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German Pages 111 [112] Year 1865
Ulrich von Hutten.
Trauerspiel in fünf Akten von
Hans Koester.
Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.
1865.
— Den Bühnen gegenüber Manuscript. —
(Zuerst aufgeführt auf dem Großherzoglichen Hoftheater zu Schwerin am 11. Nov. 1864; in Vorbereitung auf dem Großherzoglichen Hoftheater zu Weimar.)
Den deutschen Studenten gewidmet.
— In Deiner Brust, Du, deutschen Volkes Edelreis und Blüthe, Du, Goldgefäß und köstlichstes Metall, In das sich unser theurstes Hoffen faßt, Ruh', wie in erzner Urne, Hutten's Herz. Mit Kränzen schmück' Dein Schiff, und hoch die Wimpel, Das Purpursegel richte fest auf's Ziel! — Bewahrt das neue Licht, das Euch erstand, Mit keuschem Herzen, mit getreuer Hand, Und was einst Hutten's Schwert nicht durft' gelingen, In Hutten's Geist sollt' Ihr's zu Ende bringen! —
Ulrich von Hutten.
Trauerspiel in fünf Akten.
Personen Kaiser Karl V. Franz von Sickingen. Philipp von Rüdesbeim. Hilchen von Lorch. Ritter Ulrich von Hutten, vom Steckelberg, Vater. Ulrich von Hutten, Sohn. Iochem, Lorenz, Markwart, Kurt von Hutten. Erasmus von Rotterdam. Barbara von Glauburg. Kar st Hans, Prädikant, ^ Anführer der ausrühreriSievers, Rohrbach, Link, Kohl, s schen Bauern. Erster Student (aus Sachsen) i Zweiter Student (aus Mecklenburg)? von Basel. Dritter Student (vom Neckar) ' Doctor Otto Brunsels, des Erasmus Famulus. Stadthanptmann von Basel. Matth es, des alten Hutten Leibdiener. Ein Sickingscher Hauptmann. Ritter vom Gefolge des Kaisers. Ritter des Hutten'schen Geschlechts. Studenten. Landsknechte. Bauern. Diener. Hellebardierer. Fackelträger. Buben. Volk u. s. w. —
Erster Akt. Prunksaal im von Glauburgschen Hause zu Frankfurt am Main, der nach dem Hintergründe mit einer offenen, von Säulen getra genen Gallerie abschließt.
Erste Scene. (Ulrich von Hutten und Erasmus von Rotterdam an einem Tisch im Vordergrund.) Hutten (aufspringend).
Ein Weib — ich? —■ freien —- ich?— Seid Ihr bei Sinnen? Wenn Ihr so gut auf Weiber Euch versteht. Was freit Ihr selber nicht? Erasmus (mit der Hand auf seinem Scheitel). Bedenkt die Weihen! Hutten. So gründlich nicht, als ich vom Frauenvolk, Empfingt Ihr aus der Kirche Hand die Weihn! — Erasmus. Den Heil'gen Dank dafür! — Doch Barbara — Hutten (seine Hand ergreifend). Bei meiner Lieb' zu Euch und aller Ehrfurcht — Nennt niemals Barbara's von Glauburg Namen, Wenn wir mit Worten spielen!
8 Erasmus. Wie Ihr wollt; — Ihr saht sie diesen Morgen? Hutten. Sah sie — ja; — Doch: nein — wenn sehn heißt: meinen Augen glauben Erasmus. Eb! — nein die und ja! — Die Weise kannte Horatius schon, als er um Lydia brannte! — Vortrefflich — ich verstehe! Hutten. Nichts versteht Ihr! Erasmus. Gut, so versteh' ich nichts — das heißt: von Liebe. — Laßt uns von dem Fragment des Tacitus Denn reden, das Ihr glücklich aufgeivürt — Hutten. Ehrt schweigend seinen Namen — Erasmus. Tacite
Also de Tacito! — Geliebt's Euch baß, Vielmehr von Martin Luthers grobem Brief An König Heinrich — Hutten. König oder Mönch — Was uns den Kopf um ihr Gezerr zerbrechen? Das leckt sich gegenseitig, wie üch's kratzt. (Erasmus Indit)
Ihr lacht? Erasmus. Und soll ich's nicht — macht Ulrich Hutten Sich einem Mägdlein gleich! — „Vom Tacitus?" —
9 „Erbarmen! schweigt von ihm!" — Wen Zhr mit Mühen Dem Raube des Jahrhunderts doch entrißt. „Von Luthers Brief?" — „Laßt müch mit dem in Frieden; Das leckt sich, wie sich's kratzet!" — just wie Bärbchen, Als ihr die Bas ein Spitzentüchlein bringt, Vom Brüßler Ohm ihr zum Geschemk gesendet: „Ich bitt' Euch, Base, — thut es zu den andern, — Ihr wißt ja wohl den Ort." — Hutten. Und das — mit mir? Erasmus. Von einem Brüßler Tüchlein war die Rede — „Legt's zu den andern!" — und sie sah's nicht an. „Mein werther Doctor" — so kam sie an mich — „Als er von Fulda aus dem Kloster stoh" — „Wer, Fräulein?" — und von Purpur übergössen: „Ihr wüßtet, meint' ich, daß vom Ritter Hutten Ich — Eurem Freunde, sprach." --- „Mein Freund — so, so! Sein Ruf ist nicht der beste." — „Sagt mir doch" — Und dreht dabei mit Schnteicheln und mit Kosen — (Mit dem 91 rm an Huttens Schulter.)
Den vollen Arm an meine Schulter lehnend, So fein ihr Fädlein, bis mein Herz besiegt, Zum Oehrlein ward, und ich, gleich einer Base Die Nadel schwingend, zum sovielten Male Von Euch erzähle: wie ein Knabe noch Dem Kloster Ihr entlieft, nach Greifswald floht, Und auf Euch selbst gestellt und Euren Muth, Ein Wanderlel en führtet, schicksatsreicher Als des gepries'nen Dulders Odyssee. Wie Ihr — bald fahr'nder Schüler, bald Soldat — Vom balt'schen Strand bis nach Italien zogt,
10 Rings Euren Weg durch Wort und Schrift erleuchtend, Ein feuriger Komet; — (Mit leiser Ironie)
doch auch durch Thaten, — Da Kaiser Maxens Ehr' Ihr mit dem Blute Von einem Dutzend übermüth'ger Franken Bezahlt ihm machtet — Hutten
(ficf» von ihm losreißend).
Nein, das spracht Ihr nicht! — Erasmus. Ich that's, ich that's! — Hutten. So logt Ihr, mein zu spotten; — Drei waren es. Erasmus. Drei oder zwölf Franzosen — Wer fragt darnach? — Die Liebe multiplicirt Noch besser als die Freundschaft. Hutten. Thut's zulieb mir — Sagt, daß Ihr's nicht gesagt! Erasmus. Besteht Ihr drauf, Will auf der Zahl ich weiter nicht bestehn, Weil's mir geschieht, daß ich in Zahlen irre; — Doch unter sechs, sei Euch gesagt, thut sich Die Sache nicht.
Bei drei'n verliert die That
Den myth'schen Zauber des Heroenthums, Und büßt zuviel an dem, was Frauen lieben. — Wie d'rauf der Kaiser, als Ihr heimgekehrt, Für Eure Thaten, Schriften und Gedichte, Die Euren Ruhm bis in die Wolken trugen, —
11 Hutteu. Warum nur Wolken? — nehmt gleiich Sonn' und Sterne! Erasmus. Euch mit des Dichters höchsten Ehren krönte, Und Peutingers gelehrtes Töchterlem Den Lorbeer zitternd um die Stirn Euch wand. — Bis dahin unterbrach nichts meinen Fluß, Und gierig sog ihr Ohr die süße Kunde — Doch bei dem Worte von Konstanzens Zittern Ergreift sie meine Hand und preßt mich hier — Just da — ich mein', die Wurzel nennt's der Doctor — Daß ich hell aufschreien muß.
..Sagt, war sie schön?" —
„Sie sprach im dritten Jahre schon latein." — „Nicht darnach fragt' ich; ob sie schön war, Doctor?" — „Im siebten Jahre grüßte sie den Kaiser Mit einem griechischen Poem." — Nun wuchs Der Druck so heftig, daß, nur loszukommen, Ich schnell hinzusetz', „nach authentischen Berichten schielte sie auf einem Auge Und hatt' ein Blatternärbchen auf der Nase." In Folge deß ward ich der Haft entledigt, Von der die süße Spur Ihr hier erblickt; — Nun — küßt Ihr nicht das Flecklein? — Geht mir, geht — Ihr seid ein melanchol'scher Freiersmann — Das schönste Mägdlein, Frankfurts reichste Erbin — Und Ihr bei Sinnen noch? Hutten. Wär' ich's — wär' ich's! — Nie hätt' ich — niemals Euch zu End' gehört! — (tritt fort.)
Erasmus
(halt ihn).
Wo wollt Ihr hin? von neuem in die Wüste? —
12 Hört, Hutten — huttenscher wär' solche Flucht, Als für Euch selber sie sich ziemen dürfte! — Die Jungfrau liebt Euch — wißt Ihr was das heißt? Hutten. Ob ich es weiß! Erasmus. Und Ihr — Ihr liebt sie wieder! Hutten. Verflucht die Tollheit, die das Recht Euch giebt, Mit Namen meine Raserei zu nennen! Erasm us. Ja Tollheit, freilich Tollheit, wenn zur Kehr Ihr wie ein Toller geht, das Haar Euch rauft, Und gleich dem kret'schen Stiere Flammen schnauft! — (schüttelt ihn.)
Seid doch vernünftig, Mann — an Euch nur hängt's, An Euch nur, ob Ihr glücklich werden wollt! Hutten.
An mir nur? — o ein Strahl des Glückes glitt Auch über meine Seele! — sagt mir denn, Was Ihr vernünftig nennt? E r a s m u s. Das ist die Summa: Daß Ihr das hitz'ge Uebertreiben laßt, Und lernet mit gegebnen Großen rechnen. — Seht, dreierlei der Menschen giebt'S int Leben: — Die Wein bereiten, die ihn trinken, und die Gleich Hefen in dem Faß als Gährungsstoff Herumrumoren. Von den letzteren Seid Ihr. Hutten. Und Ihr?
13 Erasmus.. Von allen drei'n cum grano. Man pflücket Trauben, freuet sich dies Weins, Und hat von dem auch, was die Gehrung fördert. — Nach rechter Mischung streben, nemnt Erasmus Das Thor zur Weisheit. Hutten. Laßt mich Hefen bleiben. Erasmus. Es könnt' Euch doch geschehn, das würd' Euch leid. Hutten. Saht Ihr mich je bereun? Erasmus. Ich wußt' mir beßres, Als Liebe sä'n, um vom geklärten Wein Für meinen guten Will'n zum Spund heraus Als Hefen an die Luft gesetzt zu werden. — Ich mein', Ihr hätt'ts erfahren. Hutten. Wo? Erasmus. Ihr fragt noch? — Eu'r Vater — Eure Vettern — Hutten (mit innig bewegtem tlBifcetfyvud)).
Meine Mutter! Erasmus. Nun ja, die Weiber haben für dergleichen Materie noch zumeist Empfänglichkeit; — Doch trotzet nicht; — sie werden auch gesättigt. Hutten. Ich wart' es ab. —
14 Erasmus. Einstmals dacht' ich, wie Ihr; — Doch der Erfahrung Facit —.was ergab's? — „Encomion Morias" — „Lob der Narrheit;" — Schon neunzig Editionen, und im Druck Die einundneunzigste beim Badius. — Macht's mit — und darin sucht den Vorzug, den Die Wissenschaft Euch vor dem Pöbel giebt, Daß Ihr, was das profane Bulgus aus Instinkt, Ihr mit Bewußtsein thut. Hutten. Wohin Führt dieser Folgerung Schluß? Erasmus. Zunächst nicht weiter, Als bis zur heutigen Tagfahrt — endlich mal Mit Würtemberg den Handel abzuthun. Hutten. Eu'r altes Lied; ich glaubt' es abgespielt. Erasmus. Ich lass' nicht ab, das Lied zu wiederholen, Bis Ihr die Weise richtig aufgefaßt. — Ulrich von Würtemberg entbrennt in Liebe Zu Hans von Hutten's Weib; sie wird erwiedert; Und Vetter Hans, anstatt vom Hof zu gehn, War er zu eifersüchtig, mit dem Herzog Sich auf den halben Antheil zu verständ'gen — Und so sein Täubchen außerm Stoß zu setzen; — Sucht sein Gemahl und den verbuhlten Fürsten Durch christliche Vormahnung auf den Weg Der Tugend, Pflicht und Zucht zurückzuführen. Hätt' er Ovid's Amores wohl studirt,
15 Er hätt' gewußt, daß man das hitz'ge Roß Zum Springen reizt, schiebt man ihm Stangen vor. Der Herzog, durch den Widerstand) erbittert, Entfachter noch in seiner Leidenschaft, Setzt über's letzte Ziel — es war nicht recht, Doch er verliebt — und mordet Vetter Hans. Hutten. Nun, nun? Erasmus. Sagt doch, macht's König David besser, Als den bekannten Brief er Urias schrieb, Und war ein frommer Herr doch, dessen Psalmen Die Christheit heut' noch mit Erbauung singt? Hutten. Soll ich im Ernst auf Euer scherzhaft Beispiel Erwiedern Euch, was von des Königs Reue Die Schrift erzählt, dieweil der schnöde Herzog Noch heut' mit Hansens Weib im Ehbruch lebt? E r a s nt u s. Wißt so genau Ihr, wie nach Urias Tode Mit Bathseba es König David hielt? — Die Sach' ist lange her. Hutten. Ihr seid bei Laune. Erasmus. Und beut der Herzog für den todten Vetter Nicht reuige Genugthuung — Hutten. In Gold! Erasmus.
Zu allen Zeiten galt als rittermäßig Beim deutschen Adel, Gold für Blut zu nehmen.
16 Hutten.
Ihr seid beleidigend! Erasmus. Wenn ich historisch bin? — Wohl besser kennet Ihr als ich den Satz, Um den ein Franke sich vom Blutbann löst. — Dazu bedenkt, das Erbgut Barbaras Liegt in des Herzogs Land. Hutten. Dran mahnt Ihr mich! Erasmus. Es ist der Punkt von den gegebnen Größen. Hutten. Ihr nennt ihn recht — der Punkt, wo sich die Ehre Der Eigensucht zum Opfer bringen soll! (Barbara von Glauburg tritt durch die (Miene auf.)
Erasmus. Ich höre Schritte, die mit bessern Gründen Sich Eurem Ohre nahen, als mein Wort. Bedenkt, weßhalb Ihr kamt; — mit Würteniberg Euch zu vertragen, wenn ein todter Vetter Euch mehr nicht gilt, als jene süße Blume, Die ihr verdürstend Köpfchen zu Euch neigt, Sehnsücht'ger wie die Nose nach der Sonne; — Auch so ein Punkt von den gegebnen Größen. — (geht zur Seite ab.)
Zweite Scene. (Hutten, Barbara von Glauburg)
Barbara. Ihr seid's — seid mir gegrüßt! Und doch — wär' es
17 Nicht mehr fast als ein Mädchen wagt zu sagen, Fast schien' es mir: ich sei erzürnt auf Euch. Hutten. Erzürnt auf mich? So sehr konnt' ich mich hassen, Daß ich Euch fragen muß: um welchen Grund? B arbara. Sag' ich's Euch noch, daß es um mich nicht war? — Um meiner Base willen — Hutten. Und um sie — Um einen andern Grund als um ihn selbst, Kann Barbara von Glauburg Hutten hassen? Barbara.
Oh — hassen! — Nein, nicht hassen war mein Wort; — Nie einen andren, selbst nur haßt' ich mich. Wollt' je dies Wort im Treubruch an mir selbst, Sein Schlangenhaupt in meiner Brust erheben! — Ihr thut mir Unrecht — nur ein bittend Zürnen — Und das kaum war's — um das ich za Euch sprach. Hutten. Und dieses Bitten, das mir Zorn vergißt? Barbara. Daß Eures Duldens Maaß sich nicht erschöpfe An denen, die Ihr liebt; — und nachsichtsvoll Auch über die sich breite, die Euch minder — Hutten (unterbrechend).
Ihr sprecht? Barbara. Von der, die Euch zuviel stets spricht — Hutten (w,e oben).
Von Eurer Base?
18 Barbara. Die das Marlhatheil Der Erdensorge für mich auf sich nahm, Und gern ein dankend Wort von Euch empfinge Für das, was mütterlich sie an mir that. Hutten. Vergaß ich wieder? Barbara. Ihr vergaßt! — Hutten. Verzeiht; — Ihr sollt nicht wieder zürnen. Barbara. O habt Dank! — Mein Herz fühlt sich so weit, daß es voll Sehnsucht Das All' umfassen möcht', und zog sich doch Zu keiner Zeit so eng um die zusammen, Die es voll Dankespflicht die Seinen nennt. Hutten
(ihre Hand ergreifend).
Ihr sollt mir nicht mehr zürnen! Barbara. Ihr nicht mir, Daß ich mit solcher Nichtigkeit Euch plagte. — Ich hatt' Euch gern geschwiegen; doch heut' grade Wo um mein' selbst ich voller Sorge bin — Hutten. Um Euer selbst? Barbara. Kommt Euer Vater nicht? Hutten. Drum sorgt Euch nicht; — der starre Eichenstamm, Der seine Knorren trieb in Sturm und Drang,
19 Schaut lächelnd auf das holde Veilchen nieder, Das, Frühling kündend, unter seinem Schutz Die ersten Blüthen treibt.
Barbar Ihr seid ein Schmeichler. Zu höfisch würde mich die Wendung dünken, Die Eure Rede nahm, wüßt' ich es nicht,. Daß fein're Sitte an dem prächtigen Hof Des Mainzer Bischofs herrschet, Eures Herrn, Als sie dem schlichten Bürgermädchen Frankfurts Geläufig ist. Hutten. Heißt schlicht so scharfer Spott? Barbara. Schlicht heißt bei uns, man spricht's, wie man's erfindet. Hutten
(ihre £ant> küssend).
Und schlicht, wenn sich mit Purpur säumt die Rose, Um durch der Knospe schwelenden Rand zu brechen! Barbara
(sich ihm entziehend).
Ihr drängt schon wieder mich vom Thema ab; — Auf Euren Vater ging's; — Ihr sagtet mir, Er sei ein strenger Herr, wohl wunderlich — Ich möcht' ihm gern begegnen, wie er's liebt; Ob sonst nicht furchtsam, fürcht' ich mich vor ihm; — Sagt doch, wie geb' ich mich, ihm zu gefallen? Hutten. Ganz wie Ihr seid! Barbara. Das ist mir ein Bescheid, Um den so langer Vorred' es bedurft! — Ganz wie ich bin! — Wenn ich nun weiter fragte, Wie bin ich denn?
20 Hutten
(zu ihren Fußen).
Ihr seid — Ihr seid — Barbara. O nein! Vergeht nicht, Hutten: wenn ich Euch befragt — Ich fragte nicht. — (Hutten steht auf und wendet sich abwärts )
Schaut nicht so trüb; ich lebe So gern im Lichtstrahl Eurer heitern Flamme! — Noch bin ich werth nicht, Antwort zu vernehmen, Wie ich sie wünschte — und ach! viel zu schwach, Sie zu vernehmen, wie ich nicht gewünscht. — Wenn Ihr begrifft, wie seltsam wunderlich In einem Mädchenherzen sich's gestaltet — Nicht nach der Klugheit, mein' ich — einfältig, Recht einfältig und kindisch — (infcent sie den Kopf senkt, daß er unwillkürlich an Huttens Brust ruht; unter Thränen zu ihm emporschauend)
kindisch, Hutten! — (Sie ruht an seinem Herzen, er streift mit seinen Lippen tbie Stirn. Nach einer Pause Pferdegerausch hinter der Scene.) (Barbara aus seinen Armen an's Fenster fahrend.)
Eu'r Vater kommt! — Zeigt mir sein Antlitz nicht, Ich selbst muß ihn erkennen; — der dort ist's! Wie seine Hand das schwache Rößlein führt, Daß es int Heben seiner Zügel wächst Und mit bewußten Hufen vorwärts trachtet; — Seht Ihr — bemerklich kaum dreht er die Hand Und ehern steht's, int Banne seines Willens; — Das muß Eu'r Vater sein, kein and'rer ist's! Hutten. Ec ist's! — Ihr habt ihn recht erkannt: — er ist's! — (Sie eist der Gallerte zu, Hutten tritt rechts in den Vordergrund.)
21
Dritte Scene. (Barbara, Hutten. Es treten auf Hnttem, Vater, Erasmus von Rotterdam, Iochem, Lorenz. Markwart, Kurt und weitere Hutten. Die Hutten, bis auf Iochem, dessen Kleidung sich durch eine altmodische und verblaßte Eleganz auszeichnet, in einfacher, fast bäurischer Tracht.)
Hullen, Vater. Um der Vollständigkeit halber — wie war doch Euer Name, Herr Abgesandter? Erasmus. Erasmus von Rotterdam. Hutten, Vater. Einer von des Herzogs Schreibern? Erasmus (lächelnd). Mehr seiner Freunde einer. Hutten, Vater. So? — seiner Freunde einer! — mein', da sollten fast Eure grauen Haare Einsprache thun. — Iochem von Hutten. (Le.se
ZUM
alten Hutten)
Ein weltberühmter Orator, Vetter!
Hutten, Vater. Was man zu deutsch einen Schwätzer nennt; — hätt's merken sollen! — der Gallerie)
(indem er
Eras „1 u s
ein Papier zurückgiebt; noch in
Hier habt Ihr Eure Vollmacht zurück, Herr Eras
mus; — wollt Ihr uns allein lassen — wir kennen jetzt des Herzogs Bedingungen, und werden bald fertig sein auf ja oder nein. (Erasmus nach dem andern Ausgang der Gallerte zu ab.) (Hutten, Vater, indem er von der Gallene in den Saal tritt, zu der sich tief vor ihm verneigenden B a r b a r a :)
Was wollt Ihr? Barbara. Euch grüßen, edler Herr!
22 Hutten, Vater. Mich grüßen? — Seht doch! — So hold grüßt uns das erste Veilchen nicht Als Euer Aug' mir lächelt — habet Dank. (Barbara nach der Seile ab. umher.
Diener treten auf und reichen Becher
Die Hutten nehmen bis auf Ulrich, Vater und Sohn.) (Hutten, Vater, seinen Sohn erblickend.)
Sieh' da, Du Ulrich! forschend i.n's Auge schaut.
— (nach einer Pause, indem er dem Sohne
Es ist lange her, daß wir uns nicht ge
sehn haben; — Du solltest unterdeß zu einem Manne er wachsen sein. —
(reicht ihm die Hand)
Ich bringe Dir Deiner
Mutter Gruß und Segen; sie war eine fromme Frau; — sei denn in ihre Gruft versenket, was vergangen ist — was uns trennte. — (Indem er sich zu den Hutrcn wendet, die im Hintergründe zu trinkenden und schwätzenden Gruppen zusammengetreten sind.)
Zur Sache, Ihr Vettern; — ah, Ihr seid schon dabei; — hätte euch kennen sollen! —
(zu den Dienern)
Ihr Bursche,
laßt uns allein! — (Diener entfernen sich.)
Iochem von Hutten. Ich weiß auch nicht, was Du für eine Eile hast — Hutten, Vater. Was Du aber für einen Durst hast, das ist mir be kannt. — Soll'n wir uns mit Eurem Zechen und Schlecken diesen Nelkleinzählern und Pfefferwiegern zum Gespött ma chen? — Ihr Vettern, ich sag' es Euch — und Ihr wißt, der Alte vom Steckelberg hat noch nie sein Wort gebrochen — wer mir mit schlottrigen Knieen diese Schwelle über schreitet, dem stelle ich die Scheiben grade, bis sie wieder fest in den Gelenken stehn. — Beschließt den Ring! — (Sie tre. ten in einen Ring zusammeni nur Ulrich verbleibt aus seinem Posten im Vordergrund.)
Ihr werdet des Herzogs Vorschläge wohl alle
23 verstanden haben; er bietet zehntausend Goldgüldem, wenn wir der Blutrache entsagen und weiteren Handels für den erschlagenen Vetter uns enthalten wollen.
Sagt denn Eure
Meinung dazu, ob Ihr es annehmen wollt, oder nicht. Joche rn von Hutten (nach einer Pause). Zehntausend Golvgülden — mein hochseliger Herr, der weiland Bischof von Bamberg pflegte zu sagen: ein Todter wird nicht wieder lebig, ob nian zehnmal für ihn auf's Roß steige; — zehntausend Goldgülden! das klänge so übel nicht, wenn wir nicht unser gar so viele wären. Lorenz von Hutten. Die Vetter Ludwig und Frowin haben im Voraus auf ihren Antheil verzichtet. Kurt von Hutten. Und auch ich. Jochem von Hutten. Recht, mein Junge, recht!
Wäre vielleicht nicht noch
einer oder der andre unter Euch, der — Hutten, Vater (fovtfoin-cnt). — Lust hat: sich von einem oder dem andren Herzog Ulrich umbringen zu lassen? Jochem von Hutten (mit einem sehr specifischen Seitenblick auf Hutten. Vater).
Ich meine, unsereiner sei unbeweibt und ohne Kinder — es käme über kurz oder lang doch wieder zusammen — und das steht einmal fest: ein großer Haufen bleibt allemal besser bei einander, als ein kleiner. Hutten, Vater. Hat Dir das Dein hochsel'ger Herr, der weiland Bischof von Bamberg auch gesagt? Jochem von Hutten. Ich denke doch, Vetter, wir sind da zu reden.
24 Hutten, Vater. So, Vetter, dacht' ich auch. Markwart von Hutten. Ich hab' mir's derweil überschlagen; auf die Weis' kä men etwas über dreihundert Gulden auf jeden von uns; — das ist schon immer ein artig Geld in dieser schlechten Zeit. Die übrigen Hutten
(bis auf Ulrich).
Ja freilich, freilich! — Markwart von Hutten. Vielleicht, daß sich auch noch etwas mehr vom Herrn Herzog herausschlagen ließe; die Zeitumstände sind uns gün stig. Er hat sich der Reutlinger wegen mit dem schwäbischen Bunde, seiner Gemahlin halber mit dem Herzog von Baiern überworfen, und Franz von Sickingen soll mit einer grau samen Heeresmacht vor Stuttgart lagern; — wir können da unsern Topf umsonst mit an's Feuer schieben, ohne auch nur einen Scheit vom eigenen Holze darzu zu thun — und das weiß der Herr Herzog. — Hutten, Vater. Ihr wäret also dahin einig — Die Mehrzahl der Hutten. Ja, theilen, theilen. Hutten, Vater. Nicht zu eilig! — ich habe noch meine besondre An sprache, wie auch ich mir meinen Riemen aus des ermordeten Vetters Haut schneiden möchte. -- Die Kehle schindet es mir wund, daß ich selber rathen muß:
„nehmt das Geld" —
und wie ein Schwert fährt es durch meine Seele, wenn ich hinzusetze: „gebt es mir!" — (Bewegung unter den Hutten, auch Ulrich, der bis dahin theilnahmlos dagestanden, richtet den Blick auf den Vater )
Gegen meinen Willen — auf Euer Drängen und Stoßen
25 übernahm ich vor nunmehr vierzig Jahren die Steckelburg — die Liegenschaften verpfändet, die Bauern verlumpt, die Mauern zerfallen.
Als mein Weib ihres Erstgebornen ge
nas, mußt7 ich ihr Hochzeitsgewand über den Pfaffen aus spannen, damit des Buben Stirn mit dem rechten Wasser genetzt werde — so unhold jagte die Windsbraut den Regen durch das klaffende Dach und die berstende Decke.
Zwar
verhießet Ihr — oder Eure Väter — getreue Beihülfe an Geld und Handleistung — bin aber Eurer Verheißungen weiter nicht froh geworden, als daß Ihr Euch allemal bei mir einlegtet und zehren halft, wo Einer von Euch selber nichts hatte. — So blieb mir altem Narrn die Last allein, deß Lust im Tragen wuchs, und mein und meiner Frauen Erbe setzt' ich treulich dran, den Grund zu sichern, auf dem die Hutten erbaut sind. — Sprecht, ist es wahr, wie ich es sprach — ist's nicht? Die Hutten. Ja — wahr!
Hutten, Vater. Zu allem alten ist seit etlichen Monden ein neuer Scha den hinzugetreten, dem mit Streicheln und Flicken nicht mehr abzuhelfen ist.
Der Burgthurm nach der Kinzig zu weicht
im Fundament — und es gehört ein ansehnlich Stück Geld darein, wie wir's allesammt nicht haben — oder die Steckel burg rutscht dem Thurme nach mit ihrem alten Vogt zu Thal in die Fluchen. Wenn Ihr mir das Geld zusprecht — seht, ich recke meine rechte zum Himmel empor — verdorren soll sie und verflucht sein, wo ein unrechter Groschen an ihr haften bleibt! — Den Rest —
(fast tonlos, mit dem innersten Widerwillen)
— mich
schaudert ob dem Blutgelde; mag ihn nehmen, wer will! —
26 3ochem von Hutten
(nach einer Pause).
Dein Wort ist mein Wort, Alter — und so Gott will aller Mannen Wort, die hier im Ringe Hutten heißen! — Ja, es ist wahr; — wir haben Dich mit den Nesseln unsrer Bitten gepeitscht, bis Du Dich auf das verwitterte alte Nest niedersetztest, und hast Haus gehalten mit Hunger und Kum mer gleich dem Bogel Pelikan, von dem die Sage geht, daß er seine Brut mit den eigenen Herztropfen ätzt. Woher aber sollten wir nehmen und geben, seit Fürst und Pfaff mit dem Kaiser Halbpart gemacht und Maximilian zu Gunsten seines Lieblingskindes — der Städte — die deutsche Ritterschaft mit dem Hungerseile des Landfriedens gebunden hält? — Unsre Truhen sind leer, hinter dem Pflug schreiten ist wider ritter lichen Brauch, und wollen wir's von den Hörigen nehmen, so rennen sie den Städten zu; — der Art sind wir dahin gediehen, daß wenn der Iagdspeer des Hirsches fehlt, wir die Gratias vor leeren Schüsseln beten müssen; — trotzdem aber blieb etwas in unserem Blute, das sich mit dem Hunger ab zufinden weiß, und keinen Hutten nenne ich, der nicht mit mir ruft: — Herzog Ulrich's Blutgeld für die Steckelburg! Die Hutten
(mit Ausschluß Ulrich's).
Ja, Herzog Ulrich's Blutgeld für die Steckelburg! — Hutten, Vater. Du, Ulrich, schweigst? Hutten. Schwieg' ich? Hutten, Vater. Ich sagt' es Dir! Hutten. War's Ja doch laut genug auch ohne meines. Hutten, Vater. Das aber grade will ich, — das!
27 Hut len. Mein Vater — Hutten, Vater. Horst Du — ich will's! Hutten. Barmherzigkeit, mein Vater! Hutten, Vater. Ich will's! Hutten. Ihr wollt's! — So sei es denn gesagt: Als von den Hutten — von den Hunden lieber, Eh' meinem Gaum' solch Ja zum Echo wird! — Hutten, Vater. Bist Du mein Sohn? Hutten. An Eurer Stimme Zittern, Die klagend brach wie der getl offne Leu, Eh' sie dem Hauch gab, was ihr Athem nahm — Erkannt' ich, daß ich's bin! — Hutten, Vater (knt). Bist Du es denn, Woll' ehrlicher nicht als Dein Vater sein, Und sing' Dein Amen frischweg mit den andern. (nult; cv.)
Ulrich — mein Sohn! (Hutten tritt zum Leiter, der Me Hand an seine Stirn legt.)
Hei! wie die Stirn Dir klingt Ein splitternd Erz, das keinem Hammer weicht; — Ich fühl's vom gleichen Guß sind beide wir, Und Flammen sprüh'n, wo wir zusammenstoßen! — Doch nein — nicht so! — ich lege segnend auf Dein Haupt die Hand und kindlich hörst Du mich:
28 Sag' ja; — laß mir das @e(b! —
(Hutten wendet sich ab.)
Nicht, nicht bei Seit'! — Bei Deinem Heil! Du sollst in's Aug' mir blicken! — Es ist — ich geb' es zu — es ist 'ne Thorheit — Doch senkt ein frommer Sohn mit Scheu die Wimper, Däucht' ihm sein Alter kindisch.
Denk' ich kann es
Mal überwinden nicht, daß dieses Ding, An das sich meines Lebens Inhalt knüpft, Herab zur Kinzig rutscht! — Laß mir das Spielzeug! — Du selbst, mein Sohn, als aus dem üpp'gen Welschland Heimkehrend, sich vor Dir die Steckelburg Mit sorgzerfreßnem Angesicht erhob, — Da schwamm in Thau Dein Auge, und Dein Herz Empfand beim Anblick der zerfall'nden Mauern, Mehr Kerker gleich, als einem Edelsitz, — Ein menschlich Rühren, ein Gefühl der Heimath, Das unbewußt aus der bewegten Seele Sich Dir in's Auge schlich! — Hutten. Und dies Gefühl. Das wo ich war, die Heimath mir erhielt, Und was ich that, der Väter mich gemahnte, Wollt Ihr mir nehmen mit dem einen Ja! — Und wär' es mitf allein — was gält' es drum? — Doch Euch — Euch selbst — dem treuen Ehrenwart — Will Gott es so — am Ausgang des Geschlechtes, Das unentweiht, im Silber Eurer Haare Der Ehren ew'gem Lenz entgegenreift! — H utten, Vater (fast tonlos vor Grimm). Du bleibst beim Nein? Hutten. Helf Gott — helf Gott mir, Vater!
29 Ich kann nicht wider Euch sein und mich selbst — Nein — ewig: nein! — (Der alte Hutten bebt tue krampfbaft geballten Hände gegen den Sohn, der ihm stumm und ergeben gegenuberstebt. Als er gegen ihn losfahren will, tritt I o ch e m zwischen.)
Jochem von Hutten. (Dem Later in den Arm fallend) Halt, Alter — und Dll, Ul
rich tritt zurück; sonst giebt es ein Unglück! — Weiß der Teufel — sowie Ihr beiden zu einander kommt, gleich ist der Unfrieden fertig! — Hutten, Vater (ück windend). Schweig', sag' ich, und laß los! Hochem von Hutten. Nicht eher, bis Ihr bedenkt, wo Ihr seid und was Ihr thut! — Hutten, Bater (reißt sich los und stellt sich dem Solm gegenüber).
Laß los, sag' ich — ja, Du hast recht, mein Sohn, Es ist 'ne Schand' des Herzogs Geld zu nehmen, Doch für die Schmach, daß ich es nehmen mußte, Neigt Dir zum Dank sich Deines Vaters Stirn! — Sag' doch, was thatst Du, um dies greise Haupt Vor dem Verrath zu wahren, daß mit Scheu Es auf die ausgestreckten Hände sank? — Ein Bube noch entliefest Du dem Kloster, In dessen Zucht Dich mein Befehl gestellt, Und schweiftest abentheuernd durch he Welt — Ein flücht'ger Mönch — an eitles Possenspiel Dein Pfund vergeudend — ein Poet — so mein' ich — Heißt Ihr den Bettlermantel Eures Nichts! — Hätt'st Du, wie mancher edle junge Mann, An Gaben Dir nicht gleich, den bösen Willen Der eignen Lust im treuen Kampf besiegt,
30 Du könntest jetzt wie sie, des Vaters Blöße Mit einem Bischof- oder Kanzlerkleide Kindlich bedecken — und ich stund' nicht hier — Erstickend fast im Ueberguß der Scham — Durch Deine Schuld ein Bettler! Hutten (die Hände na di dem iSater ausgestreckt).
Vater! Vater! — Hutten, Vater. Nenn' mich nicht Vater! Elend war es — ja! — Daß ich mein Wort verlor, mich wortlos nicht Vom weichenden Gestein begraben ließ! Doch bei dem Haupte Gottes! — meine Schmach, Ich tausch' sie nicht um's Recht, das Du Dir nimmst, Am Sprühen meiner Wangen Dich zu letzen! — Sag' was Du thatst, sag' ich Dir, was Du bist! Ein fahr'nder Schüler in dem Reich des Nichts, Sein lust'ger Schalk an Deines Bischofs Tisch, Gelehrt nicht, Ritter nicht — halb Herr, halb Knecht — Das Niemand, Niemands Sohn, das ist Dein Recht! — (wendet sich zum Abgehn.)
Jochem von Hutten. Ulrich, bedenk' Dich, eh' Du ihn so gehen lässest, und gieb ein gutes Wort! Markwart von Hutten
(zum alten Hutten).
Wenn Dein Sohn zu leerem abziehn will, was hindert das uns am Theilen? Hutten, Vater
(ncich weiter zurückgehend).
Richtig, Vetter! — nur frisch mit den Fingern abgestupft, wie viel mehr damit auf Deinen Part kommt. Kurt von Hutten
(ihm den Weg vertretend).
Oheim! Oheim! wir alle ehren Euch — doch keiner —
31 behaupt' ich — mehr als Euer Ulrich! Muß denn nicht Recht Recht bleiben? (Alle Hutten sind inzwischen dein alrcn Hurten gefolgt bis auf Ul rich, der im Vordergründe rechts allein blieb. Als der alte Hutten sich zum Abgehn wendet, ist Barbara aus der Seitenthüre getreten und folgt der weitern Entwicklung der Scene.)
Hutten, Bater (kehrt um, indem er Kurl nach sich zieht und die rechte gegen den Sohn erhebt).
Es muß, mein Sohn, es muß! und daß es bleibt Und weil er Recht gehabt, sei er verfl — (Ehe der Vater vollenden kann, hat sich Barbara zu Huttens Füßen geworfen und hält, beide Hände gegen den Alten ausgestreckt, ihn von der Vollziehung des Fluches zurück.) (Der Vorhang fällt.)
32
Zweiter Akt. Decoration des vorigen Aktes.
Erste Scene. (Butten in einem Buche lesend.
Hutten
Später Erasmus.)
(das Buch bei Seite legend).
„Brutus, du schläfst!" — war das Plutarch, der sprach, — War es ein andrer? — Nein — hier steht es — hier: „Gefiels den Göttern, du wärst noch am Leben! — „Nicht schliefest du, wärst du in Wahrheit Brutus!" — ' „Brutus, du schläfst!" — War's möglich und gewöhnte sich der Mensch So ganz an's Elend, daß des Glückes Schein Er unverhüllt nicht ohne Schmerzen trüge, — Und uns erst dann vom Aug' die Binde sinkt, Wenn wir geblendet von des Schicksals Hand, — Wie arme Böglein von dem glühnden Draht, — Aus dieses Lebens Qual in Finsterniß Empor zum Himmel schrei'n? — (stutzt das Haupt, die Augen mit der Hand überschattend, aus den vor ihm stebenden Tu'ch.)
„Brutus, du schläfst!" — O gönnt noch eine kurze Spanne Zeit,
33 Ihr Neidischen, mir eines Glückes Traum, Das wie beim Dämmern eines Maienabends Sich aus den halberschloss'nen Blüthenkelchen An's Herz mir schleichen will! — Zurück, du Wort, Jn's gelbe Pergament, dem du gehörst — Was stehst du vor mir, wie im Leben wandelnd, Und bist doch todt, wie jener, dem es galt! — (Trommeln hinter der Scene.)
Die Kriegesfuria durch die Gassen Frankfurts? — Was ras't so seltsam heut' sie an mein Ohr? — (indem er ant Fenster tritt und es aufreißt)
Geworben Volk! — sind das nicht Sicking's Farben? — Da, da, auf der Standarte: „Sickingen Wirbt wider Herzog Ulrich!" — Und ich hier? — Schlief Brutus nicht — dort unten wär' mein Platz! — Ausrufer
(hinter der Scene).
„Ritter Franz von Sicki-ngen, kaiserlicher Oberst und des schwäbischen Bundes Feldhauptmann, wirbt wider Herzog Ul rich von Würtemberg als einen dreifachen Verräther:" — Metzler
(hinter der Scene).
Gleich dreifach? Rohrbach
(hinter der Scene).
Minder thut solch Herr es nicht. Ausrufer (m. o.). — „im Ehebruch wider seine Gemahlin; — im Morde an Ritter Hans von Hutten; — in Vergewaltigung kaiser licher Reichsstadt Reutlingen." — Metzler (w. r.). Soll'n wir uns werben lassen? Rohrbach (w. o.) Hatt's im Sinn; — Doch da die Hutten selber Geld genommen —
3
34 Sofyl (hinter der Scene).
Die Hutten von dem Herzog? Karsthans
(hinter der Scene).
Eh vom Ulrich, Glaub' ich es von mir selbst. Rohrbach (w. u.). Traut nicht zuviel; — Wer heut brav schreit, will weiter nichts als zeigen, Wie groß das Maul ist, das man stopfen soll. (Erasmus ist durch tue Gallerte aufgetreten und hält sich beobachtend im Hintergrund.)
Hutten
(vom Frnster herunterrufend).
Der Du die Listen führst, noch einen Namen Schreib', eh' Du weiter ziehst. Erasmus
(auf Hutten zueilend).
Ich hab's gefunden! Hutten. Was? Erasmus. Euren edlen Namen! Hutten. Meinen Namen? — Und hobt ihn auf? Erasmus. Was ich als Hutten fand, Bring' als Kalybion ich Euch zurück. Hutten. Kalybion? Erasmus. Versteht mich: Hutten — Hütten — Das Ü ging oftmals über so in U —
35 Vom deutschen: Hütte — griechisch: Kalybe — Was denkt Ihr von Kalybion? Ausrufer >w. v.)_ Welchen Namen, Herr, soll ich schreiben? Erasm us (indem er ihn vom Fenster zuriickzuziehn sucht).
Ja, Ihr steht und staunt; — Ich mein', Kalybion käm' in Melodie Des Silbenfalls Melanchthon mindstens gleich. Hutten.
Welch Namen? Erasmus. Nun, Kalybion! Hutten (reißt sich von ihm los und eilt zum Fenster. indem er herunterrufl).
Ulrich Hutten! Das Volk (Imuci Da tsvene). Auch mich! — auch mich! — uns alle schreibt mit ihm! Erasmus. Seid Ihr bei Sinnen? Hutten. Heut' noch nicht, Erasmus — Heut' darf die deutsche Raupe Hutten sich Wod) in den griech'schen Schmetterling Kalybion — Sich heut' noch nicht verpuppen! — Meine Vettern Vergaßen ihres Namens; — meiner soll Im Buch der Ehr' nicht fehlen, wenn die Nachwelt Dem Namen: Hutten, einst die Rechnung stellt. — (eilt durch die Oallerie von der Scene.)
36
Zweite Scene. (Erasmus, allein.
Spater Ba rba ra.)
Erasmus. Fort und dahin! — was mit Kalhbion Ich zu erbaun gedacht — reißt Hutten ein! — Medias in res — umstellt, umjauchzt, umschrieen — Volk (hinter der Scene, wahrend Erasmus letzter Worte)..
Hoch, Ritter Ulrich von Hutten! Erasmus. Und ohne Auswahl Händedrücke wechselnd, Als wär's in einer alten Bücherei, Wo aus dem Wust des Staubes, ohne Scheu Vor der Befleckung, die begierige Hand Ein selten Pergament sich niederlangt. — Ich fass' es nicht; — ist demosthenisch schreiben, Denn mehr nicht werth, als martialisch handeln, Daß er die Reden wider Herzog Ulrich Run mit dem Schwert noch unterstreichen muß? — Nach meinem Sinn wär' solch duellum nicht; Doch liegt's vielleicht im Blut, wenn die Natur Die einen Hunde für die Jagd bestimmt, Die andren für den Zug und die Bewachung; — Wie sie die Nase tragen, ob nach unten, Ob hochhinaus, sind sie doch alle Köter, Und Wissen ist's allein, was eximirt. — Ich sah in Flandernland einst einen Kerl, Der glüh'nde Kohlen fraß; — hätt' meinem Ritter Auf Ritterehr' er's Angebot gemacht, Ich glaub', er hätte Feu'r mit ihm verschlungen, Und die verbrannte Zunge hinterdrein
37 Jn's Wappen sich gesetzt — ein Scaevola An seinem eignen Schlund. — Nun, meinetwegen; — Doch merk' ich's für die Zukunft, daß ich mit Centauren nicht Gemeinschaft pflegen will, Die wiehern, wo wir lachen; mit den Hufen Dreinschlagen, wo wir necken; und wie's kommt, Auch Hafer aus dem Helm der Pallas fräßen. —(Sa rbara tritt ven links durch tue Gallerte auf.)
Ich furcht', ich werd's bereun. — (ijeronfort, zum 'Jlbqetm gewendet, Barbar a.)
Ihr, Barbara; — Ihr kommt zur Zeit; — schaut dort, was ich nie wollte, (tuDein ci sic an das Fenster führt.)
Daß Eure Augen es erblicken müßten. Barbara
(am Zensier).
Hutten! inmitten der Schaaren von Sickingens tapferen Lanzenknechten! — O Erasmus, wie danke ich Euch! — Noch nie sah ich ihn, so ganz sich selber gleich! — Erasmus. Eh! Barbara
(am Fenster).
Das rollende Auge flammend in Strahlen, welche die Endlichkeit Überwinden; — zuckenden Blitzen gleich, beredte Begeisterung um seine Lippen; — die erhobene Rechte ehern entgegenstreckend dem heiligen Ziele! — Nur nach — nur Hutten nach! — und das Unerreichbare sinkt wie eine leichte Beute zu Euren Füßen nieder! — Erasmus. Um Himmelswillen, sagt mir, was Euch ist? Barbara. (Erasmus zum Fenster nach sieb ztebend.)
Seht Ihr die- Wolke des Schmerzes, welche sich jetzt um
38 seine Brauen lagert? — Er spricht von dem schändlich ge mordeten Vetter, dem Schmerze des alten Vaters, dem Rache schrei des ganzen Hutten'schen Geschlechts! Erasmus
(am Fenster).
Ich sehe nur, wie er die Hand auf die Schulter eines widerwärtigen alten Kerls mit rothen Haaren legt, und ihm dieser mit dem Ausdruck einer Bestialität entgegengrinset, um die ihn ein Pavian beneiden würde. Barbara
(wie oben).
Ihr hattet recht — aber gebet acht, wie sich sein Auge ändert, indem sein Ohr den Worten Hutten's folgt!
Auch
um seine Lippe bebt schon der Ingrimm, und der finstere tückische Trotz entweicht vor der Erkenntniß der zu sühnen den Unthat! — Sehl Ihr — seht, wie hell jetzt Leidenschaft auch aus seinen Augen blitzt? Erasmus
(xhmu Fenster zurücktretend).
Es ist mir widerlich, ihn zu sehn — jetzt und vorhin — und mit Verdruß nur vermag ich Euch anzuhören. Ich bebe vor jenem Anblick zurück, der Euch in Entzückung versetzt, — ich schaue im Geiste voraus die Folgen einer leidenschaft lichen Gewaltsamkeit, die Euch beide zerstören muß! — Barbara (une oben).
O daß ich mit ihm verginge an dieser Gluth der Be geisterung, und geeint zu
einer
unauslöschlichen Flamme
schwebten unsere Seelen zum ewigen Lichte empor! Erasmus
(sich von ihr abwendend).
Ihr werdet's! Ihr werdet's! — Fahret nur fort im Taumel der betretenen Bahn.
Durch Dich gedachte ich ihn
der Wissenschaft und Humanität zu erhalten, und mit ihm stürzte ich Dich in das unaufhaltbare Verderben. Barbara
feine Hand ergreifend).
Wendet Euch nicht int Zorn von mir,' mein Vater! Soll
39 ich nicht außer mir sein, wenn ich den Geliebten erblicke in der Heimath
und Werkstatt seines Ruhmes — belauschen
darf das Geheimniß jener zündenden Gewalt, die er über das Gemüth seines Volkes übt — ihn erkenne als das Herz, das Auge und die Hand deutscher Nation? Rufe hinter der Scene. Hoch, Ulrich von Hutten, hoch! — Barbara. Hört es, wie vor seinem Odem das grollende Meer auf braust — wie aus den Spitzen seiner Finger hinüberströmt in jene chaotische Masse, Hutten's trunkene Seele, trunken für Freiheit, Recht, Glauben, Vaterland! — Erasmus. Sie schrie noch immer, diese verächtliche Menge, ihr Hosiannah entgegen, den sie am nächsten Morgen an's Kreuz schlug. —
lindem ei '-Barbara ;u einem Schemel vor einem Stuhle führt,
in welchen er sich selbst niedersetzt.)
Noch einmal setze Dich nieder zu meinen Füßen, theure Jungfrau — wie damals wo Du vom kindischen Spiele auf springend, an Deines Vaters Kniee lehntest, und mit den klugen Augen zu uns emporschauend, dem Gespräch der ern sten Männer folgtest, das dem Verstände annoch Verschlos sene erschließend mit der lauteren Einfalt Deines kindlichen Gemüthes. (sie setzt sieb *u des ff r a 8 m u 8 Fußen nieder.)
Gern sprachen wir und viel von dem erwachenden Geiste der Zeit, — der mächtig auflohenden Flamme der Wissen schaft, — dem unaufhaltsamen Fortschritt der wachsenden Er kenntniß; — als die holdeste Blüthe menschlicher Bildung, — erinn're Dich wohl — als deren edelste und köstlichste Frucht priesen wir allzeit aber das weise regelnde Maaß. — Gedenkst Du deß, meine Tochter?
40 Barbara. Ich gedenke, mein Vater. Erasmus. Kein erschaffener Geist — er sei so gewaltig an Kraft, so unerschöpflich in seinen Entwürfen, so reich an Mitteln, wie ihn Deine Einbildung ausstatten will, — hat jemals ge nügt, eine neue Zeit, wie etwas fertiges, in die alte hinein zustellen. Wir werden aus dem, was war; wir sind durch das, was gewesen ist. — Und doch möchtest Du glauben, daß der Gedanke, in welchem jetzt Luther die Welt erschüt tert, wie Athene dem Haupte des Zeus, ihm entsprang, ein neu in ihm und aus ihm Gewordenes? — daß zu der Gei sel, welche er wider den Scholasticismus und Romanismus schwingt, Dein Hutten selbst den Stier geschlachtet und die Riemen geschnitten hat? — Du kennst die Namen Meuch lings, Peutinger's, Pirkheimer's — unter besseren auch den des Erasmus; — nur pflegten wir mit priesterlicher Hand des heiligen Feuers, daß nicht der Brand die wüsten Köpfe eines urtheillosen Pöbels erfasse, und der Kreis nicht großer werde, als die Kraft, die im Centrum regiert: wir schrie ben lat ein. — Da plaudert der bäurische Luther in einer Sprache, deren Laute rauh und gewaltsam tönen, wie das Knarren der vom Wintersturm erschütterten Zweige — die verborgenen Mysterien anschauenden Denkens aus, und Ul rich von Hutten, vergessend seines besseren Ruhmes, stürzet ihm nach, und die Welt zurück in jene Barbarei, aus welcher wir sie errettet glaubten. Barbara. Verstand ich Euch recht, Erasmus von Rotterdam? — Barbarel dürfet Ihr es nennen, wenn auch den Kindern und Unmündigen geoffenbaret wird, was Ihr in eigensüchtigem
41 Dünkel auf den dumpfen Umkreis Eurer Sludierstuben zu beschränken trachtet? — (indem sie sich »cm Sessel erhebt.)
Ihr sagtet es: der Mensch werde durch das, was vor ihm gewesen ist — sei es! Das aber unterscheidet den gro ßen Mann von dem gelehrten, daß er mit dem Fuß in der Gegenwart, mit dem Haupte über sie hinausragt! — Fürwahr, nicht schelten sollt Ihr mir die Hutten und die Luther — wenn sie die ersten, die gewaltige Waffe des Bücherdrucks in der Hand, dem erstehenden Geiste der Nation deutsches Wort und deutsche Rede zurückgaben, welche gelehrter Hoch muth ihr durch Jahrhunderte vorenthalten hatte! — Erasmus
(ebenfalls aufstehend).
Du nennst mich hochmüthig und dünkelhaft — ich war es, als ich Dich zu meinen Füßen niedersetzen hieß.
Dein
Kampfplatz ist weiter, auf den Du ihn hinausforderst, als auf den Dir Erasmus folgen kann. Er kennt nur die Renn bahn der Geister gegen die Geister und bebet scheu zurück vor dem Geschrei des gewaltthätigen Marktes! — Er kann nur fürchten, daß das Schwert beende, Was keck die Faust begann; kann mahnen nur, Daß uns die Gottheit Schranken zog, ohn' Rache Vom Fuß des Menschen nicht zu überschreiten; — Denn nicht der Zweck allein — die Möglichkeit, Mit wohlgeprüfter Kraft ihn zu erreichen, Bewahret uns vor Irrfahrt; — mag Begeiferung Die Ziele stell'n — die Weisheit nur gewinnt sie.- — Hör' günst'ger drum — um Hutten und Dich selbst — Als meiner Rede Anfang ihren Schluß: — Der edle Erzbischof von Mainz, der Freund Und Gönner Hutten's, will ihm mehr vergessen, Als er als Deutschlands erster Priester dürfte.
42 Er beut Vermittlung ihm beim Pabst und Kaiser Und Rückkehr — vorwurfslos — an seinen Hof, Nur eines heischend, daß für Luther nicht, — Doch auch nicht wider ihn — er fürder schreibe.
Barbara. Fürwahr, nicht mehr als das! — Erasmus
(ifne Hand ergreifend).
Berathe Deinen Fuß, eh' er zu keck Der steilen Bahn des Mannes folgt; — das Weib, Das edelste drin dem gemeinsten gleich, — Entbehrt der Stätte nicht, wohin die Wiege Sie stellen möge künftiger Geschlechter. — Leb' wohl — und Frieden sei der letzte Gruß, Mit dem ich von Dir scheide. -------(geht ob.
Dritte Scene. (Barbara allein.
Später Hutten.)
Barbara. Das also ist Eu'r Weg! so wollt Ihr's zwingen! — Was keine Welt in Waffen beugen konnte, Kein Ungemach noch Wunden, Noth und Elend, Kein irrend Leben, Flucht noch Vaterfluch — Ich soll's mit meinen Thränen! — Wasfne dich Mit deines Stolzes vollster Hoheit, Weib, Und laß dies Naß versiegen an dem Zorn, Mit dem Verachtung du verachtend strafest! — Das wäre unsres Ruhmes kläglich Ende, Wie er es stellt? — Das unsrer Würde Maaß, Mit dem er mißt? — Bin ich nicht dieses Leibes, Wie Ihr des Euren Herr? — Steht's nicht bei mir,
43 Wie dies Gefäß der Sterblichkeit sich fülle — Mit Schwachheit oder Tugend? — Irrt Euch nicht! — Nicht in dem Troste weibisch eitler Zähren Wird, seiner werth, sich Hutten's Braut bewähren! — (glitten tritt auf.) Barbara (auf ibn ;uflieqend).
Ich wußt', Geliebter, — wußt', Du werdest kommen — Heim in die Heimath kehren, eh' Du schiedest — Und durft' es doch nicht hoffen! — Weil ich wußte: Mein Ulrich sei so gut, als Hutten groß — Drum hofft' ich thöricht Ding — und sieh' — Du kamst. Hutten. Du ängstigst mich — Barbara. O niemals wiÜ ich das! — Hutten. So denn Dich selbst — Barbara. O nimmer glaube das — Wenn alle Dir es sagten! Hutten. Nie sah ich Gleich heute Dich erregt — Barbar a. Soll ich's nicht sein? Wann sah ich jemals Dich so Hutten gleich! — Hutten. Du zürnest mir? Barbara.
Ich sollt' es, daß Du der Zur Hälfte Dich nur gabst, die ganz die Deine.
44 Hutten utten, Bater (indem er 3ediern von Hutten die Sui^fdiluffet abnimmt, einen losnestelt und il'ii tX>iatt('ev -liebt).
Hier — nimmst den Schlüssel; — ist zum Wasserpförtlein; — schleich' Dich die Kinzig entlang.
Fangen Dich die
Bauern, ruf' meinen Sohn an; — hast ihm oft genug durch geholfen, — wird es Dir auch thun. Matthes. Herr — Hutten, Vater (sdienft steh und jochem den Fruhtrunk eui).
Unterwegs sprich beim Roßstall vor, und sieh', wie ich's mit denen hals, die hier übrig sind. (9)ta ttfyed ab. von außen.)
Geh'! —
Ll>al'ieud Hutten und Jochem trinken, fallen Schusse
Sind vornehme Herrn geworden über Nackt, Jochem; — (stoßt mit thu zusammen.)
Dieweil wir Gesundheit macken, feuren die da draußen mit den Karthaunen dazu. — (tratst aus und steht auf )
Bist fertig? Jochem von Huttcll
(ebenfalls aussiebend).
Bin's. —
Hutten, Vater (mit der Hand an der Tburintbure).
Jochem, wenn ich die Thür hier nach mir zog, werf' ich den Schlüssel in die Kinzig.
Sie ist eisern und der Riß im
Thurm hat sich erweitert, daß die Schweißhunde hindurch springen und die Wiesel jagen, — ein paar Blockstücke noch und es geht niederwärts mit ihm. Jochem von Hutten. Hatten beim Bamberger Bischof einen Feldscheer — wenn's hinaus ging zu einem Strauß, setzte sich der alle-
76 mal an die Heerstraß', und kramte seine Sägen, Messer, Scheeren, Zangen, Brandeisen und Pflaster vor sich hin, uns den Muth zu machen wegen künftiger Wunden — hat ihm nie keiner gedankt. Hutten, Vater (ihm eine Weile starr in's Auge schauend).
Meinetwegen. — (Erneute Schusse. Hutten stößt die Tburmthure auf, und kommt zu Iochem zuruck.)
Ich greif' mich an mein Haupt, und leg' die Hand an Dei nen Scheitel, und frag' mich, ob das der Rest ist vom gan zen Hutten'schen Geschlecht? — Iochem, Iochem — wenn mein Ulrich am Ende doch Recht hätte, und eine neue Zeit wäre im Anzug! — Iochem von Hutten. Mein hochseliger Herr, der weiland Bischof von Bamberg — Hutten, Vater
(ihn unter den Arm fassend).
Sag' mir, was der zu sagen pflegte, wenn wir inner dem Thurm sind; — denn ich käme mir vor wie außer Le ben und Sterben, wenn der Bogen da zusammenstürzte, ehe wir die Thür hinter uns nachzogen! — (Gehen Arm in Arm in den Thurm, der von innen verschlossen wird. ÜJtan hört den Schlüssel atiö dem Schloß ziebn, und denselben beim Wurf in die Tiefe auf einen Felsen schlagen.)
Zweite Scene. (Geschrei der stürmenden Lauern hinter der Scene, das naher und naher kommt. Darauf Siev er s. R ohrbach, Link, Kohl und Bauern. Spater K a r ft h a n s mit Bauern. Endlich Ulrich von Hutten.
S ievers
(hinter der Scene).
Dreist vorwärts, sag' ich Euch; 's hat keine Gefahr mehr; das Satansnest sieht nur noch aus wie eine Mause falle. -
(kommt mit R? hrbach. Link
St v b I und Bauern auf die Scene.)
Tu, Konrad, bring' Bescheid an Karsthans, die Mannen un ter dem Tburm sollen fid> zurückziehn, die Nase aus dem Riß zu bringen; — man siebt's von unten kaum, wie das alte Gestell vorüber bängt. .'S:n Bauer ab.)
Rehrbach. Müssen mit Permiß eintreten: baben die gnädigen Her ren am Frühstück verstört. Kohl
d.e l.Vei V ritircnfc}.
Gedörrtes Fleisch und getrocknete Erbsen! schwarz
in
den Kleien
—
ein
Das Brod
rechtschaffener Baur hat's
besser. Link 'die Hand am Gescl'lechtsbecher). Bis auf den Becker da: — mein! so hastig davon ge gangen, haben uns noch die Neige drin gelassen. Rohrbach (nimmt den BeÄer). Laß sehn! vielleicht daß des alten Hutten Keller besser bestellt war, als seine Küche! —indem er trinken tr:U l:ft ncb der Tburm um der Halle und stürzt krachend zur Ki'.'Z'g berab. (J:n 2I’c\ der Bauer", er triebt, cm anderer — unter lbnen Robrb a ch. “. v. i JJcbl —iiuft stcf* auf die Kniee und birgt daS Gvsicht am Boden. Nur Severs bleibt aufrecht.)
Rohrback
irabrcnd des Zu^arnmenüurzesv
Verdammt! Ter alte Tckelm bat Feur an die Pulver kammer gebracht, und sprengt uns selbander in die Luft! Bauern
cben^).
Flieht! stiebt! — Wieners. Bleibt — laßt Euch nicht sürckten!
Mein', Ihr hättet
an Euren Leitern gemerkt, daß sie sich seit zwei Tagen ver schossen haben! — Muth - und Webgedem der Bauern um der untern Tburimeite berauf.)
78 Hört Ihr, wie die da unten heraufheulen vor grimmigem Kopfschmerz! — Ihr alle seid Zeugen, daß ich's dem Karst hans rechtzeitig zu wissen that. R o h r b a ch
(an den Abgrund herantretend).
Wie Du's gesagt: — alles zermalmt und zerschmettert — der alte Dachs zerrissen obendrauf! — (nimmt den Becher und schleudert ihn in die Tiefe.)
Da hast ihn, Deinen Ketzersbecher, daß Dir der Satan Dei nen Trunk gesegne! — (Karsthans und Bauern treten auf.)
Sievers. Siehst nun, wohin Dein ewig Besserwissen führt? Die Hälfte unserer
Mannschaft unter diesen
Trümmern ver
schüttet! — Karsthans. Hätt't Ihr zur Zeit gestürmt, wie ich's befahl, und die Nacht nicht wieder vervöllet und verzecht, daß Ihr den Mor gen noch am Boden klebtet, — das Unglück blieb ungeschehn und ich hätt' Deine Meldung zur rechten Zeit erhalten. Sievers. Zur rechten Zeit? Ich will Dir sagen, wann Deine rechte Zeit ist: wenn Dir der Teufel die Suppe gesalzen ha ben wird! — Soviel Kopf' hier — soviel Zeugen, daß ich den Konrad vor länger als einer Stunde an Dich abgeschickt hab'! —
(Bejahendes Gemurmel unter den Bauern.)
Karsthans. Will weder mit Dir streiten, noch mich bei Dir ver antworten.
Den Nachmittag auf der Wiese bring' ich die
Sach' zum Spruch vor die Aeltesten. Sievers. Und weißt Du, was ich auf Deine Aeltesten halte? — (zerschmettert einen Krug vom Tisch zu KarsthanS Füßen.)
Soviel als auf
79 den Krug da, wie er zerschmettert zu Deinen Füßen liegt! — (Beistimmendes Lochen unter den '-Bauern.) Hätten wir darMN das
Joch vom Nacken gestreift, unter ein anderes unterzukriechen? — Rache woll'n wir und ein lustig Leben —- und daran sollen uns Deine Aeltesten mit ihren Rathsherrnfalten so wenig hin dern, als Du mit Deinem geistlichen Wesen! — Karsthans. Wie — Meuterei? Sievers. Was Meuterei! hat sich was mit Deinem hochmüthigen Gethue! — Wer ist unser Oberster als die Gesammtheit, und wer die Gesammtheit als wir selber! Die Bauern (dazwischemchreiend). Keine Meuterei!
Rache und ein lustig Leben!
Rache
und ein lustig Leben! — Karsthans. Ja, ein lustig Leben — mit Zinkeniren und Bankettiren!
Wartet, daß Jhr's gewahr werdet! — Der Metzler
brachte Bescheid, daß der Truchseß von Waldburg bei sechs tausend von den Unsern vor Elchingen zusammenrannte, und Kaiser Karl selber mit einem ungezählten Heer gegen uns heranrückt. Sie vers. So? der Metzler also? Das ist auch so einer von den Euren und bringt seine Kundschaften, wie Ihr sie am besten braucht! Rohrbach (zugleich). Ungezählt? laß kommen, KarsthanS, laß sie kommen! — Wir wollen ihm die Hunderte von den Einern abstreichen, daß Sr. Majestät nach der Schlacht das Zählen leichter ha ben soll! (Hutten stürzt bleich und abgejagt auf die Scene.)
80 Hutten. Zu spät! zu spät! — (indem er bis an den Abgrund vordringr.)
Noch einmal thu' dich auf, Schlund ohn' Erbarmen, und erbarmungsvoll Zermalm' auch mich mit hohngefletschtem Zahn! Kohl (chn zurückhaltend).
Was schafft Ihr, Mann! Hutten. Zurück, Ihr Mordgesellen wehrt mir nicht! Blutlechzende Hyänen, sagt, o sagt, Was that der Mann Euch, dessen Silberhaupt, Vom kant'gen Stein zerrissen, Thränen weint In die mitleid'ge Fluth! — Die Eiche wich, zersplitternd, Eurer Wuth — Nicht er, nicht er! — und deckt mit heil'gem Schatten Des letzten Ritters Grab! — Was that er, Mörder, Euch, der mehr als einer, Als der erbärmlichste von Euch gelitten, Gedarbt, gerungen in des Namens Bürde, Den er mit frommem Aberglauben trug! — Fürwahr, wohl Eure Hunde hatten's besser, Als er's für sich gewollt, und Ihr erschlugt ihn! — Kar sthans. Nicht wir, Herr Ritter — selbst er wollt' es so. Rohrbach
(halblaut zu den Bauern).
Hört die Bestie wedeln: „Herr Ritter!" — Hütet Euch vor Verrath! Sievers.
Ho! was kommt's auch auf die- Hunderte an, die um des eigensinnigen alten Narrn willen dort unten im Grunde
81 erschlagen liegen? — Bauernbunde! Futter für die Raben Fraß für den Wolf! — (Dre Bauern mcfcn zustimmend
)
Hutten. Und zu Euch kam ich als dem letzten Hort Der deutschen Freiheit! — Hort es, Ihr Unseligen, Hin, hin ist Sickingen, wenn Ihr nicht helft! — Ringsum umstellt und todesmüd' gehetzt Von seiner Feinde rachbegier'ger Meute, Wirst noch das edle Wild im letzten Kamps Ohnmächtigen Staub um sich! — Karsthans. Es ist zu spät! — Er selber wies uns ab! — Steig' er jetzt selber Vom Kreuz herab, das er sich selbst errichtet! Hutten. Weist mich zurück nicht, wie er einstmals Euch — Und noch ist rechte Zeit! — Auch ich hab' all' sie — alle angeschrie'n Pabst, Kaiser, Reich und Herrn — um's Vaterland, Und wollten mich nicht hören — Hutten's Ruf Verscholl wie einst des Pred'gers in der Wüste! — Was sie verschmäht — mit ausgebreit'ten Armen Leg' ich es heut' an meines Volkes Herz: — Wer stellt, gemeiner deutscher Freiheit willen, Mit Ulrich Hutten sich in die Entscheidung, Im Schwur Eins und im Willen, frei zu sterben, Eh' unter'm Joch zu leben! — (llnqcmiffe Bewegung des Zu gern S unter den Bauern )
Kohl Was haben.
meint Ihr?
(balblaut).
Halberwege sollt' er nicht unrecht
82 Sievers. Versuches doch, und helft ihm aus der Klemme, daß das Franzi Euch's hinterdrein macht, wie jetzo der Luther! Ja, freilich — zu allem gröbsten ist den Herren der dumme Baur gut genung; gebrauchen möget Ihr uns — unsere" harten Köpf', unsere schwieligen Fäuste, — um uns hinter drein das
plumpe Gehirn
zusammenzuschmeißen, und
die
Hand abzuhacken, die für Euch die Kohlen aus dem Feur holte! — Hutten. Ist das — noch einmal, Karsthans! — auch Dein Wort? — Karsthans (duster vor fiel; bin).
Mein's wie sein's. Hutten. Sagt an, Ihr Männer, was so graunvoll Euch — So grauenvoll entstellt hat seit dem Tage, Wo mit dem Schild ich meines Worts Euch deckte? — Was wart Ihr — und was seid Ihr? — Ausgezogen Für Gottes Sache und der deutschen Freiheit; — Und jetzt: Bluthunde, Mörder, Räuber, Diebe, Der Menschheit Fluch und jedes Heilthums Schänder! (Zunehmende Erbittrung unter den Bauern )
Die Bauern
(durcheinander).
Schlagt ihn nieder! — Reißt ihn in Stücke! — Her unter mit ihm in den Abgrund! — Kar st Hans
(vor Hutten tretend).
Bei den Artikeln! mein ist dieser Mann Und mein an ihm die Rache! — (zu Hutten.)
Du hast Deinen Luther gut im Kopf, und keinen ver gessen von seinen Ehrentituln wider uns Bauern! — Meint Ihr, wir sind darum durch Jahrhunderte Knechte gewesen
83 und gehalten gleich den Knechten, um jetzt, wo unser die Gewalt ist, mit gespitzter Lippe die Hände zu küssen, die uns mißhandelten, und zu den Füßen zu kriechen, unter deren Tritten wir gewinselt haben? — Aug' um Auge, Zahn um Zahn! lautet unser Katechismus, und möget Ihr immerhin bis an die sieben Bitten sein, mit uns bleibt es noch beim ersten Hauptstück vom rächenden Gott von Geschlechtern auf Geschlecht! — (Zustimmender Ruf der Bauern.)
Bindet ihn an Hand und Fuß, und laßt ihn den Bo den küssen, der ihn erzeugt hat! — (wahrend es geschickt.)
Schleudert Fackeln in die Burg, und zündet ein neues Feur an, daß es weithin leuchte gen Nord und Süd, gegen Osten und West! — (Ein Theil der Bauern verlaßt die Hatte, welche alsbald von einem Zeuer> schein unheimlich erleuchtet wird.)
Wenn dann an Dich, Verwegener, des Todes Angst und Verzweiflung mit langsamen Schritten heran tritt — mit dem knisternden Gebälk — den stürzenden Dächern — dem Krachen des Gemäuers; dann bedenke, daß gleich lang sam der Haß in unseren Herzen reifte, und daß er nicht von Flamme lassen wird, so lange ein Stein auf dem an dern blieb, die wir im Schweiß und Blut der Frohne unter den Geißeln unserer Peiniger und Dränger zusammentragen mußten! — (KarstHans mit den Bauern ab.)
Dritte Scene. Hutten
(gebunden am Boden).
So steh' ich denn am Ausgang, wie ich kam — Verhaßt, verflucht, verworfen, wo ich liebte! —
6
*
84 Und nicht der Mensch allein — das scheue Heer, Das durch die Lüfte kreist, der Dohlen, Eulen, Und schwirrnder Fledermäuse, aufgeschreckt Vom Feuerschein, erhebt sich wider mich Und krächzet Anathema! — Bleib' nicht zurück denn, Erde; — roll' auch du, In Finsterniß gebührend, deinen Schooß Und spei' ein unnatürlich Schreckniß aus: — Herauf, herauf, du geisterhafter Reigen — Ihr meiner Väter Schatten, steigt empor — Leckt mich mit Flammenzungen, peitscht mit Rauch — Und schreiet Rache, Rache über mir Im grauenhaften Chor! — (Da- Geist deS alten Hutten, blutig und zerrissen an Angesicht und Glie dern, steigt in seiner gewöhnlichen Tracht aus dem Abgrund empor und neigt sich über Hütte n.)
Weh' mir! — Dich wollt' ich nicht! — Die Silberlocken Vom blut'gen Thau bereifet — mit der Hand^ So fest wie einst im Leben, vor sich her Die Schaar der zitternden Gespenster scheuchend! — Mein Vater! — Neig' Dich so fürchterlich nicht über mir — Du warst es, der mich zeugte, wie ich bin — Dein Sohn und echter Erbe! — (Der Geist verschwindet. Ulrich von Hüllen finft in Ohnmacht zurück.)
Vierte Scene. (Hutten, wie oben. zu ihm.)
Karsthans, den Morgenstern ut der Hand, tutt
Karsthans. Ulrich von Hutten! Hutten. Wer nennt hier Hutten's Namen? — Karsthans — Du!
85 Ein Stern der Hoffnung schwebt ob meinem Haupt Dein Morgenstern! — fenf milde Deine Hand, Und gib Dein Amen mir zu letztem Frieden. Karsthans
(Huttens Bande lesendV
Nur durch der Fessel Bande wardst Tu frei — Entflieh'! — Hutten. Was soll's? Karsthans. Durch Feneln Freiheit bringen! — Säum' nicht und flieh1. Hutten. Wohin? Karsthans. Weit ist die Erde. — Hutten. Sie ist's. — Und Tu? Kar st Hans
'teil Bauern naä'Zt'.aend .
Tem Schicksal nach. — Hutten. Und denen, Bor Lenen heisre Ueberzeugung warnt? Karsthans. Wer weiß! wer weiß! — Aus gleichem Thon mit Euch Sind meine Bauern; — 's ist ein alter Brauch — Wo er der stärkste, fühlt Zaunkönig sich Als Herrscher und Tyrann; — warum nicht sie? — Was hülf's, schied' ich von ihnen? — Allgemach Seh' Zeiten ich voraus, wo Nacht und Tag Gleich öd' und grau am Firmament erstehn, Und leben heißt: dem Tod in's Antlitz sehn! — (Geht ?.b. H it 11 e n ftnft auf einen Trümmerhaufen zurück die Gestalt con
86 der zuckenden Feuersbrunst beschienen.
Dämmerung; m der nachfolgen
den Scene durch den aufgehenden Mond unterbrochen.)
Fünfte Scene. (Hutten tn angegebener Lage.
Gleich darauf Kaiser Karl mit Rittern
und D ien ern.)
Kaiser Karl
(zu den Rittern).
Für keinen ist Pardon. Je welche Hand An solches Ackern einmal sich gewöhnt, Taugt nimmer für den Pflug mehr. (Die Ritter ab.
Zu den Dienern )
Löscht den Brand; — Ich raste hier zur Nacht. — (Die Diener ab.
Indem er Hutten erblickt:)
Sag', wer Du bist, Der gleich dem rothgefleckten Salamander Auf glühnden Aschen ausruht? Hutten. Solch' ein Mann, Den manches heißer brennt als diese Flammen. Kaiser Karl. Du sprichst in Räthseln; lös Dich selber auf — Dein Kaiser steht vor Dir. Hutten
(aufspringend).
Fürwahr — Ihr seid's! — Kaiser Karl. Um Deinen Namen fragt' ich. Hutten
(zögernd).
Meinen Namen — Kaiser Karl. Den ich genannt, dächt' ich, wär' hoch genug, Den Deinen drum zu tauschen.
87 Hutten. Lies ihn, Herr, Aus diesen Trümmern, die in's Nichts versinken. Kaiser Karl. Ein Hutten? Hutten. Ulrich Hutten. Kaiser Karl. Traun, ich glaub's — Daß Deine Seele manches heißer brennt, Als Deinen Leib dies Feur! — Du selber warfst, Gefacht von Deines Athems Gluth, die Fackel In Deiner Väter Burg! — Ward Dir jetzt kund, — Im Schaun des Beispiels folg' ich Deiner Lehre — Wohin der Irrwahn führt, der Dich bethort? Hutten.
Nicht das, mein Kaiser; — doch wohin es führt, Wenn die erregte Zeit der Hand entbehrt, Die stark zusammenfaßt, was diese Zeit Zu einer großen machte. Kaiser Karl. Nun, beim Heil! Daß sie nicht fehlt die Hand — Ihr sollt's erfahren! — Ich fürcht' ihn nicht den tück'schen Maulwurf: Zeit — Der an den Wurzeln nagt von Thron und Kirche; — Sie zeugt nur aus der Macht, die Furcht ihr giebt. Hutten. Eh' Du sie schiltst, bedenk', wer die gewesen, Die diese Zeit gemacht; — nicht wir! nicht wir! — Wir nahmen, wie Ihr gabt, die Ihr die Herrn Und Bildner wäret der Vergangenheit, Aus der wir wurden, je nachdem Ihr schüfet. —
88 Ist drum, wie Du sie anklagst, arg die Zeit, — (auf das Kruzifix über dem Kamin zeiqent)
So war das Blut, das dort aus jenen Wunden In diese Zeit geströmt, so heilig nicht Und gnadenvoll, wie Ihr es ausgebt, — oder Die Hand, die sein' gewaltet am Altar Und auf den Thronen, hat dies reine Blut In trüben Strom geleitet und gefälscht, — Und was Du an uns schelten willst, o Kaiser, Ist grade das, was mit der Sehnsucht Heimweh Zurück in die verlorne Heimath lockt! — Kaiser Karl. Ein Dichter, sagt man, seist Du — ein Poet! — Hutten. Dein hoher Vorfahr wand mit eigner Hand Um diese Stirn einst den Poeten-Lorbeer; — Wohl weil er meinte, daß die Dichterbrust Von Gott empfing das ahnungsvolle Wort, Das ungesprochen, wie ein Frühlingstraum, Und doch gewißlich wahr, wie Kindeseinfalt, Im tiefsten Herzen eines Volkes schlummert! — Bei diesem heil'gen Rechte, das mir ward, So gut als Deiner Krone — von Gott selbst — Beschwör' ich Dich — nenn' es nicht Zufall, Kaiser, Wenn auf den Trümmern der Vergangenheit Der Zukunft Sänger Dir begegnen mußte. Kaiser Karl. Sei's drum! — Bleibt mir die Gegenwart gewiß, Vermach' die Zukunft ich den Narr'n und Träumern Hutten. Zeig' mir den Strich, der von Vergangenheit Die Gegenwart, von ihr die Zukunft trennt,
89 Und ohne Einwand heb' von Deinen Füßen Den Vorwurf ich deS Narr'n und Träumers auf. — Nemo contra regem, ni>i rex ipse! — Glaub' mir, o Herr, wo Du die Feinde suchst. Steht Dir der Freund — und die Du Freunde wähnest. Sie sind die Hasser Deiner Herrschergröße! — Versuch' es — schmück' die Brust mit Luthers Namen, Bewehre Deine Faust mit Sicking's Schwert, Und Du erkennst, daß fester als auf Erz — Auf eines Volkes eingemuthem Zuruf Ein Thron sich gründet! — Kaiser Karl. Groß genug fühlt sich Die Majestät, in die mein Recht mich kleidet, Des Zurufs zu entbehren! Hutten pu des Koksers Fnpen). Fühl' ein Mensch — Ein Mensch Dich, Kaiser — und Dein Pin pur bleicht, Verklärt im Glanz von Gottes Ebenbilde, Zu einem reinern Schein! — Kaiser Karl. Vor mir im Staub — Du, Griff am Schwert der Freiheit — Ulrich Hutten — Deß Wahlspruch lautet: „wider die Tyrannen!" — Hutten (ersclwvft). Und auch: „Ich hab's gewagt! Der Würfel fiel!" — Kaiser Karl. Steh' auf! den letzten Ruhm sonst nimmst Du Dir, Indem zu eines Fürsten Füßen winselt, Der nicht die Fürsten liebt. — Hutten (indem er iiufftebt). Auch darin log
90 Dir Deiner Schmeichler ränkevoll Geschlecht. Ich liebe die Gewalt, die stark genug, Daß sie sich selbst vertraue, fremdes Recht Ohn' Mißtraun schützen darf; — ich ehr' den Thron, Bon dessen Höh'n ein freies Herrscherauge Mit weitem Blicke Völker überschaut; — Ich nenne Majestät, wenn Deine Stirn Mit Ungewittern lächelt, die mich schrecken; — Doch hoch, wie ich sie ehre, sei die Hoheit, Und wo der eignen Sorge zorn'ge Gluth Auf Herrscherwangen flammt, erblick' ich nicht Des königlichen Purpurs Widerschein — Allein: Tyrannenangst! — Kaiser Karl (sich im Zorn von ihm wendend).
Ich merk's! ich merk's! — Hutten. Richt also, Kaiser, wende Dich von mir; — Gib mir in Großmuth, wie ich Dir es gab, Das Recht an Dich zu glauben — gleich für alle, Die staubgeboren an den Staub sich schulden! — Die Rothdurft dieses armen Land's allein, Das wie ein Säugling nach der Mutter Brust, In Hoffnung schreit zu Dir, leiht meinem Wort, Das gleich dem Roß, des Zügels ungewöhnt, Unwillig in's Gebiß der Bitte knirscht, Des Flehens Schmiegsamkeit! — Richt Hutten's Zunge Des ew'gen Nachruhms heller Glockenton — Er schlage an Dein Herz! — Wie nennest Du, Was eine Gottesstimme, dieses Volk Vom stillen Heerde der gewohnten Pflicht Hinausruft auf den lauten Markt der That —
91 Was seine Hand, des Tagwerks schwerer Uebung Entrückend, mit Gedanken es erfüllt, Die unverstanden, doch im Sturm es fassen, Und mit Begeistrung um den Himmel ringen, Für dessen Schaun Gott mit dem gleichen Anspruch Des Bettlers Stirn gewölbt hat, wie des Herrn! — Wie nennst Du, was Dein Kaiserherz mit Furcht Bedrängt und mit Entsetzen, und den Knecht, Den niedersten aus Deines Volkes Gründen, Zu einer Höhe hebt, der Deinen gleich? — O fasse dieser Flamme heil'gen Brand Mit Gottvertraun in Deine mächt'ge Hand, Und in der Freiheit Morgenroth ersteht — Ein neuer Glanz — der Stern der Majestät! — Kaiser Karl. Empörung nenn' ich's, Aufruhr und Verrath, Was Dich so rühmlich däucht, bis diese Steine, Die wilde Wuth zerstreut, aus freiem Trieb Zu neuem Bau sich fügen, — bis Dein Vater, Deß stummer Mund Dein Kläger ist vor Gott, Aufsteht und wandelt und als Sohn Dich grüßet! — (Im Hintergründe der Bühne, dieselbe der Breite und) überschreitend, er scheint Hutten's Later, in voller Rüstung, über dieselbe ein weiter wallender Mantel, einen Palmenzweig in der Hand, welchen er dreimal grüßend gegen den Sohn neigt.)
Hutten (den Geist erblickend).
Ich nehm' das Wort, wie Du es gabst! — Kaiser Karl (vor ihm zurückweichend).
Was ist Euch, Daß Euer Haar sich sträubt, und Ihr in's Leere Hinstarrt, wie nach Gespenstern?
92 Hutten (mit vorgestreckten Handen auf den Geist zuschreitend und stch dabei dem Kaiser nähernd)
— Vater! — Vater! — Kaiser Karl
(das Schwert ziehend).
Zurück von mir! — Hutten
(wie oben).
Nicht Ihr seid's, den ich will! — Kaiser Karl
(ruft in die Scene).
Herbei, Ihr Ritter! schützet Euern Kaiser! — Hutten
(knieend zum Geist).
Noch einmal neige mir Dein Angesicht, Und laß mich wallen in der warmen Sonne Des Baterlächelns, daß mein brechend Herz An ihrem Strahl genese! — (Der Geist neigt die Palme zum dritten Mal und verschwindet.
Das
Gefolge des Kaisers tritt auf.)
Ein Ritter. Mein Herr und Kaiser rief. — Kaiser Karl (in die Mitte seiner Ritter tretend).
Schützt mich, Ihr Herrn, Vor dem Wahnsinn'gen dort! — (Das Gefolge zieht die Schwerter und bildet einen Kreis um ihn.)
Hutten (indem er stch erbebt).
Erhabner Kaiser, Gebiete über mich, wie Du bestimmst! — Kaiser Karl. Verbannet sei aus meines Reiches Marken! — Erblickt mein Auge Dich zum abermal, Ist es Dein Tod. —
93 Hutten. Ich scheu' ihn nicht; — entrückt Fühl' ich mich irdischem Drohen; — Hutten's Saat Be rbleibt in Deutschlands Boden! — Eh' Dein Schwert Den Grund, wie Gott ihn legte, nicht zerstört, Wirst Du den Keim nicht tilgen — welche Erde Für diesen Leib die Ruhestätte werde! — (jjutten wendet sich zum Gehen. — Der Kaiser weiset ihn mit einer ge bieterischen Bewegung von der Burg seiner Väter aus.) (Der Vorhang fällt.)
94
Fünfter Akt. Basel.
Bibliothek des Erasmus; große altertümliche Halle.
Links im Vor
dergrund der Schreibtisch des Erasmus; rechts, mehr nach hinten, ein zweiter Tisch mit Schriften, Büchern re.
An derselben Seite
eine Thüre, die in's Schlafzimmer des Erasmus führt. Hinterwand eine große bogenförmige Doppelthüre. links angenommen.
In der
Die Fenster sind
Beleuchtung durch eine Ampel, und eine
Studirlampe auf jedem der Schreibtische.
Erste Scene. (Erasmus an seinem Schreibtisch einen Brief zusammenlegend, überschrei bend und versiegelnd, indem er glelcbzeitig dem am andern Tische sitzenden Brunfels einen Brief dicnrt. — Spater Barbara von Glauburg.
Erasmus
(dicnrt).
„Geehrte Herrn von Zürch! Wie man vernimmt Denkt Ritter Ulrich Hutten vor der Acht Von Kaiser, Reich und Pabst, die, wie Ihr wißt, Auf's gröblichst er gekränkt, in Eurer Stadt Zuflucht zu suchen.
Uebel stand' es mir,
Sein Unglück zu verdächt'gen; — dennoch scheint Dem Ritter wie vom Schicksal es verhängt, Daß überall — so jüngst in Mühlheim noch — Sich Rottengeister schaarweis um ihn sammeln, Und wie er einzieht in das eine Thor, Der Frieden aus dem andern flugs entweicht. —
95 Erwägt drum, wie gemeine Sicherheit Und eignen Vortheil Ihr auf's beste fördert. — Au jedem Dienst, geehrte, liebe Herrn, Euch wiederum erbötig und bereit" — Ort; Datum; —■ unterschreiben will ich's selbst. (Brunfels bringt ihm den Brief.)
Und Ihr meint wirklich, daß sie's thun? B r u n f e l s. Ich sagt's Euch. Erasmus. Ein Pereat dem Erasmus, der nichts will Als sich und der studir'nden Jugend Basels Den Frieden sichern; — mir ein Pereat, Den die gelehrte Republik der Welt Mit einem Salve! an des Tages Schwelle, Und Salve! grüßt, wenn er das Vager sucht; — Sie wagen's nicht. Brunsels. Sie werden's. Erasmus. Nein, sag' ich. Brunfels. Wart Ihr dabei, wie man die Nachricht aufnahm, Daß man auf Euren Rath und Brief von Mühlheim Den kranken Hutten austrieb, — Ihr sprächt anders. Erasmus. Auf meinen Brief? — Man trieb ihn aus, weil er Tumult erhob. — Habt Ihr gesagt, daß ich Wenn Hutten einrückt, Basel meiden werde? Brunfels. Ich that's.
96 Erasmus. Und sie? Brunfels. Drum wollten sie zuvor Für Euren Brief Euch das Bestellgeld zahlen. Erasmus.
Ei? wolln sie? — ich will's nicht. — (intern er B ru n fel s den vorhin qcstcqclten Brief qtebt.)
Nehmt denn dies Schreiben, Und bringt sogleich es meinen Herrn von Basel. Brunfels (ben '-Brief nebmenb) Betrifft es Hutten? Erasmus. Mi doctissime, Wenn ich gewollt, daß Ihr den Inhalt wüßtet, Nicht wahr? — hätt' ich das Siegelwachs gespart? — (indem ei den abgefeilten BrunfelS juiucfiuft.)
Ein Wort noch, Doctor! — Da Ihr doch vorhin Selbst Hutten nanntet — hortet Ihr von ihm? Brunfels.
Nichts weiter, als Ihr wißt; daß er aus Deutschland Verbannt, der Schweiz sich zuzuwenden denke, Und Ihr ihn an der Zuflucht hindern möchtet. Erasmus. So? glaubt man? — Zuflucht würd' ihm nirgends fehlen, Wenn vor sich selbst zu fliehen er verstände. — Ihr seid sein Freund? — Brunfels. Gleich Euch, Hochwürdigster. Erasmus (indem er ou fite ft, und Um itnit nrtienb, auf Brunfels zutrul)
Nein, nicht gleich mir -- versteht! Also daß Ihr Um seinetwillen mich verrathen werdet.
97 Brun seid ($uuucfn:etenb). Ich weiß nicht, was — Erasmus. Ich weiß; — besorgt den Brief. (Es wird an die Hausthure gepocht.)
Wer pocht so spät? Seht nach — doch so, daß Ihr Der Thüre wahrnehmt, und bringt mir Bescheid. (Brunfels durch bic Mittelthure ab.)
Ich höre Hutten's Tritte überall; — Sie scheuchen mir den Schlaf vom kalten Lager, Und leben mit des eignen Herzens Schlägen Verrätherisch im Ehbruch. — Und doch that Ich mehr für ihn, als wohl ein Vater könnte; — Ich warnte, bat; ja warb für ihn — vergebens! Nun noch mein freudlos Alter mit dem Haß Belasten, der ihm folgt, — die kurze Spanne, Die mir die Gunst der Parzen läßt, ihm opfernd Und der Gefahr: ihn offen Freund zu nennen — Nein — nimmermehr! — Zwar seh' im Geist ich schon Ihn in der Gegner Reihen, fühl' die Pfeile Des giftgetränkten Witzes, daß mit Caesar Ich, unter seinem Dolch das Haupt verhüllend, Ausrufen möcht': „Et tu, Huttene!“ — (Smkt in seinen Armstuhl zuruck.
BrunfelS tvitt wieder auf.)
Nun? Brunfels. Ein Weib, Herr Doctor — eine Jungfrau — Erasmus. Ich Bringt Ihr das bei — verlor für solches Pochen Schon lange das Gehör.
98 Brunfels. Sie bat so flehend — Erasmus (aufstehend).
Ihr habt mit flehnden Ohren sie gehört! Ich mag — (Barbara, das Haupt verschleiert, tritt durch die Miltelthure auf.)
Brunfels. Da ist sie schon! — Erasmus. Verehrteste, Ich mein’ beinah’, Ihr seiet irrgegangen; — Vor: allen Weibern, die Erasmus Thüre Mit Klopfen nahn, sind, denen er sie aufthut, Allein die Musen. (Barbara schlagt Len Schleier zuruck)
Barbara von Glauburg! — Barbara (wankend, fast tonlos). Ick) bin’s! — Erasmus (ihr zu Hülfe eilend). Geschwind mein Riechsalz — dort im Bort! (Brunfels bringt es, Erasmus reicht es ihr.
Barbara erholt sich.)
Wohl alles war ich mir vermuthen, alles — Rur Euch nicht! — (zu Vrunfels.) Geht — besorgt den Brief. Brunfels. Soll ich — Erasmus (aufstampfend). Den Brief, sag’ ich! — (Brunfels durch die Mittelthure ab.)
Was führt Euch zu Erasmus? Barbara. O alles, was Ihr nur vermuthen könnt,
99 Und alles, fürcht' ich — nicht vermuthen wollet: — Mein Alles! Erasmus. Laßt uns später davon reden. Barbara.
Wo als beim Herzen wär' doch unsre Zunge? Erasmus. Bei mir dürft Ihr nicht bleiben; doch ich rühm' Mich edler Gastfreundschaft in dieser Stadt, Wie Euch sie ziemt, und — Barbara. Eh' nicht ruht in Frieden Dies Haupt, bis ich in Frieden ihn nicht weiß. Kenn' ich doch einen nur, der mächtig wäre, Um Hutten's Haß in diesem Land zu decken — Und der seid Ihr! Erasmus. Ich — selber hier ein Fremdling Am Heerd des Gastrechts dieser edlen Stadt? Barbara.
Eur Wort wird nicht umgehn, um was ich kam; — Ihr müßt mich hören. Erasmus. Glauburg's edle Tochter, Der Sitte Spiegel einst im ehrten Bild, Und abentheuernd Nächte jetzt durchstreifend Wie sonnenscheu Gevögel? — Barbara.
Nie war ich Des rechten Wegs bewußter mir wie heute. Erasmus. Niemals auch ich der Schuld an Eurem Vater, 7*
100 Daß Hutten ich durch Euch zu retten dachte, Bewußter mir, wie heut'! — Barbara. Ihr wollt durch Vorwurf, Den Ihr auf mich häuft, von des Vorwurfs Last, Der Euch erdrückt, die eigne Brust befrein. Ich dank' Euch dafür selbst, als für ein Zeichen, Das Euch zurück zum eignen Werthe führt. — Nein, wendet Euch nicht ab; reicht mir die Hand, Die mir einst Hutten gab, daß sie mir helfe, Jetzt Hutten mir erhalten. — (Sie hat die Hand des Erasmus ergriffen.)
Erasmus. Unglücksel'ge, Von einem schadenfrohen Gott geblendet, Begreifst Du noch nicht, daß sich Hutten nahen, Daß Hutten lieben, Hutten retten wollen An einem jähen Hange taumeln heißt, Der unerbittlich gieriger, wie die Gefräßige Charybdis, mitleidloser Wie das Geheul der Scylla, wer.ihm naht In seinen Abgrund zieht, von Liebe nicht Zu sätt'gen, noch von Haß? — Gebot der Weisheit Ist es, da fliehn, wo bleiben Thorheit wäre; — Ich will mit Narren nicht am Markte sitzen, Noch in dem Rath der Schwätzer unterm Thor. — Wo sind sie, die ihm folgten? — Sickingen Verlassen um den Troß rebell'scher Bauern; — Die wieder um den Vater, als zu spät Es ihm zu helfen war; — und die zuerst Ich nennen sollte, — nächst der Wissenschaft Berechtigter an seiner Lieb', als alle —
101 Dich sind' ich wandernd, auf verwehten Spuren Ein Wolkenbild zu haschen, schon entflohn, Eh' Deine Hand sich schließt, um es zu fassen. — Auch ich — ich lieb' ihn — bis für ihn zu sterben; — Doch mit ihm leben, hieße stundenweis Des Daseins Kelch mit Todesangst sich füllen. — Mich ekelt's, an dem tollen Knoten zupfen, In den sich seines Geistes edle Gaben, Verzerrten Fäden gleich, zusammenschnürten, Und sage Dir: nicht ich — auch Du nicht — werden Das Schwert sein Alexanders, das ihn löst. Barbara. Ich nehm' das Gleichniß, wie Ihr es geschürzt, Und lös' den Knoten, wie Ihr mir ihn botet; — Denn Knoten lösen ist em weiblich Amt, Das vieler Liebe braucht und viel Geduld, Und eines Alexanders Hand mag ihn Zerhaun — entwirren wird ihn nur das Weib. — Drum, Väterchen, hört gütig, was ich bitte: — Sorgt, daß ich unverfolgt den siechen Freund Und unerkannt nach Ufnau führen möge, Schnegg's heilerfahrner Hand ihn zu vertraun. Erasmus. Ihr sprecht, als wenn — nein, schüttelt nicht das Haupt — Als wenn ich's wär', der hier gut Wetter macht; — Ihr seid es, die ich fragen muß, ob Hutten In Basel ist, mit Euch? — ich weiß es nicht. Barbara. Mir sagt ein Etwas, daß er kommen wird, Zu seiner ersten Liebe wiederkehren; — Ich könnt' Euch eifersüchtig sein, Erasmus — Denn die seid Ihr! —
102 'Klirrendes Geräusch der eingeworfenen Fensterscheiben, Steine fliegen auf die Scene. Betäubendes Pereat der Studenten vor dem Hause des EraSmus mit Pfeifen und Heulen.)
Erasmus
(auf's tiefste erschüttert).
Wie Du so gut ihn kennst; —■ Mit Rosenfingern klopft er an die Scheiben; — /indem er einen Stein aufhebt)
Dies Hutten's Liebesgruß! — (Wirft den Stein von sich.
Bon der Straße herauf Lärm der Kampfenden.)
Hauptmann der Stadtsoldaten (hinter der Scene).
Mir nach! treibt sie zurück! Studenten
(hinter der Scene).
Heh! Bursche 'raus! Dem Fuchs kam Wittrung; stöbert ihn im Bau! (Fortgesetzter Kamvf und Tumult.)
Erasmus (indem er Barbara an sich zieht, und ihr Haupt mit seinem Gewände bedeckt).
Merkst Du ihn nun — den Frieden Deines Hutten? — So zieht er ein, und also er von dannen. —
Zweite Scene. Erasmus mit Barbara, wie oben Die W acht, den Hauptmann an der Spitze, dringt ein. und besetzt die Tbure. Spatei die Studenten, welche die Wache zurückdrängen Ohibhd) urten ) Hauptmann (eintreten*).
Verzeiht, Hochwürd'ger, wenn zu spät wir kamen; Doch folgt' ich Eurem Schreiben auf den Fuß. (Erasmus winkt ibm dankend mit der Hand )
Ein Stadlsoldat
(von außen hineinkommend).
Herr Hauptmann, die Studentenschaft drängt heftig Die Trepp' herauf.
103 Hauptinann. So bietet ihren Köpfen Mit Euren Partisanen das Willkommen; — Ihr kennt den Auftrag. (Hauptmann eilt mit der Wacke den Studenten entgegen. Kamps vor der Tbure. die Wacke nmt> auf die Scene zurückgedrängt, die Studenten folgen ibr unter dem Rufe Pereat Erasmus! Der Kampf setzt sich auf der Scene fort.)
Erasmus (unterdessen, indem er Barbara der Seitentbure zuzuzieben nickt)
Mars int Heiligthum Der suchenden Minerva! — laß uns fliehn! — Hutten
(dinier der Scene).
Zurück! kein Schlag soll fälln, der nicht zuerst Dies Haupt trifft! — (Stürzt auf die Scene, indem er sich nut gezucktem Schwert zwischen die Kampfenden wirft.)
Sprecht — in weß' Namen dieser Kampf, der des Erasmus Frieden stört? Erster Student. Im Namen Hutten's! Erasmus (die von lbm fortstrebende Barbara baltend).
Hör' es! — Hutten. Du lügst — er ist dem Kampf so fremd, Wie Hutten Dir! — Zweiter Student. Wer seid Ihr, der so keck Sich zwischen Baum und Borke wagt zu drängen? — Wir sind hier, um dem alten Schleicher dort Den Lohn zu zahlen für die Uriasbriefe, Mit denen Hutten er den Weg verlegt.
104 Hutten. Wollt Ihr denn Hutten ehren — ehret ihn In mir! Zweiter Student (zurücktretend). Verstand ich recht — Alle Studenten (d:e Schläger senkend und das Haupt entblößend).
Der Hutten ist's! — Hutten. Ich Lin's — und drum so sehr Erasmus Freund Als nur der Wahrheit! — Den Erasmus hassen — Was heißt es, als das Gegentheil von dem Zu lieben, was er wollte und erstrebte — Des Mönchthums Finsterniß und Aberglauben, — Den öden Dienst der Form, — statt freien Forschend Verleugnung der lebendigen Vernunft, Des Edelsten, das Gott in's Herz uns schuf, — Als statt des Wortes Götzendienst der Wörter? — Erasmus lieben — Eure Wangen flammen Vom edlen Hauch des Alterthums geröthet, Und ungeduldig fährt die Hand an's Schwert, Wo Tyrannei der hehren Freiheit droht, Mit deren Saft er Eure Herzen tränkte! — Wern danket Ihr's, und westen Hand hat Euch — Euch und uns alle — zu den Höhn geleitet, Von deren Gipfeln der Erkenntniß Bäche Auf uns herniederrauschen, als Erasmus? Und eine Stirn, von derer Majestät Ein Lichtstrahl ausging bis in fernste Zeiten, Wollt Ihr mit Trübsal furchen, weil Erasmus Alt ward und schwach? —
105 Barbara (intern sie sich von Erasmus losreißt und an Hutten'S Brust wirft).
Wer kann Dich hören — wer? Als nur Erasmus — ohne Dich zu lieben! Erasmus. Ich hör' Sirenensang, der trügerisch Sich an das Ohr der Jugend schleichen mag, Bis aus den leicht berückten Herzen er Des Meisters Furcht und Zucht hinweggesungen! Hutten (ihm die Hand bietend). Laßt uns in Frieden scheiden! Erasmus (sie zurückweisend). Fluch dem Frieden, Der sich in Steinen, wie der Lenz mit Hageln, Ob meinem Haupt entlud; — ich mag ihn nicht! — (Geht durch die Seitenthure ab.)
Hutten Ihr steht und starrt;
(nach einet Pause).
(indem er Barbara von sich ablöst )
laß los! — beflecke nicht Dein heilig Aufschaun mit den Blicken des Verworfenen! — Barbara.
Ich bleibe Dein! Hutten. Du — mein? — Was wäre mein auf dieser weiten Welt, Als Huttens Elend? Die Studenten. Wir sind alle Dein! — Hutten. Verflucht der Fuß, der dem Gebannten folgt! —
106 Vom Ziel einst einsam — einsam bis an's Ziel; — In Hutten's Leben greifet nimmermehr Noch eine warme Hand. Barbara
(seine Hand fassend).
Hier — diese Hand! (Sie fuhrt ihn langsam an ihrer Hand von der Scene, der fast bewußtlos folgt.
Als sie dieselbe verlassen haben, schließen'sich die Anwesenden in
feierlichem Geleite an, und man vernimmt hinter der Scene das „Inte ger vitae“ der Studenten, bis es leise in die Ferne verhallt.)
Verwandlung. Felsiges Ufer am Züricher See, mit der Aussicht auf die Insel Ufnau, und den Säntis im Hintergrund.
Links ein Fußpfad, der
vom Gebirge zum See herunterführt.
Dritte Scene. (Früher Morgen, vor Sonnenaufgang. — Erster und zweiter Student kommen den Pfad herunter und gehen an's Ufer des Sees.
Darauf
Karsthans, auf einem Nachen vom See zu an's Land fahrend. Dann Hutten, an Barbara's Hand, von Studenten auf einer Bahre getragen, ebenfalls den Gebirgspfad herunter.)
Erster Student
(im Herabsteigen).
Hier ist's; — es stimmt in allem, wie fie's sagte. Zweiter Student (am Ufa). Und dort die Fähre; — (in die rechte Seite hinemrufend )
Fährmann, holl herüber! — Hier, Fährmann, hier! Karsthans
(vom See zu)
Was heischt Ihr? Erster Student. Ueberfahrt; — Nur ohne Furcht heran.
107 Kar st Hans
(kommt nur dem Nochen in's Gesicht).
Ich fürchten — Karsthans? (indem et einen Lirtck an's Land rohst.)
Fangt auf den Strick, und schlingt ihn um den Pfahl. (Die Studenten ziebn den Kabn an's Land und remben den Strick um den Pfahl.)
Erster Student. Wir bringen Dir ein Zeichen, das Du kennst; — (giebt timt einen Rmq.)
Hier diesen Ring von Deines Fräuleins Hand. Karsthans (den Rmg entgegennebmend). Fand sie? Zweiter Student. Sie fand — doch einen Sterbenden, Dem, was das Leben noch an Leben nachließ, Des Fiebers Hitze bald vollenden wird. Karstbaus (ans Land tretend) Erzählt — wie fand sie ihn? Zweiter Student. Wie ein Juwel, Das blind in eines Bettlers Tasche ward, Der seinen Werth nicht kennt; — also verstieß Der Bettler: Welt, den edlen Demant Hutten Zum schnödsten Abhub ihrer Elendsbrocken, Bis taub sein Glanz ward und sein Licht verblich. — (Nacli dem Gclurgspfad zeigend )
Doch seht — sie nahn schon; — also geht die Jungfrau Seit Tagen, die zu Wochen längst geworden, An ihres Kranken Hand, deni Engel gleich, Der eine arme Seele aufwäits führt, — Mit ihres Lächelns Gruß um so viel holder, Zum Freund gewendet, als erbarmungsloser Der harte Kiesel ihr die Sole ritzt. —
108 Karsthans. Ja, ja — sie weiß zu finden und zu führen! — So fand sie mich, der tote ein toller Hund Nach ihrer Hand geschnappt, und führte ntich, Bis meiner Blindheit ich genas — und sehe. (Jütten von den Studenten getragen, kommt an Barbara's Hand den Gebirgspfad herunter.
Die Studenten setzen die Bahre ab.)
Hutten
(matt).
Ihr rückt den siechen Leib viel hin und her — Wird es ihm helfen? Barb ara. Deine Ruh ist nah. Hutten
(wie oben).
Du sagst es — sie ist nah! Barbara. Sieh Ufnau dort! — Dort zählt' ich einst die Stunden und die Jahre Nach meines Herzens ungeduld'gem Schlag, Das seine Zeit in Sehnsucht maß zu Dir! — Hutten
(etwas kräftiger).
Du: Hutten — und ich: Bärbchen — toar's nicht so? — Bis unsre Namen durcheinander schössen, Zu einem Sternbild treuer Lieb' verklärt! — Barbara (ihn aufrichtend).
Und hier der Nachen, der uns überführt. Karsthans (an Hutten'ß Bahre niederstürzend).
Mein Herr und Ritter! Hutten
(thu anstarrend)-
Spein die Fluthen aus, Was ich verschlungen wähnte?
109 Barbara. Ja, er ist's, — Er bracht' mir erste Kunde — Hutten lohne auf sie zu boren). Einmal schon Fuhr in des Elends weite Wasserwüste Dein Nachen mich hinaus! — Zurück, Du Charon, Der mir zum abermal zur schwarzen Fahrt Das Segel stellt; — (fprinat von der Bahre auf)
ich will nicht mit Dir fahren! — Sckau her — so krönet Deutschland seine Sänger! — Nessel und Dorn — und einen Knotenstab, Mit dem die biß'gen Hunde ungestraft Ich scheuchen darf, wenn ich um Thüren schleiche, Und heischend, sich um Brod die Hand erhebt! — Mein Herold vor mir auf — des Elends Geier — Und Regen — Frost ohn' Obdach — mein Trabant! — Zum Sterben selbst bin ich zu bettelarm, Nicht der Obol bleibt mir zur letzten Fahrt! — (zu Karsthans Fußen.)
O laß mich leben! — eine kleine Weile Mich noch des Lächelns dieser Sonne freun, Dem sonst der Sturm zu wirr das Haar gescheitelt; — Gut haben möcht' ich lernen; — menschlich ist's; Wie Menschen, das zu wollen — an dem Druck Der kleinen Hand hier von dem Druck genesen Des fieberheißen Hirns; — o laß mich leben Noch einen Augenblick! — (bricht zusammen.)
Barbara (zu chm kmeend). Weh' mir, er stirbt! —
110 Hutten (angstvoll die Hände um Barbara's Nacken rankend).
Deck' zu — deck' zu, mich friert vor dem, was Menschen — Was Menschen Leben nennen! — Barbara. Hutten — Ulrich! — (Dtc Nebel werden von der aufgebenden — dock noch nicht sichtbaren Sonne rosig durchschienen.)
Hutten (lern Auge auf Barbara gerichtet, dem ersten und zweiten Stu denten die Hand reichend).
Im Arm der Liebe — an der Freundschaft Hand! Und rosig wie der Nebel auf dem See, Wogt über meine Seele das Entzücken! — (Zu den Studenten)
Ein ernstes Gleichniß — Du vom balt'schen Strande — Voni Neckar — Du — und Du aus Sachsenland, Der Mitte Sohn, — seh' ich Euch mich umstehn. — Auch scheidend bleib' ich Eur! — in Deiner Brust, Du, -deutschen Volkes Edelreis und Blüthe, Du, Goldgefäß und köstlichstes Metall, In das sich unser theurstes Hoffen faßt, Ruh', wie in erzner Urne, Hutten's Herz. Mit Kränzen schmück' Dein Schiff, und hoch die Wimpel, Das Purpursegel richte fest auf's Ziel! — Bewahrt das neue Licht, das Euch erstand, Mit keuschem Herzen, mit getreuer Hand, Und was einst Hutten's Schwert nicht durft' gelingen, In Hutten's Geist sollt Jhr's zu Ende bringen! — (er sinkt matt zuruck. Barbara lehnt das weinende Hauvt cegen seine Schulter. Indem er sie sanft emporrichtet')
O wüßtest Du, wie freudig sich die Seele Mir in befreitem Fluge aufwärts schwingt —
111 Der Blüthe ließest Du den feuchten Thau Und blicktest ohne Schleier auf zu Ihm, Der in dem milden Weben Seiner Liebe So schön die Welt uns schuf! — Und was noch edler, unaussprechlicher Die Seele mir erfüllet als dies Bild Vergänglicher Natur: — dies Herz voll Liebe, Das in dem Drang nach Wahrheit, Freiheit, Licht Nie Wintersruh gekannt, — sollt' untergehn? — Was ich erstrebt — mit mir wird es erstehn, Wie Gottes Sonne durch die Nebel bricht! — (Voller Sonnenaufgang, begrüßt durch das Geläute der Glocken von Ufnau herüber, und durch die Alvcnlwrner von den Gipfeln der umliegenden Berge.)
Erbebt, Tyrannen! war sie's nicht auf Erden — Mein ist die Zeit — so wird sie's jenseit werden — (die ausgebreiteten Arme gen Himmel.)
Ich werde — leben — leben — (sinkt zuruck und stirbt in Barbara s Armen. Karfthans knieend zu Hutten's Füßen. Die Studenten stehn ihm zu Häupten, die linken zum Bunve vereinigt, die rechten zum Schwure emporgestreckt.)