurch, daß die Sachgüter diese vier Merkmale auf weisen, interessieren w i r uns für sie. Das Gut muß da sein, es muß i n seiner Brauchbarkeit erkannt sein. Wenn ich mich nicht bekümmern kann u m das latente Gut, brauche ich mich um das unbeschränkte Sachgut nicht zu kümmern. Die L u f t ist kein Gegenstand wirtschaftlicher Fürsorge. Endlich, wenn die Dinge mich nichts kosten, gehen sie mich auch wirtschaftlich nichts an. Die seltene Naturerscheinung liegt i m Bereich meines wirtschaftlichen Interesses, wenn sie mich was kostet; aussterbende Tiere i n einem Naturschutzpark, der die Anlage einer Einhegung erfordert, stellen wirtschaftliche Güter dar. Der Gegensatz w i r d gebildet von den außerwirtschaftlichen Gütern. Diese Güter nennt man wohl auch freie Güter. Keine wirtschaftlichen Güter sind
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D e r Güterbedarf
Dienste und audi nicht dasjenige, was w i r nennen Redite und Verhältnisse. Zusammenfassend stellen w i r also fest: w i r unterscheiden zunächst das D i n g der äußeren Natur, dann das Sadigut, endlich das w i r t schaftliche Sachgut. W i r kennzeichnen als wirtschaftliches Gut jene A r t von Gütern, die erstens in ihrer effektiven Brauchbarkeit erkannt, dann beschränkt sind, so daß man sich um sie kümmern muß, drittens verfügbar sind, denn worüber ich nicht verfügen kann, darum kann ich mich nicht sorgen, und die endlich kostend sind, einen A u f wand erheischen, im Gegensatz zu den freien Gütern, die die W i r t schaft nicht berühren. Dienste und Verhältnisse rechtlicher A r t gehören nicht zu den Gütern. Als wirtschaftlidie Güter können a u d i nicht betrachtet werden alle Dienste und Leistungen von Personen, also Leistungen des Friseurs, Kutschers, Chauffeurs, des Hausmeisters und der Hausangestellten, des Arztes, Rechtsanwalts, Lehrers usw. Die Dienstleistungen dieser Personen sind keine Güter, sie fallen lediglich hinein in die w i r t schaftliche Interessensphäre insoweit, als sie einen Entgelt erheischen. Die Bezahlung des Dienstmanns gehört zur Wirtschaft, ist hineingezogen i n den wirtschaftlichen Bereich, aber er selber ist kein w i r t schaftliches Gut. Das kann daran erkannt werden, daß der Dienst aufhört in der Wirtschaft zu sein, wo kein Entgelt gezahlt w i r d ; die bezahlte Krankenpflegerin hat mit der Wirtschaft zu tun, der die Pflege übernehmende Freund hat mit der Wirtschaft nichts zu tun; hier handelt es sidi um einen unentgeltlich geleisteten Liebesdienst. Ein zweites und viel diskutiertes Problem ist das, ob Rechte und Verhältnisse rechtlicher A r t in den wirtschaftlichen Bereich gehören. Trotz Kauf und Verkauf ist eine „ F i r m a " kein wirtschaftliches Gut. Die rechtlichen Verhältnisse haben ein sachliches Substrat, beziehen sidi auf wirtschaftliche Güter, sind aber keine. — W i r betrachten die verschiedenen Arten der wirtschaftlichen Güter unter verschiedenen Gesichtspunkten: nach dem Verwendungszweck, der Verwendungsart und der Beschaffungsmöglichkeit. Nach dem Verwendungszweck unterscheiden w i r konsumtive und produktive Güter; Güter für den unmittelbaren und mittelbaren Bedarf. Ein Komsumtivgut ist dasjenige, was individuell verzehrt w i r d und damit das Ende seiner Laufbahn erreicht hat. Ein produktives Gut ist ein solches Gut. das zur weiteren Herstellung von Gütern dient. Beim Konsum, Verzehr können w i r weitere Feststellungen hinsichtlich der Verbrauchsgüter machen, je nachdem es sich handelt um einen einmaligen oder fortgesetzten Konsumtionsakt. Die Dauer des Verbrauchsgegenstandes ist außerordentlidi verschieden, von kürzester Zeit bis zu Jahrtausenden: Straßen in Rom, Kirchen und Dome, Bur-
D i e Sachgüter
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gen u n d Schlösser, aber audi alte Häuser. Abgestuft nadi Zeitlängen läfit sich eine individuelle und produktive Konsumtion unterscheiden. Dann bezeichnet man diese Güter nach Ordnungen und unterscheidet höhere und niedere Ordnungen. Zur niederen Ordnung gehört ein Gebrauchsgut, das unmittelbar dient zur Produktion (Papiermaschine). W i r können feststellen einen Stufengang in der Verwendung: je mehr das Gut zurückliegt, desto höher ist seine Ordnung; die Turbine gehört zur unmittelbaren Produktion, also niedere Ordnung; der Kessel zur Dampferzeugung bildet die höhere Ordnung, die Kohle eine noch höhere Ordnung. Diese Unterscheidung ist eine funktionelle, keine dingliche, an den Gegenstand gebundene: man kann dem Gegenstand nicht ansehen, ob er ein Produktionsoder Konsumtionsgut ist. Die Maschine ist dazu da, andere Güter herzustellen, da haben w i r den F a l l des Produktionsgutes; nicht so boi der Kohle: heizt sie den Ofen, so ist sie Konsumtionsgut, heizt sie die Maschine, so ist sie Produktionsgut. Das also ist die eine Unterscheidung nach dem Verwendungszweck. Die zweite Unterscheidung ist die nach der Verwendungsart: hier unterscheiden w i r vertretbare und nicht vertretbare, singuläre Güter. Vertretbar heißt auswechselbar dem Stück nach innerhalb einer bestimmten A r t , innerhalb einer Gruppe von Gütern. Diese Gruppe kann nun verschieden groß sein. Es w i r d nicht genau zu sagen sein, wann ein Gut vertretbar ist. Die moderne Handelsentwicklung hat dazu geführt, immer mehr Güter vertretbar zu machen. Diese vertretbaren Güter werden bezeichnet nach sogenannten Standards, nadi eindeutig festgestellten Typen. W a n n kann ein Gut vertretbar gemacht werden? Man kann Weizen vertretbar machen, indem man ihn so gleichförmig macht, daß eine Partie die andere vertritt. Der Weizen kann aber audi verschieden gestaltet sein. Deutschland hat eine sehr differenzierte Produktion an Weizen: Weizen zweiter Güte ist nicht mehr vertretbar. Musikinstrumente im Regelfall nicht vertretbar: eine Stradivarigeige ist nicht vertretbar, aber auch eine gute Konzertvioline ist absolut unvertretbar. Ein Klavier bis zu einem gewissen Grade vertretbar, auch ein Flügel i m engeren Sinn vertretbar. Vertretbar heißt also dem Stüde nach auswechselbar. Die Güter unterscheiden sich dann hinsichtlich ihrer Verwendungsart i n ersetzbare und nicht ersetzbare Güter. Dann sind ersetzbar die der A r t nach austauschbaren Güter. Hierher gehört die wichtige Kategorie der Surrogate: Margarine statt Butter, Kunststoff statt Leder, vgl. die Kriegswirtschaft in dem Buch „Frauenarbeit im Kriege" von Dr. phil. Walter Chemnitz. Güter sind als wirtschaftliche Güter i m Regelfall ersetzbar in einem sehr weiten Umfang. Völlig unersetzlidi sind Kunstwerke des Altertums und Werke großer
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Künstler der Neuzeit: Gemälde eines Rembrandt und Raffael sind ebenso unersetzlich wie die Werke eines Michel Angelo und keine Nachahmung k a n n die i n den Kriegen zerstörten mittelalterlichen Rauwerke ersetzen. Eine dritte Unterscheidung nach der Verwendungsart ist dann die in einfache, einzelne und komplementäre Güter, die ihre Gutseigenschaft nur besitzen, wenn andere Güter zur Verfügung stehen. Hierher gehören alle Produktivgüter, diese sind nur verwendbar, wenn andere Güter auch da sind. Der Gesamtbedarf erheischt eine Anzahl von Güterarten, um befriedigt zu werden. Einzelne Bestandteile des Gesamtbedarfs sind komplementär, sie sind uns nur nütze, wenn andere Güter auch da sind. Aber auch einzelne, zahlreiche Güter des Einzelbedarfs sind komplementärer Natur, sie sind uns nur nütze, wenn andere Güter auch da sind: haben w i r das Kollegheft vergessen, so nützt uns der Bleistift nichts. Allerdings ist Ersatz möglich. Weitere Beispiele: Bogen und Violine, Tabak und Pfeife, Wagen und Pferd, Bälle und Schläger, Grammophon und Platten. Alle diese Sachgüter haben nur Gutsqualität, wenn ein anderes G u t vorhanden ist. Diese drei Unterscheidungen i n vertretbare und nicht vertretbare, i n ersetzbare und nicht ersetzbare und endlich i n einfache und komplementäre Güter sind Unterscheidungen nach der Verwendungsart. Endlich noch eine Unterscheidung nach der Beschaffungsmöglichkeit. Das ist die wichtige Unterscheidung i n vermehrbare und nicht vermehrbare Güter. Nicht vermehrbare Güter werden auch Monopolgüter genannt. Als vermehrbar bezeichnen w i r diejenigen Güter, von denen man die für den Bedarf nötigen Mengen beschaffen kann. Dann können w i r noch unterscheiden absolut nicht vermehrbare Güter, Bilder eines berühmten verstorbenen Malers beispielsweise. Innerhalb dieser Gruppe gibt es noch Abstufungen, die bewirkt werden allein durch die Menge: es macht einen wesentlichen Unterschied, ob der Maler hinterläßt nur ein B i l d oder zwei Bilder oder endlich 200 Bilder; die Bedeutung w i r d dadurch verschieden für die ganze Gruppe von nicht vermehrbaren Gütern: i n Paris w i r d die Mona Lisa gestohlen, nun tauchen i n der Welt allein sechs gleiche Gemälde der Mona Lisa auf; kein Kenner kann unterscheiden, welches die echte Mona Lisa ist. Innerhalb der vermehrbaren Güter gibt es eine Unterscheidung nach dem A u f wände, den ich machen muß (Kosten). Hier gibt es zwei Arten von vermehrbaren Gütern, solche, die ich vermehren kann, indem ich sie m i t demselben A u f wände beschaffe, und solche, die ich nur beschaffen kann mit einem vermehrten A u f w a n d , wo ich das Plus erringe mit einem immer größeren Aufwand. Blicken w i r auf die Produktion von Agrarprodukten, so kann diese von einem bestimm-
Der wirtschaftliche Güterwert
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ten Punkte an noch vermehrt werden, aber die Mehrgüter verursachen größeren A u f w a n d ; es sind nicht beliebig vermehrbare Güter, wenn sie einen größeren A u f w a n d erheischen. Früher wurde angenommen, daß alle Agrarprodukte zu den nicht beliebig vermehrbaren, die Industrieprodukte zu den beliebig vermehrbaren Gütern gehören. M i t der Intensivierung werden die Agrarprodukte immer teurer, während die Industrieprodukte immer billiger werden, deshalb der letzte Scheffel der teuerste, die letzte Elle die billigste sei. Das sind die wichtigsten A r t e n der wirtschaftlichen Güter. N u n kommen w i r i n dem folgenden Abschnitt zu dem wirtschaftlichen Güterwert. § 10. Der wirtschaftliche Güterwert W i r wollen unter wirtschaftlichem Güterwert verstehen die Bedeutung, die w i r einem Gut für die Unterhaltsfürsorge beimessen. M i t dieser Bedeutung projizieren w i r i n das Gut hinein jene Eigenschaft, wirtschaftliches Gut zu sein. Diese Bedeutung erwächst aus unserer Einstellung zu den Dingen der äußeren Natur und w i r d auf sie übertragen: somit ist der Begriff des wirtschaftlichen Güterwerts ein Funktions- kein Dingbegriff. Der Gutscharakter eines Sachdinges als wirtschaftliches Sachgut erwächst nur aus der Beziehung, die der Mensch zu dem Gut oder die das wirtschaftliche Gut zum Menschen hat. Das D i n g an sich hat keinen Wert, bekommt ihn erst durch die Beziehung zum Menschen. Dieser Güterwert ist der sogenannte Gebrauchswert. N u r dieser Gebrauchswert ist eine allgemein ökonomische Kategorie; der Tauschwert ist keine solche allgemeine Kategorie, er t r i t t erst auf, wenn und insoweit erfolgt ein Austausch. Der Austausch, der Tausch überhaupt gehört aber nicht zur allgemeinen Wirtschaft, er ist das Produkt später Entwicklungsstufen der Menschheit und ist auch heute noch unbekannt bei den zurückgebliebenen Urzeitrassen, also insoweit eine historische und keine allgemeine Kategorie der Wirtschaft. Es kann nun ein Gut einen hohen Gebrauchswert haben, ohne wertvoll zu eein: die L u f t oder i m Regelfall das Wasser. Es kann umgekehrt ein Gut sehr wertvoll für uns sein, ohne irgendeinen Gebrauchswert zu haben: der Diamant, die Briefmarkensammlung. Wertvoll sind auch die freien Güter, sie haben aber keinen Gebrauchswert, weil sie uns i n der Unterhaltsfürsorge nichts angehen. Das Wort Gebrauchswert ist nur als wissenschaftlicher Ausdruck zu nehmen. Der Gebrauchswert ist die Funktion zweier Variablen, der Brauchbarkeit und der Seltenheit. Die Höhe des Wertes hat hiermit nichts zu tun. Der D u f t einer Pflanze hat einen hohen Wert, aber keinen Gebrauchswert, das miserabelste Parfüm hat Gebrauchswert. Die seltene Pflanze hat keinen Gebrauchs-
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D e r Güterbedarf
wert, weil die Verfügbarkeit fehlt. Zum Gebrauchswert gehört alles dasjenige, was zum wirtschaftlichen Gut gehört, was Gut für unsere Wirtschaft, die menschliche Unterhaltsfürsorge bedeutet. Der Gebraudiewert hat einen doppelten Aspekt: je nachdem das Werturteil sich bezieht auf bestimmte Seiten des wirtschaftlichen Gutes. W i r können das Gut unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten: entweder bezieht sich unser Werturteil auf die Seltenheit des Dinges, bewertet das Ding, weil und insofern es selten ist, oder w e i l und insofern es etwas gekostet hat: beim Gebraudiswert berücksichtigen w i r also die Verwendungsweise und gehen also aus vom terminus ad quem mit der Frage „wozu", während w i r ausgehen vom terminus a quo bei der Frage nach den Kosten. I m ersten F a l l haben w i r die Nutzeinstellung, im zweiten die Aufwandseinstellung; beide Einstellungen sind für uns von Belang. Damit kommen w i r zu zwei verschiedenen Wertbegriffen, die w i r bezeichnen können als Nutzund Kosten wert. Der Nutzwert ist also als Nutzbedeutung offenbar die Funktion zweier Variabein: 1. Brauchbarkeit, 2. Seltenheit, diese beiden Momente bestimmen die Höhe des Nutzwertes: Brauchbarkeit, Begehrtheit, Nachhaltigkeit, Intensität des Bedürfnisses einerseits, dann die Seltenheit andererseits. Je seltener, desto wertvoller, je brauchbarer, um so begehrter. Beide Komponenten gehören zusammen: die Brauchbarkeit ohne Seltenheit ergibt keinen Gebrauchswert. Ein G u t mag noch so selten sein, wenn es keine Brauchbarkeit hat, so hat es keinen Gebrauchswert. Beim Sammler bekommen seltene Gegenstände einen Gebrauchswert, indem sie durch das Sammeln einen wirtschaftlichen Gutscharakter erwerben. A d a m Smith, der Vater der Nationalökonomie, wunderte sich gelegentlich einmal, daß Brot so gering bewertet, Diamanten so hoch bewertet werden. Dieses Verwundern ist unberechtigt: die Brauchbarkeit w i r d hier verwechselt mit Nützlichkeit. Das Brot ist natürlich nützlicher als die Diamanten, darum braucht es keinen höheren Gebrauchswert zu haben, weil der andere Faktor, die Seltenheit den Wert herunterdrückt. Die Höhe des Nutzwertes hängt ab von dem Verhältnis der beiden Bestandteile der Brauchbarkeit und Seltenheit. Je brauchbarer ein Gegenstand, desto begehrter w i r d er sein; das Begehren nach einem Nahrungsmittel kann größer sein als nach einem Luxusgegenstand. Der Seltenheitsgrad kann verschieden hoch sein. Erst m i t der Seltenheit fällt ein Gut i n den Bereich der wirtschaftlichen Fürsorge. Güter, die in beliebigen Mengen vorhanden sind, haben trotz großer Braudibarkeit wie die L u f t keinen Nutzwert. Die Spannung zwischen diesen beiden Momenten der Brauchbarkeit oder auch Begehrtheit und Seltenheit bildet den Nutzwert. Fehlt einer dieser Bestandteile, so gibt es keinen Nutzwert oder keine Nutzbedeutung. W i r dürfen dabei nie
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vergessen, daß w i r diese Bewertungen gleichsam auf den Gegenstand projizieren, indem w i r die F i k t i o n bilden, als ob der Gebraudiswert dem Dinge an sich zukomme. Die sehr große Seltenheit der Diamanten b e w i r k t ihren hohen Nutzwert. A d a m Smith trennt die Brauchbarkeit und Nützlichkeit nicht, also Braudibarkeit i m Sinne von Begehrtheit. Diese Begehrtheit kann so unsinnig sein, wie sie sein möge. Der zweite Wertbegriff ist dann die Kosten- oder Aufwandsbedentung eines Gutes: hier ist ein Gut wertvoll, weil und insofern es einen A u f w a n d verursacht hat. Ein Gut ist auch wertvoll, weil und insoweit es gekostet hat, kostbar ist. Was kann es denn kosten? Natürlich keine Geldsumme, das ist eine historisch-ökonomische Kategorie. Hier kommen nur Kategorien in Frage, die der Wirtschaft als solcher angehören, sich zu allen Zeiten und bei allen Völkern dort finden, wo überhaupt menschliche Unterhaltsfürsorge, also Wirtsdiaft auftritt. Das Geld t r i t t auf einer sehr späten Entwicklungsstufe der historischen Menschheit auf und ist heute noch bei Zwergvölkern Afrikas und den Eingeborenen Australiens völlig unbekannt. Was erscheint nun als Kostenmoment i n aller Wirtschaft? W i r zählen drei Aufwandsmöglichkeiten auf. die i n Betracht kommen: 1. den Arbeitsaufwand, die verausgabte Arbeitszeit zur Herstellung eines Gegenstandes, also Länge der auf gewandten Arbeitszeit; 2. die Menge des in einem Gut enthaltenen Bodens, ob ein Gut eine größere oder geringere Fläche zur Herstellung bedurft hat (Holz, Brot) oder endlich 3. ein A u f w a n d an Stoffen, eine Menge der Grundstoffe, die in einen Gegenstand, ein Sachgut hineingegangen sind. W i r unterscheiden also als Kostenmomente den Arbeitswert, den Boden wert und den Stoff wert. Hier sehen w i r , daß es sich handelt bei der Nutz- und Aufwandsbedeutung um zwei völlig verschiedene Aspekte, zwei Wertbegriffe, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, zwei Möglichkeiten, einen Gegenstand zu bewerten. Den Tauschwert kennen w i r i n der allgemeinen Nationalökonomie nicht, weil er Bedeutung hat nur in bestimmten, historischen, zeitbedingten W i r t schaftssystemen. Nutz- und Kosten wert gibt es in jeder Wirtschaft. Hier sollen noch Erwägungen angestellt werden über den Erkenntniswert des Wertbegriffcs. Darüber w T ird viel gestritten in einer außerordentlich unfruchtbaren Literatur. Dabei ist das Wichtigste eine Frage, die nicht beachtet w i r d : die Frage nach dem Wert des Wertes, welche Funktion hat der Begriff des Wertes i n dem wissenschaftlichen System? Die Bedeutung Wert ist grundsätzlich verschieden je nach der Stelle des Wertens, wo gewertet wird. Es gibt da zwei Möglichkeiten: entweder die Wertung erfolgt in der Wirtschaft selber: hier
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D e r Güterbedarf
ist Wertbedingung nicht die Person, sondern die wirtschaftliche Tätigkeit. Wenn also der wirtschaftende Mensch auf Grund bestimmter Wertvorstellungen anstellt Betrachtungen, ob sich für den Konsum empfiehlt die Herstellung dieses Gegenstandes. Hier handelt es sich um empirisch-psychologische Tatsachen, um die Bewußtseinsbeschaffenheit der Person, die wirtschaftet. Oder aber die andere Möglichkeit ist die, daß das Werturteil nicht gefällt w i r d von den wirtschaftenden Personen, sondern daß es gefällt w i r d von dem betrachtenden Theoretiker zu dem Behufe, die wirtschaftlichen Vorgänge besser zu verstehen. Hier w i r d das Werturteil zu einer Arbeitsidee. I n diesem F a l l ist der Wertbegriff objektiv rationaler Natur, er beruht auf einer F i k t i o n des Betrachters. Natürlich ist die Bedeutung des Wertes ganz verschieden, je nachdem man annimmt den einen oder den anderen Wertbegriff. Der eine O r t des Werturteils ist die handelnde Person, die die Wirtschaftsgestaltung bestimmt, der andere O r t ist der Beobachter der Wirtschaft, der sein Werturteil heranträgt an die Wirtschaft. I m allgemeinen w i r d der Wert gebraucht i m Sinne einer Arbeitsidee. K a l k ü l e werden nur angestellt innerhalb einer Wirtschaft, die das Geld kennt. Man kann natürlich i n der wirtschaftlichen Sphäre, namentlich in der Eigenwirtschaft, Werturteile annehmen. So viel über den Wert als Gebrauchswert. I n dein folgenden vierten Abschnitt kommen w i r zu der Lehre von den Arten des Güterbedarfs, die w i r nicht verwechseln dürfen mit den Tausenden von Arten der w i r t schaftlichen Sachgüter, die den ungeheuren Güterbogen umspannen von den vielen A r t e n von Bekleidungsstücken, Lebensmitteln, Genußmitteln, Häusern, Transportmitteln, Gerätschaften, Werkzeugen, Maschinen, Büchern und Kunstwerken bis zum letzten Schmuckstück und Grabstein. 8 11. D i e Arten des Güterbedarfs Bei den Arten des Güterbedarfs können w i r unterscheiden nach dem Träger des Bedarfs, nach dem Auftreten des Bedarfs und nach dem Verwendungszwecke des Bedarfs. 1. Nach dem Träger des Bedarfs: wer hat überhaupt Bedarf? W i r unterscheiden den Privatbedarf und den öffentlichen Gemeinbedarf. Der Privatbedarf ist der Bedarf eines privaten Haushalts, der Gemeinbedarf ist der Bedarf der öffentlichen Körper, also der öffentliche Haushalt des Staates, der Länder, der Stadtgemeinden, der Verwaltungsstäbe, kurz aller öffentlichen Körperschaften. Verwandt m i t dieser Unterscheidung ist die Unterscheidung m i t individual- u n d kollektivem Bedarf. Unter Individualbedarf verstehen w i r den Bedarf eines einzelnen Gutes, das dient zur Befriedigung des Bedarfs eines
D i e A r t e n des Güterbedarfs
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einzelnen Menschen, während der Kollektivbedarf ist ein K o l l e k t i v u m von Gütern, die zur kollektiven Bedarfsbefriedigung dienen. Hier haben w i r den privaten Garten, dort den öffentlichen Park: der Garten dient zur Deckung des Bedarfs eines Menschen oder einer Familie oder eines fürstlichen Haushalts, der öffentliche Park einem Kollektivum. Indessen kann aus dem privaten Garten ein öffentlicher Park werden, so wurden viele fürstliche Gärten nach dem Jahre 1918 i n öffentliche Parks verwandelt, und umgekehrt kann ein Gebäude bald einem öffentlichen, bald einem privaten Bedarf dienen, wie das Hotel Cumberland am Kurfürstendamm, das als Hotel einen Privatbedarf befriedigte, als Verwaltungsgebäude für das Landesfinanzamt aber dem öffentlichen Bedarf dient. W i r sehen also, daß der Begriff des Güterbedarfs ein Funktionsbegriff ist, der nicht am Gut selbst haftet, sondern am Bedarfsträger, der bald ein Individuum, bald ein Kollektiv, eine Gesamtheit öffentlich-rechtlicher A r t ist. So kann das Theater einem Kollektiv-, aber auch einem Privatbedarf dienen; eine Straße dient entweder dem öffentlichen Verkehr, also einem Kollektivbedarf, als Privatstraße aber dem Privatbedarf einer einzelnen Person oder einer genau bestimmten Mehrheit von Privatpersonen, privaten Familien, privaten Verbänden, indem sie alle anderen Personen, also die fremden Personen ausschließt von der Benutzung. Die Hauskapelle dient einem privaten Bedarf, dieselbe Kapelle kann i m Wege der Stiftung später einem k o l l e k t i v e n Bedarf dienen. W i r kennen Hauskonzerte für einen bestimmten Kreis privater Personen, und w i r kennen öffentliche Konzerte für Alle, jene befriedigen einen privaten, diese einen öffentlichen, einen Kollektivbedarf. Nach dem Auftreten des Bedarfs unterscheiden w i r nunmehr den potentiellen und aktuellen Bedarf. Der potentielle Bedarf umfaßt diejenigen Güter, die dienen würden zur vollen Befriedigung eines bestimmten Bedarfs. Der aktuelle Bedarf umfaßt alle Güter, auf deren Beschaffung die Fürsorge tatsächlich gerichtet ist. I n jenem ersten F a l l handelt es sich darum, daß man den Bedarf aufstellt als Idealbedarf: der öffentliche Körper stellt einen öffentlichen Haushaltsplan auf, den Etat, i n welchem alle Sachgüter bezeichnet werden, die beschafft werden müßten, wenn der Bedarf sachgemäß befriedigt werden soll. Der aktuelle Bedarf ist gleich der Nachfrage nach Gütern. Ebenfalls nach dem Auftreten des Bedarfs können w i r unterscheiden i n zeitlicher Hinsicht: gegenwärtigen und zukünftigen, dann einmaligen und wiederkehrenden Bedarf. Einmaliger Kriegsbedarf, aller Bedarf, Bedürfnisse,
Bedarf ist Gründung-, Gelegenheits-, Expeditions-, wiederkehrender, laufender, saisonmäßiger Bedarf ist der einer Befriedigung aller elementaren menschlichen also vor allem dem Nahrungs- und Kleidungs- und
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D e r Güterbedarf
Wohnbedürfnis dient oder aber in regelmäßig zeitlichen Abständen irgendwelchen Kultnrbedürfnissen. Diese Unterscheidungen sind grundlegend für die öffentlichen Haushalte. Nach dem einmaligen oder wiederkehrenden Bedarf sind auch zu bemessen die Einnahmen. Hier gilt als oberste Regel: ordentliche Ausgaben sind zu decken durch ordentliche Einnahmen: zu der Bestreitung einer regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe dürfen keine Einnahmen genommen werden, die nicht regelmäßig wiederkehren. Diese Regel dürfte auch für den privaten Bedarf gelten (nicht regelmäßig wiederkehrende Einnahmen eines Schriftstellers, Rechtsanwalts oder Schauspielers). Wiederkehrenden Ausgaben müssen gegenüberstehen wiederkehrende Einnahmen als Deckung. Das ist die zeitliche Unterscheidung i m Auftreten des Güterbedarfs. Endlich unterscheiden w i r i n räumlicher Hinsicht den Einzel- und Massenbedarf. Der Massenbedarf ist ein Bedarf an vielen gleichartigen Gütern, während der Einzelbedarf gebildet w i r d durch den übersehbaren Bedarf einer Person oder eines privaten Haushaltes weniger Personen oder einer Familie. Massenbedarf als der Bedarf an vielen gleichartigen Gütern ist aber ein zu weit gefaßter Begriff: es ist das ein Massenbedarf i m uneigentlichen Sinne, wenn diese gleichartigen Güter an verschiedenen Stellen bedürft werden. Ein ungeheuer großer Bedarf an gleichartigen Gütern t r i t t regelmäßig auf an verschiedenen Stellen bei den Grundnahrungsmitteln. Brot, Milch, Gemüse. Fleisch, dann an Baumaterialien wie Holz und Ziegelsteinen oder Zement. Das sind gleichartige Güter, die i n Massen bedurft werden an verschiedenen Stellen und deshalb den uneigentlichen Massenbedarf bilden. I m Gegensatz zu diesem uneigentlichen Massenbedarf steht der eigentliche Massenbedarf, der dort vorliegt, wo eine Vereinheitlichung der Bedarfsdeckung auftritt. I n diesem F a l l sind die Bedarfsfälle so zusammengedrängt, daß die Befriedigung von einer Stelle aus erfolgen kann. W i r können drei verschiedene Arten von echtem, eigentlichem Massenbedarf unterscheiden: 1. den zentralisierten Massenbedarf, 2. den organisierten Massenbedarf, 3. den konzentrierten Massenbedarf. W i r werden sehen, daß diese drei bekannten Fälle sehr unterschiedlich sind. Bei dem zentralisierten Massenbedarf sind die Bedarfsfälle so zusammengedrängt, daß die Befriedigung von einer Stelle aus möglich ist. Hier kann also die einheitliche Herbeischaffung der Güter erfolgen. Dieser zentralisierte Massenbedarf ergibt sich, wenn einzelne Wirtschaften auf engem Raum zusammengedrängt sind. I n jeder Großstadt entsteht so ein echter, zentralisierter Massenbedarf, der die
Die
ten des Güterbedarfs
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Bedarfsbefriedigung i m Großen ermöglicht: Aufstauung der Güter in der Zentralmarkthalle, der großstädtische Massenbedarf an Milch, der etwas anderes ist als der Massenbedarf an Milch auf den Dörfern, der wegen der Zerstreuung der Dörfer über weite Räume h i n sich niemals von einer Stelle aus zentralisieren läßt. So hat Berlin einen zentralisierten Massenbedarf an Wasser, Licht, Lebensmitteln, an großen Massen gleichartiger Güter, der auf einheitliche Weise von einer Stelle aus befriedigt werden kann. Bei dem organisierten Massenbedarf liegt vor ein Konsumzentrum von einer solchen Größe, daß es als solches, als einheitliches Konsumzentrum oder als einheitlicher Haushalt einen Massenbedarf hat. Einen derartigen organisierten Massenbedarf gibt es i n unserer Zeit besonders hänfig: jedes Krankenhaus oder Lazarett, das für 200 oder 2000 Kranke Unterkunft und Verpflegung schafft, zeigt den organisierten Massenbedarf. Jede Verwaltungsbehörde ist ein solches Zentrum, das einen Massenbedarf an Schreibmaterialien hat. Schulen, Militärverwaltung, Kasernen, Parteiorganisationen bilden Zentren eines organisierten Massenbedarfs; aber auch ein Hotel hat durch seine Zusammenballung von Menschen einen solchen organisierten Massenbedarf, indem es ein einheitliches Konsumtionszentrum bildet. Nun gibt es noch eine dritte Möglichkeit, wo ein echter Massenbedarf, ein Massenbedarf im eigentlichen Sinne als konzentrierter Massenbedarf entstehen k a n n : dieser konzentrierte Massenbedarf entsteht durch ein Produktionszentrum. Denken w i r an die Herstellung eines großen Schiffes: der Bau eines großen Schiffes läßt einen Massenbedarf an Materialien der verschiedensten A r t entstehen. Aber auch der Bau eines Hauses bildet als Produktionszentrum einen konzentrierten Massenbedarf an Holz, Steinen, Ziegeln, Zement, Mörtel, Kies, Teer, Brettern, Balken, Türen, Fenstern, Glas usw. Eine Konservenfabrik entwickelt einen konzentrierten Massenbedarf an Blech, eine Kartonfabrik an Papier, ein Warenhaus an Bedarfsgegenständen gleicher A r t . D a n n wollen w i r 6. endlich noch unter den Arten des Güterbedarfs unterscheiden den notwendigen und Luxusbedarf. Die Bedeutungsintention beider Begriffe ergibt sich aus den Ausdrücken selbst. Die Grenze zwischen dem notwendigen Bedarf und Luxusbedarf kann nicht gezogen werden. Was ist Luxus? Unter Luxus verstehen w i r die Vergeudung der Güter oder ihre bessere Darbietung, eine Veredlung, Verfeinerung, Verpackung, die an sich als überflüssig für die Bedarfsdeckung zu erachten ist. Der Luxus erstreckt sich immer nur auf Sachgüter, nie auf Tiere, die etwa als Haustiere gehalten werden, auch nicht auf Hunde oder Pferde. Endlich stellt Schmuck keinen Luxus dar, da das Schmuckbedürfnis ein spezifisch menschliches Bedürfnis ist.
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D e r Güterbedarf
Das entscheidende Merkmal des Luxusbegriffes bleibt die sinnlose Vergeudung. T r i f f t man nämlich den Unterschied zwischen notwendigem Bedarf und Luxusbedarf nach einem bestimmten Schema, indem man ausgeht von dem Begriff des Existenzminimums, so w i r d die Grenze fließend: der Bedarf zur Fristung der Existenz ist nicht ganz sicher. Es gibt zwei A r t e n von Existenzminimum, ein physiologisches und kulturelles Existenzminimum. Das physiologische Existenzminim u m ist das, was zur naturalen Fristung des Lebens notwendig ist, es umfaßt den Bedarf, der gedeckt werden muß, damit das blanke Leben gefristet werden kann. Es w i r d also hierbei keine Rücksicht auf die Kleidung oder Behausung genommen. Es handelt sich u m Mindestanforderungen an die Lebenshaltung. Soll nun heißen notwendiger Bedarf derjenige Bedarf, der erforderlich ist zur Fristung des Existenzminimums, und jeder Bedarf, der über das Existenzminimum hinausgeht, als Luxusbedarf bezeichnet werden, so w i r d die W i l l k ü r einer solchen Begriffsumgrenzung k l a r ; nicht bloß erfuhr das E x i stenzminimum i m Laufe der Menschheitsentwicklung starke Veränderungen, sondern zeigt durchgreifende Unterschiede von V o l k zu V o l k und Land zu Land: der Eskimo muß anders als der Neger i n A f r i k a leben, und der Europäer lebt anders als der Asiate. Bis zu dieser Stunde vermag die medizinische Wissenschaft nicht anzugeben den richtigen Bedarf an Lebensmitteln, der einen Menschen auf längere Zeitstrecken h i n gesund, arbeitsfähig erhält und vor Krankheiten bewahrt. Andererseits vermögen medizinische Erkenntnisse niemals Ernährungsgewohnheiten aus der Welt zu schaffen. Endlich bestimmt auch das soziale Moment weitgehend den Lebensstandard: kein Gesundheitsapostel und Vegetarier w i r d die Durchschnittsmenschen i n ihrem eingewurzelten standesgemäßen Lebensunterhalt erschüttern können und in allen sozialen Erschütterungen w i r d das Huhn, das nach dem Ausspruch eines Königs jeder Mensch am Sonntag i m T o p f haben solle, immer seine Rolle spielen. Noch unbestimmter ist das kulturelle Existenzminimum, das den zur Fristung eines Kulturdaseins notwendigen Bedarf umfaßt. Das ist ein ganz vager Begriff: was alles gehört denn zum Kulturdasein? Welche Arten und welches Ausmaß von Kleidung und Wohnung? Zwischen dem physiologischen und k u l turellen Existenzminimum kann also eine feste Grenze nicht gezogen werden. Hier bekommen w i r nur eine feste Grenze, wenn w i r uns stützen auf die Tradition. I n einer bestimmten Zeit, bei einem bestimmten Volk gehört das und das zum Existenzminimum. Jede Rationierung i n Kriegszeiten erhellt hier die vorliegenden Sachverhalte: die Zuteilung der verschiedenen Lebensmittel in den verschiedenen Ländern war nach Quantum und Quale völlig verschieden und zeigte von V o l k zu V o l k eine unterschiedliche Rangordnung.
Die Entstehung des Güterbedarfs
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Man denke nur an den englischen Teekonsum und den deutschen Kaffeegenuß, an das deutsche Sauerkraut und die italienischen Makkaroni. Hierbei ist der standesgemäße Unterhalt eine Bedarfsgröße, die sich beschränkt auf einen bestimmten Stand. U m den Unterschied zu treffen zwischen notwendigem Bedarf und Luxusbedarf, muß man eingreifen m i t irgendwelchen Werturteilen, die in der Wissenschaft keinen Platz haben. Der Luxusbedarf kann nur bestimmt werden aus Wertvorstellungen heraus, die sich der Kompetenz der Wissenschaft entziehen, weil sie i m Transzendenten wurzeln. Die Bestimmung des Luxusbedarfs als sinnlose Vergeudung oder bessere Darbietung toter Sachgüter entbehrt ebenfalls nicht des Moments der W i l l k ü r und einer gewissen Unbestimmtheit, hält sich aber immerhin im Bereich der positiven Wissenschaft, indem sie angesichts der herkömmlichen Eingeübtheiten der Lebenshaltung und der durchschnittlichen Disziplinierung in der Güterverwendung den Luxus beschränkt auf völlig außeralltägliche, im Regelfall pathologische Fälle. § 12. D i e Entstehung des Güterbedarfs Hier stoßen w i r auf eine Unterscheidung, die sehr interessant und sehr problematisch ist, die Unterscheidung i n die sogenannte endogene und exogene Entstehungsweise. Diese Ausdrücke sind entnommen der Medizin und griechischen Ursprungs: von außen entstehen: exogen, von innen: endogen. Angewandt auf die Entstehung des Güterbedarfs besagt diese Unterscheidung folgendes: erzeugt das Bedürfnis den Bedarf oder erzeugt der Gegenstand, das Sachding, erst das Begehren? Also zuerst das Bedürfnis, dann der Gegenstand, das Sachding, das Gut oder aber zuerst der Gegenstand, das Sachding, das Gut, und dann das Bedürfnis, das Begehren danach. Nach unserer Auffassung ist jedes Bedürfnis exogener Natur, w i r d von außen herangetragen. Das Bedürfnis unterscheidet sich von der Triebregung: Bedürfnis ist ein Gefühl nach einem Gegenstand bestimmter A r t ; Bedürfnis ist ein eigenartiges Erleben des Ermangeins dieses Gutes: der positive Wert der Güter ist i m Fühlen gegeben; eine Triebregung muß wiederkehren, u m zum Bedürfnis zu werden; das einmalige Gelüsten bildet kein Bedürfnis, erst die gewohnheitsmäßige Stillung macht das Bedürfnis. A l l e Bedürfnisse sind historisch entstanden, kein Bedürfnis ist angeboren, alle Bedarfsgestaltung ist exogen: es nimmt das K i n d der Mutter Brust zuerst nicht w i l l i g an, doch bald gewöhnt, ernährt es sich m i t Lust. Das Bedürfnis w i r d hier unterschieden von einem unbestimmten Triebe; es w i r d unterschieden der unbestimmte Hungertrieb von dem bestimmten Bedürfnis nach Brot oder Milch; das Gefühl des Hungers im Hungerbedürfnis ist ein Gefühl des Mangels nach einem 5
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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D e r Güterbedarf
bestimmten Sachgut. Bei der Befriedigung eines Bedürfnisses muß der positive Wert des Gegenstandes als Befriedigungsmittel bereits erkannt sein. Es gibt keine angeborenen Bedürfnisse, und es würden niemals Bedürfnisse entstehen vor der Entstehung der sie befriedigenden Befriedigungsmittel: diese Sachgüter müssen schon da sein, bevor die Bedürfnisse nach ihnen entstehen. Ausdrücklich wurde unterschieden zwischen dem allgemeinen Trieb und dem Bedürfnis. Natürlich ist ein Hungertrieb vorhanden, als endogen entstanden, aber das Bedürfnis nach Brot entsteht durchaus exogen wie das Bedürfnis des Säuglings nach der Milch der Mutterbrust, nachdem sein unbestimmter Hungertrieb einmal befriedigt wurde m i t der von außen an ihn herangetragenen Muttermilch. Nachdem der unbestimmte Hungertrieb einmal befriedigt wurde mit Milch, macht das wiederkehrende Erlebnis der Stillung den Trieb zum Bedürfnis als dem Begehren nach einem bestimmten Befriedigungsmittel. N u n gibt es zweifellos die Entstehung der Bedürfnisse aus dem Menschen heraus, sobald w i r hineinkommen in die Sphäre des Verstandes, in die rationale Sphäre also. Es handelt sich hier um das Bedürfnis nadi bestimmten Güterkategorien, die der Mensch aufsucht oder herzustellen trachtet. So ist der Bedarf an Produktionsgütern zu dem endogenen Bedarf zu zählen. Güter, die der Mensch benutzt, u m andere Güter herzustellen. Es ist hier zu verweisen auf das Arbeilen i n der Chemie, wenn irgendein synthetischer Stoff gesucht w i r d , Indigo, Zudcer: alle diese synthetischen Stoffe sind vorher gedacht, gesudit worden und am Ende steht das Bedürfnisbefriedigungsmittel. Hier liegt kein gefühlsmäßiger, sondern ein rational begründeter Bedarf vor. Nehmen w i r die Erfindung des Grammophons durch Edison: hier w i r d das Bedürfnis in dem Verbraucher erst geweckt durch den Sprechapparat; kein Mensch hatte ein Bedürfnis nach Schallplatte und Grammophon, nach Radio oder Kino, nach Auto oder Flugzeug gehabt; der Erfinder schafft den Gegenstand aus seinen Ζ wedt Vorstellungen heraus; mag ihn treiben ein Vervollkommnungsstreben, der Drang nach leichtem Geldgewinn oder auch Ruhmsucht und Geltungsbedürfnis, aber immer ist er derjenige, der seine Erfindungen von außen heranträgt an die Verbraucher, die sie sehr oft auch ablehnen. Durch Reklame w i r d dann der Massenbedarf erzeugt. Abschließend dürfen w i r sagen: es gibt eine exogene und endogene Bedarfgestaltung. I n der Sphäre der Verbrauchsgüter überwiegt die exogene, i n der Sphäre der Produktonsgüter überwiegt die endogene Bedarfsgestaltung. Das wäre die erste Unterscheidung, die w T ir feststellen i n unserer Betrachtung der Entstehung des Güterbedarfs. W i r kommen nun zu einer zweiten Unterscheidung, die w i r bezeichnen wollen als autonom
D i e Entstehung des Güterbedarfs
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und heteronom. Die autonome Entstehung des Güterbedarfs als die Selbstbestimmung des Bedarfs liegt vor, wenn die bedürftige Person ihren Bedarf nach Quantum u n d Quale, nach Menge und A r t selbst bestimmt; die heteronome Güterbedarfsentstehung als Fremdbestimmung des Bedarfs ist gegeben dann, wenn andere Menschen diesen Bedarf bestimmen. Die Fremdbestimmung überwiegt bei der Bedarfsbestimmung: ganz ausschließlich heteronom bestimmt w i r d der Bedarf bei allen Menschen dieser Erde von der Geburt an bis zu einem bestimmten Reifealter, das innerhalb eines Volkes abhängt von sozialen Momenten und dann von Land zu Land und Volk zu Volk völlig unterschiedlich ist. Säuglinge und Kinder haben aber überall eine heteronome Bedarfsgestaltung. Zu den Kindern kommen andere Gruppen hinzu: die Armee, die Marine, alle Kranken i n Krankenhäusern, die Gefängnisinsassen, Sträflinge, unfreie Menschen überhaupt, Sklaven. Endlich darf nicht vergessen werden der einer Wirtschaft aufgezwungene, aufgenötigte Bedarf, der Zwangsbedarf: dazu gehören Tribute, wo das tributäre V o l k einen Bedarf aufzubringen hat, der nicht von i h m herrührt. W i r können weiter unterscheiden die rationale oder rationalistische und die irrationale oder irrationalistische Enstehung des Güterbedarfs. W i r verwenden das Wort rationalistisch, um damit eine bestimmte Haltung und Einstellung des Menschen zu bezeichnen. Rationalistisch ist das Verhalten,, wenn es ausgerichtet ist auf einen Zweck. Rationalistisch ist zweckbedacht. Diese rationalistische Verhalten hat dann verschiedene Gegensätze, es gibt hier zwei Antithesen: rationalistisch contra irrationalistisch und rationell contra irrationell. Die rationalistische Einstellung ist subjektiv, hier handelt der Mensch so, weil er so und so persönlich eingestellt ist. Das irrationalistische Handeln ist nicht orientiert an Zweckvorstellungen, es kann sein traditionalistisch, indem so gehandelt w i r d , wie immer gehandelt worden ist; hier richtet sich das Verhalten nach der überkommenen Weise oder aber das irrationalistische Verhalten kann sein ganz w i l l kürlich. Von diesem Gegensatzpaar rationalistisch und irrationalistisch ist zu unterscheiden der Gegensatz rationell und irrationell, zweckgemäß und nicht zweckgemäß, zweckungemäß. Hier w i r d das Verhalten beurteilt nach der Beziehung zu einem objektiven Wert, objektivem Zweck. I m Falle des rationalistischen Handelns handelt es sich um eine subjektive Einstellung, das rationelle Verhalten ist orientiert an einem objektiven Sachverhalt oder Zweck. W i r nennen ein Verhalten rationell oder zweckmäßig, wenn es geeignet ist, diesen Zweck zu verwirklichen. Ein Mensch kann sehr rationalistisch, durchaus zweckbedacht eingestellt sein und irrationell handeln und damit die Sache falsch machen; umgekehrt kann er zweckunbedacht sein u n d rationell, 5·
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D e r Güterbedarf
also zweckmäßig, also richtig i m Sinne der Sache handeln. Das Beispiel bietet hier die Kinderernährung: seit undenklichen Zeiten wurde die Stillung des Säuglings bewirkt mit der Muttermilch. Die künstliche Ernährung mit steriler Flaschenmilch ergab sich aus einem rationalistischen, ζwedkbedachten Verhalten: wie machen w i r es am besten, aber der Erfolg war sehr irrationell, sehr unzweckmäßig, während das überkommene, traditonalistische, also irrationalistische Verhalten sehr rationell, zweckmäßig war. Ein Scheckbuch ist rationalistisch, zweckbedacht, aber irrationell, unzweckmäßig, weil es nicht in die Brieftasche hineingeht. Wenden w i r nunmehr die Ergebnisse unserer Betrachtung auf die Entstehung des Güterbedarfs an. Die rationalistische, zweckbedachte, überlegte Bedarfsgestaltung schätzt den Bedarf ab nach Quantum und Quale, nach Menge und A r t der Bedarfsfälle. Der Bedarf w i r d erfaßt als ein Ganzes, es w i r d aufgestellt eine Rangordnung der Bedürfnisse, es werden Bedarfsgrößen ermittelt, und das DeckungsVerhältnis der einzelnen Bedarfsfälle w i r d festgestellt. Jeder öffentliche Haushalt handelt i n der Festsetzung einer Rangordnung der Bedarfsfälle rationalistisch und geht aus von der Gesamtheit der Mittel, die für die Befriedigung des öffentlichen Bedarfs zur Verfügung stehen. W i r d der Bedarf ohne Überlegung, zweckunbedacht, aus beliebigen Gründen heraus gestaltet, so liegt vor die irrationalistische Bedarfsgestaltung. Der Bedarf kann i n einem solchen F a l l so gestaltet werden, wie er bis dahin immer gestaltet worden ist: Familientradition, Nachahmung, soziale Sitten und Gebräuche, Mode, Launenhaftigkeit, alles keine bestimmten Prinzipien, eine völlig zweckunbedachte Bedarfsgestaltung. Erfolgt die Bedarf sgestaltung nach Zwecken überhaupt, so ist sie rationalistisch, ist sie aber einem bestimmten Zwecke gemäß, so ist sie damit rationell. Je nach diesem Zweck ergibt sich eine verschiedene Bedarfsgestaltung: es können das sein sanitäre, kulturelle oder Kriegszwecke. Bei der rationellen Bedarfsentstehung oder Bedarf sgestaltung müssen immer vorliegen irgendwelche objektiven Gestaltungen. Der verschiedene Aufbau der Bedarfsgestaltung hängt ab von den natürlichen Gegebenheiten, den Kulturidealen der Völker und der einzelnen Personen, den Zeitumständen, den historischen Schicksalen der Nationen, vom K l i m a und den Rassen. Die ökonomische Bedarfsgestaltung w i r d immer dann rationell sein, wenn sie Bedarf und Deckung i n Einklang bringt. Bei der Deckung des persönlichen Bedarfs werden sich Rationalismus und Rationalität nicht immer decken: die zweckbedachte Zuweisung der M i t t e l an die Bedarfsfälle kann sehr irrationell erfolgen, indem sie bei der Befriedigung irgendwelcher Süchte und Laster zur Gesundheitsschädigung führen kann.
D i e Grenznutzenlehre
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§ 13. D i e Grenznutzenlehre Die Grenznutzenlehre ist zur Anerkennung gelangt im letzten Menschenalter und hat heute ihre Bedeutung überschritten. Die Grenznutzenlehre geht zurück auf ein Buch des Gelehrten Gossen: „ D i e Gesetze des menschlichen Verkehrs". Erschienen i m Jahre 1854 blieb es zunächst völlig unbeachtet. I m Jahre 1871 tauchten dann die von Gossen vertretenen Gedankengänge auf i n den Werken des Engländers Jevons: „Theorie der politischen Ökonomie", des Deutschen K a r l Menger: „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre". Beide Autoren behaupteten, die Lehre Gossens nicht zu kennen, und beide Autoren nahmen die Priorität der Grenznutzenlehre in Anspruch. A n der Ausbildung dieser hedonistischen Wertlehre war dann die österreichische Schule beteiligt. I n seinem „ G r u n d r i ß der Sozialökonomik", Bd. 1, entwickelt v. Wieser die Grenznutzenlehre und der Nationalökonom von Böhm-Bawerk erörtert die Lehre in seinem bekannten Werk „ K a p i t a l und Kapitalzins". Die Lehre wurde hauptsächlich verbreitet i m Auslande, vor allem i n England. W i r können die Lehre in eine Genuß-, eine Nutzwert- und Kostenwertlehre gliedern. Die Genußlehre bildet die Grundlage der Theorie: die Größe des Genußes nimmt ab mit jedem folgenden Genußakt oder m i t der Wiederholung desselben Genußaktes. So schmeckt das erste Glas Bier am besten, das zweite schon weniger gut. Die verschiedenen Genüsse sind verschieden groß und meßbar. Man könnte jeden Genuß mit einem Zifferkoeffizienten versehen. Man verschafft sich also in Ableitung dieser Einsicht ein M a x i m u m von Genuß, wenn man anhebt mit dem höchst bewerteten Gute a und abbricht den Genuß des Gutes a da, wo er gleichkommt dem Höchstmaß des Genusees vom G u t b, dann übergeht zum Genüsse des Gutes b und beim Genüsse solange verbleibt, bis dieser entspricht dem M a x i m u m des Genusses vom Gute c. Das ist der Inhalt der Genußlehre und auch der Kern der ganzen Grenznutzenlehre: die Genüsse sind verschieden groß, jeder folgende Genußakt eines Gutes gewährt weniger Genuß. W i r können diesen Sachverhalt verdeutlichen in einem Schema mit drei Genußkategorien Α , Β und C. A : 10—9—8—7—, wobei A also das Genußgut, vielleicht Kolleghören ist und die Ziffern die einzelnen Genußakte. Gelangen w i r zu dem Genußkoeffizieten 8 und stellen fest, daß der Genußkoeffizient 8 des Gutes Spazierengehen größer ist als der Genußkoeffizient 8 des Genußgutes Kolleghören, so brechen w i r ab und gehen zum Genuß des Gutes Spazierengehen über. W i r haben dann möglicherweise ini Koeffizienten 9 eine Zone der Indifferenz, indem hier die Genußakte beider Güter beim Koeffizienten 9 gleich sind. Also B: 8—7—6— und dann C: —7—6—5—.
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W i r gehen also zu der nächsten Genußkategorie über, deren erster Genußakt größer ist als der letzte Genußakt der früheren Genußkategorie. Die Nutzwertlehre bezieht sich auf die Sachgutbeschaffung: ein Sachgut hat soviel Wert, als es Genuß gleich Nutzen verschafft: hier handelt es sich u m die Einstellung auf den Nutzwert. Der Wert der einzelnen Stücke einer Sachgutmenge verringert sich m i t der zunehmenden Zahl, d . h . also, daß der Wert abhängig ist von der Menge der Güter, über die w i r verfügen. Hier w i r d also die Genußlehre angewandt auf die Sachgüter: so w i r d Wasser verwendet zum Kochen von Nahrungsmitteln, zum Trinken, Reinigen des Leibes, endlich zum Gießen der Blumen und zuletzt zum Besprengen der Straße: es w i r d zu Nutzzwecken verwendet, die i n einer sinnvollen Stufenfolge einen immer geringeren Nutzkoeffizienten haben. Die Fortschreitung zu immer geringeren Nutzakten des Wassers setzt voraus ein bestimmtes Quantum des Wassers u n d entfällt dort, wo Wasser i m Überfluß vorhanden ist. Bildet die eigentliche Genußlehre die Grundlage der Grenznutzenlehre, so stellt die Nutzwertlehre nichts anderes dar als die Übertragung der Gedanken der Genußlehre auf die Sachgüter, deren Wert hier abhängig gedacht w i r d von der vorhandenen Menge: das M a x i m u m des Nutzens eines Gutes w i r d erzielt, indem sein Verbrauch für einen Zweck A bis zu dem Punkte der Wertlosigkeit erfolgt, um dann zum Zweck Β überzugehen, dessen erster Nutzakt größer ist als der letzte Nutzakt des vorhergehenden Zweckes. Bei der Kostenlehre vermerken w i r folgende Sätze: die Vornahme einer Bewegung i n der Absicht, sich etwas Genußbringendes zu verschaffen, ist Arbeit. Jede Arbeit ist von einem bestimmten Punkte an verbunden m i t Beschwerde: also eine A r t Antigenuß, Antinützlichkeit, D i s u t i l i t y , ein von Jevons eingebürgerter Ausdruck. Der Antinutzen stellt dar den A u f w a n d , der zur Erlangung eines Gutes gemacht werden muß. Der Antinutzen wäre i n der Lage des Robinson auf einer einsamen Insel die Arbeit, i n der modernen Wirtschaft i m Regelfall die Hingabe von Geld, u m andere Güter kaufen zu können. Das Wachsen und Abnehmen der Beschwerde zur Erlangung der Güter findet statt nach eben den Gesetzen wie das Wachsen und Abnehmen des Genußes oder des Nutzens der Güter: bei dem A u f wände, sei es von Arbeit, der Hingabe anderer Güter oder von Geld, nimmt jede folgende Teilquantität an Beschwerde zu. Jeder Zuwachs an Arbeit, an Hingabe von Gütern oder von Geld, w i r d empfindlicher gespürt. Jede folgende Stunde ist schwerer zu arbeiten, die Beschwerde der Arbeit zur Erlangung eines Gutes wächst von Stunde zu Stunde, Ebenso lastet jedes folgende Stück eines hinzugebenden Gutes zur
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Erlangung eines anderen Gutes mit immer wachsendem Gewicht, endlich w i r d jede folgende Mark einer Geldsumme schwerer ausgegeben. Daraus ergibt sich, dafi w i r also imstande sind, durch Arbeit oder Hingabe von Gütern oder endlich von Geld die Summe unseres Lebensgenusses so lange zu erhöhen als der Genuß des Gutes, das w i r erlangt haben durch Arbeit, Hingabe von Gütern oder Geld, höher zu schätzen ist als die durch Arbeit oder die Entbehrung der hingegebenen Güter oder des Geldes verursachte Beschwerde. So w i r d jede Arbeit sinnlos von einem bestimmten Punkt an, es w i r d un profitabel, weiter zu arbeiten, wenn die m i t der Arbeit zu erlangenden Güter i n keinem Verhältnis mehr stehen zu der durch die Arbeit verursachten Beschwerde oder gar den Gesundheitsschaden. Die tatsächliche Bewertung des Aufwandes hängt ab von den M i t teln, über die ein Mensch verfügt: sie ist anders bei einem reichen als bei einem armen Mann. Was bedeutet nun der Grenznutzen? I m Französischen: u t i l i t é marginale, i m Englischen: marginal u i t i l t y . Grenznutzen bedeutet denjenigen Nutzgrad, bei dem die Sättigung abzubrechen ist, damit das M a x i m u m des Genusses gleich Nutzen erzielt werde. Der Grenznutzen erhält sein Maß von der geringsten Verwendungsmöglichkeit unter den verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten eines Sachgutes, die zu befriedigen sind durch einen vorhandenen Vorrat. Nehmen w i r die Bestimmung des Grenznutzens einer Tonne Wasser auf einem Schiff. Hier kann das Wasser für die verschiedensten Zwecke verwendet werden: als Trinkwasser, Kochwasser, zum Reinigen der Menschen, zur Tränkung der Tiere, zur Pflege der Blumen oder zum Reinigen des Schiffes. Jeder Zweck hat eine verschieden hohe Bedeutung. Geht eine Tonne Wasser über Bord, so steigt der Grenznutzen, weil jetzt ein höher bewerteter Nutzeffekt mit der Verwendung der letztverwerteten Tonne verbunden ist. Je mehr Tonnen da sind, desto minderwertigere Zwecke können m i t dem Wasser erfüllt werden. Der Wert des gesamten Vorrates eines Gutes w i r d bestimmt m i t H i l f e des Grenznutzens. Bald w i r d der Gesamtwert bestimmt durch M u l t i p l i k a t i o n des Grenznutzens m i t der Zahl der Einheiten, bald durch Summierung der Nutzeffekte der einzelnen Teile. Dies ist die Auffassung nach Böhm-Bawerk. Hinsichtlich der K r i t i k der Grenznutzenlehre mag zunächst der unberechtigte V o r w u r f zurückgewiesen werden, daß die Lehre nur den Verwendungswert, aber nicht berücksichtige den Beschaffungswert: die positiven Teile der Lehre, die Genuß- und Nutzlehre werden ergänzt durch den negativen Teil der Kostenlehre. Keine K r i t i k berücksichtigt den Erkenntniswert der Lehre. Hinsichtlich des Erkenntniswertes der Lehre lassen sich folgende Einwendungen zusammenstellen:
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D e r Güterbedarf
1. Bei dem Komplex der sachlichen Richtigkeit der psychologischen Grundlagen der Grenznutzenlehre können w i r tatsächlich einen sinnvollen Zusammenhang i n der Zahl der Genußakte überhaupt insoweit feststellen, als das Anwachsen der Zahl der einzelnen Genußakte zur Folge hat eine Abnahme des Genusses, die sogar i n einzelnen Genüssen bis zum Ekel und Widerwillen gehen kann: w i r sprechen dann von Ubersättigung. Auch erreicht jede Arbeitsbeschwerde bei einer pausenlosen Durchführung i n einer zeitlichen Skala ansteigender Arbeitspein jenen letzten Punkt äußersten Widerwillens, der i m Regelfall der Beginn der gesundheitlichen Schädigung ist. I n einer ganzen Reihe von Fällen lassen sich aber diese psychologischen Tatsachen nicht feststellen: so stellen w i r bei der Sammelleidenschaft kein abnehmendes Interesse fest bei jedem neuen Stück einer Sammlung: ganz i m Gegenteil, m i t jedem neuen Erwerb eines Stückes nimmt das Interesse des Sammlers zu. Man denke an Briefmarkensammler, an Münzsammler oder die Sammler kostbarer Pretiosen. Der Sammler erlebt den höchsten Genuß nicht beim ersten Stück, sondern beim letzten Stück seiner Serie von Marken. M i t jeder neuen Pretiose, jedem neuen Stück einer Vasensammlung wächst der Genuß. Niemals kann hier die Rede sein von Sättigungsgraden oder einer Ubersättigung. Beim geizigen Menschen ist das Geld zum Sammlungsobjekt geworden, er hat das Organ dafür verloren, daß „usus pecuniae est in emissione ipsius (Der Gebrauch des Geldes besteht i m Ausgeben)". Auch i m pathologischen F a l l des geizigen Menschen kann keine Rede davon sein, daß die anwachsende Geldmenge eine Abnahme des Genusses bis zum völligen Widerwillen bewirkt. Die Grenznutzenlehre vergißt auch die Besitzsucht, das pathologische Streben nach einem Mehr der Güter, die Pleonaxia: hier hat das Plus keinen geringeren Wert. Endlich liegt eine gewisse W i l l k ü r darin, einzelne Güter in ihrem Nutzen und Wert zu bestimmen nach dem letzen Gut einer Menge, weil hier die Größe w i l l k ü r l i c h festgesetzt w i r d : wann liegt ein zweiler und dritter Genußakt vor? Nach dem Genuß eines Becher Bieres, eines halben oder ganzen Liters? I n dem Nacheinander der Genußakte ergibt sich damit eine gewisse W i l l k ü r . Das alles betrifft die sachliche Richtigkeit der Lehre. Nehmen w i r sie i m allgemeinen als richtig an. so erhebt sich zweitens die Frage nach der Richtigkeit des inhaltlichen Kerns, der Struktur der Lehre. 2. Hier handelt es sich um die Bestimmung der Nutzkomputation, der Bewertung überhaupt: die Nutzbewertung w i r d abhängig gemacht von bestimmten Gefühlen. Die Bezugnahme auf die Lehre Gustav Fechners von dem Schwellenwert der Gefühle ist völlig abwegig: die Gefühle stellen keine meßbaren Größen dar und ermangeln somit
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einer berechenbaren Grundlage für die Bestimmung des Nutzeffektes eines Gutes. Die Bewertung der Sachgüter orientiert sich an der Geldgröße: w i r können nur Kalkulationen anstellen, indem w i r die Geldgroße einsetzen. N u r in der Geldgröße drücken w i r aus die Nutzgröße eines Gutes. Die Bezugnahme auf Gefühle bei der Bewertung der Güter ermangelt jeder Meßbarkeit: bei der Bewertung können w i r die Güter niemals vergleichen und abwerten an dem unbestimmten Maßstab der persönlichen Gefühle. Wie lassen sich da Anzüge. Schuhe oder Brot auf den Gefühlsnenner bringen? Haben ein paar Schuhe nun den Wert von zwei oder drei Hüten für uns? W i r würden die A n t w o r t immer weiter hinausschieben und kämen auf immer weitere Güter. Die Abwägung von Nutzmöglichkeiten ist nur möglich mit der Geldgröße: die Nutzkomputation muß aus dem Bereich der nicht meßbaren und völlig willkürlichen Gefühlsbestände übertragen werden in den klaren Bereich des Geldes. Es ensteht die Frage nach dem Geltungswert der Lehre. D a stellen w i r eindeutig fest, daß in der wirtschaftlichen Wirklichkeit das Verhalten der wirtschaftenden Menschen nicht bestimmt w i r d von der Grenznutzen lehre. Die Grundlage des Wirtschaftslebens bilden nicht die unbestimmten Gefühle und Erwägungen des Grenznutzens, sondern in jeder Kalkulation die Geldgrößen und weithin irrationale Momente. Die Gesamtheit des Wirtschaftslebens läßt sich nicht zurückführen auf rationale Erwägungen. Bei der Klärung der wirtschaftlichen Zusammenhänge muß die Grenznutzenlehre als kausaler Faktor ausscheiden. Hat die Grenznutzenlehre nun gar keinen Wert? I n der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens kann der bewußt planende Kaufmann eeine Absatzgestaltung sehr w o h l m i t Erfolg orientieren am Grenznutzen, indem er erkennt, daß das Überangebot einer bestimmten Warengattung auf die Preisgestaltung insoweit einwirkt, als hohe Preise nur bestimmte Käuferschichten zum K a u f veranlassen, und die Massen der Käufer mit geringem Einkommen vom Kaufe abhalten. W i l l der Kaufmann den Bestand dieser Warengattung also an den Mann bringen, so muß er wohl oder übel die Preise fortlaufend senken. Andererseits kann er natürlich von vornherein den Warenvorrat so niedrig halten, daß er ihn m i t Bestimmtheit an die vermögenden Käuferschichten verkaufen kann. Auch die Nutzbewertung der einzelnen Güter k a n n orientiert werden am Grenznutzen, indem ein Kaufmann vielleicht, i n der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens gewiß sehr selten, erwägt, daß die Verkaufsmöglichkeiten der Güter sehr unterschiedlich sind i m Hinblick auf die im allgemeinen doch richtigen psychologischen Grundlagen der Grenznutzenlehre: antike Vasen oder kostbare Gemälde lassen sich schwerer verkaufen als Zigaretten oder fran-
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zösischer Wein. E i n Kaufmann könnte die Erwägung, daß die vorhandene Menge einer Warengattung die Höhe des Grenzwertes bestimmt, als Grundlage i n der K a l k u l a t i o n des Absatzes benutzen. Endlich k a n n die Grenznutzenlehre als ein rationales Schema dienen zum besseren Verständnis der Wirklichkeit. Der Volkswirt und Theoretiker können die Grenznutzenlehre benutzen, u m daran die Wirklichkeit zu messen. Stehen w i r einer wirklichen Preisgestaltung gegenüber, so erkennen w i r , daß 1000 Momente den Preis bestimmen: ein rationales Schema wie die Grenznutzenlehre kann hier zum Ausgangspunkt einer Vergleichung dienen und i n dem unübersichtlichen Geflecht der Zusammenhänge eine erste Ordnung schaffen: w i r können fragen: wie hätten sich die Preise gestaltet, wenn die Menschen ihr Verhalten am Grenznutzen orientiert hätten? W i r kommen dann zu einer f i k t i v e n Preisgestaltung und eröffnen uns bessere Verstehensmöglichkeiten für die irrationalen Momente des Preises beim Vergleich m i t dem wirklichen Preisniveau. Indessen bleibt der Wert der Grenznutzenlehre auch so recht fragwürdig und ihr Erkenntnis wert sdir bedingt.
Viertes
Kapitel
Die Gütererzeugung: I. Der Hergang § 14. D i e Produktion im Allgemeinen Das Wirtschaftsleben vollzieht sich i n dem zwangsläufigen Kreislauf der Beschaffung, des Transports und des Verzehrs der Güter. Die Lehre vom Güterbedarf bildet hier einen E n d p u n k t des Kreislaufs. W i e beschaffen w i r uns nun die Güter, die w i r gebrauchen, verbrauchen und verzehren wollen? Der heutige Mensch k a u f t diese Güter m i t dem Geld. Diese Beschaffung der Güter durch den einzelnen Menschen ist nicht zu verwechseln m i t der Beschaffung der Güter durch die Gesamtheit der wirtschaftenden Menschen. Wenn w i r uns Güter verschaffen, so bildet die Existenz dieser Güter schon die Voraussetzung: w i r können nur Güter kaufen, die schon da sind. Das Kaufen der Güter kann keine Beschaffungsart bilden vom Standpunkt der Gesamtheit. Auch der Diebstahl der Güter bildet keine ursprüngliche Beschaffungsart: auch das Stehlen setzt das Vorhandensein der Güter schon voraus. Es handelt sich i n diesem K a p i t e l nicht um die Frage, wie w i r i n den Besitz der Güter gelangen, sondern um die Entstehung der Güter. Wie entstehen die Güter überhaupt, wie kommt die Gesamtheit eines Volkes i n den Besitz von Gütern? Das ist hier die Frage. W i r wissen, daß alle Wirtschaft so verläuft, daß der Güterbedarf, der gedeckt werden muß, die Gütermenge, deren der Mensch bedarf, herbeigeschafft werden muß. Der normale F a l l der Güterbeschaffung ist die Gütererzeugung, die Produktion. Der primäre F a l l der Güterbeschaffung ist die Okkupation, die Güterergreifung: das ist eine Form der primitiven Wirtschaft gewesen; hier sprechen w i r geradezu von Sammlern. N u n liegt aber auch bei diesem Sammeln eine A r t von Güterbeschaffung vor, die sie der Produktion anähnelt. Das t r i f f t zu vor allem bei der Jagd und dem Fischfang, die m i t dieser Sammeltätigkeit i m Regelfall einhergehen. Hier müssen die erjagten Tiere irgendwie für den menschlichen Verzehr zubereitet werden, aber auch schon bei den gesammelten Produkten von Wurzeln und Knollen greift die formende Hand des Menschen irgendwie ein.
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D i e Gütererzeugung: I. D e r Hergang
Wenn w i r sprechen von Produktion schlechthin, müssen w i r uns klar machen, daß w i r eine Abstraktion vornehmen. Die Produktion ist immer Produktion von Etwas, bestimmte Sachdingsgestaltung. Produktion ist immer Produktion in ganz bestimmten Formen, eine bestimmt gestaltete Produktion: es werden produziert Brot und Schuhe, Häuser und Maschinen. Die Produktion schlechthin gibt es i n keiner Wirtschaft. Aber eine solche Abstraktion der Produktion nach Inhalt und Form ist durchaus möglich, indem w i r diejenigen Erscheinungen von den tatsächlichen Vorgängen der Produktion abziehen, die überall und immer wiederkehren, wo produziert wird. Diese sich stets gleichbleibenden und i n aller menschlichen Produktion wiederkehrenden Züge und Bedingungen, die also gemeinsam sind aller Produktion zu allen Zeiten und bei allen Völkern, heben w i r heraus. Das ist eine zulässige und gleichzeitig notwendige Vornahme, weil sie die Vorbedingung schafft für das Verständnis der verschiedenen Gestaltungen der Produktion; sie befreit uns nämlich von der Notwendigkeit, i n den Untersuchungen über die Eigenarten historisch bestimmter Produktionen, sei es der HandwerksWirtschaft, der FronhofWirtschaft oder des Kapitalismus und Kommunismus, die allgemeinen Züge aller Produktion i n die historisch gestaltete Produktion hineinzutragen und damit ein völlig falsches B i l d der Eigenart der untersuchten Wirtschaft zu erhalten. Es ist der Sinn dieser allgemeinen Wirtschaftsbetrachtung, daß w i r nach den immer wiederkehrenden Elementen suchen, die für alle menschliche Produktion gültigen Aussagen machen, eine Reihe von Erscheinungen vor die Klammer setzen. Produktion als allgemein ökonomische Kategorie ist die Abstraktion von allen diesen Besonderheiten, die entweder i m Sachgut oder der sozialen Organisation historischer, zeitlich begrenzter, streng bestimmter Produktionen liegen. Was ist nun diese Produktion oder Gütererzeugung? Wenn w i r sprechen von Gütererzeugung, so nehmen w i r den M u n d zu voll. Eine Gütererzeugung gibt es nicht. Der Mensch kann den vorhandenen Stoff dieser Erde und des Universums weder vermehren noch vermindern, er kann keine Materie aus dem Nichts stampfen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit bleibt sich gleich die Masse des vorhandenen Stoffes in seinen vielfältigen Arten und die Masse der vorhandenen Energien, der Urkräfte und Sonderkräfte. Der Mensch k a n n nichts erzeugen, weil er kein Gott ist. Der Mensch kann die vorhandenen Stoffe und Kräfte nur umformen, damit sie Gutsqualität annehmen. Bei der Produktion handelt es sich also immer nur um eine Umformung bereits vorhandener Stoffe und Kräfte, um eine Einflußnahme des Menschen in der Richtung auf eine Umgestaltung der Stoffe und Kräfte. Indem wir nun die menschliche Einflnßnahme
D i e P r o d u k t i o n i m Allgemeinen
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auf die dargebotenen Stoffe und Kräfte der Welt verfolgen, machen w i r die interessante Beobachtung, daß der Mensch lediglich Bewegungen ausführt: der Mensch bewegt seine Gliedmaßen i n zweckentsprechender Weise, um die Umwandlung der Naturbestandteile in Sachgüter vorzunehmen. Das Umformen und Herrichten der Stoffe und Kräfte läßt sich letzten Endes erkennen als menschliche Bewegung. Der Mensch bewegt die Stoffe i n zweckdienlicher Weise, er bringt ein D i n g dem anderen Dinge nahe: der Mensch bewegt die Weizenkörner, er legt sie als Saat i n den Boclen. Die Körner selbst hat er nicht geschaffen, die waren immer da, lange vor seiner eigenen Entstehung bzw. Erschaffung. Der Mensch leitet die K r a f t des fallenden Wassers über das Mühlrad. Auch diese K r a f t fallender Wasser war immer da, der Mensch hat weder das Wasser aus dem Nichts gerufen, noch hat er die Schwerkraft geschaffen. Der Mensch kann Staudämme bauen, u m diese Schwerkraft zu benutzen. Auch dabei bewegt er nur vorhandene Erdmassen. Er bewegt die Säge am Baum und benutzt die Schwerkraft des fallenden Baumes beim Bäumefällen; er bewegt den Funken zum Brennmaterial hin, u m es in Flammen zu setzen. Weder das Brennmaterial noch den Funken hat er geschaffen oder erzeugt, das Feuer war immer da, lange vor allem Menschentum, der Mensch bewegt zwei trockene Hölzer aneinander, um durch Reiben den Funken aufspringen zu lassen; der Mensch entdeckt, daß seine schlagende Bewegung am Feuerstein Funken entstehen läßt. So löst sich alle Gütererzeugung auf in einer elementaren Bewegung, die w i r vornehmen an äußeren Dingen, die schon da sind. Der Italiener Verdi hat 1771 ausgesprochen, keine Kreatione, sondern Modifikatione, acostare und separare, nähern und trennen. John Stuart M i l l hat das weiter ausgeführt. Annähern und Trennen sind die einzigen Elemente, auf die man stößt, wenn man die Idee der Produktion analysiert. Produzieren ist Bewegung. Alle Produktion geht aus vom Menschen; sie beruht auf einer zweckmäßigen menschlichen Tätigkeit. Jeder Produktionsprozeß ist notwendig ein Arbeitsprozeß: er besteht in einer zweckmäßigen menschlichen Tätigkeit zur Herstellung von wirtschaftlichen Gütern, er ist niemals ein Naturprozeß. Jeder Produktionsakt ist also ein K u l t u r a k t i m Gegensatz zum Naturakt. Deshalb ist die Wirtschaftswissenschaft eine Geistwissenschaft und gehört zu den Kulturwissenschaften. Immer bleibt der Vorgang, den w i r Gütererzeugung oder Produktion nennen, bezogen auf den Menschen. Jeder Produktionsvornahme ist Arbeit, zweckvolle menschliche Betätigung zur Herbeiführung eines Erfolges i m Sinne der Unterhaltsfürsorge. Der Arbeitsprozeß ist ein Ausfluß spezifisch menschlicher Tätigkeit. Aus der Tatsache, daß keine Produktion ohne mensch-
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lidie Arbeit möglich ist, läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß die Arbeit die Quelle allen Reichtums sei. Das ist eine törichte Ansicht, w e i l nämlich die Sachgüter hergestellt werden m i t menschlicher A r beit, aber nie entstehen ohne die H i l f e der Natur: die Natur bietet die Stoffe und Kräfte dar, die der Mensch in zweckdienlicher Weise bewegt, u m sie so mit seiner Arbeit zu Sachgütern zu formen. Die M i t w i r k u n g der Natur ist notwendig, es handelt sich immer um ein Zusammenwirken beider. Es ist falsch zu sagen, die menschliche Arbeit sei die einzige Quelle des Reichtums. Die menschliche Arbeit kann nur zusammenwirken m i t der Natur. Natur und Arbeit bilden die beiden Produktionsfaktoren. Von der Ergiebigkeit der Natur und Arbeit hängt ab der Produktionsprozeß. Die Natur ist die Mutter, die Arbeit der Vater, aus deren Zusammenwirken die Sachgüter entstehen (labor u n d natura oder terra). Hierbei ist es bei uns eine völkerpsychologische Eigenart, daß die Arbeit weiblichen Geschlechts ist. δ 15. D i e Elemente der Produktion N u n fragen w i r nach den Elementen, die der Produktion als solcher eigen sind, nachdem w i r sie i m allgemeinen betrachtet haben. D a finden w i r in jeder Produktion, i n jedem Produktionsvorgang vor drei Bestandteile: 1. Die Wirtschaftsgesinnung, den subjektiven Geist. 2. Die Organisation, die selbstgeschaffene Ordnung. 3. Die Technik, das Verfahren. I n jedem Produktionsakt treffen w i r eine bestimmte Gesinnung, den subjektiven Geist an. Das menschliche Handeln ist ein Handeln nach Zwecken, also ein vernünftiges Handeln. Das Handeln unter dem Gesichtspunkt des Zweckes ist ein vernünftiges Handeln. N u r der Mensch handelt nach Zwecken und t r i t t damit aus der Naturkausalität heraus, stellt sich der Welt gegenüber und schafft m i t der K u l t u r welt eine zweite Welt neben der Welt der Natur. Die Verwirklichung menschlicher Zwecke erfolgt i m Produktionsakt. Keine Biene hat den Wabenbau vorher als Plan i m Kopf, sie baut aus ihrem Instinkt heraus wie jedes andere Tier seine Höhle oder sein Nest; der Mensch baut sein Haus nach einem Bauplan, den er als Zwecksetzung vorher in seinem K o p f herumträgt, den er vorher auf seine Zweckmäßigkeit h i n erwägt, abändert, umgestaltet oder bewußt nachahmt. Der allgemeine Sinn der Produktion ist die Unterhaltsfürsorge, es werden Sachgüter erzeugt, weil der Mensch einen Bedarf an Sachgütern, Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken, Waffen und Häusern hat. Dieser allgemeine Sinn der Produktion als Unterhaltsfürsorge überhaupt ist
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nun nicht zu verwechseln m i t dem unmittelbaren Zweck, dem die Gütererzeugung dienen soll: dieser unmittelbare Zweck der Gütererzeugung i n jeder urwüchsigen Wirtschaft und einer Bauernwirtschaft alten Stils ist gegeben m i t der Deckung des eigenen Bedarfs, dieser Zweck besteht auf entwickelten Wirtschaftsstufen darin, einen fremden Bedarf zu befriedigen, während die kapitalistische W i r t schaft m i t der Güterherstellung Geld verdienen, einen Gewinn erzielen w i l l . Stellen w i r uns vor einen beliebigen Erzeugungsprozeß, sehen w i r hinein i n einen Bauernhof, eine Werkstatt, eine Fabrik, so werden w i r auf jene drei Elemente der Wirtschaftsgesinnung, der Ordnung und einer bestimmten Technik stoßen. Hinsichtlich der Wirtschaftsgesinnung oder des subjektiven Geistes stellen w i r fest, daß jeder Produzent geleitet w i r d von bestimmten Grundsätzen: der Mensch handelt nach Zwecken und produziert auch unter dem Gesichtspunkt von Zwecksetzungen; sein Handeln ist also i m Regelfall vernünftig, weil teleologisch eingestellt. Der Bauer k a n n nun seinen Ochsen so anspannen, wie es ihn der Vater gelehrt hat, der dieses Anspannen wieder von seinem Vater übernommen bekam. Der Mensch kann in bestimmten Arbeits Verrichtungen grundsätzlich so handeln, wie seine Vorfahren seit Jahrtausenden handelten: das ist ein Handeln nach dem Herkommen, nach der Tradition, und China bildet hier das klassische Beispiel. Der Bauer kann sich aber abwenden von diesem traditionalistischen Verhalten und die Frage aufwerfen, ob seine Vorfahren denn die Ochsen richtig, zweckmäßig angespannt haben, so anspannten, daß sie die größte Zugkraft entwickelten, i n ihrer K r a f t und Gesundheit nicht geschädigt wurden. E i n Handeln, das sich nicht gebunden erachtet an die Regeln der Tradition und die Vätersitte ablehnt, um sich zu orientieren an dem Zweckgesichtspunkt, nennen w i r rationalistisch. Das zweite Element, das gefunden w i r d in jeder Wirtschaft, ist die Ordnung. Das wirtschaftliche Handeln ist notwendig ein geordnetes Handeln, es erfolgt überall i m Banne einer Ordnung. Die W i r t schaftsordnung umschließt die Gesamtheit der wirtschaftenden Menschen, soweit Ordnung herrscht, w i r d das Wirtschaftsleben gestaltet. D a die menschliche Arbeit eine gesellschaftliche Tatsache ist, muß sie unter einer bestimmten Ordnung stehen. Sobald mehrere Menschen zusammenwirken an einem Werk, müssen sie ihre Tätigkeit orientieren an einem objektivierten Plan. Der einzelne Arbeiter kann bei seiner einsamen Arbeit seinen Arbeitsplan für sich behalten, er muß ihn aber mündlich oder schriftlich seinem Gehilfen oder Gesellen mitteilen. D o r t , wo Menschen zusammenhandeln, müssen sie nach einem objektivierten Plan, einer Ordnung handeln. Es gibt kein Gemein-
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schaftshandeln der Menschen ohne Plan, ohne Ordnung. Das einem bestimmten Sinngehalt nach aufeinander eingestellte Verhalten mehrerer Menschen orientiert sich an objektiven Ordnungen, an versachlichtem Geist. Die Wirtschaft ist hier nur ein Spezialfall. Die Ordnung kann verschiedener H e r k u n f t sein: es kann sich handeln um die Rechtsordnung, die Zunft-, Konventional- oder Sittenordnung, um Gebote, Verbote, Normen, die dem Produzenten auferlegt werden von außen, oder die er sich selber schafft; damit w i r d die selbstgeschaffene Ordnung zur Organisation. Solche Organisationen sind notwendig bei jeder Gütererzeugung. Die Organisationseinheiten, die dabei entstehen, nennen w i r Betriebe. Spielt sich der Güterbedarf ab in Haushaltseinheiten, so erfolgt die Gütererzeugung i n Betrieben. Der Betrieb ist die wichtigste Wirtschaftskategorie, ein zentraler Begriff. Alle produktive Tätigkeit nehmen die Menschen vor i n Betrieben: Hochschulen, Schulen, Fabriken, Werkstätten, Büros sind Betriebe. Das alles sind Veranstaltungen zum Zwecke fortgesetzter Werkverrichtung. Vergegenwärtigen w i r uns die Arbeit der Menschen: bei einem Unglücksfall w r erden eine Anzahl von Personen zeitweilig zusammengefaßt zu einer Einheit, um bestimmte Funktionen zu verrichten: der eine läuft zur Unfallstation, der andere holt einen Wagen, ein dritter benachrichtigt das Unfallkommando. Ist alles erledigt, so gehen die Leute wieder ihres Weges, ein jeglicher Mensch zu seinem Tagewerk oder seinem Vergnügen. Hier liegt ein Betrieb also nicht vor. Die gesamte menschliche Tätigkeit ist organisiert i n Betrieben, i n Einheiten, in denen Tätigkeiten ausgeführt werden: Betriebe sind Veranstaltungen zum Zwecke fortgesetzter Werkverrichtung. Das beste K r i t e r i u m zur Bestimmung der Einheit des Betriebes dürfte die Einheit der Betriebsordnung sein. Alle Bankfilialen bilden einen Betrieb zusammen mit der Hauptbank, alle Abteilungen einer Fabrik bilden einen einzigen Betrieb: das Kabelwerk zusammen mit dem Glühlampenwerk, das Warenhaus m i t seinen Abteilungen. Ein Betrieb reicht soweit wie eine Betriebsordnung reicht. — I n aller Produktion w i r d angewendet ein bestimmtes Verfahren, eine bestimmte Technik. Die Technik bildet also den dritten Faktor neben der Wirtschaftsgesinnung und der Ordnung in aller W i r t schaft der Menschen. Unter Technik i m weiteren Sinne sind zu verstehen alle Verfahrungsweisen, M i t t e l zur Durchführung eines bestimmten Zweckes. Verfahren bedeutet den Inbegriff der M i t t e l zur Verwirklichung eines bestimmten Zweckes. Solche Verfahrensweisen finden w i r i n allen Zweigen menschlichen Tuns: w i r sprechen von einer Gesangstechnik und verstehen Regeln über das richtige Atmen, über bestimmte Körperhaltungen, bestimmte Übungen; hier handelt
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es sidi u m M i t t e l geistiger Natur, es werden bestimmte Verhaltungsmaßregeln festgesetzt. Es ist i n diesem Sinnzusammenhang zu denken an die Techniken der indischen Yogi zur Erreichung eines Zustandes der Heiligkeit, eines erhöhten Lebensgefühls, Glückgei uhls, das nahekommt oder auch erreicht den Zustand einer völligen Entrücktheit i n Verbindung m i t Hellsichtigkeit. Die Mittel, das vorgeschriebene Verfahren werden gelehrt und bestehen i n bestimmten Atemtechniken u n d geistigen Exerzitien wie sie auch die Jesuiten kennen zur geistigen Disziplinierung. Es ist hier an den Mentalpositivismus von Oscar Schellbach zu denken, dem genialen Erfolgsplaner in Europa, der i n seinem epochemachenden W e r k : „Mein Erfolgssystem" eine durchdachte Fülle von Regeln und Verhaltungsmaßregeln zur Erzielung eines Optimismus von Lebenserfolg zusammengefaßt hat, ein Werk, das ich Ihnen, vor allem den ersten Semestern, w a r m ans Herz lege. Alle diese geistigen Verfahren bedürfen keiner weiteren Hilfsmittel. I m Bereich der Instrumentaltechnik w i r d das Verfahren dadurch gekennzeichnet, daß es irgendwelcher Mithilfe von Sachdingen bedarf, um den Zweck zu verwirklichen. Die meiste Technik bedient sich der Dinge der äußeren Natur: es werden äußere Dinge der Natur benutzt, um den Erfolg herbeizuführen. Die Eigenart der Instrumentaltechnik besteht darin, daß die Nutzung von Sachdingen die Regel bildet; die menschlichen Verfahrensweisen bedienen sich der Sachdinge, der Instrumente: so kann i n das zunächst rein geistige Verfahren der Gesangstechnik m i t ihren Regeln und Vorschriften zur Erzielung einer guten Stimme eingebaut werden eine Stimmgabel, also ein Instrument, so hat Oscar Schellbach eingebaut i n sein Erfolgssystem das Grammophon, eine Sprechmaschine, ein Instrument also. Der Begriff der Technik setzt voraus Zweckbestimmtheit, die Verwendung von Mitteln i n Hinsicht auf einen bestimmten Zweck. Der Mensch hat sich Sachdinge geschaffen, um damit seine Zwecke zu erreichen; der Mensch ist ein tool making animal, ein Werkzeug machendes Tier; das ist eine Eigenschaft, ein spezifisches Merkmal des Menschen, was i h n unterscheidet vom Tier. Der Mensch stellt Werkzeuge her, Sachdinge zur Erleichterung seiner Arbeit, Mittel, die er zwischen sich u n d den Arbeitsgegenstand schiebt: so w i r d aus der menschlichen Faust der Hammer, eine gehärtete Faust: es handelt sich bei allen Werkzeugen u m die Projizierung menschlicher Organe in die Sachwelt. Auch Waffen gehören zu den Werkzeugen. Hier liegt eine Versachlichung vor. Unter ökonomischer Technik verstehen w i r die zur Gütererzeugung einschließlich des Gütertransports dienende Technik. Das ist die allgemeine Wirtschaftstechnik. Die Handelstechnik, 6
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Banktechnik, Börsentechnik bilden historische Erscheinungsformen der Wirtschaft. Innerhalb der Technik überhaupt bildet die ökonomische Technik einen bestimmten Bereich, indem sie lediglich der Gütererzeugung und dem Transport dient. Die Schießtechnik des Militärs, die Flugtechnik gehören nicht znr ökonomischen Technik. Hier werden die von der Wirtschaft gelieferten Dinge benutzt. Die Flugtechnik hat zur Voraussetzung bestimmte Instrumente, die Flugzeuge. Die Herstellung bestimmter Materialien zum Erbauen der Flugzeuge, der Motoren, ist die Voraussetzung für das Fliegen. Die hohe Entwicklung der musikalischen Technik hat Instrumente zur Voraussetzung, die die Töne i n besonderer Fülle und Nüancierung erzeugen. Überall stoßen w i r auf die ökonomische Technik als die Grundlage, auf der sich die anderen Techniken erheben. Hinsichtlich des Charakters der Produktionstechnik sind verschiedene Möglichkeiten zu erwägen: die Technik kann empirisch und wissenschaftlich gestaltet sein. Empirisch soll heißen eine Technik, die beruht auf Erfahrungen, die der Mensch machte bei der Anwendung der Technik. Man hat die Erfahrung gemacht, daß Traubensaft, der eine gewisse Zeit i n Fässern unter Verschluß gehalten wird, Wein entwickelt. Der Mensch macht die Erfahrung, daß sich aus vorgefundenen Stoffen Farben herstellen lassen. Die Erfahrung selber, das Probieren u n d Hantieren bildet die Grundlage, auf der sich die empirische Technik aufbaut. Der Mensch weiß, wie es gemacht w i r d , er weiß aber nicht, warum es so gemacht w i r d : er schmilzt aus Erzen das Eisen, ohne eine eigentliche Kenntnis des Verbrennungsprozesses. Die Ursachen des Gärungsprozesses sieht er erst ein, wenn er sein Verfahren auf die wissenschaftliche Grundlage stellt. Das wissenschaftliche Verfahren beruht auf der Erkenntnis der Naturgesetze: jetzt weiß der Mensch, warum Holz i m Wasser nicht fault. Die empirische Technik probiert, die wissens d i a f t l i che Technik studiert. Sobald der Mensch mit dem wissenschaftlichen Verfahren die Kenntnis der Naturvorgänge erlangt hat, vermag er einzusehen, w a r u m bestimmte Verrichtungen so vollzogen werden müssen, damit ein bestimmter Erfolg eintritt. Während der frühere Mensch die Naturzusammenhänge beobachtete, danach sein Verhalten einrichtete, durchschaut der moderne Mensch die Zusammenhänge. Bei der Pest machte der Mensch die Erfahrung, daß die Berührung des Pestkranken zur Ansteckung führe, er vermied also die Berührung, er bediente sich phantastischer Gewänder, Gesichtsmasken beim Abtransport der an der Pest Verstorbenen; dann machte er die Erfahrung, daß auch der Aufenthalt in einem Krankenzimmer die Ansteckung verursache, er begann mit Wacholderkräutern zu räuchern. Die Ursachen der A n -
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steckungsmöglichkeiten kannte er nicht, von Viren, Bakterien, von Staphylokokken, Streptokokken usw. wußte er nichts. Die medizinische Wissenschaft kennt heute die Asepsis, die Masse der Desinfektionsmittel und die A n t i b i o t i k a und Sulfonamide. Der moderne Mensch kennt die Verbrennungsvorgänge, er weiß um die Ursachen der Gährung. Ich weiß, ich weiß, ich weiß, diese Worte stehen über unserer Zeit. Das die moderne Technik kennzeichnende wissenschaftliche Verfahren ist ein Erzeugnis des 19. Jahrhunderts. Die beiden Gegensatzpaare sind stationär und revolutionär: i m ersten F a l l bleibt die Technik durch lange Zeiträume hindurch gleich, ohne sich zu verändern. Das auf der Erfahrung beruhende, das empirische Verfahren ändert sich nur langsam, es ändert sich nur durch Zufälle. Solange das Verfahren i m Empirischen, i m Erfahrungsmäßigen sich bewegt, ist alles Erfinden ein zufälliges Finden, ein Glücksfall, eine Gnade. Die empirische Technik w i r d von dem Menschen nicht beherrscht i m Sinne einer Oberherrschaft. Erst die wissenschaftliche Grundlage der Technik, die entwickelte Naturwissenschaft macht den Menschen zum Herrscher über die Natur und zum wissenden Lenker und Beherrscher seiner Technik. N u n kann der Mensch prüfen, ob das Verfahren richtig ist. So kommt das Erfinden in die Welt. Hier und dort finden w i r Ansätze von Erfindungen in der Antike, aber i n einem ganz verschwindenden Umfange. Dadurch daß systematisch erfunden wird, ändert sich die Technik unausgesetzt. Die Technik w i r d revolutionär, während die empirische Technik stationär, unveränderlich war. Nicht bloß die Sachtechnik, die sich der Instrumente, Werkzeuge, Maschinen bedient, auch die Arbeitstechnik, deren Verfahren ausschließlich beruht auf einer bestimmten Gestaltung der Arbeit, w i r d mit dem Fließband und der Rationalisierung der Arbeits Verrichtungen mit der Festlegung aller Handgriffe bei einer von Menschenhand vollzogenen Arbeit, der Erforschung der Ermüdungserscheinungen durchaus revolutionär. Jedes Verfahren ist heute einer unausgesetzten Umwandlung unterworfen. Diese Eigenart der modernen Technik, sich i n unberechenbarer Verwandlungsgeschwindigkeit unausgesetzt zu verändern, immer neue „technische Revolutionen" aus dem Geiste ihrer Erfinder, Entdecker, Techniker und Ingenieure sowie Architekten hervorzutreiben, w i r d allein ermöglicht durch die Einsicht i n die Naturzusammenhänge. Das Eindringen der Naturwissenschaft in die Bereiche der Technik stellt neben dem Koksverfahren, das entschied über die Entwicklungsfähigkeit der Eisenindustrie, das zweite große Ereignis des ausgehenden 18. und beginenden 19. Jahrhunderts dar. A l l e frühere Technik, so Wunderbares sie auch geleistet hatte, war eben empirisch gewesen, beruhte auf der persönlichen Erfahrung, die von Meister 6
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zu Meister, von Geschlecht zu Geschlecht durch die ebenso persönliche Lehre übertragen worden war. Von den Göttern, so glaubte man, w a r die als ein wunderbares Geheimnis erscheinende Kunst den ersten Menschen überliefert worden, die sie nun als ein kostbares Vermächtnis ihren Söhnen weiter gaben. Dankbar nahm man hin, was die Natur i n unerforschlichem W i r k e n den arbeitenden Menschen darbot; in ihre Mysterien einzudringen, lag allen früheren Kulturen fern. Man wußte, welche Handgriffe man anzuwenden hatte, um die Wolle zu verspinnen, die Brücken zu bauen, das Eisenerz zu schmelzen; damit begnügte man sidi. Als besonders glückliche Fügung pries man es, wenn jemandem der Zufall ein Verfahren wies, das rascher und vollkommener zum Ziele führte. A l l e Lehre dieser Zeiten war nur Regellehre: Nachweis der Handgriffe, die anzuwenden seien, u m einen bestimmten Erfolg zu erzielen, einen bestimmten Zweck zu erreichen. Jetzt t r i t t an die Stelle eines bescheidenen Könnens ein stolzes Wissen. Nunmehr weiß man, warum die hölzernen Brückenpfeiler nicht faulen, wenn sie i m Wasser stehen, w a r u m das Wasser dem Kolben einer Pumpe folgt. W a r früher gearbeitet worden nach Regeln, so vollzieht sich jetzt die Tätigkeit nach Gesetzen, deren Ergründung und Anwendung als die eigentliche Aufgabe des wissenschaftlichen Verfahrens erscheint. Die Etappen der modernen Technik, die jetzt in eine bedingungslose Abhängigkeit von den Naturwissenschaften t r i t t , werden durch die großen epochemachenden Ereignisse i m Gebiete der naturwissenschaftlichen Erkenntnis bestimmt. Die erste Station bilden die Gesetze der Mechanik, die durch Newton ihre vorläufige Feststellung erfahren; ein zweiter Markstein sind die 1780er Jahre, in welchen Lavoisier die Theorie der Verbrennung begründet; das dritte große Ereignis, das für die Entwicklung der Technik bestimmend w i r d , fällt i n das Jahr 1828, Synthese des Harnstoffs durch Wöhler; während die letzte, besonders fruchtbare Epoche der modernen Techn i k eingeleitet w i r d durch die Aufstellung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie durch Robert Mayer im Jahre 1841. Was die moderne Naturwissenschaft nun anstrebt, ist die lückenlose Ersetzung der Qualität durch die Quantität, die i n einer mathematischen Formel ihren letzten und vollkommensten Ausdruck findet. Erst dann, wenn sich für irgendeinen Vorgang i n der Natur eine mathematische Formel aufstellen läßt, haben w i r das Recht, von naturgesetzlicher Erkenntnis zu sprechen. Worauf alles ausgeht, so kann man es auch ausdrücken, ist die Entseelung der Natur. Wo ehedem lebendige Wesen, lebendiges W i r k e n angenommen wurde, da soll jetzt ein Wechselspiel toter Körper herrschen. Noch Galilei erklärte das Phänomen, daß das Wasser dem Kolben folgt, aus einem horror vacui der
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Natur, einem rein vermenschlichten Abscheu vor dem luftleeren Raum, der allen Naturstoffen innewohnen sollte. Die grundstürzende W i r k u n g der modernen Naturwissenschaften auf die Technik äußert sich offenbar darin, daß i n Anwendung ihrer Lehren die technischen Vornahmen, statt wie bisher als Ausfluß einer lebendig wirkenden Persönlichkeit, des Handwerkers, nun begriffen werden als ein selbsttätig sich abspielender Bewegungsprozeß toter Körper. Was die naturwissenschaftliche Erkenntnis für die Technik damit leistet, ist also die Loslösung von der Bedingtheit durch organisches Leben, Emanzipation von den Schranken der organischen Natur i n Stoffen und Kräften. Loslösung von den Schranken des Organischen: das bedeutet Ersatz der Natur durch die Kunst, der lebendigen durch die tote Natur, des Persönlichen durch das Sachliche, der Qualität durch die Quantität. U n d zwar läßt sich diese Wandlung verfolgen i n allen Elementen der Technik; Kräfte, Stoffe, Verfahrungsweisen sind i h r gleichermaßen anheimgefallen. Zwar nutzte die Menschheit vor dem 19. Jahrhundert auch schon Wasser und W i n d neben den tierischen und menschlichen Organismen als treibende Kräfte. Aber ganz abgesehen davon, daß sie weit zurücktraten an Bedeutung hinter den organisierten Kraftspendern: was sie diesen ähnlich erscheinen ließ, war ihre Gebundenheit an Zeit und Ort. Die Launen des Windgottes entschieden allein, ob und i n welcher Richtung u n d wann die Menschen nutzen sollten des Windes und des Wassers Kraft. Erst seit die Spannung des Wasserdampfes und des elektrischen Stromes erkannt war i n ihrer Verwendbarkeit für die Technik, erschloß sich der Menschheit i n der toten Natur eine Kräftequelle, über die sie beliebig verfügen konnte nach Quantität und Qualität. U n d wie die mechanische K r a f t , so beherrscht der anorganische Stoff die neue Zeit: das Eisen, der künstliche Dünger, die Anilinfarbe. Was ehedem das geheimnisvolle Weben des Waldes, die Blüte der Pflanze, der Organismus des Tieres zutage förderte, das entsteht jetzt auf Kommando i n der Retorte oder der M u f f e l des Chemikers: Wohlgerüche und Wohlgeschmäcke, Farben, Fasern, Düngemittel und Beleuchtungsmaterial. A l l e frühere Zeit war zur Beurteilung bestimmter Aggregat- oder Wärmezustände, zur Messung und Wägung angewiesen i m wesentlichen auf die menschliche Fähigkeit des Fühlens, Schmeckens, Riechens u n d Sehens. Jetzt t r i t t an die Stelle dieser subjektiv zufälligen die objektiv exakte Ermittlung der Schwere, Länge, Dicke, Dauer, Wärme durch wissenschaftlich genau konstruierte Meß- und Wiegeapparate. Die Technik w i r d frei von der zufälligen Veranlagung bestimmter Persönlichkeiten mit besonders feiner Zunge, empfindsamen
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Nerven, klaren Augen und offenen Ohren und ebenso von der naturveranlagten Zufälligkeit der Ausführung, die bestehen bleibt so lange, als lebendige Menschen, durch deren Adern warmes Blut fließt, die Funktionen ausüben. Die Maschine als Mittel, das die menschliche Arbeit ersetzt, während das Werkzeug die menschliche Arbeit nur unterstützt, vermag den Vollzug irgendeiner Vornahme zu einer Exaktheit zu entwickeln, deren der Mensch niemals fähig ist. Auch das feinste Werkzeug, der delikateste G r i f f e l oder Meißel i n der Hand des Arbeiters können doch nie etwas anderes leisten, als manuelle Fähigkeiten unterstützen. Die Arbeitsmaschine dagegen kennt diese Schranke nicht; sie braucht nicht mehr den Kontakt zwischen Auge und Hand, auf dem beruht alle Verfeinerung manueller Geschicklichkeit: sie kann so fein schneiden, so sicher und regelmäßig eine Verrichtung wiederholen, wie niemals die menschliche Hand es vermöchte: sie ersetzt eben i n vollkommener Form die Arbeit des Menschen. Ferner erlaubt sie eine beliebige Häufung von Energie und deren unbehinderte Konzentration auf einen Punkt, während der tierische und menschliche Organismus nur immer über eine beschränkte Menge von K r a f t verfügt, die sich auch schwer vergrößern läßt durch ein Zusammenwirken mehrerer Organismen. Die größte Schnelligkeit hing ab vor 140 Jahren vom schnellsten Pferd und besten Reiter. Diese Schnelligkeit war unwiderruflich eingebunden i n feste Schranken. E i n Napoleon konnte die Fahrt von Berlin nach Paris zurücklegen in drei Tagen, weil er Tag und Nacht i n einem rasenden Galopp fuhr u n d alle Stunden einen Pferdewechsel vornehmen ließ. I n Rücksicht auf die Zeit w i r k t also die moderne Technik emanzipatorisch, indem sie die organischen Schranken des tierischen und menschlichen Organismus durch Erzielung größerer Geschwindigkeiten bei der Gütererzeugung oder i m Transport durchbricht. Aber die Technik befreit uns auch vom Raum, den aller Pflanzenwuchs beansprucht und der nun entbehrlich wird, wenn aus mineralischen und sonstigen anorganischen Stoffen Gebrauchsgüter hergestellt werden, die denselben Dienst verrichten wie ehedem das Holz, das i m Walde sich ausbreitete, oder das Tier, das zu seiner Fütterung bedurfte ein Stück Erdoberfläche. So treten künstliche Farben an Stelle der natürlichen Farben von Pflanze und Purpurschnecke, Eisentaue an Stelle von Hanftauen, Eisen überall an Stelle von Holz. Das Wunder dieser unerhörten Präzision der automatischen Technik ist das Ergebnis beharrlichen Fortführens jener Grundgedanken, die verwirklicht wurden von James Hargreaves und vor allem A r k w r i g h t in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts i n der Baumwollspinnerei Englands. Seit dieser Zeit setzt sich die industrielle Revolution i n einer
D i e Gliederung der Produktion
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nicht mehr abreißenden Kette von Erfindungen fort: es ist eine stetige Evolution, deren gegenwärtiger Zeitpunkt hervorgehoben ist lediglich durch einen sprunghaften Fortschritt neuer grundstürzender Entdekkungen und Erfindungen. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert geht die Menschheit bewußt aus auf die Erfindung, man denkt i n Richtung der Erfindung. Die Güterwelt ändert sich damit unausgesetzt, es kommt zu keinem Dauerzustand, sondern die Unrast und Unruhe der revolutionären Technik, die von Erfindung zu Erfindung forteilt, reißt die Menschheit i n ihre gefährlichen Wirbel. Nach diesen Ausführungen erschließen sich die folgenden Begriffe erst dem vollen Verständnis. Nunmehr verstehen w i r auch die Parallelität, die besteht zwischen empirischer und stationärer, wissenschaftlicher und revolutionärer Technik. W i r fassen noch einmal zusammen: entweder ist die Technik organisch oder nicht organisch, wobei w i r unter organischer Technik verstehen ein Verfahren, das sich bedient der lebendigen Stoffe und Kräfte der Natur; anorganisch ist die Technik, deren Stoffe und Kräfte angehören der toten Natur. Die organische Technik ist immer empirisch, ruht auf der Erfahrung, kettet den Menschen an die Pflanze, an alle Gebundenheit und Launenhaftigkeit der lebendigen Natur: diese Technik ist stationär, sie unterliegt i n ihrem Kerngehalt keiner Veränderung i n geschichtlichen Zeiträumen. Die wissenschaftliche Technik ist charakterisiert durch die Emanzipation von den Schranken der Natur in Stoffen und Kräften, sie erst bricht die Abhängigkeit, die den Menschen kettete an die Pflanze; diese wissenschaftliche Technik ist anorganisch, indem sie sich bedient der Stoffe und Kräfte der toten Natur, die schmierigen Residuen prachtvoller Erdepochen, die Steinkohlen aus den Tiefen der Erde i n unerschöpflichen Massen hervorholt, die i n Jahrmillionen aufgespeicherten Sonnenenergien der Kohlen in ihre Dienste zwingt; diese wissenschaftliche Technik ist revolutionär, indem sie eilt von Erfindung zu Erfindung. § 16. D i e Gliederung der Produktion W i r unterscheiden: 1. eine äußere Gliederung nach den Betätigungsbereichen. 2. eine innere Gliederung nach der Stellung des Menschen im Produktionsprozeß, 3. die Bedeutung der inneren Gliederung. I n der äußeren Gliederung erfassen w i r die verschiedenen Produkiionsbereiche, die Betätigungsbereiche des Menschen. Hier kann man drei solcher Gliederungen vornehmen: 1. Produktionsstufen, 2. Produktionsabteilungen und 3. Produktionszweige.
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Unter Produktionsstufen verstehen w i r die einzelnen, selbständig gestalteten Produktionsabschnitte, in die die Erzeugung eines Gutes nacheinander, also zeitlich auseinanderfällt. Jedes Gebrauchsgut macht eine Reihe von Produktionsabschnitten durch, so entsteht ein Rock in einer Stufenfolge von Produktionen: die Wolle lieferte das Schaf, das für diesen Zweck großgezogen wurde; die Wolle w i r d gereinigt, gesponnen, verwebt, dann kommt die Appretur, wo das Gewebe durch Kleb- oder Füllstoffe oder durch Pressen, Scheren seine Glätte, seinen Glanz, seine Steifheit erhält, für den eigentlichen Gebrauch zurechtgemacht wird, dann kommt endlich die Schneiderei, die es zum Gewand verarbeitet. W i r haben also die Schafzucht, die Wollwäscherei, den Transport, die Spinnerei, die Weberei, die Schneiderei. Von der Gewinnung der Wolle über die Herstellung des Tuches bis zur Schneiderei vollzieht sich die Produktion nacheinander i n zahlreichen Vornahmen, die w i r i n der angegebenen Weise als Produktionsstufen ausgliedern können. Aus statistischen Gründen werden diese Produktionsstufen zusammengefaßt zu größeren Einheiten, den mehrere Stufen umspannenden Produktionsabteilungen. W i r unterscheiden die Produktionsabteilungen der Urproduktion oder Stoffgewinnung. Niemals handelt es sich hier um eine Stofferzeugung: der Mensch kann den eigentlichen Urstoff, das Eisen oder Holz nicht erzeugen; er kann die Kohle mit dem Preßluftbohrer gewinnen, aber nicht erzeugen: aus Nichts w i r d Nichts, immer muß etwas da sein, damit der Mensch etwas daraus machen kann. Auch seine Ersatzstoffe und Kunststoffe, seine synthetisch hergestellten Medizinen schafft er nicht aus dem Leeren. Die zweite Produktionsabteilung w i r d dargestellt durch die Stoff Verarbeitung oder Stoffveredelung und die dritte Abteilung der Produktion haben w i r vor uns i m Transport. Die Urproduktion oder Stoff gewinnung umfaßt diejenigen Tätigkeiten des Menschen, die zunächst den Stoff als solchen gewinnen: da haben w i r zunächst die vier großen Teile der Urproduktion, den Ackerbau, die Forstwirtschaft, den Bergbau und die Jagd in Verbindung mit dem Fischfang. Uranfänglich haben w i r die Sammelwirtschaft, also das Aufsammeln von Wildfrüchten, Wurzeln, Knollen, Beeren, Pilzen, Obst, allen frei wachsenden Früchten, dann i n Verbindung mit dem Ackerbau die Viehzucht, die Jagd u n d den Fischfang, während die Gewinnung von Kohle, Erzen, Edelmetallen späteren Entwicklungsstufen angehören. Neben der Gewinnung lebendiger Stoffe, von Fischen, Säugetieren, lebenden Pflanzen steht der Bereich der Gewinnung toter Stoffe i m Bergbau. Hier lassen sich auch einige Zweige der chemischen Industrie angliedern: so die Gewinnung von Stickstoff als eines leblosen Stoffes aus der L u f t . Der Mensch
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gewinnt also die Stoffe aus der lebendigen und aus der leblosen, der toten Natur. N u n werden diese Güter ihrerseits weiter verarbeitet, der Müller muß das Getreide mahlen, der Schmied das Eisen schmieden. Diese zweite Produktionsabteilung heißen w i r die Stoff Verarbeitung oder Stoff Veredelung, w i r bezeichnen sie als Gewerbe schlechthin, auch Erwerbstätigkeit, das ist der Sinn, den man dem Worte beilegt: aus etwas ein Gewerbe machen, etwas zum Erwerbe verwenden, auch i m Sinne von Berufstätigkeit, i m Zusammenhange m i t dem Handel. Man muß audi die Stofferhaltung zu dieser zweiten Produktionsabteilung rechnen: diese Seite des Wirtschaftslebens ist sehr wichtig, es ist die stofferhaltende Tätigkeit der Frau; hierher gehört der K a m p f mit den Motten; auf die Erhaltung des Bestandes der Sachgüter ist a u d i gerichtet die Tätigkeit der Feuerwehr, dazu gehören alle Deichbauten gegen Überschwemmungen. Umspannte der Bereich der Stoff gewinnung i n aller Frühzeit die Bereiche der lebendigen Natur, während die Stoff Verarbeitung getragen wurde vom Handwerker alten Stils, so ist es heute die leblose Natur und m i t den Maschinen ein System lebloser Körper i n Fabriken, die der Stoff Verarbeitung, dem Gewerbe das entscheidende Gepräge verleihen. Keine Frage, daß der Mensch ohne Produkte der lebendigen Natur nicht leben kann, von Pillen w i r d er sich nie ernähren können; aber die Stoff gewinnung der Lebensmittel und der nie anssterbende Stand der Handwerker geben unserer Zeit nicht mehr das entscheidende Gepräge. W i r können noch eine dritte Abteilung der Produktion anschließen: den Transport, die Güterbewegung. E i n Gut ist erst fertig, wenn es an dem O r t ist, wo es gebraucht wird. Vergegenwärtigen w i r uns noch einmal die Produktionsstufen, so stellen w i r fest, daß die Schafzucht i n unserem Beispiel des Sachgutes .,Rock" zur Urproduktion gehört; die Reinigung der Wolle bildet mit den Produktionsstufen der Spinnerei, Weberei, Appretur, Schneiderei die Produktionsabteilung der Stoff Verarbeitung, des Gewerbes. Die Statistik kennt diese begrifflichen Sonderungen nicht, so daß die Zusammenfassungen der Berufsstatistik Beschäftigungen und keine Berufe, Betriebszugehörigkeiten und keine Urproduktion zählen. Der Sinn der statistischen Abteilungen A , B, C, D t r i f f t bedeutungsintentional nicht die oben entwickelten Begriffe. Die Berufsstatistik Gruppen :
unterscheidet
folgende
Abteilungen
oder
A . Landwirtschaft, Forst. Fischerei, Jagd; B. Bergbau und Industrie (die Statistik w i r f t hier die Urproduktion mit der Produktionsabteilung der Stoff Verarbeitung in einen Topf,
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während sie Urproduktionen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Fischerei und der Jagd gesondert aufführt); C. Handel und Transport (das ist eine unglückliche Zusammenstellung. Uns geht der Handel gar nichts an, w e i l nämlich der Handel keine allgemein ökonomische Kategorie ist, sondern eine historischökonomische Erscheinungsform). Die dritte Form der äußeren Gliederung der Produktion ist die in Produktionszweigen. Hier w i r d auch gesprochen von Branchen; das ist sehr sinnvoll und ist abgeleitet von dem französischen Wort „ l a branche = der Zweig'", auch die „Verzweigung". Verstehen w i r unter Verzweigungen der Produktion, unter Produktionszweigen die einzelnen, zusammengehörigen Produktionsprozesse, i n die sich auseinanderfaltet die Produktion, teilweise neben-, teilweise hintereinander, so ist dieses B i l d einer Verzweigung geeignet, die Zusammenhänge klar zu machen, um die es sich bei den Produktionszweigen handelt. Der Baum mit eigenen Wurzeln, der Stamm, die Zweige: zwei Bäume m i t eigenen Wurzeln sind die Schafzucht und der Bergbau. Das sind zwei Bereiche der Produktion, die aus verschiedenen Wurzeln wachsen. Es gibt aber auch Produktionsbereiche, die hervorwachsen aus einem gemeinsamen Stamm: die Bäckerei, Brennerei und Brauerei wachsen aus dem Stamm der Getreideproduktion; der Schlosser und Schmied wachsen aus dem Stamm Eisen; der Stellmacher, Drechsler und Tischler erwachsen aus dem Stamm des Holzes. A u f der anderen Seite entstehen Produktionen durch das Zusammenwachsen verschiedener Wurzeln: die Färberei entsteht aus der Stoff- und Farbengewinnung: die Druckerei wächst zusammen aus der Letter- u n d Druckschwärzeherstellung. Es sind das Produktionszweige, die sich bilden durch die Vereinigung verschiedener Produktionsprozesse. Die äußere Gliederung der Produktion w i r d also gebildet durch die Produktionsstufen als den einzelnen, selbständig gestalteten Produktionsabschnitten, i n die die Erzeugung eines Gutes nacheinander, also zeitlich auseinanderfällt, dann durch die Produktionsabteilungen der Urproduktion, der Stoff Verarbeitung u n d des Transportes, endlich durch die Produktionszweige, die sich räumlich und zeitlich auseinander verzweigen und zusammenwachsen. N u n wollen w i r uns zweitens näher ansehen die innere Gliederung der Produktion, die man vornehmen kann nach der Stellung des Menschen i m Produktionsprozeß. Es handelt sich hier um drei Produktionsbereiche: u m die organische, die mechanische und anorganische Produktion. Dabei können w i r unterscheiden engere und weitere Bereiche, i n denen die betreffende A r t verwirklicht ist entweder vollständig, also absolut, oder teilweise, relativ. I n der Land-
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Wirtschaft, also der organischen Produktionssphäre i m engeren Sinne, besteht die Produktion i m wesentlichen i n der Beaufsichtigung, Lenkung und Leitung der natürlichen Lebens- u n d Wachstumsprozesse der Natur. Der Mensch streut den Samen über die Erde h i n und läßt die Natur wachsen; er überläßt der Natur die selbständige Entfaltung der Keime, das Wachstum, die Fortpflanzung der Tiere. Das wäre im wesentlichen die Land- und Forstwirtschaft. Hier besteht alle Gütererzeugung darin, daß der Mensch die Natur beaufsichtigt, lenkt und leitet. D a ist kein Zweifel möglich. N u n kommen w i r zu der organischen Produktion i n einem weiteren Sinne. Das ist die Produktion, die sich zwar abspielt i m Bereich der lebendigen Natur, aber schon Handgriffe des Menschen voraussetzt; eine von Menschenwerk durchsetzte organische Produktion. Diese Produktion heißen w i r relativ organisch, weil innerhalb der Schranken des organischen Lebens der Mensch seine planende Tätigkeit entfaltet. D a h i n gehört ein erheblicher T e i l aller gewerblichen Produktion, vor allem Handwerksarbeit: Also die Verarbeitung des aus der lebendigen Natur gewonnenen Leders zu Stiefeln durch den Schuhmacher, der sich dabei der aus Eisen gefertigten Werkzeuge bedient; hier ragt hinein das Eisen als ein Produkt der toten Natur. I m großen und ganzen gehört hierher die Tätigkeit eines Tischlers, Drechslers, Stellmachers und Schuhmachers, die sich bewegt i m Rahmen der organischen Stoffe und Kräfte. Hierher gehören die Prozesse der organischen Chemie, Brauerei u n d Brennerei. I n diesen Bereich der relativ organischen Tätigkeit gehört der Transport m i t Holzwagen, gezogen von Tieren. Immer handelt es sich bei dieser relativ-organischen Produktion um Stoffe und Kräfte des Organischen, der lebendigen Natur, in die das Leblose irgendwie hineinragt, i m Regelfall als Eisen. N u n hat der Begriff des Organischen zwei Gegensätze: mechanisch und anorganisch. Mechanisch ist alles Gemachte, Künstliche, Geistige, alle vom Menschen gefertigten Kunstgebilde, Artefacten, während das spezifische Merkmal des Anorganischen eben das Leblose, Tote, Unlebendige darstellt. Demgemäß können w i r unterscheiden zwei verschiedene, nicht organische Produktionssphären, nämlich eine mechanische und anorganische Produktionssphäre. Mechanisch ist zunächst alle gewerbliche Produktion und im wesentlichen aller Transport, soweit er sich darstellt mit menschlichen Kunstgebilden unter Ausschaltung tierischer u n d menschlicher Antriebskräfte. So ist die Verwandlung des Kornes i n Mehl ein Kunst Vorgang, ein Gemachtes, also zugehörig der mechanischen Produktionssphäre. N u n können w i r innerhalb des Bereiches der mechanischen Produktion unterscheiden zwischen relativ und absolut mechanisch: mechanisch ist also alle gewerbliche Produktion, denn sie beruht darauf, daß der Mensch etwas
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künstlich herstellt, seihst etwas macht, ein Menschenwerk verrichtet, ein Kunst-, ein Geistgebilde schafft. Relativ mechanisch ist alle Erzeugung, alle Produktion, die ausgeführt w i r d vom Menschen selber; so ragt der Mensch als Lebewesen hinein i n alle handwerkliche Tätigkeit, bedient sich aber der von i h m gemachten Werkzeuge und auch der Maschinen. I n der absolut mechanischen Produktion ist der Mensch ausgeschaltet; die Produktion w i r d ausgeführt durch das Aufeinanderwirken lebloser Sachdinge. Die Herstellung der Sachgüter w i r d besorgt von einem Mechanismus, der an die Stelle des Menschen tritt. Die Produktion ist absolut mechanisch geworden, sie ist automatisiert, indem jede menschliche M i t w i r k u n g ausgeschaltet ist. Der Mensch setzt den Automatismus lediglich i n Gang und beaufsichtigt seine Arbeit. Das Schmieden der Nägel durch einen Schmied ist unzweifelhaft eine relativ mechanische Arbeit. Führt der Schmied eine Drahtschnur hinein i n eine Nägelmaschine, i n einen Mechanismus also, und setzt diesen i n Gang, so daß dann die Nägel herausfallen, ohne daß er sie selbst geschnitten und gehämmert hat, so handelt es sich um die absolut mechanische Produktion. Es liegt hier vor ein Aufeinanderwirken toter Sachdinge, das der Mensch lediglich i n Gang setzt, leitet und beaufsichtigt. Ein Analogon zur organischen Natur, die der Mensch auch leitet, aber i n der absolut mechanischen Produktion leitet er von i h m selber hergestellte Automaten Anorganisch ist die Produktion dann, wenn sich die Güterwelt aufbaut aus dem Reich der leblosen Natur, wenn sie sowohl die Stoffe als auch die Kräfte entnimmt der leblosen Natur. Die Güter bestehen hier aus leblosen Stoffen und bei ihrer Herstellung wirken leblose Stoffe u n d Kräfte. Die anorganische Produktion besteht i n der Gewinnung und Verarbeitung anorganischer Stoffe: Kohle, Erze, Gase, Chemikalien; hierhin gehören die Vorgänge der anorganischen Chemie, soweit sie sich beziehen auf Kohlen Verbindungen. D i e Chemie rechnet die Kohlenverbindungen zur organischen Chemie. Die Kohle ist ursprünglich organisch: es sind die i n Jahrmillionen aufgespeicherten Sonnenenergien der gewaltigen Wälder der Urzeit, es ist Holz, was w i r in der Kohle vor uns haben, und insofern gehören alle Kohlen Verbindungen i n das Organische. Das für uns Entscheidende ist, ob die Produktion sich lebloser Stoffe bedient. Heute sind die Kohlen kein Holz mehr, heute können w i r uns ihrer bedienen, als ob sie gehören zu der leblosen Natur. Die Produktion ist anorganisch, wenn sie leblose Stoffe verarbeitet und verwendet leblose Kräfte. W i r rechnen zu derartigen leblosen Kräften den D a m p f und die Elektrizität: der D a m p f u n d die Elektrizität sind anorganische Kräfte. Auch hier können w i r die Unterscheidung machen zwischen einer relativ und absolut anorganischen Produktion. W i r sprechen von einer
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relativ anorganischen Produktion dort, wo die Produktion mit wesentlichen Teilen verbunden ist m i t der lebendigen Natur; verbunden m i t Stoffen und Kräften des Organischen: der Bergbau ist ganz unzweifelhaft eine anorganische Produktionssphäre, aber er w i r d immer gehören zu der relativ-anorganischen Produktion, weil er nur betrieben werden kann mit Menschen: der Häuer vor O r t m i t seinem Prefiluftbohrer w i r d ebensowenig entbehrt werden können wie der Bergmann, der den Stollen baut; und eben aus Sicherheitsgründen muß an vielen Stellen das Holz als Werkstoff verwandt werden, w e i l es elastischer den Druck Verhältnissen sich anpaßt und jederzeit i m Stollenbau zurechtgesägt oder geschlagen werden kann, endlich als Verschalung dient. Noch heute sind viele Werkzeuge des Bergmanns aus Holz, noch heute gibt es Körbe und Gefäße aus Holz, alle Leitern sind aus Holz, die Gleitschienen der Förderkörbe wegen der Verwerfungsgefahr sind aus Holz, Teile der Luftzuführung. I m belgischen Bergbau bedient man sich noch heute der Holzwagen auf Holzschienen, gezogen von Pferden, sind alle Förderanlagen i m wesentlichen aus Holz, weil der Einhau von Eisen i n den Stollen zu kostspielig, umständlich, zeitraubend ist. Relativ, also beschränkt anorganisch war auch die Eisengewiniung in aller früheren Zeit: noch vor 150 Jahren hatte die Gewinnung von Eisen zur Voraussetzung die M i t w i r k u n g organischer Stoffe: das Eisen konnte nur gewonnen werden unter Verwendung von Holzkohle, damit war dieser Vorgang gebunden an die organische Welt, also relativ anorganisch, weil durchsetzt m i t lebendigen Stoffen und Kräften. Entfällt diese M i t w i r k u n g von lebendigen Stoffen und Kräften, so w i r d der Hergang der Produktion absolut anorganisch, damit gleichzeitig auch automatisch oder aber chemisch, wobei das Automatische der Oberbegriff ist. Hier ist also ausgeschaltet alle Beihilfe von Menschen, Tieren u n d Pflanzen. Natürlich liegt die Leitung des Produktionsprozesses dem Menschen ob. Indessen kann diese Leitung reduziert sein auf ein Minimum. Die ausschließliche Verwendung anorganischer Stoffe und Kräfte stellt die volle Automatisierung dar. Wenn also besteht der ganze Transportapparat aus eisernen Transportgefäßen, aus Eisenwagen, aus Eisenschienen, eisernen Signalanlagen und sich der anorganischen Kräfte des Dampfes und der Elektrizität bedient. D a h i n gehören die moderne chemische Fabrik, wo Stoffe hergestellt werden ohne M i t w i r k u n g organisierter Materie. So ist die Schienenerzeugung heute absolut anorganisch: die Schienenherstellung erfolgt i n Walzwerken, i n großen Anlagen mit Walzenstraßen; hier w i r d ein glühender Eisenblock durch immer engere Öffnungen maschinell hindurchgetrieben und immer mehr verdünnt. Dieses Hindurchjagen des Eisenblocks erfolgt automatisch. I m Walz-
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werk ist kein Mensch zu sehen, nur Türme, wo Menschen sitzen, die die Maschinen bedienen. Der Produktionsprozeß besteht lediglich in der Leitung der Antriebsmaschinen, die Stoffe und Kräfte gehören der leblosen Natur an. Das Eisen w i r d gewonnen durch Koks, seit 1760. Hier haben w i r die ursprünglichen Elemente der anorganischen Natur, Erze u n d Kohlen, mit deren H i l f e Eisen u n d Stahl hergestellt werden, verarbeitet ausschließlich mit Stoffen der anorganischen Natur, angetrieben m i t Maschinen, die anorganische Kräfte, Dampf, Gas und Elektrizität verwenden. D a haben w i r tatsächlich einen Vorgang, der bis auf die leitende Tätigkeit des Menschen der anorganischen Welt angehört. D a haben w i r die moderne Fabrik, in der alle Arbeit verrichtet w i r d von einem System lebloser Körper, die chemische Fabrik, die Schwefelsäurefabrik. Das sind die sechs großen Bereiche, i n denen sich die Güterproduktion abspielt. Diese Unterscheidung gehört zu den aller wichtigsten, die w i r vornehmen können; denn die Bedingungen der Produktion sind von ausschlaggebender Bedeutung für alle Wirtschaft. I n einem dritten Abschnitt gehen w i r ein auf die Bedeutung der inneren Gliederung der Produktion. Es handelt sich hier u m die Bedeutung für uns, die w i r die Wirtschaft in ihren elementar-ökonomischen Kategorien kennenlernen wollen. Für uns kommt die Bedeutung der inneren Gliederung der Produktion für die Gestaltung des W i r t schaftslebens i n Frage. D a können w i r nun folgendes feststellen: zunächst wollen w i r den Unterschied zwischen organischer und nichtorganischer Produktion auf den verschiedenen Produktionsstufen uns klar zu machen versuchen. I m allgemeinen kann man da folgende Sätze aufstellen: alle organische Produktion ist gebunden, beschränkt, unfrei, alle nichtorganische Produktion, also alle anorganisch-mechanische Produktion ist frei, ungebunden, unbeschränkt. Diese Feststellung gilt es zu machen ohne ein Hineintragen von Werturteilen: alle organische Produktion von Gott, alle anorganische Produktion vom Teufel. W i r wollen sehen, was die eine oder andere A r t zu produzieren selber bedeutet für die Sphäre der Gütererzeugung. Das wollen w i r nunmehr verfolgen bei den einzelnen Produktionsstufen. Fangen w i r an mit der Stoff gewinnung. Wie vollzieht sich die organische Produktion i m Rahmen der Land- und Forstwirtschaft? Der deutlichste Fall einer organischen Produktionsweise liegt vor i n der Land- und Forstwirtschaft. Die Land- und Forstwirtschaft sind gekennzeichnet durch weitgehende Bindungen. Die Bindung äußert sich i n einer ausgedehnten Bodenfläche, die notwendig ist zur Produktion; eine weite Fläche erfordert der Anbau von Körnerfrüchten, von Getreide oder Ölpflanzen ebenso wie die Anlage von Baumkulturen, von Forsten. Angewiesen auf eine Fläche sind Forst- und Landwirtschaft zweidimensional.
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Die Beschränkung äußert sich dann weiter i n der festen Zeitdauer, während welcher sich die Produktion vollzieht. Land- und Forstwirtschaft sind zeitlich gebunden an eine feste Zeitdauer, während welcher die Pflanzen und Bäume wachsen, sie sind endlich gebunden an eine feste Zeitfolge des Wachstums. Das ist eine außerordentlich wichtige Feststellung. Pflanze und Baum brauchen eine unveränderlich seit Jahrmillionen festgelegte Wachstumsdauer, die vom Menschen nicht verkürzt werden kann. Pflanze und Baum wachsen aber ebenso wie das Tier i n einem unverrückbar festgelegten Nacheinander von Etappen, i n einer Zeitfolge, die ebenfalls weder verkürzt nodi w i l l k ü r l i c h umgekehrt werden kann durch eine Vertauschung der einzelnen Entwicklungsabschnitte, der festgelegten Etappen. Die Reihenfolge der einzelnen Teilprozesse der pflanzlichen und tierischen Entwicklung liegt unverändert fest und kann niemals geändert werden durch Menschenhand. Die Zeit, die ein tierisches Embryo i m Leibe des Muttertieres zu seiner Entwicklung braucht, ist ebenso entzogen der menschlichen W i l l k ü r wie alles spätere Wachstum des Tieres. Von Anfang an hat sich die Zeitdauer nicht verkürzt, um Pflanze und Tier hervorzubringen. I m allgemeinen kann man sagen, daß diese Zeitdauer unverändert geblieben ist. M i t ihr zusammen die Zeitfolge, i n der die natürlichen Wachstumsprozesse ablaufen. Das Nacheinander der Etappen ist un vertauschbar und zeitlich unveränderbar: erst muß das Samenkorn i n die Erde u n d dann muß der Mensch die Entwicklung in Ruhe abwarten; Kindheit, Jugend, Reife und Greisentum sind bei Mensch und Tier zeitlich festgelegt und lassen sich eben nicht vertauschen. Bei Pflanzen, Bäumen und Tieren steht der Mensch vor Naturprozessen, die nicht abgeändert werden können. Dieses Gebundensein der organischen Produktion ist für den Menschen von Bedeutung hinsichtlich der Arbeitsorganisation und Technik: es bleiben verhältnismäßig kleine Kreise, kleine Gruppen von Menschen, die zusammenwirken können; andererseits kann das Arbeitsmittel niemals die Bedeutung haben wie in der Industrie, wo es zu jeder beliebigen Zeit nutzbar gemacht werden kann. Wenn die Landwirtschaft die Produktion ausdehnt über eine große Fläche, so können die Menschen an den verschiedenen Stellen ihres Arbeitsbereichs nur nacheinander tätig sein: i n der gewerblichen Produktion läßt sich durch die Zerlegung einer komplexen Arbeit i n Teilverrichtungen, Automatisierung, Ausführung der Arbeit i n Stockwerken, damit Häufung der Arbeitskräfte jeder Produktions Vorgang beliebig verkürzen. I n der Land- und Forstwirtschaft sind die Arbeitskräfte gebunden an die Fläche, sie können nicht gehäuft werden i n Stockwerken einer F a b r i k ; die Aberntung eines Getreidefeldes kann durch den Einsatz einer optimalen Menge von Arbeits-
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kräften und Maschinen nur bis zu einer bestimmten Zeitdauer verkürzt werden, w e i l weder für jeden H a l m und jede Kartoffel ein Arbeiter eingesetzt werden kann noch die Maschine beliebig nutzbar zu machen ist. Die Landwirtschaft ist gebunden an die Zeitdauer u n d die Zeitfolge der natürlichen Wachstumsprozesse, so daß eine gleichzeitige Ausführung von Produktionsprozessen für die einzelnen Etappen des Pflanzenwachstums nicht möglich ist u n d Spezialarbeiter somit sinnlos sind. I n der Landwirtschaft kann nicht immer gepflügt werden, sondern es w i r d zu einer bestimmten Zeit das Feld m i t dem Pflug umgebrochen, dann der Samen über das Feld gestreut, dann geerntet, dann gedroschen, dann gemahlen. W i r d die eine und selbe Tätigkeit nicht immer ausgeführt, so haben Spezialarbeiter keinen Sinn. Werden Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr nur Knöpfe angenäht, so können für die Arbeit Spezialarbeiter ausgebildet werden. I n der Landwirtschaft kann nicht immer geerntet werden, da heißt es, erst säen, wenn die Zeit zur Saat da ist, dann ernten, wenn die Zeit erfüllt ist zur Ernte; nur einmal w i r d gepflügt, nur einmal ausgesät und einmal zu einer bestimmten Zeit i m Jahr geerntet. Werden die Tätigkeiten aber nicht nebeneinander, sondern nacheinander ausgeführt, so unterliegt auch die Anwendung von Arbeitsmitteln einer Beschränkung: die Maschine k a n n immer nur angewendet werden, wenn die betreffende Arbeit i n Frage kommt: die Drillmaschine steht elf Monate und zwei Wochen i m Schuppen, weil nur zwei Wochen gedrillt wird. Die Dreschmaschine steht elf Monate i m Schuppen, w e i l sie nur einen Monat i n Tätigkeit gesetzt wird, weil die Zeit des Dreschens sich ergibt aus dem Nacheinander der Wachstumsprozesse der Natur und der damit verbundenen A u f einanderfolge der landwirtschaftlichen Produktionsprozesse, die der Mensch niemals w i l l k ü r l i c h abändern kann. Bei der Gewinnung der anorganischen Stoffe bestehen diese Schranken nicht: der Bergmann holt die Stoffe i n fertigem Zustand heraus aus dem Boden: was schon längst von der lebendigen Natur gemacht ist, was fertig ist, w i r d herausgenommen aus dem Boden. D i e mechanisch-anorganische Produktion bemächtigt sich dieser anorganischen Stoffe, dieser Kohlen und Erze i n einem beliebig raschen Tempo und i n zeitlich beliebiger Folge. Auch diese zeitlich festgelegten Folgen müssen w i r richtig verstehen. Das einzelne Stück Kohle k a n n nicht erst sortiert, dann abgeschlagen werden. Der Entwicklungsgang ist da festgelegt: abgeschlagen, verladen, abtransportieren. W i r können aber zu gleicher Zeit die Kohle abschlagen oder m i t dem Preßluftbohrer herausbrechen, sortieren, verladen, transportieren. Die Schranken sind nur insoweit gegeben, als das Organische noch i n den Prozeß hineinragt.
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Sehen w i r uns nun die Stoff Verarbeitung an, so stellen w i r fest: alle mechanische Produktion ist frei von gewissen Bindungen der absolnt organischen Sphäre und steht damit in Gegensatz zur Landwirtschaft hinsichtlich des Raumes, der Zeit und des Arbeitsmittels, Die gewerbliche Produktion ist dreidimensional, während die Landwirtschaft als Urproduktion nur zweidimensional ist. Die gewerbliche Produktion kann i n Stockwerken, übereinander ausgeführt werden. Damit lassen sich alle Produktionsprozesse zu gleicher Zeit ausführen und Arbeitskräfte und Maschinen konzentrieren. Die Zeitdauer ist vom Menschen beeinflußbar und läßt sich i n aller gewerblichen Produktion abkürzen. Die Arbeitsmittel können Tag und Nacht in Gang gehalten und optimal ausgenutzt werden. Die Abkürzung der Arbeitsprozesse i n der gewerblichen Produktion ist das wichtigste Moment: der Baum, der verwendet werden soll als Mastbaum für ein Schiff, muß erst 60 volle Jahre wachsen bis er gefällt werden kann. Solange muß der Mensch m i t der Verwendung des Mastbaums warten. Der Mastbaum aus Eisen kann i n kürzester Zeit geliefert werden, seine Herstellung erfordert ebensoviele Stunden wie das Wachstum seines hölzernen Bruders Jahre. Die Abkürzung der Produktionsprozesse der gewerblichen Produktion, also aller Stoff Verarbeitung gehört zu den wesentlichen Fortschritten i n der Entwicklung des Menschengeschlechts. I n weitem Umfang sind alle mechanischen Prozesse abgekürzt. Die Eisenproduktion m i t Frischfeuer dauerte drei Wochen, das Pudclelverfahren dauerte zwei Tage, dann kam das Bessemerverfahren, da dauerte die Eisengewinnung 20 Minuten, ein Erfolg, der innerhalb der land- und forstwirtschaftlichen Produktionssphäre überhaupt undenkbar wäre. Die Verwandlung der Ochsenhaut i n Leder dauerte ein Jahr, die Kunstgerbung kürzt den Arbeitsprozeß des Gerbens ab auf Wochen, j a sogar auf Tage. Die verschiedenen Teilprozesse des Produktionsprozesses der gewerblichen Produktion liegen nebeneinander. Das macht die Eigenart der mechanischen Produktion überhaupt aus. Eine Fabrik enthält sämtliche Teilprozesse nebeneinander, und sie werden ausgeführt zu gleicher Zeit. I n zwei Stunden rollt vor unseren Augen der gesamte Arbeitsprozeß ab. I n der Landwirtschaft sehen w i r nichts i n diesem Sinne: w i r können wogende Getreidefelder erblicken, aber w i r müssen warten, Wochen oder Monate bis zum Abmähen, a u d i das dauert Tage und Wochen, dann sehen w i r die Getreidepuppen und wieder müssen w i r warten bis zum Drusch. I n der Fabrik lernen w i r alle Teilprozesse kennen, weil alle Teilprozesse ausgeführt werden zu gleicher Zeit. Die Beliebigkeit in dem Nebeneinander der Teilprozesse, der Einsatz der Maschine für jeden Teilprozeß, die Zerlegung einer 7
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komplexen Arbeit — die Schuhfertigung ist i n der modernen Schuhfabrik i n 180 Teilverrichtungen zerlegt —, die Ausbildung von Spezialarbeitern, die nur einen einzigen Handgriff ausführen, die voll ausgelastete Maschinenarbeit, die Tag für Tag laufen kann, die Zusammenfassung der gewerblichen Produktion i n Stockwerken, das sind die entscheidenden Momente aller gewerblichen Produktion. Der D a m p f pflüg liegt 11 Monate still und frifit Zinsen, die Spinnmaschine läuft unausgesetzt. Die Entwicklungsmöglichkeiten der Arbeiterorganisation, der Arbeitsmittel sind verschieden. Also alle mechanische Produktion ist frei von gewissen Bindungen. Läßt sich nun die absolut mechanische Produktion trennen von der absolut organischen Produktion? Zweifellos haben beide Sphären etwas Verwandtes. Es gibt ein automatisches Verfahren, i n das die lebendige Natur hineinragt: das Göpelwerk, also eine Vorrichtung, wo ein Tier eine Mahlvorrichtung dreht; alle Tretwerke, Tretmühlen, wo Pferde, Esel, j a sogar Menschen wie noch heute i n Ägypten bei den Wasserschöpfwerken zur Verteilung des Wassers i n die Wassergräben der Oasen oder den Wassertretmühlen am N i l , i n einem Rade laufen und dadurch einen Mechanismus i n Bewegung setzen. Die stoffverarbeitende Produktion hat Bindungen, sofern u n d soweit sie organisch ist, sie ist relativ mechanisch.; sie ist befreit von einer Reihe von Bindungen, soweit sie mechanisch ist. Schuhmacher und Schneider sind, w e i l sie ihre Stoffe der organischen Welt entnehmen, diesen Bindungen unterworfen: der Stoff muß erst gewonnen werden, damit er verarbeitet werden kann. Unmöglich ist die beliebige Vermehrung, wenn nicht aus einem Reservoir genommen wird. Die Lederproduktion kann sich nicht ohne weiteres verdoppeln, dasselbe gilt für alle diejenigen Industrien, die solche organischen Stoffe verarbeiten. I n der Textilindustrie brauchen Flachs und Wolle eine gewisse Zeit, um wachsen und reifen zu können. Das sind Schranken, die aus der organischen Beschaffenheit der in den Gewerben verarbeiteten Stoffe sowie hervorgehen aus den Bindungen an die quantitative und qualitative Leistungsfähigkeit. Die Kraftmenge ist quant i t a t i v gegeben, w i r können die uns zur Verfügung stehende tierische K r a f t nicht verdoppeln. Auch die Kraftmasse eines Menschen kann sich über ein gewisses Maß nicht vergrößern, w i r stoßen hier auf unübersteigbare biologische Schranken. Dazu kommt beim Menschen noch die Beschränkung seiner Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht: hier ist die Leistung gebunden an die natürlichen Beschaffenheiten; einem Menschen können Leistungen nicht abverlangt werden, die er nicht zu leisten vermag. Uber die Leistungsfähigkeit entscheiden die Sinnesorgane. Es bestehen eben bei der Durchführung aller Produktionsprozesse insoweit Schranken, als diese Prozesse ausgeführt
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werden von Menschen und Tieren, von lebendigen Wesen. I n quantitativer und qualitativer Hinsicht kann hier der K r a f t a u f w a n d und qualitative Leistungseffekt nicht hinausgehen über die Leistungsfähigkeit des lebendigen Organismus. Wenn die Produktion gebunden ist an lebendige Stoffe und Wesen, so ist sie quantitativ und qualitat i v gebunden: solange der Mensch nur Organismen zur Verfügung hat, muß er sich m i t diesen Kraftquellen begnügen. W i l l er mehr K r a f t , so muß er die organischen Kraftmengen addieren, indem er mehrere Pferde zusammenbindet, mehrere Elefanten vor einen Baumstamm oder einen Monoliten spannt. Die für seine W i n d - und Wassermühlen benutzten Kräfte von W i n d und Wasser sind launenhaft und stehen weder immer m i t derselben Kraftmenge noch überhaupt zur Verfügung. Bei Windstille stehen die Windmühlen, liegen die Segelschiffe fest, bei Trockenheit ruht der Betrieb der Wassermühle. Dieselbe Bindung besteht hinsichtlich der qualitativen Leistungen: die qualitativen Eigenarten des Menschen entschieden über die Eigenarten der Produktion; die Fähigkeiten der Sinne waren die Grenzen, über die hinaus eine Steigerung unmöglich war. Der Mensch kann ein bestimmtes Maß an Genauigkeit nicht überschreiten, er kann lediglich der toten Materie ein irrationales Moment aus seinem Künstlertum heraus verleihen, er kann sie veredeln, ihr die strahlende U r k r a f t echter Kunst einverleiben, aber auf die Grenzen seiner Sinne w i r d er immer wieder stoßen. Die Möglichkeit einer völlig exakten K r a f t entfaltung liegt außerhalb der menschlichen Natur. Diese Schranken werden nun durchbrochen letzlich dadurch, daß die Produktion anorganisch wird. Durch diesen Einbruch in die leblose Natur gelingen dem Menschen Leistungen, die er allein nicht vollbringen könnte. M i t der Emanzipation von den Schranken der lebendigen Natur i n Stoffen u n d Kräften werden Kräfte konzentriert, Kraftquellen erschlossen von ungeheurem Ausmaß: i m Gebiete der anorganischen Kräfte ist eine beliebige Kraftmengenentfaltung möglich. I n den von Wasserd a m p f getriebenen Kolbenmaschinen und Turbinen, in den von Benzin und ö l getriebenen Explosionsmotoren sind die Kraftmengen häuf bar i n einem Punkt und beliebig steigbar geworden. Ferner kann die Leistungsfähigkeit gesteigert werden nach der Seite der Schnelligkeit und Exaktheit. Der Mensch kann heute über die Leistungsfähigkeit seiner Sinne hinaus mehr sehen, mehr hören, mehr fühlen, mehr tasten, mehr riechen. Wenn der Mensch heute ein Erdbeben messen kann, das stattfindet i n Japan, so heißt das, daß der Seismograph ein Naturgeschehen registriert, das der Mensch selbst nicht hätte aufnehmen können m i t seinen Sinnen. Die Erfindung des Fernrohrs, des Mikroskops, des Elektronenmikroskops, Apparate, die dem Menschen die Unermeßlichkeit des Universums erschließen i m Unendlichen und
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i m Winzigsten, gèhôren m i t der Masse der anderen Apparate hierher: den Uhren, den Manometern, den Apparaten, die elektrische Suchimpulse i n die Tiefe der Meere aussenden, um m i t dem aufgefangenen Echo die Position von U-Booten festzustellen, j a den Brillen, den Hörapparaten für Schwerhörige. D a haben w i r den Hydrometer zur Messung des Feuchtigkeitsgehalts der L u f t , das Barometer als L u f t druckmesser und das Manometer als Vorrichtung zum Messen des Druckes von Gasen u n d Flüssigkeiten; es gibt die verschiedenen Thermometer, Geräte also zum Messen von Wärmegraden, die beruhen auf der Ausdehnung geeigneter Stoffe beim Erwärmen und deren Zusammenziehen beim Abkühlen. Die ganze Präzisionsmechanik ist erst dadurch möglich, daß der Mensch nicht mehr hineinwirkt m i t seinen Sinnen, weil eben in der Natur das Blut fließt, die natürlichen Kräfte niemals die Genauigkeit anorganischer Kräfte und Maschinen erreichen können. Die Geschwindigkeitsgrenze gewöhnlicher Ortsveränderung war i n aller früheren Zeit gegeben mit dem besten Reiter auf dem schnellsten Pferd i m Relais, also mit Pferdewechsel nach Erschöpfung des Pferdes. Diese Grenze war nicht zu durchbrechen: heute durchbrechen Stratosphärenflugzeuge die Schallmauer. Die Maschine schneidet genauer, feiner als das Messer i n der Hand des Menschen, die Motorsäge arbeitet exakter als die Handsäge in der H a n d des Menschen. E i n Dampfhammer m i t dem Gewicht von 50 Tonnen w i r d heute an einem Punkt auf 1 /io Millimeter über einer Uhr m i t rußgeschwärztem Glas angehalten, ohne das Glas zu berühren, die geringste Spur an dem rußgefärbten Glas zu hinterlassen. I n der Genauigkeit, i n der Exaktheit aller Vorrichtungen wurde er rei d i t der äußerste Grad dort, wo die M i t w i r k u n g von Mensch und Tier ausgeschaltet war. Gewiß sind in der Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit der Leistungen Abstufungen vorhanden, die mehr und mehr aufgehoben werden durch die fortschreitende Mechanisierung und A n organisierung, die den Inhalt der modernen Technik bilden. § 17. Die Produktionsfaktoren im Allgemeinen Bei aller Produktion handelt es sich immer u m ein Zusammenwirken des Menschen m i t der äußeren Natur. Die Produktionsfaktoren sind eben diejenigen Kräfte, aus denen sich das Wirtschaftsleben aufbaut. Die beiden Bestandteile, aus denen jedes Sachgut besteht, sind der Mensch und die i h n umgebende Natur. W i r nennen w o h l auch den Menschen den persönlichen Produktionsfaktor und die ^ Ι μ Γ den sachlichen Produktionsfaktor. Diese beiden Bewirker der Produktion, der Mensch und seine äußere Umgebung, der Mensch und die Natur sind die Produktionsfaktoren; es gibt keine anderen
Der persönliche Produktionsfaktor
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Faktoren. Arbeit und Natur sind die beiden Produktionsfaktoren, die Produktionsbewirker. Man hat die Arbeit als den Vater und die Natur als die Mutter bezeichnet. Auch wurden drei Faktoren unterschieden: Arbeit, Natur und Kapital. Diese drei Faktoren sollen zum Zustandekommen jeder Produktion erforderlich sein. Unter K a p i t a l werden verstanden alle Produktionsmittel, deren w i r uns bedienen, um Sachgüter herzustellen; das sind also produzierte Produktionsmittel, zubereitete Sachdinge, alle Werkzeuge und Maschinen, alle Transportgefäße, die benutzt werden zur weiteren Produktion. I n diesem Sinne wäre also auch als K a p i t a l zu bezeichnen der Korb, dessen w i r uns beim Beeren- oder Pilzsammeln bedienen. N u n löst sich aber der Korb wieder auf i n die beiden Bestandteile Arbeit u n d Natur. Es ist deshalb unlogisch, neben diese beiden Faktoren Arbeit und Natur, noch einen d r i t t e n Produktionsfaktor K a p i t a l zu stellen 1 der gar keine Selbständigkeit hat. Der Begriff K a p i t a l hat nicht dieselbe Bedeutung wie die beiden anderen Produktionsfaktoren A r b e i t und Natur, i n die er selber auflösbar ist. Jedes Werkzeug, jede Maschine, jeder Kessel, jedes Transportgefäß besteht wiederum aus den beiden Bestandteilen Arbeit und Natur. Der Kapitalbegriff hat nur Bedeutung i n einem bestimmten Wirtschaftssystem, er ist eine historische Kategorie; i n der allgemeinen Nationalökonomie haben w i r es nur m i t Kategorien zu tun, die i n aller Wirtschaft auftreten. Es bleibt dabei, daß es zwei und nur zwei Produktionsfaktoren gibt: Arbeit und Natur. A l l e Produktion löst sich auf i n diese beiden. W i r werden nunmehr diese beiden Faktoren besprechen, und zwar zunächst den persönlichen Produktionsfaktor: die Arbeit. § 18. Der persönliche Produktionsfaktor Die Arbeit ist es, durch die der Mensch sich betätigt als persönlicher Produktionsfaktor. Unter Arbeit wollen w i r verstehen die ζ weck volle Betätigung des Menschen zur Herbeiführung eiries Erfolges oder Zur Durchführung eines Werkes. Arbeit ist Wirken, ein Werk schaffen und w i r d bedeutungsintentional erfaßt i n dieser auf ein Werk gerichteten menschlichen Tätigkeit. Arbeit ist körperliches oder geistiges Tun des Menschen, wobei jedes körperliche T u n immer geleitet ist vom Geist: der Mensch ist Geistwesen. M i t der Arbeit schafft der Mensch eine A r t von Neuschöpfung neben der Natur, er schafft eine zweite persönliche Welt. M i t der Arbeit w i r d durch Ich, W i l l e und Tat eine neue Ordnung der Dinge geschaffen, m i t der Arbeit gibt der Mensch der Natur ein zweites Leb^n, erfüllt er andererseits alles Persönliche m i t der Natur. Allés, was w i r K u l t u r nennen, ist letzten Endes zweckvolle Arbeit. Nicht jede meri schliche Tätigkeit ist jedoch
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Arbeit. Was Arbeit ist, werden w i r am besten erkennen, wenn w i r sie vergleichen m i t dem Spiel: Spiel ist eine Tätigkeit, die ausgeübt w i r d um ihrer selbst willen, die ihren Zweck findet i n sidi selbst. Arbeit ist jede Tätigkeit, die getan w i r d , u m eines anderen Erfolges willen, um des außerhalb ihrer liegenden Erfolges, des außerhalb ihrer liegenden Werkes wegen. W i r spielen, u m uns lediglich selbst zu betätigen, zwecklos, ziellos, selbstvergessen, hingegeben: denken w i r an das reizende Spiel junger Hunde oder Katzen, an das selbstvergessene Gaukeln eines Falters i m weichen Sommerwind. Der Spieler genießt sich selbst i n seiner Tätigkeit und vergißt alle Verheißungen und Drohungen der Welt. W i r arbeiten, wenn w i r m i t der Tätigkeit etwas i n der Welt erreichen, einen Erfolg erzielen, eine Veränderung i n der Außenwelt hervorbringen wollen durch Schaffung eines Werkes. So können jede Kunstweise oder sportliche Tätigkeit ausgeübt werden als Spiel um ihrer selbst oder als Arbeit um eines außerhalb ihrer liegenden Erfolges willen. Malerei oder Bildhauerei können ausgeübt werden als Spielerei oder Arbeit i m Sinne der Unterhaltsfürsorge. Wenn ein Sportsmann trainiert, so arbeitet er, w e i l diese Tätigkeit nicht in sich ihren Zweck erfüllt. Der Trapezkünstler arbeitet, denn seine Tätigkeit erfolgt nicht u m ihrer selbst willen, sondern i m H i n blick auf einen Erfolg. Wenn w i r spazieren gehen, u m abzumagern, so arbeiten w i r . Zur Verdeutlichung dieses Begriffs der Arbeit können w i r noch einige negative Zusätze machen, die i n diese begriffliche Erfassung an sich nicht hineingehören. Niemals darf i n den Begriff der Arbeit hineingetragen werden eine ethische Bewertung: es gibt also keine unsittliche Arbeit i m Sinne des Buddhismus, der j a bekanntlich die Arbeit des Schlächters, des Fleischermeisters, den Handel m i t berauschenden Getränken, m i t Waffen, mit Tieren und Menschen verbietet. Arbeit liegt also auch vor, wenn es sich u m verbrecherische Zwecke handelt: der Einbrecher und Dieb arbeiten, weil ihre Tätigkeit dient zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges; die Rauschgiftherstellung ist ebenso Arbeit wie die massenweise Herstellung chemischer Giftmittel, die unsere Nahrung vergiften und eindeutige Krebserzeuger sind; zur Arbeit gehört die Götzenherstellung und auch die käufliche Liebe. Die ethische Färbung d a r f also nicht hineinkommen in die Begriffsbestimmung. Auch die Ausrichtung auf das Lustgefühl, auf das Moment der Mühe ergibt keine Abgrenzungsmöglichkeit für den Arbeitsbegriff. Arbeit kann auch lustvoll sein, das ist subjektiv versdiieden: dieselbe Arbeit macht hier Lust, dort Pein, oder sie verursacht eine gewisse Zeitspanne hindurch Lust u n d w i r d dann zu einer immer größeren Qual. Es ist völlig verkehrt, die Arbeit zu bestimmen als eine unlustbetonte Tätigkeit. I m deutschen W o r t „ A r b e i t " t r i t t das
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Moment der Unlust nicht i n Erscheinung, trotzdem die Arbeit i n sich trägt das Moment der Last: die Ausdrücke für Arbeit i n der lateinischen und slawischen Sprache betonen dagegen das Unlustmoment: labor u n d robota. Der Begriff der Arbeit muß gefaßt werden als ein geistwissenschaftlicher; es ist deshalb aus dem Begriff auszuscheiden jede naturwissenschaftliche Definition: die menschliche Arbeit darf nicht gleichgesetzt werden der Energie, der Wirkungsfähigkeit der Materie überhaupt, dem naturwissenschaftlichen Energieaufwand i n der Natur. Das ist grundsätzlich falsch. Was der Mensch tut, ist etwas anderes als Natur. I n das Naturganze können w i r die menschliche Arbeit niemals einordnen. Die menschliche Arbeit hat zum I n h a l t Zwecksetzungen, sie ist Zweckhandlung vernünftiger Menschen, also damit etwas Geistiges. Verstehen w i r unter Spiel die ästhetische Tätigkeit des Menschen außerhalb aller äußeren Zweckzusammenhänge, so ist wirtschaftliche Arbeit alle m i t der Unterhaltsfürsorge zusammenhängende Tätigkeit des Menschen. Die Frage nach der Produktivität der Arbeit greift in den Bereich der Werturteile, die w i r ausschließen: i n der modernen Wirtschaft w i r d nicht bloß eine Masse sittlich verwerflicher Arbeit, sondern auch völlig sinnloser und überflüssiger Arbeit geleistet. Eine Erwägung dieser Fragestellungen liegt allein ob der Philosophie: Bert Brecht sagt: „ D e n n wovon lebt der Mensch, der Mensch lebt nur von Missetat allein." Betrachten w i r i n unserer Tatsachenfeststellung die Arten der wirtschaftlichen Arbeit, die Arbeit i n ihren verschiedenen Bedeutungen, so können w i r uns erstens vergegenwärtigen die Gestalt und die Arten der Arbeit. D a n n können w i r uns ansehen die K u l t u r bedeutung der Arbeit, ihre W i r k u n g auf den Arbeiter, endlich drittens die Arbeit erwägen als rein mengenmäßige, abstrakt menschliche Arbeit. I. Gestalt und Arten der Arbeit: Unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung eines Arbeitsplanes können w i r unterscheiden: 1. schöpferische Arbeit; 2. organisierende A r b e i t ; 3. leitende Arbeit; 4. ausführende Arbeit. Ein Arbeitsplan muß zunächst einmal entworfen werden. Diese völlig originale Leistung nennen w i r die schöpferische Arbeit. Die Gründung einer Fabrik entsteht erst i m Kopfe eines Menschen. D a n n beginnt diejenige Tätigkeit, welche die notwendigen Vorrichtungen t r i f f t , damit der Plan durchgeführt werden kann: es müssen Menschen zusammengeführt werden, Arbeiter und Angestellte eingestellt, Verträge geschlossen, Maschinen gekauft werden, nach-
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dem schon vorher ein geeigneter Standort für die Produktion erworben, die Fabrik errichtet bzw. gekauft worden ist unter vorheriger Abwägung aller Absatzbedingungen, der Gewinn- und Verlustchancen, aller Risiken, j a sogar der möglichen politischen Situation einer überschaubaren Zukunft. Der Plan ist aus dem K o p f herausgetreten i n die Wirklichkeit, alle Überlegungen und geistigen Entwürfe sind übersetzt worden i n das Leben: das nun ist die organisierende Arbeit, i n der jeder Plan erst seine bluterfüllte Gestalt w i r k lichen Lebens gewinnt, die Organisation, die der Planung folgt. Wenn nun die Fabrik dasteht, der Direktor i n seinem Büro sitzt, die Betriebsleiter auf die Abteilungen verteilt sind und die Arbeiter an den Maschinen stehen, die Glocke zur Arbeit r u f t und die Maschinen laufen, so wickelt sich Tag für Tag ab ein bestimmter Arbeitsprozeß. Bei diesem Prozeß können w i r unterscheiden verschiedene Arten von Arbeit: die leitende, die beratende, die beaufsichtigende und endlich die ausführende Arbeit der Arbeiter an den Maschinen. Eine zweite Möglichkeit, verschiedene Gestalten der Arbeit zu unterscheiden, ist die Bezugnahme auf die äußere Beschaffenheit der ausführenden Arbeit. Diese gestaltet sich verschieden nach den verschiedenen Produktionszweigen. W i r nennen sie Branchenarbeit: Tätigkeit des Landwirts, Handwerkers, Kaufmanns. Es handelt sich hier um qualitativ von einander unterschiedene Tätigkeiten. Die heutige Differenzierung der Berufe kommt zum Ausdruck i n den Listen der Berufs- und Gewerbezählung mit ihren zehntausenden von Berufen. Endlich können w i r drittens unterscheiden Arten und Gestalten der Arbeit mit Bezug auf die innere Beschaffenheit der Arbeit selbst; Hier ergeben sich außerordentlich wichtige Unterschiede in der Gestalt der Arbeit. W i r unterscheiden Vollarbeit oder komplexe Arbeit und Teilarbeit. Unter Vollarbeit verstehen w i r eine Arbeit, die durch alle Arbeitsstadien hindurch vollendet w i r d bis zu jenem Punkt, wo sich die Arbeit darstellt i n einem W e r k : Vollarbeit ist Werkschöpfung durch einen einzigen Arbeiter. Solche Vollarbeit ist die Arbeit des Landarbeiters, der immer schafft an einem sichtbaren Werk. Auch die alte Handwerkerarbeit, wie sie sich heute darstellt i m Bäcker, Schneider, Maurer, Schuster, Schlosser, Schmied, Tischler usw. ist eine Vollarbeit. Diese Handwerkerarbeit ist i n früheren Zeiten entstanden als eine Arbeit aus dem lebendigen Menschen heraus, sie ist eine Vollarbeit, die sich gruppiert u m einen Menschen: diese Vollarbeit stellt sich dar i n irgendwelchem Ganzen. Das ist der Tisch des Tischlers, der Rock des Schneiders, der Schuh des Schuhmachermeisters. Diese Werkschöpfungen erfließen aus einem persönlichen Ganzen; erfüllen den Menschen voll und ganz mit allen seinen Fähigkeiten und Ge-
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schicklichkeiten, sie nehmen ihn als Persönlichkeit mit seinem vollen Können i n Anspruch. Dieser Vollarbeit steht nun gegenüber die Teilarbeit. Die Teilarbeit ist dadurch gekennzeichnet, daß der Arbeiter kein Ganzes mehr schafft, sondern nur den Teil an einem Ganzen, während der Handwerker ein Sachgut als seine eigene Werkschöpfung bezeichnen kann. Die Teilarbeit w i r d nicht bestimmt aus der Persönlichkeit heraus, sondern ganz allein aus der Sache. Man fragt, wie ist ein Teilprozeß einzufügen i n eine Gesamttätigkeit, damit das Gesamtwerk am raschesten und vollkommensten zu Ende gebracht werde. Man zerschlägt die Gesamtarbeit i n Teile ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeiters, fragt nicht, wie muß die Arbeit sein, damit der Arbeiter sich als Persönlichkeit betätigen kann. Früher die komplexe oder Vollarbeit des Schusters, der ein paar Stiefel herstellt, jetzt die 180 und 200 verschiedenen Teilverrichtungen der Stiefelherstellung. Diese Teilverrichtungen werden nun dem einzelnen Arbeiter zugewiesen ohne Rücksicht auf seine Persönlichkeit, lediglich i m Interesse des Werkes. W i r verstehen nun unter beseelter Arbeit diejenige Arbeit, bei delfine persönliche Initiative, ein persönlicher Entscheid über das Wann und Wie der Arbeit besteht. Jeder einzelne Arbeitsakt erfolgt aus dem freien Entschluß des Arbeiters heraus, bis zum letzten Arbeitsakt ist die Arbeit individuell gestaltet. Gemäß eigener Zwecksetzung herrscht völlige Freiheit i n der Gestaltung des gesamten Arbeitsprozesses. Der beseelten Arbeit steht gegenüber die vergeistete Arbeit, bei Welcher der einzelne Arbeiter nicht mehr zu entscheiden hat, wie und wann er die Arbeit ausführt, sondern wo Vorschriften für die Ausführung der Arbeit bestehen, Vorschriften, die schon entstanden sind i m Kopfe eines anderen Menschen. Nach vorher festgesetzten Normen, Regeln, Richtlinien erfolgt die vergeistete Arbeit: kein persönlicher Entschluß des Arbeiters bestimmt den A b l a u f des Arbeitsprozesses, Sondern ein System von Vorschriften, in das sich der Mensch hineinbegibt. Hinsichtlich der Vorschriften für die Durchführung der Arbeit stellt das Taylorsystem den extremen F a l l der Vergeistung dar. Das amerikanische Taylorsystem ist der letzte Ausdruck der Vergeistung und Entseelung. Die Arbeit fließt hier nicht mehr aus der Seele, sie ist eingeschachtelt i n ein Geistgebilde von Vorschriften, sie ist vergeistet und entseelt. Das Aufheben einer Eisenstange w i r d zerlegt i n 12 Teilakte: Vortreten mit dem rechten Bein, Bücken, Hochheben der Stange, linken Fuß nachziehen, Aufrichten des Körpers, Hinlegen der Stange auf den Tisch usw. Es handelt sich hier nicht bloß u m Heraushebung einer einzelnen Verrichtung, die kürzeste Zeitdauer beansprucht, sondern um die Summe aller Ver-
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richtungen. Die Stoppuhr ist das Symbol dieser letzten Vergeistung, dieser Taylorisierung. Der Arbeitsvorgang ist vorher schon vollbracht i m Geiste, der Arbeiter hat nichts zu tun, als die i n diesem Geistgebilde niedergelegten Vorschriften auszuführen. Man muß sich hüten, qualifizierte Arbeit anzusehen als beseelte Arbeit. Der Steinklopfer verrichtet natürlich beseelte Arbeit, jeder Stein muß geprüft werden. A l l e landwirtschaftlichen Arbeiten sind beseelte Arbeiten: jedes Vieh muß individuell behandelt werden, das Füttern u n d Tränken des Viehs ist immer nur beseelte Arbeit, die eine gewisse Initiative, gewisse persönliche Entscheide voraussetzt. Jeder Entewagen ist gleichsam ein I n d i v i d u u m für sich, während die Taylorisierung hineinfällt i n die mechanisch-anorganische Sphäre. Eine weitere Ausbildung dieser Versachlichung findet nun statt, indem nämlich diese Vorschriften selbst versachlicht werden i n einem System von Apparaten und Maschinen. E i n Apparate- und Maschinensystem macht die Vorschriften überflüssig: hier w i r d der Arbeiter einfach hineingeschoben in ein Apparatesystem: jedes Wählen zwischen Möglichkeiten, also alles Seelische, ist ausgeschaltet: das laufende Band i n den Schlächtereien von Chikago stellt dar das äußerste Maß von Versachlichung. Das Fließband erlaubt keine Wahl, keinen persönlichen Entschluß mehr, sondern fordert die bedingungslose Einfügung des ganzen Menschen i n ein System lebloser Körper. Der Mensch am Fließband ist zum entseelten Automaten geworden. I n der gelernten und ungelernten Arbeit haben w i r vor uns zwei Arten von Arbeit, bei denen die eine erlernt werden muß i n einer längeren Zeit, die ungelernte Arbeit dagegen von jedem normalen Menschen ausgeführt werden kann ohne Erlernen, Anlernen oder auch nur Einüben. A l l e Vollarbeit ist natürlich qualifizierte, gelernte Arbeit. Die Herstellung von Schuhen erfordert eine vierjährige Lehre, das Erlernen des Mauerhandwerks setzt eine überdurchschnittliche geistige Begabung voraus, es verfügt auch nicht jeder Mensch über die Fähigkeiten eines guten Bäckers oder Kochs; Schneiderei, Schlosserei und Tischlerei sind hochqualifizierte, beseelte Arbeitsbereiche: man denke nur an die äußersten Grade von Qualifikation u n d Beseelung i n den Arbeitsbereichen von Schiffskapitänen, Flugzeugpiloten, Lokomotivführern. Bei der angelernten Arbeit handelt es sich u m Tätigkeiten, die i n kurzer Zeit erlernt werden können: i m Regelfall setzt jede Arbeit in einer Fabrik eine gewisse Anlernzeit voraus. Nachdem w i r die Betrachtung der Arbeit unter dem Gesichtspunkt ihrer Gestalt u n d ihrer Arten hiermit erledigt haben, ergibt sich eine zweite A r t der Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der W i r k u n g , die die Arbeit ausübt auf den Arbeiter.
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I I . Die Kulturbedeutung der Arbeit für den Arbeiter selbst. Betrachten w i r die Arbeit i n ihrer W i r k u n g auf den Arbeiter, so können w i r unterscheiden zwischen einer objektiven und einer subjektiven W i r k u n g : unter objektivem Gesichtspunkt fragen w i r nach der W i r k u n g , die die Arbeit ausübt auf den Arbeiter, ohne sein Bewußtsein zu berühren, ohne daß er sich einer W i r k u n g bewußt w i r d . I n subjektiver Hinsicht ergibt sich die Frage: wie w i r d dem Arbeiter die Arbeit bewußt? Von jeder Arbeit können ausgehen lebenszerstörende u n d lebensfördernde Wirkungen, die dem Arbeiter nicht bewußt werden. Diese objektiven Wirkungen der Arbeit äußern sich einerseits i n Ermüdungserscheinungen bis zur völligen Erschöpfung des Menschen, i n einer allmählichen Zerstörung seiner Gesundheit, andererseits aber auch i n einer Steigerung des Wohlbefindens ohne gesundheitliche Schädigungen, wenn die Arbeit dem Lebensrhythmus des Menschen folgt: von altersher werden die Arbeiten eines Landmanns, eines Försters, Seemanns und auch Soldaten, ja, Soldaten, denn sein Exerzieren, seines Dienstes ewig gleichgestellte U h r ist Arbeit, als besonders gesundheitsförderlich bewertet, während die Arbeit i m Bergwerk als besonders gesundheitsschädlich angesehen wird. Man k a n n allgemein sagen, daß die Versetzung der Arbeit aus der freien Natur i n geschlossene Arbeitsräume dem menschlichen Organismus niemals zuträglich sein kann. I n der chemischen Industrie übt die Arbeit erwiesenermaßen i n einer ganzen Reihe von Arbeitsbereichen eine G i f t w i r k u n g auf den Menschen aus. Man kann die Bedeutung der Arbeit verfolgen i n bezug auf die Familiengestaltung: eine Arbeit kann familienbildend oder familienauflösend wirken: die bäuerliche Arbeit ruht auf der Familie und w i r k t familienbildend, jede Hausarbeit, die Heimarbeit von Webern oder Spielzeugherstellern w i r k t so familienbildend, während jede Fabrikarbeit familienauflösend wirken kann. Die Kulturbedeutung der Arbeit für den Arbeiter kann i n objektiver Hinsicht untersucht werden unter dem Gesichtspunkt der Beruf sgestaltung: man k a n n die Voraussetzungen einer berufsständischen Gliederung untersuchen und die Frage nach den inneren Berufsbeziehungen des Menschen zu dem Sachbereich seiner Tätigkeit aufwerfen. Als Beruf muß die Arbeit ganz bestimmte Eigenschaften haben: eine solche Arbeit muß abgestimmt sein auf das innerste Wesen eines Menschen, sie muß gleichsam sein eine Funktionsweise seiner Seele, sie w i r d zum Lebensinhalt, zum Sinn seines Lebens überhaupt: es ist die Arbeit, die i n den Jugendträumen des Jünglings webt, die seine geheimen Wünsche als Signa seiner wirklichen Fähigkeiten und Anlagen widerspiegelt. Das eben kann nur die Voll-
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arbeit, die beseelte, die gelernte Arbeit sein, eine Arbeit, die entstehen läßt ein Berufsbewußtsein, eine echte Berufsehre. Die Fabrikarbeit ist keine Berufsarbeit, entseelte Teilarbeiten können keinen Beruf bilden. Bei all diesen Untersuchungen w i r d unberücksichtigt gelassen der Bewußtseinsvorgang i m Arbeiter selbst, die Kulturbedeutung der Arbeit für den Arbeiter wurde hier gewürdigt i n objektiver Hinsicht. W i r können nun die Kulturbedeutung der Arbeit für den Arbeiter betrachten unter dem subjektiven Gesichtspunkt des Arbeitserlebnisses: wie erlebt der Arbeiter seine Arbeit? Hierher gehört das Problem der Arbeitsfreude, der Last und Mühe, die Frage, ob der Arbeiter i n seiner Arbeit seine Befriedigung, sein Glück findet? Was hier i n Betracht kommt, ist einerseits die verschiedene Bewertung der verschiedenen A r t e n der Arbeit, dann aber auch die verschiedene Bewertung der Arbeit in den verschiedenen Stadien der Arbeit, das Empfinden des Schwerer werdens der Arbeit m i t der zunehmenden Zeit. Man hat alles das, was der Arbeiter als Q u a l empfindet, gebracht i n den Begriff des Gegennutzens, der D i s u t i l i t y , etwas rein Äußerliches. Nach der Vergegenwärtigung der Gestalt und Arten, dann der K u l turbedeutung der Arbeit, können w i r die Arbeit würdigen i n einer dritten Betrachtungsweise i n ihrer reinen Menge, als meßbare Größe, rein quantitativ, als abstrakt menschliche Arbeit, indem w i r absehen von allen Verschiedenheiten der Arbeit. Hier fragen w i r nicht nach der A r t der Arbeit, sondern ziehen i n Betracht die Menge des Arbeitsaufwandes i n einer gewissen Zeitdauer, stellen lediglich fest, daß überhaupt gearbeitet w i r d . Diese Vorstellung abstrakt menschlicher Arbeit ist eine Fiktion, der i n Wirklichkeit nichts entspricht. Als lediglich zeiterfüllende Arbeit soll die Arbeit auf einen Nenner gebracht werden. Für eine Reihe von Betrachtungen kann man sich so verhalten, als ob die Arbeit gleich sei u n d als Quantität meßbar in den Arbeitsstunden als dem gemeinsamen Nenner. Den Arbeitsaufwand eines Volkes können w i r nur an der Zahl der Arbeitsstunden feststellen, indem w i r beispielsweise darauf hinweisen, daß in Deutschland in einem Jahr 60 Milliarden Arbeitsstunden gearbeitet wurden. Diese reine F i k t i o n setzt natürlich voraus, daß die verschiedenen Arten der Arbeit als Menge und damit als summierbar gefaßt wurden, Schlosserarbeit und Tischlerarbeit können w i r nicht addieren, beide Arbeitsarten sind qualitativ verschieden wie Ä p f e l und Birnen. Zwischen der Arbeit eines Gelehrten, eines Arztes, eines Schauspielers und Lehrers, eines Offiziers und Botschafters, eines Kapitäns und Polizisten gibt es gar keine Vergleichsmöglichkeiten in rein qualitativer Hinsicht.
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Nachdem w i r den Produktionsfaktor i m Allgemeinen, von dem perjsönliclien Faktor der menschlichen Arbeit den Begriff der Arbeit, die Gestalten und Arten der Arbeit, die K u l t Urbedeutung der Arbeit und dann die Arbeit Tein mengenmäßig, als abstrakt menschliche Arbeit erwogen haben, können w i r als dritten Punkt ins Auge fassen die Arbeitstechnik oder die Anwendung der Arten der Arbeit, die Grundsätze der Organisation u n d endlich die Organisation der Arbeit selbst. Offenbar bedarf jeder Arbeitsplan zu seiner Durchführung eines Verfahrens, wenn er sich an einem Gegenstande betätigt. Hier handelt es sich um die A r t und Weise, wie die Arbeit gestaltet sein kann. Es gibt eine besondere Arbeitstechnik, ein besonderes Arbeitsverfahren, das sich ausschließlich darauf bezieht, wie die Arbeit zu handhaben ist. Die Arbeits technik ist nicht zu verwechseln m i t der Arbeitsorganisation, zu der man erst genötigt ist, wenn zwei Menschen i n Betracht kommen. Die Arbeitstechnik ist eine bestimmte A r t der Arbeitsgestaltung, die der einzelne Mensch vornehmen kann unabhängig von der Organisation. Der einzelne Mensch k a n n sich nicht organisieren, zu i h m kann der Schutzmann nicht sagen: „Gehen Sie auseinander!" Die Arbeitetechnik kann kombiniert werden mit der Organisation. W i e kann nun der einzelne Mensch seine Arbeit géstalten ohne Unterstützung von Werkzeugen und Instrumenten und ohne ein Zusammenwirken mit anderen Menschen zur Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit? D a handelt es sich um zwei wichtige Verfahren: um das arbeitszerlegende u n d arbeitszusammenlegende, und dann mate rial vereinigende Verfahren. Unter arbeitszerlegendem Verfahren ist zu verstehen ein Verfahren, welches eine zusammengesetzte, komplexe Arbeit auflöst i n ihre einzelnen Teilverrichtungen -und nunmehr diese Teilverrichtungen nacheinander erledigt. Wollen w i r uns das verdeutlichen an einem Beispiel: Erledigung einer Anzahl von Briefen, enthält Anzahl von Einzeltätigkeiten, die nacheinander ausgeführt werden; Material zurechtlegen, Adressen schreiben, Briefumschläge zukleben, Briefmarken aufkleben, Briefe eintragen i m Briefbuch, Briefe zum Postkasten tragen u n d hineinwerfen. Das arbeitszerlegende und arbeitszusammenlegende Verfahren beruht darin, daß man sich der einzelnen A k t e bewußt wird, dann sie nacheinander vornimmt. Durch dieses arbeitszerlegende und zusammenlegende Verfahren w i r d viel Zeit erspart, damit w i r d die Arbeit ergiebiger. Dazu kommt nun das materialvereinigende Verfahren, das darin besteht, daß man die Handgriffe, die man an mehreren Gegenständen vorzunehmen hat, gleich an allen i n dieser Periode vorkomr menden Gegenständen vornimmt: w i r können zehn Briefe entweder nacheinander anfeuchten, dann nacheinander zukleben, oder aber w i r
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legen die zehn Briefe nebeneinander m i t den gummierten Streifen und fahren darüber m i t einem Schwamm. Dasselbe material vereinigen de Verfahren liegt vor, wenn der Omnibus- oder Straßenbahnschaffner vier Fahrscheine m i t einer Zange durchlöchert, statt jeden einzelnen Fahrschein für sich zu durchlöchern. Das sind die Elemente aller hochentwickelten Arbeitsgestaltung, zu diesen Elementen muß man hinabsteigen, wenn man sich das Wesen der Arbeitsgestaltung k l a r machen w i l l . Die Arbeitstechnik vereinigt sich nun häufig m i t der Organisation der Arbeit, der w i r uns nunmehr zuwenden. Die Grundsätze der Organisation der Arbeit: Von Organisation kann man erst dann reden, wenn mehrere Menschen zusammenwirken. Das Zusammenwirken von zwei und mehr Menschen setzt voraus eine Ordnung: Organisation ist verwirklichte Ordnung. Unter Organisation verstehen w i r die Verteilung der Arbeit unter die Mitwirkenden. Der Grundsätze, wie die Verteilung der Arbeit erfolgen kann, gibt es zwei und nur zwei: Kooperation und Spezialisation. Die deutschen Worte sind mehrdeutig: Kooperation ist Zusammenarbeit, Spezialisation ist Arbeitsteilung. Diese Worte haben heute einen anderen Sinn. Jedenfalls kann die Arbeitsorganisation beruhen entweder auf Kooperation oder Spezialisation oder auf Kooperation und Spezialisation. Die Zusammenarbeit kann also in einer sehr verschiedenen Weise erfolgen: w i r können unterscheiden eine unmittelbare, räumliche Arbeitskooperation, bei welcher eine Anzahl von Menschen an derselben Stelle zusammenarbeiten, sei es an derselben Stelle an einem Werk gemeinsam oder sei es in einem Raum, aber jeder für sich: eine solche Kooperation findet statt, wenn mehrere Menschen ein Seil ziehen, sich Ziegelsteine zuwerfen, Eimer zureichen durch Kettenbildung: räumliches Zusammenarbeiten mehrerer, Verrichten derselben Arbeit liegt also vor beim Weiterreichen von Wassereimern i n einer Menschenkette oder beim Seilziehen. Es kann aber daneben das Zusammenarbeiten sich nicht beziehen auf dieselbe Arbeit, sondern nur hervorgerufen sein durch räumliches Zusammensein: Zusammenarbeit in einem selben Raum m i t verschiedenen Arbeiten. Bei der Bedienung von 1000 Webstühlen in einem Fabriksaal arbeitet jeder Weber für sich ohne Rücksicht auf den anderen. I m ersten Fall der unmittelbaren räumlichen Kooperation, der Kooperation in engstem Sinn, tut jeder Arbeiter dasselbe: 2 Menschen rollen einen Baumstamm, 20 Menschen ziehen ein Seil, 200 Menschen reichen sich in einer Menschenkette die Wassereimer zu; im zweiten F a l l arbeiten Menschen in einem Raum, aber jeder für sich, aber an einer anderen Arbeit: der Weber an seinem Webstuhl ist i n seiner Arbeit nicht abhängig von der Arbeit der anderen Weber an ihren Webstühlen: die Webstühle können vermehrt, verringert werden, seine Arbeit hat auch dann nodi einen Sinn als Vollarbeit, wenn alle anderen Webstühle
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stillgelegt werden. I m ersten F a l l der unmittelbaren, räumlichen Kooperation, der Kooperation i m engsten Sinn, handelt es sich u m eine Betätigung verschiedener Menschen, es können wenige oder viele, Bekannte oder ganz Unbekannte sein, an demselben W e r k : Seilziehen oder Eimerkette bilden; i m zweiten F a l l arbeiten wenige oder viele, bekannte oder unbekannte Arbeitsgenossen i n einem Raum, aber jeder für sich an einer i n sich geschlossenen Arbeit, die für sich besteht, also zu ihrer Ergänzung der anderen Arbeiten nicht bedarf. Von dieser unmittelbaren, räumlichen Arbeitskooperation, der Kooperation i m engsten Sinn, können w i r unterscheiden die Werk- oder mittelbare Kooperation, die Kooperation i n einem weiteren Sinn, die dann vorliegt, wenn mehrere Menschen zusammen ein Werk herstellen, an einem Gesamtwerk arbeiten, ohne räumlich vereinigt zu sein, also ohne i n der vorher bezeichneten Weise unmittelbar zu kooperieren. Hier kommt es nur darauf an, daß ihre Arbeiten zusammenfließen i n einem Werk. Wenn also ein Haus gebaut w i r d , diese Menschen Steine herrichten, jene Mörtel rühren, andere die Steine auf den Bau tragen, wo die Maurer sie i n einem bestimmten Steinverband zusammenfügen, später die verschiedenen Handwerker, die Zimmerleute, Tischler, Dachdecker Schlosser, Klempner, Maler u n d Glaser das Haus fertig machen, so kooperieren alle diese Menschen auch; sie sind räumlich nicht verbunden, die Kooperation ist eine mittelbare, eine Kooperation i n einem weiteren Sinne, sie ist ein Mitarbeiten an dem Gesamtwerk „Haus". I n diesem Sinn beruht jede Wirtschaftsgesellschaft auf der Kooperation, dem Zusammenarbeiten verschiedener Menschen bei der Bedarfsbefriedigung. Es gibt dann endlich noch eine Kooperation, die i n Betracht gezogen werden kann: die Werkfortsetzung. Die Werkfortsetzung ist ein räumlich getrenntes Zusammenarbeiten verschiedener Menschen i n der Generationenfolge, eine sich über Jahrzehnte-, Jahrhundertereihen erstreckende Arbeit an demselben W e r k : ein und dasselbe Werk kann nur entstehen, daß es fortgesetzt w i r d i n der Aufeinanderfolge der Generationen. Der mittelalterliche D o m wurde gebaut von Generationen in Hunderten von Jahren. Eine derartige Kooperation der nacheinander folgenden Jahrgänge ist für die Gestaltung der materiellen K u l t u r von großer Bedeutung. Durch öffentlichen Kredit sollen die künftigen Generationen mitw i r k e n an der Herstellung der Güter. Es handelt sich hier um die Gewährleistung einer ununterbrochenen Tätigkeit i n der Zeitfolge hinweg über viele Generationen, u m die Verbindung von Geschlechtern zur Durchführung eines gemeinsamen Zweckes. Das andere Prinzip ist die Spezialisation. Dieses Prinzip der Spezialisation bedeutet Verteilung der verschiedenen Arbeiten auf einzelne Arbeiter: der eine Arbeiter t u t dieses dauernd, der andere A r -
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beiter tut jenes dauernd. Diese Spezialisation w i r d bedeutsam, weiin bestimmte Tätigkeiten dauernd zugewiesen werden bestimmten Personen; aus dem Gesamt der Wirtschaft müssen also herausgelöst werden selbständige Tätigkeiten. Diese Spezialisation kann nun erfolgen in verschiedener Weise: Robinson organisiert, wenn Frey tag da ist: sie kooperieren, wenn sie gemeinsam einen Stein fortwälzen, ein Boot schleppen, einen Baumstamm ziehen. Die einfache Kooperation ist am Werk, wenn beide fischen gehen; sie spezialisieren sich, wenn Robinson jagt, Frey tag den Garten bepflanzt. Immer handelt es sich bei der Spezialisation um eine Zusammenarbeit von zwei und mehr Menschen, bei der jeder eine andere Arbeit verrichtet. Eine räumliche V e r r einigung m i t Spezialisation findet statt, wenn Robinson das W i l d abschießt, das Freytag ihm zutreibt. Das ist die einfache Form der Verbindung von Kooperation u n d Spezialisation. Wenn Robinson dagegen jagen geht, Freytag zum Fischfang hinausrudert, so ist das Werkkooperation am gemeinsamen Werk der Ernährung, bei dem jeder etwas Besonderes verrichtet; i m Gegensatz zur einfachen Kooperation die arbeitsteilige Kooperation, Werkkooperation, bei der verschiedene Personen verschiedene Arbeit verrichten an einem gemeinsamen Werk. Das sind die einzigen Grundsätze jeder Arbeitsorganisation. A l l e Organisation der Arbeit beruht nur auf diesen beiden Prinzipien der Kooperation und Spezialisation. Hinsichtlich der Organisation der Arbeit selbst erinnern w i r uns, daß alle Organisation der Arbeit erfolgt i n einer Einheit, räumlich in der Einheit des Betriebes. Betrieb soll ein kontinuierliches Zweckhandeln bestimmter A r t , Betriebs verband eine Vergesellschaftung mit kontinuierlich zweckhandelndem Verwaltungsstab heißen; w i r verstehen unter einem Betrieb also eine Veranstaltung zum Zweck fortgesetzter Werk Verrichtung. Das wollen w i r festhalten. Von einem solchen Betrieb gehen w i r jetzt aus. W i r betrachten die Organisation der Arbeit unter doppeltem Gesichtspunkt: einer Organisation zwischen den Betrieben und einer Organisation innerhalb der einzelnen Betriebe. Die Organisation zwischen den Betrieben würde also bedeuten eine Verteilung der Arbeit unter die Betriebe; diese A r beitsaufteilung erfolgt i m Regelfall durch keinen bewußten A k t . Diese Verteilung der Arbeit auf die verschiedenen Betriebe vollzieht sich nach dem Grundsatz der Spezialisation: die Betriebe verrichten eine bestimmte Arbeit, sie sind Spezialbetriebe vom Ganzen her gesehen. Die Spezialbetriebe haben jeweils einen verschiedenen Arbeitsinhalt. W i r k e n mehrere Spezialbetriebe m i t verschiedenem Arbeitsinhalt, i n unterschiedlichster Abstufung von Spezialisation zusammen an einem gemeinsamen Gesamtwerk, so liegt Kooperation vor. Die Beteiligung der Spezialbetriebe an einem gemeinsamen Werk, die Werkkooperation braucht nicht sinnlich wahrnehmbar zu sein, die
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Betriebe können an verschiedenen Orten liegen. Diese Zusammenfassung der Spezialbetriebe nach irgendeiner Seite h i n i n -der Werkkooperation w i r d schon geschaffen durch den menschlichen Bedarf: der Bedarf eines Menschen erheischt bestimmte Tätigkeiten verschiedener Betriebe, die am gemeinsamen Werk arbeiten: stellt dieser Spezialbe trieb Rasierapparate her, so muß ein anderer Betrieb die Rasierseife liefern; eine Staubsaugerfabrik w i r d bestimmt keine Teppiche herstellen, aber ohne Teppiche w i r d der Staubsauger sinnlos. Verstehen w i r also unter einem Spezialbetrieb einen solchen Betrieb, der eine bestimmte Arbeit leistet, eine bestimmte Verrichtung ausführt, so w i r d die Werkkooperation verschiedener Betriebe hergestellt durch die sinnvolle Vereinigung ihrer Teilarbeiten zu einem Gesamtwerk. Die heutige Wirtschaft beruht weitgehend auf der Spezialisation der Betriebe und ihres Zusammengehens i n der Werkkooperation. Man spricht auch von Differenzierung und Integrierung, indem man nämlich den A k t der Spezialisation als den Vorgang der Differenzierung und das Zusammenarbeiten als Integrierung vergleichsweise bezeichnet. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange man sich eben bewußt bleibt, daß es sich um Vergleiche handelt. Heute ergibt sich die marktmäßige Integrierung der einzelnen Betriebe m i t ihrer Produktion für den M a r k t : der M a r k t vereinigt die Betriebe, der M a r k t bildet die Einheit, er bringt die Integrierung hervor. Der M a r k t ist aber keineswegs die einzige Form der Integrierung: i n der mittelalterlichen FronhofsWirtschaft werden Spezialbetriebe gebildet durch das Machtwort des Grundherrn u n d zusammengefaßt i n der Einheit der Fronhofwirtschaft selbst, die also das Integrationszentrum bildet. I n Sowjetrußland haben w i r eine staatsmäßige Integrierung. Die Spezialisation als Verselbständigung bestimmter Arbeits Verrichtungen in besonderen Betrieben — Schmied, Töpfer, Zimmermann — kann nun bekommen eine besondere Note dadurch, daß die Betriebe an verschiedenen Orten liegen: das wäre also die geographische Arbeitsteilung. Es sind heute zahlreiche Spezialbetriebe beteiligt an der Deckung des Bedarfs an verschiedenen Orten der Erde. Die Berufszerlegung w i r d auch als Arbeitsteilung bezeichnet. I i i dem berühmten Werk von A d a m Smith lautet das erste Kapitel: The division of labour: Smith führt den Wohlstand auf die Arbeitsteilung zurück, auf die Berufszerlegung; er sucht nachzuweisen, daß die Verteilung der Arbeit auf die verschiedenen Betriebe die Geschicklichkeit des Menschen entfaltet habe. I n der Tat ist j a das entwickelte W i r t schaftsleben aufgebaut auf einer weitgehenden Berufspezialisation. Die Bedarfsgegenstände stammen aus Spezialhetrieben aus verschiedenen Teilen der Erde, wie das bereits festgestellt wurde: die geographische Arbeitsteilung als Spezialisation an verschiedenen Teilen der 8
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Erde. Unser heutiger Bedarf w i r d durch das Zusammenwirken von Kooperation und Spezialisation gedeckt. W i r haben heute eine ungeheure Arbeitsspezialisation. Die Arbeitsteilung geht i n der Weise vor sich, daß ein Betrieb anfängt, etwas Besonderes zu machen, daß sich eine Tätigkeit rauslöst aus einer komplexen Arbeit und den Inhalt einer ganzen Betriebsarbeit bildet. Es kommt zur Errichtung immer neuer Spezialbetriebe: es verselbständigt sich der Feuerarbeiter, dann differenziert sich dieser Feuerarbeiter in den Grobschmied, den Feinschmied u n d Schlosser, das geht dann weiter bis zum Messer-, Scheren- u n d Schwerterschmied. Die Kooperation erfolgt also durch das Zusammenwirken dieser verschiedenen Betriebe. Die Organisation innerhalb eines Betriebes ist der andere Gesichtspunkt. Hier läuft es hinaus auf dasselbe, daß in einem Betrieb zusammenarbeitet eine Anzahl von Personen, der eine dieses, der andere jenes tut. Spezialisation zwischen und innerhalb eines Betriebes schließen sich aus: je spezialisierter ein Betrieb, desto geringere Spezialisation innerhalb dieses Betriebes. Früher wurde die besondere Arbeit zum Gegenstand eines besonderen Betriebes gemacht. D a entstehen diejenigen Arbeiten, die w i r schon als Teilarbeiten charakterisiert haben: der mittelalterliche Schmied war spezialisierter als der heutige Eisenarbeiter. Früher machte ein mittelalterlicher Schwerterschmied diese spezifisch spezialisierte Arbeit der Schwerterherstellung i n einem ganzen Arbeitsgang: es gab nur diese eine und ganze Arbeit für ihn, die er völlig beherrschte, alle anderen Schmiedearbeiten waren für ihn ausgeschlossen. Der heutige Eisenarbeiter verrichtet unter Umständen eine komplexe Arbeit: die Herstellung einer Lokomotive ist eine ganz spezielle Arbeit, die i n eine Reihe von unterschiedlichen Teilarbeiten zerfällt, so daß der Eisenarbeiter verschiedene Arbeitsgänge beherrschen muß: Schrauben einziehen. Gewinde drehen, Wasserstandsgläser befestigen, Kolben abdichten, den komplizierten Mechanismus der Luftdruckbremse einrichten usw. Die Organisation innerhalb des Betriebes ist hier orientiert an dem sachlichen Produktionsfaktor. Der Arbeitsgegenstand selbst entwickelt die Betriebsform als Ausdruck der be wußten Verteilung, Zuweisung von Arbeiten, als Organisation: die Betriebsform einer Lokomotivfabrik ist unterschieden von dem Aufbau einer Schiffswerft u n d diese unterscheidet sich durchaus von einer Fabrik für Seifenherstellung. W i r betrachten nunmehr die Betriebsformen, soweit sie bestimmt werden durch die eigentümliche Stellung des persönlichen Produktionsfaktors der Arbeit selbst. Da ist die übliche Teilung gegeben durch den Umfang des Betriebes, indem nämlich die Zahl der i n einem Betrieb beschäftigten Personen genommen w i r d als Anhaltspunkt. W i r unterscheiden die reale und personale Größe. Die Anzahl der beschäftigten Personen ist nicht ausschlaggebend für die Leistung des
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Betriebes, soweit hier der sachliche Produktionsfaktor eine Rolle spielt. Es kann sich da eine ganz falsche Schätzung ergeben: ein Betrieb m i t 20 Personen ist nicht gleich jedem anderen Betrieb mit 20 Personen. Eine Schneiderwerkstatt und Dampfmühle sind zwei Betriebe m i t ganz verschiedener Kapazität: eine Schneiderei m i t 20 Personen ist ein Mittelbetrieb, eine Dampfmühle m i t 20 beschäftigten Personen ist ein sehr großer Betrieb und gehört i n die Klasse der Großbetriebe. Die Statistik muß sich allerdings begnügen m i t der Feststellung der Zahl der beschäftigten Personen, sie vernachlässigt den sachlichen Produktionsfaktor. Die Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe werden w i l l k ü r l i c h lediglich nach der Personenzahl festgestellt: es gibt da Allein- u n d Gehilfenbetriebe m i t einer Person bis zu fünf Personen; die Mittelbetriebe bilden zwei Kategorien von 6 bis 10 und 11 bis 50 Personen. Der Unterschied zwischen Groß- und Kleinbetrieb läßt sich wesensmäßiger feststellen, indem als spezifisches Merkmal genommen w i r d die Leitungsarbeit: von der Größe an, wo Leitungsarbeit verselbständig ist, liegt vor ein Großbetrieb. Die Leitungsarbeit erheischt besondere Funktionen. Mittelbetrieb ist gegeben, i n welchem Leitungs- und ausführende Arbeit zusammen ausgeführt werden von einer Person. Eine zweite Einteilung ist die nach dem Verhältnis des Arbeiters zu seiner Arbeit und der Betriebsangehörigen untereinander. W i r können hier zwei Begriffe verwenden, analog den beseelten und vergeisteten Betrieben. Von den letzteren auszugehen, so ist ein vergeisteter Betrieb ein solcher, i n dem die Arbeit i m ganzen und in ihren Teilen durch vorher geschaffene Systeme geregelt wird. Diese Systeme können in Regeln bestehen, w i r sprechen dann von Vorschriften, sie können aber auch bestehen i n einem Maschinensystem. I n einem vergeisten Betrieb w i r d jede Arbeit durch ein System geregelt, das vorher da ist. Der einzelne hat sich ganz genau der Maschine zu fügen. Die Initiative des einzelnen Arbeiters verschwindet. Die durch maschinelle Einrichtungen vergeisteten Betriebe finden ihren höchsten Ausdruck i m laufenden Band (Chikagoer Schlächterei). Die Tätigkeit des Menschen ist bis i n die letzten Fasern durch einen Mechanismus bestimmt. Die Beziehungen zu der Arbeit sind gänzlich unpersönlich, nirgends bestehen hier irgendwelche persönlichen Beziehungen auch nur i n kleinsten Teilarbeiten. Diesem Sachverhalt steht der beseelte Betrieb gegenüber; i m beseelten Betrieb gestaltet der Arbeiter seine Arbeit nach Gutdünken, hier bestehen persönliche Beziehungen untereinander, vom Lehrling bis zum Leiter sind alle schaffenden Personen i n beseelte, menschliche, persönliche Bindungen verstrickt. W i r haben also: 1. den heutigen modernen Großbetrieb; 8*
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2. den handwerksmäßigen Betrieb, den Bauernbetrieb, den frühkapitalistischen Betrieb. W i r können also unter einem beseelten Betrieb einen solchen Betrieb verstehen, dessen fortgesetzte Werkverrichtung bestimmt w i r d durch die Initiative der i n i h m beschäftigten Arbeiter; dieser seelsame Betrieb beruht ausschließlich auf den Entschließungen und Entscheidungen lebendiger Menschen. Bauernbetrieb, Handwerksbetrieb alten Stils. Das seelsame Moment besteht hier darin, daß der gesamte Betrieb ein Ausfluß lebendiger Menschen ist. Die Arbeitsakte hängen ab von den Entschließungen lebendiger Menschen; die persönlichen Verhältnisse der Arbeiter untereinander und zu ihrem Leiter beziehen sich auf die gesamte Lebensgestaltung u n d gehen über den Betrieb hinaus. Es gibt auch beseelte Großbetriebe, i n denen diese eben geschilderten Züge wiederkehren: auch hier haben w i r ein persönliches Regiment, persönliche Beziehungen, der ganze Betrieb ist durchwärmt von Seele; alle Arbeit ist hier bestimmt durch die Eigenart desjenigen, der sie ausführt, hängt ab i n allen einzelnen Arbeitsakten von der Initiative, den Neigungen, Entschlüssen, Überzeugungen und sogar Stimmungen des einzelnen Arbeiters. Als Beispiel können w i r die Firma i n dem Roman von Gustav Freytag „Soll u n d Haben" nehmen: hier ist das Handelshaus eine Großhandelsfirma. Dieser ganze Betrieb ist gleichsam eingebettet i n Seele, das Betriebsklima ist seelisch durchwärmt; jeder einzelne Arbeiter w i r d gewertet als eigene Persönlichkeit, als Mensch, jeder Einzelne hat seinen eigenen Bereich von Arbeit, die durch ihn geprägt ist. Diesen beseelten Betrieben stehen gegenüber die vergeisteten Betriebe, negativ dahin gekennzeichnet, daß die Seele möglichst ausgeschaltet ist aus dem Betriebe: hier w i r d die Seele i n der Garderobe abgegeben: der Arbeiter ist eine Nummer i n einem solchen Betriebe, äußerlich ausgedrückt durch die Entnahme einer Nummer. Der Betrieb selber stellt dar ein System, ein Geistgebilde, das schon da ist, ehe der lebendige Mensch eintritt, der Betrieb läuft. Nach drei Seiten h i n ist der vergeistete Betrieb eingebunden i n Systeme: 1. i n Normensysteme; 2. i n Rechnungssysteme; 3. i n Apparatesysteme. 1. Der Betrieb stellt sich dar als ein System von Normen, also Vorschriften und Richtlinien, die das gesamte Arbeits verhalten des A r beiters genau bestimmen. Die Arbeit w i r d dem Arbeiter zugewiesen; er kann sie sich nicht aussuchen, über die Arbeitsakte entscheidet die festgelegte Norm, die schriftlich niedergelegte Vorschrift, jede persönliche Entscheidung ist ausgeschaltet, der Arbeiter ist eine seelenlose, jederzeit ersetzbare Nummer: der ganze Betrieb w i r d zusammen-
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gehalten durch ein sachlich-geistiges Moment. Vom ersten A k t bis zur letzten Arbeitsverrichtung regelt ein totes System den Betrieb. 2. Ist dieser vergeistete Betrieb eingebunden i n ein Rechnungssystem: alle Vorgänge können gewogen, gemessen, berechnet werden, das gesamte Arbeitsgeschehen steht unter der Herrschaft der Geldziffer! Mag es sidi um die Leistung des Arbeiters u n d Angestellten handeln, u m Maschinen, Stoffe und Produkte: alles muß auf Zahlen und zuletzt auf den Geldausdruck gebracht werden. 3. Ist dieser vergeistete Betrieb mehr oder weniger überantwortet einem Apparatesystem von Sachdingen. Das gilt für alle mechanisierten u n d chemischen Fabriken, wo der A p p a r a t seine höchste Vollendung findet. Die eigentliche Ausführung der Arbeit ist dem A r beiter genommen und einem System lebloser Körper, einem Maschinensystem überantwortet. A m Ende hängen w i r doch ab von Kreaturen, die w i r machen. Es werden Symbole geschaffen und herausgestellt: sie erlangen ein selbständiges Leben. Endlich können w i r die Betriebsformen unterscheiden nach der Stellung des Arbeiters zu seinem Werk. Hier können w i r zwei große Typen unterscheiden: solche, i n denen der einzelne Arbeiter ein individuelles Werk schafft u n d solche, i n denen dies nicht der F a l l ist, sondern die Angehörigen eines Betriebes ein Gesamt werk schaffen, so daß die Arbeit des Einzelnen nicht erkannt und geschieden werden kann. I n allen Handwerksbetrieben schafft jeder Arbeiter sein W e r k : der Hufbeschlag und die Schuhmacherei sind beseelt; beim Lokomotivbau, Auto, i n einer Schuhfabrik k a n n niemand mehr sagen, wer die Lokomotive, das Auto, die Schuhe gemacht hat: 1000 Menschen haben an der Lokomotive, dem Auto, einem paar Schuhe gearbeitet. W i r können also zwei große Gruppen von Betrieben unterscheiden: 1. Individualbetriebe, i n denen ein Einzelwerk verrichtet w i r d ; 2. Gesellschaftliche Betriebe, i n denen ein Gesamtwerk verrichtet wird. Je nachdem das Werk, das i n i h m verrichtet wird, als das Werk eines Menschen erscheint oder einer Vierizahl von Menschen zugemessen werden muß. Individualbetriebe erweitern sich zu Gehilfenbetrieben: hier entsteht ein Werk, das als Werk des Menschen, der i n diesem Betriebe tätig ist, angesprochen werden kann: die Stiefel sind persönliches W e r k ; sie tragen alle Eigenarten des lebendigen Menschen, seine Launen, Neigungen, Stimmungen sind enthalten in diesen Stiefeln. Die Stiefel tragen das höchstpersönliche Gepräge eines Menschen. Diese Werkschaffung einer Persönlichkeit kann nun aber unterstützt werden von einem oder mehreren Gehilfen. Bei der alten Waldschmiede befestigt der Schmied das Hufeisen am Pferdefuß, während
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der Gehilfe das Eisen zurichtet und der Lehrling den Blasebalg bedient. Diesem Individualbetriebe stehen nun gegenüber gesellschaftliche Betriebe, i n denen die Arbeit von einer Gesamtheit, einer Vielheit von Menschen verrichtet w i r d : die Lokomotive, das Auto, die Stiefel aus einer Fabrik sind ein Gesamtwerk, das Werk aller i n diesem Betrieb beschäftigten Menschen. Keiner der 1000 Menschen in einer Schuhfabrik kann sagen: „Dieses Paar Stiefel habe ich gemacht, sie sind mein persönliches Werk." Man kann also diese beiden Betriebstypen scharf unterscheiden. Der Großbetrieb deckt sich i m Regelfall m i t dem gesellschaftlichen Betrieb, während der Individualbetrieb sich nicht immer deckt m i t dem Kleinbetrieb: i n einem großstädtischen Malergeschäft arbeiten 1000 Maler so, daß jeder für sich allein einen A u f t r a g erhält und nun an die Arbeit geht, als ob er allein wäre. Es ist das also ein Individualbetrieb, der kein Kleinbetrieb ist. Umgekehrt gibt es Mittelbetriebe m i t gesellschaftlichem Charakter. Endlich können w i r noch Aussagen machen über die Gesetzmäßigkeit der Organisation, die Notwendigkeit i n den Beziehungen, die durch die Organisation der Arbeit entstehen. D a haben w i r den gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Kooperation und Spezialisation: Kooperation ist möglich ohne Spezialisation, aber die Spezialisation ist nicht möglich ohne Kooperation; der Auflösung muß notwendig folgen eine Zusammenfassung, wenn w i r die Dinge betrachten unter dem Gesichtspunkt eines Gesamtwerkes. Wenn die Arbeit aus einem Gesamtwerk ausgesondert, verteilt, spezialisiert ist, dann muß irgendwo u n d irgendwann eine Vereinigung stattfinden. Sobald aus der Urwirtschaft, die alle Tätigkeiten zusammenfaßt, Arbeiten ausgelöst werden, muß eine Verbindung dieser Arbeiten stattfinden. Die ausgesonderte Schmiedearbeit kann nicht für sich, völlig isoliert existieren. Das ist ein analytischer Satz. Heute w i r d die Gesamtleistung zusammengefaßt i n Betrieben. Die Zusammenfassung der Einzelleistungen der spezialisierten Betriebe zum Gesamtwerk erfolgt auf andere Weise: die Integrierung der spezialisierten Betriebe erfolgt heute durch den Markt. Der M a r k t integriert, indem er ein gemeinsames Produktionswerk herbeiführt: der Schuh Warenproduzent integriert seinen Spezialbe trieb, indem er das zur Herstellung der Schuhe notwendige Leder einkauft auf dem Markt. Diese marktmäßige Integrierung ist èine der Formen der Integrierung, die auch auf dem Wege einer durchgeführten Planwirtschaft, i m kommunistischen Staat durch die Zentralgewalt, i n der mittelalterlichen Fronhofswirtschaft durch den Herrn erfolgen kann. Festzustellen ist nur, daß Integrierung immer notwendig ist, wo Spezialisation vorhanden ist. Weiterhin betrachten w i r den notwendigen, gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Spezialisation: hier besteht ein
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ganz festes notwendiges Verhältnis. W i r können den Satz aufstellen, daß der Grad möglicher Spezialisation bestimmt w i r d durch die Größe des Betriebes; w i r können auch den Satz umkehren: die Größe des Betriebes w i r d bestimmt durch das Maß der Spezialisation. H a t der Produktionshergang 200 Teilverrichtungen, so muß der Betrieb zunächst mindestens 200 Personen beschäftigen. N u n kompliziert sich die Sache durch folgenden Umstand: die einzelnen Teilverrichtungen erfordern eine verschieden lange Arbeitsdauer, sie brauchen nicht eine gleich lange Zeit. Die Sohlen werden rascher gestanzt als an den Schaft angenäht. Es können i n einer bestimmten Zeitspanne 50mal soviel Sohlen gestanzt als in derselben Zeit angenäht werden. Wenn also 50 Sohlen i n derselben Zeitspanne gestanzt u n d genäht werden sollen, so müssen auf einen Stanzer 50 Sohlennäher angestellt werden, auf 10 Stanzer also 500 Sohlennäher. Die Größe des Betriebes w i r d bestimmt durch das Zeitdauerverhältnis bei der Herstellung der Teile eines Gutes. Wenn die einzelnen Teilverrichtungen nicht die gleiche Zeitdauer haben, werden die einzelnen Arbeiter nicht voll ausgewertet, einer muß auf den anderen warten. Eine Vergrößerung des Betriebes kann immer nur i n demselben Verhältnis stattfinden. Es besteht ein (bestimmtes Mengenverhältnis der Arbeiter und eine bestimmte Vergrößerungsmöglichkeit. Die Mindestgröße eines Betriebes ist immer größer als die Zahl der Teilverrichtungen, weil diese eine verschieden lange Arbeitsdauer erfordern. Also die Größe des Betriebes w i r d bestimmt durch den Grad der Spezialisation, das Ausmaß der Spezialisation w i r d bestimmt durch die Größe des Betriebes. Die Spezialisation drängt auf die Vergrößerung des Betriebes. Erwägen w i r nunmehr audi die Abhängigkeit der Betriebsgröße von der Verwertungsmöglichkeit der produzierten Güter: der Grad der Spezialisation hängt ab von dem Umfange des Absatzes, der Verwertungsmöglichkeit. Je mehr Spezialisation, desto mehr Produktion. Der Marktumfang, die Absatzgröße gleich Marktgröße entscheidet über das zulässige Maß der Spezialisation in einem Betriebe oder zwischen den Betrieben. W i r beobachten auch unter historischem Aspekt, daß die Spezialisation sich immer i n einem bestimmten Verhältnis zu den Absatzmöglichkeiten entwickelt. Man k a n n u m so größere u n d spezialisierte Betriebe einführen, je größer der Absatz ist. Die Entwicklung der englischen Textilindustrie erklärt sich aus der größeren Absatzfähigkeit i n Indien. Orientiert an dem Absatz ihrer Erzeugnisse bei halb- u n d unzivilisierten Völkern oder K u l t u r völkern m i t einem einheitlichen Bedarf beschränkt sich die englische Textilindustrie auf wenige Garnnummern, wenige Muster der gleichförmigen Massen ihres Kattuns. Die amerikanische Industrie konnte sich i n einem höheren Umfang spezialisieren, weil sie den inneren M a r k t als sicheres Absatzgebiet hatte, was in gleichem Maße nicht
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z u t r i f f t auf die europäische Industrie. Je größer also der Absatz, desto größer der Betrieb und desto größer die Spezialisation. Das sind die gesetzmäßigen Zusammenhänge, sie sind denknotwendig, es sind analytische Gesetze. § 19. Der sachliche Produktionsfaktor W i r hatten die Feststellung gemacht, daß alle Produktion nur erfolgt durch das Zusammenwirken der beiden Faktoren: Mensch und Natur. Es gibt nur diese beiden Produktionsfaktoren. Nichts entsteht in der Wirtschaft ohne die Arbeit des Menschen, und ohne die M i t w i r k u n g der Natur kann der Mensch keine Güter erzeugen. Unter dem sachlichen Produktionsfaktor verstehen w i r den Inbegriff alles dessen, was die Natur beiträgt zum Gelingen der Gütererzeugung. Die Wirksamkeit des sachlichen Produktionsfaktors können w i r nach drei Seiten h i n betrachten: 1. als Arbeitsbedingung, 2. als Arbeitsgegenstand, 3. als Arbeitsmittel. Sprechen w i r zunächst über die Arbeitsbedingungen. Darunter verstehen w i r die natürlichen Voraussetzungen jeder Produktion, die sachlichen Bedingungen der produktiven Tätigkeit des Menschen. D a haben w i r den Standort, wo produziert w i r d : es muß ein Raum, ein Ort, ein Platz da sein, wo produziert wird. Jede menschliche Arbeit setzt voraus einen O r t irgendwo auf der Erde, wo sie sich betätigen kann. Der Mensch muß an einem bestimmten O r t auf der Erde stehen, um sich p r o d u k t i v betätigen zu können: ein Stück Erdoberfläche, das bei der agrarischen Produktion i m weitesten Umfang, in großer Ausdehnung i n Betracht kommt. Diese landwirtschaftliche Produktion ist zweidimensional. Aber auch das Innere der Erde, ein Bergwerk kann die Stätte menschlicher Arbeit bilden. U n d endlich auch das flüssige Element, Flüsse, Seen oder das Meer sind für den Seefahrer, Fischer und Taucher Arbeitsstätten, mehr oder weniger begrenzte oder als Meer unbegrenzte Arbeitsstätten. Es bildet dann 2. der Fundort eine Arbeitsbedingung, indem er die Vorbedingung bildet für die Betätigung i n der Urproduktion, der Stoff gewinnung. W i r haben die triviale Tatsache festzustellen, daß irgendwo etwas auffindbar ist, gefunden werden muß, damit der Mensch produzieren kann: Holz i m Walde, Erze i m Bergwerk, Fische i m Wasser. Als dritte Voraussetzung der produktiven Arbeit müssen w i r das Vorhandensein der Naturkräfte erwägen. Diese Arbeitsbedingung setzen w i r auch stillschweigend voraus: es handelt sich entweder u m
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Kräfte der organischen N a t u r wie die lebenspendenden Kräfte der Erde, die alles Pflanzenleben ermöglichen, oder um Kräfte der anorganischen Natur: die mechanische Schwerkraft, die Kohäsion, A d häsion, die Wasserdampfspannung, den elektrischen Strom, die chemischen Prozesse, wo der Gärungsprozeß nodi i n den Bereich der lebendigen, organischen Natur hineinragt, die Brennprozesse bilden Arbeitsbedingungen dafür, daß der Mensch p r o d u k t i v tätig sein kann. W i r können unsere produktive Tätigkeit nur ausüben i m Rahmen der Natur m i t ihren räumlichen und sachlichen Bedingungen. Unter diesen Bedingungen beginnt der Mensch seine Produktion, indem er einen Arbeitsgegenstand i n Bearbeitung nimmt. Unter einem Arbeitsgegenstand verstehen w i r denjenigen Bestandteil der Natur, an dem der Arbeiter sidi betätigt. Der Arbeitsgegenstand ist ein Bestandteil des sachlichen Produktionsfaktors. Diesen Arbeitsgegenstand nennen w i r a u d i den Stoff. Der Arbeitsgegenstand als Stoff ist kein naturwissenschaftlicher, sondern ein geistwissenschaftlicher Begriff, weil er gebildet w i r d durch die Beziehungen zu dem Menschen; nur dasjenige natürliche Dasein w i r d Stoff und Arbeitsgegenstand, das hineingezogen w i r d i n den Bereich der Arbeit u n d damit w i r d zu einem bestimmten u n d begrenzten Zweck. Nicht die Kohle, die irgendwo auf der Erde liegt, w i r d zum Arbeitsgegenstand oder Stoff, sondern nur jene Kohle, die sinnvoll hineingezogen w i r d i n den menschlichen Arbeitsbereich, i n die menschliche Arbeitszweckwelt. W i r unterscheiden den Stoff wiederum nach den Staffeln, Etappen, in denen er für die menschlichen Zwecke verarbeitet wird. W i r können folgende Stoff arten unterscheiden: 1. Den Urstoff: das ist der noch i m Naturganzen ruhende Stoff, der durch die zwecksetzende Arbeit nur abgegrenzt, noch nicht gewonnen ist. Der Urstoff stellt also dar das Naturgegebene schlechthin: zum Urstoff gehört nicht jeder Fisch, nur der Fisch i n einem Gebiet, das deT Mensch i n seinen Gedanken abgesteckt hat als Fischrayon. N u r die Kohle i m Werk, die ihre Abteufung erwartet, die Ackerkrume auf den i n Bewirtschaftung genommenen Flächen, die ihre Saat erwartet. Hier also befindet sich der Stoff noch i m Zusammenhange mit dem Naturganzen. I n dem Augenblick, wo der Mensch i h n aus dem Naturganzen herausnimmt, ablöst, w i r d der Urstoff dasjenige, was w i r den Rohstoff nennen: der Rohstoff ist also der aus dem Naturganzen losgelöste Urstoff, das Erzeugnis der Urproduktion. Das also ist die abgeschlagene Kohle, das geerntete Getreide, die gesammelten Beeren, die gefangenen Fische, die abgeschlagenen Bäume: Rohstoffe das alles, die nunmehr zur weiteren Bearbeitung gelangen. Erst muß also ein Stück Natur i n die Verfügungsgewalt des Menschen gelangen. A u f dem Wege zu seinem endlichen Schicksal nimmt es nun an zwei
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verschiedene Formen, die w i r nennen Zwischenstoff, Zwischenprodukt, Stufenfabrikat und endlich Fertigfabrikat. Zwischenstoff, Zwischenprodukt oder Stufenfabrikat sind die Erzeugnisse der gewerblichen Produktion vor ihrer Vollendung, sie liegen zwischen dem Rohstoff und dem fertigen Erzeugnis, dem Fertigfabrikat. So ist das Mehl ein Zwischenstoff oder Stufenfabrikat, das Gespinst, aber auch das Gewebe sind Zwischenprodukte, Zwischenstoffe, Stufenfabrikate. Der Ausdruck Rohstoff w i r d i m Regelfall sehr ungenau gebraucht: alle Zwischenstoffe oder Stufenfabrikate sind bereits bearbeitete Stoffe, während der Rohstoff erst i n der bloßen Verfügungsgewalt des Menschen steht: das abgeschlagene Erz ist Rohstoff, das Eisen ist Zwischenstoff oder Stufenfabrikat, der Eisenträger für die Brücke ist das Fertigprodukt; das gefangene Schaf ist Rohstoff, seine Wolle ist Zwischenprodukt oder Stufenfabrikat ebenso wie das Gewebe, das K l e i d ist das Fertigfabrikat. Stufenfabrikate sind: Häute, Eisen, während das rohe Erz eben der Rohstoff ist, gewonnene Wolle, wo das Tier der Rohstoff ist. Urstoff ist also, u m es zusammenfassend noch einmal zu wiederholen, der noch i m Naturganzen ruhende, begrenzt vorhandene, für die menschliche Arbeit erreichbare, i n die Arbeitszweckwelt einbezogene Stoff, den die menschliche H a n d noch nicht berührt hat, der lediglich vom zwecksetzenden Geiste erfaßt, intendiert wurde in seiner Bedeutung für Zwecke der menschlichen Unterhaltsfürsorge. Berührt die menschliche H a n d den Urstoff und löst ihn aus dem Naturganzen, so ist er damit geworden zum Rohstoff: die abgeschlagene Kohle, das gefangene Schaf, die gesammelten Beeren. N i m m t die menschliche H a n d nun diesen Rohstoff i n ihren G r i f f , u m i h n zu verändern, zu formen, zu bearbeiten i m Sinne der menschlichen Unterhaltsfürsorge, dann w i r d der Rohstoff als Gegenstand der gewerblichen Produktion zum Arbeitsgegenstand, der bis zu seinem endgültigen Schicksal als Fertigprodukt die Staffeln des Zwischenprodukts oder Stufenfabrikats durchläuft. Das gefangene Tier ist Rohstoff, die gewonnene Wolle Zwischenprodukt, das Gewand ist Fertigfabrikat. A m Ende jeder Produktion steht das Fertigfabrikat. Sobald das Fertigfabrikat vorliegt, hat der Begriff des Arbeitsgegenstandes zu existieren aufgehört. Drittens wollen w i r nun i n Betracht ziehen das Arbeitsmittel und darunter verstehen einen Gegenstand, den der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt, um diesen seinen Zwecken gemäß zu bearbeiten oder sonstwie zu nutzen. I n diesem weiteren Verstände wäre auch der Transport ein Arbeitsmittel, während i m engeren Sinne unter Arbeitsmittel der ganze Komplex von Werkzeugen und Maschinen verstanden w i r d , vom Hammer des Schuhmachers, dçr
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Nadel des Schneiders bis zur Spinnmaschine und der Motorsäge. Das Arbeitsmittel ist der wichtigste Bestandteil der Produktion. Die Entwicklung der Produktion läßt sich ablesen von der Entwicklung des Arbeitsmittels. W i r unterscheiden zwei Kategorien von Arbeitsmitteln: das lebendige und das tote Arbeitsmittel. Lebendiges A r beitsmittel ist für uns nur nodi das Tier, nicht mehr der Mensch als Sklave. Tiere u n d Sachdinge sind also Arbeitsmittel. Diese Sachdinge als tote Arbeitsmittel bezeichnen w i r als Instrumente i n einem weiteren Sinne. Die toten Arbeitsmittel zerfallen i n zwei große Gruppen, die w i r bezeichnen können als passive und aktive Arbeitsmittel. Für die passiven Arbeitsmittel haben w i r wohl einen Ausdruck, der den Umfang nicht deckt, indem w i r sprechen von Apparaten, an denen, i n denen, auf denen Güter erzeugt und bewegt werden: dahin gehören Röhren, Körbe, Fässer, Bottiche, Kannen, Bessemerbirnen, Schächte, Tunnels, Muffeln, Brücken, Tische, Hobelbänke, Paternosterwerke, Schemel, Leitern, Flaschen, alle Wagen und Schiffe. Diese passiven Arbeitsmittel werden auch i n Analogie m i t der Biologie genannt das Gefäßsystem der Produktion, das dann i n Gegensatz gestellt w i r d zu dem Muskel- u n d Sehnensystem des menschlichen Körpers: das sind die aktiven Arbeitsmittel, m i t denen gearbeitet w i r d , m i t denen Arbeitsgegenstände bearbeitet werden, die benutzt werden, um a k t i v in den Arbeitsprozeß einzugreifen. Halten w i r uns eine ganz p r i m i t i v e Arbeitsverrichtung vor Augen: der Tischler muß auf der Erde stehen, die Schwerkraft ist eine der Arbeitsbedingungen; er muß einen O r t haben, wo er arbeitet, i m Regelfall also eine Werkstatt, dann hat er als Rohstoff das Stück Holz vor sich, das er nunmehr i n die H a n d zur Bearbeitung nimmt und es damit zum Zwischenstoff, Zwischenprodukt, Stufenfabrikat macht; der Tisch, auf dem er arbeitet, bildet mit der Hobelbank die passiven Arbeitsmittel, Hobel, Hammer, Zange, Säge, Messer sind aktive Arbeitsmittel. Beim Schuhmacher gehören Schemel, Tisch, Wasserkugel, Gefäße zu den passiven Arbeitsmitteln, während der Hammer, Pfriemen, Zange, Feile die aktiven Arbeitsmittel bilden. W i r stellen fest, daß die Entwicklung der Arbeitsmittel entscheidend ist für die Entwicklung der Produktion und diese Entwicklung ist fortgeschritten vom Werkzeug zur Maschine. W i r können also das Arbeitsmittel abermals teilen i n zwei Kategorien: Werkzeuge und Maschinen. Darüber ist unendlich viel gesprochen und geschrieben worden: der Ingenieur w i r d Werkzeuge und Maschinen unter rein technischem Gesichtspunkt betrachten, während für die national· ökonomische Betrachtung allein maßgebend bleibt der wirtschaftliche Gesichtspunkt, die Stellung des Arbeitsmittels zur menschlichen Arbeit, das Arbeitsmittel als Faktor bei der Gütererzeugung, i n seiner
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Beziehung zur menschlichen Arbeit. E i n Werkzeug ist also ein aktives Arbeitsmittel, das die menschliche Arbeit unterstützt; eine Maschine ist ein aktives Arbeitsmittel, das die menschliche Arbeit ersetzt. E i n Werkzeug ist ein Sachding, dessen sich der Mensch bei seiner Arbeit bedient, u m seine Arbeit besser ausführen zu können. Das können w i r dann auch so ausdrücken, daß w i r sagen, der Arbeiter bedient sich des Werkzeuges und bedient die Maschine. Der Hammer, eines der frühesten Werkzeuge des Menschen, stellt dar eine menschliche Organprojektion, eine Hinausverlegung menschlicher Organe i n die Außenwelt; zunächst als Verhärtung der menschlichen Faust i m Faustkeil, dann m i t dem am Faustkeil aus Stein befestigten Holzstil einen verlängerten menschlichen A r m , u m die Schlagkraft zu verstärken. Es handelt sich hier u m Dinge, die die menschlichen Organe vervollkommnen, verbessern, verfeinern: der Hammer bedeutet die Verlängerung des menschlichen Armes i m Holzstil zur Verstärkung der Schlagkraft und die Verhärtung der menschlichen Faust i m Eisen. D a m i t w i r d größere Schlagkraft erzielt: ursprünglich mag es die menschliche Hand, geballt zur Faust, gewesen sein, m i t der geschlagen wurde, dann der Stein, als das Hineinschlagen eines Holzstabes i n die Erde zur Verletzung der H a n d führte. Benutzt der Mensch den Hammer, der ein Werkzeug ist, zum Schlagen, dann unterstützt und verstärkt er seine Tätigkeit des Schlagens unter Schonung seiner Faust. M i t dem Dampfhammer, der Ramme ist eine Vorrichtung geschaffen, die ihrerseits schlägt. Dadurch werden dieselben Wirkungen erzielt wie beim Hämmern m i t der H a n d und dem Werkzeug des Hammers. Die Maschine des Dampfhammers besteht darin, daß ein großes Gewicht heruntergelassen w i r d m i t deT D a m p f kraft, ähnlich bei der Ramme, die bei Brückenbauten und Tiefbauten benutzt w i r d zum Einrammen von Pfählen. Die Schlagarbeit w i r d nicht mehr ausgeführt vom Menschen, sondern wurde übertragen auf einen Mechanismus, der unendlich stärker zuschlägt, die Schlagkraft unendlich verstärkt und viel genauer arbeitet als die menschliche Hand. Das Nähen ist bekanntlich ein Vorgang, mittels dessen zwei Stoffe durch einen Faden miteinander verbunden werden: w i r können natürlich eine grobe Sackleinenwand m i t unserem Finger durchbohren, m i t der Spitze des Fingers Löcher bohren und durch diese Löcher einen Faden ziehen. Die Nähnadel ist ein gehärteter, feiner, spitzer Finger, der sehr viel feinere Stiche macht, i m Grunde dieselben Dienste verrichtet wie ein Finger, aber sehr viel feinere Stiche erzielt und genauer und feiner näht. Die Nähmaschine ist ein Mechanismus, der seinerseits näht, der seinerseits diese Verbindung der zwei Stoffe mit dem Faden vornimmt. Das Nähen ist auf diesen Mechanismus übertragen: der Mench bedient sich der Nähnadel und bedient die Nähmaschine.
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Sehen w i r uns nun die Maschine noch näher an, so sind da verschiedene Bestandteile zu unterscheiden: einmal die Bewegungs- oder K r a f t - oder Antriebsmaschinen, auch genannt Motoren, das sind diejenigen Bestandteile der Maschine, die die K r a f t liefern. D a gibt es die Wasser- u n d Windmotoren, noch die bewegende K r a f t der Wasserund Windmühlen i m 17. und 18. Jahrhundert, dann die D a m p f - und Elektrizitätsmaschinen u n d die Explosionsmotoren: diese Antriebsmaschinen erzeugen die K r a f t , die dann übertragen w i r d auf einen anderen Mechanismus, der seinerseits die Arbeit ausführt. Der A n triebsmaschine steht also gegenüber die Arbeitsmaschine, die die Arbeit eigentlich ausführt. Hier spricht man wohl auch von Werkzeugmaschinen, die entsprechend der zu leistenden Arbeit ganz verschieden gestaltet sind. Es gibt Hobelmaschinen, Motorsägen, Fräsmaschinen usw. I n der Regel ist nun zwischen der Antriebs- und Arbeitsmaschine oder Werkzeugmaschine ein Raum zu überwinden: das macht die Transmission als die Übertragung der K r a f t von der Antriebs- auf die Arbeitsmaschine: das ist i m Regelfall ein mehr oder weniger breiter oder längerer Lederriemen, häufig i n Verbindung mit anderen Riemen, i m Zeitalter der Elektrizität ist es für die Stromzuführung der Draht, an dem der elektrische Strom entlangläuft. M i t dem Vorhandensein dieser drei Bestandteile, der Antriebs- oder Kraftmaschine, der Arbeits- oder Werkzeugmaschine, der Transmission, liegt vor ein Maschinensystem. Das ist ein vollkommenes System. N u n macht der Arbeitsprozeß Stufen durch, das ergibt sich mit der Entwicklung der Teilmaschine. Das Spinnen w i r d zum Beispiel m i t einem Werkzeug ausgeführt, wo die Spindel herrscht; die Spindel w i r d ersetzt durch das Spinnrad, das ein paar Jahrhunderte den Spinnprozeß beherrscht hat; dieses Rad stellt dar eine halbe Maschine: das Herausziehen des Fadens w i r d besorgt vom Menschen, das Abdrehen geschieht maschinell. Der Mensch ist ein notwendiges Glied i m Produktionsprozeß: pro Faden ein Mensch, das Herausziehen des Fadens erfolgt mechanisch; ein Mensch kann 60 Fäden spinnen. Jetzt entsteht die Vollmaschine: das ist das Entscheidende des letzten Jahrhunderts, der Übergang zur Vollmaschine. Die Maschine an sich ist so alt wie das Werkzeug, man denke an den Feuerquirl. Unsere Zeit ist eben dadurch gekennzeichnet, daß die Maschine fertig, vollendet wurde. Nachdem w i r nun die drei Bestandteile des sachlichen Produktionsfaktors erörtert haben, wollen w i r noch die Produktionsmittel in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen. Das Wort Produktionsmittel w i r d i n verschiedenem Sinne gebraucht: in einem weiteren Sinn verstehen w i r unter Produktionsmittel alle sachlichen Produktionsfaktoren, soweit sie Arbeitsprodukte sind: alle Zwischenstoffe, Gefäße, Trans-
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portanlagen, Apparate, Instrumente, an denen und m i t denen gearbeitet wird. I n einem engen Sinne versteht man unter Produktionsmittel alle Arbeitsmittel als produzierte Produktionsmittel. Eine w i r t schaftende Gesellschaft verfügt über einen bestimmten Vorrat an Produktionsmitteln, Produktionsmittelvorrat, Produktionsmittelfond genannt: das wäre also der Inbegriff aller zur Produktion dienenden sachlichen Bedingungen: Wege, Transportanlagen, Transportgefäße, Wagen, Schiffe, Brücken, Bagger, Werkzeuge und Maschinen, die Gesamtheit von Arbeitsprodukten, die ihrerseits dienen, Güter zu erzeugen. Dieser gewaltige von Menschenhand geschaffene künstliche Apparat zur Gütererzeugung bildet den Produktionsmittelfond; i n anderer Wendung: unter dem Produktionsmittelfond oder Produktionsmittelvorrat verstehen w i r den Inbegriff der vom Menschen hergestellten sachlichen Produktionsfaktoren. Dieser vom Menschen für seine Produktion geschaffene Produktionsmittelvorrat oder Fond w i r d sehr ungenau auch bezeichnet als K a p i t a l oder Sozialkapital. Bezeichnen w i r den Produktionsmittelfond als Kapital, so w i r d jede m i t diesem Produktionsmittelfond ausgeführte Produktion zu einer kapitalistischen Produktion. Jede Wirtschaftsweise, die sich eines Sachgutes zur Produktion bedient, w i r d damit zur kapitalistischen Produktion. Der Australneger, der sich eines Pfeiles und Bogens zur Jagd bedient, sein Weib, die einen Grabstock handhabt, um nach Wurzeln zu suchen, sind ebenso Kapitalisten und treiben eine kapitalistische Wirtschaft wie das K i n d , das Beeren i n seinen Korb sammelt. D a m i t trägt jede Produktionsweise der Menschheit zu allen Zeiten u n d bei allen Völkern einen kapitalistischen Charakter. Deshalb ist das Wort K a p i t a l nur dort zu verwenden, wo historische Produktionsweise i n Frage kommt. Arbeitslöhne sind keine Produktionsmittel, sondern Konsummittel: da aus K a p i t a l bezahlt, so folgert man abwegig, seien die Löhne eben auch gleich Kapital, Produktionsmittel; der Arbeiter kann unmöglich als M i t t e l angesehen werden. Das Geschäftsvermögen einer kapitalistischen Unternehmung ist Kapital, alles andere gehört zum Produktionsmittelvorrat als einem allgemein ökonomischen Begriff. W i r können n u n feststellen, daß die Beschaffenheit und Verwendungsart der Produktionsmittel die Eigenart und Entwicklungsstufe der Sachtechnik bestimmt. Der Begriff der Sachtechnik ergibt sich aus der Gestaltung des Arbeitsmittels; das Verfahren, das w i r anwenden, indem w i r die Produktionsmittel i n einer bestimmten Weise benutzen, bestimmt die Sachtechnik, die i n ihrer Entwicklung beeinflußt w i r d durch zwei Momente: einerseits Erfindungen neuer Arbeitsmittel, andererseits Einführung neuer Verfahrensweisen. Arbeitstechnik ist das angewandte Verfahren. Die Sachtechnik besteht in
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einer bestimmten Beschaffenheit der Produktionsmittel. D i e Entdekkungen neuer Stoffe und Kräfte sowie neuer Verfahrensweisen werden entwickelt. W i r können noch auf den zwischen Technik und Organisation bestehenden Unterschied hinweisen: Organisation ist Inbeziehungsetzung, Zusammenfügung von Menschen zur Durchführung einer gemeinsamen Arbeit, eines gemeinsamen Werkes; Technik bezeichnet das Verfahren. Man kann verschiedene Verfahren bei derselben Organisation, verschieden Organisationen bei demselben Verfahren anwenden. I n dem Verhältnis der Betriebs formen zur Sachtechnik treten Technik und Organisation i n Verbindung zueinander. Je nach dem Überwiegen des persönlichen oder sachlichen Produktionsfaktors erhält der Betrieb eine verschiedene Gestalt. Das sehen w i r deutlich ein, wenn w i r die durch die Eigenart der Sachtechnik beeinflußten Betriebsformen ansehen. Bei der Erörterung des persönlichen Produktionsfaktors wurden bereits Betriebs formen abgehandelt, die sich ergeben aus dem Verhältnis des Arbeiters zu seinen Mitarbeitern, aus der Stellung der Arbeiter zu ihrem Werk. D a m i t sind nicht erfaßt alle Betriebsformen, w e i l einige bestimmt sind durch die Sachtechnik, die i m Betrieb angewendet wird. D a können w i r unterscheiden Betriebe, i n denen m i t Werkzeugen, und andere, in denen m i t Maschinen gearbeitet w i r d : jene sollen heißen Handbetriebe und diese automatische Betriebe. Diese Unterscheidung hat m i t den früher von uns erörterten Formen nichts zu tun, zum Beispiel m i t der Größe. Ganz abwegig ist es, den Handbetrieb als Kleinbetrieb und als Großbetrieb zu bezeichnen den automatischen Betrieb. Es gibt automatische Kleinbetriebe und Großbetriebe, die keineswegs automatisch, sondern Handbetriebe sind. Denken w i r an die Näherin m i t ihrer an die elektrische Leitung angeschlossenen Nähmaschine. Automatische Betriebe sind zu 100% automatisch, der Mensch ist hier nicht mehr schöpferischer Arbeiter, sondern steht in diesen Betrieben i m Verhältnis der Bedienung von Automaten. A l l e Großbetriebe lassen sich aufgliedern in automatische oder automatisierte und i n nicht automatisierte Großbetriebe. Der automatische oder automatisierte Großbetrieb soll heißen F a b r i k : hier sind die wesentlichen Teile des Produktionsprozesses einem System lebloser Körper überantwortet. Es wäre ungenau, j a geradezu falsch, unter diesem System lebloser Körper ein Maschinensystem zu verstehen: ein Maschinensystem umfaßt nicht die Kategorie der chemischen Fabrik, der gemeinsame Nenner, der allgemeinere Begriff w i r d hier gebildet m i t der Automatisierung, die sowohl die Fabriken m i t einem Maschinensystem, mit AntriebsArbeitsmaschinen und Transmissionen, als auch die chemischen Fabriken umspannt. Den Fabriken stehen gegenüber die Großbetriebe
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D i e Gütererzeugung: I. D e r
an
als Manufakturen, -die auf Handarbeit beruhen. Manufaktur soll heißen ein gesellschaftlicher Großbetrieb, i n dem wesentliche Teile des Produktionsprozesses überlassen sind der menschlichen Hand, der M i t w i r k u n g des Arbeiters. W i r haben da als eine A r t Paradefall die Porzellanmanufaktur als gesellschaftlichen Großbetrieb, i n dem wesentliche Teile des Arbeitsprozesses nicht automatisiert sind: hier arbeitet jeder Arbeiter für sich allein an seinem W e r k ; nur die Öfen sind fabrikmäßig und bilden das automatische Moment, alles andere formt die menschliche Hand; i n jeder Porzellanmanufaktur arbeiten Künstlerhände in einsamer Werkschöpfung, die Formung und Bemalung jeder Kaffeekanne oder Blumen vase trägt das Gepräge einer Persönlichkeit. I n der Kunsttischlerei als Manufaktur ist jedes Möbelstück das Produkt einer einsamen Werkschöpfung. Das sind Großbetriebe m i t Handarbeit. Die Handarbeit darf nicht verwechselt werden m i t dem Handwerk. Das Handwerk ist eine bestimmte Wirtschaftsform, i n der ein kleiner Produzent einen Betrieb auf eigenes Risiko unterhält. Das Kunstgewerbe ist großbetrieblich organisiert. Es ist auch irrtümlich, das Schema von K a r l M a r x zu verallgemeinern, indem als Regelfall ein Entwicklungsgang vom Handbetrieb zur Manufaktur und von dort zur Fabrik behauptet wird. Dieses dreifache Schema t r i f f t zu für die Textilindustrie, aber nur für diese und ist falsch i n allen anderen Fällen: es gibt eine Entwicklung vom Individualbetrieb zur Manufaktur und nicht darüber hinaus; die Manufaktur ist also nicht Durchgangsstufe. Die chemische Fabrik ist ein Kleinbetrieb, ein Individualbetrieb, der sofort Fabrik w i r d , weil die Möglichkeit der Manufaktur überhaupt nicht besteht. Es sind das allgemein ökonomische Begriffe, die nicht angehören einem bestimmten Wirtschaftssystem, sie können in den verschiedensten Arten von Wirtschaftssystemen gefunden werden. Es gibt Manufakturen und Fabriken in einem kapitalistischen und kommunistischen System. Welches ist der Unterschied zwischen Handwerk u n d Fabrik? Das sind disparate Begriffe, die gar keine Beziehung zueinander haben: das Handwerk drückt aus ein Wirtschaftssystem, während die Fabrik eine Betriebsform ist, die m i t der Organisation der Wirtschaft überhaupt, mit ihrem Geist als BedarfsdeckungsWirtschaft — das Handwerk steht bekanntlich als Wirtschaftssystem unter der Idee der Nahrung, des standesgemäßen Unterhalts — oder Erwerbswirtschaft mit der Idee des Gewinnstrebens, m i t ihrer Ordnung — freie oder gebundene Wirtschaft, ihrer Technik, die sein kann stationär oder revolutionär, keine Berührung hat. Soviel über die Produktionsfaktoren. W i r kommen nunmehr zu einem neuen Unterabschnitt i n der Gütererzeugung, den wollen w i r überschreiben m i t Leistung und Erfolg.
Rohertrag u n d Kosten
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II. Leistung und Erfolg 8 20. Rohertrag und Kosten W i r betrachten die Erzeugung, die Produktion von Gütern unter dem Gesichtspunkt des Erfolges: w i r fragen nach dem Effekt dieser Veränderungen, die der Mensch m i t den vorgefundenen Stoffen der Natur vornimmt, w i r fragen: was kommt heraus bei diesem Bienenfleiß des Menschen? Es ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Leistung u n d Erfolg, die Frage nach den Bedingungen des Erfolges, die w i r hier behandeln. Ertrag soll heißen das Ergebnis der Produktion während eines bestimmten Zeitabschnittes; das, was fertig w i r d in einer bestimmten Zeit an Erzeugnissen durch die Arbeit des Menschen, heißt Ertrag i m Sinne von Rohertrag. Dieser Ertrag erheischt zu seiner Erzielung einen bestimmten Aufwand. Es muß etwas aufgewendet werden, damit sich ein Ertrag überhaupt ergibt. Diesen A u f w a n d nennen w i r die Kosten, die Produktionskosten. Woraus bestehen diese Kosten? Das ist die Frage, die w i r uns zunächst vorzulegen haben. Vom Standpunkt der privaten Geldwirtschaft aus gesehen werden diese Kosten m i t dem Geldausdruck erfaßt. Die Kosten, die dem Produzenten aus der Herstellung von Gütern erwachsen, sind Geldsummen. Dieser Kostenbegriff als Geldausdruck versagt i n der Eigenwirtschaft. Für den Selbstversorger hat die Zurückführung des Aufwandes auf einen Geldausdruck keinen Sinn. Aber auch i n der Geld Wirtschaft können w i r nicht weiter kommen m i t dem Gieldausdruck: dieser Ausdruck ist beschränkt auf die Privatwirtschaft. Die Frage nach den Kosten, dem A u f w a n d , den eine wirtschaftende Gesellschaft, ein ganzes V o l k innerhalb eines Jahres für die Erzielung des Produktionserfolges machen mußte, k a n n nicht beantwortet werden m i t einem Geldausdruck. Betrachten w i r die Produktionskosten als eine allgemein ökonomische Kategorie, als zeitlose Kategorie, die für jede Wirtschaft Gültigkeit hat, so können w i r sie nicht erfassen mit einer Geldsumme. Das Geld ist ein historischer Begriff, der nur in bestimmten Wirtschaftssystemen einen Sinn hat. Aber auch i n der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Produktionskosten, die ein Volk oder alle Völker dieser Erde, die ganze Menschheit zur Erzielung ihres Gütervolumens aufwandte, w i r d der Geldausdruck völlig sinnlos. I m Grunde wissen w i r ja, worin der A u f w a n d besteht: daß immer auf gewendet werden müssen menschliche Arbeit und Natur, um einen Produktionserfolg zu erzielen. Das ist ein A u f w a n d des persönlichen und sachlichen Produktionsfaktors. Man darf nur auf die Arbeit Rücksicht nehmen. Das Jahresprodukt der menschlichen Gesellschaft, der ganzen wirtschaftenden Menschheit auf dieser Erde ist das Ergebnis der in diesem Jahr aufgewendeten Arbeit. Dagegen 9
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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können w i r geltend machen: es ist dieses Jahresprodukt a u d i das Ergebnis des Naturaufwandes, der z u dem Arbeitsaufwand hinzukommt. Das stimmt technisch, ist aber für die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung falsch, weil diese den Naturaufwand unberücksichtigt läßt, w e i l der Naturaufwand gratis, unentgeltlich geliefert w i r d ; der Natur auf wand ist ökonomisch irrelevant, belanglos, n i d i t bedeutsam: u m die Materie, die i n den Gütern steckt, kümmern w i r uns nicht; da die Materie unentgeltlich zur Verfügung steht, können w i r sie als von der Natur gratis dargeboten erachten. Seit den Klassikern ist es ein Dogma, alle Kosten nur auf den Faktor Arbeit zurückzuführen. Es ist nun nicht richtig, daß die Materie, die Substanz, die i n den Gütern steckt, bedeutungslos wäre vom wirtschaftlichen Standpunkt. N u r wenn diese Materie als freies G u t i n beliebiger Menge vorhanden wäre, brauchte sie uns nicht zu interessieren. Die Natur ist gratis, gewährt ihre Gaben unentgeltlich, i n gewissem Sinne tut sie das ohne Zweifel; aber w i r haben Interesse an den Naturgaben: was uns interessiert, ist etwa das Geringerwerden dieser Stoffe und Kräfte; dieses Moment ist mindestens so interessant wie die Arbeit. Stoffe und Kräfte sind nur i m beschränkten Umfange vorhanden. Bei unbeschränkten Gaben gäbe es keine Wirtschaft. D a diese Stoffe und Kräfte beschränkt sind, müssen w i r uns u m sie kümmern. Die Arbeit haben w i r immer i n einem genügenden Umfang zur Verfügung, die Menschen können sich vermehren weithinaus über alle Gaben der Natur! Stoffe u n d Kräfte der Natur sind aber beschränkt, nicht beliebig vermehrbar und auch nicht ersetzbar. W i r müssen also die beiden Bestandteile der Produktionsfaktoren berücksichtigen: Arbeit und Natur. So können w i r nun die Produktionskosten eines Gutes bestimmen wie folgt: 1. Die Arbeitskosten als A u f w a n d lebendiger Arbeit. Diese Kosten setzen sich zusammen aus folgenden Momenten: aus der Zahl, der Menge der Menschen, die beteiligt sind an der Herstellung eines Gutes, dann aus der Zeitdauer, während welcher sie an der Herstellung gearbeitet haben, endlich dem Intensitätsgrad ihrer Arbeit. H i n sichtlich dieses Faktors ist auf den folgenden Unterabschnitt zu verweisen. Der Arbeitsaufwand würde sich also darstellen als Produkt der Zahl der Menschen und der Zeit, während welcher sie gearbeitet haben; ich k a n n die Arbeitskosten bilden, indem ich die Zahl der Menschen multipliziere mit der Zahl der Arbeitsstunden. Das ist natürlich eine Fiktion, die uns lediglich die Bildung des Begriffs der Arbeitskosten ermöglicht. Es läßt sich die verschiedenartige A r t menschlicher Arbeit niemals zurückführen auf abstrakt mensdiliche Arbeit, die Qualität der Arbeit nicht verwandeln i n ihre Unterschieds-
Rohertrag u n d Kosten
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lose Quantität i n Gestalt der Zahl der Arbeitskräfte und der Zahl der Arbeitsstunden. 20 Hutmacher leisten in zehn Stunden Arbeit etwas ganz anderes als 20 Schuhmacher. 2. Die Bodenkosten, die entstehen durch die Bodenfläche, die zur Erzeugung des betreffenden Gutes i n Anspruch genommen wurde; die Bodenkosten sind also das Ergebnis von der Größe des Areals, welches bei der Produktion gebraucht wurde, und der Zeit, während welcher es gebraucht wurde. Hier handelt es sich wieder um eine M u l t i p l i k a t i o n von zwei Größen: einer Raum- und Zeitgröße. Stecken in 20 Doppelzentnern Roggen 10 Morgen Ackerfläche, so ist noch die Zeitdauer zu berücksichtigen, während welcher die Bodenfläche beansprucht wurde: diese Menge Getreide beanspruchte so und so viel Fläche während eines Jahres. Fragen w i r nach den Bodenkosten eines Segelschiffes, so stellen sich diese Bodenkosten dar i n der Masse Holz, das in dem Schiff steckt; der Wert dieses Holzes i n Gestalt der Bodenkosten ist bestimmt durch die Größe der Waldfläche, auf der es wuchs, und der Zeitdauer, die i n diesem Falle eine Spanne von 80 bis 100 Jahren beträgt. 3. Die Urstoffkosten, die eingegangen sind i n das Produkt. Diese Urstoff kosten sind gleich der Menge, die das Produkt von dem vorhandenen Vorrat i n sich aufgenommen hat. Hier handelt es sich um die Menge von Stoffen. Diese Stoffe können organische oder anorganische Urstoffe sein. Organische Stoffe sind alle Pflanzen und tierische Bestandteile, bei anorganischen Stoffen i n erster Linie Kohlen und Erze. Es muß nun festgestellt werden, daß jeder dieser Kostenbestandteile an Arbeit, Boden und Urstoff unmittelbar u n d mittelbar eingeht i n ein G u t : i n einem Holztisch stecken die unmittelbaren Arbeits-, Boden- und Urstoffkosten. Aber der Tischler fertigt den Tisch an m i t seinen spezifischen Arbeitsmitteln: dem Hobel, der Säge, dem Bohrer, dem Hammer; i n diese Werkzeuge sind wieder hineingegangen Boden-, Urstoff- und Arbeitskosten. Arbeiten 1000 Arbeiter 100 Tage an einem Schiff, so gehen die Arbeitsstunden als Arbeitskosten unmittelbar hinein i n das Schiff. Dazu muß der A u f w a n d an Arbeit, Boden und Urstoff berücksichtigt werden, der i n den bei dem Schiffbau verwandten Werkzeugen und Maschinen steckt. Natürlich geht nur ein T e i l dieser Kosten i n den Schiffbau hinein, nämlich der Abnutzungskoeffizient, der dann abgeschrieben wird. K a n n der Hammer des Schiffszimmermannes beim Bau von 100 Schiffen benutzt werden u n d kostet er 5,— D M , so würden er m i t einem Abnutzungskoeffizienten von fünf Pfennigen hineingehen i n jeden Schiffsbau. Es ist das die Abnutzung des Arbeitsmittels, des Werkzeuges oder der Maschine. Der Anschaffungspreis dieser Arbeitsmittel w i r d in Beziehung gesetzt zu der Dauer ihrer Verwendung: kostet eine Ma9*
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schine zehntausend M a r k und kann sie fünf Jahre benutzt werden, so müssen i n jedem Jahre zweitausend M a r k hineingeredinet werden i n die Produktion. Beim A u f w a n d i n einer Dampfmühle m i t zehn Müllergesellen muß berücksichtigt werden, daß die Dampfmühle getrieben w i r d von einem riesigen Maschinenapparat, dessen Herstellung 10 000 Arbeitsstunden kostete. Natürlich ist nicht der ganze Betrag von 10 000 Arbeitsstunden in das Arbeitsprodukt einer Woche einzurechnen, sondern nur derjenige Kostenbetrag, der verbraucht wurde zur Herstellung des Arbeitsprodukts i n der Zeit einer Woche. Heute spricht man von Abschreiben, Amortisation, wobei auf das Arbeitsprodukt übertragen werden diejenigen Teile i n Geld, die verbraucht wurden i n der Zeitspanne, die zur Herstellung dieses Produkts beansprucht wurde. Das Mengenverhältnis der einzelnen Bestandteile der Produktionskosten ist nun sehr verschieden i n den Arbeitsprodukten. I n einem Produkt kann eine verschiedene Menge an Arbeit und Boden stecken. Wieviel Boden und Arbeit können beispielsweise stecken i n einem Pferde? Wenn das Pferd aufgewachsen ist auf den Pampas von Südamerika, so steckt sehr viel Boden i n dem Pferde; ist das Pferd dagegen auf gewachsen i n der Pferdezüchterei i n Trakehnen, so steckt sehr viel Arbeit i n ihm: denn i n Trakehnen wurden kostbare Ställe gebaut und ein besonders ausgebildetes Personal zum Aufziehen der Pferde bestellt. Während das Pferd auf den südamerikanischen Pampas vielleicht 100 Arbeitsstunden, 1000 dieser halb wilden Pferde von fünf Pferdehirten betreut wurden, sind i n Trakehnen mindestens 50 Pferdepfleger bei 100 Pferden erforderlich. Bei dieser intensiven Pferdezucht schrumpft der Boden als Kostenbestandteil ein, während die Arbeit als Kostenbestandteil i n die Höhe schnellt. D a sind auch nicht bloß die Kosten für die Pferdepfleger und den Bau der Ställe zu berücksichtigen, sondern laufend andere Kosten für Tierärzte, Stroh, das das Pampapferd nicht braucht usw. Wieder i n einem anderen Verhältnis stehen Rohstoff u n d Arbeit zueinander. Das Verhältnis dieser beiden Bestandteile drückt sich aus i n dem niederen oder höheren Verarbeitungsgrade des Gegenstandes. E i n Zentner Eisen kann mehr oder weniger verarbeitet werden: je mehr w i r i h n verarbeiten, desto mehr Arbeit stecken w i r i n i h n hinein. Nach dem Verarbeitungsgrad erhält der Zentner Eisen einen verschieden hohen Wert. Nehmen w i r die Preisgestaltung zum Maßstab des Verarbeitungsgrades: ein Zentner Eisen, verarbeitet zu Eisenstangen, kostet 35,— Reichsmark, verarbeitet zu Hufeisen kostet derselbe Zentner Eisen 60,— Reichsmark, verarbeitet zu Tafelmessern kostet derselbe Zentner Eisen 380,— Reichsmark, verarbeitet zu Taschenmesserklingen kostet derselbe Zentner Eisen 15 926,— Reichsmark, verarbeitet zu Nähnadeln kostet derselbe Zentner Eisen
Rohertrag u n d Kosten
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31 778,— Reichsmark, verarbeitet zu Uhrfedern kostet -derselbe Zentner Eisen 425 000,— Reichsmark. Die Kostenspanne der unterschiedlichen Verarbeitungsgrade liegt also zwischen 35,— Reichsmark und rund einer halben M i l l i o n Reichsmark. So verschieden gestaltet sich das Verhältnis dieser beiden Bestandteile Rohstoff und Arbeit zueinander: die Stoff menge ist immer ein Zentner Eisen, aber die Zahl der Arbeitsstunden bei der Herstellung von Uhrfedern liegt weit über der Zahl der Arbeitsstunden, die bei der Herstellung von Eisenstangen oder Hufeisen gebraucht werden, wobei die unterschiedlichen Lohnhöhen als Folge der unterschiedlichen Ausbildungsdauer und Geschicklichkeit der Arbeiter unberücksichtigt bleiben. Endlich kann man die verschiedenen Mengen von Boden und Uretoff einander abwägen. Dieses Verhältnis von Boden und Urstoff w i r d bestimmt durch den Stand der Technik. Hier entscheidet die Technik, ob der Arbeitsgegenstand stammt aus der organischen, lebendigen oder anorganischen u n d toten Welt: der Blecheimer, der den Holzeimer ersetzt, enthält eine Menge Urstoff und sehr wenig Bodenkosten. Der Raum, den das Bergwerk einnimmt, ist sehr klein, während das Holz des Holzeimers mehr Boden braucht. Es erfolgt also eine Verschiebung dieses Verhältnisses von Boden und Urstoffkosten. Die Herstellung eines Gutes aus Silber, Eisen, Blech oder aus Holz entscheidet darüber, ob der Kostenbestandteil des Urstoffes oder des Bodens i n das Gut hineingeht. Die Hereinnahme der Güter aus der anorganischen Welt vergrößert den Spielraum. Setzen w i r die Transportmittel i n Bewegung m i t den Antriebskräften des Dampfes, des Benzins, des Holzgases, der Elektrizität, so heißt das, daß w i r die Bewegung ausführen ohne Pferde, die j a der lebendigen N a t u r entstammen, vielmehr ausführen mit K r ä f t e n der toten Natur: damit sparen w i r aber Bodenkosten, denn Pferde brauchen den Boden zu ihrer Ernährung, m i t chemischen Produkten und Pillen können w i r Pferde nicht ernähren; die D a m p f k r a f t kostet nur Kohlen, die der anorganischen Natur entstammen. A m Bodenmangel findet jede Bewegungsmöglichkeit ihre Grenze. Jede Lokomotive, jedes Automobil macht mindestens 100 Pferde überflüssig. Zur Erzielung derselben Transportleistung ist weniger Boden erforderlich. Nehmen w i r die organische Bleiche und Färberei: früher wurden alle Farben der organischen Natur entnommen, diese Mengen waren aber beschränkt und würden nicht mehr genügen, auch die Mengen der heutigen Wäsche können nicht mehr ausgebreitet werden auf dem Erdboden zur natürlichen Bleiche. Die Erde genügt nicht mehr zur Bleiche und Färberei. Heute haben w i r die Anilinfarben und die Chlorbleiche, vorher K r a p p , Waidblau, das Rot der Purpurschnecke; früher mußte gesät werden, um die Farbmittel herstellep zu können, heute haben w i r nur Stoff-, aber keine Bodenkosten mehr.
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Natürlich sind exakte Berechnungen hier nicht möglich, es muß genügen, die allgemeinen Zusammenhänge festzustellen. W i r stellten fest, was die Kosten, der A u f w a n d sind, w i r haben gesehen, daß es Arbeits-, Boden- und Urstoff kosten sind, w i r wissen, daß das Pferd Boden braucht, D a m p f k r a f t und Benzin keinen Boden brauchen, daß der Bodenbestandteil i m Eiseneimer gering, i m Holzeimer groß ist, daß die Naturbleiche eine große Bodenfläche zur Ausbreitung der bleichenden Stoffe braucht, die Chlorbleiche auskommt ohne den Bodenbestandteil. § 21. Reinertrag u n d Einkommen Nunmehr kommen w i r zu einer anderen Begriffsanalyse, die sich ergibt, wenn ein bestimmtes Mengenverhältnis der Kosten hergestellt w i r d zu dem Ertrage. W i r wollen feststellen, ob die Kosten höher sind als der Ertrag: man kann Reinertrag nennen diejenige Größe, die sich ergibt als Uberschuß des Ertrages über die Kosten. Gibt es n u n eine Möglichkeit, den Reinertrag festzustellen? W i r denken daran, daß jeder Geschäftsmann den Reinertrag feststellt. A l l e Kosten sind für i h n Geld, jeder Ertrag ist Geld. Begrifflich können w i r den Reinertrag bestimmen als denjenigen Güterbetrag, der übrigbleibt nach Abzug der Kosten vom Rohertrage. Dieser Rohertrag ist heute eine Geldsumme. Können w i r nun unter volkswirtschaftlichem Gesichtspunkt etwas anfangen m i t der Geldrechnung? Die Lage für die P r i v a t w i r t schaft ist durchaus eindeutig: der Unternehmer errechnet den Reinertrag seines Betriebes, indem er bei zwei gleichen Größen die eine abzieht von der anderen, indem er die Geldkosten für die Rohstoffe, Arbeitslöhne, Gehälter und die Abschreibung seiner Produktionsmittel abzieht von dem Erlös, den er für die Masse des verkauften Arbeitsproduktes innerhalb eines Jahres erzielte. Der Reinertrag ist dasjenige, auf den die Privatwirtschaft hinstrebt: der Betrieb ist rentabel, wenn er einen solchen Reinertrag liefert; das Losungswort für die Privatwirtschaft ist diese i n einer Geldsumme erfaßbare Rentabilität. Eine volkswirtschaftliche Betrachtung k a n n aber m i t diesem Geldausdruck nichts anfangen: w i r müssen doch feststellen, daß Brot, Kleider, Häuser, Maschinen hergestellt werden, daß die Kosten zur Herstellung dieser Sachgüter bestehen i n einem Arbeits-, Boden- und Urs to f f auf wand. I m Laufe eines Jahres stellt die Volkswirtschaft her eine ganz bestimmte Gütermasse, deren Herstellung einen ganz bestimmten A u f w a n d an Arbeits-, Boden- u n d Urstoff kosten erfordert. Der eine Betrag der Güter läßt sich nicht auf einen Nenner bringen m i t dem anderen Güterbetrag: es handelt sich um ganz verschieden geartete Dinge bei den Kostenbestandteilen von Urstoff, Boden und Arbeit, die sich eben nicht vergleichen
Reinertrag und E i n k o m m e n
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und auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Ä p f e l lassen sich nicht von Birnen abziehen, Stiefel können nicht m i t Apfelsinen verglichen werden und den Kostenbestandteil Leder können w i r nicht abziehen von der Arbeitsanstrengung und der erworbenen handwerklichen Geschicklichkeit des Schuhmachermeisters. D i e i n der Privatwirtschaft zum Reinertrage führende Berechnungsweise m i t dem Geldausdruck ist völlig ausgeschlossen i n einer volkswirtschaftlichen Betrachtung. Bei der Berechnung des volkswirtschaftlichen Reinertrags als der Differenz zwischen Rohertrag und Kosten versagt das Geldschema des Geschäftsmannes. Der Bauer kann nicht feststellen, ob die Kuh, die er großgezogen hat, einen höheren Wert hat als seine Arbeit: hier handelt es sich nicht mehr um kommensurable, meßbare Größen. I n derselben Lage wie der eigenwirtschaftende Bauer befindet sich der National Ökonom, der einen Reinertrag i n der Volkswirtschaft feststellen w i l l . Die auf Geld gestellte private Wirtschaft kommt zu einem Reinertrag, wenn sie alle Kosten i n Geld ausdrückt. Es wurden verschiedene Versuche gemacht, einen volkswirtschaftlichen Reinertrag festzustellen. Man k a m darauf, die Geldrechnung zu übertragen auf die Volkswirtschaft, wobei man die Volkswirtschaft ansah als die Summe der Privatwirtschaften: man könne doch die Roherträge sämtlicher Wirtschaften i n Geld addieren u n d ihre Kosten abziehen; die Reinerträge der Privatwirtschaften wären dann einfach zu summieren. Machen w i r uns einmal klar, was dabei herauskommt, nehmen w i r irgendeinen Gegenstand, ein Sachgut, also einen Stiefel: w i r gehen aus von dem Verkaufspreis des Stiefels und ziehen ab die Kosten, damit kommen w i r zu der Durchschnittsrentabilität des Schuhgeschäfts. Aber schon bei der Ausdehnung dieser Geldrechnung auf andere Produktionszweige müssen w i r die Seltsamkeit unserer Rechnung erkennen: der Schuhmachermeister k a u f t das Leder vom Lederfabrikanten und setzt den Kaufpreis als Kosten ein i n sein Arbeitsprodukt. Der vom Lederfabrikan ten erzielte Preis für das an den Schuhmachermeister verkaufte Leder enthält als Kostenbestandteil den Preis, den der Fabrikant zahlen mußte an den Häutehändler. Für den Schuhmacher ist der Kaufpreis des Leders eingegangen i n den Rohertragbestandteil, der ist für den Lederfabrikanten zusammengesetzt aus Roh- u n d Reinertrag, wobei er zur Feststellung seines Reinertrags abziehen muß den a n den Häutehändler gezahlten Preis. W i r kommen also zu einer vielfachen Wiederholung derselben Geldziffer, die immer wieder abgezogen werden muß als Kosten, damit aber niemals zu einer volkswirtschaftlich sinnvollen Summe, niemals zu einem Reinertrag. Nehmen w i r zur weiteren Klärung des verwickelten Sachverhalts ein anderes Beispiel: Erze, Kohlen, Roheisen, Stahl und Maschinen stehen i n der Privatwirtschaft unter dem Gesichtspunkt der Reinertragsrechnung, der Rentabilitätsrechnung als
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erfaßbare Geldsumme. Also der Bergbau mag einen A u f w a n d an A r beitslöhnen und Maschinen und dergleichen von, sagen w i r , 60 machen; er fördert n u n ein bestimmtes Produkt von Erzen u n d Kohlen, wofür er 100 erlöst, das ist sein Rohertrag, zieht er ab die Kosten, so erhält er einen Reinertrag von 40. Der Roheisenproduzent, der vom Bergbau das Erz oder die Kohlen kaufte, mag nun haben an Kosten 120, worin die 100 des Bergbaus stecken, der Stahlproduzent hat Kosten von 160, diese 160 setzen sich zusammen aus den 120 des Roheisenproduzenten; der folgende Produzent hat also die Kosten des Rohertrags des vorhergehenden Produzenten, wozu dann seine eigenen Kosten kommen: das Ergebnis ist Blödsinn. Denn addiert man die Reinerträge, so käme man zu dem Umfang des Unternehmergewinns, den Anteil, der nicht entfällt auf die Arbeitslöhne, das ist aber ein Reinertrag i m kapitalistischen, nicht i m volkswirtschaftlichen Sinn. Ein anderer Weg wurde beschritten von den Physiokraten: François Quesnay, 1758, Turgot, Mercier de la Rivière. I m M i t t e l p u n k t der Lehre der Physiokraten steht das produit net, der Reinertrag. Die physiokratische Schule behauptet die Vorzugsstellung der L a n d w i r t schaft i n der Gütererzeugung. Die Lehre gipfelt darin, daß es i n der Volkswirtschaft einen Reinertrag, einen produit net gebe, aber nur an einer Stelle: i n der Landwirtschaft. Die Physiokraten kamen zu dem Begriff des produit net, indem sie dort, wo tatsächlich gleiche Güter als Kosten erscheinen, die einzige Quelle sehen, wo ein Reinertrag erzielt w i r d , das ist eben i n der Landwirtschaft. Man bildet den Reinertrag, indem man i h n auf den F a l l beschränkt, wo gleichartige Güter auftreten, das ist die Landwirtschaft: es ist ein Plus, ein Mehr, was herauskommt aus dem Landwirtschaftsbetrieb, der Betrieb liefert etwas ab, was vorher nicht da war. Das tut kein anderer Produktionszweig, nicht der Handel, nicht das Gewerbe: ein Tisch ist weniger als das Holz, was hineingenommen wurde. N u r die Landwirtschaft verrichtet nach den Physiokraten produktive Arbeit, sie ist die classe productive, während Händler und Handwerker, das ganze Gewerbe zur classe sterile gehören, zur unfruchtbaren Klasse, zu der t r i t t die Klasse der Eigentümer, die classe propriétaire. D a m i t w i r d die Frage nach dem Reinertrag nicht gelöst, denn es ist eine W i l l kürlichkeit, die Ergiebigkeit einzustellen auf die Rohstoffe, nur zu blicken auf die Substanz, die Materie u n d nicht auf die Form: das ist eine unzulässige Materialisierung des ganzen Vorgangs, weil die Qualität eines fertigen Sachgutes sich durchaus verändert hat in der gewerblichen Produktion. Unter dem Gesichtspunkt der Substanz ist die physiokratische Lehre richtig: nur i n dem Umfange als die Urproduktion ihre Stoffe abliefert, gibt es einen gesellschaftlichen Reichtum. Dieser Reichtum w i r d bestimmt durch den Umfang der Urproduktion. Aber diese Urstoffe der Urproduktion werden tausendfach umge-
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formt, von einer Stelle zur anderen gebracht, diese Stoffe werden getrennt und wieder zusammengefügt: zwar gibt es i n der gewerblichen Produktion keinen Stoff Zuwachs, die menschliche Arbeit kann keine Stoffe aus dem Nichts erzeugen, es muß immer etwas da sein, das der Mensch trennt oder zusammenfügt. Der Mensch nimmt Form Veränderungen m i t dem vorgefundenen Stoff vor, Ortsbewegungen, Formen, Trennen und Zusammenfügen, das ist seine ganze Arbeit. Der Reinertrag k a n n nicht beschränkt werden auf die Bereiche der Stoff Vermehrung, auch die Formvermehrung muß erwogen werden. D i e Einsicht von der Gebundenheit der Stoff menge ist richtig: wenn die Urstoffe des Bergbaus und der Landwirtschaft sich nicht vermehren, so kann sich auch der gesellschaftliche Reichtum nicht vermehren. Diese tiefe Einsicht enthält die Lehre der Physiokraten: das Ausmaß des Reichtums, die Gütermenge w i r d bestimmt durch diesen von den Physiokraten gekennzeichneten Faktor des Urstoff es. Man kann die Gebrauchswerte steigern in der gewerblichen Produktion, das Ausmaß des Reichtumvolumens w i r d aber bestimmt durch das Volumen der Urstoffe. E i n dritter Weg besteht i n dem Versuch, Ertrag und Kosten dadurch vergleichbar zu machen, daß sämtliche Kostenelemente der Sachgüter zurückgeführt werden auf die Zahl der Arbeitsstunden, die i n sie hineingegangen sind. Haben w i r auf beiden Seiten nur Arbeitszeit, so können w i r die eine Arbeitszeit abziehen von der anderen Arbeitszeit. Die Arbeitszeit wäre dann der gesuchte gemeinsame Nenner: das Arbeitsprodukt stellt dar soviel Arbeitsstunden, die i n die Güter hineingearbeitet sind. Abgesehen davon, daß bei dieser F i k t i o n abstrakt menschlicher Arbeit unberücksichtigt bleiben die Boden- und Stoff kosten, ist der Betrag von Arbeit, der i n dem Ertrag steckt, nicht immer gleich den Arbeitskosten, w e i l von F a l l zu F a l l und von O r t zu O r t und i n verschiedenen Zeiten für dieselbe Arbeitsleistung ganz unterschiedliche Kosten aufzuwenden sind, w e i l auch die Menschen keine Automaten sind. Es ist also auch dieser Versuch sinnlos, weil er nicht alle Elemente und die Verwickeltheit des Sachverhalts berücksichtigt. Endlich ist noch eines Versuchs der Grenznutzenschule zu gedenken, der einen Reinertrag dadurch erzielen w i l l , daß er feststellt, ob der Nutzen der fertigen Produkte höher ist als der Nutzen der auf gewandten Arbeit. Die Produktion ist lohnend, wenn die Nützlichkeit, die man durch das Produkt gewinnt, größer ist als die Nützlichkeit, auf welche man verzichtet durch das Opfer der auf gewandten Güter; ein Reinertrag w i r d also nach dieser Lehre erzielt, wenn die Nützlichkeit aller hergestellten Gütermassen größer ist als die Nützlichkeit, auf die man verzichtet hat durch die Opferung der Kosten. Ist der Nutzen der Stiefel größer als der Nutzen, der aufgegeben w i r d
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mit der Hingabe von Leder und dem A u f w a n d von Arbeit? Es gibt gar keine Möglichkeit, den Nutzen als Größe zu erfassen, w i r können den Nutzen nicht sinnlich faßbar darstellen als meßbares u n d wägbares Objekt, es gibt keine Möglichkeit der Objektivierung des Nutzens und damit seiner Messung. D a r i n liegt die Schwäche der subjektiven Werttheorie, daß sie die objektiven Momente außer Betracht läßt. E i n volkswirtschaftlicher Reinertrag kann sich nur darstellen i n Sachgütern, i n sinnlich wahrnehmbaren, objektiven Realitäten, niemals i n subjektiven Wertschätzungen. A l l e Bemühungen u m die Erm i t t l u n g des volkswirtschaftlichen Reinertrags enden entweder i m Unternehmergewinn oder bei den Arbeitslöhnen oder bei der Urproduktion oder endlich i n subjektiven Wertschätzungen. N u n gibt es Versuche, die darin bestehen, daß man den Begriff des Reinertrages abzubiegen versuchte, indem man i h n als Überschuß der Jahresproduktion, als Vermehrung der Gütermenge nahm. Hier w i r d gekennzeichnet als Reinertrag, was diese Bezeichnung nicht mehr ver* dient: denn der wahre Reinertrag besteht i n der Differenz zwischen Rohertrag und Kosten. Die neu hinzugekommenen Häuser, die vorher nicht da waren, die neu gebauten Lokomotiven sind i n diesem Sinne kein Reinertrag. Der Überschuß der Ausfuhr an Gütern, der sich darstellt i n der aktiven Handelsbilanz, hat ebensowenig zu t u n m i t einem erfaßbaren Reinertrag; auch m i t aktiven Zahlungsbilanzen können w i r nichts anfangen, indem hier unter einem anderen Gesichtspunkt wiederholt w i r d , was w i r oben bereits über die Einsetzung des Geldausdrucks ausführten. Das Ergebnis unserer Betrachtung stellt fest die Sinnlosigkeit eines volkswirtschaftlichen Reinertrags. Dieser Beg r i f f des Reinertrages wurde unbedacht übernommen aus der Lehre der Privatwirtschaft i n die Volkswirtschaftslehre. Ähnlich ging es m i t einem anderen Begriff, den w i r kurz erledigen wollen: das ist der Begriff des Einkommens. Auch dieser Begriff des Einkommens ist ein privat wirtschaftlicher Begriff: es ist der Geldbetrag, der i n eine Privatwirtschaft einfließt während eines bestimmten Zeitraums, sei es regelmäßig, sei es unregelmäßig; es sind die gesamten Einnahmen einer Wirtschaft i m Laufe eines Jahres. Der Beg r i f f des Einkommens meint die Einnahme m i t der Aussicht auf Wiederkehr, die regelmäßige, ständige Einnahme, die nicht begründet ist auf Zufall oder Geschenken. Der Lotteriegewinn, die Erbschaft, das Geldgeschenk sind keine Einkommen. Einkommen ist eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme i m Gegensatz zum Vermögen. Dieser aus der privaten Sphäre entnommene Einkommensbegriff wurde übertragen auf die Volkswirtschaft als Gesamtwirtschaft. Das ist unstatthaft. Der Einkommensbegriff setzt voraus ein Wirtschaftssubjekt und eine Einzelwirtschaft, die verfügt über Einnahmen und Ausgaben. Zum Einkommen gehört ein Haushalt, eine Stelle, wo Einnahmen
Reinertrag u n d E i n k o m m e n
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und Ausgaben zusammenfließen. Das fehlt i n der verkehrswirtschaftlich gegliederten, freien Wirtschaft. Es wurden nun der Begriff des Volkseinkommens und andere Begriffe gebildet, die eine gewisse Verwandtschaft aufweisen m i t dem Einkommen. Folgende Güterkategorien wurden m i t Einkommen bezeichnet: A l l e Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, die i n einer Wirtschaftsperiode fertig werden: diese dem individuellen Verzehr, dem individuellen Gebrauch und Verbrauch dienenden Güter werden als Einkommensgüter oder Güter erster Ordnung bezeichnet. Das sind Lebensmittel, Kleider, Schmuck* Häuser, Vergnügungsstätten. I m Gegensatz zu diesen Gütern stehen die Güter höherer Ordnung, die Produktionsgüter, die zur Aufrechterhaltung der Produktion dienen, also alle Werkzeuge und Maschinen und die entsprechenden Anlagen. Es ergeben sich somit Einkommensgüter als Güter erster Ordnung und Produktionsgüter als Güter höherer Ordnung. Diese Begriffe können w i r gelten lassen. Als volkswirtschaftliches Einkommen werden dann bezeichnet andere Güterkategorien. Nach diesem engeren Begriff des volkswirtschaftlichen Einkommens werden bezeichnet als Einkommen diejenigen Güter, die verzehrt werden können, ohne den Stand der Produktion zu schmälern. Das ist eine engere Grenze des Begriffs: i m ersten F a l l fiel unter Einkommen alles, was dienlich war, gebraucht und verbraucht zu werden, i n diesem zweiten F a l l w i r d geprüft, ob die ge- und verbrauchten Güter nicht produziert wurden über die Kapazität der Volkswirtschaft hinaus: ein bestimmter Teil der gesellschaftlichen Arbeit muß verwandt werden zur Erneuerung des zerschlissenen Produktionsmittelapparates oder zu seiner Vergrößerung bei einem Bevölkerungszuwachs; ein V o l k k a n n nun Sachgüter produzieren und die Erneuerung der Produktionsmittel vernachlässigen; ein V o l k muß aber dafür sorgen, daß der Produktionsmittelapparat erneuert wird. N u r wenn eine solche Menge von nationaler Arbeit verwandt w i r d auf die Erneuerung des Produktionsmittelapparates, bleibt sich der Stand der Produktion gleich. W ü r d e sich die Nation nur verlegen auf die Erzeugung von Gebrauchs- oder Verbrauchsgütern, als auf die reinen Konsumgüter des individuellen Verzehrs, dann hätte sie erzeugt zuviel Einkommensgüter, sie würde mehr konsumieren, als konsumiert werden dürfte. Endlich kann ein dritter Einkommensbegriff gebildet werden: hier bedeutet Einkommen diejenige Gütermasse, die eine Nation aus den ihr jährlich zufließenden Energien erzeugt, die Aussicht haben auf Wiederholung. Das V o l k , die Nation, die wirtschaftende Gesellschaft, die ganze Menschheit speist ihre Güterwelt aus zwei Energiequellen: solche, die sidi regelmäßig wiedereinstellen, die regelmäßig wiederkehren, u n d solche, die durch einmaligen Gebrauch verschwinden. I m ersten F a l l haben w i r die Möglichkeit der praktisch unabsehbaren
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D i e Gütererzeugung:
I L e i s t u n g und Erfolg
Erneuerung, ewig fließende Einnahmequellen, i m zweiten F a l l eine einmalig spendende Energiequelle, die keine Aussicht auf Wiederkehr gewährt. Hier erinnern w i r uns an die Unterscheidung i n organische und anorganische Produktion: das, was die Menschen jährlich aus den wiederkehrenden Energien erzeugen, ist ihr Einkommen: dazu gehören alle Produkte der Land- und Garten- und Forstwirtschaft, alle tierischen Erzeugnisse; hier handelt es sich u m die Nutzung derjenigen Energien, die die Sonne jährlich herunterstrahlt und niederschlägt i n das gewaltige System von Bäumen, Pflanzen, Früchten und Tieren: das ist ein Einkommen m i t der Aussicht auf regelmäßige Wiederkehr. Diese ewig fließende Einnahmequelle liegt i m Bereich des Organischen. Dazu i m vollen Gegensatz steht die andere Einnahmequelle i m Bereich des Anorganischen: die Kohlen, Erze, Edelmetalle, Salze u n d öle, die w i r aus den Tiefen der Erde holen, aus Bergwerken und Höhlen, haben keine Aussicht auf Wiederkehr, sie verschwinden endgültig i m Konsum; hier lebt die Menschheit aus einem Vorrat, aus einem Vermögen, das sich nicht erneuert, das nicht wiederkehrt. Es sind die i n Jahrmillionen von der Sonnenenergie in den Farnwäldern gespeicherten Kräfte, die jetzt als Kohlen aus der Erde geholt werden. Durch Erschließung der Schätze an Kohlen und Erzen i n der Erde trat die Menschheit i n einen Zustand, wie ein Mensch ihn erlebt, der plötzlich das große Los gewinnt oder eine große Erbschaft macht. Zusammenfassend stellen w i r also fest: die aus den regelmäßig fließenden Energiequellen produzierten Güter bilden das Einkommen, die aus den nicht wiederkehrenden Energien gewonnenen Güter bilden das Vermögen. Diejenige Größe, die uns angeht, das ist und bleibt der Rohertrag, diejenige Menge Güter, die i n einer Periode fertig w i r d , dasjenige, was der Reichtum der Nationen genannt wird. Wovon hängt der Rohertrag einer Volkswirtschaft ab, das ist die Kernfrage deT Nationalökonomie. Unser Problem ist die Frage nach den Bedingungen, unter denen dieser Reichtum erzeugt wird. I m M i t t e l p u n k t der privaten Wirtschaft steht der Reinertrag, der für uns keinen Sinn hat. W i r müssen uns vor Augen führen die einzelnen Elemente des Produktionserfolges. Diese Elemente, diese Ursachen des Reichtums sind natürlich verschieden, je nachdem ich sie betrachte i m Rahmen eines historischen Wirtschaftssystems und frage nach den damaligen Gründen, die beitrugen zur Entfaltung des Reichtums unter den damaligen Bedingungen. Diese Ursachen treffen zu für einen historischen Augenblick, es sind Bedingungen einer spezifisch historischen Situation, die i n ihrer Einmaligkeit nie wiederkehrt. W i r aber stellen die allgemeine Frage nach den ewigen Bedingungen für die Erzeugung des gesellschaftlichen Reichtums: die allgemeine Nationalökonomie fragt nach den in allen Wirtschaftssystemen, also i n der eigenwirtschaftlichen,
Die Intensität
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feudalen, fronhof wirtschaftlichen, handwerksmäßigen, kapitalistischen und sozialistisch-kommunistischenProduktion wiederkehrenden, ewigen Bedingungen für die Erzeugung des gesellschaftlichen Reichtums. Unsere Frage lautet: welches sind die allgemeinen und ewigen Bedingungen des Reichtums der Nationen; unsere Frage lautet aber nicht: welches sind die historischen Bedingungen, die erfüllt sind i n einer einmaligen historischen Situation, um Reichtum entstehen zu lassen. Dies ist das ewige Programm der Volkswirtschaft, das der Titel des berühmten Buches von A d a m Smith ankündigt: „ I n q u i r y into the nature and the causes of the wealth of nations", London 1776. § 22. D i e Intensität W i r wollen zunächst die einzelnen Elemente des Produktionserfolges untersuchen, u m dann zusammenzufassen, und beginnen i n diesem § 22 des Abschnitts I I , Leistung und Erfolg des 4. Kapitels, das von der Gütererzeugung handelt, mit der Kategorie der Intensität. W i r wollen unter Intensität verstehen — unsere Fragestellung lautet: Wovon hängt der Rohertrag ab? — den Zustand der Dichtigkeit des wirtschaftlichen Energieaufwandes. W i r verstehen unter Intensivierung die Zunahme der Dichtigkeit, die Verdichtung, die Häufung des Energieaufwandes. Dieser Begriff der Intensität gewinnt seine Bedeutung m i t der Feststellung der verschiedenen Beziehungen, in denen ein Energieaufwand stattfindet. D a m i t kommen w i r zu verschiedenen Unterbegriffen der Intensität: 1. Arbeitsintensität, 2. Sach- und Nutzungsintensität, 3. Anbauintensität. Zusammengefaßt sind diese Intensitätsarten endlich i n dem Begriff der Betriebsintensität. Das müssen w i r uns etwas näher k l a r zu machen versuchen. W i r beginnen m i t der Arbeitsintensität: w i r verstehen unter Arbeitsintensität den Energieaufwand des Arbeiters innerhalb einer gewissen Zeit. Es werden hier aufeinander bezogen eine gewisse Menge von Arbeitsaufwand und eine gewisse Zeitdauer. Der Intensitätsgrad der Arbeit w i r d bestimmt durch die Ausgabe von Arbeitsenergie innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Die Intensität ist also ein Relationsbegriff, der entsteht durch eine Inbeziehungsetzung einer Menge Arbeitsaufwand zu einer bestimmten Zeit. Der Intensitätsgrad einer Arbeit ergibt sich beispielsweise aus der Masse der Arbeitsenergie, die ein Arbeiter hineinpackt i n seine Arbeit innerhalb einer Stunde: es ist die alte Frage, ob der Arbeiter faul oder fleißig ist, ob er viel oder wenig Energie aufwendet, was er an Energie aufwenden könnte und was er tatsächlich aufwendet.
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung u n d E r f o l g
Je arbeitsintensiver, desto größer der Arbeitserfolg bei gleichem Verfahren und gleicher Arbeitsorganisation. Bei Erdarbeiten können A r beiter i n einer Stunde 10 Karren oder 15 Karren Erde abtransportieren. Diese Steigerung von 10 auf 15 Karren Erde kann abhängen davon, daß die Arbeiter mehr Energie aufwenden, rascher arbeiten, bei der Sache sind; diese Arbeitssteigerung könnte aber auch dadurch bewirkt werden, daß sie bessere Karren benutzen, die Räder ölen, über Unebenheiten des Erdbodens Bretter legen. W i r untersuchen die Umstände, von denen abhängt die Höhe des volkswirtschaftlichen Rohertrages, w i r haben als einen solchen Umstand zunächst die Intensität festgestellt und fragen nunmehr: wovon hängt ab der Grad der Arbeitsintensität? W i r können unterscheiden äußere Umstände, auf die der Arbeiter keinen Einfluß hat, und innere Bedingungen, die von i h m beherrscht werden. A u f alle i n der Blutsbeschaffenheit, i n der Rasse liegenden Bedingungen, auf die gesamte leiblich-seelisch-geistige Beschaffenheit hat der Mensch keinen Einfluß. Bei gegebener W i l l i g k e i t zur Arbeit kann die Intensität ab- und zunehmen durch die Lebensgewohnheiten: ein gut und zweckmäßig ernährter Mensch kann mehr Intensität aufwenden; eine sorgenfreie Lebenslage steigert die Arbeitslust. Die Eignung zu einer bestimmten Arbeit steigert die Arbeitsintensität: je mehr der Arbeiter angepaßt ist einer Arbeit, desto mehr Energie wendet er auf. Die Eignung und Geschicklichkeit sind Momente, über die der Arbeiter keine Macht hat, die aber weitgehend die Intensität bestimmen. Daß schwarze Arbeiter aus Rassegründen fauler als weiße Arbeiter sind, daß überhaupt die Menschen südlicher Länder die intensive Arbeit des Nordländers verabscheuen, dürfte allgemein bekannt sein. Bestimmend für die Intensität sind neben diesen leiblichseelischen Momenten auch geistige Faktoren: das soziale Milieu, die Erziehung i n einer bestimmten Schulinstitution, das Arbeitsethos, vor allem auch die Religion: der Buddhismus beispielsweise kennt überhaupt kein Arbeitsethos i m Sinne des Europäers: der Asiate arbeitet nur, um nicht zu verhungern, die Lehre Buddhas steht der Arbeit an sich völlig indifferent gegenüber, weil sie das Leben als leid voll, sinnlos ansieht und verneint: das Ideal des Buddhismus ist der Bettelmönch. A u f der anderen Seite stehen dann die inneren Bedingungen, die vom W i l l e n des Arbeiters abhängen: es ist Entschluß, Wille, Absidit, einen Arbeitsaufwand zu machen. I n diesem F a l l von Willkürlichkeit sprechen w i r von Fleiß. Der W i l l e zur intensiven Arbeitsleistung w i r d abhängen von der Gestaltung der Arbeitsverfassung insofern, als es sich um eigene oder fremde Arbeit handelt. Für sich selbst, auf eigene Rechnung, arbeitet der Mensch i m Regelfall intensiver als für fremden Arbeitserfolg. Bei der fremden Arbeit gibt es zwei Möglichkeiten, die
D i e Intensität
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zur Verausgabung von Energie führen: Zwangs- und freie Arbeit. Hier handelt es sich darum, das Interesse des Arbeiters zu wecken. Durch Belohnungen u n d Weckung patriarchalischer Gefühle kann auch der Sklave zu einem eigenen Interesse an der Arbeit seines Herrn gebracht werden: die Negersklaven auf den Plantagen Südamerikas arbeiteten aus gefühlsmäßigen Bindungen, aus Anhänglichkeit intensiver als die freien Lohnarbeiter; umgekehrt braucht der freie A r beiter gar kein Interesse an seiner Arbeit zu haben. Die M i t t e l zur Herbeiführung einer größeren Arbeitsintensität kommen zur Geltung i m Rahmen eines Betriebes: hohe Löhne, Prämien, Rechtsstellung, Wohnverhältnisse usw. Als eine zweite Intensitätsart haben w i r festgestellt die Sach- und Nutzungsintensität: diese bezeichnet das Verhältnis, i n dem die i n einem sachlichen Produktionsfaktor enthaltenen produktiven Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden für die Produktion, beziehungsweise das Verhältnis der i n einem sachlichen Produktionsfaktor enthaltenen Energie zu ihrer tatsächlichen Nutzung. W i r sprechen von mehr oder weniger Nutzen, wenn potentielle Energie verwandelt w i r d i n aktuelle Energie. Der Intensitätsgrad der Nutzung w i r d ausgedrückt i n Prozenten der vorhandenen Energiemasse: man spricht hier von Ausbringung, Rendement, von dem Ausbeutekoeffizienten. D a haben w i r die i n einer Menge Kohle vorhandenen Kalorien: 1 0 % der Kalorien werden ausgenutzt, bei besten Kesselverhältnissen 3 5 % . D a haben w i r die Menge von Metallgehalt, der ausgeschmolzen w i r d aus Erzen, das aus dem Getreide ausgemahlene Mehl, den aus Zuckerrüben gewonnenen Zucker, die Ausnutzung eines Wasser falls: der Wasserfall enthält, eine bestimmte Energie, die aber n u r teilweise ausgenutzt wird, diese Teilnutzung w i r d festgestellt i n Prozenten der gesamten Energiemasse. Diese Sach- und Nutzungsintensität kommt für uns i n Betracht als Kostenfaktor des einzelnen Erzeugnisses. Je höher der Grad der Nutzungsintensität, desto geringer der Kostenbetrag, der auf das fertige Gut entfällt. Heute gewinnen w i r aus 6 Zentnern Rüben einen Zentner Zucker, während früher diese Zuckermenge gewonnen wurde aus 12 Zentnern Rüben. Die Steigerung der Sach- und Nutzungsintensität ist ein Problem der Sachtechnik. Je entwickelter die Maschine, um so größer der Ausbeutekoeffizient der produktiven Möglichkeiten des Urstoffes. Neben dieser Sach- und Nutzungsintensität unterscheiden w i r drittens die Anbauintensität. W i r verstehen unter Anbau intensität den A u f w a n d , sei es von lebendiger Arbeit, sei es von Produktionsmitteln, auf ein gegebenes Stück Land. Die Beziehungsgröße ist einerseits ein A u f w a n d , andererseits eine Bodenfläche. W i r können aufwenden auf eine Bodenfläche mehr oder weniger lebendige Arbeit, w i r können einsetzen mehr oder weniger Produktionsmittel. Der Gesamtaufwand
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung u n d E r f o l g
bestimmt dann den Intensitätsgrad des Anbaus. W i r können hier zwei Arten von Anbauintensität unterscheiden: die Arbeitsintensität und die Sach-, Produktions-, Kapitalintensität.. D i e Anbauintensität k a n n sein Arbeitsintensiv oder Produktionsmittelintensiv, dabei w i r d i n üblicher Redeweise gebraucht: Kapitalintensiv oder auch Sachmittel-, Arbeitsmittelintensiv. Die Anbauintensität kommt natürlich hauptsächlich i n Betracht i n der Landwirtschaft. W i r unterscheiden die extensive von der intensiven Landwirtschaft: die extensive Landwirtschaft nutzt große Bodenflächen bei geringem Arbeits- und Arbeitsmittelaufwand u n d ist von Fällen i n Südafrika und Südamerika heute nicht mehr gegeben, während sie i n den Anfängen der wirtschaftenden Menschheit noch die einzige Form der Landwirtschaft war; i n reiner Form finden w i r sie noch bei den Eingeborenen Australiens. Die Übergänge von der extensiven zur intensiven Landwirtschaft sind fließend, und genaue Grenzen lassen sich nicht ziehen: extensive Landwirtschaft treibt die Beeren und Wurzeln suchende Frau des Australiers, aber intensiv ist die Stufe des den Grabstock verwendenden Landbaus, spätere landwirtschaftliche Formen des Hackbaus. Die Landwirtschaft ist arbeitsintensiv dann, wenn der A u f w a n d in lebendiger Arbeit besteht, w i r wollen sagen i n einer stetigen, alle Kräfte des Menschen beanspruchenden, seinen Tag ausfüllenden körperlichen Mühe: so ist jede Form des Gartenbaues arbeitsintensiv, so der Anbau von Reis und Tee, die chinesische Landwirtschaft wie der italienische und französische Olivenbau. Der A n b a u i n Amerika ist dagegen Produktionsmittelintensiv: die amerikanische L a n d w i r t verwendet i n großem Umfang landwirtschaftliche Maschinen; diese Landwirtschaft ist also wenig arbeitsintensiv u n d erhält das Signum einer Arbeitsmittel-, Sachmittel-, Produktionsmittel-, Kapitalintensiven Landwirtschaft. Die Anbauintensität ist das M i t t e l zur Erzielung eines größeres Ertrages bei gegebener Bodenfläche u n d bei gegebenem Stande der Technik. Nachdem w i r das Problem der Verdichtung von Energie unter den verschiedenen Bedingungen erörtert und unterschieden haben die Arbeitsintensität als Verausgabung von Energie i n einem bestimmten Zeitraum, die Sach- und Nutzungsintensität als die Herausholung von Energie aus einem Sachgut, die Ausbringung, die Ausbeute und endlich die Herausholung von Energie aus einer gegebenen Fläche als Anbauintensität, kommen w i r nunmehr zur Betriebsintensität und verstehen darunter den Grad der Energieentfaltung, die Höhe des Energieaufwandes innerhalb eines Betriebes von gegebener Größe. E i n intensiver Betrieb ist ein solcher, i n welchem die Intensivierung, die Verdichtung des Energieaufwandes vollzogen w i r d nach drei Seiten: nach der Seite der Raum-, Sach- und Zeitökonomie, wobei entspricht die Raumökonomie der Anbauintensität als Zusammen-
D i e Intensität
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drängung von mehr Energie auf einer gegebenen Fläche, die Sachökonomie der Nutzungsintensität, die hier übertragen ist auf den Betrieb und besteht i n der besseren Ausnutzung der Rohstoffe, sei es durch bessere Bearbeitung, sei es durch Maschinen, sei es durch Fruchtwechsel m i t besserer Ausnutzung des Bodens, sei es durch Benutzung von Abgasen zum Antreiben von Maschinen; endlich drittens die Zeitökonomie bedeutet die Realisierung der Arbeitsintensität i m Betriebe als Ausnutzung der kosmischen Zeit. Betrachten w i r nun diese drei Intensitätsarten, die sich wiederholen und gleichsam verwirklichen i m Betriebe. Betriebe gleicher Größe können sein mehr oder weniger intensiv. Unter Raumökonomie verstehen w i r die Zusammendrängung von mehr Energie auf eine gegebene Fläche. I n der Landwirtschaft handelt es sich um die Beziehung der Intensität auf einen gegebenen Betrieb: die Raumökonomie i n der Landwirtschaft erreicht ein O p t i mum, indem sie auf einer gegebenen Bodenfläche einsetzt die fleißigsten u n d geschicktesten landwirtschaftlichen Arbeiter i n der entsprechenden Zahl für alle Verrichtungen, und anwendet die besten landwirtschaftlichen Maschinen, indem sie also verwirklicht den höchsten Grad von Arbeits- und Kapitalintensität. E i n Transportbetrieb ist dann intensiver, wenn mehr Transportakte aufgeführt werden innerhalb einer bestimmten Zeit: also mehr Schiffe fahren i n gewissen Zeiten, mehr Eisenbahnzüge i n einer Stunde. D a z u gehört auch die Herstellung größerer baulicher Anlagen: der extensive Eisenbahnbetrieb hat billige Bahnhöfe, schlechten Unterbau, Brücken aus Holz; i m Anfang des Eisenbahnbaus bestand ein amerikanischer Bahnhof aus einer Kiste, einer Wassertonne u n d einem Holzschild. I n der gewerblichen Produktion liegt Raumökonomie vor, wenn es sich handelt um die Zusammendrängung von Maschinen, wenn also auf den einzelnen Arbeiter mehr Sachausstattung entfällt. Entfallen also bei der Raumökonomie i m Betriebe mehr Sachmittel, mehr Werkzeuge und Maschinen auf den Arbeiter, so besteht zweitens die Betriebsintensität als Sachökonomie i n einer besseren Ausnutzung der Stoffe und Kräfte, betrachtet unter dem Gesichtspunkt der Betriebseinheit, sei es als bessere Organisation durch Einführung des Fruchtwechsels i n der Landwirtschaft, sei es durch Maschinen, Benutzung von Abfällen, von Abgasen des Hochofens, um damit die großen Antriebsmaschinen zu treiben. E i n Werk, das eine derartige Ausnutzung leistet, ist intensiv i m Sinne der Sachökonomie. Endlich erscheint die Betriebsintensität als Zeitökonomie, als Realisierung der Arbeitsintensität i m Betriebe unter dem doppelten Aspekt der extensiven und intensiven Zeitökonomie. Es handelt sich hier um eine bessere Ausnutzung der kosmischen Zeit: der Betrieb ist also zeitökonomischer, je länger er während der kosmischen Zeit i n Tätig10
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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keit ist, je mehr er verwendet von der tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit: M a x i m u m 366 Tage i m Jahr; der Betrieb erreicht das O p t i m u m der Zeitökonomie, wenn er das ganze Jahr hindurch, Tag und Nacht, ohne jede Unterbrechung in Gang gehalten w i r d m i t dem äußersten Maß von Arbeitsintensität; je mehr er sich diesem O p t i mum nähert, um so zeitökonomischer ist der Betrieb. Jede Verri agerung bedeutet eine Verringerung der Intensität. N u n k a n n aber innerhalb der gesamten Zeit die Arbeitsleistung verschieden intensiv sein, die Energieausgabe kann mehr oder weniger hoch sein einem Zeitabschnitt von gegebener Länge: wieviel w i r d i n einer festgelegten Arbeitszeit an Leistung vollbracht? Das ist die Frage der extensiven oder intensiven Zeitökonomie. Ein Arbeiter w i r d sehr wahrscheinlich in einer 14stündigen Arbeitszeit weniger leisten als in einer 8stündigen. Die intensive Zeitökonomie ist gegeben mit der Arbeitsintensität selbst als der Energieausgabe in einem Zeitabschnitt von gegebener Länge. Es gibt verschiedene Wege zur Steigerung der intensiven Zeitökonomie: die Vergrößerung eines Betriebes hat zur Folge, daß eine Produktion von gegebener Größe i n kürzerer Zeit bewerkstelligt werden kann; ein großer Betrieb kann die Arbeit ζυ gleich anfangen an verschiedenen Stellen; ein Bahnhofsbau erfolgt rascher durch ein Unternehmen mit 1000 Arbeitern als mit kleinen Handwerksbetrieben. Bei einem großen Unternehmen w i r d die Produktion zusammengedrängt in kurzer Zeit. Das ist ein Moment zur Steigerung der intensiven Zeitökonomie. Ein zweiter Weg zur Steigerung der intensiven Zeitökonomie besteht i n der Verkürzung der Arbeitszeit: die verkürzte Arbeitszeit kann dazu führen, den Arbeiter zur größeren Energieausgabe anzureizen. Früher wurde diese Arbeitszeitverkürzung aus sozialpolitischen Gründen gefordert. Heute weiß jeder fähige Unternehmer, daß bei einer gekürzten Arbeitszeit der gesunde Arbeiter i m Regelfall mehr Arbeitsenergie aufwendet; jede Arbeitszeitverkürzung steigert den Intensitätsgrad der Arbeit. Genaue Untersuchungen liegen vor für die Textilindustrie in England: die Verkürzung der Arbeitszeit von 14 Stunden auf 8 Stunden täglich bedeutete eine ausnahmslos und völlig eindeutige Steigerung der Arbeitsintensität und damit des Produktionserfolges nicht bloß im Sinne der Quantität, der Produktmenge, sondern mehr noch der Qualität durch Rückgang der Fehlleistungen und des Arbeitsausfalls durch Unfälle. Eine weitere Steigerung wurde festgestellt beim Übergang zur 40-Stunden-Woche. Diese nachweisbare Steigerung der Arbeitsintensität durch Arbeitszeitverkürzung scheidet aber aus bei gewissen Arbeits Verrichtungen: so kann ein Straßenbahner in kürzerer Arbeitszeit nicht mehr leisten als in einer längeren, indessen w i r d eine überdehnte Arbeitszeit bei einem Straßenbahnführer und Lokomotivführer zur Übermüdung und damit zur Transportgefährdung führen.
Die
n t ä t
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Ein Portier, Hausdiener, Schutzmann oder Nachtwächter leistet i n zwölf Stunden ebensoviel wie in vier Stunden; hier ist die extensive Leistung die Voraussetzung der Leistung überhaupt. Endlich bestimmt die Kettung des Menschen an die Maschine das Arbeitstempo, der ganze Sachmittelapparat fällt ebenso aus dieser Beweisführung für die Steigerung der Arbeitsintensität, der intensiven Zeit Ökonomie durch Verkürzung der Arbeitszeit heraus wie alle Verrichtungen in der chemischen Industrie, wo der Arbeitsprozeß festgelegt ist durch natürliche Bedingungen: dort bestimmt die Kettung an die Maschine, die Bindung an den Sachmittelapparat, hier der A b l a u f chemischer Prozesse das gesamte Arbeitstempo. D a n n gibt es drittens zur Steigerung der intensiven Zeitökonomie eine Reihe von Antriebsmitteln, Mittel, durch die man versucht, den Arbeiter zur Vollbringung einer größeren Arbeitsleistung anzutreiben. D a sind grundsätzlich zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden: ob der arbeitende Mensch für sich oder für andere arbeitet, ob er in seiner Wirtschaft oder i n fremder Wirtschaft tätig ist. Hier sind nun zwei verschiedene Möglichkeiten vorhanden: entweder man übt einen Druck aus auf den Arbeiter, rein äußerlich, so daß eine innere Anteilnahme erzwungen wird. Das geschieht 1. durch das M i t t e l der Kontrolle, der Beaufsichtigung des Arbeiters, solange er nicht interessiert ist an der Produktion. Die Aufsicht hat den Zweck, die Arbeitsintensität vor allem zu wahren: das beginnt m i t dem Sklavenhalter, der seine Peitsche über Sklavenrücken schwingt, führt über das Antreibersystem i n der Landwirtschaft, wo der Aufseher hinter der Reihe der Landarbeiterinnen, die Unkraut jäten, Kartoffeln hacken oder ein Maisfeld auflockern, steht, bis zu der Aufsicht i n einer Fabrik oder einem Warenhaus. Ferner sind zweitens Lohnungsmethoden i n neuerer Zeit entwickelt worden, um den Arbeiter unmittelbar zu beteiligen an dem Arbeitserfolg, sei es nach der Zeit i m Zeitlohn oder nach dem Arbeitsstück i m Stücklohn. Bei dem Stücklohn w i r d der Arbeiter bezahlt für das, was er leisten t u t : für jedes Stück Kohle, das er abschlägt, für jeden vermauerten Ziegel, für jedes gehobelte Brett. Sobald das Interesse geweckt wird, leistet der Arbeiter mehr. Diese Formen eines Akkordlohns wurden immer weiter vervollkommnet u n d gesteigert zm Prämienlohn, was in seinen Besonderheiten in die spezielle Nationalökonomie gehört. Es w i r d der Arbeiter also nicht bezahlt nach der Länge der Arbeitszeit, sondern nach der Stückmenge, die er schafft, das ist hier grundsätzlich festzustellen. Eine indirekte Beeinflussung des Arbeiters findet statt durch die Kettung des Arbeiters an die Maschine, den Sachapparat, wo die automatische Gestaltung des Produktionsprozesses einsetzt: dieses dritte Antriebsmittel, die Arbeitsenergie des Arbeiters zu steigern, ist eben die Benutzung des maschinellen Apparates zu diesem Zweck. Wenn der 1
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II. Leistung u n d E r f o l g
Arbeiter an der Maschine tätig ist, w i r d sein Arbeitstempo bestimmt durch die Maschine. Hier haben w i r das fließende Bandprinzip, das Fließband, auf dem der Arbeitsgegenstand liegt und vor dem Arbeiter langsam, aber unaufhaltsam und völlig unabhängig von i h m i m Zeitverlauf vorbeibewegt w i r d : der Arbeiter muß i n der Zeit, i n wenigen Sekungen oder Minuten, während welcher der Arbeitsgegenstand vor i h m liegt und sich langsam weiter bewegt, die betreffenden Handgriffe und Arbeits veri chtungen vollziehen. I n den Schlachthäusern ist das Prinzip des Fließbandes zur Perfektion ausgebildet worden. Es ist an die Automobilfabrik von Ford zu erinnern. Jedenfalls ist der Arbeiter gebunden an eine bestimmte Zeit und der Grad der erreichten Arbeitsintensität oder intensiven Zeitökonomie hängt davon ab, wie schnell man das Fließband laufen läßt. § 23. D i e P r o d u k t i v i t ä t Das wichtigste Glied in der Kette der Gründe, von denen der Reichtum der Nationen abhängt, ist die Produktivität. W i r setzen Produkt i v i t ä t gleich m i t Ergiebigkeit und verstehen darunter einen Beziehungsbegriff, m i t dessen H i l f e eine bestimmte Menge Produkt bezogen w i r d auf eine bestimmte Einheit, die diese Menge Produkt hervorbringt. Die Einheit, auf welche diese Menge Produkt bezogen wird, ist: 1. Der Boden; 2. Die A r b e i t ; 3. Die Volkswirtschaft. D a m i t erhalten w i r drei verschiedene Produktivitätsbegriffe: 1. Die Bodenprodukt i v i t ä t ; 2. Die Arbeitsproduktivität; 3. Die volkswirtschaftliche Produktivität, je nach den drei Einheiten, auf die die Menge Produkt bezogen wird. Es liegt hier also eine andere Beziehung vor: erst bezogen w i r einen Energieaufwand auf eine Einheit, hier dagegen stellen w i r her die Beziehung, die besteht zwischen einer Menge Prod u k t aus einer Einheit. D o r t steckten w i r hinein, hier ziehen w i r heraus, dort der Terminus ad quem, hier der Terminus a quo. Zunächst betrachten w i r die Bodenproduktivität. Hier stellen w i r fest eine bestimmte Gütermenge, die herauskommt aus einer bestimmten Bodenfläche. W i r stellen die Leistung einer bestimmten Bodenfläche fest. Bei der Bodenintensität bezogen w i r einen A u f w a n d von Arbeit und Produktionsmitteln auf eine Bodenfläche, hier setzen w i r die Bodenfläche in Beziehung zu dem Ertrage. Die Bodenproduktivität sieht ab von jedem A u f w a n d . Indem w i r feststellen, daß ein Hektar Acker 20 Doppelzentner Weizen liefert, beziehen w i r diese Fläche eines Hektars Ackerland auf das Produkt, das geerntet wird. Bei der Anbauintensität beziehen w i r den A u f w a n d auf die Fläche, bei der Bodenproduktivität stellen w i r das Produkt fest, das geerntet w i r d von der Fläche. Je größer
Die Produktivität
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die Bodenproduktivität, desto geringer die Kosten; die Bodenproduktivität steigt, wenn mehr Produkt aus dem Boden gezogen w i r d : im ersten Jahr mögen w i r 10 Zentner Weizen ernten, i m zweiten Jalir dagegen 20 Zentner Weizen, also ist die Bodenproduktivität verdoppelt. Dagegen kann die Arbeitsproduktivität gesunken sein, indem w i r diese 20 Zentner nicht mit 20 Arbeitern, sondern m i t 30 A r beitern, m i t mehr A u f w a n d an Maschinen erzielen. Die Höhe der Bodenproduktivität w i r d nun bestimmt durch folgende Momente: 1. Durch den Fruchtbarkeitsgrad des Bodens; 2. Durch den Grad der Anbauintensität; 3. Durch den Stand der Anbautechnik, insbesondere durch die Kenntnis der Wachstumsbedingungen der Pflanzen. A l l e drei Momente w i r k e n gleichzeitig zusammen: bei gegebener Fruchtbarkeit w i r d die Bodenproduktivität um so größer sein, je größer der A u f w a n d , also je höher der Grad der Anbauintensität ist. Je umfassender die Kenntnis der Wachstumsbedingungen der Pflanzen und je fortgeschrittener die Verfahrensweise i n der Anbautechnik sind, u m so größer die Bodenproduktivität bei gleicher Fruchtbarkeit und gleichbleibender Anbauintensität. Bei gleicher Anbauintensität und bei gleichem Stand der Anbautechnik entscheidet über die BodenProduktivität der Fruchtbarkeitsgrad des Bodens. Bei der Feststellung derjenigen Umstände, von denen abhängt die Höhe des Wohlstandes, des Reichtums der Nationen, sind w i r zweitens gestoßen auf die Arbeitsproduktivität. Auch hier fragen w i r : was ist dasjenige, was ergiebig ist und worauf w i r unseren Begriff beziehen können? Die Arbeitsproduktivität bringt die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit zum Ausdruck wie die Bodenproduktivität die Ergiebigkeit eines Stückes der Erdoberfläche. Hier w i r d i n Beziehung gesetzt ein bestimmter Arbeitsaufwand m i t einer bestimmten Menge Produkt, die fertig w i r d als Arbeitserfolg i n einer bestimmten Zeitspanne. Durch diese Inbeziehungssetzung drücken w i r den Grad der Arbeitsproduktivität aus. I n einem Falle beträgt der Arbeitserfolg ein Paar Stiefel i n einer Stunde, i m anderen zwei Paar Stiefel: die Arbeitsproduktivität stieg also um ein Paar Stiefel. Hier liegt die Fiktion zugrunde, daß die Arbeitsleistung erfaßt werden kann als reine Quantität: w i r stellen fest, daß der Tischler unter bestimmten Bedingungen soviel Produkt schafft, unter anderen Bedingungen die doppelte Menge und drücken diesen Sachverhalt aus mit der Feststellung, daß sich die Arbeitsproduktivität verdoppelt habe. W i r müssen hier festhalten den Unterschied zwischen Arbeitsintensität und Arbeitsproduktivität: m i t der Arbeitsintensität meinen w i r die Inbeziehungsetzung des Energieaufwandes eines Arbeiters — mag es sich handeln um körperliche und geistige Arbeit, das ist irrelevant,
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da keine menschliche Arbeitsleistung i n Wirklichkeit quantitativ faßbar ist, auch die primitivste körperliche Arbeitsleistu-ng als Auswirkung menschlicher Existenz, als Werk einer Persönlichkeit reine Qualität und als solche sich jeder Quantifizierung entzieht, die Quantifizierung also eine F i k t i o n bleibt, ohne die w i r aber die Begriffe der Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität nicht bilden können — zu einer bestimmten Zeitspanne, bei der Arbeitsprodukt i v i t ä t meinen w i r das Ergebnis dieses Energieaufwandes, dieser A r beit in einer bestimmten Zeitspanne: hohe Arbeitsleistung meint immer gesteigerte Arbeitsintensität, viel Produkt meint immer gesteigerte Arbeitsproduktivität. Ist i n zwei Fällen gleicher Arbeitsintensität das Arbeitsergebnis, der Arbeitserfolg, die Menge des A r beitsprodukts verschieden, so ist also verschieden die Arbeitsprodukt i v i t ä t : es mögen zwei Schichten von Arbeitern gegeben sein, die eine Schicht schafft i n acht Arbeitsstunden 1000 Karren Erde, die andere Schicht in derselben Zeit von acht Stunden nur 800 Karren Erde; die 1000 Karren Erde können zurückgeführt werden auf eine größere Arbeitsintensität: die Arbeiter sind fleißiger, leistungsfähiger; es ist aber auch möglich, daß sie ihre Mehrleistung einer Bohle verdanken, um ihre Karren besser fahren zu können, vielleicht auch einer besseren Gestalt der Karre, geölten Rädern, einer zweckmäßigeren Schippe; in diesen Fällen wäre also die Arbeitsproduktivität höher durch bessere äußere Umstände, die nichts zu tun haben m i t dem Fleiß des Arbeiters. Eine bessere Schreibmaschine kann arbeitsproduktiver sein, weil bei gleichem Arbeitsaufwand, gleichem Fleiß, gleicher Geschicklichkeit auf ihr mehr geschrieben werden kann als auf einer schlechteren Maschine. Die Hauer liefern weniger Kohle, es kommt weniger Kohle auf den K o p f des einzelnen Hauers. Der Zechenbesitzer behauptet, die Hauer seien faul, die Arbeiter sagen, „oh, nein, w i r sind bloß unterernährt". Fördern die Arbeiter infolge schlechter Stollen, schlecht anstehender Kohlen weniger, so hat das seinen G r u n d i n einer geringeren Produktivität. Nach dem ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) sank die Ausbeute der Bergwerke, die Hauer lieferten weniger Kohle als vor dem Kriege. Die Hauer sagten: „ W i r sind ebenso fleißig wie vor dem Kriege, w i r können aber nicht mehr leisten, w e i l w i r die Stollen ausbauen müssen, die während des Krieges nicht nachgebaut wurden, weil w i r unterernährt sind, weil die Abbauverhältnisse immer schwieriger werden." Die Verringerung der Kohlenausbeute ist also nicht das Ergebnis geringerer Arbeitsintensität, sondern geringerer Arbeitsproduktivität. Die Arbeitsproduktivität w i r d nicht bestimmt durch persönliche Willensakte, durch Fleiß und Leistungsfähigkeit, sie w i r d bestimmt allein durch die Fruchtbarkeit des Bodens bei gleicher Anbauintensität: fruchtbare Böden liefern einen höheren Ertrag, umgekehrt
Die Produktivität
kann bei optimaler Arbeitsintensität mit höchstem A u f w a n d von lebendiger Arbeit u n d Produktionsmittel der Arbeitserfolg, der Ertrag gleich N u l l sein auf steinigem Boden; der fleißigste Bauer w i r d auf unfruchtbarem Boden nichts ernten. Die Arbeitsproduktivität w i r d zweitens bestimmt durch das menschliche Verhalten, durch die Arbeitsorganisation und durch die Vervollkommnung der Technik. Der Begriff der Arbeitsproduktivität ist der zentrale Begriff der Volkswirtschaft. Es ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, die Ursachen zu erwägen, von denen die Höhe der Arbeitsproduktivität abhängt: es sind diese Ursachen gegeben i n der Fruchtbarkeit des Erdbodens oder der Reichhaltigkeit der Erdschätze und ihrer leichten Erschließbarkeit und i n der Arbeitsorganisation u n d der Vervollkommnung der Technik. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität erfolgt durch die Arbeitsorganisation, indem angewendet werden jene beiden Prinzipien, auf denen alle Arbeitsorganisation beruht: die Spezialisation und Kooperation. Bei gegebenen Naturbedingungen hängt der Produktivitätsgrad der Arbeit, die Arbeitsproduktivität ab von der Arbeitsorganisation und der Technik. A d a m Smith erblickte in der Arbeitsteilung, der Spezialisation, die einzige Ursache, die die A r beitsergiebigkeit bestimme, die Ursache des gesellschaftlichen Reichiums. Nach Adam Smith w i r d durch die Spezialisation die Geschicklichkeit des Arbeiters gesteigert; wenn ein Arbeiter immer dasselbe macht, muß sich notwendigerweise seine Geschicklichkeit steigern, es können die für eine Teilarbeit besonders geschickten Arbeiter ausgewählt und nur für diese Teilarbeit eingesetzt werden. Die Spezialisation ermöglicht Erfindungen, weil der Arbeitsbereich besser überblickt w i r d ; die auf dasselbe Werkzeug und die immer gleiche Maschine konzentrierte Aufmerksamkeit des Arbeiters führt zur Beobachtung ihrer Mängel und Fehlleistungen und damit zur Anbringung von Verbesserungen und Vervollkommnungen an den einzelnen Werkzeugen und Maschinen. Es w i r d durch die Spezialisation der Arbeitswechsel vermieden, indem ein Arbeiter immer dasselbe macht; damit werden vermieden eine Neuanlernung der Arbeiter, das Umändern und Stillstehen von Maschinen, endlich der Verschleiß von Maschinen und Werkzeugen durch die Ungeschicklichkeit des Arbeiters. Bleibt der Arbeiter an seiner Maschine, so w i r d eine unrichtige Behandlung seiner Maschine vermieden. Ist die Weberei eingestellt auf ein einziges Muster, so w i r d eine Umänderung der Maschinen vermieden. Neuanlernung von Arbeitern müssen ebenso zum schnellen Verschleiß des Maschinenparks führen wie eine unrichtige Behandlung der Maschinen durch ungeübte Arbeiter oder mit einem ständigen Arbeiterwechsel notwendig verbundene unpflegliche Behandlung der Maschinen. Werden immer neue Muster eingeführt i n einer Weberei. so führt die damit verbundene Umänderung der Maschinen nicht
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung u n d E r f o l g
bloß zu einem Zeitverlust, sondern audi zu einem schnelleren Verschleiß der Maschinen. W i r unterscheiden eine Spezialisation innerhalb des Betriebes und zwischen den Betrieben. A l l e diese erwähnten Vorteile werden leichter erreicht durch Spezialisation zwischen den Betrieben: der eine Betrieb tut dieses, der andere jenes; es kommt zur Verringerung bestimmter Hilfsarbeiter, bestimmter Hilfsvorrichtungen; es w i r d an Zeichnungen, Modellen, Schablonen, Mustern, Gießereiformen, Spezialmaschinen gespart; bei zahlreichen Mustern sind große Zeichensäle erforderlich. Macht eine Gießerei immer denselben Gegenstand, so braucht sie keine Modelle, also auch keine Sammlung. Je weniger spezialisiert eine Gießerei ist, desto mehr Modelle und Gießereiformen braucht sie; die Aufbewahrung dieser Modelle beansprucht zusätzliche Arbeitsleistungen und Zeit, auch müssen Modelle immer neu angefertigt werden, neue Muster erdacht werden; die auf ein einziges Muster eingestellte Weberei, der Spezialbetrieb spart das alles; ein spezialisierter Betrieb ist ganz gewiß nicht vielseitig, aber er ist gewiß arbeitsproduktiver. Zu diesen Vorteilen der Spezialisation kommen die Vorteile der Kooperation als das andere Prinzip jeder Arbeitsorganisation. Diese Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Kooperation w i r d uns am handgreiflichsten vor Augen geführt i n den Großbetrieben. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Kooperation bedeutet, daß mit demselben A u f w a n d an Arbeit u n d Kapital, also Produktionsmitteln mehr erzeugt wird. A l l e Vorteile des Großbetriebes liegen i n der Richtung einer Steigerung der Arbeitsproduktivität, die dem Großbetrieb anhaften als solchen, unabhängig von seiner geographischen Lage. Diese Vorteile äußern sich nach verschiedenen Seiten: 1. Ersparnisse bei der Beschaffung und Verwendung der sachlichen Produktionsfaktoren. Beim Bezug der Rohstoffe erzielt der Großbetrieb Vorteile i m Preise. Das ist eine bekannte Tatsache, der Großbetrieb erhält beim Einkauf großer Mengen von Rohstoffen einen Rabatt, einen Preisnachlaß. Aber auch die Transportkosten werden beim Transport großer Gütermengen geringer; die Eisenbahntarife sind darauf eingestellt und gewähren einem Betrieb, der i n großem Maßstabe transportiert, einen Rabatt. Diese Vorteile sind nicht kommerzieller A r t , sondern liegen i n der Natur der Sache: der Bezug großer Massen eines Sachgutes, eines Rohstoffes macht einen geringeren Arbeitsaufwand; eine Warenpartie von 1000 Stück erfordert dieselbe Verpackung wie 100 Stück dieser Partie; bei großen Warenposten können die Transportgefäße voll ausgelastet werden: der Benzinverbrauch und Arbeitslohn für den Fahrer sind dieselben bei einem Lastkraftwagen m i t zwei Tonnen Ladefähigkeit, der nur zwei Zentner einer Ware oder 40 Zentner geladen hat; die Bewegung eines
Die Produktivität
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nur zur Hälfte beladenen Güterwagens kostet genau soviel an Kohlen für die Lokomotive und Fahrpersonal wie ein bis zur Grenze seiner Ladefähigkeit ausgelasteter Waggon. 2. Das Gefäßsystem, i n welchem die Arbeit verrichtet w i r d , w i r d in dem Maße billiger erstellt, als es anwächst. Das beruht auf der Tatsache, daß mit einem verhältnismäßig geringeren A u f w a n d ein größeres als ein kleineres Gebäude hergestellt werden kann. Ein Kubikmeter eines Würfels aus Eisenblech erfordert sechs Quadratmeter Blech, ein W ü r f e l mit einem Inhalt von 1000 Kubikmetern erfordert nicht 6000 Quadratmeter, sondern nur 600 Quadratmeter Eisenblech. Das Gefäßsystem kann billiger hergestellt werden, wenn es größer ist. Die Herstellung eines Raumes von 50 Kubikmetern Inhalt kostet nicht den doppelten Preis eines Raumes von 25 K u b i k metern. Ein Arbeitsraum für 10 Menschen mag 100 D M kosten, ein doppelt so großer Raum kostet dann bestimmt nicht 200 D M , sondern vielleicht nur 130 D M . 3. Große Maschinen sind im Verhältnis billiger und rentabler als kleine Maschinen. Die Pferdestärke kostet um so weniger, je größer die Maschine ist. Es kostet eine Pferdestärke (1 PS) bei einer Dampfturbine von 100 PS von 500 PS von 1000 PS von 2000 PS von 3000 PS
einer Dampfmaschine 2,52 R M 1,53 RM 1,23 R M — 1,03 R M
von 100 PS von 500 PS von 1000 PS von 2000 PS von 3000 PS
2,79 R M 1,67 RM 1,48 R M 1,34 R M 1,24 R M
Der Großbetrieb vermag also sein Gefäßsystem billiger herzustellen und das Maschinensystem w i r d nicht teurer i m Verhältnis zu seiner Größe. Zu diesen Ersparnissen bei der Beschaffung und Verwendung des sachlichen Produktionsfaktors t r i t t nun auch eine Ersparung in der Einsetzung des persönlichen Produktionsfaktors. Es treten Ersparnisse ein i n der Leitung, i n der Verwaltung und der Aufsicht. Das Gehalt eines Direktors, der einen Betrieb mit 1000 Arbeitern leitet, verdoppelt sich nicht, wenn der Betrieb auf 2000 Arbeiter anwächst. Auch für den größten Betrieb gibt es immer nur ein Verwaltungsbüro, eine Kasse, ein Archiv, eine Buchhaltung und Registratur. Der Geschäftsgang w i r d nicht i m gleichen Verhältnis teurer, als die Größe des Betriebes anwächst. Die für einen Betrieb von 1000 Arbeitern erforderlichen Buchhalter und Stenotypistinnen genügen auch für einen Betrieb von 2000 oder gar 3000 Arbeitern: eine Vergrößerung des Arbeiterstammes bedeutet niemals eine Zunahme des Verwaltungspersonals und Vergrößerung der Büroräume. Eine große Ziffer i n ein Buch einzutragen kostet nicht mehr als die Eintragung einer kleinen Ziffer, und die Aufsicht über 20 Personen kann auch 40 Personen beaufsichtigen. Das Zusammenwirken vieler
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung und Erfolg
Menschen bedeutet eine unmittelbare Steigerung des Krafteffektes: viele Menschen erzielen einen größeren Krafteffekt. I m Großbetrieb ist eine bessere Organisation der Arbeit möglich, die menschliche A r beit w i r d ergiebiger. N u n haben w i r aber einen wichtigen Punkt übersehen. Wenn w i r genau zuschauen, so ist es in den meisten Fällen das Verfahren, die Technik, die eine Steigerung der Arbeitsproduktivität i m wesentlichen herbeiführen. Die Technik ist durchaus zu unterscheiden von der Organisation der Arbeit. A d a m Smith beweist seine These an der H a n d seines Beispiels von der Stecknadelmanufaktur. Es handelt sich hier um das zusammenlegende Verfahren, das darin besteht, eine Anzahl von Produktionsakten dadurch zu verringern, daß man sie gleichzeitig an mehreren Gegenständen vornimmt. Bei der Stecknadelmanufaktur w i r d diese ganze kunstvolle Organisation der lebendigen Arbeit über den Haufen geworfen durch das Eindringen der Instrumentaltechnik, der Maschine. Die Maschine steigert nun die Arbeitsproduktivität; hier beruht also die Vervollkommnung des Verfahrens in der Vervollkommnung der Instrumentaltechnik und damit der Ausweitung des Sachmittelapparates. Es erfolgt die Verdrängung der lebendigen Arbeit und ihre Ersetzung durch irgendwelche Sachdinge. Indem das Staubtuch, der Staubwedel ersetzt werden durch den Staubsauger, w i r d die lebendige Arbeit des Staubwischens ersetzt durch ein Sachding, einen Automaten, eine Maschine; die Arbeit des Staubwischens w i r d zurück verlegt in die Arbeit der Maschinenfabrik, die Staubsauger herstellt; die lebendige Arbeit w i r d verringert, der Sachmittelapparat w i r d vergrößert. Diese Ausweitung des Sachmittelapparates hat wieder eine wichtige Folge: es ist die Verlängerung des Produktionsweges, die darin besteht, daß nun nicht mehr mit lebendiger Arbeit herangegangen w i r d an die Produktion, sondern der Bau eines Sachmittelapparates, die Herstellung von Maschinen und Anlagen erforderlich ist, um mit ihrer H i l f e die Produktionsund Transportakte ausführen zu können. Vorher wurde die Stecknadel fabriziert von Hand zu Hand, sie war Produkt der Handarbeit; heute w i r d die Stecknadel produziert mit der Maschine. Die Maschine muß aber in einer Fabrik hergestellt werden; damit wird der Weg zum fertigen Produkt verlängert, aber der Gesamtaufwand w i r d kleiner, die längere Zeit, der größere A u f w a n d des Sachmittelapparates, diese Verlängerung des Produktionsweges zeigt als endlichen Produktionserfolg eine große Masse von Stecknadeln, die nicht bloß alle Unkosten des Sachmittelapparates einbringen, sondern durch die Massenfertigung eine Verbilligung der einzelnen Stecknadel ermöglichen, die nun billiger verkauft werden k a n n als die i n Handarbeit hergestellte Stecknadel der Stecknadelmanufaktur von Adam Smith. Jede Vergrößerung des Sachmittelapparates bedeutet die Zu-
Die Produktivität
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riickverlegung der lebendigen Arbeit in frühere Stadien des Produktionsprozesses. Der Umweg über den Sachmittelapparat bedeutet aber auch eine Verringerung der lebendigen Arbeit überhaupt. Die Herstellung von Werkzeugen durch einen Handwerker erfordert einen großen A u f w a n d an lebendiger Arbeit und Zeit. Die Herstellung dieser Werkzeuge i n einer Werkzeugfabrik mittels Werkzeugmaschinen setzt die Herstellung dieser Werkzeugmaschinen i n besonderen Fabriken voraus. Zwar erfordert die Herstellung des einzelnen Werkzeuges mittelst der Maschine weniger lebendige Arbeitsmühe und Zeit, es w i r d besser, schneller und billiger produziert als durch Handarbeit, aber seine Herstellung setzt voraus einen gewaltigen Sachmittelapparat, eine ganze Industrie. Diesen A u f w a n d setzt voraus jedes mit der Maschine hergestellte Sachgut, der i n der Schuhfabrik hergestellte Stiefel steht am Ende eines langen Produktionsweges u n d erfordert einen großen Maschinenpark, der m i t der H a n d hergestellte Stiefel des Schuhmachermeisters erfordert nur wenige Werkzeuge. Die Verlegung der Herstellung eines Sachgutes aus der Sphäre der lebendigen Arbeit heraus in einen Sachmitteiapparat bedeutet i m letzten Grunde eine tatsächliche Verringerung der lebendigen Arbeit. Die Benutzung von Maschinen i n der Landwirtschaft bedeutet, daß ein wachsender T e i l der Nahrungserzeugung nicht mehr gewonnen w i r d auf dem Felde und in den Ställen, sondern bei zunehmender Intensivierung des landwirtschaftlichen Betriebes sich die Erzeugung der landwirtschaftlichen Produkte mehr und mehr außerhalb der Landwirtschaft vollzieht: intensiver wirtschaften in der Landwirtschaft heißt drainieren, heißt mehr Dünger, mehr Maschinen, so daß also mehr und mehr Arbeiten in der Maschinenfabrik für die Landwirtschaft vollzogen werden. Ausweitung des Sachmittelapparates, Verringerung der lebendigen Arbeit, die mehr und mehr ersetzt w i r d durch Maschinenarbeit, Verlängerung des Produktionsweges, das sind die notwendigen Konsequenzen, die sich ergeben aus der Vervollkommnung des Verfahrens und der Technik. Von einer absoluten Überlegenheit des Großbetriebes kann nun aber keine Rede sein. Völlig verkehrt wäre die Sclilußfolgerung, die diese Erörterungen über die Betriebsgröße nahelegen: je größer der Betrieb, desto größer seine Ergiebigkeit; das ist ein klarer Trugschluß. Es besteht für jeden einzelnen Produktionsprozeß und Transportakt eine nicht mehr überschreitbare Grenze, bei deren Überschreitung sich die Vorteile verwandeln i n Nachteile; es gibt eine optimale Betriebsgröße, verschieden von Betrieb zu Betrieb; die Überschreitung dieser optimalen Betriebsgröße läßt alle aus der Größe allein resultierenden Vorteile der Produktivität umschlagen i n Nachteile: der Verwaltungsapparat w i r d zu kompliziert, die Übersichtlichkeit ist erschwert, die Transportwege werden zu weit und damit unrentabel usw. Diese
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D i e Gütererzeugung:
I L e i s t u n g u n d Erfolg
optimale Betriebsgröße ist verschieden für jeden Betrieb. I n diesem Sinnzusammenhang haben w i r zu erinnern an eine Feststellung, die bereits an einer anderen Stelle gemacht wurde: die Betriebsgröße ist bedingt durch die Größe des Absatzes, des Marktes, der Verwendungsmöglichkeit der erzeugten Sachgüter. I n gewissen Fällen ist hier der kleine Betrieb durchaus dem Großbetrieb überlegen; eine kleine Wassermühle kann wegen des Transportweges produktiver arbeiten als eine Dampfmühle. Beim Transport von Menschen kann i n gewissen Situationen ein kleiner Schiffer zweckmäßiger und produktiver arbeiten als ein großer Betrieb. Endlich müssen w i r ganz allgemein folgende Betrachtung anstellen: es ist eine fehlerhafte Auffassung gewesen, daß man diese relative Überlegenheit des Großbetriebes verabsolutierte, indem man i h n unter allen Umständen vorzog, weil er die Leistung vollbrachte, die Arbeit produktiver zu gestalten. Das ist ein einseitiger Gesichtspunkt: der Großbetrieb muß gewertet werden i n seiner Totalität: der Großbetrieb hat m i t Notwendigkeit zerstört die eigentlich werkschaffende Arbeit; der Großbetrieb muß die Vollarbeit, die komplexe Arbeit zerschlagen und auflösen i n Teilverrichtungen: diese Zerschlagung der Vollarbeit i n Teilarbeit ist ein derartig in das innerste Wesen menschlichen Daseins einschneidender Vorgang, daß man gegenüber einer solchen Situation zu dem Ergebnis kommt, auf eine Wertung überhaupt zu verzichten. Das sozialpolitische Problem stellt sich vollständig anders: i n Großbetrieben gibt es nur unselbständige Menschen, registriert als Nummern, gekettet an Automaten, selbst geworden zu entseelten Automaten. A l l e diese Momente müssen berücksichtigt werden, wenn man die Frage entscheiden w i l l : Großbetrieb oder Kleinbetrieb? Zur eigentlichen Werkschöpfung, zur Produktion von Kunstwerken ist allein geeignet der Kleinbetrieb. Hinsichtlich der Methode, die Arbeitsproduktivität zu bemessen, sind die Schwierigkeiten der Ermittlung außerordentlich groß. Eine mathematische Größenbeziehung zwischen Arbeit und Produkt ist nicht feststellbar. Bei der Division der Produktenmenge durch die Zahl der Arbeiter muß der ganze Sachmittelapparat i n Rechnung gestellt werden, der zur Hervorbringung dieser Leistung erforderlich war: die i n den Produktionsmitteln aufgespeicherte Arbeit muß berücksichtigt werden: Brotfabrik und Bäckerei, i m ersten F a l l sind auch die Hochofenarbeiter, Arbeiter i n verschiedenen Maschinenfabriken an der Brotherstellung beteiligt. W i r müssen anführen die Ausweitung des Sachmittelapparates bei einer Brotfabrik, die Verlängerung des Produktionsweges und die Verkürzung des Produktionsprozesses selbst, indem die Produkte, die Brote i n kürzerer Zeit hergestellt werden als i n Handarbeit durch einen Bäckermeister. Die Steigerung der Produktivität kann i n diesen Umständen ihren Grund
Die
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haben, sie kann aber auch andere Gründe haben: die Veränderung des Geldwertes und die Preisgestaltung können solche Gründe sein. W i r kommen zu dem Ergebnis, daß die Steigerung der Arbeitsprod u k t i v i t ä t i n den verschiedenen Sphären eine außerordentliche sein kann. E i n einwandfreies Verfahren zur Ermittlung der Arbeitsprod u k t i v i t ä t gibt es eben nicht. Aus einzelnen Fällen darf man keine allgemeinen Urteilsfolgerungen ziehen. Es haben sich phantastische Vorstellungen von der Steigerung der Arbeitsproduktivität gebildet: Friedrich Engels hat von einer Vertausendfachung der Arbeitsproduktivität gesprochen. Der amerikanische Zensus hat für die gewerbliche Produktion Preis und A u f w a n d nebeneinander gestellt: es ergibt sich da eine Steigerung der Arbeitsproduktivität um 15 bis 2 0 % , eine Steigerung u m 75 % für das ganze Jahrhundert. Man muß sehr vorsichtig sein, von einem F a l l zu schließen auf den anderen Fall. Die Verhundertfachung stellt sich als M a x i m u m der Steigerung der A r beitsproduktivität i n der Baumwollindustrie i m Laufe eines Jahrhunderts dar; es wäre töricht, diese leidlich errechenbare Verhundertfachung einfach zu übertragen auf andere Produktionszweige, die unter völlig anderen Bedingungen arbeiten und ganz andere Struktur zeigen. Diese Betrachtungen führen uns nun hinüber zu dem dritten Beg r i f f der Produktivität: zu der volkswirtschaftlichen Produktivität. Auch hier beziehen w i r den Güterertrag auf ein hervorbringendes Etwas: bei der Bodenproduktivität war es der Boden, bei dem die herausgezogene, die geerntete Gütermenge interessiert, bei der A r beitsproduktivität die Arbeit selbst als Hervorbringer einer Produktmenge. Jetzt nun soll die Volkswirtschaft selbst dieses tragende Etwas sein. Das ist ein nicht unbedenkliches Verfahren. Die Ergiebigkeit der ganzen Volkswirtschaft ist ziffernmäßig nicht faßbar; da aber die volkswirtschaftliche Produktivität bedeutungsintentional den Begriff des gesellschaftlichen Reichtums meint, werden w i r sie erörtern i m § 32 des 7. Kapitels, das vom Gesamtprozeß handelt. 8 24. D i e Ökonomität W i r können das Wort ökonomität übersetzen m i t Vorratsbewirtschaftung, aber das drückt den Gedanken noch nicht genau aus. Die ökonomität ist der Inbegriff der Grundsätze, nach denen eine Vorrà tsbewirtschaftung stattfindet. Diese Vorratsbewirtschaftung ist entweder eine konsumtive oder produktive Vorratsbewirtschaftung. Bei der konsumtiven Vorratsbewirtschaftung kommt es darauf an, einen bestimmten Vorrat zu Verbrauchszwecken einzuteilen nach Menge und Zeit: richtige Einteilung, zweckmäßige Verwendung zu Zwecken des Verzehrs, des Konsums. Diese richtige und zweckmäßige Eintei-
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D i e Gütererzeugung
I L e i s t u n g und Erfolg
lung eines gegebenen Vorrates einer Sachgütermasse w i r d im wesentlichen abhängen von den Umständen, die grundsätzlich hier zur Anwendung gelangen. I m allgemeinen w i r d der Ausdruck der Rationierung gebraucht: ein knapper Vorrat an Sachgütern w i r d so zweckmäßig eingeteilt, daß der Bedarf befriedigt werden kann: bei Schiffbrüchigen i n einem Boot muß zunächst der unbedingt zu befriedigende Bedarf der täglichen Wassermenge für einen Menschen festgestellt werden, also eine rationale Bedarfsgestaltung vorgenommen werdën, dann muß diese Menge auf die Schiffbrüchigen sparsam und gerecht verteilt werden, so daß sie auch bis zum Zeitpunkt der Rettung reicht. Der hier zu erörternde Begriff ist der Begriff des Sparens: Sparen soll zunächst heißen eine solche Verwendung einer bestimmten Gütermenge, daß der Vorrat für den zu befriedigenden Bedarfszweck reicht; w i r teilen den Vorrat so ein, daß er bis zum Ende vorhält, w i r verteilen den Vorrat über eine bestimmte Zeit. Sparen kann aber auch heißen, einen bestimmten Bedarfszweck mit einem geringen A u f wande von Gütern zu befriedigen oder einen möglichst umfassenden Bedarf mit einer möglichst geringen Gütermenge befriedigen. Die Begriffsanalyse berührt hier die Sphäre des Begriffs des Geizes und w i r d durch diesen Begriff erhellt: Sparen hat mit Geiz nichts zu tun, Sparen ist ein Begriff der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, während Geiz nichts zu t u n hat m i t der Volkswirtschaft, sondern dem Bereich der Ethik angehört: der geizige Mensch wirtschaftet nicht mehr, treibt auch keine Vorratswirtschaft, sondern ist i m Regelfall ein F a l l für den Psychiater: der geizige Mensch bleibt auf einem Vorrat sitzen und verhungert, während der Vorrat verdirbt, er w i r d zum Geldneurotiker, der bei gefüllten Truhen verkommt, verhungert, verschmutzt und den Geldbesitz als absoluten Wert ansieht. Paradefall ist hier der verkommene Bettler, der mit einem Millionenvermögen den Hungertod stirb: immer ein F a l l für den Psychiater, den Ethiker, die Sensationspresse und so selten, daß das Wort „Geiz" immer mißbräuchlich angewandt w i r d . W i r verstehen unter Sparen aber auch die Sorgfalt für einen Gebrauchsgegenstand, das Gegenteil ist vcrschwenderich: eine sparsame Verwendung verhindert auch die Zerstörung von Gegenständen: die Abwehr von Motten, die Behandlung eines Bindfadens i n einer Weise, die eine Wiederverwendung zuläßt, die sparsame Verwendung von Papier, Streichhölzern. W i r verbinden mit dem Begriff des Sparens noch einen anderen Sinn: spare in der Zeit, so hast du i n der Not. Es werden Gütermengen zurückgelegt, für die Notzeiten aufbewahrt, der Notgroschen w i r d aufbewahrt, für Katastrophen fälle, Todesfälle werden bestimmte Geldsummen zurückgehalten. Der gesamte Gütererzeugungsprozeß k a n n so gestaltet werden, daß stets Güterbeträge zurückgelegt, aufbewahrt, gespart
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werden. Auch ein guter Finanzminister w i r d sparen und Geldbeträge i m Juliusturm für Notzeiten verwahren. Bei der produktiven Vorratsbewirtschaftung als der Verwendung eineis Vorrates zu produktiven Zwecken handelt es sich um die Feststellung der Grundsätze, die angewendet werden bei der produktiven ökonomität. W i r betrachten hier die Produktion unter einem neuen Gesichtspunkt, i m Hinblick auf einen Vorrat von Stoffen und Kräften, die für die Produktion zur Verfügung stehen. W i r betrachten die Produktion i n ihrer Fortsetzung, i n der Reihenfolge von Produktionsakten und fragen nach der Nachhaltigkeit der Produktion, nach den Bedingungen, von denen die Häufigkeit und Wiederholung der Produktionsakte abhängt. Damit stellen w i r den einzelnen Produktionsakt neben den benachbarten und folgenden, w i r fragen nach der Bedeutung der benachbarten und vorhergehenden Produktionsakte für den folgenden Produktionsakt. W i r betrachten die Produktion als eine Summe von Produktionsakten, w i r fragen nach der Nachhaltigkeit der Produktion i m Hinblick auf die Häufigkeit der Produktionsakte und bilden damit eine neue Einheit aus verschiedenen Produktionsakten, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Diese produktive ökonomität erscheint uns nun i n doppelter Gestalt: w i r können diese beiden Erscheinungsweisen bezeichnen als dispositive und regenerative ökonomität, je nachdem es sich handelt um einen festbegrenzten oder sich erneuernden Gütervorrat. Unter dispositiver ökonomität verstehen w i r die verteilende ökonomität, bei der es sich handelt um die Bewirtschaftung eines bestimmten, festgegebenen, begrenzten Vorrates von Stoffen und Kräften in Raum und Zeit. Das Maß der Ausnutzung eines gegebenen Vorrats von Stoffen und Kräften w i r d bestimmt durch den Grad der Intensität. Alles, was w i r bereits über die Intensität in Erfahrung brachten, findet hier seine Anwendung. Diese Intensität kann verwirklicht werden in verschiedenen Richtungen. Je nach dem Grade der Intensität und ihrer Richtung w i r d der Vorrat, über den die Produktion verfügt, größer oder kleiner. W i r haben unterschieden: Zeitökonomie = Arbeit; Stoff Ökonomie = Sachintensität; Zeit- und Raumökonomie = Betriebsintensität, und wenden diese Unterscheidungen an auf das doppelte Gesicht der produktiven Vorratsbewirtschaftung, auf die dispositive und regenerative ökonomität. Der Vorrat an Zeit w i r d mehr und besser ausgenutzt, wenn intensiver, fleißiger und geschickter gearbeitet wird. Die Sach- oder Nutzungsintensität beruht auf dem Ausbringe Verhältnis aus einem Sachgut. Je höher der Sachnutzungskoeffizient, desto größer w i r d der Vorrat. M i t jeder Mehrausbringung, mit jeder größeren Ausbeute vergrößern w i r den Vorrat. Es gehört hierher die Verwendung bestimmter Abfallstoffe: Abgase, Ammoniak, die Verbesse-
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II. Leistung u n d E r f o l g
rung der Kessel erspart Kohlen. Das alles bedeutet Ausweitung des Vorrats, dispositive ökonomität. Aber auch der Vorrat an Raum muß von der dispositiven ökonomität als Raumökonomität berücksichtigt werden: w i r wirtschaften mehr Raum aus einer gegebenen Raumfläche heraus, wenn w i r an Stelle von vierstöckigen Häusern Wolkenkratzer m i t 100 Stockwerken bauen, auf demselben Stück Ackerland mehr Nutzpflanzen anbauen, Kartoffeln an Stelle von Roggen bauen, um damit die Menge von Nährstoffen zu vermehren. Ein besonderer F a l l der dispositiven ökonomität der nicht vermehrbaren Vorräte an Kohlen, Erzen und ölen, also Petroleum, Benzin. Diese Vorräte verringern sich und w i r sprechen hier von einem Abbau und hier richten w i r das Augenmerk darauf, nach welchen Grundsätzen abgebaut werden soll. Die dispositive ökonomität kann einen vorhandenen Vorrat i n einem geringeren Umfange, also sparsam, oder i n großem Umfange, verschwenderisch abbauen. Diese Vorräte hören indessen bald auf; irgendwelche zweckmäßige Verwendung ändert nichts an der Tatsache, daß sie abgebaut werden; es besteht keine Möglichkeit der Erhaltung, es sind nicht vermehrbare Vorräte. Diesem Abbau eines nicht erneuerungsfähigen Vorrats steht gegenüber der Begriff des Anbaus als eines erneuerungsfähigen Vorrats im Bereich der organischen Welt. Die regenerative ökonomität bezieht sich i m wesentlichen auf die organische Produktionssphäre, wo ein Vorrat an Stoffen und Kräften der lebendigen Natur zu bewirtschaften ist, der sich erneuert, wenn der Mensch ihn durch Düngung oder andere Vorkehrungen zur Erneuerung anhält. Ökonomie sollte heißen konsumtive Vorratsbewirtschaftung als richtige Einteilung und zweckmäßige Verwendung eines vorhandenen Vorrats oder produktive Vorratsbewirtschaftung mit dem Doppelgesicht der dispositiven und regenerativen ökonomität. Das Verhalten des Menschen ist einem fest begrenzten, nicht vermehrbaren Vorrat, anders als dem vermehrbaren Vorrat gegenüber: i m F a l l des nicht vermehrbaren Vorrats w i r d die produktive ökonomität zur dispositiven ökonomität m i t dem besonderen F a l l des Abbaus von Kohlen, Erzen und ö l e n i n der Erde; i m F a l l der vermehrbaren Vorräte an Stoffen und Kräften w i r d die produktive ökonomität zur regenerativen ökonomität, die eintritt bei den wachsenden Lebewesen i m Bereiche der organischen Natur. Die dispositive ökonomität kann den nicht nachwachsenden, begrenzten und eines Tages verschwindenden Vorrat an Stoffen und Kräften nur besser ausnutzen und vergrößern durch Steigerung der Intensitätsgrade i n der Produktion. F ü r die regenerative ökonomität der produktiven ökonomität sind aber drei Möglichkeiten ins Auge zu fassen, die dem Menschen offen stehen dort, wo es sich handelt um sich erneuernde Vorräte an Stoffen und
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Kräften. Der Mensch kann Ersatz-, Raub und Anreicherungewirtschaft treiben. 1. Ersatzwirtschaft: eine Ersatzwirtschaft findet statt dann, wenn für die Reproduktion der Stoffe und Kräfte auf der gleichen Stufenleiter Sorge getragen wird. Wenn die Stoffe und Kräfte der Natur irgendwie zurückgegeben werden, der Boden also gedüngt wird. Der Anbau der Gewächse bedeutet eine unausgesetzte Inanspruchnahme der Kräfte und Stoffe der Natur. M i t jeder Ernte entziehen w i r dem Boden eine bestimmte Anzahl von Stoffen und Kräften. Der Boden verarmt unter den Ernten und die entzogenen Stoffe u n d Kräfte müssen wieder zugeführt werden von den Menschen. Diese Zufuhr kann nur erfolgen i n gleicher Höhe wie die Wegnahme, so daß als Wegnahme u n d Zufuhr i n ein Gleichgewicht gesetzt werden: der Boden bleibt dann i n der Beschaffenheit, wie er vom Menschen angetroffen wurde. W i r reden von einer Statik des Landbaus, wenn ein Zustand regelmäßigen Ersatzes vorliegt. Bei der Viehzucht ergibt sich das Problem, nicht mehr abzuschlachten als notwendig ist zu Erhaltung des Viehbestandes. Dieses Problem ist auch der Jagd u n d dem Fischfang aufgegeben: es gibt Schonzeiten für das W i l d und den Walfang. Es liegt hier vor die bedachtsame Behandlung eines Vieh- oder W i l d - oder Fischbestandes i n der Weise der Erhaltung gleicher Stattlichkeit. Das Vieh muß sich auch i n der Qualität gleich bleiben. Also Ersatz Wirtschaft i n Quantität und Qualität. Beim Holz besteht die Ersatzwirtschaft darin, i n einem regelmäßigen Umtriebe den geschlagenen W a l d zu ersetzen; d a r i n liegt das Kennzeichen der Ersatzwirtschaft. A m Schlagwald ist die Ersatzwirtschaft schematisch abzulesen: Einteilung des Waldreviers i n 40 Schläge beim Ziehen 40jähriger Fichten; i n einem solchen Revier befinden sich Bäume i m Alter von einem Jahr bis zum Alter von 39 Jahren, während die 40jährigen geschlagen wurden. D a m i t w i r d ein regelmäßiger Umtrieb erzielt, jedes Jahr w i r d ein Schlag der 40 Jahre alt gewordenen Bäume geschlagen, alle anderen 39 Schläge bleiben unberührt. 2. D i e Raub Wirtschaft, der Raubbau: ein Raubbau, eine Raubwirtschaft liegt dann vor, wenn die Nutzung des Vorrates an Stoffen und Kräften derart ist, daß eine Wiedererzeugung i n gleicher Menge und Güte nicht stattfindet. D a haben w i r die Erschöpfung des Bodens: der Boden verarmt, wenn w i r mehr herausnehmen, als w i r hineintun: forsten w i r weniger auf, als w i r abschlagen, so verkleinern w i r den W a l d ; indessen kann es unter gewissen Umständen richtig sein, mehr von dem Waldbestande wegzunehmen als anzubauen, damit mehr Land frei w i r d für den Ackerbau, falls unter volkswirtschaftlichem 11
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung u n d Erfolg
Gesichtspunkt der Landbau wichtiger als der Waldbestand ist. W i r können einen Viehbestand i m Raubbau ausrotten, indem w i r mehr abschlachten als nachwachsen kann, einen W i l d - und Fischbestand ohne Rücksicht auf Nachwuchs dezimieren, alle Wale abschießen. Der gesamten Tierwelt gegenüber feiert der Mensch j a seit einem Jahrhundert Orgien entfesselter Mordlust. Dazu gehört die sinnlose Jagd auf Großwildtiere ebenso wie das sinnlose Morden unserer Singvögel auf ihren jährlichen Zügen über Italien. Dieser Massenmord führt zu einer Vermehrung der Pflanzenschädlinge, zu einer unaufhaltsamen Vergiftung unserer Nahrung, unseres täglichen Brotes mit chemischen Pflanzenschädlingsbekämpfungsmitteln, zum Absterben der Bienenvölker, die aus der vergifteten Pflanze ihren Nektar saugen. Die nur aus sadistischer Mordgier hingeschlachteten Vögel, nachweisbar ohne Nutzen für die menschliche Ernährung, werden im Raubbau, man kann sagen i m Lustmord vernichtet, wachsen nicht mehr nach, während die Folgen anderer A r t sind als bei einer Ausrottung der Schweine: hier ist eine Verlegung des menschlichen Bedarfs auf andere Nahrungsmittel jederzeit möglich, der Vogelmord bedeutet aber die Gefährdung der Ernährung von Millionen Menschen der nordischen Staaten, da es technisch unmöglich ist, die gesamte Pflanzendecke m i t einem G i f t f i l m zu übersprühen, abgesehen von der Durchgiftung des Pflanzenkörpers. Das Schweigen der Weltöffentlichkeit i n dieser für die Ernährung von Millionen wichtigen Frage bleibt trotz wiederholter Hinweise unserer Ernährungswissenschaftler und Krebsforscher völlig unbegreiflich. Gerade dieser F a l l des italienischen Vogelmordes zeigt dem V o l k s w i r t die umfassende Ursachenverkettung jeden Geschehens i n der lebendigen Natur und die furchtbaren Folgen jeden Frevels am Leben, das als Produkt eines göttlichen Schöpfungsaktes — auch dies eine Feststellung der positiven Wissenschaft und kein Glaube — uns anvertraut ist. Seine Heiligkeit der Papst hat wiederholt den Vogelmord i n Italien als Frevel verurteilt und auf das erhabene Beispiel des Heiligen Franz von Assisi hingewiesen. Die italienischen Tierschutz vereine verurteilen den Vogelmord ganz nachdrücklich und wandten sich bereits um H i l f e an die europäischen Tierschutzvereine. Es handelt sich hier um eine Minderheit von Süditalienern bzw. von Italienern südlicher Provenienz, die nach Norditalien verschlagen wurden und nicht lassen können von diesem grausamen Spiel m i t dem Leben dieser unschuldigen Geschöpfe aus der H a n d des göttlichen Schöpfers. Das italienische Volk i n seiner Mehrheit verdammt den Vogelmord. Möge endlich die italienische Regierung den Bitten der gesamten Kulturmenschheit willfahren u n d durch drastische Verbote dieses Verbrechen für alle Zukunft unmöglich machen.
Die ökonomität
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W i r können Schöpfung nennen die Erschaffung (ins Dasein-Rufung) aus dem Nichts und i h r gegenüberstellen die Entstehung als Veränderung von etwas schon Bestehendem. Diese Entstehung nennen w i r i m Bereiche des Anorganischen Verwandlung, i m Bereiche des Organischen Entwicklung oder Zeugung. Schöpfung geht denknotwendig zurück auf eine außerhalb des Erschaffenen waltende Macht; die Entstehung läßt sich zurückführen auf Naturkräfte, die als vorhanden und wirksam bereits festgestellt sind. Schöpfung ist immer außernatürlichen oder übernatürlichen Ursprungs, da für die Natur als Denkgesetz gilt, daß aus Nichts — Nichts werden kann. Überall also, wo auftritt ein wesentlich Neues i n der Welt, müssen w i r Schöpfung annehmen, da dieses grundsätzlich Andere nicht entstanden sein kann aus dem Vorhandenen. Das gilt für den Anfang der Dinge, das gilt ebenso für den Anfang des Lebens. U m diesen auf der Erde zu erklären und doch auszuschalten den außerweltlichen Schöpfer, hat man zu allerhand abenteuerlichen Deutungsversuchen gegriffen, unter denen die Urzeugung, auch Archigonie, generatio spontanea oder aequivoca genannt, die zäheste ist: die Annahme, daß i n toter, anorganischer Materie ohne einen Schöpfungsakt — also dank den i n der toten Materie selbst vorhandenen Stoffen und wirksamen Kräften Leben entsteht. Das aber widerspricht den oben aufgestellten Sätzen, weshalb Kant die Urzeugung m i t Recht „ungereimt" und „vernunftw i d r i g " nannte. (Werner Sombart, Seminarnotiz, 1926, Sommersemester.) 3. Ergänzungs-Anreicherungswirtschaft: endlich ist gegeben die dritte Möglichkeit der regenerativen ökonomität i n der Ergänzungsoder Anreicherungswirtschaft, wenn der Vorrat an Stoffen und Kräften größer w i r d trotz oder infolge der Nutzung. Hier w i r d der Boden so behandelt, daß er fruchtbarer w i r d : sorgfältig gepflügt, drainiert, bewässert, gedüngt, hier w i r d der Viehbestand vermehrt und gleichzeitig verbessert durch besondere Züchtungsmethoden. Hier werden die Wälder ausgedehnt, die Fischgewässer geschont, das W i l d gehegt. Das also sind die drei Möglichkeiten der regenerativen ökonomität. Es ist ersichtlich, daß die regenerative ökonomität von Bedeutung ist für die Gestaltung des Reichtums: w i r vermehren den Reichtum rascher, wenn w i r Raubbau treiben; diese Tatsache entfällt lediglich hinsichtlich der Großwildjagd und des Vogelmordes i n Italien, weil hier der Raubbau nachweisbar zur Verarmung führt: unsere Singund Zugvögel vertilgen j a nicht bloß das Pflanzenungeziefer i n großen Massen, sondern sind i m Gemälde des nordischen Sommers ein Zug, dessen Fehlen dieses Gemälde entstellt und von unermeßlichen Folgen auf die menschliche Seele ist: i n einer zur Mondlandschaft gewordenen Erde muß auch das menschliche Gemüt verkümmern und erkranken. 11 *
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D i e Gütererzeugung:
II. Leistung u n d Erfolg
Das letzte Jahrhundert beruhte auf der Grundlage des Raubbaus. Die Reichtumsgewinnung ist nachhaltiger, wenn Ersatz- oder Anreicherungswirtschaft getrieben wird. W i r haben i n den vorstehenden Darlegungen einen ganz bestimmten Produktivitätsbegriff entwickelt, wie er ausschließlich brauchbar ist i m Sinnzusammenhang der allgemeinen Nationalökonomie, Prod u k t i v i t ä t als zeitlose Kategorie, die gilt für alle menschliche W i r t schaft. Vor der Erörterung der Ertragsgesetze müssen w i r diesen Produktivitätsbegriff klären. W i r meinten Produktivität als Ergiebigkeit und müssen feststellen, daß diese Bedeutungsintention eine Reihe von Feststellungen nicht t r i f f t . D i e Alkoholerzeugung ist produktiv; die Alkoholerzeugung ist unproduktiv. Diese beiden Urteile haben nichts zu t u n mit Ergiebigkeit, sie meinen die Rentabilität, den Reingewinn als Geldsumme. W i r müssen also Rentabilität und Produktivität unterscheiden. Rentabel ist also ein solches Unternehmen, welches einen rechnungsmäßigen Reinertrag liefert. A n welche Voraussetzungen ist nun der Begriff der Rentabilität geknüpft? A n die Geldrechnung. W i r müssen alle wirtschaftlichen Vorgänge auf einen Nenner bringen können; Rohertrag u n d Kosten müssen auf einen Nenner gebracht werden können, sonst können w i r sie nicht abziehen von einander. W i r können nicht abziehen das Futter von der Milch. Das w i r d allgemein vergessen. N u r auf dieses Verhältnis zwischen Rohertrag und Kosten bezieht sich die Rentabilität, die ist Erzielung eines Reinertrages, ausgedrückt i n einer Geldsumme. Dieser privatwirtschaftliche Begriff ist grundsätzlich zu trennen von dem allgemeinen und zeitlosen Begriff, der ewigen Kategorie der volkswirtschaftlichen Produktivität. Ist die Alkoholerzeugung n u n produktiv oder unproduktiv? Was ist darin noch enthalten neben der privatwirtschaftlichen Rentabilität, die w i r hier ausmerzen? I n diesem U r t e i l ist ein Werturteil enthalten. I n der Produktivität als Wertbegriff w i r d irgendein Vorgang bezogen auf einen Wert und w i r d beurteilt je nach dem Verhältnis zu diesem Wert als wertvoll oder nicht wertvoll, als wertlos. Jedes Werturteil wurzelt aber i m Bereich der Transzendenz und muß verbannt werden aus dem Bereich der Wissenschaft. Die Alkoholerzeugung ist für diesen Menschen eine unproduktive Angelegenheit, weil er den A l k o hol für ein G i f t hält oder weil er als Buddhist berauschende Getränke nicht trinken darf. Es läßt sich so der ganze Bereich der Wirtschaft versehen m i t einem Wert Vorzeichen: verschiedene Zeiten haben die Wirtschaft als das Insgesamt menschlicher Unterhaltsfürsorge ausgestattet m i t einem verschiedenen Wertakzent. Für die A n t i k e waren nur die geistigen Beschäftigungen produktiv, alle Wirtschaft galt als unproduktiv und war eine Sache des Sklaven, sie war unwürdig des Menschen. Noch i m Mittelalter wurde der Bauer verachtet, galt nur
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der Rittersmann; selbst die geistige Arbeit wurde i m Mittelalter verachtet; i m 12. Jahrhundert schuf sich der geistige Arbeiter m i t dem akademischen Doktorgrad eine A r t Adelsprädikat, u m m i t einer besonderen Ebenbürtigkeit als Stand bestehen zu können neben dem Ritter und den Handwerksmeistern der Zünfte. Heute werden geistige und künstlerische Tätigkeiten unter einer unwissenschaftlich materialistischen Werteinstellung als unproduktive, brotlose Künste entwertet: Stiefel sind besser als der ganze Shakespeare, sagt man i n Rußland. Ganz allgemein w i r d die Herstellung von Gütern als produktiv, die Entzifferung von Urtexten als unproduktiv angesehen. F ü r Atheisten gilt der Kirchenbau als unproduktiv, die Schnapsher Stellung als produktiv, der Alkoholgegner w i r d den Weinbau als eine unproduktive Arbeit werten. E i n Wertbegriff bedeutet immer, daß irgendeine Tätigkeit bezogen w i r d auf einen außerwirtschaftlichen Wert. Jeder Wert wurzelt aber i n der Transzendenz, die w i r als unzweifelhaft gegeben nehmen müssen. Werte sind deshalb durch Verstandesgründe nicht beweisbar. Werturteile lassen sich nicht beweisen, sie gehören deshalb i n keine Wissenschaft: für Werte stirbt man, aber man beweist sie nicht; für Werturteile werden tatsächlich Köpfe abgeschlagen, aber keine Beweise geführt. Werte wurzeln i n der Transzendenz und sind begründet i n Weltanschauungen; Werte werden angenommen auf Grund letzter Uber Zeugungen. Das sollte eigentlich als selbstverständlich angesehen werden. W i r können die Wirtschaft als Ganzes als Wert oder Unwert bezeichnen: gemessen an einem absoluten Wert ist die Wirtschaft wertlos. Hier überschreiten w i r aber unsere Grenzen 2 . Nehmen w i r das Urteil: die Händlertätigkeit ist produktiv, der Warenverschleiß findet i n unproduktiver Weise statt. I n beiden Urteilen walten zwei verschiedene Bedeutungen des Produktivitätsbegriffs: i m ersten F a l l w i r d eine Eigenschaft ausgesprochen, i m zweiten F a l l eine Maßbezeichnung. Zu der Produktivität als Wertbegriff treten die beiden Produktivitätsbegriffe des Eigenschaftsund Maßbegriffs. Bei dem Eigenschaftsbegriff können w i r drei Möglichkeiten unterscheiden: 1. Eine Arbeit ist produktiv, wenn sie unmittelbar teilnimmt am wirtschaftlichen Prozeß. Alle am Wirtschaftsprozeß unmittelbar beteiligten Personen tragen das Signum der produktiven Eigenschaft, ihre Arbeit ist p r o d u k t i v ; 2. eine Arbeit ist produktiv, wenn sie notwendig ist für das Zustandekommen des wirtschaftlichen Prozesses; 3. eine Arbeit ist p r o d u k t i v dann, wenn sie fördernd e i n w i r k t auf den wirtschaftlichen Prozeß.
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D i e Gütererzeugung:
I I . Leistung u n d E r f o l g
Für jeden dieser drei Möglichkeiten des Produktivitätsbegriffs als eines Eigenschaftsbegriffs ergeben sich wieder zwei Unterarten, indem unterschieden werden muß, ob die Produktivität einer Arbeit zugemessen wird, die i n aller Wirtschaft wiederkehrt, eine allgemein ökonomische Kategorie ist, oder nur innerhalb eines bestimmten W i r t schaftssystems. Die Herstellung von Gebrauchsgütern und Transportakte kehren i n jeder Wirtschaft wieder. So hatte A d a m Smith die Lakaien für unproduktive Arbeiter erklärt, weil er nur die i n einem Sachgut verkörperte Arbeit als produktiv ansah: Arbeit ist nur dann produktiv, wenn sie sich niederschlägt i n einem Sachgut. I m Unterbewußtsein mag bei A d a m Smith bei dieser Urteilsweise ein Werturteil mitgeklungen haben, weil i h m das seigneuriale Leben zuwider war. Die i n einem Sachgut verkörperte Arbeit w i r d nach Smith noch näher bezeichnet, indem er den Unterschied macht zwischen Dauergütern und Konsumgütern: unter Dauergüter werden Güter einer nachhaltenden Produktivität verstanden, alle Häuser, Kanäle, Brückenbauten, überhaupt Gebäude, Möbel, Kunstwerke, während produzierte Lebensmittel zu diesen Dauergütern nicht gehören. M i t der Fixierung des Aufwandes i n einem Dauergut w i r d der Begriff weiter eingeschränkt auf die Urstoff e i m Sinne der Physiokraten oder die Produktionsmittel, die zur Produktion anderer Güter dienen, so daß die Händler dann zur classe sterile gehören würden. Die Produktivität innerhalb eines bestimmten Wirtschaftssystems schränkt den Begriff weiter ein, der nunmehr keine allgemein ökonomische Kategorie mehr ist, nicht mehr paßt für jede Wirtschaft. Nach K a r l M a r x ist i m kapitalistischen Wirtschaftssystem p r o d u k t i v diejenige Tätigkeit, die sich austauscht gegen Kapital, unproduktiv diejenige Tätigkeit, die sich austauscht gegen Einkommensgüter. Nach A d a m Smith ist die Köchin p r o d u k t i v i m privaten Haushalt und produktiv i m öffentlichen Haushalt. Nach K a r l M a r x ist die Köchin unproduktiv i m privaten Haushalt und nur produktiv i n der Garküche, weil sie bezahlt w i r d von dem Kapital, das i n der Garküche steckt. Zusammenfassend können w i r hinsichtlich der unmittelbaren Teilnahme der Arbeit am Wirtschaftsprozeß feststellen: eine produktive Eigenschaft trägt die Herstellung von Gebrauchsgütern, jeder Transportakt, das Bücherschreiben, weil es sich verkörpert i n einem Sachgut, Bildhauer und Maler, weil hier die künstlerische Arbeit niedergeschlagen ist i n Gebrauchsgütern, Sänger früher nicht, heute aber produktiv, w e i l sein Gesang fixiert w i r d auf der Grammophonplatte. Betrachten w i r nun die Arbeit als produktiv, die unmittelbar beteiligt ist am Wirtschaftsleben, so ist i m Ideenbereich des Handwerks als Wirtschaftssystem des ganzen Mittelalters die Tätigkeit des Händlers unproduktiv, aber auch die Beamtenarbeit ist i n diesem System
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unproduktiv. Produktiv w i r d aber die Beamtenarbeit unter dem Gesichtspunkt der zweiten Bedeutung des Eigenschaftsbegriffs, wonach produktiv ist soviel wie notwendig zum Zustandekommen des w i r t schaftlichen Prozesses i n einer bestimmten Vollendung. Das ist offenbar etwas anderes als die unmittelbare Beteiligung am Produktionsprozefi. Dieser Begriff ist bedeutsam i m historisch-ökonomischen Sinne. Bei einem fortgeschrittenen Zustande der Wirtschaft vollzieht sich in einem immer wachsenden Umfange eine Berufsdifferenzierung, indem Tätigkeiten abgesplittert und verselbständigt werden, die nicht unmittelbar p r o d u k t i v sind. (Beamtentätigkeit war früher nebenamtlich und ehrenamtlich.) Bei einer entwickelten Wirtschaft erfolgt eine Trennung jener Arbeiten, die unmittelbar beteiligt sind am W i r t schaftsprozeß, von den anderen, die nicht unmittelbar beteiligt, aber für das Zustandekommen des Wirtschaftsprozesses i n einer bestimmten Vollendung notwendig sind. Die Tätigkeit des Polizisten ist am Wirtschaftsprozeß unmittelbar nicht beteiligt, aber für sein Zustandekommen ebenso wichtig wie die Arbeit des Gerichts, aller Verwaltungsstäbe. Die Bildung von Räuberbanden oder Raubrittern dürfte wohl jede produktive Arbeit hemmen oder gar unmöglich machen. Hier gibt es Abstufungen, es kommt zur Bildung einer Stufenleiter von höchst lebensnotwendigen und minder notwendigen Betrieben, von schlechthin lebensnotwendigen Arbeiten und überflüssigen A r beiten. Dieser Begriff gilt also für bestimmte Wirtschaftssysteme, er ist weniger bedeutsam als allgemein ökonomische Kategorie. N u n haben w i r bei der Produktivität als Eigenschaftsbegriff noch eine dritte Möglichkeit unterschieden, ohne die w i r die Opposition des Nationalökonomen List gegen die klassische Schule von A d a m Smith nicht verstehen. Produktive Arbeit ist diejenige, die den wirtschaftlichen Prozeß fördert, das heißt die Leistungsfähigkeit der produktiven Kräfte seigert. Jene vorher betrachteten Begriffe dienten einer statischen, dieser Begriff einer dynamischen Betrachtungsweise, die Wandlungen und Höherentwicklungen, Fortschritte feststellt und von besonderer Bedeutung ist für historische Verhältnisse. Zu einer solchen fördernden Tätigkeit für den Wirtschaftsprozeß gehört die Arbeit der Verwaltungsstäbe, gehört schon das bloße Dasein einer Königin oder eines Königs, indem dieses Dasein die Kontinuität des staatlichen Verbandes und damit die allgemeine Rechtssicherheit, die Störung der wirtschaftlichen Arbeit durch Parteiendiktatur, Tyrannis oder Bürgerkrieg verhindert. Aber ebenso wichtig ist die seelsorgerische Tätigkeit der Geistlichkeit. Dazu gehört dann die Vervollkommnung des allgemeinen u n d des technischen Unterrichts, die Entwicklung der Berufsehre. D i e Lehrer und Geistlichen
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arbeiten m i t den Schriftstellern an der Veredlung des menschlichen Geistes. Die Richter produzieren die Rechtssicherheit, die Polizisten garantieren die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung u n d jede Verkehrssicherheit. Der A r z t bewahrt die produktiven Kräfte oder stellt sie nadi Unfällen u n d Krankheiten wieder her, die Kunst steigert die produktiven Kräfte. Der Unternehmer kann durch die Musik zu produktiver Arbeit angeregt werden. So hat List gegen A d a m Smith geltend gemacht: nadi Smith sei das Züchten von Schweinen produktiv, die Erziehungstätigkeit u n d der Unterricht eines Lehrers seien aber unproduktiv. Auch ein Hühneraugenoperateur und Zahnarzt tragen zur Förderung des wirtschaftlichen Prozesses bei. Unter einem umfassenden Gesichtspunkt, der den Rand der Transzendenz streift, darf auch das Dasein eines Bettlers fördernde, also produktive Wirkungen auf den Wirtschaftsprozefi ausüben, indem sein Anblick die Menschen zur Anspannung aller Kräfte antreibt, um einem ähnlichen Lebensschicksal zu entgehen. So ist bekannt, daß Geisteskranke, insbesondere geisteskranke oder seelisch gestörte K i n der mit besonderer Liebe, j a Aufopferung von ihren Angehörigen und Eltern behandelt werden u n d so m i t ihrem Pflegepersonal und ihren Ärzten dazu dienen, produktive K r a f t zu produzieren, indem sie ihre Angehörigen zu erhöhten Anstrengungen i m Wirtschaftsprozefi zwingen. Produktiv ist also nach unseren Darlegungen bei dieser dritten Möglichkeit der Produktivität als Eigenschaftsbegriff diejenige Arbeit, die die Leistungsfähigkeit u n d somit den Ertrag steigert, die also fördernd e i n w i r k t auf den wirtschaftlichen Prozefi. Ein förderndes Einw i r k e n setzt i n dieser Bedeutungsintention nicht immer voraus jene zweckvolle Betätigung zur Herbeiführung eines Erfolges, die w i r Arbeit nennen: auch ein Unterlassen oder Dulden als andere Arten menschlichen Verhaltens können, wie w i r festgestellt haben i m F a l l des Bettlers und Kranken, eine solche fördernde W i r k u n g i m Sinne eines ideellen Antriebs zu erhöhter Kraftentfaltung ausüben auf den Wirtschaftsprozefi. Schwer ist es überhaupt, hier eine Grenze zu ziehen. Die Förderung des wirtschaftlichen Prozesses kann auch auf großen Umwegen geschehen. W i r müssen uns der Grenzen bewufit bleiben. Es handelt sich bei diesen Verwendungen des Begriffs der Produktivität u m wissenschaftliche Betrachtungen: ein Streit ist durchaus nicht ausgeschlossen, solange der Begriff der Produktivität wissenschaftlich nicht eindeutig festliegt. Werfen w i r die Frage nach der Produktivität des Beamten auf i m Sinne des Produktivitätsbegriffes als Eigenschaftsbegriff, so ist der Beamte unter dem Gesichtspunkt der ersten Möglichkeit, die eine unmittelbare Teilnahme am Wirtschaftsprozefi verlangt, eben nicht prod u k t i v ; im Sinne der zweiten Möglichkeit, die jene Arbeit als pro-
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d u k t i v ansieht, die notwendig ist zum Zustandekommen des w i r t schaftlichen Prozesses i n einer bestimmten Vollendung, ist der Beamte produktiv; i m Sinne einer fördernden E i n w i r k u n g auf den W i r t schaftsprozeß kann der Beamte produktiv sein, er braucht aber nicht produktiv sein und w i r d i m F a l l einer übertriebenen Bürokratisierung nicht fördernd, sondern hemmend auf den Wirtschaftsprozeß einwirken; man denke an Zollschikanen oder umständliche Devisenbestimmungen, Ausfuhrlizenzen, die den Geschäftsgang hemmen und unter Umständen den Abschluß günstiger Geschäfte verhindern, an umständliche Bauvorschriften, an überholte Gesetze usw. Nehmen w i r das Wettrudern als Produktion einer bestimmten Leistung. Wer ist ein produktiver Arbeiter beim Wettrudern? I m ersten F a l l als der unmittelbaren Beteiligung am Wirtschaftsprozeß sind der Steuermann und die Ruderer produktiv; i m zweiten F a l l als notwendig zum Zustandekommen des Wirtschaftsprozesses gehören zu den produktiven Arbeitern außer den Bootsinsassen die Erbauer des Bootes, die Verfertiger der Riemen, der Trainer, der Aufseher, der Preisrichter, alle Arbeiter, die beim Tribünenbau tätig waren, alle in der Organisation wirkenden Personen, alle Ordner, Verkäufer von Billetts, aber auch die Hersteller der Billetts und die Produzenten der Fahnen, die Parkwächter für die Automobile. A l l e diese Personen sind notwendig zum Zustandekommen des wirtschaftlichen Prozesses. I m Sinne der dritten Möglichkeit w i r k e n fördernd ein auf den W i r t schaftsprozeß ein guter Trainer u n d geschickter Steuermann, die die produktiven Kräfte steigern, den Geist der Rudermannschaft beherrschen, aber auch bestimmte Personen aus dem Publikum, die Zuschauer auf den Tribünen, die durch ihre Zurufe die Rudermannschaften anfeuern. Nunmehr müssen w i r uns zum Bewußtsein bringen, daß w i r den Produktivitätsbegriff noch i n einem anderen Sinne gebrauchen, den w i r noch nicht berührt haben. Nehmen w i r das Urteil; die Arbeit des Maschinenbauers ist produktiver als die Arbeit des Handwerkers. Hier dient der Begriff dazu, ein Maß zu bestimmen und w i r d damit zum Beziehungs- oder Relationsbegriff. Es hat keinen Sinn, die Schnelligkeit eines laufenden Mannes mit dem Urteil bestimmen zu wollen, dieser Mann laufe schnell: man müßte denn einen Maßstab annehmen, an dem die Schnelligkeit gemessen werden könnte; es muß ein Punkt, eine Marke, ein Grad an einer Skala da sein, über den die Schnelligkeit hinausragt. Es hat keinen Sinn, von der Höhe des Eiffelturms zu sprechen: der Eiffelturm ist hoch, der Montblanc noch höher: bei diesen Relations- oder Beziehungsbegriffen muß immer ein anderer Gegenstand gegeben sein, an dem ich messe oder vergleiche; hoch und niedrig, k a l t und w a r m sind auch solche Relationsbegriffe; es gibt keine absolute Höhe, keine absolute Geschwindigkeit, denn über die
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irdisch höchste Geschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit hinaus sind höhere Geschwindigkeiten denkbar, es gibt auch keine absolute Kälte u n d absolute Wärme. Subjektiv sind Wärme u n d Kälte, auch Schnelligkeit und alle Beziehungsbegriffe abhängig vom Empfinden, objekt i v werden sie verglichen und gemessen an den Graden von Maßstäben mit festen N u l l p u n k t e n : alles, was unter dem N u l l p u n k t liegt, ist kalt, was darüber liegt gilt als w a r m auch dann, wenn der Mensch noch friert. W i r können m i t diesen Beziehungsbegriffen nur relative Feststellungen machen u n d nennen sie deshalb auch Maßbegriffe. So meinen w i r m i t der Produktivität des Bodens eben nicht die Naturtatsache des Pflanzen wachs turns, das wäre sinnlos, sondern w i r beziehen eine Menge Ertrag auf eine bestimmte Fläche, indem w i r feststellen, daß diese Bodenfläche pro Hektar 20 Doppelzentner Weizen trage. Die Produktivität ist also ein reiner Beziehungs- oder Maßbegriff, der die Beziehung ausdrückt zwischen einer Gütermenge u n d einer festen Maßeinheit. Der Begriff Produktivität meint als allgemein ökonomische Kategorie immer Ergiebigkeit und w i r fragen dabei: worauf w i r d die Ergiebigkeit bezogen, was ist ergiebig? Unterschieden haben w i r : die Boden-, Arbeits- und volkswirtschaftliche Produktivität. Zusammenfassend haben w i r folgende Begriffsarten der Prod u k t i v i t ä t entwickelt: I. Die Produktivität als Wertbegriff. M i t der Wert Vorstellung w i r d der Tatbestand verdunkelt, da Werturteile aus der Wissenschaft verbannt werden müssen. H i e r hat der Nationalökonom P h i l i p ρ ο v i d i i n einem Wertestreit auf einer wissenschaftlichen Tagung i n Wien den Begriff der Produktivität m i t dem Tatbestand des Volkswohlstandes, der gesellschaftlichen Wohlfahrt feststellen wollen. Die Produktivität sei zu betrachten unter dem Gesichtspunkt der Volks Wohlfahrt, der Wohlstandsförderung, der Fähigkeit, Wohlstand hervorzurufen. Der Volkswohlstand läßt sich überhaupt nicht bestimmen: kann die Herstellung von Automobilen produktiv sein? Es gibt Menschen, die diese Herstellung als unproduktiv ansehen und den Kirchen- und Schulenbau als produktiv werten. Soll i n einem Lande die Landwirtschaft oder die Industrie überwiegen, soll Groß- oder Kleinbetrieb gepflegt werden? Der Begriff der Volks Wohlfahrt ist schwer beladen m i t Werturteilen; es gibt keine Möglichkeit, den Begriff eindeutig festzustellen; w i r kommen zu dem Begriff von einem übererfahrungsmäßigen, transzendenten, weltanschaulichen Standpunkt aus. I n der Frage, ob ein Volk m i t bestimmten Güterarten als reich zu bezeichnen sei, ob es gut oder schlecht ernährt sei, ob die Herstellung von Kanonen produktiver sei als die Produktion von Butter und die Einfuhr von Kaffee, beziehen w i r uns auf außerwirtschaftliche Werte, die weltanschau-
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lieh begründet sind und i n der Transzendenz gründen — man denke hinsichtlich der Ernährung an die Vegetarier, an Alkoholgegner, an religiöse Vorschriften wie das Verbot des Essens von Schweinefleisch —, der Begriff der Produktivität als Wertbegriff liegt nicht im Bereiche der Erfahrung und Evidenz. I I . D i e P r o d u k t i v i t ä t als Eigenschaftsbegriff: 1. unmittelbar beteiligt am Wirtschaftsprozeß a) allgemein ökonomische Kategorie, b) historisch ökonomischer Begriff 2. notwendig zum Zustandekommen des wirtschaftlichen Prozesses i n einer bestimmten Vollendung, a) allgemein ökonomische Kategorie, die als solche umfaßt den gesamten Konsum, da jeder Verzehrer von Sachgütern i n diesem Sinne notwendig ist zum Zustandekommen des Wirtschaftsprozesses. b) historisch ökonomisch (in der kapitalistischen Wirtschaftsform Händler und Beamte, i m Wirtschaftssystem des Handwerks scheiden Händler, große Teile des heutigen Beamtentums aus, i n der Fronhof Wirtschaft neben allen Beamten noch andere Personenkategorien, die heute notwendig sind für das Zustandekommen des Wirtschaftsprozesses. I I I . Die Produktivität als Maßbegriff: a) Bodenproduktivität, b) Arbeitsproduktivität, c) volkswirtschaftliche Produktivität. § 25. Die Ertragsgesetze W i r kommen nunmehr zu den einzelnen Ertragsgesetzen. D i e allgemeinen Zustandsertragsgesetze, die statischen Gesetze können ausgedrückt werden m i t dem Urteil, daß ein Produktionsoptimum erreicht w i r d bei voller Ausnutzung der einzelnen Produktionsfaktoren u n d bei voller Proportionalität (Verhältnismäßigkeit) sämtlicher Bestandteile des Produktionsprozesses. W i r können ein absolutes u n d relatives O p t i m u m der Produktion unterscheiden. Die Bedeutung dieser Unterscheidungen klären w i r i n der Trennung der Fälle: Beim absoluten O p t i m u m soll ein Sachgut so b i l l i g wie möglich ohne Rücksicht auf die Menge hergestellt werden. Welches ist die optimale Kostengestaltung zur Herstellung einer Uhr? W i r erzielen diese optimale Kostengestaltung, indem w i r das jeweils produktivste Verfahren anwenden, bei voller Wahrung der Proportionalität die
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Produktionsfaktoren voll ausnutzen. Beim Buchdruck also Anwendung des vollkommensten Drucksatzes, vollkommensten Druckverfahrens: Maschinensatz, Rotationsdruck, unausgesetzte Beschäftigung der Arbeiter. Es w i r d sich dann vielleicht ergeben, daß das absolut billigste Verfahren zur Voraussetzung hat die Herstellung von einer M i l l i o n Exemplaren eines Buches. Also vollkommenstes Verfahren, Betriebsgröße, Produktenmenge sind die hier obwaltenden Faktoren. Beim relativen O p t i m u m der Produktion handelt es sich u m die billigste Herstellung einer beschränkten Menge von Gütern. D a wäre dann beim Buchdruck zu erwägen: Kastensatztechnik, Plattendruck, Hektographiertechnik. Eine beschränkt gegebene Menge von Transportakten schließt aus das vollkommenste Transportverfahren, sondern erfordert ein minder vollkommenes Transport ver fahren. Die Theorie interessiert nun die Frage der Bewegungsertragsgesetze: von welchen Voraussetzungen hängt die Vermehrung der Produktion ab. Die allgemeinen Bewegungsertragsgesetze, also die dynamischen Gesetze betreffen die Vermehrung der Produktion. Hier können w i r feststellen: solange eine Vermehrung der Produktion möglich ist bei einem bestimmten Verfahren m i t zunehmender Annäherung an die optimale Ausnutzung und damit die Proportionalität der Produktionsfaktoren oder durch Vervollkommnung des Verfahrens, ohne daß die Ausnutzung verringert oder die Proportionalität gestört w i r d , erfolgt sie m i t steigender Produktivität. Nehmen w i r eine Druckerei m i t Setzmaschinen und Rotationspressen von einer optimalen Leistungsfähigkeit, innerhalb einer bestimmten Zeit 100 000 Exemplare einer Zeitung zu setzen und zu drucken. Das setzt voraus eine bestimmte Betriebsgröße u n d ein Betriebspersonal von bestimmter Größe. Werden nun 30 000 Exemplare der Zeitung gedruckt, so findet keine volle Ausnutzung der Anlage statt. Das einzelne Zeitungsexemplar w i r d teurer hergestellt. Eine Verbilligung erfolgt überhaupt beim Übergang von der Druckerei mit Handsatz und Plattendruck zum Maschinensatz und Rotationsdruck. Solange eine Vermehrung der Produktion nur möglich ist m i t fortschreitender Disproportionalität (Unverhältnismäßigkeit) der Produktionsfaktoren, sinkt die Produktivität, Disproportionalität: Häufung der Maschinen, Unübersichtlichkeit, gehemmte Arbeitsorganisation, da keine Möglichkeit mehr besteht, Aufseher i n ein richtiges Verhältnis zu bringen. Überorganisation, Bürokratisierung. Für jede Produktion besteht eine optimale Betriebsgröße, bei welcher der Ertrag am größten ist. D i e optimale Betriebsgröße ist der fruchtbarste Begriff der allgemeinen Nationalökonomie. Indessen meint dieser Begriff eben nicht, daß die Produktivität wachse mit der Betriebsgröße: je größer, desto besser. Nein. I n jedem Produktions-
D i e Ertragsgesetze
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zweig ist die optimale Betriebsgröße verschieden groß; es ist immer ein anderer Pnnkt der Größenskala, an dem die Betriebsgröße eines Produktionszweiges unproduktiv wird. Diese Einsicht i n die optimale Betriebsgröße trägt außerordentlich dazu bei, um die tatsächliche Gestaltung des Wirtschaftslebens zu verstehen. N u n wollen w i r noch die Sonderertragsgesetze kurz erledigen. D a haben w i r das von K a r l Bücher aufgestellte Gesetz der Massenproduktion, das nur eine Anwendung der eben entwickelten Gesetze ist: unter bestimmten Umständen w i r d die Massenproduktion billiger, indem i n diesem F a l l der Produktionsmittelapparat voll ausgenutzt wird, die Herstellung eines Produktionsmittels, das 100 000 Stück eines Sachgutes produziert, nicht wesentlich teurer ist als die Herstellung eines Produktionsmittels desselben Produktionszweiges m i t einer Kapazität von 10 000 Stück dieses Sachgutes. Das Gesetz des Minimums besagt, daß über den Grad der Produktivität eines Produktionszweiges derjenige Produktionsakt entscheidet, der vorhanden ist i m ungünstigsten Verhältnis oder der wenigst leistungsfähige Produktionsfaktor oder Produktionsfaktorteil. Nehmen w i r ein handgreifliches Beispiel: den berühmten Marathonlauf. Hier entscheidet über die Schnelligkeit der ganzen Staffel von Läufern, die ihre Fackel weiterreichen, der schlechteste Läufer. Bei einer Ausdehnung der Produktion eines Produktionszweiges auf den ganzen Umfang von Produktions Vorgängen entscheidet über die Produktivität des gesamten Zweiges der schlechteste Bereich: die Produktivität der Textilindustrie konnte i m 18. Jahrhundert nicht gesteigert werden, weil die Spinnerei noch i m Handbetrieb steckte und die Produktion von Garn mit dem Spinnrad zurückbleiben mußte hinter der Kapazität des bereits erfundenen Maschinen webstuhls; der Weber mußte auf das Garn des Spinners warten u n d trotzdem alle W e l t spann, konnte das produzierte Garn die volle Produktivität der mechanischen Webstühle nicht ausnutzen. Erst die Erfindung der Spinnmaschine schaffte jene Massen Garn, die eine volle Ausnutzung der Kapazität des mechanischen Webstuhls ermöglichten. Das dritte besondere Ertragsgesetz ist das Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag, das Bodengesetz. Dieses Gesetz galt eine lange Zeit hindurch als das einzige Ertragsgesetz und seine vielumstrittene Problematik entstand dadurch, daß nicht k l a r unterschieden wurde zwischen der Behauptung einer historischen Tatsache und der Aufstellung eines Gesetzes. Die landwirtschaftliche Produktion erfolgt m i t abnehmendem Ertrage. Das ist eine historische Tendenz. Der abnehmende Ertrag w i r d i n der Landwirtschaft früher erreicht als in der Industrie: das ist eine zeitlose Feststellung, also ein Gesetz. F ü r die Landwirtschaft können w i r feststellen, daß die landwirtschaftliche Produktion unter bestimmten Bedingungen mit abneh-
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Die Gütererzeugung: I I I . Der Standort
mendem Ertrage erfolgt. Unter günstigen Bedingungen erfolgt die Mehrproduktion -der landwirtschaftlichen Produkte bis zur Erreichung eines Optimums; an diesem Punkt eines Optimums schlägt die Mehrproduktion um. Anders, ganz anders liegt der F a l l i n der Industrie: die Vermehrung der Eisenproduktion setzt lediglich die Errichtung neuer Hochöfen voraus, die Stiefelproduktion w i r d durch Errichtung neuer Fabriken erhöht. I n der Landwirtschaft kann die Mehrproduktion nur erfolgen innerhalb desselben Betriebes, bei terra libera nur auf neu besiedeltem Lande. D a n n kommt hinzu, daß die landwirtschaftliche Produktion zweidimensional ist: jede Mehrproduktion muß immer auf derselben Fläche erfolgen. Die Versetzung einer bestimmten Menge Saatgut erfolgt auf einer bestimmten Fläche. Hier sind die drei Größen der Fläche, der Erde selbst und der L u f t m i t Regen und Sonnenschein beschränkt, während allein die Menge des Saatgutes unbeschränkt ist. Sehr bald muß also eine Unverhältnismäßigkeit, eine Disproportionalität der Faktoren einsetzen: vermehren w i r das Saatgut auf gegebener Fläche, m i t den i n der Erde ruhenden Kräften und mit gegebenem Sonnenschein und Regen, so muß sehr bald ein Minderertrag erfolgen. Zwar können w i r die Kräfte der Erde aufschließen, aber auch mit Pflug und Düngung w i r d sehr bald die unübersteigliche Schranke erreicht. Aus dieser eigentümlichen Lage der landwirtschaftlichen Produktion ergibt sich, daß der P u n k t des abnehmenden Ertrages früher erreicht wird. Es ist ein durch bestimmte Umstände modifizierter Fall: der Punkt, wo die landwirtschaftliche Mehrproduktion umschlägt i n eine Minderproduktion, w i r d früher erreicht. Das ist eine zeitlose Feststellung, ein Gesetz i m Unterschied von der historischen Feststellung, die die Wirklichkeit bet r i f f t . I n der Landwirtschaft besteht eine Tendenz zur Senkung der Erträge, in der Industrie besteht eine Tendenz zum Gleichbleiben der Erträge, weil i n der Landwirtschaft jede Mehrproduktion erfolgen muß i n denselben Betrieben, i n der Industrie aber jede Mehrproduktion i n neuen Betrieben erfolgt.
III. Der Standort § 26. Der Zwangsstandort Die bisherigen Darlegungen des 4. Kapitels, das zum Gegenstand hatte die Lehre von der Gütererzeugung m i t den Abschnitten des Herganges und der Leistung und des Erfolges, sollten zeigen das Wie der Produktion. Dieser Abschnitt hat zum Inhalt das Wo der Produktion: w i r haben gesehen, wie die Produktion erfolgt, w i r wollen nunmehr sehen, wo die Produktion erfolgt. W i r haben also abzuhandeln
D e r Zwangsstandort
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die Lehre von den Möglichkeiten und Gesetzmäßigkeiten der Standortbildung. W i r unterscheiden da zunächst: 1. den Zwangsstandort; 2. den freien Standort. E i n Zwangsstandort ist derjenige, wo Güter erzeugt werden müssen aus technischen oder ökonomischen oder Transportgründen. Über den O r t der Produktion kann also der Gütererzeuger, der Unternehmer selbst eine persönliche und freie Entscheidung nicht treffen: er steht vor keiner Wahl, jede Entscheidung über den Standort seiner Produktion ist i h m aus der H a n d geschlagen. Derartige Zwangsstandorte sind häufiger als man anzunehmen geneigt ist. Es gibt die Zonen der landwirtschaftlichen Produktion: die Vegetationszonen werden gebildet durch die Lage des betreffenden Landstückes zum Äquator. Bestimmte landwirtschaftliche Produkte gedeihen nur i n ganz bestimmten Gebieten: Tee, Kaffee, Kakao und eine Menge von Früchten, Nutz- und Arzneipflanzen gedeihen nur in begrenzten Zonen der Erde. Je weiter ein Landstrich abliegt vom Gleicher, desto beschränkter sind die Möglichkeiten des Anbaus: i n den nördlichen Teilen von Schweden kommt der Weizen nicht mehr fort, während der A n b a u von Roggen u n d Gerste noch möglich ist. I n der A r k t i s ist jeder A n b a u von Körnerfrüchten und anderen Nutzpflanzen unmöglich. Der Zwangsstandort liegt i n der landwirtschaftlichen Produktion innerhalb gewisser Grenzen. Der Zwangsstandort ist aber völlig eingegrenzt beim Bergbau: eine sehr triviale Tatsache ist die Feststellung, daß die Kohle nur dort abgebaut werden kann, wo sie ist. Einen Zwangsstandort hat dann ebenfalls fast allgemein der Transport: der Transport ist gebunden an bestimmte Stellen der Erdoberfläche: Für Görlitz bestimmte Briefe können nicht ausgetragen werden i n Breslau; der einzuschlagende Weg ist vorgeschrieben. Dasselbe gilt für alle Tätigkeiten der Beherbergung und Erquickung: ein Hotel kann nur dort gebaut werden, wo ein ständiger und regelmäßiger Zufluß von Reisenden zu erwarten ist: i n der Nähe von Bahnhöfen in Großstädten, i n Luftkurorten, an Heilquellen, i n Badeorten. I n beschränktem Umfange ist hier die Möglichkeit einer Kombination von Zwangs- u n d freiem Standort gegeben. Eine Ziegelei kann nur dort errichtet werden, wo sich guter Lehmboden befindet und Transportmöglichkeiten zum Abtransport der Ziegel gegeben sind. Fehlen diese Transportmöglichkeiten oder w i r d der Abtransport zu teuer infolge Fehlens einer Eisenbahnlinie, eines Wasserweges oder guter Straßen, so muß der Bau der Ziegelei unterbleiben. Endlich gibt es einen Zwangsstandort für das gesamte Baugewerbe. Für Wohnhäuser und Fabriken liegen bestimmte örtlichkeiten fest innerhalb eines gewissen Spielraums: menschliche Sied-
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D i e Gütererzeugung:
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lungen überhaupt können nur dort entstehen, wo Wasser ist. Alle großen Menschheitskulturen entstanden an Flüssen: Ägypten, China, Indien, Babylon. § 27. D e r freie Standort Unter einem M o t i v wollen w i r verstehen: den Inbegriff alles SeeIis ch-Geist igen, das menschliches Handeln bewirkt. D a m i t ist gesagt, daß bei aller Aktkausalität, wie man die seelische Kausalität auch nennen kann, „Geistiges" als notwendiger Bestandteil eingeht i n den Kausalzusammenhang: derjenige Umstand, der diese A r t der Kausalität unterscheidet von der mechanischen äußeren oder Stoßkausalität. Menschliches Handeln ist also immer ausgerichtet auf Sinnzusammenhänge, die dem Handelnden selbst oder dem Beobachter als „sinnhafter G r u n d " erscheinen. Motive können sehr mannigfacher A r t sein. Es lassen sich folgende Gegensatzpaare des Handelns unterscheiden: I. autonomes—heteronomes Handeln; heteronom ist alles Handeln unter fremdem Willen: wenn also der Unternehmer den Standort für seine Fabrik wählt, weil seiner Frau die „Gegend" gefällt. I I . traditionales—rationales Handeln: i m ersten F a l l des traditionalen Handelns verbleibt der Unternehmer mit seiner Fabrik am alten Standort aus einer A r t Pietät seinem Urahnen gegenüber, der die Fabrik errichtete, aus Eingelebtheit am alten O r t , obgleich alle veränderten ökonomischen Verhältnisse für die Verlegung des Standortes sprechen; i m Faille des rationalen Handelns folgt der Unternehmer der wirtschaftlichen Vernunft und reißt sich los von aller überlieferten Eingelebtheit und Vätersitte, indem er die Fabrik zum Standort bester Produktionsbedingungen verlegt. I I I . wertrationales—zweckrationales Handeln: der Unternehmer kann für die W a h l des Standortes entscheidend sein lassen entweder irgendwelche Wertgesichtspunkte: ästhetische — schöne Landschaft —, ethische, indem er die Fabrik trotz entfernten Absatzgebietes am Standort beläßt, um den Arbeitern weite Arbeitswege zu ersparen, oder endlich religiöse; das zweckrationale Handeln kann wiederum Zwecken niederen oder höheren Grades dienen: der Unternehmer wählt den Standort, weil das Absatzgebiet für seine Produkte i n der Nähe liegt oder sich andere Produktionsvorteile bieten oder aber er wählt den Standort i n der Nähe einer Stadt, um seinen Kindern einen weiten Schulweg zu ersparen. Kausalgenetisch einen K u l t u r Vorgang erklären heißt: i h n einem bestimmten Motiv als seinem zureichenden Grunde zuordnen. Können w i r auch Seelen Vorgänge „verstehen"? Ist auch die Erkenntnis der
D e r freie Standort
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menschlichen Seele „immanente Erkenntnis"? W i r verstehen seelische Vorgänge, vor allem also Motive, aus dem geistigen Zentrum eines anderen heraus als „intentional" auf etwas gerichtet, an etwas orientiert, das w i r kennen. Fremdverstehen ist also immer Fremdsinnverstehen, wobei der Sinn uns vertraut ist. D a alles Handeln geistbezogen ist, so ist jedes Motiv i n einen Sinnzusammenhang, i n ein besonderes geistiges Beziehungssystem einzuordnen. Es bekommt seine Prägung erst durch diesen Sinnzusammenhang, i n dem es w i r k t . Dessen Kenntnis ist also die Voraussetzung für sein Verständnis, nicht umgekehrt kann etwa der Sinnzusammenhang aus dem seelischen Motiv abgeleitet oder begründet werden. Kapitalismus muß erst da sein, ehe es kapitalistische Motive gibt. W i r verstehen die Motive eines kapitalistischen Unternehmers, die zur W a h l eines Standortes für seinen Betrieb führten, aus dem Sinngehalt des kapitalistischen Wirtschaftssystems heraus. W i r müssen erst wissen, was Kapitalismus ist, um kapitalistische Motive verstehen zu können. W i r verstehen die Motive der Warenhausdiebin erst, wenn w i r den Sinnzusammenhang Warenhaus kennen. A l l e psychologischen Kategorien einer Wisenschaft wie der Nationalökonomie tragen historisches Gepräge. Es gibt keine Motive, die i n allen geschichtlichen Wirtschaftsverfassungen dieselben sind. Jeder besonderen Gestaltung der Wirtschaft entspricht auch eine besondere Seelenverfassung der Menschen, auf denen sie ruht. I n der primitiven Wirtschaft herrschen andere Motive vor wie i m Handwerk, i m Kapitalismus andere wie i n einer kommunistischen Wirtschaft, bei den W i l d beut ern andere wie i n einer Fronhof w i r tschaft. D a es die Aufgabe einer systematischen Kulturwissenschaft wie der Nationalökonomie ist, Massenerscheinungen zu deuten, so ist es die Aufgabe des Seelverstehens i n einer solchen Wissenschaft, die den Wiederholungen sozialen Geschehens zugrunde liegenden Motivreihen aufzudecken. Die Nationalökonomie k a n n sich nicht damit beschäftigen, Einzelmotive aufzuspüren, etwa danach zu fragen: was Herrn Hugo Stinnes zum A u f b a u seines Riesenkonzerns bewogen hat, sondern sie w i r d reale Durchschnittsmotivationen i n typisch wiederkehrenden Motivreihen zu ermitteln und sie i n konkreten Motivationstypen darzustellen sich angelegen sein lassen. Das gilt auch bei der Ermittlung der Motive, die zur W a h l eines freien Standortes den Anlaß gaben. Dabei darf nie vergessen werden, daß kein Mensch, auch der Mensch der Moderne, auch der kapitalistische Unternehmer, sidi ausschließlich leiten läßt i n seinem T u n und Lassen von vernünftigen Motiven, von der Ratio. Das menschliche Denken w i r d immer getrübt durch Affektionen: in alles menschliche Handeln spielen Emotionen hinein, jedes menschliche Motiv erwächst aus der seelischen Tiefe des Unbewußten und 12
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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kein Mensch vermag sich volle Rechenschaft über seine Motive zu geben. Verstehen w i r die Motive nicht, die die W a h l eines Standortes oder den A u f b a u eines Konzern bestimmten, so dürfen w i r nicht sagen: es können nur vernünftige Motive sein, denn so unvernünftig konnte „er" d o d i nicht sein, seine F a b r i k i n dieser Gegend zu bauen. W a r u m kann ein Unternehmer nicht völlig unvernünftig handeln? Nicht bloß i m Bereich der Wirtschaft, sondern i n allen Kulturbereichen, vor allem auch i m politischen Bereich, gibt es eine Masse unvernünftigen Handelns, eine Fülle von Fehlentscheidungen, von Urteilstrübungen, von Emotionen, Vorlieben, Abneigungen, Denkfehlern, falschen Urteilen, die das eigentlich vernünftige Trachten der Menschen einschränken auf den Rang eines singulären Geschehens. Das Menschheitsdrama w i r d von unbekannter H a n d geschrieben und sehr oft w i r d ein Motiv i n seinen letzten Auswirkungen tiefste Weisheit offenbaren, dem w i r bei einem oberflächlichen Hinsehen völlige Unvernunft zusprechen mußten, das für den Handelnden selbst den Charakter instinktiven Tuns trug. Erwägen w i r m i t diesen Einschränkungen, sehr notwendigen Einschränkungen, die menschlichen Motive, die den freien Standort bestimmen: Der Standort k a n n gebildet werden aus irrationalen oder rationalen Gründen, wobei w i r rational nehmen als ökonomisch rational. Ein irrationaler Standort liegt vor, wenn nicht maßgebend sind ökonomische, sondern irgendwelche anderen Erwägungen: wenn ein Unternehmer die Fabrik anlegt i n einer Gegend, die i h m gefällt oder die seine Heimatstadt ist oder die sein Schwiegervater, seine Frau wünschte oder seine Schwiegermutter forderte. Es ist aber möglich, daß die Gründe für einen rationellen Standort entfallen und ein rationeller Standort irrationell w i r d : i n den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand die Berliner Maschinenindustrie durch Borsig. Diese Betriebe wurden m i t Bewußtsein und in Würdigung der Gründe i n Berlin errichtet, w e i l hier gelernte Arbeiter zur Verfügung standen; alle Gründe, die gegen eine Gründung in Berlin sprachen, waren damals nicht ausschlaggebend: es war der weite Transportweg für Eisen und Kohle. Inzwischen verteuerte sidi aber der Grund und Boden in Berlin, damit stiegen die Grundsteuern, den Arbeitern gelang es, durch ihre Gewerkschaften immer höhere Löhne zu erringen, der Arbeiternachwuchs wanderte ab i n die aufkommende elektrische Industrie von Siemens und Halske, wo die A r beit sauberer, weniger anstrengend war und besser bezahlt wurde. Mehr u n d mehr wurde der Standort der Maschinenindustrie irrationell. Als i n den 40er Jahren die Textilindustrie überging von der Heimindustrie zur Fabrikindustrie, da war der gegebene Standort eben das Zentum der Heimindustrie, weil dort der gelernte Stamm der Handwerker saß. Nachdem die Textilindustrie völlig automatisiert
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wurde u n d nicht mehr abhängig war von gelernten Webern, verblieb sie trotzdem aus irrationellen Gewohnheitsgründen i n den alten Sitzen, den eingewohnten Standorten. Welche rationelle Erwägungen bestimmen nun die Standorte, welche Merkmale kennzeichnen die ökonomische Ratio? Ein Standort kann auch gewählt werden ahne Rücksicht auf die Kosten: ein Standort kann gewählt werden, weil er Qualitätsvorteile i m Gegensatz zu Kostenvorteilen hat. Solche Qualitätsvorteile können sein Fühlungsvorteile: es k a n n nämlich wertvoll sein für den Produzenten, daß er i n enger Fühlung bleibt mit dem Händler oder Konsumenten: so ist der Entscheid für die Standortswahl bei einer Buchdruckerei anders als bei einer Zeitungsdruckerei. Eine Buchdruckerei ist i m Regelfall hinsichtlich der Standortswahl nicht orientiert an einer engen Fühlungnahme, einem persönlichen Kontakt m i t dem Verleger; hier bestimmen Kostenvorteile den Standort und die meisten Buchdruckereien finden sich i n kleinen Städten, bei einigen sind es Gründe der Tradition, die ihren Standort i n einer Großstadt erklären. Druckereien, die sich spezialisiert haben auf den Druck von Doktordissertationen oder Habilitationen, finden sich natürlich nur i n unmittelbarer Nähe von Universitäten, ihr Standort ist bestimmt durch Fühlungsvorteile mit dem Kunden. Eine Zeitungsdruckerei muß ihren Sitz am O r t der Konsumenten, i n unmittelbarer Nähe des Zeitungs- odei Zeitschriftenverlags haben, falls sie ein selbständiger Betrieb ist. Die Schneiderei als Maßschneiderei hat ihren Sitz am Orte des Konsumenten, anders die Konfektionsschneiderei, die völlig frei ist i n der W a h l ihres Standortes. Eine zweite Kategorie von Gründen sind die Kosten: w i r d ein Gegenstand da hergestellt, wo er verzehrt w i r d , dann ist er konsumorientiert, konsumgerichtet; erfolgt die Herstellung des Sachgutes am Standort der Produktionsmittelindustrie, so ist der Standort für die Produktion dieses Sachgutes produktionsmittelorientiert, produktionsmittelgerichtet. Drittens k a n n aber der Standort dort angelegt werden, wo die Arbeitskräfte sich befinden, der Standort ist i n seiner W a h l bestimmt durch die Arbeitskräfte, er ist orientiert an der Arbeitskraft. Allgemein können w i r sagen, daß die Produktion entweder erfolgt dort, wo die Konsumtion erfolgt, oder dort, wo die Produktionsmittel sich befinden, oder endlich dort, wo Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Das entscheidende Moment bei der Anlage des Standorts bleibt die Geldeinstellung, der Kostenvorteil, der für jeden Produktionszweig anders ist, so daß es bald vorteilhaft sein kann, konsumorientiert zu sein, bald rationeller, den Standort i n der Nähe der Produktionsmittelindustrie, bald kostenersparend ist, ihn i n der Nachbarschaft eines gelernten Arbeiterstammes anzulegen. 12*
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D i e Gütererzeugung:
I I I D e r Standort
Es gibt Ubiquitäten, also Sackgüter, die sich überall finden: Steine und Sand. Lehm für Ziegel und Porzellanerde finden sich nicht überall, so daß Ziegeleien und Porzellanmanufakturen immer produktionsmittelorientiert sind. Bei der von Kohle und Eisen abhängigen Produktion sind die Transportkosten ausschlaggebend, die die Ortsveränderung des Sachgutes zum Konsumenten hervorruft: erscheint die Kohle als Gewicht überhaupt nicht mehr i n dem Sachgut, so kann es unabhängig vom Produktionsort der Kohle hergestellt werden. Ein Gegenstand dagegen, der 100 ^/o des Gewichts seines Produktionsstoffes aufnimmt, kann nur am Konsumtionsort hergestellt werden, weil die Transportkosten sonst zu hoch wären. Eine Abweichung kann nur eintreten nach dem Arbeitslohn h i n : ist die Ersparung an A r beitskosten größer als das Plus, das erwächst durch den Umweg, so kann es vorteilhaft sein, den Produktionsort zu verlegen dorthin, wo die Arbeitskräfte sehr b i l l i g sind. Nehmen w i r die Bearbeitungsgrade des Eisens: hier enthalten die Produkte von Stufe zu Stufe eine immer größere Menge von Arbeit — Eisenstange, Hufeisen, Lokomotive, Taschenuhrfeder —, so daß der Arbeitskoeffizient anwächst, damit w i r d aber bedeutsam der Arbeitslohn für die Kalkulation. Der Arbeitslohn selbst ist eine historisch-ökonomische Kategorie und gehört an sich nicht i n die allgemeine Nationalökonomie. Bei allen wesentlich Arbeit enthaltenen Sachgütern übt der Arbeitslohn einen Zwang aus bei der W a h l des Standortes, der hier immer orientiert ist an den Arbeitskräften. Es handelt sich hier u m Verteilungsmomente: j e mehr Arbeit i n einem Sachgut ruht, u m so höher und bedeutsamer für die K a l k u l a t i o n ist der Arbeitslohn, um so größer ist der Anteil, den der Arbeiter erlangt an seinem Arbeitsprodukt. Der Nationalökonom von Thünen hat i n seinem W e r k : „ D e r isolierte Staat' zuerst das Standortsproblem wissenschaftlich behandelt. Die Anlage des Standorts der landwirtschaftlichen Produktion w i r d schematisch i n Kreisen erfaßt: reine Gartenbauerzeugnisse, die nur eine kurze Frischhaltedauer haben, werden i n der Randzone der großen Städte, i n einem ersten Kreis produziert. Getreide, Fleisch und Milch können i n weiter entfernten Zonen produziert werden. Auch der Nationalökonom A l f r e d Weber hat eine allgemeine Theorie des Standortes entwickelt. A n die breit ausgeführte Lehre von der Gütererzeugung schließt sich an die Lehre von dem Gütertransport und der Güterverteilung.
Fünftes
Kapitel
Der Transport § 28. Der Güter-, Personen- und Nachrichtentransport Die
Transportkosten
Der Transport befafit sich mit der Ortsveränderung, die ein Bestandteil der Unterhaltsfürsorge ist. Die Sachgüter werden in der modernen Wirtschaft nie dort erzeugt, wo sie gebraucht werden. Zum reinen Gütertransport gehört auch der Personen- u n d Nachrichtentransport. Das ist die eine Seite, die den Transport für uns belangvoll macht, daß er selber gehört zur Unterhaltsfürsorge. Aus der Transporttätigkeit w i r d das Transportgewerbe, mittels dessen bestimmte Personen ihren Unterhalt erwerben. I m Gegensatz zu den anderen Bereichen der Unterhaltsfürsorge weist die Transportgestaltung einige Besonderheiten auf. W i r beginnen m i t dem Begriff des Verkehrsaktes: unter einem Verkehrsakt verstehen w i r die Vornahme einer Orts Veränderung. Die Orts Veränderung ist aktiv, wenn sie ein Mensch vornimmt; sie ist passiv, wenn sie vorgenommen w i r d mit jemand oder etwas. So ist bei dem Verkehrsakt „ R i t t " der Reiter der aktive Teil, das Pferd dasjenige „Etwas", m i t dem die Ortsveränderung vorgenommen wird, also der passive Teil. Der Transport w i r d bewerkstelligt auf dem Transportwege mit H i l f e von Verkehrsmitteln. Die Verkehrsmittel gehören in diesem Sinne zu den allgemeinen sachlichen Produktionsbedingungen. A l l e Verkehrsakte haben einen dreifachen Körper: 1. eine Fahrbahn; 2. ein Fahrzeug; 3. eine Fahrkraft. Die Verkehrsmittel des Transports oder Verkehrs sind also Arbeitsmittel zur Ausführung von Verkehrsakten und aller Verkehr spielt sich ab auf einer Fahrbahn i n einem Fahrzeug mittels einer Kraft. Unter Verkehrsintensität verstehen w i r das Verhältnis zwischen der Anzahl der Verkehrsakte und entweder einer Raum- oder Zeitgröße. So spielt sich auf dem Potsdamer Platz eine große Menge von Verkehrsakten ab, indem i n einer gegebenen Zeit sich abwickelt eine große Menge von Verkehrsakten.
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D e r Transport
Die verschiedene Verkehrstechnik erklärt sich aus der Verschiedenheit der Verkehrsfahrzeuge u n d Verkehrswege oder Fahrbahnen: so haben w i r eine spezifische Reittechnik, die vollzogen w i r d m i t dem Fahrzeug oder Verkehrsmittel „Pferd" auf geeigneten Verkehrswegen; es gibt da sogar besondere Reitwege, trotzdem das Reiten auf allen Fahrbahnen prinzipiell möglich ist. W i r haben die allgemeine Fahrtechnik, die anders ist bei einem Pferdegespann, anders m i t einem Automobil, anders m i t einem Fahrrad; w i r haben dann die Schiffstechnik, eine sehr verwickelte Technik m i t Booten, Segelschiffen, Dampfern, Kriegsschiffen und Unterseeboten als Fahrzeugen und auf eigentümlichen Verkehrswegen, in einem durchaus spezifischen Verkehrsmilieu, dem Wasser; dieses Verkehrsmilieu als Verkehrsweg bedingt wieder eine besondere Technik der Orientierung, die nicht erforderlich ist auf den gebahnten Verkehrswegen der Erdoberfläche: Kompaß und Sextant. Vergessen w i r auch nicht die Flugtechnik, wo das übliche Verkehrsmittel das Flugzeug ist und der Verkehrsweg oder die Fahrbahn gebildet w i r d durch die L u f t als einem eigenartigen Verkehrsmilieu, ähnlich, aber nicht gleich dem Wasser. Diese Verkehrstechnik als Verfahren ist nicht zu verwechseln mit der Verkehrsorganisation. Die Verkehrsorganisation ist Inbegriff aller auf Ordnung des Verkehrs gerichteten Maßregeln. Diese Maßregeln können bestehen in einer bloßer Verkehrsregelung: angefangen mit primitiven Maßnahmen, „Rechts gehen, Rechts fahren, links überholen, Halten an Kreuzungen, womit ein sich vollziehender Verkehr einer Ordnung unterworfen wird, hat sich diese Verkehrsregelung heute ausgebildet zu einem kunstvollen System, das darin besteht, daß der Verkehr i n eine bestimmte Richtung gebracht w i r d : das System der Verkehrsregelung umfaßt heute Haltezeichen, Kurvenzeichen, Sperrzeichen bei Straßenbauten und Verlegung von Leitungen für Wasser, Gas, elektrischen Strom u n d Fernsprechverkehr, Zeichen für Vorfahrtsrecht, für Einbahnstraßen, die den Verkehr nur i n einer Richtung erlauben, Schilder m i t Angabe der erlaubten Fahrgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge, eine Menge von Symbolen, die sich mit der Verdichtung des Verkehrs immer weiter vermehren. Der Sinn ist der, die möglicherweise eintretenden Verkehrsakte zu ordnen, sei es durch die Möglichkeit der persönlichen oder beseelten Regelung durch Verkehrsbeamte der Polizei oder durch die sachliche, vergeistige Regelung durch Symbole, Schilder oder Verbotstafeln oder durch einen Sachmittelapparat von Lampen, Verkehrsampeln, die aufleuchten in symbolischen Farben von Rot, G r ü n und Gelb, wobei die Farbe „ R o t " das Sperrzeichen, die Farbe „ G e l b " das Wartezeichen, also gleichsam das Ankündigungskommando für die folgende Farbe ist, während „ G r ü n " die Straße für den Verkehr frei gibt.
Der Güter-. Personen- u n d Nachrichtentransport
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Von dieser bloßen Regelung als der untersten Stufe der Verkehrsorganisation ist zu unterscheiden als höherer Grad der Verkehrsorganisation die Schaffung von Verkehrseinrichtungen durch die Bereitstellung von Verkehrsmitteln. Bei dieser Verkehrsorganisation höheren Grades und in einem engeren Sinne handelt es sich um die Organisation des aktuellen, wirklichen Verkehrs, nicht um die i n der bloßen Verkehrsregelung bestehende Organisation des potentiellen oder möglichen Verkehrs. Die Verkehrseinrichtungen, die solcherweise geschaffen werden, tragen ein verschiedenes Gepräge. Sie sind entweder passiver oder aktiven Natur. Bei der passiven Verkehrseinrichtung werden die Verkehrsmittel auf Verlangen i n Tätigkeit gesetzt, sei es, daß sie sich nicht von der Stelle rühren, nur auf Verlangen bereitgestellt, nur auf Verlangen i n Tätigkeit gesetzt werden, oder sei es, daß sich das Verkehrsmittel an eine geeignete Stelle begibt und dort wartet, bis es auf Verlangen i n Tätigkeit gesetzt w i r d : hier haben w i r das Fuhrgeschäft, das die Brautkutsche nur aus der Remise holt, wenn sie angefordert wird, das nur auf Antrag anspannt; eine andere Form dieser passiven Verkehrseinrichtung liegt dort vor, wo sich das Verkehrsmittel auf halbem Wege annähert: das ist die Droschke auf dem Halteplatz. I m ersten F a l l des Fuhrgeschäfts rührt sich das Verkehrsmittel überhaupt nicht von der Stelle, es bleibt rein passiv und w i r d nur auf Verlangen bereitgestellt und in Tätigkeit gesetzt; i m zweiten F a l l des Fuhrgeschäfts w i r d das Verkehrsmittel schon bereit gestellt und fährt dort zu einem Halteplatz, nähert sich dem Verkehrsteilnehmer auf halbem Wege und wartet passiv bis zu dem Zeitpunkt, wo ein Verkehrsteilnehmer es i n Tätigkeit setzt. A k t i v ist das Verkehrsmittel dann, wenn es sich i n Bewegung setzt ohne Inanspruchnahme, gleichgültig, ob es in Anspruch genommen w i r d oder nicht: der Bote, der regelmäßig geht, auch dann, wenn er keinen Auftrag erhalten hat; der Eisenbahnzug, der regelmäßig fährt, ob voll, ob leer; die Straßen- oder Untergrundbahn, die fahren, ob sie nun besetzt oder nicht besetzt sind. I m Schiffsverkehr ist es die regelmäßige Linie; bei der Gelegenheitsfahrt fährt das Schiff erst dann ab, wenn es voll ist. Von besonderer Bedeutung ist der erreichte Höhegrad des Verkehrs, die Verkehrsintensität, die Verkehrsakte bezieht auf bestimmten Raum und auf eine bestimmte Zeit. Von dieser Verkehrsintensität hängt ab die Entfaltung des Verkehrs: das Fahren regelmäßiger Linien. Der Omnibus ist wenig über 100 Jahre alt; der Omnibus fährt regelmäßig, ganz gleich ob voll oder leer. D i e Verkehrsorganisation ist um so umfassender und licher, je intensiver sich der Verkehr gestaltet. Es besteht wendiger Zusammenhang zwischen der Verkehrsintensität Verkehrseinrichtungen: die Verkehrseinrichtungen werden
eindringein notund den in ihrem
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D e r Transport
Höhegrad bestimmt durch die Verkehrsintensität. Zunächst gibt es i n kleinen Städten keine gewerbsmäßigen Transportunternehmen: jeder Verkehrsakt w i r d vollzogen nach dem augenblicklichen Bedarf, nach Gelegenheit. D a n n kommt das Fuhrgeschäft auf, das angerufen w i r d und sich i n Tätigkeit setzt, wenn eine Fuhre fällig ist; dann schicken Gasthäuser u n d Hotels zu den Ankunftszeiten der Züge ihre K u t schen oder Kremser zum Bahnhof, endlich w i r d der Bahnhof zum ständigen Halteplatz für Droschken, stehen am M a r k t Wagen, um auf A n r u f dem Verkehrsteilnehmer zur Verfügung zu stehen. I n einer Stufenfolge kommt es zu immer besseren Verkehrseinrichtungen: man kann geradezu von einem Entwicklungsgesetz sprechen. N u n müssen w i r die Verkehrsorganisation noch unter dem doppelten Gesichtspunkt der Leistungs- u n d Betriebsorganisation betrachten. Unter Leistungsorganisation verstehen w i r diejenige Verkehrsorganisation, die sich befaßt m i t der Schaffung von Verkehrseinrichtungen. Unter Betriebsorganisation verstehen w i r alle Verkehrsorganisationen in den Transportbetrieben zur Herstellung und Bereitstellung von Verkehrsmitteln. Die Leistungsorganisation ist der terminus ad quem und bezieht sich auf den eigentlichen Vollzug der Verkehrsakte: wie oft die Briefe ausgetragen werden, wo die Droschken halten sollen, wie sie angerufen werden können, wie die Fahrpläne der Züge aufzustellen sind u n d niedergeschlagen werden i n Kursbüchern: dieses Insgesamt von Maßregeln vollzieht die Leistungsorganisation. Ausgeführt werden diese Maßregeln aber in Betrieben sehr verschiedener A r t : der terminus a quo beantwortet die Frage, woher eine Verkehrsorganisation kommt. Woher kommen die Verkehrsmittel? Es ist die Frage der Herkunft, die aufgeworfen w i r d von der Betriebsorganisation. D i e Verteilung der Fahrzeuge über die Stadt hin, das Verkehrsnetz, die Numerierung der Fahrzeuge, die Festlegung der Halteplätze, wo Droschken oder T a x i zu warten haben, die Fahrpläne, die Kursbücher sind Sache der Leistungsorganisation, während die Frage nach der H e r k u n f t der Droschken, T a x i , Schiffe und Eisenbahnen von der Betriebsorganisation beantwortet wird. Kommen die Droschken aus kleinen Handwerksbetrieben, aus Großbetrieben, aus Stadtbetrieben, aus Verkehrsanstalten, sind sie privater, öffentlicher Natur, handelt es sich u m eine Privateisenbahn oder u m eine staatliche Eisenbahnlinie, das alles gehört zur Betriebsorganisation. Zur Betriebsorganisation gehört auch der Begriff der Verkehrsanstalt: unter einer Verkehrsanstalt verstehen w i r einen Großbetrieb m i t einem System von Verkehrseinrichtungen. Bei dieser Gelegenheit darf nun ein Blick geworfen werden auf den Begriff der Post. Kommt uns der Postwagen, die alte Postkutsche in das Bewußtsein, so könnten w i r sagen: die Post ist ein Transportinstitut, das Pferdegespanne zur Benutzung durch Reisende zur Ver-
D e r Güter- Personen- u n d Nachrichtentransport
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fügung stellt. Denken w i r weiter an den Schalter und Briefkasten: die Einzahlung von Geld am Postschalter ist eine Banktätigkeit, die auch eine Bank ausführt. Das Austragen von Zeitungen, Zeitschriften, das Zustellen von Büchern ist eine buchhändlerische Tätigkeit. A u f Grund ihrer Tätigkeiten können w i r den Begriff der Post nicht bestimmen: als Transportinstitut ist der Begriff zu allgemein, audi das Taxiunternehmen u n d die Eisenbahn sind Transportinstitute, audi die Eisenbahn befördert Personen, Briefe und Pakete. Die Tätigkeiten eines Transportinstituts, einer Bank, eines Buchhandelsunternehmen haben m i t den eigentlichen postalischen Tätigkeiten nichts zu tun. Aus der Post müssen w i r diejenigen Merkmale ausscheiden, die ihr als solcher nicht zugehören. Nach der Ausgliederung der angegliederten Tätigkeiten stellen w i r fest, daß die Post am Anfang und am Ende eines Vorganges eine zweifache Tätigkeit ausübt: am Anfang hat die Post gesammelt, am Ende hat die Post verteilt u n d zerstreut. Die postalische Tätigkeit besteht darin, daß eine Sammelorganisation geschaffen w i r d , mittels der kleine Mengen aufgesammelt, dann verteilt u n d den Bestimmungsorten zugeführt werden. D i e Post ist ein Sammelinstitut, indem sie also überall i n der Stadt ihre Saugröhren in Gestalt von Briefkästen aufstellt, mit einem Netz von Organen den Bestimmungsorten zuführt. Die Bedeutung der Post liegt darin, daß sie Botengänge ausführt i n kollektiver Form: ein Bote unternimmt eine Beförderung i m privaten Auftrage, er erweitert seine Tätigkeit, wenn er die Angehörigen einer Stadt befragt, ob sie Briefe zu befördern haben nach einer anderen Stadt (Botenfrau zwischen Jena und Weimar). Das ist der Kern der Postorganisation: sie ist ein Kollektivbote. W i r können die Post auch definieren als eine Kollektivbotenorganisation, d . h . ein Bote, der sich vielen zur Verfügung stellt, dessen Leistung man in Anspruch nehmen k a n n durch eine geringe Darreichung, eine geringe Bezahlung. Es würde alles viel zu teuer sein, einen besonderen Boten von Weimar nach Jena zu schicken m i t einem einzigen Brief. Die Kollektivität des Boten ist bei der Post ausgewachsen in das Große, Millionen Menschen nehmen heute diesen Kollektivboten in Anspruch. Die Post ist erst 300 Jahre alt, i m A l t e r t u m gab es keine Post. Die Post entwickelte sich im Mittelalter aus einein Transportunternehmen, das Pferde und Fahrzeuge zur Beförderung von Menschen bereit stellte. Der Pf erde Wechsel fand an den Poststationen statt, hier warteten die Relaispferde auf das Eintreffen der Postkutsche. Dieses Transportunternehmen hat nichts zu t u n mit der eigentlichen Post als Sammelinstitut. Die Leistung des Verkehrs, den w i r gleichsetzen wollen mit Transport, besteht i n der Überwindung der Widerstände von Raum und Zeit. Diese Überwindung erfordert einen A u f w a n d , den w i r Transportkosten nennen. W i r stellten drei verschiedene Arten von Kosten
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fest: Boden-, Arbeits- und Stoff kosten. wichtigen Kostenarten gelten ebenso für gibt es einige Besonderheiten, eine Reihe der Kostengestaltung beim Transport, die wahrnehmen.
Diese für alle Produktion den Transport. Allerdings von besonderen Umständen w i r i n der Produktion nicht
1. Die Höhe der Transportkosten w i r d durch die Beschaffenheit der Transportgegenstände wesentlich mitbestimmt: lebendes Vieh bedeutet eine Ersparung der Transportkosten; es macht eben einen großen Unterschied i n der Transportkostengestaltung aus, ob der Gegenstand, der befördert werden soll, selber laufen kann oder ob er gefahren werden muß auf einem besonderen Fahrzeug. Es macht einen großen Unterschied aus, ob es sich handelt um sperriges oder nicht sperriges Gut; sehr sperriges Gut, das einen großen Transportraum, große Transportgefäße beansprucht, erfordert auch hohe Transportkosten. 2. Auch die Transportwege und Transporttechnik üben einen Einfluß auf die Transkortkostengestaltung aus. Sand, Lehmboden, Flüsse, Untiefen, Strudel, schlechte Straßen, bergige Straße, klimatische Unί erschiede bestimmen die Transportkosten. 3. Für die Kostengestaltung kommt endlich noch in Betracht die Beschaffenheit der Transportorganisation. Die Höhe der Transportkosten bestimmt dann dasjenige, was die ökonomische Transportfähigkeit eines Gutes heißt. Ein Gut ist transportfähig, wenn es an einem anderen O r t als dem, wo es erzeugt ist, noch Verwendung finden kann. Diese Fähigkeit ist zwiefacher Natur: physisch oder natürlich und ökonomischer Natur. Die physische oder natürliche Transportfähigkeit w i r d bestimmt durch seine natürliche Beschaffenheit. Physisch oder natürlich transportfähig ist ein Gut, wenn es transportiert werden kann, ohne daß es irgendwelche Schädigungen erfährt. D i e physische Transportfähigkeit von Pflastersteinen ist absolut, von Glas und Milch sehr niedrig. Pflastersteine haben eine absolute physische Transportfähigkeit. Von dieser natürlichen oder physischen Transportfähigkeit ist zu unterscheiden die ökonomische Transportfähigkeit: die ökonomische Transportfähigkeit befähigt ein Gut, an einem anderen O r t noch verwertet oder verwendet werden zu können. Die natürliche oder physische Transportfähigkeit erstreckt sich ausschließlich auf die chemisch-physikalische Beschaffenheit eines Sachgutes. Diese natürliche Transportfähigkeit k a n n durch Pasteurisierung, Konservierung und Eiskühlung des Fleisches außerordentlich gesteigert werden. Die Transporttechnik ist so entwickelt, daß man einen gebrechlichen Gegenstand leicht transportieren kann. Früher kamen von 100 Glasscheiben von der Größe eines Quadratmeters nur 30 Scheiben heil an. Die natürliche Transportfähigkeit, die bei Pflastersteinen eine absolute ist, w i r d bestimmt allein durch die chemisch-
D e r Güter-. Personen- und Nachrichtentransport
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physikalischen Eigenschaften des Sachgutes, während die ökonomische Transportfähigkeit bestimmt w i r d durch die Höhe der Transportkosten, die i n einem bestimmten Verhältnis zum Wert des Gutes stehen müssen: so haben eben Pflastersteine bei absoluter natürlicher Transportfähigkeit eine sehr geringe ökonomische Transportfähigkeit. Die Grenze liegt dort, wo die Transportkosten so hoch sind, daß ein Gut nicht mehr absatzfähig ist. Nehmen w i r den Produktionsort eines Gutes als Ausgangspunkt, so ist dieses Gut über einen Raum hin verwendungsfähig, über den es noch transportfähig ist. Die Absatzfähigkeit erreicht ihre Grenze auf allen Punkten eines Kreises, dessen Radiuslänge die Transportfähigkeit eines Gutes ausdrückt. Mittelp u n k t des Kreises ist der Produktionsort, und die natürliche und ökonomische Transportfähigkeit ist dann nach allen Seiten bis zum Kreisrand gleich. Ist das G u t leicht verderblich und von kurzer Lebensdauer, so hat es eine geringe natürliche oder physische Transportfähigkeit — i m Gegensatz zu Pflastersteinen m i t absoluter natürlicher Transportfähigkeit —, übersteigen die Transportkosten des Gutes den möglichen Verkaufspreis, so hat es keine ökonomische oder bei einer geringen Gewinnspanne eine sehr geringe ökonomische Transportfähigkeit. Wenn man den Kreis, über den ein G u t abgesetzt werden kann, als den Ausdruck seiner Absatzfähigkeit ansieht, dann ist der einfache Tatbestand i n die Formel zu bringen: die Absatzfähigkeit eines Gutes steht i n quadratischem Verhältnis zu seiner Transportfähigkeit. Das k l i n g t sehr gelehrt, drückt aber i m Grunde aus eine sehr einfache Tatsache: es w i r d ein mathematischer Satz festgestellt mit Bezug auf die Vorgänge des Wirtschaftslebens . . . unter sonst gleichen Bedingungen, indem Flüsse, schwer überwindbare Gebirge, große Seen oder schwer zugängliche Berge den Transport nicht unmöglich machen, hemmen, erschweren und verteuern. Die Leistung w i r d erfaßt m i t der Länge der Kilometer, über die eine Person befördert werden kann: Personenkilometer. Der Gütertransport w i r d ausgedrückt i n Tonnenkilometern. Der Transport ist ein T e i l der Güter Produktion: ein G u t erfüllt sein Ge- oder Verbrauchsschicksal erst am Bestimmungsort. Die Bananen am Baum i n A f r i k a haben für einen Europäer keinen Wert, erst auf dem M a r k t i n Paris, London oder Berlin haben sie einen Gebrauchswert; der Kaffee i n Brasilien ist ohne Bedeutung für uns, erst der fertige Kaffee i n unserer Kaffeemühle interessiert uns. Die Transportent wicklung ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Gesamtproduktivität der Arbeit. Die Arbeitsproduktivität w i r d i m wesentlichen bestimmt durch die Höhe der Transportkosten. Die Vervollkommnung des Transports w i r k t produktionskostensenkend. Es w i r d überdies durch Senkung der Transportkosten möglich gemacht, daß ein Gut an einem Orte hergestellt w i r d , wo seine Her-
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D e r Transport
Stellung billiger als an einem anderen Orte ist. So kann es vorkommen, daß die billige Herstellung eines Gutes an einem entfernten Produktionsort die hohen Transportkosten bis zum Bestimmungsort ausgleicht: so sind die i n Kanada erzeugten Bodenfrüchte, insbesondere Weizen, billiger trotz der hohen Belastung m i t Transportkosten als dieselben Bodenfrüchte i m eigenen Lande. Die Produktionskosten für kanadischen Weizen und für kanadische Früchte und Gemüse sind infolge des fruchtbaren Bodens und der extensiven L a n d w i r t schaft weit niedriger als die Produktionskosten der entsprechenden Erzeugnisse i n Europa. Diese Kosten sind so niedrig, daß sie sogar die Transportkosten für einen weiten Uberseetransport ertragen, so daß kanadischer Weizen i n Europa einen niedrigeren Verkaufspreis hat als der europäische Weizen.
Sechstes
Kapitel
Die Verteilung § 29. Die Giiterverteilung als Zuweisung und Aneignung Die
vorherige
und
nachherige
Verteilung
Für die Entwicklung der territorialen Arbeitsteilung bildet einen wesentlichen Faktor die Entwicklung der Transportkosten. Unter Güterverteilung verstehen w i r den Vorgang, mittels dessen die einzelnen Mitglieder einer wirtschaftlichen Gesellschaft i n den Besitz ihrer Anteile am gesellschaftlichen Einkommen gelangen. I n einer wirtschaftenden Gesamtheit werden i m Laufe des Jahres hergestellt bestimmte Gütermengen. Diese Sachgüter haben zwei verschiedene Eigenschaften: die einen Güter dienen dazu, den Produktionsmittelapparat zu erneuern, zu erweitern, die anderen Sachgüter dienen dem individuellen Gebrauch oder Verbrauch. Das Einkommen w i r d hier gefaßt als die Gesamtheit der i n einem Jahr fertig gewordenen Gebrauchsgüter oder Einkommensgüter. Unter Einkommen verstehen w i r entweder den Gesamtbetrag der i n einer Periode fertig gewordenen individuellen Gebrauchsgüter, oder denjenigen Güterbetrag, der verzehrt werden kann, ohne daß sich der Standort der Produktionsmittel verringert, ohne daß das Niveau der Produktion gesenkt wird. Es besteht ein bestimmtes gesetzmäßiges Verhältnis zwischen der Menge der Produktionsmittelgüter u n d Einkommensgüter: ein Teil der gesellschaftlichen Arbeit w i r d auf die Herstellung der Produktionsmittel, ein Teil der Arbeit auf die Erzeugung von Einkommensgütern verwandt. Die gesellschaftliche Arbeit kann auf die Herstellung von Produktionsmitteln i n einem Ausmaß verwandt werden, daß der Produktionsmittelapparat erhalten w i r d i n gleichem Umfang. W i r d weniger Arbeit verwandt auf die Herstellung von Produktionsmitteln, als nötig ist zur Erhaltung des Produktionsmittelbestandes, so lebt die Nation von der Substanz. D i e Nation akkumuliert, wenn mehr Produktionsmittel hergestellt werden, als die Erhaltung des Produktionsmittelniveaus erfordert. W i r haben hier zu verfolgen, wie der Betrag der Einkommensgüter verteilt wird. Diesen Vorgang, wie die Einkommensgüter ihrem Verbrauch zugeführt werden, nennen w i r den Vorgang der Verteilung.
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Die Verteilung
Es fragt sich, ob sich über diesen Vorgang allgemeine Sätze aufstellen lassen, die für alle Wirtschaftssysteme Gültigkeit haben. Es wurde behauptet, allgemeine Kategorien der Verteilung könne es nicht geben, weil die Verteilung abhänge von einem bestimmten Rechtssystem. Dieser Gedanke geht zurück auf John Stuart M i l l . I n dieser Allgemeinheit ist der Gedanke falsch, obwohl ein berechtigter Kern darin steckt. Die Verteilung liegt mehr i n der W i l l k ü r der Menschen als die eigengesetzliche Produktion; es lassen sich weniger Allgemeingesetze aufstellen, das ist richtig, aber es lassen sich doch einige allgemeine Sätze aufstellen. Die allgemeinen Aussagen betreffen die Möglichkeiten der Gestaltung der Verteilung, und zwar lassen sich hier Möglichkeiten unterscheiden einerseits n a d i den formalen Verteilungsgrundsätzen, andererseits nach dem Zeitpunkt der Festsetzung der Verteilungsweisen. Das erste Problem w i r f t auf die Frage nach den formalen Verteilungsgrundsätzen, Sätzen, die allgemein gültig sind für jedes Wirtschaftssystem. Die Verteilung erfolgt entweder nach dem Prinzip der Zuweisung oder nach dem Prinzip der Aneignung: die erzeugten Gebrauchs- und Verbrauchsgüter werden entweder zugewiesen, die Verteilung erfolgt von einer Zentrale aus, die anweist. Wenn die Verteilung erfolgt von einer Zentrale aus, also zentralistisch ist, erfolgt sie unter bestimmten Normen, also normativ. Erfolgt die Verteilung durch Aneignung, von unten her u n d nicht von oben her, so erfolgt sie nach den tatsächlichen Machtverhältnissen, also dezentralistisch, naturalistisch, individualistisch, indem der Einkommensempfänger über seinen A n t e i l an den Einkommensgütern selbst, also autonom entscheidet. Erfolgt die Verteilung von einer höheren Instanz aus als Zuweisung, so ist sie zentralistisch, sozialistisch, kommunistisch, planmäßig, heteronom. Zuweisung: zentralistisch, planmäßig, normativ, heteronom, sozialistisch, kommunistisch, kampflos. Aneignung: dezentralistisch, planlos, regellos, autonom, individualistisch, naturalistisch, kampfmäßig. I n primitiven Wirtschaftszuständen ist die Zuweisung allgemein, sie findet statt i n engeren Bezirken, überall dort, wo die Bedarfsgestaltung heteronom ist: die Güter werden verteilt auf dem Wege der Zuweisung i n der Familie, i n Kasernen, Armee, Gefängnissen, Krankenhäusern usw. I m kapitalistischen Wirtschaftssystem erfolgt die Einkommensverteilung auf dem Wege der Aneignung durch die jeweilige Machtstellung: der Profit oder Lohn entspricht i n ihrer Höhe dem Grade der erreichten Machtsentfaltung. Der Lohn w i r d zugewiesen i n dem Augenblick, wo er bestimmt w i r d ohne Rücksicht auf die Marktlage. Der zweite Gesichtspunkt, unter dem w i r die Möglichkeiten der Verteilung unterscheiden können, war der Zeitpunkt der Festsetzung
D i e G ü t e r v e r t e i l u n g als Zuweisung u n d A n e i g n u n g
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der Verteilungsweisen. Dieser Zeitpunkt liegt entweder vor -der Produktion oder nach der Produktion der Sachgüter; die Verteilung ist also entweder eine vorherige oder eine nachherige, richtiger wäre zu sagen: die Verteilung erfolgt vorherig oder sie erfolgt nachherig. Die vorherige Verteilung kann entweder sein eine Vorausbestimmung der Quoten, der Anteile bei schwankendem absoluten Betrage oder Vorausbestimmung fester Güterbeträge bei schwankendem Anteilsverhältnis. Man kann also entweder so verfahren, daß man sagt: was erzeugt wird, wissen w i r nicht, aber von dem, was erzeugt w i r d , sollen die einzelnen Stammesangehörigen die und die Anteile bekommen. Das ist ein beliebtes Verfahren bei Naturvölkern: der Stamm geht auf die Jagd, die Jagdbeute kennt man nicht, aber man bestimmt vorher die Anteile für jeden Stammesangehörigen; diese Familie erhält das Hinterteil, jene erhält den K o p f und die Innereien usw. E i n näherer F a l l ist die Dividende bei der Aktiengesellschaft: dei Besitz einer A k t i e bestimmt ihr Anteilsverhältnis an den Erträgnissen der Aktiengesellschaft: vorausbestimmter Anteil, unbestimmte Höhe des Gesamterträgnisses der Gesellschaft. Hierher würde auch gehören der Anteilslohn: die Löhnung der Arbeiter i n einem Anteilsverhältnis an dem Gesamterträgnis. Das ist eine Möglichkeit, die andere Möglichkeit besteht i n der Vorausbestimmung fester Güterbeträge bei schwankendem Anteilsverhältnis. Der Arbeitslohn stellt dar einen festen Betrag vor der Vollendung der Produktion: Lohnsumme und Gehalt bleiben sich gleich. Die Verteilung ist nachherig, wenn die Beute verteilt wird, nachdem sie gemacht ist, die Verteilung der Beuteanteile erfolgt nach dem Herkommen. Es gehört hierher der Unternehmergewinn i m kapitalistischen Wirtschaftssystem. Der Unternehmergewinn w i r d festgesetzt, nachdem die Produktion fertig ist; diese nachherige Festsetzung des Unternehmergewinns steht also i m Gegensatz zur vorherigen Festsetzung des Arbeitslohns und Gehalts. Ebenso nachherig ist die Verteilung i n jeder selbständigen Produktions Wirtschaft, bei Bauern und Handwerkern. Über die Verteilung als allgemein ökonomische, als zeitlose Kategorie läßt sich nicht mehr sagen. Alles, was über diese Darlegungen hinaus gesagt w i r d , trägt bereits historisches Gepräge, Es wurde versucht, mehr auszusagen über die Verteilung: so über die gerechte Verteilung, über die richtigen Beamtengehälter. Hier verliert man sich i n Bereiche, die zur Wissenschaft nicht gehören: die gerechte Verteilung, das richtige Beamtengehalt, die gerechte Arbeitsrente, der gerechte Kapitalzins sind keine irgendwelchen wissenschaftlichen Feststellungen, sondern Postulate auf Grund von Werturteilen. A l l e Werturteile wurzeln i n der Transzendenz und gehören nicht in den Umkreis einer Wissenschaft. Niemals w i r d eine grundsätzliche und
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D i e Verteilung
beweisbare Einigung darüber zu erzielen sein, ob das Einkommen gleich oder gestaffelt sein soll. Das Bemühen ist eitel, eine sogenannte Zurechnung vorzunehmen: etwa ein Zurechnungs Verhältnis zwischen Unternehmer, Kapitalbesitzer, Grundrentner u n d Arbeiter. I n welcher Weise sich das Einkommen verteilt unter die verschiedenen Funktionäre, das ist ausschließlich das Ergebnis von Machtkämpfen. W i l l man nicht den Machtkampf entscheiden lassen, so steht man vor Werturteilen, die die Wissenschaft nicht als richtig erweisen kann. Die Faktoren lassen sich i n ihrer Wirksamkeit nicht isolieren und die Qualität einer Arbeitsleistung auf die Gesamtproduktivität h i n angesehen läßt sich überhaupt nicht erfassen, bestimmen u n d gar analysieren.
Siebentee
Kapitel
Der Gesamtprozeß § 30. Die gegenseitige Bedingtheit der wirtschaftlichen Teilvorgänge W i r kommen nun i n dem letzten K a p i t e l zu einer Betrachtung des Gesamtprozesses der Wirtschaft. Während die bisherige Betrachtung sich erstreckte auf die einzelnen Teile der Bedarfsgestaltung, der Produktion und Verteilung, wollen w i r nunmehr verfolgen die Ineinanderfügung dieser drei Teile. Die Einzelbetrachtung w i r d der Wirklichkeit nicht gerecht, da die Zerteilung der Vorgänge nur gedanklich vollzogen wurde. I n Wirklichkeit gibt es nur einen einzigen, unteilbaren Gesamtprozeß der Wirtschaft: unausgesetzte Wechselw i r k u n g besteht zwischen den Teilprozessen. Die Trennung der einzelnen Prozesse ist unmöglich i n Wirklichkeit. Die Aufgabe dieses Sdilußkapitels ist es, auf diese innigen Zusammenhänge hinzuweisen und Betrachtungen anzuknüpfen über den gesellschaftlichen Reichtum. Die gegenseitige Bedingtheit der wirtschaftlichen Teil Vorgänge hat den Sinn, daß ein Prozeß ohne den anderen nicht dasein kann. Das ist nun eine Feststellung, die eigentlich zu beweisen unnötig ist. Die gegenseitige Bedingtheit der wirtschaftlichen Teilprozesse folgt aus dem Begriff der Unterhaltsfürsorge: hier folgt auf die Produktion die Verteilung, dann die Konsumtion, dann entsteht eine Leere und dann beginnt der Gesamtprozeß seinen neuen Kreislauf: Produktion, Transport, Verteilung, Konsumtion. Die Konsumtion kann offenbar nicht stattfinden ohne die Gütererzeugung: wo keine Güter sind, kann nicht verteilt und konsumiert werden. Die Produktion ist vollendet, wenn die produzierten Güter konsumiert werden; ohne Konsumtion ist aber auch die Produktion unmöglich, w e i l die Produzenten leben müssen: die Arbeiter müssen erst Nahrung zu sich nehmen, erst Lebensmittel konsumieren, mannigfache Bedarf gegenstände, sie müssen in Häusern geschlafen haben, bevor sie arbeiten, produzieren können. N u n aber bedeutet diese gegenseitige Bedingtheit mehr als daß ein Prozeß ohne den anderen nicht da sein kann: die gegenseitige Bedingtheit heißt darüber hinaus noch, daß Umfang, Richtung und A r t des einen Prozesses durch den anderen bestimmt wird. Das Wie und Wieviel des einzelnen Prozesses hängt ab von den anderen Prozessen. 13
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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D e r Gesamtprozeß
Das wollen w i r nun für die drei von uns unterschiedenen Prozesse des Bedarfs, der Produktion und der Verteilung unterscheiden und uns k l a r zu machen versuchen. W i r können hier die Beziehungen zwischen den drei erwähnten Prozessen i n zweifacher Weise feststellen, wobei sich sechs Beziehungen, je zwei innerhalb von drei Kombinationen ergeben. I. a) b) II. a) b) III. a)
Bedarf bestimmt die Produktion Produktion bestimmt den Bedarf Verteilung bestimmt den Bedarf Bedarf bestimmt die Verteilung Produktion bestimmt die Verteilung b) Verteilung bestimmt die Produktion
Inbeziehungsetzung von Bedarf und Produktion Inbeziehungsetzung von Bedarf und Verteilung Inbeziehungsetzung von Produktion und Verteilung
Der Bedarf bestimmt die Produktion, indem er bestimmt die A r t und Menge der zu produzierenden Güter und die Bedingungen, unter denen sie produziert werden sollen. Es hängt von der Größe des Bedarfs ab das Maß der Kooperation und Spezialisation. Von dem Bedarfe hängt die Herstellung eines Gegenstandes i n Groß- und Kleinbetrieben ab: die Existenz vieler Handwerker hängt ab von der Kleinheit des Bedarfs. E i n kleiner Bedarf macht eine Produktion in Großbetrieben nicht rentabel: deshalb gibt es immer Bäcker, Fleischer, Buchhändler, weil i n diesen und ähnlichen Produktionsbereichen der Absatz lokal gering ist. Je größer ein Betrieb, desto größer die Spezialisation: die Größe des Betriebes ist abhängig von der Menge der absatzfähigen Güter, diese Menge ist aber bedingt durch die Höhe des Bedarfs. Dadurch, daß viele Güter bedurft werden, entwickeln sich Spezialisation und Kooperation, Techniken, so daß die Produktion sidi verbilligt. E i n großer Bedarf w i r k t auf die Verbilligung der Produktionskosten: je größer die Spezialisation und Kooperation, je entwickelter die Technik, um so niedriger sind die Produktionskosten. Sinken aber die Produktionskosten, so k a n n sich wieder der Bedarf ausweiten, es kann ein größerer Güterbedarf gedeckt werden. Je mehr produziert w i r d , desto billiger w i r d produziert. Die Produktion bestimmt den Bedarf nicht bloß mengenmäßig, quantitativ, sondern auch artmäßig, indem sie bewirkt, daß bestimmte Arten von Gütern bedurft werden. Das ist einleuchtend bei den Produktionsmitteln: die A r t der Maschinen w i r d bestimmt durch den Produktionsprozeß selber. Der Wandel des Produktionsprozesses kann den Produktionsapparat vollständig verändern. Man braucht bestimmte Dinge nicht mehr, weil man anders produziert. Spinnrocken, Holzschienen braucht man nicht mehr: infolge der Produktionsverschiebung kam es zur Bedarfs Verschiebung: w i r d nicht mehr im Hause geschlachtet, so entfällt der Bedarf nach Fässern und Bot-
D i e gegenseitige Bedingtheit der wirtschaftlichen Teilvorgänge
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tichen. I n der Sphäre der individuellen Gebrauchsgüter w i r k t das produzierte Gut bedarfsgestaltend überall dort, wo der Bedarf exogen, von außen hereingetragen wird. M i t der Erzeugung des Gutes erweckt die Produktion den Bedarf. I n der kapitalistischen Wirtschaft ist die individuelle Bedarfsgestaltung das Ergebnis der Produktionsgestaltung: der Konsument hat keinen Einfluß auf die Stiefelform der Stiefel, die er trägt; alle Gebrauchsgüter werden i n der kapitalistischen Wirtschaft dem Konsumenten oktroyiert, weil der Produzent die Herstellung dieser so geformten Güter für rentabel hielt. Dies also ist die Beeinflussung des Bedarfs durch die Produktion. Aber weiter lenkt eine Produktionseinschränkung unseren Bedarf i n eine andere Richtung: die Produktion verteuert sich und damit beginnt die Entstehung des Surrogats, das eine überragend große Rolle spielt. Die Produktion des Echten ist zu teuer, so daß es ersetzt w i r d durch Ersatzgegenstände: der Güterbedarf w i r d hier eindeutig zu einem Werk der Produktion. Diese Verschiebung von der Produktion des Echten zur Produktion des Unechten, des Surrogats, t r i t t besonders deutlich zu Tage i n Kriegsfällen. Nachdem w i r die beiden Beziehungen innerhalb der ersten Kombination: der Bedarf bestimmt die Produktion und die Produktion bestimmt den Bedarf, i n Betrachtung gezogen haben, kommen w i r nunmehr zu der zweiten Kombination mit der doppelten Beziehungsfeststellung: der Bedarf bestimmt die Verteilung u n d die Verteilung bestimmt den Bedarf. Ist das Einkommen in einer wirtschaftenden Gesellschaft von Bauern und Handwerkern gleichmäßig verteilt, dann werden Güter erzeugt, die diesen mittleren Ansprüchen entsprechen. Ist dagegen das Einkommen i n einem Lande ungleichmäßig verteilt, indem wenige reiche Leute gegenüberstehen einer Masse von armen Menschen, so ist der Bedarf orientiert an hochwertigen Luxusgütern einerseits und andererseits an minderwertigen Massengütern. Je höher die unterste Schicht aufsteigt, desto höher steigt das Niveau der produzierten Güter an. Eine Masse, deren Bedürfnisse geweckt sind, strebt nach einem anderen Bedarfsniveau. Eine Masse, deren Bedürfnisse geweckt sind, strebt endlich nach einem höheren Einkommen, nach einem anderen Verteilungsmodus. Eine bedürfnislose Klasse beläßt es bei der Gestaltung des Bedarfs, so daß auch bei solchem niedrigen Lebensstandard die Verteilung unverändert bleibt. E i n unverändertes Bedarf sni veau beläßt es bei einem gegebenen Verteilungsmodus. Bei der dritten Kombination soll bei F a l l a) die Produktion bestimmen die Verteilung. Die Produktion bestimmt die Verteilung quantitativ: wieviel nämlich zur Verteilung gelangt, hängt von dem Ausmaß und der Richtung der Produktion ab. Die Verteilung hängt auch ab von dem Verhältnis der Produktionsmittelproduktion, also des gesamten Produktionsapparates, aller Maschinen, Werkzeuge, 13
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D e r Gesamtprozeß
Geräte, Gebäude, Transportgefäße zu der Produktion von Einkommensgütern: erfolgt die Produktion in der Weise, daß der Produktionsmittelapparat ausgeweitet wird, so ist weniger da zur Verteilung: Maschinen statt Kleider, Fabriken statt Wohnhäuser. W i r d die gesellschaftliche Arbeit gelegt auf die Produktion von Einkommensgütern, so ist mehr zur Verteilung da. I n qualitativer Hinsicht können w i r feststellen, daß die Gliederung der Verteilung vollständig bestimmt w i r d durch die Gliederung der Produktion: eine bestimmte A r t der Teilnahme an der Produktion bestimmt die besondere A r t der Distribution. Die Glieder werden in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gebracht. Aus der Organisation der Produktion ergibt sich ein ganz bestimmter Verteilungsmodus. Ist die Produktion handwerksmäßig organisiert, so ergeben sich Einkünfte für selbständige Produzenten. I n einer kapitalistischen Produktion stehen neben wenigen Wirtschafts führ ern viele abhängige Personen. Diese eigentümliche Struktur der kapitalistischen Produktion bewirkt auch die Struktur der Distribution. Nach den an der Produktion teilnehmenden Gruppen gestaltet sich die Verteilung. Aus der kapitalistischen Produktion ergeben sich die Einkommenskategorien: Kapitalzins, Grundrente, Unternehmergewinn und A r beitslohn. Aus der Tatsache abhängiger Lohnarbeit folgt die Tatsache des Arbeitslohns. Kein Arbeitslohn ohne Lohnarbeiter, dieses Urteil erwächst aus der Tatsache, daß die Produktion eine solche ist, i n der Lohnarbeiter beschäftigt sind. Über die Verteilung läßt sich immer nur in historischen Zusammenhängen aussagen, weil aus der Gestaltung der Produktion die Verteilung folgt. Endlich bestimmt die Verteilung die Produktion. Das Ausmaß der Produktion hängt ab von der Höhe der als Einkommen zur Verteilung gelangenden Quote des Gesamtprodukts. Das Gesamtprodukt als die Masse der i n einem Jahr fertig werdenden Güter, teilt sich i n Produktionsmittel und Einkommensgüter. Das Verhältnis der Produktion von Produktionsmitteln, also von Maschinen, Werkzeugen, Transportgefäßen, Werkstätten u n d Fabriken zu der Produktion von Einkommensmitteln, die als Ge- und Verbrauchsgüter dem Verzehr, dem Konsum zugeführt werden, bestimmt die Produktion i n ihrem Ausmaß und ihrer Richtung, sei es i n ihrer Richtung auf die Herstellung von Produktionsmitteln oder Einkommensgütern, Kleidung, Lebensmitteln, Gebraudisgegenständen des individuellen Bedarfs, Wohnhäusern, Kirchen, Krankenhäusern und Schulen. Erstreckt sich die Produktion auf die Reproduktion des Produktionsmittelapparates auf derselben oder einer erweiterten Stufenleiter, so entfällt eine geringere Masse von Sachgütern auf die Sphäre der Einkommensgüter. Bestimmend bleiben hier die Einkommensbezieher: entfällt ein großer Teil des Einkommens auf die Kapitalistenklasse, so kommt es zu ersparten
Der Wirtschaftsplan
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Einkommensbeträgen, die entweder gehortet oder i n einer luxuriösen Lebenshaltung verschwendet oder zur Kapitalakkumulation benutzt werden: die luxuriöse Lebenshaltung drängt die Produktion i n bestimmte Richtungen, während die Kapitalakkumulation zur Vergrößerung des Produktionsapparates führt. Gelangen diese Einkommensbeträge durch einen anderen Verteilungsmodus i n die Hände der Arbeiter, so verringert sich die auf die Produktionsausweitung entfallende Quote des Einkommens. I n qualitativer Hinsicht bestimmt die Verteilung die Produktion, indem jedes Produktionssystem zur Voraussetzung hat eine bestimmte Verteilungsweise. Wenn wenige Wirtschaftssubjekte gegenüberstehen vielen Wirtschaftsobjckten, so ist dieser Sachverhalt nur möglich auf Grund einer ungleichen Verteilung. Eine Oligarchie setzt voraus eine ungleiche Verteilung, die eine bestimmte gesellschaftliche Struktur bewirkt, i n der wenige Wirtschaftssubjekte gegenüberstehen einer Masse von Wirtschaftsobjekten. Erst die Bildung großer Vermögen und ihre Zusammenballung i n wenigen Händen einerseits u n d der E i n t r i t t einer großen Verarmung bei vielen Menschen andererseits, also die Entstehung eines vermögenden Unternehmertums und eines besitzlosen Proletariats machte die kapitalistische Produktionsweise möglich. § 31. D e r Wirtschaftsplan Der Wirtschaftsplan bestimmt die Gestaltung der Gesamtwirtschaft, indem er vornimmt die Anpassung der Produktion an den Bedarf einerseits und an die vorhandenen produktiven Möglichkeiten andererseits. Der Wirtschaftsplan als Abstraktum einer unübersehbaren Summe konkreter Individualpläne der Wirtschaftseinheiten garantiert die unausgesetzte Anpassung der Produktion an den Bedarf i m Rahmen der produktiven Möglichkeiten, an welche die Gesamtheit der Wirtschaftseinheiten gebunden bleibt. Der Plan regelt 1. die Produktionsrichtung, bestimmt die Produktion von Luxus- und Bedarfsgütern, regelt 2. den Produktionsumfang und die Verteilung unter die einzelnen Güterarten, bestimmt also die Mengen der einzelnen Güterarten. Dieser Zustand des Zusammenwirkens hat einen Kosmos geschaffen, bei dem die einzelnen Punkte festgelegt sind, als ob ein Plan vorhanden sei, ein Gesamtplan. Die Inbeziehungsetzung und das Ineinandergreifen und das scheinbar planvolle Zusammenspiel aller Wirtschaftseinheiten, die jeweils für sich einen individuellen Plan haben, findet statt ohne zentrale Leitung. Das einzige Steuerungsorgan dieses mysteriösen Zusammenspiels w i r d gebildet durch die Preisbildung. Die ohne eine übergreifende Gesamtplanung, ohne eigentliche Produktionsplanung sich voll-
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D e r Gesamtprozeß
ziehende kapitalistische Wirtschaftsweise befriedigt jeden auftretenden Bedarf schlechthin und i n einer so vollkommenen Weise, wie es kein Wirtschaftssystem der historisch verwirklichten Wirtschaftssysteme einschließlich des kommunistischen Systems in Rußland fertig brachte. Der Volkswirt steht hier vor einem unbegreiflichen Mysterium, da er j a nirgends einen Plan für die gesamte Wirtschaft entdecken k a n n und dem Steuerungsorgan der Preisbildung allein dieses Wunder nicht zugeschrieben werden kann. Der Plan bestimmt endlich drittens auch die Produktionsweise, indem er über das Wie der Güterherstellung entscheidet: nicht bloß die Güterart, den Güterumfang und die Verteilung unter die einzelnen Güterarten, sondern auch i n der Produktionsweise bestimmt der Plan, wie die Güter herzustellen sind. Wenn eine wirtschaftliche Gemeinschaft auf dem bisherigen Stand weiter existieren w i l l , muß sie denselben Stand der Produktionsmittel aufrechterhalten bei einem Mindestmaß von Einkommensgütern, weil die Menschen j a schließlich leben wollen. Soll die Proportionalität der Produktion aufrechterhalten werden, dann müssen die Komplementärgüter i n demselben Verhältnis hergestellt werden. Das sind die Gesetze, die sich hinsichtlich der Verteilung aufstellen lassen. Hinsichtlich der Produktionsweise können w i r feststellen, daß die Menge der Güter abhängt von einem Mindestmaß von Produktivität und Intensität. W i r sind gebunden, gefesselt, geschmiedet an eine gewisse A r t der Wirtschaft: dies ist eine m i t großem Widerstreben einzusehende Tatsache. Soll ein Vorrat von Urstoff en erhalten werden, so muß ein gewisses Maß von ökonomität herrschen. Die Ausweitung des Produktionsmittelapparates und eine Änderung i n der Gestaltung der Produktionsweise durch Einführung neuer Techniken und Maschinen sind gebunden an einen gewissen Produktionsertrag, weil nämlich dafür Sorge getragen werden muß, daß die wirtschaftenden Menschen i n der Zeit der Ausweitung doch die notwendigen Einkommensgüter erhalten. Der Eisenbahnbau i n Europa verwandte ein Zuviel der gesellschaftlichen Arbeit an den Produktionsmittelapparat, indem dieser Eisenbahnbau nicht bloß jahrzehntelang Millionen von Arbeitern und Technikern anderen Produktionszweigen entzog, sondern neben einem gewaltigen Verbrauch von Holz und Eisen ganze Industriekomplexe i n seinen Bann zog. Das war nur möglich, indem der russische Steuerdruck die russischen Getreideüberschüsse auf die europäischen Märkte werfen konnte. Innerhalb dieses Rahmens natürlicher Gesetzmäßigkeiten und Gebundenheiten ist die Produktionsweise anheimgegeben dem subjektiven Ermessen, ist sie willkürlich, irrational. E i n eigentlicher Produktionsplan liegt nur dort vor, wo Planwirtschaft, also Kommunismus herrscht. Der Kapitalismus kennt keine Planung.
D e r gesellschaftliche Reichtum
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§ 32. Der gesellschaftliche Reichtum I n diesem Abschnitt des 7. Kapitels werden w i r zusammenfassen, was w i r i m einzelnen kennen gelernt haben. Der Begriff des gesellschaftlichen Reichtums ist der Zentralbegriff der gesamten W i r t schaftswissenschaft; um seine Beschaffung, seine Verteilung, seine Erhaltung dreht sich alles Bemühen der Menschen. W i r verstehen zunächst unter dem gesellschaftlichen Reichtum die tatsächlich vorhandene Masse von Sachgütern, das ist der wirtschaftliche Reichtum. E i n V o l k ist reich, so heißt das, es ist ein Volk, das über viele Sachgüter verfügt, und zwar Sachgüter in Natura, nicht über das Symbol des Sachgutes, über Geld. Es ist auch abwegig, den Reichtum aufzufassen als Nutzempfindung: Größe der Nutzempfindung sei gleich der Größe des Reichtums. Sachgüter sollen Bedürfnisse befriedigen. Dieser Begriff des Reichtums hat noch einen Doppelsinn: sofern w i r nämlich unser Augenmerk richten können auf die vorhandene Gütermenge, oder sofern w i r unsere Aufmerksamkeit lenken auf die Möglichkeiten, die ein V o l k hat, sich Güter zu verschaffen. W i r können unterscheiden einen aktuellen und potentiellen Reichtum oder auch einen statischen und dynamischen Reichtum. Sagen w i r , ein V o l k sei reich, so können w i r diese beiden Unterscheidungen geltend machen: entweder verfügt das V o l k i m Augenblick über eine große Menge von Sachgütern oder es hat Möglichkeiten zur Güterbeschaffung, seine produktiven Möglichkeiten sind sehr groß. I m ersten F a l l des statischen oder aktuellen Reichtums, also der vorhandene Reichtum, i m zweiten F a l l des potentiellen oder dynamischen Reichtums der ermöglichbare Reichtum. Beide Unterscheidungen sind durchaus gleich berechtigt. Die Ursache des Streits zwischen A d a m Smith und Friedrich List sind diese beiden Reichtumsbegriffe: Smith hatte den aktuellen, List den potentiellen Reichtum i m Auge. Statisch, aktuell ist also derjenige Reichtum, der besteht in den vorhandenen Sachgütern, also in den tatsächlich einem Volk zur Verfügung stehenden Wohnungen, Nahrungsmitteln, Fabriken, Maschinen und Rohstoffen, alles das, was schon aktiviert, verwirklicht, da ist; statisch i n dem Sinne, daß man hier einen Querstrich zieht. Von diesem zu unterscheiden ist der Reichtum im dynamischen oder potentiellen Sinne. Der potentielle Reichtum w i r d dargestellt durch alle in den menschlichen und natürlichen Gegebenheiten für die Gütererzeugung nutzbar zu machenden Kräfte. H i e r k e h r t der Begriff der produktiven Kräfte wieder, den w i r bereits oben behandelten. Friedrich List sagt, der Reichtum eines Volkes bestehe i n den Möglichkeiten, die es habe, Güter zu erzeugen. Güter, die erzeugt sind,
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D e r Gesamtprozeß
das ist der eine Reichtumsbegriff, der statische oder aktuelle; Güter, die erzeugt werden könnten, weil die produktiven Möglichkeiten gegeben sind, das ist der andere Reichtumsbegriff, der dynamische oder potentielle. Wenden w i r zurück zu dem Begriff des statischen oder aktuellen Reichtums, so bezeichnet man i h n w o h l auch m i t dem Ausdruck des Volks Vermögens. Dieser Begriff ist ein recht vager und unbestimmter Begriff. Man muß sich seiner Unbestimmtheit und Unangemessenheit bewußt sein. Vermögen setzt immer voraus ein Subjekt. Es ist das I n d i v i d u a i vermögen, besondere Eigenschaften, das Können des einzelnen Menschen. Ein Mensch vermag viel auf G r u n d seiner besonderen Fähigkeiten. Das kann sich ausdrücken i n geistigen oder rein künstlerischen Leistungen und Geschicklichkeiten. Es kann aber auch bedeuten, ein vermögender Mann besitzt viel Geld u n d Gut. I m ersten F a l l garantiert das subjektive Können, das Talent dem Menschen einen gewissen Machtkreis; seine geistigen und künstlerischen Fähigkeiten oder Geschicklichkeiten gewähren i h m eine persönliche Machtposition, die er sich selber auf G r u n d seiner persönlichen Leistung schafft. I m zweiten F a l l werden Geld und Gut garantiert durch soziale Institutionen: hier bedeutet das W o r t Vermögen die Fähigkeit eines Menschen, über den W i l l e n anderer Menschen zu verfügen, sei es negativ, indem man die anderen verhindert, etwas zu tun, oder andere Menschen veranlassen kann, etwas für einen zu tun. Jemand hat großen Landbesitz, er gehört ihm, die sozialen Institutionen garantieren i h m die Innehabe des Besitzes, so heißt das, er hat die rechtlich gesicherte Fähigkeit, einen anderen Menschen auszuschließen von diesem Besitz, diesem Bereich des Landes. Der Innehaber des Landes hat aber auch die Möglichkeit, andere Menschen auf diesem Umkreis Land für sich arbeiten zu lassen. Dieser soziale Begriff des Vermögens ist heute geknüpft an Geld: das ist das Symbol für das soziale Vermögen. Die Gesellschaft garantiert mit ihren Institutionen, vor allem den Rechtsinstituten und der Strafgewalt, daß der Vermögensbesitzer sich für das Symbol des Reichtums, dem Geld, Macht, Sachgüter und Genüsse verschaffen kann. Zu dem Begriff Vermögen gehört notwendig ein Subjekt, das dieses Vermögen hat. Dieses Subjekt fehlt aber bei dem Begriff des Volks- oder Nationalvermögens. Es ist unsinnig, ein Volk zum Subjekte eines Volksvermögens machen zu wollen. Viele Menschen haben ein Vermögen, aber das Volk hat kein Vermögen. Es gibt ein Staats vermögen, w e i l da ein Subjekt a u f t r i t t , es gibt k e i n Volksvermögen. Soll das Volks vermögen eine bestimmte Größe haben, so müssen w i r den berühmten gemeinsamen Nenner finden. W i r haben hier nur den Geldausdruck. Der Begriff Volks vermögen ist ein Unbegriff, aber derartige Begriffe haben ein zähes Leben und behalten leider eine zweifellose Geltung!
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D e r gesellschaftliche Reichtum
Man sollte diesen Unbegriff Volksvermögen i n den Orkus stoßen. Indessen meint dieser Unbegriff Volksvermögen einen Inbegriff von Sachgütern als Vermögen eines Kollektivträgers, nämlich des Volkes. W i r müssen uns leider m i t den Versuchen abgeben, die zur Ermittlung der Reichtumsmenge eines Volkes gemacht wurden. Es gibt zwei Verfahrensweisen, die zur Ermittlung des Volksvermögens angestellt werden: 1. Die zubjektive Methode und 2. die objektive Methode. 1. Bei der subjektiven Methode werden die aus den Steuerveranlagungen der Privaten ersichtlichen Einkommen und Vermögen zusammengezählt, dazu werden addiert die Vermögen des Staates und der Gemeinden und abgezogen die öffentlichen Schulden. Das ist die eine Weise, wie man zu der Erfassung kommt. Der Mangel liegt darin, daß man glaubt, damit zu einer einheitlichen Größe gelangen zu können. M a n muß sich darüber k l a r sein, daß eine solche einheitliche Größe nicht besteht. 2. D i e objektive Methode wendet sich an die Gegenstände, i n denen der Reichtum besteht: es w i r d festgestellt der Grund- und Bodenwert und der Wert der darin investierten Produktionsmittel, aller Maschinen, Werkzeuge, Geräte, Anlagen, aller Häuser und Fabriken, Bergwerke, Schiffe und aller sonstigen Transportgefäße, aller Verkehrsanlagen und Industrieanlagen. D i e Grundlage bei der Feststellung dieser Werte sind die Versicherungswerte. Es w i r d gefragt nach der Höhe der Versicherungen und man bemißt danach die Werte. Wie unsicher beide Methoden sind, geht daraus hervor, daß ein und derselbe Forscher zu recht beträchtlichen Unterschieden kommt: nach der subjektiven Methode errechnete Helfer ich aus den Steuerveranlagungen ein deutsches Volks vermögen von 285 Milliarden Reichsmark; nach der objektiven Methode auf G r u n d der Versicherungswerte k a m er auf ein Volksvermögen von 337 Milliarden Reichsmark für den gleichen Zeitraum, bei demselben Volke. Die Ermittlungsmethoden sind also sehr ungenau, die Geldziffer ist nur ein symbolischer Ausdruck für die Tatsache der Sachgüterausstattung. Gleichwohl ergibt sich aus den nachstehend aufgeführten Zahlen der Statistik als sicherer wissenschaftlicher Befund ein unzweifelhaft rasches Anwachsen der Sachgüter überhaupt. U n d darauf allein kommt es trotz aller Ungenauigkeit der Zifferreihen an. Nach der Statistik des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes wurde für das Volkseinkommen für Deutschland errechnet für die Jahre: 1885
15 Milliarden;
1895
25 Milliarden;
1913
43 Milliarden;
1927
60 Milliarden.
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D e r Gesamtprozeß
D i e Verdreifachung ist ein Kennzeichen für die rasche Vermehrung des Güterreichtums. Andere Schätzungen hat das Statistische Jahrbuch veröffentlicht: 1918 betrug die K a u f k r a f t 100; 1925 nur noch 85; 1931 dagegen 80 in Deutschland bei 7 Millionen Arbeitslosen, die unterstützt wurden aus öffentlichen Mitteln. Zum Vergleiche können w i r noch einige Ziffern verschiedener Nationen mitteilen, und zwar den Volksreichtum berechnet auf den K o p f der Bevölkerung vor dem Kriege und nach dem Kriege. Diese Ziffern bringen die Abstufung des Reichtums i n den verschiedenen Ländern zum Ausdruck und die Veränderungen durch den Krieg. Streng wissenschaftliche Maßstäbe an die Exaktheit dieser Zahlen können w i r natürlich nicht anlegen. Es genügt, daß diese Ziffern ganz grob erkennen lassen, daß die Gütermassen i n allen Ländern anwuchsen. Hinsichtlich des Güterreichtums stehen die Vereinigten Staaten von Amerika an erster Stelle. Die Höhe des Volksreichtums berechnet auf den K o p f der Bevölkerung betrug: i m Jahre i m Jahre 1913 1925 i n Pfund Sterling A m e r i k a , USA Argentinien England Frankreich Kanada Deutschland
425 340 318 303 300 240
Schweiz Dänemark Schweden Niederlande Belgien Spanien Italien Österreich-Ungarn Norwegen Rußland Japan
205 176 168 167 157 144 128 121 90 85 44
600 360 350 340 500 150 bisherige Länder also Zunahme, hier Abnahme 380 —
155 140 —
115 150 —
50 133
Der Vorbehalt über diese Ziffern darf nochmals wiederholt werden; einen wissenschaftlichen Wert haben sie nicht. A u f G r u n d dieser Ziffern lassen sich lediglich allgemeine Urteile fällen: daß die Sachgüterausstattung rasch und nachhaltig zunahm und daß ein Land wie Norwegen unzweifelhaft ärmer als Amerika ist. Die Reihenfolge der Ziffern wurde gegeben nach dem Stand vor dem ersten Weltkrieg, die Reihenfolge nach dem Krieg für das Jahr 1925 ist anders.
Die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums
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Der Gesamtreichtium der Erde w i r d geschätzt auf 4000 Milliarden Mark, wovon die USA 33,8 lo/o für sich in Anspruch nehmen sollen. Zusammenfassend können w i r noch einige Betrachtungen anstellen über den potentiellen Reichtum. W i r wiederholen, daß der dynamische oder potentielle Reichtum sich fassen läßt i n dem Inbegriff der produktiven Kräfte. Unter produktiven Kräften kann man verstehen alle i n den menschlichen u n d natürlichen Gegebenheiten für die Gütererzeugung nutzbar zu machenden Kräfte. Der Begriff der Produktivität kommt hier zur Geltung, wo produktiv meint die Förderung des Produktionsprozesses: produktiv ist alles, was förderlich ist für den Produktionsprozeß. Bei der Betrachtung des potentiellen Reichtums kommt nur der Überblick über eine längere Zeitdauer in Betracht. F ü r den aktuellen Reichtum gibt es diese Zeitdauer als Begriffsmerkmal nicht. Bei dem potentiellen Reichtum ist die Zeitdauer einzusetzen, sie ist das begriffliche Merkmal der Potentialität: hier handelt es sich nicht u m ein i m Augenblick vorhandenes Werk, sondern um eine Werkfortsetzung. D a dieser potentielle Reichtum ein Reichtum i m Entstehen ist, so hat er zur Voraussetzung das Ineinandergreifen von wirtschaftlichen Handlungen von Tag zu Tag, Woche zu Woche, Monat zu Monat, Jahr zu Jahr. Es muß Rücksicht genommen werden auf die Nachhaltigkeit einer Reichtumsquelle. Wie lange sind denn noch Kohlen und Erzlager vorhanden, wann sind die Erdölquellen erschöpft? Aller potentielle oder dynamische Reichtum ist gleich den produktiven Kräften. § 33. Die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums Sprechen w i r von den Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums, so fragen w i r : wovon hängt es ab, ob ein V o l k reich oder arm ist. A u f die Verteilung des Gütervorrates ist bei dieser Frage keine Rücksicht zu nehmen. Die beiden Faktoren, die hier Einfluß haben, können nur sein jene beiden Faktoren, die alle Wirtschaft zur menschlichen Uiiterhaltsfürsorge machen: Mensch und N a t u r oder menschliche A r beit und Natur. Es wurde i n einseitiger Weise versucht, den Reichtum abzuleiten aus einem dieser Faktoren, bald aus der Natur, der Umgebung; dies versuchen alle Milieutheorien; bald wurde die Entstehung des Reichtums zugemessen allein der K r a f t des Menschen, seiner Arbeit, also einem Volkstum, einer Rasse. Beide Theorien sind einseitig und falsch. Das beweisen Erfahrung und Geschichte. W i r beobachten, daß dieselben Völker unter verschiedenen Naturbedingungen zu verschiedenem Erfolge kommen: die Normannen i n England entwickelten eine andere K u l t u r i n England, eine andere K u l t u r in Sizilien. Je nach den Völkern gibt es i n einem Lande verschiedene Kulturen — Indianer auf der einen Seite, europäische Völker, Eng-
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lander, Deutsche, Polen, Italiener und Iren vor allein auf der anderen Seite haben in Amerika zwei grundverschiedene Kulturen hervorgebracht. A n der Entfaltung des Reichtums sind also beide Faktoren in gleicher Weise beteiligt: w i r müssen Mensch und Natur i n Betracht ziehen. Den reinen Naturgegebenheiten stellen w i r gegenüber die Kulturgegebenheiten. So werden w i r die Übersicht gliedern über die Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums. Eine dritte Gruppe ist beiden Bereichen gleichmäßig zugehörig: es sind die biologischen Gegebenheiten, also solche, die liegen i n der biologischen Beschaffenheit des Menschen. Das ist ein Komplex von Ursachen, der zwischen den Natur- u n d Kulturgegebenheiten liegt: dieser Ursachenkomplex hat ein doppeltes Gesicht, es sind Ursachen, die begründet sind i m Volk als Rasse oder Rassengemisch, also i n Naturgegebenheiten u n d in Kulturgegebenheiten. Jedes Volk ist ein Gemisch aus Natur und K u l t u r . Deshalb unterscheiden w i r diese dritte Einflußsphäre. W i r unterscheiden also: 1. Naturgegebenheiten; 2. das Zwischenglied der biologischen Gegebenheiten; 3. die Kulturgegebenheiten. Unter den Naturgegebenheiten stehen obenan Boden und Klima, die zusammen die Wachstumsbedingungen ausmachen, die bestimmend sind für den Fruchtbarkeitsgrad. Die Extreme sind hier tropische und polare Gegenden. Ob ein V o l k auf einem fruchtbaren oder sterilen Boden wohnt, bestimmt wesentlich seine wirtschaftliche Struktur. I m einen F a l l ein schlaffes Nachgeben, i m anderen F a l l Arbeitssamkeit, die zur Entwicklung der Kräfte führt. I n den tropischen Gegenden können zwei Brotfruchtbäume einen Menschen ernähren, ohne daß dieser irgendeinen Arbeitsaufwand zu machen braucht; er nimmt die Früchte lediglich i n Empfang, er holt sich die Bananen vom Baum oder er findet sie auf der Erde. Man kann sagen, daß zu große Fruchtbarkeit die Entwicklungsfähigkeit ebenso hindert wie zu geringe Fruchtbarkeit. Wo zuviel oder zuwenig wächst, bleibt der Mensch zurück i n seinen EntwiiMungsmöglichkeiten. Neben Boden und K l i m a kommen Bodenschätze i n Betracht. Bodenschätze bilden einen Antrieb zur Entfaltung von Energie, während der Reichtum an Nahrungsmitteln einen senkenden Einfluß auf die Energie ausübt. Bodenschätze sind solange wertvoll wie die Technik auf sie eingestellt ist: Bodenschätze ändern die Produktionskräfte: Wassermühle, Windmühle, dann Dampfmühle (Wasser und Kohlen), endlich Elektrizität, wo die Wasserkraft eine besondere Bedeutung hat. Unter den natürlichen Bedingungen sind dann noch zu nennen die Lage des Landes zu anderen Ländern, auch die Lage der einzelnen Landesteile zu einander ist entscheidend für die Entwicklung der Handelsbeziehungen: Gebirge trennt, Wasser vereinigt. Je mehr Flüsse, desto leichtere Verbindung der Landesteile. Alle frühen K u l -
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turen entwickelten sidi in den Flußtälern (China, Indien, Ägypten, Babylon usw.), also dort, wo einerseits fruchtbares Land und andererseits leichte Verbindungsmöglichkeiten bestanden; dazu kam dann der Reichtum an Fischen und Wäldern, die ihrerseits wieder Verkehrsschranken bilden. Abgelegene Länder können eigenständige Kulturen entwickeln, sie können aber auch auf der Stufe der W i l d beuter oder i n der H a l b k u l t u r stecken bleiben, die sie überwinden würden i m lebendigen Kulturaustausch m i t benachbarten Völkern der Vollkultur. China entwickelte eine eigenständige schöpferische K u l t u r , die es m i t der chinesischen Mauer vor jeder Berührung m i t anderen Kulturen hütete. I n Ländern m i t starker Küstengliederung erreicht die wirtschaftliche K u l t u r einen höheren Grad. Kompakte große Kontinente wie A f r i k a und Asien sind einer raschen u n d intensiven Kulturentwicklung weitgehend entzogen. Immer bilden unzugängliche und meist unwirtliche Hochflächen, Gebirge und Urwälder oder gar Dschungel unüberwindliche Schranken für einen lebendigen K u l t u r austausch, eine Wanderung der Kulturgüter, einen befruchtenden Handelsverkehr. Nicht bloß die Erde ist Ernährer u n d Erzieher des Menschen, sondern auch der Mensch anderer Sitten und K u l t u r w i r k t erziehend und die Berührung eines Volkes m i t einer anderen und höheren K u l t u r k a n n einen Entwicklungsanstoß bilden. So haben auch die Kriegszüge Alexander des Großen einen wirksamen Antrieb für die Entwicklung zurückgebliebener Länder gebildet. Hinsichtlich der biologischen Gegebenheiten von V o l k und Rasse, den Naturbedingungen des Menschenwesens, stellen w i r als ein Moment für die Entfaltung des Reichtums fest die Volkshaftigkeit: ob zuviel, ob zuwenig Menschen da sind. Es ist die absolute Menge der Menschen auf einem bestimmten Erdteil. Ein dünn besiedeltes Land bleibt rückständig. D a m i t i m Zusammenhange steht das Moment der Dichtigkeit: die Menge von Menschen, die wohnt auf einem Quadratkilometer der Erde oder eines bestimmten Landes. Die Bewegung der Bevölkerung auf eine Zunahme h i n bildet ein Stimulans für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Dichtigkeit ist auch ein wichtiges Moment für den Aufbau. Unter Altersaufbau versteht man das Verhältnis der verschiedenen Altersstufen zu einander. Die Zuwachsrate bildet hier die Differenz zwischen der Geburten- und Sterberate. Durch die Größe dieser beiden Variabein w i r d die Ziffer bestimmt. Entscheidend bleibt die Ziffer der arbeitsfähigen Personen. Eine Uberalterung der Bevölkerung bedeutet ein Ubergewicht der alten und arbeitsunfähigeil Personen über die arbeitsfähigen Schichten. Ein ungünstiger Altersaufbau muß natürlich die Gesamtproduktivität senken. Eine zu geringe Zahl der älteren Bevölkerungsschichten bedeutet einen Mangel an Alterserfahrung und echtem Wiesen, wenn besonders die älteren Vertreter der geistigen Berufe fehlen. Ein der-
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artiges Fehlen der Alters Weisheit kann sich katastrophal auswirken für den wissenschaftlichen Fortschritt und die Staatsbildung. Die biologischen Gegebenheiten sind zweitens qualitativer A r t , indem w i r bei verschiedenen Völkern beobachten können eine verschieden hohe Leistungsfähigkeit, und zwar eine aktive, zum Tun, zu Taten befähigende Leistungsfähigkeit, und eine passive, zum Ertragen, zum Leiden befähigende Leistungsfähigkeit. I n ihrer aktiven Leistungsfähigkeit sind verschieden ein nordischer u n d ein südlicher Mensch: es gibt passive Völker, die hungern können. Man denke an alle asiatischen Völker, auch an die Russen und Polen: die Polen sind passiv leistungsfähig i m Ertragen von Leiden, Hunger; die Russen können Hunger und unglaubliche Kältegrade ertragen, sind aber nur unter ständigem Ansporn zu stetiger Arbeit befähigt, während der bedürfnisloseste Mensch der Erde, der chinesische K u l i , m i t einer Schale Reis als Tagesmahlzeit ununterbrochen sein Tagewerk verrichtet. Ebenso verschieden ist dann das Temperament, das w i r auch unterscheiden können als aktives und passives Temperament: als aktives Temperament die Fähigkeit, die Neigung zu einem Draufgängertum, die Hochbewertung des diesseitigen Lebens, die Wertung des Handelns, der Tat; i m Gegensatz dazu die Wertung des beschaulichen Innenlebens: i n ganz Europa und Amerika die Uberbewertung der Leistung, der Tat, die Hinwendung zur Welt, in ganz Asien die Überbewertung der Meditation, die Abwendung von der Welt, die H i n wendung zu jenen letzten und ewigen Dingen, zu einem inneren Tun, das aus dem Gehalte der Welt nicht verständlich ist und mit Notwendigkeit auf eine andere Welt weist. Die aktive Lebensgestaltung führt zu entwickelten Zivilisationshorizonten und hoher Technik, zu reicher Güterausstattung, die passive, kontemplative Lebensform führt zu einer hohen Lebenskultur und zum wahren Menschentum bei einem Zurückbleiben jeder Wirtschaftsform und beengten Zivilisationshorizonten. Endlich muß das Moment der Auslese berücksichtigt werden. Durch Ausmerzprozesse, Seuchen, Kriege, Bürgerkriege, Revolutionen erhält ein Volkstum ein anderes Gepräge. E i n Volk bleibt i m Laufe der Jahrhunderte niemals dasselbe Volk, es verändert seinen Volkscharakter und seine Struktur. I m Laufe der Zeit werden bestimmte Typen ausgelesen, andere Typen ausgemerzt. I n Kriegen werden gerade die leistungsfähigsten, gesunden Menschen getötet oder verstümmelt, die kriegsuntauglichen und charakterlich labilen Menschen überleben und pflanzen ihre Minderwertigkeiten fort. So bedeutet auch jede Auswanderung eine Auslese i n der Richtung der wagemutigen und leistungsfähigen Elemente. Was aus einem Volke i m Laufe der Jahrhunderte werden kann, stellt sich dar als das Produkt verschlungener
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Ursachenkomplexe, von Kriegen, Revolutionen, Wirkungen des Massenwahns, Auswanderungen, neuer Tediniken, die, wie Automobilund Flugtechnik, ganz andere Menschentypen schaffen. Es kann audi zu einer Abnahme der geistigen K r a f t , damit zu einem Verblassen der religiösen Vorstellungen, einer Abwertung der transzendenten Werte, zu ethischen Abartigkeiten und einem Anwachsen der K r i m i n a l i t ä t eines ganzes Volkes kommen. D i e drückende Masse ethisch durchlöcherter, halbschwachsinniger Defekttypen kann schließlich zum Untergang eines Volkstums führen, wenn eine starke Kirche fehlt und die wertvollen Elemente sich nicht durchsetzen können. Das Kennzeichen ist hier das Hochkommen atheistischer Weltverbesserungsparteien. Als dritte Einflußsphäre stellten w i r fest die Kulturgegebenheiten, die erwachsen aus dem bewußten und willkürlichen Verhalten der Menschen bei der Wirtschaftsgestaltung. Sind die Natur- und biologischen Gegebenheiten als feststehend angenommen, so müssen w i r zu einer richtigen Würdigung der Kulturgegebenheiten zu kommen suchen. Die Menge der auf gewandten Arbeit ist das Ergebnis verschiedener Variabein: sie hängt ab von der Menge der Arbeiter, dem Altersaufbau u n d sozialen Momenten. Die Arbeitermenge und der Altersaufbau gehören zu den biologischen Gegebenheiten, aber als Kulturtatsache ist zu werten, ob die zur Arbeit befähigten Menschen mehr oder weniger arbeiten, ob die Oberschicht sich überhaupt fernhält von der Arbeit, Frauen und K i n der von der Arbeit ausgeschlossen oder zur Arbeit herangezogen werden, ob Arbeitszwang oder freie Arbeit besteht. Hier greifen ein politisch-soziale Momente. Ist die Menge der arbeitenden Personen gegeben, so ist die Zeit entscheidend, während welcher gearbeitet w i r d : die Zahl der täglidien Arbeitsstunden, die Wochentage, Fünftagewoche, das ganze Jahr. I m Mittelalter gab es 50 Feste i m Jahr. Entscheidend ist, ob täglich 10 oder 8 oder 6 Stunden gearbeitet wird. Das alles w i r d bestimmt durch Kulturtatsachen, durch soziale Momente. Endlich wird die Menge der auf gewendeten Arbeit bestimmt durch die Intensität der Arbeit. Die Ergiebigkeit der Arbeit ist abhängig von objektiven, k u l turellen und persönlichen Momenten. Das Menschenwerk steht nicht außerhalb der Persönlichkeit. Zu diesen subjektiven Kulturmomenten treten die objektiven Kulturtatsachen. Hier handelt es sidi u m die i n bestimmten Sachgebilden niedergeschlagene Kultur. Der Besitz an Sachgütern entscheidet j a selber über die Gestaltung des Wirtschaftslebens. Die Vermehrung der Sachgüter steigert die materialistische Einstellung des Menschen: die Sachgüter werden hoch u n d immer höher gewertet und alles Bemühen dreht sich um eine Vermehrung der Sachgüter. Die K u l t u r w i r d zur
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Mittelkultur, die Sachen, die der Mensch schuf, beginnen i h n zu beherrschen, der Mensch w i r d Sklave des technischen Apparates. Einen Bereich der objektiven K u l t u r bildet die institutionelle K u l tur, die sich darstellt in dem Besitz an Ordnungen, Organisationsformen, Einrichtungen, Verfassungsurkunden, Gesetzbüchern, Fabrikordnungen und Verwaltungsmaximen des Staates. Alles das k a n n bestimmend, fördernd oder hemmend einwirken auf das Wirtschaftsleben. Der Reichtumsgrad ist hier bedingt durch bestimmte historische Gestaltungen: das kapitalistische Wirtschaftssystem bringt andere Bedingungen m i t sich für die Reichtumsentfaltung wie das Wirtschaftssystem des Handwerks. Neben der materiellen und institutionellen K u l t u r steht die geistige K u l t u r als ein objektiver Kulturbereich. Zu der geistigen K u l t u r gehört der Besitz an Idealen, Wertvorstellungen und Strebungen i n einem Volk: ein starkes oder schwaches Staatsgefühl, eine starke Staatsgesinnung, Traditionsgefühl und Anhänglichkeit an ein Herrscherhaus, Bejahung der monarchischen Staatsform und des historischen Schicksals oder geschichtsloses Fellachenvolk, das sich der Herrschaft eines Parteiklüngels unterwirft und einem korrupten Beamtentum. Religiöser Sinn, starke katholische Kirche oder schwache evangelische Kirche in Zerfall m i t 100 Sektenbildungen haben wirksamen Einfluß auf die Gestaltung des Wirtschaftslebens. Die Hochbewertung der Sachgüter, die Uberbewertung des Geldsymbols als Mammonismus haben unzweifelhaften Einfluß auf die Reichtumsentfaltung, während die Bildung von Reichtum dort gering ist, wo ein V o l k den äußeren Gütern indifferent gegenübersteht. Endlich sind wichtig die Zahl der Universitäten, technischen Hochschulen, Lehr- und Bildungsanstalten Öffentlichen und privaten Charakters i n einem Lande, die Masse an Bibliotheken, an aufgespeichertem technischem Wissen und Können für den erreichten Reichtumsgrad i n einem Lande. Neben dieser objektiven K u l t u r kommt die persönliche K u l t u r in Betracht: es ist das Lebendigwerden der Kulturgüter i m Menschen, Diese subjektive K u l t u r kann sehr bestimmend werden für das W i r t schaftsleben. Es ist nicht bloß eine leibliche K u l t u r auf blutmäßiger Basis m i t der Ausbildung körperlicher Kräfte u n d Geschicklichkeiten i m Sport, die Pflege des Körpers, die Gewandung, die Kleidung i n Verbindung m i t der Befriedigung eines gewissen Schmuckbedürfnisses, angelernte Formen des Benehmens, die Wohnkultur, sondern auch eine K u l t u r der menschlichen Persönlichkeit durch die bewußte Ausbildung und Entfaltung seelisch-geistiger Eigenschaften, die Entwicklung des Pflichtgefühls, der Pünktlichkeit, der Arbeitsamkeit, der Innehaltung der religiösen Gebote, der Befolgung der staatlichen Satzungen und Gesetze, des Gemeinbewußtseins und der Vaterlandsgefühle i n Verbindung mit der Pflege der Familientugenden der Treue und der
Das O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums
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Liebe, -der Pietät i n den intimsten Bezirken des Familienlebens. Es genügt somit nicht, daß Schulen, Ausbildungsanstalten mannigfacher A r t , Hochschulen und Universitäten da sind, es muß eine solche Ausbildung auch vom kollektiven Bewußtsein der Gesellschaft gefordert, von der Familie der Bildungskeim gepflegt werden, damit diese Ausbildungsstätten nicht leer stehen. Es müssen gewisse Wertvorstellungen wachgehalten, eine gewisse gesellschaftliche Rangordnung, eine soziale Stufenleiter aufgestellt, das Traditionsgefühl, die Ablegung von Prüfungen m i t einem sozialen Wertakzent versehen sein, damit diese Ausbildungsmöglichkeiten der objektiven K u l t u r benutzt werden. Objektive und subjektive K u l t u r greifen so ineinander. § 34. Das Optimum des gesellschaftlichen Reichtums So wie sich ein O p t i m u m aufstellen läßt für den Ertrag der Einzelwirtschaft, so für die Volkswirtschaft. Unter dem O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums verstehen w i r das Höchstmaß der volkswirtschaftlichen Produktivität: wenn die sämtlichen nutzbar zu machenden produktiven Kräfte auf das zweckmäßigste entsprechen dem Produktionsplan, zur Produktion herangezogen werden u n d in einem richtigen proportionalen Verhältnis zueinander stehen. Das O p t i m u m w i r d erreicht, wenn alle arbeitsfähigen Menschen arbeiten, ihre Fähigkeiten i n größter Intensität entfalten, eingesetzt sind an den richtigen Stellen, der Boden richtig und sinnvoll ausgenutzt wird, also alles an Produktionskraft, sei es personaliter, sei es realiter, zur Entfaltung gelangt. Die Produktionsfaktoren Natur u n d Arbeit müssen proportional gestaltet sein: die Disproportionalität t r i t t ein, wenn zuviel Boden mit wenig Arbeit und K a p i t a l unter den Pflug genommen w i r d , zuviel Arbeit auf beschränkten Bodenflächen eingesetzt w i r d , der Einsatz von Kapital, also Maschinen und Werkzeugen, Gebäuden außer Verhältnis steht zu Boden oder Arbeitern. Endlich hemmt eine Zunahme der Bevölkerung über die optimalen Arbeitsmöglichkeiten hinaus, das Anwachsen eines Heeres von A r beitslosen die Entfaltung des gesellschaftlichen Reichtums. Politische Unruhen, Bürgerkriege, Revolutionen, Kriege überhaupt hemmen ebenso wie völkermordende Seuchen und Naturkatastrophen die produktiven Kräfte und insoweit kann in diesen Fällen keine Rede sein von einem Reichtumsoptimum. Die optimale Entwicklung aller seelisch-geistigen Voraussetzungen des gesellschaftlichen Reichtums i m oben erwähnten Sinn hängt ab von dem ungestörten Bestand der drei transzendenten Verbände aller menschlichen Gesellschaft: der Familie, der Kirche u n d dem Staat. Diese drei Verbände bilden insoweit eine unlösbare Einheit, als der umgreifende Verband gebildet w i r d von dem hierokratischen Verband. 14
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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D e r Gesamtprozeß
der Kirche, die gleicherweise Familie und Staat umspannt. Nehmen w i r als Modellfall eines verwirklichten Reichtumoptimums in historischer Zeit das Zeitalter der Königin V i k t o r i a in England, so erkennen w i r die Ursachenkomplexe einer höchsten Wirtschaftsblüte: Parlamentsmonarchie als die relativ vollkommene Staatsform überhaupt, die verbürgt die eiserne Wahrung der Tradition, die Stete und Ruhe des politischen Lebens, das fachgeschulte, parteilose Beamtentum, einen nur i m Namen und Schutz des Königtums und nicht im Namen eines korrupten Parteiklüngels urteilendes Richtertum, die Pflege aller Tugenden i m obigen Sinne, eine an dem erhabenen Vorb i l d der katholischen Kirche orientierte Staatskirche und eingebettet in diese beiden Verbände die Familie, die ihre K r a f t und ihre Gesundheit eben immer wieder empfing von dem umgreifenden Verband der Kirche. Der Modellfall der französischen Republik m i t ihrer Korruptheit, ihren Verfallstendenzen, ihrer erbarmungslosen Verelendung bis zum Bürgertum h i n bei einer weiten Schicht unbehauster A r m u t unter den Seinebrücken erklären das Pathos, m i t der ein Ranke, der größte Historiker aller Zeiten, ein M i l l , ein Marshai, ein Roscher, ein Wagner, ein Gustav Schmoller, die Klassiker unserer Wissenschaft, die Parlamentsmonarchie preisen, während sich für die sogenannte Republik, die j a in der historischen Wirklichkeit immer die Parteiendiktatur eines Parteienklüngels ist u n d in sich alle Tendenzen zur Militärd i k t a t u r mit der verbrecherischen Energie eines Einzelnen trägt, in die sie bei gesunden Völkern nach Schmoller immer wieder umschlägt, kein K o p f von wissenschaftlichem Rang begeistern konnte, weder im A l t e r t u m noch i n der Neuzeit. Die letzten Grundlagen der republikanischen Staatsform sind eben erwachsen aus dem materialistischen Weltbild, einer damit verbundenen mechanistisch-atheistischen Staatsauffassung. Wissenschaftlich ist heute eine solche Auffassung nicht mehr haltbar; das Leben muß notwendigerweise Produkt eines göttlichen Schöpfungsaktes sein und i m Menschen gibt es m i t der akosmischen Macht des Geistes ein Zentrum, wo der Mensch vollzieht zeitlose und unräumliche Akte, es gibt einen zeit- und raumlosen Werdebestimmer i m Sinne der Forschungen von Hans Driesch: diese Fähigkeit i m Menschen, sich dem Leben gegenüberzustellen, die Welt zu vergegenständlichen, dieses Aktzentrum ist kein Lebenszentrum und wurzelt nicht i m Leben, kann nur liegen im obersten und letzten Seinsgrunde. D a m i t t r i t t der Mensch heraus aus dieser Welt und stellt sich über sich selbst und das Leben, das nur kennt Fortpflanzung und Ernährung und nichts außerdem. Ist aber i m Menschen ein solcher Punkt vorhanden, der nicht gründet im Leben, dann heißt das, daß der Mensch verbunden ist mit einer anderen Welt. Diese Tatsache, die w i r beobachten können, liegt im Bereiche der positiven Wissenschaft
Bevölkerung u n d Reichtum: Öer Nahrungsspieiraum
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Dia eine Reihe von menschlichen Handlungen sidi nicht erklären lassen aus dem Gehalte der Welt, muß m i t Notwendigkeit eine andere Welt sein. Diese transzendente Beziehung des Menschen hat nichts zu t u n m i t Religion und Metaphysik, sie ist ein reines wissenschaftliches Urteil. Ebenso drängt logisches Denken den von Werturteilen freien Wissenschaftler, auch den echten Naturwissenschaftler und i n der letzten Zeit auch den Physiker — über uns allmächtige Welt Vernunft, sagt ein M a x Planck, während ein Einstein zugibt, daß Gott nicht bösartig sei, er greife bloß nicht ein i n diese Welt — dazu, alles Leben als Produkt eines göttlichen Schöpfungsaktes festzustellen. U n d aus diesen Bereichen der Wirklichkeit und nicht aus den Phantasien geisteskranker Weltverbesserer oder ethischer Defekttypen fließen die K r a f t ströme für den Modellfall der englischen Monarchie. Die Wissenschaft geht unbeirrbar ihren Weg, sine ira et studio, verbannt ist jede Poli tik, jede Parteipolitik, jedes Werturteil. Der vollkommene Modellfall wäre die Parlamentsmonarchie, zusammen m t i einer einheitlichen katholischen Kirche 3 . § 35. Bevölkerung und Reichtum: D e r Nahrungsspielraum W i r wollen verstehen unter Nahrungsspielraum jenen Raum, innerhalb dessen sich bewegen kann der Güterverzehr aller Konsumenten eines Volkes und der damit verbürgt die materielle Existenz dieses Volkes. Dieser Nahrungsspielraum ist die F u n k t i o n zweier Variabein: nämlich des Bedarfs einerseits und andererseits der Produktion. Von beiden w i r d er gleichmäßig bestimmt. Von der Seite des Güterbedarfs w i r d der Nahrungsspielraum insofern bestimmt, als bei gegebener Produktion die Höhe des Bedarfs entscheidet über den Nahrungsspielraum. Wenn beispielsweise eine Bevölkerung von Reis lebt, dann hat sie bei gegebener Produktion einen größeren Spielraum als wenn sie von Getreide lebt. Bei gegebener Produktionsleistung engt die Fleischnahrung den Nahrungsspielraum ein. Als die Bevölkerung in Europa zum Kartoffelanbau überging, dehnte sich der Nahrungsspielraum aus. Andererseits w i r d bei gegebenem Bedarf der Nahrungsspielraum bestimmt durch das Ausmaß der produktiven Kräfte, der Spielraum also bestimmt durch die Fähigkeit der Produktion. Man darf nie außer acht lassen die Doppelbestimmtheit des Nahrungsspielraums. 3 Anmerkung des Bearbeiters: Werner Sombart hat wiederholt und nachdrücklich in seinem Seminar seine Auffassung über die Staatsform und Kirche vertreten; als Protestant lehnte er selbst den Protestantismus ab; er war religiös aus wissenschaftlicher Uberzeugung, wenn man das sagen darf, er bewunderte die katholische Kirche, er haßte jeder Art von parteipolitischer Voreingenommenheit. Immer wieder wies er darauf hin, daß keiner der großen sozialistischen Theoretiker Argumente gegen die Monarchie, die sich ja mit jedem Wirtschaftssystem vertragen könne, vorgebracht habe. Es wäre eine wissenschaftliche Unredlichkeit gewesen, diese Überzeugungen meines Lehrers zu unterdrücken oder gar zu entstellen. 14*
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Wie steht es nun mit der Verteilung innerhalb eines Volkes? Mau kann sagen, daß hier der Nahrungsspielraum außerordentlich' eingeengt sei. Große Massen sterben vor Hunger, einer kleinen Schicht geht es infolge ungleicher Verteilung des Einkommens sehr gut. Bei einer anderen Verteilung wäre eine Ausweitung des Spielraums möglich. Das Hinsterben der Vielen könnte verhindert werden durch eine gleichmäßige Verteilung. K a n n man das? Läßt sich ein Ausgleich herbeiführen? Ist eine andere Verteilung ohne weiteres möglich? Bei diesen Erwägungen unterstellen w i r einmal, daß es wirklich Menschen gibt, die massenweise an Unterernährung und an Hunger sterben. Die Ärzte verneinen das, verweisen auf die einfachen Ernährungsweisen asiatischer Völker, auf die moderne Ernährungstherapie hin, die gerade das Hungern und sogar das Fasten als Heilmittel benutzt. W i r dürfen zunächst nicht vergessen, daß eine gleichmäßige Verteilung unter keinen Umständen den Lebensstandard heben, wahrscheinlich den durchschnittlichen Lebensstandard senken wird, da das Verhältnis des Reichtums zur Masse einer Bevölkerung unbedeutend ist. Das ist ein ganz übles Schlagwort, daß die Verhinderung des Luxus der Reichen die Lebenshaltung der Armen verbessern könne. Hier ist die Transformierbarkeit der Luxusgüter sehr beschränkt. N u r Güter m i t gleichem Kostenkoeffizienten sind auswechselbar: w i r können Güter m i t hohem Arbeitskoeffizienten nicht verwandeln i n Güter mit hohem Boden- und Stoffkoeffizienten. W i r können nicht verwandeln Spitzen i m Werte von 10 000 Reichsmark i n Hemden i m Werte von 10 000 Reichsmark; w i r können nicht fragen, w a r u m werden die Rennpferde m i t Champagner ernährt, w a r u m keine Ackerpferde statt der Rennpferde angeschafft? Das Rennpferd ist ein Züchtungsprodukt, bei Ackerpferden brauchen w i r mehr Land; die Zahl der Bettler, der Hauslosen vermindert sich nicht um einen einzigen Menschen, wenn alle Rennpferde oder Hunde getötet werden; i m Hinblick auf die Disproportionalität der Produktionsfaktoren erzeugt die Vermehrung von Ackerpferden keine zusätzlichen Lebensmittel. Für Diamanten i m Werte von 10 000 Reichsmark können w i r nicht Brot i m Werte von 10 000 Reichsmark beschaffen; für Brot brauchen w i r mehr Boden. D i e Herstellung eines Films kostet keinen Boden, der Bau eines Automobils vermindert nicht die auf der ganzen Welt vorhandenen Brotmenge. Bis zu einem gewissen Grade läßt sich natürlich das Bedarfsniveau ausgleichen: man k a n n Arbeiterwohnungen an Stelle von Palästen bauen. Hier stehen w i r vor Wertproblemen und verlassen m i t Werturteilen die Bezirke der strengen Wissenschaft. Wie gestaltet sich der Nahrungsspielraum bei zunehmender Bevölkerung? Man hat hier wohl den Satz aufgestellt, daß jeder zuwachsende Mensch eine Quelle des Reichtums sei. Wäre das der Fall,
Bevölkerung u n d Reichtum: D e r Nahrungsspielraum
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so müßte jeder Mensch seinen Unterhalt selber erzeugen. Die Frage nach der Bedeutung eines zuwachsenden Menschen ist i m relativen Sinne zu beantworten. Eine Vermehrung der Bevölkerung ist dann verbunden m i t steigendem Reichtum, wenn durch die zunehmende Bevölkerung eine Annäherung an die Proportionalität der Produktionsfaktoren stattfindet. Solange das O p t i m u m der Proportionalität noch nicht erreicht ist, b e w i r k t die Bevölkerungszunahme eine Reichtumssteigerung. Ist dagegen das O p t i m u m erreicht, sind gerade soviel Menschen da, u m die vorhandenen Produktionsmittel ausnutzen zu können, dann vermag die Arbeitskraft des zuwachsenden Menschen nicht mehr soviel Güter zu erzeugen, u m den Reichtum weiter zu steigern und m i t jedem neuen Zuwachs über die einmal erreichte Bevölkerungszahl hinaus beginnt der Ertrag zu sinken. Das ist die Übervölkerung i m absoluten Sinne; die relative Übervölkerung findet nur statt i n einzelnen Landesteilen u n d kann behoben werden durch Abwanderung von Bevölkerungsteilen i n andere Landesteile ohne Übervölkerung, also mit Arbeitsmöglichkeiten. Eine absolute Übervölkerung würde dann vorliegen, wenn auf einem gegebenen Gebiet der Grenzertrag der Arbeit des letzten A r beiters auch bei ergiebigster Organisation der Wirtschaft, gleichmäßigster Verteilung u n d bescheidenstem Bedarf nicht mehr genügt zu seinem Unterhalt u n d zu seiner Fortpflanzung. Eine absolute Übervölkerung gehört zu den ganz seltenen historischen Fällen. W i r kennen deshalb den Begriff der Übervölkerung nur i n der Form der relativen Übervölkerung, wenn dieser F a l l eintritt i m Rahmen eines bestimmten Wirtschaftssystems, das nämlich die ergiebigste Form nicht darstellt, i m Rahmen eines historisch bestimmten Verteilungsmodus und bei einem bestimmten Lebensanspruch; dies sind die Fälle der relativen Übervölkerung, die auch praktisch eintreten. Also dann, wenn ein Wirtschaftssystem, die A r t zu wirtschaften nicht mehr zuläßt die Existenz einer zunehmenden Bevölkerung, w o h l aber ein anderes Wirtschaftssystem: Jägervölker oder Wildbeuter beim Übergang zur Viehzucht und zum Ackerbau. Können die Menschen nicht mehr existieren, so k a n n durch eine andere Verteilung der Nahrungsspielraum ausgeweitet werden. Ebenso kann durch den Bedarf der Nahrungsspielraum ausgeweitet werden, indem auf bestimmte Arten von Gütern verzichtet wird. W i r können unterscheiden die generelle u n d spezielle Übervölkerung, und zwar entweder mit Bezug auf den Umkreis oder O r t oder mit Bezug auf Teile des Volkes. Bei der generellen Übervölkerung meinen w i r den ganzen Umkreis, die ganze Erde, das ganze Volk, die Menschheit selbst und bei der speziellen Übervölkerung meinen w i r Teile eines ganzen Gebietes, begrenzte örtlichkeiten, bestimmte Landstriche. M i t Bezug auf die Bevölkerungsgruppen innerhalb eines
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D e r Gesamtprozeß
Volkes verstehen w i r unter genereller Übervölkerung alle Berufskreise, unter spezieller Übervölkerung nur bestimmte Berufskreise, einzelne Berufsstände; hier sprechen w i r auch von Uberfüllung eines Berufs. Wie gestaltet sich der Nahrungsspielraum in seiner dynamischen Gestalt, also i n seinen noch ausweitungsfähigen Möglichkeiten bei steigender Bevölkerung? Hier besteht der I r r t u m , daß eine Bevölkerungsvermehrung m i t Notwendigkeit zur Folge hat eine Ausweitung des Nahrungsspielraums, daß Zunahme der Bevölkerung bewirke eine Zunahme des Reichtums. Die sozialistischen Weltverbesserer haben auf diesen P u n k t hingewiesen, so Ferdinand Lassalle: je mehr Menschen, je mehr Reichtum. Lassalle war ein sehr gescheiter Mensch, der leider den Vorurteilen seiner Zeit verfallen war. Der Gedanke ist natürlich grundfalsch. Eine Vermehrung der Bevölkerung bedeutet keineswegs eine Vermehrung des Reichtums. Es müssen sich die natürlichen Bedingungen des Reichtums i m Lande vermehren m i t der Bevölkerung zusammen; es muß die Urstoff Produktion i m selben Verhältnis m i t der Bevölkerungszunahme anwachsen; die richtige Verhältnismäßigkeit, die Proportionalität zwischen lebendiger Arbeit und sachlichen Produktionsbedingungen muß gegeben sein. I n einem dünn bevölkerten Lande w i r d eine Zunahme der Bevölkerung eine Zunahme des Reichtums bewirken. Auch der Übergang von der extensiven zur intensiven Wirtschaft und zur Arbeitsteilung führt zu einer stetigen Reichtumszunahme (Vereinigte Staaten von Nordamerika i m 19. Jahrhundert). M i t jedem neuen A n k ö m m l i n g konnten die Quellen des Reichtums erschlossen werden. Das hörte auf, als das optimale Verhältnis zwischen lebendiger Arbeit und den sachlichen Produktionsbedingungen hergestellt war. W i r müssen die Übervölkerung verstehen in ihrer Relativität. Endlich wollen w i r erörtern den Nahrungsspielraum einzelner Gruppen der Bevölkerung, und zwar der Städter. W i r fragen nadi der ökonomischen Bedingtheit der Stadt. Der Begriff der Stadt ist j a ein sehr vieldeutiger: man kann die Stadt betrachten unter architektonischem, statistischem und militärischem Gesichtspunkt. G i b t es auch einen ökonomischen Begriff der Stadt? I m ökonomischen Sinn ist die Stadt eine Ansammlung von Menschen, die von den Überschüssen des Landes lebt, die sich nicht mehr erhalten k a n n aus eigener K r a f t , die nicht mehr lebt von der eigenen Scholle, die angewiesen ist auf die ländliche Bevölkerung und die Überschüsse des Ackerbaus. Die Zahl der Städter ist so groß als die Überschüsse der Landwirtschaft sind. Der Nahrungsspielraum der Städte w i r d bestimmt durch die Überschüsse der Landwirtschaft. Es besteht hier eine gesetzmäßige Entsprechung: je größer das Land, desto größer kann die Stadt sein. Oder bei einem gleichen Gebiet, das für eine
Bevölkerung und Reichtum: D e r Nahrungsspielraum
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Stadt sorgt, kann eine Stadt u m so größer sein, je fruchtbarer das Land ist. Die größten Städte gibt es i n den fruchtbarsten Ländern. Die größten Städte sind entstanden in den Flußniederungen, i n China, in der Flußebene des Euphrat u n d Tigris, i n Ägypten, in Holland. Wenn der Umkreis und der Fruchtbarkeitsgrad des Landes gegeben sind, dann hängt die Größe der Stadt ab von der Höhe des Anteils, den die Stadt nimmt. I n tyrannischen Ländern gibt es größere Städte als in Ländern mit Parlamentsmonarchie und demokratischen Lebensformen (vgl. England und Preußen und Friedrich W i l h e l m I., Friedrich den Großen, die ganze Reihe des einzigartigen Herrschergeschlechts der Hohen zollern). A u d i die sogenannten großen Handelsrepubliken des Altertums u n d Mittelalters, Karthago u n d Venedig, entwickelten Riesenstädte durch tyrannischen Druck auf das Land: autoritär u n d zentralistisch regierte Länder, Despotien u n d D i k t a t u ren regieren mit Terror und hohen Steuern und entwickeln große Städte: die Stadttyrannen in Italien i m Mittelalter, der russische Zarismus unter Peter dem Großen und I w a n dem S dir ecklichen. I n gleicher Weise gelten diese Feststellungen für das Gewerbe. Auch liier w i r d der Umfang des Gewerbes bestimmt durch die Uberschüsse der Landwirtschaft. Das sind grundlegende Einsichten, die i n Vergessenheit geraten sind durch die Inbeziehungsetziing der Völker zueinander. W i r müssen uns einen geschlossenen Handelsstaat vorstellen, um diese Beziehungen klar zu erkennen. Ein solcher geschlossener Bereich besteht heute nicht mehr, indem der deutsche Eisenfabrikant, der Arzt, der Lehrer leben nicht aus den Uberschüssen der deutschen, sondern der argentinischen Landwirtschaft. Das ist die Ineinanderfügung der Länder, die nichts ändert an der Grundthese. Wenden w i r diese Wahrheiten an auf das letzte Jahrhundert, so muß der Ausgangspunkt sein die westeuropäische Menschheit, der gegenübersteht eine rasche Ausweitung des Nahrungsspielraums. Die Bevölkerung Europas wächst in diesen 150 Jahren von 180 Millionen Menschen auf 450 Millionen Menschen an. Es handelt sich hier um das Zusammentreffen episodaler Momente, die nicht wiederkehren: Ausbau, Anbau und Abbau kennzeichnen schlagwortartig diese einmalige historische Situation. A u f diesen drei Wegen ist es der europäischen Menschheit gelungen, den Nahrungsspielraum auszuweiten. Unter Ausbau verstehen w i r die Entfaltung der produktiven Kräfte: die Intensivierung der Landwirtschaft. Das genügt nicht, wenn nicht die Möglichkeit geschaffen w i r d , den Raum auszuweiten durch Anbau, indem übergegriffen w i r d auf die jungfräulichen Böden neuer Länder: Westeuropa w i r d gleichsam zu einer großen Stadt, während die übrige Erde zur Landschaft geworden ist, die diese gewaltige Stadt ernährt. Der Nahrungsspielraum wurde ungemein ausgeweitet, indem ganze Länder der Erde im Raubbau oder mit Hunger ihre
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D e r Gesamtprozeß
Uberschüsse Westeuropa zur Verfügung stellten: der russische Steuerdruck zwang den russischen Bauern zur Hergabe seines Getreides; m i t dem Hunger des russischen Bauern war der europäische Eisenbahnbau möglich, m i t dem Raubbau an den jungfräulichen Böden Amerikas wurde die europäische Zuwachsbevölkerung, wurden 450 Millionen Menschen ernährt, während Europa durch alle Jahrhunderte hindurch nur 180 Millionen Menschen ernähren konnte. Dazu k a m drittens der Abbau: indem die i n Jahrmillionen von der Sonnenenergie aufgespeicherten Kohlenenergien, die gewaltigen Erzund Erdöllager i n Europa erschlossen wurden, k a m es zur Entwicklung der modernen Technik und damit zu einer völlig neuen Situation der menschlichen Unterhaltsfürsorge. M i t dem Siegeszug der Naturwissenschaften erfolgt die Emanzipation des Menschen von den Stoffen und Kräften der organischen Natur. Die Verwendung anorganischer Stoffe an Stelle der organischen Stoffe der lebendigen Natur schafft abermals neue Möglichkeiten zur Ausweitung des Nahrungsspielraums. Die Menschheit ist durch die Erschließung der Kohlenschätze und Erzlager i n den Besitz eines Vermögens gelangt, während sie vorher von einem regelmäßig wiederkehrenden Einkommen lebte. Der erste Weltkrieg stellt hier den großen Einschnitt dar: die Epoche des Hochkapitalismus ist für Europa im Jahre 1914 zu Ende, das Wirtschaftssystem t r i t t i m August 1914 i n seine Spätepoche. Das Ende des Weltkrieges i m Jahre 1918 zeigt das Ende aller Bedingungen, die den Hochkapitalismus entwickelten. Das Wetterleuchten der Weltkrisen leitet die Epoche des Spätkapitalismus ein, der im Interesse der Menschheit kein Ende finden möge, weil sein Ende Blut, Tränen, Hunger und Tyran nis für die Menschheit bedeuten. Andere Länder sind nach 1918 nicht gewillt, i n das Abhängigkeitsverhältnis der europäischen Menschheit zu treten. Die Kohlen- und Erzlager lassen i n ihrer Ergiebigkeit nach, die Ölquellen versiegen in übersehbaren Zeiträumen, sicher innerhalb eines Jahrhunderts. Die neue Zeit ist gekennzeichnet durch die unaufhaltsame Einengung des Nahrungsspielraums. „Das sind aber, meine Herren und Damen, historische Betrachtungen, m i t denen ich diese Vorlesung schließe. D a m i t sind Sie i n den Vor-hof der Wirtschaftswissenschaft eingetreten. Die Aufgabe dieser Vorlesung war, Ihnen die allgemeinen Kategorien zu übermitteln, den Schlüssel i n die Hand zu geben, m i t dem Sie nunmehr die Schatzkammer der eigentlichen Wirtschaftswissenschaft auf schließen können, die als verstehende Kulturwissenschaft eine historische Wissenschaft ist und sich mit der Analyse der historischen Wirtschaftssysteme befaßt."
Sachregister Einführung in das Sachregister Grundeinstellungen zu der menschlichen Wirtschaft gibt es drei: die metaphysische, die naturwissenschaftliche und die geistwissenschaftliche, die zu den drei Gestaltungen der Nationalökonomie führten: der richtenden, der ordnenden und der verstehenden Nationalökonomie. Sämtliche Werke der Nationalökonomie gehören entweder der richtenden Nationalökonomie an, die lehren will nicht sowohl das, was ist, als vielmehr das, was sein soll, die erforschen will die richtige, den Lebensbedingungen der Gesellschaft angemessene, „adäquate" Wirtschaft, den Sinn der Welt, die Aufgaben der Menschheit; oder sie übernehmen die naturwissenschaftliche Methode als die Erkenntnisweise für die Nationalökonomie, indem sie auf Wesenserkenntnis verzichten, da das Wesen der Natur für die Wissenschaft unerkennbar ist: die ordnende Nationalökonomie kann keine Antwort erteilen auf die Fragen: woher? wodurch? wozu?, und sie kann für keines ihrer Ergebnisse beanspruchen die Notwendigkeit der Wesenserkenntnis. Der Geltungswert ihrer Forschungsergebnisse ist beschränkt auf die Gewinnung berechenbarer Tatsachen, auf qualitätslose Größen, und die Auffindung von Gesetzen, damit die Einzelerscheinung als Fall unter sie geordnet werden könne: das oberste Ordnungsprinzip der ordnenden Nationalökonomie wie aller Naturwissenschaft ist der Gesetzbegriff, wobei empirische Gesetze aus der Erfahrung gewonnene Regeln der Aufeinanderfolge von Erscheinungen sind. Zu ihnen gelangt die Induktion (Mill.), die vorläufige Anordnungen feststellt, während dann die Deduktion die wissensdiaftlichen Gesetze im echten Sinne, die Naturgesetze findet. Werner Sombart hat erstmalig fruchtbar gemacht die Erkenntnisweise des „Yerstehens" für die Nationalökonomie. Das Verstehen ist diejenige Erkenntnisart, die allein ermöglicht eine wissenschaftliche Bemächtigung der Kulturerscheinungen wie das „Begreifen", das ordnende Erkenntnisverfahren ein äußerliches Ordnen der Naturerscheinungen zur Folge hat. Bei allen Naturerscheinungen stehen wir einem Rätsel gegenüber, das wir niemals lösen werden; wenn wir den Erkenntnisweg erwägen, den wir durchmessen beim Verstehen, so können wir Verstehen Sinnerfassen nennen. Wir machen uns eine Erscheinung dadurch verständlich, daß wir zu ergründen sudien ihren „Sinn", daß wir sie einbeziehen in einen uns bekannten Sinnzusammenhang. Eine Erscheinung der Kultur kann teilhaben an mehreren Sinnzusammenhängen, dann verstehen wir sie in ihrer mehrfachen Sinnbezogenheit. Sinnerfassen ist Ableitung aus dem Grunde, bei dem der Grund selbst bekannt ist. Indem wir verstehen, erkennen wir nur, was wir vorher schon wußten: alles, was in der Kultur ist, war einmal im Menschen. Wir erkennen nur das, was wir auch machen können: nur Gleiches wird erkannt durch Gleiches in seinem innersten Wesen. In diesen Einsichten ist begründet die Erkenntnistheorie des Verstehens. Wir stehen in allen Kulturwissenschaften gleichsam hinter den Kulissen einer
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Sachregister
W e l t , die w i r selbst gemacht haben, u m einen Ausdruck Schopenhauers zu gebrauchen. A u f die Frage: W a r u m geschieht das alles i n der Natur?, vermag kein Weiser zu antworten, niemals. D i e hier vorgelebte Allgemeine Nationalökonomie ist das erste reine System einer verstehenden Nationalökonomie. Dieses grundlegende W e r k von W e r n e r Sombart enthält sämtliche Kategorien der A l l g e m e i n e n Nationalökonomie, jene Grundbegriffe, die die i n aller Wirtschaft, zu allen Zeiten, bei allen "Völkern wiederkehrenden Erscheinungen, Vorkommnisse, Vorgänge. Zustände i n i h r e r zeitlosen Sinnbedeutung erfassen; die i n der menschlichen Unterhaltsfürsorge von den Uranfängen der W i l d b e u t e r bis zur Gegenwart i m m e r wiederkehrenden Sachverhalte, die wirtschaftlichen Dominanten, die Archetypen werden dargestellt als zeitlose Bedeutungsintentionen i n einer transzendentalen Vorzeichnung der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Das Sachregister eines geistwissenschaftlichen Werkes unterscheidet sich schon hinsichtlich des Umfanges wesentlich von den Sachregistern naturwissenschaftlicher Arbeiten, bei denen möglichste Vollständigkeit ein ausgesprochenes Bedürfnis ist beim schnellen Orientieren, da hier dieselben Begriffe in immer neuen Tatsachenbeständen auftauchen, an verschiedenen Stellen des Buches gefunden werden. Das hier zusammengestellte Sachregister k a n n sich beschränken auf die Grundbegriffe u n d die Verweisung auf den einmaligen Sinnzusammenhang. Bei den Definitionen, der Schaffung eines begrifflichen Geflechtes durch Rückverweisungen u n d der Einfügung i n weitere Sinnbezogenheiten w u r d e n berücksichtigt die Bedürfnisse der Studierenden. Es ist deshalb zweckmäßig für den Studierenden, vor dem Lesen des Werkes das Sachregister zu lesen, da aus den erörterten G r ü n d e n die E i n p r ä g u n g der Definitionen leicht gemacht ist.
Sachregister D i e Zahlen geben die Seiten an. D e h n t sich die E r ö r t e r u n g aus über mehrere Seiten, so ist n u r die erste u n d letzte Seitenzahl genannt, getrennt durch einen Strich ( A b k ü r z u n g s. = siehe).
Abartigkeiten, Ablehnung transzendenter W e r t e 207 Abbau, s. dispositive ö k o n o m i t ä t der nicht vermehrbaren V o r r ä t e 160 A b k ü r z u n g der Arbeitsprozesse i n der gewerblichen P r o d u k t i o n , alle mechanischen Prozesse sind abgekürzt; die A b k ü r z u n g der Produktionsprozesse der Stoffverarbeitung gehört zu den wichtigsten Fortschritten i n der Entwickl u n g des Menschengeschlechts 97 Absatzfähigkeit, natürliche oder p h y sische u n d ökonomische Transp o r t f ä h i g k e i t ; absolut natürliche u n d sehr geringe ökonomische Transportfähigkeit von Pflastersteinen; die Absatzfähigkeit eines
Gutes steht i n quadratischem Verhältnis zu seiner Transportfähigk e i t 186—187 Abschreiben, Amortisation, historisch-ökonomischer Begriff, s. A r beits-, Boden-, Urstoffkosten; das Mengenverhältnis dieser Bestandteile der Produktionskosten ist verschieden i n den Arbeitsprod u k t e n ; abgeschrieben w i r d der Abnutzungskoeffizient 131—132 Abteilungen, Produktionsabteilungen, s. G l i e d e r u n g der P r o d u k t i o n ; U r p r o d u k t i o n als Stoff gew i n n u n g , Stoffverarbeitung oder Stoffveredelung u n d Transport als Güterbewegung 87—89 Ackerbau, s. U r p r o d u k t i o n , P r o d u k tionsabteilungen u n d Berufsstatistik 89—90
Sachregister Altersaufbau, Verhältnis der verschiedenen Altersstufen zueinander; Differenz zwischen Geburten· u n d Sterberate, W i r k u n g auf Gesamtproduktivität, Mangel an Alterserfahrung, Übergewicht arbeitsunfähiger Personen 205 Amortisation, s. Abschreibung 132 Anbau, s. regenerative ö k o n o m i t ä t i n der organischen Produktionssphäre als Bewirtschaftung eines erneuerungsfähigen Vorrats 160 Anbauintensität als A u f w a n d von lebendiger A r b e i t u n d P r o d u k t i o n s m i t t e l n auf ein Stück Land, s. Arbeitsmittel-, P r o d u k t i o n s m i t telintensiv, extensive u n d intensive Landwirtschaft 143—144 Angewiesensein des Menschen auf andere Menschen, H e r d e n t i e r 34 Anreicherungswirtschaft, s. Ergänzungswirtschaft, regenerative ö k o nomität, V o r r a t an Stoffen u n d K r ä f t e n w i r d größer trotz oder infolge der N u t z u n g 163 Antriebsmaschine, Bewegungs- oder Kraftmaschine 125 A n t r i e b s m i t t e l zur Steigerung der intensiven Zeitökonomie: A u f sicht, Zeitlohn, Stücklohn, Präm i e n l o h n ; Steigerung der Arbeitsenergie durch Benutzung des maschinellen Apparates u n d durch Arbeitszeitverkürzung; Sachmittelapparat u n d A b l a u f chemischer Prozesse bestimmen A r beitstempo,s.Fließbandprinzip 147 Apparate, an denen u n d m i t denen gearbeitet w i r d , produzierte Produktionsmittel, Produktionsmittelvorrat, P r o d u k t i o n s m i t t e l f o n d als I n b e g r i f f aller zur P r o d u k t i o n dienenden sachlichen Bedingungen, die Gesamtheit von A r beitsprodukten, die ihrerseits dienen, Güter zu erzeugen: Wege, Transportanlagen. Straßen, B r ü k ken, Gebäude, Werkzeuge, Maschinen, Transportgefäße, ein künstlicher Apparat zur Gütererzeugung, auch als Sachtechnik bezeichnet 123 A r b e i t . A r t e n der, schöpferische, organisierende, leitende, ausführende u n d beseelte, vergeistete, gelernte, angelernte u n d ungelernte 103—105
A r b e i t , B e g r i f f der, zweckvolle Bet ä t i g u n g des Menschen zur Herb e i f ü h r u n g eines Erfolges; m i t der A r b e i t schafft der Mensch als Geistwesen eine A r t v o n Neuschöpfung der N a t u r , eine zweite persönliche W e l t , die K u l t u r als Menschenwerk 101—103 Arbeit, W i r k u n g auf den A r b e i t e r , lebensfördernde u n d lebenszerstörende W i r k u n g , s. K u l t u r b e d e u t u n g der A r b e i t 107 A r b e i t als Antigenuß, A n t i n u t z e n , D i s u t i l i t y , als Arbeitsbeschwerde, als Arbeitspein, s. Kostenlehre als Bestandteil der Grenznutzenlehre 70—72 Arbeit als Arbeitserlebnis 108 A r b e i t als Beruf 107 A r b e i t als gesellschaftliche Tatsache. V e r k e t t u n g der menschlichen A r beit i n Raum u n d Zeit: E r f o l g der menschlichen A r b e i t sreknüpft an die A r b e i t anderer Men sehen zu seinen Lebzeiten 22 A r b e i t als meßbare Größe, abstrakt menschliche A r b e i t 108 A r b e i t u n d N a t u r als die B e w i r k er jeder P r o d u k t i o n u n d die einzigen P r o d u k t i o n s f a k t o r e n 100—101 A r b e i t u n d N a t u r als die Quellen des gesellschaftlichenReichttims 78 A r b e i t u n d Spiel 102 Arbeitsaufwand, Masse der Arbeitsenergie, die hineingepackt w i r d von einem A r b e i t e r i n eine A r beit i n einer bestimmten Zeitspanne; hänert ab von leiblichseelisch-geistiger Beschaffenheit und dem sozialen M i l i e u , der K u l t u r s i t u a t i o n , s. Arbeitsintensität 141—142 Arbeitsbedingung, gehört zum sachlichen Produktionsfaktor: i n jedem P r o d u k t i o n s vor gang erscheint die äußere N a t u r als Arbeitsbedingung u n d als Arbeitsgegenstand; u n t e r dem sachlichen P r o d u k tionsfaktor verstehen w i r den I n b e g r i f f alles dessen, was die N a t u r beiträgt zum Gelingen der Gütererzeugung; u n t e r den A r beitsbedingungen verstehen w i r die natürlichen Voraussetzungen jeder P r o d u k t i o n : den Standort, den Fundort, die N a t u r k r ä f t e der
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Sachregister organischen u n d anorganischen N a t u r ; ohne M i t w i r k u n g der Nat u r k a n n der Mensch keine Güter erzeugen 18, 120—121
Arbeitserfolg, die Inbeziehungsetzung eines bestimmten Arbeitsaufwandes m i t einer bestimmten Menge P r o d u k t , die f e r t i g w i r d als Arbeitserfolg i n einer bestimmten Zeitspanne, s. Arbeitsp r o d u k t i v i t ä t 149 Arbeitsgegenstand, derjenige Bestandteil der N a t u r , an dem der A r b e i t e r sich betätigt: der A r beitsgegenstand als Stoff ist k e i n naturwissenschaftlicher, sondern ein geistwissenschaftlicher Begriff. w e i l er gebildet w i r d durch die Beziehungen zu dem Menschen: n u r dasjenige natürliche Dasein w i r d Stoff oder Arbeitsgegenstand, das hineingezogen w i r d i n den Bereich der A r b e i t u n d damit w i r d zu einem begrenzten Zweck, s. sachlicher Produktionsfaktor. TJrstoff. "Rohstoff. Zwischenstoff 121—122 Arbeitsintensität. Tnbeziehungsetzung des Energieaufwandes eines Arbeiters zu einer bestimmten Zeitspanne, als intensive Zeitökonomie hängt sie ab von der Schnell i g k e i t des Fließbandes; hohe A r beitsleistung meint i m m e r gesteigerte Arbeitsintensität, viel Prod u k t meint i m m e r gesteigerte A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t 149—150 Arbeitskoeffizient. Menge von lebendiger A r b e i t , die i n einem Sachgut enthalten ist: Eisenstange u n d Uhrfeder verschieden hoher Arbeitskoeffizient 180 Arbeitskosten, A u f w a n d lebendiger A r b e i t , bestimmt durch die Momente der Zahl der Menschen, die beteiligt sind an der Herstell u n g eines Gutes, aus der A r beitszeitdauer und dem Intensitätsgrad der A r b e i t , s. Arbeits-, Boden- u n d Urstoffkosten als Produktionskosten einesSachgutes 130 Arbeitsleistung und Arbeitserfolg als A u s w i r k u n g menschlicher E x i stenz q u a n t i t a t i v nicht faßbar 150 Arbeitsmaschine, Maschine, die die A r b e i t ausführt, genannt W e r k zeugmaschine 125
A r b e i t s m i t t e l , ein Gegenstand, den der A r b e i t e r zwischen sich u n d den Arbeitsgegenstand schiebt, u m diesen seinen Zwecken gemäß zu bearbeiten oder sonstwie zu nutzen: a k t i v e A r b e i t s m i t t e l sind alle Werkzeuge u n d Maschinen, das Muskelsystem der Prod u k t i o n ; passive A r b e i t s m i t t e l sind alle Apparate, Transportgefäße, Behälter, an denen, i n denen, auf denen Güter erzeugt u n d bewegt werden. D i e Entwickl u n g der P r o d u k t i o n läßt sich ablesen v o n der E n t w i c k l u n g des Arbeitsmittels (s. Bestandteile des sachlichen Produktionsfaktors: Arbeitsbedingung, Arbeitsgegenstand, Arbeitsmittel) 122—125 Arbeitsorganisation, s. Kooperation u n d Spezialisation als die einzigen P r i n z i p i e n der Arbeitsverteil u n g beim Zusammenwirken vieler Menschen 110 Arbeitsplan, die A r t u n d Weise, wie die A r b e i t gestaltet sein k a n n ; s. Arbeitstechnik u n d Arbeitsorganisation 79, 109 Arbeitsproduktivität, Ergiebigkeit der menschlichen A r b e i t , das Ergebnis des menschlichen Energieaufwandes, Inbeziehungsetzung eines bestimmten Arbeitsaufwandes m i t einer bestimmten Menge Produkt, die fertig w i r d als A r beitserfolg i n einer bestimmten Zeit. V i e l P r o d u k t meint gesteigerteArbeitsproduktivität, immer bezogen auf bestimmte Zeitspanne 149—150 A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t , Momente i h r e r Steigerung durch Arbeitsorganisation u n d Technik, insbesondere durch Spezialisation u n d Großbetrieb, Fruchtbarkeitsgrad des Bodens i n der Landwirtschaft 150—157 A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t als zentraler Begriff der Volkswirtschaft 151 Arbeitsspezialisation, Arbeitsteilung, Berufsdifferenzierung; Adam Smith führte den W o h l s t a n d zurück auf die Arbeitsteilung, die Berufszerlegung: macht ein A r beiter i m m e r dasselbe, so steigert sich seine Geschicklichkeit. Spezialisation steigert die Arbeitsp r o d u k t i v i t ä t 113, 151
Sachregister Arbeitstechnik als bestimmte A r t der Arbeitsgestaltung für den einzelnen Menschen, als arbeitszerlegendes, arbeitszusammenlegendes u n d materialvereinigendes Verfahren 109 Arbeitsstunden, bei Bestimmung der Produktionskosten eines Gutes, die sidi aufteilen i n Arbeits-, Boden- u n d Urstoffkosten, bestimmen die Arbeitsstunden den niederen oder höheren Verarbeitsgrad eines Gegenstandes u n d drücken damit aus das Verhältnis zwischen Rohstoff u n d A r b e i t ; als historisch-ökonomische Kategorie w i r d heute die Preisgestaltung zum Maßstab des Verarbeitungsgrades 132—133 Arbeitswert, der A r b e i t s a u f w a n d als verausgabte Arbeitszeit bei der H e r s t e l l u n g eines Gutes; Arbeits-, Boden- u n d Stoffwert sind Kostenmomente, Aufwandsmöglichk e i t e n i n aller menschlichen Unterhaltsfürsorge; s. Nutz- u n d Aufwandseinstellung bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Güterwertes 59 Aufwandseinstellung, s. wirtschaftlicher G ü t e r w e r t : Arbeits-, Boden-, Stoff auf w a n d ; Nutzeinstell u n g : Brauchbarkeit als Begehrtheit u n d Seltenheit 59 Ausbeute, s. Ausbringung, Rendement, Sach- u n d Nutzungsintensität als die Herausholung von Energie aus einem Sachgut 144 Ausbeutekoeffizient, drückt den Intensitätsgrad der N u t z u n g aus i n Prozenten der vorhandenen Energiemasse; bestimmt den Verwandlungsgrad von potentieller Energie i n a k t u e l l e Energie: s. Sach- u n d Nutzungsintensität als das Verhältnis, i n dem die i n einem sachlichen Produktionsfaktor enthaltenen p r o d u k t i v e n Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden für die P r o d u k t i o n 143 Ausbringung, Rendement, s. Ausbeutekoeffizient 143 Ausgleich des Nahrungsspielraums durch Ausbau als E n t f a l t u n g der p r o d u k t i v e n Kräfte, Intensivier u n g der Landwirtschaft, durch Anbau jungfräulicher Böden neuer Länder u n d Raubbau, d u r d i
A b b a u der i n j a h r m i l i i o n e n von der Sonnenenergie aufgespeicherten Kohlenenergien, durch die Verwendung anorganischer Stoffe an Stelle der organischen Stoffe der lebendigen N a t u r 215—216 Auslese, negative durch Kriege, positive durch Auswanderung, s. Ausmerzprozesse 206 Ausnutzung der kosmischen Zeit, s. Betriebsintensität als Zeitökonomie 145 A u s r o t t u n g des Viehbestandes, s. Raubwirtschaft, Raubbau, ö k o n o m i t ä t ; furchtbare Folgen des Vogelmordes als Lebensirevel zeigen umfassende Ursachenverk e t t u n g j e d e n Geschehens i n der lebendigen N a t u r 162 A u s w e i t u n g des Nahrungsspielraums durch Ausbau, Anbau, Abbau, s. A u s g l e i d i 215—216 A u s w e i t u n g des Sachmittelapparates ersetzt lebendige A r b e i t durch Sachdinge, steigert die Arbeitsp r o d u k t i v i t ä t , den Produktionserfolg u n d v e r b i l l i g t durch Massenfertigung v o n Sachgütern das einzelne Stück; Verlängerung des Produktionsweges verlegt die lebendige A r b e i t zurück i n frühere Stadien des Produktionsprozesses 154—155 Automatisation, die P r o d u k t i o n w i r d ausgeführt durch das Aufeina n d e r w i r k e n lebloser Sachdinge, die H e r s t e l l u n g der Sachgüter w i r d besorgt v o n einem Mechanismus, der an die Stelle des Menschen t r i t t ; der Mensch setzt den Automatismus i n Gang u n d beaufsichtigt i h n ; die absolut mechanische, automatisierte P r o d u k t i o n schaltet die menschliche M i t w i r k u n g i n der tatsächlichen Prod u k t i o n aus; bedingungslose Einfügung des ganzen Menschen i n ein System lebloser Körper, s. Fließband; A u t o m a t i s i e r u n g ist der Oberbegriff, der die beiden A r t e n automatischer oder automatisierter Großbetriebe umspannt; die F a b r i k m i t einem Maschinensystem v o n Antriebs-, Arbeitsmaschinen u n d Transmissionen sowie die chemische Fab r i k ohne Maschinensystem 92. 106, 217
Sachregister
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A u t o m a t i s i e r u n g als K e t t u n g des Menschen an die Maschine, als Antriebsmittel zur Steigerung der Arbeitsintensität; die Benutzung des maschinellen Apparates als A n t r i e b s m i t t e l ; die Maschine bestimmt das Arbeitstempo; das fließende Bandprinzip, das Fließband bindet den A r b e i t e r an eine bestimmte Zeit u n d der G r a d der erreichten Arbeitsintensität oder intensiven Zeitökonomie hängt davon ab, w i e schnell das Fließband läuft 147—148
Β Bandprinzip, s. Automatisierung, Fließband 147—148 Beamtenarbeit, s. Bedeutungen des Produktivitätsbegriffs, Eigenschaftsbegriff : notwendig zum Zustandekommen des wirtschaftlichen Prozesses oder fördernde E i n w i r k u n g auf den Wirtschaftsprozeß 166—168 Bedarf, I n b e g r i f f aller zur F r i s t u n g des Daseins der Lebewesen erforderlichen Dinge der äußeren N a t u r , Bedarf i m objektiven Sinn; i m s u b j e k t i v e n Sinn: das Streben zur Beschaffung von diesen D i n g e n der äußeren Natur. Ausgangspunkt: Grundtatsache der Spannung zwischen Bedürft i g k e i t des Menschen u n d Kargheit der N a t u r ; s. Güterbedarf 51 Bedarf, A r t e n u n d Entstehung des, privater u n d öffentlicher, individueller u n d k o l l e k t i v e r , potent i e l l e r u n d aktueller, einmaliger und wiederkehrender Bedarf ; zentralisierter 1 , organisierter, konzentrieter Massenbedarf; notwendiger u n d Luxusbedarf; endogene u n d exogene, autonome u n d heteronome, rationale u n d irrationale, rationelle u n d irrationelle Entstehung des Bedarfs 60—68
Bedarfsdeckungsprinzip, Idee der N a h r u n g als Leitidee einer bestimmten Wirtschaftsgesinnung: die Wirtschaftsgesinnung der Wirtschaftssubjekte o b j e k t i v i e r t sich i n den Wirtschaftsprinzipien, die Ausfluß sind der unterschiedlichen Zwecksetzungen der W i r t -
sdiaftssubjekte. Zwei A r t e n v o n Zwecksetzungen: die Menschen & treuen entweder nach der tieschaiiung eines nach Umfang u n d A r t lest umschriebenen Vorrats an Sachgütern, suchen i h r e n nat u r a l e n .bedarf an Gebrauchsg ü t e r n zu decken, folgen der Idee der iNahrung oder des standesgemäüen Unterhalts; oder sie erstreben Gewinn, suchen eine möglichst grolie Geldmenge zu erwerben durch wirtschaitliche T ä t i g k e i t ; i m ersten Jfall: Bedarisdeckungsprinzip; i m zweiten F a l l : ErwerDsprinzip; s. W i r t schaftssystem 23, 33 Bedarfsgestaltung, rationale, ration e l l e : r a t i o n a l oder rationalistisch ist zweckbedacht, orientiert an subjektiven Zweckvorstellungen: öffentlicher Haushalt m i t Rangordnung der Bedarfsfälle ist zweckbedachte, rationale oder rationalistische Bedarfsgestaltung; irrationale oder irrationalistische Bedarfsgestaltung ist zweckunbedacht and orientiert sich willkürlich an Familientradition, Nachahmung, sozialen Sitten, Brauchtum, Moden; rationelle Bedarfsgestaltung ist zweckgemäß, sie o r i e n t i e r t sich an einem o b j e k t i v e n Zweck, die Bedarfsgestaltung erwächst aus o b j e k t i v e n Gestaltungen medizinischer, sanitärer, religiöser, k u l t u r e l l e r , kriegerischer oder sonstiger A r t : die künstliche E r n ä h r u n g des Säuglings m i t steriler Flaschenmilch entstand aus einem rationalen oder rationalistischen, also zweckbedachten Verhalten: w i e machen w i r es am besten, aber der E r f o l g w a r sehr i r r a t i o nell, sehr unzweckmäßig, indem der Säugling v e r k ü m m e r t e und e r k r a n k t e , w ä h r e n d das überkommene traditionalistische, also i r r a t i o n a l e oder irrationalistische V e r h a l t e n der S t i l l u n g m i t der M u t t e r m i l c h sehr rationell, zweckmäßig w a r 68 Bedeutung des Produktivitätsbegriffs als Wert-, Maß-, Eigenschaftsbegriffs 164—171 Bedeutungen, verschiedene. des Wortes Wirtschaft, W i r t und
Sachregister Wirtschaftlichkeit, Oekonomia, Oeconomicus 46—50 Bedeutungswandel des Wortes W i r t schaft 47—50 Bedingtheit, gegenseitige der w i r t schaftlichen ieilvorgänge 165 Bedingungen der A r b e i t s i n t e n s i t ä t : leibiicb-seeliscii-geistige Beschaffenheit b i l d e t unveränderliche Schranke der A r b e i t s i n t e n s i t ä t ; bei gegebener W i l l i g k e i t zur A r beit w i r d Intensität bestimmt durch Ernährung, sorgenfreie Lebenslage, E i g n u n g zu bestimmter A r b e i t , das soziale M i l i e u : Erziehung, Schule, Religion; A r beitsverfassung: eigene oder fremde A r b e i t , freie A r b e i t oder Zwangsarbeit; durch Kriegs-, Bürgerkriegs- u n d t r i e d e n s z e i ten, Wohnverhältnisse, Sozialversicherung; i m Betriebsrahmen durch Löhne, Prämien, Arbeitszeit, Urlaub u n d neben Menschenführung durch die bekannten A n t r i e b s m i t t e l 141—143 Bedingungen der Arbeitsprodukt i v i t ä t , das sind Fruchtbarkeit des Erdbodens, Bodenschätze, ihre Erschließbarkeit, die A r beitsorganisation u n d die Vervollkommnung der Technik; A d a m Smith erblickte i n der Arbeitsteilung, der Spezialisat i o n die einzige Ursache, die die Arbeitsergiebigkeit u n d die Höhe des Reichtums der Gesellschaft bestimme; s. Stecknadelmanufakt u r bei Smith 151 Bedingungen der B o d e n p r o d u k t i v i tät, das sind der Fruchtbarkeitsgrad des Bodens, der G r a d der Anbauintensität, der Stand der Anbautechnik, insbesondere die Kenntnis der Wachstumsbedingungen der Pflanzen 149 Bedingungen der volkswirtschaftlichen P r o d u k t i v i t ä t , das sind die Bedingungen u n d das O p t i m u m des gesellschaftlichen Reichtums 203—211 Bedürfen, leiblich-seelisch-geistiges Bedürfen des Menschen 51 Bedürfnis, eigenartiges Erleben des Ermangeln eines Guten, ein Gef ü h l nach einem Gegenstand bestimmter A r t , immer exogener
N a t u r , v o n außen herangetragen; unbestimmte i r i e u r e g u n g uiui* wiederKehren, u m i i e u u r m i s zu werden; bacügut erzeugt üeciiirinis, H u n g e r t r i e b unbestimmt, Bedürfnis nach B r o t bestimmt
65—66
Bedürfnisentstehung,
endogene 111
der Verstanciesspiiäre beim Bedarf an JfroauKuonsgüterii bo
Befriedigung v o n Bedürfnissen, deipositive Wert der Betnedigungsm i t t e l m u l i bereits er&aiiiu sein, bacugüter müssen süion da sein, bevor Bedürlnisse nach i h n e n entstehen, keine angeborenen Bedürfnisse 66 Begreifen als Erkenntnisweise i n den Naturwissenschalten, von aulien her, umgreiiend, ordnend, keine Wesenserkenntnis, da i \ a tur v ö l l i g unverständlich 42 Begriff, geistwissenschaftlicher, alle geistwissenschaftliche Begriffsb i l d u n g erfolgt apriorisch, indem einem bekannten geistigen K e r n zugeordnet werden die ihm gemäßen Merkmale; i n jedem Gebilde, das der Mensch schallt, v e r k ö r p e r t sich Geist; aus innerster Zweck- u n d Sinnerfahrung schafft der Mensch seine W e r k zeuge: der vor der Entstehung des Gebildes erlebte Zweck oder b i n n w i r d hineingetragen i n den geistwissenschaftlichen Begriff, der wert-, sinn-, zweckbezogen ist; w i r bestimmen die Begriffsm e r k m a l e aus dem geistigen Zusammenhang, den der Gegenstand bildet oder i n dem er steht, w e i l alle geistwissenschaftlichen Begriffe entweder Begriffe sind von geistigen Vorgängen oder Sinnzusammenhänge von Artefakten. D i e Begriffe der Naturwissenschaft entstehen durch A b s t r a k t i o n , Weglassen v o n M e r k m a l e n , w ä h r e n d die geistwissenschaftlichen Begriffe entstehen durch Position, durch Setzung aus innerster Zwecku n d Sinnerfahrung heraus. D e r Unterschied der Begriffsbildung entspricht dem Unterschied der Erkenntnisweisen i n den beiden Wissensbereichen: der verstehenden, die von innen nach außen
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Sachregister
erkennt, also Wesenserkenntnis ist, u n d der begreifenden, ordnenden, die am Äußeren haften bleibt, w e i l das Wesen der göttlichen Natur unerforschlich bleibt. F ü r die Nationalökonomie gibt es n u r die verstehende Erkenntnisweise, den geistwissenschaftlichen Begriff 31—32 Benutzung des maschinellen Apparates zur Steigerung der Arbeitsenergie des Arbeiters, s. Arbeitsintensität, Betriebsintensität, intensive Zeitökonomie, Antriebsm i t t e l , Automatisierung, Fließband 147—148 Beruf, A r b e i t als 107 Berufsbewußtsein 108 Berufsdifferenzierung 167 Berufsehre 108 Berufsüberfüllung 214 Besorgtsein u m das Beschaffen von Sachdingen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse bildet den I n h a l t des Wirtschaftslebens 28 Beteiligung am Arbeitserfolg durch Zeit- oder Stücklohn, Prämien, s. A n t r i e b s m i t t e l 147 Betrieb, beseelter, vergeisteter 116 Betrieb als Veranstaltung zum Zwecke fortgesetzter W e r k v e r richtung 80 Betriebsformen: Groß-, Mittel-, Kleinbetriebe, I n d i v i d u a i - , Gesellschaftsbetriebe 114—117 Betriebsintensität, G r a d der Energieentfaltung innerhalb eines Betriebes von gegebener Größe nach Raum-, Zeit-, Sachökonomie 144—145 Betriebsordnung, K r i t e r i u m zur Bestimmung der Betriebseinheit 80 Betriebsorganisation, Verkehrsorganisation i n den Transportbetrieben zur H e r s t e l l u n g u n d Bereitstellung v o n Verkehrsmitt e l n : Handwerksbetrieb, F u h r unternehmen, Verkehrsanstalt, P r i v a t b a h n — staatliche Eisenbahn, s. Verkehrsorganisation 184 Betriebsspezialisation 112—114 Bevölkerung, V e r m e h r u n g der 215 Bevölkerung und Nahrungsspielr a u m 211—214
Bevölkerung und Übervölkerung, absolute u n d relative 213 Beziehungen zwischen Absatzgröße und Spezialisation: der M a r k t unfang entscheidet über das zulässige Maß der Spezialisation i n einem Betrieb u n d zwischen den Betrieben 119 Beziehungen zwischen Bedarf, Prod u k t i o n u n d V e r t e i l u n g : Inbeziehungsetzung v o n Bedarf u n d P r o d u k t i o n , Bedarf u n d Verteilung, P r o d u k t i o n u n d V e r t e i l u n g 194 Beziehungen zwischen Betriebsgröße u n d Spezialisation: die Mindestgröße eines Betriebes ist i m m e r größer als die Zahl der Teilverrichtungen, weil diese eine verschieden lange Arbeitsdauer erfordern 119 Beziehungen zwischen Nahrungsspielraum der Stadt u n d den Überschüssen der Landwirtschaft, der Größe ihres Unterhaltsgebietes 214 Beziehungen zwischen dem U m f a n g des Gewerbes u n d den Überschüssen der Landwirtschaft 215 Beziehungs-Relationsbegriffe, Maßbegriffe 169—170 Bodenertrag, Gesetz v o m abnehmenden. Bodengesetz 173 Bodenintensität als A u f w a n d v o n Arbeit u n d Produktionsmitteln auf Bodenfläche, Intensitätsgrad des Anbaus 148—149 Bodenkosten, Menge des i n einem G u t enthaltenen Bodens, ob ein Gut größere oder geringere Fläche zur H e r s t e l l u n g bedurft hat, Kostenwert u n d N u t z w e r t im Güterwert und Bodenkosten als Produktionskosten m i t Arbeits- u n d Stoffkosten 59, 131 Bodenproduktivität. Masse Produkt aus Boden bestimmt Bodenprod u k t i v i t ä t ; Ausdruck der Ergiebigkeit eines bestimmten Stücks der Erdoberfläche 148—149 Brauchbarkeit, geeignet zur Bedarfsbefriedigung ohne ethische Bewertung, deshalb keine Nützl i c h k e i t ; der N u t z - oder Gebrauchswert ist die F u n k t i o n der beiden V a r i a b e i n : Brauchbarkeit als Begehrtheit u n d Seltenheit.
Sachregister Nutzeinstellung zu den Sachgüt e r n ; das Sachding an sich hat k e i n e n W e r t , bekommt i h n erst durch die Beziehung zum Menschen. N u t z w e r t oder Gebrauchsw e r t zu unterscheiden von dem Wertbegriff des Kostenwerts: ein Sachgut kostet Boden, A r b e i t u n d Urstoff, Aufwandseinstell u n g 52, 57—58
Chemische F a b r i k als K l e i n - u n d I n d i v i d u a l b e t r i e b ohne Durchgangsstufe durch M a n u f a k t u r 128 Chemische F a b r i k als vergeisteter Betrieb 117 Chemische F a b r i k als automatischer oder automatisierter Großbetrieb ohne Maschinensystem 127 D Dauergüter u n d absolut nicht vermehrbare Güter 54—56 Denken, getrübt durch Affekte, Emotionen 177 Disproportionalität der Produktionsfaktoren, s. optimale Betriebsgröße 172
E Einkommen, regelmäßige, ständige Einnahmen m i t der Aussicht auf W i e d e r k e h r 138 E i n k o m m e n aus e w i g fließenden u n d einmalig spendenden Energiequellen ohne Aussicht auf W i e d e r k e h r 140 Einkommen, volkswirtschaftliches : Güter, die verzehrt werden können, ohne den Stand der Prod u k t i o n zu schmälern 139 Einkommen, volkswirtschaftlich erfaßt: produzierte Güter aus regelmäßig fließenden Energiequellen, w ä h r e n d die aus den nicht wiederkehrenden Energien gewonnenen Güter das Vermögen b i l d e n 140 Einnahmequellen, e w i g fließende, e i n m a l i g spendende 140 E i n t e i l u n g der Wirtschaftswissenschaft 44 Eisenbahn, extensiver Betrieb 145 15
Sombart, Allgemeine Nationalökonomie
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Emanzipation von den Schranken der organischen N a t u r i n Stoffen u n d K r ä f t e n 85, 99 Entseelung der N a t u r 84 E n t w i c k l u n g der Technik 84 Energie, potentielle u n d aktuelle, s. Sach- u n d Nutzungsintensität, Ausbeute 143 Energiequellen, e i n m a l i g u n d wiederkehrend, s. Vermögen u n d V o l k s e i n k o m m e n 139 Entstehung der Güter, Gütererzeugung, P r o d u k t i o n 75—78 Entstehung des Güterbedarfs 65 E n t w e r t u n g geistiger u n d künstlerischer A r b e i t 165 Erfindungen 87 Ersatz der lebendigen N a t u r durch die tote N a t u r 85 Ersatzwirtschaft, R e p r o d u k t i o n der Stoffe u n d K r ä f t e auf gleicher Stufenleiter, s. regenerative ö k o n o m i t ä t 161 Ertrag, s. Leistung u n d Erfolg 129 Ertrag, volkswirtschaftlicher, als Ergiebigkeit der ganzen V o l k s w i r t schaft ziffernmäßig nicht faßbar 157 E r t r a g der A r b e i t geknüpft an die A r b e i t anderer Menschen 22 Ertragsgesetze, P r o d u k t i o n s o p t i m u m w i r d erreicht bei v o l l e r Ausn u t z u n g der einzelnen P r o d u k tionsfaktoren u n d bei voller Proportionalität, Verhältnismäßigkeit sämtlicher Bestandteile des Produktionsprozesses: bei diesem Zustandsertragsgesetz, einem statischen Gesetz ist das absolute O p t i m u m als b i l ligste H e r s t e l l u n g eines Gutes ohne Rücksicht auf die Menge, beim relativen O p t i m u m die b i l ligste H e r s t e l l u n g einer Menge von G ü t e r n zu unterscheiden. D i e Bewegungsertragsgesetze oder dynamischen Ertragsgesetze betreffen die V e r m e h r u n g der Prod u k t i o n : optimale Betriebsgröße, Gesetz der Massenproduktion, Gesetz des Minimums, Gesetz v o m abnehmenden Bodenertrag 171—174 Etappen der modernen Technik 84 Existenzminimum, physiologisches u n d k u l t u r e l l e s 64
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Sachregister
F F a b r i k , automatisierte P r o d u k t i o n unter Ausschaltung der menschlichen M i t w i r k u n g , Aufeinanderw i r k e n toter Sachdinge, das der Mensch i n Gang setzt, leitet u n d beaufsichtigt; der automatisierte Großbetrieb soll heißen F a b r i k , i n d e m die A u t o m a t i s i e r u n g den Oberbegriff bildet, F a b r i k m i t einem Maschinensystem u n d die chemische F a b r i k ohne Maschinensystem, die beiden Unterbegriffe 92, 94, 127 Fabrik als vergeisteter Betrieb 115—117 Fremdverstehen als Fremdsinnver-
stehen 177 Funktionsbegriff, kein Dingbegriff, Begriff des wirtschaftlichen Güterwerts, der erwächst aus der Beziehung, die der Mensch zu dem Sachgut hat 57 G Gebrauchsgut, ein Gut, das u n m i t telbar dient zur P r o d u k t i o n 55 Gebrauchswert, allgemein ökonomische Kategorie, während Tauschwert historisch-ökonomischer Begriff ist, als Austausch nicht zur allgemeinen Wirtschaft gehört. Gebrauchswert ist Güterw e r t als Bedeutung, die ein Gut hat f ü r die Unterhaltsfürsorge. Funktionsbegriff, da der Mensch diese Bedeutung dem Gut zuerkennt. D e r Gebrauchswert ist die F u n k t i o n zweier V a r i a b e i n : der Brauchbarkeit und Seltenheit. Sombart gebraucht auch das W o r t N u t z w e r t als Nutzbedeutung für Gebrauchswert. Die Höhe des Nutz- oder Gebrauchswertes w i r d bestimmt von der Brauchbarkeit als Begehrtheit, Intensität des Bedürfnisses einerseits u n d der Seltenheit andererseits. M i t der Seltenheit f ä l l t das Gut i n den Bereich der wirtschaftlichen Fürsorge. Trotz großer Brauchbarkeit hat die L u f t k e i n e n Nutz- oder Gebrauchswert 57—58 Gefäßsystem, passive A r b e i t s m i t t e l , Behälter für Stoffe u n d K r ä f t e 20
Gegebenheiten, Bedingungen des gesellschaftlichen Reichtums: Naturgegebenheiten, biologische und Kulturgegebenheiten 204 Geist, außerraumzeitliche Dasselbigkeit der Ichvorstellung als Einerleiheit des Urteilsvermögens als des Erfassenden in sämtlichen Menschen. Nach Sombart jene lebensfremde Fähigkeit, die die tierische Entwicklungsreihe organisch nidit fortsetzt, sondern bricht, um sich dem Leben gegenüberzustellen; stammt nicht aus dem Leben, erklärt sich nicht aus dem Gehalt des Lebens, gründet in der Transzendenz 31 Geist, Wirtschaftsgesinnung als das Geistige: alle Wertvorstellungen, Zwecksetzungen, Maximen, die in den Wirtschaftssubjekten lebendig werden 23 Geist, Bestandteil des Wirtschaftssystems als der als sinnvolle Einheit erscheinenden Wirtschaftsweise, bei welcher die drei Grundbestandteile der Wirtschaft: Geist oder Wirtschaftsgesinnung, Ordnung und Technik je eine bestimmte Gestaltung aufweisen. Der von Werner Sombart erstmalig entwickelte Begriff des Wirtschaftssystems erfüllt in der Tat alle Anforderungen, die gestellt werden müssen an eine oberste, systembildende Idee. Es gibt so viele Wirtschaftssysteme, als es sinnvolle Möglichkeiten der Gestaltung des Wirtschaftslebens gibt. Mit der Idee des Wirtschaftssystems steht und fällt die Nationalökonomie als Wissenschaft. Wirtschaftsgesinnung ist der subjektive Geist als Inbegriff der die wirtschaftenden Menschen bes timmenden Zwecksetzungen und Motive 23, 46 Geistgebilde, der Mensch schafft Geistgebilde, indem er wirtschaftet; der Zweck oder Sinn ist zunächst im Geist, bevor er sich verwirklicht im Menschenwerk, das verstanden wird aus dieser Wert-, Sinn- oder Zweckerfüllung heraus 31
jister
Geistwissenschaft, Nationalökonomie ist Geist- oder Kulturwissenschaft; es gibt nichts in der Kultur, was nicht vorher gewesen ist im Menschen; deshalb findet sich in der Kultur der menschliche Geist wieder. Das Verstehen ist das Verfahren, mittel dessen wir eintreten in die Kulturzusammenhänge, die wir erkennen und verstehen als Äußerungen unseres Geistes, von innen nach außen 42—43 Genußakt, s. Grenznutzenlehre 69 Genußkoeffizient, s. Grenznutzenlehre 69 Genußlehre, eine Genuß-, N u t z w e r t und Kostenlehre bilden die Grundlage der Theorie der Grenznutzenlehre 69 Gesamtprozeß 193 Geschicklichkeit, Spezialisation steigert 151 Gesellschaftliche Betriebe, i n denen ein Gesamt w e r k verrichtet w i r d ; Gegensatz: I n d i v i d u a l b e t r i e b , i n dem ein E i n z e l w e r k verrichtet w i r d 117 Gesetz der Massenproduktion 173 Gesetz des abnehmenden Bodenertrags : die landwirtschaftliche P r o d u k t i o n erfolgt m i t abnehmendem E r t r a g : historische Tendenz; der abnehmende E r t r a g w i r d i n der Landwirtschaft früher erreicht als i n der I n d u s t r i e : zeitlose Feststellung, also ein Gesetz, s. Bodengesetz 173 Gesetz des Minimums, über den G r a d der P r o d u k t i v i t ä t eines Produktionszweiges entscheidet d e r j e n i g e Produktionsakt, der vorhanden ist i m ungünstigsten Verhältnis oder der wenigst leistungsfähige Produktionsfaktor oder P r o d u k t i o n s f a k t o r t e i l 173 Gewerbe, Stoffverarbeitung 89
Gewerbe, ökonomische Bedingtheit
des 215 Gewinnstreben, Leitidee des kapitalistischen Wirtschaftssystems, Erwerbsprinzip 34 Grenznutzenlehre 69 Grenze der Wissenschaft, wertefreie Wissenschaft 40 15*
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Großbetrieb, Betriebsformen: Groß-, Mittel-, Kleinbetriebe, beseelte Großbetriebe (Manufaktur), vergeistete Großbetriebe, eingebunden in Normen-, Rechnungs- und Apparatesysteme 114—116 Großbetrieb, optimale Betriebsgröße verschieden für jeden Betrieb 156
Großbetrieb, seine Nachteile: Zerstörung der werkschaffenden Arbeit, Zerschlagung der Vollarbeit in Teilverrichtungen, Entseelung der Arbeit, Registrierung des Menschen als Nummer, als entseelten Automaten, Symbol: Stoppuhr, zur Produktion von Kunstwerken ungeeignet 156 Großbetrieb, seine Vorteile: Ersparnisse bei der Beschaffung und Verwendung der sachlichen Produktionsfaktoren, s. das von Karl Bücher aufgestellte Gesetz der Massenproduktion, volle Ausnutzung des Produktionsmittelapparates, das Gefäßsystem, in welchem die Arbeit verrichtet wird, wird in dem Maße billiger erstellt, als es anwächst, große Maschinen billiger als kleine Maschinen, Ersparnisse in der Leitung, Verwaltung, der Aufsicht, viele Menschen erzielen einen größeren Krafteffekt, bessere Organisation der Arbeit 152—154
Gut, wirtschaftliches Sachgut: erkannt in der effektiven Brauchbarkeit, beschränkt, verfügbar, kostend 53—54 Güter, wirtschaftliche: dienen irgendeinem, auch unedlen, unsittlichen, verwerflichen Bedarf; Güter sind nur brauchbar, werden begehrt; der mit ethischer Bewertung verbundene Begriff der Nützlichkeit scheidet aus; nur Sachdinge der äußeren Natur unterschieden nach dem Verwendungszweck: konsumtive und produktive Güter; nach der Verwendungsart: vertretbare und nicht vertretbare, ersetzbare und nicht ersetzbare, einfache und komplementäre Güter; nach der Beschaffungsmöglichkeit in vermehrbare und nicht vermehrbare Güter 54—57
Sachregister
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Güterbedarf, I n b e g r i f f aller zur F r i s t u n g des Daseins erforderlichen D i n g e der äußeren N a t u r , Bedarf i n einem o b j e k t i v e n Sinn; i m s u b j e k t i v e n Sinn: das Streben zur Beschaffung von diesen D i n gen der äußeren N a t u r ; Ausgangspunkt: Spannung zwischen der B e d ü r f t i g k e i t des Menschen u n d der K a r g h e i t der N a t u r 51 Güterbedarf, Entstehung, exogene u n d endogene, autonome u n d heteronome, rationale, irrationale u n d rationelle u n d i r r a t i o nelle Entstehung 65—67 G ü t e r w e r t , wirtschaftlicher, Bedeut u n g eines Gutes für die Unterhaltsfürsorge. Funktionsbegriff, da Bedeutung erwächst aus der Einstellung des Menschen zu den Dingen der äußeren Natur: Oberbegriff: Nutz- oder Gebrauchswert; der Gebrauchswert ist die F u n k t i o n zweier Variabein, der Brauchbarkeit als Begehrtheit u n d der Seltenheit; der Gebrauchswert berücksichtigt die Verwendungsweise und fragt „wozu", Nutzeinstellung; der Kostenwert als Aufwandseinstell u n g fragt nach der H e r k u n f t u n d nach dem A u f w a n d v o n A r b e i t , Boden u n d Stoffen, die hineingingen i n ein Sachgut 57—59
denen, i n denen gearbeitet w i r d , produzierte Produktionsmittel, auch Produktionsmittelfond, Sachkapital ungenau genannt 126 Instrumentaltechnik, E i n b a u v o n Sachdingen, Instrumenten i n r e i n geistige Verfahren: Stimmgabel zur E r z i e l u n g einer guten Stimme, Grammophon für die Zwecke geistiger D i s z i p l i n i e r u n g , Suggestionstherapie, Erfolgssystem v o n Oscar Schellbach 81 Intensität, Zustand der D i c h t i g k e i t
des wirtschaltlichen Jt,nergieaui-
vvandes: ürneits-, Sacti- und INut-
zungs-, Anbauintensitai, triensintensität 141
15e-
Intensivierung, Zunahme der Dich-
tigkeit, die Verdichtung, die Häutung des ilinergieaulwandes 141
j a h r e s p r o d u k t , das Ergebnis, der i ' r o d u k t i o n s e r l o l g der i n einem j ä h r von der menschlichen Gesellschaft aufgewandten A r b e i t . Jahresprodukt enthält als Produktionskosten die Arbeits-, Boden-, Urstoffkosten. E x a k t nicht berechenbar, zeigt lediglich den Effekt der Veränderungen, die der Mensch vorgenommen hat m i t den vorgefundenen Stoffen der N a t u r 129—132
H
Κ
Handeln, menschliches V e r h a l t e n als T u n oder Unterlassen b e w i r k t Veränderungen i n der Welt; H a n d e l n i m m e r vernunftgemäß, ein H a n d e l n nach Zwecken, s. Geist, Mensch als Geistwesen. H a n d e l n entwickelt sich aus Mot i v e n als I n b e g r i f f alles SeelischGeistigen u n d ist ausgerichtet auf Sinnzusammenhänge, die dem Handelnden erscheinen als sinnhafter Grund. H a n d e l n ist: autonom-heteronom, traditional-rational, wertrational-zweckration a l ; H a n d e l n orientiert sich an Sinnzusammenhängen u n d Sinngehalten 20, 176—177
Kategorien, Stammbegriffe, die die i n j e d e r A r t v o n menschlicher Unterhaltsfürsorge, bei allen V ö l k e r n , zu allen Zeiten v o r k o m menden Sachverhalte, Vorgänge, Zustände erfassen; es sind die i n aller Wirtschaft wiederkehrenden D o m i n a n t e n w i e die Prod u k t i o n , der Verzehr, der Transport, w ä h r e n d der Begriff des Geldes, Tausches, Lohnes historische Begriffe, keine Kategorien sind. Zum erstenmal i n der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft w e r d e n diese Kategorien abgehandelt i n diesem W e r k τ ο η W e r n e r Sombart, das auch das einzige reine System der verstehenden Nationalökonomie ist 46
I, J Instrumente, a k t i v e u n d passive Arbeitsmittel, mit denen, an
K e t t u n g des Menschen an die Maschine, s. A n t r i e b s m i t t e l , Fließband 147
Sachregister Kollektivbedarf, öffentlicher Bedarf, Funktionsbegriff 61 K o l l e k t i v b o t e , Post f ü h r t Botengänge aus i n kollektiver Form, ein Bote, der sidi vielen Menschen zur Verfügung stellt, die Post ist als K o l l e k t i v b o t e n o r g a n i sation ein Sammelinstitut 185 Konsum, Verzehr 54 Konsumtion, Verzehr: Kreislauf des Wirtschaftslebens nach P r o d u k tion, Transport, V e r t e i l u n g oder Distribution und Konsumtion, Verzehr 30 Konsumtionszentrum, organisierter Massenbedarf: V e r w a l t u n g , Kaserne, Krankenhaus 63 Konsumtivgut, dasjenige, Avas indiv i d u e l l verzehrt w i r d ; Gegensatz: produktives Gut, das zur weiteren H e r s t e l l u n g von Güt e r n dient 54 Kooperation, Zusammenarbeit; Kooperation u n d Spezialisation als A r b e i t s t e i l u n g sind die einzigen P r i n z i p i e n jeder Arbeitsorganisation, nach denen die V e r t e i l u n g der A r b e i t erfolgt unter mehrere Menschen 110 Kosten, Produktionskosten: Arbeits-, Boden-, Urstoffkosten: Mengenverhältnis der einzelnen Bestandteile der Produktionskosten ist sehr verschieden i n den A r b e i t s p r o d u k t e n 130—132 Kostenlehre, T e i l der Grenznutzenlehre, s. Genuß-, N u t z w e r t l e h r e 69 K u l t u r , alles Menschenwerk, o b j e k tive und subjektive Kultur 207—209
Landwirtschaft, Statik des Landbaus, Zustand regelmäßigen Ersatzes 161 Landwirtschaft, i n der Berufsstatistik die A b t e i l u n g A ; nach der äußeren Gliederung, den Betätigungsbereichen des Menschen nach Produktionsstufen, P r o d u k tionsabteilungen u n d Produktionszweigen bildet die Landwirtschaft i n der Produktionsabt e i l u n g die U r p r o d u k t i o n 87—89
Leben, Ergänzung durch Bestandteile der stofflichen N a t u r 17 Leben, gebrochen i n seiner rein organischen E n t w i c k l u n g durch die lebensfremde F ä h i g k e i t des Geistes 31 Leben. P r o d u k t eines göttlichen Schöpfungsaktes 210 Lebewesen, gemeinsames Kennzeichen: Unterhaltsfürsorge 17 Leistung, extensive Leistung als Voraussetzung von Leistung überhaupt beim Schutzmann. Nachtwächter, Hausdiener 147 Leistungsfähigkeit, a k t i v e i m Tun, passive i m Ertragen, Überbewert u n g der Tat i n E u r o p a - A m e r i k a , H i n w e n d u n g zur W e l t : A b w e n dung von der W e l t , k e i n Arbeitsethos i n Asien 206 Leistung u n d Erfolg, Ergebnis der P r o d u k t i o n w ä h r e n d eines bestimmten Zeitabschnittes, s. Ert r a g u n d Kosten 129 Leistungsorganisation, diejenige Verkehrsorganisation. die sich befaßt m i t der Schaffung von Verkehrseinrichtungen; bezieht sich auf den eigentlichen V o l l z u g der Verkehrsakte, s. Transport 184
M Machtstreben 34 M a n u f a k t u r , gesellschaftlicher Großbetrieb. i n dem wesentliche Teile des Arbeitsprozesses nicht automatisiert sind: Künstlerhändo arbeiten i n einsamer Werkschöpfung a l l e i n an einem W e r k : Porzellanmanufaktur, Kunsttischl e r e i 128 Maschine, aktives A r b e i t s m i t t e l , das die menschliche A r b e i t ersetzt: Antriebs- oder Kraftmaschinen, Arbeitsmaschinen u n d Transmissionen 124—125 Maschine als Antriebsmittel, Maschine bestimmt Arbeitstempo, s. Fließband 147 Maschinensystem, i n einem vergeisteten Betrieb, wo sich der Mensch der Maschine fügen muß; automatisierter Großbetrieb umfaßt F a b r i k m i t Maschinensystem und chemische F a b r i k ohne
Sachregister
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Maschinensystem. Oberbegriff: Automatisation in chemischer Fab r i k zwar ein System lebloser Körper. Automatisation, aber kein Maschinensystem 115, 127 Masse von P r o d u k t aus Boden bestimmt die B o d e n p r o d u k t i v i t ä t 148 Masse von P r o d u k t aus Arbeitsa u f w a n d in bestimmter Zeitspanne bestimmt die Arbeitsprod u k t i v i t ä t 149 Alasse von P r o d u k t aus der Volkswirtschaft bestimmt die volkswirtschaftliche P r o d u k t i v i t ä t , ziffernmäßig nicht faßbar als gesellschaftlicher Reichtum 157 Massenbedarf, zentralisierter, organisierter und konzentrierter
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stalt; das B i l d des Königs ist ein i m k o l l e k t i v Unbewußten w u r zelnder Archetvpus wie alle Religion 210 Monopolgüter, nicht vermehrbare G ü t e r : B i l d e r b e r ü h m t e r verstorbener M a l e r 56 M o t i v , I n b e g r i f f alles Seelisch-Geistigen. das menschliches Handeln b e w i r k t : A k t k a u salität : menschlisches H a n d e l n ist ausgerichtet auf Sinnzusammenhänsre. Letzte Ursachen i n allem Kulturgeschehen sind menschliche M o t i v e aus Freiheit. Das ist ein A p r i o r i jeder Kulturwissenschaft, also auch der Nationalökonomie 176
Ν
Nahrungsspielraum, Raum, der die materielle Existenz v e r b ü r g t 211 Nationalökonomie, volkstümlich gewordenes u n d eingebürgertes, v ö l l i g sinnloses W o r t 50 Nationalökonomie, spezielle und allgemeine 46 Natur, Produktionsfaktoren: N a t u r u n d A r b e i t 78, 101 Natur, lebende u n d tote, organisch u n d anorganisch 87 Naturwissenschaften, N a t u r ist uns gegeben, w i r haben sie nicht gemacht, deshalb verstehen w i r sie nicht; die N a t u r hat einen Sinn, aber i h n zu erfassen reichen die Erkenntnismittel der Wissenschaft nicht aus; Offenbarung Mensch als H e r d e n t i e r 34 f ä l l t nicht i n den Bereich der Mentalpositivismus, Lehre einer Wissenschaft, die Naturerscheisreistieren D i s z i p l i n i e r u n g . entnungen begreifen w i r n u r von wickelt von dem Lebensphiloaußen, ordnende Erkenntnisweise sophen Oscar Schellbach. Per41 sönlichkeitsentwicklunfir aus dem N u t z a k t , s. die N u t z w e r t l e h r e in der Wissen u m die Transzendenz Grenznutzenlehre 70 des Lebens 81 Nutzen, keine Möglichkeit der ObMonarchie, erbcharismatische H e r r j e k t i v i e r u n g des Nutzens u n d schaft, i n der Gestalt der Parlaseiner Messung 138 mentsmonarchie nach englischem Nutzeinstellung, s. wirtschaftlicher V o r b i l d eine Bedingung für die G ü t e r w e r t 58 Verwirklichungdes Optimums N u t z w e r t , Nutzbedeutung: BrauchHes gesellschaftlichen Reichtums. b a r k e i t u n d Seltenheit bestimmen D a die Sinndeutung der Verdie Höhe des Nutzwertes oder bände Kirche, Staat und F a m i l i e Gebrauchswertes 58 i n der Transzendenz als RealiNutzwertlehre, T e i l der Grenznuttät liegt, ergibt sich denknotwend i g die Monarchie als Staatsgezenlehre 70
Massenproduktion, Gesetz der. aufgestellt von K a r l Bücher, unter bestimmten Umständen w i r d die Massenproduktion b i l l i g e r 173 Mechanismus. Aufeinanderwirken toter Sachdinge, Automatismus, in der absolut mechanischen P r o d u k t i o n leitet der Mensch von i h m selber hergestellte tote Automaten 92 Mensch als Geist wesen und gebrochenes Lebewesen macht die menschliche Unterhaltsfürsorgre zu einem ge»stieren Vorgang und baut m i t seinem Menschenwerk als Geistcebilde eine zweite W e l t als K u l t u r neben der Nat u r w i r k l i c h k e i t 31
Sachregister
Ο Oekonomia. die V e r w a l t u n g des Hauses 46 Oekonomie, der Haushalt 47 Oekonomicus. der gute Haushalter 47 Oekonomität, I n b e g r i f f der G r u n d sätze, nach denen eine Vorratsbewirtschaftung stattfindet 157 ökonomität, konsumtive, zweckmäßige E i n t e i l u n g eines bestimmten Vorrats einer Sachgiitermasse zu Verbrauchszwecken nach Menge u n d Zeit; R a t i o n i e r u n g 157—158 ö k o n o m i t ä t , p r o d u k t i v e : Verwend u n g eines Vorrats zu p r o d u k t i ven Zwecken; regenerative, ein sich erneuernder Gütervorrat; dispositive, verteilende ö k o n o m i tät eines begrenzten Vorrats: Zeit-, Stoff-, Raumökonomie 159 O p t i m u m , relatives O p t i m u m der P r o d u k t i o n , billigste H e r s t e l l u n g einer beschränkten Menge von G ü t e r n 172 O p t i m u m , absolutes O p t i m u m der P r o d u k t i o n ; V e r m e h r u n g der Prod u k t i o n bis zur optimalen Ausnutzung, zur P r o p o r t i o n a l i t ä t der Produktionsfaktoren, s. optimale Betriebsgröße 172 Optimum des gesellschaftlichen Reichtums, Höchstmaß der volkswirtschaftlichenProduktivität 209 O p t i m u m i n der Landwirtschaft: die Raumökonomie i n der L a n d w i r t schaft erreicht ein O p t i m u m , indem sie auf gegebener Bodenfläche einsetzt die besten A r b e i ter u n d die besten Maschinen, v e r w i r k l i c h t den höchsten Grad von Arbeits- u n d Produktionsmittelintensität 145 O p t i m u m i n der gewerblichen Prod u k t i o n : das O p t i m u m der Zeitökonomie i m Betriebe w i r d erreicht, wenn der Betrieb das ffanze Jahr hindurch, T a g und Nacht, ohne jede Unterbrechung in Gang gehalten w i r d m i t dem äußersten Maß von Arbeitsintensität 146 Ordnung, das Zusammenwirken mehrerer Menschen an einem W e r k muß stehen unter einer bestimmten O r d n u n g ; das einem be-
stimmten Sinngehalt nach aufeinander eingestellte Verhalten mehrerer Menschen orientiert sich an o b j e k t i v i e r t e n Ordnungen. Plänen, an versachlichtem Geist: Rechts-, Zunft-, Gewerbe-, Fab r i k · , Konventional-, Vereins-. Sittenordnung 79—80 O r d n u n g als Element der P r o d u k t i o n : i n jedem Produktionsvorgang finden w i r den s u b j e k t i v e n Geist als Wirtschaftsgesinnung, die O r d n u n g als Organisation u n d die Technik als Verfahren 78 O r d n u n g als o b j e k t i v i e r t e r P l a n : jedes H a n d e l n steht unter einem Zweck und jede D u r c h f ü h r u n g eines Zweckes bedarf eines Planes; beim Zusammenhandeln m i t anderen Menschen o b j e k t i v i e r t sich der s u b j e k t i v e P l a n i m K o p f des Einzelmenschen i n einer Ordnung: ohne solche O r d n u n g ist eine Zusammenarbeit unmöglich
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Organisation der A r b e i t : Organisation ist v e r w i r k l i c h t e O r d n u n g ; Grundsätze, w i e die V e r t e i l u n g der A r b e i t erfolgen kann, gibt es zwei u n d nur zwei: Kooperat i o n und Spezialisation 110
Phvsiokraten, Lehre der, nur in der Landwirtschaft gibt es einen volkswirtschaftlichen Reinertrag, p r o d u i t net: unter dem Substanz«resichtspunkt richtig, da n u r die U r p r o d u k t i o n Stoffe liefert, das Ausmaß der U r p r o d u k t i o n , das V o l u m e n der Urstoffe das Reichtumsvolumen bestimmt: unberücksichtigt bleibt die von der menschlichen A r b e i t vorgenomm e n e F o r m v e r m e h r u n g undJStoffveredelung 136—137 Post. Sammelinstitut. K o l l e k t i v b o t e . Kollektivbotenorganisation 185 Preisbildung, sinnvolles Steuerungsorgan ersetzt d»e i n der kapitalistischen Wirtschaft fehlende Gesamtplanung, schafft ohne zentrale L e i t u n g einen wirtschaftlichen Kosmos 197 Prinzip, ökonomisches, durch Handeln einen Erfolg erzielen m i t
Sachregister
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dem geringsten A u f w a n d , ökonomisches P r i n z i p 26 P r i n z i p des Genußes, durch H a n d e l n ein M a x i m u m v o n Genuß erzielen, Genußprinzip, Nutzenprinzip 27 P r o d u k t i o n , Gütererzeugung 75 P r o d u k t i o n , Elemente der, Geist, Ordnung, Technik, s. Wirtschaftssystem 78 Produktion, äußere Gliederung: Produktionsstufen,Produktionsabteilungen u n d Produktionszweige 87 P r o d u k t i o n , innere G l i e d e r u n g : organische, mechanische, anorganische P r o d u k t i o n 90 Produktionsfaktoren: Arbeit und N a t u r 101 Produktionsmittelvorrat, Produktionsmittelfond; I n b e g r i f f aller zur P r o d u k t i o n dienenden sachlichen Bedingungen; Wege, B r ü k ken, Anlagen, Häuser, Werkzeuge, Maschinen, Transportgefäße 126 P r o d u k t i v i t ä t , Ergiebigkeit, Beziehungsbegriff, der bestimmteMenge P r o d u k t bezieht auf bestimmte Einheit, die diese Menge hervorb r i n g t : Boden-, Arbeits-, volkswirtschaftliche P r o d u k t i v i t ä t 148
Q u a l i t ä t der menschlichen A r b e i t , als W e r k einer Persönlichkeit ist schlechterdings jede, auch die p r i mitivste menschliche A r b e i t eine reine Qualität, die sich jeder Quantifizierung entzieht 150 R Ratio, ökonomische 179 Rationierung der Lebensmittel, s. konsumtive ö k o n o m i t ä t 158 Raubbau, Raubwirtschaft: N u t z u n g eines Vorrates an Stoffen u n d K r ä f t e n ist derart, daß eine W i e dererzeugung nicht stattfindet, s. regenerative ö k o n o m i t ä t der prod u k t i v e n ö k o n o m i t ä t 161—162 Reichtum, tatsächliche vorhandene Masse von Sachgütern: a k t u e l l e r Reichtum, der besteht i n den vorhandenen Sachgütern; potentieller Reichtum durch die für die
Gütererzeugung nutzbar zu machenden menschlichen und natürlichen Gegebenheiten 199 Reinertrag, Überschuß des Ertrages über die Kosten, volkswirtschaftlicher Reinertrag nicht feststellbar 134 Rentabilität, historisch-ökonomische Kategorie, V e r b i l l i g u n g der Massenfertigung i m Großbetrieb, s. Gesetz der Massenproduktion 153—154, 171—173 Rohertrag, das Ergebnis der Prod u k t i o n w ä h r e n d eines bestimmten Zeitabschnitts, s. A r b e i t - , Boden-, Urstoffkosten 129
Sachgut, dingliches Bedarfsbefriedigungsmittel, Funktionsbegriff: n u r die Beziehung zum menschlichen Bedarf macht ein D i n g der äußeren N a t u r zum Sachgut; diese Inbeziehungsetzung bestimmt die Brauchbarkeit 52 Sachintensität, Sach- u n d Nutzungsintensität, das Verhältnis, i n dem die i n einem sachlichen P r o d u k tionsfaktor enthaltenen p r o d u k t i v e n Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden. Intensitätsgrad der N u t z u n g w i r d ausgedrückt i n Prozenten der Energiemasse 143 SchÖDfung, Erschaffung aus dem Nichts setzt d e n k n o t w e n d i g voraus einen geistigen Schöpfungsa k t 163 Schranken der organischen N a t u r k ö n n e n i n q u a n t i t a t i v e r u n d qual i t a t i v e r Hinsicht nicht durchbrochen w e r d e n 98—99 Seltenheit, s. wirtschaftlicher Güterw e r t : Seltenheit u n d Brauchbark e i t bestimmen Höhe des Nutzoder Gebrauchswertes 58 Sparen, s. konsumtive ö k o n o m i t ä t 158 Spezialbetrieb 112 Spezialisation, Arbeitsteilung, s. A r beitsorganisation : Spezialisation u n d Kooperation sind P r i n z i p i e n der V e r t e i l u n g der A r b e i t unter mehrere Menschen 110 Spezialisation, V o r t e i l e der 151 Spezialisation i n n e r h a l b des Betrie-
Sachregister bes und zwischen den Betrieben 152 Staat, der isolierte 180 Standort, der freie Standort u n d der Zwangsstandort 174—180 Steigerung der A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t u m 75 °/o 157 Stoff, menschliche A r b e i t k a n n keine Stoffe aus dem Nichts erzeugen, es muß i m m e r etwas da sein, das der Mensch t r e n n t oder zusammenfügt; der Mensch n i m m t n u r Formveränderungen m i t dem vorgefundenen Stoff vor 137 Stoffvolumen bestimmt das Ausmaß des Reichtumvolumens 137
Technik, Verfahren, Inbegriff der M i t t e l zur D u r c h f ü h r u n g eines bestimmten Zweckes 36 Technik, Bestandteil jeder menschlichen Unterhaltsfürsorge 23 Technik, Element der P r o d u k t i o n 78 Technik steigert die A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t 151 Technologie, Wirtschaftskunstlehre 41 Teilarbeit, s. Automatisation, F a b r i k 116—117, 127—128 Theorie, Lehre von den D e n k b a r k e i t e n 45 Transformierbarkeit von Luxusgütern 212 Transport, Güter-, Personen-, Nachrichtentransport 181 Transport, Ortsveränderung als Bestandteil der Unterhaltsfürsorge, Güter-, Personen, Nachrichtentransport 181 Transportentwicklung wichtig für G e s a m t p r o d u k t i v i t ä t 187 Transportfähigkeit, physische und ökonomische 186 Transportkosten, Ü b e r w i n d u n g der Widerstände v o n Raum u n d Zeit erfordert A u f w a n d : Arbeits-, Boden-, Stoffkosten 185—186 Transportunternehmen, s. Verkehrsorganisation 184
U Ubiquitäten, Sachgüter, die sich übera l l finden 180
Unterhaltsfürsorge, unausgesetzte Ergänzung des individuellen D a seins durch Bestandteile der stofflichen N a t u r , gemeinsames Kennzeichen aller Lebewesen 17 Unterhaltsfürsorge als Ausgleich der Spannung zwischen der Bedürft i g k e i t des Menschen u n d der relativenSprödigkeit d e r N a t u r 30 Unterhaltsfürsorge als geistiger V o r gang 31 U r p r o d u k t i o n , äußere Gliederung der P r o d u k t i o n nach den Betätigungsbereichen: Produktionsa b t e i l u n g der U r p r o d u k t i o n oder Stoffgewinnung des Urstoffs 88 Ursachenverkettung des gesamten N a t u r geschehen s 162 Urstoffkosten. Menge organischer u n d anorganischer Stoffe, die eincregangen sind i n das P r o d u k t , s. Produktionskosten: Arbeit-. Boden-, Urstoffkosten 1Ή
Vegetationszonen, s. Standort 175 Verblassen der religiösen Vorstellungen, atheistische Weltverbesserungsparteien mindern volkswirtschaftliche P r o d u k t i v i t ä t 207 Verfahrensweisen z u r E r m i t t l u n g des Volksvermögens 201 V e r g i f t u n g der N a h r u n g 162 Vergrößerung des Sachmittelapparates bedeutet Zurückverleerung der lebendigen A r b e i t i n frühere Stadien des Produktionsprozesses u n d eine V e r r i n g e r u n g der lebendigen A r b e i t 154—155 V e r h a l t e n : technisches nach dem ökonomischen P r i n z i p : M i t t e l wähl bei gegebenem Zweck: wirtschaftliches V e r h a l t e n : Zweckwahl bei gegebenem M i t t e l 36—37 Verkehrsakt. Vornahme einer Ortsveränderung. a k t i v oder passiv 181 Verkehrsanstalt, Großbetrieb m i t System v o n Verkehrseinrichtungen 184 Verkehrseinrichtung, Bereitstellen vonV e r k e h r s m i t t e l n passiv :Brautkutsche, Droschke: a k t i v : Eisenbahn, Omnibus 183
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Vcrkehrsintensität, Verhältnis zwischen der A n z a h l der Verkehrsakte u n d entweder einer Raumoder Zeitgröße 181 Verkehrsleistung, Ü b e r w i n d u n g der Widerstände von Raum u n d Zeit; den zur Ü b e r w i n d u n g erforderlichen A u f w a n d heißen w i r Transportkosten : Arbeits-, Boden-,Stoffkosten 185 Verkehrsmilieu. Verkehrsweg m i t einer spezifischen Orientierungsiechnik, die nicht erforderlich ist auf den gebahnten Wegen der Erdoberfläche: das Meer, die L u f t 182 V e r k e h r s m i t t e l : A r b e i t s m i t t e l zur Ausführung von Verkehrsakten; Fahrbahn, Fahrzeug oder Transportgefäß, F a h r k r a f t 181 Verkehrsorganisation, I n b e g r i f f aller auf O r d n u n g des Verkehrs gerichteten Maßregeln: Verkehrsregelung: das ist Organisation des potentiellen Verkehrs; die aktuelle Verkehrsorganisation schafft Verkehrsein richtungen durch Bereitstellen von Verkehrsm i t t e l n i n der Leistungsorganisat i o n u n d Betriebsorganisation: die Leistungsorganisation ist der terminus ad quem und bezieht sich auf den Vollzug der Verkehrsakte, w ä h r e n d die Betriebsorganisation die Verkehrsorganisation i n den Transportbetrieben zur Herstellung und Bereitstellung von V e r k e h r s m i t t e l n ist: terminus a quo 182—184 Verkehrstechnik, die Verschiedenheit der V e r k e h r s m i t t e l e r k l ä r t die unterschiedlichen Verkehrstechniken: Reittechnik, Automobiltechnik. Schiffstechnik, Flugteugtechnik, Radfahrtechnik 182 Vermögen, einmalig spendende Energiequelle, die sieh nicht erneuert; Menschheit lebt aus einem Vermögen, das nicht w i e d e r k e h r t 138, 140 V e r m e h r u u g der B e v ö l k e r u n g : absolute Ü b e r v ö l k e r u n g : Grenzertrag der A r b e i t des letzten A r beiters auf gegebenem Gebiet genügt nicht mehr zu seinem Unterhalt u n d zu seiner Fortpflanzung bei ergiebigster Organisation der Wirtschaft, gleichmäßigster Ver-
t e i l u n g und bescheidenstem Bedarf; relative Ü b e r v ö l k e r u n g i m Rahmen eines historisch bestimmten Wirtschaftssystems, das nicht die ergiebigste F o r m darstellt, i m Rahmen eines historisch bestimmVerteilungsmodus 213 Vernunftwesen, Mensch treibt als Vernunft-, Geistwesen seine Unterhaltsfürsorge; der Mensch schafft Geistgebilde, indem er wirtschaftet; aus innerster Sinnu n d Zweckerfahrung seines Geistes schaffte der Mensch das W e r k z e u g u n d jegliches W e r k 30—32 Versachlichung, Ausschaltung der Seele in der median isch-anorganischen Sphäre; vergeisteter Bet r i e b eingebunden i n Normen-, Rechnungs-, Apparatesystem 106, 116 Verstehen, das Verfahren, mittels dessen w i r eintreten i n die K u l turzusammenhänge als Äußerungen unseres Geistes; Erkenntnisweise der Nationalökonomie, erkennen von innen nach außen; w i r stehen hinter den Kulissen, w ä h r e n d w i r die N a t u r nicht verstehen, w e i l w i r sie nicht geschaffen haben 42 Verteilung, G ü t e r v e r t e i l u n g jener Vorgang im K r e i s l a u f der Ünterhaltsfürsorge, mittels dessen die einzelnen M i t g l i e d e r einer w i r t schaftenden Gesellschaft i n den Besitz i h r e r A n t e i l e am gesellschaftlichen E i n k o m m e n gelangen: dieser Vorgang, w i e die Einkommensgüter dem Verzehr zugeführt werden, erfolgt entweder nach dem P r i n z p i der Zuweisung oder dem P r i n z i p der A n e i g n u n g ; nach dem Z e i t p u n k t der P r o d u k t i o n v o r h e r i g oder nachherig. D i e gerechte oder richtige V e r t e i l u n g k a n n n u r entschieden werden auf G r u n d von W e r t u r t e i l e n u n d k e i n Gegenstand der Wissenschaft sein 189—191 Verteilungsweisen: V e r t e i l u n g bestimmt Bedarf u n d P r o d u k t i o n , P r o d u k t i o n u n d Bedarf bestimmen V e r t e i l u n g ; aus der Organisation der P r o d u k t i o n ergibt sich ein bestimmter Verteilungsmodus; jedes Produktionssystem
Sachregister hat zur Voraussetzung eine bestimmte Verteilungsweise 194,196 u n d 197 V e r v o l l k o m m n u n g der Technik steigert die A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t 151 Vervollkommungsstreben 66 Volksvermögen, v ö l l i g unsinniges W o r t , ein Unbegriff, der den Inbegriff v o n Sachgütern zum Vermögen eines Kollektivträgers, nämlich des Volkes machen w i l l 201 Volkswohlstand, unsinnige Übertragung des Begriffs der P r o d u k t i v i t ä t als W e r t b e g r i f f auf den Tatbestand des Volkswohlstandes: P r o d u k t i v i t ä t betrachtet unter dem Gesichtspunkt der Fähigkeit, W o h l s t a n d hervorzurufen; der Begriff des Volkswohlstandes ist beladen m i t W e r t u r t e i l e n : soll die H e r s t e l l u n g von A u t o m o b i l e n oder Kirchen, von Kanonen oder B u t t e r p r o d u k t i v sein? W i r beziehen uns hier auf außer w i r t schaftliche Werte, die i n der Transzendenz gründen: der Beg r i f f der P r o d u k t i v i t ä t als W e r t begriff liegt nicht i m Bereiche der E r f a h r u n g u n d Evidenz. D e r Volkswohlstand läßt sich überhaupt nicht bestimmen 170—171 Volkswirtschaft, Bedeutungen des Wortes i m Sinne v o n Betrieb 49 Volkswirtschaft, Reinertrag nicht feststellbar: bei der Berechnung des volkswirtschaftlichen Reinertrages als der Differenz zwischen Rohertrag u n d Kosten versagt das Geldschema des Geschäftsmannes: die von der Volkswirtschaft im Laufe eines Jahres erzeugte Gütermasse erfordert einen A u f w a n d an Arbeits-. Boden-, Urstoffkosten, wobei sich der eine Güterbetrag nicht auf einen Nenner b r i n g e n läßt m i t dem anderen Güterbetrag 134—135 Volkswirtschaftslehre, das sinnlose W o r t „ N a t i o n a l ö k o n o m i e " eingebürgert im Deutschen als der Ausdruck zur Bezeichnung der Lehre von der Gesellschaftswirtschaft 50 Vollarbeit, A r b e i t als Werkschöpf u n g durch einen einzigen A r b e i ter, die durch alle Arbeitsstadien
hindurch vollendet w i r d bis zu j e n e m P u n k t , wo sich die A r b e i t darstellt i n einem W e r k : A r b e i t des Landmanns, Landarbeiters, Handwerkers, Schriftstellers, Lehrers, Gelehrten, Künstlers u n d Unternehmers; Vollarbeit ist k o m p l e x e A r b e i t i m Gegensatz zur Teilarbeit, V o l l a r b e i t ist beseelte A r b e i t 104, 116 Vorratsbewirtschaftung, s. ö k o n o m i t ä t : konsumtive V o r r a t s b e w i r t schaftung als richtige E i n t e i l u n g u n d zweckmäßige V e r w e n d u n g eines vorhandenen Vorrats, prod u k t i v e als dispositive und regenerative 160 Vorratswirtschaft, Sparen, Rationier u n g : zweckmäßige Einteilung eines knappen Vorrats an Sackgütern, damit der V o r r a t reicht zu dem zu befriedigenden Bedarfszweck, rationale Bedarfsgestaltung 158 W W a n d e r u n g der K u l t u r g ü t e r , Schrank e n f ü r einen lebendigen Austausch der K u l t u r g ü t e r durdi geographische Tatsachen: einerseits eigenständige schöpferische K u l t u r e n t w i c k l u n g , andererseits V e r h a r r e n i n tiefen Zivilisationshorizonten u n d Halbkulturen. B e r ü h r u n g m i t anderen V ö l k e r n bildet Entwicklungsanstoß und b e w i r k t intensive K u l t u r e n t w i c k l u n g 205 Werkzeug, aktives Arbeitsmittel, das die menschliche A r b e i t unterstützt; der A r b e i t e r bedient sich des Werkzeuges u n d bedient die Maschine, die die menschliche A r b e i t ersetzt 124 Werkzeugherstellung durch einen Handwerker erfordert großen A u f w a n d an lebendiger A r b e i t und Zeit 155 Wert, wirtschaftlicher Güterwert: die Bedeutung, die w i r einem Gut für die Unterhaltsfürsorge beimessen; Funktionsbegriff, als Gebrauchswert F u n k t i o n zweier Variabein, der Brauchbarkeit und Seltenheit 57 Wertlehre, N u t z w e r t l e h r e als T e i l der Grenznutzenlehre: Nutzbe-
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w e r t u n g w i r d abhängig gemacht v o n bestimmten Gefühlen; v ö l l i g abwegig: Gefühle ermangeln einer berechenbaren Grundlage für die Bestimmung des Nutzeffektes 72—73 Wertlosigkeit der W i r t s d i a f t , gemessen an einem absoluten W e r t ist die Wirtschaft wertlos; W e r t u r t e i l e lassen sich nicht beweisen, sie gehören deshalb i n keine Wissenschaft, w e i l sie in der Transzendenz w u r z e l n 165 Werturteil, jedes W e r t u r t e i l w u r zelt i n der Transzendenz; Wissenschaft muß sich der W e r t u r t e i l e enthalten 40—41 Wirtschaft als Gesellschaft, gehört zu jenem Kulturbereich, der nicht gedacht werden k a n n ohne Gesellschaft 44 Wirtschaft als Kulturtatsache, Eingeschlossensein i n Sachdinge, die der Mensch als Geistwesen selber macht 27 Wirtschaft als L e h r e ; Gegenstand ist die menschliche Unterhaltsfürsorge, die gerichtet ist als mensdiliche A r b e i t auf Besorgung von Sachgütern; die Bestimmung des Gegenstandes erfolgt i m H i n blick auf die Spannung, die notw e n d i g obwaltet zwischen dem Bedarf des Menschen an äußeren D i n g e n der N a t u r und deren relativer Sprödigkeit 27, 37 Wirtschaft als Wissenschaft, Lehre von der tatsächlichen Gestaltung u n d kausalen V e r k n ü p f u n g der Wirtschaft als gesellschaftlicher Tatsache; Erkenntnisweise ist das Verstehen 39 Wirtschaft als Unterhaltsfürsorge, E r h a l t u n g des Lebens setzt voraus unausgesetzte Ergänzung d u r d i Bestandteile der stofflichen N a t u r ; menschliche Unterhaltsfürsorge als Tätigkeitskreis des Menschen, unterschieden von der tierischen durch Geist, O r d n u n g und Technik 17—19, 22—23, 30, 36 Wirtschaftsplan, n i m m t vor die A n passung der P r o d u k t i o n an den Bedarf einerseits, an die p r o d u k t i v e n Möglichkeiten andererseits; keine zentrale Leitung, Steuerungsorgan ist die Preisbildung
i n dem historisdien Wirtschaftssystem des Kapitalismus; Prod u k t i o n s p l a n n u r i n der Planwirtschaft, i m Kommunismus 197, 198 Wirtschaftssystem, der von W e r n e r Sombart erstmalig entwickelte Begriff des Wirtschaftssystems geht aus von den d r e i G r u n d bestandteilen des Begriffs der Wirtschaft als menschlicher Unterhaltsfürsorge. der Wirtschaftsgesinnung, der O r d n u n g u n d Technik, die erfaßt werden als j e w e i l s bestimmte Wirtschaftsgesinnung, bestimmte O r d n u n g u n d bestimmte Technik: es ergeben sich als potentielle Gestaltungen dieser Bestandteile f ü r die Wirtschaftsgesinnung, den Geist: BedarfsdeckungsprinzipErwerbsprinzip; Traditionalismus-Rationalismus; Solidarismus-Individualismus. Für die O r d n u n g , Form, Organisation, Regelung: Gebundenheit-Freiheit ; Privat-Gemeinwirtschaf t ; Demokratie-Aristokratie; Geschlossenheit-Aufgelöstheit; Bedarfsdeckungs - Verkehrswirtschaft; Individual-gesellschaftliche Betriebe. Endlich drittens f ü r die Technik, das Verfahren: Empirisch-wissenschaftlich; Stationär-revolutionär; Organischnichtorganisch (mechanisch-anorganisch). — Als sinnvolle W i r t schaftssysteme ohne Rücksicht auf ihre geschichtliche V e r w i r k lichung sind: 1. die v o r k a p i t a l i stischen Wirtschaftssysteme, einfache Bedarfsdeckungssysteme: a) die W i l d b e u t e r , Feldbauern u n d H i r t e n m i t einer Wirtschaft i n urwüchsigen Geschlechtsverbänden; b) die Dorfwirtschaft; c) die O i k e n Wirtschaft (GroßSklavenwirtschaft) : d) die Fronhofwirtschaft (Groß-Hörigenwirtschaft); e) das H a n d w e r k ; 2. das kapitalistische Wirtschaftssystem; 3. die nachkapitalistischen Wirtschaftssysteme: diese sozialistischen Wirtschaftssysteme sind: zentralistisch oder dezentralistisch, geldwirtschaftlich oder naturalwirtschaftlich, entgeltende oder kommunistische, j e nachdem
Sachregister der A n t e i l , den der einzelne erhält am Gesamtprodukt, festgestellt w i r d nach seinen Leistungen oder nach seinen Bedürfnissen; i n j e n e m F a l l eine Orient i e r u n g am W e r t 190, 198 Wissenschaft, eine seit dem 16. Jahrhundert entwickelte bestimmte Erkenntnisweise, die bestimmt w i r d durch den Zweck, den sie sich setzt u n d unter I n n e h a l t u n g der E r f a h r u n g u n d logischen Evidenz erstrebt ein allgemeingültiges, beweisbares u n d damit aufzwingbares, nicht geheimes Wissen; Wissenschaft darf nicht einbrechen i n die Bereiche der Transzendenz u n d Religion u n d muß sich enthalten der W e r t u r t e i l e 39—40
Ζ Zeitökonomie, s. Intensität, Realisierung der Arbeitsintensität im Betriebe unter dem Gesichtspunkt der extensiven und intensiven Zeitökonomie 145 Zeitökonomie als Ausnutzung der kosmischen Zeit: der Betrieb ist zeitökonomischer, je länger er während der kosmischen Zeit in Tätigkeit ist; der Betrieb erreicht das Optimum der Zeitökonomie, wenn er das ganze Jahr hindurch ohne jede Unterbrechung, Tag und Nacht in Gang gehalten wird mit dem äußersten Maß von Arbeitsintensität, j e mehr er sich nähert diesem Optimum, um so zeitökonomischer ist der Betrieb 146 Zunahme der Bevölkerung, falsche Ansicht der sozialistischen Weltverbesserer, daß Zunahme der Bevölkerung Zunahme des Reich-
tums bewirke. D i e Bevölkerungszunahme muß i m selben Verhältnis anwachsen m i t der Urstoffproduktion; die Proportionalität zwischen lebendiger Arbeit u n d sachlichen Produktionsbedingungen muß gegeben sein 214 Zwangsarbeit 143, 147 Zwangsbedarf, der einer Wirtschaft auf gezwungene Bedarf: T r i b u t e , wo das t r i b u t ä r e V o l k einen Bedarf aufzubringen hat, der nicht von i h m h e r r ü h r t . D e r Zwangsbedarf darf nicht verwechselt werden m i t der heteronomen Güterbedarfsentstehung als Fremdbestimmung des Bedarfs 67 Zwangsstandort, derjenige, wo Güter erzeugt w e r d e n müssen aus technischen, ökonomischen oder Transportgründen: Zonen der landwirtschaftlichen P r o d u k tion, Bergbau, Transport, Baugewerbe 175 Zweck, als Geistwesen hat der Mensch die F ä h i g k e i t , Existenz zu v e r w i r k l i c h e n , aus F r e i h e i t Zwecke zu setzen; der Zweck oder Sinn ist zunächst i m Geist, bevor er sich v e r w i r k l i c h t i m Menschenwerk, das verstanden w i r d aus dieser Zweck-, Sinn-, W e r t e r f ü l l u n g heraus. Deshalb verstehen w i r die menschliche Kultur; vernünftiges Handeln ist H a n d e l n nach Zwecken 31, 79 Zwischenstoff, Zwischenprodukt oder Stufenfabrikat sind die Erzeugnisse der gewerblichen P r o d u k t i o n vor i h r e r Vollendung, sie liegen zwischen dem Rohstoff u n d dem fertigen Erzeugnis, dem Fertigfabrikat: das M e h l ist Zwischenstoff oder Stufenfabrik a t ; K o r n ist Rohstoff. Brot F e r t i g f a b r i k a t 122