Raster und Fadenkreuz. Zur Musterung von Verbrechen: Kritik und künstlerische Untersuchungen einer Medientechnik [1. Aufl.] 9783839411735

Raster durchmessen architektonische Räume, Stadträume, Datenräume und Körperräume, verschlucken dabei die Perspektive zu

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German Pages 184 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1
Bremen 1852
„Das hat uns ermutigt!“ Oscar Sahlieh im Gespräch mit Domenico Dolce und Stefano Gabbana.
Der Panther und die Gardine
morgens, wenn ich sortiere
ALL MY FRIENDS ARE CRIMINAL
Station M6 und andere
Gesellschaft mit Freunden
21 HERR NORDBRUCH, Herr Geils / 31 PURPUS
Stoffe für Alpträume
Saving Everybody
Plattenbau
Frau Wieschenkämper
Stimmen zum Tod an L. Condé
Salto rückwärts geschlossene Systeme ein ordentliches Chaos
Das Tätergen
Regelwerk der Bewegung
Verweildauer 1–6
2
Das Ich im Fluchtpunkt
Rastern und Unbestimmtheit: Physische Anthropologie um 1900
Raster : Zeichnung
Rasterzeichnungenund Phantombild
Versuchsanweisung im Rahmen des Seminars „Raster und Fadenkreuz“ Personenbeschreibung und Phantombild
Versuchsanweisung im Rahmen des Seminars „Raster und Fadenkreuz“ Datenflut und Realitätseffekt Zur paradoxen Geschichte der Überwachungskultur
3
Kurzbiografien
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Raster und Fadenkreuz. Zur Musterung von Verbrechen: Kritik und künstlerische Untersuchungen einer Medientechnik [1. Aufl.]
 9783839411735

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Raster und Fadenkreuz. Zur Musterung von Verbrechen — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Andrea Sick, Katharina Hinsberg, Dorothea Mink (Hrsg.) — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Raster und Fadenkreuz —

Zur Musterung von —

Verbrechen —

— Kritik und künstlerische Untersuchungen einer Medientechnik

Schriftenreihe 05 — — — — — — — — — — — — — — — der Hochschule für Künste University of the Arts Bremen — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Impressum — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Schriftenreihe 05

— — — — — — — — — — — — — — — — — der Hochschule für Künste University of the Arts Bremen

— — — — — — — — — — — — — — — — — Raster und Fadenkreuz. Zur Musterung von Verbrechen

— Kritik und künstlerische Untersuchungen einer Medientechnik

« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — Herausgegeben von

Lektorat

Andrea Sick, Katharina Hinsberg, Dorothea Mink

Kristina Kreitz, www.textgaertnerei.de Andreas Bernhardt, Andrea Sick

Gestaltung und Satz

David Lindemann, www.design-kultur.de

Druck

Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Umschlaggestaltung

Gregor Schreiter Grafisches Reihenkonzept

Stefan Bargstedt, David Lindemann, Matthias Wörle

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

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« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — ©2009

transcript Verlag, Bielefeld

Besuchen Sie uns im Internet: www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis an unter [email protected] Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. ISBN 978-3-8376-1173-1

Inhalt — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Andrea Sick. Einleitung — — —

8

1 Andreas Bernhardt. Bremen 1852 —

12

DG. „Das hat uns ermutigt!“

18

Oscar Sahlieh im Gespräch mit Domenico Dolce und Stefano Gabbana. — Janine Klank. Der Panther und die Gardine —

26

Rebecca Llanos-Farfán. morgens, wenn ich sortiere —

30

M.S.08 ALL MY FRIENDS ARE CRIMINAL —

34

Roshan Margraf. Station M6 und andere —

38

Oscar Salieh, Kathrin Prinz.

44

Gesellschaft mit Freunden — Pia Niewöhner. 21 HERR NORDBRUCH, Herr Geils / 31 PURPUS —

52

Lachyn Nuriyeva. Stoffe für Alpträume —

58

Tilman Richter. Saving Everybody —

64

Marie-Luise Schweitzer. Plattenbau —

70

Benjamin Suck. Frau Wieschenkämper —

76

Doris Weinberger, Jule Köperich. Stimmen zum Tod an L. Condé —

84

Natalie Wild. Salto rückwärts

90

geschlossene Systeme ein ordentliches Chaos — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

6 7 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — Z. Schmidt. Das Tätergen —

96

Z. Schmidt. Regelwerk der Bewegung —

98

Nina Zedelius, Gesine Hennemann. Verweildauer 1–6 — — —

104

2 Anna Bromley. Das Ich im Fluchtpunkt —

110

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit:

116

Physische Anthropologie um 1900 — Katharina Hinsberg. Raster : Zeichnung —

144

Katharina Hinsberg. Rasterzeichnungenund Phantombild.

148

Versuchsanweisung im Rahmen des Seminars „Raster und Fadenkreuz“ — Katharina Hinsberg. Personenbeschreibung und Phantombild.

150

Versuchsanweisung im Rahmen des Seminars „Raster und Fadenkreuz“ — Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt.

158

Zur paradoxen Geschichte der Überwachungskultur — — —

3 Kurzbiografien — — —

176

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Andrea Sick — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Einleitung —

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Raster (rastrum: Hacke) durchmessen architektonische Räume, Stadträume, Datenräume und Körperräume, verschlucken dabei die Perspektive zugunsten aller möglichen Perspektiven – ermöglichen überall und nirgends zu sein. Die Frage nach dem Ort wird so zu einer vagabundierenden. Ortlosen. Das Fadenkreuz hingegen – selbst auch Teil des Rasters – fokussiert, nimmt ins Visier, trifft auf den Punkt den Ort. Beiden gemeinsam, dem Raster und dem Fadenkreuz, ist, dass sie die Wahrnehmung strukturieren, in dem sie parzellieren und regulieren und dabei schweifen und fokussieren, kurz: sie mustern. Die Technik des Rasterns, die eine Vielzahl an Fadenkreuzen verzeichnet und verbindet, kann sowohl als Repräsentationsverfahren wie auch als Realitätsgebungsverfahren, als Technik und als Instrument bezeichnet werden. Sie kann als ein operatives sowie darstellendes Medium gelten. Orte und Subjekte werden verzeichnet, vermessen und angezeigt sowie hergestellt. Im vielfachen Sinne entspricht sie dem Verfahren des Musterns, welches die Muster selbst sichtbar macht. Wie aber werden Muster sichtbar? Mit dem Wort Muster bezeichnet man eine Vorlage (Modell), nach der etwas gefertigt wird. Das Kompositum ‚Vorlage‘ aus ‚vor‘ und ‚Lage‘ zeigt sowohl ein zeitliches als auch ein topologisches Verhältnis an. Die Vorlage bestimmt im Vorfeld. Das Muster ist somit geradezu vergleichbar mit einer Gebrauchsanweisung oder einer Schablone. Zugleich zeigt das Muster selbst aber auch etwas Vorbildliches, etwas Musterhaftes an. Das Muster ist ambivalent: es zeigt, weist hin und es lässt sich sehen, zeigt sich selbst. Ein geradezu chiastischer Befund des Musters tut sich auf 01, der die hier im vorliegenden Band versammelten „Musterungen von Verbrechen“ bestimmt. Verbrechen, die, in dem sie gemustert werden, als ein Eingriff in die jeweilige gesellschaftliche Realität erkennbar werden. Verbrechen, die als Ausdruck von Bedürfnissen, Defiziten oder Mechanismen einer Gesellschaft lesbar werden, welche die von ihr produzierten Abweichungen auszugrenzen und zu parzellieren versteht. Folglich funktioniert die Musterung selbst als ‚Analyseraster‘ und ‚Zeichnung‘. « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Andrea Sick: Orientierungen. Zwischen Medien,

Technik und Diskursen. Bremen 2006, S. 83–85.

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Unterschiedliche Techniken des Rasterns bilden Ausgangspunkte für mehr als 20 künstlerische und theoretische Arbeiten, die, ausgehend von verschiedenen interdisziplinären Seminarprojekten an der Hochschule für Künste Bremen, das im Sommer 2008 präsentierte Performance- und Ausstellungsprojekt zur „Ästhetik von Verbrechen“ fortsetzen. In Zusammenarbeit mit der Theaterproduktion GmbH lunatiks wurden von Studierenden des Integrierten Designs und der Freien Kunst Arbeiten entwickelt, die Normierungs- und Orientierungsverfahren an ihre Grenzen getrieben haben und insofern diese Medientechnik zu untersuchen vermochten. So strukturierte und durchkreuzte die Erfindung, Registrierung und Inszenierung von Spuren einerseits den Archivprozess des Ausstellungsraumes (das alte Finanzamt Bremen). Aber auch der Ausstellungsort selbst wurde mitunter zum Ereignisort, zur Stätte eines Stattfindens, real, wirklich, konkret und somit die Logik des ‚als ob‘ (dass es so gewesen wäre) außer Kraft setzend. Ein Prozess, der sich im Ort des Buches fortsetzt. Gesammelt und untersucht wurden hierfür Spuren, die sich in Geschichten, Interviews, Abdrücken, ArchivDokumenten, Gegenständen einer Spurensicherung, Nachlässen der Ausstellungsräume, fotografischen wie filmischen Dokumentationen und Inszenierungen zeigen. Das errichtete Archiv der Spuren wird so zum Ereignis und zur Struktur für das, was Verbrechen genannt werden könnte – aber auch für das, was einen gesellschaftlichen Normalisierungsprozess und Wahrnehmungsprozess in Gang hält: Für Raster und Fadenkreuz, für die Musterungen und Kritik. Mit Foucault kann man sagen, es geht um eine „Haltung der Kritik“02 – „eine Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden.“03 Die Untersuchung der Musterungen bringt auch die Konstitutionsbedingungen der Kritik hervor. Denn „die Kritik selbst ist Instrument und Mittel zu einer Zukunft und Wahrheit, die sie weder kennen noch sein wird, sie ist ein Blick auf einen Bereich, in dem sie als Polizei auftreten will, nicht aber ihr Gesetz durchsetzen kann.“04 In einem ersten Teil des Buches befinden sich die Fortsetzungen der Projekte, die innerhalb der Ausstellung im Sommer 2008 von Studierenden der Hochschule für Künste Bremen gezeigt wurden. In einem zweiten Teil formulieren verschiedene an den Projekten beteiligte Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen in Texten und Konzepten Versuchsanordnungen, Zeichenraster und Handlungsanweisungen, sowie historische und aktuelle Aspekte dieser Medientechnik. Sie erproben, reflektieren und ermöglichen Rasterungen und ihre Realitätseffekte. Andrea Sick « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 02 Michel Foucault: Was ist Kritik.

Übersetzt aus dem Französischen von Walter Seitter, Berlin 1992, S. 12.

03 Foucault: Was ist Kritik. S. 15. 04 Foucault: Was ist Kritik. S. 8/9.

10

RASTER UND FADENKREUZ

11

Andreas Bernhardt — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Bremen 1852 —

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12 13 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — A – Materialien B – Präsentationsform C – Entstehungsprozess / über die Arbeit D – Textbeispiel

A

Papier, Bleistift, Buntstifte, Aquarellfarbe, Fotografien, beschichtete Styroporplatten, Karteikarten, dunkelbrauner Stoff, Knöpfe B

Auf der linken Wand des Raumes befinden sich 7 beschichtete Styroporplatten, die mit Texten und Karteikarten versehen sind und die Funktion von Schautafeln einnehmen. Auf der rechten Wand ist eine Collage zu sehen, welche sich aus unterschiedlichen Materialien wie Zeichnungen, Stoff, Texten und Fotografien zusammensetzt. C

Ausgangspunkt der Arbeit ist die historische Tatsache der Verschiffung von Straftätern über die Bremer Häfen nach Amerika im 19. Jahrhundert. Anhand von Originalschriftstücken dieser Personentransporte, deren Textlaute auch in der Arbeit auftauchen, und der Recherche in der Bremer Stadtbibliothek, im Internet und im Bremer Staatsarchiv, ist eine Arbeit entstanden, in welcher sich bezüglich der Folgen dieser Umgangsform mit Straffälligen Realität und Fiktion vermischen.

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Andreas Bernhardt. Bremen 1852 — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — D – Text der Schautafel 1 (Auszug)

Wie dem Extrakt aus dem Senatsprotokoll vom 18. Mai 1852 zu entnehmen ist, wurden im Mai 1852 mit dem Schiff ‚Anna’ unter Kapitän N.W. Hansen folgende „unnütze Subjecte, Vagabunden und Verbrecher“ nach Bahia (heute Salvador) / Brasilien transportiert: 1. Behnken, Wilhelmine; Arbeitsfrau; 41 Jahre; wiederholte Trunkenheit und Vagagbundieren; 3 Jahre Zuchthaus 2. Behrens, Heinrich; Schneidergeselle; Totschlag; 10 Jahre Zuchthaus 3. Hemsath, Heinrich; Cigarrenmacher; 27 Jahre; wiederholter Diebstahl; 1 Jahr Zuchthaus 4. Kammeyer, Johann Peter; Schlosser; wiederholte Trunkenheit und Vagabundieren; 2 Jahre Arbeitshaus 5. Koch, Johann Gottfried; Buchdrucker; wiederholtes Vagabundieren; 2 Jahre Arbeitshaus 6. Mohrmann, Heinrich; Cigarrenmacher; 31 Jahre; Widersetzlichkeit; 6 Monate Zuchthaus 7. Rundstock, Johann Conrad; keinen Beruf; 32 Jahre; wiederholtes Vagabundieren; 3 Jahre Zuchthaus 8. Stöver, Johann Heinrich; Arbeitsmann; 38 Jahre; wiederholtes Vagabundieren; 3 Jahre Zuchthaus 9. Stolte, Nicolaus; Cigarrenmacher; 56 Jahre; wiederholter Diebstahl; 1½ Jahre Zuchthaus 10. Kollra, Gottfried; Cigarrenmacher; 20 Jahre; wiederholter Diebstahl; 2 Jahre Zuchthaus 11. Turnau, Conrad Christoph; Tagelöhner, Sandschiffer; 28 Jahre; Raub, Tumult, Widersetzlichkeit; 2 ½ Jahre Zuchthaus 12. Windhorn, Johann Georg; Arbeitsmann; 38 Jahre; wiederholter Diebstahl; 1 Jahr Zuchthaus 13. Lahr, Cord; Straßenmacher; Verwendung eines anderen; 6 Monate Gefängnis 14. Lange, Karl; Cigarrenmacher; 42 Jahre; wiederholter Diebstahl; 4 Jahre Zuchthaus 15. Teichmüller, Georg Christian; Cigarrenmacher; 31 Jahre; Raub, Diebstahl; 5 Jahre Zuchthaus — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

14 15 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * Detail 01 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Deutsche Regierungen, so die in Hamburg und Schwerin, begannen bereits im 18. Jahrhundert mit der Verschickung von Korrektionsanstaltsinsassen nach Nordamerika. Auch das Königreich Hannover war aktiv in dieser Hinsicht und verschiffte in den Jahren 1836 –1846 über 300 Sträflinge, d.h. solche die wegen eines „CriminalVerbrechens“ verurteilt worden waren und 536 „gemeinschädliche Personen“, d.h. polizeilich aufgegriffene und inhaftierte Vagabunden, Landstreicher und dergleichen, über Bremerhaven in die Neue Welt Nord- und Südamerika.01 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Bildnachweis

Literaturliste

* 01 02 Tilman Richter

Rössler, Horst: Hollandgänger, Sträflinge und Migranten, Bremen 2000, S.206.

* 03 04 05 06 07 08 09 Andreas Bernhardt

* 10 Nina Zedelius

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Horst Rössler: Hollandgänger, Sträflinge und Migranten. Bremen 2000, S. 206.

Andreas Bernhardt. Bremen 1852 — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

* Detail 02

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16 17 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — —

* Detail 04

* Detail 05

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* Detail 06 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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DG — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

„Das hat uns —

ermutigt!“ —

Oscar Sahlieh im —

Gespräch mit —

Domenico Dolce und —

Stefano Gabbana — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Oscar Sahlieh: In der Presse gibt es seit einiger Zeit das Gerücht, dass, seitdem Ihre

Liebesbeziehung zu Ende gekommen ist, die Arbeit bei Dolce & Gabbana nur noch von Assistenten und Praktikanten gemacht wird – sollte man solche Thesen preisgeben? Stefano Gabbana: Ganz und gar nicht! Das sind nur Lügen. Jeder der bei uns be-

schäftigten Kreativen wird Ihnen nicht nur versichern können, dass bei uns alles professionell und harmonisch abläuft, sondern auch, dass wir beide als kreatives Duo weiterhin das Gehirn, sage ich mal, dieses Unternehmens sind. Domenico Dolce: Und das Herz. SG: Auch wenn unsere Beziehung nicht mehr eine romantische ist.

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lich gar nicht reden! OS: Wieso denn nicht? SG: Wollten wir uns nicht über das Projekt in Bremen unterhalten? OS: Auch! Mich interessiert es aber schon zu erfahren, wie solche Gerüchte überhaupt

entstehen. Wollen Sie gar nichts dazu sagen? SG: Meine Großmutter, die eine sehr starke und weise Frau war, sagte immer: Wenn

die Leute schlecht über dich reden, machen sie es, weil sie ein Problem mit sich selber haben. DD: Für solche Menschen sollte man einfach taube Ohren haben. OS: Taube Ohren? DD: Ja. SG: Richtig.

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DG. „Das hat uns ermutigt!“ — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — OS: War Ihrer Engagement in Bremen eine Art, diese Gerüchte zu dementieren? SG: Nein, mit Bremen haben wir was ganz anderes gewollt und geschaffen. DD: Wie gesagt, mit Gerüchten beschäftigen wir uns nicht. Taube Ohren! OS: Was haben Sie in Bremen genau gemacht? SG: Wir haben im Rahmen des Archiv des Verbrechens, was eine große Performance

von jungen Menschen war, eine bottega concettuale [Konzeptualladen; A.d.V ] gestaltet. Dort konnten von uns selbst veränderte und umgestaltete D&G Plagiate – Handtaschen aus dem fernen Osten – käuflich erworben werden. DD: Alles fand in einem weißen Raum mit rotem Teppich statt. Dazu lief unsere

Lieblingsmusik – nur ausgesuchte Songs; wir wollten unseren Spaß haben. SG: Wir hatten auch in einem Nebenraum eine unveränderte Fälschung zur Schau

gestellt. Ein Mahnmal gegen Piraterie und Raub. DD: Und unsere bottega wurde auch von so Leuten betreut ... OS: Wie meinen Sie das? DD: … Ja, so Leute. [beide lachen] OS: Waren es etwa Menschen. die im übrigen Leben auch D&G Fake-Produkte kaufen

würden? DD: Definitiv. SG: Die eine trug sogar eine komische Brille mit unserem Logo. DD: Ja. Eine Brille, die ich zumindest in diesem Leben nie gesehen hatte. SG: Aber sie waren alle entzückend und haben eine super Arbeit geleistet! OS: Wie kam es dazu, dass Sie bei einer solchen Veranstaltung mitmachen? SG: Was meinen Sie mit „einer solchen Veranstaltung"? OS: Sie hätten dasselbe in einer berühmten Galerie oder in einem wichtigen Museum

machen können – und nicht in dem maroden Ex-Finanzamt einer kleinen norddeutschen Stadt, die ganz und gar nichts mit Fashion zu tun hat. SG: Aber genau das wollten wir! DD: Genau. SG: Oder glauben Sie, dass die Besucher des Palazzo della Triennale oder des Musée

Galliera mit Fake D&G Handtaschen rumlaufen? Eben nicht. Deswegen waren sie — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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auch nicht unser Ziel. Wir wollten die Bombe genau da fallen lassen, wo ein großes Publikum die Produkte unserer Imitatoren trägt. OS: In Bremen? SG: Ja, zum Beispiel. Haben Sie sich mal um den Bahnhof herum umgeschaut? Nur

Raubkopien! DD: Das hat uns ermutigt! SG: Und die Botschaft lautete „Wir stehen drüber“. OS: Aber finden Sie es nicht ein kleines bisschen arrogant? Ich meine, Sie haben im-

merhin eine Unmenge an Fans, die sich Originale einfach nicht leisten können … SG: Ich stelle Ihnen eine andere Frage: Finden Sie es nicht ein kleines bisschen kri-

minell, den Namen von anderen, die hart für ihren Erfolg gearbeitet haben, zu missbrauchen, um damit Profit zu machen? Ich glaube, uns ging hier nicht darum, eine arrogante Haltung einzunehmen. Vielmehr ging es darum, das ganze kriminelle System umzukehren. DD: Wissen Sie, es ist viel schöner und würdiger, eine günstige Tasche oder ein Acces-

soires einer bestimmten Marke zu kaufen, statt die Verfälschung von etwas Teurem! Die Menschen, und zwar nicht nur in Bremen sondern überall in der Welt, sollten ein Bewusstsein dafür entwickeln, bei sowas nicht mitzumachen und keine Fakes zu kaufen. Auch wenn die Originale einem zu teuer sind. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

DG. „Das hat uns ermutigt!“ — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — OS: Wo haben Sie die Taschen eigentlich herbekommen? DD: Och – das ist eine Geschichte! SG: Wir haben sie nach langer Suche übers Internet bei einem Mann, der sich als

Italiener ausgab, in Österreich kaufen können. OS: In Österreich? SG: Ja, in Österreich. Nicht in Osteuropa. In Österreich. Das Problem liegt hier, ganz

vor der Tür. Wir gingen persönlich zu ihm, um die Taschen gegen Barzahlung abzuholen. Er lebte in so einem kleinen Dorf. Ein Dörfchen wie eine Lego-Landschaft. Alles wie eine Spielzeug-Kulisse. DD: Genauso wie die Taschen, die er verkaufte. Wie Spielzeug. OS: Sie sind zu einem Unbekannten in Österreich gefahren um illegale Raubkopien

zu kaufen? Das klingt ja abenteuerlich! Hat er Sie erkannt? SG: Natürlich nicht. DD: Er nannte sich Enrico Pezzati. Tatsächlich wohnte er in einen Mehrfamilienhaus,

und wir mussten bei Hiller klingeln. OS: Hatte er etwa keinen Laden? DD: Nein, er hatte alles in einer Garage hinter seinen Haus versteckt. SG: Auch Fakes von anderen berühmten Häusern, die wir nicht nennen werden. OS: Haben Sie nicht Lust bekommen ihn anzuzeigen? SG: Nein das ist doch ein kleiner Fisch. Und es hätte uns den Spaß, den wir nachher

mit der bottega gehabt haben, verdorben. DD: Obwohl, ich hatte schon Lust ihm ins Gesicht zu sagen, was er für ein unmög-

licher Kerl ist. OS: Zurück zu Ihrer bottega in Bremen; Ich habe den Eindruck vermittelt bekommen,

dass die von Ihnen umgestalteten Fake-Handtaschen durch Ihren Eingriff sozusagen wieder zu „Originalen“ wurden ... DD: Das ist sehr schön, dass Sie es so gesehen haben. SG: Richtig. So kann man das ganze auch verstehen.

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würfe konzentriert? DD: Wir haben uns extra auf alles konzentriert. SG: Ja. Wie wir gerade erzählt haben, holten wir die Taschen sogar selber ab. OS: … und haben sie nachträglich verändert. Dabei kommen mir die Ergebnisse recht

unterschiedlich vor! SG: Wir hatten am Ende zwölf Taschen, die jeweils völlig verschieden aussahen. Zwölf

Unikate. Jede hatte durch unseren Eingriff ihre eigene Persönlichkeit entwickelt. OS: Haben Sie Ihre Favoriten? DD: Die Bling-Bling Tasche ist mein Favorit! Sie reicht ja bis auf den Boden, und

da der Eisbär nicht mitlaufen kann, weil er ein Stofftier ist, muss man selber stehen bleiben – wie eine Statue. SG: Ich glaube, ich habe ein Herz für alle entwickelt; ich finde es schwer einen Fa-

voriten zu haben. DD: Doch, du hast deinen Favoriten. SG: Ja, ich weiß … die Miau-Miau Tasche … aber das bedeutet nicht, dass ich die

anderen nicht toll finde. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

DG. „Das hat uns ermutigt!“ — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — OS: Tiere erscheinen immer wieder in dieser Taschenkollektion. Es gab auch eine mit

Federn bedeckte Tasche und eine nach einer karibischen Schlange benannte Tasche. Es gab auch einen Tiger … DD: Der Tiger in der Tüte! OS: Richtig. SG: Tiere waren tatsächlich sehr wichtig. DD: Und obwohl wir diesmal kein echtes Krokodil- oder Schlangenleder eingesetzt

haben, hatten wir auch echte Tiere dabei. SG: Ja, die kleinen winzigen Fruchtfliegen. DD: Die kamen natürlicherweise durch die Teig-Tasche, die wir selber gebacken haben.

Nach ein paar Tagen bekamen wir Besuch von diesen kleinen Fliegen. SG: Sie haben wunderbar mitgewirkt! OS: … und das Krokodil- und Schlangenleder setzten Sie dagegen in der offiziellen

D&G Kollektion für den Frühling 2008 ein. SG: Ja, eine limitierte Auflage, die sofort ausverkauft war. OS: Auf der anderen Seite war die Bremer Kollektion auch eine limitierte Auflage ...

hat Sie sich auch gut verkaufen lassen? SG: Nein. Wirtschaftlich war es kein Erfolg. Die Leute zögerten ein wenig und mussten

mehr über die Botschaft der Kollektion nachdenken und hatten so nichts anderes im Sinne. Das war auch unser Ziel. Wir wollten keine großen Profite mit Bremen machen. Es ging mehr um Ethik. OS: Sie haben bestimmt auch mitbekommen, dass Ihr Kollege Marc Jacobs die The-

matik der Piraterie für die Frühlingskollektion 08 von Louis Vouitton teilweise auch umgesetzt hat. In seiner Kollaboration mit dem Künstler Richard Prince wird die Tatsache, dass Luxus-Taschen am Ende kopiert werden, in diese selbst mit eingebaut. SG: Marc ist ein großartiger Designer und ein sehr intelligenter und charmanter

Mensch, und es wundert uns nicht, dass er sich auch Sorgen um dieses Thema macht. Seine Arbeit ist wie immer sehr raffiniert und humorvoll. OS: Signiori, ich bedanke mich herzlichst für das Gespräch. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

24 25 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — Aus dem Italienischen von Roshan Margraf Fotos von Kathrin Prinz Produktion: Maik Linnemann Das Gespräch fand am 24. November 2008 im Grand Hotel et de Milan, Mailand, statt.

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Janine Klank — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Der Panther und —

die Gardine —

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Geräusch: eine Tür wird geöffnet, eine Tür wird wieder geschlossen – Schritte, Schritte; geschmeidige Schritte, geschmeidige Schritte In der Stille ist eine gespannte Kraft In der Stille ist eine gespannte Kraft Geräusch: Nachbarin beim Geschlechtsverkehr im Garten aufgenommen (sehr laut) – Schritte, Schritte, Schritte, Schritte langsame Schritte, geschmeidige Schritte, stille Schritte, laute Schritte, heimliche Schritte, an der Wand Schritte an der Wand lang Schritte

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Schritte, die man kaum hört, um eine Mitte, die man nicht sieht und eine Stille, die so laut; eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht anästhesierter Wille es ist, als ob es eine Welt da draußen gäbe, es muß sie geben, man hat es mir gesagt, also glaube ich, daß es sie gibt doch so lange lauf ich in gespannter Stille um die Mitte – meine Schritte in der Welt die es gibt, die ich sehen kann; nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf, dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannter Stille und hört im Herzen auf zu sein. Die Schritte quer durch den Raum; ich erobere – ich erobere von Diagonale zu Diagonale Manchmal schieb ich mich an der Wand lang still, schau hinaus, zieh den Vorhang vor und schau hinaus ganz leise ist die Welt – ganz laut ist die Welt betäubt, ohnmächtig Geräusch: Autofahrmusik in doppelter Geschwindigkeit, Vögel zwitschern im Garten, die Tür wird geöffnet, die Tür wird geschlossen – Manchmal schieb ich mich an der Wand lang — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Janine Klank. Der Panther und die Gardine — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Geräusch: eine Tür wird geöffnet, eine Tür wird geschlossen. Vogelgezwitscher – Gardine lat. Cortina, lichtdurchlässig im Unterschied zum........ Geräusch: Vögel, fremde Stimme im Garten von ganz fern dringen die Dinge zu mir durch, weit fort Geräusch: Vögel, Schritte mit lauten Schuhen auf sandiger Hofeinfahrt, lauter Schrei –

man hat es mir gesagt, daß es sie gibt, also glaube ich, daß es sie gibt; ein Drinnen und ein Draußen, ein Innen und ein Außen, drinnen draußen, innen außen, drinnen draußen, innen außen.

Geräusch: Schritte außen – Klicker-Klackerschuhe – klick, klack, auf, ab, ein Innen ohne Außen Die Pupille ist geweitet – ohne Licht Die Pupille ist klein – mit Licht

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Sein Blick, sein Blick, sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe so müd geworden, daß ihn nichts mehr hält nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf – dann geht ein Bild hinein, hinein, geh doch hin, geht durch der Glieder angespannter Stille und hört im Herzen auf zu sein. Geräusch: Schritte leise leise leise leise schhhhh ganz leise leise die Wand lang, still still mit diesem Tanz um eine Mitte, in dieser Mitte steht der Wille; Schritt Schritt Schritt ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt; ihm ist als ob es tausen Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben eine Welt; ewig werden sie sein, Schritte, diese Schritte, weich und weit. Schritt, Schritt, im allerkleinsten Kreise drehen wir uns fort, Schritt, Schritt, das Bild geht hindurch, die Pupille ist falsch herum, wird gespiegelt ist richtig rum im Hirn Geräusch: eine Tür wird geöffnet – eine Tür wird geschlossen. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Rebecca Llanos-Farfán — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

morgens, —

wenn ich sortiere —

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Der ganze Vorgang war viel zu präzise. Es sollte ein genau geplanter Ablauf werden – angelegt. Angelegte Grenzen. Striche und Zeichen wurden an einen Punkt gesetzt, der vorab überlegt worden war. Wie kann aus der Vorstellung ein Versuch werden, Grenzen anzulegen, die sich in der fiktiven Realität schon längst aufgelöst haben und sich als ‚Strukturhinterherweinerei‘ gezeigt haben? Der Raum wurde von hinten verbunden. Kaum einen Schritt in den Raum erlaubte ich mir später. Alles war wie ein durchsichtiger Anblick auf diesen einen Gedanken. Manchmal robbte ich unten durch und betrachtete diese Vorstellung genau. Selbst die Abstände waren kopiert worden. Es war jetzt mehr eine Handlung. Der eine lange Faden, die vielen kleinen Abschnitte eines Fadens, das Knüpfen, Ziehen, Messen. Immer wenn ich mich aus dieser Vorstellung herausrollte und sie mir von einer ganz neuen Grenze aus ansah, verstand ich die Idee von einer linearen Gedankenwelt oder einer Ordnung selbst nicht mehr. Ein eingeteilter Ort? Ein besetzter Ort? Am Schluss lief man einfach hinein, ohne sich an die Linie zu halten, die einen hindern konnte ‚einzutreten‘. Jeder einzelne Faden zog sich dann mit all den anderen zusammen und riss mit jedem Schritt die Nägel aus den Wänden. Es sollte eingeteilt sein. In viele Linien, in viele verschiedene Bereiche. Abgegrenzt oder einfach nur angeführt, aufgezeigt, aufgelistet. Und dabei gab es noch diesen einen Meter in den Raum hinein und dann blieb man stehen. Rechts und links gab es eine Möglichkeit. Später war es das Gleiche: ein eingeteilter Raum, der genauso leer war wie vorher. Denn morgens kann man sortieren, kann aber auch weiter ‚ziehen‘, vielleicht sogar aus jeder Tür raus, die dann wieder eine neue Einteilung entstehen lässt. „Ich rollte mich wieder durch und wenn ich dann aufstehe, dann macht es nichts anderes mehr, also einfach nichts mehr.“ Und es stimmt, ich beginne mit einem roten Buch gegen 9 Uhr.

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Rebecca Llanos-Farfán. morgens, wenn ich sortiere — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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M.S.08 — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

ALL MY FRIENDS —

ARE CRIMINAL —

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Die Arbeit „All my friends are criminal“ basiert auf Recherchen in meinem Freundesbzw. Bekanntenkreis. Sie setzt sich mit der Vergangenheit verschiedener Graffitimaler in Deutschland auseinander, die ich im Laufe meines Heranwachsens kennen lernte und schließt dabei mich selbst mit ein. In dem Raum befindet sich ein Archivschrank, in dem polizeilich beschlagnahmte Beweismittel und Akten der jeweiligen Delinquenten zu finden sind. Eine Sammlung von Schuhen der verdächtigten oder verurteilten Personen steht in einer Reihe daneben. Von dem Raum aus gelangt man über eine Feuerleiter an eine Dachluke, durch deren Spalt man hinausschauen kann. Der Satz „All my Friends are criminal“ ist in goldenen Lettern, allerdings teilweise mit weißer Wandfarbe überstrichen, lesbar. Die Performance – diesen Satz aufzubringen – fand vorher statt. Aufmerksam gewordene Augenzeugen drohten damit, die Polizei zu alarmieren. Immer alles abstreiten

Im Archiv werden Übergriffe auf den öffentlichen Raum strafrechtlichen Tatbeständen gegenübergestellt. Die in den Ermittlungen seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft angestrebten Verbindungen zwischen einzelnen Tätern aufzudecken wird anhand des vorliegenden Archivs ermöglicht. Eine Identifizierung der einzelnen Delinquenten innerhalb der Ausstellung durch die Polizei hätte bei einigen von ihnen zu erheblichen Problemen geführt. In einem tatsächlichen Verhör hätte höchstwahrscheinlich jede der festgenommenen Personen jeglichen Kontakt zu anderen, polizeilich erfassten Personen des Archivs geleugnet. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Die Namen der betroffenen Personen wurden im Vorhinein zwar unkenntlich gemacht, allerdings wären bei genauer Betrachtung der Fotos, der Tatzeiten und Tatorte in den meisten Fällen Rückschlüsse zu ziehen. Die Öffentlichmachung bringt somit eine niemals zuvor ausgesprochene Tatsache, ein ‚szeneinternes Tabu‘ für einige Stunden zu Tage und verschwindet unmittelbar darauf wieder in der Grauzone, aus der sie kam. Der Besucher und Leser wird zum mehr oder weniger freiwilligen Komplizen, indem er sich in die Fälle einliest. Er wird zum Zeitpunkt der Akteneinsicht mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht von der Tatsache einer Freundschaft bzw. Bekanntschaft unter den einzelnen Tätern wissen und diese wahrscheinlich vielmehr als unabhängig voneinander agierende Personen betrachten. Da er jedoch Konstellationen unter ihnen, gemeinschaftliche Taten und weitere Eckdaten nachvollziehen kann, die der Justiz in der Form bis heute wahrscheinlich verborgen sind, wird er automatisch, jedoch unabsichtlich, zum Mitwisser und Teil der Installation. Vom Archiv zum Archiv

Die Handlungen, welche Auslöser und gleichzeitig Zentrum der Anklageschriften, Beweismaterialien und Spurenträger waren, fanden stets im Außenraum, der urbanen Öffentlichkeit statt. Die Installation auf dem Dach verweist darauf. Mit dem Prozess der Archivierung wandert der kriminelle Akt in Form von Schrift auf Papier komprimiert und dokumentiert ins Innere eines Gebäudes, welches vielleicht noch kurz zuvor unfreiwillig seine Fassade als Tatort zur Verfügung gestellt haben könnte. Durch die Festnahmen, Observierungen und Ermittlungen entstand auf Seiten der Polizei ein erstes Archiv. Durch beantragte Akteneinsichten von Seiten der Verteidiger oder — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

M.S.08. ALL MY FRIENDS ARE CRIMINAL — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

durch zugesendetes Material wie z.B. von richterlichen Beschlüssen, Einstellungen von Verfahren, Schuldsprüchen, Vorladungen, Zeugenaussagen, Hausdurchsuchungsprotokollen usw. gelangten Teile der archivierten Akten wiederum in die Hände einer ausgewählten Öffentlichkeit, nämlich in die des Täters und seines Umfelds. Ich habe den Vorgang wiederholt. Die Akten wurden ein zweites Mal aus den verschiedenen Winkeln der Bundesrepublik zusammengesammelt, archiviert und im nächsten Moment, nach ihrer archivtypischen Isolation für einige Stunden einer Minderheit der Gesellschaft, dem Besucher, zur Akteneinsicht überlassen. Die wahrscheinlich letzte Möglichkeit, eine Verbindung zwischen den jeweiligen Personen komplett nachzuvollziehen und als Beweismittel nutzen zu können ist mit der Auflösung dieses ‚finalen Archivs‘ zunächst dahin. Die Schuhe, die nicht durch die Polizei beschlagnahmt und mir durch die Delinquenten zur Verfügung gestellt wurden, bilden einen ergänzenden Teil zum restlichen Archiv. Die meisten von ihnen sind Laufschuhe und verweisen somit auf ihre Funktion im ‚kriminellen Akt‘, sind seltene Jagdtrophäen und symbolische Fluchtwerkzeuge zugleich. Sie sind von ihrer Verwendung gezeichnet und die einzigen Zeugen im Archivraum, welche sich an eben jenen Tatorten befanden, die in den Akten präzise beschrieben werden. Beschleunigte Vergänglichkeiten

Das Bild des performativen Eingriffs in den Öffentlichen Raum bildet den Schlusspunkt und den Titel der Arbeit. Die juristische Definition von Straftaten wird an dieser Stelle thematisiert und zum Fokus einer der Aussage des Satzes innewohnenden Fragestellung. Der Titel ist sowohl provokante Behauptung als auch ein Verweis auf den Umgang mit Recht und Unrecht in der heutigen Justiz. Er verweist auf die Definition der Sachbeschädigung in unserer heutigen Gesellschaft und die daraus resultierende Selbstreflexion der jeweiligen zu Delinquenten und Kriminellen erklärten Personen. Die Verwendung der Farbe und die riskante Platzierung beziehen sich auf die chronische Selbstüberschätzung und Überheblichkeit jugendlicher Graffitimaler, die zu Resultaten führt, die wiederum in den Akten nachzuvollziehen sind. Die Arbeit beschreibt in ihrer Konzeption Vergangenheiten einzelner heranwachsender Personen und ist zugleich Gegenwartsaufnahme; ist sowohl archivierter Rückblick, als auch aktuelles Statement zu einem endlosen Katz- und Mausspiel im Spielfeld unserer Gesellschaft. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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* 04 Nina Zedelius (Schuhpaar 2) * 05 Nina Zedelius (Akten) * 06 Max Schaffer (Graffitidetail)

* 03 Nina Zedelius (Schuhpaar 1) — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Roshan Margraf — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Station M6 —

und andere —

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Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1994, S. 276f.

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Roshan Margraf. Station M6 und andere — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Roshan Margraf. Station M6 und andere — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Oscar Sahlieh, Kathrin Prinz — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Gesellschaft mit —

Freunden —

Tagebucheinträge —

eines Freundes —

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Liebes Tagebuch, als ich heute in der Hochschule war, haben Oscar und Kathrin meine Adresse haben wollen. Die beiden haben etwas von ‚Performing Crime‘ fallen lassen und ehrlich gesagt, weiß ich jetzt nicht, was ich davon halten soll. Schicken sie jemanden vorbei, der mir die Bude ausräumt? Aber ehrlich gesagt, würde ich ihnen das ja auch nicht zutrauen. Liebes Tagebuch, Oscar und Kathrin benehmen sich in letzter Zeit sehr seltsam, es wirkt so als würden sie etwas aushecken. Liebes Tagebuch, heute habe ich eine selbst gestaltete Postkarte als Einladung von Oscar und Kathrin im Briefkasten gehabt... — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Liebes Tagebuch, heute habe ich Oscar und Kathrin in der Teeküche beobachtet. Ich habe keine Ahnung, was sie gemacht haben, aber bevor sie mich gesehen haben, haben sie die ganze Zeit gelacht und sobald sie mich registriert hatten, haben sie sofort aufgehört und mich nur komisch gemustert. Als ich näher kam haben sie schnell ihre Unterlagen vor mir versteckt. So langsam bekomme ich ein ungutes Gefühl, was zum Teufel haben die vor. Eine Einladung zu einer ‚Gesellschaft mit Freunden‘ mit Wein und Musik. Am wenigsten verdächtig ist, dass sie mich aufgefordert haben, eine Pulle Wein mitzubringen. […] und dann soll ich auch noch ein Glas mitbringen, welches sie auch noch für die Ausstellung nächste Woche behalten wollen! Wofür? Die beiden erzählen ja auch nichts. ‚Gesellschaft mit Freunden‘? Ich muss die ganze Zeit an diesen Film von Alfred Hitchcock „Cocktail für eine Leiche“ denken. […] Inspiriert von ihrem Professor und seinen Ausführungen über die Kunst des Mordens und den perfekten Mord, töten zwei Studenten einen ihrer Kommilitonen, um ihren Professor zu beeindrucken..... und dann schwirrt mir die ganze Zeit der Begriff ‚Performing Crime‘ in meinem Kopf herum.... so langsam wird mir das alles unheimlich. Ich kenne die beiden doch und ihre Affinität zu Filmen als Inspirationsquelle. […] Bitte, bitte, lass es dort keine Truhe geben... Und wie zum Henker sind sie an diese Location gekommen, das leere alte Finanzamtgebäude???? Fragen über Fragen, die sie nicht beantworten! Das einzige was sie sagen ist „Du wirst schon sehen“. Toll, und wenn‘s dann zu spät ist? — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Oscar Sahlieh, Kathrin Prinz. Gesellschaft mit Freunden — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Liebes Tagebuch, ich habe Christopher schon seit Tagen nicht mehr gesehen, er ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich hab versucht ihn zu erreichen...allerdings erfolglos. Morgen werde ich Kathrin mal fragen … Liebes Tagebuch, mittlerweile mache ich mir ernsthafte Sorgen um Christopher, ich habe heute Kathrin gefragt, sie wurde sehr nervös und faselte etwas von: „Er recherchiert bestimmt für sein Diplom“ und verabschiedete sich schnell mit dem Vorwand, sie käme eh schon zu spät zu ihrem Kurs. Jetzt habe ich Bedenken, mein Glas da zu lassen. Wenn Christopher wirklich was passiert ist, vielleicht wollen sie den perfekten Mord ohne Leiche einem von uns anhängen … Liebes Tagebuch, heute Abend ist die Veranstaltung von Oscar und Kathrin. […] ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken heute Abend dort aufzutauchen. Liebes Tagebuch, Ach herrje, was für eine Nacht, ich kann mich gerade noch an den Beginn der Party erinnern. Ich kam dort an und musste erstmal klingeln um überhaupt reingelassen zu werden. Oscar und Kathrin haben mich dann nett empfangen und in den Raum geführt, wo die Gesellschaft stattfinden sollte. Die Fenster waren mit Packpapier im Doppelglas abgedunkelt und jede Menge Kisten als Sitzgelegenheiten. Oh Gott, ich musste sofort an die Truhe aus dem Film denken, in dem der Kommilitone versteckt worden war. Ich wäre am liebsten sofort verschwunden, auf der anderen Seite wollte ich aber auch keinen Verdacht aufkommen lassen, also entschied ich mich, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich glaube, sie haben Verdacht geschöpft, ich hätte Kathrin nicht nach Christopher fragen sollen. Sie sind keinen Meter von mir gewichen und haben mir gar nicht die Möglichkeit gegeben die Kisten näher zu inspizieren. Immer unter dem Vorwand des guten Gastgebers, haben sie mir laufend, sobald mein Glas ansatzweise leer war, nachgeschenkt, […] wenn nicht Kathrin, dann Oscar. Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin […] und Christopher hab ich auch nicht gesehen. […] oder vielleicht doch? Schließlich kann ich mich an nichts erinnern! Was um Himmels Willen ist gestern Nacht passiert?! Oder ist es schon vorher etwas passiert?! — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Liebes Tagebuch, ich habe heute mit ein paar Leuten über die Party am Wochenende gesprochen und das Seltsame daran ist, keiner kann sich mehr genau daran erinnern, nur dass beide ständig Wein nachgeschenkt haben, […] wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass sie den Wein mit irgendwas präpariert haben, aber wie soll das möglich sein? Jeder hat ja Wein mitgebracht und die Gläser fallen ja auch raus. Liebes Tagebuch, ich habe nach Tagen Oscar und Kathrin wiedergetroffen, sie haben mich zur Ausstellungeröffnung morgen Abend eingeladen. Vielleicht kann ich ja dann endlich etwas über die Hintergründe erfahren. Aber ich weiß, ich muss vorsichtig sein sonst ergeht es mir möglicherweise wie Christopher. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Oscar Sahlieh, Kathrin Prinz. Gesellschaft mit Freunden — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Oscar Sahlieh, Kathrin Prinz. Gesellschaft mit Freunden — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Pia Niewöhner — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

21 HERR NORDBRUCH, —

Herr Geils / 31 PURPUS —

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öfter.

P:

PN: Als ich zum ersten Mal den Raum betreten habe, diesen hier, Nummer 21, ist

mir im ersten Moment ein Schmetterling aus Windowcolour aufgefallen. Beim Umschauen dann das Motiv an der Tür, im Übrigen ein sehr typisches für diesen Ort. Ist ein Umgang mit so persönlichen Dingen normal hier im Haus? N: Also das ist dann ganz P:

unterschiedlich.

N: Jeder kann das letztlich ja auch halten wie er will. P: N:

Natürlich. Ja. Natürlich.

PN: Also doch nicht so streng, wie man befürchtet. Ist der Schmetterling von ihren

Kindern? — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

52 53 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — N: Das ist doch offensichtlich. Wenn ich mich recht erinnere

von seinem Neffen.

P:

PN: Bei Ihnen ist mir nichts außer den Alltagsspuren aufgefallen. Haben sie Kinder? Von draußen wirft die Sonne einen Schlagschatten auf den Boden und zeichnet die Baumkonturen nach. P: Nein. PN: Was sind das für Handlungen, die solche Spuren verursachen? Ich würde

denken, sie sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch. Stand ihr Schreibtisch genau hier an der Wand? N: Woher haben Sie

denn die Freiheit das auf diese Weise zu interpretieren?

P:

PN: Ich kenne den damaligen Zustand nicht. Ich habe nur versucht mir vorzustellen,

wie der Raum eingerichtet war. Hier hat meiner Ansicht nach ein Aktenschrank gestanden, hier gegenüber ein zweiter, eben hier Ihr Schreibtisch. Ich gehe herum und stoße mit der Hand gegen die Stelle an der Wand, wo ich den Schreibtisch vermutet habe. P: Das sind einfach N:

Spuren von unserer Arbeitszeit. Das interessiert mich nicht weiter.

PN: Wie viel Zeit haben Sie in diesem Gebäude verbracht, in diesem Raum? N: Das hängt davon ab.

Wie meinen Sie das, wir arbeiten hier. Also nehmen wir mal an...

P: N: Acht Stunden. P: N:

Einen Arbeitstag lang. Eben, einen Acht-Stunden-Tag, das ist hier bei uns so.

PN: Kommen denn auch Besucher hier hoch zu Ihnen, oder sagt man Klienten? N: Nennen Sie sie, wie Sie wollen. P:

Das spielt keine Rolle.

PN: Aber dann ist es sehr einsam hier oben. P: Ich meine nicht, das keine kommen. N:

Es spielt eben nur keine Rolle, wie Sie sie nun nennen.

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Pia Niewöhner. 21 HERR NORDBRUCH, Herr Geils / 31 PURPUS — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — PN: Gut. Und mit was befassen Sie sich dann hier den ganzen Tag? Sitzen Sie hier

den ganzen Tag am Schreibtisch und wälzen die Akten aus Ihren Aktenschränken? N: Das haben Sie schön gesagt.

Ja. Bis auf die Mittagspause. Eine Stunde.

P:

Ja, durchaus.

N:

PN: Und in der Stunde, essen Sie dann hier? Am selben Tisch? Es gibt ja keine Kan-

tine im Haus. Aber es ist ja auch schön, dann aus dem Zimmer mal rauszukommen, oder? P: Ich halte das different.

Manchmal gehen wir rüber, in die Kantine der Oberfinanz-

N:

direktion. Meine Frau bereitet mir regelmäßig eine Mahlzeit zum Warmmachen vor. Die Mikrowelle steht unten im Schrank in der Teeküche. P: Finden Sie das unhygienisch? PN: Nein. Stimmt, die Teeküche ist ja direkt vor Ihrem Raum. Bei Ihnen ja auch,

PURPUS, da geht der gleiche Aufbau Ihrer Arbeitsplätze weiter. Passiert es Ihnen, dass sie sich mal im Stockwerk vertun und vor der falschen Tür stehen? Das Gebäude ist ja sehr symmetrisch aufgebaut. P: Sie sagen es, ähnlich.

Es gibt schon Unterschiede. Und einmal,

N:

aber das ist schon

P:

lange her. Nein, eigentlich vertut man sich nicht. Wir sind ja aufmerksam. PURPUS rückt den Stuhl weiter vom Kaffeetisch weg Richtung Fenster. Seine Tasse ist immer noch leer. Eine Fliege surrt minutenlang gegen das Fenster. PN: Wie lange arbeiten Sie schon hier? N: Wer nun? PN: Ja. Sie, zum Beispiel. N: Also, Moment. PURPUS hat zwei Jahre vor mir begonnen. Das war … P: Genau. Das war 1995. Vorher war ich in

Oldenburg. Genau. Also 1997, um genau zu sein.

N: PN: Mögen Sie ihre Arbeit gern? N: Wissen Sie, P:

wer mag schon seine Arbeit?

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Also gern. Sind sie gern hier, um uns zu fragen?

N:

PN: Ja. Sind sie gerne hier, um zu arbeiten? Nebenan fällt etwas zu Boden. Der verblasste Veloursteppich fängt das Klirren auf. Es herrscht einen Moment Stille. P: Nun ist es auch egal. PN: Wie meinen Sie das? Das ist doch nicht egal. P: Nein. ich meine die Vase. Oder die Kaffeetasse. Gott, was weiß ich denn,

was das war. Aber es ist doch jetzt auch egal, meine ich. Pause. PN: Wie war denn Ihr Verhältnis zu Herrn Geils? N: Ach, kollegial. Was wollen sie denn wissen? PN: Wie sie so miteinander zurechtkamen, auf so engem Raum. N: So lang war es nicht,

er ist ja vor drei Jahren in den Vorruhestand gegangen.

P: N: Ich mochte ihn.

PN: Wie war die Zusammenarbeit? N: Ach. Gut. PN: Wie haben sie zusammen in diesem Raum gearbeitet. Wer saß wo? N: Aber ... P:

Sie sollten Ihre Fragen nicht immer wiederholen. Was wollen Sie denn wissen?

PN: … Pause. Nach einer halben Stunde steht PURPUS auf. P: So, ich muss dann mal... PN: Danke, das sie es doch noch geschafft haben. P: Es wartet noch Arbeit. Auf Wiedersehen. Die Tür lehnt an der Wand. Die Jalousie ist am schmalen Fenster halb herabgelassen, am Fenster kleben nur noch die Reste des Schmetterlings. « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Das Original des Schmetterlings in Raum 21 wurde

am zweiten Tag von Besuchern der Ausstellung entfernt, das Duplikat hing bis zum Ende der Ausstellung in Raum 31.

Pia Niewöhner. 21 HERR NORDBRUCH, Herr Geils / 31 PURPUS — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

* Raumnummer 21

« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — Die Räume 21 und 31 liegen im alten Finanzamt Bremen deckungsgleich übereinander. Die Raumarbeit zeigt zwei sehr ähnliche Räume; in einem ständig gegengleichen Prozess werden Spuren der ehemaligen

Nutzung von einem Raum in den anderen übertragen, eine Irrung über die Position im Gebäude wird provoziert. Die Räume waren während der Ausstellung öffentlich zugänglich.

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* Raumnummer 31

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 21 HERR NORDBRUCH, Herr Geils / 31 PURPUS Materialien: Staub, Windowcolour, Grafit

Lachyn Nuriyeva — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Stoffe für Alpträume —

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Lachyn Nuriyeva. Stoffe für Alpträume — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Lachyn Nuriyeva. Stoffe für Alpträume — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Tilman Richter — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Tilman Richter. Saving Everybody — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Menschen werden fotografiert, Fotos werden veröffentlicht, persönliche Daten werden mit digitalen Fotos verknüpft. Ein Prozess, der in großem Maßstab bei „social communities“ wie MySpace oder Facebook von den Usern freiwillig durchgeführt wird. Ein digitales Fotoarchiv mit Referenzen wächst im Internet. Wo bleiben diese persönlichen Fotografien, die Daten sind? Den Zugang zu diesen Daten haben vorerst alle. Jeder kann das Foto mit der Person in Zusammenhang bringen, selbst wenn das Bild aus beliebigen Gründen vom Benutzer gelöscht wird, kursiert vielleicht irgendwo im Internet noch eine Kopie. Die Kontrolle über die eigenen Daten wird unmöglich. Auch außerhalb von digitalen Netzwerken werden Daten erhoben und Fotos gemacht. Von Überwachungskameras an Kassen, auf der Autobahn, in der Straßenbahn. Unser öffentlicher Raum sammelt ständig Daten – ob wir davon wissen oder nicht. Die Datenflut fordert automatisierte Erkennungsprozesse. Zum Beispiel wird auf Flughäfen Gesichtserkennungssoftware mit bestehenden Daten aus biometrischen Pässen verglichen. So soll die Pass- und Gesichtskontrolle automatisiert werden. Die Informationstechnologien basieren auf dem Prinzip der Verknüpfung von Datenbanken. Wir bringen den Maschinen bei: x = 3; oder Foto x = Max Mustermann. Computerprogramme können nur funktionieren, indem man ihnen beibringt, dass bestimmte numerische Werte anderen Werten oder Inhalten entsprechen. So entstehen Tabellen und Datenbanken im Internet, die Benutzern verschiedene Eigenschaften zuordnen. Diese Entwicklung hat einerseits marktwirtschaftliche Gründe – „product placement“ – gezielte Platzierung von Werbung. Andere rechtfertigen die Erhebung der persönlichen Daten damit, die „usability“ oder Benutzerfreundlichkeit, den Service zu verbessern. Man kann sich also fragen, wer die Daten sieht, wo die Daten liegen, und wie die Daten interpretiert werden können. Die Krankenkasse sollte z.B. nicht erfahren dass man raucht und trinkt – vielleicht auch besser nicht auf welchen Parties man sich die Nächte um die Ohren schlägt, denn ein ungesunder Lebensstil könnte die Krankenkasse teuer zu stehen kommen.

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Tilman Richter. Saving Everybody — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Ein weiteres Argument für die Einführung dieser Verknüpfungstechnologien ist Sicherheit. Indem von vielen Politikern die Bedrohung durch den Terrorismus thematisiert und zu einem Problem unserer Zeit erklärt wird, wird der Einsatz von Überwachungstechnologien legitimiert. Behauptet wird, wenn technisch alles überwacht werden könnte, wären auch mehr Prognosen und somit Präventionsmaßnahmen möglich. Folglich werden wir in den kommenden Jahrzehnten immer genauer beobachtet, und die Beobachtungen werden immer intelligenter in Zusammenhang mit anderen Daten, Fakten und Werten gebracht. Die Installation besteht aus zwei Stelen, die im ersten und dritten Stock des alten Finanzamtgebäudes Bremen aufgebaut sind. Die erste fotografiert alle Besucher, die den Raum betreten. Die zweite druckt kleine Fotos von allen Besuchern, die den ersten Raum betreten haben, aus. Die Besucher verlassen den ersten Raum ohne zu wissen, was die Maschine tut, finden dann aber im dritten Stock einen ähnlichen Auf bau, jedoch mit einem Archiv ausgedruckter Fotos – Fotos auf denen sie auch abgebildet sind. Das Archiv ist ein Beweis dafür, dass sie – die Besucher – in dem ersten Raum waren. Einige Besucher durchsuchten diesen Haufen nach ihren Bildern. Manche hatten einfach Spaß an der Technologie, rannten wieder nach unten, wieder hoch und sahen ‚sich selbst‘ aus der Maschine kommen. Einige nahmen ihre Bilder mit; was sie hier noch machen können – im Internet nicht. Während der Ausstellungszeit machte die Maschine etwa 3.000 Bilder, etwa 120 Meter Bildmaterial wurden in vier Tagen ausgedruckt. Ein Haufen gesammelter persönlicher Information. Alle Besucher wurden gespeichert. Saving Everybody. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Marie-Luise Schweitzer — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Plattenbau —

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Als Reaktion auf den Plattenbau empfing die Künstlerin eine E-Mail vom Vater: „Dazu fällt mir ein, dass ich etwas Ähnliches etwa um 1978 unternahm. Der für die physikalischen Inbetriebnahme-Experimente des Kernkraftwerkes extra angefertigte Rechner versagte oberhalb von Temperaturen von 30°C und war deshalb auch in einem Raum mit Klimaanlage untergebracht. Von derselben Klimaanlage ist leider auch eine Schaltwarte versorgt worden, in der fünf Menschen täglich arbeiteten. Das Ganze ist nun nicht richtig konzipiert worden; wenn es im Rechnerraum unter 30°C waren, waren in der Schaltwarte unter 20°C. Da hat dann natürlich aus der Schaltwarte einer an der Klimaanlage den Sollwert verstellt, damit in der Schaltwarte vielleicht 22°C waren, womit aber bei uns im Rechnerraum über 30°C herrschten und der Rechner anfing zu spinnen. Nahm man jedoch aus der Decke im Rechnerraum einige Elemente heraus und hat somit den Durchsatz kalter Luft erhöht, konnte die Temperatur im Rechnerraum unter 30°C gehalten werden. Die entnommenen Elemente hätte ich damals schon zu einer Figur formen sollen, so wie Du es jetzt gemacht hast. Stattdessen habe ich sie irgendwohin gelegt, von wo sie die Ordnungsliebenden wieder in die Decke einbauen konnten, ohne zu fragen, warum die Löcher in der Decke erzeugt wurden.“

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* 01 Plattenbau. Rauminstallation, 47 Akustikplatten

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Marie-Luise Schweitzer. Plattenbau — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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* 04 Das Mädchen mit den Dominosteinen 01

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Entnimmt man einem Raum die eingezogene Akustikdecke, entblößen sich die Leitungen für die Leuchten. Der rohe Beton kommt zum Vorschein. Die entnommenen Deckenplatten bleiben im Raum. Es wird gebaut.

* 05 « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Albert Anker: Das Mädchen mit den

Dominosteinen, 2. Hälfte des 19. Jh. aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Anker, zuletzt gesehen 12.02.2009

Marie-Luise Schweitzer. Plattenbau — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

„Die Welt hat mehr als ein Alter. Uns fehlt das Maß für das Maß. […] Von der Abnutzung legt man nicht mehr Rechenschaft ab, man legt sich darüber nicht länger Rechenschaft ab wie über ein einzelnes Zeitalter im Fortschritt einer Geschichte. Weder Reife noch Krise, noch selbst Agonie. Etwas anderes.“ 02 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 02 Jacques Derrida: Marx' Gespenster.

Frankfurt am Main 1995, S. 111.

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Benjamin Suck — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Frau Wieschenkämper —

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Frau Wieschenkämper betritt den Raum, hängt ihren Mantel an die Garderobe rechts neben der Tür. Und zwar an den mittleren Hacken. Wie immer in den letzten Jahren. Der Raum ist aufgeräumt, an den Wänden stehen Regale, in denen sich Aktenordner versammeln; ein paar wenige Bilder hängen an den Wänden. Fast zentral steht der große Schreibtisch, unter ihm ein kleiner Unterschrank. Vielleicht mit Schreibutensilien. Ein Bürostuhl auf Rollen, Frau Wieschenkämpers Stuhl. Auf der anderen Seite des Schreibtisches zwei, etwas kleinere Stühle mit starren Beinen. Der Raum ist leer. Schon seit längerem. Es liegt Staub auf den Fensterbänken, die Fenster sind schmutzig, etwas Laub liegt auf dem grünen Teppichboden. Und noch etwas. Eine Büroklammer, nein mehrere und einige Bleistiftspitzen. Ein Ein-CentStück. Fusseln. Vielleicht von ihrem Mantel? Ein großer schwarzer Fleck in der hinteren rechten Ecke. Eigenartigerweise etwas geradlinig. Ansonsten ist der Raum leer. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Benjamin Suck. Frau Wieschenkämper — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Der Raum bleibt ein vertrauter Raum. Ein leerer, entleerter, entlebter Raum. An sich nichts Besonderes. An diesem Ort ist ein Element eingebettet, welches hier offensichtlich keine Berechtigung hat. Ein Geräusch zieht den Besucher in seinen Bann, fesselt ihn an den Ort; droht gar ihn aufzusaugen. Es nimmt den Besucher mit. Die Atmosphäre des Gebäudes und des Raumes wird kanalisiert. Etwas Unergründbares liegt auf der Szene, ein unaufdringliches, nicht gleich einzuordnendes Geräusch streicht durch den Raum. Laut genug, dass man es hören kann, aber so leise, dass man genau hinhören muss. Es bannt die Aufmerksamkeit und lässt eine undefinierbare Bedrohung entstehen. Der Versuch, die Indizien im Raum zu einem logischen Ganzen zusammen zu bringen führt notwendig ins Leere. Der sichtbare Abfluss ist die visuelle Unterstützung des akustischen Soges. Wenn man Räume als verbaute Geschichte sieht, setzt sich der Raum über die einfache Gliederung und Strukturierung von Gebäuden hinweg. Aber Räume sind nicht nur Struktur und Geschichte. Jeder Raum hat seine ganz eigene Atmosphäre, seine eigene Stimmung. In belebten Räumen, also noch genutzten Räumen hängt diese Stimmung ganz entscheidend von den Menschen ab, die in ihnen arbeiten oder leben. So findet man Dinge des täglichen Gebrauchs in bestimmten Arrangements wieder, die ein ganz eigenes Gefüge ergeben. Im Falle von verlassenen Räumen bleibt, zumindest für eine gewisse Zeit diese einzigartige Atmosphäre bestehen. Es scheint als bestünde immer noch eine Verbindung, eine ungreifbare, undefinierbare Beziehung zu ihren ehemaligen Bewohnern oder besser gesagt, zu den Menschen, die diese Räume belebt haben. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Benjamin Suck. Frau Wieschenkämper — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Die Räume des ehemaligen Finanzamtes in Bremen sind durch ihre gleichförmige Struktur fast nicht zu unterscheiden. Auf vier Stockwerke verteilt finden sich uniforme Räume in ein gleichbleibendes Raster ein. Bisweilen war es nicht möglich zu sagen, in welchem Stockwerk man sich aufhält. Ein pragmatisches Treppenhaus stapelt die vier Stockwerke übereinander. Es unterscheidet nicht zwischen erstem und viertem Stock. Nahezu unsichtbare typografische Hinweise versuchen zu leiten, zu erklären. In den Stockwerken selber reihen sich die Räume ausgehend von einem dumpfen Flur rechts und links aneinander. Türen, eingelassenes, gelbliches Glas, rauer grüner Teppichboden, Namensschilder. Links und Rechts, auch nicht unterscheidbar. Eröffnet wird der Flur durch eine kleine Kochnische. Eine Spüle, ein Schrank aus früher einmal weißem Plastik, ein Wasserboiler und ein kleiner Spiegel. Nach einiger Zeit im Gebäude lässt sich aber feststellen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Stockwerken und noch deutlicher zwischen den Räumen gibt. So macht es einen enormen Unterschied, ob sich ein Raum im vierten Stock oder im Erdgeschoss befindet. Ohne anfänglich zu wissen, woran es liegt, hatte der Raum in der hinteren Ecke des Erdgeschosses eine sehr endgültige Position. Dieser Eckraum mit zwei Türen lässt sich leicht übersehen. Bei all der Geradlinigkeit des Gebäudes ist dieser Raum schon fast verwinkelt und versteckt. Trotz zweier Türen wirkt der Raum von außen eher verschlossen. Von innen ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Türen scheinen verschwunden zu sein. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Benjamin Suck. Frau Wieschenkämper — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Der baugleiche Raum im ersten Stock wirkt nun völlig anders. Anfänglich gleich und doch verschieden. So sind es nicht nur die Stockwerke, die die Räume unterscheidbar machen, vielmehr sind es die Spuren. Neben den Spuren, die offensichtlich sind, ergeben sich weitere, unentscheidbare Spuren. Einfache Ablagerungen und Gebrauchsspuren in Spülbecken bekommen eine weitere Dimension durch Indikation verwirrender Indizien. Bewusst oder unbeabsichtig liegen gelassene Gegenstände spannen Fäden zum Vergangenen oder zum Imaginären. Es bedarf nur weniger, sehr subtiler Anreize um den Raum wieder mit Leben zu füllen, Geschichten entstehen lassen. So sprechen die Druckstellen auf dem Teppichboden Bände, ebenso wie die verbliebenen Schatten auf den vergilbten Tapeten. Bei dieser Installation geht es ebenfalls um Spuren. Alles ist und wird Spur. Die Interpretation der gewollt wahrgenommenen Spur liegt im Ermessen des Sehenden. Sie stellen Verweise oder Hinweise auf irgendetwas dar. Auf etwas Unentscheidbares. Je länger man sich in diesem Raum befindet, desto deutlicher scheinen die Fäden sich ins Jenseits zu spannen. Bilder entstehen und vergehen. Geräusche dringen aus den Wänden. Unfähig die Eindrücke rational zu analysieren, ist man der Kraft des „Nichtvorhandenen“ ausgeliefert. Ein neuer Abfluss glänzt nun in diesem Raum. Er ist offensichtlich erst kürzlich hinzugekommen. Ein Abfluss im Teppichboden. Ein unbestimmtes Gluckern oder Gurgeln dringt aus dem Abfluss. Blechern, lückenhaft. Etwas kratzt und rauscht über das stille Glucksen. Aufgeregt, aggressiv, aber nicht laut. Es beginnt ein hoffnungsloser Versuch, die neuen, klaren Reize in Bezug zur bestehenden Atmosphäre des Raumes zu bringen. Ein Versuch das Störende, das Befremdliche irgendwie zu entmystifizieren. Der Besucher ist im Moment der Auflösung begriffen, sobald er sich auf das subtile Geräusch einlässt, welches zunächst frei im Raum hängt und sich langsam dem Abfluss nähert, ehe es darin verschwindet um wieder neu aus ihm hervorzugehen. Das Verlassene, das Unbelebte des Raumes wird wieder dinghaft, extrahiert sich selbst von den Assoziationen an das Lebendige. Die Furcht vor dem Unerklärbaren, dem Nichtergründbaren ist zum einen die Triebfeder für das Vorantreiben der aufgeklärten Rationalität, zum anderen perfekter Nährboden für die künstlerische Auseinandersetzung mit menschlichen Abgründen. Tatsachen werden aufgelöst, Sachverhalte verklärt. Nichts lässt sich jetzt noch erklären, nichts entscheiden. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Doris Weinberger, Jule Köperich — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Doris Weinberger, Jule Köperich. Stimmen zum Tod an L. Condé — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Doris Weinberger, Jule Köperich. Stimmen zum Tod an L. Condé — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Natalie Wild — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Salto rückwärts —

geschlossene Systeme —

ein ordentliches —

Chaos —

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Ein fragmentarischer Wegweiser durch die Gedankenketten zwischen Feldern auf denen wild verstreut die Bruchstücke zum Thema: „Evolution als Vorstellung oder Märchen der Realität“ liegen. Ein Text der nicht versucht wissenschaftliche Beweise zu liefern; er wiederholt Argumente einer Wissenschaft, die auf Intuition und Weltanschauung beruht. So bereist er ein Gebiet, in dem sich alles Folgende und Vorangegangene einreiht in einen persönlichen Feldzug. Der gesamte Text scheint wie eine unsichtbare Hülle, jedes Zitat bildet hierbei eine Koordinate. Er wird zur Aura, zum invisiblen Körper um ein „physisches Werk“, das wiederum durch diese Auren der Zitate gespeist und gebildet wird. Sie regen sowohl Fundament als auch Aufbau des Textes an, der ein Wegweiser zu sein vorgibt. „Ein Stück weiter führte der Bau wie ein Tunnel geradeaus, doch dann fiel der Gang so plötzlich ab, dass an ein Innehalten nicht mehr zu denken war und sie auch schon in einen abgrundtiefen Schacht hinunter fiel.“ 01 „Das Problem des Zufalls ist keineswegs nur eines des Darwinismus: Die astrologische Unwahrscheinlichkeit der Augen und Knie, Enzyme und Ellenbogengelenke « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Lewis Carroll: Alice im Wunderland. Frankfurt am Main 1994, S. 24.

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sowie aller anderen Wunder des Lebendigen ist genau die Frage, die jede Theorie des Lebens beantworten muss. […] Der Darwinismus löst das Problem, in dem er die Unwahrscheinlichkeit in kleine, handliche Teilchen zerlegt und damit den Zufall austrickst“ 02 „Wie lange glaubte der Mönch an diese Dinge? Tja wenn es nach dem Mönch ginge, ewig. Der Glaube, der Berge versetzt oder sie zumindest entgegen allen zu Gebote stehenden Beweisen für rosa hält, war ein fester, beständiger Glaube, ein mächtiger Fels gegen den die Welt schleudern konnte, was sie wollte, er hätte trotzdem nicht gewankt. In der Praxis, das wusste das Pferd, währte der Glaube im Durchschnitt ungefähr vierundzwanzig Stunden.“ 03 „Das Buch hat in Frankreich im Frühjahr für Wirbel gesorgt: Wie aus dem Nichts plumpste es auf die Schreibtische von Lehrer, Schuldirektoren, Bibliothekaren und Redakteuren. Zigtausend fach. 800 Seiten Hochglanz, sechs teure Kilo eine einfache Botschaft: Darwin lügt.“ 04 “Unter Gruppenselektion versteht man die umstrittene Vorstellung, dass die darwinistische Selektion zwischen biologischen Arten oder anderen Gruppen von Individuen unterscheidet. Der Archäologe Colin Renfrew aus Cambridge äußerte die Vermutung, dass Christentum habe durch eine Art Gruppenselektion überlebt, weil es « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 02 Richard Dawkins: Gipfel des Unwahrscheinlichen. Wunder der Evolution. Reinbek bei Hamburg 1999, S. 89. 03 Douglas Adams: Dirk Gently‘s Holistische Detektei. München 1988, S. 9.

04 Kai Strittmatter: Feldzüge fürs ewige Kaninchen.

In: Süddeutsche Zeitung, 9.07.07. München 2007.

Natalie Wild. Salto rückwärts — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Loyalität und brüderliche Liebe innerhalb der Gruppe förderte, was es den religiösen Gruppen erleichtert, auf Kosten nichtreligiöser Gruppen zu überleben.“ 05 „Nach diesen Worten streckte der Fuchs wieder seinen Schwanz aus, und der Königssohn setzte sich auf: da gings über Stock und Stein, dass die Haare im Winde pfiffen“ 06 „Ganz ununterbrochen ist diese Landschaft nicht. Die luftige Wiese hat Löcher, durch die man auf die Erde fallen kann, und diese Lücken müssen überbrückt werden. [...] Der Unterschied zwischen einem gelungenen und einem fehlgeschlagenen Sprung ist vielfach gleichbedeutend mit dem Unterschied zwischen Leben und Tod.“ 07 „Der Fossilienbestand zeigt klar, dass sich Kaninchen nicht aus irgendeiner anderen Lebensform entwickelt haben und schon immer, seit dem Moment ihrer Schöpfung, so geblieben sind wie jetzt.“ 08 „Sogar Mutationen sind in mehrfacher Hinsicht (...) nicht zufällig (...) sie tragen nicht konstruktiv zu der unwahrscheinlichen Vollkommenheit der Lebewesen bei. [...] Darüber hinaus kennt man eine weitere Form der Nichtzufälligkeit: Mutationen sind umkehrbar (‚Rückmutationen‘) Bei den meisten Genen sind Mutationen in beide Richtungen gleich wahrscheinlich. Bei einigen kommt jedoch die Mutation in einer Richtung häufiger vor als die Rückmutation in der anderen. Auf diese Weise entsteht der sog. Mutationsdruck – eine Tendenz sich ungeachtet der Selektion in einer bestimmten Richtung weiterzuentwickeln. Theoretisch könnte man sich eine Welt vorstellen, in der sich Mutationen bevorzugt in Richtung von Verbesserung ereignen. In dieser hypothetischen Welt wären Mutationen nicht nur in dem gleichen Sinn nicht zufällig, wie solche, die von Röntgenstrahlen erzeugt werden, sondern sie hätten systemisch die Tendenz, der Auslese einen Schritt vorauszueilen und die Bedürfnisse der Lebewesen vorherzusehen.“ 09 „Geh du immer geradeaus, endlich wirst du an ein Schloss kommen, vor dem eine ganze Schar Soldaten liegt, aber kümmre dich nicht darum, denn sie werden alle schlafen und schnarchen: geh mitten durch und geradewegs in das Schloss hinein, und geh durch alle Stuben, zuletzt wirst du in eine Kammer kommen, wo ein goldener Vogel in einem hölzernen Käfig hängt. Nebenan steht ein leerer goldener Käfig zum Prunk, aber hüte dich, dass du den Vogel nicht aus seinem schlechten Käfig heraus nimmst und in den prächtigen tust, sonst möchte es dir schlecht ergehen.“ 10 „Man kann einen Organismus nur insoweit als an eine bestimmte Situation oder die Gesamtheit der Situation, die eine Umwelt ausmachen, angepasst betrachten, als « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 05 Richard Dawkins: Der Gotteswahn. Berlin (Ullstein

Buchverlage GmbH) 2007, S. 236. 06 Jacob und Wilhemlm Grimm: Der goldene Vogel. In: Jacob und Wilhelm Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Große Ausgabe. Band 1 ( 1850 ), http://www. maerchen.com/grimm/der-goldene-vogel.php (zuletzt gesehen 8.02.2009).

07 Dawkins 1999, S. 134. 08 Harun Yahya: Atlas der Schöpfung. Istanbul, Türkei

(Global Publishing) 2007, S. 76. 09 Dawkins 1999, S. 93. 10 Grimm: Der goldene Vogel.

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man sich eine Anordnung von geringfügig anderen Situationen oder Umweltbedingungen vorstellen kann, an die das Tier weniger gut angepasst wäre; und ebenso nur insoweit, als man sich eine Anordnung von geringförmig anderen Lebensformen vorstellen kann, die an diese Umwelt weniger gut angepasst wären.“ 11 „Führt ein wildes Tier immer wieder irgendeine nutzlose Tätigkeit aus, so wird die natürliche Selektion jene Konkurrenten begünstigen, die Zeit und Energie stattdessen auf Überleben und Fortpflanzung verwenden. Die Natur kann sich leichtfertige Spielereien nicht leisten.“ 12 „Einst versammelten sich alle Hasen unter einer großen Kiefer, um Rat zu halten, wie ihr Leben gebessert werden könne. Jeder klagte über seine Not. […] Es ist auch nicht zu hoffen, das unser Leben besser werden wird. Eher wird es noch schlechter. Jeder Knirps jagt hinter uns her. […] Alle Hasen waren damit einverstanden. Sie liefen zum See und wollten sich ertränken. Am Ufer des Sees weidete aber eine große Schafherde. Als die Schafe die Hasen herankommen hörten, da erschraken sie sich so sehr, das sie Hals über Kopf davonrasten.“13 „In meinen Augen muss es um die Selbstachtung schon sehr schlecht bestellt sein, wenn man meint, der Glaube an Gott müsse nur aus der Welt verschwinden, und schon würden wir uns alle in gefühllose, egoistische Hedonisten verwandeln, die keine Freundlichkeit besitzen, keine Nächstenliebe, keine Großzügigkeit, nichts, was den Namen des Guten verdient.“14 „Und im ersten Geschoss leben die Blinden, die glauben, was sie sehen und die Tauben, die glauben was sie hören. Festgebunden auf einem Küchenhocker sitzt ein Irrer, der glaubt alles was er anfassen kann, seine Hände liegen im Schoss.“15 „So unwahrscheinlich es auch sein mag, dass Gott existiert, noch größer ist die Asymmetrie im Hinblick auf die Strafe, wenn man das Falsche vermutet hat. Man sollte lieber an Gott glauben, denn wenn man recht hat, wird einem die ewige Gnade zuteil, und wenn man unrecht hat, ist es ohnehin egal. Glaubt man aber nicht an Gott, und hat damit unrecht, fällt man der ewigen Verdammnis anheim, und wenn man unrecht hat, ist es wiederum egal. Angesichts dieser Überlegung fällt die Entscheidung leicht, man sollte lieber an Gott glauben.“ 16 „Enzyme arbeiten in den Zellen eigentlich wie eine Riesenanzahl von Maschinen zur Massenproduktion von Molekülen. Ihre Effizienz hängt von ihrer dreidimensionalen Struktur ab, die dreidimensionale Struktur hängt von der Knäuelung ihrer Molekülketten ab, und diese Knäuelung hängt von der Reihenfolge der Aminosäuren « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 11 Dawkins 1999, S. 91. 12 Dawkins 2007, S. 226. 13 August von Löwis of Menar: Estnische Märchen.

14 Dawkins 2007, S. 315. 15 Blixa Bargeld: Haus der Luege. In: Einstuerzende

Warum der Hase eine gespaltene Lippe hat. In: August von Löwis of Menar: Finnische und Estnisches Märchen. Märchen der Weltliteratur. München 1962, S. 267.

16 Dawkins 2007, S. 146.

Neubauten: Haus der Luege. London 1989.

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ab, die in einer solchen Kette hintereinander verknüpft sind. Die Reihung der Aminosäuren wiederum wird unmittelbar von den Genen gesteuert und ist das eigentlich Entscheidende.“ 17 „Elektrische Mönche glaubten für einen gewisse Dinge und ersparten einem damit, was allmählich zu einer immer schwerlicheren Aufgabe wurde, nämlich alle Dinge zu glauben, die zu glauben die Welt von einem erwartete.“ 18

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 17 Dawkins 1999, S. 87. 18 Adams 1988, S. 9.

94 95 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — Literaturliste Adams, Douglas: Dirk Gently‘s Holistische Detektei. München 1988, S. 9. Bargeld, Blixa: Haus der Luege. In: Einstuerzende Neubauten. Haus der Luege. London 1989. Carroll, Lewis: Alice im Wunderland. Frankfurt a. Main 1994, S. 24. Dawkins, Richard: Gipfel des Unwahrscheinlich. Wunder der Evolution. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt Verlag GmbH) 1999. Dawkins, Richard: Der Gotteswahn. Berlin (Ullstein Buchverlage GmbH) 2007. Grimm, Jacob und Wilhelm: Der goldene Vogel. In: Jacob und Wilhelm Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Große Ausgabe. Band 1 ( 1850 ), http://www. maerchen.com/grimm/der-goldene-vogel.php (zuletzt gesehen 8.02.2009) Löwis of Menar, August von: Estnische Märchen. Warum der Hase eine gespaltene Lippe hat. In: August von Löwis of Menar: Finnische und Estnisches Märchen. Märchen der Weltliteratur. München 1962, S. 267. Strittmatter, Kai: Feldzüge fürs ewige Kaninchen. In: Süddeutsche Zeitung, 9.07.07. München 2007. Yahya, Harun: Atlas der Schöpfung. Isanbul, Türkei (Global Publishing) 2007, S. 76.

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Z. Schmidt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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96 97 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — MAO: 1. Abk. für engl. (siehe) Macimal acid output 2. Abk. für (siehe) Monoaminoxidase MAOA-Gen: Abk. für Monoaminoxidase-A-Gen, entd. v. A. Caspi, T.E. Moffitt, Kings

College, 2002, London, Abb.1, I:630000/mdl.2008, X-Chromosom, Ablagerungen, Monoaminoxidase-A (MAOA), Zusmstzg. L-förmig, aktiver Befall, Abb.2, Anschnitt, X-Chromosom, Befall MAOA, aktiv, Abb.3, Querschnitt, X-Chromosom, oberer Schenkelhals, o. MAOA, Abb.4, Anschnitt, Oberflächenstruktur, mikroskopische Vergrößerung, MAOA Substanz, Zusmstzg. L-förmig, Abb.5, Schenkelschnitt, XChromosom, mikroskopische Vergrößerung, Chromosomenstruktur 01 MAP: 1. Abk.für engl. Main aterial pressure; arterieller Mitteldruck [diastol. Blut-

druck+1/3 der Blutdruckamplitude] 2. Abk. für mikrotubulusassoziiertes (siehe) Protein.3. Abk. für engl. Main airway pressure; mittlerer Atemwegsdruck [siehe MAD] MAP-Kinasen: Abk. für mitogen aktivierte Proteinkinase(n) (MAPK); Bez. Für (siehe)

Proteinkinase (siehe) Kinase; die als Komponenten intrazellulärer (siehe) Signalübertragungssysteme durch Proteinphosphorylierung eine wichtige Rolle für Wachstums- u. Differenzierungsprozesse spielen; werden durch Phosphorylierung von Tyrosinresten durch MAP-Kinase-Kinase (MAPKK) aktiviert Mapping {engl} 1. Ableitung elektr. Signale aus den Herzhöhlen (intrakardiales M.)

bzw. von der Thoraxwand über viele (48-120) Ableitungspunkte. Geeignet zur Erkennung ischäm. Areale (infarktgrößenbestimmung) bzw. zur Lokalisation von ektopen Tadykardienerden.2. Kurzw. Für Gene mapping (siehe) Chromosomenkarte. Maprotilin: ein Thymoleptikum mit imipralinähnl. Wirkung Map unit: engl. Bez. Für Rekombinationseinheit marantisch {gr.} Adj zum Marasmus Marasmus {gr.} m: allg. Verfall, Kräfteschwund, meist als M. seniles (Altersmarasmus).

M. des Kindesalters: hochgradige Auszehrung als Folge starker Unterernährung; führt zum Tode, wenn das Körpergewicht auf etwa die Hälfte des Soliwertes abgesunken ist. Marathonsitzung: Gruppentherapiesitzung, die sich über Stunden, evtl. auf einen

o. mehrere Tage erstreckt. Dabei werden viele durch gesellschaftl. Konventionen entstandene Hemmungen abgebaut. Kommunikation u. (siehe) Konfrontation vollziehen sich unter höherer emotionaler Erregung u. Betroffenheit. Eindeutige wissenschaftl. Erfolgs u. Schädigungsmessungen liegen kaum vor. Marboran (siehe) Methisazon 02 « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Eintrag in Anlehnung an:

02 Ab MAP aus: Maxim Zetkin / Herbert Schaldach:

http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/ nano/news/35626/index.html http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/0,1518,207751,00.html http://www.bioethik-diskurs.de/documents/archiv/ News/News_2002 Alle zuletzt gesehen 07.2008.

Lexikon der Medizin, 16., neubearb. Auflage, Wiesbaden (Ullstein Medical) 1999.

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der Bewegung —

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REGELWERK DER BEWEGUNG Auf der Grundlage des deutsch-europäischen Zuwanderungsgesetzes § 1 – § 23

§ 1 Zweck des Regelwerks; Anwendungsbereich (1) 1. Das Regelwerk dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Außergebietlern in das Gebiet. 2. Es ermöglicht und gestaltet Bewegung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen des Gebiets. 3. Das Regelwerk dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen des Gebiets. 4. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Außergebietlern. 5. Die Regelungen anderer Regelwerke bleiben unberührt. (2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Außergebietler, 1. deren Rechtsstellung von dem Regelwerk über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Regelwerke etwas anderes bestimmt ist, 2. die nach Maßgabe der §§ 12 bis 17 des Gerichtsverfassungsregelwerks nicht der Gebietsgerichtsbarkeit unterliegen, 3. soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Außergebietlerzentrale anzuzeigen und der Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können. § 2 Grenzübertritt (1) 1. Die Einreise und die Ausreise aus dem ---gebiet sind nur an den festgesetzten Grenzübergangsorten und innerhalb entsprechender Zeiten zulässig, soweit nicht auf — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Grund anderer Vorschriften oder zwischengebietlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. 2. Außergebietler sind verpflichtet, bei der Einreise und Ausreise einen anerkannten und gültigen § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der üblichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen. (2) 1. An einem zugelassenen Grenzübergangsort ist ein Außergebietler erst eingereist, wenn er die Grenze und den Grenzübergangsort durchlaufen hat. 2. Lassen die mit der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Außergebietler vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Reglements, § 16a des Asylverfahrensgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme den Grenzübergangsort zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck durchlaufen, so liegt keine Einreise im Sinne des Regelwerks vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Außergebietlers möglich bleibt. 3. Im Übrigen ist ein Außergebietler eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat. § 3 Personalbeweispflicht (1) 1. Außergebietler dürfen nur in das Gebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Personalbeweis besitzen, sofern sie von dieser Pflicht nicht durch Regelwerksverordnung befreit sind. 2. Für den Aufenthalt im Gebiet erfüllen sie die Personalbeweispflicht auch durch den Besitz eines Beweisersatzes (§ Abs. 2). (2) Die Gebietserfassungszentrale des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Außergebietlers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt Ausnahmen von der Personalbeweispflicht gestatten. § 4 Visum (1) Einem Außergebietler kann 1. ein Visum für die Durchreise oder 2. ein Visum für Aufenthalte von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an (kurzfristige Aufenthalte) erteilt werden, wenn die Erteilungsvoraussetzungen des Durchführungsübereinkommens und der dazu ergangenen Aussonderungsvorschriften erfüllt sind. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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3. In Ausnahmefällen kann das Visum aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen des Gebiets erteilt werden, wenn die Erteilungsvoraussetzungen des Durchführungsübereinkommens nicht erfüllt sind. 4. In diesen Fällen ist die Gültigkeit räumlich auf das Hoheitsgebiet des Gebiets zu beschränken. (2) Das Visum für kurzfristige Aufenthalte kann auch für mehrere Aufenthalte mit einem Gültigkeitszeitraum von bis zu fünf Jahren mit der Maßgabe erteilt werden, dass der Aufenthaltszeitraum jeweils drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an nicht überschreiten darf. (3) 1. Ein nach Absatz 1 Satz 1 erteiltes Visum kann in besonderen Fällen bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an verlängert werden. 2. Dies gilt auch dann, wenn das Visum von einer Außergebietsvertretung eines anderen Anwenderstaates erteilt worden ist. 3. Für weitere drei Monate innerhalb der betreffenden Sechsmonatsfrist kann das Visum nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 verlängert werden. (4) 1. Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Gebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. 2. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt geltenden Vorschriften. 3. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt angerechnet. § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen (1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist, 1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Außergebietlers geklärt ist, 2. kein Ausordnungsgrund vorliegt, 3. soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Außergebietlers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen des Gebiets beeinträchtigt oder gefährdet und 4. die Personalbeweispflicht nach § 3 erfüllt wird. (2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Niederlassungs— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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erlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt voraus, dass der Außergebietler 1. mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und 2. die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumsantrag gemacht hat. 3. Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. (3) 1. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ Abs. 1 bis 3 sowie § 26 Abs. 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, im Fall des § 8, Abs. 4a von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. 2. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. 3. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Außergebietlerzentrale darauf hinweisen, dass eine Ausordnung wegen einzeln zu bezeichnender Ausordnungsgründe, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. (4) 1. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn einer der Ausordnungsgründe nach § 5 oder 5a vorliegt. 2. Von Satz 1 können in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden, wenn sich der Außergebietler gegenüber den zuständigen Behörden offenbart und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt. 3. Die Gebietserfassungszentrale des Inneren oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Außergebietlers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von Satz 1 zulassen. § 6 Einreise- und Aufenthaltsverbot (1) 1. Ein Außergebietler, der ausgeordnet, zurückversetzt oder ausgesondert worden ist, darf nicht erneut in das Gebiet einreisen und sich darin aufhalten. 2. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Regelwerk kein Aufenthaltstitel erteilt. 3. Die im Regelwerk festgeschriebenen Wirkungen werden auf Antrag befristet. 4. Die Frist beginnt mit der Ausreise. 5. Eine Befristung erfolgt nicht, wenn ein Außergebietler wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder auf Grund einer Aussonderungsordnung nach § 58a aus dem Gebiet abgeschoben wurde. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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6. Die oberste Innergebietsstelle kann in Spezialfällen Ausnahmen zulassen. (2) 1. Vor Ablauf der festgelegten Frist kann außer in verifizierten Fällen dem Außergebietler ausnahmsweise erlaubt werden, das Gebiet kurzfristig zu betreten. Jedoch nur wenn zwingende Gründe eine Anwesenheit begründen oder die Versagung einer Gestattung unbillige Härte bedeuten würde. § 7 Aufenthaltserlaubnis (1) 1. Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. 2. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. 3. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Regelwerk nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. (2) 1. Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. 2. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden. § 7.1 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. (2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat. […]

§ 23 Überprüfung, Feststellung und Sicherung der Identität […] (9) Die Identität eines Außergebietlers, der das 14. Lebensjahr vollendet hat und sich ohne erforderlichen Aufthaltungstitel im Gebiet aufhält, ist durch Abnahme der Abdrücke aller zehn Finger zu sichern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er einen Asylantrag in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaften gestellt hat. (10) Der Außergebietler hat die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 bis 8 zu dulden.

« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — Das von mir erdachte Regelwerk wurde als Audioinstallation präsentiert. Ein schmaler, rechteckiger Raum war mit einem abstrakten Liniensystem versehen, das sich in Form von schwarzem Klebeband auf sämtlichen

Oberflächen des Raumes abzeichnete. In diesem Raum war permanent eine Stimme zu vernehmen, die diesen Text las. (§ 1 – 23)

Nina Zedelius, Gesine Hennemann — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Warten auf den Dieb —

Verweildauer 1–6 —

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372045 Fahrräder wurden laut Kriminalstatistik des BKA 2007 in Deutschland als gestohlen gemeldet, 9362 davon in der Stadt Bremen. Verglichen mit Fahrraddiebstahlraten von Städten mit ähnlicher Einwohnerzahl sind das viele. Wie lange kann man in welchem Bremer Stadtteil ein unangeschlossenes Fahrrad herum stehen lassen, bevor es geklaut wird? — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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und Hemelingen. Diebesgut: 5 optisch weitestgehend einander angeglichene, intakte Fahrräder. Zeit: Die Verweildauer eines Fahrrades wurde sechsmal wie folgt gemessen:

An sechs Werktagen wurde zu gleicher Uhrzeit jeweils ein Fahrrad an einem der genannten Orte unabgeschlossen abgestellt. Film: Während des Zeitraums zwischen dem Abstellen des Fahrrades und dessen

Entwendung wurde der Abstellort kontinuierlich beobachtet und gefilmt – der gemessene Zeitraum definiert die Filmlänge. Der jeweilige Dieb ist durch Nachbearbeitung des Filmmaterials nur verfremdet zu sehen und durfte das Rad behalten. Ausstellung: Es ist ungewöhnlich auf einen womöglich gar nicht auftauchenden Dieb

zu warten, um einzufangen, was normalerweise verpasst wird – der Moment des Diebstahls. Auf einen eventuellen Zeitpunkt zu warten erfordert Geduld – eine Erfahrung, die später auch Besucher der Ausstellung machen konnten, denen die entstandenen Filme in Echtzeit gezeigt wurden. Der kürzeste der Filme dauert 133 min., der längste 24 Std., in einem abgedunkelten Raum wurden sie 24 Stunden lang zeitgleich und nebeneinander gezeigt. Der vollbrachte Diebstahl bedeutete das jeweilige Filmende, darauf folgend ein Standbild, das Tatort, Tatzeit und errechnete Verweildauer des Fahrrades mitteilte und so dem Betrachter nach Ablauf aller Filme einen direkten Stadtteilvergleich bot. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Nina Zedelius, Gesine Hennemann. Warten auf den Dieb — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Videoinstallation von Gesine Hennemann und Nina Zedelius

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RASTER UND FADENKREUZ

Anna Bromley — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Das Ich —

im Fluchtpunkt —

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Das Wort des Jahres 1980 hieß ‚Raster‘. Der Begriff implizierte zwei sich widersprechende Dinge: einerseits die Garantie für Sicherheit, andererseits eine zunehmende Angst vor Überwachung und Vereinnahmung. Diese Angst war berechtigt. Raster begradigen nicht nur den Bereich des Realen, sie wollen auch den Bereich des Fiktionalen, Vorgestellten in ihrer homogenisierenden Art ordnen. Unter diesem Aspekt beschäftigt sich dieser Text mit illusionistischen Bildräumen und schlägt vor, die Ausdifferenzierung der Zentralperspektive als eine sich auskristallisierende Rasterung zu lesen. Meine Überlegungen zielen darauf, dass sich beide Symbolisierungsakte strukturell auf eine Weise ähneln, die es erlaubt, das Raster als eine die Zentralperspektive einschließende Kategorie zu beschreiben. Sowohl Raster als auch Zentralperspektive erzählen als ordnende Verfahren unübersichtlicher Terrains eine Art Geschichte über uns selbst. Matrixartig verdichten sich beide Phänomene, wobei sie stetig in noch beweglichere, ungeordnete Bereiche eindringen. Es geht darum, An- und Abwesenheit möglichst effektiv im Blick zu behalten. Als ordnende Verfahren erfordern sie die zunehmende Apparatisierung des Schnittpunkts zwischen unmittelbarer Wahrnehmung und deutender Aufzeichnung. Naheliegenderweise wirft das die Frage auf, warum wir selbst den Bereich sich zeichenhaft manifestierender Vorstellungswelten in dieser Form ordnen wollen und was das für unsere Vorstellungswelten bedeutet. « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen

Ökonomie. In: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, Berlin 2005, S. 86.

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Ende der 1970er Jahre trat das Raster in zwei verschiedenen Erscheinungsformen ins Visier der Medien: als kriminologischer Begriff (Rasterfahndung) und als Terminus diagrammatischer Bildgebungsverfahren in der Umstellung von vektorbasierten zu pixelbasierten Darstellungen. Raster sind operative Verfahren, die gezielt und regelhaft Flächen oder Volumina unterteilen, Daten nach Adressen in das so entstandene System speichern und dieses Datennetz beständig verdichten. So erwirken sie ihre eigene strukturelle Ausdehnung und Reproduktion gleich einer Matrix, die sich nach ihrer Initialisierung selbst generiert, expandiert und undercover operiert. Real wahrnehmbar werden nur ihre Hosts und das Ergebnis der Rasterung: das BKA als Garant eines diffusen Gefühls von Sicherheit, die virtuellen Bildräume des Rechners, vor denen wir vergessen, wie unzugänglich und inkommensurabel die ‚Wirklichkeit‘ der dahinterliegenden Elektronik ist. In ihrer subtilen Existenz als Differenz bildende Kulturtechnik entwerfen Raster ‚Welt‘ – als ‚Welt‘ von Objekten, die von einem Subjekt vorgestellt werden – und zwar im Hinblick auf die Beherrschbarkeit des von ihm Erfassten.02 Sie sorgen für die Domestizierung unüberschaubarer, nomadischer Inhalte und sind Teil der Geschichte von Verfahren, „durch die Menschen zu Subjekten gemacht werden.“03 Daher handelt es sich nicht um eine „nachträgliche Aufteilung oder Einkerbung der Fläche, sondern (um) das, was die Fläche zuallererst generiert. So zeugen Raster von der Macht desjenigen, in dessen Gewalt es liegt, den Dingen ihren Platz in einer symbolischen Ordnung anzuweisen.“ 04 Auch die Zentralperspektive, die einen homogen-isotropen Sehraum unendlicher Ausdehnung systematisiert, basiert auf einem Bedürfnis nach Distanzierung und Objektivierung.05 Mit einer topografischen Organisation des Bildraumes nach empirischen Kriterien befestigt sie eine verfügende Distanz zum subjektiv erlebten Umraum. Nicht ohne Grund entwickelte sich diese Darstellungsform parallel zum aufkommenden Subjektivismus und einer sich rasant entwickelnden Kartografie. Der Kunsttheoretiker Erwin Panofsky veröffentlichte 1925 die überraschende Entdeckung, « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 02 Bernhard Siegert: (Nicht) Am Ort. In:

Thesis, Heft 3, Weimar 2003, S. 93-104, S. 93. 03 Michel Foucault: Warum ich die Macht untersuche: Die Frage des Subjekts. In: Walter Seitter / Michel Foucault: Das Spektrum der Genealogie, Bodenheim o. J., S. 14.

04 Siegert 2003, S. 95. 05 Erwin Panofsky: Die Perspektive als Symbolische

Form (1925). In: Karen Michels / Martin Warnke: Erwin Panofsky: Deutschsprachige Aufsätze II, Berlin 1998, S. 664–757, S. 750.

Anna Bromley. — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — * 05 06 07 — — — — — — —

Das Ich im Fluchtpunkt — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 08 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

dass das Raumverständnis der Antike auf einem sphärischen Körpergefühl gründet. Warum – so fragte er – vollzog sich die Hinwendung zur Zentralperspektive nicht früher? Die Euklidsche Geometrie hätte das bereits in der Antike ermöglicht. Folgt man Panofsky in der Annahme, dass künstlerische Formentscheidungen den erkenntnistheoretischen Stand der jeweiligen Epoche symbolisieren, konnte erst die Renaissance die Zentralperspektive entwickeln, da erst ihr anthropokratisches Weltbild den Betrachter zum Subjekt des Blickes erheben konnte und der kartesianische Denkraum den Unendlichkeitsbegriff bereitstellt. Als Kristallisation einer spezifisch abendländischen Bildsprache in der Entscheidung für oder gegen bestimmte symbolische Formalternativen generiert die Renaissance ein neues Bildverständnis, indem sie den Betrachter zum Zentrum der Bildkonstruktion erhebt. Das Bild ist nun die Durchsicht durch eine ebene Fläche der Sehpyramide.06 Diese Annahme ist der Beginn einer Herrschaft über den beweglichen, nomadisch über das Gesehene wandernden Blick. Faktisch ermöglichen Augapfel, Gesichtsfeld und Tastraum eine sphärische Raumerfahrung. Zusätzlich verfügen wir über zwei Augen, deren Blickachse in der Bewegung über das zu überblickende Terrain fixiert. Es kommt zur Parallaxe, einer Bewegung des beobachtenden Subjekts, die eine unüberschaubare Zone hervorruft. Es ist nicht möglich, den gesamten Raum im Blick zu behalten, überall ‚scharf zu stellen‘. Kugelförmige Augäpfel lassen nur ein randunscharfes Sehen zu. Darüber hinaus sehen wir lange, gerade Fluchten gewölbt und umgekehrt. Bewerten wir unseren Umraum, so geschieht das in inkonsistenten Kategorien wie vorn, hinten, rechts, links, oben und unten. Im Gegensatz zum subjektiv Erlebten suchen zentralperspektivische Darstellungen in der Regel unscharfe Bereiche auszuschließen. Dadurch entstehen artifizielle Räume, die sich vermutlich als State of the Art in unser Raumverständnis eingebrannt haben. In der Tradition des abendländisch-neuzeitlichen ‚Am-Ort-Seins‘ hat diese rasterförmige Erfassung auch vorgestellte Bildräume verortet. Die Frage ist, « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 06 Panofsky 1998 (1925), S. 750.

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warum sich eine solche Darstellung von Bildräumen bis in die Gegenwart als gängige Konvention, die für eine effektive Informationsweitergabe steht, durchsetzen konnte. Als Referenz perspektivischer Konstruktion nehmen wir die unmittelbar erfahrbare Umwelt nicht als objektiv absoluten Raum wahr, sondern als beweglich konstituiertes Fluidum. Semiotisch betrachtet ergibt sich Raum aus sozialen Beziehungen. Diskursiv produziert und mit Bedeutung aufgeladen vermittelt er sich dem Handelnden als etwas Kommuniziertes. Auch jener Handelnde kommuniziert über die räumlichen Strukturen und erschließt sie, indem er zusätzliche (auch materielle) Kommunikationsinfrastruktur bereitstellt. In dieser Weise werden räumliche Bezüge ständig neu produziert.07 Könnten die vorkartesianischen, inhomogen-endlichen Tableaus unserer inkonsistenten Raumwahrnehmung eher entsprechen? Mit ihrer nomadischen Beweglichkeit riefen sie förmlich nach mineralischer Befestigung, nach der Kerbung durch klare Raumkoordinaten, die eine intersubjektive Vergleichbarkeit erlaubte. Haben wir aber das Objekt, das wir zu begehren glauben, dingfest gemacht, so stellt sich in der Regel keine Erleichterung ein. So auch hier: Im zentralperspektivische Bildraum weilen nahe ‚schnell erreichbare‘ Objekte und ferne ‚weniger schnell erreichbare‘ Objekte. Nun konnte man diese über die Aneinanderreihung von Bildräumen gleicher Kulissen umschichten. Es entstand eine interaktive Dynamik, die sich dem geschaffenen Raster entzog. Mit dem Sprung in die Zeit erschien ein neues, unbeherrschbares Momentum, das (mit Regeln der Narration und Montage) neu gerastert werden musste. Parallel zu der Suche nach dem ‚absolut inversiven‘, virtuellen Raum nahm auch die Apparatisierung des Sehens zu. Umwelt in die Koordinaten des Rasters übersetzend, befreien Apparate vor der emotionalen Last unmittelbarer Wahrnehmung. So folgte dem Velum (Gitternetz zur zentralperspektivischen Konstruktion) eine ganze Palette optischer Neuerungen, die zunehmend effektiver illusionistische Räume konstruierten. Man erinnere hier vor allem daran, mit welchem Aufwand Kamerafahrten « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 07 Alexander Geppert: Tagungsbericht: Verklärung,

Vernichtung, Verdichtung: Raum als Kategorie einer Kommunikationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Mülheim an der Ruhr

27.02.2003–02.03.2003. In: H-Soz-u-Kult, 29.04.2003, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=213, zuletzt gesehen am 11.01.2009.

Anna Bromley. Das Ich im Fluchtpunkt — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 12 13 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

ermöglicht werden. In der Folge erhielten virtuelle Welten immer mehr Bedeutung als Kommunikationsmedium erster Wahl. In der Anwendung im Spielbereich (interaktive Onlinespiele etc.) sollen sie eine maximale ‚Überschaubarkeit‘ ermöglichen. Das optisch Unvorhersehbare vermeidend, Unschärfen minimierend oder bewusst einsetzend folgt man einer Raumobsession, die mit unklar funktional definierten Raumzonen ihre Schwierigkeit hat. Sie vereinnahmte subversiv unser Sehwissen und ließ das bewusste Wahrnehmen von Randunschärfen oder von der Hervorwölbung langer, schmaler Fluchten ins Unterbewusstsein sedimentieren. Beziehen sich vorkartesianische Bildräume noch auf die ihren Zeichen vorausgehende Referenzen, so arbeiten in illusionistische Bildräume eingebettete Bildgegenstände komplexer. Einerseits bleiben sie Stellvertreter für Referenzobjekte, andererseits treten sie als autonome Objekte auf, die neue Operationen ermöglichen. In diesem Sinne zog die Transformation vom ontologischen Symbolismus (seit Euklid) zu einem operativen Symbolismus08 (vgl. Descartes, Leibnitz) einen Sprung im Raumverständnis in Gestalt kalkülisierter Zeichensysteme der Kunst nach sich. Verwandelt sich Imaginierbarkeit in Lesbarkeit, so ist die Folge, dass die Symbolismen dem, was sie ‚symbolisieren‘, ontologisch vorausgehen. Der Raum der symbolischen Systeme wird dann zum einzigen Ort, an dem die Gegenstände des Erkennens handgreifliche Wirklichkeit erlangen.09 Das Raster zentralperspektivischer Raumkonstruktion hat sich bereits verselbstständigt. Uns bleiben die Apparate und eine sehr real wirkende Matrix.

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 08 Sybille Krämer: Berechenbare Vernunft: Kalkül und

Rationalismus im 17. Jahrhundert, Berlin 1991. 09 Krämer 1991. S. 5ff.

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Literaturliste

* 01 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Jenseits der Wolken“ (Ausschnitt), 1995. In: Chatman S. / Duncan P. (Hrsg.): Michelangelo Antonioni, Sämtliche Filme, Köln 2004, S. 5.

Foucault, Michel: Warum ich die Macht untersuche: Die Frage des Subjekts. In: Walter Seitter / Michel Foucault: Das Spektrum der Genealogie, Bodenheim o. J., S. 14.

* 02 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Der Schrei“ (Ausschnitt) 1957, S. 12/13.

Geppert, Alexander: Tagungsbericht: Verklärung, Vernichtung, Verdichtung: Raum als Kategorie einer Kommunikationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Mülheim an der Ruhr 27.02.2003-02.03.2003. In: H-Soz-u-Kult, 29.04.2003, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=213, zuletzt gesehen am 11.01.2009.

* 03 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Chronik einer Liebe“ (Ausschnitt), 1950, S. 31. * 04 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Chronik einer Liebe“ (Ausschnitt), 1950, S. 35.

„Die Freundinnen“ (Ausschnitt), 1955, S. 46.

Lange, Sigrid: Die Aisthesis des Raums in der Moderne. In: Sigrid Lange (Hrsg.): Raumkonstruktionen in der Moderne, Bielefeld 2001, S. 5 ff.

* 06 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Der Schrei“ (Ausschnitt), 1957, S. 52.

Krämer, Sybille: Berechenbare Vernunft: Kalkül und Rationalismus im 17. Jahrhundert, Berlin 1991, S. 5 ff.

* 07 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Beruf Reporter“, 1974, S. 144.

Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. In: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, Berlin 2005, S. 86.

* 08 Joel W. Finler: Am Set von „Beruf Reporter“, 1974, S. 149.

Panofsky, Erwin: Die Perspektive als Symbolische Form (1925). In: Karen Michels und Martin Warnke: Erwin Panofsky: Deutschsprachige Aufsätze II, Berlin 1998, S. 750.

* 05 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von

* 09 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Kinder unserer Zeit“ (Ausschnitt), 1952, S. 38/39. * 10 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von

Siegert, Bernhard: (Nicht) Am Ort. In: Thesis, Heft 3, Weimar 2003, S. 93 ff.

„Beruf Reporter“, 1974, S. 145.

* 11 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von „Die Nacht“ (Ausschnitt), 1961, S. 75.

* 12 Museo Antonioni, Ferrara: Am Set von

Vidler, Anthony: Psychoanalysis and Space. In: Migros Museum für Gegenwartskunst (HG): Bewitched, Bothered and Bewildered, Spatial Emotion in Contemporary Art and Architecture, Zürich 2003.

„Roma“ (Ausschnitt), 1990, S. 170/171 .

* 13 Donata und Wim Wenders: Am Set von „Jenseits der Wolken“ (Ausschnitt), 1995, S. 178/179.

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Christine Hanke — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Rastern und —

Unbestimmtheit: —

Physische —

Anthropologie —

um 1900

01



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Die physische Anthropologie um 1900 steht unter dem Vorzeichen der von Lorraine Daston und Peter Galison beschriebenen mechanischen Objektivität.02 Angesteckt von der Euphorie, mittels metrisch-statistischer Verfahren die Welt zu erfassen, und orientiert an empfohlenen Mess- und Beschreibungsschemata werden umfangreiche und detaillierte Daten über die Körper ‚fremder Völker‘ erhoben, es werden Reihenuntersuchungen an (den ‚eigenen‘) Soldaten und Schulkindern vorgenommen, es werden prähistorische Knochen und Schädel ins Visier genommen. Auf diese Weise entstehen riesige Zahlen-Sammlungen: Diese bilden ein umfassendes Archiv mit Ausgangsdaten für die weitere anthropologische Bearbeitung. Der ungarische Anthropologe Aurel von « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Diesem Beitrag liegt ein Text zugrunde, der für

02 Lorraine Daston / Peter Galison: Das Bild der

den vorliegenden Band grundlegend überarbeitet und erweitert wurde: Christine Hanke: Ein klares Bild der ‚Rassen‘? Visualisierungstechniken der physischen Anthropologie um 1900. In: Martina Heßler (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit. München 2006, S. 241–261.

Objektivität. [1992] In: Peter Geimer (Hrsg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt a. M. 2002, S. 29–99 und Lorraine Daston / Peter Galison: Objektivität. Frankfurt a. M. 2007.

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Török schlägt 1890 – gewissermaßen als Höhepunkt dieser Erhebungswut – allein für die Behandlung des Schädels um die 6000 Einzelmaße vor.03 Neben den großen Datenmengen werden aber auch gekaufte und aus Gräbern entwendete Knochen, Schädel und Kulturgegenstände in die europäischen Archive und Museen transportiert, und Händler verschiffen Menschen nach Europa, die dann auf sogenannten „Völkerschauen“ von Anthropologen untersucht und vermessen werden.04 All dieses Material wird in anthropologischen Instituten, Sammlungen oder Museen sortiert und archiviert, auf Sitzungen und Tagungen der Fachgesellschaften ausgewertet und vorgestellt, in Fachzeitschriften publiziert, in Museen, Ausstellungen, Vorträgen und populärwissenschaftlichen Büchern präsentiert, von wo aus es sich im Alltagsdiskurs verbreitet. Die anthropologische Sammlung von Körpern, Daten und Visualisierungen stellt der Anthropologie die Arbeitsobjekte, an denen sie ihre Identifizierungen vornehmen kann. Solchen Identifizierungen liegt eine spezifische Fragestellung bzw. Perspektive zugrunde, und ihre Funktionsweise besteht in Rasterungen des Materials zur Erzeugung von Kategorien. Das Hauptaugenmerk der physischen Anthropologie richtet sich insbesondere auf die Identifizierung von ‚rassischen‘ und ‚sexuellen‘ Differenzen. Der anthropologische Blick sucht nach ‚rassischen‘ und ‚geschlechtlichen‘ Markierungen. Dabei werden Körper nach Formen, Farben und Größenverhältnissen gerastert und strukturiert.05 In den physisch-anthropologischen Identifizierungsverfahren erscheinen sie als gerasterte, zerstückelte Körper in einem Raum von beschreibenden Stichworten und Zahlen. Sie werden Gegenstand von Unterteilungen, Schnitten und Grenzziehungen. Aus den an Einzelindividuen erhobenen Daten setzt die physische Anthropologie kollektive Körper – ‚Rassen‘ und ‚Geschlechter‘ – zusammen, denen die Einzelnen dann wieder zugeordnet werden können. Auf diese Weise werden unzählige Menschen gerastert und als Daten in die Ordnung des europäischen physischanthropologischen Diskurses überführt. Sowohl der individuelle Körper wie auch der « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 03 Vgl. Emil Schmidt: Referat zu Aurel von Török,

Grundzüge einer vergleichenden Craniometrie. Methodische Anleitung zur craniometrischen Analyse der Schädelform für die Zwecke der physischen Anthropologie, der vergleichenden Anatomie, sowie für die Zwecke der medicinischen Disciplinen (Psychiatrie, Oculistik, Zahnheilkunde, Geburtshülfe, gerichtliche Medicin) und der bildenden Künste. Ein Handbuch fürs Laboratorium. Stuttgart 1890. In: Archiv für Anthropologie, 20, 1891/92, S. 280–285. 04 Vgl. u.a. Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Frankfurt am Main/New York 1989; Sybille Benninghoff-Lühl: Die Ausstellung der Kolonisierten: Völkerschauen von 1874-1932. In: Volker Harms (Hrsg.): Andenken an den Kolonialismus. Eine Ausstellung des Völkerkundlichen Instituts der Universität Tübingen. Tübingen 1984, S. 52–65; Hans Fischer: Die Hambur-

ger Südsee-Expedition. Über Ethnographie und Kolonialismus. Frankfurt a. M. 1981; Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870-1940. Frankfurt am Main/New York 2005. 05 In synchroner Hinsicht geht es der physischen Anthropologie um die Bestimmung geographisch verteilter, ‚rassischer’ Differenzen, in diachroner Perspektive um die Erzählung der Entwicklungsgeschichte der Menschheit vom Affen über ‚niedrige Rassen‘ zum ‚Europäer‘. Zu diesen beiden Perspektiven und ihren Verschränkungen vgl. ausführlich Christine Hanke: Zwischen Evidenz und Leere. Zur Konstitution von ‚Rasse‘ im physisch-anthropologischen Diskurs um 1900. In: Hannelore Bublitz / Christine Hanke / Andrea Seier: Der Gesellschaftskörper – Zur Neuordnung von Kultur und Geschlecht um 1900. Frankfurt am Main / New York 2000, S. 179-235.

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

‚Bevölkerungs‘-Körper erscheinen als fragmentierte, auseinandergenommene und zusammengesetzte Körper.06 Insofern dieser Zugang der Anthropologie in weiten Teilen als selbstverständlich und unhinterfragt gilt, kann die Praxis des Rasterns als mediale Technologie verstanden werden, die gegenüber der Wirkmächtigkeit der durch sie hergestellten Fakten in den Hintergrund tritt.07 Das Vorhaben des vorliegenden Beitrags besteht im Anschluss an Michels Foucaults Archäologie darin, diese Rasterungen auszugraben und sichtbar zu machen.08 In diskursanalytischer Perspektive auf die physisch-anthropologische Wissensproduktion frage ich im Folgenden danach, auf welche Weise ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ im Zuge der in der Anthropologie vorgenommenen metrischen, textuellen und visuellen Rasterungen konstituiert werden. Mechanische Objektivität und Perspektive

Im Zuge der Durchsetzung positivistischer Verfahren in den Wissenschaften seit etwa 1850 werden anthropologische Identifizierungen von ‚Rassen‘ zunehmend mittels Techniken der Vermessung und statistischen Datenbearbeitung vorgenommen. Der physisch-anthropologische Diskurs begibt sich auf diese Weise in einen Modus metrisch-statistischer Objektivität – wie in Anlehnung an Lorraine Daston und Peter Galison formuliert werden kann.09 Die von Daston / Galison beschriebene historisch spezifische Form von Objektivität – die mechanische Objektivität – zeichnet sich durch den zunehmenden Einsatz von Apparaturen zur Aufzeichnung aus und folgt damit dem Anspruch einer „Eliminierung der menschlichen Intervention zwischen Objekt und Abbildung.“ Weiter heißt es an gleicher Stelle: „Interpretation, Selektivität, Kunst und das Urteilsvermögen selbst begannen alle als subjektive Versuchungen zu gelten, die mechanischen oder technischen Schutz erforderlich machten.“10 « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 06 Foucault beschreibt als Grundlage der Biomacht

die Konstitution eines biologisch fragmentierten ‚Bevölkerungskörpers’. Vgl. Michel Foucault: Leben machen und sterben lassen. Die Geburt des Rassismus. [1967/1991] In: Bio-Macht. DISS-Texte, Nr. 25, 2. Auflage Duisburg 1993, S.27–50 | S. 33, S. 42f. 07 Vgl. Susanne Bauer: Krankheit im Raster des Umweltgenomprojektes. Koordinaten, Lokalisationen und Fakten auf der Flucht. In: Elisabeth Strowick / Tanja Nusser (Hrsg.): Rasterfahndungen. Darstellungstechniken – Normierungsverfahren – Wahrnehmungskonstitution. Bielefeld 2003, S. 199–218 | S. 212ff. Bauer bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Medienphilosophie von Sybille Krämer: Das Medium als Spur und Apparat. In: Sybille Krämer (Hrsg.): Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien. Frankfurt am Main 1998, S. 73–94.

08 Michel Foucault: Archäologie des Wissens.

4. Auflage Frankfurt a. M. 1990 [1969]. 09 Lorraine Daston / Peter Galison: Das Bild der

Objektivität. In: Peter Geimer (Hrsg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt/M. 2002, S. 29–99. 10 Daston / Galison 2002, S. 57. 11 Alain Desrosières: Die Politik der großen Zahlen. Eine Geschichte der statistischen Denkweise. Heidelberg 2005. Vgl. a. Theodore Porter: The Rise of Statistical Thinking 1820-1900. Princeton 1986. 12 Wenn Peter Galison ausgerechnet die physische Anthropologie als Modell der im 20. Jahrhundert wieder erstarkenden – freilich besonders geschulten – Urteilskraft heranzieht, so übersieht oder ignoriert er schlichtweg den metrisch-statistischen Zug der Anthropologie und den inneranthropologischen Widerstreit zwischen objektiven und urteilenden Perspektiven. Vgl. Peter Galison: Urteil gegen Objektivität. [1998] In: Herta Wolf (Hrsg. unter Mitarbeit von

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Zwar beschreiben Daston und Galison die Automatisierung der Aufzeichnung durch Inskriptionsapparate vorrangig am Beispiel des Übergangs von der Zeichnung zur Fotografie – die Fotografie wird hierbei zum Modell der mechanischen Objektivität –, doch steht dies in einem weit größeren Zusammenhang der Metrisierung und Mechanisierung, in dem auch der Aufstieg der „statistischen Denkweise“ zu situieren wäre.11 Erweitert wäre daher wohl eher von mechanisch-metrischer Objektivität zu sprechen. In der Anthropologie kommt neben der Fotografie und anderen Aufzeichnungsapparaten vor allem die Vermessung und statistische Datenauswertung als zentrale Verfahren der Wissensproduktion zum Einsatz.12 Die Vermessung unterwirft Dinge dem Medium der Zahl und setzt damit voraus, dass sie überhaupt als Vermessbares wahrgenommen werden.13 Die Vermessung selbst – also die Zuordnung von Zahlen – bedarf zudem eines Maßstabes, eines Maßbandes, einer Skalierung und damit einer Standardisierung, die sich erst einem historischen Prozess der Vereinheitlichung verdankt: dem „Vorhaben einer Konstruktion von Äquivalenzen“ wie sie am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert von Frankreich ausging.14 Um sich die Eigen-Artigkeit dieses bis heute so selbstverständlichen Zugangs zu vergegenwärtigen, genügt ein Blick auf die Funktionsweise des Mediums der Zahl: Zahlen „nummerieren, sortieren, teilen ein, erstellen Register, Listen und Hierarchien oder verfertigen Chronologien“.15 Das Medium Zahl bringt also einen Ordnungs- und Strukturierungsaspekt mit sich. Diese „Praktik der Schematisierung, der Anordnung und Formierung“16 machen sich die Naturwissenschaften zunutze. Die Zahl erzeugt diskrete Muster mit bestimmten ‚Schrittgrößen‘ 1 – 2 – 3 – 4 und so weiter. Diese Diskretheit evoziert zudem eine Entscheidungslogik, denn beim Messen muss etwa entschieden werden, welchem Maß auf der Skala eine Messung zugeordnet wird: der 1 oder der 2? Der 1,1, oder der 1,2? Auf diese Weise ergeben sich diskrete Zahlenwerte, « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — Susanne Holschbach / Jens Schröter / Claire Zimmer / Thomas Falk): Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Band II. Frankfurt a. M. 2003, S. 384–426. Vgl. hierzu genauer Christine Hanke: Zwischen Auflösung und Fixierung. Zur Konstitution von ‚Rasse’ und ‚Geschlecht’ in der physischen Anthropologie um 1900. Bielefeld 2007, S. 153–165. 13 Gernot Böhme verweist unter Bezugnahme auf die Measurement Theory von Patrick Suppes und Joseph L. Zinnes darauf, dass der ‚Phänomenbereich’ erst einmal als „empirisches Relationalsystem” konzipiert werden muss, also als empirisch und metrisch erfassbar. Dieser als Quantifizierung beschriebene Prozess ist erst Grundlage der Metrisierung und schließlich Vermessung. Vgl. Gernot Böhme: Quantifizierung – Metrisierung. Versuch einer Unterscheidung erkenntnistheoretischer und wissenschaftstheoretischer Momente im Prozess der Bildung von quantitativen Begriffen. In: Ders.: Am Ende des Bacon'schen Zeitalters. Studien

zur Wissenschaftsentwicklung. Frankfurt am Main 1993, S. 65–81 | S. 73. 14 Zum hierzu notwendigen Prozess der Standardisierung als Grundlage des statistischen Dispositivs siehe u.a. Desrosières’ Ausführungen zur ‚Adunation‘ Frankreichs: Desrosières 2005, S. 36 – 40. 15 Dieter Mersch: Wort, Bild, Ton, Zahl. Eine Einleitung in die Medienphilosophie. In: Ders.: Kunst und Medium, Zwei Vorlesungen. Kiel 2002, S. 131–253 | S. 210. 16 Mersch 2002, S. 210.

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die nun aufgrund ihrer Äquivalenz, ihrer Zahlenförmigkeit mit beliebigen anderen Daten in Relation gesetzt werden können. Metrisch-statistische Verfahren fungieren als riesige Differenz-Erzeugungs-Maschinerie, die nicht zum Stillstand kommt und wie ein Motor naturwissenschaftliche Identifizierungsversuche immer weiter antreibt. Neben dieser Form der Mechanisierung ist der anthropologische Wille zur Erzeugung von Differenz 17 jedoch grundlegend mit einer spezifischen Perspektive verbunden, wie sich an den Debatten um die Positionierung von Schädeln exemplarisch demonstrieren lässt. Diskutiert wird, wie ein Schädel – das Körperteil, dem sich die Anthropologie vor allem zuwendet – im Raum zu positionieren sei und in welcher Ebene – in welcher ‚Horizontalen‘ – er auf diese Weise orientiert wird. In diesem Zusammenhang wird neben Argumenten zur Praktikabilität mehrfach formuliert, dass jene Schädelpositionierungen zu favorisieren seien, in denen „die größten Rassendifferenzen“ sichtbar werden.18 Für die sogenannte ‚Augen-Ohr-Ebene‘ lautet das Ergebnis schließlich: „Sie ergibt die konstantesten Resultate innerhalb einer Rasse und lässt zugleich vorhandene Rassendifferenzen am deutlichsten hervortreten.“19 Auch auf dieser Ebene wird also deutlich, dass die physisch-anthropologischen Rasterungen von Körpern als Differenz-Erzeugungs-Maschinen fungieren, die gezielt zur ‚Rassen‘-, aber auch zur ‚Geschlechts‘ -Identifizierung in Anschlag gebracht werden: In der anthropologischen Suche nach Differenz werden Körper derart zurechtgerückt, dass (überhaupt) Differenzen erscheinen – denn darauf richtet sich die wissenschaftliche Untersuchung.20 Für den deutschsprachigen Raum wurde schließlich 1877 auf der kraniometrischen Konferenz in München zur Vereinheitlichung der vielfältigen Aufstellpraktiken die ‚Ohr-Augen-Ebene‘ als Horizontallinie festgesetzt, „nach der in Zukunft alle Abbildungen von Schädeln gemacht werden sollen, um sie untereinander vergleichbar zu machen“.21 Diese Regelung wird 1884 in das kraniometrische System der „Frankfurter Verständigung“ einer Standardisierung anthropologischer Datenaufnahmen aufgenommen und kursiert seitdem als „Frankfurter Horizontale“. Doch trotz solcher Vereinheitlichungsversuche bleiben in den Verfahren der anthropologischen Praxis « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 17 Im Sinne des im Anschluss an Nietzsche formu-

20 Diese Perspektivenproblematisierung betrifft im

lierten Foucault'schen Willen zum Wissen. Vgl. Michel Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt a. M. 1983 [1976]. 18 A[dolf] Lüthy: Die vertikale Gesichtsprofilierung und das Problem der Schädelhorizontalen. Eine kritische Studie. In: Archiv für Anthropologie, 39 (= N.F. 11), 1912, S. 1–87 | S. 65. 19 Lüthy 1912, S. 24. Gleiches gilt auch für die zu berücksichtigenden Maße: So werden zum Beispiel bestimmte Geschichtswinkel für „rassendiagnostische Zwecke” für wertvoller erachtet als andere. Vgl. Lüthy 1912, S. 53.

Übrigen auch die Aufstellung und Präsentation von Schädeln von der anthropologischen Identifizierung bis hinein in die anthropologischen und prähistorischen Sammlungen und Museen, damit aber auch ihre Positionierung für die anthropologische Vermessung, Beschreibung und Visualisierung. 21 Lüthy 1912, S. 15.

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Heterogenitäten, keine der Horizontalen setzt sich als selbstverständlich durch oder erlangt umfassend Evidenz. Noch 1912 formuliert Lüthy: „[U]nd heute noch weiß der Anthropologe nicht mit Sicherheit, welchem Messverfahren er bei seinen Untersuchungen den Vorzug geben soll.“22 Visualisierung

Die physische Anthropologie ist eng verbunden mit verschiedenen Visualisierungsverfahren, ja, sie wird ganz grundsätzlich im Feld des Sehens verortet, wie an zahlreichen Formulierungen deutlich wird, in denen die „exakte Forschung“ beschworen wird, sie solle „Licht“ und „Aufklärung ins Dunkel“ bringen.23 Auf diese Weise situiert sich die physische Anthropologie in der abendländischen metaphysischen Tradition der Bevorzugung des Blicks als Erkenntnissinn.24 Angesichts dieses Sichtbarkeitspostulats richtet sich das anthropologische Bestreben darauf, ‚anschauliche‘ Ergebnisse zu produzieren und die postulierten Sichtbarkeiten selbst herzustellen und zu veranschaulichen. Dabei geht es nicht einfach um Abbildung oder Repräsentation, sondern um die Sichtbarmachung von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ und damit immer auch um die eigenständige Produktivität und Performanz von anthropologischen Bildern, die spezifische Effekte der Evidenz hervorbringen. Es werden also nicht einfach Dinge sichtbar, die bereits existieren, sondern sie werden erst ins Licht und damit in die Sichtbarkeit gehoben. Visualisieren heißt also, dass das Visualisierte im Visualisierungsprozess erst hervorgebracht wird. Vor diesem Hintergrund können die Visualisierungen der physischen Anthropologie als bildgebende Verfahren verstanden werden. Visualisierungen machen Objekte transportabel und archivierbar.25 So werden sie zu eigenständigen Arbeitsobjekten, an denen Identifizierungen vorgenommen, wiederholt und überprüft werden können. Die anthropologischen Visualisierungen können die ‚Originalobjekte‘ ersetzen und werden auf diese Weise selbst zu Präparaten.26 Im Archiv für Anthropologie finden sich ganz unterschiedliche Weisen der anthropologischen Sichtbarmachung: Am Übergang von Schrift und Zahl zur Grafik situieren sich Tabellen, Häufungsschemata und Kurven. Tabellen präsentieren ge« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 22 Lüthy 1912, S. 16. 23 Vgl. z.B. Wilhelm Volz: Beiträge zur Anthropologie

der Südsee. In: Archiv für Anthropologie, 23, 1895, S. 67–169, | S. 145, 147. 24 Vgl. zur historischen Durchsetzung des Blicks in den Naturwissenschaften Werner Kutschmann: Der Naturwissenschaftler und sein Körper. Die Rolle der ‚inneren Natur’ in der experimentellen Naturwissenschaft der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1986. Vgl. zur Bervorzugung des Blicksinns gegenüber anderen Sinnen, wie etwa dem Tasten Dieter Mersch: Dialoge. Taktilität und Entgrenzung. In: Christine Hanke / Regina Nössler (Hrsg.): Konkursbuch 41: Haut. Tübingen 2003, S. 233–239.

25 Vgl. auch Bruno Latour: Visualization and Cogniti-

on. ‚Thinking with Eyes and Hands‘. In: Michael Lynch / Steve Woolgar (Hrsg.): Representation in Scientific Practice. Cambridge, Mass. 1990, S. 19–68. 26 Zur Konzeption des naturwissenschaftlichen Präparats. Vgl. Hans-Jörg Rheinberger: Objekt und Repräsentation. In: Bettina Heintz / Jörg Huber (Hrsg.): Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und virtuellen Welten. Zürich 2001, S. 55–61.

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rasterte (individuelle und kollektive) Körper, Häufungsschemata und an der Gaußkurve orientierte Kurven visualisieren Daten und produzieren Bereiche der Normalität und der Abweichung des ‚Geschlechts‘ und der ‚Rasse‘. Fotografien, denen eine Spur des Authentischen, Unmittelbaren anhaftet, folgen kriminalanthropologischen Identifizierungsstrategien oder stellen ihre Objekte in Posen der Schönheit aus. Diverse Apparate projizieren Körper als Umrisse, die dann wiederum vermessen und morphologisch verglichen werden können. Vereinzelt tauchen Röntgenaufnahmen auf, die den Blick durch den lebenden Körper hindurch auf dessen Knochen ermöglichen, doch muss ihre Entzifferung erst gelernt werden. Visualisierungen geben immer auch anderes zu sehen, als der Text postuliert, was in theoretischer Hinsicht in der Mediendifferenz zwischen Schrift und Bild begründet liegt: Weder geht der Text einfach im Bild auf noch geht die Visualisierung im Text auf.27 Beide sind nicht eins zu eins ineinander überführ- oder übersetzbar. In den folgenden Ausführungen soll diese Mediendifferenz berücksichtigt und im Hinblick auf die Visualisierungen jeweils analysiert werden, was diese denn zu sehen geben. An den Visualisierungen lassen sich die Rasterungen der Anthropologie gut beobachten und demonstrieren. Deutlich werden dabei die spezifischen Effekte solcher Rasterungen, und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Macht- und Evidenzeffekte als auch in Bezug auf die internen Ambivalenzen und Brüchigkeiten dieser Wissensproduktion. Aus den verschiedenen Formen anthropologischer Visualisierungen sollen im Folgenden daher drei Sichtbarmachungen herausgegriffen werden: 1. Visualisierungen von Daten in Tabellen, Kurven, Häufungsschemata, 2. Schädelumrisse und 3. plastische Rekonstruktionen. Das Referenzmaterial dieser Analysen beziehe ich aus dem Organ der „Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“, dem Archiv für Anthropologie im Zeitraum von 1890 bis 1915. In dieser Fachzeitschrift, die sich als äußerst heterogenes Konglomerat unterschiedlichster Gegenstands- und Wissensbereiche darstellt, kreuzen sich anthropologischer, ethnologischer, archäologischer und prähistorischer Diskurs, wobei es primär um die Bestimmung ‚rassischer‘ Differenzen geht.28 Datenvisualisierungen: Tabellen, Häufungsschemata, Kurven

Im Archiv für Anthropologie wird das unter anderem von Anthropologen, Ethnologen, Medizinern, Missionaren gesammelte Zahlenmaterial von lebenden und toten (oft « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 27 Aus medienphilosophischer Perspektive vgl. hierzu

Mersch 2002.

28 Vgl. hierzu ausführlich Hanke 2007.

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prähistorischen) Körpern in umfangreichen Tabellen präsentiert und gleichzeitig für die Auswertung verfügbar gemacht – daher verstehe ich Tabellen als ‚Prä-ComputerDatenbanken‘, als Datenbanken vor der Zeit des Computers. Das Format Tabelle stellt – wie ein Archiv – ein Ordnungssystem bereit: Die Daten werden nach vermessenen Individuen und nach Messgrößen angeordnet. Ihre Ordnungsstruktur von Zeilen und Spalten ermöglicht horizontale und vertikale Lektüre und Vergleiche.29 Auch können die Zeilen und Spalten nach den verschiedensten Aspekten und Richtungen flexibel umgestellt werden. Tabellen ordnen die erhobenen Daten entlang zweier Koordinaten sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung. Sie projizieren die Messdaten auf einer zweidimensionalen Fläche und können als mediale Hybride zwischen Bild/ Graphik und Zahl/Schrift verstanden werden: Tabellen sind in Linien und Spalten lesbar, die Ziffern sind in diskreten Schritten abzählbar, sie spannen eine Fläche in einem Koordinatennetz zwischen x- und y-Achse auf, das (Daten-)Feld ist nach Wiederholung und Differenz strukturiert.30 Außerdem tritt in Tabellen bemerkenswerterweise die Rasterung selbst vor Augen: Die Rasterung – hier von Körpern in der anthropologischen Identifizierungspraxis – wird in Tabellen selbst (mit-)visualisiert. Die Medialität der Tabelle tritt selbst ins Bild, sie zeigt sich. (* 01) « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 29 Zum Format der Tabelle vgl. auch Felix Keller: Die

30 Zum Verhältnis des Mediums Zahl zwischen

Evidenz der Gesellschaft. Die Genealogie visueller Objekte im American Journal of Sociology. In: Michael Cuntz / Barbara Nitsche / Isabell Otto / Marc Spaniol (Hrsg.): Die Listen der Evidenz. Köln 2006, S. 203–222 | S. 208.

Wiederholung und Differenz. Vgl. Dieter Mersch: Die Geburt der Mathematik aus der Struktur der Schrift. In: Gernot Grube / Werner Kogge / Sybille Krämer (Hrsg.): Schrift. Kulturtechnik zwischen Auge, Hand und Maschine. München 2005, S. 211–233.

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Anhand des angesammelten, tabellarisch angeordneten Zahlenmaterials wird nun die metrisch-statistische Identifizierung von ‚Rassen‘ vorgenommen. Die Eigenlogik statistischer Verfahren kann wie folgt charakterisiert werden: Statistik ist ein Verfahren zur Auswertung von großen – archivierten – Datenmengen. Ihr Geltungsanspruch als objektive naturwissenschaftliche Methode hängt eng mit ihrem Modus der Nachträglichkeit zusammen: Der deutsche Normalismus-Forscher Jürgen Link weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ‚Typen‘ nun nicht mehr normativ vorausgesetzt, sondern normalistisch erst hergestellt werden.31 Statt aus einer Gruppe von Phänomenen nur diejenigen zu vermessen, die vorab schon repräsentativ, ‚ideal‘ oder ‚typisch‘ erscheinen, werden im metrisch-statistischen Zugang Daten an repräsentativen bzw. möglichst großen oder zufälligen Stichproben erhoben. Statistik zeichnet sich des Weiteren dadurch aus, dass aus einzelnen, individuellen Daten kollektive Daten ermittelt werden, es geht um die Identifikation von ‚Typen‘, ‚Typischem‘, ‚Normalem‘. Der Fokus metrisch-statistischer Verfahren in der physischen Anthropologie etwa richtet sich auf das ‚Typische‘, das ‚Normale‘ Maß von ‚Rassen‘ und ‚Geschlechtern‘, das aus den Einzeldaten von Messungen an Individuen gewonnen wird. Diese Form der Identifizierung abstrahiert und generalisiert also vom Einzelnen – sie ‚aggregiert‘ aus den Daten Einzelner neue Gegenstände.32 Statistik tut dies, indem sie Datenhäufungen anvisiert, also jene Bereiche der Messskala, in denen sich die meisten gemessenen Maße befinden. Aus solchen Datenhäufungen ermittelt sie die ‚typischen‘ bzw. ‚normalen‘ Maße. Die statistische Bearbeitung erscheint (nicht nur) in der Anthropologie als Verfahren, das die „Eigenschaften des [Daten-]Aggregats veranschaulicht“, das einen „Überblick“ und ein „klares Bild“ verschafft 33 – darüber hinaus werden auf diese Weise überhaupt erst die Kategorien und Gegenstände gebildet. Statistik operiert in einem Hybrid-Modus von Bild und Zahl – schon der Begriff der ‚Häufung‘ verweist auf das visuelle Register. Dazu müssen die Daten auf eine Weise angeordnet werden, dass überhaupt Häufungen entstehen, um aus diesen wiederum ‚Typen‘ zu bestimmen. Betrachten wir dies an einem Beispiel tabellarisch aufgelisteter Messdaten genauer (* 02). Die Anordnung von Daten in einem Koordinatensystem bildet die Grundlage für jede statistische Auswertung, und zwar sowohl in visueller als auch in metrischer Hinsicht. In dieser Tabelle werden die Messdaten nach den Schritten der Messskala umgeordnet – um darzustellen, wie vielen Messungen jeweils der eine Wert zugeordnet wurde. Unter jedem Maß sind Ziffern eingetragen. Dies sind die Nummern der In« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 31 Dies hat weitreichende Konsequenzen für Subjekti-

vierungsprozesse in den modernen Gesellschaften: Im Zuge statistischer ‚Kurvenlandschaften’ geht es nämlich nicht mehr um gesellschaftliche Normen oder Verbote – vielmehr wird das Subjekt normalistisch ‚angerufen’, sich selbst im Bereich/Feld der Normalität anzusiedeln/zu verorten. Dieser Übergang hängt eng

mit der unter Bezugnahme auf Foucault und Deleuze als Transformation der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft beschriebenen Verschiebung zusammen. 32 Vgl. Desrosières 2005, S. 77–115.

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dividuen, an denen dieser Winkel gemessen wurde, genauer: denen dieser Winkel im Zuge der Messung zugewiesen wurde. Im Hinblick auf die Ordnungsstruktur der Zahl sehen wir hier ein nach zwei Dimensionen durchgerastertes Feld, das die (An-) Ordnungsstruktur für die Visualisierung bestimmt: Horizontal oben befindet sich die Messskala der sogenannten ‚Craniofacialwinkel‘. Sie ist graduell, doch diskret skandiert. Hieraus ergeben sich spezifische Effekte: Im Zuge der metrisch-statistischen Identifizierungsweisen der Anthropologie wird ‚Rasse‘ als graduelle Kategorie hervorgebracht: Die Differenzen sind nicht mehr qualitativ, sondern quantitativ und diskret. Damit aber verschwimmen im physisch-anthropologischen Diskurs paradoxerweise klare Umgrenzungen der ‚Rassen‘ und die Grenz-/Randbereiche der Kategorien werden unerwartet zu Räumen des Übergangs und der Hinneigung. Übergänge zwischen den ‚Rassen‘, aber auch zwischen den ‚Geschlechtern‘ sind nicht nur möglich, sondern konstitutiver Bestandteil anthropologischer metrischer Klassifizierungen. Im Hinblick auf die Ikonizität der Tabelle könnte man hier Gottfried Böhmes Konzeption der „ikonischen Differenz“ ins Spiel bringen.34 Auf einer Fläche sind Ziffern (und einige wenige Buchstaben) verteilt. Durch dieses eher undurchschaubare Zifferngemenge ist eine vertikale und horizontale Struktur zu erkennen. Schemenhaft hebt sich eine Gestalt ab: eine Häufung/Dichte von Ziffern. Aus dem Unbestimmten des Zahlenfeldes schält sich eine Ausbuchtung mit merkwürdiger Binnenstruktur heraus. Die anthropologische Betrachtung und Lektüre entnimmt aus dieser Tabelle, die nach dem Prinzip « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 33 Jan Czekanowski: Untersuchungen über das

34 Gottfried Boehm: Die Wiederkehr der Bilder.

Verhältnis der Kopfmaße zu den Schädelmaßen. In: Archiv für Anthropologie, 34 (= N.F. 6), 1907, S. 42–89 | S. 47 (Hervorhebung C.H.).

In: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 11–38.

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— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 03 — — Gestapelte Kurvenvorform — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

des erst später populär gewordenen Stabdiagramms funktioniert, eine Häufung der Messdaten im Winkelspektrum zwischen 86° und 92°. Daraus wird geschlossen, dass der normale ‚Craniofacialwinkel‘ der vermessenen Schädelgruppe irgendwo zwischen diesen Werten liegt. Die Wahrnehmung dieser Messwerthäufung geschieht aus dem Zusammenspiel von Zahl (Ordnung, Ablesbarkeit) und Bild (Dichte, Gestalt). An diesem Beispiel ist der fließende Übergang von Tabelle zu Graph/Kurve gut zu sehen: Auch wenn sich solch eine Anordnung als Tabelle ausgibt, ist sie bereits auf dem besten Weg zur Kurve: Wie in einer Tabelle sind die numerisch individualisierten Körper mit den entsprechenden Maßen jeweils noch ablesbar, doch zeichnet sich visuell die Kurve bereits ab: Hier wird der von Hans-Jörg Rheinberger konstatierte „fließende Übergang“ von graphischen Darstellungen zu Schrift und Formel deutlich.35 Systematisch und historisch stellt sich mir der Weg allerdings in umgekehrter Reihenfolge dar: von der Schrift/Zahl hin zur graphischen Darstellung. Sichtbar werden hier ‚hügelige‘ Verteilungslandschaften mit ‚Bergen‘ und ‚Tälern‘. Visuell funktionieren solche Tabellen wie Kurven ohne Kurvenlinie: Eine gedachte Umrisslinie entlang der jeweils untersten Einträge in dieser Tabelle ergibt eine Kurve, die einer auf den Kopf gestellten Gaußkurve ähnelt. (* 03) Idealtypisch verkörpert – oder besser: verbildlicht – wird dieses Verfahren der Häufung durch die Gauß’sche Glockenkurve bzw. Normalverteilung: Der ‚Bauch‘ der Kurve zeigt dabei das Feld des ‚Typischen‘/‚Normalen‘ – mittels solcher Felder « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 35 Rheinberger 2001, S. 58.

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126 127 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — * 04 — — Übereinandergelegte Gaußkurven — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

werden in der Anthropologie um 1900 die Maße ‚rassischer‘ und ‚geschlechtlicher Typen‘ identifiziert. Anthropologische Kurven – und ihr Sinnbild der Gaußkurve – visualisieren Häufungsverteilungen, in denen Bereiche starker Häufung und Bereiche der Häufungsabnahme sichtbar werden. An ihnen sollen auf den ersten Blick Gruppen identifiziert werden. Doch wo genau die Randbereiche der Kategorien liegen, wo die Abweichung und das Außerhalb des ‚Typischen‘/‚Normalen‘ beginnen, bleibt in dieser Datenbearbeitungs- und Visualisierungsform – wie auch in ihren Vorformen und Varianten – arbiträr. Dies ist einer der (unerwünschten) Effekte solch statistischer Datenauswertungen. Hier wird ein spezifischer Effekt von Rasterungen im statistischen Modus sichtbar: Statistische Rasterungen erzeugen gerade keine klar umrissenen bzw. abgrenzbaren Kategorien; vielmehr wird die Kategorienbildung hier grundlegend unterlaufen, es schleicht sich eine konstitutive Unbestimmtheit ein. Dieses Phänomen lässt sich durch die physische Anthropologie durchgehend beobachten. In den Unterscheidungen und Abgrenzungen der Kategorien wird dies als erstes deutlich: Stanislaw Poniatowski entwirft in einem methodologischen Beitrag zur Anwendung von Statistik in der Anthropologie die Unterscheidbarkeit zweier ‚Rassen‘ durch das Ineinanderlegen ihrer Datenverteilungskurven: „Wenn wir zwei Gruppen A und B durch die Gaußschen Kurven charakterisieren […], so ist es klar, dass der Rassenunterschied zwischen diesen Gruppen um so größer erscheint, je kleiner das gemeinsame Feld F ist“.36 (* 04) Bemerkenswert ist hieran zum einen der Erhalt der augenscheinlichen ‚Rassen‘-Identifizierung durch eine Verlagerung von der direkten Anschauung der Körper hin zur Anschauung der Datenhäufungen. Mit ihrem Feld der Überschneidung weist die Visualisierung zum anderen gerade auf die Überlappungen der Kategorien hin und damit auf das Problem ihrer gegenseitigen Abgrenzbarkeit. « — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 36 Vgl. Stanislaw Poniatowski: Über den Einfluß der

Beobachtungsfehler auf die anthropologischen Indices. In: Archiv für Anthropologie, 38 (= N.F. 10), 1911, S. 249-279 | S. 273 f.

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 05 Häufungsschema — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Kurven und Stab- bzw. Balkendiagramme ermitteln die Häufung einzelner Maße oder Indizes. Einem Verfahren zur Häufung zweier Maße begegnen wir unter anderem bei Wilhelm Volz. Die von ihm eingesetzten ‚Häufungsschemata‘ bestehen im Grunde aus zwei im 90°-Winkel ineinander projizierten tabellarischen Kurven (* 05). Sie sollen ein „klareres Bild der Verhältnisse“ geben – im günstigsten Fall „fallen“ uns die Typen nun förmlich „in die Augen“.37 Im Beispiel von Volz werden zur ‚Klärung‘ dieser Bilder punktierte Linien eingezogen. Diese Linienform ist verblüffend: Sie dient, wie Volz formuliert, „zur Abgrenzung der im Folgenden aufgestellten Gruppen.“38 Sie macht also die Gruppen sichtbar, hebt sie aus der Häufung heraus, gleichzeitig jedoch macht die Punktierung diese Linien selbst durchlässig. Auch sind die Abgrenzungen hier nicht (ab)geschlossen, sondern sind zur linken Seite hin geöffnet. Die Rasterung nach ‚Typen‘ erscheint auf diese Weise wie ein eher vorsichtiges und provisorisches Unterfangen, so als ob sie im Zweifelsfall auch noch mal ablösbar sein sollte. An diesen Randbereichen ist außerdem das Grundprinzip statistischer Rasterung gut zu sehen und zu zeigen: Die Bestimmung der jeweiligen Häufungsgrenzen und der daraus abgeleiteten ‚Typen‘ stellt eine Setzung dar. Die Entscheidung, warum beispielsweise die zwei einzelnen Schädel der Spalte « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 37 Wilhelm Volz: Beiträge zur Anthropologie der Süd-

see. In: Archiv für Anthropologie, 23, 1895, S. 67–169 | S. 116, 117.

38 Volz 1895, S. 116, Fußnote.

128 129 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 06 Verstreuungen im Häufungsschema — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

74 nicht zu den beiden punktiert gerahmten Gruppen gezählt werden, sondern aus diesen Häufungen herausfallen, ist arbiträr und ist allenfalls begründet in statistischen Konventionen der Normalverteilung. Sichtbar wird im Zuge der Datenvisualisierung also gleichzeitig auch, dass im Rahmen statistischer Konzeptionen Kategoriengrenzen nicht qualitativ, sondern quantitativ bestimmt werden. Es findet keine klare, qualitative und absolute Grenzziehung zwischen ‚Rasse‘ bzw. ‚Geschlechtstypen‘ statt. Stattdessen wird die Identifikation von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ von den Rändern her potenziell unterlaufen. Die Statistik kann als Instrument des Sehens begriffen werden, das spezifische Unbestimmtheiten mit sich bringt: In den Datenanhäufungen sieht sie das ‚Normale‘, ‚Typische‘ Das Potenzial, das ‚Rassentümliche‘ zu sehen, wird in der metrischenmechanischen Objektivität der Anthropologie in das zwischengeschaltete Instrument der Statistik veräußert. Der anthropologische Augenschein fällt nun auf Zahlen und — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Datenanordnungen, auf die neuen Bildgebungen der Statistik. Kurven und Häufungsschemata visualisieren metrische Daten und identifizieren in den Häufungen Felder des ‚Typischen‘ – doch gleichzeitig unterlaufen sie wiederum diese Felder von den Rändern her und visualisieren deren Verstreuungen – wie an einem weiteren Häufungsschema von Volz deutlich wird, in das keine orientierenden Hilfslinien eingezogen wurden (* 06).39 Dem durch die Science Studies prominent gewordenen Konzept der boundary

objects von Susan Leigh Star und Peter Griesemer lässt sich in diesem Zusammenhang eine weitere Facette hinzuzufügen:40 Statistik bringt nämlich boundary objects in buchstäblichem Sinne hervor – im Rahmen metrisch-statistischer Objektivität bleiben die Umgrenzungen der Kategorien und damit die Kategorien selbst unbestimmt. Schädelumrisse

Neben den Kurven, die metrische Daten visualisieren, finden sich im anthropologischen Diskurs noch andere Kurvenformen, nämlich Umrisszeichnungen von Schädeln und Knochen. Solche Visualisierungen wenden sich insbesondere der Morphologie zu. Die Körperformen werden in der Anthropologie vor allem durch zweierlei Zugänge identifiziert: Im textuellen Modus wird mit Beschreibungen operiert, die sich teilweise wie Landschaftsbeschreibungen lesen, aber auch tabellenförmig mittels beschreibender Stichworte zusammengefasst werden. Durch Umrisszeichnungen und geometrische Rasterungen als visualisierende Verfahren wird auch die Erfassung der Morphologie durch Mechanisierung objektiviert. Mittels Umrisszeichnungen werden Körper auf eine Fläche projiziert und auf diese Weise transportabel gemacht. An diesen flächigen Arbeitsobjekten werden dann die weiteren Identifizierungen von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ vorgenommen. Umrisszeichnungen werden durch diverse, immerzu überarbeitete und verbesserte Apparaturen, die den Blick und den Zeichenstift anleiten – wie etwa der Diagraph, der Kraniograph oder der Lucae’sche Zeichenapparat – hergestellt.41 Diese Apparate mechanisieren die Projektion und Transformation dreidimensionaler Objekte in zweidimensionale Zeichnungen, sie stellen die Glaubwürdigkeit der so hergestellten Umrisse sicher und garantieren deren Wissenschaftlichkeit: Sie gelten als „Kurvensysteme, die sich ganz naturgemäß ergeben“.42 Da jedoch die Hand des Anthropologen meist noch mit im Spiel ist und zum Beispiel mit einem Zeiger am Schädel entlangfahren muss oder durch die « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 39 Gleichzeitig machen diese unscharfen Ränder

aber auch die Effektivität naturwissenschaftlicher Wissensproduktionen aus: flexibel können die Grenzen der Kategorien je nach Bedarf verengt oder gedehnt werden – das beschreibt Jürgen Link als Machteffekt des flexiblen Normalismus. Vgl. Jürgen Link, Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Opladen 1996. 40 Susan Leigh Star / James R. Griesemer: Institutional Ecology, „Translations”, and Boundary Objects.

Amateurs and Professionals in Berkeley’s Museum of Vertebrate Zoology, 1907-39. [1988] In: Mario Biagoli (Hrsg.): The Science Studies Reader. New York/London 1999, S. 505–524. 41 Vgl. z.B. Beschreibungen solcher Apparate unter den Lexemen „Kraniograph” und „Lucae'scher Zeichenapparat” in Meyers Großem Konversationslexikon, 6. Aufl., Leipzig/Wien 1906–1920. Auf die Funktionsweise der verschiedenen Apparate kann hier leider nicht eingegangen werde.

130 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 07a 07b 07c — — Mediandiagramme ‚Negativkinn‘, ‚Positivkinn‘, — ‚Neutralkinn‘ — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 08 — — Korrrigierte Incisionsvertikale — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Apparaturen geleitet/geführt wird, können sie – im Unterschied zur fotografisch-mechanischen Selbstaufzeichnung – als ‚halbmechanische‘ Verfahren begriffen werden. Gleichzeitig wird insbesondere im Hinblick auf solche Projektionen die Notwendigkeit einer anthropologischen Reflektion der Perspektive – die Aufstellung des Gegenstandes und der Projektionswinkel – deutlich, wie ich sie oben bereits diskutiert habe. Hergestellt werden durch solche Projektionen insbesondere Profilansichten, aber auch Basalumrisse des Schädels (Unteransichten) und Mediandiagramme der Mandibula (Querschnitte durch den Unterkieferknochen). Bei der Identifizierung dieser Umrisse spielen Linien und geometrische Rasterungen eine zentrale Rolle: Verbindungslinien — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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zwischen verschiedenen Punkten, auf Einzelpunkten konstruierte Vertikalen u.v.m. rastern die Visualisierungen. Hermann Klaatsch nutzt 1909 zum Beispiel eine für die Winkelgewinnung konstruierte Linie – die „Incisionsvertikale“ – zusätzlich zu einer morphologischen Analyse: Diese Linie macht ein Kinn sichtbar; je nachdem ob sie den im Umriss visualisierten Kinnvorsprung schneidet, unterscheidet Klaatsch ein „Positivkinn“, ein „Negativkinn“ oder ein „Neutralkinn“.43 (* 07a 07b 07c) Abhängig von der Anordnung der Linien können in solchen Visualisierungsformen jedoch ganz unterschiedliche Dinge sichtbar werden: So schlägt Ernst Frizzi 1910 eine Korrektur von Klaatschs Vertikaler vor, und zwar „derart, dass man zu dieser eine Parallele zieht, bis sie in den hintersten Rand der alveolaren Einschnürung als Tangente schneidet“ (* 08).44 Dieser Eingriff Frizzis besteht in einer Verschiebung der von Klaatsch gezogenen Vertikalen – eine Korrektur, die den Eindruck, den das jeweilige Kinn macht, radikal verändert: „Auf diese Weise verlängere ich die ‚Positiv‘-Kinne noch um ein beträchtliches, ich mache aus einem ‚Neutral’-Kinn ein Positivkinn, ja selbst ‚Negativ’-Kinne, wie Klaatsch (1909) diese Formen bezeichnet hat, werden zumeist in Unterkiefer mit einem wirklich vorspringenden Kinn umgewandelt werden können, sobald ich meine Korrekturvertikale konstruiert habe.“ 45 Diese Manipulation wird im Dienste der anthropologischen Wahrheit vorgenommen, es geht Frizzi um die Frage, ob die Kinne, die er zuvor durch Tasten identifiziert hatte,46 in der Zeichnung überhaupt bzw. „richtig zum Ausdruck kommen“.47 Die Rasterung der (mechanisierten) Visualisierung bringt also nicht etwa von selbst den richtigen Ausdruck des Körpers hervor, sondern muss durch Korrekturen zumindest soweit verändert werden, dass auf die Frage nach dem Kinn „genügend Bescheid gegeben“ wird – 48 eine Formulierung, welche ein weiteres Mal auf den Willen zur Differenz hindeutet: Erst die Verschiebung einer Linie bringt „den wahren Kinnvorsprung zur Darstellung“.49 Ein Kinn wird in einer Umrisslinie also nicht einfach von selbst sichtbar, sondern wird durch die Rasterung mittels der Visualisierung hinzugefügter Linien erst sichtbar gemacht – von deren Anordnung ist dann abhängig, ob etwas überhaupt als Kinn sichtbar wird oder nicht. Deutlich wird hier die Performativität, aber auch die Flexibilität solcher Rasterungen: Andere Linien geben anderes zu sehen und bringen auf diese Weise andere Wahrheiten hervor. « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 42 Hermann Klaatsch: Kraniomorphologie und Krani-

46 Vgl. Frizzi 1910, S. 258. Dem Tastsinn als Identi-

otrigonometrie. In: Archiv für Anthropologie, 36 (= N.F. 8), 1909, S. 101–123 | S. 104. 43 Klaatsch 1909, S. 108. 44 Ernst Frizzi: Untersuchungen am menschlichen Unterkiefer mit spezieller Berücksichtigung der Regio mentalis. In: Archiv für Anthropologie, 37 (= N.F. 9), 1910, S. 252–286 | S. 261. 45 Frizzi 1910, S. 261.

fizierungsinstrument begegnet man – angesichts des Primats des Blicks und der Sichtbarkeit – im Archiv für Anthropologie äußerst selten. 47 Frizzi 1910, S. 261. 48 Frizzi 1910, S. 261. 49 Frizzi 1910, S. 261.

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An Frizzis Korrektur wird Symptomatisches für die Produktivität und die performativen Effekte anthropologischer Visualisierungen deutlich – auch wenn bei ihm das zu visualisierende Wissen der Visualisierung zu einem gewissen Grad vorausgeht:50 Frizzis Korrektur erscheint gerade nicht als Manipulation, sondern als wissenschaftlich akzeptiertes Mittel, das ‚Richtige‘ sichtbar zu machen.51 Je nach Darstellungsform wird Anderes sichtbar und damit existent/evident gemacht.52 Und so ist es vielleicht kein Wunder, dass die Visualisierungen Klaatschs und Frizzis auch mit unterschiedlichen anthropologischen Diskurspositionen verbunden sind: Klaatsch unternimmt eine relativ strikte Fragmentierung der Unterkiefermorphologie in ‚Positivkinn‘ und ‚Negativkinn‘ (‚Kinn‘ oder ‚Nicht-Kinn‘), um dann das Erstgenannte den ‚Europäern‘ und das Zweitgenannte den ‚niederen‘ und ‚früheren Rassen‘ zuzuschreiben. Zwar deuten die Kategorie des ‚Neutralkinns‘ und die am Rande erwähnten Übergangsformen (von beiden ‚Extremformen‘ in Richtung dieser Zwischenform) auch auf Übergänge und flexible Grenzziehungen hin, doch erscheint hier die Differenz zwischen ‚Positiv-‘ und ‚Negativkinn‘ und damit zwischen ‚Europäer‘ und ‚Australier‘ – als ‚Prototyp‘ der ‚niederen Rassen‘ – relativ groß. Frizzi dagegen wandelt mittels seiner Korrekturvertikalen alle Kinne zu ‚Positivkinnen‘ um und unterwandert damit die fast dichotomische Konzeption Klaatschs.53 Diese Umarbeitung von Klaatschs Zeichnungen geht damit einher, dass Frizzi – was das Kinn angeht – ausschließlich individuelle Variationen zugeben will, nicht aber ‚rassisch‘ eindeutig zuzuordnende Kinnformen. Die Vertikalen-Verschiebung Frizzis verschiebt also auch die Sichtbarkeit von Differenz: Was vorher noch als grundlegende Differenz erschien (‚Positivkinn‘ und ‚Negativkinn‘), gruppiert sich nun zusammen, denn bei allen Schädeln wird ein Kinn sichtbar. Während in Klaatschs Liniengebung also eher große und systematische Differenzen erzeugt werden, scheint Frizzi diesem Diktum zu entgehen. Obwohl es sich also bei den Umrisszeichnungen um halbmechanische Gebilde handelt – aus der Mechanisierung gewinnen sie ihren objektiven Charakter –, wird auch hier deutlich, dass ihnen Perspektivität eingeschrieben ist, denn sie können mannigfaltig modelliert und korrigiert werden. Doch geschieht all das, ohne dass sie in einen Verdacht von Willkürlichkeit abgleiten und somit ihren objektiven Charakter gefährden. « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 50 Er hatte vor der Kurvenzeichnung Kinne bereits

durch Tasten identifiziert. 51 Solche Linienverschiebungen sind durchaus verbreitet: Falkenburger z.B. korrigiert mit einer anderen Rekonstruktion Klaatsch und erntet dafür dessen Beifall: Eine zeichnerische Schädelrekonstruktion des Neandertalers von Klaatsch wird „durch Verlegungeinzelner Punkte der Rekonstruktion” in Einklang mit geltenden Werten gebracht. (Fritz Falkenburger, „Diagraphische Untersuchungen an normalen und

deformierten Rassenschädeln.” In: Archiv für Anthropologie, 40 (= N.F. 12), 1913, S. 81–95 | S. 94.) 52 Die physische Anthropologie scheint sich der Performativität ihrer Visualisierungen in dieser Hinsicht durchaus im Klaren zu sein. 53 Mittels seiner Vertikalenverschiebung entfernt er auf diese Weise auch zwei Australier-Mandibulavisuell stärker von einem prähistorischen Unterkiefer als Klaatsch.

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Plastische Rekonstruktionen

Abschließend möchte ich noch auf eine weitere anthropologische Identifizierungsweise eingehen, welche sich aufgrund des Sichtbarkeitspostulats der Anthropologie auf eine Veranschaulichung von ‚Rassen‘ und ‚Geschlecht‘ richtet: die plastische Rekonstruktion von Schädeln. Gesichts- und Kopfrekonstruktionen auf Schädeln stehen im Kontext diverser Bemühungen um die Identifikation von Schädeln berühmter Persönlichkeiten. Die erste als wissenschaftlich geltende Rekonstruktion eines prähistorischen Schädels wird 1898 durch den Anatomen Julius Kollmann und den Bildhauer Büchly vorgenommen. Ausdrücklich formulieren Kollmann / Büchly das Sichtbarkeits-Axiom des physisch-anthropologischen Diskurses, nämlich dass wir „in das Gesicht sehen […], um die Menschenrassen und ihre Varietäten zu unterscheiden“.54 Kollmann und Büchly treten nun an, „mit wissenschaftlichen Methoden […] das Angesicht der Rassen uns vor Augen zu führen“.55 Impliziert wird, dass man dann vor dieses (re)konstruierte anschauliche Modell – das so erst erstandene „Portrait der Rasse“56 – treten und den ‚Rassetypus‘ selbst ‚in Augenschein nehmen kann‘. Anders als die identifizierenden Vergleiche von Künstlerschädeln wird in dieser Form der Rekonstruktion betont, dass nicht individuelle Züge plastisch rekonstruiert werden, sondern nur ‚rassische‘ und ‚geschlechtliche‘. Ausgehend von diesem Ansatz findet im Archiv für Anthropologie eine Diskussion um den mimetischen Abbildstatus von Schädelrekonstruktionen statt, auf die ich anhand zweier auf Kollmann / Büchly folgende Beiträge57 eingehen werde. Die Rekonstruktion von Kollmann / Büchly situiert sich in einem Zusammenspiel von Wissenschaft, Kunst und Handwerk: Der Künstler gestaltet den Schädel nach Maßgabe wissenschaftlicher Daten der Fleischdicke. Jan Czekanowski spricht 1907 in diesem Zusammenhang von einem „Spielraum“ für die subjektiven Momente des Rekonstrukteurs, der „durch die Präzisierung der [metrischen Angaben] eingeengt“ werden könne.58 Verortet scheint die Schädelrekonstruktion also in einem Spannungsfeld metrisch-objektiver Anleitung und subjektiv-gestaltender Elemente. Dass Czekanowski hier nur von einer „Einengung des Spielraumes“ spricht, scheint eine Anerkennung dessen zu sein, dass bei aller Objektivierung solcher Visualisierungen eine vollständige Schließung eines künstlerischen und/oder subjektiven Raumes nicht gelingen kann. Doch erscheint die Rekonstruktion bei Kollmann / Büchly relativ unproblematisch « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 54 J[ulius] Kollmann / W. Büchly: Die Persistenz der

Rassen und die Reconstruction der Physiognomie prähistorischer Schädel. In: Archiv für Anthropologie, 25, 1898, S. 329-359 | S. 329.

55 Kollmann/Büchly 1898, S. 329. 56 Kollmann/Büchly 1898, S. 329. 57 Fr[iedrich] Merkel: Reconstruction der Büste eines

Bewohners des Leinegaues. In: Archiv für Anthropologie, 26, 1900, S. 449– 457 und H[einrich] v. Eggeling: Die Leistungsfähigkeit physiognomischer Rekonstruktionsversuche auf Grundlage des Schädels. In: Archiv für Anthropologie, 40 (= N.F. 12), 1913, S. 44–47. 58 Czekanowski 1907, S. 77.

134 135 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — * 09 Rekonstruktion und ‚echter — — — — Neuholländer-Kopf’ — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

und geglückt – auch wenn kurz eine Befürchtung auftaucht, die Erscheinung der Rekonstruktion könne beeinträchtigt werden.59 Demgegenüber geraten bei Friedrich Merkels Rekonstruktion eines Schädels von einem Gräberfeld in Rosdorf zwei Jahre später die mit dem gestaltbildenden Aspekt der Rekonstruktion verbundenen Unsicherheiten deutlicher an die Oberfläche des Textes. Freimütig schreibt Merkel von einem gewissen Variationsspielraum der Dicke der aufgetragenen Schichten: Es werden Unsicherheiten über Rekonstruktionen von Nasenspitze, Lippen usw. formuliert, und eine durch unterschiedlichen ‚Plastilina-‘ Auftrag ausgeglichene Asymmetrie des Schädels wird erwähnt.60 Auf diese Weise treten Bedenken offen zu Tage, „dass bei der Reconstruction doch vielleicht gar zu viel Willkürliches mit unterlaufen sei“.61 Das subjektive Moment erscheint hier als „Willkür“, die die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Rekonstruktion zu bedrohen scheint. Um diese Bedenken zu zerstreuen und zu prüfen, „ob die Reconstruction mit der Natur Aehnlichkeit gehabt hätte“62, unternimmt Merkel eine Probe auf das Exempel“ an einem weiteren Schädel63 : Er lässt den „[f]ür die künstlerische Ausgestaltung“64 zuständigen Bildhauer Eichler eine Rekonstruktion auf dem Schädel eines „Neuholländers“65 anfertigen, ohne ihm dessen Herkunft oder irgendwelche anderen Daten mitzuteilen. Daraufhin wird diese Rekonstruktion einem visuellen Vergleich mit dem Kopf einer lebenden „Neuholländerin“ unterzogen – und zwar anhand eines (weiteren) Medienwechsels in die Fotografie. Der rekonstruierte Schädel wird wie jener auf der Vergleichs-Fotografie visualisierte « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 59 Vgl. hierzu meine ausführlichere Diskussionen

von Kollmanns Rekonstruktion: Christine Hanke Rasterungen der physischen Anthropologie. In: Elisabeth Strowick / Tanja Nusser (Hrsg.): Rasterfahndungen. Darstellungstechniken – Normierungsverfahren – Wahrnehmungskonstitution. Bielefeld 2003, S. 55–74 und in Hanke 2007, S. 239–246. 60 Vgl. Merkel 1900, S. 453 f.

Merkel 1900, S. 455. Merkel 1900, S. 455 f. Merkel 1900, S. 455. Merkel 1900, S. 451. Dieser habe „oberflächliche[.] Ähnlichkeit” mit dem rekonstruierten Rosdorfer Schädel, „die vielleicht bei meinem ungeübten künstlerischen Mitarbeiter einen Argwohn zerstreuen konnte.” Merkel 1900, S. 456. 61 62 63 64 65

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„echte Neuholländerkopf“ „in ähnliche Anordnung und Stellung gebracht“– vor allem wird ihm ein Tuch um den Kopf drapiert –, und dann wird er ebenfalls fotografiert.66 Beide Fotografien werden in der Publikation nebeneinander gesetzt (* 09) und Merkel formuliert: „Ich meine, die Uebereinstimmung ist eine so grosse, dass eine Besprechung des Resultates unnötig ist.“67 Den in beiden Fällen als mechanisch-objektiv und darum mimetisch-abbildend geltenden Fotografien wird im Hinblick auf den Vergleich und die Identifizierung der beiden Köpfe die alleinige Autorität zugesprochen. Ganz unbekümmert scheint Merkel ob der ebenfalls mitvisualisierten Unterschiede: Schließlich ziehen auch der Schädelhalter, die unterschiedlichen Färbungen oder das unbeholfen um den rekonstruierten Schädel geschlungene und verknotete Handtuch die Aufmerksamkeit auf sich. In diesem visuellen Vergleich, dem ein schriftlicher Kommentar so gut wie vorenthalten wird, tritt das Sichtbarkeitspostulat und die Visualisierungsmacht des anthropologischen Diskurses ganz deutlich zu Tage: Erwünscht ist ein physiognomischer Vergleich beider Gesichter, der ausschließlich auf dem anthropologisch gebildeten Augenschein basiert, aber auch anschlussfähig an alltägliche Sehweisen zu sein verspricht – ähnlich dem Motto Kollmanns, dass wir „in das Gesicht sehen [...], um die Menschenrassen und ihre Varietäten zu unterscheiden“.68 Durch diesen ‚geglückten‘ Test scheinen nun die befürchtete Subjektivität und gestalterische Willkür ausgeschaltet, denn „[d]a die Physiognomik eines Neuholländers von der eines Europäers himmelweit verschieden ist, so musste bei einer unbewusst subjectiven Ausführung der Reconstruction ein durchaus fehlerhaftes Resultat entstehen.“69 Da dies hier aber nicht passiert sei, fällt Merkels Fazit der ganzen Probe außerordentlich optimistisch aus: „Meine Bedenken in Betreff der [vorher rekonstruierten] Büste des Rosdorfers wurden durch das gemachte Experiment ausserordentlich gemildert, und ich bin der Meinung, dass Reconstructionen, wie die von Kollmann und mir versuchten, doch nicht allzu weit von dem Grundtypus, welchen der reconstruirte Kopf im Leben zeigt, abweichen dürfen.“70 In diesem Ausschalten von Subjektivität, das allerdings nicht durch einen metrisch-objektiven, sondern gerade durch einen augenscheinlichen physiognomischen Vergleich der Fotografien vorgenommen wurde, wird deutlich, wie im anthropologischen Diskurs der mechanisch-objektive Zugang (der Subjektivität eigentlich ausschließen soll) und ein urteilender Zugang (der sich auf den Augenschein beruft) innerhalb eines einzigen Textes Hand in Hand gehen, ja unentwirrbar ineinander verwoben sind. Auch wenn die plastische Visualisierung „Bedenken“ beinhaltete, « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 66 Merkel 1900, S. 457. 67 Merkel 1900, S. 457. Erwähnt wird nur das State-

ment des Bildhauers, der nach kurzer Zeit erklärt habe, der Schädel gehöre keinem Europäer an.

68 Kollmann / Büchly 1898, S. 329. 69 Merkel 1900, S. 456. 70 Merkel 1900, S. 457.

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136 137 — — — — — — — » — — — — * 10a 10b — — Schädelpräparate und — -rekonstruktionen frontal — und im Profil — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

so scheinen diese durch die Inszenierung dieses kleinen Experiments also wieder in rechte Bahnen gerückt zu sein. Doch die Zweifel verstummen nicht und schon Merkels Optimismus wird nicht allerseits geteilt: Jan Czekanowski kommentiert 1907 Merkels Schluss, dass ihm „die Ähnlichkeit der beiden in der Arbeit angegebenen Bilder und infolgedessen der daraus gezogene Schluss zweifelhaft zu sein scheinen.“ 71 Im Jahre 1913 greift ein Aufsatz von Heinrich Eggeling die bei Merkel formulierte Unsicherheit auf und beschäftigt sich nun dezidiert mit der „Leistungsfähigkeit physiognomischer Rekonstruktionsversuche auf Grundlage des Schädels“.72 Eggeling führt ein von Merkel bereits vorgeschlagenes weiteres Experiment – allerdings „in etwas erweiterter Form“ – durch.73 Ausgangspunkt ist der Schädel eines dreißigjährigen Mannes, „der wenige Stunden nach seinem Tode durch Erhängen, allerdings noch in der heißen Jahreszeit, Ende August, in die Anatomie Jena eingeliefert wurde“.74 Dieser wird fotografiert, es wird eine Totenmaske abgenommen und dann wird der Schädel ‚maceriert‘, also von Fleisch und Haut befreit. Auf dem Abguss des so erhaltenen Schädels führen dann zwei Künstler – „Frau Martha Bergemann-Könitzer in Jena und Herr Prof. Gottlieb Elster, Direktor der Bildhauerabteilung der Großherzoglichen Kunstakademie in Weimar“ 75 – unabhängig voneinander zwei Rekonstruktionen durch. Diese orientieren sich an den Vorläufern His, Kollmann / Büchly und Merkel und verwenden die bei Kollmann / Büchly angegebenen Maße. Die Ergebnisse der beiden Rekonstruktionen werden auch hier wieder mittels fotografischer Visualisierungen veranschaulicht, die allerdings im Text beschreibend kommentiert werden. Auf zwei in den Text eingehängten Tafeln werden Frontal- und Profilaufnahmen der jeweils vier Präparate vergleichend nebeneinander gesetzt: (* 10a 10b) jeweils links oben der ‚macerierte‘ Schädel, rechts daneben die Rekon« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 71 Czekanowski 1907, S. 79 72 Eggeling 1913. Dabei wird auch die Gesichtsrepro-

duktion in Form von Totenmasken mit problematisiert.

73 Eggeling 1913, S. 44. 74 Eggeling 1913, S. 46. 75 Eggeling 1913, S. 44.

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struktion von Bergemann-Könitzer, links unten jene von Elster und rechts unten die Totenmaske des Erhängten. Nach einer ergänzenden Beschreibung der einzelnen Rekonstruktionen nimmt Eggeling eine Bewertung dieses augenscheinlichen Vergleichs vor. Diese fällt für anthropologische und physiognomische Rekonstruktionen – ganz entgegen der Euphorie Merkels – eher niederschmetternd aus: „Ein Vergleich der drei verschiedenen Masken en face und en profil zeigt, dass die durch Rekonstruktion erzielte Ähnlichkeit keine sehr große ist. Eine Übereinstimmung zwischen den drei Gesichtern zeigt sich nur in den gröberen Formverhältnissen, während in den feineren, eigentlich charakteristischen Zügen recht beträchtliche Unterschiede zutage treten. Namentlich wohlgelungen erscheint bezüglich der Ähnlichkeit mit der Totenmaske der zweite Rekonstruktionsversuch.“ 76 Doch wenn in diesem augenscheinlichen Vergleich die Reproduktion Elsters stärker der Totenmaske angenähert wird, ist damit noch längst nicht gesichert, dass diese das Gesicht des Lebenden besser wiedergibt, denn: „Bei der Beurteilung des Ergebnisses darf nicht vergessen werden, dass die Totenmaske die Züge des lebenden Mannes nur in sehr unvollkommener Weise wiedergibt.“ 77 Die Nähe der einen Rekonstruktion zur Totenmaske garantiert also – trotz der indexikalischen Beziehung zwischen Maske und Schädel – noch lange keine Nähe zum tatsächlichen Aussehen des Toten.78 Was als die ‚gröberen Formverhältnisse‘ begriffen werden soll, für die Eggeling eine Übereinstimmung aller drei Masken konstatiert, bleibt undeutlich. Obwohl er sich nicht explizit zur ‚Rassenfrage‘ äußert, sieht er „[t]rotz des geringen Grades der bei unseren Versuchen erzielten individuellen Ähnlichkeit [...] die Berechtigung der Versuche von Kollmann / Büchly sowie von Merkel, den Gesichtstypus auf Grund der Schädel längst verstorbener Vertreter einer Menschenrasse zu rekonstruieren“, erhärtet.79 Doch die Beunruhigung über die fehlende Ähnlichkeit einer solchen Rekonstruktion bleibt bestehen. Bei Eggeling erscheint sie verschoben auf die individuelle Gesichtsrekonstruktion zu kriminalistischen Zwecken: „Geringe Aussichten auf Erfolg bietet aber die Rekonstruktionsmethode auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse für die Zwecke der Kriminalisten. Sie kann hier nur als ein mehr nebensächliches Hilfsmittel dienen, solange nicht eine vertiefte Kenntnis [der unsicheren Gesichtspartien; C.H.] die Willkür bei der Rekonstruktion erheblich einschränkt.“ 80 « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 76 Eggeling 1913, S. 47. 77 Eggeling 1913, S. 47. Angesprochen werden

sowohl „geringe Verzerrungen” der Titenmaske, die sich „kaum vermeiden lassen”, als auch die Veränderung des „Leichenantlitz[es]” durch das Erhängen: „eine Quellung der Gesichtsweichtheile in geringem Grade”. Doch selbst die hier als ‚gering’ titulierten Veränderungen scheinen einen eher großen Effekt hervorzurufen.

78 Zur medialen Differenz von Abdruck und

Abgedrucktem. Vgl. auch Georges Didi-Huberman: Ähnlichkeit und Berührung. Archäologie, Anachronismus und Modernität des Abdrucks. Köln 1999. 79 Eggeling 1913, S. 47. 80 Eggeling 1913, S. 47.

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Mittlerweile sind solche Rekonstruktionsmethoden auf Erfolgskurs: Im Kontext aktueller kriminalistischer Untersuchungsmethoden, zu denen Schädelrekonstruktionen und wie selbstverständlich auch deren ‚rassische‘ Identifizierungen gehören, hat auch die physische Anthropologie einen anerkannten Platz eingenommen. Sowohl in diesem kriminologischen Kontext als auch in der Verbreitung solch anthropologischer Visualisierungen in der Popkultur (vor allem im Fernsehen) wird eine ungebrochen positivistische Perspektive transportiert, in der die deutlich gebrochenen, ambivalenten Identifizierungen des wissenschaftlichen Diskurses aufgehoben scheinen.81 Inwieweit in dieser Aufhebung Bedenken und Zweifel tatsächlich ausgeschaltet sind oder sich das hier beschriebene Spannungsfeld fortsetzt, müsste weiter untersucht werden. Fazit

An den anthropologischen Schädelrekonstruktionen tritt – ähnlich wie an den anderen Visualisierungen – eine Unabgeschlossenheit von Körper-Identifizierungen zu Tage. Wie Kurven und Häufungsschemata und wie Umrisszeichnungen rastert und fixiert ein solches Verfahren ‚Typen‘. Doch gleichzeitig werden diese Identifizierungen immer wieder durch Beunruhigungen, potenzielle Willkürlichkeiten und Unsicherheiten, Linienverschiebungen, Punktierungen und Provisorien bedroht und tendenziell unterlaufen. Die Identifizierung ‚rassischer‘ und ‚sexueller‘ Differenz ist vor diesem Hintergrund in einem Spannungsfeld von Fixierung und Auflösung zu situieren: ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ werden auf metrisch-statistische Weise hervorgebracht und immer wieder fixiert, doch gleichzeitig geraten die Kategorien auch immer wieder in Bewegung und entgleiten. Die Identifizierung von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ erscheint als konstitutiv unabgeschlossener Prozess, der immer wieder durchkreuzt und unterlaufen wird, der auf diese Weise aber auch weiter motiviert und in Gang gehalten wird. Statt klarer Kategorien nistet sich auf diese Weise eine grundlegende Unbestimmtheit in die durch metrisch-statistische Rasterungen erzeugten Kategorien ein, eine Unbestimmtheit, von der aus die Rasterungen gegen den Strich gelesen werden und dekonstruiert werden können.

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 81 Vgl. etwa die US-TV-Serie Bones – Die Knochen-

jägerin, in der Knochenidentifikationen und ‚holografische’ Rekonstruktionen durchweg mit Rasterungen nach ‚Rasse’ und ‚Geschlecht’ verbunden sind.

Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Bildnachweis * 01 Rasternde Tabelle Wilhelm Volz: Zur somatischen Anthropologie der Battaker in Nord-Sumatra. In: Archiv für Anthropologie, 26, 1899, S. 717–732 | S. 723.

* 02 ‚Gestapelte Kurvenvorform‘ Fritz Falkenburger: Diagraphische Untersuchungen an normalen und deformierten Rassenschädeln. In: Archiv für Anthropologie, 40 (= N.F. 12), 1913, S. 81–95 | S. 92.

* 03 ‚Gestapelte Kurvenvorform‘ Fritz Falkenburger: Diagraphische Untersuchungen an normalen und deformierten Rassenschädeln. In: Archiv für Anthropologie, 40 (= N.F. 12), 1913, S. 81–95 | S. 92, auf den Kopf gestellt.

* 04 Übereinandergelegte Gaußkurven Stanislaw Poniatowski: Über den Einfluß der Beobachtungsfehler auf die anthropologischen Indices. In: Archiv für Anthropologie, 38 (= N.F. 10), 1911, S. 249–279 | S. 274.

* 05 Häufungsschema Wilhelm Volz: Beiträge zur Anthropologie der Südsee. In: Archiv für Anthropologie, 23, 1895, S. 67–169 | S. 117.

* 06 Verstreuungen im Häufungsschema Wilhelm Volz: Beiträge zur Anthropologie der Südsee. In: Archiv für Anthropologie, 23, 1895, S. 67–169 | S. 159.

* 07a 07b 07c Mediandiagramme ‚Negativkinn‘, ‚Positivkinn‘, ‚Neutralkinn‘ Hermann Klaatsch: Kraniomorphologie und Kraniotrigonometrie. In: Archiv für Anthropologie, 36 (= N.F. 8), 1909, S. 101–123| S. 104, 105, 107.

* 08 ‚Korrrigierte Incisionsvertikale‘ (Ernst Frizzi: Untersuchungen am menschlichen Unterkiefer mit spezieller Berücksichtigung der Regio mentalis. In: Archiv für Anthropologie, 37 (= N.F. 9), 1910, S. 252–286 | S. 273) * 09 Rekonstruktion und ‚echter NeuholländerKopf‘ Fr[iedrich] Merkel: Reconstruction der Büste eines Bewohners des Leinegaues. In: Archiv für Anthropologie, 26, 1900, S. 449–457 | S. 456.

* 10a 10b Schädelpräparate und -rekonstruktionen frontal und im Profil H[einrich] v. Eggeling,: Die Leistungsfähigkeit physiognomischer Rekonstruktionsversuche auf Grundlage des Schädels. In: Archiv für Anthropologie, 40 (= N.F. 12), 1913, S. 44–47 | Tafel I-II.

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Christine Hanke. Rastern und Unbestimmtheit — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Katharina Hinsberg — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Raster : Zeichnung —

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Ein Rasterrahmen mit horizontal und vertikal gespannten Fäden und davor der Fixpunkt eines Peilstabs gelten als Übertragungsapparat zum genauen Abzeichnen. Vor eine Person gestellt, kann man diese dann am Fadenraster messen und, in Konturen, auf Papier übertragen in ein zweites, entsprechendes Raster. Mit dem Raster zwischen dem Modell und mir implantiert sich Verhältnismäßigkeit. Mein Verhältnis zwischen ihm und mir wäre dann vermittelbar. Ich sitze, zwar in anderer Position, aber, über den Peilstab schauend, ebenso fixiert wie das reglose Modell, in definierter, exakt zentralperspektivischer Flucht. Wir sind damit beide Teil der ganzen Konstruktion. (* 01) Abstrakt harkend oder schneidend, wäre das Raster wie ein Rechen, der ein Feld mustert und furcht; seiner Wortwurzel nach zieht das Rastrum Linien und ordnet damit etwas – in sich – das dem Gegenstand dann angemessenen innewohnt. Als differenzierendes Prinzip der Analyse zerlegt das Raster komplexe, unbestimmte Systeme in Parzellen (gleichermaßen die eines Beetes, Bildes, einer Landkarte oder Fahndung). Jeder Punkt kann dann bestimmt vereinzelt und einer Position oder spezifischen Kriterien zugeordnet werden. Ein Unterscheiden von ‚etwas‘ ist nur an ‚etwas anderem‘ möglich, und eine Regelmäßigkeit von Wiederholungen erlaubt den Vergleich und die Feststellung von Differenzen, vom einen zum anderen, an einer stets gleich bleibenden Größe. (* 02) Zeichenraster, zwischen einem Objekt und seinem Zeichner, seiner Zeichnerin, setzen sich selbst in jenes Verhältnis, das sie herstellen, indem sie es bemessen. Sie sind zugleich auch Fenster, durch welche Blicke von beiden Seiten passieren können, zwischen dort und hier. Maßgeblich wären diese Raster demnach nicht zu trennen von den Positionen des Sehenden und des Objektes. Schaue ich durch jenen einen Augenoder Fixpunkt auf das Modell, erscheint mir dieses bereits im Sehen flach. Beginnt die Bildhaftigkeit also schon, indem ich die Stereometrie des Blickes halbiere und ein Auge schließe? Es gibt keine Raumtiefe mehr, sondern bereits ein Blickfeld in Parzellen. Eine Bildgenese findet also irgendwie schon vor dem Zeichnen statt. Der Raum wird — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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so in eine Sichtfläche überführt, welche dann offenbar als Zeichnung nur noch auf das entsprechend gerasterte Blatt übertragen werden muss: eine Übersetzung, die sich innerhalb des ganzen Apparates ereignet, vom Auge über den Peilstab, quer durch den Raum, aus der Vertikalen in die Horizontale, von einem Raster zum anderen. Das Gitterraster, das Dispositiv, als Distanz zwischen einem Modell und mir, teilt den halbierten, einäugigen Blick noch einmal quer: das Raster im Vordergrund und das Modell im Hintergrund, und das erscheint mir gegenwärtig ferner. Oder mittelbar? Bleibt in diesen Netzen etwas hängen? Verschleiern sie den Blick? Verstellen sie ihn ein bisschen? Schränken sie ihn nicht zumindest etwas ein? Die Schnittpunkte von — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Katharina Hinsberg. Raster : Zeichnung — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Zeichengitter und Umrisslinien des Modells sind nämlich exakt die Punkte, die durch das Netz verborgen werden, welches sie erzeugt und markiert. Abzeichnen ist sowohl Einfangen als auch Verlieren. Es ist: von etwas absehen und ein so Dargestelltes ist immer auch ein Abwesendes. Ein Zeichenraster ist selbst auch Zeichnung, Zeichnung horizontaler und Zeichnung vertikaler Linien, leeren Feldern vorgestellt. Der Blick findet Bilder dazwischen, aber nicht den Widerstand einer geschlossenen Oberfläche, er geht durch das Raster und bemisst daran, was dahinter ist. Als wäre dieses Gitter jenes einer Landkarte, an dem ich Umgebung lese. Zeichenraster sind Karte und Umgebung in einem, eins, 1 : 1. Sie durchqueren einander, fixieren aber nichts. (* 03) Raster und Fadenkreuz stehen für gegensätzliche Wahrnehmungs- und Erfassungsverfahren: Wie beim Netzfang wird das Raster ausgebreitet, es sammelt und sichtet weitläufig, als musternde Methode, welche ein vielfältiges Gefüge wiederholt in den Blick nimmt, und dieses dann systemisch siebt und sortiert. Der Schussfang fokussiert dagegen den Punkt des Fadenkreuzes für den konzentrierten, einmaligen Schuss, welcher zielgerichtet darauf aus ist, umgebende Umstände auszublenden, um geradlinig visieren zu können. Nun operiert das Zeichenraster mit beidem: dem sammelnden Netz und dem konzentrierten Punkt an der Spitze des Peilstabs. Was das System aber theoretisch verspricht, ist praktisch gar nicht möglich, denn wenn ich tatsächlich mit einem Gitterraster zeichne, stelle ich fest, dass, über den Stab gepeilt, der Fokus (nämlich Fluchtpunkt) flieht, zwischen Raster, Modell und Stab. Ich sehe also stets nur eines scharf, nie alles zugleich und nie das eine am anderen. Aus dem Fokus ist das Raster plötzlich ungenau, also ganz gegensätzlich zu dem, was es eigentlich verspricht. Ich merke das meistens kaum, denn der Fokus selbst bleibt unbemerkt (unsichtbar?), so lange er sich auf etwas anderes einstellt. Im Fokus ist stets das, worauf sich mein Augenmerk richtet, nie der Fokus selbst. Wenn ich den Fokus auf das Modell hinter dem Raster richte, verschwimmt und verschwindet das Raster. Erst mit dieser Unschärfe wird der (mangelhafte) Fokus selbst in den Blick genommen. Und an diesem Mangel bemerke ich den ganzen Sehapparat, zwischen Modell und mir, als räumliches, körperliches System welches vorher nur scheinbar das Sehen eines Bildausschnitts war.

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Katharina Hinsberg — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Rasterzeichnungen —

Versuchsanweisung —

im Rahmen des —

Seminars „Raster —

und Fadenkreuz“ —

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Zeichnet auf einem karierten Papier ein Muster durch unterschiedliches Ausfüllen oder Auslassen der Rasterquadrate. 2.

Findet eine Notationsform für ein in Intervallen wiederkehrendes Ereignis und schreibt sie auf. 3.

Zeichnet auf einem quadratischen Blatt mit ‚Anschlüssen’ nach Außen. Nehmt weitere Blätter gleicher Größe, legt sie an und setzt die Zeichnung darauf fort. 4.

Verbindet auf einem quadratischen Blatt die Mittelpunkte der Ränder mit Linien. Verfahrt auf weiteren Blättern ebenso und legt die Blätter zu einem Raster zusammen. 5.

Zeichnet von Hand, Blatt füllend und nur nach Augenmaß, ein Raster von jeweils 1 cm großen Quadraten. 6. Person A

Lest die beiliegende Grafik (dreht das Blatt später um, damit es von der nachfolgenden Person nicht gesehen wird). Notiert die Grafik als Formel für die nachfolgende Person so, dass sie von dieser zeichnend rekonstruiert werden kann. Person B

Lest die beiliegende Formel (dreht das Blatt später um, damit es von der nachfolgenden Person nicht gesehen wird). Zeichnet die Formel als Grafik für die nachfolgende Person so, dass sie von dieser wieder als Formel geschrieben werden kann. Und so geht das alternierend weiter. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Katharina Hinsberg — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Personenbeschreibung —

und Phantombild —

Versuchsanweisung —

im Rahmen des —

Seminars „Raster und —

Fadenkreuz“ —

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 1. Ein Personenfoto wird A vorgelegt 2. A beschreibt die Person auf dem Foto und gibt die Beschreibung an B 3. B zeichnet nach der Beschreibung ein ‚Phantombild‘

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„Junges Mädchen im Profil (rechte Seite), ca. 16-19, schulterlange Haare, im Nacken mit einem Haargummi zusammengehalten (in Eile zusammengebunden, Haare sind verwuschelt/unordentlich), das rechte Ohr schaut (ein bisschen) raus, sie schaut ernst/ erschöpft/missmutig nach schräg unten/vor sich hin, der Oberkörper ist leicht vorgebeugt (nach rechts). Sie hat eine hohe Stirn, mit einer leichten Wölbung kurz vor den Brauen, gerade, nicht sehr lange Augenbrauen, die über dem Augenwinkel ausdünnen, lange Nase mit ausgeprägter Nasenspitze (zwischen Knubbel- und Stupsnase), Oberlippe schmal, Unterlippe voll, ausgeprägtes Kinn. Stirn, Oberlippe und Kinn bilden (unterbrochen von der Nase) eine Linie. Die Gesichtsform ist ein nach oben zeigendes, spitzes Dreieck (begrenzt von den Haaren, die vor dem Ohr nach unten/ hinten zusammen gebunden sind) und begrenzt von der unteren Wangenlinie, die leicht geschwungen ist. Der Hals schließt sich schräg nach links unten an, sie beugt sich leicht nach vorne im Oberkörper, d.h. der Kopf sitzt auf einem, von links unten nach rechts oben, diagonal aufstrebendem Hals, das Kinn ‚zeigt’ in die andere Richtung (fast rechter Winkel zum Hals). Sie trägt ein blaues T-Shirt mit V-Ausschnitt und eine Kette mit schwarzen Holzperlen, die im Nacken, zwischen T-Shirt-Rand und Hals zu sehen sind. Sie hat einen leichten Schatten unter dem Auge und ihre Mundwinkel ‚hängen’ minimal. Die Schultern hängen nach vorne, der Oberkörper ist ‚halbprofil’ nach vorne gedreht, während der Kopf im Vollprofil zur Seite schaut. Sie betrachtet etwas oder hört zu. Im Hintergrund ist ein Garten/Baum und Wiese.“ — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Katharina Hinsberg. Personenbeschreibung und Phantombild — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — #09

„Frau, ca. 40 – 45 Jahre alt. Hüftlange, dunkelbraune Haare. Die Haare sind sehr glatt und liegen eng am Kopf an, die Stirn ist frei, Mittelscheitel. Sehr schmales, ovales Gesicht mit hoher Stirn (+ hohem Haaransatz). Schmale, gleichmäßige Augenbrauen, dahinter tief liegende, dunkelbraune Augen und es sind Schatten unter den Augen. Die Augen wirken sehr groß und rund in dem schmalen Gesicht. Schmale, gerade Nase. Von der Nase gehen Lachfalten zum Mund. Auf der rechten Wange, deutlich sichtbar, ein Grübchen, links ist das Grübchen nur erahnbar. Auch der Mund ist schmal (schmale Lippen, zu einem leichten Lächeln geformt, die Lippen sind nicht geöffnet). Der Blick ist aufmerksam, leicht nach rechts geneigt, in die Kamera gerichtet, der Blick ist etwas nach oben gerichtet. Die Frau hockt mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, die Arme über den Knien verschränkt, rechts über links, daher sind die Schultern leicht hochgezogen, die rechte stärke als die linke. Das rechte Ohr ist sichtbar, das linke durch die Haare verdeckt Die ‚Lippengrübchen‘, der Bereich zwischen Nasenspitze und Oberlippe, sind deutlich zu erkennen. Insgesamt eine zierlich wirkende Frau mit aufmerksamen, wachen Augen + freundlicher Ausstrahlung.“

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„Bei der Person auf dem Foto handelt es sich um eine Frau. Sie trägt ein maisgelbes T-Shirt und sitzt auf einer sonnenbeschienenen grünen Wiese. Sie ist im Anschnitt zu sehen, etwa ab der Schulter. Ihr Oberkörper ist nach links gedreht, sie blickt, mit gedrehtem Kopf, lachend in die Kamera, wobei man ihre hellen Zähne (nur die obere Zahnreihe) sehen kann. Sie hat lange, dunkle Haare mit grauen Strähnen (Mittelscheitel), die hinter ihrem Kopf – vermutlich – locker zusammengebunden sind. Einige Strähnen scheinen sich gelöst zu haben, ihr linkes Ohr wird davon verdeckt (dicke Haare). Sie hat dunkle, nah aneinender stehende Augen und horizontale Runzeln auf der Stirn, da sie leicht nach oben in die Kamera schaut. Sie hat Augenringe und Lachfalten, ist etwa 50 Jahre alt und sonnengebräunt, besonders deshalb sieht sie etwas indianisch aus. Ihre Nase ist durchschnittlich groß mit runder Spitze, das Gesicht ist länglich oval, das Kinn rund. Auf der linken Seite sieht man deutlich ihren Wangenknochen.“

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Katharina Hinsberg. Personenbeschreibung und Phantombild — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — #07

„Männlich; ca. 35–40 Jahre alt; vermutlich europäischer Abstammung; helle Haut, keinen Bart; mittelbraune, kurze Haare; (Augenfarbe nicht erkennbar); Haare sind leicht gewellt, dicht, keine Geheimratsecken; Ohren sind ‚leicht größer‘; Ohrläppchen sind angewachsen; Markant: sehr deutliches Grübchen am Kinn, als auch prägnante Querfalte zwischen Kinn und Unterlippe; Ovale Kopfform; Augenbrauen leicht hervortretend; Augen etwas tiefer liegend, leichte Schatten um die Augen; Augenbrauen und Wimpern ebenfalls mittelbraun; Augenbrauen haben einen minimalen Knick zur Seite der Nase hin, fallen dann nach außen leicht ab; Etwas größere, rundlichere Nase, Nasenrücken prägnant, Nasenspitze gebogen und leicht nach unten weisend; Muttermal/Pigmentfleck auf der rechten Wange; kleine Warze über der linken Augenbraue; Deutlich ausgeprägte Nüstern (so heißt das, glaube ich, beim Pferd, die Längsgrübchen zwischen Nase und Mund); Schmale Oberlippe, volle Unterlippe.“

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„Person ist männlich, weiß und etwa 70-75 Jahre; Trägt eine Brille – starke Gläser (blau-grüne Augen?); hat eine Glatze mit wenig Haar im Nacken, kein ausgeprägter Nacken oder Hinterkopf; relativ großer Kopf mit großen Ohren und ausgeprägtem Doppelkinn; Flaches Profil mit großer, flacher Nase (runde Nasenspitze); ist etwas übergewichtig, fleischige Wangen, tiefe Falten von Nase zum Mundwinkel und darüber hinaus, schmale Lippen; Falten um die Augen (Lachfalten); Glatt rasiert; trägt weißes Hemd und Karojacket; Schaut nach unten, Mund offen.“

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Katharina Hinsberg. Personenbeschreibung und Phantombild — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — #01

„Person männlich, 50 Jahre, 180 cm, schlank, dunkelblonde Haare, Seitenscheitel, blass, Schnauzbart. Schmales Gesicht, schmale Augen, tiefe Augenbrauen, bekleidet mit Jeans und blau kariertem ½-Armhemd. Schwarze Socken, hellbraune Lederslipper, Uhr mit dunklem Lederarmband und rundem, weißen Ziffernblatt, sommerliche Freizeitbekleidung. Gepflegtes Erscheinungsbild, freundliches Aussehen. Auf dem Bild ist die Person in lässiger Hocke, das linke Bein aufgestellt, darauf ruht der linke Unterarm mit der Uhr. Die Person schaut in die Kamera, die Sonne scheint. Die rechte Hand könnte eine kleine Kinderhand halten, das Kind steht außerhalb des Bildausschnitts.“

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„Die Person ist bis oberhalb des Brustansatzes abgebildet, Schulter links abgeschnitten. Typ: weiblich, schmal, zart, Alter geschätzt Mitte vierzig. Gesicht- /Kopfform eiförmig – oben flacher als unten (Kinn) auslaufend. Kopfrichtung, -neigung, leicht nach rechts (von der Person auf dem Bild aus). Ohr ist rechts zu sehen, hohe Stirn – Haare zum ‚Dutt’ zurückgekämmt, mit Haarnadel und orangefarbenem Haarreif befestigt, einzelne Strähnchen (ca. 5) rechts bogenförmig wegstehend, links über dem Ohr nach hinten. Haarstärke normal bis dünn. Augenbrauenform von Nasenwurzel nach außen gleich breit, ca. 1 cm und leicht nach oben auslaufend. Augen halb geschlossen, nach unten rechts blickend. Lachfalten um die Augen. Mimik verlegen/zurückhaltend lächelnd. Gesichtsfarbe sonnengebräunt. Nasenbreite weder schmal noch breit, vorne abgerundet, nicht spitz, Nasenneigung, da frontal, nicht eindeutig. Mundform: Oberlippe schmaler als Unterlippe, zu einem leichten Lächeln leicht nach oben gebogen, die vorderen Zähne (schneide) gerade noch zu erkennen. Lippenstärke ansonsten nicht sehr dick, nicht auffallend schmal. Kinn ziemlich spitz – abgerundet zulaufend, Abflachung des Kinns so breit/lang wie Hauptlippenteil des Mundes. Kinn mit Schatten normal. Eher kurzer Hals. Kleidung: weißes Oberteil mit tiefem V-Ausschnitt. Schlüsselbein und Sehnen am Hals erkennbar. Mundfalten zwischen Nase und Wange sowie beidseitig des Mundes. Auf der linken Seite ein einheitlicher Bogen, auf der rechten Seite ein Bogen. Stück zwischen Nase und Mund eher schmal.“

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Andrea Sick — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Datenflut und —

Realitätseffekt —

Zur paradoxen —

Geschichte der —

Überwachungskultur —

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Mit der wachsenden Beliebtheit von Diensten wie YouTube, Flickr, Google Maps und Google Earth, aber auch von Communitysites wie StudiVZ, Facebook, Xing und MySpace sowie Wikis, Pods- und Videocasts nimmt die Datenflut im Internet von Tag zu Tag zu. Laut aktuellen Angaben der Netzbetreiber verdoppelt sich das Datenvolumen im Internet alle zwölf Monate. Hinzu kommen Satelliten, Sensoren, Funkchips und Überwachungskameras, sie alle sammeln Daten von der Umwelt, Kriegsschauplätzen, Kaufvorgängen, Straßenzügen und Körpervorgängen etc. Sie zeichnen auf, archivieren und tragen zu den Datenbergen bei, die teilweise jahrelang gesammelt werden. Im Zuge dessen werden regelrechte Überflutungsszenarien in Aussicht gestellt, in denen sich die Hervorbringung von Informationen verselbstständigt und unkontrollierbar wird. Und dennoch gelten die Daten, die erhoben und gesammelt werden und ihr Besitz – — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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der mitunter die Kapazitäten jeglicher Platten und Server sprengt – als umfassendes ökonomisches wie politisches Potenzial: Genutzt für Terrorismusbekämpfung, Marktanalysen, in Medizin und Gesundheitsforschung, Militär, Pädagogik und Unterhaltungsindustrie. Es ist nun nicht verwunderlich, dass zunehmend Wissenstechniken und Programme zur Erfassung und Archivierung digitaler Nutzung – zur Evaluierung – entwickelt werden, um einerseits die Datenflutung zu archivieren und zu kontrollieren und andererseits ihr wieder neue Daten hinzuzufügen. Dieses Spektakel der Überwachungskultur, als welches ich die enorme Aufzeichnungspraktik, Inszenierung und Kontrolle von Daten bezeichnen möchte, bringt militärische und polizeiliche Operationen mit kommerziellen in Einklang. Dabei greifen simultane Vorgänge ineinander: Das Aufzeichnen von Daten, das Generieren von Ereignissen sowie das Evaluieren, Simulieren und Erkennen von Realitäten. Inwiefern haben sich heute aufgrund der digitalen Datenaufzeichnung grundlegende Verschiebungen und Veränderungen zu den Raster- und Überwachungsprozessen des letzten Jahrhunderts eingestellt, bezogen auf die Gegensatzpaare öffentlich und intim/privat, transparent und geheim, offen und begrenzt? Tut sich angesichts der telematischen Technologien eine Struktur auf, die einen offenen, erweiterten Raum (augmented space), wie ihn zum Beispiel der Medientheoretiker Lev Manovich gerne bezeichnet01, ermöglicht? Oder aber: Haben wir es mit einem geschlossen, kontrollierten und begrenzten topologischen Raum zu tun? Ausgehend von der Historie der Überwachungskultur, wie sie insbesondere für das 19. Jahrhundert mit seinen Ausschließungs-, Ordnungs- und Indizierungsmechanismen zu markieren und zu beschreiben ist, sollen aktuelle exemplarische Projekte in Relation zu den historischen Gegebenheiten einer Disziplinargesellschaft im Sinne Foucaults benannt werden. Auf diesem Wege sollen die veränderten Parameter einer generativen Vernetzungsstruktur in der sogenannten Überwachungs- bzw. Kontrollkultur herausgearbeitet werden. Zur Historie der Kulturtechnik des Rasterns und Archivierens als Überwachungsstrategie

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von einer zunehmenden Sammlung von Daten zur Registrierung und Reproduktion von Personen und wiederum Daten. Das hat mitunter Michel Foucault schon beispielhaft in seinem viel gelesenen Buch Überwachen und Strafen02 markiert, und diese Tendenz exemplifizierend mit den städtischen Praktiken im Zeitalter der Pest Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt. « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 01 Lev Manovich: Die Poetik des erweiterten Raumes.

In: Angela Lammert / Michael Diers / Robert Kudielka / Gert Mattenklott (Hrsg.): Topos Raum. Berlin, Nürnberg (Akademie der Künste/Verlag für Kunst) 2005.

02 Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1991, S. 251-255. (Originalausgabe Suveiller et punir. La naissance de la prison, Edition Gallimard 1975).

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 01 Fingerkuppenlinien — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Die Pest wird als eine der größten Bedrohungen nicht nur für das Leben der Menschen, sondern offenbar in besonderem Maße für das Gesamtsystem Stadt beschrieben. Man träumt von umfassender Kontrollierbarkeit. Die Pestkranken werden nicht wie die Leprakranken der Stadt verwiesen, sondern sorgfältig erfasst. Im Bericht von den Syndizis an die Intendanten der Stadt werden Name, Alter, Geschlecht weitergegeben, die vorher registriert wurden. Es finden tägliche Appelle statt. Alles wird notiert: Ruhestörung, Tod, Krankheit, Beschwerden. Jeder bleibt in seiner Wohnstätte. Insofern werden die Pestkranken individuell differenziert. Die Pest dient Foucault als begrenztes Modell für die Disziplinar- und Normalisierungspraktiken, mit denen sich Ende des 18. Jahrhundert ein allumfassendes Kontrollsystem in den Institutionen wie Schulen, Krankenhäusern, Fabriken und Gefängnissen etabliert: 03 Eine lückenlose Registrierung, die die mit der Pest benannten Praktiken in die Institutionen überträgt.04 Das Registrieren, Indizieren, Erkennen wird nicht nur notwendig, um die wachsenden Städte wie London, Paris etc. unter Kontrolle zu halten, sondern der Bedarf ergab sich auch aus den zu verwaltenden Kolonien. Zum Beispiel wurde der Fingerabdruck – die Daktyloskopie – 1877 von dem Engländer William Herschel in der damaligen britischen Kolonie Indien eingesetzt. Herschel war in der Zivilverwaltung tätig und stellte dank der Abdrücke Identitäten für die Auszahlung von Löhnen und Gehältern fest: Den Briten fiel es schwer, die Inder anhand ihres Aussehens auseinanderzuhalten, und einige hatten dies ausgenutzt, um mehrfach Gehalt zu beziehen.05 Der englische Naturforscher und Genetiker Francis Galton erhöhte dann 1888 die Wiedererkennungsmöglichkeiten, indem er erstmals die Minutia-Eigenschaften von Fingerabdrücken beschrieb. Minutien (kleine Teilchen) sind charakteristische Linien, sogenannte Papillar-Linien in der Fingerkuppe, die als individuell einmalig und erblich gelten. Zunächst unterschied Galton drei Grundtypen: Bogen, Schliefen, Wirbel. Später wurde weiter differenziert. Mit dem Fingerabdruck wurden qualitative Merkmale festgelegt, die zu Segmentierungskriterien führen. « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 03 Die Statistik liefert hier – so zeigt es zum Beispiel

04 „An die Stelle einer Macht, die sich durch das

Jürgen Linke – das zentrale Dispositiv des Normalismus mit ihren Kurven, Tortendiagrammen und Tabellen. Jürgen Link: ‚Normativ‘ und ‚Normal‘? Diskursgeschichtliches zur Sonderstellung der Industrienorm im Normalismus, mit einem Blick auf Walter Cannon. In: Werner Sohn / Herbert Mehrtens (Hrsg.): Normalität und Abweichung. Studien zur Theorie und Geschichte der Normalisierungsgesellschaft. Opladen 1999, S. 30-44.

unübersehbare Auftreten der Machtausübenden manifestiert, setzen die Disziplinen eine Macht, welche die Objekte ihrer Machtausübung insgeheim heimtückisch vergegenständlicht; anstatt prunkvolle Zeichen von Souveränität zu entfalten, formieren sie ein Wissen von den unterworfenen Subjekten." Foucault 1991, S. 283. 05 Birgit Schneider: Raster, Druck und Kolonialismus. In: Elisabeth Strowick / Tanja Nusser (Hrsg.):

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Ein Beispiel der quantitativen Merkmalsforschung, insbesondere in der Kriminalanthropologie verwendet, stellt das zunächst als reines Registrierungssystem gedachte Konzept der Bertillonage dar. Der Kriminalschreiber Alphonse Bertillon strebte im Paris um 1880 an, aufgrund von Messungen und Vergleichen am Körper (Nase, Ohr, Schädel, Unterarm) und von standartisierten Porträtfotografien zukünftige Kriminelle zu erschließen. Gemessen wurde mit genormten Messgeräten, die zuvor beispielsweise auch in künstlerischen Proportionsbemessungen und zur Messung von Kriegstauglichkeit verwendet wurden.06 Bei seinen Messungen bezog er sich auf die anthropometrische Arbeit des Sozial-Statistikers Adolphe Quetelet mit der Methode des Body Mass Indexes07. Bertillon wollte durch die von ihm standardisierten Messverfahren Formeigentümlichkeiten von Körperteilen sammeln und beschreibbare Parameter entwickeln und archivieren. Aufgrund der Vergleiche und der damit einhergehenden Codifizierung der Körperteile konnten Durchschnittsgrößen festgestellt werden, visualisiert auch mit der Gauß’schen Glockendarstellung. Diese statistischen Darstellungen konnten die Häufungen bzw. das Normale und die Abweichungen sichtbar machen.08 All die gesammelten Daten und Aufnahmen wurden unter anderem im sogenannten Porträt Parlé zusammengefasst. Die Codifizierungen, das heißt auch die zugeordneten adjektivischen Bestimmungsübungen mussten ebenso wie der Blick von denen, die sie anwenden und vervollständigen sollten, erlernt werden. Das so praktizierte System Bertillons konnte allerdings nur kurzfristig zu einem maßgeblichen Verfahren in der Kriminalistik werden. « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — Rasterfahndungen. Darstellungstechniken – Normierungsverfahren – Wahrnehmungskonstitution. Bielefeld 2003, S. 28. 06 Susanne Regener: Fotografische Erfassung. München 1999, S. 131-161. 07 Der BMI ergibt sich aus Körpermassenzahl = Größe x 2. Bei einer Körpergröße von 170 cm und einem Gewicht von 56 kg beispielsweise lautet er 56 x1,7x1,7=19,3

Body-Mass-Index: http://de.wikipedia.org/wiki/BodyMass-Index, zuletzt gesehen 31.12.08. 08 Christine Hanke: Zwischen Auflösung und Fixierung, Zur Konstitution von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ in der physischen Anthropologie um 1900. Bielefeld 2007, S. 178-179.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 04 Maße des Kopfes — * 03 Maße des Fußes — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 05 Anthroprometrische Karte — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 06 zwei Gaussverteilungen unterschiedlicher Rassen — « — — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — 09 Cesare Lombroso: The Criminal Man, übersetzt

aus dem Italienischen ins Englische von Mary Gibson / Nicole Hahn Rafter. Durham / London (Duke University Press) 2006. 10 Richard Sennett: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, übersetzt aus dem Amerikanischen von Reinhard Kaiser. Frankfurt am Main 1986, S. 38. 11 Link 1999, S. 30-44. 12 In den boomenden Metropolen des Ancien

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Régimes trafen Fremde (die neuen zuströmenden Stadtbewohner) aufeinander, ohne Verhaltenskodizes und hierarchischen Strukturen folgen zu können. Infolgedessen mussten sie sich zur Geltung bringen. Der öffentliche Raum wurde zur Bühne. Noch im Ancien Régime des 18. Jahrhunderts (vor der französischen Revolution) insbesondere in den neu wachsenden Städten Paris und London, erlangte die Öffentlichkeit bzw. der öffentliche Raum seine Blüte. Sennett schildert, wie Öffentliches und Privates nicht erst

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Die Ansammlung von Messdaten diente der Typisierung. Ferner sollte die Annahme, dass sich die psychische Verfassung eines Menschen physisch ausdrücke, durch entsprechende Datenerhebungen bewiesen werden.09 Das Faktum – das Immanente – bildete aus sich heraus eine Realität, in unbewusster Vorbereitung auf das Zeitalter „radikaler Subjektivität“, wie der Soziologe Richard Sennett in seinem schon 1974 erschienenen Buch The Public Man schreibt.10 Im 19. Jahrhundert stellte man die Öffentlichkeit selbst in einen Zusammenhang mit der Ausbildung der Persönlichkeit, als notwendiger Bestandteil der Selbstentwicklung: Alle Erfahrungen besitzen eine potenziell gleiche Bedeutung für die Entfaltung des Selbst. Die Persönlichkeit wurde zu einer gesellschaftlichen Kategorie. Alle Erfahrung wird auf die Ausbildung bzw. den Ausdruck des Persönlichen bezogen. Alles soll infolgedessen beobachtet werden. Sichtbar wird im Zuge dieses Untersuchungs- und Beobachtungsprojektes insbesondere die Abweichung, das Extreme, das Monströse, die Abweichung von dem „ Normalen“, und somit bildet sich auch hieraus das Normale, der Durchschnitt quasi als leere Hülle oder große Zahl.11 Das führte dazu, dass sich die Grenze zwischen privatem Empfinden und öffentlichem Ausdruck dieses Empfindens verwischte.12 Die Vorstellungswelt der Öffentlichkeit wird durch eine private Vorstellungswelt überlagert. 13 Wie haben sich nun die Überlagerungstendenzen des Öffentlichen und Privaten – für die Archivierungs- und Datenerhebungspraktiken des 19. Jahrhunderts kennzeichnend – in den Phänomenen und Mechanismen der Datenflut heute fortgesetzt, inwiefern wird die Zahlenlawine des 19. Jahrhunderts zur Datenflut des 20. und 21. Jahrhunderts? 14 « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — heute, sondern schon im 19. Jahrhundert in Überlagerungstendenzen geraten. Vgl. Sennett 1986, S. 42. 13 Robert Pfaller: Immer fleißig spielen. In: Claus Pias et al (Hrsg.): Escape, Computerspiele als Kulturtechnik. Weimar 2007, S. 155. Das „Als ob“, so formuliert es Pfaller, wird in der heutigen Gesellschaft liquidiert. 14 Auch Sennett, der den beschriebenen Verfall des öffentlichen Lebens schon Mitte der 1970er Jahre proklamierte und eine Fortsetzung dieses Mechanismus zunächst nur durch die Medien Fernsehen und

Radio hervorhob, sieht nun in den neuen partizipativen Online-Tools sehr wohl eine Fortsetzung der Überlagerungstendenzen, aber auch neue Chancen, die jedoch, wie er anklagt, zumeist nicht wahrgenommen werden, da die Technologien nach wie vor auf traditionelle Weise genutzt werden. Vgl. Interview mit dem Österreichischen Rundfunk 2007, die Situation der Selbstveröffentlichung zunächst mit deutlich kulturpessimistischer Haltung: http://oe1.orf.at/highlights/107662.html, zuletzt gesehen 26.12.2008.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 08 TIA Logo — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 09 Vannevar Bush — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Die aktuellen Lektüren von Foucaults grundlegender Theorie einer disziplinierenden, normalisierenden Überwachungsstruktur des 19. Jahrhunderts in den modernen Surveillance Studies15 unterschiedlicher Disziplinen, unter anderem von dem Engländer Bogard und den kanadischen Forschern Lyon oder Haggerty, führen vor Augen, dass Foucaults lange Zeit überzeugende Theorie zwar nach wie vor strukturelle Gültigkeit hat, aber nicht die Möglichkeiten und Veränderungen eines heutigen komplexen multisensoriellen Simulationssystems einbeziehen kann, welches die Unterscheidungskriterien zwischen Mensch und Maschine obsolet werden lässt und das Zusammenfallen von Welt und Daten global visioniert. Das multisensorielle Feld der Selbstveröffentlichung

Im Jahre 2001, kurz nach dem 11. September, erteilte die DARPA (Defenced advanced Research Projects Agency, Forschungsbehörde des Pentagon, auch Erfinderin des Internets) an eine ihrer Unterorganisationen die TIA (Total Information Awareness)16 den Forschungsauftrag, zusammen mit industrieller Hilfe das ontologiebasierte Projekt LifeLog zu entwickeln.17 Dieses sowohl auf militärische wie kommerzielle Zwecke ausgerichtete Projekt LifeLog hatte zum Ziel, physikalische Daten einzelner Personen zu erfassen und zu vergleichen – gewissermaßen als umfassendes stetiges persönliches Tagebuch: Es galt « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 15 William Bogard: Welcome to the Society of Con-

16 Technologien von TIA, die die Arbeit realisieren

trol: The Simulation of Surveillance Revisted in: Kevin D. Haggerty / Richard V.Ericson (Eds.): The new Politics of Surveillance and Visibility. Toronto (University Press Toronto) 2006, S. 55-79. Kevin Daggerty: Tear down the walls, on demolishing the panopticon. In: David Lyon (Ed.): Theorizing Surveillance, The Panopticon beyond. USA / Canada (William Publishing) 2006, S. 23-46. David Lyon, Surveillance, visibility, and Pop Culture. In: David Lyon: Surveillance Studies, an Overview. Malden, USA (Polity Press) 2007, S. 139-158.

sollten bzw. das Dataminig sind: Programm zur Umwandlung von Rede in Text; Programm zur Übersetzung nichtenglischer Texte; Programm zum Aufspüren von schwer erkennbaren Indizien in Datenbanken; Programm zur Identifizierung von Personen, die sich in einigem Abstand von der Überwachungskamera aufhalten; Programm zur Analyse von Texten um falsche oder irreführende Informationen aufzuspüren. Hierdurch sollten sogenannte Profile erstellt werden.

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ein Produkt zu entwickeln, mit welchem Gespräche, Treffen, Blutdruck, Herzschlag, Adrenalinspiegel etc. gespeichert werden können. Was gesammelt werden sollte, waren alle Erfahrungen, und nicht wie Ende des 19. Jahrhunderts alle Beobachtungen. Das heißt alle Wahrnehmungen und Abläufe eines Menschen – konkret eines Soldaten – sollten archiviert werden. Eine Idee, die schon Vannevar Bush 1945 mit seinem visionären Projekt Memex (Memory Extender) verfolgte, welches er in seinem berühmten Aufsatz As we may think der Öffentlichkeit in der Atlantic Monthly und später im Life Magazin präsentierte. Die Idee war, die gesamte, insbesondere wissenschaftliche Kommunikation eines Menschen auf Mikrofilm abzuspeichern, stetig zu ergänzen und assoziativ individuell pro Memex zu verknüpfen und mit den Aufnahmen eines Fotoapparates und Audioaufnahme-Gerätes, welche man ständig mit sich führte, zu verbinden. Er nannte es assoziative Indizierung.18 Auf zwei nebeneinander liegenden, berührungssensitiven Bildschirmen sollten Informationsinhalte projiziert, gespeichert und verknüpft werden. Auch die Vernetzung mit den Memex von anderen Menschen wurde angedacht, wenn auch noch jenseits der Möglichkeiten des Internets. Das Memex bleibt letztendlich eine individualistische Archividee mit einem Analogrechner. Das im Gegensatz zu Memex mit einem noch größeren Konglomerat aus Technologien arbeitende LifeLog wollte – auch wenn es sich ausdrücklich auf Vannevar « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 17 Chef von TIA war der Admiral John Poindexter, der

eine Schlüsselfigur in der Iranaffäre der 1980erJahre war, Waffen dorthin verkaufte, um mit dem Erlös amerikafreundliche Rebellen in Nicaragua zu unterstützen (Welt 24.10.2003 Ulli Kulk). Zusätzlich zu den offensichtlichen ‚Big Brother‘ – Projekten, die auch im Sinne des Spielbergschen Films ‚Minority Report‘ als Precrimeverfahren zu bezeichnen wären, eröffnete TIA noch eine weitere Ebene der Terrorismusbekämpfung: eine Wettbörse auf künftige Anschläge mit hohen Einsätzen. Als der Senat diese Pläne stoppte, trat der Admiral zurück.

Noah Shachtman, A Spy Machine of DARPA's Dreams, 20.05.2003:http://www.wired.com/techbiz/media/ne ws/2003/05/58909?currentPage=2), zuletzt gesehen am 31.12.08. 18 Vannevar Bush, As we may think. In: The Atlantic, Juli 1945: http://www.theatlantic. com/doc/print/194507/bush, zuletzt gesehen 01.01.09.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 11 Life Log — — * 12 CT2WS — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Buschs Vision beruft – mehr als diese: Es wollte auch Gespräche und E-Mails und ebenfalls all die intimen Körperfunktionen speichern und durch automatisierte kognitive Prozesse mit Echtzeitkopplung auswerten. Die Erfahrungen des Menschen sollten direkt übertragen, dann sortiert und vergleichbar gemacht werden sowie längerfristig (auch für die sogenannte Nachwelt) abrufbar bleiben. Der so angesammelte, sich stetig erneuernde, aber auch stetig wachsende Datenberg soll dazu beitragen, einem künstlichen System taktisches und optimales soldatisches Verhalten anzulernen sowie die Handlungsweisen der Soldaten selbst zu optimieren. Im Jahre 2003 stoppte der Kongress LifeLog aus Kosten- und insbesondere datenrechtlichen Gründen, und im Jahre 2006 entfernte die DARPA sämtliche Informationen zu dem Überwachungsprojekt LifeLog von ihrer Homepage. Folgeprogramme von einzelnen Komponenten von Lifelog werden nach wie vor entwickelt und auch vom Senat für die DARPA genehmigt und weiterfinanziert. Dabei zeichnet sich eine Intensivierung sämtlicher Aktivitäten ab, die den menschlichen Organismus direkt mit elektronischen Komponenten verbinden. Als ein Fortsetzungsprojekt gilt ein Projekt zum Gedankenlesen: The Cognitive Technology Threat Warning System (CT2WS) aufbauend auf das HORNET-System (Human-Aided Optical Recognition/Notification of Elusive Threats), welches mit einem Helm, der mit Elektroden bestückt ist, die Gehirnwellen seine Trägers erlernt und dann darauf abzielt, mittels elektronischer Impulse den Träger vor Gefahren zu warnen. Denn die DARPA hat 2008 dem vom Rüstungskonzern Northrop Grumman geleiteten Konsortium den Auftrag zur Entwicklung eines Prototyps für ein auf HORNET aufbauendes neuro-optisches « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 19 Electrode hats to exploit soldiers' subconscious

powers Helmet mind-probe madness at DARPA, Lewis Page: 02.05.07: http://www.theregister. co.uk/2007/05/02/no_no_not_the_mind_probe_aiiee/, zuletzt gesehen 30.12.08. Superaugen für Soldaten, Andreas von Rétyi: 12.06.08: http://info.kopp-verlag.de/news/superaugen-fuersoldaten.html, zuletzt gesehen 30.12.08. Mimicking the Brain: Georgia Tech Wins Contract for Neuromorphic Research on Next-Generation Threat

Warning Binoculars, 20.06.08: http://gtresearchnews. gatech.edu/newsrelease/neuromorphic.htm, zuletzt gesehen 30.12.08 (Paul Hasler at Georgia Tech). Pentagon to Merge Next-Gen Binoculars With Soldiers' Brains, Sharon Weinberger: 05.01.07: http://www. wired.com/gadgets/miscellaneous/news/2007/05/ binoculars, zuletzt gesehen 30.12.08 20 Das Grundproblem des Flaschenhalses der Aufmerksamkeit bleibt jedoch bestehen. Wenn sich die bewusste Aufmerksamkeit der signalisierten Gefahr

166 167 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 13 CT2WS Helm * 14 CT2WS Helm — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Warnsystem (also ein portables visuelles Hilfesystem) erteilt, das Soldaten mit sich führen können. Bei diesem Forschungsprojekt geht es ebenfalls darum, unbewusste Informationen aus der Umgebung über Sensoren zu sammeln und dem Gehirn zugänglich zu machen. Die neuronalen, aber (noch) nicht bewussten Kapazitäten der Gefahrenentdeckung sollen ausgebeutet und dem Soldaten wiederum zugeführt werden. Ziel ist es, die Gehirnaktivitäten ständig mit aufzuzeichnen und an eine Überwachungsoptik zu koppeln, deren Computer die Daten nicht nur ausliest, sondern analysiert.19 Im dafür entwickelten Helm sind wie bei HORNET Elektroden zur kontinuierlichen Erstellung eines EEGs integriert. Es handelt sich insofern nach wie vor um eine Echtzeitkoppelung menschlicher Gehirnaktivität mit automatisierter kognitiver Auswertung neuronaler Prozesse. Man will also im Gehirn lesen und nimmt an, dass die unbewussten neuronalen Prozesse schneller und besser gefährliche Veränderungen in der Umgebung detektieren können als dies der bewussten Aufmerksamkeit der Soldaten möglich ist.20 Ziel ist es, eine unterbrechungslose Beobachtung zu schaffen, die Soldaten, aber auch Sicherheitskräfte vor Überraschungsangriffen von Gegnern schützen kann, so verspricht es das Team des CT2WS-Programms von Northtop Grumman. 21 Das LifeLog und die Folgeprojekte wie HORNET und CT2WS strebten und streben ein organisiertes Wechselverhältnis von physischem Leib und Datenkörper in Echtzeit an, um selbstlernende autonome Systeme so einsetzen zu können, dass sie Reaktionen und Handlungen beispielsweise von Soldaten optimieren. Ein ziviles, insofern auch viel bekannteres und zunächst rein kommerzielles Programm, welches « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — zuwendet, muss sie anderes in den Hintergrund treten lassen, was zu neuen Gefährdungen führen kann. Es mag zwar eine gewisse Möglichkeit des kognitiven Multitaskings geben, aber sie bleibt prinzipiell beschränkt. 21 Der Auftrag der DARPA umfasst die Entwicklung der ‚ersten Phase‘ eines optischen Systems für Tag und Nacht, das einen Panorama-Überblick bietet und die Aktivität des menschlichen Gehirns nutzt, „um mögliche Gefahren zu entdecken, zu analysieren und

den Soldaten zu warnen“. Ziel des CT2WS-Programms sei es, einen technischen Sprung zu machen und einen Durchbruch bei den tragbaren Warnsystemen zu erreichen, die über eine extrem weite Entfernung bei einem großen Gesichtsfeld Ziele entdecken lassen. Optisches Warnsystem für Soldaten über Kopplung an das Gehirn 11.06.08: http://www.heise.de/newsticker/OptischesWarnsystem-fuer-Soldaten-ueber-Kopplung-an-dasGehirn--/meldung/109280, zuletzt gesehen 30.12.08.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 15 My Life Bits — — * 16 Gordon Bell — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 17 Aus dem Archiv von Gordon Bell — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — * 18 Aus dem Archiv von Gordon Bell — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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mit LifeLog und seinen Forschungsansätzen in Verbindung steht, ist das von Microsoft nach wie vor in Entwicklung stehende MyLifeBits Project.22 MyLifeBits von Gordon Bell und später auch von Jim Gemmell sehr ambitioniert initiiert und geleitet, wird ebenfalls als digitales Gedächtnis bzw. Erinnerung bezeichnet. Es verfolgt schon seit Ende der 1990er Jahre, wie auch das militärische Projekt der IAO LifeLog, die Aufzeichnung und Auswertung möglichst vieler Informationen, die einen Menschen im Laufe seines Lebens umgeben. Das Projekt sieht aber zunächst keine Verknüpfung mit den Daten anderer Personen vor und wird insofern ähnlich wie Memex als individualistisches Konzept entworfen. Bell selbst bezeichnet es auch als Memexismus. Gesammelt werden Informationen, die bewusst, unbewusst oder gar nicht wahrgenommen werden, wie das eigene Sehen, Hören, der Blutdruck etc. Zum Beispiel die Aufnahmen einer Wärmebildkamera namens SenseCam (2003 entwickelt), die um den Hals getragen, alle 30 Sekunden ein Bild schießt. Die Entwicklung einer Software, die diese große Datenmenge an einem Ort speichert, strukturiert und somit den Zugriff erleichtert, ist Teil des Projektes. Gordon Bell selbst ist die erste populäre Versuchsperson dieses Projektes – seit sechs Jahren wird die gesamte Interaktion mit der Außenwelt von ihm aufgezeichnet und im Nachrichtenmagazin Der Spiegel zusammen mit Auszügen aus seinem Archiv im Sommer 2008 publiziert.23 Man kann sagen: In den Exempeln fluten die Daten des Lebens unterschiedlicher Aufzeichnungsmedien und werden wieder rückgekoppelt: die Daten der Sensormessungen, des EEG’s, Daten aus den Aufnahmen der Kameras, des E-Mail-Verkehrs, der Handytelefonate, der GPS-Geräte etc. Gerade die Daten der größtenteils unsichtbaren Körperprozesse – das heißt: die Verdatung des organischen Prozesses – können auch als Aufzeichnung einer Intimität, die nun zur Selbstpräsentation oder für die öffentliche, kommerzielle wie militärische Nutzung bestimmt sind, gedeutet werden. Es überlagern sich private und öffentliche Prozesse ebenso wie Datenkörper und physischer Leib. Der Körperprozess wird innerhalb dieser Datenflut transparent und in ein offenes System entlassen, zugleich aber auch kontrollierbar und generierbar. Ein Paradox. Die festen Einschließungsformen und das standardisierte Vermessen des Körpers mit Zahlen, die kontinuierliche Beobachtung und die Feststellung von Häufungen, der Traum einer absoluten Kontrollierbarkeit kennzeichnen die foucault'sche Diszi« — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 22 Noch 2007 heißt es zu der Idee von MyLifeBits von

Microsoft: „New systems may allow people to record everything they see and hear – and even things they cannot sense – and to store all these data in a personal digital archive“. Gordon Bell und Jim Gemmell, A Digital Life, Scientific American, März 2007: http://www.sciam.com/article.cfm?id=a-digital-life, zuletzt gesehen 30.12.08.

MyLifeBits: http://research.microsoft.com/en-us/projects/mylifebits/, zuletzt gesehen 30.12.08. 23 Klaus Brinkbäumer, Du sollst nicht vergessen, In: Der Spiegel, 16/08: http://www.spiegel.de/media/0,4906,17670,00.pdf, zuletzt gesehen 30.12.08.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

plinierungsgesellschaft des ausgehenden 19. und anfänglichen 20. Jahrhunderts. Eine Überlagerung des öffentlichen und privaten Lebens ist schon für diese Zeit aufgrund der Tendenz, alles beobachten zu wollen und alles auf die Persönlichkeit zu beziehen, kennzeichnend. Der Raum selbst wird aber noch durch geregelte Ein- und Ausschlussmechanismen und Sichtbarkeiten konstituiert und erscheint begrenzt. In den beschriebenen aktuellen Raumkonzepten, in denen sogenannte Erfahrungen in Echtzeit übertragen und auch simuliert werden, findet nun einerseits entgegen den Einschließungsmechanismen des 19. Jahrhunderts eine Entgrenzung statt, hin zu modularen dynamischen Prozessen, die mit Chiffren Wirksamkeiten streuen (um mit den Worten Deleuze zu sprechen)24 und die Dominanz des Sehsinns zum Erkenntnisgewinn unterwandern. Der Medientheoretiker Lev Manovich kennzeichnet in Anlehnung an den Begriff ‚Augmented Reality‘ den telematisch strukturierten Raum als ‚Augmented Space‘ (erweiterten Raum), als einen Raum des permanenten Austauschs von Daten, der mit modernen Methoden der Überwachungs- und Cellspacetechnologie – wie den eben beschriebenen Sensor-, Funk-, Satelliten-, und Kameratechnologien – realisiert wird. Der erweiterte oder auch dynamische Raum entsteht in Manovichs Konzept folgendermaßen: Dem physischen Raum – so seine Bezeichnung – werden zum Beispiel durch den Einsatz von Videoüberwachung und anderen Technologien Daten entnommen, oder es werden Daten in ihn hineingetragen.25 Der erweitere Raum ist somit nach Manovich ein mit Daten verdichteter Raum, in dem Interaktionen zwischen Daten und Menschen stattfinden bzw. zwischen Maschinen und Menschen. Es ist ein Raum, in dem potenziell jeder Ort Informationen enthält – ein multidimensionaler Raum, der sich durch multisensorielle Technik herstellt. Gleichzeitig wird meines Erachtens aber genau durch diese Öffnungen der Grenzen (Körper/Daten) wiederum eine Grenze konstituiert und ein Raum geschlossen. Gerade die Daten der größtenteils unsichtbaren Körperprozesse – das heißt: die Verdatung des Organischen Prozesses macht dessen Kontrolle und Modellierung möglich. Die Erweiterung des Raumes ist notwendig an eine umfassende Kontrolle desselben Raumes und so eben wieder an seine Fixierung und Begrenzung gekoppelt.26 Ein Erweitern des Raumes ist zugleich auch eine Überwachung des Raumes durch die dynamischen Daten, die zu sammeln und zu sortieren – zu archivieren – sind. Die durch Simulation geprägte Überwachungskultur, die all diese Vorgänge involviert, « — — — — — — — — — — — — — — — — — « — — — — — — — — — — — — — — — — 24 Gilles Deleuze: Unterhandlungen 1972–1990, Politik. Frankfurt am Main 1993, S. 243-262 (Originalausgabe Pourparlers 1972-1990 1990).

25 Mit dem Begriff Cellspacetechnologie bezeichnet

Manovich einerseits ortsabhängige Cellspaceanwendungen, z.B. die Anwendung des Mobiltelefons, um sich am Flughafen einzuchecken und andererseits ortsunabhängige Anwendungen, z.B. die Ermittlung der eigenen Koordinaten mittels GPS und das Abrufen von E-Mails mittels Mobiltelefon. In: Manovich 2005, S. 340.

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provoziert ein Oszillieren von hier und dort. In diesem als Atopie zu bezeichnenden Paradox bewegt sich die wirklichkeitsmächtige Fiktion eines offenen, grenzenlosen Raumes, der zugleich mit Kerbungen, Rastern, Grenzen und Einschließungen seinen Ort zu fixieren sucht. Man kann auch sagen, eines atopischen Horizonts, wie es die Theoretikerin Stefanie Wenner formuliert hat. Der Horizont steht dann für die Grenze und Erweiterung eines Hier. Er wäre insofern Funktion des erweiterten Raumes. Der Horizont bedingt alles horizonthafte, ist aber nicht in ihm enthalten. Der Horizont ist insofern auch der Rand des Räumlichen und ist selbst Teil einer Differenztechnik des Erscheinen-Lassens. Er ist die Grenze und ihre Öffnung, wie auch der Schnitt. Er reguliert und gibt dem von ihm Umrahmten Sinn, räumt ein, so dass man sieht, was man nicht weiß. Er bildet die Figur eines Raumes, der sich in der Ferne (dort) zusammenzieht und zugleich das Hier erweitert. Er erwirkt ein Oszillieren von hier und dort und löst in seiner Atopie ein Begehren aus – das Begehren eines Spektakels der Überwachung.27 Bei dem so gekennzeichneten Spektakel der Überwachung handelt es sich um die Aufzeichnung einer Intimität, die nun zur Selbstpräsentation für die öffentliche und zugleich private, für kommerzielle und zugleich militärische Nutzung bestimmt ist. Es überlagern sich Datenkörper und physischer Leib. Der archivierte Körperprozess wird innerhalb dieser Datenflut transparent und in ein offenes System entlassen. Damit wird er aber auch zugleich kontrollier- und generierbar. Das wechselwirksame Verhältnis zwischen privat und öffentlich, transparent und geheim, offen und geschlossen formuliert das Paradox der Überwachungskultur. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

« — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 26 Manovich 2005, S. 340. 27 Stefanie Wenner: Die Atopie des Horizonts und

die Erweiterung des Hier. Medienphilosophische Erkundungen. In: Sigrid Schade / Thomas Sieber / Georg Christoph Tholen (Hrsg.): Schnittstellen. Basel 2005, S. 379-389.

Andrea Sick. Datenflut und Realitätseffekt — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Bildnachweis * 01 Fingerkuppenlinien: Regener 1999, S. 143.

* 15 MyLifeBits: http://www.canaltecnia.com/

* 02 Ohrformen und Nasenformen:

files/productos/analisis/fotos/MyLifeBits.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

Regener 1999, S. 138.

* 03 Maße des Fußes: http://static.howstuffworks.com/gif/locards-exchange-principle-3.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 04 Maße des Kopfes: http://www.heise.de/tp/

* 16 Gordon Bell: http://imgs.sfgate.com/c/ pictures/2007/01/28/in_barron28_ph.jpg, zuletzt gesehen, 02.01.09.

* 17 Aus dem Archiv von Gordon Bell: Brinkbäu-

r4/artikel/26/26493/26493_2.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

mer, Du sollst nicht vergessen, Der Spiegel, 16/08: http://www.spiegel.de/media/0,4906,17670,00.pdf, zuletzt gesehen 30.12.08.

* 05 Anthroprometrische Karte: Regener 1999,

* 18 Aus dem Archiv von Gordon Bell: Brinkbäu-

S. 142.

mer, Du sollst nicht vergessen, Der Spiegel, 16/08, http://www.spiegel.de/media/0,4906,17670,00.pdf, zuletzt gesehen 30.12.08.

* 06 Zwei Gaußverteilungen unterschiedlicher Rassen: Hanke 2008, S. 179. * 07 Das Archiv Bertillon: http://www.nlm.nih. gov/visibleproofs/media/detailed/iii_c_140.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 08 TIA Logo: http://www.defensetech.org/ archives/cat_data_diving.html, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 09 Vannevar Bush: http://www.mercurious.com/ wordpress/wp-content/uploads/2007/07/ camera_edit.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 10 Memex: http://www.heise.de/tp/r4/ artikel/14/14903/14903_1.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 11 LifeLog: http://www.defensetech.org/ archives/cat_data_diving.html, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 12 CT2WS: http://www.srwolf.com/linked_pics/ binoculars_wide.jpg, zuletzt gesehen 02.01.2009.

* 13 CT2WS Helm: http://gfx.newz.dk/48/248107x69crop0.jpg, zuletzt gesehen 02.01.09.

* 14 CT2WS Helm: http://images.dailytech.com/ frontpage/fp__Sam_Fischer.jpg, zuletzt gesehen 02.01.09.

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172 173 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — Literaturliste Bell, Gordon / Gemmell, Jim: A Digital Life. In: Scientific American, März 2007: http://www.sciam.com/ article.cfm?id=a-digital-life, zuletzt gesehen 30.12.08.

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RASTER UND FADENKREUZ KU R Z B I O G R A F I E N

Kurzbiografien — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 1

Andreas Bernhardt

seit 2006 Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Künste Bremen. Schwerpunkt Zeichnung, Text und Wandinstallation. Ausstellungen in Bremen, Cambridge, Mass. (USA) und Lahore (Pakistan). Langjährige intensivste Recherchearbeit auf Flohmärkten, in der Stadtbibliothek Bremen und im Bremer Staatsarchiv. [email protected] Gesine Hennemann

ausgebildete Mediengestalterin, seit 2004 Studium des Integrierten Designs an der Hochschule für Künste Bremen. 2009 Erarbeitung der Diplomarbeit: Eine Marke erleben! Brand-Store-Design am Beispiel eines Bekleidungsunternehmens. [email protected] Janine Klank

lebt und arbeitet in Hamburg, Studium der Freien Kunst bei Prof. Paco Knöller an der HfK Bremen. Die Favoriten: Zeichnung/Konzept/Installation. Ausstellungen: Freies Feld, Galerie Pankow 06/07; Päckchen für Kirgistan, Kirgisisches Nationalmuseum für Bildende Künste, Bishkek 08; ZWEI, Atelierhof Bremen 08; Anonyme Zeichner, Künstlerhaus Bethanien, Berlin 08 Jule Köperich

studierte zunächst Jura, um die Welt zu retten, was gründlich misslang, arbeitete dann als Rechtsanwältin, was Geld aber kein Glück brachte, begann 2007 mit dem Studium der freien Kunst bei Prof. Yuji Takeoka (freie Plastik) und beschäftigt sich seitdem am liebsten mit Reisen, Photographie, Trickfilm und ihrer Bastelgemeinschaft. www.aquamiserable.de Rebecca Llanos-Farfán

seit 2005 Studium der Freien Kunst an der HfK in Bremen. Gescheiterter Versuch, zu malen und zu bauen. Video-, Installation- und Textarbeiten. Ein Konstruieren und Formieren. Ordnung und Anonymität sind fester Bestandteil der Arbeit. www.rebecca-llanos.com — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

178 179 — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — » — — Roshan Margraf

studiert an der Hochschule für Künste Bremen in der Klasse von Prof. Jeanne Faust. M.S.08

www.maxschaffer.de Oscar Sahlieh

2003 Studium der Theaterwissenschaft in München. Arbeitete als Statist und schrieb Texte für Forced Entertainment (GB). Seit 2005 Studium Integriertes Design mit Schwerpunkt Mode an der HfK Bremen. Lebt seit Juni 2008 in Hamburg. Ist geschieden. Hat eine Katze namens Pnin. Pia Niewöhner

studiert seit 2005 an der Hochschule für Künste Bremen im Integrierten Design und in der Bildenden Kunst (Prof. Katharina Hinsberg, Prof. Yuji Takeoka, Prof. Jeanne Faust). Ausstellungen und Projekte in Berlin, Bremen, Hamburg, Raketenstation Hombroich/ Neuss, Strasbourg, Zürich. Publikationen: dazwischen projekt 1 – 3 (2007/ 08); inzwischen, Dokumentation einer Raumarbeit/ Performance (2008); Ausgabe 1– 3, Kontext AG – Realisation eigener künstlerischer Publikation (2008/ 09). Lachyn Nuriyeva

seit 2004 Studium Integriertes Design mit dem Fachbereich Mensch und Mode an der Hochschule für Künste Bremen. [email protected] Kathrin Prinz

studiert seit Oktober 2005 Integriertes Design mit dem Schwerpunkt Mode an der Hochschule für Künste in Bremen. [email protected] Tilman Richter

seit 2004 Studium des Integrierten Designs an der Hochschule für Künste Bremen. [email protected], www.tilmanrichter.com

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Kurzbiografien — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Marie-Luise Schweitzer

seit 2005 Studium der Freien Kunst an der HfK Bremen bei Prof. Paco Knöller. 2004 Eintritt in die L'école supérieure des beaux-arts de Toulouse 2003-2004 Studium „Histoire de l'art“, L'Université de Toulouse-Le Mirail. Ausstellungen (Auswahl) 2007 „Beyond Identity Part 1“, im Goethe-Institut Kairo, Ägypten 2006 Gruppenausstellung „Freies Feld“ in der Galerie Pankow, Berlin. Z. Schmidt

Studiert an der Hochschule für Künste Bremen in der Klasse von Prof. Jeanne Faust. Benjamin Suck

Realisierung einiger Videoinstallationen für Theaterstücke in Kassel. 1999 Studium Philosophie/Kunstwissenschaften an der Universität Kassel (4 Sem.) 2000 Einjährige Mitarbeit im Animationsfilmstudio „Anilab“ unter der Leitung von Norbert Hobrecht. 2001-2004 Lehre als Tischler bei „Taxus“. Seit 2004 Studium an der HfK Bremen. www.benstilr.com Doris Weinberger

seit 2004 Studium an der Hochschule für Künste Bremen, Fachbereich Bildende Kunst: Konzept, Installation, Zeichnung bei Prof. Fritz Vehring, Prof. Katharina Hinsberg, Beate Terfloth, Prof. Yuji Takeoka. Publikationen: inzwischen, Publikation einer Raumarbeit / Performance (2008), dazwischen #1, #2, #3 (2007, 2008), Ausgaben 1-3, Kontext AG- Realisation eigener künstlerischer Publikation (2008, 2009). [email protected] Natalie Wild

geboren 1979 in Montabaur, beendete 2005 die Ausbildung zur Holzbildhauerin in Flensburg. Im Anschluss folgte das Kunststudium bei Prof. Yuji Takeoka an der Hochschule für Künste Bremen. Seit 2008 ist sie Stipendiatin des Cusanuswerks Bonn. Sie arbeitet als Konzeptkünstlerin installativ mit Räumen und mit Objekten, die sie in räumliche Bezüge setzt. Zu ihren künstlerischen Prozessen gehören auch Textarbeit und Zeichnungen. [email protected] Nina Zedelius

Studium des Integrierten Designs an der Hochschule für Künste Bremen. 2009 Anfertigung der Diplomarbeit mit dem Thema „Das Souvenir“. [email protected] — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

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Anna Bromley

studierte an der Hochschule für Künste Bremen (Meisterschülerin) und an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee sowie an der Humboldt-Universität Berlin (Dipl. phil.). Arbeitsaufenthalte in Galan/Frankreich, am Sejm/Warschau sowie in der UN-Schutzzone Pacrac und Vukovar, Kroatien. Ausstellungen in Berlin und Bremen, an der Harvard University, Cambridge und am NCA Lahore. Lebt in Berlin. Christine Hanke

ist Medienwissenschaftlerin am Institut für Künste und Medien der Uni Potsdam, Studiengang Europäische Medienwissenschaft. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Science Studies und Medientheorie, statistische Wissensproduktion, Bildgebende Verfahren, Konzepte des Analogen und Digitalen, Diskursanalyse Foucaults und Dekonstruktivismen Derridas. Habilitationsvorhaben zu den Unentscheidbarkeiten des Bildes. Publikationen u.a.: „Zwischen Auflösung und Fixierung. Zur Konstitution von ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ in der physischen Anthropologie um 1900“, Bielefeld 2007 und „Game over!? Perspektiven des Computerspiels“ (Hg. zusammen mit Dieter Mersch und Jan Distelmeyer), Bielefeld 2008. Katharina Hinsberg

1967 geboren. 1989–96 Studium der bildenden Kunst in München, Dresden und Bordeaux. 1996–97 Akademie Schloss Solitude, Stuttgart. 1997 Workspace Program Dieu Donée Papermill, New York. Inszenierung der Oper Der Venusmond, Kunsthalle Krems und Empire States Building, New York. 1998 Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg. 1999 Stipendium Kunstfonds e.V. 2000 Artist in Residence, The Chinati Foundation, Marfa, Texas. 2002–03 Stipendium Cité des Arts, Paris. 2004 Workspace Program MUKA Printstudio, Auckland, Neuseeland. Seit 2003 Professur für Zeichnen an der Hochschule für Künste Bremen. [email protected]

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Kurzbiografien — — — — — — — » — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Dorothea Mink

ist seit 2002 Professorin für das Lehrgebiet „Modedesign und experimentelle Mode“ an der Hochschule für Künste Bremen. Von 1995 bis 2002 Professorin für Mode Design an der FH Hannover. Zwischen 1985 und 2004 Kollektionsentwicklung in unterschiedlichen Hamburger Modefirmen – u.a. 1992 bis 1993 angestellt im Designteam Jil Sander; 1991 bis 1992 angestellt im Designteam Wolfgang Joop, spätere freiberufliche Mitarbeit. Publikationen (Auswahl): Iris Maria vom Hof (Hrsg.) : Haut: Video, Mode, Live – eine multimediale Annäherung an den Menschen, Katalog, zur gleichnamigen ProjektKooperation mit dem Deutschen Hygiene Museum Dresden Hannover 2001; FASHION BODY CULT (Hrsg. mit E. Bippus), Arnoldsche Art Publishers, Stuttgart, 2007.

[email protected] Andrea Sick

Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Kuratorin. Seit 2006 Vertretungsprofessorin für Kultur- und Medientheorie an der Hochschule für Künste Bremen. Seit 1993 Künstlerische Leiterin des Frauen.Kultur.Labor thealit. (www.thealit.de) Promotion zu Wechselwirkungen von Wissen und Sehen in der Kartographie an der Universität Hamburg 2002. Forscht, publiziert und kuratiert zu Kultur- und Mediengeschichte, Relationen zwischen technischen Medien und kultureller Produktion, Medientheorie. Letzte Publikationen u.a.: Do not exist. Europe, Woman, Digital Medium, (hg. zusammen mit C. Reiche) Bremen 2008 (english); Machines as Agency, (hg. zusammen mit Christoph Lischka) Bielefeld 2007; Orientierungen. Zwischen Medien, Technik und Diskursen, 2006. [email protected]

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