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German Pages 995 [996] Year 1906
DIE
ALLGEMEINE
CHIRURGISCHE
PATHOLOGIE UND THERAPIE IN EINUNDFÜNFZIG VORLESUNGEN.
EIN H A N D B U C H FÜR STUDIERENDE UND
ÄRZTE
VON
Dr. THEODOR BILLROTH UND Dr. ALEX. v. WINIWARTER W E I L . P R O F E S S O R D E R C H I R l ' R G I E IN W I E N .
P R O F E S S O R DER C H I R U R G I E IN L Ü T T I C H .
SECHZEHNTE AUFLAGE.
BERLIN. DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER. 1906.
Vorwort zur neunten Auflage. Als vor einiger Zeit von dem Herrn Verleger die Aufforderung an mich erging, eine neue Auflage dieses Buches vorzubereiten, kam ich nach reiflicher Überlegung zu der Uberzeugung, daß ich außerstande sei, eine solche Arbeit so gründlich durchzuführen, wie ich es früher mit Freuden getan hatte.
Die Praxis und das soziale Leben neben meiner Lehrtätigkeit
haben im Laufe der letzten Dezennien meine Arbeitskraft so absorbiert, daß ich den Fortschritten der medizinischen Hilfswissenschaften nicht mehr so folgen konnte, wie es sein soll, wenn man sich anschickt, die Resultate der Arbeiten neuer Generationen für neue Generationen zu einem übersichtlichen, kritisch gesichteten Ganzen zu verarbeiten. mir auch wurde,
ich mußte mich entschließen,
So schwer es
auf eine eigene
neue
Bearbeitung dieser Vorlesungen zu verzichten. — Zu meiner großen Freude hat nun Herr Professor Dr. A l e x a n d e r v o n W i n i w a r t e r diese Arbeit übernommen und so glücklich und gediegen durchgeführt, daß das Buch wieder für einige Zeit den Studierenden und Ärzten als Leitfaden auf dem großen
Gebiete der allgemeinen chirurgischen Pathologie und Therapie
dienen kann. — Diese Aufgabe war eine ganz besonders schwierige, weil dies Buch, so ganz aus meiner Individualität hervorgegangen,
und im
ersten Entwürfe schon vor 20 Jahren ausgearbeitet, durchweg einen vorwiegend subjektiven Stempel trägt. diesen
Herr Professor v o n W i n i w a r t e r hat
meinen subjektiven Standpunkt pietätvoll gewahrt; ich wünsche
indes und autorisiere ihn ausdrücklich dazu, daß er bei folgenden Auflagen das ganze Buch mehr und mehr nach seinen Anschauungen und denjenigen der jüngeren Chirurgen-Generation uniformt; nur dann wird es sich auch fernerhin lebensfähig erweisen.
IV
Vorwort.
Mit diesen Zeilen nehme ich als chirurgischer Schriftsteller Abschied von einem Leserkreis, der mir seine warmen Sympathien so oft in freundlichster Weise dargetan hat.
Ich darf mit Stolz sagen, daß mein Streben,
bei der studierenden Jugend für die herrliche Kunst und Wissenschaft der Chirurgie Freude und Teilnahme zu erwecken, glänzend belohnt worden ist.
Tausend Dank allen, die mich in diesem Streben unterstützt haben! W i e n , im Januar 1880. Th. B i l l r o t h .
Vorwort zur zwölften Auflage. Als ich im Jahre 1880 die neuen Auflagen dieser Vorlesungen an meinen Schiller und Freund, Herrn Professor Dr. A l e x a n d e r v o n W i n i w a r t e r übergab, habe ich den Wunsch ausgesprochen, daß der Herausgeber bei den folgenden Auflagen das ganze Buch mehr und mehr nach seinen Anschauungen und denjenigen der jüngeren Chirurgen-Generation umformen möge, weil es sich nur dadurch auch fernerhin lebenskräftig und nützlich erweisen kann.
Nachdem dies in trefflichster Weise geschehen
und immer neue Auflagen nötig wurden, ist naturgemäß so viel von der Autorschaft und dem Erfolge auf Herrn Professor v o n W i n i w a r t er übergegangen, daß er nicht mehr als Herausgeber, sondern als Mitarbeiter zu diesem Buche gehört.
Ich habe gewünscht, daß dies auch auf dem Titel
des Buches ausgedrückt werde, wie es bei dieser zwölften Auflage geschehen ist.
Möge unsere gemeinsame Arbeit auch fernerhin die studierende Jugend
anregen, ihr die Methoden und Bahnen des Fortschrittes der Wissenschaft zeigen, und ihr für die Praxis ein getreuer Ratgeber sein! W i e n , den 12. Mai 1885. Th. B i l l r o t h .
Inhalt Vorwort Verzeichnis der Holzschnitte Vorlesung 1 Einleitung. Verhältnis der Chirurgie zur inneren Medizin. — Notwendigkeit, daß der praktische Arzt beide erlernt habe. — Historische Bemerkungen. — Art des Studiums der Chirurgie auf den deutschen Hochschulen. Vorlesung 2 Ka " ' 1
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III
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Art der Entstehung und Aussehen dieser Wunden. — Verschiedene Formen der Schnittwunden. — Erscheinungen während und unmittelbar nach der Verwundung: Schmerz, Extravasaten, Klaffen der Wunde. — Allgemeine und lokale Anästhesie. — Verschiedene Arten der Blutungen: kapillare, arterielle, venöse Blutungen. Lufteintritt durch Venenwunden. — Parenchymatöse Blutungen. — Bluterkrankheit. — Allgemeine Folgen starker Blutungen. Vorlesung 3 Behandlung der Blutungen: 1. Ligatur, Umstechung and Naht der Arterien. Torsion. — 2. Kompression, Fingerdruck, Wahlstellen für die Kompression großer Arterien. Tourniquet. Esmarchsche Methode. Forcipressur. Naht. Forcirte Beugung. Einwicklung. Tamponade. — 3. Styptica. — Verschluß blutender Venen. — Allgemeine Behandlung plötzlich eintretender Anämie. Transfusion und Autotransfusion.
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Vorlesung 4 Klaffen der Wunde. — Vereinigung durch Pflaster. — Naht: Knopfnaht. Plattennaht, fortlaufende oder Kürschneraaht. Seiden- und Drahtsuturen. — Versenkte und Etagennähte. — Entfernung der Nähte. — Äußerlich an der vereinigten Wunde wahrnehmbare Veränderungen. — Wundheilung.
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Vorlesung 5 Die feineren Gewebsveränderungen nach der Verletzung. — Die Heilung ein Regenerationsvorgang. — Heilung per primam und per secundam intentionem — Wanderzellen. Provisorische Narbe. — Neubildung der Gefäße. Plasmatische Zirkulation. — Vereinigung des Epithels. — Heilung durch Granulationsbildung. Wunden mit Substanzverlust. — Oberhäutung von Granulationsflächen. — Histologisches.
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Vorlesung 6 Ober Entzündung. — Historisches. — Kardinal-Symptome der Entzündung: Rötung, Wärme, Schwellung, Schmerz. — Entzündungshyperämie. — Entzündliche Schwellung: Exsudation, Gewebsneubildung. Entzündungsprodukte. — Morphologisches. — Arten der Exsudate. — Phagocytose. — Entzündung als Ernährungsstörung. — Ätiologie der Entzündung. — Entziindungsreize. — Mikroparasiten.
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Inhalt.
Vorlesung: 7
Die Spaltpilze und ihre Bedeutung. — Fäulnis und Gärung durch Fermente bedingt. — Fäulniserreger. Saprophyten. Indifferente und pathogene Mikroparasiten. — Morphologie der Spaltpilze. Lebensbedingungen. Vermehrung. Lebensäußerungen. — Produkte des Stoffwechsels der Spaltpilze. Ptomatne, Toxine, Leukomaïne. — Einfluß der Bakterien auf den Entzündungsprozeß. Bakterielle und nicht bakterielle Eiterung. — Mikroorganismen der Eiterung: ihr Vorkommen. — Einwirkung der Eiterkokken auf das Gewebe. — L e b e r s Phlogosin. — Vorgänge bei der eitrigen Entzündung. Abszeßbildung. Histolyse. — Infektiosität des Eiters. Progressive Tendenz der eitrigen Entzündung.
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Entzündliche Komplikationen der Heilung per primam und per secundam intentionem. — Anheilung vollständig getrennter Körperteile. Bedingungen ihres Zustandekommens. — Transplantation. — Hindernisse für die prima intentio. — Heilung unter dem Schorfe. — Verschmelzung zweier Granulationsflächen. — Einfluß der Entzündung auf die Regeneration des Gewebes. — Demonstration von Präparaten über Wundheilung.
Alleemeine Reaktion nach der Verwundung. — Wundfieber. Fiebertlieorien. — Das Wundfieber ein Resorptionsfieber. — Pyrogene Stoffe. A. S c h m i d t s Fibrinferment. S c h m i e d e b e r g s Histozym. Fermente. Fiebererregeiule Eigenschaften der entzündlichen Wundsekrete. — Einfluß der bakteriellen Wundsekrete. — Lokale phlogogene Wirkung gewisser pvrogener Substanzen. — Prognose der einfachen Schnittwunden. — Allgemeinbehandlung der Verwundeten. Ober die Wundbehandlung. — Historisches. — Offene Wundbehandlung. Höhlenwunden. Drainage. — L i s t e r s antiseptischer Okklusivverband und seine Theorie. — Modifikationen des L i s t e r s c h e n Verbandes. — Pulververbände. Jodoform als Antiseptikum. — Obergang von der Antisepsis zur Asepsis. — Aseptische Wundbehandlung. — Antiseptische Tamponade bei septischen Wunden. — Behandlung der Wunden in Schleimhautnöhlen. — Wirkung des antiseptischen Verbandes. — Allgemeine prophylaktischantiseptische Maßregeln. Anomalien der Granulationen: fungöse, erethische, torpide Granulationen. — Hypertrophie der Narbe, Keloïd. — Regenerationsvorgänge in der Narbe. Bildung von Muskel- und Nervenfasern. — Der Thrombus, die Gefiißnarbe. und ihre Entwicklung. — Kollateralkreislauf.
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Stichwunden heilen in der Regel rasch per primam. — Nadelstiche: Zurückbleiben von Nadeln im Körper, Extraktion derselben. — Komplikation der Stichwunden durch Fremdkörper. — Subkutane Operationen. — Stichwunden der Nerven. — Stichwunden der Arterien: Arterienthrombosi'. Aneurysma traumaticum. Stichwunden der Venen.
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Kapitel III. Von d e n Q u e t s c h u n g e n d e r W e i c h t e i l e o h n e W u n d e . Art des Zustandekommens der Quetschungen. — Nervenerschütterung. Shok. — Subkutane Gefäßzerreißungen. — Sugillation. Ekchymose. — Suffusion. Subkutane Zerreißung von Arterien. — \ erfärbung der Haut. Anschwellung der Teile. — Resorption des Extravasates. — Ausgänge in fibrinöse Tumoren, in Cysten, in Eiterung, Verjauchung. — Lymphextravasate. — Behandlung der Extravasate.
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Inhalt.
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Vorlesung 14 180 Kapitel IV. Von d e n Q u e t s c h w u n d e n u n d R i ß w u n d e n d e r W e i c h t e i l e . Art des Zustandekommens der Quetschwunden, Aussehen derselben. Verfärbung und Volumsveränderungen der Wundränder. — Wenig Blutung bei Quetschwunden. — Shok. — Primäre Nachblutungen. — Ecrasement linéaire. Gangräneszenz der Wundränder. Einflüsse, welche auf die langsamere und schnellere Abstoßung der toten Gewebe wirken. — Indikationen zur primären Amputation. — Subkutane Zerreißungen und Rißwunden. — Abreißungen ganzer Körperteile. — Symptome. A n h a n g . Bemerkungen über die Wundbehandlung bei den verschiedenen Verletzungen 193 Vorlesung 15 200 Kapitel V. Von d e n e i n f a c h e n K n o c h e n b r ü c h e n . Knochenquetschung und Knochenerschütterung, verschiedene Arten der Frakturen. — Symptome, Art der Diagnostik. — Verlauf und äußerlich wahrnehmbare Erscheinungen. — Anatomisches über den Heilungsverlauf, Callusbildung. — Quellen der bindegewebigen verknöchernden Neubildung, Histologisches. Vorlesung lß 222 Behandlung einfacher Frakturen. Einrichtung. — Zeit des Anlegens des Verbandes. Wahl desselben. — Gipsverband. Kleisterverband, Wasserglasverband. Guttaperchaverband. Provisorische Verbände. Schienenverbände, ermanente Extension. Lagerungsapparate. — Indikationen für die Abnahme es Verbandes. — Massage bei Knochenbrüchen. — Heilungsdauer. — Fieber bei einfachen Frakturen und seine Bedeutung.
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Vorlesung 17 236 Kapitel VI. Von d e n o f f e n e n K n o c h e n b r ü c h e n u n d v o n d e r K n o c h e n e i t e r u n g . Unterschied der subkutanen und der offenen Frakturen in bezug auf Prognose. — Verschiedenartigkeit der Fälle. Indikationen für die primäre Amputation. Sekundäre Amputation. — Verschiedene Typen des Heilungsverlaufes. — Der erste \erband bei komplizierten Fralcturen. — Infizierte komplizierte Frakturen. — Nekrose der Fragmentenden. — Prognose und Verlauf der komplizierten Frakturen. — Nachbehandlung. A n h a n g zu K a p i t e l V u n d VI 252 1. Verzögerung der Callusbildung und Entwicklung einer Pseudarthrose. —Fibröser Callus bei Gelenkfrakturen. — Ätiologie der Pseudarthrosen. — Ursachen oft unbekannt. — Anatomische Beschaffenheit. — Behandlung: innere, operative Mittel: Kritik der Methoden. — 2. Von den schiefgeheilten Knochenbrüchen; Infraktion, blutige Operationen. Beurteilung der Verfahren. — Abnorme Calluswucherung. 264 Vorlesung 18 Kapitel VII. Von d e n V e r l e t z u n g e n d e r G e l e n k e . Kontusion. — Distorsion. Behandlung durch Kompression und Massage. — Luxationen, traumatische, angeborene, spontane. — Subluxationen. — Ätiologie. — Einrichtung, Nachbehandlung. — Habituelle und veraltete Luxationen. — Angeborene Luxationen. —• Luxation der Semilunarknorpel des Kniegelenkes und der Bizepssehne. — Gelenkeröffnung und akute traumatische Entzündung der Gelenke. — Behandlung. Vorlesung 19 294 Kapitel VIII. Von d e n S c h u ß w u n d e n . Historische Bemerkungen. Verletzungen durch grobes Geschütz. — Die modernen Handfeuerwaffen und ihre Wirkungen. — Verschiedene Formen
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Inhalt. der Schußwunden durch Gewehrprojektile. — Explosivkugeln. Indirekte Geschosse. — Schrotschüsse. — Blutung. Infektion. — Behandlung der Schußve'rletzungen im Kriege. — Transport und Sorge für die Verwundeten im Felde.
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Kapitel IX. \ o n den Verbrennungen und E r f r i e r u n g e n . 1. V e r b r e n n u n g e n : Grade. Extensität, Behandlung. — Sonnenstich. — Blitzschlag. — 2. Erfrierungen: Grade. Allgemeine Erstarrung. Behandlung. — Frostbeulen. Kapitel X. Von d e n a k u t e n n i c h t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g e n d e r W e i c h teile. Allgemeine Ätiologie der akuten Entzündungen. — Akute Entzündung: 1. Der Cutis, a) Eiythematöse Entzündung; b) Furunkel: c) Karbunkel (Anthrax, Pustula maligna). 2. Der Schleimhäute. 3. Des Zellgewebes. Heiße Abszesse. 4. Der Muskeln. 5. Der serösen Häute: Sehnenscheiden und subkutanen Schleimbeutel.
Kapitel XI. Von d e n a k u t e n E n t z ü n d u n g e n d e r K n o c h e n , d e s P e r i o s t e s u n d der Gelenke. Anatomisches. — A k u t e P e r i o s t i t i s u n d O s t e o m y e l i t i s d e r R ö h r e n k n o c h e n . Erscheinungen: Ausgänge in Zerteilung, Eiterung, Nekrose. Prognose. Behandlung. — A k u t e O s t i t i s an s p o n g i ö s e n K n o c h e n . Multiple akute Osteomyelitis. — A k u t e G e l e n k e n t z ü n d u n g e n . — Hydrops articulorum acutus: Erscheinungen, Behandlung. — Akute suppuratire Gelenkentzündung: Erscheinungen, Verlauf, Behandlung. Anatomisches. — Rheumatismus articulorum acutus. — Arthritische Gelenkentzündung. — Metastatische Gelenkentzündungen.
Kapitel XII. Vom B r a n d e . Trockener, feuchter Brand. Unmittelbare Ursachen. Abstoßungsprozeß. — Die v e r s c h i e d e n e n Arten des B r a n d e s n a c h den e n t f e r n t e r e n Ursachen. 1. Vernichtung der Lebensfähigkeit der Gewebe durch mechanische oder chemische Einflüsse. 2. Vollständige Hemmung des Blutzuflusses und Rückflusses. Incarceration. Kontinuierlicher Druck. Dekubitus. Große Spannung der Gewebe. 3. Vollständige Hemmung des Zuflusses arteriellen Blutes. Gangraena spontanea. Gangraena senilis. Symmetrische Gangrän. 4. Gangrän durch Einwirkung von Giften. Ergotismus. Noma. Gangrän bei verschiedenen Blutkrankheiten. — 5. Gangrän infolge nervöser Störungen. — Behandlung. Kapitel XIII. Von d e n a k z i d e n t e l l e n W u n d - u n d E n t z ü n d u n g s k r a n k h e i t e n u n d den vergifteten Wunden. I. ö r t l i c h e K r a n k h e i t e n , w e l c h e zu W u n d e n u n d a n d e r e n E n t z ü n d u n g s h e r d e n h i n z u k o m m e n k ö n n e n : 1. Die progressive, septische, diffuse Zellengewebsentzündung. — 2. Hospitalbrand. — 3. Wunddiphtheritis. — 4. Erysipelas traumaticum. — 5. Lymphangoitis und Lymphadenitis. 6. P h l e b i t i s . T h r o m b o s e . E m b o l i e . — Ursachen der Venenthrombosen. — Verschiedene Metamorphosen des Thrombus. — Embolie; roter Infarkt, embolische, metastatische Abszesse. — Behandlung.
Inhalt.
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II. A l l g e m e i n e a k z i d e n t e l l e K r a n k h e i t e n , w e l c h e zn W u n d e n a n d E n t z ü n d u n g s h e r d e n h i n z u k o m m e n k ö n n e n . — 1. Das aseptische Fieber: 2. das septische Fieber und die Sephthämie: 3. das Eiterfieber und die Pyohämie.
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4. Der Wundstarrkrampf; 5. Delirium potatorum traumaticum; 6. Delirium nervosum und Manie. — Anhang zu Kapitel XIII. Von den vergifteten Wunden: Insektenstiche, Schlangenbisse; Infektion mit Leichengift. — Rotz. Milzbrand. Maul- und Klauenseuche. Hundswut.
Kapitel XIV. Von d e r c h r o n i s c h e n E n t z ü n d u n g , b e s o n d e r s d e r W e i c h t e i l e . Anatomisches. 1. Verdickung, Hypertrophie. 2. Hypersekretion. 3. Verkäsung. 4. Vereiterung, kalte Abszesse, Kongestionsabszesse, Fisteln. Ulzeration. ö. Kolloidmetamorphose. — Folgen chronischer Entzündungen. A l l g e m e i n e S y m p t o m a t o l o g i e . — V e r l a u f . Allgemeine Ätiologie der chronischen Entzündung. — Lokale, dauernde Reize. Infektion. — Einwirkung eines äußeren Insultes auf krankes Gewebe. — Im Organismus liegende Krankheitsursachen: Empirischer Begriff der Dyskrasie und der Diathese.
D i e c h r o n i s c h e n I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n : Tuberkulose, Ätiologie- — Der Tuberkelbazillus. Entwicklung des miliaren Tuberkels. — Verkäsung — Infektionsatrien. — Disposition. Vererbung. — Therapie. — Lepra. — Syphilis. — Aktinomykose. — C h r o n i s c h e E n t z ü n d u n g e n i n f o l g e k r a n k h a f t e r B l u t m i s c h u n g : Die Gicht (Arthritis urica), der Skorbut (Purpura. Morbus maculosus Werlhofii). — ö r t l i c h e B e h a n d l u n g d e r c h r o n i s c h e n E n t z ü n d u n g e n . — Beurteilung der therapeutischen Eingriffe.
Kapitel XV. Von d e n G e s c h w ü r e n . Anatomisches. — Äußere Eigenschaften der Geschwüre: Form und Ausbreitung. Grund und Absonderung, Ränder, Umgebung. — örtliche Therapie nach örtlicher Beschaffenheit der Geschwüre: fungöse, callöse, jauchige, phagedänische, sinuöse Geschwüre. — Ä t i o l o g i e der Geschwüre: dauernde Reizung. Stauungen im venösen Kreislaufe, Spannung der Haut, nervöse Störungen. — Dyskrasische Ursachen. — Tuberkulöse, skorbutische, syphilitische, aktinomykotische Geschwüre.
Kapitel XVI. Von d e r c h r o n i s c h e n E n t z ü n d u n g d e s P e r i o s t e s , d e r K n o c h e n und von der N e k r o s e . C h r o n i s c h e P e r i o s t i t i s u n d O s t i t i s s u p e r f i c i a l i s . Symptome. — Anatomisches. — Osteophytenbildung. — Osteoplastische, ulzerative Periostitis und Ostitis. — Ätiologie. — Verschiedene Arten der infektiösen Ostitis. — Periostitis albuminosa. — Septische Osteomyelitis chronica. — Knochenabszeß. — Ostitis bei Skorbut und Rotz. Die t u b e r k u l ö s e n F o r m e n der c h r o n i s c h e n Periostitis und O s t i t i s . — Die tuberkulöse Neubildung im Knochengewebe. — Entstehung der Tuberkel. — Periostitis und Ostitis tuberculosa der Diaphysen. — Caries superficialis. — Spina ventosa. — Ostitis fungosa der spongiösen Knochen. Epiphysenherde. — Tuberkulöse Knochenabszesse. — Caries necrotica centralis. — Ostitis der kurzen und platten Knochen. — Knochenverschiebung und Senkungsabszesse.
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Inhalt.
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Die chronischen Knochenentzündungen toxischen Ursprungs. Phosphornekrose. — Knochenentzündung der Perlmutterdrechsler. — Diffuse Entzündungen durch lokale Reize. Ostitis malacissans. Ostitis osteoplastica. Sclerosis ossium.
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V e r l a u f u n d H e i l u n g s p r o z e ß bei chronischer Ostitis. Caries und hei Kongestionsabszessen. P r o g n o s e . — Febrile Reaktion bei chronischen Knochenentzündungen. Amyloide Degeneration der inneren Organe. — Sekundäre Lymphdrüsenschwellungen. — T h e r a p i e der chronischen Ostitis, der Kongestionsabszesse und der Knochenabszesse. — Resektion in der Kontinuität. — Amputation. N e k r o s e . Ätiologisches. — Anatomische Verhältnisse bei der Necrosis totalis und partialis. — Lösung der Epiphysenknorpel. — Totalnekrose ohne Eiterung. — Nekrose der kurzen und platten Knochen. — Symptomatologie und Diagnostik. — Behandlung. Sequestrotomie.
A n h a n g zu K a p i t e l XVI. R h a c h i t i s . —Anatomisches. Symptome. Ätiologie. Behandlung. O s t e o m a l a c i e . — H y p e r t r o p h i e und A t r o p h i e der Knochen.
Vorlesung 37 ö2 Kapitel XVII. Von d e r c h r o n i s c h e n E n t z ü n d u n g d e r G e l e n k e . Allgemeines über die Verschiedenheit der Hauptformen. — 1. D i e chronische seröse Synovitis. Hydrops articulorum chronicus. — Anatomisches. — Symptome. — Behandlung. — Typisch rezidivierender Hydrops genu. — 2. Die t u b e r k u l ö s e n g r a n u l ö s - f u n g ö s e n und e i t r i g e n G e l e n k e n t z ü n d u n g e n . Der Tumor albus.
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Ursachen der granulös-fungösen Gelenkentzündung. — Klinische Symptome der Synovialistuberkulose: Schmerz. Fixation des Gelenkes. Muskelkontrakturen. Pathologische Stellung. — Aufbruch des Gelenkes. Tuberkulöse Eiterung. — Infektion durch Eiterkokken. — Caries sicca. — Pathologische Luxationen. — Behandlung der Gelenktuberkulose. 3. D i e s y p h i l i t i s c h e n G e l e n k e n t z ü n d u n g e n . — 4. D i e c h r o n i s c h r h e u m a t i s c h e G e l e n k e n t z ü n d u n g . A r t h r i t i s d e f o r m a n s . Malum senile. Anatomisches. Verschiedene Formen. Symptome. Diagnose. Prognose. Therapie. — 5. D i e n e u r o p a t h i s c h e n G e l e n k e n t z ü n d u n g e n .
A n h a n g I: D i e c h r o n i s c h e n E n t z ü n d u n g e n d e r S e h n e n s c h e i d e n . Chronische seröse Tendovaginitis. Tuberkulose der Sehnenscheiden. Behandlung. Die S y n o v i a l h e r n i e n . — H y d r o p s der subkutanen S c h l e i m b e u t e l . Hvgroma praepatellare. Behandlung. — D i e G e l e n k k ö r p e r : 1. Fibrinkörper. 2. Knorpelige und knöcherne Körper. — Symptomatologie. Behandlung. — A n h a n g II: D i e G e l e n k n e u r o s e n .
Kapitel XVIII. \ o n den Ankylosen. Unterschiede. Anatomische Verhältnisse. Diagnose. Therapie: Allmähliche, forcierte Streckung, blutige Operationen.
Kapitel XIX. Uber die a n g e b o r e n e n , myo- und n e u r o p a t h i s c h e n G e l e n k v e r k r ü m m u n g e n sowie ü b e r die X a r b e n k o n t r a k t u r e n . L o x a r t h r o s e n .
Inhalt. I. Deformitäten embryonalen Ursprungs, bewirkt durch Entwicklungsstörungen der Gelenke. II. Deformitäten nur bei Kindern und jugendlichen Individuen entstehend, bedingt durch Wachstumsstörungen der Gelenke. III. Deformitäten, welche von Kontrakturen oder Lähmung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen abhängen. IV. Bewegungsbeschränkungen in den Gelenken, bedingt durch Schrumpfung von Faszien und Bändern. V. Narbenkontrakturen. — T h e r a p i e : Dehnung mit Maschinen. — Streckung in der Narkose. Kompression. Massage. Operative Behandlung. Gymnastik. Elektrizität. Künstliche Muskeln. Stützapparate.
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Vorlesung 43 752 Kapitel XX. Von d e n V a r i c e n u n d A n e u r y s m e n . V a r i c e n : Verschiedene Formen. Entstehungsursachen, verschiedene örtlichkeiten des Vorkommens. Diagnose. Venensteine. Varixfistel. Therapie. — V a r i c ö s e L y m p h g e f ä ß e . Lymphorrhoe. — A n e u r y s m e n : Ätiologie. Aneurysma spurium traumaticum. Aneurysma cirsoideum. — Atheromatöser Prozeß. — Formverschiedenheiten der Aneurysmen. Spätere Veränderungen derselben. Erscheinungen, Folgen. Diagnose. — T h e r a p i e . Kompression, Exstirpation, Unterbindung, Styptica. Vorlesung 44 1 Ks
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B e g r e n z u n g d e s B e g r i f f e s e i n e r G e s c h w u l s t . — Allgemeine anatomische Bemerkungen: Polymorphie der Gewebsformen. Entstehungsquelle für die Geschwülste. Beschränkung der Zellenentwicklungen innerhalb gewisser Gewebstypen. Beziehungen zur Entwicklungsgeschichte. Art des Wachstums. Anatomische Metamorphosen in den Tumoren. Einteilung. Nomenklatur. Außere Erscheinungsformen der Geschwülste. Vorlesung1 45 783 Ä t i o l o g i e der G e s c h w ü l s t e . Parasitäre Hypothese. C o h n h e i m s Theorie. Spezifische Reize. Spezifische Reaktionsweise der irritierten Gewebe: die Ursache derselben ist immer eine konstitutionelle. Innere Reize: Hypothesen über die Beschaffenheit und Art der Reizeinwirkung. Sekundäre Ursachen der Geschwulstbildung. — Verlauf u n d P r o g n o s e : solitäre, multiple, infektiöse Geschwülste. — Übertragbarkeit. Ausbreitung. Rezidive. — Dvskrasie. — B e h a n d l u n g . — Prinzipien über die E i n t e i l u n g der Geschwülste. Vorlesung 46 797 A. D i e d e s m o i d e n oder B i n d e s u b s t a n z g e s c h w ü l s t e : 1. F i b r o m e , a) die weichen, b) die festen Fibrome. Art des Vorkommens. Operationsverfahren, Ligatur. Ecrasement. Galvanokaustik. — 2. L i p o m e : Anatomisches. Vorkommen. Verlauf. — Xantholipom s. Xanthom. — 3. C h o n d r o m e . Vorkommen. Operation. — 4. O s t e o m e : Formen. Operation. Vorlesung 47 821 5. Myome. — 6. N e u r o m e . — 7. A n g i o m e : a) plexiforme, b) kavernöse. — Behandlung. — 8. L y m p h a n g i o m e . Vorlesung 48 835 9. S a r k o m e . Anatomisches a) Granulationssarkom, b) Spindelzellensarkom, c) Netzzellensarkom, d) Riesenzellensarkom, e) Pigmentsarkom, Melanom, f) Alveolares Sarkom, Endotheliom. g) Villöses Sarkom. Perlgeschwulst. Psammom, h) Plexiformes (kankroides, adenoides) Sarkom. Angiosarkom. Zylindrom. Mischformen. — Klinische Erscheinungsform. Diagnose. Verlauf. Prognose. Art der Infektion. — Topographie der Sarkome: Zentrale Osteosarkome. Periostsarkome. Sarkome der Mamma, der Speicheldrüsen. 10. L y m p h o m e . Anatomisches. Benigne und maligne Lymphome. Leukämie und Pseudoleukämie. Sarkome der Lymphdrüsen. Behandlung.
XII „
Inhalt. Seite
Vorlesung 49 g(59 B. D i e e p i t h e l i a l e n G e s c h w ü l s t e . 11. P a p i l l o m e . — 12. A d e n o m e . — 13. C y s t e n u n d C y s t o m e . Follikularcysten der Haut. — Talg- und Homcysten. — Atherome. — Dermoidcysten. — Cvsten der Schleimhäute. — Schleimcysten. — Cysten neuer Bildung. Schilddrüsencysten. Eierstockcystome. — Embryome. — Teratoide Geschwülste. Blutcysten. — Behandlung der Cystengeschwülste. V o r l e s u n g 50 893 14. K a r z i n o m e : Historisches. Allgemeines über die anatomische Struktur. Hypothesen über die Actiologie. — Proliferation des Epithels und Art des Wachstums. — Genese der Krebselemente. — Einschlüsse in den Krebszellen. — Verschiedene Formen. — Metamorphosen. Äufiere Erscheinung. — Verlauf. — Topographie: 1. Äußere Haut und Schleimhäute mit Plattenepithel. 2. Schleimdrüsen mit kubischem und Zylinderepithel. 3. Milchdrüsen. 4. Speicheldrüsen und Vorsteherdrüse. 5. Schilddrüse und Eierstock. — Therapie. — Kurze Bemerkungen über die klinische Diagnose der Geschwülste. V o r l e s u n g 51 943 Kapitel XXII. Uber Amputationen, Exartikulationen und Resektionen. Wichtigkeit und Bedeutung dieser Operationen. — A m p u t a t i o n e n u n d E x a r t i k u l a t i o n e n . — Indikationen. Methoden. — Nachbehandlung. Prognose. — Konische Stümpfe. Prothese. Historisches. — R e s e k t i o n e n d e r Gelenke. — Historisches. — Indikationen. — Methoden. — Nachbehandlung. — Prognose. Sachregister
900
Namenregister
974
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Fig. Fig. Fig.
1. 2. 3.
Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.
4. 5. 6. 7. 8. 9. ID. 11. 12. 13. 14. 15.
Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.
28. 29. 30. 31. 32.
Fig. 33.
Bindegewebe mit Kapillarsystem und Epithel. Schematische Zeichnung Frische Schnittwunde. Leukocvten. Scnematische Zeichnung Vereinigung der Wundflächen durch die zellige Neubildung. Plastisch infiltriertes Gewebe. Schematische Zeichnung Reihenfolge der Gefäßbildungen; nach A r n o l d Wunde mit Substanzverlust. Gefäßdilatation. Schematische Zeichnung Granulierende Wunde. Schematische Zeichnung Fettige Degeneration von Zellen aus Granulationen. Körnchenzellen... Lebende Eiterzellen aus frischem Eiter Große Phagocyten. nach M a r c h a n d Bildung von Phagocyten aus Bindegewebszellen, nach M a r c h a n d Micrococcus, Coccogiia, Streptococcus, Bakterien, Vibrio, Streptobacteria Pilzfigur von der Kaninchencornea: nach v. F r i s c h Heilung unter dem Schorfe. Halbschematische Zeichnung nach M a r c h a n d Hornhautschnitt, 3 Tage nach der Verletzung Schnittwunde in der Wange eines Hundes, 24 Stunden nach der Verwundung Narbe 9 Tage nach einem per primam intentionem geheilten Schnitte durch die Lippe eines Kaninchens Granulationsgewebe, nach M a r c h a n d Junges Narbengewebe Frontalschnitt durch eine Hundezunge: Gefäßverhältnisse 48 Stunden nach der Verletzung: nach W y w o d z o f f Gleicher Schnitt; Gefäßbildung 10 Tage nach der Verletzung; nach Wywodzoff Gleicher Schnitt; Gefäßbildung 16 Tage nach der Verletzung: nach Wywodzoff Vernarbte Schnittwunde (7 Tage nach der Verletzung) in der Lippe eines Hundes. Heilung per primam. Injektion der Lymphgefäße Regenerationsvorgänge quergestreifter Muskelfasern nach Verletzungen: nach G u s s e n b a u e r Kaninchennerv 17 und 50 Tage, Froschnerv 30 Tage nach der Durchschneidung; nach E i c h h o r s t Kolbige Nervenendigungen an einem älteren Amputationsstumpfe des Oberarms. Araputations-Neurome In der Kontinuität unterbundene Arterie. Thrombus; nach F r o r i e p . . . Längsschnitt des unterbundenen Endes der Art. cruralis eines Hundes, nach 0 . W e b e r Frischer Thrombus im Querschnitte Sechstägiger Thrombus im Querschnitte Zehntägiger Thrombus Vollständig organisierter Thrombus in der Art. tibialis postica des Menschen Stück eines Querschnittes der V. femoralis vom Menschen mit organisiertem. vaskularisiertem Thrombus A. carotis eines Kaninchens, 6 Wochen nach der Unterbindung injiziert; nach P o r t a
63 64 66 68 74 75 76 84 86 87 94 102 111 113 114 114 115 115 116 116 119 119 146 148 149 151 152 152 153 153 154 155 156
XIV
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37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47.
Fig. 48. Fig. 49. Fig. 50. Fig. 51. Fig. 52. Fig. 53. Fig. 54. Fig. 55. Fig. 56. Fig. 57. Fig. 58. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.
59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66.
Fig. 67. Fig. 68. Fig. 69. Fig. 70. Fig. 71. Fig. 72. Fig. 73.
A. carotis einer Ziege. 3 5 Monate nach der Unterbindung injiziert: nach Porta A. femoralis eines großen Hundes. 3 Monate nach der Unterbindung injiziert; nach P o r t a Seitlich verletzte Arterie mit Gerinnsel. 4 Tage nach der Verwendung: nach P o r t a Körniges u n d kristallinisches Hämatoidin Abstoßungsprozeß abgestorbenen Bindegewebes bei Quetschwunden . . . . Ausgerissener Mittelfinger mit sämtlichen Sehnen Zentrales E n d e einer durchrissenen Art. brachialis Ausgerissener Arm mit Scapula und Clavicula 3 Tage alte F r a k t u r eines Kaninchenknochens ohne Dislokation 10 Tage alte F r a k t u r der Tibia eines Hundes. Nach S t a n l e y Geheilte F r a k t u r der Fibula F r a k t u r der Femurdiaphyse, mit winkeliger Verschiebung geheilt Dislozierte F r a k t u r des Femur mit reichlichem äußeren Gallus Schematische Nachbildung eines Sagittalschnittes einer mit winkeliger Obereinanderschiebung der Fragmente geheilten Fraktur der Diaphyse des Femur. Nach J . W o l f f Querschnitt der Humerusfraktur eines Kindes. Nach T h i e r f e l d e r . . . . Schnitt durch einen 52 Stunden alten Callus nach Fraktur der Ulna vom Kaninchen. Beginnende Bildung von osteoidem Gewebe Künstlich injizierter äußerer Callus von geringer Dicke an der Oberfläche piner Knninchen-Tibia in der Näho einer 6 Tage alten Fraktur Querschnitt durch einen 40 Tage alten Callus nach Fraktur der Tibia vom Kaninchen. Resorption an der Markhöhle durch Vermittlung von Riesenzellen, Apposition von Knochengewebe am Perioste. Nach M a a s Querschnitt durch einen 40 Tage alten Callus nach Fraktur der Tibia vom Kaninchen. Resorption des äußeren (Periost-) Callus durch Bildung von Markräumen mit Riesenzellen. Nach M a a s Intermediärer Callus (Längsschnitt), 96 Tage nach der Fraktur Verknöchernder Callus an der Oberfläche eines Röhrenknochens in der Nähe einer F r a k t u r Schußfraktur des Unterschenkels durch ein kleinkalibriges Vollmantelgeschoß, nach K ü t t n e r Schußwunde des Unterschenkels, durch ein Hohlspitzengeschoß erzeugt, nach K ü t t n e r Blitzfiguren: nach S t r i c k e r Epithelialschicht auf einer katarrhalisch infizierten Konjunktiva; nach Rindfleisch Entzündlich infiltriertes Bindegewebe. Einschmelzung der Fasern Abszeßbildung Blutgefäße einer Abszeßwand Venenthrombose Kurve eines aseptischen Fiebers Kurve eines septischen Fiebers nach Amput. brachii Kurve eines septischen Fiebers nach Handgelenkresektion Rote und weiße Blutkörperchen aus der Zwerchfellvene einer sephthämischen Maus. — Bazillen des malignen Ödems vom Kaninchen. Nach R. K o c h Kurve eines septischen Fiebers bei Erisypelas ambulans faciei Gefäß aus der Rindensubstanz der Niere von einem pyohämischen Kaninchen; nach K o c h Fieberkurve einer Pyohämie Rote Blutkörperchen und Bazillen im Milzbrandblut einer Maus. Milzbrand, Kaninchen. Gefäß einer Darmzotte mit massenhaften Bazillen: nach K o c h Riesenzellen aus Tuberkeln in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung: nach L a n g h a n s Kleinste Tuberkel im Netz, kleinste Tuberkel an einer Himarterie; nach R i n d f l e i s c h . Entwicklung von kleinsten Tuberkeln im Netze; nach Kundrat Kleinster Tuberkel einer Hirnarterie; nach R i n d f l e i s c h
156 156 164 173 185 192 192 192 209 209 213 213 213 214 217 218 21!) 219 220 220 221 299 300 320 345 348 349 352 429 435 441 442 443 446 454 457 491 514 517 518
Verzeichnis der Holzschnitte.
XV Seite
Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.
J ^ ' J ^ ix rlesun- 13.
Kapitel III.
165
durcli Entgegenschlagen de s Körpers gegen irgend eine harte resistente Oberfläche. Die unmittelbare Folge einer solchen Quetschung ist ein Z e r d r ü c k e n der Weichteile, das in den allerverschiedensten Graden statt haben kann: oft nehmen wir kaum eine Veränderung war. in anderen Fällen finden wir die Teile zu Brei zermalmt. Ob die Haut bei einer solchen Gewalteinwirkung eine Kontinuitätstrennung erleidet, hängt von mancherlei Umständen ab, zumal von der Form des quetschenden Körpers und der Kraft des Stoßes, dann von der Unterlage, welche die Haut hat; die gleiche Gewalt kann z. B. an einem muskulösen Oberschenkel eine Quetschung ohne Wunde machen, während sie. auf die Crista tibiae einwirkend, eine Wunde veranlassen würde, indem hier der scharfe Knochenrand von innen nach außen die Haut gewissermaßen durchschneidet. Es kommt ferner die Elastizität und Dicke der Haut in Betracht, welche nicht allein bei verschiedenen Menschen sehr verschieden ist, sondern auch bei einem und demselben Individuum an den einzelnen Stellen des Körpers sich verschieden verhält. Im allgemeinen ist die Haut ungemein widerstandsfähig gegen Druck, d. h. es wird nur schwer eine Kontinuitätstrennung derselben herbeigeführt, wenn auch die Spuren der Quetschung, von welchen wir sogleich sprechen werden, nicht mangeln. Bei einer Quetschung ohne Wunde können wir den Grad der Zerstörung nicht unmittelbar erkennen, sondern nur mittelbar, und zwar aus den E r s c h e i n u n g e n von s e i t e n d e r N e r v e n und G e f ä ß e , dann aus dem weiteren V e r l a u f e n a c h der V e r l e t z u n g . Die nächste Erscheinung an den N e r v e n bei einer Quetschung ist Schmerz, wie bei den Wunden, doch ein Schmerz mehr dumpfer, unbestimmbarer Art, wenn er auch sehr heftig sein kann. In vielen Fällen hat der Verletzte, zumal beim Gegenschlagen gegen einen harten Körper, ein eigentümlich vibrirendes, dröhnendes Gefühl in den betroffenen Teilen; dieses Gefühl, welches sich ziemlich weit über die verletzte Stelle hinaus erstreckt, ist durch die E r s c h ü t t e r u n g , welche die Nervensubstanz erleidet, bedingt. Sie alle kennen die Erscheinungen einer Erschütterung des N. ulnaris, wenn man sich den Ellenbogen gegen eine Kante anstößt — man fühlt außer dem dumpfen Schmerze, der bis in den 4. und den 5. Finger ausstrahlt, ein eigentümliches, lebhaftes Vibriren. ein „Knebeln"' längs des ganzen Verlaufes des Nerven und unmittelbar darauf den Zustand, den wir als „Taubsein" des Nerven bezeichnen. Wir haben für diese vorübergehende Erscheinung keine andere Erklärung, als daß wir annehmen, die Substanz der Nerven, zumal der Axenzylinder, erleide durch den Stoß molekulare Verschiebungen, die sich spontan wieder ausgleichen. Diese Erscheinungen der Erschütterung, der K o m m o t i o n , sind keineswegs mit allen Quetschungen verbunden: sie fehlen in den meisten Fällen,
166
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
wenn ein schwerer Körper ein ruhendes Glied trifft, ohne direkt einen nahe der Hautoberfläche liegenden Nerven gegen den Knochen anzudrücken; doch sind sie nicht selten von großer Bedeutung bei Quetschungen am Kopfe: hier vereint sich dann die C o m m o t i o c e r e b r i zuweilen mit der C o n t u s i o c e r e b r i . oder erstere tritt allein auf. z. B. beim Falle auf die Füße oder auf das Gesäß, von wo sich die Erschütterung auf das Gehirn fortpflanzt und die schwersten Zufälle, ja den Tod veranlassen kann, ohne daß man anatomische Veränderungen im Gehirne findet. Die Erschütterung ist ein Vorgang, den wir vorzüglich ins Nervensystem verlegen: man spricht daher hauptsächlich von einer Gehirnerschütterung, von einer Rückenmarkserschütterung. An den peripherischen Nerven macht sich die lokale Quetschung vorwiegend geltend, deshalb läßt man die Erschütterung vielleicht zu sehr aus den Augen. Da wir nun nicht wissen, was hierbei speziell in den Nerven vorgeht, so können wir auch nicht beurteilen, ob diese Vorgänge einen Einfluß, und welchen Einfluß sie auf den weiteren Vorlauf der Quetschung und der Quetschwunden haben. Es scheinen einige unzweifelhafte Beobachtungen dafür zu sprechen, daß diese Erschütterungen peripherischer Nerven motorische und sensible Paralysen, sowie Atrophien der Muskulatur einzelner Gliedmaßen zur Folge haben können, doch ist der Kausalnexus wegen mannigfacher Komplikationen oft sehr schwierig nachzuweisen. Eine heftige Erschütterung des Thorax wird eben durch die Erschütterung der Herz- und Lungennerven die bedenklichsten Erscheinungen hervorrufen, weil dadurch die Zirkulation und Respiration, wenn auch nur vorübergehend, gestört wird. Auch besteht zweifellos eine Rückwirkung der erschütterten Nerven, zumal der sympathischen, auf das Herz und indirekt auf das Hirn: gewiß wird es einem oder dem anderen von Ihnen auf dem Turnplatze beim Ringen und Boxen passiert sein, daß er einen heftigen Stoß gegen den Bauch bekam: welch schauderhafter Schmerz! es überkommt einen für den Augenblick das Gefühl einer Ohnmacht! Wir haben da eine Wirkung auf das Hirn und auf das Herz: man hält den Atem an und muß seine Kraft zusammenraffen, um nicht umzusinken. Einen ganz ähnlichen Zustand, eine plötzliche Ohnmacht mit Verlangsamung der Herzaktion, tödlicher Blässe des Gesichtes, kaltem Schweiß, Zittern der Extremitäten hat man öfters nach Druck oder Schlag auf den Hoden beobachtet. Wenn Sie in der Klinik einer Kastration beiwohnen, werden Sie zuweilen dieselben Phänomene eintreten sehen in dem Momente, wenn der Samenstrang, respektive die darin verlaufenden Nerven, durch die Massenligatur zusammengeschnürt werden, und das selbst, wenn der Kranke chloroformiert ist. Sie kennen den sog. G o l t z sehen Klopfversuch aus der Physiologie: schlägt man einem kräftigen, gesunden Frosche mit einem Skalpellstiele oder einem Perkussions-
Vorlesung 13.
Kapitel III.
167
hammer auf den Bauch, so verfällt er in einen Kollaps, der in den Tod übergehen kann. Der Tod erfolgt durch Lähmung der Herzaktion, mit konsekutiver Himanämie. Das venöse Blut, welches nicht mehr vom Herzen aspiriert wird, sammelt sich in den großen Unterleibsvenen an, die strotzend gefüllt erscheinen, während die Lungen und das Hirn kein Blut mehr erhalten. Man erklärt diese Hemmung der Herzaktion durch einen reflektorischen Vorgang. Es genügt ein wie immer gearteter Reiz eines sensiblen Nerven, der zum Zentralorgane geleitet wird, um nicht nur momentane Verlangsamung der Herzaktion, sondern auch in ihrem Gefolge akute arterielle Hirnanämie hervorzurufen. Ein schöner, leicht anzustellender Versuch zeigt folgendes: Fixiert man ein Kaninchen in der Rückenlage durch eine entsprechende Vorrichtung und sticht man nun eine lange, feine Nadel durch die Thoraxwand in das Herz ein, so kann man mit Leichtigkeit die Herzaktion nach der Bewegung der Nadel, welche als langer Hebelarm weite Exkursionen macht, beurteilen. Die Tiere vertragen das ganz gut und einige Zeit nach dem Einstiche sind die Schwingungen der Nadel vollkommen ruhig und gleichmäßig. Nähert man jetzt der Nase des Tieres irgend eine reizende Substanz, z. B. Chloroform oder Ammoniak, so tritt momentan ein vollkommener Stillstand in der Bewegung der Nadel ein und gleich darauf sind ihre Exkursionen viel seltener und größer, zum Beweise, daß die Herzaktion bedeutend verlangsamt worden ist. Ganz dasselbe geschieht, wenn man dem Tiere irgend einen Schmerz zufügt. Man kann dieses Experiment viele Male wiederholen: es beweist, daß die bloße Reizung der sensiblen Nervenfasern genügt, um eine Verlangsamung der Herzaktion herbeizuführen.
Beim Menschen tritt im allgemeinen nach schweren Verletzungen ein Zustand von Stumpfheit und Betäubung ein. der durch Yerlangsamung und Abschwächung der Herztätigkeit mit ihren Folgeerscheinungen charakterisiert ist. Wir bezeichnen diesen Depressionszustand mit dem englischen Worte „ S h o k " (wörtlich: Stoß. Erschütterung). Bei dem soeben erwähnten Versuche von G o l t z rufen wir durch wiederholte Reizung des Nervenplexus der Baucheingeweide des Frosches einen Symptomenkomplex hervor, der mit dem des Shoks die größte Ähnlichkeit hat. — während das Experiment am Kaninchen beweist, daß eine selbst unbedeutende Reizung Verlangsamung, ja selbst momentanen Stillstand der Herzaktion bewirken könne. Alle Phänomene des Shok können auf die reflektorische Zirkulationsstörung infolge der Nervenirritation zurückgeführt werden; auch entspricht das Bild eines unter dem Eindrucke einer schweren Verletzung stehenden Menschen vollkommen der theoretischen Vorstellung: unfühlbarer oder fadenförmiger Puls, kaum wahrnehmbare, verlangsamte Herzaktion. tötliche Blässe und Marmorkälte der Haut, oberflächliche, intermittirende Respiration, Cyanose der Lippen, psychische Depression, häufig mit Unruhe vergesellschaftet. Daß dieser Zustand in tiefe Ohnmacht und den Tod übergehen kann, unterliegt keinem Zweifel. Auf diese Weise sind die plötzlichen Todesfälle zu erklären, welche zuweilen unmittelbar nach einem heftigen Schmerze eintreten, wenn die betreffenden Individuen schon vorher aus irgend einem Grund, z. B. durch Blutverlust, geschwächt worden waren. Zuweilen genügt der leiseste Anstoß, z. B. der Versuch, den Verletzten zu chloroformieren, um die Herztätigkeit gänzlich stille stehen zu
168
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
machen, gerade so wie bei dem Experimente am Kaninchen. Andererseits sehen Sie ein, daß, wenn der Shok nicht unmittelbar tödlich wird, der Kranke sich bald von demselben erholen muß; in der Regel geschieht das bereits im Verlaufe einiger Stunden. Doch dauert die psychische Alteration zuweilen längere Zeit an: es kann auch die anfängliche Depression einem aufgeregten maniakalischen Zustande Platz machen, verbunden mit fortwährender Unruhe, Schlaflosigkeit usw. — solche Fälle sind jedenfalls sehr selten. Ein 60jähriger kräftiger Arbeiter wurde von einer Lokomotive niedergestoßen; die Räder zermalmten ihm beide Vorderarme. Unmittelbar nach der Verletzung in meine Klinik gebracht, zeigte der Verletzte nebst den physischen Erscheinungen des Shok einen sehr eigentümlichen Gesichtsausdruck, den ich nicht anders bezeichnen kann, als den eines blöden Erstaunens; dabei wiederholte er fortwährend dieselben zwei oder drei Sätze mit lauter deklamierender Stimme und unter übertriebenen mimischen Gesichtsverzerrungen, wie ein schlechter Heldenschauspieler. Es mußte gleichzeitig, ohne Narkose, die Amputation beider Vorderarme gemacht werden: auch das änderte nichts an dem psychischen Zustande des Mannes: er unterstützte jetzt seine Reden durch theatralische Gebärden mit beiden amputierten Armen. Er war übrigens bei vollem Bewußtsein, nur sehr unruhig; die psychischen Alterationen dauerten drei Tage hindurch unverändert fort, während die physischen Erscheinungen des Shok schon nach 24 Stunden verschwunden waren. Später stellte sich der gewöhnliche, gleichgültige, von dem früheren durchaus verschiedene Gesichtsausdruck eines mäßig intelligenten Menschen und eine ganz natürliche Redeweise wieder ein.
Von den Erschütterungen der Nerven unterscheiden sich die Q u e t s c h u n g e n der Nerven dadurch, daß bei diesen einzelne Teile der Nervenstämme, oder letztere auch in ihrer ganzen Dicke, in der verschiedensten Ausdehnung und dem verschiedensten Grade durch die einwirkende Gewalt lädiert werden, so daß wir sie in den schwersten Fällen breiig erweicht finden. Unter diesen Umständen muß eine der Verletzung entsprechende Paralyse auftreten, aus der wir dann auf den verletzten Nerven und die Ausdehnung der Einwirkung zurückschließen. Im ganzen sind solche Quetschungen der Nerven ohne Wunde selten (am häufigsten noch am N. radialis und am N. cruralis), da die Hauptnervenstämme tief zwischen den Muskeln liegen und daher weniger direkt getroffen werden. Es ist a priori zugegeben, daß E r s c h ü t t e r u n g s v o r g ä n g e auch an a n d e r e n G e w e b e n u n d O r g a n e n stattfinden können als gerade an den Nerven, und daß dadurch nicht nur Störungen der funktionellen, sondern auch der nutritiven, eventuell formativen Funktionen vorübergehend oder dauernd hervorgerufen werden können. Solche Störungen können auch einen wichtigen Einfluß auf den weiteren Verlauf der reparativen Vorgänge nach den Verletzungen haben, und sind als Hauptursache für die oft so stürmisch verlaufenden Entzündungen mit leicht zersetzbaren Exsudaten und Infiltraten von manchen Chirurgen angesehen worden. Ich bin weit entfernt, den Einfluß einer energischen Erschütterung z. B. auf einen
Vorlesung 13.
Kapitel III.
169
Knochen zu leugnen, dessen Mark und Gefäße dadurch zerreißen, ohne daß er zusammenbricht: gewiß werden die Folgen einer solchen Verletzung unter Umständen viel ausgedehnter und langwieriger sein, als die Folgen eines z. B. durch Uberbiegung erfolgten Bruches; doch darf man wohl gerade diesem Momente nicht den oft so schweren Verlauf gequetschter Wunden zuschieben. Außer dem Einflüsse der Kontusion auf die Nerven, welche wir gewöhnlich nur aus ihren Symptomen erschließen, finden sich als Resultat der Kontinuitätstrennung bei der Quetschung wichtige anatomisch nachweisbare Veränderungen der Gewebe vor, von denen wir jetzt sprechen wollen. Um dieselben experimentell zu studieren, hat man bei Tieren Quetschungen an blutleer gemachten Geweben ausgeführt, da sonst das durch die Gefäßzerreißungen gesetzte Extravasat jede mikroskopische Untersuchung unmöglich machen würde. So sehr nun auch die Kraft, welche die Quetschung hervorruft, verschieden sein kann, so geringe Variationen zeigen die gequetschten Gewebe selbst, d. h. die zelligen Elemente und die Interzellularsubstanz: von den Gefäßen sehen wir ganz ab. Nach den Untersuchungen G u s s e n b a u e r s finden sich bei leichten Quetschungen Zerreißungen fast ausschließlich in dem lockeren Bindegewebe, welches die kleinsten Blutgefäße begleitet; nach Einwirkung stärkerer Gewalt entstehen außerdem Kontinuitätstrennungen der Intercellularsubstanz der Gewebe, während die zelligen oder faserigen Bestandteile des Gewebes mehr oder weniger voneinander gelöst sind; die Muskelfasern z. B. sind an vielen Stellen abgeknickt, teilweise zerrissen, die kontraktile Substanz tritt hie und da aus den Rißstellen des Sarkolemma hervor. Selbst bei vollständiger Zermalmung des Gewebes sind die zelligen Elemente, Bindegewebskörperchen, Gefäßwandzellen, Endothelien usw. fast immer vollständig erhalten: die Zerstörung betrifft wieder hauptsächlich die Interzellularsubstanz. Sogar in den Organen, wo dieselbe sehr spärlich vorhanden ist, findet man zwar Kontinuitätstrennungen z w i s c h e n den Zellen, aber die zelligen Elemente erscheinen selbst bei schärfster Vergrößerung unversehrt. . Die Idee, die man a priori haben könnte, daß in einem zermalmten Gewebe jede Gewebsstruktur unkenntlich geworden sein müsse, ist also durchaus unrichtig. Deshalb ist es auch durchaus verfehlt, mehrere durch anatomische Merkmale streng voneinander geschiedene Grade der Quetschung annehmen zu wollen; im blutleeren Gewebe sind die Veränderungen, entsprechend der Intensität der Verletzung, eben nur dem Grade oder vielmehr der Ausdehnung nach verschieden. Die wichtigsten Symptome der Quetschung sind durch die Gefäßzerreißungen bedingt. Die s u b k u t a n e B l u t u n g ist daher die fast regelmäßig eintretende Folge einer Quetschung. Daß die Blutung, selbst wenn sie aus einem größeren Gefäße kommt, selten einen gefährlichen Charakter
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
170 annimmt,
das liegt an der raschen Gerinnung des Blutes,
Teile durch die Reibung an den Rißenden der Gefäße,
veranlaßt zum
zum Teile
durch
die Kompression von Seiten des umgebenden Gewebes selbst, welche dem intravaskulären Drucke sehr bald das Gleichgewicht hält. die Quetschung
der Gefäßwand allein,
Außerdem kann
durch welche die Intima alteriert
wird und ihre Glätte einbüßt, schon die Gerinnung des Blutes zur Folge haben. Die Zerreißungen infolge der Quetschung erstrecken sich nicht allein auf die Blutsondern auch auf die Lymphgefäße: deshalb besteht das in den Geweben angesammelte Extravasat
aus Blut und aus Lymphe.
Das Blut
aus den zerrissenen
Gefäßen
ist
entweder gleichmäßig in den Gewebsräumen verteilt, infiltriert oder in kleinen,
eben
noch
dem
erkennbaren Höhlen
angesammelt;
Ausdrucke h ä m o r r h a g i s c h e mose
oder S u g i l l a t i o n ;
den
Infiltration,
ersteren Fall
bezeichnen
wir mit
den letzteren mit den Namen
Ecchy-
ist hingegen eine größere mit extravasiertem Blute gefüllte
Höhle im Gewebe vorhanden, dann sprechen wir von einem H ä m a t o m
(Blutbeule),
oder auch, falls das Extravasat der F l ä c h e nach ausgebreitet ist, von einer S u f f u s i o n . Selbstverständlich
gibt
es
zahlreiche
Übergangsformen
zwischen
diesen
Arten
der
Extravasaten. J e gefäßreicher ein Teil und j e wird das E x t r a v a s a t
werden.
ausgedehnter die Quetschung ist, um so größer
Das extravasierte Blut bahnt sich, wenn es langsam
aus den Gefäßen ausfließt, zwischen die Bindegewebsbündel, zumal des Unterhautzellgewebes und der Muskeln, Wege.
Diese
Blutinfiltration dehnt
sich
in einem
laxen,
nachgiebigen, leicht zu lockernden Gewebe sehr weit aus, wenn das Blut allmählich, doch kontinuierlich eine Zeitlang aus den Gefäßen ausfließt.
Wir finden daher in der
Regel voluminöse, umfangreiche Blutergüsse in den Augenliedem, im Scrotum usw.
Je
dünner die Haut ist, um so leichter und um so früher werden wir die Blutinfiltration erkennen: das Blut schimmert durch die Haut blau durch, dringt in dieselbe ein und gibt ihr eine stahlblaue Färbung.
Unter der feinen und durchsichtigen Conjunctiva bulbi
erscheint dagegen das extravasierte Blut vollkommen rot. im Corium
Oberflächliche Blutextravasate
stellen sich als rote Flecken (Purpura) oder Streifen (Vibices) dar. nach
Stock- und Rutenstreichen, Peitschenhieben usw. Die Quetschung der Cutis ist gewöhnlich an einer stark dunkelblauen, ins" Braune übergehenden Färbung zu erkennen, zuweilen auch an Abstreifung der Epidermis, Kunstsprache
sagt, an den
an den sog. S c h r u n d e n ,
oder wie man in
der
Exkoriationen.
Der Grad und die Ausdehnung des Blutergusses kann als das beste Kriterium fiir die Intensität
der Verletzung dienen.
Bei den leichteren Kontusionen kommt es fast
nur zur Zerreißung der kleinsten Blutgefäße: das Blut tritt in die perivaskulären Räume aus, ohne sich weiter zu verbreiten: Infiltration.
es
entsteht
also nur
eine
hämorrhagische
Unter pathologischen Verhältnissen, u. a. bei der sog. Bluterkrankeit
( H ä m o p h i l i e , vergl. S. 34), finden sich auch nach leichten Quetschungen ausgedehnte Suffusionen
und B l u t b e u l e n , welche sonst im allgemeinen nur den höheren Graden
der Quetschung zermalmt
ist.
eigen
oder
sind,
aber
wenn
wenn
die Interzellularsubstanz
durch
die Verletzung
ein
auf
weite Strecken
größeres
Gefäß
hin
zerrissen
worden ist. Bei tiefen Blutergüssen, den diffusen
sowohl als den zirkumskripten, findet man
oft. zumal gleich nach der Verletzung, gar keine Verfärbung der Haut.
Man nimmt nur
eine Geschwulst wahr, deren rasches Entstehen unmittelbar nach einer Verletzung schon auf ihre Natur führt, und diese Geschwulst fühlt sich weich und gespannt an.
Der
umgrenzte Bluterguß bietet das sehr charakteristische Gefühl der Schwappung dar, das Gefühl der F l u k t u a t i o n .
Sie können sich von diesem Gefühle am leichtesten einen
Vorlesung 13.
Kapitel III.
171
deutlichen Begriff machen, wenn Sie eine Blase mit Wasser voll, doch nicht zu prall anfüllen und nun die Wandungen befühlen. Es ist die Untersuchung auf Fluktuation in der chirurgischen Praxis von großer Bedeutung, da es unzählige Fälle gibt, wo es wichtig ist. zu unterscheiden, ob man es mit einer Geschwulst zu tun hat. die von fester Konsistenz ist. oder einer solchen, die Flüssigkeit oder sehr weiches Gewebe enthält. Über die Art, wie Sie diese Untersuchung in den einzelnen Fällen am besten machen, werden Sie in der Klinik belehrt werden. Auch in den großen Körperhöhlen können durch Quetschung Blutergüsse zustande kommen. Sie sind sehr gefährlich und können zum Tode führen, teils durch die Fortdauer der Blutung, welche an den umliegenden Weichteilen keinen festen Gegendruck findet und daher nicht zum Stehen kommt (wie z. B. in der Bauchhöhle, im Thorax), teils durch die Kompression, welche das austretende Blut auf die in den Höhlen gelegenen Organe ausübt, wodurch dieselben funktionsunfähig werden (z. B. das Herz, das Gehirn). Letzteres wird außerdem durch das aus starken Gefäßen ausströmende Blut teilweise zerstört, so daß rasch auftretende Lähmungen, oft auch Störungen des Sensoriums die Folgen einer solchen Blutung sind. Wir nennen einen Bluterguß ins Gehirn selbst, sowie auch die dadurch hervorgebrachte Reihe von Symptomen eine A p o p l e x i e (von ir.'j und -lipzui, wegschlagen, niederschlagen). Ist an den Extremitäten eine größere A r t e r i e subkutan zerquetscht, so entsteht eine pulsierende Blutgeschwulst, ein traumatisches Aneurysma, doch ist diese Kontinuitätstrennung bei der tiefen, geschützten Lage der großen Arterien selten, viel seltener als bei den V e n e n , durch deren Verletzung die meisten stärkeren Blutergüsse bei Quetschungen zustande kommen. In B i l l r o t h s Klinik wurde einmal eine subkutane Zerreißung der Art. tibialis antica beobachtet. Ein kräftiger, starker Mann hatte den Unterschenkel gebrochen, die Haut war unverletzt. Der Bruch war ungefähr in der Mitte der Tibia, derjenige der Fibula etwas höher; die ziemlich bedeutende Geschwulst, welche sich um die Bruchstelle sofort nach der Verletzung gebildet hatte, pulsierte deutlich sichtbar und fühlbar an der vorderen Fläche des Unterschenkels, zudem hörte man in derselben sehr deutliches Brausen. Der Fuß wurde mit Binden und Schienen umgeben und absichtlich kein inamovibler Verband angelegt, um zu beobachten, wie sich das traumatische Aneurysma, welches hier offenbar entstanden war, weiterhin gestalten würde. Man erneuerte den Verband etwa alle 3—4 Tage, und unter dieser Behandlung wurde die Geschwulst allmählich kleiner, pulsierte nach und nach immer schwächer, bis sie endlich 14 Tage nach der Verletzung völlig verschwunden war. Das Aneurysma war durch die mit dem Verbände ausgeübte Kompression geheilt worden. Auch die Heilung der Fraktur unterlag keiner Unterbrechung, der Kranke hatte acht Wochen nach der Verletzung den vollständigen Gebrauch seiner Extremität.
Die wichtigsten klinischen|Kriterien der Extravasaten bei Quetschungen überhaupt sind die V e r f ä r b u n g der bedeckenden Teile und die A n s c h w e l l u n g der verletzten Gewebe. Die Anschwellung der gequetschten Teile ist die notwendige Folge zunächst der (iegenwart eines Blutextravasates, dann aber auch des Austrittes von Lymphe aus den Gefäßen und Gewebsinterstitien. Je größer die Menge des Extravasates im allgemeinen, desto bedeutender die Schwellung. Zwischen der Schwellung und der Intensität der Verfärbung besteht aber insofern ein Gegensatz, als sehr selten bei einer intensiven Hautverfärbung auch eine bedeutende Schwellung vorhanden ist und umgekehrt. Dieser scheinbare Widerspruch ist darin begründet, daß bedeutende Grade der Schwellung nur durch Kontinuitätstrennung größerer Arterien oder Venen, die immer tief unter der Haut liegen, gesetzt werden können; in solchen Fällen aber schimmert die Farbe des
172
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
ergossenen Blutes nur ganz wenig durch die dicken, dasselbe bedeckenden Gewebsschichten durch.
Die Form der Anschwellung kann insofern zur Erkenntnis
des
Blutextravasates Anhaltspunkte abgeben, als eine gleichmäßige Volumenszunahme
—
bei
hämorrhagischen Infiltrationen vorkommt während eine ungleichmäßige Volumenszunahme. eine D e f o r m a t i o n
des gequetschten Teiles,
Höhle, auf die Existenz eines H ä m a t o m e s ,
auf einen stärkeren Bluterguß in einer einer Blutgeschwulst schließen läßt.
Bei
den höchsten Graden der Quetschung, der Z e r m a l m u n g der Weichteile, sind dieselben häufig in einen unförmlichen, von der Haut wie von einem Sacke umschlossenen Brei verwandelt in welchem die Zirkulation vollständig aufgehört hat. Während in der Regel die Hauptmasse des Extravasates aus Blut, mit Lymphe gemengt, besteht, gibt es seltene Fälle von Quetschungen, namentlich wenn die Gewalt in tangentieller Richtung zur Körperoberfläche gewirkt hatte, bei welchen E x t r a v a s a t e von reiner Lymphe vorkommen.
Sie charakterisieren sich durch eine sehr langsame,
allmähliche Volumenszunahme, durch die Abwesenheit jeder Verfärbung der Haut, durch ungemein deutliche und zwar persistierende Fluktuation, während die Blutextravasate nach kurzer Zeit gerinnen und dadurch eine härtere Konsistenz annehmen; man solche Lymphergüsse, Hydroceleninhalte
ähnliche
punktiert
so entleert sich eine zitronengelbe, vollkommen klare, dem Flüssigkeit.
Wir
werden
später
sehen,
daß
sich
diese
Lymphextravasate. sowohl was ihre Prognose, als was ihre Behandlung betrifft, wesentlich von den Blutergüssen unterscheiden.
Wir haben uns nun zu beschäftigen mit der Betrachtung der Vorgänge, die sich nach einer Quetschung im Gewebe abspielen, und beginnen zunächst mit den B l u t e x t r a v a s a t e n , ihrem weiteren Verlaufe und den Erscheinungen, die sich dabei kundgeben. Bei den diffusen Blutergüssen sind wir gleich nach der Verletzung selten in der Lage zu bestimmen, von welcher Ausbreitung die Blutung gewesen ist oder noch ist. Sehen Sie den gequetschten Teil am zweiten und dritten Tage nach der Verletzung an. so nehmen Sie schon eine weit größere Ausdehnung der Hautverfärbung wahr als am ersten Tage, j a später scheint sich dieselbe immer noch zu vergrößern, d. h. sie wird immer mehr wahrnehmbar. Die Ausdehnung ist zuweilen ganz erstaunlich; sie kann sich nach acht Tagen z. B. über den ganzen Rumpf verbreiten. Solche weitgehende Blutunterlaufungen kommen gerade bei Knochenbrüchen am häufigsten vor, zumal an Armen und Beinen. Diese dunkelblaue, fast schieferfarbige, oder blaurote Nuance, wobei die Haut durchaus nicht besonders empfindlich, oft kaum geschwollen ist, ändert sich allmählich, indem das Blau und Rot in ihrer Vermischung in Braun, das Dunkelblau in Grün und endlich beide Farben durch ein schmutziges Grüngelb in helles Zitronengelb übergehen. Diese gelbe Färbung persistiert gewöhnlich sehr lange, oft viele Monate nach der Verletzung, bis auch sie endlich verschwindet und keine Spur mehr von dem Extravasate äußerlich sichtbar bleibt. Man erklärte früher die Farbenveränderungen der Haut an der Stelle eines Extravasates ausschließlich durch die chemischen Veränderungen des Blutfarbstoffes. E s c h w e i l e r hat jedoch nachgewiesen, daß die jeweilige Farbennuance der Haut sehr wesentlich bedingt ist durch die Lokalisation,
Vorlesung 13.
Kapitel III.
173
durch die Dicke und durch die Dichte der färbenden Schicht, welche Verhältnisse einem stetigen Wechsel unterworfen sind. Ursprünglich besteht die färbende Schichte aus dem extravasierten Blut allein: wie schon erwähnt. scheint die schwärzlichrote F a r b e durch das trübe Medium der Haut durch und macht daher den Eindruck des dunkelblau, um so mehr, j e tiefer das Extravasat liegt und j e dicker seine Schichte ist. Im Gegenteil erscheinen die ganz oberflächlichen und dabei sehr dünnen Blutschichten kirschrot oder gelb bei dicker Epidermis. Durch die Diffusion des Blutfarbstoffes. wodurch das Gewebe allmählich imbibiert wird, gelangt die Färbung an die Oberfläche und so entstehen Kombinationen von Farben, welche die mannigfachen aufeinanderfolgenden Nuancen bis zur vollständigen Resorption erklären. W a s nun das Schicksal des Blutergusses selbst anbelangt, so verbreitet sich das Blut im Gewebe nur, solange es nicht geronnen ist. Die Gerinnung erfolgt sehr bald: der flüssige Bestandteil wird resorbiert; die roten Blutkörperchen werden zum Teil von den Lymphgefäßen aufgenommen und gelangen in die nächstgelegenen Lymphdrüsen, wo sie das Gewebe massenhaft durchsetzen, zum Teil werden sie von den Leukocyten aufgenommen. So entstehen die sog. blutkörperchenhaltigen Zellen, die später zu vielkernigen Riesenzellen mit Einschluß von Blutkörperchen werden. Die Hauptmasse der roten Blutkörperchen des Extravasates verliert ihr Hämoglobin, welches sich in der Gewebsflüssigkeit auflöst und. im Gewebe diffundierend, ihm die charakteristische lackrote Farbe des gefrorenen und wieder aufgetauten Blutes verleiht. Das farblose Stroma der Blutkörperchen verschwindet bald durch Zerfall. Der BlutFig. 37. farbstoff wird teilweise direkt resorbiert, teilweise bildet er rundliche, gelbliche, braune und dunkelrote Körnchen von Pigment, welches von dem Protoplasma der Leukocyten und der jungen Gewebszellen aufgenommen und zwischen ihnen in der Grundsubstanz abgelagert wird. Nach einiger Zeit scheiden sich körnige und kristallinische Massen von H ä m a t o i d i n ab, in reinem Zustand von Körniges und kristallinisches Hämatoidin von teils orange-, gelbroter bis rubinroter Farbe, welche, spärteils rubinroter Farbe. Verlich verteilt, dem Gewebe ein gelbliches, bei größerung 400. stärkerer Anhäufung ein tieforangefarbiges Kolorit verleihen. Das Pigment und die Hämatoidinkristalle werden ganz allmählich resorbiert und verschwinden oft erst nach Monaten und Jahren aus dem Gewebe. Auf diese Weise wird das diffuse Extravasat verhältnismäßig rasch resorbiert, weil es im Gewebe verteilt ist und die Gefäße in der Regel nicht durch die Quetschung stark mitbetroffen worden sind.
Üg&Mftö
174
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
Dabei enthalten die Lymphgefäße und besonders die regionären Lymphdrüsen noch lange Zeit nach der Verletzung Blutfarbstoff, später braunes Pigment. Anders verhält es sich bei den zirkumskripten Ergüssen, den E c c h y m o s e n , S u g i l l a t i o n e n und H ä m a t o m e n . E s kommt bei ihnen zunächst auf die Größe des Herdes an, dann auf die Beschaffenheit der den Bluterguß umgebenden Gefäße: j e reichlicher letztere entwickelt, j e weniger sie durch die Quetschung selbst beeinträchtigt sind, um so eher ist die Resorption zu erwarten. Immerhin kommt die Resorption bei großen Ergüssen der Art weniger konstant vor. E s sind verschiedene Momente, welche das verhindern: zunächst bildet sich nämlich um den Bluterguß, wie um einen fremden Körper, eine zellige Infiltration des Bindegewebes aus, durch welche das Blut völlig eingekapselt wird; auf die innere Fläche dieses Sackes lagert sich das Fibrin des ergossenen Blutes schichtenweise ab, das flüssige Blut bleibt in der Mitte. So können nun die Gefäße um die Blutgeschwulst herum nur sehr spärliche Mengen von Flüssigkeit aufnehmen, da sie von dem flüssigen Teile des Blutes durch oft ziemlich dicke Lagen Fibrin getrennt sind. Die Resorption kann unter solchen Verhältnissen nur dann erfolgen, wenn der Faserstoff zu feinen Molekülen zerfällt, sich verflüssigt und auf diese Weise verschwindet, oder wenn er unter besonders günstigen Umständen, durch Eindringen von Gefäßsprossen und jungen Bindegewebszellen durchwachsen und gewissermaßen aufgezehrt wird. Wenn der flüssige Teil des Blutes resorbiert wurde, kann eine aus konzentrischen Fibrinlagen zwiebelartig zusammengesetzte, feste Geschwulst zurückbleiben, wie z. B. nach Extravasaten in den großen Schamlippen: man nennt das einen T u m o r f i b r i n o s u s . Manche Hämatome können teilweise zu Bindegewebe organisiert werden, auch allmählich Kalksalze in sich aufnehmen und völlig verkalken und verkreiden. ein im allgemeinen seltener Vorgang, der sich aber z. B . bei Blutergüssen in großen Kröpfen ereignet, auch in den Wandungen großer traumatischer Aneurysmen zuweilen vorkommt. Im Gehirne, auch wohl in weichen Geschwülsten, z. B. in Kröpfen, beobachtet man die Umbildung des Extravasates in eine C y s t e dadurch, daß sich in der Umgebung eine entzündliche Wucherung des Bindegewebes entwickelt, welche zur Entstehung einer mehr oder minder dicken Membran in Form eines allseitig geschlossenen Sackes führt. Der Inhalt dieser Cysten ist j e nach ihrem Alter dunkler oder heller, j a es kann das Blutrot ganz daraus verschwinden und die Flüssigkeit ganz hell, nur getrübt durch Fettmoleküle und Cholesterinkristalle, sein. Schön ausgebildete Hämatoidinkristalle findet man selten in großen zirkumskripten Extravasaten; häufiger in den kleineren mehr diffusen. Weit häufiger als die beiden letztbeschriebenen Metamorphosen der zirkumskripten Extravasate, doch nicht ganz so häufig als die Resorption,
Vorlesung 13.
Kapitel III.
175
ist die V e r e i t e r u n g o d e r A b s z e d i e r u n g derselben. Eigentlich vereitert nicht das Extravasat an sich, sondern das gequetschte Gewebe, in welchem sich der Bluterguß gebildet hat. Deshalb ist auch der Ausgang in Vereiterung bedingt durch Infektion des Gewebes mit Eiterkokken oder durch Fortpflanzung einer eitrigen Entzündung der Umgebung auf dasselbe. Das Eindringen der Mikroorganismen läßt sich nicht immer genau verfolgen: zuweilen besteht eine unscheinbare Kontinuitätstrennung der Haut über dem Extravasate, durch welche die Invasion stattgefunden hat, oder die Kokken werden durch die Zirkulation aus einem Eiterherde an einer anderen Stelle des Körpers hergeführt. Die entzündlichen Erscheinungen sind unter solchen Umständen viel auffallender und intensiver: es bildet sich allerdings auch eine Umgrenzungsschicht, doch nicht langsam und allmählich, wie in den vorigen Fällen, sondern mit rascher plastischer Infiltration des Gewebes, die Haut fühlt sich heiß an, sie ist gerötet, ödematös; das Extravasat erweicht, wird fluktuirend und indem die Entzündung von der Tiefe gegen die Oberfläche fortschreitet, wird die Weichteildecke immer dünner; die Cutis vereitert endlich auch allmählich von innen nach außen; schließlich entsteht eine Perforation derselben, das mit Eiter gemischte Blut entleert sich, die Wandungen der Höhle legen sich später wieder zusammen, granulieren und verwachsen. Dieser Prozeß kann unter Umständen 3 — 4 Wochen dauern, nimmt jedoch in der Regel, wenn der Eiterherd nicht etwa durch seinen Sitz gefährlich wird, den Ausgang in Heilung. Wir erkennen die eintretende Abszedierung eines Blutextravasates an den nach und nach stärker hervortretenden Entzündungssymptomen, besonders an der zunehmenden Schmerzhaftigkeit, häufig auch an dem sich einstellenden Fieber. Endlich kann auch eine rapide Zersetzung, eine V e r j a u c h u n g d e s E x t r a v a s a t e s erfolgen, ein zum Glück seltener Fall. Die Geschwulst wird dabei sehr heiß und prall, äußerst schmerzhaft, das Fieber steigt bis zu bedeutender Höhe, es können Schüttelfröste, sowie überhaupt die bedenklichsten Allgemeinerscheinungen eintreten. Dieser Ausgang ist bedingt durch septische Infektion des Blutgerinnsels oder der mortifizierten Anteile des subkutanen Binde- und Fettgewebes: er kommt gewöhnlich nur nach sehr intensiven Quetschungen vor, ist der übelste von allen und der einzige, der schnellste Kunsthilfe erfordert. Ob Resorption eines Extravasates eintritt, ist nicht nur von der Menge des ergossenen Blutes abhängig, sondern wesentlich bedingt durch den Grad der Quetschung, welchen die Gewebe erlitten haben: wenn sich dieselben noch ad integrum zurückbilden können, so ist auch die Resorption des ergossenen Blutes wahrscheinlich. Für die Lebensfähigkeit des gequetschten Gewebes ist die Erhaltung der Zirkulation von der größten Bedeutung. Wie sich aus Experimenten ergibt, heilen Fragmente des gequetschten Gewebes, in das subkutane Gewebe lebender Tiere transplantiert, anstandslos
176 ein.
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
weil
sie daselbst
hinreichend
ernährt
werden.
Man
kann
daraus
schließen, daß nicht die Quetschung an sich die Mortifikation des Gewebes hervorruft, sondern daß es die durch die Verletzung gesetzte Unterbrechung in der Blutzirkulation
ist. welche durch die Zerreißung, die Kompression
und die Thrombosierung der Gefäße erfolgt.
Wenn das der F a l l und jede
Zufuhr von Nährmaterial abgeschnitten ist. muß das gequetschte Gewebe sowohl wie das Blutextravasat der Mortifikation, respektive der Zersetzung anheimfallen. Die reinen L y m p h e x t r a v a s a t e . wie schon erwähnt, besonders durch Uberfahren. Verschüttung usw., kurz durch tangentieli wirkende Quetschungen veranlaßt, bei welchen die Haut von ihrer Unterlage abgelöst wurde, am häufigsten am Oberschenkel beobachtet ( M o r e l - L a v a l l e e ) ,
unterscheiden
sich, was den Verlauf betrifft, namentlich dadurch von den Blutergüssen, daß sie ungemein
schwer oder g a r nicht resorbiert werden.
Sie bleiben
nämlich Monate lang flüssig, offenbar deshalb, weil in ihnen keine
fibrinogene
Substanz enthalten ist; die Gerinnung- des E x t r a v a s a t e s ist aber die erste Bedingung zu seiner Resorption. Andrerseits geben die Lymphergüsse jedoch keine Veranlassung zur Eiterung und zur Zersetzung, so daß ihre Prognose im ganzen bei rationeller Behandlung nicht ungünstig ist. Wie erheblich die Quetschung der Muskeln. Sehnen und Fascien ist, können wir bei unverletzter Haut nicht genügend beurteilen.
Am ehesten
gibt der Grad der Funktionsstörung einen Maßstab ab für die Abschätzung des vorliegenden T r a u m a , doch auch dieses Symptom ist sehr vorsichtig zu verwerten:
sonst muß
man
sich an die Intensität der
quetschenden
Gewalt, welche auf die Teile eingewirkt hatte, halten, um die vorliegende subkutane Zerstörung des Gewebes annähernd richtig aufzufassen. Nach Quetschungen ohne daß Störungen
geringen Grades erfolgt die Heilung gewöhnlich,
zurückbleiben:
ist die S a c h e abgetan.
mit der Resorption des Extravasates
E i n e stärkere subkutane Quetschung der Muskeln
bewirkt teils durch die unmittelbare Einwirkung auf die kontraktile Substanz. respektive die durch sie bedingte traumatische Degeneration, durch Läsion der Muskelnerven nicht nur momentane Lähmung,
teils
sondern
es kann daraus auch eine dauernde Funktionsunfähigkeit resultieren, so daß der Muskel atrophiert. selten achten.
Derartige Folgeerscheinungen werden Sie nicht so
besonders am M. quadrieeps femoris
und am
M. deltoides beob-
Durch die Quetschung der Nerven werden Störungen der Motilität,
seltener der Sensibilität herbeigeführt. Sind durch die subkutane Quetschung die Gewebe vollkommen zerstört worden, so erfolgt unter günstigen Verhältnissen die Ausheilung, indem die zelligen E l e m e n t e molekular zerfallen und resorbiert werden, während sich an den Grenzen des lebendigen Gewebes Granulationen entwickeln, die den Substanzverlust ausfüllen und sich dann in Bindegewebe umwandeln.
Der
Vorlesung 13.
Kapitel III.
177
Vorgang dabei entspricht der Heilung per secundam intentionem ohne Eiterung und mit sehr geringer Sekretion, die sofort resorbiert wird. Dadurch, daß die allgemeine Decke erhalten blieb, ist der Heilungsverlauf ein fast reaktionsloser, während, wie Sie später sehen werden, die offenen Quetschungen oder Quetschwunden den verschiedensten Komplikationen ausgesetzt sind. Vereitert das Extravasat, so werden die zerquetschten Partien mit dem Eiter eliminiert, bevor die Vernarbung durch Granulationsbildung stattfindet. In der Narbe kann späterhin das zerstörte Gewebe mehr oder minder vollkommen regeneriert werden. Ist ein Körperteil so zermalmt, daß die Zirkulation in ihm sofort aufhört oder in ganz ungenügendem Maße fortdauert, ohne sich erholen zu können, so wird er kalt, blaurot, braunrot, dann schwarz: er fängt an zu faulen. Da der Verlauf in solchen Fällen bei Quetschungen mit und ohne Wunde identisch ist, so sprechen wir erst später davon.
Die B e h a n d l u n g der Quetschungen ohne Wunde hat zum Ziele, den Prozeß zum möglichst günstigen Ausgang zu führen, nämlich zur Resorption des Extravasates: mit diesem Vorgange verlaufen dann auch die Verletzungen der übrigen Weichteile günstig, da der ganze Prozeß subkutan bleibt. — Kommt man unmittelbar zu einer ganz frischen Quetschung, so kann es geboten sein, die etwa noch fortdauernde subkutane Blutung zu hemmen. Das erreichen wir am besten durch Kompression, die, wo es geht, mit gleichmäßig angelegten Binden auszuführen ist; sonst kann man den Kingerdruck zu Hülfe nehmen und zugleich das Extravasat durch Streichen und Kneten zerteilen. Wenn ein Kind auf den Kopf fällt oder sich gegen die Stirn stößt, so nehmen gewöhnlich die Mütter oder Wärterinnen einen Löffelstiel oder eine Messerklinge und drücken ihre Fläche sofort auf die verletzte Stelle, um die Entstehung einer Blutbeule zu verhindern. Das ist ein sehr zweckmäßiges Volksmittel: es wird durch die sofortige Kompression einerseits der weitere Blutaustritt gehemmt, andrerseits wird dadurch verhindert, daß das Blut sich an einer Stelle ansammelt, indem es durch den Druck genötigt ist, sich in das nebenliegende Gewebe zu verteilen; eine entstehende Ecchymose kann so in eine Sugillation übergeführt werden, so daß das Blut leichter resorbiert wird. Hat sich ein stärkeres Blutextravasat gebildet, so wandte man früher wohl die Kälte an in Form von aufgelegten Eisblasen oder kalten Überschlägen, in der Idee, hierdurch einer heftigeren Entzündung vorzubeugen — doch ist der Nutzen einer derartigen Behandlung sehr problematisch. Das wirksamste Mittel zur Beförderung der Resorption ist die gleichmäßige K o m p r e s s i o n nebst feuchter Wärme bei absoluter Ruhe des verletzten B i 11 r o t h — v. \V i n i w » r t e r , Die »11g. chir. P»th. u. Ther. 16. Aufl.
12
178
Von den Quetschungen der Weichteile ohne Wunde.
Teiles. Extremitäten oder den Kopf, wo Extravasate unter der behaarten Schädeldecke häufig vorkommen, bedecken Sie am besten mit einer dicken Kompresse aus Kalikot. die in eine Lösung von essigsaurer Tonerde [ B u r o w * ) . Rp. Alumin.crudiö.O, Plumbi acetic. crvst. 25.0. Aqu.destill. 5 0 0 . 0 . M. D. S. Gut aufzuschütteln] getränkt und ausgedrückt wurde: darüber legen Sie ein Stück impermeablen Zeugs nebst einer Schicht Watte und applizieren eine exakt komprimierende Bindeneinwicklung, mittels welcher Sie gleichzeitig den verletzten Körperteil durch Hinzufügen einer Schiene aus Pappe oder eines Streifen dünnen Holzes (sog. Fournierholz) immobilisieren können. Der Verband wird 1 — 2 mal innerhalb 24 Stunden gewechselt. Die diffusen Blutextravasate mit mäßiger Quetschung der Weichteile werden fast immer ohne viel Zutun resorbiert werden. Zirkumskripte Extravasate brauchen länger: es liegt jcdoch kein Grund vor. sofort aktiv einzuschreiten; man bepinselt dann täglich ein oder zweimal die Geschwulst mit verdünnter Jodtinktur, setzt dir feuchte Wärme und die Kompression fort und sieht was geschieht. Wird die Haut über dem Extravasat heiß, entzündlich gerötet und empfindlich, so ist es allerdings sicher, daß es zur Eiterung kommen wird. Tritt keine Verschlimmerung des Allgemeinzustandes ein. sondern befindet sich der Kranke wohl und leidet er keine besonderen Schmerzen, so warten Sie geduldig den Durchbruch a b : die Haut wird sich vielleicht erst nacli Wochen an einer Stelle immer mehr verdünnen, endlich entstellt eine Öffnung, der Eiter entleert sich, die Wände der großen Höhle legen sich aneinander, und in kurzer Zeit ist der ganze Substanzverlust ausgeheilt. Sollte sich bei eintretender Vereiterung des Blutextravasates die Spannung der Geschwulst rasch vermehren, heftige Schmerzen und Fieber mit Frösten auftreten, dann müssen Sie sofort eingreifen und den wahrscheinlich in Zersetzung begriffenen Inhalt des Herdes entleeren. Bei oberflächlich liegenden Extravasaten spalten Sie die Hautdecke direkt durch einen großen Schnitt in der Richtung der Gefäße; bei tiefliegenden Abszessen führen Sie zunächst einen Schnitt an der geeignetsten Stelle und dringen dann praeparando vor, bis die Höhle eröffnet ist. Sofort entleert sich massenhafter, mit erweichten Blutgerinnseln, nekrotischen Gewebsfetzen. oft auch Gasblasen gemengter, zersetzter, stinkender Eiter. Sie dringen mit dem Finger ein. räumen den Inhalt sorgfältig aus. reinigen die Wundhöhle durch Abreiben mit trockenen Gazetainpons oder Ausspülen mit einer lauen Sublimatlösung (1 : 1000). drainieren und legen einen feuchten *) B u r o w s c h e Lösung, so schreibt sich der Name, und nicht „ B u r r o w " . wie man ihn gegenwärtig selbst in manchen chirurgischen Spezialwerken konstant zitiert findet.
Vorlesung 13.
Kapitel III.
179
Kompressivverband an. den Sie in der Regel bereits nach 48 Stunden durch einen trockenen Verband mit Krüllgaze ersetzen können. Im allgemeinen erfolgt nach dieser Prozedur die Heilung ziemlich rasch, weil die bereits mit Granulationen, wenigstens zum Teile, überzogenen Wandungen der Höhle sich unter dem Einflüsse der Kompression aneinanderlegen und verschmelzen. Bei L y m p h e x t r a v a s a t e n ist die Inzision angezeigt, wenn trotz Komprimierens. Ruhe usw. der Erguß zunimmt oder sich wenigstens nicht wesentlich verkleinert. Unter sorgfältigster Asepsis wird die Haut über dem Lymphextravasate gespalten, die Höhle eröffnet, entleert, ausgewaschen und drainiert. Dann vernäht man aber die Wundränder bis auf die Drains und legt einen exakten Kompressivverband an. Wenn Sie einen Menschen unmittelbar nach einer schweren Quetschung in Behandlung bekommen, so kann es geschehen, daß Sie auch gegen den Sliok geeignete Maßregeln ergreifen müssen. Um dem anämischen Gehirne Blut zuzuführen, lassen Sie den Verletzten so lagern, daß der Kopf die tiefste Stelle einnimmt — es sei denn, daß venöse Stauung im Gesichte auftritt —, sorgen Sie für frische Luft und leiten Sie eventuell die künstliche Respiration ein. Außerdem können Sie durch subkutane Injektion von Äther. Caffei'n oder Kampheröl, durch Frottieren der Haut. Erwärmen der Extremitäten usw. die Blutzirkulation anregen, bis der Patient sich so weit erholt hat, daß er einen tüchtigen Schluck heißen Grog, Wein, Kaffee oder Tee mit Rum zu sich nehmen kann. Auch starke Hautreize, wie Flagellation mit einer nassen Kompresse oder mit der flachen Hand, oberflächliche Kauterisation mit dem Therniokauter in der Herzgegend usw. sind indiziert. Im schlimmsten Fall ist die intravenöse Injektion von Kochsalzlösung das sicherste Mittel, um die Herztätigkeit in Gang zu bringen und auf diese Weise den Sliok zu bekämpfen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß die Chloroformnarkose bei Verletzten, die sich unter der Einwirkung des Shoks befinden, sehr gefährlich ist: sie soll deshalb unbedingt vermieden werden. Ist ein operativer Eingriff notwendig, so warten Sie womöglich ab, bis sich der Patient von dem unmittelbaren Effekt der Verletzung erholt hat: müssen Sie aber sofort operieren, so tun Sie es ohne Chloroform.
180
Von den Quetschwunden und Rißwunden der Weichteile.
Vorlesung 14. Kapitel IV.
Von den Quetschwunden und Rißwunden der Weichteile. Art des Zustandekommens der Quetschwunden. Aussehen derselben. Verfärbung und Volumsveränderungen der Wundränder. — Wenig Blutung bei Quetschwunden. — Shok. — Primäre Nachblutungen. — Ecrasement linéaire — Gangräneszenz der Wundränder. Einflüsse, welche auf die langsamere und schnellere Abstoßung der toten Gewebe wirken. — Indikationen zur primären Amputation. — Subkutane Zerreißungen und Rißwunden. — Abreißung ganzer Körperteile. — Symptome.
Die Veranlassungen zu gequetschten Wunden, von denen wir heute zu sprechen haben, sind dieselben wie diejenigen zu den einfachen Quetschungen, nur daß im ersteren Falle die Gewalt gewöhnlich größer als im letzteren ist. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen der einfachen Quetschung und der Quetschwunde ist, daß bei letzterer die Kontinuität der allgemeinen Decke an irgendeiner Stelle, wenn auch in noch so geringer Ausdehnung, getrennt ist. Der Hufschlag eines Pferdes, ein Stockschlag, der Biß eines Tieres oder Menschen, das Uberfahrenwerden, Verwundungen mit stumpfen Beilen usw. sind häufige Veranlassungen zu Quetschwunden. Nichts verursacht jedoch leichter gequetschte Wunden als die schnell sich bewegenden Maschinenräder und Walzen, die Transmissionsriemen, die vielen Getriebe mit Zahnrädern und Haken. Alle diese Instrumente, die Produkte der immer weiter vordringenden Industrie, richten viel Unheil unter den Arbeitern an. Fügen wir noch hinzu die allerdings in neuerer Zeit etwas selteneren Verletzungen auf den Eisenbahnen, die Verletzungen, welche durch die Sprengungen bei den Tunnelbauten, in Bergwerken, durch Verschüttungen usw. entstehen, so werden Sie sich vorstellen können, wieviel Schweiß nicht allein, sondern auch wieviel Blut an den Erzeugnissen der modernen Kultur klebt. — Es ist dabei nicht zu leugnen, daß die Hauptursache bei diesen Verletzungen meist in der Unvorsichtigkeit, oft sogar Tollkühnheit der Arbeiter liegt. Das tägliche Umgehen mit gefährlichen Gegenständen macht die Leute zuletzt sorglos und waghalsig und mancher büßt das mit dem Leben. Es gehören auch die Schußwunden im wesentlichen zu den Quetschwunden; da sie jedoch mancherlei Eigentümliches für sich haben, so werden wir sie in einem besonderen Abschnitte abhandeln.
Vorlesung 14.
Kapitel IV.
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Mit den durch alle genannten Einwirkungen entstehenden Quetschwunden vereinigen sich sehr häufig Knochenbrüche der verschiedensten, oft gefährlichsten Art, doch zunächst lassen wir derartige Verletzungen außer acht und halten uns an die Weichteile. D a s Aussehen einer Wunde läßt in den meisten Fällen einen Schluß zu. ob sie geschnitten oder durch Quetschung entstanden ist. Viel wichtiger als die Form ist für die Erkenntnis der Quetschwunden die durch multiple Blutextravasate hervorgerufene V e r f ä r b u n g der Wundränder. Wir haben bei den Quetschungen bereits von den verschiedenen Arten der Blutextravasate gesprochen; bei den Quetschwunden können nun die verschiedensten Grade derselben vorhanden sein, von der vereinzelten, stecknadelkopfgroßen Infiltration bis zur ausgedehnten, schwappenden Blutbeule. Entsprechend der Intensität und der Ausdehnung der Quetschung werden selbstverständlich die E x t r a v a s a t e entweder nur auf die Wundränder beschränkt oder außerdem noch über eine entsprechende Strecke der Umgebung ausgebreitet sein. — Ein zweites wichtiges Symptom der Quetschwunden ist die V o l u m s ä n d e r u n g der Wundränder. In der Mehrzahl der Fälle sind die Ränder angeschwollen, verdickt, infolge des in das Gewebe ergossenen Blutes: wenn aber die quetschende Kraft sehr bedeutend gewesen war, dann findet man nicht selten die Wunde ganz zusammengepreßt, blaß, entfärbt, weil das Blut im Momente der Verletzung vollkommen aus dem Gewebe verdrängt und die Gefäße zugleich einem derartigen Drucke exponiert wurden, daß von einer Zirkulation nicht mehr die Rede sein kann. So ist die Haut an den stark gequetschten Stellen unter das Niveau der Umgebung eingesunken, gelblich-weiß gefärbt, pergamentartig; beim Einschneiden des lederartig dichten und zähen Gewebes fließt kein Tropfen Blut. Diese Symptome sind deshalb wichtig, weil sie uns über die Intensität der Quetschung Aufschluß geben; die Verdünnung und Entfärbung der Wundränder kommen eben nur bei den höchsten Graden der Verletzung vor: sie entsprechen gewissermaßen der vollkommenen Zermalmung von Weichteilen, die minder resistent sind als die Haut. Prognostische Bedeutung haben sie insofern, als in den derartig gequetschten Geweben die Zirkulation sich gewöhnlich nicht wiederherstellt; dieselben verfallen somit direkt der Mortifikation. der primären Gangrän. Wir werden später sehen, daß es auch im Gefolge von Entzündung zur Gangrän bei Quetschwunden kommen k a n n . Die Quetschwunden können ebenso wie die Schnittwunden mit Substanzverlust verbunden sein, oder nur eine einfache Kontinuitätstrennung der Weichteile darstellen. Die Ränder dieser Wunden sind meist uneben, fetzig, zumal die Ränder der Haut: die Muskeln sehen dabei wie zerhackt a u s : größere und kleinere Fetzen von Weichteilen, nicht selten große Lappen hängen aus der Wunde. Sehnen sind hier und da eingerissen
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Von d e n (Quetschwunden u n d Rißwunden der Weichteile.
oder herausgezerrt. Fascien zerrissen, die Haut um die Wunde herum nicht selten in großer Ausdehnung von den Fascien abgelöst, zumal wenn sich mit der quetschenden eine zerrende und drehende Gewalt verband. Die Grade dieser Zerstörung der Weichteile sind natürlich sehr verschieden, und ihre Ausdehnung ist nicht immer genau zu bestimmen, da man nicht immer sehen kann, wie weit die Quetschung und Zerrung noch über die Wunde hinausgeht: oft genug überzeugt m a n sich durch den weiteren Verlauf, daß die Zerquetschung viel ausgedehnter war. als es die Größe der Wunde angedeutet hatte, daß Auseinanderlösungen von Muskeln. Abtrennungen von Fascien und Blutergüsse sich noch weit unter die vielleicht nur in geringer Ausdehnung zerrissene Haut erstreckten. Daß die Hautwunden hier also durchaus keinen Maßstab für die Ausdehnung und Tiefe der Quetschung geben, ist ein sehr schlimmer Umstand; es ist dadurch die Beurteilung einer solchen Verletzung bei der ersten Untersuchung sehr erschwert; während das äußere Aussehen dem Laien kaum zu Besorgnissen Veranlassung gibt, erkennt der erfahrene Chirurg schon früh die Gefahr des Falles. Da die Verwundung zumal durch Maschinen gewöhnlich äußerst schnell vor sich geht, so ist die Schmerzempfindung dabei nicht erheblich: auch unmittelbar nach der Verletzung sind die Schmerzen der gequetschten Wunden oft merkwürdig unbedeutend, um so unbedeutender, je größer die Verletzung und Zermalmung der Teile. D a s erklärt sich leicht dadurch, daß die Nerven im Bereiche der Wunde in solchen Fällen völlig erdrückt und zerstört, daher leitungsunfähig sind; übrigens kommt hier auch dasselbe in Betracht, was ich Ihnen in der vorigen Stunde von den lokalen Erschütterungszuständen der Nerven sagte, von dem „Stupor" der verletzten Teile. E t w a s Auffallendes hat es für die erste Betrachtung, daß diese (Quetschwunden wenig oder gar nicht bluten, selbst wenn starke Venen und Arterien zerquetscht und durchrissen sind. E s sind ganz sicher konstatierte Beobachtungen vorhanden, daß nach vollständigen Zerquetschungen einer Arteria femoralis oder axillaris durchaus keine primäre Blutung stattfand. D a s ist allerdings nicht häufig; in vielen Fällen erfolgt bei einer vollständigen Kontinuitätstrennung so großer Arterien durch Quetschung doch ein kontinuierliches Aussickern von Blut, wenn auch kein spritzender Strahl: ein solcher würde, wenn er z. B. aus einer Art. femoralis käme, rasch den Tod herbeiführen. Wie diese Beschränkung der Blutung an kleineren Arterien erfolgt, wurde schon früher angedeutet: daß auch starke Gefäßstämme auf die gleiche Weise fast blutlos abgequetscht werden können, sehen Sie an folgendem Beispiele. Ein Eisenbahnarbeiter wurde von einer Lokomotive so überfahren, daß ihm ein Rad derselben über den linken Oberschenkel
unmittelbar
unterhalb des
Hüftgelenks
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ging. Der unglückliche Mensch w u r d e sofort auf einer Bahre in B i l l r o t h s Klinik g e b r a c h t : er h a t t e unterwegs ziemlich viel Blut verloren und kam sehr blaß und anämisch, doch bei vollem Bewußtsein an. Nach vollständiger Entfernung der zerrissenen Kleidungsstücke f a n d man eine entsetzliche Zerquetschung der Haut und Muskulatur an der erwähnten Stelle. Der Knochen war in einige dreißig Fragmente zerschmettert, die Muskeln w a r e n teils zu Brei zerdrückt, teils hingen sie in Fetzen in der Wunde, die Haut war bis zum Hüftgelenke hinauf zerrissen. An keiner Stelle dieser u n g e h e u r e n Wunde spritzte eine Arterie, doch a u s der Tiefe sickerte fortwährend Blut in nicht unbeträchtlicher Menge aus. u n d der Allgemeinzustand des Patienten zeigte deutlich, daß bereits ein erheblicher Blutverlust stattgehabt hatte. — Es lag auf der Hand, d a ß hier nichts a n d e r e s geschehen konnte, als den Oberschenkel im Hüftgelenke zu exartik u l i e r e n : doch in dem Zustande, in welchem sich der Patient befand, w a r d a r a n nicht zu d e n k e n : der neue Blutverlust (die künstliche Blutleere war damals noch nicht gebräuchlich) bei der sehr eingreifenden Operation hätte unfehlbar sofort tödlich w e r d e n müssen. Es m u ß t e also vor allem die Blutung gestillt werden, die voraussichtlich a u s einem Risse der Art. femoralis s t a m m t e . B i l l r o t h versuchte zunächst die Art. femoralis in d e r Wunde zu finden, w ä h r e n d dieselbe oben komprimiert wurde: doch waren alle Muskeln so verschoben, so verdreht, alle anatomischen Verhältnisse so verändert, d a ß d a s nicht rasch genug gelang, und man schritt daher zu der Unterbindung der Arterie unterhalb des Lig. I'oupartii. Nachdem dieselbe ausgeführt war, stand die Blutung größtenteils, doch immer noch nicht vollkommen, wegen der reichlichen arteriellen Anastomosen, und da von einer regelmäßigen Bindeneinwicklung bei der vorliegenden Zerschmetterung nicht die Rede sein konnte, so umschnürte B i l l r o t h dicht u n t e r h a l b der Stelle, wo exartikuliert werden sollte, die ganze Extremität fest mit einem Torniquet. Jetzt stand die Blutung: man w a n d t e verschiedene Mittel an. um den Kranken neu zu b e l e b e n : es wurde ihm Wein, warmes G e t r ä n k usw. gereicht, und wirklich h a t t e er sich gegen Abend so weit erholt, d a ß die K ö r p e r t e m p e r a t u r die normale und der Radialpuls wieder ganz gut fühlbar geworden war. Nun wäre es vorteilhafter gewesen, wenn die Operation bis zum folgenden Tage hätte aufgeschoben werden können — allein es zeigte sieh, d a ß trotz Ligatur und Tourniquet mit der Hebung der Herzaktion auch die Blutung wieder eintrat, wenn auch in geringem Grade. Damit war aber die G e f a h r der Verblutung neuerdings g e g e b e n . B i l l r o t h entschloß sich daher zur sofortigen Exarticulatio f e m o r i s : trotzdem die Blutung während der Operation nur mäßig war, k o n n t e der so geschwächte P a t i e n t sie nicht mehr e r t r a g e n : kaum war er zu Bett gebracht, so stellte sich große U n r u h e und Respirationsnot ein, die sich immer mehr s t e i g e r t e ; schließlich gesellten sich K r ä m p f e hinzu und zwei Stunden nach der Operation erfolgte der Tod. — Die U n t e r s u c h u n g der Art. femoralis der zerquetschten Extremität zeigte folgendes: In dem oberen Drittel des Oberschenkels fand sich eine zerquetschte und zerrissene Stelle, welche etwa ein Dritteil des Arterienrohres einnahm. Sowohl die Fetzen der Túnica intima, als der übrigen G e f ä ß h ä u t e und auch das Bindegewebe der G e f ä ß s c h e i d e hatten sich in d a s Arterienlumen hineingerollt, und das Blut k o n n t e sich nur mühsam hindurch nach außen d r ä n g e n : das umliegende Gewebe war volls t ä n d i g mit Blut durchtränkt.
Es hatte sich in diesem Falle kein Verschluß der Arterie gebildet, da der Ausfluß des Blutes noch zu mächtig war: denken Sie sich, daß in einem ähnlichen Falle die Quetschung die Arterie in ihrer ganzen Zirkumferenz getroffen hätte, so werden Sie begreifen, wie die von allen Seiten in das Lumen des Gefäßes hineingedrängten, zusammengerollten Fetzen der Media und Adventitia dem Blute den Ausgang vollständig absperren
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d e n Q u e t s c h w u n d e n u n d R i ß w u n d e n d e r Weichteile.
können. Unter diesen Umständen k a n n denn auch die Verwachsung des durchtrennten Gefäßes zustande kommen, gerade so wie die Arterie an der gequetschten Stelle, ohne daß eine Kontinuitätstrennung besteht, auf die früher geschilderte Weise durch Wucherung des Endothels, mit Bildung eines unbedeutenden, wandständigen Thrombus ausheilen könnte, selbst ohne daß die Durchgängigkeit definitiv aufgehoben wird. An kleineren Arterien wirkt, außer der direkten Verstopfung des Gefäßlumens durch die Gefäßhäute selbst auch die mechanische Verschiebung und Kompression der umliegenden Weichteile und der Druck des extravasierten, in das Gewebe ergossenen Blutes, um die Blutung bei gequetschten Wunden auf ein Minimum zu reduzieren. Endlich kommt, wenigstens bei ausgedehnten Verletzungen, noch ein Moment hinzu, welches die Hämostase begünstigt, nämlich die reflektorische Abschwächung der Herztätigkeit durch den Einfluß des S h o k . Freilich ist dieses letztere Moment nur von kurzer D a u e r : sowie der Verletzte sich erholt hat und die Herztätigkeit mit der früheren oder selbst mit verstärkter Energie zu arbeiten beginnt, können Blutungen aus Gefäßen auftreten, die anfangs nicht bluteten. D a s ist eine Art von N a c h b l u t u n g e n , wie sie auch nach Operationen vorkommen, wenn die Chloroformnarkose verflogen ist. Die Erfahrungen über die hämostatische Wirkung der Quetschung haben einen französischen Chirurgen. C h a s s a i g n a c , veranlaßt, ein Instrument zu erfinden, mit welchem man kranke Teile des Körpers ohne Blutung abtrennen k a n n : er nannte seine Methode _Ecrasement lineaire": das Instrument, der „Ecraseur". besteht aus einer, durch kleine verbundene Glieder gebildeten Stahlkette, welche um den zu entfernenden Teil angelegt, und dann langsam mit Hilfe eines Zahnstangenmechanismus in eine starke Metallhülse hineingezogen wird. In der Tat erfolgt bei richtiger Handhabung d e s Instrumentes keine Spur von Blutung und die Heilung der durch den Ecraseur erzeugten Wunden erfolgt meist mit äußerst geringer örtlicher und allgemeiner Reaktion: heutzutage wird das Ecrasement kaum mehr angewendet.
Zunächst haben wir uns nun mit den ö r t l i c h e n V o r g ä n g e n an den gequetschten Wunden zu beschäftigen. Vergleichen wir eine Schnittwunde mit einer Quetschwunde, so fällt uns zunächst auf, daß die sog. traumatische Degeneration, der Effekt der unmittelbaren Einwirkung der Kontinuitätstrennung, welche bei der Schnittwunde minimal ist. bei der Quetschwunde ein m e h r oder weniger großes, aber jedenfalls ein viel umfangreicheres Gebiet der W u n d r ä n d e r in ihrer ganzen Dicke umfaßt. E s kommt nicht nur der direkte Einfluß der mechanischen Gewalt auf das Protoplasma der lebenden Gewebe in ausgedehnterem Maße zur Geltung, sondern überdies noch die Ernährungsstörung durch die Aufhebung der Zirkulation, die Zerquetsehung der Gefäße und der Nerven. Statt der vollkommen intakten Wundränder der Schnittwunde haben wir bei der Quetschwunde von Extravasaten durchsetzte Teile in lebensunfähigem Zustand vor uns. welche sich streng genommen in ungünstigeren
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Verhältnissen befinden, als ein vom Körper gänzlich abgetrenntes Anteil eines überlebenden, normalen Gewebes. Von einer direkten Vereinigung der beiden gequetschten Wundflächen kann nur dann die Rede sein, wenn ihre Oberflächen nicht absterben: sonst müssen die Teile, in denen die Zirkulation aufgehört hat, eliminiert oder resorbiert werden, bevor eine Vereinigung der Wundränder zustande kommen kann. Diese Elimination veranlaßt unter g e w ö h n l i c h e n U m s t ä n d e n , wenn die Wunde sich selbst Fig. 38.
Abstoßungsprozeß abgestorbenen Bindegewebes in einer Quetschwunde. Vergrößerung 300. Schematische Zeichnung, a zerquetschter nekrotischer Teil: b lebendiges Gewebe, zwischen a und b Eiterzellen: die Wundfläche ist an der oberen Grenze von a gedacht.
überlassen wird. Entzündung und Eiterung: man kann daher im allgemeinen den Satz aufstellen: G e q u e t s c h t e W u n d e n m i t n i c h t l e b e n s f ä h i g e n R ä n d e r n h e i l e n f a s t i m m e r mit E i t e r u n g . Am ehesten können Sie die Quetschwunde, was ihr Verhalten betrifft, vorgleichen mit einer Schnittwunde mit Substanzverlust, und schließlich kommen ja auch in der Praxis alle Ubergänge zwischen Schnitt- und Stichwunden durch schlecht schneidende Werkzeuge und Quetschwunden durch stumpfe Körper vor. Die Granulationsbildung erfolgt im wesentlichen bei beiden Arten der Verletzung in derselben Weise, nur mit dem Unterschiede, daß
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Von den Q u e t s c h w u n d e n und Rißwunden der Weichteile.
die Gewebsbildung bei der Quetschwunde langsamer, und man könnte s a g e n : unsicherer, vor sich geht. Es stößt sich freilich auch bei den geschnittenen Wunden mit Substanzverlust eine dünne oberflächliche Schicht der (¡ewebo a b : doch ist diese sehr unbedeutend im Verhältnisse zu den massenhaften Ablösungen von Gewebsteilen, wie sie bei gequetschten Wunden zuweilen eintreten. Viele Tage, oft Wochen lang hängen hier Fetzen von abgestorbener (nekrotischer) Haut, von Fascien. Sehnen an den Wnndrändern. während a n d e r e Stellen bereits granulieren. Ein Teil der Wundoberfläche bei den gequetschten Wunden wird also fast immer b r a n d i g , n e k r o t i s c h (von vsxp'i;. tot), g a n g r ä n ö s (von it der heiße Brand, -patvio, zerfressen). Die eben erwähnten Ausdrücke sind synonym und bezeichnen den Zustand der Gewebe, innerhalb welcher die Zirkulation, die Innervation, kurz jede Lebensäußerung erloschen ist; so beschaffene Gewebsteile sind abgestorben, tot. Die Stelle, an welcher die Ablösung des brandigen Gewebes erfolgt, bezeichnet man als D e m a r k a t i o n s l i n i e . Wie dieser Prozeß zustande kommt, das haben wir bereits bei einer früheren Gelegenheit besprochen. Bei den Quetschwunden dauert er in der Regel viel länger, da umfangreichere Gewebsanteile abzustoßen sind. Sowie diese aber wegfallen, tritt die darunter liegende, jetzt eiternde Granulationsfläche sofort zutage, da sie ja schon vor Abfall des Nekrotischen fertig gebildet war. Der Vorgang ist genau derselbe, ob er sich nun innerhalb irgendwelcher Weichteile oder im Knochengewebe abspiele. Man k a n n in vielen Fällen den frischen Wundrändern ansehen, wieviel von ihnen ungefähr absterben wird, doch bei weitem nicht immer, und niemals k a n n man die Grenze des Toten gleich anfangs bis auf Linien bestimmen. Die völlig zerquetschte Haut hat meist ein dunkelblaues, violettes oder gelblich-weißes Ansehen und ist kalt anzufühlen: bei den höchsten Graden der Quetschung ist der völlig blutlose, gelblich-weiße Hautbezirk sichtbar unter das Niveau der umgebenden Haut gesunken: dabei sieht die betreffende Stelle lederartig matt aus: in anderen Fällen bemerkt man anfangs nichts an ihr, doch in wenigen Tagen ist sie weiß entfärbt, völlig gefühllos, später wird sie grau, oder wenn sie ganz austrocknet, grauschwarz oder braunschwarz. Man kann sich dabei ungemein leicht täuschen und eine Hautpartie für normal ansehen, in der gar keine Zirkulation mehr stattfindet: die F ä r b u n g derselben ist dann gewöhnlich leicht rosenrot, scheinbar hvperämisch, durch den in das Gewebe diffundierten Blutfarbstoff aus den multiplen Extravasaten, später etwas cyanotisch. Sie ü b e r z e u g e n noch
sich am besten davon, ob die Zirkulation in einem
statt hat oder nicht,
Fingerspitze
auf d e n s e l b e n
Hautbezirke
indem Sie einen leichten, s e k u n d e n l a n g e n Druck mit der ausüben: ist der Kreislauf erhalten,
so entsteht durch die
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Verdrängung des Blutes momentan ein weißer Fleck, der jedoch sogleich wieder die frühere Farbe annimmt, sobald der Druck aufhört, — Sie haben förmlich die Empfindung, als ob das Blut unter Ihrem Finger zurückweichen und wieder herandrängen würde. Ist die Zirkulation erloschen, so bringen Sie durch eineil momentanen Druck nicht die geringste Veränderung an der Haut hervor: die Färbung bleibt gleichmäßig rosenrot oder bläulich.
Die verschiedenen Farbentöne der toten Haut hängen hauptsächlich von der Menge geronnenen Blutes ab. das in den Gefäßen steckt, oder wegen teilweiser Zerreißung derselben in das Gewebe selbst infiltriert war. Die gesunde Haut grenzt sich dagegen durch eine rosenrote, diffus verwaschene Linie ab; diese Rötung hat ihren Grund teils in der kollateralen Erweiterung der Kapillaren, teils ist sie eine Fluxions- und Entzündungserscheinung. wie wir das früher genauer besprochen h a b e n : sie entspricht der schon erwähnten demarkierenden Entzündung und bildet die äußerste (Irenze des lebenden Gewebes, dort wo die Zirkulation in den nicht thrombosierten. erweiterten Kapillaren noch fortdauert. Weit weniger, oft gar nicht, kann man bei den Muskeln, Fascien und Sehnen aus ihrem Aussehen von Anfang an bestimmen, wie weit sie sich eliminieren werden. Die Zeit, welche verfließt, bis sich Totes von Lebendem demarkiert und ablöst, ist bei den verschiedenen Geweben äußerst verschieden. Sie hängt zuvörderst von dem Gefäßreichtume der Gewebe ab: je reicher ein Gewebe an Kapillaren, je weicher es ist, je leichter sich Zellen darin verbreiten und je reicher es seiner Natur nach an entwicklungsfähigen Zellen ist. um so rascher wird die Granulationsbildung und die Ablösung des Nekrotischen erfolgen. Alle diese Bedingungen treffen am besten bei dem Unterhautzellgewebe und den Muskeln zu, am wenigsten bei Sehnen und F a s c i e n : die Cutis steht in dieser Beziehung in der Mitte. Ganz eigentümlich sind die Bedingungen für den Knochen — warum, werden wir s p ä t e r sehen: hier erfolgt die Trennung zwischen abgestorbenem und lebendem Gewebe am langsamsten. Begünstigend auf die Ablösung wirkt die kontinuierliche feuchte Wärme, indem der arterielle Zufluß gesteigert, die Bewegung und die Proliferation der zelligen Elemente lebhafter wird. D a gegen hat die Kältebehandlung, z. B. das Auflegen einer Eisblase einen hemmenden Einfluß auf die Abstoßung der nekrotischen Teile; die Gefäße bleiben kontrahiert, die Emigration, die Wanderung und die Vermehrung der Zellen gehen bei niederer Temperatur ungemein langsam vor sich. Völlig im voraus unberechenbar ist der Einfluß der Gesanitkonstitution des verletzten Individuums auf die lokalen Prozesse: im allgemeinen k a n n m a n zwar sagen, daß dieselben energischer auftreten bei kräftigen, starken, jugendlichen. - mäßiger und schlaffer bei schwachen, älteren Individuen, doch täuscht man sich darin oft genug. Einen besonders üblen Verlauf pflegen Quetschwunden bei älteren fetten Potatoren zu nehmen.
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Von den Quetschwunden und Rißwunden der Weichteile.
Aus dem bisher Gesagten werden Sie schon entnehmen, d a ß es Quetschwunden an den E x t r e m i t ä t e n geben kann, bei welchen die Amputation unvermeidlich ist. entweder weil alle Weichteile der Extremität völlig zermalmt und zerrissen sind, oder weil dieselben gleichsam vom Knochen abgestreift wurden, so d a ß dieser allein noch vorh a n d e n ist. In solchen Fällen würde die Heilung, falls sie wirklich auf w u n d e r b a r e Weise z u s t a n d e kommen könnte, dem Verletzten einen gänzlich u n b r a u c h b a r e n Teil seines Körpers e r h a l t e n : man tut daher viel besser, d a s zermalmte Glied so rasch wie möglich zu entfernen. Die Regeln, nach denen man bei diesen primären Absetzungen der Gliedmaßen zu verfahren hat. lassen sich nicht im allgemeinen wiedergeben: bei A m p u t a t i o n e n an der unteren Extremität trachtet m a n vor allem dem Patienten einen Stumpf zu bilden, auf welchem er leicht und mittelst eines einfachen Apparates stehen und gehen k a n n . Von der oberen Extremität sucht man soviel als möglich zu erhalten, um so m e h r je weiter nach der Peripherie zu die zerquetschten Teile gelegen sind. Für die Verstümmelungen an der Hand und an den Fingern muß im allgemeinen der Grundsatz festgehalten werden, daß jede Linie, die erhalten werden kann, von großer Wichtigkeit ist: d a ß zumal einzelne Finger, vor allem der Daumen, wenn irgend möglich, konserviert w e r d e n sollen, da dieselben, wenn sie nur einigermaßen funktionsfähig sind, in allen Fällen mehr f ü r den Gebrauch leisten, als die bestgearbeitete künstliche Hand. Aus diesem G r u n d e sieht man bei Zerquetschung einzelner Finger meistens ab von der primären A m p u t a t i o n und überläßt den Prozeß der Abstoßung sich selbst, damit nicht mehr verloren gehe, als was eben absolut lebensunfähig ist. Die B e h a n d l u n g in den Fällen, welche keine Indikation, respektive keine Möglichkeit zur A m p u t a t i o n bieten, besteht in der möglichst exakten Säuberung, zunächst der Umgebung. d a n n der Wunde selbst. Gerade diese Verletzungen sind vermöge ihrer Ätiologie den allerschlimmsten Berührungen mit septischen F r e m d k ö r p e r n . Erde. Staub. Straßenkoth. gemengt mit den verschiedensten tierischen und pflanzlichen A b f a l l p r o d u k t e n . Ruß, Farbstoffen. F e t t k ö r p e r n , den charakteristischen Verunreinigungen der einzelnen Industriezweige. Fetzen der Leibwäsche und der Kleidung, kurz, mit allen möglichen Infektionsträgern ausgesetzt und sie kommen u n s häufig in einem derartig verschmierten Zustand zur Behandlung, daß man nicht weiß, wo m a n sie zu reinigen anfangen soll. Handelt es sich um Wunden an behaarten Körperteilen, besonders am Kopfe, so muß vor allem das g a n z e Gebiet rasiert werden. Dann folgt die E n t f e r n u n g der fettigen und öligen Substanzen, des Rußes, der Farbstoffe von der Haut mittels Terpentin und Äther und endlich kann man zur Schmierseife greifen und init heißem Wasser und einer Bürste die l ' n i g e b u n g der Wunde bearbeiten. Erst wenn das geschehen ist. beginnt die Reinigung d e r W u n d e selbst. Ich empfehle Ihnen, wenn möglich, den ganzen Körperteil in ein l a u e s Bad von Kochsalzlösung (8 : 1000) zu tauchen oder einen Strom der Lösung aus einem Irrigator in die Wunde einfließen zu lassen, und alle Verunreinigungen. Blutcoagula. a b g e t r e n n t e Gewebsfetzen usw. durch mechanisches Ausreiben mittels Bauschen von Krüllgaze zu entfernen. Sie überzeugen sich gleichzeitig durch Eingehen mit dem Finger von der A u s d e h n u n g und den Verhältnissen der Wunde. Schließlich wird das g a n z e g e q u e t s c h t e Gewebe mit Sublimatlösung ( 1 : 1000) abgespült. Ist die Kontinuitätstrennung an der Oberfläche zu klein, um die subkutanen Verletzungen übersehen zu können, so wird die Haut gespalten, so weit es notwendig ist. Ganz zerquetschte, offenbar der Nekrose verfallene Gewebsteile werden sofort abgetragen und größere Blutextravasate entleert: an den tiefstgelegenen Punkten macht man Kontraincisionen und f ü h r t Drains ein. Die etwa noch a n d a u e r n d e oder wiederauftretende Blutung wird gestillt. Jetzt handelt es sich darum, zu entscheiden, ob die g a n z e Wunde offen bleiben soll oder ob man es wagen kann, sie wenigstens teilweise zu vernähen. In der vorantiseptischen Zeit galt die Regel, Quetschwunden niemals zu vereinigen. Gegenwärtig
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handelt man viel logischer, d. h. man richtet sich nach dem Zustande der Wundränder. Wenn diese an und für sich, trotzdem sie von einer Zerquetschung herrühren, nicht allzu verändert sind und lebensfähig aussehen, so näht man sie gerade so wie die einer Schnittwunde, jedoch mit der Vorsicht, die Nähte nicht zu stark anzuziehen, um jede Zirkulationsstörung zu vermeiden. Gut vaskularisierte Teile, wie z. B. die Kopfschwarte, vertragen das vorzüglich und können fast ohne entzündliche Reaktion per primam heilen. Sind die Wundränder stark verfärbt, angeschwollen oder im Gegenteil ganz blutleer und komprimiert, so ist es angezeigt, sie bis in das gesunde Gewebe abzutragen und hierdurch die Quetschwunde, wenigstens an der Oberfläche, gewissermaßen in eine Schnittwunde zu verwandeln, worauf sie genäht werden können. Die Hauptfrage bei allen, nicht nur die oberflächlichen Teile betreffenden Quetschwunden ist: antiseptischer Okklusivverband oder antiseptische Tamponade mit offener Wundbehandlung. Dafür lassen sich keine ganz bestimmten Regeln aufstellen; es ist Sache der Erfahrung zu entscheiden, welche Behandlung in einem speziellen Fall den Vorzug verdient und diese Erfahrung können Sie nur in der Klinik erwerben. Ich will Ihnen daher nur im allgemeinen sagen, daß bei allen Quetschwunden, deren Schwere und Ausdehnung Sie nicht genau übersehen können, es vorteilhafter und sicherer ist, die Wundhöhle neben den Drains mit Streifen von Jodoformgaze locker zu tamponieren und die Ränder nicht zu vereinigen. Bei alten und herabgekommenen Leuten mit träger Zirkulation ist die Tamponade mit Gazestreifen in B u r o w s c h e Lösung getränkt und ein Verband mit feuchter Kompresse samt impermeablem Zeug indiziert. Die Vemähung der Wunde bis auf die Drainlücken erfordert eine genaue Überwachung des Verletzten, damit man bei etwa auftretender lokaler oder allgemeine? Reaktion sofort eingreifen und die Wundhöhle öffnen kann. Der Verband selbst besteht aus sterilisierter Kriillgaze: wichtig ist die die genaue, ziemlich starke Kompression. — Quetschwunden mit Substanzverlust bestreut man mit etwas Jodoform und behandelt sie ganz offen. Wir haben erwähnt, kombiniert.
d a ß die Q u e t s c h u n g sich häufig mit Zerreißung
E s gibt aber nebst d i e s e r K o m b i n a t i o n V e r l e t z u n g e n ,
a u s s c h l i e ß l i c h durch letzteren M e c h a n i s m u s zustande k o m m e n : v o n w o l l e n w i r jetzt s p r e c h e n . trennung.
erzeugt
Teile voneinander. offene
Körperteile.
diesen
Man v e r s t e h t unter Zerreißung e i n e K o n t i n u i t ä t s -
durch g e w a l t s a m e
E n t f e r n u n g der G e w e b e
oder
ihrer
J e n a c h d e m d i e a l l g e m e i n e D e c k e dabei intakt g e b l i e b e n
ist oder nicht, u n t e r s c h e i d e t m a n oder
welche
Zerreißungen.
subkutane Zerreißungen
Rißwunden,
D i e Zerreißung ist a n a t o m i s c h
resp.
(Rupturen)
Abreißungen
ganzer
charakterisiert d a d u r c h ,
die T r e n n u n g s f l ä c h e n der G e w e b e nicht in einer und derselben
daß
vertikalen
E b e n e l i e g e n — d i e s e r B e f u n d ist bei d e n R i ß w u n d e n leicht n a c h z u w e i s e n an den u n r e g e l m ä ß i g e n , s t a f f e i f ö r m i g e n , f e t z i g e n Wundrändern. die e i n z e l n e n G e w e b e d e s Körpers e i n e s e h r v e r s c h i e d e n e
D a nämlich
Kohäsionskraft
h a b e n , so w e r d e n durch e i n e und d i e s e l b e G e w a l t e i n z e l n e G e w e b e früher d u r c h r i s s e n a l s a n d e r e : a u ß e r d e m ist a b e r auch die Elastizität d e r G e w e b e und ihre S p a n n u n g v e r s c h i e d e n , d e m n a c h retrahieren sich die v e r s c h i e d e n e n durchrissenen Gewebsteile verschieden
stark.
E s g i b t s u b k u t a n e Rupturen, d i e o h n e die g e r i n g s t e Q u e t s c h u n g z u s t a n d e kommen, Knochen.
und zwar a m häufigsten an Muskeln und Sehnen, ja selbst an E s will j e m a n d
über e i n e n Graben springen u n d n i m m t dazu
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Von den Quetschwunden und Rißwunden der Weichteile.
den gehörigen Anlauf, doch er verfehlt das Ziel, fällt, empfindet einen heftigen Schmerz in einem Beine und kann nicht mehr aufstehen. Man untersucht und findet dicht oberhalb der Ferse (der Tuberositas calcanei) eine Vertiefung, in welche man den Daumen hineinlegen kann; die Bewegungen des Fußes sind unvollkommen, zumal die Plantarflektion. W a s ist geschehen? Bei der heftigen Muskelaktion ist der Tendo Achillis vom Calcaneus abgerissen. Ähnliches begegnet mit der Sehne des Quadriceps femoris. welche sich an die Patella ansetzt, mit der Patella selbst, die mitten durchreißen kann, mit dem Lig. patellae. mit dem Triceps brachii. der vom Olecranon abreißt und meist dabei ein Stück von letzterem mit fortnimmt usw. Man beobachtet außerdem subkutane Rupturen eines M. rectus abdominis. des Vastus externus cruris und anderer Muskeln. Die Diagnose solcher Verletzungen ist leicht. Sie erkennen sie an der Funktionsstörung, an der sichtbaren und noch mehr fühlbaren Vertiefung, welche sofort vorhanden ist. in der Folge jedoch durch das Blutextravasat wieder maskiert wird. Die Prognose ist hei den subkutanen Sehnen- und Muskelzerreißungen im allgemeinen günstig, die Behandlung einfach: Ruhe des Teiles. Lagerung desselben, so daß die abgerissenen Enden durch Erschlaffung des Muskels einander genähert werden, feuchte Wärme und Kompression durch einige Tage hindurch: nach 2 — 3 Wochen können die Patienten meist ohne Schmerz wieder aufstehen: es bildet sich anfangs eine bindegewebige Zwiscliensubstanz. die sich bald durch Verkürzung und Schrumpfung so verdichtet, daß eine sehnenartig feste Narbe, eine Inscriptio tendinea entsteht: der Vorgang ist derselbe, wie bei der Heilung durch Granulationsbildung subkutaner Verletzungen überhaupt. Funktionsstörungen bleiben selten in erheblichem Grade zurück, zuweilen allerdings eine leichte Schwäche der Extremität und der Verlust fein nuanzierter Bewegungen, zumal an der Hand: der Grund liierfür liegt in der Verlängerung der mit Zwischensubstanz geheilten Muskeln und Sehnen. Um subkutane Muskel- und Sehnenzerreißungen genannter Art durch Quetschung hervorzubringen, würde es bedeutender Gewalten bedürfen: eine solche Verletzung würde wohl einen weit ungünstigeren Verlauf nehmen. Sie sehen in diesem Falle wieder, welchen Einfluß der Mechanismus des Zustandekommens einer Kontinuitätstrennung bei ganz gleichen Geweben auf den Heilungsprozeß und damit auf die Prognose ausübt. Die R i ß w u n d e n unterscheiden sich von den subkutanen Rupturen durch die Kontinuitätstrennung der Haut. E s gibt auch bei diesen Verletzungen reine Zerreißungen ohne jede Quetschung; um eine Rißwunde oder eine Abreißung hervorzubringen, muß die einwirkende Kraft einen Angriffspunkt am Körper selbst oder in seiner unmittelbaren Umgebung haben. Im ersten F a l l fällt der Angriffspunkt entweder mit dem Anfang der Rißwunde zusammen oder er liegt mehr oder weniger weit entfernt
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Kapitel IV.
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von ilir und kann dann durch eine Verletzung anderer Art. z. B. durch eine Quetschung; oder Quetschwunde bezeichnet sein. Als indirekte Angriffspunkte sind zu nennen: die Kleider oder die Haare. So kann z. B. ein Mann von einein Maschinenrad an der Hose erfaßt werden, wobei Skrotum und Penis in dieselbe verwickelt und mit ihr abgerissen werden: die Abreißung der ganzen behaarten Kopfhaut, die sog. Skalpierung, kommt bei Frauen gelegentlich zustande dadurch, daß sie mit ihren langen Haaren an einem Transinissionsriemen hängen bleiben. Oder der Vorderarm eines Arbeiters gerät zwischen zwei rotierende Walzen, die Hand wird zerquetscht und die Haut an der Schulter durchrissen und von dem ganzen Arm abgezogen usw. Der Mechanismus der Verletzung macht es klar, daß die Ränder der Rißwunden oft weit voneinander klaffen. Der Schmerz ist im Momente der Verletzung sehr heftig, läßt aber bald nach, eben weil die Nerven durchrissen und dadurch leitungsunfähig geworden sind. Die Blutung pflegt nicht bedeutend zu sein, selbst wenn starke arterielle Gefäße durchtrennt sind. Auch das erklärt sich aus dem Mechanismus der Verletzung. Wird eine Arterie gewaltsam in die Länge gezogen, so reißen zunächst die Intima und die Media, welche beiden Schichten sich nach innen einrollen und so das Lumen verengern: dauert der Zug fort, dann wird die widerstandsfähigere Adventitia allmählich in einen dünnen soliden Strang ausgezogen, welcher endlich in der Mitte durchreißt. Die beiden Enden der Arterie sind somit kegelförmig zugespitzt und innen durch ein mechanisches Hindernis verstopft, an welchem rasch Blutgerinnung erfolgt, so daß es nicht blutet. Bedeutender sind die Blutungen aus zerrissenen Venen, weil bei diesen die Adventitia viel schwächer ist und daher meistens gleichzeitig mit den inneren Häuten nachgibt. Untersucht man eine Rißwunde mikroskopisch, so zeigt sich, daß die Kontinuitätstrennung fast stets innerhalb der Interzellularsubstanz des Gewebes liegt, während die zelligen Elemente sehr selten zerreißen. Im ganzen ist die Zerstörung bei den reinen Rißwunden weniger ausgeprägt als bei den Quetschwunden, ihre Prognose ist daher im allgemeinen günstiger: sie sind leichter zu übersehen und zu erkennen, weil sie meistens klarer zutage liegen als die Quetschwunden. Die Heilung per primam gelingt nicht selten. Die schwersten Zerreißungen werden durch Kombination der zermalmenden und zerreißenden Kraft hervorgerufen: sie finden sich am häufigsten nach Maschinenverletzungen, nach Eisenbahnunfällen, nach Uberfahrenwerden. Explosionen usw. Die prognostische Beurteilung des Verlaufes solcher Fälle ist selbst bei sehr großer praktischer Erfahrung sehr schwierig und unsicher. Von den Rißwunden etwas verschieden sind die Abreißungen ganzer Körperteile. Wird durch Maschinengewalt, durch eine Kanonenkugel, durch
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Von den Quetschwunden uud Rißwunden der Weichteile.
Explosion usw. eine Extremität vollkommen weggerissen, so erliegen die Patienten meistens sehr rasch dem schweren Shok: wenn sie aber die Periode des Kollaps, der Herzparalyse und akuten Hirnanämie überwinden,
dann
werden solche Verletzungen eigentlich merkwürdig leicht ertragen, es sei denn, daß sie durch ausgedehnte Quetschungen kompliziert waren.
Fälle
Fig. 41.
Fig. 3 9 .
Fig. 40.
Zentrales Ende einer durchrissenen
Arteria
brachialis.
Ausgerissener Mittelfinger mit sämtlichen Sehnen. Ausgerissener Arm Scapula
und
mit
Clavicula.
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Kapitel IV.
193
Anhang.
von Ausreißung einzelner Finger oder der ganzen Hand sind nicht gar selten; sie verlaufen in der Regel günstig. Auch innere Organe können in seltenen Fällen ausgerissen werden: so kennt man Beispiele, daß der Uterus mit allen seinen Adnexen post partum durch die Hebamme zunächst vor die Vulva hervorgezerrt und endlich ganz abgerissen wurde, und. was noch viel merkwürdiger ist. es sind selbst in solchen Fällen Heilungen konstatiert. B i l l r o t h erwähnt zwei Fälle von Fingerausreißungen: bemerkenswert ist der folgende: Ein Maurer war auf einem Gerüste beschäftigt, und fühlte plötzlich dasselbe unter sich zusammenfallen; vom Dache des Hauses, gegen welches das Gerüst gelehnt war, hing die Schlinge eines Seiles herab: diese ergriff der Fallende, konnte sie aber nur mit dem Mittelfinger der rechten Hand fassen; so schwebte er einen Moment, und stürzte dann auf den Boden, zum Glück nicht hoch, so daß er sich keinen Schaden tat, doch fehlte ihm der Mittelfinger der rechten Hand: er war im Gelenke zwischen erster Phalanx und Os metacarpi ausgerissen und hing oben in der Schlinge. An dem Finger befanden sich die beiden Sehnen der Flexoren und die Sehne des Extensor, und zwar waren dieselben genau an der Muskelinsertion abgerissen; der Mann trocknete seinen Finger mit den Sehnen und trug ihn später zum Andenken an das Ereignis in seinem Portemonnaie bei sich. Die Heilung erfolgte ohne erhebliche Entzündung des Vorderarmes und bedurfte eigentlich gar keiner Kunsthülfe. Nach Abreißungen der Hand kann man. wenn genügend Haut vorhanden ist, die Vernarbung sich selbst überlassen. sonst muß die Amputation des Vorderarmes gemacht werden. Ausreißungen des ganzen Armes samt Scapula und Clavicula sind gar nicht so selten (vergl. Fig. 40 und Fig. 41 nach einem in der Züricher Klinik aufbewahrten Präparate) und die Arteria axill. ist in diesen Fällen gewöhnlich vollkommen abgedreht, wie durch eine lege artis ausgeführte Torsion, so daß die Blutung verhältnismäßig gering ist und die Verletzung ohne jede Komplikation heilt.
Anhang. B e m e r k u n g e n über die W u n d b e h a n d l u n g bei verschiedenen Verletzungen.
den
Wir haben jetzt die Haupttypen der Verletzungen an den Weichteilen und den Modus ihrer Heilung besprochen. Es versteht sich von selbst, daß der Verlauf der Heilung zahlreiche individuelle Verschiedenheiten aufweist, zunächst je nach dem Mechanismus der Verletzung, dann aber auch nach den begleitenden Umständen, vor allem je nachdem die Wunde aseptisch oder infiziert ist. Als Prototyp der aseptischen Wunde gilt uns die unter antiseptischen Kautelen aseptisch angelegte Operationswunde in einem gesunden Gewebe, z. B. eine Schnittwunde ohne Substanzverlust. Wird diese lege artis vereinigt, so können wir eine absolut reaktionslose Heilung per primam erwarten. Die akzidentellen Verletzungen werden diesem idealen Verlauf um so näher kommen, je geringer die B i l l r o t h — v. W i n i w a r t e r , Die allg. chir. Path. u. Tlier. 16. Aufl.
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194
Bemerkungen über die Wundbehandlung bei den v e r s c h i e d e n e n Verletzungen.
Wahrscheinlichkeit einer primären bakteriellen Infektion durch das verletzende Instrument selbst und unmittelbar nachher durch die direkten Folgen der Kontinuitätstrennung gewesen war. Der Heilungsprozeß k a n n dabei in verschiedenem Maße durch entzündliche Vorgänge kompliziert werden, wenn eine größere Partie des Gewebes vermöge der traumatischen Degeneration zugrunde gegangen ist und eliminiert oder resorbiert werden muß. ohne daß es deshalb zur Eiterung kommt. Endlich liegt bei vielen akzidentellen Verwundungen von vornherein eine intensivere bakterielle Infektion vor. oder sie ist nachträglich erfolgt, während der Zeit, die zwischen der Verletzung und dem Momente, wo der Verletzte in unsere Hände gelangt, verflossen ist. Derartige s e k u n d ä r e I n f e k t i o n e n werden begünstigt durch den Mechanismus der Verletzung, durch ihre anatomischen Charaktere, z. B. Hautdefekte, Blutextravasate. Mortifikation der Gewebe usw. und durch mangelhafte Behandlung. Bei solchen Verletzungen kann von einer reaktionslosen Heilung überhaupt nicht die Rede sein; die Eiterung ist in solchen Fällen die Regel. Abgesehen von den gewissermaßen normalen Folgen der Verletzung gibt es jedoch noch andere, die einen mehr zufälligen Charakter haben, insofern sie nicht von der Verletzung a n sich, sondern von Einwirkungen abhängen, die ausschließlich bakterieller Natur sind. Sie zeigen einen vom Heilungsprozeß mehr oder weniger unabhängigen Verlauf und werden deshalb als a k z i d e n t e l l e K o m p l i k a t i o n e n der Verletzung betrachtet, obschon eine strenge Sonderung zwischen ihnen und den lokalen, die verschiedenen Arten der Verletzungen begleitenden Zuständen nicht durchführbar ist. Von allen diesen Prozessen wollen wir später im Zusammenhange sprechen und auch die Behandlung dieser Wundkomplikationen erörtern. Ich will Ihnen jetzt Weichteilverletzungen kurz auf das Gebiet der Klinik eine große Erleichterung Operationssaale und am maßen vertraut sind.
die gegenwärtig übliche Behandlungsweise der schildern. Freilich greife ich hierdurch eigentlich hinüber: es wird Ihnen jedoch für die Zukunft sein, wenn die Verbandmethoden. die Sie im Krankenbette anwenden sehen. Ihnen einiger-
Hei allen Wunden ist vor dem eigentlichen Verbände die Toilette der unigebenden Haut
notwendig.
Die Haut wird
mit
warmem W a s s e r
5 Minuten l a n g mittels einer Bürste abgerieben
und S c h m i e r s e i f e
mindestens
und rasiert: Verunreinigungen
durch
Ruß, Farbe. Fettkörper usw. entfernt man am l e i c h t e s t e n durch W a s c h e n mit Terpentin. Ist die a l l g e m e i n e D e c k e vollkommen rein und glatt, dann erst wird sie mit Alkohol und zuletzt mit Karbol- oder Sublimatlüsung tüchtig a b g e w a s c h e n . — Es versteht sich fast von selbst, daß die Behandlung einigermaßen verschieden sein wird, je nachdem •wir e s mit einer frischen,
aseptischen W u n d e zu tun haben,
Zersetzung begriffenen, septisch infizierten Wunde.
oder mit einer bereits in
Als Typus der a s e p t i s c h e n Wunde
gilt eine frische, unter antiseptischen Kautelen l e g e artis im g e s u n d e n G e w e b e a n g e l e g t e Operationswunde.
Je mehr nun eine zufällige Verletzung durch die Art ihres Zustande-
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Kapitel IV.
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Anhang.
k o m m e n s sich den operativen T r a u m e n nähert, je weniger sie b e r ü h r t worden ist und je f r ü h e r sie zur Behandlung kommt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, d a ß sie nicht septisch infiziert ist. Solche Wunden reinigt man durch Abreiben mit steriler, trockener Krüllgaze von a n h a f t e n d e n Blutgerinnseln, dann werden sie. wo eine Koaptation der Wundflächen möglich ist. durch E t a g e n n ä h t e g e n a u vereinigt, eventuell drainiert und verbunden. Oberflächliche, vollkommen v e r n ä h t e Wunden, die nicht besonders komprimiert werden müssen, bepinseln wir einfach mit einer Schicht Jodoformkollodium. welche die W u n d r ä n d e r einige Zentimeter breit b e d e c k t : auf eine drainierte und vereinigte W u n d e wird n u r ein Hauschen sterilisierter Krüllgaze aufgelegt, d a r ü b e r kommt eine dicke Schicht B r u n s scher Baumwolle und das G a n z e wird mittels Bindeneinwicklung fixiert und gleichmäßig komprimiert. Bei großen Wunden, z. B. nach einer Amputation muß die g a n z e Nahtlinie mit Krüllgaze bedeckt werden, d a n n hüllen wir den Stumpf in ein großes Verbandpolster ein, dessen Ränder mit W a t t e umgeben werden, und nun erst komprimieren wir durch eine exakte Einwicklung, zuerst mit einer Gaze-, dann mit einer Organtinbinde. — Wird die Wunde nicht vereinigt, sondern der Heilung durch Granulation überlassen, so pflege ich sie. sofort nach der letzten antiseptischen Irrigation, mit e t w a s Jodoform zu bestäuben, in eine größere Höhlenwunde wohl auch einen oder ein p a a r Streifen J o d o f o r m g a z e einzuführen, und dann den f r ü h e r beschriebenen Verband anzulegen. D e r typische Verband bei einer geschlossenen Wunde ist derselbe, ob wir eine Verletzung durch Schnitt oder Stich, durch Quetschung oder Zerreißung vor u n s haben — mutatis mutandis. So z. ß. ist die Drainage überflüssig, wenn keine toten Räume innerhalb der Wunde vorhanden sind. Die Naht wird im allgemeinen zu unterlassen sein, wenn Sie keine Heilung per primam erwarten können, weil die W u n d r ä n d e r stark gequetscht sind. Doch appliziert man bei Riß- und Quetschwunden gelegentlich einige tiefgreifende E n t s p a n n u n g s n ä h t e , um ein allzu starkes Klaffen, eine zu beträchtliche Retraktion der H a u t r ä n d e r zu verhindern und dieselben in ihrer natürlichen Lage zu fixieren — ohne dadurch eine g e n a u e Vereinigung anzustreben. Bei W u n d e n geringer Ausdehnung, deren H a u t r ä n d e r allein gequetscht sind, kann man das gequetschte Gewebe mit dem Messer oder der Schere ganz abtragen, hierdurch die Verhältnisse zu denen einer reinen Schnittwunde gestalten, und nun eine g e n a u e Vereinigung wie bei dieser vornehmen. Ist die Verletzung, wenn sie zur Behandlung gelangt, nicht mehr ganz frisch, besteht bereits etwas Reaktion. Rötung und Schwellung der W T undränder, hat sich p r i m ä r e s Sekret in der Tiefe angesammelt, w ä h r e n d oberflächliche Verklebungen vorhanden sind, dann muß die Wunde als s e p t i s c h infiziert a n g e s e h e n werden und es ist unsere erste Aufgabe, die Verklebungen zu lösen und den ganzen W u n d s p a l t möglichst freizulegen. Zu diesem Zwecke dringen Sie am besten mit dem Finger in die W u n d e ein und untersuchen genau die Form und Ausdehnung der Wundhöhle, wobei Sie, wenn es nötig ist, die Hautöffnung mit dem Knopfmesser erweitern. E s kommt nun darauf an, die g a n z e Wundhöhle von den bereits in Zersetzung begriffenen Sekreten, besonders von den Blutgerinnseln, sowie von Fremdkörpern jeder Art zu säubern. Sie verwenden hierzu einen kräftigen Strahl von einer Sublimatlösung 1 pro Mille und reiben a u ß e r d e m mittels feuchter G a z e t a m p o n s die Innenfläche der W u n d e sorgfältig ab, bis die Injektionsflüssigkeit ganz rein abfließt. Nicht selten beginnt bei diesem Akte eines oder das andere Gefäß zu bluten. Sie stillen die Blutung lege artis, legen an den tiefsten Punkten kurze Drains oder Jodoformdochte (Bündel von Baumwollfäden) durch den ursprünglichen Wundspalt oder durch Gegenöffnungen ein und vereinigen die Hautr ä n d e r ; unter U m s t ä n d e n tamponieren Sie die ganze Wundhöhle locker mit Jodoformg a z e und legen nur einige N ä h t e an, um die Wunde zu verkleinern. Ein typischer antiseptischer Kompressivverband bedeckt das Ganze.
13*
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Bemerkungen über die Wundbehandlung bei den verschiedenen Verletzungen.
Wie oft ein antiseptischer Verband erneuert werden soll, hängt von den Umständen ab, besonders von der Menge des gebildeten Sekretes. Ist die Wunde vollständig vernäht und kein Drainrohr eingelegt worden, dann bleibt der erste Verband bis zur vollendeten Heilung liegen, also etwa 8 Tage. Wenn Drains in Verwendung gekommen sind, so ist es zweckmäßig, dieselben bereits am 3.—4. Tage zu entfernen, wodurch selbstverständlich ein Verbandwechsel erforderlich ist. Offene Wunden, auch wenn sie mit Gaze vollgestopft sind, werden etwa nach 4—5 Tagen frisch verbunden. Sobald die ganze Wundhöhle mit Granulationen ausgefüllt ist und nur mehr ein flächenhafter Substanzverlust vorliegt, wird der antiseptische Verband durch einen Salbendeckverband ersetzt, weil die Benarbung auf diese Weise viel raschere Fortschritte macht. Sie können zu Salbenverbänden benutzen: Borsäure, Jodoform, Dermatol. Zinkoxyd, rotes und weißes Quecksilberpräzipitat usw., in Verbindung mit Unguent. Vaselini oder Unguent. cereum: stärker irritierend, aber besonders bei schlaffen Granulationen sehr empfehlenswert ist das Unguent. Styracis, das Unguent. basilicum, aus Wachs. Baumöl. Kolophonium, Talg und Terpentin bestehend und das Unguent. diachvlon ( H e b r a ) , eine Mischung von Emplastr. diachyl. simpl. und Olivenöl zu gleichen Teilen. Endlich ist die Bedeckung mit Heftpflasterstreifen ein vortreffliches Mittel um die Vernarbun^ zu beschleunigen und zugleich die Wundränder einander zu nähern. Huben Sic Quetsch wunden mit sehr ausgedehnter Zcrmalmung und Zerreißung der Weichteile, mit großen, von Blutergüssen erfüllten Hohlräumen vor sich, oder, wie es an der Hand häufig vorkommt, komplizierte Riß-Quetschwunden mit Eröffnung der Gelenke, der Sehnenscheiden, mit Zertrümmerung der Knochen usw.. dann reichen Sie in vielen Fällen mit dem geschilderten Verbände nicht aus, und zwar hauptsächlich deswegen nicht, weil es fast unmöglich ist, die Wundhöhle primär vollständig zu desinfizieren und späterhin die Zersetzung innerhalb derselben zu beherrschen. Häufig sind solche Verletzungen nicht mehr ganz frisch, wenn sie in unsere Behandlung kommen, häufig sind sie durch Fremdkörper aller Art verunreinigt, von denen Rull, Kohle, Farbstoffe, Fett noch die unschuldigsten sind; oder es hat jemand, leider häufig ein Arzt, um die Blutung zu stillen, die Wunde mit Liquor ferri ausgegossen und sie wohl gar darüber fest zusammengenäht. In allen diesen Fällen rate ich Ihnen, gar keinen Versuch mit dem typischen Okklusivverband zu machen, sondern sogleich zur feuchten antiseptischen Tamponade zu schreiten. Nachdem Sie die Wunde auf das sorgfältigste gereinigt haben, was oft keine leichte Arbeit ist und am besten in einem Bade von lauer Sublimatlösung (1 :1000) geschieht, legen Sie, wo es tunlich ist. die E s m a r c h s c h e Binde an und untersuchen sorgfältig mit dem Finger die Ausdehnung der Verletzung; zu diesem Zwecke erweitern Sie die Hautwunde. Nun tragen Sie die zerquetschten, nicht lebensfähigen Teile mit der Schere ab, drainieren überall wo eine Sekretverhaltung stattfinden könnte, unterbinden die etwa sichtbaren durchtrennten Gefäße, nähen die zerrissenen Sehnenstümpfe aneinander, entfernen lose Knochensplitter, sowie die eingedrungenen Fremdkörper und die Blutcoagula und spülen die ganze Wunde mit einem Strome einer sterilisierter Kochsalzlösung (7—8: 1000) aus, welche selbstverständlich nicht als Desinfektionsmittel, sondern nur zur letzten mechanischen Reinigung der Wundhöhle dienen und zugleich zeigen soll, ob die angelegten Drainröhren tadellos funktionieren. Nun bestäuben Sie die Innenfläche der Wunde mit Jodoform und füllen alle Zwischenräume, alle Taschen und den Raum zwischen den Wundrändern ganz dicht mit einem antiseptischen Verbandmaterial aus. Ich verwende dazu Streifen von Jodoformgaze, die mit der B u r o w s c h e n Lösung der essigsauren Tonerde (Rp. Alumin. 5,0, Plumbi acetic. 25,0, Aqu. destill. 500,0 M. D. S. Gut aufzuschütteln) getränkt und mäßig ausgedrückt worden sind. Wenn die Wundhöhle nicht sehr umfangreich ist, so kann man zur Tamponade ausschließlich Baumwollendochte, in Jodoform getränkt ( G e r s u n y )
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Kapitel IV.
Anhang.
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anwenden, deren Enden über die Wundränder hervorragen und die zugleich durch ihre Kapillarität als Drains wirken. Nun wird das Ganze bis weit über die Grenzen der Quetschung hinaus mit Gazekompressen bedeckt, die ebenfalls in die B u r o w s c h e Lösung getaucht sind: über dieselbe kommt ein Stück Guttaperchapapier und der ganze Verband wird durch eine lege artis vorgenommene Bindeneinwicklung fixiert und gleichmäßig komprimiert. Außer der desinfizierenden Wirkung des Verbandes kommt bei dieser Behandlung noch ein anderer Faktor in Betracht: die f e u c h t e W ä r m e . Dieselbe hat einen unleugbar günstigen Einfluß auf die Zirkulation und außerdem bewirkt sie eine energischere Reaktion des gesunden Gewebes: Rötung und ödematöse Schwellung der Wundränder, welche vielleicht vor Anlegung des Verbandes bestanden, nehmen bald a b : die Resorption der Extravasate wird befördert und ebenso die Entwicklung des Granulationsgewebes begünstigt, welches ja den mächtigsten Schutz gegen die Infektion der Wunde darstellt. Deshalb wirkt auch der feuchte Verband mit essigsaurer Tonerde nach meinen Erfahrungen sehr viel günstiger als die Ausfüllung der Wunde mit trockener Li st e r scher Karbolgaze, die jeden Tag erneuert wird. Die nassen Karbolverbände, wie sie von einigen Chirurgen gebraucht werden, kann ich Ihnen nicht empfehlen: sie reizen die Wunde und die Haut, rufen bei empfindlichen Personen Ekzeme hervor, und geben gar nicht selten Veranlassung zur Karbolintoxikation, weil bei einer größeren Wundfläche auch die Resorption von Verbandflüssigkeit sehr beträchtlich ist. Beim Verbandwechsel, der anfangs täglich, später alle 2—3 Tage vorzunehmen ist, überzeugen Sie sich jedesmal, daß nirgends eine Sekretverhaltung vorhanden ist. Sollte irgendwo das Sekret nur durch Drücken und Streichen entleert werden können, dann muß entweder die vorhandene Öffnung erweitert, oder eine Gegenöffnung angelegt werden. Zu diesem Behufe führen Sie eine lange, schwach gekrümmte Komzange in den Höhlengang ein. bis an dessen blindes Ende: dann drücken Sie die geschlossenen Branchen nach außen gegen die Haut und schneiden, entweder mit einem Zuge, oder wenn die Weichteilschicht sehr dick ist. langsam, präparando, auf dieselben ein, bis die Höhle genügend eröffnet ist. Ist das Ende der Zange durch die Haut durchgedrungen, so öffnen Sie die Griffe ein wenig, klemmen zwischen die Branchen ein Drainrohr ein und ziehen es mit der Zange zurück, in die Wundhöhle hinein. Es gibt Fälle von derartig hochgradiger Zermalmung der Gewebe, z. B. nach Maschinenverletzungen, namentlich nach Eisenbahnunfällen, daß die primäre Mortifikation ausgedehnter Haut- und Weichteilstrecken mit Sicherheit zu erwarten steht. Die Muskeln sind dabei zu Brei zermalmt, oft besteht ein großer, von Extravasat- und Gewebstrümmern angefüllter, schwappender Herd, der durch eine verhältnismäßig enge Wunde der Haut nach außen kommuniziert, während innen auf weite Strecken hin die Muskeln voneinander getrennt, die Haut abgehoben, die Fascien zerrissen sind. Die Haut ist nämlich sehr widerstandsfähig gegen die quetschende Gewalt, was man, beiläufig gesagt, auch bei der Anwendung des C h a s s a i g n a c s e h e n Ecraseurs beobachtet: sie kann derartig zusammengedrückt werden, daß sie vollkommen blutlos und von lederartiger Konsistenz wird, aber es ist sehr schwer, eine vollständige Kontinuitätstrennung derselben zu bewirken. Bei ausgedehnten Zermalmungen mit kleiner Hautöffnung muß diese vor allem erweitert werden, damit die Höhlenwunde der Behandlung zugänglich wird. Da genügt aber die offene Wundbehandlung allein auch nicht mehr, weil die Gefahr einer Zersetzung an irgendeiner Stelle des toten, der Feuchtigkeit und der Körperwärme ausgesetzten Gewebes fast unabwendbar ist. Hier leitet man mit außerordentlichem Erfolge die p e r m a n e n t e a n t i s e p t i s c h e I r r i g a t i o n ein. Sie legen zunächst den Verband so an. wie er eben beschrieben wurde, indem Sie Jodoformgaze in die Wundhöhle einführen und dann den verletzten Teil mit Kompressen und Guttaperchapapier
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Bemerkungen über die Wundbehandlung bei den verschiedenen Verletzungen.
umgeben. Dabei lassen Sie aber einen oder zwei der Ifauptdrains über die Oberfläche des Verbandes hervorragen, indem Sie dieselben durch Löcher in den Kompressen und im G u t t a p e r c h a p a p i e r nach außen durchstecken. Nun bringen Sie oberhalb des Bettes an der W a n d oder an einem Galgen einen E s m a r c h s c h e n Irrigator an. der mit essigsaurer Tonerdelösung gefüllt ist. Der Schlauch desselben wird durch ein einfaches oder ein T-förmiges Glasrohr mit den Drains verbunden und der Hahn des Irrigators so reguliert, daß die B u r o w s c h e Lösung in einem ganz schwachen, kontinuierlichen Strome durch die Wundhöhle zirkuliert. Der verletzte Teil ist entsprechend immobilisiert und ruht auf einer Kautschukdecke, so daß die an den Rändern des Verbandes aust r e t e n d e Flüssigkeit entweder über dieselbe in ein unter dem Bette aufgestelltes G e f ä ß abtropft oder der Abfluß geschieht durch ein dickes Drainrohr, welches an der tiefsten Stelle des Verbandes in denselben eingeschaltet und nach a b w ä r t s geleitet wird. Die praktische Ausführung des Verbandes benötigt eine gewisse Gewandtheit, die man eben nur durch die Übung erwirbt: wenn aber das Ganze einmal in Ordnung ist und die Irrigation funktioniert, dann braucht man sich k a u m mehr um die Sache zu k ü m m e r n , es sei denn, um den Irrigator von Zeit zu Zeit wieder zu füllen, ja der eigentliche Verband kann sogar mehrere Tage hindurch ganz unberührt liegen bleiben. Der Effekt dieser Behandlungsweise ist ein eminent günstiger: die essigsaure Tonerdelösung übt pinp pnorgisohp antispptisohp Wirkung; ans. um so mphr da ja fortwährend frisclip desinfizierende Flüssigkeit mit dem mortifizierten Gewebe in Berührung kommt, und überdies das Wundsekret aus der Wundhöhle weggespült wird. D a s Jodoform erhält sich im Innern derselben und verhindert die Bildung giftiger Ptomai'ne. In der Tat kommt es in derartig behandelten Wunden nicht zur fauligen Zersetzung, die Abstoßung der nekrotischen Partien wird sehr beschleunigt und die Entwicklung eines kräftigen, gesunden Granulationsgewebes befördert. Außerdem wirkt die Irrigation als lokales und allgemeines Wärmeentziehungsmittel und dadurch auch schmerzstillend. Gewöhnlich befinden sich die Patienten bei dieser Behandlung sehr behaglich: das Einzige, was bisweilen störend wirkt, ist, daß man mit dem besten Willen oft die D u r c h n ä s s u n g des Bettes nicht ganz und gar vermeiden kann. Doch handelt es sich dabei um so gefährliche Verletzungen, daß dieser kleine Übelstand nicht hoch zu veranschlagen ist. Außerdem ist die Irrigation ja hauptsächlich f ü r die erstere Zeit, unmittelbar nach dem T r a u m a bestimmt; man vertauscht sie. wenn einmal die Wunde gereinigt ist und gut granuliert, mit dem einfacheren Verbände, wie wir ihn früher beschreiben haben. Neben
der
zu e r w ä h n e n , H e i l u n g ist.
eigentlichen Wundbehandlung
deren Beobachtung Bei
jeder Verletzung
Teiles und die e n t s p r e c h e n d e Die R u h e
sind
noch
einige
.Momente
v o n g r o ß e i n E i n f l u ß a u f d e n Verlaut' d e r ist d i e R u h i g s t e l l u n g
Lagerung
des
verletzten
geboten.
ist d e s h a l b w i c h t i g , d a j a d u r c h j e d e A u f r e g u n g i m (let'äß-
s y s t e m e eine Kongestion zu den verletzten Teilen hervorgerufen wird, w e l c h e die schwersten F o l g e n Teil
selbst
mittels
haben kann.
des Verbandes
E s soll daher nicht nur der verletzte oder
durch
eigene
Lagerungsapparate
absolut immobilisiert sein, damit nicht durch die Kontraktionen der Muskeln, durch
die B e w e g u n g
werden, ganzen Bette
der G e l e n k e usw.
sondern die Immobilisation Körper
liegen:
umfassen.
jede
Jeder
Sekrete aus der W u n d e
schwerer Verletzte
gewaltsame Bewegung,
Hilfe, rasches U m w e n d e n
resorbiert
soll bis zu e i n e m g e w i s s e n ( i r a d e muß
den
unbedingt
wie plötzliches Aufsitzen
im Bette usw. muß vermieden werden:
auch
zu
ohne mit
Vorlesung 14.
Kapitel IV.
199
Anhang.
den gesunden Gliedern darf der Patient keine ausgedehnten, eine energische oder prolongierte Muskelarbeit benötigenden Aktionen ausführen: j a selbst das heftige Pressen bei der Stuhlentleerung ist zu unterlassen. Selbstverständlich muß die psychische Ruhe ebenso genau beobachtet werden; jede Aufregung, jede Alteration der gewohnten psychischen Gleichgewichtslage hat ja Änderungen in der Zirkulationssphäre im Gefolge, welche ihrerseits wieder auf den Blut- und Lymphstroni in der Nähe der Wunde einwirken und eventuell schädlich werden können. Die r a t i o n e l l e L a g e r u n g hat den Zweck, den Blutkreislauf in dem verletzten Gewebe zu begünstigen, indem man sowohl die aktive arterielle Kongestion, als die venöse Stauung verhütet. Jeder von Ihnen kennt die >]nipfindung. wenn man z. B. den Arm ganz ohne Muskelspannung einige .Minuten lang schlaff herabhängen läßt: die subkutanen Venen schwellen an. die Hand wird dicker und man fühlt eine beträchtliche Schwere der ganzen Extremität. Ist die Hand verletzt, so steigert sich dieses Gfühel zu einem spannenden und klopfenden Schmerz. Halten Sie dagegen den ¿\nn in die Höhe, so schwillt er sofort ab. die Haut wird blässer und Sie empfinden eine wohltuende Erleichterung. Bei allen Verletzungen an den Extremitäten, namentlich bei entzündeten Wunden, ist die erhöhte Lagerung des Gliedes, die E l e v a t i o n auf einer schiefen Ebene, ja sogar die v e r t i k a l e Stellung ein vorzügliches Mittel, den arteriellen Blutandrang zu mäßigen und die venöse und lymphatische Zirkulation zu begünstigen: nicht nur vermindert sich das Ödem, die Hautrötung und die Infiltration, sondern es lassen auch die Schmerzen in der Regel sehr bald nach oder verschwinden ganz. Die Elevation muß jedoch so durchgeführt werden, daß die immobilisierte Extremität durch eine Schiene gut unterstützt, und nicht etwa nur an ihrem peripherischen Ende mittels einer Schlinge suspendiert wird. Sonderbarerweise vertragen manche Patienten die Elevation durchaus nicht: sie fühlen sich dabei so unbehaglich, empfinden auch wohl wirkliehe Schmerzen, so daß man genötigt ist, von dem Verfahren abzustehen. Ein weiteres Mittel, welches die Zirkulation günstig beeinflußt und auch schmerzlindernd wirkt, ist die gleichmäßige K o m p r e s s i o n des ganzen verletzten Gliedes mittels Rollbinden. Wir haben sie schon erwähnt bei Besprechung des antiseptischen Okklusivverbandes: hier bezweckt sie nicht die Vereinigung der Wundflächen, sondern die Beschränkung der Blutzufuhr und die Beförderung der Resorption in dem gesamten Verletzungsgebiete, z. B. bei Stichverletzungen der Gefäße, bei subkutanen Blutextravasaten nach Quetschung, zur Verhütung der venösen Stauung im allgemeinen usw. In früherer vorantiseptischer Zeit spielte bei der Hehandlung aller Verletzungen die K ä l t e
eine
große Rolle:
s c h m e r z s t i l l e n d e s Mittel (iewebes
durch
man w e n d e t e
an und glaubte
sie als antiphlogistisches,
auch die Zersetzungsvorgänge
e n e r g i s c h e Kälteapplikation
besonders
als
innerhalb des
(Eisumschläge, Eisblasen, E i n p a c k e n
des
200
Von den einfachen Knochenbrüchen.
ganzen verletzten
Teiles in Eis)
von diesemMittel a b :
verhindern zu können.
wir haben einfachere
und sicherere
Ich
rate
Methoden
Ihnen
dringend
der Antiseptik:
auch die antiphlogistische Wirkung der Kälte ist sehr problematisch.
Uber die Behandlung des Allgemeinzustandes der Verletzten habe ic h Ihnen bereits bei einer früheren Gelegenheit das nötige gesagt.
Wir werden
übrigens später noch auf diesen Punkt zu sprechen kommen.
Vorlesung 15. Kapitel V.
Von den einfachen Knochenbrüchen. Knoehenquotsehung und Knochenersehüttcrung.
verschiedene Arten der Frakturen.
Symptome, Art der Diagnostik. — Verlauf und äußerlich wahrnehmbare Erscheinungen. — Anatomisches über den Heilungsverlauf, Callusbildung. — Quellen der bindegewebigen verknöchernden Neubildung, Histologisches.
Meine H e r r e n ! Wir haben uns bisher ausschließlich mit den Verletzungen der Weichteile beschäftigt: es ist Zeit, daß wir uns auch um die Knochen bekümmern. Sie werden finden, daß die Vorgänge, welche die Natur einleitet, um auch hier möglichst die Restitutio ad integrum zu erreichen, im wesentlichen dieselben sind, die Sie bereits kennen; dennoch sind die Verhältnisse schon komplizierter und können erst verständlich werden, wenn man sich über den Heilungsprozeß an den Weichteilen ganz klar ist. Im allgemeinen weiß jeder Laie, daß man sich die Knochen brechen kann, und daß sie wieder ganz solide zusammenheilen: diese Heilung kann nur durch Knochenmasse geschehen, wie Sie leicht a priori einsehen werden, und hieraus ergibt sich weiterhin, daß Knochengewebe hierbei neugebildet werden muß; d i e N a r b e i m K n o c h e n b e s t e h t in d e r R e g e l w i e d e r a u s K n o c h e n : ein sehr wichtiges Faktum, denn wenn das nicht der Fall wäre, wenn z. B. die Bruchenden der langen Röhrenknochen nur durch Bindegewebe zusammenwüchsen, so würden sie nicht fest genug werden, den Körper zu tragen, so daß Menschen nach den einfachsten Knochenbrüchen für ihr ganzes Leben Krüppel bleiben müßten, was denn auch in der Tat vorkommt. Sprechen wir zunächst von den e i n f a c h e n , s u b k u t a n e n , d. h. nicht durch Weichteilwunden komplizierten K n o c h e n b r ü c h e n . Der Mensch kann schon mit zerbrochenen Knochen zur Welt kommen: im Uterus
Vorlesung 15.
Kapitel V.
201
können teils durch abnorme Kontraktionen desselben, teils durch Schlag und Stoß gegen den schwangeren Leib die Knochen des Fötus zerbrechen, und meist heilt eine solche intrauterine Fraktur mit erheblicher Dislokation: die vis medicatrix naturae versteht sich, wie wir auch bei anderen Gelegenheiten sehen werden, mehr auf die innere Medizin, als auf die Chirurgie. Während des Geburtsaktes können Knochenbrüche durch gewaltsame, ungeschickte Manipulationen der Hebamme oder des Geburtshelfers erzeugt werden. Von dem Momente der Geburt an bis zum Tode kommen sie. wie begreiflich, in jedem Lebensalter vor. doch sind sie in den Jahren von 2 6 — 6 0 am häufigsten und zwar aus folgenden Gründen: Die Knochen der Kinder sind noch biegsam und brechen daher nicht so leicht: wenn ein Kind fällt, so fällt es nicht schwer. Alte Leute dagegen haben, wie man auch wohl im gewöhnlichen Leben sagt, brüchige, morsche Knochen, d. h. anatomisch ausgedrückt, im hohen Alter wird die Markhöhle weiter, die Kortikalsubstanz dünner: doch alte Leute kommen seltener in Gefahr, sich Knochcnbrüche zuzuziehen, weil sie durch ihren Mangel an Kräften verhindert sind, schwere und gefährliche Arbeit zu tun. Die Altersperiode, während welcher sich der Mann des Volkes der schweren Arbeit aussetzen muß. ist es. in der am meisten Gelegenheit zu Verletzungen überhaupt und so auch besonders zu Frakturen geboten wird. Daß bei Frauen Knochenbrüche weit seltener vorkommen als bei Männern, hat seinen Grund in der Art der Beschäftigung beider Geschlechter, wie leicht einzusehen. — E s liegt ebenfalls in rein äußerlichen Verhältnissen, daß die langen Röhrenknochen der Extremitäten, zumal die rechtseitigen, häufiger brechen, als die Knochen des Rumpfes. — Daß kranke, an sich schon schwache Knochen leichter brechen, als gesunde, ist selbstverständlich: gewisse Knochenkrankheiten disponieren sehr zu Frakturen, wie die sogenannte ..englische Krankheit" der Kinder, die Rhachitis, ferner die Knochenerweichung oder Osteomalazie der Erwachsenen usw. Die veranlassenden Ursachen zum Zustandekommen der Knochenbrüche sind wesentlich folgende zwei: 1. Die Einwirkung einer von außen kommenden K r a f t : dabei sind zwei verschiedene Modalitäten denkbar. Entweder die Gewalt (z. B. ein Schlag, ein Stoß usw.) trifft den Knochen so. daß er gerade an der getroffenen Stelle in seiner Kontinuität getrennt wird — in diesem Falle ist der Knochen durch d i r e k t e Einwirkung gebrochen worden. Oder die Kraft wirkt an einem anderen Punkt ein, als dort wo der Bruch zustande kommt, das nennt man eine i n d i r e k t e Fraktur. Die Kraft kann entweder in transversaler Richtung, also mehr oder weniger senkrecht auf die Längsachse des Knochens einwirken und den Knochen biegen: dadurch entsteht eine übermäßige Zerrung an der gegenüberliegenden, konvexen Seite, infolge welcher die Kontinuität schließlich getrennt wird — das wäre also
202
Von den e i n f a c h e n Knochenbriichen.
eine Rißfraktur. Oder die Kraft wirkt parallel zur Längsachse und drückt den Knochen zusammen, wobei er ebenfalls gebogen wird, allein liier erfolgt der Bruch durch Kompression. N e h m e n wir ein paar Beispiele, das G e s a g t e zu erläutern: fällt eine s c h w e r e Last auf d e n
ruhenden Vorderarm, s o werden Radius und Ulna durch direkte Gewalt zer-
brochen : fällt j e m a n d auf die a u s g e s t r e c k t e Hand und bricht knochen. besteht ebenfalls
so
ist dieser
Bruch
durch
indirekte
eine (Quetschung der Weichteile eine
Quetschung
vorhanden
an
sein,
Gewalt
der Bruchstelle: aber
nicht
die beiden Vorderarmersten
Falle
z w e i t e n kann
zwar
entstanden. an
im
Im
der Bruchstelle,
sondern
h ö c h s t e n s an der Hand, w a s begreiflicherweise e t w a s günstiger ist. —
Bei einer starken direkten Gewalteinwirkung auf einen Knochen braucht keineswegs immer eine F r a k t u r zu entstehen: es ist an und für sich klar, daß es eine große Stufenleiter von Verletzungen geben wird von der Quetschung des Periostes bis zur Zermalmung des Knochens. Vielleicht ist nur das Periost stark zerdrückt, oder der Knochen w a r im .Momente der Quetschung wohl etwas komprimiert, sprang aber vermöge seiner Elastizität in die normale Form zurück, ohne daß das K n o c h e n g e w e b e irgendwo eingebrochen wäre: trotzdem kann aber das Mark stark gequetscht, sein. Endlich können dabei in der spongiösen Substanz doch auch kleine Zertrümmerungen und Knickungen entstehen, die sich nicht wieder ganz ausgleichen. wenn auch die Kortikalschicht ihre Form nicht merkbar verändert hat. Alle diese, direkt durch stark komprimierende Gewalten entstehenden Knochenverletzungen faßt man als K n o c h e n q u e t s c h u n g zusammen. Sowohl durch direkte als durch indirekte Gewalt kann eine K n o c h e n e r s c h ü t t e r u n g zustande kommen, und als Folge davon zahlreiche, punktförmige Extravasate im Markgewebe. E s ist durch G u s s e n b a u e r experimentell an Tieren erwiesen worden, daß ein Schlag mit einem H a m m e r genügt, um in dem Knochenmarke Blutextravasate hervorzurufen, die allerdings so geringfügig sind, daß sie nur mit Hilfe des Mikroskopes erkannt werden, die aber doch eine gewisse Bedeutung haben können. Bei diesen Knochenquetschungen ist gewöhnlich eine unverhältnismäßige Schmerzliaftigkeit und bedeutende Funktionsstörung zugegen: namentlich ist die Druckempfindlichkeit viel größer als bei einfachen Weichteil Verletzungen, und meistens ist nach diesen Symptomen allein die Wahrscheinlichkeitsdiagnose einer Knochenverletzung möglich: ein sicheres Urteil über den Grad derselben ergibt sich oft erst aus dem weiteren Verlaufe. Knochenerschütterungen mit Quetschungen (z. B. Fall auf den großen Trochanter) haben oft lange dauernde, chronische Ostitis zur Folge, die wohl nicht häufig mit Eiterung, doch mit Osteophytenbildung. Sklerosierung und (lauernder, ja bei älteren Individuen zuweilen bleibender Schmerzhaftigkeit und Funktionsstörung verläuft. 2. Muskelzug allein kann, wenn auch unter seltenen Umständen, die direkte Ursache einer Fraktur abgeben: wie ich Ihnen schon bei den
Vorlesung 15.
Kapitel V.
203
subkutanen Muskelzerreißungen andeutete (S. 190). kann die Patella, das Olecranon. der Fersenhöcker des Calcaneus durch gewaltsame Kontraktion der betreffenden Muskeln quer durchrissen werden. Außerdem kommt bei gewissen, durch indirekte äußere Gewalteinwirkung veranlaßten Frakturen noch die mechanische Einwirkung des Muskelzuges in Betracht. Die Art und Weise, wie die Knochen bei diesen verschiedenen Gewalteinwirkungen brechen, ist eine sehr verschiedene: doch sind dafür einige Typen aufgestellt, die Sie kennen müssen: man kann zunächst unvollständige und vollständige Frakturen auseinander halten, je nachdem die Kontinuitätstrennung die ganze Dicke des Knochens und außerdem das Periost betrifft, oder nur den ersteren allein in einem Teile seines Querschnittes. Bei den u n v o l l s t ä n d i g e n F r a k t u r e n unterscheidet man wieder folgende verschiedene F o r m e n : F i s s u r e n , d. h. Sprünge. Risse, ohne bedeutende Entfernung der F r a g m e n t e voneinander: sie sind am häufigsten an den platten Knochen, kommen jedoch auch an den Röhrenknochen. besonders als Längsfissuren in Verbindung mit anderen Brüchen vor: der Spalt kann klaffen oder als einfacher Sprung wie in einem Glase erscheinen. Die I n f r a k t i o n oder Einknickung ist ein partieller Bruch, ohne Zerreißung des Periostes, der gewöhnlich nur die eine Hälfte des Knochenquerschnittes betrifft, während die andere zwar in ihrer Kohärenz gestört, aber statt getrennt zu sein, stark zusammengepreßt ist. Die Hauptbedingung zu ihrem Zustandekommen ist eine gewisse Elastizität. Weichheit und Nachgiebigkeit der Knochen, weshalb sie vorzüglich im Kindesalter. z. B. am Schlüsselbeine, an den Rippen, am Radius usw. vorkommt, namentlich, wenn die Knochen rhachitisch weich sind. Sie können diese Form am leichtesten imitieren, wenn Sie den Schaft einer Federfahne biegen, bis die konkave Seite desselben einknickt. Was man unter A b s p l i t t e r u n g versteht, ist an sich k l a r : es ist die vollkommene Trennung eines Teiles des Knochens, ohne daß dessen Kontinuität im ganzen unterbrochen wäre. Sie entsteht als subkutane F r a k t u r gewöhnlich durch Abreißung des. einer Muskel- oder Sehneninsertion entsprechenden Knochenfortsatzes ; häufiger mit gleichzeitiger Verletzung der Weichteile durch Hieb, z. B. mit einem Säbel oder Schuß. In die Kategorie der komplizierten Frakturen gehören die D u r c h b o h r u n g e n des Knochens, ohne Aufhebung seiner Kontinuität. Hierbei ist die Verletzung der Weichteile unvermeidlich: sie sind veranlaßt am häufigsten durch das Projektil einer Schußwaffe (z. B. Schuß durch den Humeruskopf, durch die untere Epiphyse des Femur usw.), seltener durch ein stechendes Instrument (z. B. Bajonettoder Messerstich durch die Scapula. durch das Darmbein u. a.). Insofern die Schuß- oder Stichverletzung gewöhnlich einen rundlichen Substanzverlust des Knochens hervorbringt, nennt man diese Art der Kontinuitäts-. trennung auch wohl eine L o c h f r a k t u r des Knochens.
204
Von den einfachen Knochenbrüchen.
B e i d e n v o l l s t ä n d i g e n F r a k t u r e n spricht man von Q u e r b r ü c h e n , schiefen Brüchen. Längsbrüchen, gezähnten Brüchen, einfachen u n d m e h r f a c h e n B r ü c h e n desselben Knochens. S p l i t t e r b r ü c h e n (Komminutivbrüchen): Ausdrücke, die alle an sich verständlich sind. Endlich ist zu erwähnen, daß bei Individuen, etwa bis zum zwanzigsten J a h r e auch eine Trennung der Kontinuität in den Epiphysenknorpeln statthaben kann, wenngleich diese selten ist und die Röhrenknochen viel eher an einer anderen Stelle brechen. E s ist häufig leicht zu erkennen, ob ein Knochen gebrochen ist, und die Diagnose kann mit Sicherheit von einem Laien gestellt werden: in anderen Fällen ist die Diagnose sehr schwierig, j a zuweilen kann man nur mit Wahrscheinlichkeit auf eine Fraktur schließen. Lassen Sie uns die Diagnostik kurz durchgehen: Zunächst gewöhnen Sie sich jeden verletzten Teil zuerst genau zu betrachten, und mit dem gesunden der anderen Seite zu vergleichen: dies ist namentlich bei den Extremitäten wichtig. Sie können oft aus der einfachen Betrachtung des verletzten Gliedes schon ersehen, welche Verletzung vorliegt. Sie fragen den Verletzten, wie er verunglückt ist. lassen ihn unterdessen vorsichtig auskleiden, oder falls das zu schmerzhaft ist, die Kleider und Stiefel aufschneiden, um den verletzten Teil genau sehen zu können. Die Art und Weise der Verletzung, die Last, welche auf den Knochen gefallen, kann Ihnen ungefähr andeuten, was Sie zu erwarten haben. Finden Sie jetzt die Extremität krumm, den Oberschenkel z. B. konvex nach außen verbogen und angeschwollen, zeigen sich zugleich Sugillationen unter der Haut, kann der Kranke die Extremität gar nicht oder nur unter den größten Schmerzen rühren, so können Sie mit Sicherheit auf eine Fraktur schließen; hier brauchen Sie, um das einfache Faktum des Knochenbruchs zu konstatieren, gar keine weitere Untersuchung. Sie brauchen dem Kranken deshalb keine Schmerzen zu machen: nur um zu wissen, w i e und wo die Fraktur verläuft, müssen Sie noch mit den Händen untersuchen: dies ist weniger der einzuschlagenden Therapie wegen nötig, als um vorhersagen zu können, ob und wie die Heilung erfolgen wird. Zu diesem Zwecke betasten Sie längs des Knochens die Oberfläche desselben, indem Sie einen leichten Druck ausüben: in dem Momente, wo Sie an die Frakturstelle gelangen, zuckt der Patient zusammen und äußert, wenn Sie etwas stärker pressen, den lebhaftesten Schmerz. — Sie haben in diesem Falle mit einem Blicke die Diagnose gestellt und sie durch einfache Palpation kontroliert; so wird es Ihnen oft in der chirurgischen Praxis leicht sein, das Richtige schnell zu erkennen, wenn Sie sich gewöhnen. Ihre Augen denkend zu gebrauchen, und wenn Sie sich eine gewisse Übung in der Beurteilung normaler Körperformen aneignen. Nichtsdestoweniger müssen Sie sich klar sein, wie Sie zu dieser schnellen
Vorlesung 15.
Kapitel V.
205
Diagnose gekommen sind. Das erste war die Art der Verletzung, ferner die Dißormität: letztere ist dadurch bedingt, daß die zwei oder mehreren Bruchstücke ( F r a g m e n t e ) des Knochens sich verschoben haben. Diese D i s l o k a t i o n d e r F r a g m e n t e ist die Folge teils der Verletzung selbst (sie werden in der Richtung vorgetrieben, welche sie bei der abnormen Biegung des Knochens erhalten haben), teils der Muskelkontraktion, welche nicht mehr auf den ganzen Knochen, sondern auf beide Teile desselben wirkt: der Schmerz infolge der Verletzung veranlaßt den Kranken unwillkürlich die Muskeln zusammenzuziehen: dadurch werden die spitzen Bruchenden gegen die Weichteile gedrückt und eine fortdauernde reflektorische Muskelspannung erhalten. Indem nun die Kraft der einzelnen Muskelgruppen auf die Fragmente isoliert einwirkt, werden dieselben in verschiedener Weise neben- und aufeinander v e r s c h o b e n ; so wird z . B . das obere Bruchstück eines frakturierten Oberschenkels durch die Flexoren gehoben, das untere neben und hinter dem ersteren in die Höhe gezogen: der Schenkel wird daher nicht nur verkürzt, sondern auch nach vorne oder nach der Seite ausgebogen, d i f f o r m erscheinen. — Die Dislokation kann nach verschiedenen Richtungen stattfinden, doch lassen sich die Verschiebungen in gewisse Arten einteilen, die von altersher bestimmte, noch jetzt gebräuchliche Namen führen. Die einfache seitliche Verschiebung der Fragmente nennt man Dislocado a d l a t u s ; bilden die beiden Teile miteinander einen Winkel, wie ein geknickter Stab, so spricht man von einer Dislocatio a d a x i n . Ist das eine Bruchende um seine Längsachse gedreht, so heißt dies Dislocatio ad p e r i p h e r i a m ; sind endlich die F r a g mente so aneinander verschoben, daß sie sich mit ihren Seitenflächen berühren, so besteht eine Dislocatio ad l o n g i t u d i n e m . E s ist gut, wenn Sie sich diese Ausdrücke merken, weil sie im speziellen F a l l e eine kurze und leicht verständliche Bezeichnung gestatten. — Außer der Dislokation der Bruchenden trägt auch die A n s c h w e l l u n g , infolge der durch die Quetschung hervorgerufenen Extravasation von Blut und Lymphe, dazu bei, dem verletzten Gliede ein difformes Aussehen zu geben. Das Blut kommt besonders aus der Markhöhle des Knochens, dann aber auch aus den sonst zerquetschten oder durch die Knochenenden zerrissenen Gefäßen der umgebenden Weichteile; es scheint bläulich durch die Haut, falls es bis nahe an die Oberfläche dringt, was nach und nach geschieht. Der Verletzte kann die Extremität, wie bemerkt, nur unter Schmerzen bewegen; die Ursache dieser F u n k t i o n s s t ö r u n g ist an sich klar, wir brauchen darüber keine Worte weiter zu verlieren. Betrachten Sie jedes der angegebenen Symptome gesondert, so gibt keines, isoliert von den übrigen, weder die Art der Verletzung, noch die Difformität, noch die Anschwellung, noch der Bluterguß, noch die Funktionsstörung an und für sich den Beweis für eine Fraktur, und doch ist die
Von den einfachen
Kombination
aller entscheidend:
diagnostizieren und doch
lernen.
ist
—
so werden
Sie in der Praxis
Dagegen können
eine F r a k t u r
keine der genannten
Knochenbrüchen.
vorhanden.
Erscheinungen
noch
alle diese Symptome
Liegt
ist recht
eine Verletzung entwickelt,
oft
fehlen,
vor
und
oder nur
eine
oder die andere ist deutlich vorhanden, so muß jetzt die manuelle Untersuchung weiter helfen. S i e sich j a
W a s wollen Sie mit den Händen fühlen ?
gleich jetzt darüber k l a r :
Praktikanten
Werden
so oft sehe ich. daß die Herren
lange mit beiden Händen auf den verletzten Teilen
herum-
tasten. den Patienten unsägliche Schmerzen bereiten und doch schließlich durch ihre Untersuchung nicht weiter gekommen sind.
Sie können dreierlei
mit den Händen bei Knochenbrüchen fühlen: 1. a b n o r m e B e w e g l i c h k e i t : das einzige sozusagen pathognomonische Zeichen einer F r a k t u r :
hierbei
können Sie sehr häufig 2. erkennen, wie der Bruch verläuft, auch zuweilen, ob mehr Bewegung
als
zwei F r a g m e n t e
der Knochen
vorhanden
sind:
3. werden
häufig ein Reiben und Knacken
aneinander verspüren, die sogenannte . . K r e p i t a t i o n " .
Sie bei
der
der
Fragmente
Krepitieren heißt
eigentlich k n a r r e n : das ist ein Geräusch, und doch sagt m a n : man fühlt ..Krepitation":
hieran
dürfen
Sie sich
nicht stoßen;
es ist ein
Abusus
dieses Wortes, der a b e r so in die Praxis übergegangen ist. daß er nicht mehr auszurotten w ä r e : übrigens h ö r t man zuweilen wirklich das Reibungsgeräusch mit freiem Ohr. jedenfalls aber durch das Stethoskop. Um die E x k t e n z
der abnormen
der Kontinuitätstrennung,
Beweglichkeit,
des allerwichtigsten
zu konstatieren, müssen S i e die Fragmente
Symptomes
aneinander zu
verschieben und zugleich sich einer dabei entstehenden Bewegung derselben bewußt zu werden trachten. verschieben
Daher ist das bloße Drücken auf die Bruchstelle ganz unnütz:
dabei wohl die Bruchenden und machen dem Kranken Schmerz,
fühlen die Bewegung nicht.
Sie
aber S i e
Gewöhnen Sie sich, die beiden Bruchenden in der Nähe
der mutmaßlichen Bruchstelle isoliert mit je einer Hand zu fassen, und nun versuchen Sie.
mit einem
kräftigen,
kunstgerechten
Griffe
den Knochen
Fragmente in seitlicher Richtung voneinander zu entfernen.
zu
beugen
oder
die
Dabei nehmen Sie außer
dem nicht zu beschreibenden Gefühle, daß sich an der Bruchstelle der Knochen verschieben läßt, sehr häufig auch die Krepitation wahr.
Die Krepitation kann sehr undeutlich sein, oder auch ganz fehlen, da ihr Zustandekommen von der Reibung der F r a g m e n t e aneinander abhängt. Ist daher z. B . das eine Bruchstück in das andere eingekeilt, unverschiebbar
aneinander
sind,
oder
sind
sie
sehr
weit
so daß sie voneinander
entfernt, oder so von Blutgerinnseln eingeschlossen oder durch dazwischen gelagerte Weichteile
getrennt, daß überhaupt gar kein
direkter
Kontakt
zwischen ihnen möglich ist, dann kann begreiflicherweise keine Krepitation entstehen: auch ist sie bei sehr tiefliegenden Knochen oft schwer zu erzeugen. AVenn man also keine Krepitation wahrnimmt, so beweist das dem gesamten Symptomenkomplexe
gegenüber nicht, daß keine F r a k t u r da ist.
Doch auch wenn Sie Krepitation fühlen, können Sie noch irren
in bezug
V o r l e s u n g 15.
Kapitel V
207
auf die Entstehung derselben: unter gewissen Verhältnissen kann z. B. das Zerdrücken von Blutkoagulis und Fibrinexsudationen das Gefühl der Krepitation darbieten: diese weiche Krepitation, die dem pleuritischen Reibungsgeräusche analog ist. dürfen und werden Sie bei einiger Übung im Untersuchen nicht mit der Knochenkrepitation verwechseln: ich werde Sie in der Klinik noch auf andere weiche Reibungsgeräusche, die zumal im Schultergelenke bei Kindern und älteren Leuten vorkommen, aufmerksam inachen. — Für den Geübten kann bei gewissen Frakturen der auf einen bestimmten Punkt fixierte, heftige Druckschmerz zur richtigen Diagnose genügen, zumal da bei einfachen Kontusionen der Schmerz beim Anfassen des Knochens meist diffuser, selten so heftig ist, wie bei einer Fraktur. Wir gehen jetzt zur Schilderung des V e r l a u f e s über, welchen die Frakturheilung nimmt. Was geschieht, wenn kein Verband angelegt und die Fraktur nicht behandelt wird, werden Sie bei Erwachsenen selten zu beobachten Gelegenheit haben, da die Verletzten in den meisten Fällen, die Bedeutung der Funktionsstörung erkennend, bald den Arzt rufen lassen. Allein bei Kindern, die über ihre Empfindungen nicht genaue Auskunft geben können, werden Frakturen, namentlich des Radius und der Clavicula, gar nicht so selten übersehen, selbst vom Arzte, so daß weder ein Verband angelegt, noch die Extremität ruhig gestellt wird. In solchen Fällen linden Sie nach einigen Tagen, außer den früher schon angegebenen Symptomen der Fraktur, starkes ödem, seltener entzündliche Rötung der Haut in der Umgebung der Bruchstelle: die Untersuchung kann unter solchen Uniständen sehr schwierig werden: zuweilen ist die Anschwellung so bedeutend, daß an eine exakte Diagnose über Art und Verlauf der Fraktur gar nicht zu denken ist. An Knochen, die oberflächlich liegen, und die man nicht mit einem Verband umgeben kann, lassen sich die weiteren äußeren Veränderungen der Bruchstelle am besten studieren: so beim Bruche des Schlüsselbeins. Hat nach 7 — 9 Tagen die entzündlichödematöse Schwellung der Haut abgenommen, das Blutextravasat seine Verfärbungen durchgemacht, und schickt es sich zur Resorption an. so bleibt eine feste, unbeweglich um die Bruchstelle liegende Geschwulst von derber Konsistenz zurück, die je nach der Dislokation der Fragmente größer oder kleiner ist; sie ist gleichsam um die Fragmente herumgegossen und wird im Laufe der folgenden 8 Tage knorpelhart: man nennt dieselbe den G a l l u s . Druck auf denselben (die Fragmente sind nur schwer durchzufühlen) ist noch schmerzhaft, wenngleich weniger als früher. Später wird der Callus knöchern fest, die Bruchenden sind nicht mehr beweglich, die Fraktur ist als geheilt zu betrachten: das dauert bei der Clavicula etwa 3 Wochen, bei kleineren Knochen kürzere, bei größeren viel längere Zeit. Hiermit sind jedoch die äußeren Veränderungen nicht beendet: der Callus bleibt nicht so dick wie er war; im Verlaufe von Monaten und J a h r e n nimmt sein
208
Von den einfachen Knochenbrüchen.
Volumen ab, und wenn keine Dislokation der Fragmente bestand, so wird man später an dem Knochen keine Spur der Fraktur mehr bemerken; wurde eine vorhandene Dislokation nicht behoben, so heilen die Knochenenden schief zusammen und nach Schwund des Callus bleibt der Knochen krumm. Um zu erfahren, welche Vorgänge hier in der Tiefe Platz greifen, wie hier die Verwachsung der Bruchenden vor sich geht, greifen wir zu E x perimenten an Tieren: wir machen künstliche Frakturen an Hunden oder Kaninchen, legen einen Verband an, töten die Tiere zu verschiedenen Zeiten und untersuchen dann die Fraktur: so können wir uns eine vollkommene Anschauung von diesen Vorgängen verschaffen. DieseExperimente sind schon unzählige Male gemacht worden, die Resultate sind im wesentlichen stets die gleichen, allein die Deutungen, welche sie erfahren haben, gehen weit auseinander. Sehen wir zunächst, was sich mit freiein Auge und etwa mit der Lupe an experimentell erzeugten Frakturen der Diaphyse eines Röhrenknochens beobachten läßt. Betrachten Sie einen ganz frischen Bruch z. B. einer Kaninchentibia, so finden Sie an der Bruchstelle die beiden Fragmente entweder mit ihren Bruchflächen einander berührend oder in verschiedenem Grade neben einander verschoben. Das Periost ist nur selten intakt, meistens ist es im ganzen Umfange zerrissen, samt dem unmittelbar darüberliegenden lockeren Zellgewebe, und haftet entweder den beiden Knochenfragmenten bis zur Bruchstelle an oder es ist in verschieden großer Ausdehnung von der Knochenoberfläche abgelöst, zuweilen mehrere Zentimeter weit nach oben und unten von der Bruchstelle. Die Weichteile, besonders die Muskeln rings um die Fraktur sind zum Teil zerrissen, gequetscht, von den Fragmenten angespießt. An der Bruchstelle besteht jederzeit ein Blutextravasat von verhältnismäßig bedeutendem Umfange: es hängt dies mit den besonderen mechanischen Verhältnissen der Gefäße der Knochen zusammen, welche, in starrwandigen Kanälen eingeschlossen und an den Wandungen fixiert, sich weder kontrahieren noch retrahieren können und überdies durch die Umgebung nicht komprimiert werden, was alles bei Weichteilwunden zur Stillung der Blutung beiträgt. Das Extravasat umgibt beide Bruchenden, es dringt in den Bruchspalt ein und verschmilzt daselbst mit dem aus der Markhöhle hervortretenden Ergüsse; zwischen der Knochenoberfläche und dem abgehobenen Perioste erstreckt es sich in einer Schicht von abnehmender Dicke nach oben und unten, ebenso erfüllt es das lockere intermuskuläre und nicht selten das subkutane Zellgewebe. Das Knochenmark ist in der Umgebung der Bruchstelle blutig infiltriert. Untersuchen Sie 3 — 4 Tage nach der Fraktur das Kaninchenbein und machen Sie nun mit der Säge einen Längsschnitt*) durch die ganze Extremität, so linden *) Am schönsten werden diese Präparate, wenn
man die frakturierte Extremität
hart gefrieren läßt, dann durchsägt und in absolutem Alkohol konserviert.
Vorlesung 15.
Kapitel V.
209
Sie F o l g e n d e s : die Weichteile rund h e r u m u m die F r a k t u r s t e l l e sind geschwollen. elastisch fest a n z u f ü h l e n : die Muskeln und das Zellgewebe von speckigem A n s e h e n sind mit den äußeren Schichten Fig. 42. des Periostes zu einer homogenen, graurötlichen Masse verschmolzen: diese geschwollenen Weichteile bilden eine spindelförmige, nicht sehr dicke Geschwulst um die Frakturstelle, welche besonders durch die V e r d i c k u n g des Periostes erzeugt wird. (Vergl. Fig. 42.) D a s geronnene E x t r a v a s a t ist in der u n m i t t e l b a r e n U m g e b u n g der Bruchstelle und i n n e r h a l b des Bruchspaltes u n v e r ä n d e r t ; die peripherischen Anteile desselben sind z. T. resorbiert. Untersuchen wir eine F r a k t u r beim Kaninchen nach 10 12 Tagen, so finden wir das E x t r a v a s a t 3 T a g e alte Fraktur e i n e s K a n i n c h e n k n o c h e n s ohne entweder ganz verschwunden oder nur m e h r in Dislokation. S c h e m a t i s c h e Zeichnung, a Hlutextrageringen Resten n n c r h a l b des Bruclispaltes vorvasat. b Periost, infiltriert h a n d e n : die zerrissenen Ränder des Periostes sind und zum Teil abgelöst. miteinander verschmolzen und nicht m e h r zu err Weichteile. k e n n e n : die spindelförmige Anschwellung desselben mitsamt dem b e n a c h b a r t e n Gewebe hat an Volumen zugenommen und stellt eine weiche, gallertige, stellenweise deutlich knorpelige Masse dar, welche die Bruchstelle von außen wie ein Ring oder wie das P f r o p f b a n d den
10 T a g e alte Fraktur der Tibia e i n e s Hundes. llalbschematische Zeichnung. 9piv. Gelenk). Am Kniegelenke hat man auch am besten Gelegenheit, einen stärkeren Bluterguß nachzuweisen und kann sich davon überzeugen, daß das Blut innerhalb der Gelenkhöhle ungewöhnlich lange, mehrere Wochen hindurch, flüssig bleibt, wenn es von der normalen, glatten Synovialis eingeschlossen ist. Besteht jedoch gleichzeitig eine Gelenkfraktur, z. B. eine Querfraktur der Patella, so bilden sich an den rauhen Bruchflächen sofort derbe Gerinnsel (vergl. S. 2 5 4 ) . und von ihnen aus verbreitet sich die Koagulation des im Gelenke extravasierten Blutes sehr rasch weiter. Nach allen intraartikulären Blutergüssen tritt eine stärkere Sekretion von Synovia auf: dieselbe vermengt sich mit dem Blute, das Gelenk schwillt in den ersten 2 4 — 4 8 Stunden nach der Verletzung stark an, ist prall gespannt, heiß und schmerzhaft. Die Behandlung dieses Zustandes hat die möglichst rasche Resorption der im Gelenke enthaltenen Flüssigkeit (Blut und Synovia) anzustreben. Zu diesem Zwecke übt man eine energische Kompression aus, durch gleichmäßige Eiiiwickelung des Gelenkes mit einer nassen Rollbinde oder einer elastischen Binde, während das Gelenk ruhiggestellt wird; bei starken Schmerzen kann man eine Eisblase auflegen oder eine feuchte Einwickelung mit B u r o w s c h e r Lösung der Kompression vorausschicken. War mit der Gelenkquetschung eine Fraktur oder Fissur der Knochenenden verbunden, so ist die Anlegung eines Gipsverbandes angezeigt. Die Prognose nach Gelenkquetschungen ist immer eine etwas zweifelhafte, insofern noch längere Zeit eine gewisse Steifheit und Empfindlichkeit zurückbleibt und auch chronische Erkrankungen des Gelenkes und der Knochen sich aus der Verletzung entwickeln können. Eine den Gelenken eigentümliche Art der Verletzung ist die D i s t o r s i o n (wörtlich: Verdrehung). Sie besteht darin, daß den Gelenken eine über die physiologische Grenze hinausgehende Verschiebung mitgeteilt wird; sie kann an fast allen Gelenken vorkommen, wird jedoch am häufigsten am Fußgelenke beobachtet und im gewöhnlichen Leben als U m k n i c k e n oder U b e r t r e t e n des Fußes bezeichnet. Eine solche Distorsion ist also gleichbedeutend mit einer Zerrung, zu starken Dehnung und auch teilweisen Zerreißung von Gelenkkapselbändern und Austritt von etwas Blut in das Gelenk und die umgebenden Gewebe. Die Verletzung kann für den Moment sehr schmerzhaft sein, obwohl das durchaus nicht
266
Von den Verletzungen der Gelenke.
immer der Fall ist; unter allen Umständen aber ist sie in ihren Folgen außerordentlich langwierig, zumal wenn sie mit Gelenkquetschung kombiniert ist und wenn die Behandlung nicht richtig geleitet wird. Die zweckmäßigste und gleichzeitig rascheste Therapie besteht darin, daß man so bald als möglich nach der Verletzung das extravasierte Blut durch mechanische Einwirkung, durch Streichen und Kneten, zur Resorption zu bringen trachtet. Diese Methode, von der wir bereits gesprochen haben, ist eigentlich uralt: sie wurde von den alten Hindus und von den griechischen Gymnasien bereits geübt und hatte sich als Volksmittel in Europa wie im Oriente erhalten, bis sie endlich, auf wissenschaftliche Grundlagen basiert, Gemeingut der Chirurgen geworden, dabei aber auch die Panacee vieler Marktschreier und sog. Naturärzte geblieben ist. Man nennt diese Behandlungsmethode M a s s a g e , die Manipulation des Knetens und Streichens selbst: M a s s i e r e n . Die Massage beruht auf der Tatsache, daß die Resorption durch Druck in zentripetaler Richtung beschleunigt wird, und dal) auf diese Weise nicht nur Flüssigkeiten, sondern auch fein verteilte feste Körper, welche in der Flüssigkeit suspendiert sind, in die Lymphwege
gewissermaßen
hineingepreßt
werden
können.
Füllt
man
durch
Injektion das Kniegelenk eines Kaninchens mit einer Emulsion von Zinnober oder Tusche und massiert das Gelenk, Lymphgefäßen
so
findet
und Lymphräumen
man nach wenigen Minuten den Farbstoff in den am Oberschenkel,
ja
sogar in den
Lymphdrüsen.
Auf eben dieselbe Weise können beim Menschen pathologische Produkte. Hlutextravasate. Exsudate usw. durch die Massage zunächst verkleinert
und dann in die Lvmphwege
weitergeschafft werden. Die Ausführung der Massage geschieht in folgender W e i s e :
Sie reiben zunächst
die Haut in der ganzen Ausdehnung der Verletzung und darüber hinaus bis gegen das nächste, zentralwärts gelegene Gelenk mit Vaseline oder sonst irgendeinem gut ein, ebenso auch vermindert werde.
Fettkörper
ihre eigenen Hände, damit die Reibung an der Haut möglichst
Nun streichen Sie. zunächst mit mäßigem,
gesteigertem Drucke immer wieder von unten nach o b e n :
dann unter allmählich
so zwar,
daß Ihre Finger
unterhalb des verletzten Gelenkes angesetzt werden und über dasselbe bis zum nächsten Gelenke hingleiten, gerade so, als wenn Sie gegen das Kreislaufzentrum
eine Flüssigkeit von der Peripherie aus
wegschieben oder verdrängen wollten („EfHeurage").
An
dem Hauptsitze der Schwellung machen Sie mit beiden Daumen kreisförmige, knetende Bewegungen
(„I'etrissage"), wobei Sie Ihre ganze Kraft anwenden und so das Hlut-
extravasat, respektive die entzündliche
Infiltration im eigentlichen
Sinne
des Wortes
zerquetschen und dann durch wiederholtes Streichen zur Resorption zu bringen trachten. Ist die Schmerzhaftigkeit
im Anfange sehr groß, so massiert man zunächst nicht die
verletzte Stelle selbst, sondern beginnt das zentripetale Streichen o b e r h a 1 b derselben, d. h. näher an der Wurzel des Gliedes; dadurch wird bereits die Resorption des Extravasates angeregt.
E i n e Sitzung von 1 0 — 1 5 Minuten Dauer täglich genügt vollkommen.
Nach derselben führt man einige passive Rewegungen
der verletzten Extremität aus.
und appliziert sofort eine feuchtwarme Einwicklung und darüber eine Binde, um das Gelenk gleichmäßig zu komprimieren.
Es ist unzweifelhaft, daß wir durch die Massage nicht nur energische und rasche Resorption des Blutergusses und der entzündlichen Schwellung
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
267
herbeizuführen vermögen, auch der im Anfange sehr lebhafte Schmerz verliert sich schon während des Massierens, und nach Beendigung der Prozedur fühlt der Kranke eine außerordentliche Erleichterung. In den ersten 2 4 bis 4 8 Stunden nach der Verletzung sind die resolvierenden Wirkungen der Massage wohl am bedeutendsten; später, wenn bereits akute Entzündung vorhanden ist, muß die Behandlung mit großer Vorsicht und Behutsamkeit ausgeführt werden; erst wenn die akute entzündliche Schwellung vorüber ist, mag man energischer damit vorgehen. Vergessen Sie jedoch nicht, daß trotz der Massage die verletzten und zerrissenen Gewebe eine gewisse Zeit brauchen, um zu vernarben, und lassen Sie deshalb Ihre Patienten mit Gelenkskontusionen und Distorsionen in den Intervallen zwischen den einzelnen Massagesitzungen während der ersten Zeit absolute Ruhe beobachten. Leider kommt es ziemlich häufig vor, daß trotz der sorgfältigsten, freilich meistens zu spät eingeleiteten Behandlung der Distorsionen chronische Entzündungen folgen, welche nicht nur durch ihre Dauer lästig sind, sondern langsam, nach und nach, im Verlauf von J a h r e n zur Zerstörung des Gelenkapparates durch fungös-tuberkulöse Prozesse führen: zumal tritt das nicht so selten bei Kindern und bei schwächlichen erwachsenen Individuen von skrophulös-tuberkulöser Diathese ein: wir werden später bei der Ätiologie der chronischen Entzündungen noch von den Distorsionen zu sprechen haben.
Von d e n e i n f a c h e n
Verrenkungen.
Unter einer V e r r e n k u n g ( L u x a t i o ) versteht man denjenigen pathologischen Zustand, in welchem die, eine Gelenkverbindung darstellenden Knochenenden entweder vollständig oder zum Teile aus ihrer gegenseitigen Lage und ihrer typischen, physiologischen Anordnung gewichen sind, wobei in der Regel die Gelenkkapsel teilweise zerrissen ist, wenigstens ist das letztere immer der Fall bei den sog. t r a u m a t i s c h e n L u x a t i o n e n , d. h. bei denjenigen, welche an gesunden Gelenken infolge einer Gewalteinwirkung entstanden sind. Man unterscheidet nämlich außerdem noch die a n g e b o r e n e n L u x a t i o n e n und die s p o n t a n e n oder pathologischen Luxationen. Die letzteren kommen dadurch zustande, daß sich infolge von allmählicher Usur oder ulceröser Zerstörung der Gelenkenden und Gelenkbänder Verschiebungen ausbilden, weil die Gelenkenden dem Muskelzuge keinen genügenden Widerstand mehr leisten; im eigentlichsten Sinne des Wortes sind diese Verschiebungen keine L u x a t i o n e n , denn die normalen Gelenkflächen existieren eben nicht mehr und daher kann auch nicht mehr von einer normalen Gelenkmechanik und deren Störung die Rede sein. Wir werden diesen Zustand später eingehend besprechen, wenn
Von den Verletzungen der Gelenke.
268
Verrenkungen.
wir von den Ausgängen gewisser chronischer Gelenkaffektionen zu handeln haben werden.
Uber die angeborenen Luxationen
dieses Abschnittes einige B e m e r k u n g e n
wollen wir am E n d e
machen.
F ü r j e t z t h a b e n wir es nur mit den t r a u m a t i s c h e n zu t u n . bezeichnet
Sie werden damit
auch
Fälle,
in
von S u b l u x a t i o n e n welchen
Luxationen
sprechen hören:
die Gelenkflächen
sich
nicht
man ganz,
sondern nur teilweise verschoben haben, so daß die Luxation eine unvollkommene ist.
U n t e r k o m p l i z i e r t e n Luxationen verstehen wir diejenigen,
mit denen entweder Knochenbrüche oder Wunden der Haut oder Zerreißung großer Gefäße und Nerven verbunden
sind.
F e r n e r haben Sie noch zu
merken, daß man allgemein übereingekommen ist, den T e i l eines G l i e d e s a l s den v e r r e n k t e n
peripherischen
z u b e z e i c h n e n , so daß man
also z. B . im Schultergelenke nicht von einer Luxation der Scapula. sondern von einer Luxation des Humerus spricht, im Kniegelenke nicht von einer Luxation des F e m u r , sondern der Tibia usf. Dio Luxationen gehören im allgemeinen zu den seltenen Verletzungen: in manchen Gelenken kommen sie so selten vor. daß die Zahl der bekannt gewordenen F ä l l e n
zuweilen
kaum
ein halbes Dutzend beträgt: es wird
angegeben, daß die Frakturen 8 mal häufiger sind als die Luxationen: mir scheint dieses Verhältnis für die Luxationen fast noch zu günstig.
Die
Verteilung der Luxationen auf die verschiedenen Gelenke ist eine unglaublich verschiedene:
ich
will
Ihnen
das
durch
ein
m a c h e n : nach einer Statistik von M a l g a i g n e Luxationen tremitäten
8 am Truncus, 6 2
p a a r Zahlen befanden
an den unteren,
anschaulich
sich unter
480
4 1 9 an den oberen E x -
und unter den letzteren 3 2 1 an der Schulter.
Sie sehen also
hieraus, daß die Schulter ein für die Verrenkung besonders geeignetes Gelenk ist, was sich übrigens aus seiner vielfachen Benutzung und seiner freien Beweglichkeit wohl erklären läßt. Die Luxationen sind häufiger bei Männern als bei Frauen aus denselben Gründen, die wir schon früher als maßgebend für die größere Häufigkeit der F r a k t u r e n bei Männern erörtert haben. Luxationen Muskelaktion beobachtet,
kann
zuziehen:
man
sich
letzteres
durch Verletzungen kommt
selten
vor,
wo z. B . bei Epileptischen Verrenkungen
Muskelkontraktionen entstanden.
und
durch
doch durch
sind
eigene Fälle
krampfhafte
Die äußeren Veranlassungen werden wie
bei den Frakturen in d i r e k t e und i n d i r e k t e eingeteilt.
F ä l l t z. B . jemand
auf die Schulter und zieht sich eine Luxation zu, so bezeichnet man diese als durch direkte Gewalt entstanden: dieselbe Luxation könnte bei indirekter Gewalteinwirkung
zustande kommen, wenn z. B . j e m a n d mit erhobenem
Arme auf die Hand oder auf den Ellenbogen
fiele.
Ob in dem einen F a l l e
eine Verrenkung, in einem anderen ein Knochenbruch entsteht, wird hauptsächlich von der Stellung des Gelenkes sowie von der Richtung und dem Maß der einwirkenden Gewalt abhängig sein; doch kommt auch viel darauf
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
269
an, ob die Knochen oder die Gelenkbänder leichter nachgeben; man kann z. B. durch die gleichen Manöver an Leichen von Menschen verschiedenen Alters bald eine Fraktur, bald eine Luxation hervorrufen. Sehr wichtig für das Zustandekommen einer Luxation sind die Kontraktionen der Muskeln: dieser Umstand erklärt, warum es so schwer oder ganz unmöglich ist, am Kadaver gewisse Formen von Verrenkungen künstlich zu erzeugen. — E s gibt wie bei den Frakturen eine große Anzahl von Symptomen, welche eine Luxation anzeigen: einige von ihnen können sehr in die Augen fallend sein, und zwar um so mehr, j e rascher man nach der Verletzung hinzukommt und j e weniger die Verschiebung an den Gelenken durch entzündliche Schwellung der darüberliegenden Weichteile verdeckt ist. Die v e r ä n d e r t e Form des Gelenkes ist eines der wichtigsten und eklatantesten Symptome, welches aber nur dann schnell und sicher zur Diagnose führt, wenn man das Auge geübt hat, Differenzen von der normalen Form leicht zu erkennen. Ein richtiges Augenmaß, genaue Kenntnis der normalen Form, kurz etwas Sinn für Plastik und plastische Anatomie, sogenannte Künstleranatomie, sind hier außerordentlich nützlich. Handelt es sich um äußerst geringe Foriiiabweichungen, so wird auch der Geübteste des Vergleiches mit der normalen, gesunden Seite nicht entbehren können, und ich muß Ihnen daher dringend raten, wenn Sie auf diesem Gebiete keinen Fehler machen wollen, stets den ganzen Ober- und Unterkörper entblößen zu lassen und die beiderseitigen Formen miteinander zu vergleichen. Am besten verfolgen Sie mit dein Auge die Richtung des vermutlich dislocierten Knochens, und wenn dann die Linie nicht gerade genau auf die Gelenkpfanne trifft, so werden Sie in den meisten Fällen mit Wahrscheinlichkeit eine Luxation annehmen dürfen, falls Sie es nicht mit einer Fraktur dicht unterhalb des Gelenkkopfes zu tun haben, was durch die manuelle Untersuchung entschieden werden muß. — Die Verlängerung oder Verkürzung eines Gliedes, seine Stellung zum Truncus, die Entfernung gewisser hervorragender Punkte des Skeletts voneinander helfen auch oft schnell, wenigstens zur Wahrscheinlichkeitsdiagnose einer Luxation. — Ein anderes, mit dem Auge wahrzunehmendes, jedoch durchaus nicht charakteristisches Symptom ist die blutige Unterlaufung der Weichteile, die Sugillation. Diese tritt freilich selten im Anfang deutlich hervor, weil das aus der zerrissenen Gelenkkapsel ergossene Blut erst allmählich, oft erst im Verlaufe einiger Tage unter die Haut dringt und sichtbar wird; in manchen Fällen ist der Bluterguß so unbedeutend, daß man nichts von demselben wahrnimmt. Die Symptome, welche der Kranke selbst angibt, sind Schmerz und Unfähigkeit, das Glied in normaler Weise zu bewegen. Der Schmerz ist niemals so stark wie bei Frakturen und tritt erst deutlich hervor, wenn man versucht, Bewegungen zu machen. Drückt das luxierte Gelenkende, wie es bei der Schulterverrenkung nicht so selten vorkommt, auf einen Nerven oder einen
Von den Verletzungen der Gelenke.
270
Verrenkungen.
ganzen Plexus, so hat der Schmerz den Charakter der Neuralgie, er strahlt bis in die peripherischen Nervenzweige aus: auch ist in solchen F ä l l e n nicht selten das Gefühl von K n e b e l n . Ameisenlaufen oder aber die Empfindung des Eingeschlafenseins vorhanden.
In manchen F ä l l e n k a n n der Patient
bei Luxationen g e w i s s e Bewegungen mit dem luxierten Gliede ausführen: doch sind dieselben nur nach bestimmten Richtungen und in beschränktem Maße möglich.
—
Die
manuelle
Untersuchung
muß
schließlich
in
den
meisten F ä l l e n die Entscheidung geben: es muß durch dieselbe konstatiert werden, daß die Gelenkpfanne leer ist und der Kopf sich an einer anderen Stelle daneben, darunter oder darüber befindet.
Diese Untersuchung kann
bei schon angeschwollenen Weichteilen recht schwierig sein: nicht selten bedürfen w i r der Chloroformnarkose, um dieselbe e x a k t zu machen, weil uns
sonst
hindert.
der
Kranke
durch
seine
krampfhaften
Muskelkontraktionen
Bei der B e w e g u n g der luxierten Extremität, die w i r federnd oder
wenig beweglich finden, nimmt man zuweilen ein Gefühl von Reibung, eine undeutlich wcichc Krepitation wahr.
Diese kann teils durch das Reibe»
des Gelenkkopfes an zerrissenen Kapselbändern und Sehnen entstehen, teils durch Zerdrücken fester Blutcoagula. von Krepitation lassen,
sich
sondern wird
Man darf daher bei solchen Arten
nicht sofort zur A n n a h m e nur aufgefordert, um
einer F r a k t u r
so genauer
zu
verleiten
untersuchen.
Frakturen einzelner Teile der Gelenkenden mit Dislokation sind am leichtesten mit Luxationen zu verwechseln.
A u c h w a r der Sprachgebrauch,
zumal
früher, in dieser Hinsicht nicht ganz exakt, indem man Verschiebungen im Bereiche
des
Gelenkes,
welche
mit Frakturen
verbunden
und
durch diese bedingt waren, auch wohl als Luxationen bezeichnete.
nur Jetzt
unterscheiden wir diese Frakturen mit Dislokation innerhalb des Gelenkes genau von den eigentlichen
Luxationen.
Sollten Sie zweifelhaft sein,
ob Sie es mit einer stark
dislocierten
Gelenkfraktur oder mit einer Luxation zu tun haben, so können Sie das sehr leicht durch das Einrichtungsmanöver
entscheiden.
Läßt sich
eine
solche Dislokation bei einem mäßigen Zuge leicht ausgleichen und stellt sich sofort wieder her, wenn Sie mit dem Zuge nachlassen, so haben Sie es sicher mit einer F r a k t u r zu tun: denn einerseits gehören zur Einrichtung einer Luxation
in der Regel
ganz
bestimmte kunstgerechte
Handgriffe,
andrerseits gehen die Luxationen, einmal eingerichtet, nicht so leicht wieder zurück, wenngleich in dieser Beziehung Ausnahmen vorkommen.
Übrigens
können Sie unter jeder Bedingung eine Luxation ausschließen, wenn Sie die Gelenkgegend ausgefüllt finden, wenn die pathognomonische Depression an
der normalen
Oberarmhalses können
und
Stelle fehlt.
ohne beim
Luxation
Palpieren
Humeruskopf ausgefüllt
finden.
So werden die
normale
der Fossa
Sie z. B.
beim Bruche
Schulterrundung
glenoidalis
des
nachweisen
dieselbe durch
den
Yorlesang 18.
Kapitel VII.
271
Auch mit einer Kontusion und Distorsion des Gelenkes kann man die Luxation verwechseln, wird jedoch diesen Fehler bei recht sorgfältiger Untersuchung umgehen können. Veraltete traumatische Luxationen können unter Umständen mit Dislokationen verwechselt werden, welche infolge von Kontrakturen zustande kommen. Endlich können auch bei paralytischen Gliedern, bei denen zu gleicher Zeit eine Erschlaffung der Gelenkkapsel besteht, die Gelenke so außerordentlich beweglich werden, daß sie in gewissen Stellungen wie verrenkt erscheinen. Die Anamnese und genaue lokale Untersuchung wird auch in diesem Falle das Richtige erkennen lassen. W a s den Zustand der verletzten Teile gleich nach der Verletzung betrifft, so hat man in denjenigen Fällen, in denen man Gelegenheit hatte, dieselben zu untersuchen, gefunden, daß die Gelenkkapsel mit dem Synovialsack zerrissen ist. Der Kapselriß ist sehr verschieden groß, zuweilen ein Spalt wie ein Knopfloch, zuweilen dreieckig, mit mehr oder weniger zerfetzten Rändern: Zerreißungen der dem Gelenke unmittelbar aufliegenden Muskeln sind bei gewissen Luxationen unvermeidlich und im allgemeinen häufig: zuweilen wird statt des Muskels der Knochenvorsprung, an welchem er sich inseriert, abgerissen. Zerreißungen von Sehnen sind viel seltener. Die Quetschung der Weichteile um das Gelenk ist sehr verschieden und damit auch der Bluterguß von sehr verschiedenem Umfange. Der Gelenkkopf steht nicht immer an derjenigen Stelle, an welcher er durch den Kapselriß herausgeschlüpft ist. sondern in vielen Fällen steht der Kopf höher, tiefer oder zur Seite, weil die Muskeln, welche an ihm anhaften, sich kontrahieren und ihn verschieben. Es ist von großer Wichtigkeit, zu wissen, daß wir oft den luxierten Gelenkkopf zunächst in eine andere Stellung bringen müssen, ehe es gelingt, ihn durch den Kapselriß in die Gelenkhöhle zurückzuführen. Zuweilen kommt es vor, daß die Verletzten durch irgendwelche zufällige Muskelbewegungen selbst die Einrenkung der Luxation bewerkstelligen. Dieser Vorgang ist besonders an der Schulter mehrmals bemerkt worden. Solche spontane Einrenkungen sind indes sehr selten und zwar deshalb, weil gewöhnlich der Einrenkung gewisse Hindernisse im Wege liegen, die eben bei der kunstgerechten Reduktion überwunden werden müssen. Diese Hindernisse bestehen wieder teilweise in der Kontraktion der Muskeln, wobei der Gelenkkopf auch wohl zwischen zwei kontrahierten Muskeln eingeklemmt sein kann. Ein anderes, bei weitem häufigeres Hindernis ist ein k l e i n e r K a p s e l r i ß oder auch eine Verlegung desselben durch eingeklemmte Weichteile; dann eine sehr starke S p a n n u n g der Kapsel oder der Hülfsbänder. Endlich kann e i n s e h r w e i t e r K a p s e l r i ß oder die v o l l k o m m e n e A b r e i ß u n g aller am Gelenkende sich inserierenden Muskeln, wodurch die Einrichtungsmanöver unmöglich gemacht werden, die Reposition erschweren. Zu diesen, die Einrichtung frischer Luxationen
272
Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
verzögernden Umständen kommt bei veralteten Luxationen noch die Fixation des verrenkten Gelenkkopfes in seiner abnormen Stellung und die Ausfüllung der Gelenkpfanne durch neugebildetes Narbengewebe. Die B e h a n d l u n g e i n e r L u x a t i o n muß zunächst in ihrer k u n s t g e r e c h t e n E i n r i c h t u n g bestehen, der dann Mittel folgen müssen, welche die Herstellung der Funktion des verletzten Gliedes unterstützen. Wir wollen hier nur von der Einrichtung frischer Luxationen sprechen, worunter wir diejenigen verstehen, welche höchstens seit 8 Tagen bestehen. Der günstigste Zeitpunkt für die Einrichtung einer Luxation ist unmittelbar nach der Verletzung: dann haben wir die geringste Schwellung der Weichteile und noch wenig oder keine Verschiebung des luxierten Kopfes: der Verletzte ist noch psychisch und physisch durch den Eindruck des Ereignisses erschlafft, so daß die Einrichtung nicht selten außerordentlich leicht gelingt. Später werden wir fast immer zur Erleichterung der Einrichtung der Chloroformnarkose bedürfen, um durch dieselbe jeden Widerstand von Seiten d e r Muskeln aufzuheben.
W a s die eigentlichen R e d u k t i o n s n i a n ö v e r betrifft,
so läßt sich im allgemeinen darüber nur wenig sagen, weil diese Manöver begreiflicherweise von der Mechanik der einzelnen Gelenke vollständig abhängig sind. E s bestand früher die sonderbare Vorschrift für die Reduktion der Luxationen, man solle das luxierte Glied in diejenige Stellung bringen, in welcher es im Momente der Luxation stand, und durch Zug den Gelenkkopf in derselben Weise wieder zurückführen, wie er herausgetreten sei. Dieser Satz hat, abgesehen davon, daß der Verletzte häufig gar nichts Genaues über die Stellung des Gliedes im Momente der Luxation angeben kann, nur noch für wenige Fälle seine Gültigkeit: vielmehr bedienen wir uns jetzt bei den verschiedenen Luxationen sehr verschiedenartiger Bewegungen, wie z. B. Flexionen, Hyperextensionen, Rotationen usf. Besonders wirksam sind die sog. Rotations- oder Zirkumduktionsmanöver, weil sie einerseits eine große Kraftanwendung gestatten, andrerseits die Beihilfe von Assistenten entbehrlich machen. In der Tat kann auf diese Weise häufig der Wundarzt allein die Reposition machen, und es ist oft genug dagewesen, daß ein verrenkter Oberschenkel, an welchem ungeübte Praktiker mit Aufgebot kräftiger Bauernfäuste stundenlang vergeblich nach allen Richtungen gezogen hatten, von dem erfahrenen Chirurgen allein, ohne alle Hilfe eingerichtet wurde. E s kommt nämlich hierbei alles auf ein richtiges anatomisches Vorstellungsvermögen an, auf Übung der anatomisch-plastischen Phantasie: Sie werden begreifen, daß man nicht selten in einer gewissen Richtung mit geringer Kraft den Kopf leicht zurückschlüpfen macht, während es in einer anderen Richtung ganz unmöglich ist, ihn in die Pfanne zu bringen. Dabei sind bei allen frischen Luxationen zunächst jene Manipulationen zu versuchen, welche direkt am luxierten Gelenkende ihren Angriffspunkt nehmen, so daß der Kopf gewissermaßen
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
273
gefaßt und in die Pfanne hineingeschoben wird: namentlich am Schultergelenke kann man auf diese Weise ohne Anwendung großer Kraft, ohne den Kranken viel Schmerzen zu verursachen und daher auch ohne Narkose eher zum Ziele kommen, als durch ein unsinniges planloses Ziehen mit Aufgebot einer kolossalen Gewalt. Wenn der Kopf in die Gelenkhöhle hineintritt, so geschieht das zuweilen mit einem deutlich hörbaren, schnappenden Geräusche; doch ist das nicht immer so der Fall: der vollständige Beweis für die gelungene Reposition wird immer erst durch die Herstellung der normalen Beweglichkeit gegeben sein. Ist eine stärkere Kraftentfaltung erforderlich, so kann man mehrere Personen in der Weise verwenden, daß man lange Schiingentücher an die Extremität anlegt und mehrere Assistenten in einer bestimmten Richtung ziehen läßt. Dieser Zug, dem man natürlich einen Gegenzug, eine K o n t r a e x t e n s i o n am Rumpfe entgegensetzen muß, darf nie ruckweise auftreten. sondern muß gleichmäßig ausgeführt werden. Der behandelnde Chirurg dirigiert die von den Assistenten vorzunehmenden Bewegungen und schiebt dann selbst den Gelenkkopf in die Pfanne, wenn er dicht vor dieselbe geführt worden war. — Kommt man auch mit diesem Mittel nicht zum Ziele, so müssen Maschinen zu Hilfe genommen werden, welche die Kraft verstärken. Hierzu bediente man sich früher sehr verschiedenartiger Instrumente: Hebel, Schrauben, Leitern usw. Jetzt braucht man fast nur noch den Flaschenzug oder den S e h n e i d e r - M e n e i s c h e n oder einen ähnlichen Extensionsapparat. Der Flaschenzug, ein Ihnen aus der Physik bekanntes Instrument zur Verstärkung der Kraft, das in der Mechanik außerordentlich häufig in Gebrauch ist, wird in der Weise angewandt, daß das eine Stück an der Wand an einem starken Haken befestigt, während das andere an der betreffenden Extremität mit Hilfe von Riemen und Schnallen appliziert wird. An dem Körper des Patienten wird die Kontraextension so angebracht, daß derselbe nicht durch die Wirkung des Flaschenzuges fortgezogen werden kann. Ein Assistent zieht an der Schnur des Flaschenzuges, dessen Kraft bekanntlich je nach der Zahl der angebrachten Rollen an Stärke progressiv zunimmt. Der S c h n e i d e r - M e n e l sche Apparat besteht aus einem großen starken Galgen: in dem einen Pfosten desselben, an seiner inneren Seite ist eine bald höher, bald tiefer anzubringende Winde, welche mit Hilfe einer Kurbel gedreht und durch ein Zahnrad festgestellt werden kann, angebracht; über diese Winde läuft ein breiter Riemen, der mittels eines Hakens in die an der luxierten Extremität angebrachte Bandage eingehängt wird. Der Kranke liegt bei Luxationen der unteren Extremität auf einem zwischen den Pfosten des Galgens der Länge nach gestellten Tische oder sitzt bei Einrichtung einer Armluxation auf einem Stuhle, der in gleicher Weise gestellt wird: die Kontraextension wird durch Riemen bewerkstelligt, mit denen der Kranke B i 11 r o t h — v. W i n i w a r t e r ,
D i e »Hg. c h i r . P a t l i u. T h e r .
16. Aufl.
18
274
Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
an dem der Winde gegenüberliegenden Pfosten des Galgens befestigt wird. Sie werden in Ihrer Praxis wenig mit diesen Apparaten zu tun haben, da sie fast ausschließlich bei veralteten Luxationen in Anwendung kommen, deren Behandlung seltener in der Privatpraxis als in Spitälern und chirurgischen Kliniken vorkommt. Es versteht sich von selbst, daß derartige gewaltsame Einrichtungen nur in der Narkose vorgenommen werden. Diese Narkosen müssen, wenn sie eine vollständige Erschlaffung der Muskeln hervorbringen sollen, sehr tief sein, und da die Brust in der Regel mit Riemen und Gurten bedeckt ist, um die Kontraextension zu bewerkstelligen, so bedarf es der allergrößten Vorsicht mit der Quantität des einzuatmenden Chloroforms, um gefährliche Erstickungserscheinungen zu vermeiden. Es gibt aber außer diesen noch andere Gefahren, welche schon den älteren Chirurgen, die das Chloroform nicht anwandten, bekannt waren. Diese bestehen darin, daß der Kranke, wenn er zu lange mit diesen gewaltsamen Mitteln bearbeitet wird, plötzlich kollabiert und in diesem Kollaps sterben kann; ferner, daß die betreffende Extremität durch den Druck der angelegten Riemen in der Folge brandig wird. Die Folgen des Drucks der angelegten Bandagen vermeidet man am besten dadurch, daß man die Extremität mit einer nassen Rollbinde von unten bis oben herauf einwickelt und erst über diese Binden die Bandage appliziert. Da auf diese Weise ein ziemlich starker, auf das ganze Glied gleichmäßig verteilter Druck ausgeübt wird, so wird die Kompression durch die Bandagen dicht über den Gelenken nicht mehr so schädlich wirken. Solche gewaltsame Repositionsversuche dürfen auch nicht lange fortgesetzt werden: man kann ziemlich sicher sein, daß man mit der angewandten Methode nicht zum Ziele kommt, wenn das nicht nach einem halbstündigen Versuche geschehen ist. Will man in solchen Fällen noch weiteres unternehmen, so muß man eine andere Methode anwenden. Doch rate ich Ihnen dringend, bei älteren Individuen namentlich bei Leuten mit rigiden Arterien, die Einrichtungsversuche nicht zu weit zu treiben. — Uber die Kraft, welche man bei Einrichtungsversuchen ohne Gefahr für die Weichteile anwenden darf, hat man keine bestimmten Maße und begnügt sich in dieser Beziehung mit Abschätzungen. Allerdings kann man durch ein Dynamometer, welches in die Extensionsriemen eingeschaltet wird, die aufgewandte Kraft in Gewichtseinheiten konstatieren. Nach M a l g a i g n e soll man nicht über 200 kg hinausgehen. Solche Angaben sind jedoch nur approximativ. Es scheint k a u m möglich, mit Hilfe der oben angegebenen mechanischen Mittel einen A r m oder ein Bein ganz auszureißen, und doch hat sich dieser Zufall in früherer Zeit öfter ereignet; ja er ist sogar vorgekommen bei Einrichtungsmanövern von Schulterluxationen, wobei bloß mit Händekraft gezogen wurde. Im allgemeinen reißen jedoch eher die Riemen oder es verbiegen sich die
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
275
Schnallen, ehe die Weichteile nachgeben. Subkutane Nerven- und Gefäßzerreißungen würde man an völlig gesunden Gliedern durch gleichmäßigen Zug an der ganzen Extremität kaum zustande bringen: wohl aber können Gefäße, besonders Venen großen Kalibers und Nervenstämme zerreißen, wenn sie in tiefgelegene, feste, starre Narben eingebettet und mit ihnen verwachsen sind: auch die atheromatös entarteten, verkalkten Arterien, welche ihre natürliche Elastizität verloren, erleiden durch starken Zug leicht eine Kontinuitätstrennung: ein Unfall, welcher ebensowohl bei dem Versuche, den Gelenkkopf mit Händekraft zu lösen, als bei Anwendung von Maschinen vorkommen kann. Lähmungen, traumatische Aneurysmen, ausgedehnte Eiterungen, Gangrän der ganzen Extremität können die Folgen dieser Verletzungen sein. Wenn man in solchen Fällen die Verhältnisse vorher immer genau beurteilen könnte, so würde man gewiß manchmal ganz von Repositionsversuchen abstehen. Ist auf irgend eine Weise die Reposition der Luxation gelungen, so ist allerdings damit die Hauptsache getan, indessen bis zur vollendeten Funktionsfähigkeit des Gliedes bedarf es noch langer Zeit. Die Wunde der Kapsel muß heilen, und hierzu ist vollkommene Ruhe des Gelenkes von bald längerer, bald kürzerer Zeit erforderlich. E s tritt nach der Reposition stets eine mäßige Entzündung der Synovialmembran mit geringem Ergüsse von Flüssigkeit ins Gelenk ein, und letzteres bleibt eine Zeitlang schmerzhaft, steif und unbeholfen. Ist die Reposition bald nach der Verletzung erfolgt, wie wir vorläufig angenommen haben, so muß das Gelenk zunächst ruhig gestellt werden; man umgibt es mit Watte, wickelt es mit einer Binde ein und fixiert es nur so weit, daß größere Bewegungen unmöglich sind. Die vollständige Immobilisierung durch einen starren Verband ist nicht zweckmäßig, weil sie zur Verwachsung der Gelenkflächen und somit zur Ankylosierung derselben führen kann. Beim Schultergelenke fängt man nach 1 0 — 1 4 Tagen an, passive Bewegungen zu machen und setzt diese fort, bis dann auch aktive Bewegungen und Übungen vorgeschrieben werden: oft dauert es viele Monate, bis die Bewegungen ganz frei werden, wobei die Erhebung des Armes immer am längsten auf sich warten läßt. Bei anderen Gelenken, die eine weniger freie Beweglichkeit haben, kann man die aktiven Bewegungen viel früher gestatten, weil die Luxation dabei nicht so leicht rezidiviert: in der Tat bilden sich z. B. die aktiven Bewegungen im Ellenbogen- und Hüftgelenk auffallend früh wieder aus. Sind die aktiven Bewegungen nach einer eingerenkten Luxation zu früh wieder aufgenommen worden, zumal bei solchen Gelenken, bei denen die Verrenkung leicht wieder eintritt, wie z. B. an der Schulter und dem Unterkiefer, und stellt sich, noch ehe der Kapselriß oder die Zerreißung der Muskeln vollständig geheilt war, die Luxation ein oder mehrere Male 18*
276
Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
wieder her, so erfolgt gewöhnlich gar keine vollständige Ausheilung oder eine so große Dehnbarkeit der Kapselnarbe, daß der Patient nur eine etwas ungeschickte Bewegung zu machen braucht, um sofort das betreffende Glied wieder zu luxieren. Freilich ist, wie man sich gelegentlich bei Operationen derartiger Fälle überzeugt, die Dehnung der Kapselnarbe oder das viel seltenere Fortbestehen des Kapselrisses nicht die einzige folgenschwere Weichteilverletzung. Vor allem sind es die Muskelzerreißungen und die infolge davon auftretenden Lücken in den Muskellagen und sehnigen Insertionen rings um die Kapsel, welche das Wiederauftreten der Luxation begünstigen, um so mehr, j e früher nach der ursprünglichen Verletzung und j e öfter die Rezidive erfolgt sind: bei jedem neuen Austreten des Kopfes findet wieder eine Zerreißung statt, welche nicht die Zeit hat zu vernarben. E s entsteht dann derjenige Zustand, den man h a b i t u e l l e L u x a t i o n nennt, eine höchst lästige, und wenn sie die Schulter betrifft, funktionell sehr störende Affektion. B i l l r o t h erwähnt eine Frau, die sich früher eine Luxation des Kiefers zugezogen und sich nach derselben nicht die gehörige Zeit geschont hatte, so daß bald nachher die Luxation wieder eintrat und von neuem eingerichtet werden mußte. war so leicht verschiebbar,
daß bei dieser Frau,
Das Gelenk
wenn sie beim Essen einen etwas
großen Bissen zwischen die Backzähne bekam, der Kiefer sich sofort luxierte: sie hatte sich
selbst auf das Manöver der Einrenkung eingeübt,
größten Leichtigkeit ausführte.
so daß sie dasselbe mit der
Leute mit habitueller Schulterluxation verrenken sich
bei gewissen raschen Bewegungen, namentlich bei der Elevation mit Zurückziehen des Armes, z. B. um in den Ärmel eines Rockes zu schlüpfen, das Gelenk sehr leicht, selbst ohne jede Kraftentfaltung.
In solchen Fällen von habitueller Luxation ist die Einrichtung durchaus nicht immer leicht, wenn auch manche Patienten mit der Zeit den Kunstgriff lernen, sie selbst auszuführen. Eine Heilung dieses Zustandes wäre allenfalls dann möglich, wenn das Gelenk längere Zeit völlig ruhig gestellt würde, allein zu einer solchen Kur haben die Leute selten Geduld und Ausdauer genug, auch ist die Wiederherstellung der normalen Funktion keine vollkommene, so daß die Extremität dauernd der Schonung bedarf. Gewöhnlich begnügt man sich mit einer Bandage, welche die übermäßigen Bewegungen und dadurch auch die Wiederkehr der Luxation verhindert. Will man jedoch eine radikale Heilung herbeiführen, die j a in vielen Fällen für den Patienten geradezu eine Existenzfrage bedeutet, so muß man operativ eingreifen. Ich habe das wiederholt bei schwer arbeitenden Männern getan, die infolge einer habituellen Schulterluxation ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten, und stets eine vollkommene Restitutio ad integrum erzielt. In die Details der Operation gehe ich nicht ein. nur soviel will ich Ihnen sagen, daß sie im wesentlichen in der Verengerung der ausgedehnten Gelenkkapsel durch Faltenbildung und Naht und in der Vereinigung der zerrissenen Muskeln und Sehnenausbreitungen besteht.
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
277
Wird eine einfache Verrenkung nicht erkannt und nicht eingerichtet, oder gelingt die Reduktion aus verschiedenen Gründen nicht, so bildet sich in der abnormen Stellung allmählich doch ein gewisser Grad von Beweglichkeit aus, welcher durch regelmäßige Übung noch bedeutend gesteigert werden kann. In solchen Fällen ist es angezeigt, zunächst entsprechende passive Bewegungen mit dem verrenkten Gliede vorzunehmen und dann den Patienten systematisch turnen zu lassen, wobei man mit großem Vorteile gewisse mechanische Vorrichtungen verwendet, deren man sich auch sonst in der Heilgymnastik bedient. J e nach der Stellung des Gelenkkopfes zu nebenliegenden Knochenfortsätzen und je nach Verschiebung der Richtung der Muskeln sind begreiflicherweise gewisse Bewegungen aus rein mechanischen Gründen unmöglich: andere können jedoch der normalen Exkursionsbreite annähernd gleichkommen. Erfolgt die methodische Ausbildung der Bewegungen nicht, so bleibt das Glied steif, die Muskeln werden atrophisch und die Brauchbarkeit der Extremität ist für immer geschädigt. — Die Veränderungen, welche das Gelenk und seine Umgebung erleiden, wenn die Luxation nicht reponiert worden ist, sind anatomisch betrachtet folgende: das Blutextravasat wird resorbiert, die Kapsel faltet sich zusammen und verschrumpft; der Gelenkkopf steht gegen irgend einen Knochen in der Nähe der Pfanne, z. B. bei einer Luxation des Schulterkopfes nach innen gegen die Rippen unter dem M. pectoralis major; die Weich teile um den dislozierten Kopf werden plastisch infiltriert, verwandeln sich dann in narbiges Bindegewebe, welches teilweise verknöchert, so daß sich eine Art von knöcherner Gelenkpfanne wieder bildet, während der Kopf von einer neugebildeten Bindegewebskapsel umgeben wird. An dem Knorpel des Gelenkkopfes treten folgende, für das freie Auge sichtbare Veränderungen ein: derselbe wird rauh, faserig, und verwächst durch ein narbiges, festes Bindegewebe mit den Teilen, auf denen er aufliegt. Diese Verwachsung wird mit der Zeit außerordentlich fest, zumal wenn sie nicht durch Bewegungen gestört wird. Die Metamorphose des Knorpels zu Bindegewebe geht, wenn wir sie mikroskopisch betrachten, folgendermaßen vor sich: die Knorpelsubstanz zerspaltet sich direkt in feine Fasern, so daß das Gewebe zuerst das Aussehen von Faserknorpel, dann von gewöhnlichem narbigem Bindegewebe bekommt, welches mit der neuen Umgebung verschmilzt. • In Fällen, in welchen das abnorme Gelenk fleißig gebraucht wird, kann es in der neugebildeten Pfanne zur Entwicklung einer Knorpelschicht kommen, und auch die Knorpelfläche des verrenkten Kopfes kann sich dann recht gut erhalten, eventuell wieder neu bilden. Solche Verhältnisse findet man gelegentlich bei der Sektion einer nicht reponierten Luxation der Schulter: der M. deltoideus ist dabei gewöhnlich fettig degeneriert, während die übrigen Muskeln ziemlich intakt geblieben sein können.
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Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
In einem solchen Zustande nennen wir die Luxationen v e r a l t e t ,
und
zu ihrer Beseitigung besonders k o m m e n die schon oben erwähnten K r a f t methoden der Reduktion in A n w e n d u n g .
Die F r a g e , wie lange eine Luxation
bestanden haben muß. um ihre Reposition für unmöglich zu erklären, ist seit dem Gebrauche
des Chloroforms nicht mehr genau zu beantworten,
müßte auch für die verschiedenen G e l e n k e verschieden beantwortet werden. So gelingt z. B. die Reduktion an der Schulter noch nach Jahren, während sie an der Hüfte nach 2 — 3 Monaten schon außerordentlich schwierig ist. D a s Haupthindernis liegt eben in den festen V e r w a c h s u n g e n , w e l c h e der Kopf an seiner neuen Stelle eingegangen ist, darin, daß die Muskeln durch ihren Verlust
an kontraktiler
Bindegewebe ihre Dehnbarkeit
Substanz und durch ihre Degeneration verloren
zu
haben und endlich an der A u s -
füllung der Pfanne durch neugebildetes B i n d e g e w e b e : an der Hüfte m a g der
wichtigste
Grund
der Irreponibilität der sein, daß die P f a n n e ,
wie
jede Höhlung, die nicht ausgefüllt ist, nach und nach zusammenfällt, daß sie für den Gclonkkopf zu klein wird. an der knöchernen Orbita, wenn
so
Wir beobachten etwas Analoges
der Bulbus entfernt worden ist.
Auch
hier sinken die Wandungen gewissermaßen ein. weil sie keinen entsprechenden Gegendruck von innen her auszuhalten haben.
Bei älteren Individuen
muß man unter jeder Bedingung späte Einrenkungsversuche
mit
größter
Vorsicht a u s f ü h r e n ; gerade in
solchen F ä l l e n sind wiederholt F ä l l e von
Nerven- und Gefäßzerreißungen
(namentlich bei atheromatöser
der Arterien) und von Frakturen
vorgekommen.
—
Eine
Entartung
andere
Frage
ist es übrigens, ob bei solchen veralteten Luxationen die Reposition, wenn sie wirklich
g e l i n g t , den gewünschten
namentlich bei der Schulter.
Denken
E r f o l g für die Funktion
hat.
Sie sich, daß die kleine
Gelenk-
so
pfanne durch die verschrumpfte Kapsel ganz gefüllt und bedeckt ist. und der Gelenkkopf seinen Knorpel verloren hat. so wird selbst in dem F a l l e , daß es wirklich gelingt, den Kopf an die normale Stelle zu bringen, doch die Wiederherstellung der Funktion nicht möglich sein, und ich kann Sie aus
eigener
Erfahrung
versichern,
daß
das
Endergebnis
einer
höchst
mühseligen und langen Nachbehandlung in solchen Fällen durchaus nicht dem A u f w ä n d e von Mühe und A u s d a u e r von Seiten des Patienten und des Arztes
entspricht.
D a s Resultat wird in solchen Fällen k a u m günstiger
sein, als wenn der Patient durch methodische Übungen die Extremität in ihrer abnormen
Stellung,
in der sie
sich
vielleicht
seit Monaten
Jahren befand, möglichst brauchhar zu machen gesucht hätte.
oder
Man kann
solche Übungen
erleichtern und fördern, wenn
man in der Chloroform-
narkose
kräftige
die
durch
Rotationsbewegungen
Verwachsungen
des
Gelenkkopfes zerreißt. Sie werden mich fragen, ob es nicht z w e c k m ä ß i g wäre, bei irreponiblen Luxationen das Gelenk zu eröffnen, um die Reduktion bewirken zu können.
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
279
Der operative Eingriff an sich bietet bei unserer heutigen Wundbehandlungsmethode keine ernstlichen Gefahren, aber es ergibt sich doch im ganzen sehr selten die Indikation zu einer derartigen Operation. Bei frischen Verrenkungen gelingt die Einrichtung ja fast immer und wenn sie nicht gelungen ist. dann hat man gewöhnlich auch bei eröffnetem Gelenke die größte Mühe dieselbe zustande zu bringen. Bei veralteten Luxationen reicht die Gelenköffnung allein meistens nicht aus, man muß in solchen Fällen den Gelenkkopf absägen, also eine vollkommene Resektion ausführen. um das Glied in seine natürliche Stellung bringen zu können. Dazu entschließt man sich nur, wenn entweder der luxierte Gelenkkopf auf einen Nerven drückt und hierdurch Schmerzen oder gar Lähmungserscheinungen hervorruft, oder wenn die Stellung der Extremität so ungünstig ist, daß der Patient sein Glied gar nicht brauchen kann. In solchen Fällen ist es wichtig, mit dem operativen Eingriffe nicht zu lange zu zögern, damit die Nerven und Muskeln nicht früher atrophieren. Selbstverständlich wird jede Operation dieser Art nach den Regeln der strengsten Antisepsis ausgeführt. B i l l r o t h hat einen Fall gesehen, in welchem bei vollständig paralysiertem Arme nach einer Luxatio humeri nach unten und innen, durch die typische Resektion des Oberarmkopfes eine bedeutende Verbesserung in der Funktion des Armes, wenn auch keine vollständige Heilung der Paralyse erreicht wurde. Zu den Verrenkungen gehört auch eine sehr eigentümliche Art der Verletzung: die Luxation der Cartilagines semilunares, der halbmondförmigen Knorpelscheiben im Kniegelenke. Diese Verschiebung ohne anderweitige Veränderungen des Gelenkes ist nicht so selten, obwohl selbst ihre Existenz bestritten wurde. Sie kommt sogar, wie ich mich selbst an einem typischen Falle, bei einem jungen Manne, überzeugt habe, gelegentlich als habituelle Luxation vor. In der Regel ist es die innere Knorpelscheibe, die sich nach vorne zu verschiebt, so daß der Condylus femoris intern., statt auf der Scheibe zu gleiten, hinter ihr einschnappt. Die Verschiebung geschieht gewöhnlich bei einer forzierten Beugung des Gelenkes, wobei gleichzeitig die Fußspitze nach außen rotiert wurde. Die Symptome dieser Luxation sind: Fixation des Kniegelenkes in einer nicht ganz vollkommenen Extension mit leichter Rotation der Fußspitze nach auswärts; versucht man das Knie vollständig zu strecken, so findet man einen federnden Widerstand, der Pat. klagt über etwas Schmerz, während die Beugung bis zum rechten Winkel ausführbar ist; am vorderen Rande des Gelenkes fühlt man die Knorpelscheibe. B i l l r o t h beobachtete, bisher nur in einem einzigen Falle, folgende Anomalie: D i e S e h n e d e s l a n g e n K o p f e s d e s M. b i c e p s b r a c h i i g l e i t e t bei gewissen Bewegungen a u s i h r e m H a l b k a n a l , dem Sulkus intertubercularis, h e r a u s , und bleibt auf dem Rande des großen oder kleinen Tuberculum hängen; der Arm steht dabei fest, in leicht abduzierter Stellung. Fixiert man das Schulterblatt, erschlafft die Sehne durch langsame Erhebung des Armes, so kann man sie durch eine kleine Rotation des Oberarmes leicht wieder in den Sulcus einschnappen lassen: sofort hört der Schmerz auf. und alle Bewegungen sind frei. Damit diese Luxation zustande komme, muß notwendigerweise die fascienartige Membran, welche den Sulcus schließt und zum Kanal macht, zerrissen oder sehr schlaff sein: ersteres ist unwahrscheinlich — wo
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Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
letzteres der Fall ist. wiederholt sich der Vorgang bei gewissen Bewegungen leicht. Es gibt Menschen, bei denen die Halbkanaldecke, in welcher die Sehne des M. tibialis posticus liegt, so schlaff ist. daB sie willkürlich diese Sehne luxieren und mit hörbarem Geräusche wieder einschnappen lassen können.
V o n den k o m p l i z i e r t e n
Verrenkungen.
Eine Verrenkung kann in verschiedener Weise kompliziert sein, am häufigsten mit Frakturen einzelner Teile oder des ganzen Gelenkkopfes. In solchen Fällen, die sehr schwierig zu beurteilen sind, muß bei der Behandlung doch immer vorzüglich auf die Fraktur Rücksicht genommen werden, d. h. es muß so lange ein Verband getragen werden, bis die Fraktur geheilt ist. Erst nachdem die Bruchenden fest miteinander vereinigt sind, versucht man die Luxation einzurichten: nicht immer ist das Resultat der Behandlung ein günstiges: entweder die Reduktion ist unausführbar. oder aber, selbst wenn dieselbe gelungen ist, bleibt das Gelenk steif. Allerdings kann man in gewissen Fällen, namentlich an der Schulter, den abgebrochenen Gelenkkopf durch die Weichteile hindurch direkt fassen und sogleich reponieren und dann ist selbstverständlich die Heilung der Fraktur erst die zweite Aufgabe. Man tut unter diesen Umständen gut. den fixen Verband alle 8 Tage zu erneuern und dabei jedesmal die Stellung etwas zu verändern, damit keine Gelenksteifigkeit eintritt. Jedoch ist auch dann der Erfolg unserer Behandlung unsicher, so daß ich Ihnen nur empfehlen kann, in Ihrer Praxis die Prognose für die Herstellung der Beweglichkeit in solchen Fällen stets als zweifelhaft hinzustellen. Eine andere viel bedenklichere Komplikation ist die mit gleichzeitiger Wunde des Gelenkes. Es kann vorkommen, daß z. B. das breite Gelenkende der unteren Epiphyse des Humerus oder des Radius mit solcher Gewalt aus dem Gelenk herausgeschleudert wird, daß es Weichteile und Haut durchreißt und frei zutage tritt. Die Diagnose ist natürlich unter diesen Umständen leicht: die Reposition wird nach den früher gegebenen Regeln gemacht, doch hat man jetzt eine Gelenkwunde von einer nicht unbedeutenden Ausdehnung. Wir werden über die traumatische Gelenkseröffnung, welche in diesem Falle weitaus die größte Bedeutung hat, bald ausführlich sprechen, so daß ich Sie inbezug auf die Prognose, die Ausgänge und die Behandlung auf das später zu Sagende verweisen kann (S. 284). Am schlimmsten ist es jedenfalls, wenn offene Gelenkbrüche mit Luxation vorliegen: hier ist weder ein rascher Schluß der Gelenkwunde, noch eine Wiederherstellung der Funktion des Gelenkes zu erwarten, und man geht allen Gefahren entgegen, welche sich bei komplizierten Frakturen und bei Gelenkwunden drohend in den Weg stellen. Die Entscheidung über das, was in solchen
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
281
Fällen geschehen muß, ist da leicht, wo zu gleicher Zeit eine bedeutende Zerquetschung oder Zerreißung der Weichteile stattgefunden hatte: unter solchen Verhältnissen muß die primäre Absetzung im Gelenke oder oberhalb desselben gemacht werden. Ist die Verletzuug der Weichteile nicht bedeutend, so darf man eine konservative Therapie einleiten. Man kann, wenn der Patient unmittelbar nach der Verletzung in Behandlung gekommen ist, selbst in solchen Fällen Heilung mit normaler Beweglichkeit des Gelenkes erzielen: tritt jedoch Eiterung im Gelenke auf, dann wird es freilich zu einer partiellen oder totalen Ankylose kommen. Bei beträchtlicher Zersplitterung der Gelenkenden präpariert man dieselben frei und sägt sie ab, um auf diese Weise eine einfachere Wunde zu schaffen. Dieses ist die kunstgerechte t o t a l e R e s e k t i o n eines Gelenkes, eine Operation, durch welche man die Amputation umgeht und in vielen Fällen Extremitäten rettet, die nach den Grundsätzen der älteren Chirurgie unbedingt hätten geopfert werden müssen. Wir werden in einem späteren Abschnitte uns genauer mit diesem höchst wichtigen Gegenstande beschäftigen.
Von den a n g e b o r n e n
Luxationen.
Die angebornen Luxationen sind seltene Mißbildungen, und man muß von ihnen sehr wohl L u x a t i o n e s i n t e r p a r t u m a c q u i s i t a e unterscheiden, d. h. solche, die während der Geburt bei gewissen Manövern behufs der Extraktion des Kindes entstehen können, und die durchaus die Bedeutung einfacher traumatischer Luxationen haben, eingerichtet und geheilt werden können. Wenngleich über die meisten Gelenke der Extremitäten Beobachtungen von angebornen Luxationen vorliegen, so kommen dieselben doch ohne Vergleich häufiger an der Hüfte als an irgend einer anderen Stelle und hier nicht selten auf beiden Seiten zugleich vor und zwar etwa siebenmal häufiger beim weiblichen als beim männlichen Geschlechte. Die kongenitale Hüftluxation ist vom praktischen Standpunkte aus jedenfalls die wichtigste, weil sie ein, wenn auch ganz ungefährliches, doch schweres funktionelles Gebrechen darstellt. Die Verschiebung erfolgt fast immer auf die äußere Fläche des Darmbeines: der Schenkelkopf steht etwas nach oben und hinten von der Pfanne, kann jedoch in vielen Fällen mit Leichtigkeit, ljloß durch Zug nach unten, in dieselbe zurückgeführt werden. Die Abnormität wird in der Regel erst bemerkt, wenn die Kinder anfangen zu gehen, und dann gewöhnlich auf ein Trauma zurückgeführt. Die Symptome der kongenitalen Hüftgelenksluxation sind so charakteristisch, daß man die Diagnose auf den ersten Blick stellen kann: die Kinder zeigen nämlich einen eigentümlich watschelnden, breitspurigen Gang, mit hohlem Kreuz, den Bauch gewissermaßen
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Von den Verletzungen der Gelenke.
Verrenkungen.
nach vorne schiebend und den Oberkörper zurückhaltend — eine Haltung, die dadurch entsteht, daß der Gelenkkopf hinter der Pfanne steht, das Becken also mehr vornüber geneigt und die Lendenwirbelsäule nach vorne stärker gekrümmt wird; ferner dadurch, daß die Distanz zwischen den beiden Gelenkköpfen größer ist als im Normalzustande, und endlich, weil das Caput femoris bei den Gehbewegungen sich nicht selten auf und ab bewegt: bei einseitiger Luxation hinkt das Kind infolge der mehr oder minder starken Verkürzung der Extremität an der kranken Seite. Schmerzen kommen dabei nicht vor, wohl aber rasche Ermüdung beim Stehen und Gehen. Um das Kind zu untersuchen, lassen Sie es vollständig entkleiden und beobachten genau den Gang; dann legen Sie es horizontal auf den Rücken und vergleichen die Länge und Stellung der Extremitäten. Ist die Luxation einseitig, so wird die luxierte Extremität kürzer als die andere, und der F u ß etwas nach innen gedreht sein; j e weniger entwickelt der Kopf und die Gelenkpfanne sind, desto auffallender ist die passive Beweglichkeit dor Extremität, so daß Sie es z. B. weit über 9 0 ° nach rückwärts abducieren und so stark nach außen rotieren können, daß die Fußspitze fast nach rückwärts steht: bei fixiertem Becken läßt sich die Luxation zuweilen durch Zug allein einrichten, doch stellt sie sich alsbald wieder her. Charakteristisch ist ferner die starke Spannung der Adductoren, ferner des Muse, tensor fasciae latae: die Muskeln der Extremität sind weniger entwickelt. Nach den Untersuchungen, die man bei Gelegenheit von Operationen an solchen Gelenken machen konnte, sowie nach den Ergebnissen der Radiographie zeigen sowohl das obere Ende des Femur als die Pfanne eine ganz rudimentäre Entwicklung, der Gelenkkopf ist klein, gerade nur angedeutet als eine leistenartige flache Proeminenz, ähnlich dem Kopfe des Oberarms: die Pfanne stellt eine seichte, unregelmäßige Vertiefung vor, deren oberer Rand kaum fühlbar erscheint: häufig ist sie mit Fett ausgefüllt, das Lig. teres fehlt oder es ist abnorm lang. Die Knorpelüberzüge des Gelenkes sind in der Regel ausgebildet; die Gelenkkapsel ist sehr weit und schlaff. Von einer traumatischen Luxation unterscheidet sich die kongenitale auch dadurch, daß die Kapsel nicht zerrissen und der Gelenkkopf nicht durch sie durchgetreten ist, sondern daß sie zwischen ihm und der Pfanne eingeschoben erscheint, was ein Haupthindernis für die Reduktion bedeutet. Wodurch diese eigentümliche Mißbildung entsteht, darüber hat man die verschiedensten Hypothesen aufgestellt. E s handelt sich jedenfalls um eine Hemmungsbildung, indem durch irgendwelche Hindernisse die normale Entwicklung gestört wurde. Am wahrscheinlichsten ist es für mich, daß bei den angebornen Luxationen die beiden Gelenkenden gar niemals in einer normalen Gelenkverbindung miteinander gestanden haben und daß sich daher jedes unabhängig von dem anderen entwickelt hat.
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
283
Nach R o s e r s Hypothese, welcher die meisten Chirurgen beipflichten, handelt es sich um abnorme Lageverhältnisse des Fötus im Uterus, so daß die unteren Extremitäten in übermäßiger Flexions- und Adduktionsstellung sich entwickeln und das obere Femurende gewissermaßen an der Pfanne vorbeiwächst. Beim männlichen Geschlecht soll die Adduktion durch die äußeren Genitalien behindert werden, wodurch man das Überwiegen der Störung bei weiblichen Individuen erklären will. Eine Heilung dieser Zustände ist seit langer Zeit bereits angestrebt worden, aber erst seit etwa einem Dezennium hat sich die unblutige, daher ungefährliche Behandlung des Leidens durch methodische Einrenkung der Luxation und allmähliche Ausbildung eines genügend festen Gelenkes unter dem Einflüsse des physiologischen Wachstumsprozesses der Knochen vollkommen entwickelt, so daß gegenwärtig die Heilerfolge dieser, allerdings sehr langwierigen Kuren, im allgemeinen sehr befriedigende sind. Sie werden in der Klinik Gelegenheit haben, die Methoden, um deren Ausbildung sich besonders H o f f a und L o r e n z verdient gemacht haben, kennen zu lernen. Es liegt in ihrem Wesen, daß sie nur im Kindesalter, höchstens bis zum 10. Lebensjahre angewendet werden können. Bei älteren Individuen müßte man zu blutigen Eingriffen (operative Bildung einer Pfanne und Reduktion des Femurkopfes) seine Zuflucht nehmen.
G e l e n k e r ö f f n u n g und a k u t e t r a u m a t i s c h e der G e l e n k e .
Entzündung
Indem wir jetzt zu den Wunden der Gelenke übergehen, machen wir in bezug auf die Bedeutung der Verletzung einen ungeheuren Sprung. Während eine Kontusion und Distorsion der Gelenke von vielen Patienten kaum geachtet und eine Luxation jedenfalls nicht als gefährliche Affektion betrachtet wird, ist die Eröffnung des Synovialsackes mit Ausfluß von Synovia, mag die Wunde noch so klein sein, immer eine schwere, oft die Funktion des Gelenkes beeinträchtigende, in nicht seltenen Fällen eine für das Leben gefährliche Verletzung. Es macht sich hier wieder der schon früher bei Gelegenheit der Quetschungen erwähnte Unterschied zwischen subkutan verlaufenden und nach außen offenen, traumatischen Entzündungsprozessen geltend, den wir ja auch in dem Verhältnisse der subkutanen zu den offenen Frakturen haben hervortreten sehen. Dazu kommt aber noch, daß wir es hier bei den Gelenken mit geschlossenen, ausgebuchteten Säcken zu tun haben, in denen sich der einmal gebildete Eiter anstaut, und daß außerdem die Entzündung der serösen Häute in ihrem akuten Zustande häufig einen sehr schlimmen Einfluß auf das Gesamtbefinden der Verletzten ausübt, in günstigeren Fällen mindestens in sehr langwierige
284
Von den Verletzungen der Gelenke.
Prozesse ausgehen kann. Die Gefahren der Gelenkeröffnung waren schon den Ärzten des Altertums bekannt. Gegenwärtig weiß man, daß die Serosa der Gelenke des Menschen außerordentlich heftig auf die Infektion mit Eiterkokken reagiert, so daß die geringste Spur derselben, mit einem nicht aseptischen Instrumente in den Synovialsack eingeschleppt, sofort eine eitrige Entzündung hervorruft, während dieselbe Infektion etwa im subkutanen Bindegewebe vielleicht ganz wirkungslos bliebe. Dabei scheinen die großen Gelenke noch empfänglicher zu sein als die kleinen. Wir sprechen hier nur von einfachen Stich-, Schnitt- oder Hiebwunden der Gelenke ohne weitere Komplikation mit Verrenkungen und Knochenbrüchen und wählen als Beispiel das Kniegelenk, wobei jedoch bemerkt werden muß, daß die Verletzung gerade dieses Gelenkes als eine der schwersten Gelenkverletzungen überhaupt betrachtet zu werden pflegt. Ich glaube Ihnen am schnellsten ein Bild von dem fraglichen Prozesse zu geben, wenn ich einen Fall als Beispiel anführe. Es kommt ein Mann zu Ihnen, dor sich beim Behauen des Holzes eine 2 cm lange, wonig blutende Wunde neben der Patella zugezogen hat. Das ist vielleicht schon vor einigen Stunden oder schon am Tage vorher geschehen. Der Patient achtet die Verletzung wenig, will von Ihnen nur einen Rat in betreff eines passenden Verbandes. Sie betrachten die Wunde, finden, daß sie der Lage nach wohl der Kniegelenkkapsel entspreche, und sehen in ihrer Umgegend vielleicht etwas seröse, dünnschleimige, klare Flüssigkeit, welche bei der Bewegung des Gelenks in größerer Menge aus der Hautwunde hervortritt. Dieses Symptom wird Sie im höchsten Grade aufmerksam auf die Verletzung machen: Sie examinieren den Kranken und erfahren von ihm. daß gleich nach der Verletzung zwar nicht sehr viel Blut, doch eine Flüssigkeit, wie frisches Hühnereiweiß, ausgeflossen sei. In einem solchen Falle können Sie sicher sein, daß die Gelenkhöhle eröffnet ist. da sonst Synovia nicht ausgetreten sein könnte. Bei kleinen Gelenken ist freilich der Austritt von Synovia so gering, daß er kaum bemerkt wird, woher es denn kommt, daß man bei Verletzungen an den kleinen Fingergelenken, und auch selbst bei Verletzungen des Fuß-, Ellbogen- und Handgelenks einige Zeitlang zweifelhaft sein kann, ob die Wunde bis in die Gelenkhöhle penetriert oder nicht. Sie sehen zugleich aus dem angeführten Beispiele, daß die primären Symptome penetrierender Gelenkverletzungen sehr unbedeutend sein können; während ein Mensch mit einer subkutanen Fraktur des Unterschenkels durch den Schmerz und die Funktionsstörung gezwungen ist, sich als krank zu betrachten und ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann der von einer Kniegelenkwunde Betroffene ohne große Beschwerden umhergehen, die Empfindlichkeit der Wunde ist gering, die Blutung war vielleicht ebenfalls unbedeutend. — und so vereinigt sich alles, um dem Verletzten die Gefahr seines Zustandes nicht zum Bewußtsein
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
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kommen zu lassen. Bei gar keinem Tranina sind daher ungünstige Ausgänge so häufig, wie bei penetrierenden Gelenkwunden, und zwar auch heutzutage noch, trotz aller Errungenschaften der modernen Wundbehandlung. weil die Verletzung in der Regel vom Patienten vernachlässigt wird und. wenn sie nicht schon von Anfang an infiziert war. Zeit hat, es nachträglich zu werden. Um so schwerer ist die Schuld des Arztes, wenn auch er sich durch die anscheinende Bedeutungslosigkeit des Unfalls abhalten läßt, die geeignete Behandlung einzuleiten. Stellen Sie sich nun vor, es erfolge bei unserem Pateinten mit penetrierender Kniegelenkswunde überhaupt keine Behandlung; der Mann wird vielleicht noch ein paar Tage umherhinken, trotzdem das Bein ihm mehr und mehr Schmerzen verursacht. Gegen Ende der ersten Woche werden jedoch die Beschwerden so unerträglich, daß vom Gehen nicht mehr die Rede sein kann, aktive Bewegungen sind unmöglich, jede Berührung und Verschiebung des Gelenkes ist schmerzhaft: um sie zu vermeiden, fixiert der Kranke mit beiden Händen und mit dem gesunden Beine das verletzte Glied; die Gelenkgegend ist gerötet, sehr heiß anzufühlen, der ganze Unterschenkel und das Knie sind angeschwollen, ödematös. Die Gelenkwunde ist vielleicht, nachdem bereits trübe Synovia ausgeflossen war. wieder verklebt, oder aber es dauerte der Austritt von serös-schleimiger, allmählich den Charakter des Eiters annehmender Sekretion die ganze Zeit hindurch fort. Doch wenn auch das nicht der Fall ist, so deuten doch die Schwellung des Gelenks mit deutlicher Schwappung, die große Schmerzhaftigkeit, die gesteigerte Temperatur, das ödem des Unterschenkels, das Auftreten von Fieber auf eine akute, intensive Gelenkentzündung. D a in solchen Fällen das Glied nicht fixiert ist, so nimmt es nach und nach eine flektierte Stellung an, die sich im Kniegelenke bis zu einem vollständig spitzen Winkel steigern kann. — Sie werden später die Erklärung dieses eigentümlichen Phänomens, der Stellungsveränderung bei Gelenksaffektionen hören. Jetzt nimmt die Flüssigkeit im Gelenke rasch zu, die Spannung wird immer bedeutender, die Schmerzen immer unerträglicher, bis endlich, da die Hautwunde gewöhnlich für den Abfluß des Sekrets zu wenig Raum bietet, die Gelenkkapsel von dem Eiter perforiert wird, und derselbe sich in das umliegende Gewebe ergießt. E s kann auf diese Weise zu einer spontanen Ausheilung kommen, indem der Eiter in der Umgebung des Gelenkes rasch an die Oberfläche gelangt, sich nach außen entleert und die Eiterhöhle sich nun allmählich schließt. In solchen Fällen ist das endliche Resultat der Verletzung, wenn die akute Entzündung der Synovialis keine tiefgreifenden Zerstörungen angerichtet hat, noch verhältnismäßig günstig: das Fieber nimmt ab, sobald der Eiter entleert ist, die lokalen Entzündungssymptome mäßigen sich und schließlich heilen die Perforationsöffnungen und die ursprüngliche Gelenkwunde: es bleibt jedoch unter
286
Von den Verletzungen der Gelenke.
diesen
Umständen
immer
eine
gewisse
Steifheit
des Gelenkes
zurück,
und wenn seine fehlerhafte Stellung nicht korrigiert worden war. so kommt es schließlich zur Fixation des Kniegelenkes in der pathologischen Flexion, die Gelenkbänder, Sehnen und Fascien schrumpfen und es k a n n hierdurch der Gebrauch der betreffenden Extremität dauernd behindert sein.
Dieser
A u s g a n g wird um so wahrscheinlicher, je länger die Eiterung gedauert, je mehr die ursprünglich oberflächliche,
katarrhalische
Synovitis in die
Tiefe gegriffen hat und je mehr der akute Prozeß zu einem chronischen geworden ist. Die Fälle mit diesem A u s g a n g e sind jedoch noch nicht die schlimmsten und auch nicht die häufigsten.
In der vorantiseptischen Zeit w a r es fast
die Regel, daß die Eiterung, wenn sie einmal das Gelenk ergriffen hatte, unaufhaltsam weiterschritt und schließlich dasselbe g a n z zerstörte. heutzutage
kommen
noch
genug
solcher
trauriger
verletzung mit ungünstigem Verlaufe vor.
Fälle
D i e Eiterung
von
Auch Gelenk-
greift dabei zu-
nächst auf die Kapsel über, welche trotz der offenen Gelenkwunde ulcerieren kann,
der Eiter
so daß
E s bildet sich in einem deutlich
fluktuierende
in die Weichteile
um
das Gelenk
solchen Falle eine, gewöhnlich
durchbricht.
tiefliegende, un-
Geschwulst; drückt man auf diese oft ziemlich weit
von dem Gelenke entfernte Stelle, so entleert sich aus der Gelenkwunde mühsam eine reichliche Menge dünnen, eitrigen Sekretes.
Dabei
kann
noch immer ein Teil des Gelenkes, respektive ein Abschnitt des Synovialsackes von dem Prozesse freigeblieben sein, so daß Sie in demselben klare Synovia finden; es erklärt sich das aus dem Umstände, daß die einzelnen Taschen
und
Säcke
der
Gelenkhöhle
voneinander
durch
wirkende Falten der geschwollenen Synovialis mechanisch werden.
Ist aber
einmal
ventilartig
abgeschlossen
die ganze Höhle ergriffen, dann sind
gerade
jene blind endigenden, mit dem Synovialsacke kommunizierenden, Räume
und
gefährlich:
sog.
in
Zerstörung
das
umgebende
der
ganzen
auch
am
des
Eiters
sehr
ulzeriert.
und
denselben
Retention
Vereite-
Panarthritis".
durch
der
leichtesten
rung
werden
wegen
A l l g e m a c h kommt es auf diese Weise zu einer v o l l s t ä n d i g e n der
sie
Schleimbeutel
serösen
Synovialinembran
Gewebe
durchgebrochen
war,
hat man sich so vorzustellen, durch
die
Abszesse
ohne
gelangen
aus
der
und
Gelenkhöhle
daselbst
in
in
pyogenen das
mit
der
peri-
wieder Entzündung
in Eiterung hervorrufen; so erklärt es sich, daß direkte Kommunikation
den
Ihre Entstehung
daß die Eiterkokken oder ihre
Lymphwege
artikuläre Bindegewebe dem A u s g a n g e
Gefolge
Eiterherde
Weichteilen auf, die sog. p e r i a r t i k u l ä r e n A b s z e s s e . Produkte
im
Jetzt treten, selbst an Stellen, wo der Eiter nicht
Gelenkhöhle
mit
solche
bestehen
können, wenn sie auch späterhin durch Zerstörung der Gelenkkapsel mit der Synovialeiterung zusammenfließen.
A u c h in den benachbarten Sehnen-
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
287
scheiden kriecht nun der Eiterungsprozeß weiter, es bilden sich an verschiedenen Stellen Perforationsöffnungen nach außen hin: die ganze Extremität ist gewissermaßen wie ein Schwamm mit Eiter gefüllt, auf den leisesten Druck quillt derselbe aus allen möglichen Richtungen hervor: das Gelenk ist selbst durch Zerstörung der Kapsel und der Ligamente abnorm beweglich geworden, namentlich ist bei reinen Winkelgelenken die seitliche Verschiebbarkeit ein sehr bedeutsames Symptom. Dagegen ist jeder aktive Einfluß des Patienten auf das Gelenk verloren gegangen: die entzündlich infiltrierten, zum Teil vereiterten Muskeln kontrahieren sich kaum mehr. Daß bei solchen schweren lokalen Prozessen der Allgemeinzustand tief ergriffen sein muß, versteht sich von selbst. Vom Anfange der Gelenkeiterung an hat der Kranke kontinuierlich gefiebert: ein Fieber mit allabendlichen Exacerbationen bis zu 39.5 und darüber, andauernde Appetitlosigkeit, fortwährende Schmerzen und Mangel an Schlaf haben ihn in der 3. Woche so sehr heruntergebracht, daß er kaum wiederzuerkennen ist. Hat sich die Eiterung auf die Weichteile in die Sehnenscheiden usw. erstreckt, so treten nun auch wiederholte Schüttelfröste auf, die Züge des Gesichtes verfallen mehr und mehr, der Kranke wird teilnahmslos. stumpfsinnig, er klagt kaum mehr über Schmerzen, spricht dann und wann leise, unzusammenhängend vor sich hin. um bald wieder in einen unruhigen Halbschlummer zu verfallen, aus welchem er, wenn man ihn anredet, emporschreckt. Die Zunge ist trocken, bräunlich belegt, das Sprechen und Schlingen erschwert; nachts treten gewöhnlich Delirien auf. zum mindesten ist der Kranke äußerst unruhig. — Eine Heilung wäre nun allerdings selbst in diesem Stadium vom theoretischen Standpunkte aus denkbar, wenn die akuten Eiterungen aufhören, das Fieber nachlassen würde und der ganze Prozess in ein chronisches Stadium träte. Allein wie selten geschieht das in der Wirklichkeit! Gewöhnlich sind die Kranken so erschöpft, daß sie selbst bei einer günstigen Wendung der lokalen Affektion sich nicht mehr aufraffen können: sie gehen im höchsten Marasmus zugrunde. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt jedoch der Tod unter den Symptomen metastatischer Lungenabszesse! oder im Gefolge profuser, dysenterieartiger Diarrhöen, wohl auch zuweilen an den Erscheinungen einer Encephalitis und Meningitis suppurativa. Wir werden später über diesen, durch Allgemeininfektion des Organismus von einem Eiterherde bedingten Prozess eingehend zu sprechen haben. Betrachten wir nun die feineren, anatomischen Veränderungen, welche sich nach einer penetrierenden Wunde des Gelenkes entwickeln. Sie sind teils experimentell bei Tieren studiert worden, teils hat man sie durch Untersuchungen an der Leiche oder an amputierten Extremitäten beim Menschen erforscht. Die Erkrankung im Gelenke betrifft hauptsächlich, j a man kann sagen, in der ersten Zeit ausschließlich, die Synovialmembran.
288
Von den Verletzungen der Gelenke.
Diese stellt man sich, wenn man nicht beim Präparieren besonders darauf geachtet hat. wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gewöhnlich viel zu dünn und unbedeutend vor. Sie können sich jedoch leicht bei der Untersuchung eines Kniegelenkes überzeugen, daß dieselbe an den meisten Stellen dicker und saftiger ist als Pleura und Peritoneum, und von der fibrösen Gelenkkapsel durch eine lockere, subseröse, zuweilen sehr fettreiche Zellgewebsschicht getrennt ist, so daß Sie den Synovialsack eines Kniegelenks bis an die Knorpel leicht als eine selbständige Membran auslösen können. Die Synovialis besteht bekanntlich aus Bindegewebe, trägt an ihrer Oberfläche ein meist einfaches Endothel und enthält ein nicht unbedeutendes, der Oberfläche nahe liegendes Kapillarnetz; über die Lymphgefäße der Synovialmembranen liegen Untersuchungen von Hu e t er und T i l l m a n n s vor, nach welchen ein reiches Lymphnetz an der Oberfläche und ein zweites im subsynovialen Gewebe existiert. Die Oberfläche der Synovialis zeigt besonders an den Seitenteilen der Gelenke eine Menge von zottigen Fortsätzen mit ziomlich ausgebildeten oft sehr komplizierten
Kapillarschlingen. Die Synovialhäute teilen mit den übrigen serösen Membranen die Eigentümlichkeit, daß sie bei Reizung zunächst eine nicht unerhebliche Quantität von seröser Flüssigkeit absondern. Zu gleicher Zeit werden die Gefäße dilatiert und fangen an. nach der Oberfläche hin sich zu schlängeln: die Membran verliert dabei ihr glänzendes, glattes Aussehen und wird zuerst trüb, gelbrot, später immer intensiver rot und sammetähnlich auf der Oberfläche. Diese Veränderung rührt zunächst von der massenhaften Diapedese der roten Blutkörperchen her, die zugleich mit dem Serum aus den erweiterten Gefäßen austreten, dann aber, in einer späteren Periode, von den, in großer Anzahl neugebildeten Blutgefäßen, welche schlingenförmig und dichtgedrängt gegen die Oberfläche hinstreben und durch die Menge der feinsten, zottenartigen Fortsätze das sammetartige Aussehen der Membran bedingen. Man kann sich von dieser Tatsache überzeugen, wenn man die intensiv rote Synovialis unter Wasser bei Lupenvergrößerung untersucht: man bemerkt dann, wie die feinen Zotten flottieren.
sich ist
Nach einfachen, aseptischen Kontinuitätstrennungen
der Synovialmembran
auf
dünnes, fibrinöses
der
Oberfläche
ein
jedoch Infektion erfolgt,
einen
fibrinös-eitrigen
die
Wunde
bedeckendes,
so wird die Auflagerung
Charakter an.
viel beträchtlicher
In diesem Zustande ergibt die
bildet
Exsudat:
und
nimmt
mikroskopische
Untersuchung, daß das ganze Gewebe der Synovialis sehr reichlich von Zellen infiltriert ist. so daß es an der Oberfläche fast ganz aus kleinen runden Elementen von dem Charakter der Eiterkörperchen zu bestehen scheint.
In der unmittelbaren
Nähe
der
kolossal ausgedehnten Gefäße findet man die Anhäufung von Zellen besonders massenhaft, darunter auch sehr viele rote Blutkörperchen.
Die Auflagerungen
oder Pseudo-
membranen sind ganz aus kleinen runden Zellen zusammengesetzt, welche durch eine geronnene
fibrinöse
Substanz
verbunden
gehalten
werden.
Das
Bindegewebe
der
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
289
Membran hat seine streifige Beschaffenheit teilweise verloren und eine gallertigschleimige Konsistenz angenommen, so daß es eine groBe Ähnlichkeit mit der Intercellularsubstanz des Granulationsgewebes darbietet: in der trüben, mehr und mehr eiterähnlichen Synovia im Gelenke finden sich zuerst in geringer Menge, später immer mehr Eiterkörperchen vor. bis die Flüssigkeit allmählich ganz und gar den Charakter des Eiters annimmt. Noch etwas später ist die ganze Oberfläche der Synovialmembran so stark vascularisiert. daß sie auch für das freie Auge wie eine schwammige, wenig gekörnte Granulationsmasse erscheint.
Der Zustand, in welchen die Synovialmembran hierbei gerät, ist in seinen Anfangsstadien am meisten dem akuten Katarrh der Schleimhäute analog. So lange es sich dabei nur um Oberflächeneiterung ohne Erweichung des Gewebes (ohne Ulceration) handelt, kann die Membran zum Normalzustände zurückkehren; ist aber die Reizung so stark, daß nicht nur Pseudomembranen gebildet werden (die auch wieder zerfallen können), sondern daß das Gewebe der Synovialmembran p a r e n c h y m a t ö s e n t z ü n d l i c h erkrankt und selbst vereitert, dann kann nur Narbenbildung daraus resultieren. Dadurch verlöten die Wandungen der Synovialis miteinander und es kommt zur Steifheit des Gelenkes. — Wir haben vorher bei Schilderung eines typischen Falles von eitriger Kniegelenksentzündung angedeutet, daß auch in der Umgebung des Gelenkes Eiterherde durch Kokkeninvasion sich entwickeln, welche nicht mit dem Synovialsacke in Verbindung stehen. Diese p e r i a r t i k u l ä r e n A b s z e s s e kommen sowohl bei akuten wie bei den chronischen Gelenkentzündungen vor; sie haben bei beiden dieselbe Ätiologie — d. h. lokale Infektion durch bakterielle Substanzen, die aus der Gelenkhöhle stammen. Die Resorption derselben wirkt überdies ausnahmslos auf die Lymphdrüsen der nächsten Umgebung; dieselben schwellen an, werden empfindlich und können in außergewöhnlichen Fällen selbst vereitern. Auch die Lymphgefäße nehmen an der Entzündung teil, wie wir das später bei Gelegenheit der Lymphangioms besprechen wollen. — Der Knorpel reagiert erst spät auf den Entzündungsprozeß: seine Oberfläche wird getrübt, und wenn die Erkrankung recht akut ist, so fängt er an, zu feinen Molekülen zu zerfallen oder selbst in größeren Stücken nekrotisch zu werden, sich teilweise vom Knochen abzulösen, indem sich Entzündung und Eiterung zwischen Knorpel und Knochen (subchondrale Ostitis) einstellt. Durch Verwachsen der von Knorpel entblößten, granulierenden Gelenkenden der Knochen erfolgt zunächst eine bindegewebige Narbe, welche später verknöchert, so daß das (ielenk in der Stellung fixiert bleibt, welche es während des Entzündungsprozesses eingenommen hatte. Man nennt diesen Zustand A n k y l o s e . Damit ist die Beweglichkeit des Gelenkes dauernd aufgehoben. — Wenngleich das Knorpelgewebe mit seinen Zellen bei diesen Entzündungen morphologisch wohl nicht ganz untätig ist, so halte ich die Anteilnahme des Knorpels bei akuter Panarthritis im wesentlichen doch für einen B i l l r o t h — V. W i n i w a r t e r , Die »11g. chir. Path. u. Ther. 16. Aufl.
19
290
Von den Verletzungen der Gelenke.
vorwiegend passiven Erweichungsprozeß, eine Art von Maceration, bedingt durch die Einwanderung und Ausbreitung der Eiterkokken, wie sie sich unter ähnlichen Umständen an der Cornea bei starker Blennorrhoe und Diphtheritis der Conjunctiva findet. Es gibt überhaupt kaum zwei Teile des menschlichen Körpers, die in pathologischer Beziehung so viel analoge Verhältnisse darbieten, wie die Conjunctiva in ihrem Verhältnisse zur Cornea und die Synovialhaut in ihrem Verhältnisse zum Knorpel. Worin besteht nun die Therapie, wenn die Existenz einer penetrierenden Gelenkwunde konstatiert worden ist? Man muß in diesem Falle unterscheiden zwischen absolut frischen, durch ein anscheinend reines Instrument hervorgebrachten Verletzungen, die unmittelbar nach ihrem Entstehen in unsere Behandlung kommen, und solchen Gelenkwunden, die ohne Verband oder, was noch schlimmer ist, unter einem unzweckmäßigen Verbände schon durch mehrere Stunden oder Tage dem Kontakte mit den äußeren Medien ausgesetzt waren. Wird ein Verletzter zu Ihnen gebracht mit einer durch ein schneidendes oder stechendes Werkzeug verursachten Wunde, von der Sie entweder mit Bestimmtheit wissen, oder mit der größten Wahrscheinlichkeit vermuten, daß sie das Gelenk eröffnet hat. so untersuchen Sie zunächst, ob die Gelenkwunde von geringer oder großer Ausdehnung ist, ob keine fremden Körper in das Gelenk eingedrungen sind und ob die Blutung bedeutend war. Hierbei ist es von der größten Wichtigkeit, daß Sie selbst durch die Untersuchung nicht etwa eine Infektion der Gelenkwunde veranlassen. Berühren Sie dieselbe nicht, bevor nicht die Haut der Umgebung sorgfältig gereinigt und desinfiziert ist und vermeiden Sie überhaupt Instrumente oder den Finger selbst nach der genauesten Desinfektion in das Gelenk einzuführen, wenn es nicht absolut notwendig ist. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, ist die Serosa der großen Gelenke ungemein empfänglich für jede Infektion und es ist in solchen frischen Fällen, bei welchen nach den Symptomen angenommen werden kann, daß die Gelenkwunde aseptisch ist, angezeigt, sogar den geringfügigsten Anlaß einer Verunreinigung zu vermeiden, um so rasch als möglich die verletzten Weichteile zur Vereinigung zu bringen. Sie können es wagen, die Hautwunde durch einige tiefe Nähte genau zu schließen, darüber legen Sie einen typischen Okklusiwerband oder im Notfalle einen einfachen Watteverband an und komprimieren das Gelenk gleichmäßig. Ein Haupterfordernis der Therapie aller Gelenkwunden ist die absolute Ruhe und zwar nicht bloß etwa die Lagerung auf einer Schiene, sondern die Immobilisation der ganzen Extremität durch einen Gips- oder Organtinbindenverband mit Fournierholz. Das Glied wird in Elevation gebracht und so lange fixiert erhalten, bis die Weichteilwunde vollkommen geschlossen und das Gelenk absolut frei von Entzündung ist. Wenn Ihre Voraussetzung richtig und die Verletzung aseptisch war, so
Vorlesung 18.
291
Kapitel VII.
erfolgt eine vollkommene Heilung per primam der Gelenkwunde, ohne daß Sie irgendwelche anderweitige Mittel anwenden. Der ganze sog. antiphlogistische Heilapparat, der in früheren Zeiten bei einer solchen Gelegenheit in Tätigkeit gesetzt wurde: Blutegel, Schröpfköpfe, eine Eisblase usw. ist absolut nutzlos, wenn eine Infektion der Gelenkwunde stattgefunden hatte, und vollkommen überflüssig, wenn das nicht der Fall war. Im Inneren des Gelenkes findet in der Regel eine mäßige Vermehrung der Synovialsekretion statt, infolge welcher das Gelenk etwas anschwillt. Jedoch wird dieser akute seröse Erguß unter dem Einflüsse der gleichmäßigen Kompression rasch resorbiert und es kann bereits am Ende der ersten Woche das Gelenk wieder seinen normalen Umfang haben; der Patient, der während der ersten Tage ein Gefühl von Spannung und von Hitze an der Stelle der Verletzung empfunden und leicht gefiebert hatte, befindet sich zu dieser Zeit wieder ganz wohl, er verspürt keinen Schmerz. Selbst bei einem so ganz reaktionslosen Verlaufe rate ich Ihnen dringend, den immobilisierenden Verband nicht vor Ablauf der 4. Woche zu entfernen, und auch dann nur, wenn jede Spur von Schwellung und Empfindlichkeit verschwunden ist, und nun ganz allmählich und mit großer Vorsicht Bewegungen des Gelenkes zu gestatten. Diese Bewegungen, passive sowohl als aktive, sind im Anfange etwas empfindlich: das Gelenk ist durch die lange Ruhe steif geworden, die Muskeln sind etwas atrophiert. gewöhnlich fühlt man bei den ersten passiven Bewegungen ein leises Dieser Zustand verschwindet Knarren der Gelenkflächen aneinander. rasch unter dem Einflüsse einer methodischen, mit Vorsicht unternommenen Gelenkgymnastik, bei welcher die Massage sehr nützlich ist; außerdem wenden Sie laue Bäder mit kalter Regendouche, Einreibungen der Haut mit Spirit. camphorat., mit Liniment, ammoniac. etc., wohl auch die feuchte Wärme in Form hydropathischer Einwicklungen an. Ist die Verletzung so verlaufen, wie wir es geschildert haben, dann kehrt die Beweglichkeit des Gelenkes in kürzester Zeit vollkommen zur Norm zurück. Ganz anders ist die Sache, wenn die Gelenkwunde von Anfang an infiziert war, oder wenn bei einer stärkeren Blutung in die Gelenkhöhle durch die Bewegungen des Gliedes nach der Verletzung Luft in das Gelenk aspiriert wurde, so daß sich dieselbe mit dem Blute mengt. Es kann geschehen, daß bei einer ganz unbedeutenden Weichteilwunde, z. B. nach einer Stichverletzung mit einem unreinen Werkzeuge die Gelenkeröffnung gar nicht zu erkennen ist. Schließt man in solchen Fällen die Kontinuitätstrennung der Haut durch Nähte und leitet man die früher beschriebene Behandlung ein, so kann während der ersten 2 — 3 Tage der Verlauf anscheinend ganz glatt sein. Untersuchen Sie aber am 4. oder 5. Tage den Verletzten, so finden Sie eine gleichmäßige, sehr bedeutende Schwellung des Gelenkes, die Haut über demselben ist gerötet, heiß anzufühlen, die 19*
292
Von den Verletzungen der Gelenke.
Nähte, mittels welcher die Hautwunde geschlossen war. haben tief eingeschnitten. zwischen den Wundrändern ist vielleicht schon etwas dünner Eiter ausgetreten. Oder aber die Hautwunde ist oberflächlich verklebt: Sie entfernen die Suturen, und jetzt, bei dem leisesten Zuge, weichen die Wundränder auseinander und es ergießt sich aus dem Gelenke eine beträchtliche Menge einer trüben, mit Eiterflocken gemischten Synovia. Hat ein Bluterguß ins Gelenk stattgefunden bei gleichzeitigem Lufteintritte, dann zeigen sich gewöhnlich schon 24 Stunden nach der Verletzung intensive lokale und allgemeine Reaktionserscheinungen: das Gelenk ist gespannt, es schmerzt heftig, der Kranke fiebert, und wenn Sie die Verklebungen der Hautwunde lösen, so entleert sich eine schwärzlichrote mit Synovia gemischte, Blutcoagula enthaltende, Gasblasen führende, übelriechende Flüssigkeit. Diese letzteren Fälle sind die allergefährlichsten: es kann eine akute Verjauchung des Gelenkes erfolgen. Es fragt sich nun, in wie weit können wir den ungünstigen Ausgang einer infizierten oder wenigstens verdächtigen penetrierenden Gelenkwunde durch eine entsprechende Behandlung verhüten? Hat man eine frische Gelenkwunde vor sich, die offenbar durch Fremdkörper verunreinigt oder mit einem bedeutenden Blutergusse ins Gelenk kompliziert ist, dann muß die Gelenkhöhle durch einen oder zwei entsprechend lange Einschnitte eröffnet werden. In früherer Zeit, noch vor 3 0 Jahren, begnügte man sich nicht mit der Eröffnung des Gelenkes, sondern man führte wohl in solchen Fällen, wenigstens am Kniegelenk, eine primäre, totale Resektion oder sogar die Amputation des Oberschenkels aus. Heutzutage wären derartige Eingriffe bei einer einfachen, penetrierenden Wunde, wenn keine Zertrümmerung der Gelenkenden, etwa wie bei einer Schußverletzung vorhanden ist, absolut ungerechtfertigt, es sei denn, daß eine partielle Resektion zur Verhütung der Sekretverhaltung ausgeführt werden müßte. Wohl aber führt man in der Narkose die Gelenkeröffnung so breit aus, daß die ganze Synovialhöhle möglichst frei zugänglich wird, eventuell durch einen typischen Resektionsschnitt. Hierauf wird das Gelenk von seinem Inhalte, namentlich von dem, teils geronnenen, teils flüssigen Blute gereinigt, indem man es unter hohem Drucke mit Kochsalzlösung (7—9 pro mille) anfüllt, und nachdem die entsprechende Zahl kurzer, starker Drains eingeführt worden war, vereinigt man die Inzisionswunden zum größten Teile durch die Naht, appliziert einen typischen Verband, komprimiert kräftig und immobilisiert nicht nur das Gelenk, sondern das ganze Glied mittels eines Gips- oder eines Kleisterverbandes in der Stellung, welche bei etwa eintretender Gelenksteifigkeit die funktionell günstigste ist. Hat man es mit einer bereits im Zunehmen begriffenen Gelenkeiterung zu tun, oder hat sich trotz der Drainage Sekretverhaltung innerhalb des Gelenkes entwickelt, dann muß das infizierte Gewebe womöglich eliminiert
Vorlesung 18.
Kapitel VII.
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werden, um dem Fortschreiten des Prozesses Einhalt zu tun. Nach Applikation der E s m a r c h s c h e n Binde eröffnen Sie das Gelenk durch einen typischen Resektionsschnitt, gehen mit dem Finger in dasselbe ein und kratzen mittels des scharfen Löffels die eitrig zerfließenden Granulationen sorgfältig von der Innenfläche des Synovialsackes und aller seiner Buchten ab: für das Kniegelenk ist es das Beste, die Synovialis mit Schere und Pinzette zu exstirpieren, unter Schonung der Gelenkkapsel und der Bänder. Nun spalten Sie auch die vorhandenen periartikulären Abszesse und kratzen sie ebenfalls aus. In früherer Zeit glaubte man in solchen Fällen durch reichliche Irrigationen mit konzentrierten antiseptischen Lösungen (Karbolsäure 5 : 1 0 0 oder Sublimat 3 : 1 0 0 0 ) die Infektion coupieren zu können; das ist jedoch keineswegs der Fall — sie wird im Gegenteil, durch die schwere, chemische Schädigung des Gewebes geradezu begünstigt. Ich wende nur Durchspülungen mit Kochsalzlösungen an, um die Reste der abgeschabten Weichteile mechanisch zu entfernen. Hierauf werden sämtliche Hohlräume mit trockener steriler Krüllgaze gereinigt und die ganze Wundfläche, sowohl der Synovialis als der periartikulären Abszesse mit einem in flüssige Schmierseife (Sapon. kaiin. partes 2, Spirit. vini rectificat. partem 1) getränkten Gazebausch tüchtig eingerieben und endgültig abgespült. Sie führen dann sofort ein paar Drains an den geeigneten Punkten ein und tamponieren neben ihnen die Gelenkhöhle und die Abszesse mit Streifen von Jodoformgaze, applizieren einen großen antiseptischen Kompressivverband über das Gelenk und lösen erst jetzt die konstringierende Binde, während die Extremität in normaler Stellung durch Organtin- oder Gipsbinden und Fournierholz immobilisiert und in Elevation gelagert wird. Diese sehr eingreifende Operation hat in der Regel Erfolg: wenn Sie nach 48 Stunden den Verband wechseln, so finden Sie die Anschwellung sehr vermindert, die Krüllgaze ist von schwärzlichrotem Sekret imbibiert, aber ganz trocken: die in die Höhlen eingeführten Streifen von Jodoformgaze haften den Wundflächen fest an. Sie lassen sie vorläufig an Ort und Stelle und erneuern nur den Kompressiwerband. Erst beim zweiten Verbandwechsel, nach weiteren 3 — 4 Tagen beginnen sich die Streifen unter mäßiger Eiterung zu lösen, worauf eine lebhaft rote, gesunde Granulationsfläche zutage tritt. Indessen hat sich auch der Allgemeinzustand gebessert und der weitere Verlauf ist ein günstiger. Freilich folgt nach so schweren Gelenkeiterungen stets eine Steifheit des Gelenkes durch narbige Verwachsungen, welche auch verknöchern können, so daß eine vollständige Ankylose zustande kommt; allein man muß in solchen Fällen schon froh sein, wenn man überhaupt die Extremität erhalten konnte. Denn trotz aller eben erwähnten therapeutischen Maßregeln kommen denn doch dann und wann Fälle vor, die uns zur Amputation des erkrankten Gliedes nötigen. Ist die Eiterung aus irgendeinem Grunde nicht zu
294
Von den Schußwunden.
beherrschen gewesen, oder haben wir den Kranken erst in Behandlung übernommen, als schon jener traurige Zustand der Vereiterung aller Weichteile mit kontinuierlichem Fieber eingetreten war, den wir früher beschrieben haben, dann gibt es nur eine Hoffnung, den Kranken zu retten: die schleunige Amputation innerhalb des gesunden Gewebes. Die Amputation hat den großen Vorteil, daß sie im Momente selbst den Herd der Eiterung, von welchem die Infektion ausgeht, vollständig eliminiert. Auch ist der unmittelbare Effekt dieses Eingriffes oft ein geradezu wunderbarer: die Temperatur, die seit Wochen zwischen 39° und 40° geschwankt hatte, fällt am Abende nach der Operation bereits um 2—3 Grade, ja sie gelangt bis unter die Norm: der Allgemeinzustand bessert sich zusehends, die trockene, bräunlich belegte Zunge wird wieder feucht und reinigt sich, Appetit stellt sich ein, der Patient schläft ruhig, die Delirien verschwinden, der Gesichtsausdruck kehrt zur Norm zurück, — kurzum, nach zwei bis drei Tagen bereits ist der Amputierte kaum wieder zu erkennen. Gewöhnlich heilt auch die Operationswunde rasch, es sei denn, daß man nicht ganz innerhalb des gesunden Gewebes hatte operieren können. Freilich wird selbst dieses letzte Heilmittel resultatlos bleiben, wenn die eitrige Allgemeininfektion bereits allzu eingreifende Zerstörungen angerichtet hat, oder wenn der Kranke zu sehr erschöpft ist: es tritt dann zwar momentane Besserung ein, aber sie ist nicht von Dauer, und der Tod erfolgt nach kurzer Zeit.
Vorlesung 19. Kapitel VIII.
Von den Schlißwunden. Historische Bemerkungen. Verletzungen durch grobes Geschütz. — Die modernen Handfeuerwaffen und ihre Wirkungen. — Verschiedene Formen der Schußwunden durch Gewehrprojektile. — Explosivkugeln. Indirekte Geschosse. — Schrotschüsse. — Blutung. Infektion. — Behandlung der Schußverletzungen im Kriege. — Transport und Sorge für die Verwundeten im Felde.
Meine Herren! Es kommen im Kriege eine gewisse Zahl von Verletzungen vor durch „blanke Waffen", wie man zu sagen pflegt, d. h. durch Hieb- und Stichwaffen, Verletzungen, welche den Schnitt-, Hieb-, Stich- und Quetschwunden beizuzählen sind: die unverhältnismäßig häufigeren Schuß Verletzungen müssen zu den Rißquetschwunden gerechnet werden; sie haben aber so vieles eigentümliche, daß sie eine besondere Besprechung verdienen,
Vorlesung 19.
Kapitel VIII.
295
wobei wir denn, wenn auch nur ganz kurz, das Gebiet der Kriegschirurgie überhaupt berühren müssen. So lange Schußwaffen im Kriege gebraucht werden (seit 1338), sind die Schußwunden von den chirurgischen Schriftstellern speziell abgehandelt worden, so daß die Literatur über diesen Gegenstand sehr bedeutend angewachsen ist: j a es hat sich die Kriegschirurgie in neuerer Zeit als ein besonderer Zweig der Chirurgie selbständig gemacht, indem sie vor allem die speziellen Verhältnisse, unter welchen sich im Kriege die Pflege der Verwundeten vollziehen muß, berücksichtigte. — Obgleich die Römer, wie wir in der Einleitung erwähnt haben, bereits vom Staate angestellte Ärzte bei dem Heere hatten, wurde es doch im Mittelalter mehr Sitte, daß jeder Heerführer eines Fähnleins privatim einen Arzt mit sich nahm, welcher, wenn auch in sehr unvollkommener Weise, mit einem oder mehreren Gehülfen die Soldaten nach der Schlacht verband, dann aber gewöhnlich mit dem Heere weiter zog und die Verwundeten der Pflege mitleidiger Leute oder den Klöstern aberließ, ohne daß der Heerführer oder der Staat dafür eine Garantie übernahm. Erst mit der Einrichtung der stehenden Heere wurden den einzelnen Bataillonen und Kompagnien bestimmte Ärzte zugeteilt und die Pflege der Verwundeten durch allerdings noch sehr unvollkommene Maßregeln und Einrichtungen geordnet. Die Stellung der Militärchirurgen war damals eine ganz unwürdige und unerhörte: so wurde noch zur Zeit des Vaters Friedrichs des Großen der Feldscheer öffentlich durchgeprügelt, wenn er einen von den langen Grenadieren sterben ließ. Zu jener Zeit, als noch die Truppen im Parademarsch dem Feinde entgegen in die Schlacht marschierten, war die ganze Bewegung des Heeres eine enorm langsame und schwerfällige; es bestand ein kolossaler Train bei den großen Armeen, im 30jährigen Kriege z. B. führten die Landsknechte häufig ihre Weiber und Kinder auf einer unzählbaren Reihe von Wagen mit; so trat denn auch in den zum Train gehörigen ärztlichen Einrichtungen kein Bedürfnis zu einer leichteren Beweglichkeit hervor. Durch die Taktik, welche Friedrich der Große ausbildete, wurde eine größere Beweglichkeit des schwerfälligen Trains notwendig, die jedoch erst in der französischen Armee unter Napoleon systematisch zur Entwicklung kam. So lange ein kleines Ländchen oder eine Provinz fast während des ganzen Feldzuges Kriegsschauplatz blieb, mochte die Einrichtung einzelner großer Lazarette in nahe gelegenen Städten genügen. Als aber die Heere rasch nacheinander vorrückten, bald hier, bald dort eine Schlacht geschlagen wurde, ergab sich die Notwendigkeit, leichter bewegliche, sogenannte Feldlazarette zu besitzen, welche sich nicht weit entfernt vom Schlachtplatze befanden und mit Leichtigkeit bald hier, bald dort aufgerichtet werden konnten. Diese Ambulanzen oder fliegenden Feldlazarette sind die Schöpfung L a r r e y s , eines der größten französischen Chirurgen der
296
Von den Schußwunden.
Neuzeit, welcher alle Feldzüge Napoleons I. mitgemacht und in seinen Memoiren vom kriegschirurgischen Standpunkte aus geschildert hat. Ich empfehle Ihnen zur Lektüre ganz besonders die Berichte über die Kampagnen in Ägypten und in Rußland, schon deshalb, damit Sie eine Vorstellung davon haben, wie es vor hundert Jahren im Kriege selbst bei den zivilisierten Nationen zuging und daraus ermessen können, welcher kolossale Unterschied zwischen den damaligen und den gegenwärtigen Zuständen besteht. Man unterscheidet die Schußverletzungen im allgemeinen in solche, welche durch große Geschosse (Kartätschen, Granaten, Shrapnels, Panzergeschosse usw.). durch Kugeln und durch Schrot hervorgebracht werden. Die großen Geschosse werden ausschließlich durch Artilleriewaffen geschleudert: die kleinen Geschosse teils durch besonders konstruierte Kanonen, die in der Mitte stehen zwischen Artillerie- und Handfeuerwaffen (die sog. Schnellfeuerkanonen und die Maschingewehre), teils durch Gewehre, Karabiner, Pistolen, Revolver; Schrotladungen sind nur für Jagdgewehre im Gebrauch. In Friedenszeiten kommen vorzugsweise Verletzungen durch Pistolen, Revolver und Jagdwaffen zur Beobachtung: nur ausnahmsweise solche, die durch Armeegewehre mit scharfen oder sog. Exerzierpatronen erzeugt wurden. Die Wunden, welche durch die großen Geschosse entstehen, durch Granaten, Bomben. Shrapnels, Kartätschen und wie diese Mordwerkzeuge sonst heißen mögen, sind zum Teil derart, daß sie unmittelbar töten, in anderen Fällen ganze Extremitäten abreißen oder wenigstens so zerschmettern, daß nur von einer Amputation die Rede sein kann. Die ausgedehnten Zerreißungen und Zerquetschungen, welche durch diese Geschosse entstehen, unterscheiden sich im wesentlichen nicht von anderen großen Quetschwunden, wie sie durch Maschinenverletzungen in der jetzigen Zeit nur allzuhäufig auch in der Zivilpraxis vorkommen. Die modernen Handfeuerwaffen der zivilisierten Nationen unterliegen steten Veränderungen, durch welche man die möglichste Vollkommenheit inbezug auf Treffsicherheit, Tragweite und Intensität der Wirkung zu erlangen bestrebt ist. Während die letzten Kriege in Europa noch mit gezogenen Hinterladergewehren verschiedener Systeme, mit zylindro-spiralen Spitzkugeln von 11 mm Durchmesser, und 20—31 g Gewicht ausgefochten wurden, hat sich seit dem Jahre 1886 eine durchgreifende Änderung in der Konstruktion der Feuerwaffen der mächtigsten Militärstaaten Europas vollzogen, eine Änderung von fundamentaler Bedeutung für den modernen Krieg. Statt der früheren Systeme (Zündnadel, Chassepot, Snider, HenryMartini, Werndl) wurde allgemein eine S c h n e l l f e u e r w a f f e , das Repetiergewehr eingeführt, ein wahres Präzisionsinstrument, wobei gleichzeitig das Kaliber des Geschosses vermindert (auf 5—8 inm Durchmesser und 10—15 g
Vorlesung 19.
Kapitel VIII.
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Gewicht), und durch die Verwendung eines neuen, des sog. rauchschwachen Pulvers (aus Nitrocellulose) die Geschwindigkeit (620—850 Meter in der Sekunde) und die lebendige Kraft des Projektils wesentlich gesteigert wurde. Die Durchschlagskraft der modernen Geschosse übertrifft die der früher üblichen um das 5 — 6 fache, so daß sie in einer Entfernung von 1000 Schritt noch Eisenplatten von 2 mm Dicke durchbohren (P. B r u n s ) . Während jedoch die alten Bleiprojektile bei dem Eindringen in den Körper an den Knochen plattgedrückt, wohl auch zerrissen wurden, so daß man ihre Gestalt an dem unförmlichen Bleiklumpen nicht mehr erkennen konnte, bleiben die neuen, mit Stahl oder Kupfer umgebenen Mantelgeschosse aus Hartblei nahezu unverändert. Dabei ist die Erschütterung in der Umgebung der getroffenen Stelle eine viel geringere, und ihre Sprengwirkung ebenfalls weniger intensiv als die der Bleiprojektile, außer bei Schüssen aus geringer Entfernung. — Schießt man z. B. mit einem älteren Gewehre auf einen Holzblock, so findet man einen Schußkanal, der sich von der Einschußöffnung aus kegelförmig erweitert bis zum Vierfachen des Kalibers der Kugel; ein Schuß aus den neuen Gewehren erzeugt hingegen stets einen gleichmäßig zylindrischen Kanal, dessen Durchmesser kaum so groß ist als der Querdurchmesser des Projektils. Im allgemeinen sind die Verletzungen durch das kleinkalibrige Geschoß selbst auf große Distanzen glatter und regelmäßiger als die von den älteren Weichbleikugeln verursachten; dafür besitzt es eine viel größere Durchschlagskraft, kann also mehrere lebende Körper durchbohren, und trägt mehr als doppelt so weit als die Großkaliber, sodaß es noch auf Entfernungen von 4 km den Mann kampfunfähig macht. Nach genauen Versuchen muß die Zahl der Verwundeten im Kriege zunehmen; das Verhältnis der Toten zu den Verletzten ist ungefähr wie 1 : 3 , d. h. es kommen 2 5 ° o Todesfälle auf dem Schlachtfeld vor, bei geringer Entfernung sogar 5 0 % . Dagegen haben die Erfahrungen in den letzten Kriegen ergeben, daß die nachträgliche Sterblichkeit der auf dem Schlachtfelde Verwundeten sich ungemein reduziert hat, etwa auf 1/io der Summe, welche in früheren Zeiten vorkam. Überdies sind auch die verstümmelnden Verletzungen sehr viel seltener geworden. Ich will Ihnen nun in Kürze die typischen Verletzungen durch das kleinkalibrige Geschoß schildern. In einer Reihe von Fällen macht die Kugel gar keine Wunde, sondern es entsteht nur eine Q u e t s c h u n g der Weichteile mit starker Sugillation und zuweilen mit subkutanem Knochenbruch verbunden, meist durch matte Kugeln, d. h. durch solche, die aus sehr großer Entfernung kommen und nicht mehr die Kraft besitzen, die Haut zu perforieren. Eine solche Kugel, die Lebergegend treffend, kann z. B. die Bauchhaut handschuhfingerförmig vor sich hertreiben, einen Eindruck oder eine Ruptur in der Leber veranlassen und dann nach außen
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zurückfallen, ohne daß eine äußere Verwundung entsteht. Andere solche Quetschungen sind bedingt durch Kugeln, welche stark seitlich unter einem sehr stumpfen Winkel die Hautoberfläche treffen. Feste Körper können ebenfalls das Eindringen der Kugel verhindern, etwa ein Taschenbuch, Geldstücke, Lederteile der Uniform usw. Diese Art von Quetschverletzungen, die, wenn sie den Unterleib oder den Thorax treffen, von sehr bedenklichen Folgen sein können, haben von jeher die Aufmerksamkeit der Ärzte und Soldaten auf sich gezogen: man betrachtete dieselben früher allgemein als „Luftstreifschüsse", d. h. als Quetschungen, welche angeblich durch den abnormen Luftdruck hervorgebracht würden, den eine in unmittelbarer Nähe des Körpers vorbeifliegende Kugel erzeugen sollte. Heutzutage ist dieser Irrtum aufgeklärt. Der zweite Fall ist der, daß die Kugel nicht tief in die Weichteile eindringt, aber einen Teil der Haut von der Oberfläche des Körpers mit fortnimmt, so daß eine mehr oder weniger tiefe Hohlrinne, ein sogenannter S t r e i f s c h u ß , entsteht.
Dicso Art von Schußvcrlctzung ist jcdonfalls eino
der leichtesten, wenn nicht, wie es am Kopfe geschehen kann, zugleich auch der Schädel oberflächlich durch die Kugel gestreift ist, und etwa Stücke von Blei in den Knochen zurückgeblieben sind. Der dritte Fall wäre der, daß die Kugel in den Körper eintritt, ohne an einer anderen Stelle wieder herauszutreten: sie bleibt gewöhnlich in den Weichteilen, seltener im Knochen stecken. Es entsteht eine röhrenförmige Wunde, ein b l i n d e r S c h u ß k a n a l . In diesen können verschiedene andere fremde Körper mit hineingerissen werden, z. B. Teile der Uniform, Fetzen von Tuch, Knöpfe, Lederstücke usw.; außerdem kann ein Knochen zersplittert werden, wobei die Knochensplitter in die Weichteile hineingetrieben werden und dieselben in der Tiefe zerreißen. Dieses Mitreißen von Fremdkörpern und Splittern des Knochens kommt bei den modernen Mantelgeschossen viel seltener vor, als bei dem Weichblei und bedeutet einen entschiedenen Vorteil in bezug auf den Heilungsverlauf. Zuweilen fällt die Kugel aus derselben Öffnung wieder heraus, durch die sie eingedrungen war. Der vierte Fall endlich ist der, daß die Kugel an einer Stelle eintritt und an einer anderen wieder herausgeht. Dann hat man einen perforierenden Schußkanal mit Eingangs- und Ausgangsöffnung, einen sogenannten H a a r s e i l s c h u ß . Der Einschuß entspricht im ganzen dem Kaliber des Projektils, oft ist er kleiner, selten größer. Dies rührt dann daher, daß die Kugel in querer oder schräger Stellung die Körperoberfläche getroffen hatte (sog. Querschläger). Der Schußkanal ist meistens geradlinig, selten zickzack- oder bogenförmig. Letztere Eigentümlichkeit kommt bei den sog. Konturschüssen vor, wenn die Kugel den Schädel oder den Thorax in sehr schräger Richtung getroffen, aber nicht perforiert hatte und nun
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längs seiner Oberfläche fortgleitet, um schließlich auf der entgegengesetzten Seite auszutreten. Die Ausschußöffnung ist in der Regel etwas größer als der Einschuß; je kleiner das Kaliber, desto geringer ist der Unterschied, so daß die beiden Öffnungen kaum voneinander zu unterscheiden sind. Viel größere Ausschüsse entstehen bei Querschlägern und besonders, wenn die Kugel zermalmte Knochensubstanz vor sich ausgetrieben hatte. Teilung des Projektiles in mehrere Stücke, also mehrfache Austrittsöffnungen kommen bei den Mantelgeschossen nur ausnahmsweise vor. Der SchußFig. 65.
Schußfraktur des Unterschenkels durch ein kleinkalibriges Vollmantelgeschoß (nach Küttner). Links die äußere Ansicht, mit der kleinen, lochförmigen Einschußöffnung. Rechts dieselbe Extremität im Röntgenbilde. Beide Knochen sind gebrochen; an der Tibia setzen sich die Bruchlinien nach oben und unten fort: daneben mehrere abgetrennte Splitter.
kanal in den Weichteilen enthält nebst Blutgerinnseln und Gewebstrümmern zuweilen die früher erwähnten Fremdkörper, die aber so klein und so disaggregiert sein können, daß man erst bei der mikroskopischen Untersuchung z. B. Fasern der Wäsche, Papierfetzen usw. erkennt. Uber die Geschoßwirkung der neuen kleinkalibrigen Gewehre haben D e l o r m e , C h a u v e l , P. B r u n s u. v. a. Versuche an menschlichen Leichen angestellt, über deren Resultate ich Ihnen wenigstens kurz berichten will.
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^ o n den Schußwunden.
Bis auf eine Entfernung von 400 ni (sog. Nahschüsse) zeigen die Schüsse gewöhnlich sehr kleine Ein- und Ausschußöffnungen, die Weichteile werden durch einen dem Durchmesser des Projektils entsprechenden Schußkanal durchbohrt, ohne stärkere Zertrümmerung des Gewebes, platte Knochen einfach perforiert, die Röhrenknochen jedoch stets in Splitter frakturiert: der Schädel wird durch den Sprengeffekt des Geschosses förmlich zertrümmert. Auf mittlere und weite Entfernungen (400—1200 m) fehlen die Erscheinungen der Explosivwirkung vollständig, die Wunden sind nicht groß und von glatten, kaum gequetschten Wandungen begrenzt. An den Fig. «5.
Schußwunde des Unterschenkels, durch ein Hohlspitzengeschoß erzeugt (nach K ü t t n e r ) . Links die äußere Ansicht, welche die furchtbare Zerstörung der Weichteile zeigt. Rechts dieselbe Extremität im Röntgenbild. Die beiden Knochen sind in eine Menge spitziger Fragmente zerspittert. Zwischen ihnen sind die Bruchstücke der Explosivkugel sichtbar.
Knochen zeigen sich Rinnen- und Lochschüsse, mit einzelnen Zersplitterungen, — wobei jedoch die Splitter häufig durch das Periost noch zusammenhängen — oder ganz ohne dieselben. Die Eintrittsöffnung des Schußkanals bildet einen kreisförmigen Defekt von 5 mm Durchmesser, die Austrittsöffnung einen einfachen, 6—7 mm langen Schlitz. Nur ausnahmsweise geschieht es, daß Projektile oder Bruchstücke derselben im Körper zurückbleiben. wohl aber wurden Fragmente der Kleidung, die von der Kugel wie mit einem Locheisen ausgeschlagen und mitgerissen wurden, innerhalb
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der Wunde vorgefunden. Schüsse aus nächster Nähe, wie sie im Kriege sehr selten, im Frieden bei Selbstmorden und Unglücksfällen vorkommen, bewirken sehr ausgedehnte Zerstörungen, als ob sie durch sog. Explosivgeschosse hervorgebracht worden wären. Es gibt nämlich derartige echte Explosivgewehrkugeln, deren Mantel an der Spitze eine Öffnung hat oder bei welchen innerhalb des Mantels an der Spitze ein Hohlraum existiert (sog. Hohlspitzengeschosse), so daß sie beim Aufschlagen aus geringer Entfernung in mehrere Stücke zerrissen werden. Ihre Verwendung ist wenigstens in den Kriegen zivilisierter Völker durch die Haager Friedenskonferenz (1899) neuerdings als „völkerrechtswidrig und inhuman" verboten worden. Die Komplikation der Schußwunden mit Pulververbrennung, wie sie bei Schüssen aus allernächster Nähe („ä bout portant") erfolgt, hauptsächlich bei Unglücksfällen, Mord- und Selbstmordversuchen durch Erschießen, ist nicht selten, besonders wenn die Kleider durch den Schuß Feuer gefangen haben. Die Kohlenpartikclchen des Pulvers dringen häufig in die Oberfläche der Cutis und heilen hier sehr fest ein, so daß die verbrannten Hautpartien für die ganze Dauer des Lebens eine grau-schwärzliche Färbung behalten. Außer dem Projektile und den Pulverkörnern können auch andere Fremdkörper durch die Explosion der Zündmasse oder durch den Anprall eines Geschosses in Bewegung gesetzt werden und in den Körper eindringen. Die verschiedenartigsten Gegenstände, Stein-, Kohlenund Holzfragmente, Bestandteile der Patrone und des Gewehres, Monturund Kleidungsteile, selbst abgesprengte Knochenstücke usw. kommen als sog. i n d i r e k t e G e s c h o s s e zur Beobachtung. Besonders intensiv ist die Wirkung dieser indirekten Geschosse bei den kleinkalibrigen Feuerwaffen, wenn die Kugeln aus mäßiger Distanz auf Steine, Mauerwerk usw. aufschlagen und von da ricochetieren (sog. Aufschläger): der Effekt ist fast der eines explodierenden Artilleriegeschosses. Die Projektile der Pistolen und Revolver veranlassen, wenn ihr Kaliber gering ist, die verhältnismäßig leichtesten Schußverletzungen, es sei denn, daß sie direkt lebenswichtige Organe getroffen haben, weil sie häufig vom Knochen abgleiten, statt ihn zu durchbohren und weil der enge Schußkanal sich vermöge der Elastizität der Gewebe, besonders der Haut, sofort schließt: auch heilen die kleinen Kugeln nicht selten reaktionslos ein. In Friedenszeiten sind Verletzungen durch Schrotschüsse nicht selten. Bei Fernschüssen wirkt dabei jedes Schrotkorn als isoliertes Projektil und man findet in der allgemeinen Decke eine verschieden große Zahl kleiner, bläulich gefärbter, spaltförmiger oder rundlicher Öffnungen, während die Bleikörner nicht selten durch die Haut durchzufühlen sind. J e größer die Distanz, aus welcher das Gewehr abgefeuert worden war, desto mehr „streut" das Schrot, d. h. desto größer ist die Distanz der einzelnen
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Kontinuitätstrennungen der Haut voneinander: jede bezeichnet die Eingangsöffnung eines Schußkanals, dessen Länge der Penetrationskraft des Projektils entspricht. Bei Nahschüssen findet man eine einzige, große, unregelmäßige Eingangsöffnung, welche in eine umfangreiche, von zerrissenem Gewebe ausgekleidete Wundhöhle führt; gleichzeitig bestehen zahlreiche Ausschußöffnungen. Es kann aber der Ausschuß selbst mit dem Einschuß zusammenfallen, so daß ein förmliches Loch durch den Körper geschossen wird. Die Zerstörung ist dabei eine furchtbare, besonders gefährlich durch die Blutung und die Durchlöcherung und Zerreißung der inneren Organe. Vor kurzem wnrde ein Mann in meine Klinik gebracht, dem beim Reinigen eines Jagdgewehres die Schrotladung in das Abdomen gedrangen war. Außer einer oberflächlichen Verbrennung der Haut fänd sich in der Linea alba unterhalb des Nabels ein runder, wie mit dem Locheisen ausgeschlagener Substanzverlust der Bauchdecken von etwa 5 cm Durchmesser, durch welchen ein faustgroßes Konvolut vielfach durchlöcherter Darmschlingen vorgefallen war. Neben demselben floß dunkles Blut mit Darminhalt gemengt aus der Bauchhöhle aus. Der Verletzte war bei vollem Bewußtsein und klagte über heftige Schmorzon; dor Tod orfolgto einige Stunden nach dem Unfälle. Di«* Sektion konstatierte eine vielfache Durchlöcherung der Gedärme innerhalb der Bauchhöhle; eine Dünndarmschlinge war vollkommen von ihrem Mesenterium abgelöst und an zwei Stellen fast kreisförmig durchgerissen; die Schrotkörner saßen in der Wirbelsäule und in den Weichteilen der hinteren ßauchwand. — Ein anderer Fall von Schrotschuß betraf einen älteren Mann, der, um sich zu töten, eine Jagdflinte gegen die linke Brustseite abgefeuert hatte. Das Herz war verschont geblieben, dafür bestand ein mindestens zweifaustgroßes Loch der linken Pleurahöhle, in deren Grund die retrahierte Lunge lag; die Luft strömte wie aus einem Blasebalg aus und ein, mit einem gurgelnden Geräusch, veranlaßt durch den Bluterguß: bei Hustenstößen trat jedesmal ein Schwall von Blut aus der Höhle hervor. Der Verletzte lebte 3 Stunden lang.
Ähnlich wie Schrot, aber noch schwächer wirken Sand, Salz, Steinchen usw.. die zuweilen als Ladung verwendet werden. Selbstmörder füllen den Lauf der Waffe nicht selten mit Wasser, wodurch eine explosive Wirkung des Schusses mit vollständiger Zermalmung der Teile herbeigeführt wird. Der Schmerz ist bei einer Schußverletzung fast gleich Null: die Geschwindigkeit, mit welcher die Verletzung erfolgt, ist eine so große, daß der Verletzte nur einen Schlag von der Seite her empfindet, von der die Kugel kommt, und erst später die blutende Wunde bemerkt und den eigentlichen Wundschmerz empfindet. Es existiert eine große Anzahl von Beispielen, daß Kämpfende einen Schuß, zumal an den oberen Extremitäten erhalten hatten und dessen so wenig bewußt waren, daß sie erst von anderen auf die Wunde aufmerksam gemacht wurden. Die Blutung ist bei den Schußwunden wie bei den Quetschwunden in der Regel geringer, als bei den Schnitt-, Hieb- und Stichwunden, indes würde man doch sehr irren, wenn man glaubte, daß die zerschossenen größeren Arterien nicht bluten; vielmehr bleibt eine große Menge Soldaten
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auf dem Schlachtfelde, weil sie ihren Tod durch schnelle Verblutung aus größeren Arterienstämmen finden. Gegenwärtig sind die Verblutungen wenigstens aus Extremitätenwunden bei dem Kleinkaliber viel seltener als früher, weil eine vollständige Durchtrennung der Arterienstämme nur bei Nahschüssen und bei Querschlägern vorzukommen pflegt, und es sich in der Regel um seitliche Verletzungen des Gefäßrohres handelt; auch wirkliche Durchbohrungen werden zuweilen beobachtet. Das Blut tritt allerdings in das Gewebe aus, aber die Hautwunde ist zu klein, verzieht sich auch wohl durch Lageveränderung der Teile, so daß die Blutung nicht nach außen erfolgen kann. So bildet sich dann ein sog. traumatisches Aneurysma aus und der Verwundete verblutet sich nicht. Übrigens haben bereits vor Jahrhunderten die Chirurgen darauf aufmerksam gemacht, daß gelegentlich durchschossene Arterien, selbst vom Durchmesser einer Femoralis, absolut nicht bluten. Im Gegenteil kann unter unglücklichen Umständen durch ein ganz kleines Projektil der Verblutungstod herbeigeführt werden. Ein junger Mann wurde aus einer Entfernung weniger Meter von der kleinen Kugel eines Lefaucheux-Zimmergewehres in die Schenkelbeuge getroffen; die Arterie femoralis war durchschossen und der Verletzte starb, bevor Hilfe zur Stelle kam.
Eine wichtige Frage ist die. ob die Schußverletzungen im allgemeinen als bakteriell infiziert anzusehen sind. Nach den Untersuchungen und Experimenten von L a g a r d e , M e s s n e r , H a b a r t , Tavel u. a. unterliegt das Faktum an und für sich keinem Zweifel, besonders bei Gegenwart von verunreinigten Fremdkörpern im Schußkanal. Trotzdem heilen diese Wunden, wie die Erfahrungen der letzten Jahre bewiesen haben (im russisch-türkischen Krieg, in Kuba, in Südafrika usw.) wenn sie nicht sekundär infiziert werden und keine großen Hautverletzungen vorliegen, in der Regel ohne Eiterung, und zwar offenbar deshalb, weil die mit dem Projektil eingeschleppten Mikroorganismen nicht virulent und nicht zahlreich genug sind. Wir kommen auf diesen scheinbaren Widerspruch zwischen Theorie und Praxis noch zurück. Ober die B e h a n d l u n g der S c h u ß w u n d e n haben sich im Laufe der Zeit die Ansichten außerordentlich verschieden gestaltet, je nachdem man dieselben von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtete. Die ältesten Chirurgen, von welchen uns darüber Mitteilungen vorliegen, hielten die Schußwunden für vergiftet und glaubten demzufolge, daß sie mit glühendem Eisen oder siedendem öle ausgebrannt werden müßten, um das Pulvergift zu zerstören. Der erste, welcher dieser Ansicht mit Erfolg entgegentrat, war A m b r o i s e P a r é , den Sie schon von den Unterbindungen her kennen. Er erzählt, daß ihm beim Feldzuge nach Piemont (1636) das ö l zum Ausbrennen der Wunden ausgegangen sei, und daß er nun erwartet habe, daß alle Verletzten, die nicht nach den damaligen Regeln der Kunst behandelt werden konnten, sterben würden. Das sei aber nicht geschehen, vielmehr hätten sich die letzteren viel besser befunden, als die wenigen Auserwählten, bei denen er noch den Rest seines Öls verbraucht hatte. So befreite ein glücklicher Zufall die Chirurgie schon ziemlich früh von diesem Aberglauben. Später beobachtete man ganz richtig, daß eine der Hauptschwierigkeiten bei
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dem Heilungsprozeß der Schußwunden in der großen Enge des Schußkanals liege und suchte diesem Umstände dadurch entgegenzuwirken, daß man die Wunde mit Charpie oder Enzianwurzel, sog. Quellmeißeln, vollständig ausstopfte, um eine allmähliche Erweiterung des Schußkanals und hierdurch einen leichteren Abfluß des Wundsekrets zu bewirken. Verständige Chirurgen sahen jedoch bald ein, daß dadurch der in der Tiefe angesammelte Eiter noch weniger ausfließen konnte. Auch hatte sich bereits die richtige Ansicht Bahn gebrochen, daß die Schußwunde eine röhrenförmige Quetschwunde sei. Diesen Umstand suchte man nun wieder auf eine sonderbare Weise zu verbessern, indem man als allgemeine Schulregel aufstellte, daß jeder oberflächliche Schußkanal vollständig gespalten, die Öffnung eines in die Tiefe führenden Kanals durch einen oder mehrere Einschnitte erweitert werden müsse: man begründete dies durch die Behauptung, daß durch diese Einschnitte die Quetschwunde in eine einfache Schnittwunde verwandelt würde, während man doch eigentlich der Schußwunde noch eine Schnittwunde hinzufügte. Etwas anderes war es freilich, wenn man den Rat gab, einen Schußkanal ganz auszuschneiden, die Wunde durch Nähte und Kompression zu schließen, um eine Heilung per primam zu erzielen, ein Verfahren, welches, obwohl theoretisch zu verteidigen, doch in praxi selten anwendbar ist und auch wenig Anklang gefunden hat. Der erste Verband einer Schußwunde im Felde bestand, seitdem V. v o n K e r n im Jahre 1809 die offene Wundbehandlung in die Kriegschirurgie eingeführt hatte, bis vor 40 Jahren etwa in dem Auflegen einer nassen Kompresse, über welche ein Stück Wachstuch, Guttaperchaleinwand oder Pergamentpapier gedeckt und mit Hülfe einer Binde oder eines Tuches befestigt wurde. Als fernere Behandlung verwendete man einfaches Feuchthalten und Bedecken der Wunde mit etwas lockerer Charpie, Uberschläge mit Bleiwasser, Chlorwasser u. dgl. Während des großen deutsch-französischen Krieges (1870) ist auch die Behandlung von Schußwunden ohne jeden Verband viel geübt worden, und zwar mit recht günstigem Erfolge. Entsprechend dem Charakter der durch die alten Weichbleiprojektile großen Kalibers gesetzten Kontinuitätstrennungen war die chirurgische Therapie eine sehr aktive, sowohl unmittelbar nach der Verletzung als in der Periode der Reaktion. Zur Stillung der häufig vorhandenen Blutung, sowie zur Extraktion der Projektile, der mitgerissenen Fremdkörper und der Knochensplitter mußte die Wunde mit dem Finger untersucht und erweitert werden; in der Regel waren auch Gegenöffnungen anzulegen, um den blinden Schußkanal in einen offenen zu verwandeln. Blutungen und schwierige Extraktion fremder Körper verursachten die häufigsten Komplikationen im Heilungsverlaufe, der in der Regel unter eitriger Entzündung verlief, obschon K l e b s bereits im Jahre 1870 durch genaue Obduktionen die Tatsache festgestellt hatte, daß perforierende Brust- und Bauchschüsse absolut reaktionslos ohne Spur von Eiterung ausheilen können. Die Knochen- und Gelenkschüsse veranlaßten zahlreiche operative Eingriffe, Amputationen und Resektionen; die Sterblichkeit infolge von akzidentellen Wundkrankheiten war sehr groß. Mit dem russisch-türkischen Kriege 1877—78 beginnt die Einführung der Antisepsis in die Kriegschirurgie, und zwar zunächst des typischen Listerverbandes, mit welchem V o l k m a n n bei Schußverletzungen im Frieden glänzende Resultate erzielt hatte. Nun war allerdings die Statistik R e y h e r s auf dem kleinasiatischen Kriegsschauplatze weitaus günstiger als jene der vorantiseptischen Zeit. v. B e r g m a n n hingegen fand, daß die Wirkung des antiseptischen Okklusivverbandes im Kriege nicht im Entferntesten an jene heranreichte, die er im Frieden zu sehen pflegte. Er modifizierte daher die Methode, indem er im allgemeinen statt der Okklusion die offene antiseptische Wundbehandlung durchführte und hatte von da an wesentlich bessere Heilerfolge. In der jüngstvergangenen Zeit bis zur Einführung des Kleinkalibers bei allen Armeen war das Haupt-
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bestreben der Chirurgen darauf gerichtet, eine möglichst einfache Durchführung der Antisepsis im Felde zu ermöglichen. Während des kurzen Feldzuges in Ägypten (1882) verwendeten die englischen Ärzte den Jodoformverband und rühmten ihn sehr; endlich gaben der serbisch-bulgarische und der griechisch-türkische Krieg, trotz der verhältnismäßig geringen Zahl der Verwundeten, vielen klinisch geschulten Chirurgen Gelegenheit, die verschiedensten Antiseptika praktisch zu erproben. Die Resultate waren überall gleich gut, ja geradezu glänzend. Der südafrikanische Krieg zwischen den Engländern und den ßoeren war der erste, in welchem von beiden Parteien die modernen kleinkalibrigen Gewehre, die neuerfundenen Geschütze, das rauchlose Pulver und die infolge davon durchaus geänderte Gefechtstaktik zur Anwendung gelangten. Von diesem Zeitpunkt an beginnt die jüngste Modifikation in der Behandlung der Schußwunden im Kriege. Wir sind damit in der Gegenwart angelangt und mitten in einer Bewegung, die noch nicht abgeschlossen ist.
Während die Therapie der Schußverletzungen im Frieden sich allmählich aus einer antiseptischen zur aseptischen gestaltete und jetzt nach denselben Prinzipien durchgeführt wird, die überhaupt bei Verletzungen maßgebend sind, ist die Behandlung der Schußwunden im Kriege modifiziert worden infolge der allgemeinen Einführung der modernen Kleinkaliberprojektile und des neuen Pulvers. Es ist E. von B e r g m a n n s Verdienst, die mit der schulmäßigen Durchführung der Antisepsis bei seinen Verwundeten gemachten, schlechten Erfahrungen sofort richtig gedeutet und die Methode, die er in seiner Klinik mit Erfolg geübt hatte, für die Kriegsverhältnisse verlassen zu haben. Ganz besonders lehrreich waren jedoch die Beobachtungen und Erfahrungen einer ganzen Reihe ausgezeichneter englischer, deutscher und holländischer Chirurgen in Südafrika, während der Kämpfe zwischen den Engländern und den Boeren. Es ergab sich, daß im Kriege das Prinzip der N i c h t i n t e r v e n t i o n als Regel für den Verband der Schußwunden zu gelten habe, d. h., daß man die Kontinuitätstrennungen der Haut so rasch als möglich durch einen antiseptischen Okklusivverband nach außen abschließen, den verletzten Teil immobilisieren und den Verletzten womöglich während der ersten 4 — 5 Tage keinem Transport aussetzen solle. Jede Berührung der Wunde, besonders mit den Fingern, soll streng vermieden werden, ebenso das Irrigieren mit antiseptischen Lösungen; von einer regelrechten Desinfektion der Hände des Chirurgen und der Haut des Verwundeten kann ohnedies keine Rede sein, schon wegen Mangels an Wasser. Deshalb sollen auch alle Sondierungen, alle primären operativen Eingriffe unterlassen werden, mit Ausnahme der unumgänglich notwendigen Stillung heftiger Blutungen, und auch dabei soll man Unterbindungen in der Wunde oder in der Kontinuität vermeiden und trachten durch Kompression und Tamponade zum Ziel zu gelangen. Als erster Verband hat sich am zweckmäßigsten erwiesen die Bedeckung mit Sublimatgaze, welche mittelst einer Binde, eventuell auch nur durch zwei Streifen Heftpflaster fixiert wird. Dieser Verband imbibiert sich mit Blut, trocknet rasch ein und bildet nun eine festhaftende Kruste, B i l l r o t h — T. W i n i w a r t e r , Die »11g. chir. Path. u. Ther. 18. Aufl.
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Von den Schußwunden.
unter der, wenn die sekundäre Infektion vermieden wird, die Heilung per primam oder die Heilung unter dem Schorfe erfolgt. Frakturen müssen überdies gleich durch Gips- oder Schienenverbände immobilisiert werden. Um sofort für jede Verletzung wenigstens einen provisorischen Verband bereit zu haben, der in Ermangelung eines Arztes allenfalls von dem Verwundeten selbst oder von einem Kameraden angelegt werden kann, trägt jeder Soldat der meisten europäischen Armeen ein sog. Verbandpäckchen oder eine Verbandpatrone vorschriftsmäßig im Rockschoß seiner Uniform eingenäht. Das deutsche Verbandpäckchen besteht aus zwei Sublimatmullkompressen, einer Cambricbinde und einer Sicherheitsnadel, das Ganze in wasserdichten Stoff gepackt. Dieser erste Verband schützt die Wunde während 4 — 5 Tagen gegen Infektion, bis er durch einen definitiven Verband ersetzt werden kann. Auf die Behandlung der Schußverletzungen der einzelnen Organe kann ich hier nicht näher eingehen, ebensowenig auf die Art und Weise, wie man bei sekundär infizierten und bei bereits vernarbton
Schußwundon
gegen
die Folgezustände,
z. B .
die
traumatischen
Aneurysmen, verfährt. Übrigens unterscheidet sich die Behandlung dieser Fälle nicht wesentlich von den bei Wunden anderer Herkunft üblichen Verfahren. Ich möchte Ihnen noch ganz kurz einiges sagen über die Organisation der ärztlichen Hilfe im Felde. Sie mußte durch die neuartige Bewaffnung mit ungemein weittragenden Gewehren und Projektilen von kolossaler Durchschlagskraft, durch die Einführung des rauchschwachen Pulvers, ganz besonders aber durch die geänderte militärische Taktik im Gefechte eine durchgreifende Umgestaltung erfahren und noch können wir nicht wissen, wie in den Kriegen der nächsten Zukunft der gesamte Sanitätsdienst während und nach der Schlacht den gesteigerten Anforderungen gegenüber alles leisten wird, w a s man von ihm erwarten muß. Als nächste Hilfe für die Verwundeten werden in kurzer Entfernung hinter der Schlachtreihe, gewöhnlich hinter den Kanonen, a"n einer möglichst gedeckten Stelle sog. T r u p p e n v e r b a n d p l ä t z e etabliert, welche durch das internationale Zeichen der Neutralität, eine weiße Fahne mit rotem Kreuze. Nachts durch eine Laterne bezeichnet sind. Zu diesen Verbandplätzen müssen die Verwundeten zuerst hingeschafft werden, respektive, wenn sie es imstande sind, hingehen. Der Transport wird entweder von den Soldaten selbst oder von besonders dazu ausgerüsteten Sanitäts- oder Krankenträgerkompagnien besorgt. Die Einrichtung dieser Sanitätskompagnien hat sich in den letzten Kriegen so sehr bewährt, daß sie gewiß eine immer weitere Verbreitung finden wird; die Sanitätskompagnien bestehen aus Krankenwärtern, welche darin geübt werden, die Verletzten aus der Schlachtlinie herauszubringen und ihnen sofort einen antiseptischen Okklusiwerband anzulegen, z. B. behufs Kompression
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stark blutender Wunden. Sie sind darauf einexerziert, zu Zweien einen Verwundeten zu tragen, teils mit den Armen, ohne weitere Unterstützung, teils auf eigenen Tragbahren. Es gibt eine Menge Modelle solcher Bahren; manche sind so eingerichtet, daß sie auf Räder gestellt und von einem einzigen Manne gefahren werden können. Im Gebirgsterrain muß der Verwundete nicht selten auf dem Rücken eines Trägers forttransportiert werden. Zerschossene Extremitäten müssen vorher provisorisch immobilisiert werden: dies geschieht durch Schienen oder durch improvisierte Verbände, Verbände mit Bajonetten und deren Scheiden usw. Schon die Wahl leicht zu erreichender, von dem feindlichen Feuer geschützter Verbandplätze begegnet unter den gegenwärtigen Verhältnissen großen Schwierigkeiten. Um nicht dem feindlichen Feuer ausgesetzt zu sein, müssen sie verhältnismäßig weit nach rückwärts verlegt werden; die Hauptfrage ist aber, wie transportiert man den Verwundeten aus der Feuerlinie, ohne daß sowohl die Krankenträger als die Verletzten selbst, sowie sie sich aufrecht, d. h. ohne Deckung zeigen, von den Feinden zusammengeschossen werden? Im südafrikanischen Krieg wagten es die englischen Verwundeten während des Fernkampfes nicht einmal, den Kopf aus der liegenden Stellung zu erheben, weil sie dadurch sofort den Boeren ein Ziel boten; sie blieben unbeweglich stundenlang liegen, bis der Kampf zu Ende war. So wird es wohl auch in Zukunft sein, d. h. man wird die Verwundeten erst dann aufnehmen können, wenn die eigenen Truppen so weit avanziert sind, daß das Terrain hinter ihnen gesichert ist. Im Nahekampf, z. B. wenn eine Truppe zum Sturm vorgeht, kann schon gar keine Rede davon sein, die massenhaft fallenden Soldaten aufzuheben und wegzutransportieren. Im russisch-japanischen Krieg hat es sich gezeigt, daß bei den tage- und nächtelangen Kämpfen die Verletzten hilflos im Gelände liegen bleiben mußten, weil jeder Versuch das Terrain zu betreten den sicheren Tod bedeutete, — selbst wenn man über die Zahl von Krankenträgern verfügt hätte, die notwendig gewesen wäre, um die Verletzten zu versorgen. Da bleibt eben nichts anderes übrig als abzuwarten bis die Entscheidung gefallen und das feindliche Feuer zum Schweigen gebracht ist. Dann erst wird es möglich sein, mit dem Aufsuchen der Verwundeten zu beginnen. Häufig genug wird indessen die Dunkelheit hereingebrochen sein; man wird das Terrain mittels elektrischer Reflektoren beleuchten, es mit Hilfe abgerichteter Kriegshunde absuchen, um die schwer Verletzten endlich auf den Verbandplatz schaffen zu können. Bei der großen Zahl der Verwundeten kann da nur das Notwendigste geschehen und es ist, so grausam er erscheint, doch der Rat P i r o g o f f s durchaus gerechtfertigt, daß die Ärzte ihre Zeit und ihre Kräfte nicht durch Beschäftigung mit den absolut tötlich Getroffenen und Sterbenden vergeuden. Unaufschiebbare Operationen, wie Blutstillungen, Amputationen, die sehr seltenen 20*
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Tracheotomien müssen allerdings hier vorgenommen werden, sonst beschränkt man sich darauf, die Wunden durch einen antiseptischen Okklusivverband abzuschließen und die Frakturen durch Gipsverbände zu immobilisieren, kurz, die Verwundeten transportabel zu machen. Freilich wäre es für gewisse Verletzungen, wie z. B. Bauch- und Kopfschüsse weitaus besser, wenn man sie absolut ruhig an Ort und Stelle liegen lassen könnte: ein schwieriger und längerdauernder Transport ist sehr häufig die direkte Ursache des tödlichen Ausganges dieser Wunden. Leider hängt man in dieser Beziehung ganz von den Verhältnissen ab: in der Regel müssen die Verletzten in das nächste F e l d l a z a r e t t , die zweite Etappe der Sanitätsorganisation gebracht werden. Ein Teil der Sanitätskompagnie hat die Aufgabe, die Verletzten in den zum Weitertransporte bestimmten Wagen unter Anleitung von Ärzten zweckmäßig zu lagern. Zu diesem Zwecke sind eigene Krankentransportwagen vorhanden, welche in der verschiedensten Weise konstruiert sein können und teils liegende, teils sitzende Patienten aufnehmen müssen, aber freilich selten ausreichen, so daß man sich oft genug mit Leitemagen behelfen muß, welche mit Brettern, Heu, Stroh, Matrazen so gut wie möglich für den Krankentransport eingerichtet werden. Diese Fuhrwerke bringen die Verwundeten in das nächste F e l d l a z a r e t t : ein solches ist in einer nahen Stadt oder einem Dorfe etabliert: man wählt dazu die besten und größten Räume, die man haben kann: Schulhäuser, Kirchen, Scheunen werden gewöhnlich zunächst belegt, obgleich nur die letzteren empfehlenswert sind. In diesen Lokalen sind mit Hilfe von.Stroh, wenigen Matrazen und Decken Lager hergestellt: ein vollständig eingerichteter Operationsraum ist organisiert worden; die zur Sterilisation erforderlichen Apparate sind bereit. Hier erst können die als notwendig erkannten Operationen, besonders die Entfernung der Fremdkörper und der Knochenfragmente, unter Beobachtung aller Maßregeln der Antisepsis, respektive der Asepsis, ausgeführt werden. Die Zahl der Amputationen und Resektionen ist bei den Schußverletzungen durch die modernen Waffen beträchtlich geringer als sie früher war. Das Prinzip der konservierenden Behandlung gelangt im weitesten Maße zur Durchführung; andererseits stehen uns gegenwärtig Hilfsmittel zu Gebot, die wir früher nicht kannten und die gerade für die Kriegschirurgie von unschätzbarem Wert sind, wie z. B. die Radiographie. Diese sollen denn auch zu voller Verwendung kommen, und zwar bereits im Feldlazarett. Hier im Feldlazarette haben die Verwundeten eine Zeitlang Ruhe und sollen womöglich die Operierten und schwer Verletzten nicht eher in ein anderes Lazarett übergeführt werden, als bis die Heilung wenigstens eingeleitet ist. Nicht immer kann das erreicht werden; zuweilen muß der Ort, in welchem das Feldlazarett etabliert war, geräumt werden. Gehört man der besiegten Partei an, ziehen sich die eigenen Truppen zurück und
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Kapitel VIII.
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dringt der Feind in den Ort vor, wo das Lazarett etabliert war. so bleiben die Ärzte bei den Verwundeten; selbst bei der größten Humanität eines Feindes ist doch oft der Mangel an Ärzten nach großen Schlachten so erheblich, daß die Ärzte der feindlichen Partei außerstande sind, die Verpflegung aller Verwundeten gehörig zu überwachen. Nach der Genfer Konvention gelten Ärzte und Sanitätsmaterial unter dem Schutze des allen Nationen gemeinsamen Abzeichens des roten Kreuzes im weißen Felde auf alle Fälle als neutral. Sind die Verletzten alle untergebracht und ist auch in anderen Beziehungen, z. B. für ihre Verköstigung und Pflege das Notwendigste geschehen, so muß sich der ärztliche Stab nun sofort damit befassen, alle leicht transportierbaren Fälle so bald als möglich weiter nach rückwärts zu schaffen. Die Anhäufung vieler Verletzten an einem Orte ist eo ipso schädlich, und wenn das Kriegstheater ein armes Land ist, in welches wenig verzweigte Eisenbahnverbindungen führen, dann ist auch die Verpflegung der Kranken mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden. Man trachtet deshalb mittelst zweckmäßig ausgerüsteter Lazaretteisenbahnzügen, oder noch besser, wenn Wasserstraßen vorhanden sind, mittelst Lazarettschiffen die Verwundeten in die nächsten Städte zu befördern, wo bereits Hospitäler zu ihrer Aufnahme bereit stehen. Dieses Zerstreuungssystem bedarf großer Umsicht und vieler Mühe von seiten der obersten ärztlichen und militärischen Behörden, hat sich jedoch als sehr segensreich bewährt. — Für die zurückbleibenden Schwerverletzten müssen eigene Spitalsbaracken errichtet werden, die heutzutage in der zweckmäßigsten Form ganz fertig auf den Kriegsschauplatz expediert werden und dort nur aufgestellt zu werden brauchen. Ganz unpraktisch ist es, die Verwundeten in Gebäuden zu lassen, die nicht für die Aufnahme von Kranken konstruiert und daher schlecht ventiliert sind, wie Kirchen und Schulhäuser. Auch die Unterbringung in Privathäusern genügt nur im Notfall für einzelne Verwundete. Für die Versorgung der Verwundeten im Kriege ist durch die f r e i w i l l i g e H i l f e außerordentlich viel geleistet worden. Die Gesellschaften vom roten Kreuze, einzelne Orden, barmherzige Schwestern, Zivilärzte und viele andere Privatpersonen stellen sich bei Ausbruch eines Krieges sofort in den Dienst der kriegführenden Staaten; nachdem sie schon im Frieden alle Vorbereitungen getroffen, Geld und Materialien gesammelt hatten, nehmen sie werktätigen Anteil an der Pflege. Die freiwillige Hilfe im Kriege ist zurzeit so gut organisiert, daß der Staat sie sehr schwer entbehren könnte.
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Von den Verbrennungen und Erfrierungen.
Vorlesung 20. Kapitel IX. Von den Verbrennungen und Erfrierungen. 1. V e r b r e n n u n g e n : Grade, Extensität, Behandlung. — Sonnenstich. — B l i t z s c h l a g . — 2. E r f r i e r u n g e n : Grade. Allgemeine Erstarrung. Behandlung. — Frostbeulen.
Meine Herren! Die Folgeerscheinungen von Verbrennungen und Erfrierungen haben zwar sehr viel Ähnlichkeit miteinander, unterscheiden sich jedoch genugsam, um sie gesondert zu betrachten.
Sprechen wir daher hier zunächst
von den Verbrennungen. Dieselben entstehen durch die strahlende Wärme, durch die F l a m m e selbst, durch erhitzte feste Körper, durch heiße Flüssigkeiten oder heiße Dämpfe: im gewöhnlichen Leben kommen leichtere Verbrennungen mit Zigarren, mit Zündhölzchen und Siegellack recht häufig vor; schwere Verbrennungen erfolgen in der Haushaltung oft durch Spiritus, durch Petroleum, durch heißes Wasser, Suppe usw. — in den Fabriken durch flüssige Metalle, Glas, Fette usw. — endlich durch Entzündung von Pulver. Schießbaumwolle, Dynamit oder durch schlagende Wetter (in Kohlenbergwerken). Außerdem bewirken aber auch konzentrierte Säuren und kaustische Alkalien Verbrennungen, welche denjenigen analog sind, die durch Hitzeeinwirkung entstehen. E s ist bei den Verbrennungen die Intensität und die Extensität der Verletzung zu berücksichtigen: letztere wird uns später beschäftigen. Die I n t e n s i t ä t der Verbrennung hängt wesentlich von dem Hitzegrade und der Dauer der Einwirkung ab. Der Unterschied zwischen der Körpertemperatur und der Temperatur der einwirkenden Wärmequelle braucht keineswegs bedeutend zu sein, um Verbrennungen zu erzeugen — wenn nur die Dauer der Einwirkung nicht zu kurz ist; so ruft z. B. eine kaum die Bluttemperatur übersteigende Wärmeintensität auf der feinen Haut junger Kinder bereits Verbrennungserscheinungen hervor. J e nach den Folgen der Wärmeeinwirkung unterscheidet man verschiedene Grade von Verbrennungen. Diese gehen freilich ineinander über, können jedoch ohne Schwierigkeiten zum Zweck einer rascheren Verständigung auseinandergehalten werden. Wir nehmen drei verschiedene Grade von Verbrennungen a n : E r s t e r G r a d (Hyperämie): Die Haut ist stark gerötet, sehr schmerzhaft und leicht geschwollen. Diese Erscheinungen beruhen auf Ausdehnung
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Kapitel IX.
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der Kapillaren mit geringer Transsudation von Serum in das Gewebe der Cutis, als direkter und unmittelbarer Folge des thermischen Reizes: hierbei ist von einer Entzündung noch keine Rede, doch folgt häufig ein leichter Grad von Entzündung des Papillarkörpers mit Proliferation der Retezelien, und nachträglich die Abschuppung des Hornblattes der Epidermis. Rötung und Schmerz dauern zuweilen nur wenige Stunden, in anderen Fällen mehrere Tage. Z w e i t e r G r a d (Blasenbildung): Es kommt zu den Erscheinungen des ersten Grades die Entstehung von Blasen an der Hautoberfläche hinzu, welche, wenn sie noch nicht geplatzt sind, entweder ganz klares oder mit wenig Blut vermischtes Serum enthalten. Diese Blasen entstehen entweder unmittelbar oder erst einige Stunden nach der Verbrennung und können in ihrer Größe außerordentlich verschieden sein. Bei mikroskopischer Betrachtung finden wir an Stelle der Blase die Epidermis in der Weise gespalten, daß die unterste Schichte des Stratum Malpighii, die zylindrisch-konischen Zellen, in Verbindung mit dem Papillarkörper geblieben ist, während das Hornblatt als zusammenhängende Schicht abgehoben wurde und einzelne Lagen spindelförmig veränderter, aneinanderhaftender Epithelzellen wie Fächer und Balken die Blase durchsetzen und den Zusammenhang der Decke mit dem Grunde herstellen. Die Brandblase ist daher kein einfacher, sondern ein zusammengesetzter Hohlraum. Die Flüssigkeit in demselben ist wahrscheinlich ein Produkt der lebenden Zellen, gerade so wie nach der Einwirkung des Kantharidenpflasters auf die Haut. Diese Blase platzt oder wird künstlich eröffnet: von der zurückgebliebenen epithelialen Matrix aus bildet sich rasch eine neue Hornschicht der Epidermis, und in sechs bis acht Tagen ist die Haut wieder wie zuvor. Dabei erfolgt jedoch, wenn die verbrannte Partie nicht sofort durch einen antiseptischen Verband geschützt wurde, sehr bald Infektion des Blaseninhaltes. Man findet schon 24 Stunden nach der Entstehung der Blase in dem klaren Serum derselben Eiterkokken, besonders den Staphylococcus pyogenes albus oder aureus, und in der Tat kommt es gewöhnlich an der entblößten Hautstelle zur Entzündung und Eiterung, welche sehr schmerzhaft ist und mehrere Tage bis zwei Wochen dauern kann (Dermatitis ex combustione). Der Eiter trocknet endlich zu einer Kruste ein, und unter dieser bildet sich die neue Epidermis. Die Eiterung ist, wie Sie sehen, eine zufällige Komplikation der Brandwunde, keineswegs aber eine notwendige Folge derselben. D r i t t e r Grad (Escharabildung): Als solchen bezeichnet man im allgemeinen die Verschorfung, d. h. diejenigen Fälle, in welchen die Gewebe durch die Verbrennung direkt ertötet worden sind. Hier können natürlich die Verschiedenheiten sehr groß sein, indem es sich in dem einen Fall vielleicht nur um die Verbrennung und Verkohlung der Epidermis und der
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Von den Verbrennungen und Erfrierungen.
Papillenspitzen, in einem anderen um das Absterben eines Stückes Cutis, in einem dritten um Verkohlung der Muskeln, ja einer ganzen Extremität handelt. Unter Umständen führt die Verbrennung zur einer vollständigen Abtrennung ganzer Extremitäten samt dem Knochen. Die mortifizierte Haut zeigt ein verschiedenes Aussehen, je nach der Art der Verbrennung: grau, gelblich, grünlich, schwarz oder ganz weiß, letzteres bei Verbrühung durch siedendes Wasser, Milch usw. Die Existenz einer mortifizierten Partie, einer Eschara, bedingt stets eine demarkierende Entzündung, unter gewöhnlichen Verhältnissen auch eine Eiterung, durch welche das tote Gewebe abgestoßen wird. Dabei entsteht ein entsprechend großer Substanzverlust, mindestens der Epidermis und des Papillarkörpers, welcher durch Granulation heilt, an dessen Stelle somit eine Narbe zurückbleibt. Daß die Verbrennung dritten Grades nicht notwendig Eiterung bedingt, beweisen Versuche an Tieren sowohl wie Beobachtungen an Menschen. Zirkumskripte, nicht zu dicke, aseptische Schorfe z. B. quergestreifter Muskeln stören nicht einmal die Heilung per primam, wenn die Tnzisionswunde der Haut darüber genäht wird, sondern werden reaktionslos resorbiert. Bei ausgedehnteren Verbrennungen finden wir die verschiedenen Grade der Intensität vielfach nebeneinander, und wenn dann die verletzte Stelle durch verkohlte Epidermis und Schmutz verdeckt ist, so ist es oft schwierig, gleich im Anfange an jeder Stelle den Verbrennungsgrad richtig zu bestimmen. Dabei mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Blasen auch über vollkommen mortifizierter Haut sich bilden können, die jedoch ganz verschieden sind von den Blasen des 2. Verbrennungsgrades; sie sind eine Fäulniserscheinung und enthalten trübe, bräunliche Flüssigkeit. Tritt Eiterung ein, so ist dieselbe bald oberflächlich, bald tiefgehend; nach oberflächlicher Gangrän der Haut entwickelt sich eine üppig granulierende Fläche, auf welcher nicht selten ganz isolierte Epithelinseln auftauchen, ausgehend von den nicht zerstörten Talg- und Schweißdrüsen. Die Prognose für die Funktion der verbrannten Teile ergibt sich aus dem Gesagten von selbst. Nach ausgedehnten Verlusten der Haut, wie z. B. nach Verbrühung am Halse, an den oberen Extremitäten usw. entstehen sehr bedeutende Narbenkontrakturen, durch welche z. B. der Kopf ganz gegen eine Schulter oder nach vorne auf das Sternum gezogen, der Arm in der Flexionsstellung fixiert oder die Finger in die Hohlhand gebeugt werden. Diese Narben werden freilich mit der Zeit, im Laufe von Jahren, dehnbar und nachgiebiger, jedoch selten in dem Grade, daß die Funktionsstörung und Entstellung ganz gehoben würde, so daß es in vielen Fällen plastischer Operationen bedarf, um diese Zustände zu bessern. — Man hat früher die Behauptung aufgestellt, daß die Narben nach Verbrennungen sich stärker kontrahierten, als die übrigen Narben. Das ist jedoch nur scheinbar der Fall, indem durch andere Arten von Verletzungen kaum je
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so große Stücke Haut verloren gehen, wie gerade durch Verbrennungen: indes kann man sich leicht überzeugen, daß, wo dies der Fall ist, wie nach ausgedehnten Abreißungen der Haut, nach umfangreichen Zerstörungen durch Ulcerationsprozesse usw., die Narbenretraktion gerade so intensiv wirkt, wie nach der Verbrennung. Übrigens wird die Tendenz zur narbigen Schrumpfung sehr gesteigert durch lange andauernde und profuse Eiterung, und gerade diese Komplikation kommt nach Verbrennungen sehr häufig vor. Die E x t e n s i t ä t der Verbrennung ist quoad vitam von der allergrößten Bedeutung, ganz abgesehen von den verschiedenen Graden der Intensität. Man pflegt anzunehmen, daß, wenn etwa zwei Dritteile der Körperoberfläche auch nur im ersten Grade verbrannt sind, der Tod ziemlich schnell eintritt auf eine Weise, die bis jetzt physiologisch noch nicht ganz erklärbar ist. Unmittelbar nach einer ausgedehnten Verbrennung, selbst wenn sie nicht tiefgehend war, sind die Verletzten gewöhnlich aufs höchste aufgeregt, sie schreien und jammern vor Schmerz, beruhigen sich aber, wenn durch die entsprechende Behandlung wenigstens einigermaßen Linderung ihrer Leiden erzielt worden ist, und verlangen nur fortwährend zu trinken. Das Gesicht ist blaß, die Haut kühl, dort, wo sie nicht verbrannt ist, nicht selten mit Schweiß bedeckt, der Puls sehr frequent und klein, unregelmäßig, intermittierend; die Respiration beschleunigt. Das Bewußtsein ist intakt, die Patienten geben auf das genaueste Auskunft über die Art und Weise, wie sie verunglückt sind. Bei Kindern namentlich tritt oft unmittelbar nach schweren Verbrennungen Erbrechen von Speiseresten, Galle, selten von Blut auf, — ein Symptom, welches fast mit Sicherheit den tödlichen Ausgang voraussehen läßt. Das Bedürfnis, Urin zu lassen, fehlt: führt man den Katheter in die Blase, so entleert man entweder gar keinen, oder nur wenige Tropfen eines sauren, eiweißreichen, bisweilen hämorrhagischen Harnes. Einige Stunden nach der Verletzung tritt Gähnen und tiefes Seufzen ein, der Kranke wird allmählich apathisch; wenn er früher noch nicht erbrochen hat, so wird er jetzt von Ructus und Singultus befallen, dem sich zuweilen Erbrechen anschließt. Dann treten Delirien auf. die Kranken werfen sich hin und her, ohne auf ihren verbrannten Körper zu achten, sie bekommen klonische Krämpfe, häufig Opisthotonus: das Bewußtsein schwindet vollständig; der Puls wird fadenförmig, unzählbar, die Respiration mehr und mehr beschleunigt und oberflächlich, es stellt sich Cyanose ein. und endlich erliegen die Kranken entweder in einem Anfalle von tobenden Delirien oder im soporösen Zustande, wenige Stunden nach der Verletzung oder innerhalb des ersten oder des zweiten Tages. Die Körpertemperatur sinkt gewöhnlich unmittelbar nach der Verbrennung unter die Norm und von da an ununterbrochen bis zum Tode: diese subnormalen Temperaturen sind prognostisch von sehr schlimmer Bedeutung. In anderen Fällen dauert das Leben etwas längere Zeit; der
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Patient scheint sich zu erholen, jedoch 8 — 1 4 Tage nach der Verletzung kann der ganze eben geschilderte Symptomenkomplex eintreten und mit unglaublicher Raschheit binnen wenigen Stunden zum letalen Ende führen. Zuweilen erfolgt der Tod unter Hinzukommen von starken Diarrhöen, in seltenen Fällen mit Bildung von Geschwören im Duodenum dicht hinter dem Pylorus, einer Komplikation, welche auch bei Sephthämie gelegentlich vorkommt. Man hat den rasch eintretenden Tod bei ausgedehnten Verbrennungen auf verschiedene Weise zu erklären versucht: durch Herzparalyse infolge Überreizung der peripherischen Nervenendigungen, durch Shok, durch Unterdrückung der sog. Hautrespiration und Zurückhaltung toxischer Substanzen im Körper, durch die massenhafte Zerstörung der roten Blutkörperchen. Das hierdurch frei werdende Hämoglobin wird durch die Nieren ausgeschieden und ruft eine heftige parenchymatöse Nephritis hervor ( W e r t h e i m , P o n f i c k ) . — Nach S o n n e n b u r g s interessanten Experimenten ist der s e h r r a s c h nach Verbrennungen eintretende Tod durch Überhitzung des Blutes mit konsekutiver Herzlähmung bedingt. Tritt der Tod nicht sofort ein, so erfolgt stets ein Sinken
des
Blutdruckes
infolge
reflektorischer Gefüßlühmung,
d a s jodoch
ausbleibt,
wenn den Tieren vorher das Rückenmark durchtrennt wurde. Solche Tiere ertragen die Verbrennung merkwürdigerweise viel leichter. Aus diesem Ergebnisse schließt S o n n e n b u r g , daß die durch den abnormen Reiz auf das Nervensystem reflektorisch erzeugte allgemeine Herabsetzung des Gefäßtonus als eigentliche Todesursache bei ausgedehnten Verbrennungen zu betrachten sei. Es scheint übrigens, daß der Tod nicht immer durch dieselbe Ursache herbeigeführt wird. Viele durch ausgedehnte Verbrennung Verletzte, welche die ersten Tage überstanden hatten, erliegen der akuten Sepsis. Auch die profuse Eiterung nach großen Substanzverlusten kann für Kinder und alte Leute sehr gefährlich werden. Die bei vollständiger Verkohlung einzelner Extremitäten notwendigen Amputationen geben an und für sich eine zweifelhafte Prognose, weil sie Individuen betreffen, welche durch die Verbrennung bereits stark geschwächt sind.
Wir kennen leider keine Behandlung, mittels welcher wir die drohende Todesgefahr bei ausgedehnten Verbrennungen abzuwenden vermöchten: auch die durch P o n f i c k empfohlene Transfusion, gegenwärtig durch die intravenöse Injektion physiologischer Kochsalzlösung ersetzt, hat weiter keine Resultate ergeben. In solchen Fällen muß unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Allgemeinzustand des Verletzten gerichtet sein, um dem drohenden Kollaps durch Anwendung leichter Reizmittel, heißen Weines, Champagners, Kognaks usw., durch wiederholte subkutane Injektionen von Äther, Kampferöl, Moschus, ferner durch Erwärmen des Körpers entgegenzuwirken. Doch werden alle unsere Bemühungen meistens fruchtlos bleiben. Um so mehr ist es unsere Pflicht, wenigstens die entsetzlichen Schmerzen der Kranken zu lindern und ihren Zustand so erträglich wie möglich zu machen. Neben der subkutanen Applikation von Morphium besitzen wir zu diesem Zwecke ein vorzügliches Mittel in dem permanenten warmen Bade. H e b r a hat das Verdienst, diese Behandlung ausgedehnter Verbrennungen ersonnen
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Kapitel IX.
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und praktisch durchgeführt zuhaben. Das H e b r a s c h e W a s s e r b e t t stellt eine große Badewanne vor. in welcher ein eiserner, mit queren Gurten bespannter Rahmen an Ketten suspendiert ist, so daß der Kranke, auf einer Decke über demselben liegend, mittels einer Winde aus dem Wasser in die Höhe gehoben und wieder in dasselbe hinabgelassen werden kann: der Kopf des Patienten ruht auf einem schräg stellbaren Kissen. Das Bad wird zunächst mit Wasser von 3 0 — 3 1 0 C. gefüllt und der Kranke ohne jeglichen Verband in dasselbe hineingelassen. Sehr bald muß die Temperatur erhöht werden bis auf 3 8 — 4 0 ° C., da sonst sich intensives Kältegefühl einstellt. In diesem gleichmäßig zu erhaltenden Medium fühlt sich nun der Kranke sofort sehr behaglich: die Schmerzen hören wie mit einem Schlage auf, die psychische Aufregung legt sich und macht einer wohltuenden Ruhe Platz. Der Kranke verweilt in dem Wasserbette Tag und Nacht: behufs Harn- und Stuhlentleerung wird er mittels des Rahmens aus der Wanne emporgehoben; selbstverständlich bleibt durch kontinuierlichen Zu- und Abfluß die Temperatur des Bades die gleiche, während das Wasser fortwährend erneuert wird. Zwar vermag auch diese Behandlungsmethode nichts gegen die schweren Allgemeinerscheinungen nach ausgedehnten Verbrennungen; die Verletzten sterben in dem Bade gerade so häufig wie bei einer anderweitigen Behandlung, allein sie leiden wenigstens nicht. Ist aber die Verbrennung nicht so ausgedehnt, daß der Tod unfehlbar eintreten muß, dann besitzen wir in dem permanenten Bade ein unübertreffliches therapeutisches Mittel, welches wochen- und monatelang angewendet werden kann, ohne dem Kranken die mindesten Beschwerden zu machen. Das Wasser schützt die Wundflächen vor der Berührung mit der atmosphärischen Luft, verhütet die Zersetzung der Brandschorfe und begünstigt ihre Abstoßung; es macht jeden Verband und jeden Verbandwechsel unnötig, beschränkt die Eiterung und befördert die Benarbung. Leider ist das Heb rasche Wasserbett, das übrigens auch bei ausgedehnten gangränösen Wunden und Geschwüren, sowie bei vielen Hautkrankheiten Verwendung findet, eben nur in Kliniken und Spitälern zur Disposition des Arztes; ohne die gehörigen Installationen, durch welche eine fortwährende Zufuhr von warmem Wasser gesichert ist, kann die Behandlung nicht eingeleitet werden. Wir müssen uns daher in der Privatpraxis meistens mit anderen Verfahren behelfen. Die Zahl der gegen Verbrennungen empfohlenen Mittel ist ungemein groß: ein Beweis dafür, wie schwer es ist. eine wirksame und zugleich praktische Behandlungsmethode zu finden. Der Laie sucht instinktmäßig bei Verbrennungen nach dem naheliegendsten Verfahren, um die Haut abzukühlen und die Brandwunde möglichst rasch zu v e r b i n d e n . Die energische Anwendung der Kälte verbietet sich von selbst, wenn ausgedehnte
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Verletzungen vorliegen, wegen der schon bestehenden, Kollaps drohenden Temperaturherabsetzung des ganzen Organismus: auch bei beschränkter Applikation wird sie nicht gut ertragen. Unsere nächste Sorge bei Verbrennungen muß sein, den Schmerz zu lindern und die Infektion zu verhüten. Zu diesem Zwecke muß die ganze verbrannte Partie sorgfältig gereinigt und desinfiziert werden. Wegen der großen Schmerzhaftigkeit dieser Prozedur narkotisieren Sie den Patienten, waschen die Haut gründlich ab, dann eröffnen Sie die Blasen, entleeren das gallertige Exsudat und tragen die in Fetzen herabhängende Epidermis ab. Umfangreiche, dicke, lederartige Schorfe der Hautdecke sollen durch zahlreiche Einschnitte entspannt werden, wobei gleichzeitig eine Masse Flüssigkeit aus dem verbrannten Gewebe austritt. Nun wird eine dünne Lage Jodoformmull recht glatt über die verbrannten Stellen gelegt, so daß diese vollkommen bedeckt sind. Darüber kommen dicke Bauschen eines gut aufsaugenden Verbandmateriales und Lagen B r u n s s c h e r Watte, worauf ein komprimierender, die Teile möglichst immobilisierender Bindenverband appliziert wird. Der Schmerz läßt bald nach. Der Verband bleibt so lange liegen, bis seine äußeren Schichten durchtränkt sind, dann erneuert man das ganze Material bis auf die Jodoformgaze, welche an der Hautoberfläche genau anliegt. Bei Verbrennungen geringen Umfanges oder solchen, deren Lokalisation eine Bedeckung mit einem vollkommen einhüllenden Verbände schwer gestattet, appliziert man mit Vorteil Pulververbände, Jodoform. Dermatol und ganz besonders Magisterium Bismuthi: durch B a r d e l e b e n sind sog. Wismuthbrandbinden in die Praxis eingeführt worden, die sich ganz gut für kleinere Verbände eignen. Salbenverbände und öllinimente. welche in der Volksmedizin bei Verbrennungen eine große Rolle spielen, sind zu widerraten. Bei schweren Verbrennungen dritten Grades mit tiefgreifenden Schorfen hängt der Verlauf wesentlich davon ab, ob man die Patienten frühzeitig, bevor eine Infektion erfolgt ist. oder spät in Behandlung bekommt. Außer der sorgfältigen Desinfektion wird man die Schorfe ganz oder teilweise abtragen, drainieren und die Wundhöhle mit Jodoformgaze locker ausstopfen. Ist bereits Eiterung vorhanden, so verwende ich außerdem eine Einwicklung mit Burowscher Lösung. Das Jodoform hat neben seiner schmerzstillenden Wirkung den großen Vorteil, daß es die Sekretion auf ein Minimum herabsetzt, wodurch der bei Verbrennungen immer sehr peinliche Verbandwechsel möglichst reduziert wird. Deshalb sind Dauerverbände, wenn überhaupt ausführbar, hier besonders am Platze. Der beste Dauerverband bleibt freilich das permanente Bad. — Bei sehr ausgedehnten Verbrennungen dritten Grades an den Extremitäten ist es geboten, sogleich die Amputation vorzunehmen, um der Fäulnis eines ganzen Gliedes und der damit unvermeidlich verbundenen septischen Infektion des Organismus vorzubeugen.
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Ist der Verletzte der ersten unmittelbaren Gefahr der Verbrennung und der septischen Infektion entgangen, dann drohen ihm noch die Komplikationen einer ausgedehnten, langwierigen Eiterung. Bleiben nämlich nach Abstoßung der Eschara sehr große Granulationsflächen zurück, zumal an Körperteilen, welche vielfach bewegt werden, und an denen die Nachbarhaut nicht sehr verschiebbar ist, so kann die Heilung dieser granulierenden Flächen lange Zeit, nicht selten viele Monate in Anspruch nehmen. Es bilden sich üppig wuchernde Granulationen mit geringer Tendenz zur Vernarbung. Die Kompression mittels Heftpflasterstreifen und die Entspannung der umgebenden Haut durch entsprechend angebrachten permanenten Zug leisten dabei gute Dienste. Sobald als möglich beginnt man den Substanzverlust durch Transplantationen nach der Methode von T h i e r s c h zu decken: die Schwierigkeit in solchen Fällen liegt darin, sich die nötige Menge Haut zu verschaffen, wenn man nicht etwa eine frisch amputierte, gesunde Extremität zur Disposition hat. Durch die Transplantation vermeidet man auch die Entwicklung von umfangreichen, hypertrophischen, sich stark retrahierenden Narben. Bei Behandlung der letzteren leistet die Kompression gute Dienste: noch wirksamer ist die mit Vorsicht und Ausdauer ausgeführte M a s s a g e der Narben; man kann durch dieselbe außerordentlich viel erreichen: in vielen Fällen muß man jedoch zum Ausschneiden der Narbe und zu plastischen Operationen seine Zuflucht nehmen, um die verlorene Haut zu ersetzen.
Durch die S o n n e n s t r a h l e n können unter Umständen Verbrennungen 1. und 2. Grades erzeugt werden. Sie haben den Charakter des Erythema caloricum oder auch wohl den einer oberflächlichen Dermatitis (ex insolatione). Wenn Leute, die sonst nicht den ganzen Tag im Freien sind, sich stundenlang den Sonnenstrahlen aussetzen, oder gar bei Hochgebirgstouren im Sonnenschein über Gletscher oder Firnfelder wandern, ohne Gesicht und Hals zu schützen, so wird die Haut rot, geschwollen, heiß und sehr schmerzhaft, es kommt zur Blasenbildung: die Epidermis trocknet nach drei bis vier Tagen zu bräunlichen Krusten ein, bekommt Risse und blättert ab. Ist die Haut zur Norm zurückgekehrt, so hat sie eine viel dunklere Nuance angenommen; man sagt, das Individuum ist „abgebrannt", d. h. es hat sich in der Haut Pigment abgelagert. Woher dasselbe stammt, darüber werden wir bei einer späteren Gelegenheit sprechen. Bei Individuen mit reizbarer Haut bildet sich wohl auch ein Eczema solare aus, Bläschen, die dann später abtrocknen, ohne Narben zu hinterlassen. Als Prophylaxis gegen die Verbrennung empfiehlt es sich, vor Hochgebirgstouren Gesicht und Hals nicht zu waschen und die Haut mit Cold-Cream, Amylumglycerolat, Lanolin, oder am besten mit einer braunen Schminke einzureiben.
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Bei ausgebildetem Gletscherbrand macht man kalte Umschläge mit Burowscher Lösung. Ferner müssen wir hier des S o n n e n s t i c h s und des H i t z s c h l a g e s erwähnen. Unter dem Namen Sonnenstich versteht man die durch die längerdauernde Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die ungeschützte Haut, besonders des Kopfes, des Nackens und des Rückens hervorgerufenen nervösen Störungen mit Beteiligung der Herzaktion und der Atmung, nebst den lokalen Erscheinungen der Verbrennung 1. und 2. Grades. Dabei kommt es zur Hyperämie der Hirn- und Rückenmarkshäute, zu seröser Exsudation, endlich zu Encephalitis ab insolatione. Die Körpertemperatur ist erhöht, es besteht heftiger Kopfschmerz, außerordentliche Mattigkeit, Schwäche, Ohrensausen, Funkensehen. Der Zustand kann, wenn die Sonnenstrahlen einen schlafenden Menschen treffen, direkt in den Tod übergehen. Als Hitzschlag bezeichnet man den Zustand, welcher durch erhöhte Wärmeproduktion im Innern des Körpers, also besonders durch körperliche Anstrengungen, und durch gestörte Wärmeabgabe bei mangelhafter Verdunstung von der Hautoberfläche aus herbeigeführt wird und als Herzübermüdung und Atmungsinsuffizienz, also Kohlensäurevergiftung aufzufassen ist. Er äußert sich durch gesteigerte Bluttemperatur (über 40°), starke Beschleunigung und Kleinheit des Pulses. Cyanose. dann tiefe Blässe des Gesichts, heftige Kopfschmerzen, Benommenheit des Sensoriums, Verschwinden des Pupillarreflexes, Muskelzuckungen. Herzklopfen, endlich schweren Herzkollaps. In unserem Klima kommt der Sonnenstich auch ohne jede Muskelanstrengung vor, wenn die betreffenden Individuen, namentlich Kinder, mit unbedecktem Kopf lange Zeit in der Sonne verweilen müssen, während der Hitzschlag am häufigsten junge, nicht entrainierte Soldaten befällt, wenn sie in voller Uniform mit Gepäck bei großer Hitze und unbewegter, namentlich feuchter Luft und Mangel an Trinkwasser sehr anstrengende Märsche machen müssen. Übrigens beobachtet man Fälle von Hitzschlag auch bei Leuten, welche in drückender Sommerhitze, ohne direkt von den Sonnenstrahlen getroffen zu werden, schwere Arbeit leisten, und wir sehen ganz analoge Erscheinungen bei Tieren, besonders bei Pferden. Die Hauptursache der namentlich bei Ubungsmärschen, nicht so sehr bei Manövern auftretenden, oft sehr zahlreichen Erkrankungen an Hitzschlag ist das mangelhafte Training der Muskulatur und selbstverständlich des Herzmuskels. Wenn nicht rechtzeitig eine rationelle Behandlung eingeleitet wird durch Herzexcitantien, Ruhe, Zuführung von Flüssigkeit, frischer Luft, künstliche Atmung, Abkühlung des Körpers durch Entfernen beengender heißer Kleidungsstücke, durch laue (keinesfalls ganz kalte) Vollbäder usw., kann der Tod momentan oder im Verlaufe weniger Stunden erfolgen; außerdem bleibt nicht selten ein lange dauerndes Siechtum mit hervor-
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tretenden nervösen Störungen und Neigung zu Kückfällen bestehen. Die in früheren Zeiten übliche Behandlung durch Aderlässe, eiskalte Übergießungen, Drastica ist eher gefährlich als nützlich.
Auch über den B l i t z s c h l a g müssen wir hier einige Bemerkungen machen. Sie haben wohl alle schon einmal Häuser oder Bäume gesehen, in welche der Blitz eingeschlagen hatte: man sieht gewöhnlich einen großen Riß, einen Spalt mit verkohlten Rändern. Wenn Menschen und Tiere vom Blitz getroffen werden, sind sie meistens sofort tot: es kann aber auch geschehen, daß einzelne Glieder von ihnen abgetrennt und große Gefäße zerrissen werden, so daß der Tod an Verblutung erfolgt: oder es werden die Kleider vom Leibe gerissen und die vom Blitze Getroffenen zu Boden oder weit weggeschleudert. Dabei erfolgt gewöhnlich eine Hirnerschütterung mit Stupor, Paralysen einzelner Sinnesorgane oder ganzer Glieder usw. Die unteren Extremitäten bleiben oft lange Zeit blutlos, kalt und unempfindlich. Wo der Blitz durch die Kleider in den Körper hineingetreten ist, zeigen sich zahlreiche Löcher mit versengten Rändern und zwar so, daß der Durchmesser der Lücke in dem der Haut zunächstliegenden Kleidungsstücke am größten, in dem zu äußerst befindlichen am geringsten ist. An der Haut selbst beobachtet man Verbrennungen aller Grade, von einfacher Injektionsröte bis zur umfangreichen und tiefgehenden Verschorfung. in Gestalt größerer oder kleinerer rundlicher Flecke oder unregelmäßiger, bandartiger, braunroter Streifen oder endlich gerader und geschlängelter Linien, mit feinen dentritischen Verzweigungen (sog. B l i t z f i g u r e n ) . Man hat dieselben bald für das Bild in der Nähe stehender Bäume, bald für durchschimmernde Blutgerinnungen in den Blutgefäßen gehalten: beides ist unrichtig. Es sind die Spuren einer leichten Versengung der Oberhaut infolge der Ausbreitung des immer schwächer werdenden Blitzes. Außerdem findet man noch kleine weißgraue Flecken in der Haut, meistens in größerer Zahl, deren Zentrum durchlöchert ist. wie ein durch den elektrischen Funken getroffenes Kartenblatt. Sie entsprechen offenbar den Austrittsstellen des Blitzes, da sie vorzüglich an der Planta pedis vorkommen, gleichzeitig mit Durchbohrungen der Schuhsohlen, während bei Individuen, die Nägel in den Sohlen haben, die Sohlenhaut überhaupt nicht perforiert ist ( H e u s n e r ) . Umfangreiche und tiefe Verbrennungen finden sich im allgemeinen dort, wo durch enganliegende Kleidungsstücke die Leitung in der Haut erschwert ist. Die Blitzverbrennungen heilen wie andere Verbrennungen je nach Grad und Ausdehnung: die Blitzparalysen geben im allgemeinen keine schlechte Prognose, die Nerven- oder Muskeltätigkeit kehrt nach längerer oder kürzerer Zeit wieder. Ebenso wie durch Blitzschlag kann der Mensch
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durch die heutzutage so häufig angewandten elektrischen Ströme verletzt und getötet werden; die Verbrennungen sind dabei besonders schwer. Beiläufig erwähne ich die Hautveränderungen, welche durch die Einwirkung der Röntgenstrahlen, respektive der die Röntgenröhre umgebenden elektrischen Zone hervorrufen werden. Sie haben das Eigentümliche, daß sie erst nach Tagen und nicht bei
allen Menschen in gleicher Intensität auftreten. Zunächst beobachtet man eine Gelbfärbung der Epidermis, dann wird die Haut intensiv rot, sehr heiß, etwas ödematös. wie bei einem Erysipel. Durch Atrophie der Haarbälge fallen die Haare aus, der Patient verspürt Jacken, Spannung und brennende Hitze. In einem weiteren Stadium nimmt die ASektion immer mehr den Charakter einer Brandwunde an: es entstehen Bläschen,
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die konfluieren, platzen und sich in oberflächliche Substanzverluste umwandeln; in schwereren Fällen kommt es zu wirklicher Verschorfung der Haut in ihrer ganzen Dicke, und nach Abstoßung der nekrotischen Partien zu tiefen Geschwüren. Die Heilung dieser eigentümlichen Affektion nimmt viele Monate in Anspruch; die Geschwüre schreiten zuweilen trotz aller Behandlung immer weiter und erfordern schließlich sogar die Amputation. Freilich handelt es sich in diesen ausnahmsweise hartnäckigen Fällen um Individuen, die jahrelang mit Röntgenstrahlen manipuliert hatten. Nachdem man die Gefahren dieses Agens kennengelernt hat, wird man auch von den geeigneten Schutzapparaten Gebrauch machen.
Von den E r f r i e r u n g e n . Man kann ganz analog den Verbrennungen auch drei Grade der Erfrierungen unterscheiden, von denen der erste wieder durch Rötung der Haut, der zweite durcli Blasenbildung, der dritte durch Escharabildung charakterisiert ist. Die vorübergehende Wirkung der Kälte ist Ihnen bekannt als das sogenannte Absterben der Finger oder der Ohren, was wohl jeder von Ihnen einmal im kalten Bade oder bei kalter Luft gehabt hat. Die Finger werden weiß, die Haut runzlig, das Gefühl ist beschränkt: nach einiger Zeit lasseil diese Erscheinungen nach; die Haut wird rot, die Teile schwellen etwas an, und es stellt sich ein eigentümliches Jucken und Prickeln ein. Dieses steigert sich um so mehr, je schneller die Wärme auf die Kälte folgt; bei rascher Erwärmung tritt ein höchst empfindlicher Schmerz in den betreffenden Partien auf. Die erwähnten Erscheinungen sind so zu erklären, daß zunächst die Kapillaren durch die Kälte sich stark kontrahieren und dann für eine Zeitlang paralytisch werden. Die Rötung der Haut unterscheidet sich von derjenigen bei der Wärmeeinwirkung durch eine mehr violette Färbung. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Kälteanämie und die darauffolgende Hyperämie von keinerlei Folgen begleitet. Hat jedoch die Anämie durch längere Zeit fortbestanden, dann treten weitere Veränderungen ein: sowie der abgekühlte Teil wieder erwärmt wird, färbt sich die Haut dunkelblaurot, schwillt stark an und wird heiß; die Sensibilität ist vermindert, doch besteht ein schmerzhaftes Gefühl der Spannung, später lebhaftes Jucken. Dieser Zustand ist als erster Grad der Erfrierung anzusehen: die durch den Kältereiz getroffenen Gefäße haben für einige Zeit ihren Tonus verloren; es zirkuliert eine größere Menge Blutes in den Kapillaren und durch deren Wandungen transsudiert eine größere Menge von Plasma, welches als Oedem die Haut und das subkutane Bindegewebe durchtränkt. Nach 3 — 4 Tagen lassen die Erscheinungen nach, die Epidermis schuppt sich in Fetzen ab, wie nach einer Verbrennung, und die Haut wird wieder normal. Man pflegt für gewöhnlich nichts bei B i l l r o t h — V. \V i n i w a r t e r , Die »11g. chir. Path. u. Ther. 16. Aufl.
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Von den Verbrennungen und Erfrierungen.
diesen geringen Graden der Erfrierungen anzuwenden, wiederrät jedoch in der Volkspraxis ein zu schnelles Erwärmen: es wird Reiben mit Schnee empfohlen, dann allmähliche Erhöhung der Temperatur. Eine nach einer Erfrierung folgende Röte kann unter Umständen auch bleibend werden, d. h. die Kapillaren bleiben dauernd erweitert. Diese permanente Gefäßparalyse verbunden mit geringer Schwellung stellt sich besonders leicht bei Erfrierungen der Nase und der Ohren ein und ist in vielen Fällen ganz uuheilbar. Man behandelt solche sog. „erfrorene" Hautpartien durch Bepinseln mit Kollodium, mit Jodtinktur, durch oberflächliche Ätzung mittels Argentum nitricum oder rauchender Salpetersäure: auch hat man versucht, durch lokale subkutane Injektionen von Ergotin, das eine energische Kontraktion der kleinen Arterien hervorruft, diese lästige Affektion zu bessern: die Resultate sind nicht brillant. Am besten dürfte es sein, die Erfrierungsectasien operativ zu behandeln wie gewisse Gefäßgeschwülste, d. h. die gerötete Stelle wiederholt zu s t i c h e l n . Zu diesem Behufe macht man mittels eines schinalcn, spitzen, lanzettförmigen Messers, ähnlich der sog. Impfnadel, eine große Anzahl oberflächlicher, auf die Richtung der Hautgefäße senkrecht stehender Stiche. Die Blutung aus den erweiterten Kapillaren ist zuweilen ziemlich stark: man stillt sie durch Kompression. Diese Stichelung wird in kurzen Zeiträumen mehrere Male wiederholt; jedesmal werden durch die Verletzung eine gewisse Zahl von Kapillaren zur Obliteration gebracht; die Narben an und für sich bleiben gänzlich unsichtbar, da die Stiche per primam heilen. Von viel größerer Bedeutung ist eine Erfrierung, wenn außer der Hautröte auch Blasen entstanden sind, wobei dann nicht selten Gefühlslosigkeit der betroffenen Teile vorhanden ist und die Gefahr einer vollständigen Mortifikation immer sehr nahe liegt. Die Einwirkung der Erfrierung auf die Gewebe ist nämlich verschieden von der durch Verbrennung erzeugten, da bei der letzteren die Erhitzung unmittelbar zur Gangrän führt, ohne daß später eine weitere Ausbreitung derselben stattfände. Bei der Erfrierung hingegen wirkt die Kälte zunächst auf die Gewebe und die in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten ein und bringt sie zum Gefrieren. Erst wenn die gefrorenen Teile wieder aufgetaut sind, machen sich die weiteren zum Brande führenden Veränderungen geltend: das Gewebe kann also im Anfange vollkommen normal aussehen, ja es kann ein Rest von Zirkulation bestehen, und trotzdem sind die Lebenseigenschaften der Gefäßwandungen und der zelligen Elemente so sehr alteriert worden, daß die Gangrän unvermeidlich ist. Wie weit aber dieselbe reichen wird, das läßt sich nicht genau bestimmen. Bei der Erfrierung zweiten Grades erscheint die Haut dunkelrot, zuweilen tief violett gefärbt, hier und da mit Blasen oder Exkoriationen bedeckt, deren Umgebung heller gerötet
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Kapitel IX.
ist. Der Inhalt dieser Blasen ist zuweilen klar und hell, wenn dieselben ihre Entstehung der reaktiven Entzündung der Haut (Dermatitis ex congelatione) verdanken. Häufig aber ist die Blasenbildung der Ausdruck einer schweren Zirkulationsstörung in der Cutis oder des Absterbens derselben: die Haut wird dort, wo die Blasen auftreten, brandig, das Blutserum transsudiert durch die toten Gefäßwandungen. Insofern ist auch die Blasenbildung bei Erfrierungen prognostisch viel übler wie die Blasenbildung bei Verbrennungen. Blut, welches gefroren und wieder aufgetaut ist. gerinnt nicht und zeigt eine eigentümlich hellrote Färbung (Lackfarbe, R o l l e t ) ; das Hämoglobin ist durch Zerfall der roten Blutkörperchen gelöst und findet sich auch in dem Serum der Frostblasen. Normalem Blute zugesetzt, erzeugt das sog. lackfarbene Blut Gerinnung, und man kann durch Injektion einer hinreichenden Menge desselben in den Kreislauf eines gesunden Tieres ausgedehnte Gerinnselbildungen im Herzen und in den großen Gefäßen und dadurch den Tod herbeiführen. Ein vollständig erfrorenes Glied ist blau, gefühllos, mit Blasen bedeckt, ganz starr und spröde und kleinere Gliedteile brechen bei unsanfter Berührung wie Glas ab. Die Ausdehnung der vollständigen Erfrierung dritten Grades, d. h. das Gebiet, innerhalb dessen die Zirkulation erloschen ist. läßt sich wie gesagt innerhalb der ersten Stunden nicht genau bestimmen. Trotz der dunkelblauen Färbung einer ganzen unteren Extremität stellt sich zuweilen die Zirkulation in derselben wieder her und es fallen nur einige Zehen ab. Doch sind solche Fälle Ausnahmen: meistens wird das Glied in toto gangränös oder es ist bereits abgestorben, z. T. mumifiziert, wenn der Patient zur Behandlung kommt. Ist ausgedehnte Hautgangrän als unzweifelhaft erkannt, dann darf man nicht mit der Amputation zögern, weil diese Patienten sonst leicht septisch oder pyohämisch infiziert werden. Ein Fall traurigster Art aus der Züricher Klinik wird von B i l l r o t h erwähnt: Ein junger, kräftiger Mann erfror beide Hände und beide Füße, so daß alle Extremitäten gangränös wurden; der Patient konnte sich nicht zur vierfachen Amputation entschließen, auch mochte man ihn nicht zu dieser furchtbaren Operation überreden; er starb an I'yohämie.
Die Enden der Extremitäten (besonders die Zehen), die Nasenspitze, die Ohren, der Penis sind am leichtesten der Erfrierung ausgesetzt; eng anliegende Kleidungsstücke, z. B. Handschuhe, welche den Kreislauf erschweren, befördern die Disposition zur Erfrierung. — Bei kaltem Winde und bei nasser, selbst mäßiger Kälte entstehen leichter Erfrierungen als bei hohen Kältegraden und gleichzeitig ruhigem, trockenem Wetter. Wir sehen nicht selten Erfrierungen bei Leuten, die Tage und wohl auch Nächte hindurch ununterbrochen im Freien zugebracht und bei mangelhafter Ernährung längere Märsche zurückgelegt haben, wie Soldaten im Felde, Hochgebirgstouristen, Vagabunden usw., selbst wenn die Temperatur niemals 21*
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Von den Verbrennungen und Erfrierungen.
tiefer als 3 — 4 Grade unter Null gesunken war. Gewöhnlich wissen solche Leute nicht anzugeben, wann eigentlich die Erfrierung stattgefunden hat: sie hatten alles Gefühl in den betreffenden Teilen verloren: man findet dann am häufigsten gangränöse, bereits schwarzgefärbte, mumifizierte Zehen und in der Umgebung beginnende Demarkation mit Eiterung, weiterhin aber ausgedehnte entzündliche Infiltration der Weichteile. Es gibt auch eine totale Erfrierung oder Erstarrung des ganzen Körpers, wobei der Mensch besinnungslos wird und alle Lebensäußerungen auf ein Minimum herabgesetzt sind: der Radialpuls ist nicht mehr fühlbar, der Herzschlag kaum zu hören, die Respiration kaum wahrnehmbar, der ganze Körper eisig kalt. Dieser Zustand kann unmittelbar in den Tod übergehen, der Erfrierende erliegt der Gehirnanämie; dann kommt es zu einem vollständigen Erstarren aller Flüssigkeiten zu Eis. Eine solche allgemeine Erfrierung tritt besonders dann ein. wenn die Individuen, etwa durch langes Gehen und durch die Kälte selbst ermattet, sich im Freien niederlegen: ¡sie schlafen bald ein, um in manchen Fälleil nie mehr zu erwachen. Wie lange ein Mensch in einem solchen Erstarrungszustande, einer vita minima, verbleiben kann, um dennoch wieder zum Leben zurückzukehren, ist nicht genau festgestellt. Man findet erwähnt, daß derselbe bis 6 Tage gedauert habe. Die Erfrierungen zweiten und dritten Grades sind in unserem Klima selten, während sie z. B. in Rußland außerordentlich häufig vorkommen: so wurden im Jahre 1870 in St. Petersburg etwa 700 Fälle von partieller Erfrierung und drei Fälle von Erfrierungstod beobachtet. Auch bei uns sterben in jedem Winter einzelne Individuen an Erfrierung. Bei B e h a n d l u n g der allgemeinen Erfrierung oder Erstarrung soll nach der Ansicht aller kompetenten Autoritäten jeder jähe Übergang zu höherer Temperatur vermieden, die Erwärmung ganz langsam und allmählich vorgenommen werden. Zu diesem Zwecke bringt man den Patienten zunächst in ein ungeheiztes Zimmer, in ein ungewärmtes Bett und reibt ihn mit kalten, nassen Tüchern: dann setzt man ihn in ein Vollbad von 10—18° C. und erwärmt unter fortwährendem Frottieren des Körpers das Wasser allmählich, im Laufe von 2 — 3 Stunden bis auf 30° C. Zugleich macht man subkutane Injektionen von Äther und läßt den Kranken, sobald er schlucken kann, Alkohol in tüchtiger Dosis trinken. Die heftigen Schmerzen, welche mit der Rückehr der Zirkulation auftreten, werden durch Begießungen mit kaltem Wasser (im Bade) und durch eine Morphiuminjektion gelindert. Stunden- und tagelang nach der Erfrierung befindet sich der Patient noch in einem etwas benommenen und unbesinnlichen Zustande, der sich ganz allmählich verliert. Sehr wichtig ist es, neben der Allgemeintherapie sobald als möglich die geeignete Behandlung der erfrorenen Extremitäten einzuleiten. Dieselbe
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Kapitel IX.
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besteht vor allem in der v e r t i k a l e n S u s p e n s i o n , welche selbst an allen vier Extremitäten gleichzeitig vorgenommen werden kann; sie befördert den venösen Rückfluß und wirkt hierdurch direkt der Gangrän entgegen; zugleich ist sie das beste schmerzstillende Mittel. Es wird bei allgemeinen Erfrierungen selten ohne Verlust einzelner Gliedmaßen oder Teile derselben abgehen; daher muß man von vornherein darauf bedacht sein, die Fäulnis der mortifizierten Teile und damit die dem Organismus drohende septische Infektion zu verhüten. Zu diesem Zwecke ist hier, wie bei den Verbrennungen dritten Grades, sofort ein antiseptischer Verband anzulegen. Man wartet nun ab, ob sich Gangrän entwickelt und wie weit dieselbe reicht. Geht die blaurote Färbung der Haut allmählich in eine dunkle, kirschrote über, so sind die Chancen für eine Wiederbelebung äußerst gering, vielmehr wird meistenteils in einem solchen Falle Gangrän eintreten. Doch ist eine exakte Beurteilung des Zustandes erst dann möglich, wenn sich eine Demarkationslinie an der Grenze zwischen lebendigem und totem Gewebe gebildet hat. In manchen Fällen wird freilich schon vorher der Allgcmeinzustand so bedenklich, namentlich wenn die nach der Erfrierung auftretende Entzündung schon vor Anlegung des antiseptischen Verbandes einen septischen oder phlegmonös-progressiven Charakter angenommen hat, daß man gezwungen ist, die Amputation vorzunehmen. Wenn man auch in solchen Fällen möglichst weit im anscheinend gesunden Gewebe amputiert, so wird man doch häufig beobachten, daß der Amputationsstumpf selbst, oder wenigstens die Haut gangränös wird, so daß die Prognose solcher Operationen immer eine zweifelhafte ist. Wenn sich eine progressive Entzündung nach der Erfrierung entwickelt, so rate ich Ihnen, sogleich multiple Inzisionen in das infiltrierte Gewebe zu machen und die Behandlung mit Burowscher Lösung einzuleiten. Bei sehr ausgedehnter brandiger Zerstörung der Haut wird auch das permanente Warmwasserbad gute Dienste leisten. Im allgemeinen trachtet man die Amputation der erfrorenen Extremität zu verschieben bis zu dem Momente, wo sich die Gangrän demarkiert hat. Die Ablösung einzelner Finger oder Zehen kann man ruhig sich selbst überlassen; man beschränkt sich bei der Operation auf die Bildung eines günstig geformten Stumpfes. Ich will hier anhangsweise noch die F r o s t b e u l e n (Perniones) besprechen, nicht weil sie gerade besonders gefährlich werden können, sondern weil sie ein höchst lästiges und in manchen Fällen außerordentlich schwierig zu heilendes Obel sind, für welches Sie als guter Haus- und Familienarzt eine Reihe von Mitteln in Bereitschaft haben müssen.
Die Frostbeulen
sind
bedingt
durch Paralyse
der Kapillaren
mit
seröser
Exsudation in das Gewebe der Cutis; bei längerem Bestehen bildet sich überdies eine durch
chronisch - entzündliche
Wucherung
veranlaßte
Verdickung
der Haut
und
des
Unterhautbindegewebes a u s : — es sind, wie den meisten von Ihnen bekannt sein wird, blaurote beulenartige Anschwellungen an Händen und Füßen, welche durch ihr heftiges Brennen und Jucken,
und dadurch,
daß sich auf ihnen zuweilen Geschwüre bilden,
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Von den Verbrennungen und Erfrierungen.
äußerst unangenehm werden. Am häufigsten findet man sie an der Streckseite der Gelenke an Fingern und Zehen, an den Seiten des Metatarsus und an der Ferse. Sie entstehen durch wiederholte leichte Erfrierungen an einer und derselben Stelle und treten nicht bei allen Menschen gleich häufig a u f ; sie sind weniger quälend bei recht intensivem Frost, als beim Obergange vom Frost- zum Tauwetter, außerdem aber auch während der Sommerhitze. Legt man sich abends ins Bett, werden Hände u n d F ü ß e warm, so wird das Jucken zuweilen so fürchterlich, daß man. statt zu schlafen, stundenlang die Hände und Füße zerkratzen muß. Am häufigsten findet man Frostbeulen bei jungen Mädchen, die an Chlorose und Menstruationsanomalien leiden; überhaupt scheint die Konstitution auf das Bestehen dieser Affektion Einfluß zu haben. Das weibliche Geschlecht ist im allgemeinen derselben mehr ausgesetzt als das männliche, das jugendliche Alter mehr als das höhere. Beschäftigungen, welche zu vielfachem Wechsel der Temperatur Veranlassung geben, disponieren besonders dazu. Außerdem scheint das Tragen enger Fußbekleidungen und knapp sitzender, lederner Handschuhe die Entstehung von Frostbeulen respektive wiederholte, leichte Erfrierungen zu begünstigen. Was die Behandlung betrifft, so ist es gewöhnlich außerordentlich schwierig, die in Konstitution und Beschäftigung liegenden ursächlichen Momente zu b e k ä m p f e n : in prophylaktischer Beziehung rate man den Individuen, welche zu Erfrierungen disponieren, bei Eintritt der kalten Jahreszeit warme, aber weite Handschuhe und Fußbekleidung anzulegen. Sind einmal Frostbeulen vorhanden, dann ist man vorwiegend auf örtliche Mittel angewiesen. In Italien, wo die Frostbeulen ziemlich häufig vorkommen, sowie einmal ein verhältnismäßig kälterer Winter eintritt, läßt man Abreibungen mit Schnee und Eisüberschläge machen. Wir wenden zuerst ein Fußbad in Eiswasser und darauf feuchte Einwicklungen mit B u r o w s c h e r Lösung an. Auch kann man Einpinselungen mit Jodoformkollodium, mit Tischlerleim, mit Traumaticin (Guttapercha in Chloroform gelöst) oder Einwickeln mit Heftpflasterstreifen versuchen. Oder Sie applizieren leichte Ätzmittel: verdünnte Salpetersäure ( 1 : 3 0 Wasser), Argentum nitricum-Lösung ( 1 : 1 0 0 ) , Tinctura cantharidum usw., lassen Hand- oder F u ß b ä d e r mit Zusatz von 40,0—60.0 g Salzsäure oder einem Eßlöffel voll Chlorkalk gebrauchen, oder weiße Präzipitatsalbe (Rp. Hydrargyr. praecip. albi 1,0, Vaseline 30,0) auflegen: bald hilft das eine, bald das andere Mittel. Häufig hat mir das Einpinseln mit Jodtinktur und darauf die Anwendung der feuchten Wärme gute Dienste geleistet, doch ist die Applikation der ersteren ziemlich schmerzhaft. Werden die Frostbeulen auf der Oberfläche wund, so sind dieselben mit Unguentum Zinci oder Argenti nitrici. 0,05 auf 5,00 Vaseline, messerrückendick auf Leinwand oder Leder gestrichen, zu bedecken. Ich habe Ihnen hier nur einen kleinen Teil der empfohlenen Mittel erwähnt, deren Wirkung ich größtenteils selbst erprobt habe; es gibt deren noch eine ganze Menge, aber sie sind insgesamt unsicher. Fiir den Anfang Ihrer Praxis werden Sie an den genannten genug haben.
Vorlesung 21.
Kapitel X.
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Vorlesung 21. Kapitel X .
Von den akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile. Allgemeine Ätiologie der akuten Entzündungen. — Akute Entzündung: 1. der Cutis: a) Erythematöse Entzündung, b) Furunkel, c) Karbunkel (Anthrax. Pustula maligna); 2. der Schleimhäute; 3. des Zellgewebes: Heiße Abszesse; 4. der Muskeln; 5. der serösen Häute: Sehnenscheiden und subkutane Schleimbeutel.
Meine H e r r e n ! Nachdem wir uns bis jetzt ausschließlich mit den Verletzungen beschäftigt haben, wollen wir nun zu den akuten Entzündungsprozessen übergehen, welche nichttraumatischen Ursprünge sind. Von diesen fallen diejenigen der Chirurgie zu, welche in äußeren Körperteilen vorkommen, und diejenigen, welche, wenngleich in inneren Organen entstanden, einer chirurgischen Behandlung zugänglich sind. — Obgleich ich voraussetzen muß, daß Ihnen die Ursachen der Krankheiten im allgemeinen bereits bekannt sind, so erscheint es mir doch nötig, mit besonderer Röcksicht auf den zu besprechenden Gegenstand einige ätiologische Bemerkungen vorauszuschicken. Nachdem das Trauma an und für sich nicht notwendig entzündungserregend wirkt, sondern nur die Entwicklung einer Entzündung begünstigt, besteht eigentlich kein wesentlicher Unterschied in der Ätiologie zwischen der traumatischen und der nichttraumatischen Entzündung. Die Ursachen der akuten nichttraumatischen Entzündungen lassen sich etwa in folgende Kategorien bringen: 1. W i e d e r h o l t e m e c h a n i s c h e oder c h e m i s c h e R e i z u n g . Dieses Kausalmoment scheint auf den ersten Blick mit dem Trauma zusammenzufallen; es ist indessen doch ein wesentlicher Unterschied, ob das Gewebe durch ein Trauma getroffen oder durch einen chemischen oder mechanischen Reiz wiederholt affiziert wird. Zunächst ist es für das Trauma charakteristisch. daß durch dasselbe eine Kontinuitätstrennung irgendwelcher Art bedingt wird, welche zu ihrer Ausgleichung eines reparatorischen Prozesses bedarf. Bei der mechanischen oder chemischen Reizung findet zunächst gar keine Kontinuitätstrennung statt; sowie der Reiz aufgehört hat zu wirken, kehren die Gewebe in ihren früheren normalen Zustand zurück, ohne daß irgendein Restitutionsvorgang notwendig wäre. Wird jedoch der Reiz in kurzen Zwischenräumen wiederholt, dann verhält sich die Sache anders: jedes folgende Reizmoment wirkt nicht mehr auf ein normales,
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Von den akuten nichttranraatischen Entzündungen der Weichteile.
sondern auf ein schon gereiztes Gewebe ein; die Wirkung dieses wiederholten Reizes ist daher verschieden von derjenigen eines Trauma und ebenso verschieden von derjenigen einer einmaligen vorübergehenden Reizung. Die Veränderungen, welche zunächst die Zirkulation, dann die Gewebszellen betreffen, werden sich nicht mehr momentan ausgleichen, wie es nach dem einmaligen Reize der Fall war; Summierung der wiederholten Reize bewirkt nach unserer Vorstellung endlich die Entzündung. In praxi kommen allerdings solche Reizungen als Ursachen akuter Entzündungen nicht sehr häufig vor: desto größer ist aber ihre Bedeutung für die Entstehung chronischer Entzündungen. 2. E r k ä l t u n g . Jeder von Ihnen weiß, daß man mancherlei Entzündungen, zumal akute Katarrhe, Gelenkentzündungen usw. der Erkältung zugeschrieben hat und zum Teil noch zuschreibt. Worin aber eigentlich das Schädliche bei einer Erkältung beruht, welche Veränderungen dabei unmittelbar in den Geweben vor sich gehen, das wissen wir nicht. Nach Versuchen, die von R o s e n t h a l und von A f a n a s i o w angestellt wurden, vertragen normal warme oder wenig erwärmte Tiere eine Abkühlung durch Äther leicht, während bei stärker erwärmten Tieren die Abkühlung eine viel bedeutendere ist und länger anhält, so daß die Tiere oft daran sterben. Der einzige pathologische Befund an denselben sind Hyperämien und kapillare Hämorrhagien im Herzen, der Leber und den Nieren. Nun ist aber die A b k ü h l u n g durchaus nicht gleichbedeutend mit der E r k ä l t u n g . Die rasche Erniedrigung der g e s t e i g e r t e n Körpertemperatur bewirkt allerdings eventuell den Tod, aber man kann weder eine Erkältung noch eine Erkältungskrankheit experimentell erzeugen. Erfahrungsgemäß erkältet man sich, wenn man erhitzt ist und dann längere Zeit hindurch vom kalten Zugwinde getroffen wird: wer sich genau beobachtet, weiß zuweilen genau den Moment zu bestimmen, wann die Erkältung bei ihm gehaftet hat. —• E s gibt rein lokale Wirkungen der Erkältung: z. B. es sitzt jemand lange am Fenster und wird an der dem Fenster zugewandten Seite des Gesichtes vom kalten Zugwinde getroffen: nach einigen Stunden bekommt er eine Lähmung des N. facialis; wir dürfen annehmen, daß hier in der Nervensubstanz molekuläre Veränderungen vor sich gegangen sind, durch welche das Leitungsvermögen dieses Nerven aufgehoben ist: — ein anderer bekommt in gleichem Falle eine Conjunctivitis. Das sind rein lokale Erkältungen. — Häufiger ist ein anderer Fall, daß nämlich nach einer Erkältung derjenige Teil erkrankt, welcher bei dem betreffenden Individuum am meisten zu Erkrankungen überhaupt disponiert ist, der ,.locus minoris resistentiae". Da nun dieser Teil keineswegs immer direkt von der Schädlichkeitsursache betroffen wird (z. B. wenn jemand nasse Füße hat und den Schnupfen bekommt), so muß man wohl annehmen, daß der Körper als Ganzes dabei beteiligt ist, und sich die Wirkung der schädlichen
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Ursache nur an dem locus minoris resistentiae geltend macht. Es ist an und für sich nicht undenkbar, daß durch den Kältereiz die Nerven der Hautdrüsen getroffen und die Sekretion hierdurch unterbrochen oder in verschiedener Weise modifiziert werde. Dabei können chemische Produkte gebildet werden, die lokal entzündungserregend wirken oder deren Aufnahme in die Zirkulation Entzündungen spezieller Organe veranlaßt. Ich muß Sie übrigens, wie bereits bei einer früheren Gelegenheit, daran erinnern, daß man noch vor ganz kurzer Zeit gewisse Entzündungen der Erkältung zuschrieb, welche man heutzutage mit voller Sicherheit als Infektionskrankheiten erkennt, wie z. B. die croupöse Pneumonie, den akuten Gelenkrheumatismus, die akute Osteomyelitis usw. Die Erkältung spielt offenbar nur eine die Infektion begünstigende und vorbereitende Rolle, obschon auch diese Wirkung bis jetzt wenigstens experimentell nicht bewiesen werden konnte (Pawlowsky). — Man nennt älterem Sprachgebrauche gemäß diejenigen Entzündungen, welche durch Erkältung entstanden sind, „rheumatische" (von pstjtxi, der Fluß): dieser Ausdruck ist indessen so viel mißbraucht worden und so in Mißkredit gekommen, daß mau besser tut, ihn nicht zu häufig zu verwenden. 3. I n t o x i k a t i o n und I n f e k t i o n . Es gibt eine Menge chemischer Substanzen, welche an der Stelle, wo sie mit dem lebendigen Gewebe in Berührung kommen, Entzündung erzeugen, auch dann, wenn sie durchaus frei von Mikroorganismen sind und wenn der Zutritt der atmosphärischen Luft vollkommen ausgeschlossen wurde. Solche Substanzen sind: verdünnte Säuren und Alkalien, viele Salze, ätherische und scharfe öle usw. Bei unverletzter Epidermis bleiben sehr viele entzündungserregende Stoffe unschädlich; einige von ihnen dringen jedoch durch die Epitheldecke hindurch oder sie zerstören dieselbe zunächst und bewirken dann Entzündung der Cutis und des subkutanen Gewebes. Andere chemische Verbindungen erregen Entzündung, wenn sie auf irgendeine Weise in den Kreislauf eingetreten sind, ohne deshalb an der Einverleibungsstelle immer zu irritieren. Dabei gibt sich eine eigentümliche Einwirkung auf bestimmte Organe kund: obwohl der chemische Fremdkörper mit dem Blute durch den ganzen Organismus zirkuliert, äußert er doch nur auf ein ganz bestimmtes Organ einen schädlichen Einfluß, er wirkt s p e z i f i s c h entzündungserregend auf dasselbe. Wir kennen spezifische Wirkungen nichtentzündlicher Natur von einer ganzen Reihe von Arzneikörpern, besonders von den Alkaloiden. So z. B. die Gruppe der Narcotica: sie wirken alle betäubend, d. h. lähmend, auf die psychischen Funktionen, daneben aber beeinflussen sie in spezifischer Weise die verschiedensten Organe: die Belladonna wirkt auf die Iris, die Digitalis aufs Herz, das Opium auf den Darmkanal usw. Ähnliche spezifische Wirkungen beobachten wir bei entzündungserregenden Substanzen: wir können durch wiederholte Gaben von
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^ o n d e n akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile.
Kanthariden Nierenentzündung, durch Quecksilber Entzündung der Mundschleimhaut und der Speicheldrüsen, durch Jod Entzündung der Nasenschleimhaut hervorrufen usw., mögen wir diese Mittel durch den Magen, durchs Rektum oder durch die Haut ins Blut bringen. Wir nennen im allgemeinen diese auf das Gewebe irritierend und destruierend einwirkenden chemischen Substanzen G i f t e im weitesten Sinne des Wortes und sprechen von ihrer toxischen Aktion oder von einer I n t o x i k a t i o n , einer Vergiftung. Außer den soeben erwähnten Substanzen existieren eine große Menge besonderer Gifte, welche ausschließlich durch Bakterien gebildet werden. Man nennt sie im allgemeinen T o x i n e und unterscheidet folgende Arten: 1. Die sog. P r o t e i n e (Toxoproteine), d. h. die Stoffe, welche in dem Protoplasma der Bakterienzelle selbst enthalten sind und aus der lebenden, besonders aber aus der toten Zelle in die Umgebung diffundieren. 2. Die sog. T o x a l b u m i n e , fermentartige Sekretionsprodukte der Bakterien, welche sich chemisch wie Eiweißkörper verhalten, vielleicht nur deshalb, weil die giftigen Substanzen eine große Affinität für albuminoide Substanzen besitzen und wie die Farbstoffe von ihnen aufgenommen werden. 3. Giftige Spaltungsprodukte, welche durch die Gegenwart der Bakterien aus dem Nährboden erzeugt werden. Man nennt sie T o x i n e im engeren Sinne: ihre Wirkung ist weniger intensiv als die der Toxoproteine und der Toxalbumine. Alle diese Substanzen können ganz wie die chemischen Gifte eine Iutoxikation hervorrufen, vollkommen unabhängig von der Gegenwart der Bakterien selbst, ihrer Erzeuger. In der Regel werden sie jedoch auf den menschlichen Körper übertragen mit den Bakterien, denen sie anhaften, oder sie entwickeln sich im lebenden Organismus, wenn die betreffenden Bakterien im Gewebe die geeigneten Bedingungen zu ihrer Existenz und ihrer Vermehrung vorfinden. Man bezeichnet diese organisierten Gifte als K o n t a g i e n und spricht z.B. von dem Milzbrand-, von dem Rotzkontagium usw. Außerdem finden sich im Boden, im Wasser, in der Luft eine Menge höher organisierter pflanzlicher Organismen, welche unter besonderen Umständen entweder direkt oder durch Vermittlung eines Zwischenwirtes, z. B. gewisser Insekten, von dem menschlichen Organismus aufgenommen werden, in demselben die Rolle fakultativer Parasiten spielen und daselbst als Fermente, d. h. als Erreger eigentümlicher Zersetzungsvorgänge wirken. Doch ist es auch denkbar, daß dem Körper gleichzeitig bereits fertige chemische Produkte zugeführt werden, wie mit den Bakterien. Diese Gruppe von Giften, welche nur zum Teile näher gekannt sind, trägt den Namen M i a s m e n . Da die Bakterien innerhalb des lebenden Organismus in zweifacher Weise wirksam sind: einesteils durch den direkten Effekt ihres Wachstums auf das Gewebe, andernteils durch die chemischen Produkte ihrer Lebenstätigkeit, so können wir theoretisch die I n f e k t i o n , d. h. die Aufnahme der Bakterien als solcher, unterscheiden von der
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I n t o x i k a t i o n durch die von den Bakterien gebildeten, aber von ihnen getrennten Gifte. In der Praxis ist jedoch eine derartige Scheidung schwer durchführbar. Denn hier haben wir es fast immer mit kombinierten Effekten zu tun. Selbst wenn wir die Reinkultur eines Spaltpilzes, experimentell einem Tiere einverleiben, so haben wir mit dieser schon die Bakteriumproteine übertragen: nur bei der experimentellen Einverleibung gewisser Krankheitsprodukte, welche zwar durch bakterielle Infektion gebildet werden, aber selbst keine Bakterien enthalten, können wir direkt reine Intoxikationen hervorrufen, z. B. bei Tetanus, wie wir später sehen werden. Derartige Affektionen, bei denen im allgemeinen die Infektion die Nebensache, die Vergiftung jedoch das wichtigste Moment darstellt, pflegt man als Intoxikationsinfektionen zu bezeichnen. Daß die Pforten, durch welche die Infektion geschehen kann, zahlreich genug sind, unterliegt keinem Zweifel: durch Kontinuitätstrennungen der Haut und durch die dünne, zarte Epidermis, durch die Mündungen der Hautdrüsen und Haarbälge, durch die Atmungs- und Verdauungsorgane, durch die Blase und den Uterus können die Entzündungserreger in den Organismus eindringen und ihre deletäre Wirkung entfalten, so daß neben der Infektion alle anderen ätiologischen Momente der Entzündung in den Hintergrund treten müssen.
Auch über die F o r m e n und den V e r l a u f der nichttraumatischen Entzündungen möchte ich noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Ich habe Ihnen früher gesagt, daß das Charakteristische der traumatischen Entzündungen darin liege, daß sie an und für sich immer auf den Bezirk der Verwundung beschränkt bleiben; werden sie progressiv, so haben neue mechanische oder toxische Reize eingewirkt. Darin liegt schon, daß die durch wiederholte mechanische Reizungen und toxische Wirkungen primär erzeugten Entzündungen eine Neigung zur Progression oder wenigstens zu diffusem Auftreten haben; ebenso verhält es sich mit den meisten der Erkältung zugeschriebenen Entzündungen, welche entweder ein ganzes Organ oder einen größeren Bezirk einer Körperteils befallen. Bei den ersteren ist natürlich die Intensität des mechanischen Reizes von entscheidender Bedeutung; bei den toxischen Entzündungen die Qualität und Quantität des eingedrungenen Giftes, welche meistens eine zersetzende (fermentierende) Wirkung auf die das- Gewebe durchtränkenden Säfte ausübt. Außerdem kommen bei diesen Entzündungen noch andere begünstigende Momente in Betracht: das bereits entzündete Gewebe wird nicht wie der durch ein Trauma affizierte Körperteil ruhig gehalten und die Muskelkontraktionen fördern die Resorption der phlogogenen Stoffe und damit die Weiterverbreitung des Entzündungsreizes. Auch gewisse allgemeine Bedingungen, wie die
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^ o n den akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile.
schwächenden Einflüsse der Übermüdung, der mangelhaften Ernährung, des Alkoholismus, des Diabetes, der Gicht usw. befördern die Entzündung und haben namentlich auf ihre Ausgänge einen wesentlichen Einfluß. Über die . U r s a c h e n d e r W e i t e r v e r b r e i t u n g a k u t e r E n t z ü n d u n g e n sind wir noch keineswegs ganz im klaren; daß die anatomischen Verhältnisse der Gewebe, die Anordnung ihrer Fasern usw. eine Rolle dabei spielen, ist zweifellos; doch auch individuelle Dispositionen kommen dabei in Betracht. Am wichtigsten ist jedenfalls die Entwicklung und die Weiterverbreitung der Bakterien, welche von dem ursprünglichen Herde aus nach allen Richtungen in das Gewebe eindringen und überall phlogogene Produkte zutage fördern. — I s t aus e i n e m b e s t e h e n d e n E n t z ü n d u n g s h e r d e ein phlogogener Stoff ins Blut eingetreten und wirkt er von hier aus spezifisch auf ein beliebiges anderes Organ, so nennen wir eine auf diesem Wege sekundär entstandene Entzündung eine „ m e t a s t a t i s c h e " : solche metastatische Entzündungen können durch Verschleppung von Bakterienkolonien oder auf eine viel gröbere Weise unter Vermittelung von infizierten Blutgerinnseln, die aus den Venen in irgendeinen Körperteil gelangen, entstehen, wovon das Nähere bei dem Abschnitte von der Thrombose, Embolie und Phlebitis. — Die nichttraumatischen Entzündungen können ihren Ausgang in Zerteilung, in feste Organisation der Entzündungsprodukte, in Eiterung, in Brand nehmen. Wir wollen dies jedoch hier nicht mehr allgemein behandeln, sondern jetzt auf die Entzündungen der einzelnen Gewebssysteme übergehen.
1. A k u t e E n t z ü n d u n g der C u t i s . Die einfachen Formen akuter Entzündung der Cutis (Flecken, Quaddeln, Papeln. Bläschen, Pusteln), welche unter dem gemeinsamen Namen der „akuten Exantheme" zusammengefaßt werden, gehören der inneren Medizin an. Nur die erytliematöse Entzündung, die Furunkel und Karbunkel und das Erysipel pflegt man in der Chirurgie zu besprechen, übrigens gerät die Cutis sehr häufig in Mitleidenschaft durch Ausbreitung entzündlicher Prozesse auf dem Wege der Kontinuität, zumal solcher, welche im Unterhautzellgewebe, in den Muskeln oder selbst im Periost und in den Knochen ihre erste Entstehung haben. Auf der Oberfläche der Haut, zwischen den Epidermiszellen. in den Ausführungsgängen der Drüsen, in den Haarbälgen usw. finden sich konstant eine Menge verschiedenartiger Mikroorganismen,
ohne daß ihre Gegenwart wahrnehmbare Veränderungen im
Gewebe hervorrufen würde. pathogene Arten.
E s sind teils Kokkusformen, teils Bazillen, und zwar auch
Ihre Wirkung auf das lebende Gewebe ist verschieden: einige ver-
halten sich, in oder unter die normale Haut geimpft, vollkommen indifferent; andere, z. B. ein Bazillus, welcher von R o s e n b a c h wurde,
zeigen
exquisit
phlogogene
beim stinkenden Fußschweiße gefunden
und pyrogene Wirkung
und erregen
gleichzeitig
Vorlesung 21.
Kapitel X.
333
einen starken Fäulnisgeruch. In dem der normalen Haut anhaftenden Staub und Schmutz, ganz besonders in dem Raum unterhalb der Nägel, finden sich ganz gewöhnlich der Staphylococcus pyogenes (aureus und albus) und unter besonderen Umständen, so bei Phthisikern. der Bazillus der Tuberkulose; außer den bereits bekannten Mikrobien kommen wahrscheinlich noch andere Formen zuzeiten auf und innerhalb der normalen Epidermis vor, von denen vielleicht einige spezifisch pathogene Eigenschaften haben, während andere, obschon sie in gesundem Gewebe reaktionslos absterben, in einen Entzündungsherd eingeschleppt, Eiterung bewirken können. K l e m p e r e r s Untersuchungen haben erwiesen, daß manche Mikroorganismen ein derartiges Verhalten zeigen. Jedenfalls bietet die Haut, namentlich die behaarte Haut des Kopfes und die der Füße die günstigsten Bedingungen für eine bakterielle Verunreinigung, so daß nicht nur die oberflächlichen Kontinuitätstrennungen, sondern alle Entzündungen infolge irgendeines lokalen Reizes mit Leichtigkeit durch Infektion kompliziert werden können. Der Umstand, daß die sog. Eiterkokken bei allen eitrigen Entzündungen in den Vordergrund treten, schließt die Möglichkeit einer pathogenen Einwirkung anderer Formen als Entzündungserreger nicht aus, nur verwischt eben die massenhafte Entwicklung der Eiterkokken eine etwa ursprünglich vorhandene, heterogene Vegetation.
Die akute Entzündung der Haut (Dermatitis) ist entweder auf den Papillarkörper beschränkt oder sie spielt sich in den tieferen Schichten der Cutis ab. Im ersteren Falle wird das Exsudat auf die Oberfläche der Haut ergossen — wenn es überhaupt zur Exsudation kommt —, in letzterem wird es zwischen die Fasern der Cutis abgelagert. Zu den oberflächlichen Entzündungen der Haut rechnet man die zirkumskripte Dermatitis, das Erythem und die diffuse Dermatitis, das Erysipel, zu den tiefer gelegenen den Furunkel und den Karbunkel, beide Formen zirkumskript. Das Erysipel werden wir bei Gelegenheit der akzidentellen Wundkrankheiten abhandeln; wir besprechen daher zunächst: a) die e r y t h e m a t ö s e E n t z ü n d u n g , Dermatitis erythematosa, das entzündliche Erythem. Der Name Erythem wird in der Dermatologie auch für reine Hauthyperämien akuter und chronischer Natur gebraucht; wir verstehen darunter eine akute zirkumskripte Entzündung des Papillarkörpers und des Rete Malpighii, welche sich durch rosige bis scharlachrote Färbung der Haut, geringe Schwellung, erhöhte Temperatur und lebhaften, brennenden Schmerz manifestiert und mit der Abschilferung der Epidermis abschließt. Zuweilen kommt es zur Exsudation einer gelblichen serösen Flüssigkeit, welche das Hornblatt in Form von Bläschen abhebt. Wird dasselbe maceriert oder durch mechanische Insulten abgescheuert, so tritt das stark gerötete Stratum Malpighii frei zutage und sondert eine seröse, an der Luft zu gelblichen Krusten eintrocknende Flüssigkeit in reichlicher Menge ab. Wenn auch pyogene Mikroorganismen wahrscheinlich in der normalen Haut vorkommen, so scheinen sie doch nicht leicht durch die unverletzte epitheliale Matrix in die Papillarschicht einzudringen, denn nur wenn die wunde Stelle fortdauernd gereizt — d. h. das epitheliale Gewebe verletzt und zerstört wird — kommt es zu einer eigentlichen Eiterung;
334
Von den akuten nichttraomatischen Entzündungen der Weichteile.
sonst versiegt die Sekretion im Laufe einiger T a g e , die Malpighische Schicht produziert neue Epidermiszellen und bedeckt sich mit denselben: das Endresultat der Entzündung ist die Bildung eines jungen, zarten Hornblattes. der oberflächliche Substanzverlust verschwindet, ohne eine Narbe zu hinterlassen. — Die verschiedensten lokalen, die Hautoberfläche treffenden Irritamente, mechanische, chemische und kalorische Reize können Erytheme erzeugen: am häufigsten tun es die in Zersetzung begriffenen Hautsekrete selbst, Schweiß und Hauttalg, — ferner physiologische und pathologische Ausscheidungen, Harn, Fäces, Eiter usw. Sehr gewöhnlich ist das Erythem dort, wo zwei Hautoberflächen in kontinuierlicher Berührung sich befinden und die Epidermis fortwährend maceriert wird, wie z. B. zwischen den Nates, am Perineum, in der Schenkelbeuge, in der Tiefe der Hautfalten bei fetten Individuen, besonders bei Kindern (E. intertrigo). Aber auch von der Tiefe aus kann die erythematöse Entzündung angeregt werden und zwar geschieht dies meistens infolge einer hämatognen
septischen
Infektion.
Die
soptischon
Erytheme
entwickeln
sich
sowohl in der Umgebung von infizierten Wunden der Haut, wie über tieferliegenden septischen Entzündungsherden des subkutanen Gewebes, der Venen und Lymphgefäße, der Knochen und Gelenke, oder bei bestehender septischer Allgeineininfektion. In seltenen Fällen gleicht die Röte der Haut vollkommen einer skarlatinösen Eruption (der sog. ,.chirurgische Scharlach") und führt auch zur Desquamation; häufiger werden diese septischen Erytheme als Erysipel aufgefaßt, namentlich wegen ihrer oft sehr raschen Ausbreitung, jedoch fehlt ihnen der Charakter einer w a n d e r n d e n Entzündung, abgesehen von anderen später zu besprechenden Merkmalen des echten Erysipels. Die erythematöse Dermatitis kann sehr schmerzhaft und lästig sein, jedoch ist sie nur ganz ausnahmsweise von Fieber gefolgt. Bei andauernder Reizung entstehen mitunter oberflächliche Geschwüre. Die Behandlung ist sehr einfach: vor allem große Reinlichkeit, Waschungen oder laue Bäder mit einer antiseptischen Lösung, Karbolsäure ( 2 : 1 0 0 ) oder Sublimat ( 1 : 3 0 0 0 ) — daneben kalte Überschläge mit Blciwasser oder essigsaurer Thonerde; sind nässende Partien vorhanden, so benutzt man mit Vorteil indifferente und austrocknende Streupulver: Ainylum, Semen Lycopodii. Reispuder, Talk, Gummi arabicum usw., denen man auch wohl etwas Salizylsäure, Magisterium Bismuthi, Borsäure, Jodoform u. dergl. zusetzt. Weniger empfehlenswert ist die Behandlung mit Salben: am ehesten wird Lanolin als Constituens vertragen. b) D e r F u r u n k e l o d e r B l u t s c h w ä r ist eine eigentümliche Entzündungsform der Cutis von meist typischem Verlaufe. Manchen von Ihnen mag sie aus eigener Erfahrung schon bekannt sein. E s entsteht zuerst ein erbsen- bis bohnengroßer Knoten in der Haut, rot gefärbt und ziemlich
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Kapitel X.
335
empfindlich: bald zeigt sich auf seiner Höhe, nicht selten rings um ein Flaumhaar, ein kleiner, weißer Punkt, ein Bläschen, mit einem anfangs serösen, später serös-eitrigen Inhalt. In der Regel wird es aufgekratzt, so daß es zu einer bräunlichen Kruste vertrocknet; die Geschwulst dehnt sich um dieses Zentrum herum aus und erreicht für gewöhnlich etwa die Größe eines Talers. auch etwas darüber; zuweilen bleibt der Furunkel auch ganz klein, etwa wie eine Erbse groß. Die umgebende Haut ist immer derb infiltriert und dunkel-blaurot, glänzend. Je größer der Furunkel ist, um so schmerzhafter wird er. und reizbare Menschen können dabei fiebern. Uberläßt man die Sache ganz sich selbst, so spitzt sich die Geschwulst in der Mitte kegelförmig zu; um die zentrale Kruste oder, wenn das Bläschen nicht zerkratzt wurde, um einen weißlichgrauen Punkt entsteht ein eitriger Hof und gegen den 4. oder 5. Tag bricht der Eiter durch, anfangs gewöhnlich in sehr geringer Menge. Das Charakteristische des Furunkels ist nun, daß der zentrale Anteil in Form eines Zapfens ausgestoßen wird. Gewöhnlich tritt derselbe auf einen leichten Druck zugleich mit einer gewissen Menge dicken. Blut und Zellstofffetzen enthaltenden Eiters aus der Geschwulst hervor, und jetzt läßt der Schmerz und die lokale Reaktion fast augenblicklich nach. Es zeigt sich ein rundlicher, lochförmiger Substanzverlust in der Cutis, der sicli rasch ausfüllt: 3 — 4 Tage später hört die Eiterung ganz auf, Geschwulst und Rötung verlieren sich allmählich, und es bleibt schließlich eine punktförmige, pigmentierte, kaum sichtbare Narbe zurück. Man hat kaum Gelegenheit, einen solchen Furunkel in der Zeit seiner ersten Entstehung anatomisch zu untersuchen: so viel man aber aus der ganzen Entwicklung und bei Einschnitten in denselben wahrnimmt, scheint das Absterben eines kleinen Stückes Cutis den Ausgangspunkt und das Zentrum eines Entzündungsprozesses zu bilden, bei welchem schließlich das Blut in den erweiterten Kapillargefäßen stockt, das Gewebe der Cutis durch plastische Infiltration teils zu Eiter verflüssigt, teils gangränös abgestoßen wird. Dabei besteht keine Disposition zur diffusen Ausbreitung der Entzündung, sondern der ganze Prozeß bleibt auf das anfänglich erkrankte Terrain beschränkt. Das nekrotisierende Zentrum des Furunkels entspricht einer Hautdrüse, und zwar entwickeln sich die häufigeren, typischen sog. Follikular-Furunkel, wie wir sie soeben geschildert haben, um einen Haarbalg und die zu ihm gehörige Talgdrüse. Außerdem gibt es sog. Schweißdrüsen- oder Zellgewebsfurunkel: sie sind viel seltener und charakterisieren sich durch ihren tiefen Sitz an der Grenze des subkutanen Zellgewebes, durch ihre rundliche, ziemlich scharf begrenzte Form und dadurch, daß ihnen das zentrale Bläschen und später der offen zutage tretende Pfropf mangelt. Das nekrotische Gewebe liegt, wie die Drüse selbst, nicht i n , sondern u n t e r der Haut: um dasselbe entwickelt sich
336
^ o n < l e n akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile.
Eiter, welcher nicht selten aus einer feinen punktförmigen Öffnung der noch nicht verdünnten Haut hervorgepreßt werden kann. Die Öffnung repräsentiert die Mündung einer Schweißdrüse. Der Durchbruch des Eiterherdes erfolgt allmählich unter blauroter Verfärbung der Haut: der nekrotische Gewebspfropf ist zu dieser Zeit bereits verflüssigt und daher nicht mehr nachweisbar. Die Ursache für die Entstehung einzelner Furunkel ist in vielen Fällen eine rein lokale. Einzelne Hautstellen, an denen die Hautdrüsen besonders groß sind und sehr tief liegen, wie das Perineum, die Nackengegend, der Rücken, die Achselhöhlen, das Gesäß, sind ganz besonders zur Furunkelbildung disponiert. Auch kommen Furunkel gerade häufig bei solchen Leuten vor. welche sehr weite Talgdrüsen und dadurch sog. Finnen. Mitesser oder Comedonen haben. Begünstigt wird die Entwicklung der Furunkel durch allerlei oberflächliche Kontinuitätstrennungen, Exkoriationen, Reizung und Maceration der Epidermis usw. Man hat im Eiter der Furunkel die bekannten Eiterkokken, namentlich Staphylococcus pyogonos aureus, nachgewiesen und es ist experimentell konstatiert, daß man durch Einreiben einer Reinkultur von St. pyogenes albus in die unverletzte Haut des Menschen Furunkel erzeugen kann. Bei vernachlässigten, elenden Säuglingen, die nicht selten an massenhaften Schweißdrüsenfurunkeln erkranken, hat man Eiterkokken in der frischen, noch nicht getragenen Leibwäsche aufgefunden. Nach diesen Beobachtungen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Furunkel übertragbar sind, und zwar zunächst durch Autoinfektion, indem in der Umgebung des primären Herdes neue Furunkel entstehen, namentlich wenn das Sekret durch Reiben auf der Hautoberfläche verschmiert wird, wie z. B. beim Massieren. Aber auch von einem Individuum auf andere sind die Furunkel übertragbar, was übrigens unter dem Volke von jeher geglaubt wurde. So können z. B. Wärterinnen, welche Furunkulose pflegten, an den Händen Furunkel bekommen, oder durch ein gemeinsam benütztes Steckbecken mehrere Individuen von Furunkeln an Nates und am Rücken befallen werden. Übrigens hat jedes Eiterkokken enthaltende Substrat die Fähigkeit. Furunkel zu erzeugen, und wir sehen in der Tat nicht selten Furunkel bei Leuten, welche mit animalischen Substanzen zu tun haben, wie bei Prosektoren. Abdeckern, Fleischern, Fischhändlern, Köchinnen, aber auch bei Geburtshelfern. Hebammen und Chirurgen, und zwar besonders am Handrücken und an der Dorsalseite der Finger. Da ist es nun interessant, wenn wir durch P a s s e t erfahren, daß er den Staphylococcus pyogenes aureus aus Spülwasser und den Staphylococcus pyogenes albus aus faulendem Fleisch aufzüchten konnte. Die furunkulöse Entzündung wird durch direkte Infektion der Hautdrüsenmündungen in die Haarbälge vermittelt. Die Kokken dringen wahrscheinlich in die Kapillaren ein, welche die Hautdrüsen und Haarbälge
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Kapitel X.
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umspinnen und bewirken dadurch kapillare Thromben. Die eigentümliche Vaskularisation der Haut, vermöge welcher jeder dieser Gefäßbezirke direkt durch eine unmittelbar aus dem subkutanen Gefäßnetz aufsteigende Arterie versorgt wird, während das umgebende Bindegewebe unabhängig davon sein Blut aus den Cutisgefäßen erhält, macht es verständlich, wie so eine ganz zirkumskripte Gewebspartie isoliert nekrotisieren kann. Dazu kommt noch die straffe Umschließung der Hautdrüsen durch die derben Bindegewebsbündel der Cutis, welche das Absterben des Drüsenkörpers, respektive des Haarbalges begünstigt. D a s massenhafte Auftreten von Furunkeln am ganzen Körper beobachtet man zuweilen als angeblich günstiges prognostisches Symptom bei sehr energischen Kaltwasserkuren, bei konstitutionellen Affektionen, namentlich Diabetes, nach schweren Infektionskrankheiten, wie Typhus, Tuberkulose usw., bei elenden, atrophischen Kindern; allein es kommt auch zuweilen bei anscheinend ganz gesunden Individuen vor, daß sie während eines gewissen Zeitraumes einen Furunkel nach dem anderen bekommen und zwar an den verschiedensten Körperstellen oder nur an einem bestimmten Teile, z. B . am Rücken, an den Beinen. Die Eruption ist mitunter so massenhaft, daß man täglich zehn und noch mehr große und kleine Furunkel zur Inzision reif findet, und das dauert Wochen und Monate hindurch: ganz plötzlich hört dann die Furunkelbildung wieder auf. Man nennt diesen krankhaften Zustand F u r u n c u l o s i s : er wirkt bei längerem Bestehen sehr erschöpfend auf den Organismus. Die Patienten kommen durch die fortwährenden Schmerzen, die schlaflosen Nächte, wohl auch durch die Eiterresorption sehr herunter, magern ab, alte Leute und Kinder können schließlich zugrunde gehen. Die Ursache dieser multiplen Erkrankung der Hautdrüsen kennt man nicht: wenn man von einer massenhaften Autoinokulation spricht, so ist damit eigentlich nichts gesagt, denn die Eigentümlichkeit der Erkrankung besteht j a eben darin, daß es zu einer derartigen Autoinfektion kommt, trotz aller antiseptischen Vorsichtsmaßregeln. Daß die Lebensbedingungen (Nahrung, Wohnung usw.) an der Sache einigen Anteil haben, scheint aus dem Umstände hervorzugehen, daß Perioden der Furunkelbildung zuweilen bei zwei oder mehreren unter genau denselben hygienischen Verhältnissen lebenden, respektive den gleichen Infektionsbedingungen ausgesetzten Individuen (Mann und Frau oder die Kinder einer Familie usw.) zu derselben Zeit beobachtet werden. Die Behandlung des einzelnen Furunkels ist eine einfache. Der Versuch, durch frühzeitige Applikation von Quecksilberpflaster oder Salizylsäurepflaster ( 5 — 1 0 p. c.) den Prozeß zu coupieren und die Eiterung zu vermeiden, gelingt nur selten. Dagegen kann man nach dem Vorgange H u e t e r s und B i d d e r s versuchen, durch Einstich mittels der Pravazschen Spritze in das Zentrum des Infiltrates eine 3prozentige Karbolsäurelösung B i 11 r o t h — T. W i n i w a r t e r , Die allg. chir. Path. u. Ther.
16. Aufl.
22
338
^ o n den akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile.
zu injizieren — bei kleinen Furunkeln eine oder mehrere Spritzen voll.
nur einige Tropfen, bei größeren
Wenn man frühzeitig dazu gekommen
ist. so hat diese ziemlich schmerzhafte Abortivbehandlung zuweilen E r f o l g : das Infiltrat zerteilt sich innerhalb der nächsten 2 4 — 4 8 Stunden und es kommt nicht zur Eiterung.
V e r n e u i l hat vorgeschlagen, auf den F u r u n k e l
von Anfang an täglich
mehrere
unsichere
sehr umständliche
und nebenbei
Male Karbolsäure
zu zerstäuben,
Behandlung.
Die
eine
Patienten
nehmen übrigens die Hilfe des Arztes gewöhnlich erst dann in Anspruch, wenn
der Blutschwär
bereits vollkommen
ausgebildet
klein und wenig schmerzhaft, so begnügt m a n abrasierten
Haut
durch
feucht warme
ist.
Ist
derselbe
sich nach Reinigung der
Ein Wickelungen
mit B u r o w scher
Lösung die Eiterung und die Abstoßung des nekrotischen Gewebes möglichst zu befördern
und den Aufbruch
ruhig abzuwarten;
dann entleert
man
durch sanften Druck den zentralen Pfropf samt dem E i t e r und überläßt die Heilung sich selbst.
Ist jedoch der Furunkel sehr groß, sitzt er sehr
tief und sind die Schmcrzcn bedeutend, dann ist es angezeigt, das nekrotische
Gewebe
so bald
wie
möglich
freizulegen;
dies
geschieht
durch
einen den Furunkel bis ins subkutane Gewebe spaltenden Schnitt, eventuell einen Kreuzschnitt, welchen man unter CocaTnanästhesie ausführt. bedienen sich dazu des Thermokauters.
Manche
Zwar wird die Eiterung dadurch
nicht vermieden, aber die Schmerzen werden wesentlich gelindert und der Ablauf des Prozesses befördert. im
Gesichte,
und sonst
Die frühzeitige Inzision ist bei Furunkeln
bei den
sog. Schweißdrüsen-
oder
Zellgewebs-
furunkeln ganz besonders indiziert. Ich bin überzeugt, daß man durch eine sorgfältige prophylaktische Therapie, die sich jedoch nur am eigenen Leibe mit Erfolg durchführen läßt, die meisten Furunkel in ihrer Entwicklung aufhalten könnte, indem man das allererste oberflächliche Infiltrat, sowie man es konstatiert, also bereits innerhalb
der ersten '24 Stunden, durch einen
die ganze Hautdrüse oder den Haarbalg spaltenden Einstich freiliegt. ziemlich
schmerzhaft,
weil
er
die
Der Schnitt ist
ganze Dicke der Cutis durchdringen muß,
günstige Wirkung ist aber eine fast augenblickliche.
seine
Ich spreche nach Beobachtungen
an mir s e l b s t : unsere Patienten geben sich in der Regel zu einer derartigen Kur nicht her. kommen wohl auch zu spät, als daß ein Erfolg von ihr zu erwarten wäre.
Die
allgemeine Furunkulose ist eine sehr schwierig mit Erfolg zu
bekämpfende Krankheit. Man gab früher innerlich Chinapräparate, Mineralsäuren. Eisen. Arsenik. flüssige
Bierhefe
Seit einigen J a h r e n verwendet man die frische,
innerlich,
etwa 3 — 4
Eßlöffel
voll
pro
die,
während
8 — 1 4 Tagen, und zwar, wie ich in vielen F ä l l e n konstatiert habe, in der Regel mit raschem Erfolg.
Habituelle Konstipation soll bekämpft werden.
B e i Diabetes mellitus ist vor allem eine streng geregelte Diät, eine gute kräftige Fleischkost mit gutem Weine erforderlich. sorge
muß
auf die dauernde Antiseptik
der Haut
gerichtet
besonders
Die Hauptsein:
laue
Vorlesung 21.
Kapitel X.
339
Bäder. Reinigung der Haut mit Schmierseife. Waschungen mit Sublimatlösungen (1 : 2000) sind notwendig. Die lokale Behandlung der Furunkel sei eine möglichst schonende: gewöhnlich werden die Patienten durch die fortwährenden Schmerzen so entmutigt, daß sie um keinen Preis die Inzision oder auch nur das Ausdrücken eines Furunkels zugeben. Jedenfalls sollen die erkrankten Hautpartien mit einem exakten Verband von Krüllgaze in B u r o w s c h e r Lösung getränkt oder mit Salizyl- oder Ichthyol-Pflastermull bedeckt werden. c) D e r K a r b u n k e l u n d d i e k a r b u n k u l ö s e E n t z ü n d u n g . A n t h r a x (Carbunculus, Kohlenbeule, spätere lateinische Ubersetzung von dem älteren ovöpa;, Kohle) verhält sich anatomisch wie ein Komplex mehrfacher, dicht aneinander liegender Furunkel. Die Karbunkel sind denn auch wie die Furunkel eine ursprünglich rein lokale Krankheit: ihr Hauptsitz ist die derbe Rücken- und Nackenhaut, zumal älterer Individuen. Entstehung und erste Ausbreitung ist wie beim Furunkel; auch hier beginnt die Erkrankung als eine zirkumskripte Rötung und Anschwellung der Haut. Avobei das Gewebe rings um die Hautdrüsen durch fibrinöses Exsudat infiltriert wird. Die Zirkulation wird hierdurch in der Tiefe vollkommen aufgehoben und es stirbt ein Teil der Cutis und des subkutanen Fettgewebes ab. Um dieses nekrotische Gewebe entsteht nun eine Eiterung, welche sich in der Tiefe ausbreitet und immer neue Teile infiziert; so wird die straffe derbe Cutis unterminiert, und vom subkutanen Gewebe aus erkranken die benachbarten Hautdrüsen: indem die Eiterung längs derselben nach der Oberfläche zu fortschreitet, entstehen auf der Haut eine Menge isolierter, weißer, gangränöser Punkte, welche je einer Hautdrüse oder einem Haarbalge entsprechen. Der ganze Prozeß ist extensiver und intensiver als die furunkulöse Entzündung. Während nun innerhalb der dunkelroten, entzündeten Haut der Eiter an verschiedenen Stellen rings um die gangränösen Pfropfe durchbricht, vergrößert sich in der Peripherie die Anschwellung, Röte und Schmerzhaftigkeit in manchen Fällen so unaufhörlich, daß die ganze Ausdehnung des Karbunkels bis zum Umfange eines Suppentellers gedeihen kann, und während in der Mitte die Auslösung der weißen, brandigen Cutiszapfen erfolgt, schreitet in der Umgebung der Prozeß nicht selten fort; d i e s e N e i g u n g zur p e r i p h e r e n P r o g r e d i e n z des P r o z e s s e s ist c h a r a k t e r i s t i s c h für den A n t h r a x , und u n t e r s c h e i d e t i h n k l i n i s c h v o m F u r u n k e l . Die Ausstoßung gangränösen Gewebes ist beim Karbunkel eine viel bedeutendere als beim Furunkel. Die Haut erscheint nach dem Ausfalle der Cutiszapfen siebförmig durchlöchert und unterminiert, vereitert jedoch nicht selten in der Folge ganz, so daß nach einem Karbunkel stets eine sehr große Narbe zurückbleibt. Der ganze Prozeß bleibt aber selbst bei der größten Intensität fast immer auf Haut- und Unterhautzellgewebe beschränkt: es gehört zu 22*
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^ o n den akuten nichttraumatischen Entzündungen der Weichteile.
den Seltenheiten, daß dabei die Fascien und Muskeln durch Gangrän zerstört werden, so daß bei einem großen Karbunkel in der Nähe bedeutender Arterienstämme die Gefahr einer Zerstörung der Gefäßwände mehr gefürchtet wird, als daß sie erfahrungsgemäß vorliegt. Nach der ausgedehnten Abstoßung des Zellgewebes und dem endlichen Stillstande des Prozesses in der Peripherie bildet sich eine gesunde, meist sehr üppige Granulation aus und es erfolgt die Heilung in gewöhnlicher Weise in einer der Größe der Granulationsfläche entsprechenden Zeit. Über die Ätiologie des Karbunkels wissen wir nur, daß er wie die Furunkel durch Infektion mit Staphylococcus pyogenes, aureus und albus, entsteht, welche unter günstigen lokalen Bedingungen, wie z. B. innerhalb der derben, straffen Haut des Rückens und Nackens eine besonders intensive Entzündung anregt. Im Inhalte des Eiters sind keine andern, etwa für den Karbunkel spezifischen Mikroorganismen nachzuweisen. Die Allgemeinreaktion ist beim Karbunkel viel intensiver als beim Furunkel. Nicht selten beginnt dio Erkrankung mit einem heftigen Schüttelfroste, welchem ein kontinuierliches Entzündungs-, später Eiterfieber folgt, mit Störungen der Verdauung, Mattigkeit, Schlaflosigkeit usw. Der Verlauf des lokalen Prozesses am Rücken oder am Nacken ist ein langsamer und sehr schmerzhafter, doch tritt im ganzen selten der Tod ein. E s gibt aber Fälle, besonders wenn der Karbunkel oder eine diffuse, karbunkulöse Entzündung im Bereiche des Gesichtes und des Kopfes, zumal an der Lippe oder an der Wange sich entwickelt, die frühzeitig mit septischen, wie man früher zu sagen pflegte, ..typhösen" Erscheinungen (nicht selten mit wenig erhöhten, ja sogar subnormalen Temperaturen) einhergehen und sehr gefährlich, meist tödlich verlaufen. In diesen Fällen handelt es sich um Entzündungen mit Bildung besonders giftiger Produkte, die sofort bei Beginn der Erkrankung zur Resorption kommen. Nicht die Ausdehnung der gangränösen Zerstörung an und für sich bedingt die schweren Allgemeinsymptome: es gibt Karbunkel im Gesichte, die zwar umfangreiche Substanzverluste und infolgedessen entstellende Narben hinterlassen, allein die gefahrdrohenden Erscheinungen der septischeu Intoxikation treten dabei nicht auf. Da man jedoch unmöglich im Beginne der Erkrankung den Verlauf voraussehen kann, so rate ich Ihnen dringend, bei jedem Karbunkel des Gesichtes die Prognose höchst reserviert zu stellen. Der folgende von B i l l r o t h beobachtete Fall möge Ihnen zur Illustrierung des Gesagten dienen. Ein junger, kräftiger, blühender Mensch bekam auf einer Reise nach Berlin ohne bekannte Veranlassung eine schmerzhafte Anschwellung an der Unterlippe; dieselbe vergrößerte sich rasch und verbreitete sich bald über die ganze Lippe, während der Patient heftig fieberte. Der zugerufene Arzt ließ Kataplasmen raachen, offenbar ohne die Bedeutung der Krankheit zu erkennen. Am dritten Tage, nachdem das Gesicht stark angeschwollen war und der Kranke einen heftigen Schüttelfrost gehabt hatte, daneben viel delirierte, wurde er in die chirurgische Klinik gebracht. Die Lippe war
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Kapitel X.
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dunkel blaurot und von einer großen Menge weißer gangränöser Hautstellen durchsetzt. Sofort wurden sehr viele Einschnitte gemacht, die Wunden mit Chlorwasser verbunden, darüber Kataplasmen appliziert und dem Patienten eine Eisblase auf den Kopf gelegt, weil Meningitis im Anzüge war: doch erschien der Zustand gänzlich hoffnungslos. Der Kranke verfiel bald in einen tiefen Sopor und starb 24 Stunden später. 4 Tage nach dem Anfang des Karbunkels an der Unterlippe. Die Sektion mußte unterbleiben.
In vielen Fällen von letal verlaufendem Karbunkel im Gesicht wird man bei recht genauer Untersuchung eine Verbreitung der Entzündung in der Schädelhöhle und eine dadurch vermittelte Erkrankung des Gehirns finden. Indes muß ich Ihnen doch dabei bemerken, daß die Ausdehnung dieser Entzündung, wie wir sie an der Leiche finden, durchaus in keinem Verhältnisse steht zu der enormen Heftigkeit der allgemeinen Erscheinungen, so daß letztere durch den Sektionsbefund keineswegs ganz aufgeklärt werden. J a , es gibt Fälle, und gerade zuweilen die am schnellsten verlaufenden, bei welchen der Tod eintritt, ohne das man überhaupt irgend etwas Krankhaftes am Gehirn findet. Bei dem raschen stürmischen Verlaufe und bei dem schnellen Übergange der karbunkulösen Infiltration in brandigen Zerfall werden massenhaft septische Produkte von der Zirkulation aufgenommen, welche eine ausgedehnte Zerstörung der roten Blutkörperchen und damit den Exitus letalis herbeiführen. Sie werden später hören, daß die Infektion der Haut mit Milzbrandgift karbunkelartige Entzündungen hervorruft, welche nicht selten zum Tode führen. Man hat daher supponiert. daß alle bösartigen Fälle von Anthrax Milsbrandkarbunkel darstellen, und daß die Vermittler der Infektion Insekten, namentlich Schmeißfliegen und Bremsen seien, welche von milzbrandkranken Tieren oder deren Kadavern das Gift auf den Menschen übertragen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß zuweilen nach Bissen und Stichen von Insekten sehr schwere, lokale und allgemeine Erscheinungen auftreten, allein um dieselben zu erklären, bedarf es nicht der Annahme einer Milzbrandinfektion. Auch ist, seitdem wir die Milzbrandbazillen kennen, durch den Nachweis derselben in dem Infektionsherde die Diagnose des echten Milzbrandkarbunkels (der sog. Pustula maligna) in jedem Falle zu stellen. Diese bösartigen Karbunkel haben durchaus nichts mit dem Milzbrande gemein; ihre Entstehungsursache ist für die meisten Fälle äußerst dunkel. — Auch bei Diabetes mellitus und Urämie kommt die Entwicklung von Karbunkeln vor, so wie bei den spontan an gesunden Menschen sich entwickelnden Furunkeln und Karbunkeln Zucker im Harn beobachtet worden ist ( W a g n e r ) . Offenbar sind diese letzteren Beobachtungen so zu deuten, daß die an Karbunkel Erkrankten nur scheinbar gesund waren; sie hatten möglicherweise schon vorher Diabetes milderen Grades, ohne daß es ihnen oder ihrem Arzte bekannt war. — Zum Glück sind die Karbunkel nicht sehr häufig; auch die einfachen gutartigen Karbunkel sind so selten, daß
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selbst in der ausgedehnten chirurgischen Poliklinik Berlins, wo in jedem Jahre zwischen 5 — 6 0 0 0 Kranke Hilfe suchen, nur etwa alle zwei Jahre ein Karbunkel zur Beobachtung kommt. Viel öfter begegnet man der Krankheit in Wien, und auch hier in Lüttich sehe ich im Jahre wohl 3 — 4 Fälle: allerdings meist keine schweren P'ormen. — Die Diagnose des gewöhnlichen Karbunkels ist nicht schwer, zumal wenn man das Ding einmal vor sich gehabt hat: eine diffuse karbunkulöse Entzündung kann erst nach einiger Beobachtungszeit erkannt werden; sie zeigt anfangs nur das Bild des Erysipels. Die B e h a n d l u n g des Karbunkels muß eine energische sein, wenn das Übel nicht zu weit vorschreiten soll. Bei den schwersten Fällen, ganz besonders bei den Karbunkeln der Lippen und des Gesichtes überhaupt, welche von Anfang an mit intensiven septischen Allgemeinsymptomen. Schüttelfrost und hohem Fieber, oder, was noch ungünstiger ist. mit subnormalen Temperaturen und sehr beschleunigtem Puls, großer Prostration, Benommenheit des Sensorium verlaufen, gibt es nur Ein Mittel, den Patienten zu retten, die vollständige Exstirpation des ganzen Karbunkels in der Narkose. Lassen Sie sich dabei nur ja nicht durch die Rücksicht auf spätere entstellende Narben vom zielbewußten radikalen Eingreifen abhalten, wenn auch die Prognose selbst bei dieser Behandlung zweifelhaft ist. Die Blutung bei der Exzision ist sehr stark und der Substanzverlust erscheint infolge der starken Spannung des Gewebes unverhältnismäßig groß. Nach Entfernung der starr infiltrierten Haut in ihrer ganzen Dicke wird die Wunde mit Jodoformgaze ausgefüllt und offen behandelt. Der Effekt der Operation, namentlich auf den Allgemeinzustand, ist ein überraschend günstiger, wenn die septische Intoxikation nicht schon zu weit vorgeschritten war. Schon nach 24 Stunden hat die Schwellung der Weichteile abgenommen, der Patient empfindet keine Schmerzen, der Substanzverlust hat sich wesentlich verkleinert und granuliert bald in ganzer Ausdehnung, so daß schließlich die Narbe doch nicht so groß wird, als man ursprünglich glauben mußte. Handelt es sich um relativ gutartige Karbunkel, ohne besondere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, so können Sie sich mit der I n z i s i o n des Entzündungsherdes begnügen. Sie tun gut, auch für diesen Eingriff den Patienten zu narkotisieren. Dann führen Sie sofort zwei sich kreuzende, die ganze Dicke der Cutis durchdringende Schnitte, die so lang sein müssen, daß die infiltrierte Haut vollständig bis in die gesunde Umgebung hinein gespalten wird. Außerdem machen Sie noch andere, ebenso tiefe Schnitte dort, wo die Haut gangränös zu werden droht oder wo sich bereits weiße Punkte befinden. Wenn bereits ausgedehnte Nekrose des subkutanen Bindegewebes vorhanden ist, so kratzen Sie mit dem scharfen Löffel von den Schnitten den ganzen Herd aus. Die Blutung ist bei diesen Eingriffen verhältnismäßig unbedeutend, weil das Blut in den meisten
Vorlesung 21.
Kapitel X .
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Gefäßen des Karbunkels geronnen ist. Nun reiben Sie alle Schnittflächen recht energisch mit einem in flüssige Schmierseife getränkten Gazetampon ab und führen bis auf den Grund der Einschnitte Jodoforingaze, in B u r o w s c h e Lösung getaucht, ein, um jede Verklebung und Sekretverhaltung unmöglich zu machen. Darüber lassen Sie feuchte Wärme applizieren, welche eine möglichst kräftige Reaktion von Seiten des nicht nekrotischen Gewebes anregt. Der Verband muß im Anfange mindestens einmal täglich erneuert werden: zeigen sich dabei neuinfiltrierte Stellen, so müssen auch sie sogleich inzidiert werden. Beginnt das mortifizierte Gewebe sich zu lösen, so ziehen Sie täglich mit einer Pinzette die halb abgelösten Fetzen ab, schneiden sie, ohne Blutung zu erzeugen, fort und suchen dadurch die Reinigung der Wunde möglichst zu beschleunigen. Bald werden sich hier und dort kräftige Granulationen zeigen; endlich lösen sich die letzten Fetzen ab und es bleibt eine bienenwabenartige, löcherige Granulationsfläche zurück, die sich bald ebnet und später auf gewöhnliche Weise benarbt, so daß sie nur wenig Unterstützung zur Heilung durch Lapis infernalis wie andere Granulationsflächen bedarf. Die älteren Methoden der Ätzung des Karbunkels mit Kali causticum sind gegenwärtig wohl allgemein verlassen. Wenn die Spaltung des Karbunkels keinen Erfolg gehabt hat und die vollständige Exstirpation nicht ausführbar ist, werden wiederholte Injektionen von Karbolsäure in das infiltrierte Gewebe empfohlen; auch multiple Einschnitte in die Haut, die sog. Stichelung, und Einreibungen von 4prozentiger Karbolsäurelösung in die Wunde können versucht werden, aber leider ist die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges unter solchen Umständen sehr gering. Von Wichtigkeit ist es, die Kräfte des Patienten aufrecht zu erhalten: Alkohol in großen Dosen ist zu diesem Zwecke unerläßlich. Gegen die schnell auftretenden Hirnaffektionen kann man nichts anderes tun, als eine Eisblase auf den Kopf applizieren. Innerlich gibt man gewöhnlich Chinin, salizylsaures Natron, Säuren und andere antiseptische Mittel. Selbst wenn der Ausgang des Karbunkels quoad vitam ein günstiger ist, wird jedenfalls eine ausgedehnte Zerstörung der Haut entstehen und bedeutende Entstellungen werden zumal bei karbunkulöser Entzündung der Augenlider, der Unter- und Oberlippe zurückbleiben, indem diese Partien durch Gangrän zum größten Teil zugrunde gehen. Größere Substanzverluste im Gesichte müssen späterhin durch plastische Operationen gedeckt werden. 2.
A k u t e E n t z ü n d u n g der
Schleimhäute.
Während die traumatische Entzündung an den Schleimhäuten nichts Besonderes darbietet, ist der „akuteKatarrh", oder die „akute katarrhalische Entzündung" eine diesen Häuten eigentümliche Erkrankungsforni, welche
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anatomisch durch starke Hyperämie, etwas ödematöse Schwellung und reichliche Absonderung eines anfangs mehr serösen, dann schleimig-eitrigen Sekrets charakterisiert ist. und vorwiegend häufig, vielleicht einzig und allein durch Infektion erzeugt wird. Allerdings ist dieselbe noch nicht für alle Fälle nachgewiesen: es figuriert daher unter den ätiologischen Momenten von altersher auch die Erkältung, ohne daß man ihren Einfluß präzisieren könnte. Die „Blennorrhoe" (von ß/iwa Schleim, und pi