Theorie des Rechts und der Gesellschaft: Festschrift für Werner Krawietz zum 70. Geburtstag [1 ed.] 9783428513949, 9783428113941

Mit der Arbeit an einer »Theorie des Rechts und der Gesellschaft« lässt sich in aller Kürze das Forschungsprogramm von W

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German Pages 854 [857] Year 2003

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Theorie des Rechts und der Gesellschaft: Festschrift für Werner Krawietz zum 70. Geburtstag [1 ed.]
 9783428513949, 9783428113941

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ATIENZA / PATTARO / SCHULTE / TOPORNIN / WYDUCKEL (Hrsg.)

Theorie des Rechts und der Gesellschaft

Theorie des Rechts und der Gesellschaft Festschrift für Wemer Krawietz zum 70. Geburtstag

Herausgegeben von Manuel Atienza, Enrico Pattaro, Martin Schulte, Boris Topomin und Dieter Wyduckel

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-11394-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €l Internet: hup:/lwww.duncker-humblot.de

Vorwort Festschriftentitel werden regelmäßig mit Bedacht gewählt. Das gilt auch für diese Festschrift, die Werner Krawietz von 40 Kolleginnen und Kollegen, langjährigen Weggenossen, Schülern und Freunden aus aller Welt zu seinem 70. Geburtstag gewidmet ist. Unter dem Titel "Theorie des Rechts und der Gesellschaft" knüpft sie an das langjährige Forschungsprogramm des Jubilars an, das dieser als Amtsnachfolger von Helmut Schelsky seit 1979 auf dem Lehrstuhl für Rechtssoziologie, Rechts- und Sozialphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster aufgegriffen und kontinuierlich fortentwickelt hat [siehe dazu nur Krawietz, In Memoriam Helmut Schelsky (1912-1984), RECHTSTHEORIE 15 (1984), 133-l37]. Helmut Schelskys institutionelles Rechtsdenken und sein personfunktionaler Ansatz der Rechtssoziologie haben Werner Krawietz nachhaltigen Anlass zur Auseinandersetzung mit einer funktionalen Betrachtungsweise des Rechts geboten. Gleichzeitig wird mit dem Titel dieser Festschrift aber auch der Bogen zu den Forschungen Niklas Luhmanns geschlagen [siehe insoweit nur Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993]. Im Vorwort seines opus magnum hat Werner Krawietz mit Grund darauf hingewiesen, dass Niklas Luhmann die funktionale Betrachtungsweise des Rechts mit seiner "funktional-strukturellen Systemtheorie" in besonders konsequenter Weise vertrete [Krawietz, Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis, 1978, XIV]. Diese Übereinstimmung im Grundsätzlichen hat Differenzen im Einzelnen natürlich nicht ausgeschlossen. So hat der Jubilar unter der Überschrift "Weltrecht und Weltgesellschaft oder gesteigerte Autonomisierung regionalgesellschaftlicher Rechtssysteme?" den weltgesellschaftlichen Forschungsansatz Niklas Luhmanns erst jüngst erneut in Frage gestellt [Krawietz, Editorial: Konflikt verschiedenartiger Rechtskulturen oder universales Rechtssystem - Auf dem Wege zu einem Kerneuropa?, RECHTSTHEORIE 33 (2002), VII, XIII ff.]. Ganz unabhängig davon dürfte damit aber deutlich geworden sein, dass die fortdauernde Suche nach einer "Theorie des Rechts und der Gesellschaft" in Auseinandersetzung mit den Arbeiten Helmut Schelskys und Niklas Luhmanns von Anfang an das zentrale Forschungsinteresse unseres Jubilars dargestellt hat und noch heute darstellt. Von daher hoffen die Herausgeber und Autoren dieser Festschrift auf eine freundliche und interessierte Aufnahme ihrer Forschungsbemühungen durch den Jubilar.

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Vorwort

Eine funktionale Betrachtungsweise des Rechts liegt auch der inhaltlichen Strukturierung dieser Festschrift zugrunde. Sie orientiert sich an der Selbst- und Fremdbeschreibung des Rechtssystems. Besondere Bedeutung kommt dabei der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung des Rechtssystems zu. Beiden geht es um die Einheit des Systems. Selbstbeobachtung ist die im System auf das System gerichtete Operation, während Selbstbeschreibung die Anfertigung eines entsprechenden Textes meint. Für das Rechtssystem wird diese von der Rechtspraxis, der Rechtsdogmatik, der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methodenlehre wahrgenommen. Der Fremdbeschreibung des Rechtssystems als eines sich selbst beschreibenden Systems widmen sich insbesondere Rechtssoziologie und Rechtsgeschichte. Auf dieser Grundlage vereinigt die Festschrift historisch-methodologische Untersuchungen (1.), rechtsphilosophische Reflexionen (11.), sprachphilosophisehe Analysen (III.), rechtsrealistische Betrachtungen (IV.) und rechtssoziologische Beobachtungen (V.). Die Vita unseres Jubilars hat im Vorwort der ihm zum 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift ausführliche Würdigung erfahren, so dass an dieser Stelle darauf Bezug genommen werden kann [Aarnio/Paulson/Weinberger/ von Wright/Wyduckel (Hrsg.), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Duncker & Humblot, Berlin 1993, V-IX]. Etwas Wichtiges bleibt aber nachzutragen: Seit seiner Emeritierung widmet sich Werner Krawietz mit ganzer Kraft und großem Erfolg dem Aufbau und der Leitung des Internationalen Zentrums für deutsch-russische Rechtsstudien der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. In diesem Rahmen wird an der Akademischen Rechtsuniversität Moskau gemeinsam mit der Universität Münster und ihrer Rechtswissenschaftlichen Fakultät ein integriertes deutsch-russisches Studienprogramm betrieben. Wir halten an dieser Stelle inne, um eines Beitragenden zu gedenken, der während der Drucklegung dieser Festschrift verstorben ist: Georg Henrik von Wright, Nachfolger Ludwig Wittgensteins auf dem Lehrstuhl für Philosophie der University of Cambridge und Begründer der modemen Normenlogik. Mit ihm war Werner Krawietz seit langem kollegial verbunden. Wir werden ihm ein ehrendes Angedenken bewahren. Dieser Band hätte nicht fertiggestellt werden können ohne die tatkräftige Mithilfe einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier sind vor allem Wiss. Ass. Dr. Rainer Schröder und Wiss. Mitarb. Ben Michael Risch von der Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden zu nennen, die den redaktionellen Entstehungsprozess dieser Festschrift mit großer Umsicht und beeindruckender Sorgfalt begleitet haben. Vorbereitung und Abwicklung der umfangreichen Korrespondenz lagen in den Händen von Frau Katrin Börner. Ihnen allen sei für ihre nie nachlassende Mithilfe sehr herzlich gedankt.

Vorwort

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Besonderer Dank gilt schließlich dem Verlag Duncker & Humblot sowie seinem Geschäftsführenden Gesellschafter Herrn Professor Dr. jur. h.c. Norbert Simon, dessen großzügige Förderung und Unterstützung die Publikation dieser Festgabe ermöglicht hat. Im Advent 2003

Die Herausgeber

Inhaltsverzeichnis I. Historisch-methodologische Untersuchungen Harold f. Berman Integrative Jurisprudence and World Law

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Athanasios Gromitsaris Die methodologische Herausforderung des Europarechts. Zum Verhältnis von Rechtsdogmatik, Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung und Rechtstheorie am Beispiel des Staatshaftungsrechts . ...... . ...... . ........ . ...

17

Birgit Krawietz Ibn Taymiyya, Vater des islamischen Fundamentalismus? Zur westlichen Rezeption eines mittelalterlichen Schariatsgelehrten . . ...................

39

Gerd Roellecke Religion, Moral und Rechtsstruktur. Zur Frage nach der Richtigkeit des Rechtes. . .. . ...... . ....... . ...... . .............. . ....... . ..........

63

Florian Simon Legalität, Legitimität und das Politische - Ein Briefwechsel

83

Klaus Veddeler "Das Recht als Kultur - Was steckt dahinter?" .. . ...... . ...... . ........

99

Dieter Wyduckel Schnittstellen von Rechtstheorie und Rechtsgeschichte. Warum die Rechtsgeschichte der Rechtstheorie und die Rechtstheorie der Rechtsgeschichte bedarf .... ... ... . . . ....... . . . .... . ....... .. .... .. ....... . ..... .. ... 109 11. Rechtsphilosophische Reflexionen

fan M. Broekman The Multicultural Self ............................ . .............. . ... 143 Emesto Garz6n Valdes Heuchelei, Mitgefühl und Rechtsstaat . ............................ . ... 163 Henry Kerger Zum Verhältnis von Norm und Regel bei Nietzsche, Wittgenstein und Ihering 189 foachim Lege "Recht und Moral". Überlegungen zu einer altehrwürdigen Antithese . . ... 217

x

Inhaltsverzeichnis

Raul Narits Legitimationsfragen des Grundgesetzes im offenen Gesellschaftsleben .... . 225 Walter Ott Anthropologische Vorgegebenheiten des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Johannes Strangas Kritische Bemerkungen zur Deutung der rechtlichen Grundnorm als Fiktion 265 III. Sprachphilosophische Analysen Aulis Aarnio On the Notion of Systematization. Some Thoughts on Normative Systems . 293 Manuel Atienza and Juan Ruiz Manero Three Problems of Three Theories of Legal Validity ............ . ....... 303 Eugenio Bulygin Rechtsprechung: Anwendung oder Erzeugung des Rechts? ............... 317 Massimo La Torre The Rationality of Law and its Limits: Legal Reasoning Between Logic and Decision ....................................................... 329 Stanley L. Paulson Der Mittelweg Hans Kelsens: Ein zweiter Blick ........................ 345 Alexander Peczenik The Clash of Legal Doctrine with Analytical Philosophy? ............... 365 Kaarlo Tuori Legal Science and the Coherence of Law ............................. . 383 Ota Weinberger Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation ............ 405 Georg Henrik von Wright Action ............................................................. 415

IV. Rechtsrealistische Betrachtungen Francesco Belvisi Die Positivität des Rechts beim frühen Jhering: Zwischen Formalismus und Realismus ......................................................... . 429 Jes Bjarup Law and Legal Knowledge from a Realistic Perspective ................. 459 Carla Faralli The Reception of Scandinavian Legal Realism ...................... . .. 485

Inhaltsverzeichnis

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Ansgar Hense Mehrperspektivische Annäherungen an das Phänomen Solidarität und das Solidarprinzip . •Andeutungen von Deutungen' und Problemstellungen aus der Perspektive der Rechtswissenschaft und der Nachbarwissenschaften 525 Stig lf/jrgensen Law and Society ... . ... ... . . .... . . .. . . ..... ... .. ....... . . ... . ..... . . 571 Thomas Lundmark Harmonisation through Precedents .... .. ..... . . . ... ... . . ... . . . .... .. .. 577 Enrico Pattaro Norms and Normative Systems . ... .. . . . . . ..... . ... ... . . . . ... . ..... . .. 587 Maria lose Garda Salgado Rechtliche versus gesellschaftliche Interessen? Philipp Hecks Konflikttheorie als Beitrag zur modemen Rechtstheorie .. . . . .. .... ..... ... . . .. ... . .. 613 Robert S. Summers Form and the Theory of Law ... .. ... . . .. ... . . .. ... ... .... .. . .... . . . . . 635 Csaba Varga What is to Come after Legal Positivisms are Over? Debates Revolving around the Topic of The ludicial Establishment of Facts .... .. . . .... ... . 657 V. Rechtssoziologische Beobachtungen

Antonis Chanos Recht verstehen. Zur systemtheoretischen Rekonstruktion hermeneutischen Sinnverstehens im Bereich des Rechts .. . . ... . .. .. . .. .. . ...... . .. ... .. . 679 Raffaele De Giorgi Handlung als historisch-evolutives Artefakt .. ... .. . .... .. . ... .. .. . . .... 707 Nikolaos lntzessiloglou Integrading Sociology of Law in a Global Legal Science .. .. ........ ... . 721 Rainer Schröder Social Institutions Revisited - zum Verhältnis von Institutionen- und Systemtheorie . . .. ... . . ... . .. .. .. . .... ... ... . .. .. ............. .. .. . . 747 Martin Schulte Begriff und Funktion des Rechts der Gesellschaft. Eine Selbst- und Fremdbeschreibung des Rechtssystems . ...... .... ... ... .......... .. ... ... . . . 767 Boris N. Topornin Selbstreferenz. Positivität und Dualismus des Rechts im russischen Rechtssystem .. ... . . . ... .. .. . .. ... .. . .. . .. .. ..... .. . . . . ... .. ..... . .. . ... . . 791 Bibliographie Wemer Krawietz (Andreas Scheman und Petra Werner) . . . .. ... 803 Verzeichnis der Mitarbeiter . . .. . .. .. . .. ..... . . .. .. .. . .. . ... . . ... . .. .. . . . . 843

I. Historisch-methodologische Untersuchungen

Integrative Jurisprudence and World Law By Harold J. Bennan In this essay, dedicated to Werner Krawietz in honor of his distinguished scholarship and of his adherence to a legal theory that transcends national boundaries, I advocate a revival of the historical school of legal theory and its re-integration with its two riyal schools, positivism and natural-Iaw theory. I argue further that such an integrative jurisprudence, which combines the three major schools, is needed to understand the growing body of world law that has accompanied the expansion of the world economy and the emergence of a world society.\ I. The three major schools of modem Western jurisprudence - positivism, natural-Iaw theory, and the historical school - finally separated from each other only in the late eighteenth and nineteenth centuries. Indeed, the historical theory, which had been adumbrated in earlier centuries, especially in England, only became a distinct "school" when it was elaborated in Germany by Savigny in the early nineteenth century.z Summarizing each of the three schools separately, one may say that positivists treat law as essentially a political instrument, a body of rules promulgated ("po si ted") and enforced by official law-making authorities, "the state;" naturalists treat law as essentially moral in character, an embodiI This essay draws on previous articles by the author, including "Toward an Integrative Jurisprudence: Politics, Morality, History," California Law Review, vol. 76 (1988), pp. 779-801; "Lawand Logos," DePaul Law Review, vol. 44 (1994), pp. 143-164; "World Law," Fordham International Law Journal, vol. 18 (1995), pp. 1617-1622. 2 In the seventeenth century English jurists and English courts counterposed the historical development of the English common law to the absolute power of the crown. See Berman, "The Origins of Historical Jurisprudence: Coke, Seiden, Haie," Yale Law Journal, vol. 103 (1994), pp. 1651-1738. A century later Edmund Burke expounded a political philosophy that stressed the supremacy of evolving tradition over both political will and abstract reason. It is generally believed that Savigny was influenced by the writings of Burke, which were widely known in Savigny's time.

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Harold J. Bennan

ment of principles of reason and conscience implicit in human nature; and historicists treat law as essentially cultural in derivation, a manifestation of the historically developing ethos of the society whose law it iso Positivists emphasize the source of law in legislation, and analyze the mIes of law existing in a given polity at a given time independently of their correspondence to moral principles and independently of the historical consciousness of the given polity. Only after one determines what the law "is," they say, is it appropriate to consider what it "ought to be." Naturalists, on the other hand, emphasize the source of law in fundamental principles of justice, merging the "is" and the "ought" and analyzing legal mIes in the light of the moral purposes that underlie them. Finally, historicists emphasize the source of the law that "is" and the law that "ought to be" in the past customs and traditions of the given society, including the previous decisions of its courts and the scholarly writings of its jurists, contending that the meaning of legal mIes is to be found in the character, the culture, the evolving historical values, of that society. Prior to the so-called Enlightenment of the eighteenth century, the question of primacy among these three theories was not critical, since in Christian Europe it was almost universally presupposed that God is the ultimate source of order, of justice, and of human destiny - all three. Thus it was possible to integrate in theological terms the political, the moral, and the historical dimensions of law. Pre-Enlightenment writers such as Aquinas, Grotius, and Locke, who, despite their diversity, are usually characterized as believers in natural law, also accepted major parts of both the positivist concept of law as a body of mIes laid down by the lawmaking authority and the historicist concept of law as an expression of the customs and beliefs of the society whose law it iso Roman Catholic, Protestant, and Anglican jurispmdence certainly differed from each other in important respects, but all three postulated that God has implanted reason and conscience in human minds and hearts, that he has ordained earthly mlers with power to make and enforce laws, and that the history of law represents the providential fulfillment of God's plan. Tensions among the political, the moral, and the historical dimensions of law were recognized, but they were finally resolved by finding their common source in the tri-une God, who is an allpowerful lawmaker, a just and compassiQnate judge, and the inspirer of historical progress, and whose "vestiges" in the human psyche, as St. Augustine taught, are will, reason, and memory, respectively? 3 See St. Augustine Confessions (E. B. Pusey trans., 1907), pp. 317-18: "Now, the Three I spake of are, To Be, to Know, and to Will. For I Am, and Know, and Will; and I Know myself to Be, and to Will; and I Will to Be, and to Know. In these three, then, let hirn discem that can, how inseparable a life there is, yea one Iife, one mind, and one essence, yea lastly how inseparable a distinction there is,

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With the secularization of legal scholarship in the nineteenth and twentieth centuries, the tension between positivist and naturalist theories of law became especially sharp. In recent decades - at least in England and the United States - their opposition to each other has begun to be somewhat softened. Positivists acknowledge that a legal system may expressly include overriding moral norms guaranteeing procedural and substantive equity and equality both in legal rules themselves and in their application. Similarly, naturalists have increasingly taken account of the moral nature of the political element in law - the virtues of legal security, including faithful adherence to statutory texts. Naturalists and positivists ultimately diverge, however, in their interpretation of legal rules. The positivist interprets them according to the intent of the lawmaker, since law, for the positivist, is an instrument of the will of the lawmaker. The naturalist, on the contrary, considers also the purpose of the rule itself, including its purpose as part of a system of justice. The naturalist assumes that it is a purpose of every rule of law that it be applied fairly, equitably, and that if the lawmaker has perversely intended a gross injustice then that intent is not to be carried out. Thus in interpreting and applying legal rules one who adheres to a positivist theory of law will, in effect, defend, above all, the political order, while one who adheres to a theory of natural law will, in effect, defend, above all, the moral order. What is missing from the debate between legal positivists and legal naturalists is a recognition of the normative significance of the historical dimension of law. In history, in real life, what is morally right in one set of circumstances may be morally wrong in another; likewise, what is politically good in one set of circumstances may be politically objectionable in another. Conflict between the morality and the politics of law, between what philosophers call the Right and the Good, may be resolved in the context of historical circumstances; history, the remembered experience of society, may permit or even compel an accommodation between morality and politics. This is, indeed, a fundamental purpose of law, which may be defined as the balancing of justice and order in the light of experience. Historical jurisprudence, which had been implicit in the development of the Western legal tradition from the twelfth century on,4 and which had played a critical role in the development of the English common law in the and yet a distinction." Augustine's concept of "will" included intent and desire, of "knowledge" and "mind" included reason and conscience, and of "being" and "essence" included memory, which he understood as not only recollection of the past but also awareness of the present and anticipation of the future. This definition of memory corresponds to the concept of "the temporally extended self' developed by the eminent cognitive psychologist Ulric Neisser. See Neisser, "Five Kinds of Selfknowledge," Philosophical Psychology, vol. 1 (1988), pp. 35, 46-50.

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Harold J. Berman

seventeenth and eighteenth centuries, emerged as aseparate school of legal philosophy in the nineteenth century in the context of the debate between positivism and natural-Iaw. It is characteristic of the historical school that its first explicit formulation by Savigny was a response to a proposal made in 1814 by a prominent German professor of Roman law, A. F. J. Thibaut, to introduce a fundamental innovation in the German legal tradition, namely, to adopt a civil code for the entire German nation, modeled on the 1804 Civil Code of France; and that Savigny's response was not that the adoption of a civil code was inherently a bad idea but rather that Germany was not ready for such a code, that Germany at that time did not even possess a legal language appropriate to such a project, and further, that the proposal to codify the German ci vii law at that time reflected a basic misconception of the nature of law. Law, Savigny wrote in his famous reply to Thibaut, is "developed first by custom and by popular belief, then by juristic activity everywhere, therefore, by internal, silent operating powers, not by the arbitrary will of the legislator.,,5 Law, he argued, is an integral part of the common consciousness of the nation, organically connected with "the spirit of the people" (Volksgeist), that is, with the ideas and norms reflected in a people's historically developing traditions, including its legal tradition. It is of interest to note that so me decades later Savigny's arguments found acceptance in the United States, when a strong effort was made and defeated - to enact a civil code in New York. Here the principal protagonists were two outstanding practicing lawyers, James Coolidge Carter (1838-1905) and David Dudley Field (1805-1895). Field was appointed by the New York legislature in 1857 to draft a civil code. The Civil War intervened before the draft was submitted in 1865 to the legislature, which did not adopt it. For the next twenty years Field led an unsuccessful movement to introduce a civil code in the state of New York. Like Thibaut in Germany, Field believed that summarizing civil law in a written code was democratic and rational, that it would promote uniformity of law, and that

4 See Berman, Law and Revolution: The Formation of the Western Legal Tradition (1983), pp. 5-6, 9. 5 See Friedrich Karl von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (1814). The latest English translation, entitled Of the Vocation of Our Age for Legislation and Jurisprudence, by Abraham Hayward, was published. in 1975. The original German edition, together with Thibaut's booklet, is reproduced in Hans Hattenhauer, ed., Thibaut und Savigny: Ihre programmatischen Schriften (2002). On the contemporary significance of Savigny's response to Thibaut, see Reinhard Zimmermann, "Ci viI Code and Civil Law: The Europeanization of Private Law Within the European Community and the Re-emergence of a European Legal Science", Columbia Journal of European Law, Vol. 1 (1995), pp. 63105, esp. pp. 80-82 ("Savigny v. Thibaut Revisited").

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through such codes the prejudices of judges could be restrained and the injustices of customary law could be reduced. 6 Both Carter and Field referred in their writings to the debate between Savigny and Thibaut, Field taking Thibaut's side, Carter Savigny's, and both referred broadly to the conflict between a historical theory of law, endorsed by Carter, and a positivist theory, endorsed by Field. Like Savigny, Carter equated law with the customary norrns that develop organically within a society over generations and centuries, reflecting the character of its people. He wrote that this "unwritten law" was superior to the "written law," that is, the enactments of legislatures. As Savigny had invoked the traditional Roman law taught in the Gerrnan universities, equating it with the spirit of the Gerrnan people, so Carter invoked the traditi on al Anglo-American common law, that is, the law contained in judicial precedents, equating it with the national character of the American people? In effect, the legal customs found by the courts in America, like the legal customs found in the Roman Pandects by Gerrnan jurists, were conceived by Carter to be preferred to legislation as a source of civil law. Carter' s victory over Field in the political arena was a dramatic example of the more general victory of the historical school of legal theory over both the positivist school and the natural-Iaw school in the United States in the latter half of the nineteenth century. Some leading nineteenth-century American legal scholars introduced into the historical theory elements of a natural-Iaw theory - as did Carter himself; others introduced into the historical theory elements of positivism; still others expounded the historical theory in sharp opposition to both positivism and natural-Iaw theory.8 All, however, emphasized the role of customary norrns in civil-Iaw relationships as distinguished from public-Iaw relationships. Indeed, adherents of a his6 See David Dudley Field, "Codification - Mr. Field' s Answer to Mr. Carter," American Law Review, vol 24 (1890), p. 265. In his writings Field argued for codification of virtually all branches of law, including international law. Cf. David Dudley Field, Outlines of an International Code (2d ed. 1876) (photo. reprint 2001). 7 Carter's arguments against codification are contained in James C. Carter, "The Proposed Codification of Our Common Law: A Paper Prepared at the Request of the Committee of the Bar Association of the City of New York," New York Evening Post John Printing Office, 1884. See also Carter, "The Ideal and the Actual in the Law," in Report of the Thirteenth Annual Meeting of the American Bar Association (1890), p. 225. His lectures which were prepared for Harvard Law School were published posthumously in 1907 as a book, Law: Its Origin, Growth, and Function (New York: G. P. Putnam's Sons, 1907). 8 See Stephen A. Siegel, "Historism in Late Nineteenth-Century Constitutional Thought," Wisconsin Law Review (1990), pp. 1431-1547. Siegel explores the historical theories of law developed by John Norton Pomeroy, Christopher Gustavus Tiedeman, and Thomas McIntyre Cooley.

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Harold 1. Berman

torical legal theory, including Carter, did not oppose the adoption of a criminal code and of separate codes of criminal and civil procedure. Also in the last decades of the nineteenth century comprehensive statutes codifying the customary law of sales and the law of negotiable instruments were adopted in most of the states; these "uniform laws" were needed to harmonize the rules of commercial law in what had become anational economy. Yet the historical school remained dominant both in scholarly theory and in judicial practice. 9 A historical theory of law was, in fact, built into the principIe, which the United States inherited from England, that in deciding cases courts are normally required to apply the "holdings" of previous analogous cases, that is, the rules of law that were necessary to the decisions in those cases. The doctrine of precedent, as it is called, reflects, on the one hand, the naturallaw principie of the generality of law, or, as the English say, the principle that "like cases should be decided alike." It also reflects the principle of positivism that in deciding cases courts are required not only to interpret and apply statutes enacted by legislatures but also, in the absence of an applicable statute, to apply other sources of Iaw, including customary law, general principles of law, and rules of law authoritatively declared in previous cases or in Ieading schoIarly works. 1O Thus the doctrine of precedent is not inherently in conflict with either a theory of natural law or with positivism. Nevertheless it is also, and primarily, an expression of the historicity of law - the theory that the past decisions of courts have a normative significance in the determination of what the law is, and further, that the decision of the court in a given case has normative significance - is a precedent - for the decision of analogous cases in the future. In the twentieth century the historical school came under attack in the United States, as it did also in other Western countries. It was attacked partly for its exaltation of the spirit of the nation as the ultimate source of all law and partly for its demeaning of the positive role of legislation in the development of law. In the United States it was attacked also, and chiefly, for its assumption that judges, in deciding cases, do not "make" law but "find" it in precedents of the past or in customary law or in other historical sources. To be sure, it had aiways been recognized that judges could playa creative role in adapting past precedents to current and future conditions; 9 See Roscoe Pound, Interpretations of Legal History (1923), p. 10; Roscoe Pound, Jurisprudence (1959), vol. 1, p. 63. 10 Thus Artic1e 38 of the Statute of the International Court of Justice requires the court, in deciding cases, to apply international conventions, international custom, and general princip1es of law recognized by civilized nations. These three sources correspond to the demands of positivism, historical jurisprudence, and natural-law theory .

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nevertheless, the historical school stressed the organic growth of the law, while in the twentieth century emphasis was increasingly placed on the need for innovation. This, in turn, was linked with the "will" theory of law - that judges, like legislators and administrators, decide not according to what the law "has been" or "is" but according to what they will it to be, that is, according to what they consider to be sound policy. In the 1920s and 1930s American jurisprudence was increasingly influenced by a school of so-called "legal realism," which contended that legal rules are inherently ambiguous and that judges decide cases according to their prejudices. In the late 1940s, 1950s, and early 1960s, this was succeeded by a school of so-called "policy science," which analyzed the law in terms of economic welfare, political power, and other social "values," the sharing of which, according to the theory, courts in deciding cases ought to "maximize." Since the late 1960s, various new jurisprudential movements, all of which, like legal realism and policy science before them, are essentially positivist in their concept of the nature and sources of law, have arisen in the Uni ted States to advance various causes: "critical legal studies," "critical race theory," "feminist legal theory," "detraditionalization," "Iawand economics," and others. Against the positivist theory of law that underlies these movements, and also against the positivist theory of law adhered to by most of the more conventional legal theorists, the relatively few remaining American adherents of a theory of natural law have fought a rear-guard action. II The historical school, however, has almost vanished from the academy. Occasionally, it is discussed as a relic of a bygone age. Occasionally it is mentioned as an example of an indefensible "traditionalism." Usually it is ignored. Indeed, not long aga a distinguished leading American legal comparatist and historian, in examining positivist and natural-Iaw justifications of the validity of customary law, expressly stated that he would not consider the approach to the matter from the point of view of historical jurisprudence on the ground that "Savigny's ... general theory of law .,. is today universally rejected." 12 If in the United States historical jurisprudence is considered to be dead, it is because it has been caricatured to death by its opponents. Savigny's followers endorsed historicity not historicism, tradition not traditionalism. 11 See Charles Covell, The Defence of Natural Law: A Study of the Ideas of Law and Justice in the Writings of Lon L. Fuller, Michael Oakeshot, F. A. Hayek, Ronald Dworkin, and John Finnis (1992); Robert P. George, ed., Natural Law Theory: Contemporary Essays (1992). 12 See Alan Watson, The Evolution of Law (1985), p. 48. Professor Siegel has also written that "historical jurisprudence ... grounded itself in tenets that are today wholly repudiated." See Stephen A. Siegel, "The Revision Thickens", Law and History Review, vol. 20, no. 3, Fall 2002, p. 637.

Harold J. Bennan

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Historicism is the return to the past; historicity emphasizes the element of continuity from past to future in the development of the culture of a society, induding its legal culture. In the words of a distinguished contemporary historian, "Tradition is the living faith of the dead; traditionalism is the dead faith of the living.'.!3 Rapid change, even periodic revolutionary change, has been part of the evolution of the Western legal tradition. On the other hand, historical jurisprudence is not, as some scholars have supposed, merely a sociological statement; it did indeed, in the hands of social theorists such as Eugen Ehrlich and Max Weber become a sociology of law, a study of the influence of social and economic and ideological factors on legal development over time. As a legal theory, however, it stresses a belief in organic development, not just a belief that such development exists. It looks to the past heritage of the law as an important source of its growth in the future. 11.

In the twentieth and twenty-first centuries, for the first time in the history of the human race, virtually all the peoples of the entire world have been brought into more or less continual interrelationships, often involving mutual legal rights and obligations. We live in a world economy, supported by a growing body of transnational law of trade and investment and finance. Through new technology we have virtually instantaneous worldwide communications, also subject to a body of transnational legal regulation. A multitude of transnational organizations and associations, forrned to advance a myriad of different causes, work to introduce legal measures to reduce world disorder and overcome world injustices, to prevent destruction of the world environment and pollution of the world atmosphere, to prevent the spread of world diseases, to remedy violations of universal human rights, to counter worldwide terrorism, to resolve ethnic and religious conflicts that threaten world peace. People from all parts of the world have come together in calling for the development of worldwide legal protection against these and other global scourges through the development of official and unofficial legal institutions. They have also come together to promote world travel, world sports, world leisure activities, and other kinds of good causes that affect all peoples and that require transnational regulation to be carried out in a just and orderly way. The emerging world society and its accompanying body of world law are, to be sure, gravely threatened by extremists of the various world cultures. But the "dash of civilizations," in Samuel Huntington's phrase,14 is 13

See Jaroslav Pelikan, The Vindication of Tradition (1984), p. 65.

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taking place on the background of intercultural communication and interaction. Even the antiglobalists form aglobai network. Even the terrorists are part of a transnational conspiracy. An integrative jurisprudence, which accepts the measure of truth residing in each of the three major schools of legal theory and which seeks to integrate them, is needed to recognize and interpret and support the growing body of world law. Included in that body are not only public international law, that is, the law created by nation-states in their relationships with each other, including the law governing the Uni ted Nations and its subordinate intergovernmental organizations, but also the enormous body of contractual and customary legal norms that govern relations among persons and enterprises engaged in voluntary activities that cross national boundaries. World law is a new name for what was once called jus gentium, the law of nations, embracing common features of the various legal systems of the peopIes of the world. 15 Adherents of positivist jurisprudence once took the position that public international law is not really law, since there is no world state and since nation-states may withdraw at will from their international legal obligations. Today, however, even the strictest positivist must recognize that the 20,000 or more international treaties and conventions that are registered with the United Nations constitute legislation not only of the individual states that have ratified them but also of the international confederation of states - constitute law in the positivist's sense of that word, despite the absence of an overriding international sovereign. Also positivist jurisprudence today has no difficulty in recognizing the law-making role of approximately 1000 intergovernmental organizations of the United Nations 14 See Samue1 P. Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order (1996), arguing that world politics is entering a new era in wh ich the sources of conflict will be based on cultural divisions rather than on ideology or economic forces. The battle lines of the future, Professor Huntington states, will be the fault lines between civilizations. 15 The law of nations inc1uded, in addition to what is now called public international law, not only mercantile and maritime law but also natural law, defined as mies of law common to all civilized peoples. In 1789 Jeremy Bentham invented the term "international law," contending that "Iaw of nations" is objectionab1e because it combines three mutually contradictory elements: (1) natural law, defined as a system of mies derived from natural reason and common to all civilized peoples, which Bentham said was not law at all; (2) mies of mercantile and maritime law concerning private transactions that cross national boundaries, which Bentham said are governed by the applicable municipal law of one or another sovereign state; and (3) "the mutual transactions between sovereigns as such," which alone, in Bentham's view, could be called both "inter-national" and "Iaw." See Mark W. Janis, "Jeremy Bentham and the Fashioning of International Law," American Journal of International Law, vol. 78 (1984), pp. 405-425.

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charged with the administration of such treaties. Moreover, positivist jurisprudence has not only accepted the validity of a body of law that emanates from contractual relationships of independent sovereigns but has also contributed important techniques of making, interpreting, and applying such law. Also natural-Iaw theory, which once dominated the analysis of public international law, continues to play a significant role in its formation and implementation. Public international law presents itself as an instrument of universal moral values, of human rights, of justice. In addition, in the socalled private sphere of international relations, natural-Iaw theory supports the formation and application of legal norms by individual persons, enterprises, and voluntary associations engaged in transnational activities. 16 Above all, both the political aspects of world law, viewed from a positivist perspective, and the moral aspects of world law, viewed from the perspective of natural law, are also to be viewed from the historical perspective of the coming together in the twentieth and twenty-first centuries of virtually all the peoples of the world in continual relations with each other and in the gradual formation of a world society. This has been most apparent in the economic sphere. In trade, especially, the exporters and importers of the world, the shipowners and other carriers, the insurance underwriters, and the bankers, all share the language of c.i.f. and f.o.b. contracts, of bills of lading and other documents of title, of insurance policies and certificates, and of letters of credit and other financial instruments. This evolving body of law governing the transnational transfer of goods - called law merchant, lex mercatoria - is basically the same in all parts of the world. To a lesser extent there is a world law of transnational transfer of money and of transnational transfer of plant and equipment. Business enterprises and other kinds of economic actors, communicating together from all nations to conduct their common affairs and to establish common norms of intercourse and common institutions, constitute an important element of what has come to be called a world civil society. That is, they are people from different nations and different cultures who are associated with each other voluntarily and are not government officials or members of state or inter-state agencies. Such groups of persons or enterprises are sometimes called "private" associations, though it must be under16 To distinguish it fram so-ealled publie international law, this body of transnational law is sometimes ealled "international private law" - although one must be eareful to distinguish it fram "private international law," whieh is the name given in most eountries to what in the Anglo-Ameriean tradition is ealled international eonfliet of laws, that is, the ehoiee of the national law that may be applieable to a transaetion or a relationship involving property or persons loeated in different states.

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stood that they also serve public interests, notably in establishing customary legal norms that mayaiso constitute a basis for national and international legislation and judicial decisions. Other constituent elements of world civil society include multinational religious associations, information and news media, educational and research organizations, professional societies, sports associations, and a host of other types of voluntary associations "made up of individuals and groups without regard to their identities as citizens of any particular country and outside the political and public dominion of the communion of nations." 17 Within world civil society, a legal distinction is made between voluntary transnational associations of persons or organizations that carry on or support commercial, financial, and production activities, including, for exampIe, the International Chamber of Commerce, with its membership of over 50,000 business enterprises plus individual members from about 110 different countries, and, on the other hand, voluntary transnational associations that are engaged in activities that are classified as not-for-profit. The latter are qualified to be registered with the United Nations as International Nongovernmental Organizations (lNGOs). Of the approximately 35,000 INGOs so registered, approximately 6,000 are multinational not only in their interests but in their membership. These 6,000, most of which have been founded since 1945, cover a huge range of activities. Most are highly specialized, drawing members worldwide from a particular occupation, technical field, branch of knowledge, industry, hobby, or sport. 18 Examples include organizations with specific economic or scientific or artistic concerns, such as the International Tin Council, the International Union for the Study of Social Insects, and International Council of Museums. Others have broader concerns and a larger membership - for example, the World Wide Fund for Nature (formerly the World Wildlife Fund), which in the 1990s grew in transnational membership from 570,000 to 5,200,000, and its si ster transnational multi-million-member environmental-protection organization Greenpeace. Others less numerous but perhaps equally widely known include Doctors Without Borders, a transnational association of more than 2500 doctors, which provides emergency medical assistance to victims of disease in more than 80 countries, and which also works to rehabilitate hospitals and to introduce vaccination programs and water and sanitation programs; Amnesty International, which exposes violations of civil rights 17 This is the definition of world civil society given by Gordon A. Christenson. World Civil Society and the International Rule of Law, Human Rights Quarterly vo1.l9, (1997), pp. 724-731. 18 See lohn Boli and George M. Thomas, Constructing World Culture: International Nongovernmental Organizations since 1875 (1999. The following discussion of INGOs is drawn largely from this important work. See also Frank l. Lechner and lohn Boli, The Globalization Reader (2000).

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throughout the world and exerts pressures to rectify them; and the International Red Cross, the Scout Movement, and the International Olympic Committee, which need no introduction. Being both not-for-profit and non-governmental, INGOs generally represent neither the material nor the specific national interests of their members but rather the universal interests of the worldwide class of people whose cause they advocate. The numerous organizations whose cause is the equality of women, for example, are acknowledged to represent not merely the interests of their members but the interests of all women of the world. Similarly, the various INGOs that advocate protection of the environment or reduction of pollution of the atmosphere claim to speak not only for themselves but are for all environmentalists worldwide. Likewise, Doctors Without Borders and the numerous other international nongovernmental organizations that are dedicated to raising standards of world health are not special-interest groups seeking to benefit themselves or the nations of which their members are citizens but are associations of public-spirited persons seeking to meet a universal human need. Hence particular international governmental organizations (IGOs), charged by the Uni ted Nations with such causes as advancing gender equality or protecting the world's environment or combating world diseases, frequently consider that INGOs whose interests coincide with theirs are qualified to participate in their deliberations and to assist in establishing their policies. And indeed, INGOs have played an important role in such deliberations and in the establishment of such policies. An example is the role of international nongovernmental environmental organizations in the intergovernmental formulation of environmental legislation. More than 1400 such associations were registered, with official accreditation, at the United Nations Earth Summit in Rio de Janeiro in 1992, and some of them had a substantial influence on the decisions which it adopted. Another example of the role of international nongovernmental organizations in the formation of policies by international governmental organizations is furnished by the World Health Organization (WHO), established in 1946, which now has a membership of 191 states. Under Principles Governing Relations Between the World Health Organization and Nongovernmental Organizations, adopted in 1987, NGOs affiliated with the WHO have the right to be represented in a non-voting capacity in WHO meetings, access to non-confidential documents through WHO distribution facilities, and the right to submit memoranda directly to the WHO DirectorGeneral, to be circulated subsequently to others at his discretion. An NGO mayaiso implement WHO programs which the NGO helped to design, may disseminate information concerning WHO policies, and may cooperate with member states in implementing WHO programs. 19

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A dramatic example of the impact of an international nongovernmental organization on world health law is the role played by Doctors Without Borders in defeating the effort of American and other pharmaceutical companies to prevent the distribution of generic AIDS drugs in South Africa, which made AIDS treatment affordable to millions of South Africans. 20 In 1998 thirty-nine pharmaceutical companies brought suit in a South African court, relying on universally recognized legal principles to prevent infringement of their patents. Doctors Without Borders started a worldwide campaign, called "Drop the Case," to petition the pharmaceutical companies to withdraw their suit. Eventually, the pharmaceutical companies, under the pressure of world opinion, did withdraw their suit, accepting, in effect, a principle that in countries whose populations suffer from world diseases that can only be combatted by the use of medicines that cost more than their populations can afford to pay, the patentees of such medicines will permit the circulation of less expensive generic drugs, although the circulation of such drugs would otherwise constitute an infringement of their legal rights. Earlier this principle had been invoked in Brazil, where since 1996 virtually all AIDS patients have been given access to generic drugs manufactured in that country. Ultimately, member states of the World Trade Organization adopted adecision in 2002 that so-called "least-developed country Members" will not be obliged, with respect to pharmaceutical products, to enforce foreign patent rights otherwise applicable under the WTO international agreement on trade-related aspects of intellectual property rightS. 21 These examples, to which others could be added, of the participation of transnational nongovernmental organizations in the making of world law in these instances, world environmental law and world health law - also illustrate the importance of recognizing that a principal source of the official law that was eventually produced, namely, the WTO declaration and the Rio Convention, was the unofficial customary law that was advocated by those nongovernmental organizations and was accepted as valid and binding in the transnational constituencies which they represented. Generic drugs were being sold in South Africa, and not only as a matter of practice but also with a claim of right - a claim that was ultimately officially vindicated. Various forms of pollution of the world's environment had already come to be considered to be violations of customary norms when nations 19 See Anthony M. Balloon, "World Diseases, World Communities, and World Health Law" (2002), pp. 14-15 (unpublished paper in the pos session of the author of this essay). 20 Balloon, supra, p. 6, note 24, reports that anti-retroviral drugs used to treat HIV / AIDS cost more than $10,000 for a year of treatment in the Uni ted States and Europe where drug patents are in full force, whereas generic drug producers can manufacture and seil equivalent drugs for around $300. 21 See World Trade Organization, IP/C/25, 1 July 2002.

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met in Rio to outlaw them officially. Evident in the process, in St. Augustine's terms, were not only the "will" of nation-states, and not only the "reason" inherent in the very concept of law, but also the evolving "memory" that constitutes the "being" or "essence" of an emerging temporally extended transnational society. 22

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See supra fn. 3.

Die methodologische Herausforderung des Europarechts Zum Verhältnis von Rechtsdogmatik, Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung und Rechtstheorie am Beispiel des Staatshaftungsrechts

Von Athanasios Gromitsaris Die Frage nach dem Verhältnis verschiedener Zweige der Rechtswissenschaft zueinander I drängt sich heutzutage schon deshalb auf, weil ein Prozeß der "Europäisierung" nationale Rechtsordnungen mit der Judikatur supranationaler Spruchkörper konfrontiert und eine Abstimmung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufeinander unter dem Dach des für alle geltenden europäischen Unionsrechts nötig macht. Die Struktur dieses Verhältnisses soll am Beispiel des Staatshaftungsrechts aufgezeigt werden. Auf diese Weise kann den abstrakten Überlegungen gleich die Probe abverlangt werden. I. Die Herausforderung des Europarechts

Die Spannung zwischen nationalem Recht und europarechtlichen Vorgaben hat der Rechtsvergleichung ein neues Anwendungsfeld eröffnet. Diese gewinnt unter dem Anwendungsvorrang des Europarechts eine innerstaatliche Dimension. Die Anwendungsformen der nationalen Institute in Fällen mit und ohne Europarechtsbezug müssen ständig miteinander verglichen werden. Ferner wird die herkömmliche externe Dimension von Rechtsvergleichung angereichert: Die Rechtsprechung des EuGH rezipiert nationale Begriffe und Grundsätze, die bei der Formulierung europarechtlicher Problemstellungen herangezogen werden. Will man etwa die europarechtliche 1 Walter Pauly (Juristische Fakultät, Jena) danke ich für die instruktiven Gespräche, die ich an seinem Lehrstuhl als wiss. Mitarbeiter zunächst in Halle/Saale und dann in Jena mit ihm geführt habe. Der Versuch, durch einen mehrperspektivischen Zugang zum Recht komplexe Phänomene der Rechtswirklichkeit zu erfassen, ist eins der Forschungsanliegen von Wemer Krawietz, der in solchen Fällen von "multi-level-approach" spricht. Siehe etwa ders., Recht ohne Staat? Spielregeln des Rechts und Rechtssystem in nonnen- und systemtheoretischer Perspektive, in: RECHTSTHEORIE 24 (1993), S. 81-133.

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Anwendung des deutschen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, des Vertrauensschutzgedanken oder der Schutznormtheorie adäquat verstehen, so kann man um einen Blick in das deutsche Recht und seine dogmatische Aufbereitung nicht herum. Die Rechtsvergleichung wird somit zum Bestandteil der rechtswissenschaftlichen Durchdringung des Europarechts. 11. Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte

Wenn es wahr ist, daß Rechtsgeschichte ein Operieren mit der vergleichenden Methode ist, ist ebenfalls wahr, daß Rechtsvergleichung Rechtsgeschichte mit einbezieht. Die Rechtsvergleichung muß stets auch die historische Entwicklung ihrer Gegenstände berücksichtigen. Der historische Rückblick konstituiert den rechtsvergleichenden Gegenstand immer mit, denn Faktoren der Konvergenz oder Divergenz, die der Gegenwartsbezug oder der kurze Rückblick verdecken, werden bei der Wahl des geeigneten Zeitraumes aufgedeckt. Das läßt sich z. B. mit Blick auf Konvergenzen zwischen deutschem, englischem und französischem Recht im Falle der Staatshaftung bei Ermessen sowie bei der Duldungspflicht des Betroffenen gegenüber hoheitlichen Immissionen feststellen. Früher bejahte das deutsche Amtshaftungsrecht im Bereich von Ermessen eine Haftung nur bei Willkür;2 andere (für das Aufhebungsrecht relevante) Ermessensfehler hatten keine haftungsrechtliche Bedeutung. Diese Zäsur zwischen Aufhebungsund Haftungsrecht ist in Frankreich und England geltende Rechtslage. Was die Haftung bei Immissionen angeht, die von öffentlichen Einrichtungen ausgehen, wurde früher in deutschem Recht eine allgemeine Duldungspflicht angenommen,3 die ihre Begründung lediglich im Allgemeinwohlcharakter der öffentlichen Einrichtung fand. Ähnlich kennt das englische common law immer noch einen Grundsatz der Entschädigungslosigkeit derjenigen Schäden, die für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung unvermeidbar4 sind. Auf der legitimierenden Wirkung des Allgemeinwohlcharakters beruhen auch die geltenden französischen Grundsätze der "Unantastbarkeit öffentlicher Werke"s und der Entschädigungslosigkeit der städtebaulichen Servitute. 6 2

BOHZ 2, 209 (214); 4, 302 (311); 12, 206 (208); 45, 143 (146); zur Kritik

Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 64 I b) 4. Allgemein hierzu aus

heutiger Sicht Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 46. 3 BOHZ 48, 98 (104); 60, 119 (122 f.); 93, 20 (23). 4 Siehe z. B. Dept. of Transport v. Northwest Water Authority [1984] A.c. 336, 359; s. auch Linden, Strict Liability, Nuisance and Legislative Authorization, Osgoode Hall Law Journal 1996, S. 196. 5 Zum "principe d'intangibilite de l'ouvrage public" s. Jean-Marie Auby/Pierre Bon, Droit administratif des biens, 3. Aufl. 1995, Rn. 287.

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Wenn allerdings Rechtsvergleichung mehr als Inventare von Vorschriften bieten will, die "woanders" gelten oder gegolten haben, muß sie ihre Forschung nach Gesichtspunkten ausrichten, denen für die Organisation des Rechtsstoffes und die Herausarbeitung von Konzeptionsunterschieden Strukturwert zukommt. Einen derartigen Gesichtspunkt stellt im Staatshaftungsrecht der Bezug der Haftung zum Aufhebungsrecht und den entsprechenden Gerichtsverfahren dar. Die Ausgestaltung dieses Bezuges hängt wiederum von der objektiv-rechtlichen oder subjektiv-rechtlichen Orientierung der einschlägigen Gerichtsverfahren ab. In Deutschland ist sowohl das Aufhebungs- als auch das Haftungsverfahren subjektiv-rechtlich orientiert. In Frankreich dient das gerichtliche Aufhebungsverfahren der objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle, während das Haftungsverfahren den Zweck der Durchsetzung eines subjektiven Rechts verfolgt. Letzteres ist schlicht das Recht auf Schadensersatz, das übrigens keine Bedingung für die Klagebefugnis darstellt, sondern im Rahmen der Begründetheit geprüft wird. Ein Abstimmen des Schadensersatz anspruchs mit anderen materiell-rechtlich bestimmten (Grund-) Rechten, etwa der Eigentumsfähigkeit der verletzten Position, ist nicht nötig. Die haftungsrechtlichen Schutzgüter werden nicht durch ihren Grundrechtsbezug definiert. Es kommt auf den reellen, direkten, persönlichen und bestimmten Schaden an, der sich auf materielle oder immaterielle Rechtsgüter beziehen kann. Eine Rechtsverletzung wird lediglich den Nachweis der Bestimmtheit des Schadens erleichtern? Aus diesem Grunde kann in Frankreich ein Durchkonstruieren eines Anspruchs auf Unterlassung, (Folgen-) Beseitigung und schließlich Kompensation aus der verletzten Rechtsposition des Betroffenen heraus nicht mal versucht werden. Unzulässig ist die Schadensersatzklage lediglich dann, wenn sie bei rechtswidrigen Geldbescheiden als exaktes Substitut einer nicht fristgerecht erhobenen Aufhebungsklage fungiert. Das Verhältnis von Aufhebung und Haftung wird hier nicht durch den Vorrang des Primärrechtsschutzes, sondern durch die Sorge um die Umgehung der Trennung verschiedener Klageformen und Verfahrensarten geprägt. 8 Das englische Recht kennt eine einheitliche Klagearte für öffentlichrechtliche Streitigkeiten, die alle Abhilfearten umfaßt. Es geht um das Verfahren der judicial review, das der gerichtlichen Kontrolle aller in Ausübung öffentlicher Hoheitsfunktionen vorgenommenen bzw. unterlassenen Maßnahmen dient. Der Kläger kann im Rahmen der application for judicial review verschiedene Anliegen verfolgen, die sich auf die Erteilung gericht6 R. Hostiou, La non-indemnisation des servitudes d'urbanisme, AJDA 1993, S.27. 7 Siehe das Kapitel "Le prejudice reparable" bei Michel Paillet, La responsabilite administrative, Paris 1996, S. 193 ff. 8 Rene Chapus, Droit du contentieux administratif, 6. Aufl., Paris 1996, Rn. 640.

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licher verpflichtender Anweisungen, die Unterlassung oder Autbebung einer Maßnahme, die Feststellung von Rechten oder die Erteilung von verbietenden bzw. verpflichtenden Anordnungen an eine Prozeßpartei beziehen können. 9 Die Verfügbarkeit einer Autbebungsklage, die im Rahmen des judicial review-Verfahrens erhoben werden könnte, kann, muß aber nicht die Geltendmachung einer Schadensersatzklage ausschließen. Autbebungs- und Schadensersatzantrag können auch in einem Verfahren miteinander verbunden werden. Dies wird einzelfallabhängig entschieden. 1O Ein englisches Pendant zum deutschen Vorrang des Primärrechtsschutzes gibt es nicht. Das Judicial review - Verfahren ist objektiv-rechtlich orientiert. Bedingung für die Klagebefugnis ist zunächst eine Klagezulassungserlaubnis ("leave"), die dem Ausschluß offensichtlich aussichtsloser Klagen dient, und sodann der Nachweis eines hinreichenden Interesses ("sufficient interest") am Ausgang der Streitigkeit. Die Darlegung der Verletzung eigener Rechte ist nicht erforderlich. Die Schadensersatzklage verlangt demgegenüber die Erfüllung eines Tatbestandes aus dem Tort Law. Als Klagebefugnis gilt hier das Vorliegen eines Klagegrundes (einer "cause of action"). Solange eine subjektive RechtsverIetzung in Betracht kommt, wird sie zusammen mit einem ganzen Bündel von Faktoren berücksichtigt, die eben für die Annahme oder Ablehnung eines Klagegrundes sprechen. 11 Die unterschiedliche Ausgestaltung des Verhältnisses des Haftungs- zum Autbebungsprozeß liegt den konzeptionellen Unterschieden zwischen deutschem, englischem und französischem Staatshaftungsrecht zugrunde. Das deutsche Recht knüpft an das Rechtswidrigkeitsurteil des Autbebungsrechts an und gewährt Sekundärrechtsschutz, wenn Primärrechtsschutz nicht möglich ist oder nicht ausreicht. Französisches und englisches Recht konstruieren Autbebung und Haftung separat, indem sie das Staatshaftungsrecht durch eigene Maßstäbe der juristischen Beurteilung des staatlichen Verhaltens gegenüber dem Autbebungsrecht verselbständigen. Es muß nicht unbedingt darauf Bezug genommen werden, ob und unter welchen Bedingungen das Autbebungsrecht das staatliche Verhalten für rechtmäßig oder rechtswidrig hält. Das sieht man im französischen Recht daran, daß man bis 1973 von "illegalites venielles" ("verzeilichen Rechtswidrigkeiten") sprach,12 die nur autbebungsrechtliche, doch keine haftungsrechtlichen Wirkungen zeitigen konnten. Selbst wenn nunmehr "illegalite" und haftungsbegründende "faute" vorwiegend gleichgesetzt werden, muß extra geprüft werden, ob Clive Lewis, ludicial Remedies in Public Law, London 2000, S. 7 ff. Ebd., S. 78 f. II ZU "standing" und "cause of action" P. P. Craig, Administrative Law, 4. Aufl. London 1999, S. 706 ff. 12 Hierzu P. Cabanes/D. Leger, note sous CE, 26.01.1973, Ville de Paris clDriancourt, AJDA 1973, 245. 9

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eine "faute de nature a engager la responsabilite de la puissance publique" vorliegt. Das ist ein eigenständiger, haftungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Um so mehr gilt dies für das Kriterium der "faute lourde", das meistens bei Ermessensentscheidungen herangezogen wird und einen besonderen Schweregrad von Rechtswidrigkeit zur Haftungsauslösung verlangt. 13 Ebensowenig kennt das englische Recht eine Staatshaftung für Rechtswidrigkeit per se. Die Haftung wird ausgelöst, wenn einer der Haftungstatbestände des Law of Torts vorliegt. Im Bereich der Haftung aus dem Tort "negligence" muß neben der Rechtswidrigkeit auch noch eine spezifisch haftungsrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung ("breach of duty of care") vorliegen. Bei Verletzung gesetzlicher Pflichten, muß die Gewährung von Schadensersatz auch der Intention des Gesetzgebers entsprechen. 14 Das deutsche Staatshaftungsrecht hat im Gegensatz zum französischen Recht keinen eigenständigen haftungsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriff entwickelt. Ebensowenig kennt es einen haftungsrechtlichen "Beurteilungsspielraum" im Sinne des englischen Rechts, das bei einer Haftung aus "negligence" die Haftung nach Billigkeitsgründen auslöst oder ausschließt. Das deutsche Staatshaftungsrecht knüpft an den Rechtswidrigkeitsbegriff des Aufhebungsrechts an und qualifiziert diesen zur Haftungsbegründung durch die zusätzlichen Kriterien der Drittgerichtetheit, der Unmittelbarkeit und des Schutzzwecks. Insbesondere wird im Rahmen des Schutzzweckgedanken ein Teil der Überlegungen angestellt, die im französischen Recht unter der Rubrik der "faute lourde" und im englischen Recht unter dem Kriterium der "duty of care" Berücksichtigung finden. III. Einfluß der nationalen Staatshaftungsrechte auf die Rechtsprechung des EuGH Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Unionshaftung vor dem Hintergrund der aufgezeigten Konzeptionsunterschiede im Staatshaftungsrecht ergibt, daß materiell-rechtliche Rechtsschutzkonzeptionen keine entscheidende Rolle für die Ausgestaltung der Unionshaftung gespielt haben. Auf deutschen Einfluß ist die Tatsache zurückzuführen, daß für die Rechtswidrigkeit nach Art. 288 Abs. 2 EGV eine Schutznormverletzung verlangt wird. Der Schutznormcharakter wird aber auch einer Norm zugestanden, die individuelle Interessen lediglich in der Form des Reflexes des Schutzes allgemeiner Interessen schützt. Insofern wird die Schutznormtheorie herangezogen und zugleich "europäisiert". 15 13 Rene Chapus, Droit administratif general, Bd. 1, 9. Auf!. Paris 1995, Rn. 1260 ff. 14 Sue Arrowsmith, Civil Liability and Public Authorities, Winteringham 1992, S. 168 ff., 197 ff.

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Das Verhältnis der Schadensersatz- zur Nichtigkeitsklage ist eher von verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten geprägt. Im Unionsrecht kann eine Partei grundsätzlich mit einer Schadensersatzklage vorgehen, ohne durch irgendeine Vorschrift bzw. durch die Judikatur des EuGH gezwungen zu sein, die Nichtigerklärung der rechtswidrigen Maßnahme, die ihr einen Schaden verursacht hat, zu betreiben. Nur wenn der Kläger im Wege der Unionshaftungsklage die Unzulässigkeit einer Klage vermeiden will, die sich auf dieselbe Rechtswidrigkeit bezieht und dieselben Ziele verfolgt, ist die Unionshaftungsklage unzulässig. 16 Hierdurch wird nicht einem Postulat der Abstimmung von primärem und sekundärem Rechtsschutz, sondern eher dem Gedanken der Vereitelung von Umgehungsversuchen des Aufhebungsverfahrens Ausdruck verliehen. Das steht dem französischen Grundsatz der "distinction des contentieux" nah, der historisch auf Kompetenzverteilungsgesichtspunkte zurückgeht und das Aufhebungsverfahren vor einem Umsichgreifen des Verfahrens "de pleine juridiction" schützt. Denn letzteres läßt eine Verbindung der Schadensersatz- und der Aufhebungsklage zu. Auch der englische Grundsatz der "exdusivity of judicial review" stellt auf den Schutz der eingeführten einheitlichen Klageart für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten (der "application for judicial review") und nicht auf den Vorrang des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs vor der Schadensersatzklage ab. Übrigens beinhaltet die "application for judicial review" neben der Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Unterlassungs- und Feststellungsklage auch Schadensersatzklagen. Sie umfaßt also alle Abhilfearten. Ähnlich kann man in Frankreich in einer Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes und die "Folgenbeseitigung" durch Schadensersatz beantragen. Die Rechtsprechung des EuGH zur Unionshaftung im Beamtenrecht ist allerdings allein mit einem Umgehungsverbot des Aufhebungsverfahrens nicht zu erklären. Hinzu kommen muß die Tatsache, daß es sich hier nach der Ausdrucksweise des EuGH - um ein Verfahren mit "unbeschränkter Rechtsprechung" handelt, im Rahmen dessen der Gerichthof selbst bei Fehlen ordnungsgemäßer Anträge nicht nur aufheben, sondern auch von Amts wegen zu Schadensersatz verurteilen kann. I? Das entspricht der Sache nach der Definition eines "contentieux de pleine juridiction". Das Verhältnis der Haftungs- zur Nichtigkeitsklage wird hier auch dadurch bedingt, das der EuGH die Möglichkeit hat, Schadensersatz zu gewähren, wenn die Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme im Rahmen des en15 Zu den Subjektivierungsbedingungen von Vorschriften im Europarecht s. etwa Bemhard Wegener, Rechte des Einzelnen. Die Interessentenklage im europäischen Umweltrecht, Baden-Baden 1998, S. 281 ff. Zum individuellen Schutzzweck der verletzten Vorschrift s. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1998, S. 506. 16 Siehe z.B. EuG, Rs. T-167/94 - Nölle/Rat - Sig. 199511, Rn. 30. 17 EuGH, Rs. 9-75, Meyer-Burckhard, Sig. 1975, Rn. 7.

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gen Beamtenverhältnisses wegen der Beseitigung erga omnes und ex tunc zu eingriffsintensiv wäre. Demgegenüber stehen dem Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 288 Abs. 2 EGV nicht die Befugnisse zu, die für ein "contentieux de pleine juridiction" kennzeichnend sind. Er darf nämlich nur zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen und keine weiteren Handlungsanweisungen erteilen. Dies ist für das Verhältnis von Art. 233 EGV zu Art. 288 Abs. 2 EGV von Bedeutung. Für dieses Verhältnis sind ebenfalls hauptsächlich französische Rechtsgedanken aus dem Verwaltungsprozeßrecht und aus der Konzeption der Gewaltenteilung maßgeblich. Während der deutsche Folgenbeseitigungsanspruch materiell-rechtlich und von den Grundrechten her konzipiert wird, geht man in Frankreich von den Wirkungen des Aufhebungsurteils aus und gelangt man von dort aus zur Beseitigung der fortbestehenden Folgen der Nichtigerklärung rechtswidriger Maßnahmen. Die Wiederherstellung des Zustandes, der vor dem Erlaß der aufgehobenen Entscheidung bestanden hatte, erfolgt aufgrund der Rechtskraft des Aufhebungsurteils. Art. 233 EGV statuiert die Pflicht, die aus dem Aufhebungsurteil resultierenden Maßnahmen zu ergreifen. Auf diese Weise ist der französische Rechtsgedanke, daß sich die Folgenbeseitigungspflicht aus dem Aufhebungsurteil ergibt und eine prozessuale Grundlage hat, auf unionsvertraglicher Ebene positiviert worden. Zu den Maßnahmen gehört allerdings keine Leistung von Schadensersatz, die das Erfordernis der qualifizierten Rechtswidrigkeit nach Art. 288 Abs. 2 EGVentbehrlich machen würde. Was das zentrale Tatbestandsmerkmal der "hinreichend qualifizierten Rechtswidrigkeit,,18 angeht, handelt es sich im Grunde um das allen drei Rechtsordnungen bekannte Problem der Haftung bei Ermessen. Es ist eine Nähe zum Erfordernis der "faute lourde" im französischen Staatshaftungsrecht festzustellen. Auch die haftungsrechtliche Hürde von "justiciability" in Verbindung mit der "Common law duty of care" im Tort von "negligence" kann als dieser Voraussetzung des Unionshaftungsrechts entsprechend angesehen werden. Angesichts der objektiv-rechtlichen Konzeption des "faute"-Begriffs springt die Nähe zum französischen Recht besonders ins Auge. Zwar schrumpft im französischen Recht der Anwendungsbereich der "faute lourde" zunehmend zusammen. Strukturell ist aber dieses Haftungsregime der Haftung wegen "hinreichend qualifizierten" Unionsrechtsverletzung durchaus vergleichbar. Es geht um einen spezifisch haftungsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriff, der es zuläßt, nur bestimmte hinreichend gravierende Fehler als haftungsrelevant zu erklären. Die Rechtswidrigkeit (sogar bereits aufgehobener Maßnahmen) genügt nicht, um die 18 Siehe nur EuGH, verb. Rs. C-46/93 u. 48/93 , Brasserie du Pecheur/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary of State for Transport, ex parte: Factortame III, Slg. 1996-1, Rn. 38,55.

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Haftung auszulösen. Ähnlich gestaltet sich die Lage auf unionsrechtlicher Ebene: Die "hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung" stellt eine haftungsrechtlich relevante Rechtswidrigkeit dar. Sie ist mit dem Aufhebungsgrund ("cas d'ouverture") des Ermessensmißbrauchs, der eine Verbindung des französischen "detournement de pouvoir" mit dem deutschen "Ermessensmißbrauch" (nicht jedoch mit der "Ermessensüberschreitung", die dem französischen "contröle des motifs" entsprechen würde) darstellt, nicht identisch. 19 Ein Ermessensmißbrauch ist haftungsrechtlich nur insofern relevant, als er eine hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung bildet. Diese kurz skizzierten Ergebnisse des Vergleichs von Europarecht mit der deutschen, englischen und französischen Konzeption von Staatshaftung zeigen, was man von der Rechtsvergleichung im Europarecht erwarten kann. Sie kann Verbindungslinien zwischen europarechtlichen Grundsätzen und Begriffen einerseits und nationalen Rechtsordnungen andererseits ziehen. Sie kann somit zur wissenschaftlichen Durchdringung des Europarechts insofern beitragen, als sie auf die mitgliedstaatlichen institutionellen und rechtswissenschaftlichen Kontexte hinweist, die einerseits den ursprünglichen nationalen Entstehungszusammenhang europarechtlicher Begriffe und Institute aufzeigen und andererseits die Spannungen sichtbar machen, die zwischen der nationalen und europarechtlichen Verwendung von Begriffen bestehen. Das Hin- und Herwandern des Blicks zwischen diesen unterschiedlichen Verwendungskontexten ist zwar eine Vorbedingung für das adäquate Verständnis von Europarecht. Es reicht aber zur vollständigen Erfassung der konzeptionellen Unterschiede von Rechtsschutz und Staatshaftung nicht aus. Zu diesem Zweck muß man über das Aufzeigen nationaler Einflüsse auf die Rechtsprechung des EuGH hinausgehen. Erforderlich ist vor allem die Einbettung juristischer Begriffe und Institute in übergreifende rechtliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge. Bei der Darstellung und Würdigung derartiger Zusammenhänge, die Nahtstellen des Rechts zu Politik und Wirtschaft betreffen, kommt es heutzutage nicht auf den Entwurf einer Ontologie, sondern um die Formulierung von Funktionsaussagen an.

IV. Bedeutung von Funktionsaussagen Die bisherigen Ausführungen bewegen sich auf der Ebene der vergleichenden Rechtsdogmatik unter Berücksichtigung rechtshistorischer Zusam19 Zu Ursprung und Bedeutung des Eröffnungsgrundes "Ermessensmißbrauch" s. Michel Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, 1967, Hans-Wolfram Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 255 ff.; S. 171 ff.

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menhänge. Ihr Ziel war, auf Konzeptionsunterschiede im Staatshaftungsrecht hinzuweisen, die sich daraus ergeben, daß das Staatshaftungsrecht an das Rechtswidrigkeitsurteil des Aufhebungsrechts anknüpft oder seine Tatbestände unabhängig vom Aufhebungsrecht ausgestaltet. Im zweiten Fall ist das Staatshaftungsrecht nicht an den Vorrang des Primärrechsschutzes gebunden. Wenn man nun diese vergleichenden Überlegungen methodologisch würdigen will, so läßt sich feststellen, daß sie die deutsche juristische Problemstellung des Vorrangs des Primärrechtsschutzes dem englischen und französischen Verständnis des Verhältnisses von Haftung und Aufhebung gegenüberstellen. Der Bereich juristischen Argumentierens wird hierdurch gar nicht verlassen, sondern durch die Darlegung juristischer Alternativen und Differenzierungsmöglichkeiten angereichert. Insofern bietet Rechtsvergleichung die Möglichkeit, das Staatshaftungsrecht "von außen" zu betrachten, ohne jedoch Rechtsdogmatik verlassen bzw. einen außerjuristischen archimedischen Punkt wählen zu müssen. Unter Rechtsdogmatik wird hier die wissenschaftliche Tätigkeit verstanden, die der Einzelfallentscheidung mit dem Ziel vor- und nacharbeitet, Anspruchsgrundlagen zu bestimmen, übersichtllich darzustellen oder vorzuschlagen. Sie beansprucht eine beschreibende, aber auch eine praktischnormative wissenschaftliche Kompetenz. Funktionsaussagen bestimmen demgegenüber nicht, was rechtens ist oder wie die Rechtslage sein sollte. Sie beantworten die Geltungsfrage nicht. Sie sind keine Anspruchsgrundlage, sondern sie weisen auf funktionale Äquivalente hin. Sie erhöhen somit die Komplexität und machen die präskriptive Tätigkeit der Rechtsdogmatik sogar schwieriger, da sie die Möglichkeiten erweitern, die unter normativen Gesichtspunkten präskriptiv ausgeschlossen werden sollen. Dennoch sind Funktionsaussagen als Vorüberlegungen im Vorfeld der präskriptiven Tätigkeit der Dogmatik aus drei Gründen unerläßlich. Erstens ermöglichen sie den Vergleich äquivalenter juristischer Institute sowie die Bestimmung der Bedeutungsstruktur von Begriffen in diachronischer oder synchronischer Perspektive. Zweitens machen sie Realitätsannahmen der juristischen Dogmatik kontrollierbar, die sich auf das Verhältnis des Rechts zur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beziehen. Drittens weisen sie auf ihre eigene Fachabhängigkeit hin, d.h. sie können mitthematisieren, daß alle Funktionsbestimmung von den Kategorien der Disziplin abhängt, die sie vornimmt. Alle drei Punkte lassen sich am Beispiel des Staatshaftungsrechts veranschaulichen. 1. Zweckgebundene Begriffsbildung

Funktionsaussagen dienen zunächst dazu, die Kontextabhängigkeit und Zweckgebundenheit der juristischen Begriffsbildung aufzuzeigen. Das sieht

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man schon am Staatsbegriff. Der Bezug zu verschiedenen Rechtsprechungskorpora bedingt die verschiedenen Definitionsversuche. Der EuGH definiert den Staatsbegriff in seiner Rechtsprechung zur grundsätzlich unzulässigen horizontalen Direktwirkung von Richtlinien. Er verfolgt hierbei den Zweck festzustellen, ob und gegen wen die vertikale Direktwirkung geltend gemacht werden kann,z° Der EGMR definiert den Staatsbegriff mit der Absicht zu prüfen, ob die Haftung der Vertragsstaaten auch dann bejaht werden kann, wenn sie die Verantwortung für die Sicherung der Menschenrechte faktisch auf private Instanzen übertragen haben,zl Einen ähnlichen Zweck verfolgen die deutsche Beleihungsproblematik und die französische Haftung bei "delegation de service public" oder bei schädigendem Verhalten von "collaborateurs occasionnels". Dem englischen Human Rights Act 1998 geht es darum, ob bestimmte Körperschaften in jeder Hinsicht oder aber nur hinsichtlich ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen an die EMRK gebunden sind und haftbar gemacht werden können (z. B. private Sicherheitsdienste bei der Überwachung eines privatisierten Gefängnisses),z2 Im Rahmen des englischen judicial review-Verfahrens geht es hingegen darum, den öffentlich-rechtlichen Charakter einer Streitigkeit zu bestimmen und ein Umgehen der Regel der "exc1usivity of judicial review,,23 zu vermeiden. Der mit der jeweiligen Staatsdefinition jeweils verfolgte Zweck bedingt den Begriffsinhalt. Ein Rechtsbegriff bündelt die Vielfalt historischer Erfahrung und praktischer Sachbezüge. Dies bedeutet, daß auch in einer grundsätzlich synchronisch orientierten vergleichenden Forschung nicht darauf verzichtet werden kann, verschiedene gegenwärtige Verwendungskontexte mit verschiedenen Entwicklungsstufen der zu analysierendenden Begriffe in Verbindung zu bringen. Diachrone Tiefenstaffelung und synchroner Hinweis auf Institutionen und Sachverhalte müssen beide in Rechnung gestellt werden, soweit man etwa die Bedeutungsstruktur des "faute"-Begriffs des französischen Staatshaftungsrechts bestimmen will. Wörterbücher liefern hierbei lediglich lexikographische Vorinformation. Erst Funktionsaspekte können die kontextbedingte Inhaltsgleichheit und Wiederholbarkeit oder Differenz und Austauschbarkeit der Begriffselemente von "faute" sichtbar machen. Entscheidend ist, so läßt sich dann feststellen, nicht die subjektive Fehlhandlung (Verschulden), sondern die Abweichung vom normalen Ablauf der Verwaltungstätigkeit. "Faute" weist sich als objektiver Pflichtverstoß aus, 20 21

§ 27.

EuGH, Rs. C-188/89, Foster/British Gas pIe, Slg. 1990,1-3313, Rn. 20. Siehe z.B. EGMR, Costello Roberts/The United Kingdom, A 247-C (1995),

22 Jason Coppel, The Human Rights Act 1998: Enforcing the European Convention in the Domestic Courts, 1999, S. 20, 25. 23 Leitentscheidung: O'Reilly v. Mackman [1983] 2 A.c. 237.

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für den der Staat vor den Verwaltungsgerichten haftet. Übersetzt man nun "faute" mit Verschulden, so geht der stark objektive Charakter des Begriffs verloren. In französischem Recht ist aber die Objektivierung der Haftung bis zu einer Gleichsetzung von "illegalite" und "faute" vorangeschritten. Für die Rechtsvergleichung bedeutet dies, daß sie die Haftung für "faute" als haftungsrechtliches Pendant zum "enteignungsgleichen Eingriff' auch noch heranziehen muß und den Vergleich zwischen objektiver Haftung im deutschen und französischen Recht nicht auf die Haftung "sans faute" beschränken darf. 2. Kontrolle von Realitätsannahmen

Was die Kontrolle expliziter oder impliziter Realitätsannahmen angeht, die der präskriptiven Tätigkeit der Dogmatik zugrunde liegen und das Verhältnis von Recht und Staat zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft betreffen, kommt Funktionsaussagen eine sozialdiagnostische Bedeutung zu. Hierbei kann fremdwissenschaftliche Forschung nicht unberücksichtigt bleiben. Beim Versuch, den ungleichartigen "Teilen" der Gesellschaft Rechnung zu tragen, hat man Organismusanalogien bemüht (Herbert Spencer), Überlegungen zur sozialen Arbeitsteilung (Emile Durkeim) bzw. zur Ausdifferenzierung von sozialen Kreisen (Georg Simmel) angestellt, auf das Auseinanderhalten von Wertsphären und bereichsspezifischen Rationalitäten abgestellt (Max Weber) oder eine Theorie funktionaler Differenzierung (Niklas Luhmann) entworfen. Dieser sozialwissenschaftliche Befund ist für sich keine rechtsdogmatische Problemstellung. Er kann aber die Dogmatik im Staatshaftungsrecht daran hindern, das bipolare Schema der Verfassungsbeschwerde (Staat-Grundrechtsträger) in die Gesellschaft zu projizieren. a) Haftungsrechtliche Verschiedenartigkeit der Grundrechtsprobleme bei Gleichrangigkeit der Grundrechte

Die abwehrrechtliche Konzeption der Grundrechte und der Verfassungsbeschwerde trägt durch die bereichsspezifische Ausgestaltung des jeweiligen grundrechtlichen Schutzbereichs und die hiermit einhergehende grundrechtsspezifische Gemeinwohlperspektive dem differenzierten dezentralen System der Gesellschaft Rechnung?4 Die Grenze, welche die Grundrechte der Politisierung der verschiedenen sozialen Bereiche durch staatliche Intervention setzen, wird somit nicht einheitlich gezogen. Demgegenüber fordert eine generelle Haftung für alle Grundrechtsverletzungen, so wie sie in der 24 Zu den grundrechtsspezifischen Gemeinwohlperspektiven s. Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: ders.lKirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. V, S. 353, 445.

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Literatur vertreten wird, in allen Interventionsfeldern ein einheitliches Staatshandeln ein: Geldausgleich. Die Rolle funktionstheoretischer Vorüberlegungen liegt hier darin, darauf hinzuweisen, daß eine einheitliche Grundrechtsverletzungshaftung doch unterschiedliche Auswirkungen auf das Verhältnis des Staates zum jeweiligen entsprechenden sozialen Bereich haben kann. Die Tatsache, daß Gewerbe- und Bankenaufsichtsrecht dem Polizeirecht entstanden sind, hindert Kreditwirtschaft und Versicherungsmarkt nicht daran, auf Staatshaftung anders als Restaurants zu reagieren. Im Bereich etwa der Bankenaufsicht kann Staatshaftung strengere staatliche Kontrollen nach sich ziehen und damit auch Bürokratisierungstendenzen verstärken. Der Umstand, daß den unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten der dezentralen sozialen Bereiche, die in den grundrechtlichen Schutzbereichen "repräsentiert" sind, auf die Staatshaftung staatshaftungsrechtlich Rechnung getragen werden muß, läßt sich durch die Rechtsprechung des EGMR und die unionsrechtliche Haftungsvoraussetzung des "hinreichend qualifizierten Rechtsverstoßes" geradezu veranschaulichen. Auch der Vergleich mit englischem und US-amerikanischem Staatshaftungsrecht ("constitutional torts") bestätigt diese Auffassung. Bei den amerikanischen "constitutional torts" ist sec ti on 1983, title 42 United States Code (42 U.S.c. § 1983, bekannt als "section 1983") Rechtsgrundlage. 25 Sie begründet Haftungsansprüche gegen Orts- und Stadtverwaltungen wegen Grundrechtsverletzung. Seit 1971 gibt es auch eine Haftungsklage gegen Bundesbeamte (',federal officials") wegen Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte, die als "Bivens action" bekannt ist. 26 Die Bivens action ist ausgeschlossen, wenn die Schädiger auf alternative (vom Kongreß zur Verfügung gestellte) Rechtsmittel hinweisen können, die gleich wirksamen Rechtsschutz bieten können. Sie wird ebenfalls ausgeschlossen, wenn besondere Faktoren dafür sprechen ("special factors counselling hesitation,,).27 Diese Faktoren beziehen sich nicht ausschließlich auf den Individualschutz; die Zubilligung einer Ersatzleistung hängt schließlich vom Ermessen des Gerichts ab. Was die Voraussetzungen von "section 1983" angeht, so läßt sich feststellen, daß diese Klage verschiedene Haftungsfilter kennt. Gesetzgeber, Justiz, Zeugen und öffentliche Ankläger genießen in ihrer Funktionswahrnehmung eine absolute Immunität. Beamte und Angestellte können sich auf eine qualifizierte Immunität berufen, die sie wirksam schützt, solange sie hinsichtlich der 25 Die aktuelle Renaissance von "constitutional torts" wurde durch die Entscheidung Monroe v. Pape 365 V.S. 167 (1961) eingeleitet. 26 Bivens v. Six Vnknown Named Agents of the Fed. Bureau of Narcotics, 403 V.S. 388 (1971). 27 Carlson v. Green, 446 V.S. 14, 18-19 (1980); Susan Bandes, Reinventing Biyens: The Self-Executing Consitution, in: California Law Review 1995, 289, 337 ff.

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Verfassungs mäßigkeit der Maßnahme in gutem Glauben waren. Es wird ein objektiver Gutgläubigkeitsmaßstab angelegt. 28 Neben der qualifizierten Immunität gibt es weitere haftungsbeschränkende Kriterien wie die Schonung der bundesrechtlichen Struktur des Staates ("section 1983" gewährt ein bundesrechtliches Rechtsmittel gegen Orts- und Stadtverwaltungen)29 und die Verfügbarkeit alternativer Rechtsmittel, die ebenfalls der bereichsspezifischen Zubilligung von Ersatzleistungsansprüchen dienen. 3o Seetion 1983 hält demnach grundsätzlich die Möglichkeit offen, "prospective" und "retrospective relief' auf Bundes- und Landesebene sowie Individualrechtsschutz und Institutionsschutz bereichs spezi fisch aufeinander abzustimmen. Die Möglichkeit einer haftungsrechtlichen Berücksichtigung schutzbereichsspezifischer Unterschiede kommt auch in der Grundrechtsverletzungshaftung nach Art. 41 EMRK zum Ausdruck. Diese setzt nicht lediglich eine Konventionsrechtsverletzung voraus. Die Gewährung einer Ersatzleistung hängt nicht zuletzt auch davon ab, daß der beklagte Konventionsstaat nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestattet und die Zubilligung der Entschädigung "notwendig" ("necessary") ist, um "just satisfaction" herbeizuführen. Die Feststellung einer Konventionsverletzung führt nicht automatisch zur Zubilligung einer gerechten Entschädigung. Die Entscheidung hierüber steht im billigen Ermessen des EGMR. Die Faktoren, die hierbei berücksichtigt werden, sind die vom Konventionsstaat bereits getroffenen Wiedergutmachungsmaßnahmen, die Schwere der Konventionsverletzung und die Schadensintensität, das Verhalten des beklagten Staates sowie die Mitverursachung des Schadens und die Schadensminderungspflicht des Geschädigten. 3 ! Auch die Gewährung einer Entschädigung nach section 8 (1) des englischen Human Rights Act 1998 setzt voraus, daß die Entschädigung "just and appropriate" sein muß. Dieses Merkmal wird nicht nur nach Maßgabe der Rechtsprechung des EGMR, sondern auch in Anlehnung an den vom EuGH gemünzten Begriff der hinreichend qualifizierten Rechtsverletzung ("serious breach") interpretiert. 32 In allen diesen Fällen ist die Entscheidung über die Haftung für Grundrechtsverletzung nicht ausschließlich durch die Grundrechtsverletzung bedingt. Die Haftung für Grundrechtsverletzung läuft nicht auf die Gewährung eines Rechtsmittels nach dem Motto "one size fits all" hinaus. Vielmehr kommt es neben dem IndividualHarlow v. Fitzgerald, 457 U.S. 800, 819 (1982). Hierzu: Steven H. Steinglass, Seetion 1983 Litigation in State Courts, 1989. 30 John C. Jr. Jeffries, Disaggregating Constitutional Torts, in: The Yale Law Journal 2000, 259. 31 Siehe Dinah Shelton, Remedies in International Human Rights Law, 1999, S. 205, 209, 219 m. N. 32 Lord Woolf, The Human Rights Act 1998 and Remedies, in: M. Andenasl D. Fairgrieve (Hrsg.), Judicial Review in International Perspective, Bd. 2, 2000, S. 429 ff., 433. 28

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rechtsschutz auch auf die Funktionsfähigkeit von Institutionen an, die in Verbindung mit der jeweils grundrechtlich gewährleisteten Tätigkeit stehen. b) Verantwortungsaufteilung zwischen Staat und Gesellschaft

Das Staatshaftungsrecht hat es sowohl auf der Ebene der Haftungsgründe als auch auf der Ebene der Haftungsanknüpfung und der Ausgestaltung von Tatbeständen mit dem Problem der Verantwortungsaufteilung zwischen Staat und Gesellschaft zu tun. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht geht es hier um das Problem von Koordination und Autonomie der ausdifferenzierten Teile der Gesellschaft. Auch hier wird die Koordination der Teile der polyzentrischen Gesellschaft mit unterschiedlicher Begrifflichkeit und Akzentuierung zum Ausdruck gebracht. Organische Solidarität (Durkheim), unsichtbare Hand des Marktes (Adam Smith), Werte- und Normengeneralisierung sowie Interpenetration (Talcott Parsons), verständigungs orientierte Kommunikation (Jürgen Habermas) oder strukturelle Kopplung (Luhmann) sind bereits als soziales Bindemittel vorgeschlagen worden. Diese sozialwissenschaftlichen Formeln haben keine rechtsdogmatische Relevanz. Sie enthalten keinen rechtsdogmatischen normativen Richtungssinn. Sie sprechen nicht für oder gegen eine bestimmte normative Lösung im Staatshaftungsrecht. Sie beschreiben aber die Gesellschaft, in der die öffentliche Gewalt für Handlungen und Unterlassungen, die sich als staatliche Interventionen in soziale Bereiche verstehen, haftet. Jedenfalls implizieren diese sozialwissenschaftlichen Konzepte das Fehlen einer omnipotenten zentralen Steuerungsinstanz. Sie verstehen Steuerung als Anregung zur Selbststeuerung und Hilfe als Hilfe zur Selbsthilfe; denn alles staatliche Interventionsfeld verfügt über eine eigene Operations weise und Organisation, die vom intervenierenden Staat in Rechnung gestellt werden muß. Äußere Wirkfaktoren lösen bei diesen selbstbestimmten, strukturdeterminierten Interventionsfeldern nur intern bestimmte Veränderungen aus. Die Gesellschaft kann hiernach nicht deterministisch von außen durch den Staat (durch die Politik mit Mitteln des Rechts) gesteuert werden. Dies führt als theoretische Überlegung im Vorfeld von Dogmatik zur rechtsdogmatisch relevanten Fragestellung, wie es möglich sei, eine Staatshaftung einzuführen, die die Autonomie des im grundrechtlichen Schutzbereich widerspiegelten sozialen Bereichs respektiere und dem individuellen Rechtsschutz Genüge tue. Diese Frage kann - wie die Rechtsvergleichung sichtbar macht - in verschiedener Weise nach Maßgabe des jeweiligen dogmatischen Systems formuliert werden. Unter diesem Aspekt ist es rechtsdogmatisch instruktiv unter anderem auch die Art zu vergleichen, wie Realitätsannahmen bzw. ihre rechtstheoretische Aufbereitung in rechtsdogmatische Fragestellungen übersetzt werden. Auch diese Übersetzungsleistung

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kann wiederum in verschiedener Weise erbracht werden, denn sie wird durch die theoretischen Vorüberlegungen selbst nicht präjudiziert. Rechtstheoretische und rechtsdogmatische Argumente können schon deshalb nicht vermengt werden, weil sie Begriffe verwenden, die unterschiedlichen Bedingungen der Begriffsbildung unterliegen und zur Erreichung unterschiedlicher Zwecke gebildet wurden. Was allerdings die Formulierung rechtspolitischer Vorschläge angeht, so ist hierfür eine Kombination rechtstheoretischer Funktionsaussagen und rechtsdogmatischer Überlegungen erforderlich. Die Diskussion zur Reform des Staatshaftungsrechts ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn man für oder gegen eine Staatshaftung bei fehlsamer Bankenaufsicht nach Maßgabe des geltenden Rechts argumentieren will, muß man das auf rechtsdogmatischer Ebene tun: Art. 34 GG begründet nicht den Drittbezug der Amtspflichten, sondern setzt dessen anderweitige Begründung voraus. Auch gebietet es Art. 14 GG nicht, die staatliche Bankenaufsicht so zu organisieren, daß die Amtspflichten auch dem einzelnen Bankkunden gegenüber bestehen. Denn die erwähnten Nebenfolgen einer Amtshaftung in diesem Bereich sprengen den Rahmen des individuellen Eigentumsrechtsschutzes. Will man nun aber rechtspolitische Vorschläge machen, sind Funktionsaussagen hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Kreditwirtschaft unerläßlich. An derartige Funktionsaussagen mag auch (und nicht nur an die Staatskasse) der Gesetzgeber gedacht haben, als er in § 6 Abs. 3 KWG (jetzt § 6 Abs. 4 KWG) klarstellte, daß das System der Bankenaufsicht gerade nicht auch die Interessen des einzelnen Anlegers schützen soll: Würde die Aufsicht nach dem KWG einen vollständigen Schutz vor einer Bankeninsolvenz bieten, könnten sich Anleger bewußt für eine weniger solide Bank entscheiden, die ihnen wegen des erhöhten Risikos hohe Zinsen verspricht, und darauf vertrauen, daß der Staat den Ausfall decken wird. Das käme einer Versicherung von Spekulationen gleich und bliebe nicht ohne Reaktion seitens der Assekuranz. Ferner hat rechtspolitisches Argumentieren erst dann Aussicht auf Erfolg, wenn es den Anschluß an rechtsdogmatische Argumente und rechtsdogmatisch bestimmte Funktionen des Rechts findet. Abgesehen von der Beachtung der normativen Vorgaben der Verfassung gilt es hierbei, den rechtspolitischen Vorschlag mit den tradierten Grundstrukturen der dogmatischen Aufbereitung eines Rechtsgebiets kompatibel zu machen. Jedenfalls muß ein rechtspolitischer Vorschlag mindestens die Problemstellung derart formulieren, daß ihr rechtsdogmatischer locus erkennbar wird. Etwaige Funktionsaussagen, die das Verhältnis des Rechts zu seiner gesellschaftlichen Umwelt (z. B. Politik und Wirtschaft) betreffen, müssen in dieser Phase in den Genuß einer verfassungsrechtlichen Fassung kommen und mit Funktionen von Begriffen, Institutionen und Verfahren in Verbin-

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dung gebracht werden, die vom Rechtsbetrieb für den Rechtsbetrieb bestimmt werden. Das gilt auch für die Diskussion zur Reform des deutschen Staatshaftungsrechts. Die deutschen Gerichte haben entgegen Stimmen in der Literatur den grundsätzlichen Schritt zur Einführung einer Grundrechtsverletzungshaftung zurecht nicht getan. Sollte er getan werden, müßte wenigstens eine spezifisch haftungsrechtliche praktische Konkordanz beim Übergang vom negatori sehen Beseitigungs- und Restitutionsanspruch zum Geldausgleichsanspruch in das grundrechtliche Reaktionsprogramm eingebaut werden, das die Verlängerung der Automatik des grundrechtlichen Reaktionsanspruchs in die Staatshaftung hinein kappen könnte?3 Es ist allerdings auch zweifelhaft, ob eine derartige praktische Konkordanz ausreichen würde. Denn auch sie würde die Tatsache nicht zum Ausdruck bringen können, daß die Frage nach der Selektion des haftungsrechtlich relevanten Schutzgutes mit der Frage nach der haftungsrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht identisch ist. Eine Grundrechtsverletzungshaftung setzt stillschweigend voraus, daß die Selektion des Schutzgutes und der Anspruchsgrundlage durch den Grundrechtsbezug des Schadens uno actu implizit vorgenommen wird. Denn, nur wenn lediglich Grundrechte als Anspruchsgrundlage anerkannt werden, kann dieser Ansatz erklären, warum einfache Rechte nicht haftungsrelevant sind und warum umgekehrt alle Grundrechte im Voraus, d.h. ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls haftungsrelevant sind. Das geltende Recht kennt aber demgegenüber eine eigenständige Prüfung der haftungsrechtlichen Relevanz des verletzten Schutzgutes. Man denke nur an den Schutzzweck der verletzten Amtspflicht und die Aufspaltung ihrer Drittbezogenheit. Der "Dritte" ist nicht als Träger aller seiner Rechtsgüter haftungsrechtlich geschützt. Selbst wenn man übrigens allen Grundrechten eine schutzgutbestimmende Funktion im Haftungsrecht zukommen ließe, zwänge dies keineswegs zum Schluß, daß sie gleichzeitig Anspruchsgrundlage für 33 Vgl. Michael Sachs, Aussprache, in: VVDStRL 2002, S. 435 und Daniel Röder, Die Haftungsfunktion der Grundrechte. Eine Untersuchung zum anspruchsbewehrten status negativus compensationis, 2002, S. 311. Die dogmatische Verabschiedung der Kriterien "Unmittelbarkeit", "Adäquanz des Kausalzusammenhan~s" und "Schutzzweck", wie sie Wolfram Höfling, Primär- und Sekundärschutz im Offentlichen Recht, in: VVDStRL 2000, S. 260 ff. und Bemd Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002 postulieren, wird die von diesen Kriterien wahrgenommene Funktion, insbes. das strukturell bedingte Bedürfnis nach distributiven Überlegungen und Berücksichtigung von Haftungsfolgen nicht gleichzeitig verschwinden lassen, sondern lediglich begrifflich "obdachlos" machen. Distributive Erwägungen und Folgenorientierung werden dann den zum einzigen Haftungskriterium erhobenen "Grundrechtseingriffsbegriff' überfrachten und Gesetzgeber bzw. Richter schließlich dazu nötigen, unter dem Dach des Schemas "Eingriff - Rechtfertigung" auf zusätzliche Haftungskriterien doch noch zu rekurrieren.

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Kompensationsansprüche sein müßten. In einer Rechtsordnung (wie die deutsche), die den Gesetzgeber an die Grundrechte bindet, würde man dessen haftungsrechtliche Spielräume übermäßig einengen, wollte man aus der Grundrechtsverletzung selbst zwingend eine Haftung ableiten. Der Gesetzgeber muß auf haftungsrechtlicher Ebene über Spielräume verfügen, die etwa auch Fonds- und Versicherungslösungen zulassen. Begriffe wie "Unmittelbarkeit" oder "Schutz zweck" im deutschen Recht, "duty of care" im englischen Recht, "faute de nature a engager la responsabilite de la puissance publique" oder "faute lourde" im französischen Recht, "hinreichend qualifiziertes" Unrecht im Europarecht, "just satisfaction" gemäß Art. 41 EMRK oder schließlich "just and appropriate" gemäß section 8 (1) des englischen Human Rights Act 1998 leisten vor allem Folgendes: Sie stellen spezifisch haftungsrechtliche Zurechnungskriterien dar, die eine Identifikation von haftungsrechtlichen Schutzzwecküberlegungen und grundrechtlichem Schutzbereich vermeiden. Sie dienen der Verantwortungsaufteilung zwischen intervenierendem Staat und sozialem Interventionsfeld durch den Verzicht auf deterministische Konzeptionen von Kausalverhältnissen. Sie machen eine haftungsrechtliche Berücksichtigung der Reaktion der Struktur des Interventionsfeldes auf die staatliche Intervention sowie der Rückbetroffenheiten auf den haftenden Staat erst möglich. Haftungsausschluß und Ausschluß des Rechtsschutzes auf Primärebene werden auf diese Weise auseinander gehalten. Die amerikanische Erfahrung mit der explosionsartigen Anwendung von section 1983 lehrt, daß Haftung zuweilen dadurch ausgeschlossen wird, daß an die Bestimmung der Eingriffshandlung oder des grundrechtlichen Schutzbereichs gerade zwecks eines Haftungsausschlußes (zu) hohe Anforderungen gestellt werden. In der Literatur wird dies mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit eigenständiger Zurechnungskriterien im Haftungsrecht und der Berücksichtigung der verfügbaren bereichsspezifischen Rechtsmittel kritisiert. 34 Funktionalen Analysen des Zusammenhangs von sozialer Autonomie und Koordination können nach alldem durchaus Anhaltspunkte für die Beurteilung brauchbarer dogmatischer Problemstellungen und erstrebter Ergebnisse entnommen werden.

34 Paul v. Davis, 424 V.S. 693, 701 (1976) (das Schutzgut des guten Rufes wurde aus dem Schutzbereich der "due process clause" herausgenommen); County of Sacramento v. Lewis, 523 V.S. 833 (1998), (Bestimmung der Eingriffshandlung, die "malicious motivation" voraussetzen muß). Zur Diskussion und Kritik: Jeffries, The Yale Law Journal 2000, 259, 278.

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c) Staatliche Zwecksetzungen und Geldausgleich

Bislang ist von der Bedeutung nicht dogmatischer Funktionsaussagen für die Dogmatik die Rede gewesen. Wenn nun aber Funktionsaussagen für die Formulierung rechtspolitischer Vorschläge und für die Kontrolle rechtsdogmatischer Realitätsannahmen unerläßlich sind, bedeutet dies nicht, daß die rechtsdogmatische Begriffsbildung ohne jeglichen Einfluß auf die theoretische Formulierung von Funktionsaussagen mit Blick auf das Dreiecksverhältnis "Recht-Staat-Gesellschaft" bliebe. 35 Rechtsbegriffe speichern die themenspezifische Entscheidungserfahrung des Rechtssystems. Sie bewerten somit das Verhältnis von Recht, Staat und Gesellschaft unter normativen Gesichtspunkten. Insofern sind sie auch für eine gelungene theoretische Beschreibung dieses Verhältnisses ihrerseits unerläßlich. Eine adäquate sozialwissenschaftliche und rechtstheoretische Beschreibung staatlicher Zwecksetzungen und Planungspolitik ist ohne Berücksichtigung von Rechtsinstituten und juristischer Begriffsbildung nicht möglich. Denn der Umstand, daß das Staatshaftungsrecht Nachteile ausgleicht, die durch staatliches Verhalten verursacht werden, kann zwar zunächst funktionstheoretisch mit Hilfe einer Zweck-Mittel-Relation beschrieben werden: Einer derartigen Relation zufolge dient alle Zwecksetzung dazu, bestimmte Folgen des Staatshandelns als erwünscht herauszugreifen und unerwünschte Nachteile als Nebenfolgen zu behandeln, die durch Geldausgleich wiedergutgemacht, also gleichsam "neutralisiert" werden können. Hieraus kann aber nicht darauf geschlossen werden, die Rolle von Staatshaftung bestehe darin, durch den Ersatz von Nebenfolgen dem Staat Handlungs- und Planungsspielräume auch dann zu eröffnen, wenn Rechtsverletzungen vorhersehbar seien. Denn diese Schlußfolgerung würde die normative Verbindung von Haftung und negatorischem Rechtsschutz ignorieren. Das Recht läßt sich "von außen", d.h. ohne Berücksichtigung der normativen Bindungen, die es produziert, gar nicht beschreiben. Ignoriert man diese Bindungen, macht man Aussagen zu einem anderen Gegenstand. 3. Fachabhängigkeit von Funktionsaussagen

Funktionsaussagen sind stets fachabhängig. Das kann man an der ökonomischen Analyse des Rechts 36 sehen, die am Beispiel der zivilrechtlichen 35 Zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft aus dogmatischer und rechtstheoretischer Sicht s. Martin Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft - rechtsrealistisch betrachtet, in A. Aamio u. a. (Hrsg.), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Festschrift für Wemer Krawietz zum 60. Geburtstag, Berlin 1993, 317 ff.; zur Bedeutung der Unterscheidung aus rechtsdogmatischer Sicht s. H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. V, 2000, S. 1187 ff.

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Haftung entwickelt wurde, deren Prämissen und Ergebnisse aber auf die Staatshaftung nicht übertragbar sind. 37 Dies hängt damit zusammen, daß sie den normativen Bindungen im öffentlichen Recht, insbesondere den behördlichen Aufgaben- und Pflichtenstellungen und den Grundrechten nicht Rechnung tragen kann. Privatautonomie und Erfüllung staatlicher Aufgaben sind nicht gleichzusetzen. Der Verwaltung steht es etwa nicht frei, die Erfüllung ihrer Aufgaben mit der Begründung zu unterlassen, sie sei zu riskant oder suboptimal. Das ist sowohl für die Gefährdungs- als auch für die Unterlassungshaftung im öffentlichen Recht von Bedeutung. Ähnliches gilt für sozialwissenschaftliche Funktionsaussagen. Sie lassen sich nicht ohne weiteres auf das Recht übertragen. Aus der Erfahrung der sozialen Interpendenz bzw. aus dem Begriff von Solidarität im Sinne Durkheims lassen sich etwa keine juristischen Lösungen für konkrete Haftungsfälle ableiten. 38 Der Solidaritätsgedanke kann lediglich auf der Ebene der Haftungsgründe eine Rolle spielen. Dies geschieht unter Berufung auf die Formel des Lastengleichheitsprinzips, das zur Kategorisierung von Fallgruppen dient und im Hintergrund der Ausgestaltung von Haftungstatbeständen steht. Der Grund für die Entstehung der Gefährdungshaftung durch die Rechtsprechung des Conseil d'Etat lag z. B. im Fehlen eines sozialstaatlichen Interventionsprogramms Bismark'scher Prägung. Jedenfalls reicht die politisch-appelative Funktion von Solidarität nicht aus, um den Staat für die Schäden seiner Bürger haftbar zu machen.

v.

Schluß

Es ist mit diesen Ausführungen am Beispiel des Staatshaftungsrechts der Versuch unternommen worden, das Verhältnis von Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtsdogmatik und Rechtstheorie unter den Geltungsbedingungen des Europarechts darzulegen. Der Zweck war nachzuweisen, daß die wissenschaftliche Durchdringung europarechtlicher Themen die Verbindung historischer, vergleichender, dogmatischer und funktionstheoretischer Forschung erfordert. Diese Verbindung unterschiedlicher Forschungsrichtungen ist kein Plädoyer für einen Methodensynkretismus: Jedes Fach muß lege artis operieren, wenn es zu zuverlässigen Ergebnissen kom36 Heinz-Dieter Assmann/Christian Kirchner/Erich Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 1978. 37 Ein Plädoyer für ihre Übertragung auf das Staatshaftungsrecht findet sich bei B. S. MarkesinislJ. B. Auby/D. Coester-Waltjen/S. F. Deakin, Tortious Liability of Statutory Bodies, Oxford-Portland Oregon 1999, S. 4-13. 38 Aus dem Solidaritätsbegriff wurden in Frankreich dennoch rechtspolitische Konsequenzen direkt gezogen und mit juristischen Lösungsvorschlägen verbunden, die aber Gesetzgeber und Conseil d'Etat unbeeindruckt ließen: Fran~ois Ewald, Le probleme fran~ais des accidents therapeutiques. Enjeux et solutions, Paris 1992.

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men soll. Die Rechtsdogmatik hat eine den normativen Stoff darstellende und eine praktisch-normative Funktion. Die Rechtsvergleichung erweitert das juristische Differenzierungsvermögen dadurch, daß sie auf alternative Problemstellungen und Problemlösungen hinweist, die in den jeweils fremden Rechtsordnungen relevant sind. Da hierbei stets ein tertium comparationis erforderlich ist, enthält Rechtsvergleichung zugleich den Vergleich bereits vorgenommener Vergleiche miteinander. Diese "Abkehr" von den verglichenen Objekten stellt die Relativität und Kategorienabhängigkeit des vergleichenden Operierens selbst in den Vordergrund. Das französische Staatshaftungsrecht etwa hat in seinem Vergleich mit dem deutschen Staatshaftungsrecht eine andere Identität als in seinem Vergleich mit dem englischen Staatshaftungsrecht. Was Rechtsgeschichte angeht, wacht rechtshistorisches Quellenbewußtsein darüber, daß historische Realitäten nicht durcheinandergewürfelt, verfälscht oder ins Dunkel gehüllt werden. Die Rechtstheorie soll Funktionsaussagen formulieren, die die Beziehungen des Rechts zu seiner gesellschaftlichen Umwelt (z. B. zu Politik und Wirtschaft) betreffen. Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtsdogmatik und Rechtstheorie verfügen über ihren eigenen modus operandi 39 und sind aus eben diesem Grunde gleichzeitig für einander nützlich. Die Rechtstheorie kann Maßstäbe für die Kontrolle impliziter oder expliziter Realitätsannahmen liefern. Rechtsgeschichte kann den Gegenstand rechtsvergleichender Forschung mitkonstituieren oder gegenwärtige mit vergangenen Rechtslagen vergleichen. Dies bedeutet, daß die Abhandlung eines Themas Ausführungen nötig macht, die auf historische, vergleichende, dogmatische und theoretische Forschung zugleich gestützt werden müssen. Die methodologische Herausforderung des Europarechts liegt geradezu darin, Fächerbarrieren aufrechtzuerhalten und gleichzeitig nach Fächerkombinationen zu verlangen. Es muß Wissen ad hoc generiert oder zumindest mobilisiert werden können, das von verschiedenen Fächern betreut und kontrolliert wird. Das Europarecht stellt eine Ordnung dar, in die keine Geltung von den Mitgliedstaaten eingeführt werden darf. Dennoch setzt die rechtswissenschaftliche Durchdringung europarechtlicher Themen voraus, daß der EuGH nicht der einzige Gesprächspartner des vom nationalen Recht ausgehenden Rechtswissenschaftlers ist. Vielmehr ist für die Analyse des Europarechts eine Forschung erforderlich, die nur durch eine Kombination selbständiger rechts wissenschaftlicher Fächer geleistet werden kann, die ihrerseits im39 Wie sich Rechtswissenschaft erst durch Selbstbestimmung ihrer Methode Zugang zu ihrem Gegenstand und anderen Fächern verschafft, kann man bei Walter Pauly, Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus. Ein Beitrag zu Entwicklung und Gestalt der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht im 19. Jahrhundert, 1993 nachlesen.

Die methodologische Herausforderung des Europarechts

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stande sind, das supranationale Ordnungsniveau adäquat zu unterschreiten, um den nationalen Entstehungszusammenhang oder die verschiedenen nationalen Verwendungskontexte europarechtlicher Begriffe darzulegen. Es geht darum, den unverzichtbaren nationalen Zugang zum Europarecht durch die Erschließung und wissenschaftliche Aufbereitung der migratorischen Bewegungen von Begriffen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalen Rechten zu ergänzen. Das ist allerdings ein mehrperspektivisches, von einem einzigen Fach nicht zu bewältigendes Unternehmen.

Ibn Taymiyya, Vater des islamischen Fundamentalismus? Zur westlichen Rezeption eines mittelalterlichen Schariatsgelehrten Von Birgit Krawietz I. Einfluß Ibn Taymiyyas auf islamische Geistesgeschichte und Politik Westliche Islamwissenschaftler, darum gebeten, an einer Hand die bedeutendsten islamischen Denker aus vormodemer Zeit aufzuzählen, dürften an dem Damaszener Schariatsgelehrten TaqI al-DIn Abmad Ibn Taymiyya (1268-1328) kaum vorbeikommen. Er ist in einem Atemzug zu nennen mit so andersartigen und meist gründlicher erforschten Größen wie etwa dem Philosophen, Theologen und Juristen Abü l:Iämid al-GazzäH (gest. 1111), dem ersten ,Soziologen' der islamischen Welt, Ibn Ijaldün (gest. 1406), dem Philosophen Ibn Rusd (Averroes) (gest. 1198) oder dem Philosophen und Mediziner Ibn SInä (A vicenna) (gest. 1037).1 Im Gegensatz zu letzteren resultiert das besondere Interesse westlicher Gelehrter an Person, Lehren und Wirkung Ibn Taymiyyas in der Regel allerdings weniger aus dessen wissenschaftlicher Nähe zu europäischen Geistesentwicklungen oder aus einer unmittelbar einsichtigen Form von Seelenverwandschaft. Stattdessen ist eine beträchtliche negative Faszination zu verzeichnen. Berühmt wenn nicht teilweise sogar berüchtigt - ist Ibn Taymiyya insbesondere in folgenden Rollen, welche jedoch im Schrifttum ganz unterschiedliche Berücksichtigung finden. Ibn Taymiyya ist der wichtigste Vertreter der bis dato schwächsten der schließlich insgesamt vier orthodoxen islamischen Rechtsschulen sunnitischer Prägung, nämlich derjenigen der Hanbaliten. Seine juristischen Auskünfte sind teilweise von beträchtlicher Originalität und werden auch von Angehörigen anderer Schulen zur Kenntnis genommen. Als theologischer und juristischer Verteidiger des islamischen Religionsgesetzes (sarl'a) geht Ibn Taymiyya in seinen Schriften mit äußerster Härte gegen innere und äußere Feinde vor. Erstere sind für ihn in erster Linie die Muslime selbst, 1 Hierbei soll jedoch kein festgefügter, geschweige denn ein allseits konsentierter Kanon behauptet werden.

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denen er allerlei unerlaubte Neuerungen (bida', Sing. bid'a) attestiert. Sie sind von der Religion der trefflichen frühislamischen Vorväter (salaf ~älih) abgewichen und haben so die Schwächung der eigenen Reihen und dadurch das Unheil, das die islamische Welt nach dem Zusammenbruch des von Bagdad aus regierten Kalifenreiches getroffen hat, hervorgerufen? Ibn Taymiyya macht sich anheischig, fortlaufend Glauben von Unglauben zu scheiden und dem - nach seiner Meinung - orthodoxen Islam der Altvorderen wieder zu seinem Recht zu verhelfen. 3 Mit seiner Unnachgiebigkeit rief der prominente Polemiker zeitlebens zahlreiche persönliche Feinde und immer wieder auch die mamlukische Obrigkeit4 auf den Plan. Gestritten hat er aber nicht bloß mit spitzer und unermüdlicher Feder. Er ist das gen aue Gegenteil eines von der Außenwelt abgekehrten, reinen Stubengelehrten, der sich allein in seinem Werk ausdrückt. Vielmehr wurde zu er einer aktiven Figur der unmittelbaren Zeitgeschichte. Im nachdrücklich von ihm propagierten Heiligen Krieg (gihad) gegen die als abtrünnige Muslime gebrandmarkten Mongolen entwickelte er sich zum Streiter in vorderster Front. Ibn Taymiyyas tatsächliche militärische Rolle wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Neben einigen diplomatischen Missionen führte er auch Strafaktionen gegen vermeintliche Kollaborateure durch. In seinem Aktivismus wurde er mehrfach handgemein, um gegen unisIamische Umtriebe vorzugehen und den Geboten Gottes im öffentlichen Raum zur Durchsetzung zu verhelfen. Seine Vorstöße hat er des öfteren ,zweigleisig' in Worten und Taten umgesetzt. 5 Die Erteilung schariatrechtlicher Gutachten (Sing. fatwä), entwikkelte sich bei ihm zur zentralen Form der Selbstartikulierung6 , um eigene intellektuelle Anliegen umsetzen zu können. Normalerweise gehen Fatwas 2 1258 zerschlug der Mongole Hülägü das innerlich längst zerrüttete Reich der Abbasiden von Bagdad mit dem Kalifen als nominellem Oberhaupt der islamischen Welt. 3 Der Begriff "orthodox" ist mit Blick auf seine Person jedoch deswegen mit Vorsicht zu verwenden, weil seine Stellungnahmen im Kontext des ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhunderts häufig eine Minderheitenposition darstellten, Shahab, Ahmad: Ibn Taymiyyah and the Satanic Verses, in: Studia Islamica 87:2 (1998), 67-124, 68, 124. 4 Von 1260 an herrschte in Ägypten und Syrien die Dynastie der Mamluken, welche das Regime der Ayyubiden abgelöst hatte. S Ein Beispiel dafür ist bereits sein erstes öffentliches Auftreten. Im Jahre 1294 war Ibn Taymiyya führend bei Ausschreitungen gegen 'Assäf al - Na~ränI, einen christlichen Sekretär, welcher der Blasphemie gegenüber dem Propheten Mu~am­ mad beschuldigt wurde, s. Laoust, Henri: La Biographie d'Ibn TaimIya d'apres Ibn KalIr, in: Bulletin d'Etudes Orientales 9 (1942-1943), 115-162, 118. In diesem Zusammenhang ist wohl auch Ibn Taymiyyas Schrift "Das Schwert, welches gegenüber demjenigen gezückt wird, der den Gesandten schmäht" (al-~ärim al-maslül 'alä sätim al-rasül) entstanden. Vgl. Turki, Abde1magid: Situation du "tributaire" qui insulte l'islam, au regard de la doctrine et de la jurisprudence musulmanes, in: Studia Islamica 30 (1969), 39-72.

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auf eine konkrete Anfrage eines Gläubigen zurück, bleiben oft kontextgebunden und bilden insgesamt lediglich einen beschränkten, oft der Nachwelt gar nicht überlieferten Teil des Schaffens eines Experten. Bei Ibn Taymiyya jedoch, dem jede Form enzyklopädischer Selbstverwaltung fremd ist, avancierten Fatwas zu einer seinem Naturell angemessenen unverzüglichen Reaktionsmöglichkeit bei der Verfolgung aktueller Probleme. Die vormoderne und modeme Geschichte sowie politische Entwicklung hat Ibn Taymiyya nachhaltig geprägt. Zum einen ist er der ideologische Ahnherr des Staates Saudi-Arabien. Der von Ibn Taymiyyas Ideen beseelte, puritanisch ausgerichtete Reformer Mubammad b. 'Abd al-Wahhäb 7 (17031792) schloß sich mit dem Stammesführer Mubammad Ibn Sa'iid zu einer dogmatisch-militärischen Allianz zusammen. Es begann eine wechselvolle Expansionsgeschichte, welche 1926 schließlich zur offiziellen Proklamierung des (dritten) Königreiches unter saudisch-wahhabitischer Ägide führte. 8 Des weiteren wurde Ibn Taymiyya zur Ikone der transnationalen Reform-Bewegung der Salafiyya. Von seiner Betonung des authentischen Weges der frühen Muslime (salaf), hat diese in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene, neo-orthodoxe, teilweise aber auch liberal-reformatorische Strömung nicht nur ihre Bezeichnung erhalten,9 sondern sie wurde maßgeblich und in vielerlei Weise von seinem Gedankengut geprägt 10. Sie greift weit über die arabische Welt hinaus und ist gerade auch für Südasien 11 bedeutsam. Fest steht, daß Ibn Taymiyya wie kaum ein anderer vor ihm die Kraft und Dynamik frühislamischer Geschichte und das Abstreifen apokrypher Entwicklungen beschwor. Jedoch nicht allein ein etabliertes Regime und Staatswesen wie das saudi-arabische oder traditionell gestimmte reformatorische Kreise beziehen sich auf Ibn Taymiyya als zen6 Weiss, Bemard: Ibn Taymiyya on Leadership in the Ritual Prayer, in: Islamic Legal Interpretation: Muftis and Their Fatwas, hrsg. v. Muhammad Khalid Masud, Brinkley Messick u. David S. Powers, Cambridge (Massachusetts) u. London: Haryard University Press, 1996, 63-71, 63-64. 7 Safiullah, Sheikh M.: Wahhabism: A Conceptual Relationship Between MuJ:1ammad Ibn 'Abd al-Wahhab and Taqiyy al-DIn AJ:1mad Ibn Taymiyya, in: Hamdard Islamicus 10: 1 (1987), 67-81. 8 Zur dortigen Bedeutung Ibn Taymiyyas s. Vogel, Frank E.: Islamic Law and Legal System: Studies of Saudi Arabia, Leiden [u. a.]: BrilI, 2000, 67-73, 173, 204205 et passim. 9 Weismann, Itzhak: Taste of Modemity: Sufism, Salafiyya, and Arabism in Late Ottoman Damascus, Leiden [u. a.]: BriIl, 2001, 263. 10 Commins, David Dean: Islamic Reform: Politics and Social Change in Late OUoman Syria, New York und Oxford: Oxford University Press, 1990, vii, 21, 2526. Vgl. Ende, Wemer: Salafiyya: 2. In Egypt and Syria, in: Encyc\opaedia of Islam, 2. Aufl., [EI 2 ], 906-909, 908. 11 Nizami, Khaliq Ahmad, The Impact of Ibn Taymiyya on South Asia, in: Journal of Islamic Studies I (1990), 120-149, 123-145.

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trale Gestalt. Auch Umstürzler verschiedener Couleur wie z. B. die Muslimbrüder haben Teile seines Gedankenguts absorbiert. Er wird mit radikalen Fundamentalisten bis hin zu Terroristen in Verbindung gebracht - als einer dritten neuzeitlichen Bewegung neben Wahhäbiyya und Salafiyya. Ibn Taymiyya war es, auf den sich die Mörder des ägyptischen Präsidenten Sadat bei ihrem Attentat 1981 beriefen. In heutigen Auseinandersetzungen gerät Ibn Taymiyya somit immer wieder ins Sperrfeuer der Kritik und polarisiert noch Jahrhunderte nach seinem Tod - die Gemüter. 11. Schwerpunkte und Topoi westlicher Sekundärliteratur

Bei so viel Licht der Öffentlichkeit, geschichtsträchtigem Auftreten und einem derartigen "mix of intellectual activity, preaching, politics, and periodic persecutions and imprisonments,,12 sollte man meinen, daß Ibn Taymiyya und die vielen Facetten seines Lebenswerks besonders gut untersucht seien. Um so erstaunlicher ist es aber, daß die westliche Forschung ihm bei weitem nicht die zu erwartende Aufmerksamkeit hat zukommen lassen. Dieser Befund gilt zumindest bis zum Aufkommen des politischen Fundamentalismus in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. So heißt es bei Little noch im Jahre 1973: "Curiously, Ibn Taymiyya has received relatively little attention from modem scholars; curiously, both because of what might be considered the disproportionate attention given to other Muslim thinkers, such as Ghazäli and al-l:Ialläj for example".13 Dies verwundert umso mehr, als Ibn Taymiyya verschiedentlich sogar mit keinem Geringeren als Martin Luther (gest. 1546) verglichen wird: 14 "Like Protestant Christi an reformers two centuries later in Europe, Ibn Taymiya placed the rational responsibility for reforming and purifying religion on the individual believer, for he lost faith in the ability of the established authorities to reform themselves.,,15 Angesichts derart vielfältiger Anlässe zu einer Beschäftigung mit 12 Nettler, Ronald L.: Ibn Taymiyah, Taqi al-Din Al.Jmad, in: The Oxford Encyclopaedia of the Modem Islamic World [OE], hrsg. v. lohn Esposito, Bd. 2, 165166, 165. 13 Little, Donald P.: The Historical and Historiographical Significance of the Detention of Ibn Taymiyya, in: International Journal of Middle East Studies 4 (1973), 311-327,320. 14 Vgl. Meier, Fritz: Das sauberste über die vorherbestimmung, in: Saeculum 32 (1981), 74-89, 77; Radtke, Bernd: Ibn Taymiya, der erste sunnitische "Fundamentalist", in: Die Welten des Islam: Neunundzwanzig Vorschläge, das Unvertraute zu verstehen, hrsg. v. Gernot Rotter, Frankfurt: Fischer Taschenbuch, 1994,33-38,36. Ein systematischer Vergleich aber - und sei es auch nur im Rahmen eines kürzeren Artikels - liegt bislang jedoch nicht vor. 15 Richard Martin and Mark R. Woodward with Dwi S. Atmaja, Defenders of Reason in Islam: MuCtazilism from Medieval School to Modem Symbol, Oxford, Rockport 1997, 124.

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Ibn Taymiyya stellt sich die Frage, in welcher Weise genau sich die westliche Wissenschaft bislang mit ihm auseinandergesetzt hat?16 Es schälen sich dabei zumindest die folgenden fünf Schwerpunktbereiche heraus, nämlich erstens Biographisches, zweitens seine Doktrin vom Heiligen Krieg (gihtid) und deren historische Einbettung, drittens seine sich aus einem stark literalistischen Textverständnis herleitende Theologie, viertens Ibn Taymiyyas Kritik an Sufismus, Heiligenverehrung und Volksislam sowie fünftens seine ,Karriere als Vater des islamischen Fundamentalismus': Die Biographie Ibn Taymiyyas ist aufsehenerregender als die eines üblichen Schariatsgelehrten. Als Kind hatte er aus seinem Heimatort l:Iarrän in Nordsyrien vor den einfallenden Mongolen nach Damaskus fliehen müssen. In dieser bedeutenden Gelehrtenmetropole erhielt er - der Familientradition folgend - eine klassische religionsrechtliche Ausbildung und erteilte schon früh selber Unterricht, Fatwas und Predigten. Für seine Glaubensüberzeugungen wurde er aber mehrfach von Kollegen angegriffen und von der mamlukischen Obrigkeit hart sanktioniert, so daß er insgesamt mehr als sechs Jahre in Kairo, Alexandria und Damaskus im Gefängnis verbringen mußte. In Anlehnung an die vormodemen Biographien Ibn Taymiyyas und biographischen Lexika aus Ägypten und Syrien orientieren sich noch heutige Untersuchungen in westlichen Sprachen in auffallendem Maße an den - meist zu theologischen Fragen ausgetragenen - Polemiken und den daraus resultierenden Heimsuchungen (mi/.lan, Sing. mibna) für Ibn Taymiyya einschließlich seiner verschiedenen Tribunale und Gefängnisaufenthalte. 17 Der Begriff mibna ist Muslimen nur allzu vertraut. Er knüpft an die berühmteste aller historisch verbürgten ,Heimsuchungen' an, nämlich diejenige Abmad Ibn l:Ianbals (gest. 855), des Eponyms der hanbalitischen Rechtsschule, welcher vom Bagdader Abbasidenkalifen al-Ma'mün (gest. 833) mehrfach inhaftiert und gedrängt wurde, seiner Doktrin von der Unerschaffenheit des Korans abzuschwören. 18 Die augennmige Parallele hat stark zum Nimbus von Ibn Taymiyya beigetragen. 19 Bezeichnenderweise 16 Die arabische und innerislamische Rezeption ist hier nicht Gegenstand und wird im folgenden allenfalls am Rande erwähnt. 17 Jackson, Sherman A.: Ibn Taymiyyah on Trial in Damascus, in: Journal of Semitic Studies 39:1 (1994), 41-85; Little, Significance of the Detention of Ibn Taymiyya, 311-327; Murad, Hasan Qasim: Ibn Taymiyya on Trial: A Narrative Account of his Mihan, in: Islamic Studies 18:1 (1979), 1-32. S. auch die bio- und bibliographischen Angaben bei Wein, Clemens: Die islamische Glaubenslehre (CAqida) des Ibn Taimaya, Dissertation Bonn 1973. 18 Für Einzelheiten s. Patton, W. M.: Ahmad ibn Hanbal and the Mihna, Leiden 1897. . . ,

19 Zur Bedeutung des Gefängnisses in der Modeme s. MitchelI, Timothy: L'experience de l'emprisonnement dans le discours islamiste: Une lecture d'Ayyam min hayati de Zaynab al-Ghazzali, in: Intellectuels et militants de l'islam contempo-

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soll er gestorben sein, nachdem man ihm im Gefängnis erstmals auch seine Schreibutensilien weggenommen hatte. Trotz solcher ungewöhnlichen Entwicklungen und z. B. der für einen Muslim ziemlich unüblichen Tatsache, daß er niemals verheiratet war, ist über ihn als Person und seine innere Entwicklung letzten Endes sehr wenig bekannt: "Ibn Taymiyya, in all his works, is characteristically reticent about relating his own experience"?O Was die Zeitgenossen und Spätere fesselt, ist die paradigmatische Situation seines aufrichtigen Widerstandes. Sein Leben hat gerade wegen der besonderen Verzahnung politischer Aktivitäten mit intellektuellem Schaffen und des Kampfes an verschiedenen Fronten zahlreiche Chronisten und Biographen angezogen. Die rein politisch orientierten Chronisten und Historiker nahmen die Rolle Ibn Taymiyyas allerdings weniger wahr als die Schariatsgelehrten selbst in den ihnen eigenen biographischen Traditionswerken. 21 rain, hrsg. v. G. Kepel u. Y. Richard, Paris: Editions du Seuil, 1990, 193-212, 194, 212, N. 5. 20 Thomas Michel, Ibn Taymiyya's Sharl? on the FutüJ:t al-Ghayb of cAbd al-Qädir al-JIlänI, in: Hamdard Islamicus 4 (1981), 3-12, 4. 21 Little, Significance of the Detention of Ibn Taymiyya, 311-327. Nicht hagiographisch ist die wichtige Biographie Ibn Taymiyyas in al-Bidäya wal-nihäya von seinem berühmtem schafiitischen Schüler Ibn KatIr. Sie wird ausgiebig bei Laoust, La Biographie d'Ibn TaimIya d'apres Ibn KathIr,-in: Bulletin des Etudes Orientales 9 (1943), 115-162, 115, dargestellt. Die Ausführungen zu Ibn Taymiyya in weiteren traditionellen Nachschlagewerken wurden von Murad zu Rate gezogen, allerdings ohne Berücksichtigung westlicher Sekundärliteratur, vgl. Murad, Ibn Taymiyya on Trial, 26-32. Die Berichte eines knappen Dutzend Historiker sind im arabischen Original in SaYb al-isläm Ibn Taymiyya: SIratuhu wa-abbäruhu cind al-mu'arribIn, von Saläh al-DIn al-Munaggid zusammengestellt und ediert, Beirut: Dar al-Kitäb alGadId, 1976. Für einige bibliographische Angaben zu klassischen und modemen Ibn Taymiyya-Biographien in arabischer Sprache s. Makari, Victor E.: Ibn Taymiyyah's Ethics: The Social Factor, Chico (Kalifomien) 1983, 232. Abgesehen von Ibn Taymiyyas eigenen Auskünften sind zwei Biographien, die in einem Abstand von drei Jahrhunderten geschrieben wurden, die wichtigsten Quellen zu seinem Leben, nämlich Mu~ammad Ibn cAbd al-HädI (gest. 1343) und - weniger detailliert und authentisch, aber gewisse Zusatzmaterialien enthaltend - MarI Ibn Yusuf al-KarmI al-MaqdisI (gest. 1623), s. Laoust, La Biographie d'Ibn TaimIya, 115. Ibn cAbd al-HädI, ein hanbalitischer Schüler von Ibn Taymiyya, verfaßte al-CUqud al-durriyya min manäqib saYb al-isläm A~mad Ibn Taymiyya, hrsg. v. Abu Mu~cab TalCat b. Fu'äd alI:IulwänI, [0.0.:] al-Färuq al-I:IadI!a lil-Tibäca wal-Nasr, 2002. Das Werk enthält Informationen aus erster Hand, wie Briefe und Memoiren aus dessen Gefängniszeit. MarIs Biographie trägt den Titel al-Kawäkib al-durriyya. Zu bei den s. Little, Significance of the Detention of Ibn Taymiyya, 316-317. Beide Biographien sind allerdings hagiographischer Natur: "Elles ont Je grand detaut d'etre uniquement laudatives et, sans ordre chronologique bien rigoureux, se boment a enumerer les principaux merites (manäqib) d'Ibn Taimäya", Laoust, La Biographie d'Ibn TaimIya, 115. In KarmIs Darstellung liest z. B. Ibn Taymiyya dem Mongolensultan Gäzän gehörig die Leviten, was unisiamische Zustände in dessen Heereslager angeht, Johannes 1. G. Jansen, Ibn Taymiyyah and the Thirteenth Century: A Formative Period of

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Auch Mittelalterhistoriker interessieren sich - in Anknüpfung an die Biographie Ibn Taymiyyas - für die Genese seiner Doktrinen, insb. derjenigen zum Heiligen Krieg (gihady22. Seine Lebenszeit fällt in die Epoche der endgültigen Vertreibung der Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land. Damit ging ein etwa 200jähriges Kapitel zu Ende, in dem versucht wurde, der ,bedrängten Christenheit beizustehen' und die Heiligen Stätten gewaltsam in Besitz zu bringen. 1291 gelangte Akkon, die Hauptstadt des Königreichs von Jerusalem wieder in die Hand der Muslime. Einen ungleich furchterregenderen Eindruck als die bereits abgehalfterten Christen aus dem Abendland machte auf die Muslime jedoch die unkontrollierbar erscheinende Mongolenexpansion nach Westen. Der Mongole Hülägü (1217-1265), ein Enkel Dschingis Khans, hatte 1258 das Reich der Abbasiden von Bagdad zerschlagen. 23 Die als unvermeidlich befürchtete weitere Westausdehnung der Mongolen mit ihrem Endziel einer Eroberung Ägyptens konnte durch die dort kurz zuvor an die Macht gelangten Mamluken 1260 in der Schlacht am Goliathsquell (S4yn Gäliit) unweit von Nazareth abgestoppt werden. Daß dieser Sieg ein endgültiger war, erschien jedoch zu Beginn des 14. Jahrhunderts bei erneuten Mongoleneinfallen in Syrien noch alles andere als klar. Erst später breitete sich generationenlang das Gefühl aus, einer ganz unglaublichen Heimsuchung entronnen zu sein?4 Der Historiker Ibn al-A!lr bezeichnet den Einfall der Tataren in Irak und Syrien als das größte Unglück, das je über die Menschheit gekommen sei?5 Anders als nachfolgende Generationen hatte Ibn Taymiyya eine solche Gewißheit der Rettung noch nicht. In zahlreichen Aktionen versuchte er immer wieder, die Mamluken militärisch gegen die Mongolen zu mobilisieren. Dies war insofern prekär, als Hülägüs Urenkel, Gäzän ljän (gest. 1304), 1295 mit seinem Heer zum Islam übergetreten war. 26 Der im Namen eines nach Kairo geflüchteten , Schattenkalifen ' geführte Kampf der Mamluken gegen Modern Muslim Radicalism, in: Quaderni di Studi Arabi [Venedig] 5-6 (1987-88), 391-396, 393. 22 Michot, Yahya J.: Un important temoin de l'histoire et de la societe mamlükes a l'epoque des Ilbäns et de la fin des Croisades: Ibn Taymiyya (ob. 728/1328), in: Egypt and Syria in the Fatimid, Ayyubid and Mamluk Eras, hrsg. v. U. Vermeu1en und D. de Smet, Leuven 1995, 335-353; Morabia, Alfred: Ibn Taymiyya, dernier grand theoricien du gihäd medieval, in: Bulletin d'Etudes Orientales 30 (1978), Melanges offerts a Henri Laoust, Bd. 2, 85-100; Hillenbrandt, Carole: The Crusades in Islamic Perspective, Edinburgh: University Press, 1999, insb. 241-243, 312. 23 Tatsächlich hatten sich verschiedene Statthalter längst de facto selbständig gemacht und eigene Dynastien begründet. 24 Haarmann, Ulrich: Der arabische Osten im späten Mittelalter 1250-1517, in: ders., Geschichte der arabischen Welt, 2. durchges. Auf!. München: Beck, 1991, 217-263, 217. 25 Kabbani, Marwan: Die Heiligenverehrung im Urteil Ibn TaymIyas und seiner Zeitgenossen, Dissertation Bonn 1979, 13.

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die Mongolen drohte somit auf die Stufe bloßer innerislamischer Kriegshandlungen abzugleiten?7 Von Damaskus aus reiste Ibn Taymiyya persönlich nach Ägypten, um den turkstämmigen Mamlukensultan Qalawun vom gottgefälligen Charakter des Krieges gegen die , abtrünnigen' Mongolen zu überzeugen. 28 Daß Ibn Taymiyya ein Theologe ersten Ranges ist, gilt als unbestritten. Man sieht ihn sogar "considered by common consent to be the greatest theologian of his century,,29. Seine spezielle Theologie ist durch die intensiven Verfolgungen eng mit seiner Biographie verzahnt. Auch im wissenschaftlichen westlichen Schrifttum stehen die aktuellen theologischen Auseinandersetzungen und Polemiken im Vordergrund. Diese betreffen insbesondere seine literalistische Koraninterpretation 3o, sein Verständnis des Wesens und der Eigenschaften Gottes (al-gm wal-$ifät) sowie seine radikale Betonung des Monotheismus. 3) 1298 erteilte er auf Anfrage der Bewohner des nordsyrischen Hama die nach dieser Stadt benannte CAqfda Ifamawiyya, ein umfassendes Glaubens-Credo, in dem sein streitbares anthropomorphistisches Gottes- und literalistisches Glaubensverständnis 32 bereits angelegt sind. Weitere solcher Bekenntnisse folgten auf Anfrage auch für andere Städte. 33 Nachdem die Mongolen zu Beginn des 14. Jahrhunderts aus Syrien vertrieben worden waren, brach für Ibn Taymiyya eine besonders in26 s. auch Berkey, Jonathan P.: The Mamluks as Muslims, in: The Mamluks in Egyptian Politics and Society, hrsg. v. Th. Philipp u. U. Haarmann, Cambridge UK: University Press, 1998, 163-173. 27 Sivan, Emmanuel: Ibn Taymiyya: Father of the Islamic Revolution; Medieval Theology & Modem Politics, in: Encounter [London] 60:5 (1983), 41-50, 42, spricht vom "mere dash between two Sunni states". 28 Er handelt als ein von seiner Mission der Notwendigkeit zur Reform durchdrungener Gelehrter. Wirklich politische Ambitionen waren ihm wohl letzten Endes fremd, Sivan, Ibn Taymiyya, 42. Als Aktivist hat er gleichwohl zu gelten, Michel, Ibn Taymiyya's Shar~ on the Futa~ al-Ghayb of cAbd al-Qädir al-JTIäni, 7. 29 Sivan, Ibn Taymiyya, 41. 30 Izharul-Haq, Muhammad: Ibn Taymiyyah and The Literal and Non-Literal Meaning of the Qur'an, in: Pharos: Research Journal of the Shaykh Zayed Islamic Centre, University of Peshawar 3:11 (1996),43-57. 31 Einen guten Einblick bietet Nagel, Tilman: Im Offenkundigen das Verborgene: Die Heilszusage des sunnitischen Islams, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2002, 363-395. 32 Nettler, Ibn Taymiyah, 165, spricht von seinem "austere exegetical literalism to the sacred sources". 33 Zur CAqida wäsi~iyya, welche vom irakischen Wäsi~ erbeten worden war, s. Wein, Die islamische Glaubenslehre (CAqida) des Ibn Taimiya; Laoust, Henri: La profession de foi d'Ibn Taymiyya: Texte, traduction et commentaire de la Wäsi~iyya, Paris: Librairie Orientaliste Paul Geuthner, 1986; M. Swartz: A Seventh-Century (A. H.) Sunni Creed: The CAqida Wäsi~iyya of Ibn Taymiya, in: Humaniora Islamica (1973), 91-131.

Ibn Taymiyya, Vater des islamischen Fundamentalismus?

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tensive Phase religiöser Streitigkeiten an. Er war involviert in Strafexpeditionen gegen islamische Sekten, denen Kollaboration mit den Mongolen und Franken vorgeworfen wurde. Seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit schiitischen u. a. Doktrinen wurde zwar polemisch vorgetragen, ist jedoch alles andere als simplistisch und beruht auf einer erstaunlich fundierten Bildung. Rahman bezeichnet Ibn Taymiyyas Kenntnisse der kompliziert verwobenen Meinungsunterschiede islamischer Gruppierungen sogar als "so highly nuanced that it defies description".34 Ibn Taymiyyas Zorn richtet sich in besonderem Maße gegen die Schiiten. 35 Auch interkonfessionellen Streitigkeiten widmete er breiten Raum, und zwar in einem für einen traditionellen islamischen Religionsgelehrten erstaunlichen Maße. Dies gilt gerade gegenüber den Christen. 36 Besonderes Interesse besteht auch an seiner Kritik der griechisch beeinflußten Philosophen bzw. an den Pseudo-Philosophen (mutafalsifa), wie er sie nennt. 37 Martin, weist zu Recht darauf hin, daß Ibn Taymiyya "urged Muslims to utilize the faculty of rational knowledge in order to achieve intellectual certainty about the meaning of revelation", denn er vertrat einen Rationalismus "bound by servitude to the claims of revelation".38 Den unbedingten Primat der Offenbarung verteidigt Ibn Taymiyya trotz all seiner Kenntnis rationalistisch geprägter Philosophen ganz ungebrochen. 34 Rahman, Fazlur: A Study of Islamic Fundamentalism: Revival and Refonn in Islam, Oxford: Oneworld, 2000, hrsg. u. einge!. v. Ebrahim Moosa, 163. 35 Laoust, Henri: L'influence d'Ibn Taymiyya, in: Islam: Past Influence and Present Challenge, hrsg. v. Alford T. Welch u. Pierre Cachia, Edinburgh: University Press, 1979, 15-33, 17, 19. Es war noch nicht so lange her, daß Saladin 1171 die Herrschaft der schiitischen Fatimiden über Ägypten beendet hatte. Deren Gedankengut war damit jedoch keineswegs beseitigt. 36 Michel, Thomas F.: A Muslim Theologian's Response to Christianity: Ibn Taymiyya's al-Jawiib al-s.a~f~, hrsg. u. übers. v. Thomas F. Michel, Delmar (NY) 1984. S. auch Roberts, Nancy N.: Reopening the Muslim-Christian Dialogue of the 1314th Centuries: Critical Reflections on Ibn Taymiyya's Response to Christianity in al-Jawiib al-Sahfh Li man baddala dfn al-masfh, in: The Muslim World 86 (1996), 3--4 (1996), 342-366; Siddiqi, Muzammil H.: Muslim and Byzantine Christian Relations: Letter of Paul of Antioch and Ibn Taymlyah's Response, in: Orthodox Christians and Muslims, hrsg. v. N. M. Vaporis, Brookline (MA): Holy Cross Orthodox Press, 1986, 33--45; Ibn Taymiyya, A~mad: Mas'alat al-kanä'is (The Question of the Churches), präsentiert u. übers. v. Benjamin 0' Keefe, in: Islamochristiana 22 (1996), 53-78. 37 Michel, Thomas: Ibn Taymiyya's Critique of Falsafa, in: Hamdard Islamicus 6:1 (1983),3-14. 38 Martin, Defenders of Reason in Islam, 124. Vg!. Abrahamov, Binyamin: Ibn Taymiyya on the Agreement of Reason with Tradition, in: The Muslim World 82 (1992), 256--273, 272. Hallaq, Wael B.: Ibn Taymiyya Against the Greek Logicians, übers., mit einer Ein!. u. Anm. v. Wael B. Hallaq, Oxford: Clarendon Press, 1993.

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Birgit Krawietz

Lange Zeit galten Hanbaliten aufgrund ihrer scharfen Auseinandersetzung mit speziellen Auswüchsen des Sufismus als dessen natürliche Antagonisten. Die Kritik Ibn Taymiyyas richtete sich indessen gegen die im Mamlukenreich populäre und insbesondere von Ibn al- cArabi39 (gest. 1240) vertretene Doktrin des mystischen Monismus, d. h. der grundsätzlichen Einheit alles Seienden (wal;dat al-wugüdy4° auf der einen und gegen mit allerlei synkretitischen Praktiken verbundene Gräberkulte und Pilgerstätten41 auf der anderen Seite - sowie ganz allgemein gegen falsche ,Heilige' und , Gottesfreunde , ,42 die sich ihren Adepten mit allerlei Wundertaten wie dem Laufen durch Feuer oder Scherben zu empfehlen pflegten. 43 Pseudo-religiöse Belustigungen musikalischer Natur (samä C) waren Ibn Taymiyya ein besonderer Dorn im Auge. 44 Im Kern geht es ihm darum, jedwede wie auch immer geartete Beeinträchtigung des wahren Monotheismus abzuwehren und die allerorten zu beklagende Abwendung von den klaren Aussagen der Gottesbotschaft wieder umzukehren. 45 Es wäre jedoch falsch, ihn als aufgeklärten Kritiker von Magie und Volksislam präsentieren zu wollen. 46 39 Speziell zu Ibn Taymiyyas Auseinandersetzung mit ihm Nagel, Im Offenkundigen das Verborgene, 378-389. 40 Knysh, Alexander D.: Ibn cArabI in the Later Islamic Tradition: The Making of a Polemical Image in Medieval Islam, Albany: State University of New York, 1999, 87-111; Homerin, Emil: Sufis and Their Detractors in Mamluk Egypt: A Survey of Protagonists and Institutional Settings, in: Islamic Mysticism Contested: Thirteen Centuries of Controversies and Polemics, hrsg. v. Frederick de Jong u. Bernd Radtke, Leiden [u.a.]: Brill, 1999,225-247,231-233,243. 4\ Olesen, Niels Henrik: Culte des saints et pelerinages chez Ibn Taimiyya, Paris 1991; Memon, Muhammad Umar: Ibn Taymlya's Struggle Against Popular Religion: With an Annotated Translation of his Kitäb iqti